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Multimedia Marketing

Studienbuch

0418
2016
978-3-8385-4415-1
978-3-8252-4415-6
UTB 
Thomas Urban
Andreas Carjell

Unternehmen können auf unterschiedliche Weise erfolgreich werben, etwa in Zeitungen, dem Fernsehen oder in einer App. Das Studienbuch skizziert diese Möglichkeiten und zeigt Besonderheiten auf - von der Kalkulation, über die Produktion bis hin zum Medienrecht. Ein Glossar am Ende des Buches hilft dabei, verwendete Fachbegriffe zu verstehen.

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 0000 UTB (M) Impressum_15.indd 1 08.12.14 10: 56 utb 4415 Thomas Urban, Andreas Carjell Multimedia Marketing Studienbuch mit Einführung zum Medienrecht von RAin Alexandra Rogner UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München Die Lösungen der Kontrollfragen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. Prof. Dr. Thomas Urban lehrt Multimedia Marketing, forscht an der Fachhochschule Schmalkalden und ist regelmäßig als Gastprofessor an in- und ausländischen Hochschulen tätigt. Diplom-Medienwirt (FH) Andreas Carjell ist Medienprojektmanager und arbeitet als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Fachhochschule Schmalkalden. Frau RAin Alexandra Rogner ist spezialisiert auf Medien- und IT-Recht. Sie lehrt diese Fachgebiete auch an der FH Schmalkalden, der DHBW Mosbach sowie der Berufsakademie Dresden und ist Referentin zahlreicher Seminare für Unternehmen. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft Konstanz und München 2016 Lektorat: Rainer Berger Coverillustration: © Maksym Yemelyanor · fotolia.com Gestaltung: Claudia Rupp, Stuttgart Druck und Bindung: Pustet, Regensburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4415 ISBN 978-3-8252-4415-6 5 Vorwort Die Nutzung von Medien ist ein zentraler Bestandteil in unterschiedlichen Bereichen des täglichen Lebens. In modernen Informationsgesellschaften haben Medien einen wesentlichen Einfluss auf die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes. Innovationen aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu Veränderungen des Mediennutzungsverhaltens der Rezipienten, reduzieren Markteintrittsbarrieren für neue Wettbewerber oder stellen neue Medienformate auf dem Markt bereit. Mit dem vorliegenden Studienbuch richten wir uns an Studierende des Marketings, der Kommunikationswissenschaften und der Wirtschaftsinformatik die einen breitgefächerten und praxisnahen Einblick in unterschiedliche Themenbereich des Multimedia Marketing erhalten möchten. Das Kapitel 1 führt in die Thematik ein, indem es den Leser sensibilisiert, wie sich die Medienmärkte entwickelt haben, wie diese seitens der Rezipienten aber auch der Werbewirtschaft genutzt werden und zeigt, wie die Mediennutzung in Unternehmen erfolgt. Im Kapitel 2 werden die grundlegenden Spezifika der einzelnen Medienmärkte diskutiert. Hierfür wurde eine einheitliche Vorgehensweise gewählt, damit sich die Teilmärkte auf Basis der gewonnen strukturierten Darstellung gut vergleichen lassen. Fallstudien und Beispiele stellen den Bezug zur Praxis her. Die Produktion von Mediengütern ist aufgrund ihrer Eigenschaften mit branchenspezifischen Charakteristika verbunden. Das Kapitel 3 widmet sich einerseits den Grundsätzen der Gestaltung sowie der Typografie und Schrift aber auch andererseits den Aspekten des Projektmanagements und der Kalkulation. Die Anforderungen an die Vermarktung von Medienprodukten betrachtet das Kapitel 4. Hierbei werden die vier Instrumente der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik sowohl für die Rezipienten als auch den Werbemarkt betrachtet. Das Kapitel 5 führt in die Thematik des Social Media Marketing ein. Neben den unterschiedlichen Social Media Instrumenten zeigt dieses Kapitel auch auf, wie Unternehmen für die erfolgreiche Umsetzung einer Social Media Strategie und deren Monitoring vorgehen sollten. Im abschließenden Kapitel 6 erfolgt ein Überblick zu dem sehr dynamischen Gebiet des Medienrechts. Die hier diskutierten Inhalte sollen beim Leser ein Problembewusstsein entwickeln, im Bereich Multimedia Marketing die rechtlichen Aspekte im Blick zu behalten und erläutern typische Problemstellungen. Eines der wesentlichen Merkmale des Medienmarktes ist seine erhebliche Dynamik und zunehmende Komplexität. 6 Im Rahmen der Erstellung dieses Studienbuchs erhielten die Autoren vielfältige konzeptionelle und inhaltliche Unterstützung. Unser besonderer Dank gilt Frau R A’in Alexandra Rogner, die mit viel Engagement, Professionalität und hohem zeitlichen Einsatz das Kapitel 6 „Medienrecht“ für dieses vorliegenden Fachbuch gestaltet hat. Weiterhin gilt unser Dank dem UVK Verlag und Herrn Rainer Berger für die gute Zusammenarbeit bei der Erstellung des Buches, und dessen Drucklegung. Wir hoffen, dass dieses Fachbuch den Lesern hilft, Medien besser kennen zu lernen und die Komplexität des Medienmarktes zu verstehen. Ihr Interesse soll auch für weiterhin Ansporn und Motivation für uns sein, dieses Studienbuch zu verbessern. Schmalkalden, März 2016 Thomas Urban und Andreas M. Carjell 7 Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Kapitel 1 Grundlagen des Multimedia Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1.1 Bedeutung und Entwicklung der Medienwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Medienmärkte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.3 Mediennutzung in Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1.4 Multimedia Marketing: Sichtweisen und Perspektiven . . . . . . . . . . . . 39 1.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 Kapitel 2 Spezifika der Medienmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2.1 Zeitungen und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.1.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.1.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2.1.3 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.1.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 2.1.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2.2 Buchmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2.2.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2.2.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2.2.3 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2.2.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 2.2.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 2.3 Film und Kino . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 2.3.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2.3.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 2.3.3 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2.3.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 2.3.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2.4 Rundfunk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 2.4.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2.4.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2.4.3 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2.4.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2.4.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2.5 Video- und Computerspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I nhalt 8 2.5.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2.5.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2.5.3 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2.5.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2.5.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2.6 Electronic Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2.6.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2.6.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2.6.3 Psychologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2.6.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2.6.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.7 Mobile Business . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2.7.1 Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 2.7.2 Ökonomie und Finanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 2.7.3 Psychologische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2.7.4 Führung und Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 2.7.5 Fallstudie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2.8 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Kapitel 3 Medienproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 3.1 Grundsätze der Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3.2 Typografie und Schrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 3.2.1 Bild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3.2.2 Grafik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 3.2.3 Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3.2.4 Animation und Bewegtbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3.2.5 Audio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3.3 Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3.3.1 Entstehung und Konzeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3.3.2 Start . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3.3.3 Planung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3.3.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 3.3.5 Abschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3.3.6 Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3.4 Kalkulation von Medienproduktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3.4.1 Produktion von Zeitungen und Zeitschriften . . . . . . . . . . . . . . 230 3.4.2 Produktion von Radiosendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 3.4.3 Fernsehproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 3.4.4 Crossmedia-Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 I nhalt 9 Kapitel 4 Vermarktung von Medienprodukten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4.1 Produktpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4.1.1 Produktpolitik auf dem Rezipientenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4.1.2 Produktpolitik auf dem Werbemarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 4.1.3 Markenpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 4.2 Preispolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 4.3 Kommunikationspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 4.3.1 Kommunikationspolitik auf dem Rezipientenmarkt . . . . . . . . . 277 4.3.2 Kommunikationspolitik auf dem Werbemarkt . . . . . . . . . . . . . 281 4.4 Distributionspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 4.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 Kapitel 5 Social Media Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 5.1 Social Media: Ebenen, Ziele und Potentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 5.2 Social Media Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 5.2.1 Blogs und Corporate Blogs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 5.2.2 Microblog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 5.2.3 Soziale Netzwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 5.2.4 Sharingplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 5.2.5 Onlineforen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 5.3 Social Media Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 5.4 Social Media Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 5.4.1 Erfolgsmessung im Unternehmen: Die Balanced Scorecard . . . . 314 5.4.2 Social Media Balanced Scorecard . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 5.5 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Kapitel 6 Medienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 6.1 Begriff und Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 6.2 Kurzüberblick über die einzelnen Rechtsgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 6.3 Medienproduktion und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.3.1 Schutz eigener Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 6.3.2 Verwendung fremder Inhalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 6.3.3 Nutzung von Personenfotos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 6.4 Vermarktung und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 6.4.1 Grundsätze der zulässigen Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 6.4.2 Irreführende Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I nhalt 10 6.4.3 Direktmarketing und unzumutbare Belästigung . . . . . . . . . . . . 347 6.5 Social Media . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 6.5.1 Wichtige Pflichtangabe: das Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 6.5.2 Grundlagen und Grenzen der Meinungsfreiheit . . . . . . . . . . . . 350 6.5.3 Haftung für fremde Inhalte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 6.6 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 Kapitel 1 Grundlagen des Multimedia Marketing  Lernziele Nach diesem Kapitel können Sie … ◼ den Begriff „Multimedia“ aus technologischer, psychologischer und wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive darstellen. ◼ die Entwicklung der einzelnen Medienmärkte im Zeitverlauf erklären. ◼ einzelne Medienmärkte anhand ihrer Charakteristika unterscheiden. ◼ Interdependenzen zwischen Medienmärkten beschreiben. ◼ unterschiedliche Wettbewerbsarten auf Medienmärkten erläutern. ◼ spezifische Eigenschaften der Medienprodukte sowie deren Produktion und Vermarktung charakterisieren. ◼ strukturelle Veränderungen auf Medienmärkten und die Konvergenzen im Informations- und Kommunikationsbereich darstellen. ◼ aufzeigen, wie die Mediennutzung in Unternehmen stattfindet. Die Digitalisierung von Informationen beschleunigt den Informationsfluss. Informationen werden immer schneller produziert und konsumiert, wobei die Inhalte verstärkt aus multimedialen sowie interaktiven Elementen bestehen. Für deren Übertragung wird sowohl das „klassische“ als auch „mobile“ Internet genutzt. Die technologischen Entwicklungen der Hard- und Software haben den Onlinezugang erleichtert. So wird das Internet zunehmend für die Informationsgewinnung genutzt und hat bereits das Fernsehen und den Printbereich als Hauptmedium abgelöst. In modernen Informationsgesellschaften haben Medien heutzutage eine hohe Bedeutung für die ökonomische und gesellschaftliche Entwicklung eines Landes. Zahlreiche Innovationen der Informations- und Kommunikationstechnologien führen zu weiteren Veränderungen des Mediennutzungsverhaltens der Rezipienten (Kunden), vereinfachen den Marktzutritt für neue Wettbewerber und ermöglichen die Bereitstellung sowie Nutzung neuer Medienformate. Dies hat nicht nur Auswirkungen auf technische, kulturelle und soziale Strukturen, sondern auch auf wirtschaftliche Aspekte. Die Rezipienten nutzen in der heu- G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 12 tigen Zeit eine Vielzahl von Medien, um die individuellen Informations-, Kommunikations- und Unterhaltungsbedürfnisse zu befriedigen. Insbesondere das Internet ist der Treiber für neue Nutzungsmöglichkeiten der Medien. Interaktive Formate erlauben eine stärkere Einbindung des Rezipienten sowohl in die Nutzung als auch die Erstellung medialer Produkte und können diese somit verstärkt personalisieren. Darüber hinaus hat sich das Internet zu einem etablierten Vertriebskanal für nahezu alle Medienformate entwickelt. Die Nutzung unterschiedlicher Distributionskanäle sowie der Transfer von Kernkompetenzen in verschiedene Mediengattungen sind zu wichtigen Erfolgsfaktoren nicht nur von Medienunternehmen geworden. 1 Im ersten Kapitel dieses Buches werden unterschiedliche Aspekte der Medienwirtschaft diskutiert. Zunächst erfolgt im Kapitel 1.1 eine grundlegende Betrachtung der Bedeutung und Entwicklung der Medienwirtschaft in Deutschland. Hierbei werden neben der Veränderung des Mediennutzungsverhaltens und der Reichweite einzelner Medien auch unterschiedliche geschlechts- und altersbezogene Nutzungsverhalten aufgezeigt. Kapitel 1.2 gibt einen grundlegenden Überblick zu den einzelnen Medienmärkten sowie den Besonderheiten für die werbetreibende Wirtschaft und die jeweiligen Rezipienten. Weiterhin erfolgt eine Diskussion hinsichtlich der unterschiedlichen Wettbewerbsdimensionen auf den Medienmärkten, der spezifischen Eigenschaften von Medienprodukten sowie den Konvergenzentwicklungen im Informations- und Kommunikationsbereich, welche zu erheblichen Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen für Medienunternehmen führen. Die auf dem Markt zur Verfügung stehenden Medieninstrumente setzen Unternehmen nicht nur für die Kommunikation mit ihren geschäftlichen und/ oder privaten Kunden ein, sondern auch unternehmensintern im Rahmen der Mitarbeiterkommunikation. Diesen Aspekt betrachtet das Kapitel 1.3. Hierzu werden zunächst die unterschiedlichen Richtungen für den Austausch von Informationen und Interaktionen in Form der Aufwärts-, Abwärts- und Seitwärtskommunikation erörtert, um anschließend einzelne Medieninstrumente zu diskutieren. Eine Betrachtung des Multimedia Marketing aus der technologischen, psychologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive erfolgt im Kapitel 1.4. Hierbei wird die ganze Bandbreite dargestellt, die im Rahmen von Multimedia Marketing zum Tragen kommt. Die Definition der beiden Begriffe „Medien“ und „Multimedia Marketing“ rundet das erste Kapitel dieses Buches ab. 1 Vgl. Wirtz (2013), S. 3. B edeutunG und e ntwIcklunG der M edIenwIrtschaft 13 1.1 Bedeutung und Entwicklung der Medienwirtschaft Der wachsende materielle Wohlstand in Deutschland in den 1950er und 1960er Jahren führte in allen Gesellschaftsschichten zu einer grundlegenden Veränderung im Verhältnis von Arbeitszeit und Freizeit. Gleichzeitig kam es zu einer Verlängerung der Zeitspanne zwischen Kindheit und Erwachsenalter mit Berufstätigkeit sowie Eheschließung. Die gewonnene Freizeit nutzten die Jugendlichen zunehmend zur Realisierung eigener Vorstellungen. So verabschiedeten sich die neu herausbildenden Jugendgruppen von erzieherischen und im tradierten Sinn gestalteten Wertevorstellungen. Dieser Prozess intendiert Fragen nach dem Stil und nach sozialemotionalen Austauschbeziehungen mit Gleichaltrigen. Die neuen Kommunikationsstrukturen ließen den verbalen und nonverbalen Austausch zwischen Gleichaltrigen zu einem immer wichtiger werdenden Teil eigener sozialer Erfahrungen sowie der Ausbildung der jeweiligen Identität werden. Insgesamt wurde die Mediennutzung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts durch eine Reihe markanter demographischer und soziokultureller Veränderungen nachhaltig beeinflusst. Zu den Wichtigsten zählte hierbei die deutliche Zunahme des individuellen Freizeitbudgets, welches auch sukzessiven Freiraum für den Medienkonsum schaffte. 2 Medium 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Fernsehen 113 125 125 121 135 158 185 220 220 Hörfunk 73 113 135 154 170 162 206 221 187 Tageszeitung 35 38 38 33 28 30 30 28 23 Internet - - - - - - 13 44 83 CD/ LP/ MC/ MP3 - - 15 14 14 14 36 45 35 Bücher - - 22 17 18 15 18 25 22 Zeitschriften - - 11 10 11 11 10 12 6 Video/ DVD - - - 2 4 3 4 5 5 Tab. 1.1: Nutzungsdauer der Medien in Min./ Tag 3 2 Vgl. Mühl-Benninghaus/ Friedrichsen (2012), S. 191 f. 3 Mo-So (Der Sonntag wurde erst ab 1990 in die Erhebung aufgenommen.), 05.00-24.00 Uhr, BRD gesamt (bis 1990 nur alte Bundesländer), Personen ab 14 Jahre (vgl. Eimeren/ Ritter (2011), S. 8). G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 14 Der Prozess einer sozialen und intellektuellen Neuorientierung vollzog sich über einen längeren Zeitraum und beeinflusste wesentlich die medialen Angebote der Anbieter und deren Nachfrage durch die Rezipienten. So prägten zum Teil noch bis in die 1990er Jahre Überzeugungen von der Höherwertigkeit überlieferter Kultur- und Kunstangebote gegenüber der Unterhaltung die Auffassungen und das Angebot der Inhaltebereitsteller. Im eklatanten Widerspruch hierzu bestimmte jedoch die über das Fernsehprogramm verbreitete Unterhaltung schon in den 1960er Jahren zunehmend das Alltagsverhalten. Nach der Installierung der Serviceprogramme im Hörfunk zu Beginn der 1970er Jahre dominierte auch das unterhaltende Angebot immer stärker die Mediennutzung. Mit der Einführung des dualen Rundfunks 1984 in Deutschland 4 entwickelten sich besonders das private Fernsehen und der Hörfunk zu professionellen Dienstleistern, welche sich inhaltlich und zeitlich an den Bedürfnissen der Rezipienten orientierten. Diese Entwicklungen führten jedoch noch nicht zu einer individuelleren Nutzung bei den audiovisuellen Medien, sondern zunächst zu einer verstärkten Fragmentierung des Publikums. Dies zeigte sich vor allem in den 1990er Jahren entstandenen Spartenkanälen im Nachrichten- oder Musikbereich. Die Dominanz von Hörfunk und das Fernsehen in der individuellen Mediennutzung wirkten sich auf die Rezeption anderer Medien unterschiedlich aus. 5 Medium 1970 1974 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Fernsehen 72 78 77 72 81 83 85 89 86 Hörfunk 67 70 69 76 79 75 85 84 79 Tageszeitung 70 73 76 73 71 65 54 51 44 Internet - - - - - - 10 28 43 CD/ LP/ MC/ MP3 - - 18 16 15 16 21 28 25 Bücher - - 22 21 20 21 18 23 21 Zeitschriften - - 22 20 19 22 16 17 11 Video/ DVD - - - 3 4 4 5 4 4 Tab. 1.2: Reichweite der Medien in Prozent 6 4 Kennzeichnend für den deutschen Rundfunkmarkt ist die duale Rundfunkordnung, d. h. ein Nebeneinander von öffentlich-rechtlichen und privaten Sendern. 5 Vgl. Mühl-Benninghaus/ Friedrichsen (2012), S. 191 f. 6 Mo-So (Der Sonntag wurde erst ab 1990 in die Ergebung aufgenommen.), 05.00-24.00 Uhr, BRD gesamt (bis 1990 nur alte Bundesländer), Personen ab 14 Jahre (vgl. Eimeren/ Ritter (2011), S. 8). B edeutunG und e ntwIcklunG der M edIenwIrtschaft 15 Bis zum Beginn der 1980er Jahre bestand der deutsche Medienmarkt aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dem Printmedium Tageszeitung, Zeitschriften, Buch, Kino und den Tonträgern in Form von Vinylplatten und Musikkassetten. Allerdings verdrängte die Compact Disk (CD) die Vinylplatten zunächst langsam und dann immer stärker. Diesen Wechsel in den Tonträgern leitete im Konsumbereich die Digitalisierung medialer Inhalte ein. Parallel begann Mitte der 1980er Jahre die Herausbildung des dualen Rundfunksystems. Mit Hilfe von Kabelbzw. Satellitenanschlüssen wurden die Voraussetzungen für eine Vervielfachung des audiovisuellen Programmangebots geschaffen. In der 1990er Jahren hielten schließlich PCs und elektronische Spielgeräte verstärkt Einzug bei den privaten Konsumenten. Allerdings nutzten im gesamten Jahrzehnt vor allem die Jüngeren den PC, auch wenn sich gegen Ende der 1990er Jahren vermehrt die Älteren dem neuen Medium zuwandten und somit die Relation zwischen den Alterskohorten in Bezug auf den Computerbesitz veränderten. 7 39% 61% 64% 73% 76% 78% 80% 81% 81% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 1998 2003 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Abb. 1.1: Anteil der privaten Haushalte in Deutschland mit einem Computer im Zeitraum 1998 bis 2012 8 7 Vgl. Mühl-Benninghaus/ Friedrichsen (2012), S. 199 f. 8 Vgl. Statista (2014a). G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 16 Innerhalb der beginnenden Digitalisierung kamen zahlreiche weitere Geräte auf den Markt wie u. a. DVD-Player, MP3-Player und DAT-Recorder. Die verstärkte Geräteausstattung der Haushalte führte bis zum Jahr 2000 nicht oder nur geringfügig zu Substitutionseffekten im Medienkonsum. Der bestimmende Trend aufgrund der Diversifizierung der Geräte war ein erheblicher Anstieg der Mediennutzung. So stieg die tägliche Nutzungsdauer der Medien von 346 Minuten pro Tag im Jahr 1980 auf 404 Minuten im Jahr 1995 und auf durchschnittlich 502 Minuten je Bundesbürger im Jahr 2000. Medium 1980 1985 1990 1995 2000 Fernsehen 125 121 135 158 185 Hörfunk 135 154 170 150 181 Tageszeitung 38 33 28 30 30 Zeitschriften 11 10 11 11 10 Bücher 22 17 18 15 18 CDs/ Schallplatten/ MCs 15 14 14 13 36 Videokassetten - 2 4 3 4 Internet - - - - 13 Tab. 1.3: Nutzungsdauer der Medien in Min./ Tag 9 Innerhalb der 1990er Jahre zeichneten sich mit dem Übergang zum Informationszeitalter auf der Ebene der Telekommunikation grundsätzliche Veränderungen ab. Diese hatten vor allem nach der Jahrtausendwende für die weitere Medienentwicklung eine entscheidende Bedeutung. So entwickelte sich einerseits das Internet als neue Kommunikationsplattform und andererseits begann sich der Mobilfunk als (neue) mobile Daten- und Kommunikationsinfrastruktur auf dem Markt zu etablieren. Zu Beginn der 1990er Jahre war das Telefon das weltweit am stärksten etablierte Medium. Jedoch stiegen die Telefonkanäle im Jahr 1998 auf 46,53 Millionen, 1999 auf 48,21 Millionen und im Jahr 2000 betrugen diese in Deutschland 50,22 Millionen. Der Grund für das rapide Wachstum lag in dem engen Zusammenhang zwischen Mobilnetz, Internet und Festnetzanschluss. Der Internetzugang setzte zunächst die Verfügbarkeit eines konventionellen Telefonanschlusses voraus. Das Mobiltelefon benötigt eine relative Dichte an speziellen Funknetzen. Somit war die expansive Ausbreitung von Internet und Mobilfunk an zeitgleiche, verstärkte Investitionen in die Telefonnetze gebunden. 10 9 Vgl. Berg/ Kiefer (2002), S. 38 ff. 10 Vgl. Mühl-Benninghaus/ Friedrichsen (2012), S. 202 f. B edeutunG und e ntwIcklunG der M edIenwIrtschaft 17 Das Internet hat seit dem Jahr 2000 einen raschen Bedeutungszuwachs erlebt. Im Zeitraum zwischen den Jahren 2000 und 2005 hat sich die Nutzungszeit um über 300 % auf 58 Minuten täglich erhöht und wird im Jahr 2015 auf prognostizierte 148 Minuten ansteigen. Wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich, weisen nur das Fernsehen und die Tonträger zwischen 2000 und 2015 eine Konstanz in der Nutzung auf, hingegen die Printmedien und der Hörfunk eine negative Tendenz. Grundsätzlich ist für die Zukunft eine moderat steigende Mediennutzung zu erwarten (vgl. Abb. 1.2). 11 Die Vernetzung von Computersystemen lässt neue Freiheitsgrade der elektronischen Kommunikation zu. Durch die weltweite Verbindung digitaler Daten und Informationswege im Rahmen der Informationsrevolution kommt es zu veränderten Kommunikationsformen, zur Auflösung von Marktgrenzen und einem Voranschreiten der Globalisierung. Individuelle Informationen lassen sich ohne räumliche Beschränkungen fast unendlich schnell innerhalb der elektronischen Datennetze übertragen. Besonders für die jüngere Generation gilt das weltweite Datennetz „Internet“ als das zentrale und wichtigste Informationssowie Unterhaltungsmedium. In Tabelle 1.4 ist die Entwicklung der Internetnutzung in Deutschland dargestellt. Wie zu erkennen ist, steigt die Internetverbreitung in Deutschland nur noch moderat. Die nur noch geringen Zuwachsraten bedeuten nicht, dass nahezu alle Bevölkerungssegmente ausgeschöpft sind. Dies trifft lediglich auf die bis 60-Jährigen zu. Hier sind inzwischen neun von zehn im Netz aktiv. Bei den ab 60-Jährigen stiegt von 2013 zu 2014 die Internetverbreitung um 6 % - von 42,9 % auf 45,4 %. Die größten Zuwächse stammen aus der Dekade „60 bis 69 Jahre“. In diesem Alterssegment erhöhte sich der Anteil der Onliner von 59,4 auf 65,1 %. Bei einer Hochrechnung der Internet-Zuwachsraten wird bis zum Jahr 2018 die Internetverbreitung in Deutschland auf rd. 85 % anwachsen. 12 11 Vgl. Wirtz (2013), S. 55. 12 Vgl. Eimeren/ Frees (2014), S. 379 f. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 18 0 100 200 300 400 500 600 700 376 473 543 574 613 1995 2000 2005 2010 2015 (Prognose) M e d i e n n u t z u n g p r o T a g i n M i n u t e n 55 58 57 158 185 202 150 181 196 13 36 30 13 58 53 49 206 209 187 173 33 34 95 148 Printmedien Fernsehen Hörfunk Tonträger Internet Abb. 1.2: Entwicklung der Mediennutzungszeit 13 B edeutunG und e ntwIcklunG der M edIenwIrtschaft 19 alle Angaben in % 2003 2006 2009 2012 2013 2014 Nutzer gesamt 53,5 59,5 67,1 75,9 77,2 79,1 Männer 62,6 67,3 74,5 81,5 83,5 83,7 Frauen 45,2 52,4 60,1 70,5 71,1 74,6 14bis 19-Jährige 92,1 97,3 97,5 100,0 100,0 100,0 20bis 29-Jährige 81,9 87,3 95,2 98,6 97,5 99,4 30bis 39-Jährige 73,1 80,6 89,4 97,6 95,5 97,4 40bis 49-Jährige 67,4 72,0 80,2 89,4 88,9 93,9 50bis 59-Jährige 48,8 60,0 67,4 76,8 82,7 82,1 60-Jährige u. älter 13,3 20,3 27,1 39,2 42,9 45,4 in Ausbildung 91,6 98,6 98,0 100,0 100,0 100,0 berufstätig 69,6 74,0 82,3 90,7 89,6 92,8 Rentner; nicht berufstätig 21,3 28,3 34,7 44,7 50,2 51,3 Tab. 1.4: Internetnutzer in Deutschland 2003 bis 2014 14 Die weiter steigende Internetnutzung in den nächsten Jahren ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass im Rahmen der Konvergenz unterschiedliche Medienprodukte zunehmend über das Internet vertrieben werden. Dies bedeutet insbesondere für die Medien Print und Radio in Zukunft eine noch stärke Distribution über das Internet. Aber auch das klassische Fernsehen erlangt durch das Internet Veränderungen. Aufgrund der Rückkanalfähigkeit des Internets können über dieses Medium verteilte TV-Programme um interaktive Funktionen ergänzt werden. Dies ermöglicht eine wesentlich attraktivere Programmgestaltung als beim klassischen TV. 15 So hatte im Jahr 2014 bereits jeder dritte Onliner ein internetfähiges Fernsehgerät (2013: rd. 29 %). Genutzt wurde diese Möglichkeit allerdings nur von 18 % (2013: 12 %). 16 13 Vgl. Berg/ Kiefer (2002), S. 38 ff.; Wirtz (2013), S. 56. 14 Vgl. Eimeren/ Frees (2014), S. 380. 15 Ebenda, S. 57. 16 Vgl. Eimeren/ Frees (2013), S. 373; Busemann/ Tippelt (2014), S. 409. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 20 alle Angaben in % Gesamt Frauen Männer 14-29 J. 30-49 J. 50-69 J. ab 70 J. Computer bzw. Laptop 95 93 96 95 95 94 94 Computer bzw. PC 59 51 66 60 55 63 61 über Laptop 69 72 67 74 72 65 58 Smartphone 57 55 59 81 64 36 12 „normales“ Handy 5 7 4 5 5 7 5 Spielekonsole 13 8 18 27 12 4 4 MP3-PLayer 6 5 6 9 5 4 3 Fernseher 18 15 20 22 16 16 16 Tablet-PC 28 29 28 29 37 20 13 E-Book-Reader 6 6 6 5 8 5 7 Ø -Geräteanzahl 2,8 2,7 3,0 3,5 2,9 2,3 1,9 Tab. 1.5: Genutzter Internetzugang 2014 nach Geschlecht und Alter 17 Die Ausweitung des Internets ist nicht nur auf die Nutzung von Desktopanwendungen zurückzuführen, sondern auch auf mobile Endgeräte und die zunehmende Bedeutung der Unterwegskommunikation. Personen, die mobile Endgeräte verwenden, sind häufiger und länger im Netz als Personen, die das Internet über Smartphones, Tablets, MP3-Player oder E-Book-Reader nicht nutzen. War bis zum Jahr 2008 der stationäre PC das Mittel der Wahl für den Internetzugang (85 %), nutzen diesen Zugang im Jahr 2014 nur noch 59 % (2013: 67 %). Im Gegenzug gewinnen Laptop, Tablet-PC und Smartphone immer stärker an Zuspruch. Rund 69 % der deutschen Onliner sind im Jahr 2014 über einen Laptop ins Netz gegangen (2008: 40 %). Der Anteil derjenigen, die dafür ihr Smartphone nutzen, stieg von 4 % im Jahr 2008 auf 57 % im Jahr 2014 (2013: 45 %) an. 18 Parallel zur zunehmenden Konvergenz der Endgeräte zeichnet sich auf der Nutzerseite eine Spezialisierung ab. Je nach Nutzungsabsicht und Nutzungssituation kommen unterschiedliche mobile Endgeräte zum Einsatz: um sich unterwegs zu informieren und zu kommunizieren das Smartphone, der Tablet-PC zu Hause oder als Second Screen 19 beim Fernsehen. Die Beliebtheit mobiler Endgeräte und der Wunsch der Konsumenten nach „Überall-Internet“ werden weiter 17 Vgl. Eimeren/ Frees (2014), S. 384. 18 Vgl. Eimeren (2013), S. 3; Eimeren/ Frees (2014), S. 384. 19 Unter dem Schlagwort „Second Screen“ wird die Parallelnutzung von Fernsehen und Internet zusammengefasst. M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 21 ansteigen, was auch zur Folge haben wird, dass der herkömmliche stationäre PC mehr und mehr von seiner einst zentralen Bedeutung verliert. Für die Anbieter medialer Inhalte bedeutet dies, dass die unterschiedlichen Anforderungen der Endgeräte durch responsive Webdesigns 20 berücksichtigt werden müssen, da Erscheinungsbild und Funktionalität der jeweiligen Angebote von den genutzten Endgeräten abhängig sind. 1.2 Medienmärkte im Überblick Medienmärkte weisen Besonderheiten auf, welche sie von anderen Marktsektoren unterscheiden. Die spezifische Besonderheit von Unternehmen, die auf Medienmärkten interagieren, besteht darin, dass sie ihre Leistungen auf zwei Absatzmärkten gleichzeitig anbieten. Einerseits werden Leistungsbündel aus Information sowie Unterhaltung (Content) und andererseits für werbliche Zwecke erstellt. Diese beiden Teilleistungen verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen: 21 ◼ Rezipienten, als direkte Konsumenten von Medienprodukten, ziehen einen Nutzen aus dem Informations-, Bildungs- und Unterhaltungswert des angebotenen Produktes. ◼ Die werbetreibende Wirtschaft generiert einen Nutzen aus der durch das Medienprodukt generierten Konsumentenaufmerksamkeit und nutzt diese für die Vermittlung von Werbebotschaften. Auf dem Rezipientenmarkt dienen informationsorientierte Medienprodukte den Nachfragern neben der reinen Aufnahme der angebotenen Informationen auch der Meinungsbildung. Sie helfen dem Rezipienten, Entscheidungen in privaten oder beruflichen Bereichen zu treffen. Im Unterhaltungsbereich dient die Nutzung der Medien meist vor allem der Entspannung und Entschleunigung im Alltag. Ferner bieten speziell die unterhaltungsorientierten Angebote der Medienindustrie Gesprächsstoff für die Kommunikation mit Freunden und Bekannten. In der nachfolgenden Abbildung ist ersichtlich, dass sich die Absatzmärkte auf der Konsumentenseite vor allem durch die Art und Weise, wie die Rezipienten den Medieninhalt aufnehmen, z. B. als Leser, Zuschauer, Hörer oder User, unterscheiden. Die Medienunternehmen erstellen hierbei den Content, der in den angebotenen Produkten enthalten ist, in der Regel nicht vollständig in Eigenproduktion. Sowohl im Informationsals auch im Unterhaltungsbereich sind daher 20 Die unterschiedlichen Anforderungen an das Erscheinungsbild der Inhalte sowie das Webdesign ist abhängig von den Bildschirmgrößen der mobilen Endgeräte. Diese Anforderungen müssen von den Anbietern berücksichtigt werden. 21 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 26. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 22 auch die Beschaffungsmärkte für die Inhalte von Bedeutung. Dabei variiert die Relevanz der Beschaffungsmärkte, da der Anteil des eigenproduzierten Content sowohl in Abhängigkeit von der jeweiligen Branche als auch branchenintern unterschiedliche Ausmaße annimmt. Des Weiteren stellen die Beschaffungsmärkte für die Inhalte auch teilweise Absatzmärkte für die Medienunternehmen dar. So können diese bspw. die kompletten Rechte an einem Ereignis kaufen und in Form von Zweitverwertungsrechten wieder weiterverkaufen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, eigene Produktionen weiterzuverwerten. Internet-/ Multimedia- Märkte Video- und Computerspielemärkte Musikmärkte TV-Märkte Filmmärkte Zeitungsmärkte Buchmärkte Radiomärkte Zeitschriftenmärkte Medienmärkte Märkte für nicht elektronische Medien: Printmärkte Märkte für elektronische Medien User-Märkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte User-Märkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Hörermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Zuschauermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Zuschauermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Lesermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Lesermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Hörermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Lesermärkte Werbemärkte Beschaffungsmärkte Abb. 1.3: Abgrenzung der Medienmärkte 22 22 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 44. M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 23 23 Vgl. Statista (2014b). Werbung ist eigentlich ganz hilfreich für den Verbraucher Werbung im Fernsehen halte ich für recht informativ Anzeigen in Zeitungen, Zeitschriften halte ich für recht informativ Werbung ist meist recht unterhaltsam Ich sehe mir eigentlich ganz gerne Anzeigen in Zeitschriften, Zeitungen an 2009 2010 2011 2012 Anteil der Befragten in % 58,6 61,2 61,8 43,6 45,5 47,5 43,2 46,2 48,1 48,3 50,7 51 56,2 58,1 0 10 20 30 40 50 60 70 62,1 47,9 48,2 50,5 58,5 58,4 Abb. 1.4: Einstellungen der Deutschen zu Werbung von 2009 bis 2012 23 G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 24 Für die werbetreibende Wirtschaft besteht das Problem, die jeweiligen Werbebotschaften zu den potentiellen Kunden zu distribuieren, wobei eine besondere Schwierigkeit darin besteht, dass sich die zu erreichende Zielgruppe die Werbeinhalte und Produktinformationen i. d. R. nicht aus eigenem Antrieb beschafft. Im Gegenteil, die Werbung wird von einigen Konsumenten sogar als überflüssig, lästig oder störend empfunden. 24 Wie in Abbildung 1.4 ersichtlich ist, haben die Deutschen eine zunehmend positive Einstellung zur Werbung. Medienunternehmen bieten daher eine wichtige Dienstleistung an, indem sie die Werbebotschaften an redaktionelle Inhalte koppeln. Für die Werbetreibenden ergeben sich im Rahmen von Massenmedien, die im Wesentlichen als Werbeträger zu charakterisieren sind, die folgenden drei wichtige Nutzeffekte: 25 ◼ Verbreitung: Medienunternehmen nehmen die Distribution der Werbebotschaften an die Zielgruppen vor und koordinieren diese bspw. durch den Verkauf von Zeitschriften über den Einzelhandel oder in Form von Werbespots im Fernsehen. Die für die Distribution notwendige technische und logistische Infrastruktur muss von den werbetreibenden Unternehmen daher nicht selbst aufgebaut werden. ◼ Erhöhung der Wirkungswahrscheinlichkeit: Wenn Werbung von den potentiellen Kunden ungern rezipiert wird, ist es wichtig, ein geeignetes Umfeld für die Einbettung der Werbeinhalte zu finden. Die redaktionellen Inhalte von Medienprodukten bieten ein solches Werbeumfeld, um so die Aufmerksamkeit der Zielgruppe(n) zu erreichen. ◼ Produktion: In einigen Sektoren übernehmen die Medienunternehmen auch Teile der Werbemittelproduktion, wie bspw. den Druck von Anzeigen in Printmedien. Generell streben werbetreibende Unternehmen an, die Werbebotschaften so genau wie möglich an die avisierte(n) Zielgruppe(n) weiterzugeben. Hierbei verfolgen sie zwei Ziele: ◼ Minimierung von Streuverlusten: Streuverluste entstehen, wenn Werbung innerhalb eines medialen Produktes platziert wird, dieses die Werbezielgruppe jedoch gar nicht erreicht. ◼ Maximierung der Zielgruppenabdeckung: Ist erfüllt, wenn die Werbung alle Personen einer definierten Zielgruppe mit Hilfe von Werbeträgern erreicht. Eine entscheidende Rolle spielt daher die inhaltliche Ausgestaltung der Werbebotschaft. Wenn es bspw. einer Zeitschrift gelingt, einen für bestimmte Unternehmen attraktiven Leserkreis zu etablieren, so kann sich das mediale Produkt auch als hochwertiger Werbeträger im Werbemarkt positionieren. Eine in absoluten Zahlen gemessene große Reichweite wäre in diesem Fall nicht mehr entschei- 24 Vgl. Wirtz (2013), S. 35; Schumann/ Hess (2009), S. 27 f. 25 Vgl. Schumann/ Hess (2009): S. 29. M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 25 dend. In der nachfolgenden Tabelle sind typische Kennzahlen für unterschiedliche Medienprodukte dargestellt. Mediales Produkt Kennzahl Definition Zeitungen/ Zeitschriften verkaufte Auflage Anzahl der an den Endverbraucher abgesetzten Exemplare einer Ausgabe aus Verkauf und Abonnement Reichweite Anzahl der Leser einer Zeitung oder Zeitschrift (im Allgemeinen deutlich höher als die verkaufte Auflage) Verbreitung relative oder absolute Absatzmenge in verschiedenen geografischen Regionen Rundfunk Reichweite Anzahl der Zuschauer, die in einem bestimmten Zeitintervall erreicht werden Einschaltquote Anteil an der gesamten Zuschaueranzahl in einem bestimmten Zeitintervall Internet Visits zusammenhängende Seitenabrufe einer Website durch einen einzelnen Benutzer PageImpressions Anzahl der Abrufe einer Website durch einen Benutzer AdClicks Anzahl der angeklickten Werbebanner Click-Through-Rate AdClicks/ PageImpressions Tab. 1.6: Typische Mediakennzahlen im Überblick 26 Basierend auf der bisherigen Diskussion sind die drei Teilmärkte (Werbe-, Inhaltebeschaffungs- und Rezipientenmarkt) in der nachfolgenden Abbildung zusammenfassend dargestellt. Dabei ist ersichtlich, dass zwischen den Märkten starke Interdependenzen bestehen, wobei diese jedoch eine unterschiedliche Intensität haben. So ist eine starke Beziehung zwischen dem Inhaltebeschaffungs- und Rezipientenmarkt vorhanden, da die Attraktivität der Inhalte den Nachfragerfolg bei den Rezipienten maßgeblich beeinflusst. Eine Analogie ist auch zwischen dem Werbe- und Rezipientenmarkt zu sehen, da der Werbeerfolg die jeweiligen Werbeeinnahmen mitbestimmt. Vor allem in den Bereichen, in denen die Inhaltebeschaffung - wie bspw. der Kauf von Sendelizenzen im Sportbereich für TV-Übertragungen - mit hohen Investitionen verbunden ist, sind die erzielbaren Werbeeinnahmen eine wichtige Bestimmungsgröße (a) für die Investitionshöhe in diesem Bereich und (b) für die Attraktivität der Inhalte. 27 26 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 31. 27 Vgl. Wirtz (2013), S. 37. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 26 Höhe der Werbepreise Erlöse Rezipientenerfolg Werbezuspruch Aufmerksamkeit/ Erlöse Inhalte Erlöse Inhalte Beschaffungserfolg Struktur der Inhalte Zielgruppen Erlöse Medien- und Internetunternehmen Werbemarkt Rezipientenmarkt Inhaltebeschaffungsmarkt Abb. 1.5: Interdependenzen zwischen den Medienmärkten 28 Zwischen den auf den jeweiligen Medienmärkten (vgl. Abb. 1.3) vertretenen Unternehmen kann Wettbewerb in den nachfolgenden vier Dimensionen auftreten. Wettbewerbsdimension Ausprägung ökonomischer vs. publizistischer Wettbewerb ◼ Der ökonomische Wettbewerb wird anhand monetärer Erfolgskennzahlen wie Gewinn, Marktanteil, Absatz- oder Umsatzzahlen ausgedrückt. ◼ Der publizistische Wettbewerb unterliegt qualitativen Erfolgsmaßstäben, wie der Aktualität der Informationen, Meinungsvielfalt oder der Ausgewogenheit in der Berichterstattung. Multimediawettbewerb ◼ Durchführung einer teilmarktspezifischen Betrachtung des Wettbewerbs (Rezipienten-, Werbe- und Beschaffungsmärkte). ◼ Wettbewerb auf dem Rezipientenmarkt ist der wichtigste, da hier einerseits ein bedeutender Teil der Erlöse erzielt wird und andererseits der entsprechende Erfolg einen hohen Einfluss auf das Ergebnis im Werbemarkt hat. 28 Vgl. Wirtz (2013), S. 38. M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 27 intervs. intramediärer Wettbewerb ◼ Der intermediäre Wettbewerb bezeichnet den Wettbewerb von Mediengattungen untereinander, wie bspw. zwischen Print- und TV-Produkten. ◼ Die jeweilige Wettbewerbsintensität hängt von der Substituierbarkeit der Medien ab. ◼ Der intramediäre Wettbewerb bezieht sich auf die Konkurrenz von unterschiedlichen Medienkategorien auf allen relevanten Märkten (Frankfurter Allgemeine Zeitung vs. Süddeutsche Zeitung oder RTL vs. ProSieben). Nachfragekomponentenwettbewerb ◼ Dieser ist für die Konsumentenmärkte von Relevanz. ◼ Auf den Konsumentenmärkten besteht ein Wettbewerb um die Ausgaben für den Kauf von Medienprodukten, um das Zeitbudget der Zuschauer sowie um die Aufmerksamkeit der Rezipienten. ◼ Beachtung der Opportunitätskosten der Rezipienten. Tab. 1.7: Unternehmenswettbewerb auf Medienmärkten 29 Des Weiteren bieten Medienunternehmen Produkte an, die einerseits einen komplexen und für unterschiedliche Zielgruppen nutzenstiftenden Charakter haben, die aber andererseits von ganz spezifischen Eigenschaften gekennzeichnet sind, die Einfluss auf die jeweilige Vermarktung und Produktion haben und nachfolgend erläutert sind. 30 ◼ Dualer Charakter von Medienprodukten Die angebotenen Produkte von Medienunternehmen lassen sich in zwei Teile zerlegen: Zum einen sind dies die eigentlichen Inhalte und zum anderen das zur Übertragung erforderliche Medium. Erst beide Teile zusammen ergeben ein vollständiges Medienprodukt. Durch die Digitalisierung lassen sich Inhalte und Medium leicht voneinander trennen und eröffnen die Möglichkeit, Inhalte effizient in anderen Medien zu verwerten. ◼ Medienprodukte sind Verbundprodukte Medienerlöse werden i. d. R. aus Verkaufs- und Werbeeinnahmen generiert. Bei der Erstellung eines Medienproduktes müssen die Anforderungen der Rezipienten und der Werbekunden vom Management gleichermaßen berücksichtigt werden, um den langfristigen Markterfolg sicherzustellen. Ausnahmen bilden nur Bücher oder Pay-TV, da mit diesen Produkten i. d. R. keine Werbebotschaften verbunden sind. ◼ Medienprodukte als (de)meritorische Güter Meritorische Güter sind dadurch gekennzeichnet, dass diese zu gering nachgefragt werden, wenn als Maßstab ein gesellschaftlich wünschenswerter Versor- 29 Vgl. Wirtz (2013), S. 38 ff.. 30 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 34 ff.; Wirtz (2013), S. 48 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 28 gungsgrad herangezogen wird, welcher von staatlichen Entscheidungsträgern festgelegt wird. Die Nachfrage muss durch Subventionen oder Konsumzwang korrigiert werden. Ein Beispiel dafür ist die reduzierte Umsatzsteuer auf Printprodukte, welche ähnlich einer Subvention wirkt. Allerdings gibt es auch Meinungen, dass einige Medienprodukte auch demeritorischen Charakter haben. Dies ist dann der Fall, wenn Medienprodukte in größerem Umfang konsumiert werden, als dies gesellschaftlich wünschenswert wäre. Hierzu zählt bspw. die häufige Ausstrahlung von Sendungen mit Darstellung von Gewalt. ◼ Erfahrungsgutcharakter von Medienprodukten Erfahrungsgüter sind jene Güter, deren Qualität vom Konsumenten vor dem Konsum (ex-ante) nicht beurteilt werden kann, sondern sich erst während der Nutzung offenbart. So lässt sich der Wert einer Nachrichtensendung erst dann beurteilen, wenn sich diese vollständig angesehen wurde. Diese ex-ante Bewertung führt zu Problemen, die unter dem Begriff Informationsparadoxon zusammengefasst werden. Das Informationsparadoxon beschreibt im Kern die Schwierigkeit, Informationen gegen ein Entgelt an den Nachfrager zu verkaufen. So haben auf der einen Seite die Nachfrager bei Unkenntnis der Information und somit auch des jeweiligen wirtschaftlichen Nutzens aber auch bei Kenntnis der Information und deren Nutzen eine geringe Zahlungsbereitschaft. ◼ Medienprodukte als öffentliche Güter Öffentliche Güter haben die Merkmale der Nichtausschließbarkeit vom Konsum und die Nichtrivalität im Konsum. Die Nichtausschließbarkeit liegt dann vor, wenn es dem Anbieter eines Produktes nicht möglich ist, bestimmte Nutzer vom Konsum auszuschließen. So ist es dem öffentlichen Rundfunk kaum möglich, den Empfang der Sendungen durch Haushalte zu verhindern, die keinen Rundfunkbeitrag entrichtet haben. Bei der Nichtrivalität ist zu unterscheiden, ob die Betrachtung den Content oder auch das Trägermedium umfasst. Für den Content ist die Eigenschaft der Nichtrivalität zutreffend, da sich Informationen durch den Konsum nicht abnutzen. Differenzierter ist die im Bereich des Trägermediums zu sehen. So kann sich bspw. beim Video- Streaming im Internet die Zahl der gleichzeitigen Zugriffe negativ auf das Reaktionsverhalten des betroffenen Servers auswirken, sodass die technische Bereitstellung nicht in der erwarteten Qualität erfolgt. ◼ Medienprodukte als Dienstleistungen Medienprodukte stellen eine Mischung aus Dienstleistung und Sachgut dar. Die konstitutiven Eigenschaften einer immateriellen Dienstleistung erfüllen Medienprodukte zum Zeitpunkt der Produktion. So werden für die Aufführung eines Musikstückes Stimmen und Klänge benötigt, welche erst im Moment der Leistungserstellung entstehen. Die mitwirkenden Musiker und Instrumente sind die sachlichen und personellen Ressourcen, die zur Erstellung der Dienstleistung Musik notwendig sind. Da für die meisten Medien- M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 29 produkte eine Speicherung auf einem Trägermedium notwendig ist, um das Produkt dem Kunden zugänglich zu machen, werden Medien auch als veredelte Dienstleistungen bezeichnet, die teilweise Sachgut- und teilweise Dienstleistungscharakter aufweisen. ◼ Medienprodukte als Netzeffektgüter Bei einigen Medienprodukten zeigt sich die Besonderheit, dass ihr Wert nicht durch Knappheit des Gutes steigt, sondern auf Masse beruht und für Konsumenten in dem Maße steigt, wie die jeweilige Verbreitung des Produktes zunimmt. Klassische Beispiele finden sich bei kommunikationsorientierten Produkten wie dem Smartphone. Der Wert dieses mobilen Endgerätes für einen Nutzer hängt von der Anzahl der insgesamt genutzten Smartphones ab. Der Effekt, der auf dem durch die Verbreitung eines Produktes entstehenden Konsumenten-„Netz“ beruht, wird als Netzeffekt bezeichnet, welcher direkter oder indirekter Natur sein kann. Bei einem indirekten Netzeffekt entsteht der Nutzen für den Konsumenten, direkt durch die Verbreitung eines Gerätes oder auch Medienproduktes (z. B. Internet-Chat, Social Community) auf dem Markt. Indirekte Netzeffekte sind für Systemprodukte charakteristisch, bei denen der Nutzen eines Produktes für den Konsumenten indirekt durch die Verbreitung von Komplementärprodukten bestimmt wird. So erhöht sich bspw. der Nutzen eines Smartphones, je mehr Apps für das installierte Betriebssystem zur Verfügung stehen. ◼ Starke Fixkostendegression Medienprodukte besitzen eine spezifische Kostenstruktur, die sich deutlich von denen anderer Industrien unterscheidet. 31 Sie weisen einen besonders hohen Anteil fixer Kosten an den Gesamtkosten auf. Durch den hohen Fixkostenanteil tritt bei der Produktion in Medienunternehmen einerseits eine starke Degression der Bündel- und Herstellungskosten sowie andererseits in besonders hohem Maße bei digitalen Medien eine starke Degression in der Distribution auf. Das Produkt der ersten beiden Stufen der Wertschöpfung der Medienindustrie (Erzeugen und Bündeln) wird als First-Product-Copy des Medienproduktes bezeichnet und dient als Vorlage für die später am Markt distribuierten Einheiten. Auf diese erste Kopie entfällt ein Großteil der Gesamtkosten, während für die Erzeugung von weiteren Kopien und die darauf folgende Distribution vergleichsweise geringe Kosten anfallen. Die Situation auf den deutschen Medienmärkten ist durch strukturelle Veränderungen gekennzeichnet. Zum einen erfährt das Wettbewerbsumfeld der klassischen Medienunternehmen tiefgreifende Veränderungen, da neue Marktteilnehmer aus der Computer- oder Telekommunikationsbranche in die Medienmärkte eintreten. Zum anderen wird aber auch die Abgrenzung der einzelnen Märkte 31 Zur Medienproduktion siehe Kap. 3.4 G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 30 untereinander schwieriger, da die Grenzen zwischen den Medien-, Computer- und Telekommunikationsprodukten fließend werden. Die Ursache für diese Veränderungen ist in der zunehmenden Konvergenz zwischen den Bereichen Medien, Informationstechnologie und Telekommunikation zu sehen. Diese Konvergenz im Informations- und Kommunikationsbereich bezeichnet in Kürze Folgendes: 32 ◼ die Annäherung der zugrunde liegenden Technologien, ◼ die Zusammenführung einzelner Wertschöpfungsbereiche aus der Telekommunikation-, der Medien- und der Informationstechnologiebranche sowie ◼ das Zusammenwachsen der Märkte insgesamt. Als Treiber der Konvergenzentwicklung können die in der nachfolgenden Abbildung dargestellten drei Sachverhalte angeführt werden: 33 ◼ Digitalisierung: Diese eröffnet neue Darstellungs-, Speicherungs- und Distributionsmöglichkeiten für Medienprodukte. Die Digitalisierung bildet die technologische Basis der Konvergenz. Gleichzeitig hat sie auch Auswirkungen auf die technologischen Infrastrukturen. Mit der Umstellung vom analogen zum digitalen Datenverkehr werden unterschiedliche Kommunikationsnetzwerke für die Datenübertragung nutzbar und damit auch untereinander substituierbar. So kann bspw. ein Internetzugang über Telefon-, Kabel-, Satelliten- und Mobilfunknetze sowie WLAN erfolgen. ◼ Deregulierung der Informations-, Kommunikations- und Medienmärkte: Umfangreiche Deregulierungen wurden seit Mitte der 1990er Jahre in den USA durchgeführt. Auch in der EU führten Deregulierungen, wie bspw. die Liberalisierung des Telekommunikationssektors, zum Auf bau wettbewerblicher Strukturen in der Informations-, Kommunikations- und Medienindustrie. ◼ Veränderung der Nutzungspräferenzen: Die Erweiterung des Angebots an medialen Dienstleistungen hat zu einer Fragmentierung des Medienkonsums geführt. Insbesondere die jüngeren Konsumenten nutzen eine Vielzahl unterschiedlicher Angebote, um die Informations-, Unterhaltungs- und Kommunikationsbedürfnisse zu befriedigen. Gleichzeitig ist eine Veränderung hin zum Einsatz von persönlichen Informations- und Kommunikationsinstrumenten sowie eine eng an diese Entwicklung gekoppelte Personalisierung und Individualisierung der genutzten Medien festzustellen. 32 Vgl. Denger/ Wirtz (1995), S. 20 ff. 33 Vgl. Wirtz (2013), S. 63. M edIenMärkte IM Ü BerBlIck 31 Treiber der Konvergenzentwicklung Deregulierung der Märkte ◼ neue Wettbewerber ◼ cross-sektoraler Wettbewerb ◼ fortschreitende Deregulierung Digitalisierung der Technologien ◼ technologische Innovationen ◼ höhere Übertragungskapazitäten ◼ intelligente Netzwerkstrukturen Veränderung der Nutzungspräferenzen ◼ Individualisierung von Kundenbeziehungen ◼ systematische Lösungen Sektorale Konvergenz Multimedialer Konvergenzsektor Medien Telekommunikation Informationstechnologie/ Unterhaltungselektronik Abb. 1.6: Konvergenz im Informations- und Kommunikationsbereich 34 Diese aufgezeigten Entwicklungen führen zu erheblichen Veränderungen der Wettbewerbsbedingungen für Medienunternehmen. Durch die technologische Konvergenz kommt es zu einem Zusammenwachsen von vormals getrennten Märkten. Auf dem Markt für Kommunikationsdienstleistungen konkurrieren Kabelnetzbetreiber, Telekommunikationsunternehmen aus dem Mobil- und Festnetzbereich sowie Satellitenanbieter untereinander. Auf diesem neuen Marktplatz reagieren Unternehmen durch Aufspaltung (Unbundling) und Neukombination (Rebundling) ganzer Wertschöpfungsketten. Ehemals getrennte Aktivitäten, wie Distribution und Produktion, werden durch neue, internetbasierte Geschäftsmodelle ersetzt. Andere Unternehmen erweitern durch Fusionen ihre Content-Basis und nutzen mehrere Vertriebsformen, um neue Nutzerschichten zu erschließen. 35 34 Vgl. Wirtz (2013), S. 62. 35 Vgl. Wirtz (2001), S. 495 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 32 1.3 Mediennutzung in Unternehmen Unterschiedliche Medieninstrumente setzen Unternehmen nicht nur für die Kommunikation mit ihren Kunden, sondern auch intern für ihre Mitarbeiter ein. Hierzu haben sich für die Mitarbeiterkommunikation in den letzten Jahren unterschiedliche Instrumente und Maßnahmen aus dem Bereich der Personalführung sowie der (internen) Public Relations herausgebildet, welche von den Unternehmen mehr oder weniger kreativ genutzt werden. Eine leistungsfähige Mitarbeiterkommunikation hat alle Maßnahmen zu erfassen, die auf Kenntnisse, Einstellungen und Verhaltensweisen der Mitarbeitenden unterschiedlicher hierarchischer Ebenen einwirken. Dabei steht nicht die Einwegkommunikation vom Vorgesetzen zum Mitarbeiter im Vordergrund, sondern der Austausch von Information und Interaktion in unterschiedliche Richtungen: Aufwärts-, Abwärts- und Seitwärtskommunikation. 36 Allerdings werden die nachfolgenden Ausführungen sich weitestgehend auf die Ausführungen der Abwärts- und Aufwärtskommunikation beziehen sowie auf solche Medien, die beide Richtungen synchron in einer direkten und indirekten Kommunikation vereinen. 37 Abwärtsgerichtete Medien Aufwärtsgerichtete Medien Interaktive Medien ◼ Mitarbeiterzeitschrift ◼ Mitarbeiterbroschüren ◼ Schwarzes Brett/ Aushänge ◼ Rundschreiben ◼ Intranet ◼ Mitarbeiterportale ◼ E-Mail ◼ Newsletter ◼ audiovisuelle Kommunikation (CD-ROM, DVDs etc.) ◼ Business TV/ Business Radio ◼ Handbuch für (neue) Mitarbeiter ◼ Unternehmensrichtlinien ◼ Business-Theater ◼ Podcasts ◼ … Primäre Aufwärtskommunikation ◼ Mitarbeiterbefragung ◼ Vorgesetztenbeurteilung ◼ betriebliches Vorschlagwesen ◼ internes Beschwerdemanagement ◼ … ◼ Business TV mit direkter Rückkanaltechnik, z. B. Telefon ◼ Diskussionsforen im Intranet ◼ Blogs, Micro-Blogging ◼ Wikis ◼ Businessnetzwerke, z. B. Xing, LinkedIn ◼ Intranetchats, z. B. mit dem Vorstand ◼ Management-by-Walkingaround ◼ informations- oder teamübergreifende Besprechungen ◼ Workshops und Seminare ◼ nonverbale Signale (Mimik, Gestik, Tonfall) ◼ Mitarbeitergespräch ◼ informelle Kommunikation ◼ Spiele/ Wettbewerbe ◼ … Sekundäre Aufwärtskommunikation ◼ Mitarbeiterzeitung mit Beiträgen von Mitarbeitenden ◼ Rundschreiben mit Angaben von Ansprechpartnern ◼ Belegschaftsversammlungen mit Diskussion ◼ … Tab. 1.8: Maßnahmen zur Mitarbeiterkommunikation 38 36 Aufwärtskommunikation ist von einer unteren zu einer höheren Instanzebene gerichtet, die Abwärtskommunikation genau umgekehrt und die Seitwärtskommunikation findet auf einer Instanzebene statt. 37 Vgl. Bruhn (2011), S. 1202 f. 38 Vgl. Bruhn (2011), S. 1203. M edIennutzunG In u nternehMen 33 Die klassischen Medien der Abwärtskommunikation sind in den meisten Unternehmen am weitesten entwickelt. Allerdings werden sie in unterschiedlicher Intensität und Systematik eingesetzt. Die Mitarbeiterzeitschrift stellte lange Zeit für Unternehmen in Deutschland das wichtigste Medium dar. 39 Die vorrangige Aufgabe der Mitarbeiterzeitschrift ist die Vermittlung der langfristigen Unternehmensziele sowie von einzelnen Maßnahmen. Für diese Printmedien kann im Hinblick auf die konzeptionellen Schwerpunkte folgende Typisierung vorgenommen werden: 40 ◼ Patriarchalische Werkszeitschriften, in denen der Unternehmer als Patriarch publizistisch agiert. ◼ Werksfamilienzeitschriften, die durch die Betonung der familiären Atmosphäre im Unternehmen an das Zusammengehörigkeitsgefühl der Arbeitnehmer abzielen. ◼ Werkszeitschriften aller Mitarbeitenden, in der der Fokus auf der Beziehung zwischen Unternehmer, Unternehmen und Mitarbeitenden liegt. Diese Form der Mitarbeiterzeitschrift ist heute am weitesten verbreitet. Das Aufkommen digitaler Medien veränderte den Einsatz der Instrumente zur Mitarbeiterkommunikation. Mittlerweise hat sich hier das Intranet zum wichtigsten Instrument entwickelt. Allerdings ist die Mitarbeiterzeitschrift trotz der zunehmenden Bedeutung des Intranets nicht zu vernachlässigen: 90 % der Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern in Deutschland verfügen über ein gedrucktes Kommunikationsmittel. 41 39 Vgl. Fey/ Nies (2003), S. 244. 40 Vgl. Kleinjohann (2008), S. 75. 41 Vgl. Bruhn (2011), S. 1204. 42 Brenneisen/ Medienfabrik Gütersloh GmbH (2009), S. 9. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 34 61% 35% 16% 28% 48% 39% 31% 13% 5% 4% 4% 4% 4% 32% 22% 33% 14% 20% 28% 35% 33% 9% 19% 21% 9% 19% 11% 7% 13% 17% 12% 26% 14% 9% 7% 7% 17% 27% 42% 26% 26% 38% 30% 34% 30% 32% 6% 4% 3% 4% 4% 4% 17% 15% 15% 21% 19% 19% 26% 15% 20% 21% 30% 21% 29% 31% 30% 31% 31% 30% 36% 34% 28% 30% 32% 35% 40% sehr wichtig wichtig weniger wichtig unwichtig keine Angabe Intranet E-Mail-Newsletter Geschäftsbericht Mitarbeitermagazin als PDF Mitarbeiterzeitschrift (Print) Mitarbeitermagazin (Print) E-Magazine/ E-Journal Print-Newsletter Forum/ Wiki Podcast/ Vodcast Audio/ Video (Mobile) Dialog-Tools (MSN, ICQ, Twitter) Corporate-TV/ Mitarbeiter-TV Corporate Blog Content-Plattform (bspw. YouTube) SMS-Newsletter Corporate Book 0% 20% 40% 60% 80% 100% Abb. 1.7: Instrumente der Mitarbeiterkommunikation 42 M edIennutzunG In u nternehMen 35 Die Mitarbeiterzeitschrift erfüllt auch in der heutigen Zeit noch zahlreiche Funktionen. Diese sind zusammenfassend in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Dazu gehören bspw. Aufgaben wie die Transparenzförderung, die Stärkung des „Wir-Gefühls“ im Unternehmen sowie die allgemeine Mitarbeiterinformation. Funktionen der Mitarbeiterzeitschrift aus Rezipientensicht Information Wissensvermittlung zu Betriebsauf bau und -ablauf, Produkte und Dienstleistungen Orientierung und Transparenz Unternehmensorganisation, -aufgaben und -ziele erklären und definieren, Komplexitätsreduktion Integration Wir-Gefühl, Gemeinschaftsgefühl, soziale Nähe herstellen, Anonymität reduzieren Führung Orientierung geben, Anweisungen, Aufgaben und Handlungsanleitungen definieren Motivation Anerkennung von Mitarbeiterleistungen, Leistungssteigerungen hervorrufen Forum und Dialog Problemlösung diskutieren, Meinungen darstellen, hierarchieübergreifend kommunizieren Involvement Mitarbeitende in das Unternehmensgeschehen einbinden, Interesse und Anteilnahme wecken Unterhaltung unterhaltende Auseinandersetzung mit dem Unternehmen, Ablenkung vom Arbeitsalltag Marketing und PR Einbindung in Werbemaßnahmen, Mitarbeitende als Experte und Multiplikator nutzen Tab. 1.9: Funktionen der Mitarbeiterzeitschrift 43 Im Gegensatz zur Mitarbeiterzeitschrift handelt es sich bei den Mitarbeiterbroschüren nicht um ein periodisch erscheinendes Instrument der Mitarbeiterkommunikation, sondern um ein Medium, welches fallbezogen bzw. themenspezifisch eingesetzt wird. Der Vorteil der Mitarbeiterbroschüren ist darin zu sehen, dass ein Thema detailliert vorgestellt werden kann. Werden persönliche Exemplare für den einzelnen Mitarbeitenden erstellt, erhöht dies zusätzlich die Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen. Nachteilig sind bei diesem Medium die relativ hohen Kosten anzusehen. 44 Das Schwarze Brett ist als „Klassiker“ unter den betrieblichen Informationsmedien zu bezeichnen. Es eignet sich zur schnellen Weitergabe von Informa- 43 Vgl. Cauers (2005), S. 66. 44 Vgl. Mast (2006), S. 209. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 36 tionen an die Mitarbeitenden. Hier werden Hinweise auf wichtige Ereignisse, Veranstaltungen, den internen Stellenmarkt, Aktivitäten des Betriebsrats etc. kommuniziert. Die Vorteile des Schwarzen Bretts sind: 45 ◼ Anregungen zum Gedankenaustausch zu einem bestimmten Thema schaffen. ◼ Sie dienen als Kommunikationsmittel, offizielle Stellungsnahmen zu umstrittenen Fragen und Maßnahmen abzugeben. Als problematisch ist zu erachten: ◼ Mitarbeiter fühlen sich durch die Mitteilungen nicht persönlich angesprochen. ◼ Aus Platzgründen können nur relativ kurze Texte ausgehängt werden. ◼ In vielen Unternehmen wird das Schwarze Brett mittlerweile durch das Intranet ersetzt. Im Rahmen der Onlinekommunikation stellt das Intranet ein unternehmensinternes und plattformunabhängiges Netz dar, in welchem alle relevanten Informationen in einem Unternehmen den Mitarbeitern zur Verfügung gestellt werden. Grundsätzlich ist das Intranet zwar ein interaktives Medium, der Einsatz findet jedoch oftmals nur als Informationsmedium in der Abwärtskommunikation statt. 46 Innerhalb der Mitarbeiterkommunikation stellt das Intranet mittlerweile das Leitmedium dar, da hierüber sämtliche unternehmensrelevante Informationen an jedem Ort, zu jeder Zeit in der gleichen Version zur Verfügung gestellt werden können. Jeder Mitarbeiter kann individuell auf benötigte Informationen, wie bspw. Datenbanken, Archive, elektronische Arbeitspläne, Formulare etc. zugreifen oder mittels E-Mail sowie Videokonferenz kommunizieren. Insbesondere für international organisierte Unternehmen bietet das Intranet eine effiziente Lösung, weltweit miteinander zu kommunizieren sowie Informationen und Know-how auszutauschen. 47 Im Intranet lassen sich folgende Inhalte und Services darstellen: 48 ◼ Unternehmensdaten und -präsentationen, tagesaktuelle Unternehmensnachrichten, Pressemitteilungen des Unternehmens ◼ Ergebnisse von Mitarbeiter- und Kundenbefragungen ◼ Arbeitshilfen wie Handbücher, Checklisten, Dokumentvorlagen etc. ◼ detaillierte Marketing-, Vertriebs- und Produktinformationen, Wettbewerbs- und Marktinformationen ◼ themenorientierte Newsletter, z. B. zu Innovation, Unternehmenskultur o. Ä. ◼ persönliche Homepages der Mitarbeiter ◼ interne Jobbörsen, Angebote zu Aus- und Weiterbildung 45 Vgl. Klöfer (2003), S. 47. 46 Vgl. Mast (2000), S. 82. 47 Vgl. Mast (2006), S. 204. 48 Vgl. Sauvant (2002), S. 130 f. M edIennutzunG In u nternehMen 37 Bei Betrieb eines umfassenden Intranets wird auch von Mitarbeiterportalen gesprochen. Allerdings gibt es deutliche Unterschiede. Die zentralen Merkmale eines Mitarbeiterportals sind die Personalisierung, sog. „Single-Sign- On“, und die Integration von Geschäftsprozessen. Mitarbeiterportale stellen somit eine Weiterentwicklung des Intranets dar, die personalisierte, individuelle und bedürfnisgenau eingerichtete Benutzeroberflächen für jeden Mitarbeiter bieten. Ein weiteres mediales Instrument in der Abwärtskommunikation stellt das Business TV/ Corporate TV dar. Dieses beruht auf der Nutzung multimedialer Technologien zur internen Unternehmenskommunikation. Es hilft vor allem, interne Informations- und Kommunikationswege zu beschleunigen und die Informationslogistik eines Unternehmens entscheidend zu optimieren. Strategisch unterstützt dieses Medium das Überwinden von Hierarchiegrenzen, sodass eine direkte und durchlässige Kommunikation sowie eine Stärkung der Corporate Identity erreicht werden kann. Als weitere Vorteile sind die hohe Glaubwürdigkeit durch authentische Informationen der Unternehmensleitung und der Führungskräfte, eine hohe emotionale Wirkung durch die gleichzeitige Übertragung von Bildern und Sprache sowie von Ereignissen, die das Zusammengehörigkeitsgefühl der Belegschaft fördern, zu sehen. 49 Bei den verfügbaren Medien der Aufwärtskommunikation ist zunächst eine Unterscheidung hinsichtlich der Basisorientierung der einzelnen Medien vorzunehmen, um diese einzuteilen. 50 ◼ Medien der primären Aufwärtskommunikation sind durch einen originär bottom-up gerichteten Informationsfluss gekennzeichnet. Die kommunikativen Initiativen gehen dabei von einer nachgelagerten Hierarchieebene aus und sind an Mitarbeiter mit Führungsverantwortung gerichtet. ◼ Medien der sekundären Aufwärtskommunikation zeichnen sich durch einen primär top-down gerichteten Informationsfluss aus, wobei jedoch entsprechende Rückkanäle bewusst geöffnet werden. Die Aufwärtskommunikation geschieht somit als Reaktion auf die vorgelagerten Informationsprozesse. In der nachfolgenden Diskussion werden analog zur Abwärtskommunikation einige ausgewählte Instrumente der Aufwärtskommunikation erörtert. Die Mitarbeiterbefragung liefert bei einer richtigen Ausgestaltung bzgl. der Befragungsstruktur, Anonymität etc. in der Erhebung der Mitarbeiterbedürfnisse, -kenntnisse und -einstellungen wertvolle Hinweise auf Problembereiche innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die auf anderen Wegen kaum zu erheben sind. 49 Vgl. Mast (2000), S. 77. 50 Vgl. Bruhn (2011), S. 1219. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 38 Regelmäßig durchgeführte Befragungen der Mitarbeiter haben eine erhebliche kommunikative Wirkung und erfüllen folgende Funktionen: 51 ◼ Ausdruck einer weitgehenden Partizipation der Mitarbeitenden am Unternehmensgeschehen ◼ Abbau der sozialen Dissonanz zwischen Management und Mitarbeitern ◼ Initiierung und Aufrechterhaltung des Dialogs zwischen den Mitarbeitern durch eine Vielzahl von Teilprozessen, wie bspw. die Vorinformation, Datenerhebung, Bekanntgabe der Ergebnisse etc. ◼ Sicherstellung des zielgruppenspezifischen Einsatzes interner Medien ◼ Überprüfung der Akzeptanz geplanter Änderungen im Vorab sowie des Erfolgs bereits eingeleiteter Maßnahmen ◼ frühzeitige Lokalisierung möglicher Probleme ◼ Darstellung des Grades der Mitarbeiterzufriedenheit sowie durch die Einleitung von Handlungskonsequenzen die Möglichkeit der Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit Mitarbeiterbefragungen sind regelmäßig und in klar definierten Zeitabständen durchzuführen. Trotz der zahlreichen positiven Wirkungen einer Erhebung der Mitarbeiterbedürfnisse müssen auch mögliche Widerstände einzelner Personengruppen berücksichtigt werden. So resultiert aus der Konzeption einer Befragung bereits ein eigenständiger Kommunikationsbedarf, bei dem die Geschäftsleitung und die Mitarbeiter vom Nutzen der Erhebung zu überzeugen sowie Vorbehalte von Mitarbeitervertretungen abzubauen sind. 52 Zu den sekundären Medien der Abwärtskommunikation zählen insbesondere originär abwärtsgerichtete Medien der Mitarbeiterkommunikation, die mit entsprechenden Responsebzw. Partizipationsmöglichkeiten erweitert sind. Zu nennen sind an dieser Stelle etwa: ◼ Mitarbeiterzeitungen mit Beiträgen von Mitarbeitern bzw. Leserbriefen ◼ Rundschreiben, E-Mail und Newsletter mit Angabe von Ansprechpartnern für Detailfragen ◼ Belegschaftsversammlungen mit Diskussionsmöglichkeiten Die bisher diskutierten Maßnahmen der Mitarbeiterkommunikation werden in mehr oder weniger ausgeprägter Weise zur Gruppenbzw. Massenkommunikation genutzt und einige Instrumente sind für bestimmte Kommunikationsprobleme eher ungeeignet. Zahlreiche Kommunikationsprobleme erfordern eine persönliche, unmittelbare und interaktive Ansprache. In der nachfolgenden Tabelle werden die wichtigsten interaktiven Medien für den Einsatz in der Unternehmenskommunikation mit ihren jeweiligen individuellen Funktionen vorgestellt. 51 Vgl. Domsch/ Ladwig (1999), S. 605; Meier (2002), S. 88 f., 154 f. 52 Vgl. Domsch/ Ladwig (1999), S. 613 ff. M ultIMedIa M arketInG : s IchtweIsen und P ersPektIven 39 Medium Funktion in der Mitarbeiterkommunikation Business TV mit Rückkanal ◼ Mitarbeiter können über eine eingeblendete Telefonnummer direkt in eine Sendung geschaltet werden und interaktiv mit Fragen sowie Anmerkungen mitwirken ◼ Beteiligung der Mitarbeiter an Diskussionen und Gesprächen Diskussionsforen im Intranet ◼ Mitarbeiter und Führungskräfte können zu bestimmten oder aktuellen Themen asynchron Fragen stellen und mitwirken Blogs ◼ bieten ein hohes Maß an Aktualität und Authentizität, da jeder Mitarbeiter von den Diskussionen partizipieren kann ◼ Förderung des Zusammenhalts unter den Mitarbeitern Managementby-walkingaround ◼ fördert die Möglichkeit der Kommunikation von Führungskräften mit den Mitarbeitern ◼ Führungskräfte suchen beim Durchgang durch Büros oder der Kantine das persönliche Gespräch mit den Mitarbeitern Workshops und Seminare ◼ mit einer begrenzten Zahl an Mitarbeitern wird interaktiv ein Problem analysiert und spezielle oder allgemeine Themen sowie Fragestellungen, unter der Beteiligung von Mitarbeitern aus allen Bereichen des Unternehmens, bearbeitet ◼ Förderung der interaktiven Kommunikation, der Wissensvermittlung und -verteilung sowie der Motivation Tab. 1.10: Instrumente der interaktiven Kommunikation und deren Funktionen 53 1.4 Multimedia Marketing: Sichtweisen und Perspektiven Multimedia Marketing kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Im Rahmen der Begriffsabgrenzung erfolgt dies durch die Fokussierung auf die Perspektiven der Technik, Psychologie und Wirtschaftswissenschaften. Dazu wird im ersten Abschnitt erörtert, welche Auswirkungen die technologischen Entwicklungen auf die veränderten Möglichkeiten der Kommunikation sowie Interaktion bewirken, da insbesondere das Internet immer häufiger als Kommunikations- und Gestaltungsinstrument eingesetzt wird. Jedoch muss gleichzeitig gewährleistet sein, dass der Nutzer die im dargebotenen Medium enthaltenen Informationen wahrnehmen (psychologische Perspektive) kann. Anderenfalls sind diese nicht nutzbar und das Informationsangebot verliert seinen Sinn. Dies stellt Medienunternehmen vor neue Herausforderungen, denn es gilt umso mehr, den Rezipienten verstärkt in den Informationsprozess einzubinden (wirtschaftswissenschaftliche Perspektive). 53 Vgl. Bruhn (2011), S. 1223 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 40 Technologische Perspektive Im Zentrum von Multimedia stehen Menschen und ihre Wege, mit anderen Menschen und ihrer Umwelt zu kommunizieren. Diese Kommunikation wird über folgende Kanäle abgewickelt: ◼ textueller Kanal (Wort und Schrift), ◼ visueller Kanal (Wahrnehmung von Licht und Farbe), ◼ auditiver Kanal (Ton, Klang und Sprache), ◼ Wahrnehmung von Bewegung und Beschleunigung, ◼ Fühlen von Kräften, Texturen und Temperaturen sowie ◼ Riechen und Schmecken. Diese Kanäle sind nur teilweise mit den klassischen „fünf Sinnen“ identisch. Nicht jeder kann von Menschen in beiden Richtungen gleich gut genutzt werden. Auch ihre Bedeutung für Menschen und Technik differenziert sehr stark. Multimedia versucht, diese Kanäle mit den Mitteln der Informationswissenschaft zu integrieren und als Gesamtheit für die Kommunikation zu nutzen. Hierbei spielen Computer in der Multimediatechnik eine zentrale Rolle, denn sie sind das derzeitige technische Instrument zum Speichern und Befördern von Informationen in Form von Daten. Die Unabhängigkeit der Medien schafft die Möglichkeit, diese in beliebiger Form zu kombinieren. Das technische System muss in der Lage sein, Medien rechnergestützt zu verarbeiten. Eine reine Aufnahme und Wiedergabe verschiedener Medien genügt der Forderung nach einer solchen Lösung nicht. Die rechnergestützten Daten unabhängiger Medien sind in ein Gesamtsystem zu integrieren, damit sie gemeinsam eine bestimmte Funktion erfüllen. Dazu werden zeitliche, räumliche und inhaltliche Synchronisationsbeziehungen zwischen ihnen erzeugt. Ein Anwendungsprogramm, das bspw. Text, Tabellenkalkulation und die Darstellung von Grafiken unterstützt, genügt noch nicht den Anforderungen nach Integration, wenn kein programmunterstützender Bezug zwischen den Daten hergestellt werden kann. Ein hoher Integrationsgrad ist hier erst erreicht, wenn die Änderung eines Zellinhalts der Tabellenkalkulationsdaten die grafische Abbildung und entsprechende Werte im Text beeinflusst. Eine weitere Anforderung an ein Multimediasystem ist deren Kommunikationsfähigkeit mit anderen Rechnern über das Internet. Das Zusammenwachsen des Internets mit Rundfunk, Fernsehen und Telefonnetzen ist ein wesentlicher Bestandteil von Multimedia. Damit können Multimediainformationen nicht nur erzeugt, verarbeitet, dargestellt und gespeichert, sondern auch über Rechnergrenzen hinweg ausgetauscht werden. Die Erstellung multimedialer Webinhalte führte zur Entwicklung und zum ausgedehnten Einsatz plattformunabhängiger Scriptsprachen (Perl, Python, Java). Die objektorientierten Programmiersprachen erweiterten die Performance M ultIMedIa M arketInG : s IchtweIsen und P ersPektIven 41 von Webbrowsern um neue grafische Möglichkeiten, wie z. B. beliebige grafische Benutzeroberflächen oder vielfältige Animationen (Statusleisten, Buttons, Werbebanner, Pop-up-Fenster etc.). Möglich wurden damit Ausführungen, wie Applets, die kleine Programme innerhalb des Browsers ablaufen lassen. Diese werden eingesetzt, um die Möglichkeiten von Benutzerinteraktion einer Webseite zu erhöhen und Funktionen unabhängig vom Computersystem auszuführen oder Inhalte modular abzurufen. Auf den Webseiten werden inzwischen unterschiedliche Ebenen wie Text, Bild, Audio und Video gemischt. Seit Mitte der 2000er Jahre rückten die Community-Aspekte mehr in den Vordergrund. In der heute aktuellen Online- Medienkultur gilt es als selbstverständlich, dass Inhalte auch aus dem sozialen Kontext heraus generiert werden (Social Media). Diese Netzkultur entwickelte sich auf drei verschiedenen Ebenen: ◼ Vernetzung von Computern: Schaffung der technologischen Voraussetzungen auf der Ebene der Infrastruktur. Mit diesen Möglichkeiten wuchs auch das Anwendungspotential. ◼ Verknüpfung von Dokumenten: Das ursprüngliche Hypertext-Format wurde Stück für Stück in Richtung eines multimedialen Angebots erweitert. ◼ Einsatz neuer Webtechnologien: Diese erweiterten die Vernetzungsmöglichkeiten von Inhalten. Hierauf folgten Technologien der Partizipation und der Vernetzung von Personen in Online-Netzwerken. Eine zentrale Funktion von Social-Media-Angeboten ist die interessenbezogene Vernetzung der Anwender und der Austausch von eigenproduzierten oder aus anderen Medien kopierten Inhalten. Zahlreiche Programme und Web 2.0-Anwendungen erleichtern es den Nutzern, auch ohne Programmierkenntnisse, Webinhalte zu erzeugen oder zu ergänzen. Hierbei wird Web 2.0 mit Werkzeugen realisiert, die im Wesentlichen den Zugang zum und die Attraktivität im Netz technisch unkompliziert gemacht haben. Während die Massenmedien Zeitung, Radio und Fernsehen ihre Informationen selektieren sowie zentral an ihre verstreuten Empfänger verteilen, bieten elektronische Medien eine erweiterte Modalität von Informationen. Die traditionelle Form des Medienkonsums bleibt meist auf die monomodale Rezeptionssituation beschränkt. Durch neue technische Kanäle kann diese Situation grundsätzlich multimodal angelegt werden. Wer bspw. die Radiosendung über die Webseite des Senders verfolgt, wird neben dem Audiostream auch visuelle Informationen geboten bekommen. Dies führt im Bereich der Onlinemedien zu neuen Formen der Informationsauf bereitung. Auf redaktioneller Seite sind hier zunehmend neue Kompetenzen gefragt: 54 54 Vgl. Hartmann (2008), S. 89 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 42 ◼ Crossmedia-Publishing: medienübergreifendes Publizieren von Inhalten. Informationen müssen so auf bereitet werden, dass ihre Vermittlung auf unterschiedlich verknüpften Kanälen gelingt. ◼ Konzipierung von mehrstufigen Informationshierarchien: Multimedialität und Interaktivität steht für den potentiellen Nutzwert eines Onlinemediums. Allerdings stellt sich dieser Nutzen nicht automatisch ein, sondern bedarf strategischer Planung. Diese umfassen neben dem zur Information passenden Medientyp die Tiefe und die Navigierbarkeit von Informationen. ◼ Dramaturgie und Darstellungsform: Multimediale Inhalte werden meist nicht direkt abgerufen, sondern über einen Vorspann angeboten. Wenn Trailer und Teaser nicht professionell verfasst sind, wird das Angebot unter Umständen gar nicht genutzt. ◼ Analyse und Erfolgskontrolle: Niemand weiß genau, welche Artikel in der Ausgabe einer Zeitung oder eines Magazins gelesen werden. Steht das Angebot online, dann ändert sich diese Situation schlagartig, denn ein Blick in das Logfile der Webseite zeigt an, wann und wie lange ein Inhalt rezipiert worden ist. Ein unmittelbarer Effekt dieses technischen Feedbacks ist es, dass es weniger Streuverluste in der Werbung gibt. Psychologische Perspektive In der Psychologie wird der Mensch als ein System aufgefasst, welches aus seiner Umwelt Informationen aufnimmt, diese verarbeitet, im Gedächtnis speichert, dort wieder abruft und am Ende der Verarbeitungskette Informationen an seine Umwelt abgibt. Die Weitergabe von Informationen an die Umwelt ist dabei an menschliches Handeln gebunden. Daher kommt im Hinblick auf das Informationsdesign den Schnittstellen des menschlichen Informationsverarbeitungssystems zu seiner Umwelt eine besondere Bedeutung zu. Es handelt sich auf der Eingabeseite um die Sinnesorgane, über welche der Mensch Informationen aufnimmt. Beim Informationsdesign muss gewährleistet sein, dass der menschliche Nutzer die im dargebotenen Medium enthaltenen Informationen wahrnehmen kann - im anderen Fall sind diese nicht nutzbar und das Informationsangebot verliert seinen Sinn. Zur nutzerorientierten Gestaltung von Informationsangeboten nach psychologischen Erkenntnissen ist zu beachten, dass der Zeitpunkt der Aufnahme der im Angebot enthaltenen Informationen zwar mit dem Zeitpunkt ihrer Anwendung identisch sein kann (unmittelbare Reaktion auf ein Angebot im eShop), dies aber nicht notwendigerweise sein muss (Erinnerung an ein zufällig wahrgenommenes Plakat zu einer Veranstaltung erst Tage später, um jetzt diese zu besuchen). Von der Aufnahme bis zur Anwendung der aufgenommenen (und ggf. gespeicherten) M ultIMedIa M arketInG : s IchtweIsen und P ersPektIven 43 Informationen durchziehen sich folgende psychologische Prozesse, die nacheinander - oder auch zeitlich überlappend - ablaufen (vgl. hierzu auch Kap. 3.1): 55 ◼ Zuerst steht das zu gestaltende Informationsangebot. Dies kann bspw. eine Webseite sein, wo mit der Maus auf ein Werbebanner reagiert werden kann. ◼ Das Informationsangebot wird mit Hilfe der für die Darstellung empfindsamen Sinnesmodalitäten aufgenommen und - auf einer niedrigen Stufe - verarbeitet (= Wahrnehmen). So sieht der Nutzer die auf dem Bildschirm dargestellten Text- und Bildinformationen und hört möglicherweise zusätzlich Töne sowie Klänge. Allerdings wird nur ein Ausschnitt der im Medium enthaltenen Informationsreize aufgenommen und intensiver verarbeitet. ◼ Die in das menschliche Verarbeitungssystem aufgenommenen Informationen werden anschließend - auf einem höheren Verarbeitungsniveau - in eine Form gebracht, die dem Nutzer die Bedeutung der Information enthüllt (= Verstehen). Nur was vom Rezipienten verstanden worden ist, kann von ihm auch behalten und angewandt werden. ◼ Falls der Anwendungsfall zeitlich nach der Informationsaufnahme liegt, muss sich der Nutzer die aufgenommenen und verstandenen Inhalte des Informationsangebotes einprägen (= Behalten bzw. Speichern im Gedächtnis). Nur ein Teil der aufgenommenen und verstandenen Informationen wird in das Gedächtnissystem der Personen übertragen und kann dort die Zeitspanne bis zum Anwendungsfall überdauern. ◼ Im Anwendungsfall greift der Rezipient auf die im Gedächtnis abgespeicherten Inhalte zurück (= Abrufen von Gedächtnisinhalten), um sie anwenden und zur Grundlage seines Handelns machen zu können. Nur Informationen, die erfolgreich aus dem Gedächtnis wieder abgerufen werden konnten, spielen bei der Handlungsplanung eine Rolle. ◼ Ein erfolgreiches Speichern im und Abrufen von Informationen aus dem Gedächtnis gewährleistet noch nicht, dass dieses Wissen bei Bedarf auch zum Einsatz kommt (= Anwenden). Vielmehr muss der Nutzer erkennen, dass in seinem Gedächtnis Inhalte verfügbar sind, die das bei einer Problemlösung zielführende Wissen darstellen. Gleichzeitig muss der Rezipient über die Fähigkeiten verfügen, dieses Wissen im Anwendungsfall auch für eine Lösung des Problems einzusetzen. In allen psychologischen Teilprozessen kann es bei einer nachlässigen Gestaltung des Informationsangebots zu Problemen kommen. Durch die Berücksichtigung und Anwendung psychologischer Erkenntnisse zur menschlichen Informationsverarbeitung im Informationsdesign kann die Wahrscheinlichkeit erhöht werden, dass die dargebotenen Informationen vom Nutzer erfolgreich aufgenommen, verstanden, gespeichert, abgerufen und angewandt werden. 55 Vgl. Mangold (2007), S. 17 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 44 Dass Menschen sich nicht nur in der Informationsverarbeitung voneinander unterscheiden, ist täglich zu beobachten. Sie sind mehr oder weniger in der Lage, neuartige Probleme zu lösen, weil sie mehr oder weniger intelligent bzw. kreativ sind. Neben der Intelligenz spielen auch kognitive Persönlichkeitsmerkmale für die Informationsverarbeitung eine Rolle. Folgende Merkmale wurden in der psychologischen Persönlichkeitsforschung beobachtet und können auch über eigens dafür konstruierte Tests gemessen werden: 56 ◼ Feldabhängigkeit/ Feldunabhängigkeit: Die Feldabhängigkeit beschreibt das Ausmaß, in dem bei einer Person die Informationsverarbeitung von der Umgebung beeinflusst wird, in der die von ihr aufgenommenen Informationen angeboten werden. ◼ Reflexivität/ Impulsivität: Eine zur Reflexivität neigende Person verarbeitet ein Informationsangebot sorgfältiger und intensiver als eine impulsive Person. Es ist damit zu rechnen, dass sich eine Person mit hohen Reflexivitätswerten einem ihr vorgetragenen Gedankengang weniger rasch anschließen wird. ◼ Kognitive Strukturiertheit: Hiermit wird beschrieben, ob die Denkvorgänge einer Person wenig oder ausgeprägt strukturiert sind. Eine Person mit hohen Werten der Strukturiertheit wird bei einer Urteilsfindung gleichzeitig mehr Aspekte berücksichtigen als ein Rezipient mit geringer Strukturiertheit. Für das Informationsdesign bedeutet dies, dass die Informationsangebote für kognitiv strukturierte Nutzer komplexer geschaffen sein können, während Informationen für Personen mit geringen Werten der kognitiven Strukturiertheit eher einfach und der Reihe nach angeboten werden sollten. Auf Basis der diskutierten Sachverhalte können aus psychologischer Perspektive folgende Empfehlungen zur Darstellung von Inhalten im Multimedia Marketing abgeleitet werden: 57 ◼ Personen mit einem höheren Grad von Intelligenz bzw. von kognitiver Strukturiertheit können komplexeren Informationsdarstellungen leichter folgen. Umgekehrt sollte die Darstellung der Inhalte möglichst einfach erfolgen und verstärkt auf Verständlichkeit geachtet werden, wenn es der Nutzergruppe nicht so leicht fällt, viele Informationselemente auf einmal zu verarbeiten und deren Beziehungen zueinander zu berücksichtigen. ◼ Informationsangebote für Kinder müssen einfach strukturiert und verständlich formuliert sein. Jüngere Kinder können kaum gezielt ihre Aufmerksamkeit lenken. Daher sollte die Informationsaufnahme durch auffällig gestaltete Informationsreize bzw. durch den Einsatz von Multimedia gezielt gesteuert und unterstützt werden. 56 Vgl. Amelang/ Bartussek (1997), S. 518 ff. 57 Vgl. Mangold (2007), S. 323 ff. M ultIMedIa M arketInG : s IchtweIsen und P ersPektIven 45 ◼ Bei impulsiv reagierenden Nutzern sollte das Informationsangebot so gestaltet sein, dass sie dieses nicht zu rasch und zu oberflächlich aufnehmen können. So könnte bspw. bei integrierten Interaktionselementen in einem Video eine zweifache Abfrage für eine Weiterleitung zu einer anderen Seite erfolgen, wobei die zweite Abfrage mit einer anderen Meldung zu belegen ist. So ist es bspw. möglich, die erste Abfrage „Sind Sie sicher, dass Sie die aktuelle Seite verlassen wollen? “ mit einer Ja-/ Nein-Auswahl und die zweite Abfrage: „Sind Sie wirklich sicher, dass Sie die aktuelle Seite verlassen wollen? “ mit der Schaltfläche „Ok“ erfolgen. Dadurch wird gewährleistet, dass auch impulsive Nutzer die Möglichkeit haben, die eigene Handlungsweise zu überdenken. ◼ Nutzer mit einem hohen Anteil an sprachlicher Intelligenz tendieren zu einer Informationsverarbeitung im verbalen Format, wogegen bei Rezipienten mit einem hohen Anteil an räumlicher Intelligenz, dies überwiegend durch imaginäre Formate geschieht. Daher sollte die Informationsgestaltung auf diese unterschiedlichen Anforderungen dadurch reagieren, dass die Inhalte in beiden Formaten vorgesehen werden und dem Nutzer die Wahl überlassen wird, welche Variante sie vorzugsweise aufnehmen möchten. ◼ Die Informationsangebote für ältere Nutzer sollten die eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeiten ausgleichen. Dies betrifft die Möglichkeiten, das bei digitalen graphischen Benutzeroberflächen die Darstellungsgröße eigenständig gewählt werden kann, das die Darstellungen kontrastreich sind oder kombinierte textliche und bildliche Informationen in einer Einheit erfasst werden können. Letzteres fängt die rückläufige Speicherkapazität des Kurzzeitgedächtnisses und die Verarbeitungskapazität des Arbeitsgedächtnisses auf. Wirtschaftswissenschaftliche Perspektive Für die Unternehmens- und Marketingkommunikation ermöglicht das Multimedia Marketing neue, eigene Kommunikationsformen. So stellt bspw. das Internet einen neuen Kommunikationsträger für andere Kommunikationsinstrumente, wie die Mediawerbung, Verkaufsförderungen, Direct Marketing, Sponsoring, Public Relations, Eventmarketing, virtuelle Messen und Ausstellungen sowie die Mitarbeiterkommunikation zur Verfügung. Die Maßnahmen des Multimedia Marketing aus der Sicht der Kommunikationspolitik lassen sich grob in die vier Bereiche mobile Speichermedien, Terminal- und Kiosksysteme, Online-Kommunikation sowie Mobile Marketing differenzieren, die nachfolgend näher betrachtet werden. ◼ Mobile Speichermedien (etwa CD-ROM oder DVD) können vornehmlich Unternehmens-, Produkt- und Servicewerbung mit Text, Bild und Ton zur anschaulichen Darstellung transportieren. Neben der Bereitstellung von klassischen Werbespots werden auch Videosequenzen zu Sponsoringveranstaltungen oder zu PR-Zwecken sowie Produktkataloge bzw. Servicepräsentationen eingebunden. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 46 ◼ Im Rahmen der Terminal- und Kiosksysteme können unterschiedliche Maßnahmen abgegrenzt werden. Point-of-Information (POI)-Terminals haben einen primär informierenden und unterhaltenden Charakter. Sie werden an zentralen Punkten von Kaufhäusern, auf Messen und Ausstellungen, auf gesponserten Veranstaltungen oder in Empfangshallen eingesetzt und bieten dem Nutzer die Möglichkeit, sich mit dem Unternehmen, Produkten oder Leistungen vertraut zu machen, Kenntnisse zu erweitern oder konkrete Kaufberatungen abzurufen. Über Point-of-Sale-(POS)-Systeme können bspw. Geschäfte abgeschlossen und Käufe getätigt oder auch Tickets bestellt werden. Derartige Terminalsysteme sind erweiterte Informationsterminals, bei denen sich das Aufgaben- und Funktionsspektrum erheblich ausgeweitet hat. ◼ Für die Realisierung der Online-Kommunikation dient das Internet neben der Bereitstellung einer eigenen Homepage auch als Träger für unterschiedliche Formen und Maßnahmen. So ist die Online-Werbung im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr um zwölf Prozent auf deutlich über 7 Milliarden Euro in Deutschland gewachsen. Nach wie vor hält klassische Online-Werbung mit rd. 4,2 Milliarden den größten Anteil am Bruttowerbevolumen, gefolgt von der Suchwortvermarktung mit rd. 2,6 Milliarden Euro. 58 Zunehmend an Bedeutung gewinnt auch das Online-Sponsoring von netzbezogenen Dienstleistungen. Dabei wird bspw. das Logo des Sponsors in die Webseite des Gesponserten integriert und fungiert gleichzeitig als Link zur Webseite des Sponsors. Neue Formen der Online-Kommunikation stellen einerseits Webinare 59 und andererseits Social Communities dar. ◼ Das Mobile Marketing beruht im Wesentlichen auf Permission Marketing, d. h. es verlangt die Einwilligung des Adressaten und schließt so das massenhafte Versenden unerwünschter Werbebotschaften aus. Somit sollen gezielt Impulse generiert werden, die dem Interessenprofil des Empfängers entsprechen, sodass Werbung vielmehr als nützliche Serviceleistung wahrgenommen wird. Derzeit steigt der Einsatz von QR-(Quick Response)-Code-Aktionen via Mobilfunk an, da hier ein zielgruppenspezifischer Einsatz möglich ist. QR-Code-Aktionen bieten mehr Möglichkeiten, Markenwelten einzubinden. So erlaubt es der Einsatz von QR-Codes, dass Webadressen nicht mehr über die Tastatur eines Smartphones eingegeben werden müssen, sondern direkt über die Kamera des mobilen Endgerätes gescannt und mit einem QR-Code- Reader aufgelöst werden können. Durch QR-Codes kann bspw. Premium Content von Zeitungen, Zusatzinformationen von Zeitungen, Downloads von Klingeltönen oder Programmen erfolgen. 58 Vgl. OVK Online-Report (2013), S. 4. 59 Der Begriff setzt sich aus den beiden Worten WEB, was für das Internet steht und INAR, was für Seminar steht, zusammen. Es handelt sich somit um ein Seminar, welches über das Internet durchgeführt wird. M ultIMedIa M arketInG : s IchtweIsen und P ersPektIven 47 Der strategische Einsatz aller angeführten Instrumente der Multimediakommunikation erfordert allerdings neben einer zielorientierten Strategie die konsequente Integration in die Kommunikationspolitik des Unternehmens. Ziel ist dabei die Nutzung von Synergien zwischen den Kommunikationsinstrumenten und die Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen. Basierend auf den Betrachtungen der unterschiedlichen Perspektiven des Multimedia Marketing sowie der Medien und ihrer Entwicklung wird anschließend für die beiden tragenden Begriffe Medien und Multimedia Marketing eine definitorische Abgrenzung vorgenommen. Medien speichern und/ oder transportieren Informationen zwischen einem Sender und einem Empfänger. Im publizistischen Sinne sowie im Marketing wird dabei häufig zwischen Printmedien, Rundfunk oder audiovisuellen Medien und elektronischen oder neuen Medien unterschieden. Der Empfänger einer so übermittelten Information wird häufig auch medienübergreifend als Rezipient beschrieben. Als Basis für den Medientransport bzw. dessen Speicherung dienen Informations- und Kommunikationstechnologien. Multimedia Marketing basiert auf unterschiedlichen Hard- und Softwaretechnologien zur Integration digitaler Medien, die durch Interaktivität, Multitasking (mehrere Prozesse gleichzeitig) und Parallelität (parallele Medienpräsentation) genutzt werden können. Die Aufgabe des Multimedia Marketing ist es, durch eine konzeptionelle sowie bewusst marktorientierte Kombinationen von Text-, Graphik, Ton-, Bild- und Bewegtbildelementen die Unternehmensaktivitäten an den Bedürfnissen der gegenwärtigen und potentiellen Kunden auszurichten, um die jeweiligen (zielgruppenspezifischen) Unternehmensziele zu erreichen. 60 60 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 9 f.; Hartmann (2008), S. 17 ff.; Kiefer/ Steininger (2014), S. 15 ff.; Urban (2011), S. 14 ff.; Wirtz (2013), S. 14 ff. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 48  Kontrollfragen 1 Welche demographischen und soziokulturellen Veränderungen haben die Mediennutzung im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts nachhaltig beeinflusst? 2 Ist die weitverbreitete Auffassung „Ältere Leute nutzen das klassische und das mobile Internet nur selten“ noch vertretbar? 3 Welche unterschiedlichen Zielsetzungen gelten auf Rezipienten- und Werbemärkten? Nennen Sie Stichpunkte. 4 Beschreiben Sie die Einstellung der deutschen Rezipienten gegenüber Werbung. 5 Welche Interdependenzen bestehen zwischen den einzelnen Medienmärkten? 6 Beschreiben Sie allgemein die Wettbewerbsdimensionen zwischen Medienmärkten! 7 Nennen Sie die spezifischen Eigenschaften von Medienprodukten. 8 Für die Konvergenzentwicklung können unterschiedliche Treiber angeführt werden. Welche sind dies und was bewirken sie? 9 Erläutern Sie die unterschiedlichen Typen von Mitarbeiterzeitschriften. 10 Welche Funktionen erfüllt eine Mitarbeiterzeitschrift aus Rezipientensicht? 11 Worin unterscheiden sich die Medien der primären Aufwärtskommunikation gegenüber den Medien der sekundären Aufwärtskommunikation? 12 Erläutern Sie die Aufgabe von Multimedia Marketing! 13 Student Schlaumeier kam beim Lesen des Studienbuches die Idee, eine mobile Applikation zu entwickeln und in den App Stores anzubieten. Mit dieser Applikationen können Studierenden auf das universitäre Studentenportal „smartphonegerecht“ zugreifen, sich mittels moderner Ortungsmethoden über den Aufenthaltsort der Kommilitonen informieren oder sich unkompliziert verabreden. Finanzieren möchte er die App über integrierte Werbung. Erläutern Sie, welche Netzeffekte Student Schlaumeier auf- und ausbauen muss, damit seine Applikation erfolgreich wird. Zeigen Sie anschließend, anhand welcher Medienkennzahlen Schlaumeier die Applikation regelmäßig prüfen kann? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. l IteraturverzeIchnIs 49 1.5 Literaturverzeichnis Amelang, M./ Bartussek, D.: Differentielle Psychologie und Persönlichkeitsforschung. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1997. ARD/ ZDF-Medienkommission (Hrsg.): Statistik. In: Media Perspektiven, 44. Jg., Heft 7-8, 2013, S. 400-406. Beck, H.: Medienökonomie. Print, Fernsehen und Multimedia. Springer Verlag 2005. Berg, K.; Kiefer, M.-L.: Massenkommunikation VI. Eine Langzeitstudie zur Mediennutzung und Medienbewertung. Nomos Verlagsgesellschaft 2002. Beyer, A./ Carl, P.: Einführung in die Medienökonomie, 2. Aufl., UVK Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2008. Brenneiesen, M.; Medienfabrik Gütersloh GmbH: CP 2.0. Interne Kommunikation im digitalen Zeitalter. 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Eimeren, B. van/ Frees, B.: Multioptionales Fernsehen in digitalen Medienumgebungen. Im Internet: http: / / www.ard-zdf-onlinestudie.de/ fileadmin/ Onlinestudie/ PDF/ Frees_Eimeren.pdf. Abruf vom 15. 02. 2014. Eimeren, B. van/ Frees, B.: Rasanter Anstieg des Internetkonsums - Onliner fast drei Stunden täglich im Netz. Ergebnisse der ARD/ ZDF-Onlinestudie 2013. In: Media Perspektiven, 44. Jg., Heft 7-8, 2013, S. 358-372. Eimeren, B. van/ Frees, B.: 79 Prozent der Deutschen online - Zuwachs bei mobiler Internetnutzung und Bewegtbild. In: Media Perspektiven, 45. Jg., Heft 7-8, 2014, S. 378-396. Eimeren, B./ Ridder, Ch.-M.: Trends in der Nutzung und Bewertung der Medien 1970 bis 201 va. n, Media-Perspektiven 1/ 2011. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG G rundlaGen des M ultIMedIa M arketInG 50 Fey, J.-G./ Nies, U.: Medienkonzepte für weltweite Aktivitäten. Beispiel: Mitarbeitermedien in der BASF-Gruppe. In: Klöfer, F./ Nies, U. (Hrsg.): Erfolgreich durch interne Kommunikation. Mitarbeiter besser informieren, 3. Aufl., Luchtenhand Verlag München 2003, S. 231-238. Hartmann, F.: Multimedia. Facultas Verlags- und Buchhandels AG, Wien 2008. Kiefer, M. L./ Steininger, Ch.: Medienökonomik, 3. Aufl., Oldenbourg Verlag München, 2014. Kleinjohann, M.: Corporate Publishing - Mitarbeiterzeitschrift. In: Lies, J. (Hrsg.): Public Relations. Ein Handbuch. UTB Verlag Stuttgart 2008, S. 27-33. Klöfer, F.: Mitarbeiterführung durch Kommunikation. In: Klöfer, F./ Nies, U. (Hrsg.): Erfolgreich durch interne Kommunikation. Mitarbeiter besser informieren, 3. Aufl., Luchtenhand Verlag München 2003. Mangold, R.: Informationspsychologie. Spektrum Akademischer Verlag, München 2007. Mast, C.: Durch bessere interne Kommunikation zu mehr Geschäftserfolg. Ein Leitfaden für Unternehmer. DIHK Berlin 2000. Mast, C.: Unternehmenskommunikation, 2. Aufl. UTB Verlag Stuttgart 2006. Meier, P.: Interne Kommunikation im Unternehmen. Von der Hauszeitung bis zum Intranet. Orell Fuessli Zürich 2002. Mühl-Benninghaus, W.; Friedrichsen, M.: Geschichte der Medienökonomie, Nomos Verlagsgesellschaft 2012. OVK Online-Report 2013/ 02: Zahlen und Trends im Überblick. Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) Düsseldorf 2013. Sauvant, N.: Professionelle Online-PR. Springer Verlag Frankfurt a. M., New York 2002. Schneider, M. (Hrsg.): Management von Medienunternehmen. Digitale Innovationen - crossmediale Strategien. Springer Gabler Verlag 2013. Schumann, M.; Hess, Th.: Grundfragen der Medienwirtschaft. Springer Verlag 2009. Seufert, W.; Sattelberger, F. (Hrsg.): Langfristiger Wandel von Medienstrukturen. Nomos Verlagsgesellschaft 2013. Statista: Anteil der privaten Haushalte in Deutschland mit einem Computer im Zeitraum 1998 bis 2012; Im Internet: http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 2596/ umfrage/ ausstattungsgrad-privater-haushalte-mit-einem-pc-seit-1998/ , Abruf vom: 15. 02. 2014, 2014a. Statista: Einstellungen der Deutschen zu Werbung von 2009 bis 2012; Im Internet: http: / / de.statista.com/ statistik/ daten/ studie/ 13460/ umfrage/ werbemarkt-ein stellungen-zu-werbung-seit-2004/ , Abruf vom: 24. 02. 2014, 2014b. Urban, Th.: Multimedia Marketing - Technische und psychologische und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte. In: Urban, Th. (Hrsg.): Multimedia Marketing & Kommunikation, Peter Lang Verlag Frankfurt a. M. 2011. l IteraturverzeIchnIs 51 Wimmer, J.; Hartmann, M. (Hrsg.): Medienkommunikation in Bewegung. Springer Fachmedien 2014. Wirtz, B. W.: Reconfiguration of Value Chains in Converging, Media and Communication Markets. In: Long Range Planning, 34. Jg., Nr. 4, 2001, S. 489-506. Wirtz, B. W.: Medien- und Internetmanagement, Springer Gabler Fachmedien Wiesbaden 2013. Zerdick, A. et al. (Hrsg.): Die Internet-Ökonomie. Strategien für die digitale Wirtschaft. Springer Verlag 1999. Zerdick, A. et al. (Hrsg.): E-Merging Media. Kommunikation und Medienwirtschaft der Zukunft. Springer Verlag 2004. G rundlaGen des M ultiMedia M arke tinG 52 Kapitel 2 Spezifika der Medienmärkte  Lernziele Nach diesem Kapitel können Sie … ◼ die spezifischen Besonderheiten unterschiedlicher Medienmärkte in Deutschland beschreiben. ◼ mediale Wertschöpfungsstrukturen systematisch analysieren und kennen Kostenstrukturen der Medienproduktion wichtiger Medienmärkte. ◼ Erfolgsfaktoren sowie Vorgehensweisen und Daten zur Ermittlung der Reichweiten in unterschiedlichen Mediensektoren benennen. ◼ aktuelle psychologische Wirkungen oder Erklärungsansätze branchenbezogen anwenden. ◼ das Fachwissen zu Medienmärkten auf Fallstudien übertragen. Medienmärkte weisen Besonderheiten auf, die sie von anderen Branchen unterscheiden. Diese Besonderheiten müssen vom Management der jeweiligen Medienunternehmen beachtet werden. Gleichzeitig ist der Medienmarkt - wie in Kap. 1 erörtert - von einer hohen Dynamik und zunehmenden Komplexität geprägt. In Kapitel 2 werden die nachfolgenden sieben Teilmärkte unterschieden: [1] Zeitungen und Zeitschriften, [2] Bücher, [3] Film und Kino, [4] Rundfunk, [5] Video- und Computerspiele, [6] Electronic Business und [7] Mobile Business. Damit die nachfolgend analysierten Teilmärkte des Mediensektors dennoch untereinander vergleichbar bleiben, werden diese in einer einheitlichen Struktur diskutiert. Diese ist wie folgt aufgebaut: ◼ Darstellung der Spezifika des jeweiligen Marktes, ◼ Durchführung einer Marktanalyse, S pezifika der M edienMärkte 54 ◼ Erörterung der ökonomischen Besonderheiten sowie die Generierung von Erlösen, ◼ Betrachtung psychologischer Aspekte der jeweiligen Mediennutzung, ◼ Anforderung an die Führung und das Management sowie ◼ Vorstellung einer Fallstudie. 2.1 Zeitungen und Zeitschriften Zeitungen und Zeitschriften gehören zur Kategorie der sog. Massenmedien. 61 Sie erscheinen periodisch, sind also auf ein regelmäßiges Erscheinen, meist in definierten Zeiträumen, angelegt. Sie werden teilweise auch als sog. Basismedien beschrieben. Ein Basismedium zeichnet sich dadurch aus, dass sich der Rezipient während der Nutzung aktiv und mit seiner Hauptaufmerksamkeit dem Medium widmet. Zeitungen und Zeitschriften vermitteln in erster Linie tagesbis wochenaktuelle Nachrichten oder Unterhaltung aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Unterhaltung, Kultur, Gesellschaft und Sport. 62 Je nach Zielgruppe, richtet sich das Angebot entweder an die gesamte Öffentlichkeit bzw. eine sehr breite Zielgruppe oder an ein meist themenspezifisch segmentiertes Publikum als Teilmenge. Zeitungen bieten eine höhere Aktualität und sind national oder regional ausgerichtet. Die Zeitschriften sind meist national orientiert. 63 Gemeinsam bilden die Anbieter beider Produktgruppen den Bereich der Presseverlage (vgl. hierzu auch Abb. 2.2). Tageszeitungen erscheinen mehrmals wöchentlich, Wochenzeitungen meist an definierten Wochentagen. Für die verschiedenen Zeitschriftenangebote existieren vielfältige Erscheinungsintervalle bzw. Erscheinungtagmodelle. Das konkrete Erscheinungsintervall ist u. a. für Berechnungen oder Frageformulierungen in Leseranalysen relevant. Es liegt für täglich erscheinende Titel bei „gestern“, bei wöchentlichen Titeln „in den letzten 7 Tagen“ usw. Neben dem Verbreitungsgebiet und der Erscheinungsweise lassen sich Printprodukte außerdem nach Preisen und Vertriebswegen unterscheiden (vgl. hierzu auch Abb. 2.1). 64 61 Vgl. hierzu auch Kap. 1. 62 Vgl. Schellmann/ Baumann/ Gaida et al. (2010), S. 58 f. 63 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 73. 64 Vgl. Beyer/ Carl ebd. z eitungen und z eitSchriften 55 Differenzierungskriterien Printmedien Zeitung Produktform Vertriebsform Verbreitungsgebiet Erscheinungsweise Preismodell (Einzel-)Kauf lokal/ regional … Zeitschrift Abo national Kaufmedium Gratismedium Abb. 2.1: Systematik für Printmedien 65 Die wirtschaftliche und publizistische Bedeutung der Pressewirtschaft sowie die Relevanz der Presseerzeugnisse für die Werbewirtschaft sind als hoch einzustufen. So sind etwa im Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) mehr als 400 Verlage mit ca. 6.000 Titeln organisiert. 66 2013 erschienen in Deutschland 329 Tageszeitungen (2012: 333). 67 Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) listet für 2012 eine Anzahl von 1.532 Ausgaben von Tageszeitungen, die in 333 Verlagen bzw. 130 publizistischen Einheiten organisiert waren. 68 Abb. 2.2: Produktformen im Pressebereich 69 Die kleinste Einheit bei unternehmensübergreifenden Analysen im Printbereich ist die Ausgabe. 65 Eigene Darstellung, Systematik in Anlehnung an Beyer/ Carl (2008), S. 73. 66 Vgl. VDZ (2013). 67 Vgl. Statista.de (2014). 68 Vgl. Pasquay (2012), S. 3. 69 Eigene, vereinfachte Darstellung nach Wirtz (2011), S. 189. Presseverlage Zeitungen Tageszeitungen Wochenzeitungen Zeitschriften Publikumszeitschriften Fachzeitschriften Kundenzeitschriften S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 56 Enthalten zwei oder mehr Tageszeitungen den gleichen Mantel (bestehend z. B. aus dem überregionalen politischen und wirtschaftlichen Teil), unterscheiden sich aber in der regionalen Berichterstattung, stellen sie mehrere Ausgaben dar. Verlage als Herausgeber von Zeitungen oder Zeitschriften geben oft mehrere Zeitungen bzw. Ausgaben heraus. Eine publizistische Einheit fasst unter den Presseverlagen diejenigen Anbieter zusätzlich zusammen, die im Mantelteil bei verschiedenen Ausgaben übereinstimmen. 70 Printmedien nutzen damit inzwischen intensiv Modelle der Mehrfachverwertung von Inhalten. Abb. 2.3 zeigt die Anwendung am Beispiel einer Tageszeitung. Der Mantelteil aus „Politik national“, „Wirtschaft“, „Sport national“, „Kultur national“ sowie den Anzeigen wird hier nur einmal produziert und identisch in allen drei Ausgaben „Nord“, „Süd“ und „West“ publiziert. Aus Gründen der Markenpflege und Leser-Blatt-Bindung wird hier in der Praxis zusätzlich oft der Titel der Ausgabe ausgetauscht und z. B. auf der Titelseite ein lokales „Fenster“ integriert. In diesem definierten Bereich wird mit jeweils einem einzelnen Artikel auf der Titelseite auf Inhalte der Lokalteile „Nord“, „Süd“ und „West“ hingewiesen. Alle anderen Elemente der Titelseiten sind für die drei Ausgaben identisch. Ausgabe Nord Politik national Wirtschaft Sport national Kultur national Lokales Nord Sport Nord Rubriken Anzeigen Süd Lokales Süd Sport Süd/ West West Lokales West Ressort Schematisches Beispiel des Modulkonzepts bei Tageszeitungen Abb. 2.3: Mehrfachverwertung von Inhalten einer Tageszeitung 71 2.1.1 Marktanalyse Printprodukte als Massenmedien unterliegen im Vergleich zur elektronischen Konkurrenz keiner technisch bedingten Beschränkung der Reichweite. 72 Die Printmedien, insbesondere Zeitungen und Zeitschriften, sind nach wie vor ein besonders wichtiger Medienmarkt. Interessant bei der Analyse dieser Mediengattung ist die Anbieterseite, da sich diese einem zunehmenden Konkurrenzdruck und Verdrängungswettbewerb gegenüber ihren Kernangeboten ausgesetzt 70 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 128 f. 71 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Schumann/ Hess (2002), S. 77. 72 Vgl. Schumann/ Hess (2002), S. 7. z eitungen und z eitSchriften 57 sieht. Diese Entwicklung wird im Wesentlichen durch den Markteintritt neuer Konkurrenten mit Nonprint-Angeboten forciert. Außerdem bietet die Seite der Nachfrager als Massenmarkt keine strukturellen Besonderheiten. 73 Obwohl die verkaufte Auflage etwa von Tageszeitungen sowie die Anzahl der Anbieter (Verlage) seit Jahren rückläufig ist, erreichten Tageszeitungen nach Angaben des Branchenverbandes BDZV ein Publikum, das nie größer war. Gedruckte Zeitungen wurden nach 2012 veröffentlichten Zahlen pro Erscheinungstag von 72,4 % der Bürger über 14 Jahren in Deutschland gelesen. Fast 40 % der über 14-Jährigen nutzten die Websites der Verlage. Vor allem die E-Paper-Auflagen verzeichneten in den vergangenen Jahren starke Zuwächse (vgl. Abb. 2.4). 74 Die Entwicklung der verkauften Auflage der Tageszeitungen hat jedoch innerhalb der letzten zehn Jahre konstant und kontinuierlich abgenommen und lag 2013 bei 17,54 Millionen (2012: 18,4 Millionen) Exemplaren. 75 Je nach Betrachtungskriterium herrscht auf dem Tageszeitungsmarkt eine moderate bis hohe Konzentration. Die inhaltliche Art des Informationsbedürfnisses, welches über Tageszeitungen gedeckt wird, hat sich hingegen, wie die folgende Tabelle (Abb. 2.5) zeigt, in den letzten Jahren kaum verändert. Entwicklung der E-Paper-Auflagen 2006 bis 2012 (verkaufte Auflage und Zuwachsraten) Q2 2006 Vergleich Vorjahr Q2 2007 Vergleich Vorjahr Q2 2008 Vergleich Vorjahr Q2 2009 37.000 +75 % 50.914 +38 % 68.329 +34 % 78.920 Vergleich Vorjahr Q2 2010 Vergleich Vorjahr Q2 2011 Vergleich Vorjahr Q2 2012 Vergleich Vorjahr +21 % 95.263 +21 % 144.067 +51 % 196.740 +37 % Abb. 2.4: Auflagenentwicklung E-Paper-Tageszeitungen 76 73 Vgl. Wirtz (2011), S. 167. 74 Vgl. Pasquay (2012), S. 5. 75 Vgl. Statista (2014). 76 Eigene Berechnungen, Auflagenzahlen nach Pasquay (2012), S. 26, basierend auf IVW-Quartalsauflagenlisten. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 58 Zustimmung zur Frage „Das lese ich im Allgemeinen“ 2003 2010 Lokale Berichte hier aus dem Ort und der Umgebung 83 % 85 % Politische Meldungen und Berichte aus dem Inland 69 % 71 % Politische Meldungen und Berichte aus dem Ausland 60 % 56 % Leitartikel 44 % 51 % Anzeigen 43 % 45 % Sportberichte/ Sportnachrichten 42 % 45 % Leserbriefe 43 % 43 % Tatsachenberichte aus dem Alltag 42 % 43 % Kulturelles Leben (Film, Theater, Bücher, Musik etc.) 31 % 40 % Wirtschaftsteil, Wirtschaftsnachrichten 38 % 38 % Wissenschaft und Technik 27 % 32 % Abb. 2.5: Interesse an Inhalten in Tageszeitungen 77 In etwa 60 % der Kreise in Deutschland erscheint nur eine Tageszeitung mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung. Diese Regionen stellen damit sog. Ein- Zeitungs-Kreise dar, die Anbieter haben hier eine Monopolstellung inne. Maximal zwei Zeitungen mit lokaler Ausrichtung waren in 90 % der Kreise vorhanden, was dem Duopol entspricht. Wesentlicher Grund für diese Entwicklung sind die hohen Markteintrittsbarrieren im Zeitungsmarkt. Im nationalen Tageszeitungsmarkt sind in den letzten Jahren ebenfalls Konzentrationstendenzen zu beobachten. Hier liegt mit mehreren Anbietern jedoch ein Oligopol vor. Ende 2012 stellte etwa die „Financial Times Deutschland“ ihren Betrieb ein. 78 77 Eigene Darstellung, vgl. Pasquay (2012), S. 32. Datenbasis: Personen ab 16 Jahren in Deutschland, die zumindest eine Tageszeitung lesen, ermittelt durch Befragung. 78 Vgl. Sueddeutsche.de (2012). z eitungen und z eitSchriften 59 Rheinische Post Holtzbrinck DDVG FAZ Madsack Ippen-Gruppe Verlagsgruppe DuMont Verlagsgruppe WAZ Verlagsgruppe Stuttgarter Zeitung Axel Springer AG Marktanteile der größten Tageszeitungsverlage (2010) 2,0% 2,3% 3,0% 3,1% 4,0% 4,2% 5,5% 5,8% 8,6% 19,6% 0% 5% 10% 15% 20% Abb. 2.6: Marktanteile der zehn größten Verlage für Tageszeitungen 79 Auch die Frankfurter Rundschau (FR) erscheint nach einem Insolvenzantrag seit März 2013 zwar weiterhin als überregionale Publikation, musste ihr Produktionskonzept jedoch grundlegend ändern. Der Mantelteil wird jetzt in einer Redaktionsgemeinschaft mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) produziert, die inzwischen zu 35 % Anteilseigner an der FR ist. Von 450 Mitarbeitern wurden 28 nach der Umstrukturierung und Sanierung übernommen. 80 In der Mediaplanung und -forschung werden häufig verschiedene Reichweitenbegriffe genutzt. Die wichtigsten Grundlagen sind nachfolgend zusammenfassend erläutert. Im Printmarkt ist die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) von besonderer Bedeutung. Sie ermittelt bspw. die Zahlen der tatsächlich verbreiteten oder der verkauften Auflage von Printmedien. Zur verkauften Auflage gehören neben Exemplaren aus Abonnements und dem Einzelverkauf auch sog. Bordexemplare und Lesezirkelstücke. 81 „Die IVW ermittelt, publiziert und kontrolliert die Auflagenhöhe von Zeitungen, Zeitschriften und weiteren periodisch erscheinenden Presseerzeugnissen.“ 82 79 Eigene Darstellung, Marktanteile nach Formatt-Institut 05/ 2010. 80 Vgl. Sueddeutsche.de (2013). 81 Vgl. zu den jeweiligen Messgrößen der IVW ausführlich auch IVW (2014). 82 IVW (o. J.). S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 60 Die von der IVW ermittelten und publizierten Zahlen basieren auf Mitteilungen der teilnehmenden Verlage, die nach definierten Gütekriterien und Regeln dargestellt werden müssen. Allein aus der Verbreitung bzw. dem Verkauf von Printmedien lassen sich jedoch nur begrenzt Rückschlüsse auf die tatsächliche Nutzung ziehen. Häufig werden bei Printmedien daher, zusätzlich zu den IVW Zahlen, weitere Kennzahlen zur Nutzung und Verbreitung angegeben. Hierzu gehören der Weiteste Leserkreis (WLK) und die Leser pro Ausgabe (LpA). Diese Werte basieren meist auf Befragungen. Studien hierzu sind etwa die regelmäßig erscheinende Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) oder die Media Analyse (MA). „Die MA und die AWA sind die wichtigsten Studien zur Feststellung der Reichweiten deutscher Printmedien.“ 83 Der weiteste Leserkreis wird für Printmedien meist durch Befragung, etwa in der MA, ermittelt. Für die Berechnung des WLK werden nur Personen berücksichtigt, die angegeben haben, generell die betreffende Zeitung oder Zeitschrift schon einmal in der Hand gehabt zu haben. Der Weiteste Leserkreis (WLK) bezeichnet alle Personen, die mindestens eine Ausgabe eines Printmediums im Untersuchungsintervall (z. B. in den letzten 12 Monaten) gelesen oder durchgeblättert haben. 84 Der Wert der LpA gibt im Unterschied dazu eine individuelle Kontaktwahrscheinlichkeit an und ist ein wichtiger Basiswert in der Mediaplanung, denn dadurch wird die Werbeträger-Kontaktchance mit den Rezipienten ausgedrückt. Der Wert für die LpA ist ein berechneter Durchschnittswert. Der Wert für Leser pro Ausgabe (LpA) ist die durchschnittliche Anzahl der Leser pro Ausgabe eines Printmediums und wird rechnerisch ermittelt. 85 Die Angabe der LpA gehört zum Standard für die Reichweitenforschung von Printmedien. Dieser Wert wird basierend auf der verbreiteten Auflage und den per Befragung ermittelten Lesern pro Nummer (LpN) bestimmt. Davon zu un- 83 Frey-Vor/ Sigert/ Stiehler (2008), S. 208. 84 Vgl. Koschnick (2003), S. 1694; Frey-Vor/ Sigert/ Stiehler (2008), S. 200 ff. 85 Vgl. Koschnick (2003), S. 1684 ff.; Frey-Vor/ Sigert/ Stiehler (2008), S. 200 ff. z eitungen und z eitSchriften 61 terscheiden sind die Leser pro Exemplar (LpE). Diese Zahl gibt an, von wie vielen unterschiedlichen Personen dasselbe Exemplar eines Printmediums genutzt wird. Außerdem wird zum WLK der sog. K1-Wert ermittelt. Im Unterschied zur Angabe für die LpA, die basierend auf dem Lesen in der „letzten Ausgabe“ ermittelt wird, erfolgt hier eine Frequenzabfrage. Er erfordert damit eine größere Gedächtnisleistung vom Befragten und berücksichtigt ggf. auch Sonderausgaben. Insbesondere für die Mediaplanung oder Resonanzanalysen werden zahlreiche weitere Kennzahlen genutzt, die hier jedoch aus Platz- und Relevanzgründen für dieses Buch nicht weiter betrachtet werden. 2.1.2 Ökonomie und Finanzierung Die meisten Printmedien sind, wie viele andere Medienformen auch, parallel auf zwei Arten von Märkten aktiv: 86 auf einem Lesermarkt als Angebot von Information oder Unterhaltung und auf einem Werbemarkt als Anbieter von Medialeistung bzw. Kommunikationsmedium für vielfältige Kommunikatoren. Auf dem Lesermarkt sind Printmedien einem grundsätzlichen Qualitätswettbewerb ausgesetzt. Je qualitativere Inhalte sie den Lesern - entsprechend der jeweils gültigen Beurteilungsdimensionen - liefern können, umso höhere Auflagen lassen sich absetzen. Steigt die Auflage, reduzieren sich die Durchschnittskosten pro verkauftem Stück. Diese Größenvorteile oder Economies of scale sind in der Printmedienproduktion von besonderer Bedeutung, da ein hoher Fixkostenanteil sowohl in der Redaktion als auch der technischen Produktion bereits für das erste produzierte Stück entsteht. Wirtz geht hierbei von einem Kostenanteil für die erste produzierte Einheit (First-Copy-Costs) von 42 bis 47 % aus. 87 Zahlen des BDZV lassen den Schluss zu, dass dieser Anteil etwa für Tageszeitungen sogar bei 50 % oder darüber liegen könnte. 88 Dies hat seine Ursache etwa im verwendeten Produktionsverfahren (vgl. hierzu auch Kap. 3). Eine hohe Auflage begünstigt somit Wettbewerber mit hohem Marktanteil. Sie führt zu Vorteilen in der Kostendegression, da die Stückkosten gegenüber kleineren Anbietern deutlich geringer sind und wirkt so konzentrationsfördernd sowie als Markteintrittsbarriere für potentielle, neue Konkurrenten auf dem jeweiligen Markt. Je höher die Auflage ist, umso attraktiver ist ein Medium in der Regel auch für die werbetreibende Industrie. Zusätzlich sinken dabei meist die Kosten pro Wer- 86 Vgl. hierzu auch Kap. 1.2. 87 Vgl. Wirtz (2011), S. 200 sowie Wirtz (2013), S. 236. 88 Vgl. zu Zahlen des BDZW: Pasquay (2012), S. 23, hier ergeben die Kostenkategorien „Redaktion“, „Anzeigen“ und „Vertrieb“ bei Abonnementzeitungen in Westdeutschland insgesamt 49,9 %. Ein Fixkostenanteil etwa der „Herstellung“ ist dabei noch nicht berücksichtigt. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 62 bekontakt mit dem Medium, gemessen über den Tausend-Kontakt-Preis (TKP). 89 Das Erreichen eines einzelnen Lesers wird damit für die Werbung in Medien mit hohen Auflagen günstiger, als dies für kleine Auflagen möglich ist. Diese Vorteile führen zu einem steigenden Anzeigenvolumen, über steigende Umsätze und Gewinne können dann wiederum Qualitätsverbesserungen für das Produktangebot bzw. die Inhalte querfinanziert werden, was schließlich, bei erfolgreicher Umsetzung eines steigende Attraktivität des Produktes bei den Lesern zur Folge hat (vgl. Abb. 2.7). Sinkt die Auflage, wirkt der beschriebene Effekt negativ. 90 Die Anzeigen-Auflagen-Spirale beschreibt die Wechselwirkungen zwischen Leser- und Werbemarkt. Sie erklärt die Ursache für den kumulativ-dynamischen Zusammenhang von Nachfrage und Gewinn in ganz oder teilweise werbefinanzierten Medien. 91 Qualitätswettbewerb höhere Auflage Vorteile der Kostendegression Preiswettbewerb (günstiger TKP) steigendes Anzeigenvolumen steigende Umsätze und Gewinne Qualitätsverbesserungen Werbeumfeld Lesermarkt Werbemarkt Abb. 2.7: Schema der Anzeigen-Auflagen-Spirale 92 89 Zur Berechnung des TKP und Methoden der Preisfindung vgl. auch Kap. 4.2. 90 Vgl. Wirtz (2011), S. 175 ff. 91 Vgl. Korff-Sage (1999), S. 24 ff.; Haas (2005), S. 29 ff.; Hass (2007); Wirtz ebd. 92 Eigene Darstellung, vgl. Wirtz (2011), S. 176 sowie Kantzenbach/ Greiffenberg (1980), S. 199 im Original. z eitungen und z eitSchriften 63 Die Bedeutung von Printmedien als Werbeträger im Vergleich unterschiedlicher Medienformen verdeutlicht Abb. 2.8. Im Jahr 2012 entfielen 18 % der erfassten Werbeeinnahmen auf Tageszeitungen, nur das Fernsehen konnte mit insgesamt 22 % der Umsätze im Medienvergleich einen höheren Marktanteil erzielen. In der Zusammenfassung des gesamten Printmediensektors (Tageszeitungen, Anzeigenblätter, Publikumszeitschriften etc.) würde sich ein Gesamtvolumen von 7.638,8 Millionen Euro bzw. 42 % ergeben. Die Bedeutung von Vertriebserlösen aus dem Einzelbzw. Abo-Verkauf wird bei Printmedien immer wichtiger. 93 Wie wesentlich sich dieser Bereich in der langfristigen Betrachtung verändert hat, zeigen folgende Zahlen: 1998 betrug der Anteil an Werbeaufwendungen in Tageszeitungen noch 5,87 Milliarden Euro, 2011 waren es nur noch 3,65 Milliarden Euro ( - 62 %). Ursache für diese Entwicklung ist u. a. die Konkurrenz im Internet für sog. rubrizierte Anzeigen, die auch Rubrikenanzeigen, Kleinanzeigen oder Gelegenheitsanzeigen genannt werden. Sie machten zuvor einen wesentlichen Umsatzanteil aus. 0 1 2 3 2010 2012 in Milliarden EUR 1% 4% 5% 5% 6% 6% 7% 11% 16% 18% 22% Werbeeinnahmen erfasster Werbeträger in Deutschland 2010 und 2012 (Anteil an den erfassten Werbeeinnahmen pro Medium in % 2012) Filmtheater Zeitungssupplements Wochen-/ Sonntagszeitungen Hörfunk Außenwerbung Fachzeitschriften Online-Angebote Verzeichnis-Medien Publikumszeitschriften Anzeigenblätter Werbung per Post Tageszeitungen Fernsehen 4 Print gesamt: 7.653,8 M EUR 42% Abb. 2.8: Werbeträger im Vergleich 94 Typische Rubriken für solche Kleinanzeigen sind Immobilien (Mietgesuche/ Vermietungen, An- und Verkauf von Wohnungen, Häusern, etc.), Stellenmarkt, Automarkt, Familienanzeigen sowie Liebe und Partnerschaft. 95 93 Vgl. exemplarisch Riefler (2004); Sjurts (2005), S. 32 ff.; Schnell (2008). 94 Eigene Darstellung und Berechnung, zur Datenbasis vgl. ZAW (2014), o. S. 95 Vgl. Pasquay (2012), S. 19 und 22 u. a. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 64 Rubrikanzeigen oder Kleinanzeigen finden sich meist im Anzeigenteil einer Zeitung. Dieser Teil besteht oft ausschließlich aus Anzeigen, die in Kategorien und einspaltig, ähnlich dem Fließtext, angeordnet sind. Ziel dieser Anzeigen ist ein gelegenheitsorientierter Handel oder Austausch mit oder zwischen den Lesern eines Printmediums. Der BDZV geht für Abonnementzeitungen in Westdeutschland inzwischen insgesamt von einem Vertriebsanteil der Erlöse von knapp 53 % aus, Wirtz schätzt, gattungsübergreifend für Zeitungen und Zeitschriften, den Verkaufserlösanteil auf 38 %. 96 Ein wesentlicher Kostentreiber, der vom Management der Verlage nur sehr begrenzt beeinflusst werden kann, sind dabei die Kosten für Papier. 97 2.1.3 Psychologie Vielfältige psychologische Effekte und Einflüsse spielen bei der Gestaltung und dem Management von Printprodukten heute eine Rolle (vgl. auch Abb. 2.9). Einige wichtige Aspekte sollen hier nachfolgend betrachtet werden. Dabei stützt sich das Management von Printmedien nicht nur auf Aspekte und Erkenntnisse der relativ jungen Teildisziplin der Medien- und Kommunikationspsychologie. 98 Beachtet werden müssen auch Aspekte, die aus anderen Forschungsrichtungen übertragen werden können. Hierzu gehören z. B. die vielfältigen Erkenntnisse zur Themenauswahl und Wirkung von Themen, über die Journalisten berichten, auf den Rezipienten und andere Medien. Insbesondere im Bereich der Zeitschriften herrscht in vielen Segmenten ein relativ hoher Konkurrenzdruck und Kaufzeitungen müssen regelmäßig im Regal oder am Kiosk den potentiellen Leser innerhalb kürzester Zeit ansprechen und vom Kauf überzeugen. Ohne eine implizite oder explizite Nutzung von Erkenntnissen der Wirkung zur Produkt- und Seitengestaltung von Medien ist dies kaum noch möglich. Für die Werbekunden müssen Printmedien ein angemessenes Werbeumfeld bieten und für Aufmerksamkeit der Werbeinhalt sowie, etwa in der eigenen Produktgestaltung, für das Erreichen einer möglichst stabilen und genau definierten Zielgruppe sorgen. Dies geschieht mittels der Werbe- und Konsumentenpsychologie, wobei der Markenführung eine besondere Bedeutung zukommt. 96 Vgl. zu Zahlen des BDZW: PASQUAY (2012), S. 23; sowie Wirtz (2011), S. 200 und für Zeitschriftenverlage im Detail vgl. Wirtz ebd., S. 204. 97 Vgl. Wirtz (2011), S. 201. 98 Vgl. Trepte (2004), S. 11 f. z eitungen und z eitSchriften 65 Psychologie der Printmedien Produkt- und Seitengestaltung Themenauswahl und -wirkung Rezeptions- und Konsumentenpsychologie Werbepsychologie Markenwirkung Abb. 2.9: Psychologische Einflusskomponenten bei Printmedien Das Lesen von Texten ist kein einfacher Vorgang, sondern bildet einen aktivkonstruierenden Prozess, bei dem der Text- und Seiteninhalt des passiven Rezipienten nachvollzogen wird. 99 Dieser Prozess läuft mehrfach iterativ ab. Beim Lesen eines Textes lassen sich so drei Stufen 100 unterscheiden: [1] Analyse sichtbarer Formstrukturen von Buchstaben, Wörtern, Sätzen [2] Generierung einer Textbasis mit Zusammenhängen und Überlappungen [3] Entwicklung eines Situationsmodells für die gesamte Darstellung Für die Produkt- und Seitengestaltung ergeben sich aus diesem Grundmodell und ähnlichen sowie weiterführenden Forschungen vielfältige Rückschlüsse, mit der sich auch handwerkliche Empfehlungen für eine angemessene Textgestaltung begründen lassen. So kann die Sinnbildung von Zusammenhängen aus Wörtern und Sätzen z. B. durch wörtliche oder sinngemäße Wiederholungen in räumlicher Nähe unterstützt werden. Im Kurzzeitgedächtnis befindet sich beim Lesen der Bedeutungsinhalt 101 von 1-4 Sätzen, zwischen denen zunächst versucht wird, ein Teil-Textverständnis bzw. einen Sinnzusammenhang zu erreichen. 102 99 Schwan/ Buder (2007), S. 63 ff. 100 Vgl. Schwan/ Buder ebd. für eine zusammenfassende, deutsche Übersetzung sowie Kintsch (1998); Kintsch (2004), S. 1270 ff. im Original. 101 In der Linguistik wird der durch einen Satz ausgedrückte Sachverhalt („Inhalt eines Satzes“) häufig auch als Proposition beschrieben. 102 Vgl. hierzu zusammenfassend Quathamer (1998), S. 12 ff. sowie die dort referenzierte Basisliteratur. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 66 Damit diese Verarbeitung von Texten oder Medieninhalten allgemein allerdings überhaupt stattfinden kann, ist neben Sprach- und Lesekompetenz als Grundvoraussetzung eine ausreichende kognitive Kapazität notwendig. Beim Lesen wird die Verarbeitungskapazität 103 dabei durch drei Faktoren bestimmt: [1] inhaltliche Belastung (Inhalt an sich) [2] Art der Auf bereitung (Präsentationform) [3] Verarbeitungsaufwand (Wissenskontext) Vertraute oder einfache Inhalte bedeuten somit nur eine geringe inhaltliche Belastung, angemessene und übersichtliche Gestaltung ermöglichen eine geringe Beanspruchung durch die Präsentation. Es bleibt dann umso mehr Kapazität für die Verarbeitung des eigentlichen Medieninhaltes übrig. Wichtige Theorien der Medienwirkungsforschung 104 erklären die Themenauswahl oder Wirkung medial berichteter Inhalte, z. B. in Printmedien: ◼ Die Wissensklufthypothese geht davon aus, dass Medieninhalte in verschiedenen Bevölkerungsschichten unterschiedlich gut verarbeitet werden. ◼ Die Agenda-Setting-Theorie beschreibt die Wirkungen von Themenauswahl und damit verbundene Wahrnehmungseffekte. ◼ Die Priming-Hypothese erklärt Veränderungen in Bewertungen von Rezipienten, die sich an Kriterien, über die medial berichtet wurde, orientieren. ◼ Die Schweigespirale betrachtet den Einfluss von Meinungsäußerungen im Kontext der Berichterstattung durch Massenmedien. Für die Seitengestaltung werden zur Analyse häufig klassische Forschungsmethoden der Marktforschung für Produktentscheidungen eingesetzt. So können etwa mittels Gruppendiskussionen oder der Choice-based Conjoint-Analyse Varianten von Titelblättern getestet und optimale Produktgestaltungen für den Verkauf und die Leseransprache gefunden werden. 105 Dabei werden auch Erkenntnisse der Rezipientenforschung und Konsumentenpsychologie und nicht zuletzt der Preisforschung genutzt. Für die Werbegestaltung aber auch Werbeeffizienzforschung sind psychologische Betrachtungen etwa zum Auf bau/ der Gestaltung oder der Platzierung von Anzeigen relevant, genauso wie im Bereich der Markenführung von Zeitungen und Zeitschriften. 2.1.4 Führung und Management Für das Management von Zeitschriften und Zeitungsverlagen sind eine Reihe von Besonderheiten zu beachten, die im Nachfolgenden in ihren wesentlichen 103 Diese Darstellung basiert auf der Cognitive Load Theorie, vgl. Sweller et al. (1988) sowie nachfolgende Arbeiten. 104 Vgl. zur Auswahl im Überblick Maier (2007), S. 396. 105 Vgl. exemplarisch Hoffmann et al. (2010), S. 18 ff. z eitungen und z eitSchriften 67 Aspekten dargestellt werden. Die Beschreibung orientiert sich dabei an einer vereinfachten, allgemeinen Wertschöpfungskette der Kernprozesse Beschaffung, Produktion und Absatz von Printmedien. 106 Wie bereits gezeigt wurde, ist die Qualität der gebotenen Leistungen für den Erfolg von Printmedien ein Schlüsselfaktor. Die zentrale Aufgabe der Beschaffung besteht damit in Produktion und Zugang zu hochwertigen Inhalten. Dabei ist für Verlage insbesondere der Fremdbezug von Inhalten relevant. Wirtz nennt die folgenden Einflussfaktoren für das Beschaffungsmanagement in Printverlagen: 107 ◼ Kosten ◼ Erlöserwartungen ◼ Vertragsbedingungen ◼ Verhalten der Wettbewerber ◼ staatliche Vorgabe Die Kosten für die Beschaffung sind im Wesentlichen von der Qualität und Aktualität der Inhalte abhängig. Je häufiger eine Information publiziert wird, umso geringer ist meist die Zahlungsbereitschaft der Verlage, gleiches gilt mit sinkender Aktualität im Zeitverlauf. So können tagesaktuelle Informationen oft schon innerhalb von Stunden drastisch an Wert verlieren. Die zu erwartenden Erlöserwartungen sind ein weiterer Einflussfaktor, sie sind im Wesentlichen von der Attraktivität der Inhalte abhängig. Die Kriterien zur Beurteilung dieser Dimension sind jedoch je nach Medienform und -ausrichtung unterschiedlich. Typische Beispiele sind hohe Beträge für einzelne, exklusive Fotos im Bereich der Yellow Press. Für die Vertragsbedingungen als Einflussfaktor der Beschaffung spielen das Recht auf Mehrfachverwertung, Speicherung und Distribution über unterschiedliche Verwertungskanäle, neben der Printverwertung, eine wesentliche Rolle. Printmedien stehen im Wettbewerb um exklusive Informationen. Als öffentliches Gut kann Exklusivität für Nachrichten jedoch nicht immer gewährt werden, auch bei der Reproduktion von Agenturmaterial ist meistens keine Exklusivität für einzelne Medien möglich. Printmedien sind daher bestrebt, durch eigene Recherchen bzw. exklusive Verträge mit freien Mitarbeitern und anderen Zulieferern, Zugriff auf exklusive Informationen zu erhalten und zu publizieren. Staatliche Vorgaben und Normen haben ebenfalls Einfluss auf die Beschaffungsvorgänge in Presseverlagen. Hierbei sind insbesondere das Urheberrecht sowie die Verwertungsrechte zu berücksichtigen. 108 Neben den notwendigen, rechtlichen Regelungen zur Verwertung von Medieninhalten spielen dabei in der Praxis vor allem zwei sog. Verwertungsgesellschaften für Printverlage eine 106 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 26. 107 Vgl. zur Beschaffung ausführlich Wirtz (2011), S. 208 ff. 108 Vgl. Schellmann/ Baumann/ Gaida et al. (2010), S. 606 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 68 wesentliche Rolle: die Verwertungsgesellschaft Wort, welche Urheberrechte für Verlage und Autoren verwaltet, sowie die Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst, die u. a. Zweitverwertungsrechte für Fotografen, Fotojournalisten, Grafiker, Karikaturisten und Bildarchive wahrnimmt. Die Produktion von redaktionellen Inhalten stellt den Leistungskern von Printverlagen dar. Neben der globalen Make-or-Buy-Entscheidung, bei der zu bestimmen ist, ob der redaktionelle Inhalt in Eigen- oder Fremdproduktion zu erstellen ist, sind vielfältige Qualitäts- und Kooperationsentscheidungen zu treffen, die nicht nur die redaktionelle, sondern auch die technische Produktion (Bildbearbeitung, Archivierung, Druckvorstufe, Druck, Weiterverarbeitung etc.) betreffen. 109 Dabei werden inzwischen häufig ganze Tätigkeitsbereiche durch Outsourcing an externe Dienstleister vergeben. 110 Eine wichtige Rolle spielt auch die Vergabe von einzelnen Produktionsbestandteilen wie Artikel oder Bilder an freie Mitarbeiter. Auch Halbfabrikate, in Form von ganzen gestalteten Seiten oder Rubriken, können von externen Anbietern zugekauft werden, wenn etwa die Eigenproduktion aufgrund von Umfang und Erscheinungsweise nicht wirtschaftlich ist. Typische Beispiele aus diesem Bereich in Tageszeitungen sind etwa Reise- oder Gesundheitsseiten, Wettergrafiken, Rätsel, Fortsetzungsromane sowie Börsenkurse. Der Absatz und Vertrieb von Printmedien lässt sich durch die vier Elemente des Marketingmix beschreiben. Dazu gehören: [1] Produktpolitik [2] Preispolitik [3] Vertriebspolitik [4] Kommunikationspolitik In der Produktpolitik der Zeitungen und Zeitschriftenverlage sind vor allem die Markentstrategie der Einzelmarken und der Familienmarken zu beobachten. In der Einzelmarkenstrategie entwickeln Verlage für einzelne Produkte unterschiedliche Marken. Für die Rezipienten ist dabei häufig nicht zu erkennen, dass die unterschiedlichen Medienprodukte von einem Anbieter stammen. 111 Die Einzelmarkenstrategie ist z. B. im Bereich der kleinen und mittleren Zeitschriftenverlage häufig zu finden. So bietet etwa der Umschau Zeitschriftenverlag verschiedene Fachzeitschriften mit eigener Markierung für unterschiedliche Zielgruppen an. Dazu gehören die Produkte „Ernährungsumschau“, „Deutsche Schützen Zeitung“ oder „Die PTA in der Apotheke“. 112 109 Vgl. Wirtz (2011), S. 215 f.; Kiefer (2005), S. 111 ff. 110 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 23. 111 Vgl. Bruhn (2010), S. 145 f., ausführlich zu Markenstrategien und strategischen Ausrichtung von Zeitschriftenverlagen auch Schauseil (2013). 112 Vgl. UVZ (2014). z eitungen und z eitSchriften 69 Bei der Familienmarkenstrategie wird eine einheitliche Markenbezeichnung für eine Produktgruppe aus mehreren Angeboten genutzt. Dabei profitieren die einzelnen Produkte von der Bekanntheit, dem Image bzw. Werteversprechen der Produktfamilie. 113 Diese Strategie findet sich im Printbereich häufig bei mittleren und großen Zeitschriftenverlagen sowie bei Tageszeitungen für Teile des Angebots oder für die gesamte Produktpalette. Der Axel Springer Verlag nutzt seine besonders bekannte Marke „Bild“ sogar gattungsübergreifend als Familienmarke und verfolgt auch für „Die Welt“ die Familienmarkenstrategie im Bereich der Zeitungen. 114 Für Entscheidungen im Rahmen der Produktpolitik in Printmedien ist, wie für viele andere Wirtschaftsgüter auch, die Position des Produktes im Produktlebenszyklus interessant. Für das Konzept des Produktlebenszyklus 115 wird eine Reihe von Voraussetzungen unterstellt: ◼ Das Produkt hat eine begrenzte Lebensdauer auf dem Markt. ◼ Der Produktumsatz durchläuft deutlich differierende Phasen. ◼ Das Gewinnpotential steigt bzw. sinkt abhängig von der jeweiligen Phase. In den einzelnen Phasen sind unterschiedliche Strategien vorteilhaft. Das Konzept des Produktlebenszyklus 116 unterteilt verschiedene Phasen eines Analyseobjekts und identifiziert Gesetzmäßigkeiten im Verlauf des Angebotes, abhängig von Zeit und Absatzvolumen am Markt. Basierend auf der Position im Lebenszyklus können Normstrategien zur Marktbearbeitung abgeleitet werden. Je nach Anwendungsfall und Autor werden zumeist vier bis sechs Phasen im Lebenszyklus unterschieden. 117 Dieses Buch beschränkt sich zur Darstellung des grundlegenden Prinzips auf eine Einteilung in vier Phasen (Abb. 2.10): [1] Einführung [2] Wachstum [3] Reife [4] Degeneration 113 Vgl. Bruhn ebd. 114 Vgl. für eine Auflistung der Markenangebote Axel Springer Mediapilot (2014). 115 Vgl. Kotler et al. (2007), S. 1002 ff. 116 Vgl. Bruhn (2010), S. 63 ff. 117 Vgl. Kiefer (2005), S. 99 ff.; Kotler ebd.; Bruhn ebd. sowie Wirtz (2011), S. 218. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 70 In der Einführungsphase wird das Produkt zunächst konzeptioniert, nach erfolgreichem Markttest, bspw. mit einem „Dummy“ oder einer „Nullnummer“, am Markt angeboten. Es müssen die Redaktionsbzw. notwendigen Kooperationsstrukturen zur Produktion aufgebaut und erste Anzeigen akquiriert werden. Oft wird im Printbereich das bereits am Markt angebotene Produkt im Verlauf der ersten Ausgaben noch inhaltlich angepasst. Da Medienprodukte aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften als Erfahrungs- und Vertrauensgüter ohnehin nur schwer vor dem Markteintritt getestet werden können, gelangen eine Reihe von Produktentwicklungen, etwa im Zeitschriftenbereich, gar nicht zur Marktreife oder werden nach kurzer Zeit als relativ erfolglos vom Markt genommen. Gelangt ein Produkt in die Wachstumsphase, erfolgt eine aggressivere Anzeigenvermarktung sowie Bewerbung. Außerdem ist eine ständige Qualitätskontrolle der Akzeptanz auf den Märkten und oft die Optimierung der Produktionsprozesse innerhalb des Verlages und ggf. seiner Partner notwendig. Gegen Mitte oder Ende der Reifephase kann es erforderlich bzw. möglich sein, den Umsatz- und Gewinnrückgang durch eine Überarbeitung, den sog. Relaunch, zu unterbrechen oder zu verzögern. Dabei werden zumeist das redaktionelle wie gestalterische Konzept der Publikation geprüft und neu ausgerichtet. Auch Änderungen von Vertriebsstrukturen oder Preismodellen sind möglich. Sinken die Umsätze im Zeitverlauf weiter, so schließt sich die Degeneration bzw. Schrumpfung an. Leser und Anzeigenkunden wandern ab, bis schließlich das Produkt eingestellt wird. 118 118 Vgl. Bruhn ebd. sowie Wirtz ebd. Einführung Wachstum Reife Degeneration Absatz Zeit Relaunch? Abb. 2.10: Idealtypische Phasen des Produktlebenszyklus z eitungen und z eitSchriften 71 Für die Preispolitik der Verlage sind die Strategien auf dem Lesersowie dem Anzeigenmarkt getrennt zu betrachten. Typische Formen der Preisdifferenzierung 119 auf Printmärkten sind: ◼ mengenmäßige Preisdifferenzierung ◼ leistungsbezogene Preisdifferenzierung ◼ Preisbündelung ◼ räumliche Preisdifferenzierung ◼ personelle Preisdifferenzierung Zeitungs- und Zeitschriftenverlage setzen jedoch sowohl auf dem Leserals auch auf dem Anzeigenmarkt eine Reihe verschiedener Preisdifferenzierungen ein. Dazu gehört vor allem die mengenmäßige Preisdifferenzierung (Einzelverkauf teurer als Abonnement, Rabattstaffelungen nach Größe und Frequenz für Anzeigen). Der Leistungsbzw. nutzenorientierten Preisdifferenzierung lassen sich unterschiedliche Konditionen der gleichen Zeitschrift als gedruckte oder elektronische Ausgabe zuordnen. Aufpreise für bestimmte Platzierungen von Anzeigen (z. B. rechte Seite, Griffecke o. ä.), Farbigkeit (vierfarbig oder schwarz/ weiß) fallen ebenfalls in diese Kategorie, da hier ein nur marginal verändertes Angebot zur Differenzierung von Preisen genutzt wird. Auch Preisbündelungen, etwa für verschiedene Produkte im selben Verlag, sind sowohl im Anzeigenals auch im Lesermarkt möglich. Werden Anzeigenpreise nach geografischer Verbreitung differenziert, kann dies als räumliche Preisdifferenzierung interpretiert werden. Da diese Ausrichtungen jedoch häufig auch auf dem Modell des Tausender-Kontakt-Preises basieren, kann hier ggf. auch eine mengenmäßige Differenzierung vorliegen. Existieren für ein Produkt unterschiedliche Abonnementspreise, je nach Zielgruppe (z. B. Studenten-Abonnement), so liegt eine personelle Preisdifferenzierung vor. Je nach Anbieter-Kundenbeziehung sind solche Differenzierungen auch auf dem Werbemarkt möglich. Insgesamt herrscht auf vielen Printmärkten außerdem eine ausgeprägte Konkurrenzpreisorientierung. Als allgemeiner Preismaßstab auf den Werbemärkten dient der Tausend- Kontakt-Preis: TKP = Schaltkosten (Preis einer x-seitigen Anzeige) _______         Anzahl der potentiell erreichten Personen × 1000 Die Größe der Anzeige wird in der Regel nach dem Seitenanteil (2/ 1-Seite, 1/ 1-Seite, 1/ 2-Seite, 1/ 4-Seite usw.) bestimmt. 119 Vgl. zu den Grundlagen verschiedener preispolitischer Strategien exemplarisch: Bruhn (2010), S. 171 ff.; zur Anwendung im Printbereich teilweise Wirtz (2011), S. 220 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 72 Für die Distributionspolitik stehen den Verlagen sowohl verschiedene direkte Vertriebswege, etwa durch Außendienstmitarbeiter oder eigene Zusteller, und indirekte Vertriebswege, z. B. über den Presse-Großhandel (Presse-Grosso), zur Verfügung. 120 2.1.5 Fallstudie Die Echo Medien GmbH mit Sitz in Darmstadt ist die Konzernmuttergesellschaft für eine Unternehmensgruppe. Mit ihren Beteiligungsgesellschaften ist sie in den Bereichen Produktion und Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriften und digitale Medien in der Region Südhessen engagiert. Mit einem crossmedialen Ansatz werden diese Aktivitäten strategisch und wirtschaftlich miteinander verbunden, um Synergien zu nutzen und möglichst umfassend alle Bereiche der Print-Wertschöpfungskette abzudecken. Die Muttergesellschaft erbringt als Holding der Gruppe die Zentralfunktionen, wie Personal, IT-Systeme, zentrales Marketing, Finanzen und Recht oder Controlling. Im Bereich Zeitungen bringt die hundertprozentige Tochtergesellschaft Echo Zeitungen GmbH sechs regional ausgerichtete Tageszeitungen mit einheitlichem Mantel heraus und erreicht damit täglich im Schnitt 290.000 Leser. Außerdem werden wöchentliche Anzeigenzeitungen in mehreren Ausgaben produziert. Damit ist das Unternehmen der größte Zeitungsverlag in der Region Südhessen. Alle Tageszeitungen erscheinen in einem einheitlichen Layout. Dabei kommen ausgeprägte Strategien der Mehrfachverwertung zum Einsatz. Für die Tageszeitungen sowie deren Online- und ePaper-Angebot wird eine Familienmarkenstrategie verfolgt. Alle sechs Tageszeitungsprodukte tragen die Bezeichnung „Echo“ im Namen. Über Tochterfirmen gibt das Unternehmen außerdem Special-Interest-Titel wie etwa „GesundLebenHeute“ sowie Beilagen heraus. Diese Produkte sind, je nach Ausrichtung, als Teil der Familienmarke oder Einzelmarken am Markt positioniert. Digitale Medienangebote, wie ePaper und Apps für verschiedene Betriebssysteme ergänzen das Angebot. Auf dem Anzeigenmarkt werden u. a. mengenmäßige Preisdifferenzierungen eingesetzt, auf dem Lesermarkt erfolgt vor allem eine personenbezogene Preisdifferenzierung. 120 Vgl. Seufert (1994), S. 30 ff.; Wirtz (2011), S. 223, für aktuelle Entwicklungen im Pressevertrieb vgl. auch exemplarisch VDZ (2014a) sowie Brandt (2014). B uchMarkt 73 2.2 Buchmarkt Eine allgemein gültige Definition für ein Buch bzw. das wesentliche Outputgut auf Buchmärkten zu finden, ist aus ökonomischer Sicht, spätestens seit der Digitalisierung, schwierig. 121 Eine frühe Definition beschreibt Bücher 1912 als „Vereinigung von Bogen […] zu einem geschlossenen Ganzen, auf denen ein geistiges Erzeugnis durch Worte […] wiedergegeben wird.“ 122 Natürlich können in Büchern inzwischen auch Fotos oder andere Darstellungsformen erscheinen. Für aktuelle Betrachtungen greift diese Definition daher zu kurz. Die Unesco definiert ein Buch als „alles, was gedruckt über drei Druckbogen (mit je 16 Seiten) hinausgeht“. 123 Inzwischen ist jedoch bedrucktes Papier nicht mehr die zwingende Voraussetzung zur Entstehung zusammenhängender, geistiger Werke. Andere Quellen definieren Bücher zusätzlich über die nicht periodische Erscheinungsweise, 124 um sie einfacher von Zeitungen und Zeitschriften abgrenzen zu können. Es lässt sich folgende aktuelle Definition ableiten: Bücher sind mehrseitige, gebundene oder gebündelt dargestellte, nicht periodische Medienformen. Sie dienen der Reproduktion geistiger Erzeugnisse eines einheitlichen Themas oder in einem einheitlichen Rahmen. Die verschiedenen Arten von Büchern am Markt lassen sich nach mehreren Kriterien systematisieren. Gängig ist z. B. eine Unterscheidung nach dem Trägermedium sowie der inhaltlichen Ausrichtung, der auch die einheitliche Warengruppensystematik 125 des Branchenverbandes Börsenverein des Deutschen Buchhandels folgt. Ein Beispiel einer solchen Unterscheidung ist in Abb. 2.11 dargestellt. Auch andere Systematisierungen die spezifische Anforderungen einer Systematik erfüllen, etwa nach Zielgruppen oder Produktionsvariante, sowie alternative Aufteilungen der Hauptkategorien sind möglich und finden sich in Bibliotheken oder Verlagen. 121 Vgl. Wirtz (2011), S. 235 u. a. 122 Schellmann/ Baumann/ Gaida et al. (2010), S. 66. 123 Schellmann/ Baumann/ Gaida ebd. 124 Vgl. Hans-Bredow-Institut (2006). 125 Vgl. MVB (2006), für Erläuterungen auch Umlauf (2001), für eine alternative Systematisierung wissenschaftlicher Bücher vgl. z. B. Dahinden (2014) et al., S. 78ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 74 Differenzierungskriterien für Bücher Trägermedium Hardcover Taschenbuch Loseblatt-Ausgaben Video (z.B. DVD) Audio (z.B. CD) Software & Multimedia Kalender Landkartenprodukte Nonbooks Inhalt Belletristik Kinder- & Jugendbücher Reise Ratgeber Geisteswissenschaften Naturwissenschaften Sozialwissenschaften Schule & Lernen Sachbuch Abb. 2.11: Systematik der Buchformen 126 Bücher vermitteln Wissen, Bildung, Kultur oder Unterhaltung. Dabei verändern sich in den letzten Jahren vor allem die Vertriebsformen im Buchbereich durch den wachsenden Anteil des Onlinehandels sowie elektronische Lesegeräte. Obwohl bisher noch eine deutliche Mehrheit der Deutschen gedruckte Bücher bevorzugt (73 %), liegt der Anteil derer, die elektronische Bücher lieber lesen, bezogen auf die Gesamtbevölkerung, bereits bei 18 %. In den Altersgruppen bis 49 Jahren liegt der Anteil noch höher und erreicht dort bis zu 25 %. 127 Eine wichtige Institution bei der Betrachtung des Deutschen Buchmarktes ist der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der Branchenverband vertritt die Interessen von rund 5.400 Verlagen, Buchhandlungen, Antiquariaten, Zwischenbuchhandlungen und Verlagsvertretern, veranstaltet u. a. die Frankfurter Buchmesse und verleiht den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. 128 126 Eigene Darstellung, Systematik eng orientiert an MVB (2006). 127 Zu den Zahlen vgl. Bitkom (2013): Angaben basieren auf einer für die Gesamtbevölkerung repräsentative Umfrage unter 1.007 Personen ab 14 Jahren. 128 Vgl. Börsenverein des Deutschen Buchhandels (2014). B uchMarkt 75 2.2.1 Marktanalyse Im Gegensatz zu anderen Medienmärkten, kann die Betrachtung des Buchmarktes auf die Rezipientenseite beschränkt bleiben. Werbeerlöse spielen in der Buchbranche nur eine untergeordnete Rolle. Dennoch hat der Buchmarkt innerhalb der Medienwirtschaft, gemessen an Umsatz- oder Mitarbeiterzahlen, eine wichtige Rolle. 129 Für das Angebot liegen Zahlen aus 2012 vor: Es wurden 79.860 Titel in Erstauflage herausgebracht (2011: 82.048). Das umsatzstärkste Segment war 2012, wie auch im Vorjahr, der Bereich Belletristik mit 35 %. In der folgenden Tabelle 130 sind die Umsatzanteile ausgewählter Segmente des Buchmarktes mit ihren Veränderungen dargestellt. Segment Umsatzanteil 2012 Umsatzanteil 2011 Veränderung Belletristik 35,0 % 34,4 % +0,6 Kinder- und Jugendbücher 15,6 % 17,4 % -1,8 Ratgeber 13,8 % 13,3 % +0,5 Sachbücher 9,3 % 15,5 % -6,2 Schule & Lernen 8,9 % k. A. - Reise 6,1 % 7,5 % -1,4 Naturwissenschaften 4,4 % 8,1 % -3,7 Tab. 2.1: Veränderungen der Umsatzanteile ausgewählter Segmente des Buchmarktes Jahr 2011-2012 Der Durchschnittsladenpreis einer Neuerscheinung lag 2012 bei 25,63 Euro und damit leicht unter dem Wert für 2011 (25,91 Euro). Wie die folgende Tabelle zeigt, sind dabei die Preiskategorien unter 5 Euro und zwischen 7,51 und 10,00 Euro am stärksten vertreten. 131 Die Pro-Kopf-Ausgaben für Bücher lagen 2010 bei 116,62 Euro im Bundesdurchschnitt. 132 129 Vgl. Wirtz (2011), S. 235 ff. 130 Eigene Darstellung und Berechnungen, Zahlen lt. Boersenblatt.net ebd. 131 Eigene Darstellung und Berechnungen, Zahlen lt. Statista.de (2014). 132 Vgl. Statista.de (2014). S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 76 Preiskategorie Absatzanteil 2002 Absatzanteil 2006 Summe Teilgruppen 2006 über 20,01 Euro 7,6 % 5,6 % 100 % 15,01 bis 20,00 Euro 7,5 % 9,2 % 94,4 % 10,01 bis 15,00 Euro 13,2 % 12,2 % 85,2 % 7,51 bis 10,00 Euro 31,9 % 35,8 % 73,0 % 5,01 bis 7,50 Euro 11,8 % 10,3 % 37,2 % bis 5 Euro 28 % 26,9 % 26,9 % Tab. 2.2: Entwicklung der Absatzanteile einzelner Preiskategorien im Buchmarkt Jahr 2011-2012 „Ende Juni 2012 waren laut vorläufiger Statistik der Bundesagentur für Arbeit 120.218 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Verlagen tätig. Mehr als die Hälfte davon weibliche Angestellte (69.338). Allerdings werden in dieser Statistik nicht nur die Buch-, sondern auch die Zeitungs-, Zeitschriften- und sonstige Verlage gezählt.“ 133 Im Jahr 2011 waren in Deutschland 2.243 Verlage mit einem Jahresumsatz von mind. 17.500 Euro am Markt aktiv (2010: 2.220). 134 Ältere Zahlen gehen von 14.100 Unternehmen nur im Buchmarkt sowie ca. 6.500 selbständigen Schriftstellern aus. Über 90 % der Unternehmen im Buchmarkt werden als Kleinstunternehmen bezeichnet, kleine Unternehmen erzielen jedoch nur 30 % des Gesamtumsatzes der Branche. 135 Der deutsche Buchmarkt kann als relativ heterogener Markt beschrieben werden, auf dem insgesamt eine ausgeprägte, mittelständische Struktur mit geringer publizistischer Konzentration vorherrscht. Die ökonomische Konzentration ist dagegen deutlich höher. Zu den zehn größten Verlagen 136 gehörten 2013 nach Umsätzen vor allem Anbieter aus dem Sachbuchbereich. Besonders auffällig ist dabei die starke Position der Fach- und Schulbuchverlage: Mit Random House gehört nur ein klassischer Publikumsverlag zu den Top 5. Zu beachten ist jedoch auch, dass bei den Umsatzangaben der Verlage in der Regel nicht nur Büchern berücksichtigt werden, sondern oft auch die Erlöse aus anderen Produktsparten, etwa Zeitungen und Zeitschriften, mit einfließen. 137 Die größten Verlage waren 2013 die in Tab. 2.3 folgenden Marktteilnehmer. 133 Boersenblatt.net (2013). 134 Vgl. Boersenblatt.net (2013), basierend auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes, die Einstufung erfolgt ohne MwSt. 135 Vgl. Söndermann (2009), S. 17 ff. 136 Vgl. buchreport.de (2014). 137 Vgl. zur Analyse auch Wirtz (2011), S. 238 f. B uchMarkt 77 Verlag bzw. Gruppe Umsatz in 2013 (in Millionen EUR) Springer Science and Business Media 467 Klett-Gruppe 447 Random House 340 Franz Cornelsen Bildungsgruppe 330 Westermann Verlagsgruppe 290 Haufe 228 Wolters Kluwer Deutschland 208 Weka 186 C. H. Beck 146 dfv/ Deutscher Fachverlag 139 Tab. 2.3: Umsatz der größten Verlage in Deutschland 138 2.2.2 Ökonomie und Finanzierung Die meisten Buchverlage arbeiten gewinnorientiert, verstehen sich jedoch gleichzeitig als kulturschaffende Wirtschaftsakteure. Ein Verlag übernimmt dabei traditionell alle organisatorischen und vermarktungstechnisch notwendigen Schritte zur Publikation eines Manuskripts in Buchform. Der Anteil an der Erstellung der Inhalte liegt in den Buchverlagen deutlich unter dem der Printmedien. Die Erarbeitung von Manuskripten erfolgt in der Regel durch Autoren, die ggf. vertraglich bereits an einen Verlag gebunden, dort jedoch nur selten fest angestellt sind. Der Verlag übernimmt somit die Beschaffung der Inhalte, das Lektorat bzw. eine notwendige redaktionelle Überarbeitung, den Rechtehandel, die Produktion sowie Distribution und Vermarktung an Zwischenhändler oder Endkunden. Traditionell hat sich im Buchmarkt ein zweistufiges Vertriebssystem etabliert, bei dem Bücher von den Verlagen über verschiedene Formen von Großhändlern an den Einzelhandel und schließlich zum Kunden geliefert werden. Buchclubs und große Onlinehändler kaufen Bücher häufig auch direkt bei Verlagen ein, sodass ein einstufiger Vertrieb entsteht. Ermöglicht ein Verlag den Endkunden eigene Produkte direkt bei ihm einzukaufen, handelt es sich um eine direkte Vertriebsform. 139 138 Vgl. Buchreport (2014), S. 67. 139 Vgl. Wirtz (2013), S. 244 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 78 Für die Festlegung von Preisen für Bücher und teilweise Zeitschriften gelten in Deutschland besondere Regelungen. Ein entsprechend festgelegter Preis darf in der Regel frühestens nach 18 Monaten wieder geändert werden. Die Regelung zur Preisbindung gilt jedoch nicht für den Zwischenhandel mit Büchern oder gebrauchten Waren. 140 Wer Bücher verlegt oder importiert, ist verpflichtet, einen Preis einschließlich Umsatzsteuer (Endpreis) für die Ausgabe eines Buches für den Verkauf an Letztabnehmer festzusetzen und in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Entsprechendes gilt für Änderungen des Endpreises. 141 Abb. 2.12 stellt die Kosten- und Erlösstruktur im Buchmarkt sowie den Gewinn für Verlage grafisch dar. Auch hier zeigt sich, wie in anderen Medienbranchen, ein Fixkostenanteil, durch den Skaleneffekte möglich sind. Auflagen einzelner Bücher auf dem deutschen Markt werden in der Regel mit einer ISBN (Internationale Standard Buch Nummer) oder Zeitschriften bzw. fortlaufend periodische Erzeugnisse mittels einer ISSN (International Standard Serial Number) eindeutig gekennzeichnet. Eine Pflicht zur Nutzung der ISSN bzw. ISBN besteht in Deutschland jedoch nicht. 142 Einzelhandel 14% Großhandel 15% Vertrieb 5% Druck 18% Content- Produktion 17% Marketing 12% Verwaltung 10% Gewinn 9% Kostenstruktur im Buchmarkt First-Copy-Costs: 39% Abb. 2.12: Margen und Erlöse im Buchmarkt 143 140 Für eine ökonomische Analyse der Buchpreisbindung vgl. May (2000). 141 § 5, BuchPrG (Buchpreisbindungsgesetz, Fassung vom 02. 09. 2002). 142 Vgl. Verein Deutsche Fachpresse (o. J.); Deutsche National Bibliothek (2013). 143 Eigene Darstellung, vgl. zu den Zahlen Wirtz (2013), S. 257. B uchMarkt 79 Die Buchbranche befindet sich seit einigen Jahren - ähnlich der Printmedienindustrie - im Umbruch. Der anhaltende Trend zu E-Books oder die wachsenden Absätze von Büchern über große Onlinehändler statt im stationären Einzelhandel verändern die Branche. 144 Die Buchpreisbindung gilt jedoch bisher auch für elektronische Bücher. Die Verlage verfolgen bei der Preisfestsetzung für elektronische Bücher unterschiedliche Strategien, die teilweise sogar an den jeweiligen Vertriebsweg angepasst werden. Aktuell orientieren sich die Preise für elektronische Bücher meist am günstigsten Verkaufspreis. Oft werden E-Books dabei 10 bis 20 % günstiger als die gedruckte Ausgabe angeboten. Daraus ergibt sich ein Preisvorteil von zwei bis drei Euro bei gebundenen Ausgaben. 145 Ein Vergleich zur Abb. 2.12 zeigt, dass sich auf den ersten Blick höhere Preisunterschiede zwischen digitalen Büchern und gedruckten Werken ergeben könnten. Wird davon ausgegangen, dass die Kosten für den Druck (18 %) und den Vertrieb (5 %) sowie Großhandel (15 %) geringer ausfallen, ergibt sich ein Preisunterschiedspotential von ca. 30 %. Allerdings gilt für den Absatz von elektronischen Büchern, anders als bei gedruckten Werken, bisher der volle Mehrwertsteuersatz von 19 %. 146 2.2.3 Psychologie Für das Lesen von Texten bzw. das Textverstehen gelten auch bei Büchern die im Kap. 2.1.3 dargestellten psychologischen Prozesse. Sowohl für das Lesen von Texten als auch den Kauf von Büchern gibt es sehr unterschiedliche Motivationen. So zeigen sich bspw. in der Präferenz der gewählten Leseinhalte Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Frauen und Mädchen lesen tendenziell lieber Geschichten und Romane, Männer Sach- und Fachbücher, aber auch Science Fiction. Insgesamt lesen Männer etwas häufiger als Frauen und die Einstufung der Relevanz von Büchern sowie die tatsächliche Nutzung steigen mit dem Bildungsniveau. Das gilt für sachorientierte und unterhaltende Literatur. 147 Es lassen sich auf Basis verschiedener Studien damit mehrere Typologien der Büchernutzer ableiten. Die zurzeit wohl umfangreichste Untersuchung zum Thema Lesen in Deutschland (mit Betrachtung der Gesamtbevölkerung) bietet eine vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Untersuchung der Stiftung Lesen 144 Vgl. exemplarisch Hünnekens (2014). 145 Vgl. Kühl (2010). 146 Vgl. Kühl ebd.; Buchreport.de (2014a), Bundesregierung.de (2014). 147 Vgl. Kochhan (2005); Stiftung Lesen (2008); Kochhan/ Bannert (2009). S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 80 aus dem Jahr 2008. Dabei wurden eine qualitative Untersuchung und quantitative Erhebungen kombiniert ausgewertet. 148 Die Untersuchung identifizierte sechs Lesetypen 149 in Deutschland: [1] Medienabstinente („Bücher sind nur Ballast“): 8 % [2] elektroaffine Mediennutzer („Ich lese gerne online“): 11 % [3] Vielmediennutzer („Gedruckt und digital - Inhalt zählt“): 12 % [4] Informationsaffine („Lesen bedeutet Informationsaufnahme“): 20 % [5] Lesefreunde („Bücher sind wie gute Freunde für mich“): 24 % [6] Leseabstinente („Langes Lesen strengt mich an“): 25 % Neben äußeren Umständen beschäftigen sich eine Reihe von psychologischen Erklärungsmodellen mit Motivationen und dem Antrieb zur Mediennutzung. Dazu gehören bspw. das Unterhaltungserleben, etwa durch Spannung im Text und das Vergnügen. Fiske unterscheidet für das Konstrukt des Vergnügens zwei Ausprägungen: das intellektuelle Vergnügen („plaisir“) und das erlebende Genießen („jouissance“). Das intellektuelle Vergnügen entsteht am Buch selbst und durch seine Art. Der Leser ist als Rezipient vertraut mit den relevanten kulturellen Mustern und erkennt diese oder Variationen davon im Text wieder. Das erlebende Genießen wirkt dagegen ohne kulturelle Voraussetzungen über Emotionen wie etwa Angst oder Wut, die über den Text erlebt werden können. Es existieren in der Medienforschung außerdem vielfältige Untersuchungen zum Thema Spannung sowie insbesondere Erotik und Gewalt in Medien, die hier jedoch nicht weiter betrachtet werden sollen. 150 2.2.4 Führung und Management Zur differenzierten Betrachtung der Führungs- und Managementprozesse in Buchverlagen lässt sich eine detaillierte Wertschöpfungskette aus 14 Stufen aufstellen. Wie Abb. 2.13 zeigt, sind dabei die meisten Stufen (bis zur Transaktionsanbahnung) durch den Verlag vorzufinanzieren und es sind eine Reihe von Entscheidungen bei hoher Unsicherheit über den Erfolg hinsichtlich eines geplanten Produktes, insbesondere die bindende Preisfestsetzung, zu treffen. Mit ihren Beschaffungsstrategien verfolgen Buchverlage im Wesentlichen zwei Ziele: den möglichst kostengünstigen Zugriff auf attraktive Inhalte sowie die frühzeitige Bindung attraktiver Potentiale und Quellen. Das Abwerben erfolgreicher Autoren ist naturgemäß schwierig und finanziell unattraktiv. Dem gegenüber besteht beim Auf bau neuer Autoren ein erhebliches Risiko hinsichtlich 148 Vgl. Stiftung Lesen ebd. 149 Vgl. Zahlenangaben und Gruppenbezeichnungen nach Stiftung Lesen ebd., Formulierung der Aussagen in Anlehnung an die Originalquelle. 150 Vgl. zusammenfassend Pürer (2003), S. 352 ff.; Gleich/ Vogel (2007). B uchMarkt 81 Qualität und Zuverlässigkeit. Reduzieren lässt sich dies jedoch beim Erwerb von Rechten zur Übersetzung von Werken, die in anderen Sprachräumen bereits erfolgreich vermarktet werden konnten. Buchverlage nutzen bei der Produktionsstrategie typischerweise eine große Anzahl von kooperierenden Unternehmen, zu denen sie in Lieferanten-Abnehmer-Beziehungen stehen. Sie greifen dabei häufig auf ein im Laufe der Zeit entstandenes, relativ stabiles Netzwerk an Partnerunternehmen zurück. 151 kreative E rschaffung Inhalte entdecken Inhalte auswählen R echtehandel Inhalte überarbeiten Inhalte bündeln Inhalte breitstellen Marketing/ Branding Druck Transaktionsanbahnung Transatkionsabwicklung Distribution Abb. 2.13: Wertschöpfung in der Buchbranche 152 Die Sortimentsgestaltung der Verlage geht dabei häufig eher in die Tiefe als in die Breite. Einzelne Verlage konzentrieren sich auf ausgewählte Themengebiete und stehen damit nicht selten in bestimmten Bereichen für die interessierte Zielgruppe für ein entsprechendes Leistungsversprechen. Diese Strategie der Ausrichtung kommt dabei auch den Büchern als Erfahrungs- und Vertrauensgüter zugute. Auf unterschiedlichen Ebenen (z. B. Verlage, Autoren, Werke) lassen sich somit in der Buchbranche Dachmarkenstrategien identifizieren. 153 Bei der Dachmarkenstrategie wird der Firmen-, Verlags- oder Autorenname mit allen Produkten bzw. Leistungen verbunden. Oft dient das Unternehmen bzw. der Autor selbst als Namensgeber der Marke, wodurch Ausstrahlungseffekte auf sämtliche Geschäftsbereiche zu beobachten sind. 154 151 Vgl. Wirtz (2011), S. 270 ff. 152 Vgl. Picto/ Janello (2007), S. 18.; Clement et al. (2009), S. 20. 153 Vgl. Wirtz ebd..; Polthier/ Wolters (2004), S. 46 ff. 154 Vgl. Clement et al. (2009), S. 19 f., zur allgemeinen Ausrichtung von Dachmarken: Bruhn (2010), S. 146. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 82 Verlage gehen allerdings gerade beim Auf bau eines Autor als „Marke“ auch ein besonderes Risiko ein. Dem Rechtemanagement sowie der emotionalen und juristischen Bindung der Autoren an den Verlag kommt daher besondere Bedeutung zu. 155 Für die Produktionsstrategie von Büchern ist auch zu beachten, dass der Inhalt eines Buches meist zwar als wesentlicher Teil der Leistung gesehen werden muss, nicht jedoch allein über den Nutzen für Rezipienten entscheidet. Für den technischen Vertrieb bedienen sich die Buchverlage meist wieder einer Reihe von Partnern und Netzwerken. Vertriebsbezogene Kommunikationsaufgaben in den Verlagen werden allerdings häufig, anders als in anderen Branchen, nicht an Agenturen ausgelagert, sondern selbst übernommen. 2.2.5 Fallstudie Die Cornelsen Verlagsgruppe zählt zu den größten Verlagen in Deutschland. Vertrieben werden vor allem Schulbücher und andere Lehrmaterialien. 156 Die Sprachbindung von Büchern als Wirtschaftsgut zeigt sich auch an der Umsatzstruktur des Verlages, der ca. 85 % seines Ertrags in Deutschland erwirtschaftet. Die Sortimentstiefe des Konzerns erstreckt sich mit seinen verschiedenen Schulbuch- und Lehrmittelverlagen über nahezu alle Bildungsbereiche. So werden ergänzend zu Schulbüchern auch Werke für die Aus- und Weiterbildung sowie Hochschulen und Nachhilfeeinrichtungen angeboten. Außerdem befinden sich begleitende Materialien, wie elektronische Verlagsprodukte oder Experimentierkästen, im Portfolio. Der Konzern bildet große Teile der Wertschöpfungskette im Buchmarkt durch verschiedene Firmen ab. Dazu gehört auch ein Unternehmen der Buch- und Warendistribution, welches die logistische Warenlieferung übernimmt. Für einen Teil des Programms des Konzerns wird eine Dachmarkenstrategie unter dem Namensbestandteil „Cornelsen“ verfolgt. Daneben existieren weitere Einzel- und Familienmarken im Konzern. Über verschiedene Beteiligungen ist Cornelsen auch außerhalb des deutschen Marktes aktiv und hält Anteile an Unternehmen in Österreich, der Schweiz, den Niederlanden, im Vereinigten Königreich sowie in mehreren osteuropäischen Ländern. Von den ca. 2.300 Mitarbeitern des Gesamtkonzerns sind etwa 1.000 in der Entwicklung von Bildungsmedien beschäftigt. Die Marktsituation für Schulbücher bewertet der Konzern jedoch als stagnierend, auch von der Digitalisierung sind hierbei erst in den kommenden Jahren Wachstumseffekte zu erwarten. Fernlehrmärkten sollen die Gesamtertragslage in den nächsten Jahren sichern. 155 Vgl. Clement et al. ebd.; Wirtz (2011), S. 269 ff. 156 Der Unternehmensbereich „Schulverlage“ bestehend aus mehreren Verlagen und machte lt. Geschäftsbericht in 2011 mit 58 % den größten Teil des Gesamtumsatzes aus. f ilM und k ino 83 2.3 Film und Kino Die Filmwirtschaft gehört neben den Buch-, Musik- und Rundfunkmärkten zu den klassischen Teilmärkten der Medienwirtschaft. Filme sind dabei, ähnlich wie andere Medienprodukte, als wirtschaftliche und gleichzeitig kulturelle Güter und als Unterhaltungsmedien zu kategorisieren. Dabei existiert eine inhaltliche Nähe zum TV-Bereich. Fernsehen ist für die Filmproduktion und -vermarktung jedoch nur einer von mehreren Absatzkanälen. Im TV wird, neben den Produkten der Filmwirtschaft jedoch auch anderer Content distribuiert: Nachrichten, Sportereignisse oder verschiedene Arten von Shows gehören nicht zum Produktionsgegenstand der Filmwirtschaft. 157 Die Marketingliteratur hat dabei bisher keine wissenschaftlich eindeutige Definition für den Begriff „Film“ aus vermarktungstechnischer Sicht hervorgebracht. Zumeist werden darunter jedoch Bewegtbildproduktionen mit der Zielgruppe eines abgrenzbaren Publikums verstanden. In diesem Kapitel bleibt die Betrachtung der Filmwirtschaft auf Spielfilme und Animationsfilme mit Spielfilmcharakter beschränkt, deren Publikum zunächst abgrenzbar ist. Sie lassen sich damit von Spielfilmen unterscheiden, die primär zur Verwendung im Fernsehen, also für ein nicht abgrenzbares Publikum, produziert werden. Spielfilme sind immaterielle Wirtschaftsgüter und Medienformen, bei denen inszenierte, gespielte Szenen audiovisuell dargestellt werden. Sie folgen einer definierten, durchgehenden und zumeist fiktionalen Handlung und dienen meist der abendfüllenden Unterhaltung eines abgrenzbaren Publikums. 158 In der Literatur hat sich bisher keine einheitliche Systematik zur Kategorisierung von Filmen durchgesetzt. Insbesondere Spielfilme lassen sich nach einer Vielzahl von Kriterien systematisieren, deren Unterscheidung und Benennung je nach Zweck und notwendiger Detaillierung variiert. Neben der Gattung sind Motive/ Themen, Schauplätze, Figurenkonstellation oder die Erzählform Beispiele für mögliche Systematisierungen. Häufig werden jedoch die folgenden Filmgattungen, ggf. mit leichten Variationen, dargestellt: [1] Amateurfilme [2] Animationsfilme [3] Dokumentarfilme [4] Essayfilme [5] Experimentalfilme 157 Vgl. BMWi (2013); Wirtz (2011), S. 289. 158 Definition in Anlehnung an Dördrechter (2006), S. 7 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 84 [6] Industrie- und Werbefilme [7] Lehrfilme [8] Spielfilme Die nachfolgenden Betrachtungen sind im Wesentlichen auf Spielfilme, als wirtschaftlich bedeutendster Teilbereich der Filmwirtschaft, beschränkt. Der eigentliche Wert eines Spielfilms ergibt sich dabei nicht aus dem Trägermedium, sondern aus den Verwertungs- und Nutzungsrechten. Wird die Content-Dimension betrachtet, so haben einzelne Filme in der Regel einen Unikatscharakter, der sowohl für Rezipienten als auch Produzenten gilt. Dabei ist zusätzlich die Nicht- Rivalität im Konsum gegeben. 159 2.3.1 Marktanalyse Die Filmwirtschaft ist durch komplexe Rechte-, Produktions- und Verwertungsstrukturen gekennzeichnet, die in diesem Buch nur überblicksartig dargestellt werden können. Die Marktteilnehmer des Filmmarktes lassen sich grob in vier Gruppen einteilen (vgl. auch Abb. 2.14) Abb. 2.14: Marktteilnehmer im Filmmarkt 160 Im Bereich der kreativen Produktion stellen meist künstlerische Anbieter wie Autoren, Schauspieler, Regisseure und andere kreative Filmschaffende ihre Fähigkeiten und Umsetzungsideen einer technischen Filmproduktion zur Verfügung. Dort werden die künstlerischen Leistungen mit technischen Dienstleistungen kombiniert, um am Ende eines mehrstufigen Produktionsprozesses einen vermarktungsfähigen Film als Urkopie zu produzieren. Dieses Wirtschaftsgut wird dann vom Rechtehandel und, neben dem Kino, oft auch auf weiteren Distributionswegen vermarktet. Kinobetreiber bieten schließlich dem Rezipienten Zugang zum Film als Gesamtwerk. Filmideen oder filmische Marken werden teilweise zusätzlich auch in filmfremden Märkten verwertet und dem Rezipienten, ggf. zeitlich versetzt, auch auf anderen Distributionskanälen, wie TV oder DVD/ Blu-ray, angeboten und spielen als zweite oder dritte Ebene der Verwertung für den Filmmarkt, anders als bei anderen Medienformen, eine wesentliche Rolle. Der Filmmarkt verfügt zwar über keinerlei technisch-regulatorische 159 Vgl. Dördrechter ebd. zur Nicht-Rivalität im Konsum auch Kap. 1.2. 160 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Wirtz (2011); S. 291, vgl. zu den Akteuren exemplarisch auch Knittel (2011), S. 59 ff. sowie die dort referenzierten Quellen. kreative Produktion technische Produktion Rechtehandel & Verwertung Distribution & Rezipientenansprache f ilM und k ino 85 Markteintrittsbarrieren, es ergeben sich jedoch deutliche Barrieren durch Zugang zu Distributionskanälen (Kinos bzw. Verleiher), die durch wenige Unternehmen kontrolliert werden, welche zusätzlich oft mit eigenen Produktionsfirmen am Markt präsent sind. 161 Eine zusätzliche Markteintrittsbarriere für die Produzentenseite stellt die Kosten- und Erlösstruktur der Filmmärkte dar. Die Produktion von Kinofilmen erfolgt meist in komplexen Netzwerken, mit hohen Personalkosten und vielen weiteren Aufwandsarten, die bei einem ökonomisch nicht oder nur begrenzt nutzbarem Ergebnis keine anderen Verwertungspotentiale mehr bieten. Es entstehen dadurch sunk costs. Diese Bedingungen verursachen strukturell hohe First-Copy-Costs. Hinzu kommt zusätzlich, dass ein Großteil der Aufwände innerhalb kurzer Zeit anfallen und jeweils Unikate bzw. Prototypen produziert werden. Daher wird in der Filmwirtschaft auf eine Vielzahl von Beteiligungsformen der Finanzierung zurückgegriffen. 162 Daneben existieren, aufgrund des hohen Risikos sowie der kulturellen Bedeutung von Filmen, Filmfördermodelle, wie etwa die nationale Filmförderanstalt in Deutschland als Bundesanstalt des öffentlichen Rechts. 163 Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit und Kultur fördert die Filmförderanstalt (FFA) Kinofilme in allen Phasen des Entstehens und der Verwertung. Das Budget der FFA wird über die Filmabgabe, die u. a. von Kinos, dem Fernsehen und der Videowirtschaft erhoben wird, finanziert. 164 Die Anzahl an Kinos in Deutschland ist seit 2006 (1.854) rückläufig und lag 2013 bei 1.637. Erwirtschaftet wurden dabei im Jahr 2013 Bruttoeinnahmen von 1,02 Milliarden EUR durch 129,7 Millionen Kinobesucher. Es ergibt sich dabei eine rechnerische Besuchshäufigkeit von 1,61 jährlichen Kinobesuchen je Einwohner in Deutschland. 165 Im Jahr 2013 wurden in deutschen Kinos 563 Filme erstaufgeführt. Gemessen an der Zahl der Filme entfielen dabei 39,6 % auf deutsche Filme, 28,2 % waren US-amerikanische Produktionen, 20,1 % aus anderen EU-Ländern sowie 12,1 % weitere, nicht genannte Regionen und Länder. 161 Vgl. Rimscha (2010); S. 122 ff. 162 Vgl. Rimscha ebd. sowie Wirtz (2011), S. 294 f.; für eine Übersicht der Risiken in der Spielfilmentwicklung vgl. detailliert auch Rimscha (2010), S. 131. 163 Das Jahresbudget der FFA liegt nach eigenen Angaben bei 76 Millionen Euro, sie beschäftigt 47 Mitarbeiter. Vgl. hierzu FFA (2014); FFA (o. J.). 164 Vgl. FFA (2014). 165 Vgl. Statista (2013). S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 86 Gemessen an den verkauften Tickets bzw. Besucherzahlen machen die USamerikanischen Filme jedoch den weitaus größten Marktanteil aus. 66,4 % der verkauften Kinotickets entfielen auf US-amerikanische Filme (2012: 61,1 %). 166 Ein wichtiger Trend auf den weltweiten Kinomärkten, der auch für Deutschland gilt, ist der Auf bau von digitalen Kinoleinwänden und 3D-Darstellungen. Umsätze werden in den Kinos dabei, neben den Tickets, auch durch Verzehr erwirtschaftet. Die Filmwirtschaft insgesamt generiert außerdem Erlöse etwa durch Werbung in Kinos oder Merchandising. Die Kinobesuchshäufigkeit sowie die Werbewirkung in Kinos werden in unterschiedlichen Studien erhoben. Besonders wichtig für Werbetreibende ist die Besucherfrequenzermittlung der IVW, welche auch eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Verbreitung gebuchter Werbung durchführt bzw. diese in Auftrag gibt und überwacht. Für die Werbepreisermittlung im Kino wird, neben dem Grundpreis und der Dauer des Werbefilms sowie den gebuchten Kinos, in der Regel auch die gebuchte Saison sowie ggf. eine filmorientierte Zielgruppe berücksichtigt. Obwohl die Kinobesuchswerte nur einmal jährlich ermittelt und veröffentlicht werden, wird so die teilweise deutliche Schwankung der Kinobesuche im Monatsvergleich in der Preisfindung berücksichtigt. 167 2.3.2 Ökonomie und Finanzierung Obwohl der (Kino-)Filmmarkt über eine Reihe von Verwertungskanälen verfügt, bringen Filmprojekte dennoch ein hohes Umsatzrisiko mit sich (vgl. hierzu auch den hohen Anteil der First-Copy-Costs in Abb. 2.19). Die Präferenzen des Publikums lassen sich auch mit modernen Marktforschungsmethoden nur sehr begrenzt vorhersagen. Die daraus resultierende hohe Marktunsicherheit in Kombination mit relativ hohen Budgets hat zu einer Reihe von Finanzierungsarten und -instrumenten 168 geführt, die sich in der Filmbranche etabliert haben. Selbst eine Preview mit einer kleinen Gruppe ausgewählter Zuschauer in der Postproduktionsphase verringert diese Unsicherheit kaum. Für die Finanzierung im Filmmarkt kann grundlegend zwischen stattlicher Filmförderung, etwa über die Filmförderanstalt (FFA), und privater Filmfinanzierung unterschieden werden. Beide Formen werden in der Praxis oft gemeinsam genutzt. 169 166 Vgl. FFA (2014b), S. 2. 167 Vgl. Frey-Vor/ Sigert/ Stiehler (2008), S. 218 f. 168 Vgl. hierzu ausführlich Zwirner (2012). 169 Vgl. Maier/ Baumgärtel (2003), S. 215 ff. f ilM und k ino 87 In der Filmfinanzierung lassen sich dabei, orientiert am Wertschöpfungsprozess eines Films, verschiedene Finanzierungsstufen unterscheiden, für die teilweise auch unterschiedliche Fördermöglichkeiten (vgl. Abb. 2.15) bestehen. Zwischenfinanzierung Überbrückungen für zugesagte, noch nicht ausgezahlte Mittel Gap-Finanzierung Ausgleich von Finanzierungslücken für den Gesamtfilm Bridge-Finanzierung Übergänge bis zur vollständigen Finanzierung Anschubfinanzierung Vorproduktion, Scouting, Casting Development-Finanzierung Drehbuch-, Stoff- und Projektentwicklung Abb. 2.15: Stufen der Filmfinanzierung 170 Die Development-Finanzierung ermöglicht dabei im Wesentlichen die kreative Produktion eines Films. Es werden Mittel zur Drehbuch-, Stoff- und Projektentwicklung bereitgestellt, mit denen bspw. aus einer Buchvorlage eine erste Drehbuchfassung vorbereitet werden kann. Es folgt eine Anschubfinanzierung, bei der das Projekt bereits erste, weitere Finanzierungspartner gewonnen hat und die filmische Umsetzung mit Casting, Locationscouts oder dem Bau von Bühnenbildern bereits begonnen werden kann. Da Filmfinanzierungen meistens aus einer Vielzahl von Partnern bestehen, ist im Folgenden eine Bridge-Finanzierung möglich, die Teile des Filmbudgets zwischenfinanziert, so lange die Finanzierungsphasen und notwendigen -zusagen noch nicht zu 100 % abgeschlossen sind. Mit der Gap-Finanzierung wird schließlich die fehlende Lücke zur Gesamtplanung des Films geschlossen und das komplette Werk kann erstellt werden. Eine Zwischenfinanzierung überbrückt etwa den zeitlichen Versatz zwischen der Auszahlung zugesagter Fördermittel und dem vorab notwendigen Mitteleinsatz. In der Filmfinanzierung ist dabei immer zwischen rückzahlbaren Förderungen, wie 170 Eigene Darstellung, Aufteilung nach Kf W (2012), S. 3. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 88 etwa dem klassischen Darlehen, und nicht rückzahlbaren Finanzierungsbausteinen („Sponsoring“) zu unterscheiden. Auch neuere Finanzierungsmodelle für Wagniskapital werden in der Filmbranche eingesetzt. Ein aktuelles Beispiel bildet das sog. Crowdfunding. 171 Dabei finanziert eine relativ große Gemeinschaft von Investoren mit meist kleineren Beträgen ein Gesamtvorhaben. Die Brainpool Artist and Content Services GmbH konnte über ein Crowdfunding-Modell über 1 Millionen EUR zur Finanzierung des Filmprojekts „Stromberg - der Film“ einsammeln. Die Investoren wurden anschließend am Erfolg des Films, gemessen an den verkauften Eintrittskarten, beteiligt sowie über weitere, nicht-monetäre Anreize entlohnt. 172 2.3.3 Psychologie Die existierenden Medienpsychologischen Betrachtungen im Bereich der Filmwirtschaft lassen sich in zwei wesentliche Bereiche 173 einteilen: ◼ medienwissenschaftliche Psychologie mit Schwerpunkt Darstellung ◼ kommunikationswissenschaftliche Psychologie mit Schwerpunkt Rezeption Die medienwissenschaftlich ausgerichtete Psychologie beschäftigt sich vor allem mit dem (Kino-)Film als Darstellungsform und der emotionalen Wirkung 174 gegenwärtiger und historischer Produktionen. Die kommunikationswissenschaftlich ausgerichtete Psychologie untersucht dagegen schwerpunktmäßig den Rezipienten und seine Reaktionen, Wahrnehmungen und funktionale Wirkung auf den Zuschauer. Dies geschieht meistens ausgehend von Fernsehrezeptionen. 175 Dabei werden häufig die Themen Gewalt oder Sex in Fernsehproduktionen mit ihrer Darstellung und den Auswirkungen untersucht sowie vielfältige Facetten der nachrichtlichen Berichterstattung. Dieses Buch beschränkt sich im Folgenden aufgrund der Themenbreite möglicher filmpsychologischer Betrachtungen und bezogen auf seine wirtschaftswissenschaftliche Ausrichtung für das Multimedia Marketing auf den bisher weniger intensiv in der Literatur beschriebenen Bereich der Nutzungsmotive. 171 Vgl. Ebenhan (2012); Eidinger/ Junge (2013). 172 Vgl. Nestler (2014); Möthe (2014). 173 Vgl. Bartsch et al. (2007), S. 16 f. 174 Vgl. hierzu ausführlich Mikunda (2002). 175 Vgl. exemplarisch Schramm/ Hasenbrink (2004); Geimer (2009); Milde (2009) sowie vielfältige Beiträge zu aktuellen Forschungsergebnissen in der Zeitschrift M&K - Medien & Kommunikationswissenschaft, die vom Hans-Bredow-Institut herausgegeben wird und zur Zeit im Nomos Verlag erscheint. f ilM und k ino 89 0% 5% 10% 15% 20% 25% Soziale Netzwerke (im Internet) spontan entdeckt (im Kino) Plakate, Dekoration, Werbung (im Kino) Filmvorschau (im Internet) Artikel (in Zeitung/ Zeitschrift) Werbung (im Fernsehen) Empfehlung von Freunden/ Bekannten Filmvorschau (im Kino) Wo werden Kinobesucher auf Filme aufmerksam? 0,2% 1,4% 7,7% 8,8% 9,2% 9,2% 10,9% 22,2% Abb. 2.16: Sources of Awareness, Kinobesucher 2013 (Mehrfachnennungen möglich) 176 Abb. 2.16 zeigt die wichtigsten Quellen der Aufmerksamkeit für neue Filme. Kinobesucher werden demnach vor allem über Filmvorschauen im Kino sowie über persönliche Empfehlungen bzw. Mund-zu-Mund-Propaganda auf neue Filme aufmerksam. Die Ergebnisse zeigen außerdem, dass ein Kinobesuch nur selten spontan erfolgt, nur 1,4 % gaben an, einen besuchten Film spontan im Kino entdeckt zu haben. Obwohl persönliche Empfehlungen bei Filmen eine große Rolle spielen, werden soziale Netzwerke dafür bisher nur selten genutzt (0,2 %). Aktuelle Zahlen zeigen (vgl. hierzu Abb. 2.17), dass als häufigster Grund für einen Kinobesuch das gemeinsame Erlebnis mit anderen ist (17,5 %), es folgt der Film als Teil einer Serie oder Fortsetzung (16,4 %) und das allgemeine Interesse am Inhalt. Marketingaktionen in einzelnen Kinos hingegen werden nur von wenigen Besuchern als Grund für den Gang ins Kino genannt (2,4 %). Auch die Auszeichnungen oder Nominierungen von Filmen, welche u. a. für die Filmförderung besonders wichtig sein können, werden von den Besuchern jedoch nur selten als Begründung angegeben (1,5 %), um ins Kino zu gehen. 176 Eigene Darstellung, zur Datenquelle und vollständigen Auflistung sowie den Veränderungen gegenüber 2012 vgl. Marschner (2014), S. 48 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 90 Nominierung/ Auszeichnung des Films Kinoevent/ besondere Aktion Film ist aktuelles Gesprächsthema Wunsch der Begleitperson(en) Schauspieler Thema/ Story des Films interessiert Film ist Fortsetzung/ Teil einer Serie mit anderen etwas unternehmen Warum gehen Besucher ins Kino? 1,3% 2,4% 7,4% 7,8% 14,1% 15,1% 16,4% 17,5% 0% 5% 10% 15% 20% Abb. 2.17: Besuchsgrund, Kinobesucher 2013 (Mehrfachnennungen möglich) 177 2.3.4 Führung und Management Das Leistungsspektrum der Filmwirtschaft bezieht sich nicht mehr nur auf die reine Filmproduktion und -vorführung, sondern besteht inzwischen aus einem komplexen System mit drei wesentlichen Leistungsbereichen: 178 [1] Filmvorführung [2] Home Entertainment [3] Merchandising Dabei haben die Bereiche Filmvorführung und Home Entertainment einen direkten Filmbezug und basieren auf Leistungen, die im engeren Sinne von Akteuren der Filmwirtschaft erbracht werden. Der Bereich Merchandising macht gerade für besonders erfolgreiche Filme dennoch einen nennenswerten Umsatzanteil am Gesamterlös aus. Hier haben nur bestimmte Produkte, wie etwa der Soundtrack oder ein Buch zum Film, noch einen engeren Filmbezug, häufig agieren hier jedoch bereits Akteure aus anderen Medienmärkten als Partner in der Leistungserstellung. Weitere Angebote in diesem Leistungsbereich, wie etwa Nahrungsmittel oder andere Konsumgüter, werden häufig in Kooperation oder durch Lizensierungen außerhalb der Filmwirtschaft erbracht. 177 Eigene Darstellung, zur Datenquelle und vollständigen Auflistung sowie den Veränderungen gegenüber 2012 vgl. Marschner (2014), S. 52 f. 178 Vgl. Wirtz (2011), S. 314 ff. f ilM und k ino 91 Die Wertschöpfungskette der Filmwirtschaft lässt sich in vier Stufen (vgl. Abb. 2.18) aufteilen, in denen meist spezialisierte Unternehmen tätig sind. Im ersten Schritt der Beschaffung geht es um die Produktionsplanung aus unterschiedlichen Perspektiven und die meist filmbezogene Zusammenstellung eines Produktionsteams. In der Produktionsphase wird der letztlich zu vermarktende Medieninhalt erstellt und (nach-)bearbeitet. Im Anschluss folgt die Filmverwertung im engeren Sinne durch den Rechtehandel bzw. Filmverleih sowie die Vermarktung des Films. Schließlich bekommen die Rezipienten über unterschiedliche Mittler (Kinos, VoD-Anbieter, TV-Sender usw.) und Verwertungskanäle Zugang zum filmischen Inhalt sowie den Begleitprodukten. Beschaffung/ Pre-Produktion Produktion Rechtehandel Verwertung Abb. 2.18: Wertschöpfungskette der Filmwirtschaft 179 Abb. 2.19 zeigt die Kostenstruktur im Filmmarkt. Es wird deutlich, dass aufgrund der relativ geringen Gewinnmarge sowie des hohen Anteils an den First-Copy- Costs Filmproduktionen mit besonderem Risiko behaftet sind und zusätzliche Erlösquellen durch die Verwertung von Markenrechten sowie die Filmförderung 179 Vereinfachte Darstellung nach Wirtz (2011), S. 317. 180 Eigene Darstellung, vgl. zu den Zahlen Wirtz (2011), S. 321. Distribution 33% Verleih 14% Produktion 36% Marketing 7% Verwaltung 6% Gewinn 4% Kostenstruktur im Filmmarkt First-Copy-Costs: 49% Abb. 2.19: Gewinnmarge und Kostenstruktur im Filmmarkt 180 S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 92 einen wesentlichen Beitrag zur kostendeckenden Überlebensfähigkeit der Branche leisten. Nach der Content-Produktion mit 36 % bildet die Distribution der Filme an die Kinos mit 33 % den zweitgrößten Kostenblock. Der technologische Fortschritt in diesem Bereich durch Digitalisierung, aber auch 3D-Varianten von Filmen dürften in den kommenden Jahren mögliche Veränderungen in der Kostenstruktur der Branche wesentlich beeinflussen. Im Beschaffungsmanagement der Filmwirtschaft lassen sich zwei wesentliche Einflussfaktoren identifizieren: ◼ Kosten ◼ Vertragsbedingungen Bereits die Beschaffung in der Filmindustrie ist durch hohe Personalkosten sowie Transaktions- und Nutzungskosten zur Verwendung der Filmstory gekennzeichnet. Bereits in dieser Phase ist daher eine Analyse der potentiellen Ertragschancen des geplanten Films sinnvoll. Außerdem lassen sich entsprechende Transaktionskosten durch Kooperationsnetzwerke und andere Formen der Unternehmensverbindungen reduzieren. Bei der Beschaffung von Verwertungsrechten variieren außerdem die Vertragsbedingungen. Typische Einschränkungen sind regionale Verwertungen (Länder, Regionen etc.) oder Verwertungskanäle (Kino, TV, Home Entertainment) und Nebenverwertungen (Merchandising). In der Beschaffung wird dabei außerdem zwischen Einzeldeals und Paketverträgen bzw. einer langfristigen Bindung über mehrere Filme hinweg unterschieden. Beide Wege bieten für die Beteiligten unterschiedliche Vor- und Nachteile. 181 Die Produktion von Kinofilmen erfolgt entweder als Eigenproduktion, Co- Produktion oder Auftragsproduktion. Bei der Eigenproduktion trägt ein einzelner Marktteilnehmer das gesamte Produktionsrisiko. Beim Co-Produktionsmodell werden Risiko sowie Erlöse aufgeteilt, in der Regel erhalten die Co-Produzenten zudem ein inhaltliches Mitspracherecht. In der Auftragsproduktion, die eher einen Ausnahmefall darstellt, werden Produktionsaufträge an Unternehmen vergeben, welche nicht Inhaber der Verwertungsrechte sind. Die Leistungserstellung selbst erfolgt in der Filmbranche fast ausschließlich in horizontalen Kooperationen verschiedener Unternehmen und Einzelpersonen, die auf ihr jeweiliges Fachgebiet spezialisiert sind. 182 Für die Vermarktung und Distribution von Filmen stehen die bereits genannten Verwertungsmöglichkeiten mit unterschiedlichen Distributionswegen (z. B. DVD vs. Blue-Ray, Pay-TV vs. Free-TV usw.) zur Verfügung. Zu beachten sind bei dieser Verwertung allerdings vertraglich oder gesetzlich geregelte Sperrfristen, die insbesondere dann greifen, wenn ein Film staatliche Filmförderung in Anspruch genommen hat. So darf ein geförderter Kinofilm in der Regel für die ersten sechs Monate nach der Erstaufführung allein im Kino distribuiert werden. Auch für wei- 181 Vgl. Wirtz (2011), S. 333 ff. 182 Vgl. Wirtz ebd. sowie Kap. 2.3.5. f ilM und k ino 93 tere Verwertungswege existieren entsprechende Sperrfristen, die jedoch auf Antrag der Filmproduzenten verkürzt werden können. 183 Wie Abb. 2.20 zeigt, werden im Kino die wesentlichen Umsatzanteile in den ersten 4 bis 6 Wochen nach der Premiere eines Films generiert. Die Distribution sowie die Vermarktung von Filmen muss sich entsprechend auf diese Rahmenbedingungen des Marktes einstellen und z. B. eine Filmpremiere bereits mit aufwändigen Marketing- und Kommunikationsmaßnahmen vor dem eigentlichen Starttermin vorbereiten. Das Vorgehen im Filmmarkt unterscheidet sich damit grundlegend von der Vermarktung und Marktdurchdringung beim Angebot von Konsum- oder Investitionsgütern oder dem Printmarkt. Auch der finanziellen Förderung des Verleihs, durch die zusätzliche Kopien und eine schnellere Bereitstellung neuer Filme in kleineren Kinos ermöglicht werden, kommt damit eine marktrelevante Bedeutung zu. 30 20 10 0 Anteil an Gesamtbesuchern in % Zeit seit Kinostart (in Wochen) 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Abb. 2.20: Anteil am Gesamtabsatz neuer Filme in deutschen Kinos 184 2.3.5 Fallstudie Matthias Schweighöfer gehört zurzeit zu den erfolgreichsten deutschen Schauspielern. Er arbeitet zudem als Produzent und Regisseur. Er ist Teilhaber und Geschäftsführer der Filmproduktionsfirma Pantaleon Films GmbH mit Standorten in Berlin, München und Frankfurt, die seit 2010 mehrere Kinospielfilme 183 Vgl. insb. Filmförderungsgesetz (FFG), § 20 sowie Mann (2010), S. 15 ff. u. a. 184 Vereinfachte Darstellung, vgl. Sattelberger (2012), S. 48. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 94 produziert hat. Das Unternehmen beschäftigt ca. 10 feste Mitarbeiter. Um die gesamte filmische Wertschöpfungskette einer Kinofilmproduktion abbilden zu können, arbeitet es mit zahlreichen Dienstleistern und Filmverleihern zusammen, die den Film in den verschiedenen Phasen der Auswertung betreuen. Vom Unternehmen werden vor allem Eigenproduktionen sowie Co- Produktionen umgesetzt. So ergab sich für die Produktion „Vaterfreuden“ (Kinostart: Februar 2014) in etwa das in Abb. 2.21 dargestellte Modell. Für den Film konnten bei einem Gesamtbudget von ca. 6 Millionen Euro insgesamt 1,4 Millionen Euro an Produktionsförderungen (FFA sowie Film Fernseh Fonds Bayern) sowie 245 000 Euro Verleihförderung in Anspruch genommen werden. 2.4 Rundfunk Der Begriff Rundfunk umfasst im heutigen Sprachgebrauch sowohl Fernsehals auch Hörfunkprogramme und ist auf kein spezifisches Übertragungsmedium oder -verfahren festgelegt. Im Rundfunkstaatsvertrag (RStV) wird der Begriff wie folgt definiert: Rundfunk ist ein linearer Informations- und Kommunikationsdienst; er ist die für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. Der Begriff schließt Angebote ein, die verschlüsselt verbreitet werden oder gegen besonderes Entgelt empfangbar sind. 185 185 Vgl. RStV § 2. Produktion "Vaterfreuden" Schauspieler 4 Hauptrollen 9 weitere Rollen Besetzung & Drehbuch 12 Personen 3 Unternehmen Kamera & Bildproduktion 25 Personen 5 Unternehmen Kostüm, Maske, Requisite 16 Personen 5 Unternehmen Licht und Ton 15 Personen 4 Unternehmen Produktion 50 Personen 12 Unternehmen techn. Administration 10 Personen 5 Unternehmen Abb. 2.21: Dienstleister und Beteiligte in der Filmproduktion r undfunk 95 Es folgen im RStV eine Reihe von weiteren Definitionen zu rundfunkrelevanten Begriffen, Rechten und Pflichten der Programmgestaltung, auf die hier nicht ausführlich eingegangen werden soll. Rundfunk lässt sich in Hörfunk und Fernsehen unterteilen. Beide Medienformen sind in Deutschland in einem dualen System organisiert. Dazu gehört der öffentlich-rechtlich Rundfunk auf der einen Seite und der private Rundfunk auf der anderen Seite. 186 Die öffentlich-rechtlichen Sender sind ganz oder teilweise abgabenfinanziert, die privaten Sender finanzieren sich im Wesentlichen aus Werbeeinahmen. Im TV-Bereich existieren außerdem kostenpflichtige Angebote für den Rezipienten („Pay-TV“). 187 Neben der rechtlichen Organisationsstruktur und den übertragenen Medienarten lassen sich die Rundfunkangebote in Deutschland auch nach ihrer regionalen Ausrichtung sowie der Programmform unterscheiden. Dabei ist im TV-Bereich vor allem die Unterscheidung von Voll- und Spartenprogrammen relevant. Im Hörfunkbereich hat sich dagegen eine Unterscheidung in musik- und wortbasierte Formate etabliert, bei den musikorientierten Sendern werden die Sender außerdem nach der vorherrschenden Musikfarbe weiter unterteilt. Ein TV-Vollprogramm besteht aus vielfältigen Inhalten, bei denen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden. Spartenprogramme bieten im Wesentlichen gleichartige Inhalte. 164 2.4.1 Marktanalyse Haushalte in Deutschland konnten 2014 durchschnittlich 78 TV-Sender empfangen. 189 Die Zahl möglicher Sender liegt bei bundesweit 233 empfangbaren Einheiten. Hinzu können regionale Angebote kommen. In den 233 Sendern sind teilweise Unternehmen enthalten, die zwar über eine Lizenz verfügen, zurzeit aber kein Programm ausstrahlen. 190 Nicht alle empfangbaren oder lizensierten Sender sind gleichermaßen publizistisch oder ökonomisch bedeutsam. Nur 30 bis 40 Sender 191 kommen auf einen 186 Vgl. Schwartmann (2011), S. 58. 187 Breyer-Mayländer/ Werner (2003), S. 121 ff. 188 Vgl. RStV § 2. 189 Vgl. statista.de (2014). 190 Eigene Recherche lt. Datenbank von www.die-medienanstalten.de im Juli 2014. 191 Die Angaben zur Senderanzahl unterschieden sich je nach Darstellung. Teilweise werden z. B. Angebote der Landesrundfunkanstalten gemeinsam gezählt. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 96 Marktanteil von jeweils mindestens 0,1 %. Tatsächlich genutzt werden davon schließlich nur 14 Sender, 192 ein Großteil der individuellen Fernsehnutzung entfällt dann auf nur noch fünf relevante Angebote. Die beiden größten, national ausgerichteten, öffentlich-rechtlichen Programme sind die ARD 193 und das ZDF. In der ARD sind die neun selbständigen Landesrundfunkanstalten 194 und die Deutsche Welle zusammengeschlossen und veranstalten gemeinsam das Vollprogramm „Das Erste“. Das ZDF 195 wird gemeinsam von den Ländern getragen und veranstaltet ebenfalls ein Vollprogramm. ARD und ZDF tragen gemeinsam das Deutschlandradio und produzieren außerdem das weitere Vollprogramme 3sat sowie die Spartenkanäle Phoenix und den Kinderkanal und in Kooperation mit Frankreich das Kulturprogramm ARTE. Auch in weiteren Bereichen, etwa der Aus- und Fortbildung, kooperieren ARD und ZDF eng miteinander. 196 Das darzustellende Bild der Marktanteile im Fernsehmarkt differiert je nach Untersuchungsdesign bzw. Auswahl der Daten. Bei der Betrachtung der reichweitenstärksten Sender („Marktführer“) ergibt sich in der Regel jedoch ein recht einheitliches Bild. Tab. 2.4 zeigt den prozentualen Anteil der durchschnittlichen Sehbeteiligung für die zehn größten Einzelsender bzw. Kanäle. Alle dort aufgeführten Sender sind frei empfangbar. Einzelsender (Personen ab 3 Jahren, Mo. bis So.) Marktanteil 2013 ZDF 12,8 % ARD 12,1 % RTL 11,3 % Sat. 1 8,2 % ProSieben 5,7 % VOX 5,6 % RTL II 4,2 % 192 Betrachtet wird hier eine Nutzungszeit ≥ 10 Min. im Monat. 193 ARD ist die Kurzform für: Arbeitsgemeinschaft öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland. 194 Die neun Landesrundfunkanstalten sind (abgekürzt): BR, HR, MDR, NDR, RB, RBB, SR, SWR, WDR. 195 ZDF ist die Kurzform für: Zweites Deutsches Fernsehen. 196 Vgl. Hoffmann (2011); Schwartmann (2011), S. 58 ff., Statista.de (2014), Statista. de (2014a). r undfunk 97 kabel eins 4,0 % Super RTL 1,9 % Kika 1,2 % Tab. 2.4: Marktanteile der größten TV-Sender in Deutschland 197 Neben den frei empfangbaren Sendern existieren in Deutschland inzwischen auch rund 75 Pay-TV-Sender. Der größte Anbieter „Sky“ kam dabei 2013 mit seinen 38 Einzelsendern auf einen Gesamtmarktanteil von 1,2 %. 198 Die Anzahl öffentlich-rechtlicher und privater Radiosender lag Anfang 2014 bei 63 öffentlich-rechtlichen Sendern, 230 privaten Sendern und 99 sonstigen Sendern. 199 Auch hier sind jedoch nicht alle Sender von gleicher publizistischer und ökonomischer Bedeutung. Für Hörfunknutzung in Deutschland ist die Media-Analyse (ma) die wichtigste Erhebung. In dieser repräsentativen Befragung (CATI 200 ) wird vor allem die Verbreitung von UKW-Radioprogrammen erfasst. Die Basis bildet die deutschsprachige Bevölkerung ab 10 Jahren, für die mit ca. 65.000 Interviews in zwei Erhebungswellen (Frühjahr und Sommer) die Hörerschaften sowie Zielgruppenmerkmale erhoben werden. Die Studie weist anschließend rund 100 öffentlich-rechtliche und private Einzelsender und zusätzlich etwa gleich viele Vermarktungskombinationen aus. Die Erhebung erfolgt im Auftrag der Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse e.V. (agma), einem Zusammenschluss von rund 240 Unternehmen der Werbe- und Medienwirtschaft, die dafür mehrere Marktforschungsinstitute beauftragt. 201 Mittelfristig ist geplant, die bisher getrennt von dieser Untersuchung erfasste Webradionutzung der Studie MA IP Audio in einer Analyse zu bündeln. 202 Im Gegensatz zur Hörfunknutzung, die nur zweimal jährlich ermittelt wird, erfolgt die wichtigste Fernsehnutzungsstudie in Deutschland kontinuierlich, d. h. täglich. Dafür eingesetzt wird eine Panelerhebung, die von der Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung (AGF), einem Zusammenschluss aller großen öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender, in Auftrag gegeben und von der GfK 197 Vgl. Statista.de (2014a). 198 Vgl. Statista.de (2014a), Statista.de (2014b). 199 Vgl. Statista.de (2014c). 200 Die Abkürzung CATI steht für Computer Assisted Telephone Interview. 201 Vgl. Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse (o. J.); Paperlein (2014). 202 Vgl. Paperlein ebd. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 98 durchgeführt wird. Zum Panel gehören 5.000 täglich berichtende, repräsentativ ausgewählte Haushalte mit ca. 10.500 Personen ab 3 Jahren. 203 Die GfK setzt zur Messung der Fernsehnutzung ein spezielles Messgerät ein, das „GfK-Meter“. Es ist an die Empfangsgeräte des Haushalts (TV, Videorecorder, Receiver) angeschlossen und zeichnet die Programmnutzung der einzelnen Haushaltsmitglieder sekundengenau auf. Zum Gerät gehört eine Fernbedienung. Diese enthält für jede dem Haushalt angehörende Person eine eigene Taste, mit der sie sich als Zuschauer an- und abmelden kann. Die so minutengenau erfassten Nutzungsdaten werden in der Nacht von den Geräten abgerufen und den Sendern und anderen Kunden täglich um 8.30 Uhr zur Verfügung gestellt. 204 Wie jedes Marktforschungspanel, so muss auch dieses Panel zur Fernsehforschung kontinuierlich gepflegt und auf veränderte Rahmenbedingungen angepasst werden. Nur so bleibt eine dauerhafte Repräsentativität zur Hochrechnung auf die Grundgesamtheit (Gesamtbevölkerung) möglich. So berücksichtigt die Methodik der GfK seit Mitte 2012 etwa auch IPTV als neuen Empfangsweg für Fernsehprogramme. Diese Erhebung erfolgt allerdings nicht mehr mit dem vorhandenen System, sondern basiert auf Audiomatching. Mit der Audiomatching-Methode lässt sich Medienkonsum indirekt nachweisen. Dabei wird in regelmäßigen Abständen ein Audiosignal am Untersuchungsort (z. B. Haushalt) automatisch aufgezeichnet. Dieses Signal wird anonymisiert und gefiltert und später mit einem zeitgleichen, aber zentral gespeicherten Referenzsignal (z. B. Ton eines Fernseh- oder Radiosenders) verglichen. Bei Übereinstimmung beider Signale wird davon ausgegangen, dass der Nutzer zum Zeitpunkt der Erhebung das jeweilige Medium genutzt hat. 205 Der Hörfunkmarkt in Deutschland ist wesentlich stärker regional geprägt als der Fernsehmarkt. Aus diesem Grund stellt die folgende Tab. 2.5 die Radiosender mit der höchsten Bruttoreichweite dar. Eine Besonderheit dabei ist „Radio NRW“. Als Mantelprogrammanbieter verschiedener lokaler Sender, die jedoch zu jeder Stunde die Nachrichten sowie über weite Teile des Tages ein komplett produziertes Programm mit Musik und Moderation von „Radio NRW“ übernehmen und ausstrahlen, lässt sich dies auch aggregiert betrachten. 203 Vgl. GfK (2005); ARD Werbung (o. J.). 204 Vgl. GFK (2005), für alternative Auswertungssysteme der TV-Nutzung vgl. Unger et al. (2013), S. 95 im Überblick. 205 Vgl. Steinmann (2003), S. 115 ff. r undfunk 99 Sendername Bruttokontakte (in 1.000) Radio NRW 1.633 Antenne Bayern 1.351 SWR 3 1.122 WDR 2 1.118 1LIVE 1.063 NDR 2 1.041 WDR 4 912 Bayern 3 767 SWR 4 BW 742 MDR 1 578 Tab. 2.5: Kontakte der größten Radioprogramme in Deutschland 206 Für die Geräteausstattung der Haushalte zur Rezeption von Radio- und TV- Inhalten kann in Deutschland von einer annähernden Vollausstattung ausgegangen werden. Geräte für beide Medienformen sind in deutlich über 90 % der Haushalte vorhanden, Einzelgeräte werden allerdings perspektivisch möglicherweise durch multifunktionale Endgeräte (Computer, Smartphones etc.) ersetzt. 207 Die Nutzungsdauer liegt im Durchschnitt bei über 3 Stunden täglich für beide Medienformen. 208 Die Hörbzw. Sehdauer ist in der Medienforschung dabei von der sog. Verweildauer abzugrenzen. Die Hörbzw. Sehdauer bezieht sich auf die gesamte Stichprobe bzw. Gesamtbevölkerung oder alle Panelteilnehmer. Sie ist ein berechneter Durchschnittswert. Dabei werden auch die Personen mitberücksichtigt, die am betreffenden Tag das Medium oder den Sender nicht genutzt haben. Die Verweildauer beachtet dagegen nur die Personen, die das Medium tatsächlich genutzt haben. 209 206 Vgl. zusammenfassend Statista.de (2014d) sowie RMS (2014) im Detail. 207 Vgl. Destatis (2013); Mediadaten (2010). 208 Vgl. AGF/ GfK TV Scope, 2013 sowie Media Analyse 2014 II. 209 Vgl. exemplarisch Unger et al. S. 307 f.; Gläser (2003), S. 161 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 100 Die Verweildauer wird in der Regel als Summe des Tagesdurchschnitts für einen Sender oder ein Medium angegeben. Insbesondere im Hörfunk ist jedoch zusätzlich zu bedenken, dass ein einzelner Hörvorgang, den also ein Rezipient am Stück das Programm wahrnimmt, nur einen kleinen Anteil an der Gesamtverweildauer beim selben Sender ausmacht. Die Nutzungsintensität der Rundfunkmedienformen schwankt naturgemäß über den Tagesverlauf, wie Abb. 2.22 zeigt. Fernsehen hat seine Hauptnutzungszeit, die sog. Primetime oder Hauptsendezeit, am Abend ab 20 Uhr. Der Hörfunk wird vor allem am Morgen besonders intensiv genutzt, in den Nachmittags- und frühen Abendstunden (sog. „Drivetime“) steigt die Radionutzung noch einmal, außerdem gibt es zur Mittagszeit noch einmal einen leichten Anstieg. Am Wochenende verlagert sich die Nutzung gegenüber den Werktagen leicht. 0% 10% 20% 30% 40% 50% Anteil an Gesamtnutzern 05 h 06 h 07 h 08 h 09 h 10 h 11 h 12 h 13 h 14 h 15 h 16 h 17 h 18 h 19 h 20 h 21 h 22 h 23 h 24 h Radio TV Abb. 2.22: Fernseh- und Radionutzung im Tagesverlauf 210 Im Rundfunkbereich gibt es eine Reihe von technologiegetriebenen Trends, die das Potential besitzen, zukünftig bedeutenden Einfluss auf die Produktion bzw. Vermarktung zu nehmen. War die Fernsehnutzung in Deutschland bisher vor allem als Hauptbeschäftigung der Rezipienten zu kategorisieren, so existiert seit 2010 neben dem Fernsehgerät ein Trend zum sog. Second Screen. Dabei wird 210 Eigene Darstellung, TV-Nutzung basierend auf AGF/ GfK TV Scope, 2013, Gesamtbevölkerung ab 3 Jahren; Radionutzung basierend Media Analyse 2014 II, Gesamtbevölkerung ab 10 Jahren, jeweils Mo. bis Fr. r undfunk 101 parallel zum Fernsehangebot ein weiterer, internetbasierter Mediendienst angeboten. Der Fernsehnutzer erhält damit das Angebot, seine bis dahin passive Rezipientenposition zu verlassen und während der Fernsehzeit ein zweites Gerät mit auf das Programm abgestimmten Inhalten und Funktionen zu verwenden. 211 Das Angebot von Apps und optimierten Internetseiten für mobile Geräte wie Tablets oder Smartphones als Begleitung eines Fernsehprogramms oder einer Sendung wird Second Screen genannt. 212 Untersuchungen bestätigen, dass die parallele Mediennutzung, vor allem des Internets, während des Fernsehens seit Jahren zunimmt. 213 Eine Reaktion auf diese Tendenz lässt sich sowohl in der Programmgestaltung als auch im Trend des sog. Social TV erkennen. Hierbei werden etwa Facebook-Seiten zu Sendungen gestaltet und parallel zur Sendung bzw. Werbung angeboten. 214 Im engeren Sinne lässt sich der Begriff daher wie folgt definieren: Social TV beschreibt die inhaltliche Vernetzung von Fernsehsendungen und Inhalten in Sozialen Medien. Teilweise wird Social TV außerdem als Oberkategorie für alle modernen Formen technischer oder inhaltlicher, vernetzender Medienangebote, die mit Fernsehen in Zusammenhang stehen, genutzt. 215 Die Untersuchungen zum Einfluss dieser Trends auf Werbewirkung, Fernsehrezeptionen etc. sind allerdings noch widersprüchlich und kaum durch branchenunabhängige, neutrale Forschung belegt. Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle auch noch auf den mit diesen eher inhaltlich getriebenen Entwicklungen verwandten Begriff der technologischen 211 Vgl. exemplarisch: Martin (2011); de Abreu Pereira (2012), S. 36 ff.; Schultes (2012), S. 1773-1784; Schneider (2013); S. 47 f.; Andrejevic/ Lee (2014); Dziemba/ Wenzel (2014); S. 40 ff. 212 Vgl. de Abreu Pereira (2012), S. 137; Schneider (2013), S. 137; Andrejevic/ Lee (2014), S. 41 ff. 213 Vgl. Statista.de (2013b). 214 Die Internetseite www.social-tv-monitor.de bietet dafür etwa wöchentliche Statistiken zur Nutzung von Social-Media-Kanälen im Fernsehkontext. 215 Vgl. Proulx/ Shepatin (2012). S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 102 Konvergenz von Computern, Netzen und Fernsehgeräten eingegangen, dem sog. Smart TV. Smart TV beschreibt die Gerätegeneration von Fernsehern, welche durch Computertechnologie und Vernetzung funktional erweitert wurden. 216 Für die Hörfunkbranche in Deutschland ist als aktueller Trend mit besonderer Relevanz das Musikstreaming zu identifizieren. Für diese Dienste existieren zurzeit verschiedene Finanzierungssowie Abwicklungsmodelle, bei denen sich der Service in der Regel technisch auch auf mobilen Endgeräten nutzen lässt. „Beim Musikstreaming wird die Audiodatei über das Internet im Moment der Nutzung auf das Endgerät übertragen und nicht dauerhaft auf der Festplatte des Nutzers gespeichert.“ 217 2.4.2 Ökonomie und Finanzierung Für die Geschäftsmodelle im Rundfunkmarkt lassen sich zwei wesentliche Ausrichtungen identifizieren: Die privatwirtschaftlich orientierten Sender arbeiten gewinnorientiert, Hauptziel der öffentlich-rechtlichen Anbieter ist die Grundversorgung der Bevölkerung. Sie finanzieren sich ganz oder teilweise aus der Haushaltsabgabe bzw. den Rundfunkbeiträgen. 218 Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat die Aufgabe, den von den Rundfunkanstalten angemeldeten Finanzbedarf zu überprüfen und auf dieser Grundlage Empfehlungen über die Höhe der Rundfunkgebühr abzugeben. Die Kommission besteht aus 16 unabhängigen Sachverständigen und erstattet den Landesregierungen mindestens alle zwei Jahre einen Bericht. 219 216 Vgl. exemplarisch: Prahbala/ Ganapathy (2011), S. 312; Kreutzer/ Land (2013), S. 93 f. 217 Dörr (2012), S. 51. 218 Vgl. Wirtz (2011), S. 411 ff. und 493 ff. 219 Vgl. KeF (2012). r undfunk 103 Zur Finanzierung stehen TV-Anbietern folgende Angebotsformen der TV-Werbung zur Verfügung: 220 ◼ Werbespots ◼ Sponsoring ◼ Teleshopping ◼ Werbegewinnspielsendungen ◼ Product-Placement (unentgeltliche Bereitstellung von Sachleistungen) ◼ Bartering (Tausch von redaktionellen Programminhalten gegen Werbezeit) ◼ Merchandising Im Hörfunk existieren, neben der klassischen Werbung, einige ähnliche Erlösformen. Je nach Medienform bzw. Unternehmen sind die Anteile dieser Erlöse am Gesamterlös jedoch relativ gering: Sie liegen für lokale und landesweite Hörfunksender sowie im bundesweiten Free-TV jeweils unter 20 %, nur lokale TV-Sender, etwa in Ballungsräumen, erzielen mit 56 % deutlich mehr sonstige Einnahmen. 221 Auf eine detaillierte Darstellung der Kostenstruktur der unterschiedlichen Anbieter wird aufgrund der verschiedenen Rahmenbedingungen bzw. Finanzierungsmodelle an dieser Stelle verzichtet. Zu beachten ist unter den Anbietern allerdings, dass bundesweite private Hörfunksender nur einen Kostendeckungsgrad von 98 % erwirtschaften. 222 2.4.3 Psychologie Wie bei vielen Medienprodukten, so kann auch beim Zweck der Rundfunknutzung durch Rezipienten zwischen zwei grundlegenden Nutzungsmotiven unterschieden werden: der Information oder der Unterhaltung. Eine Untersuchung bei Fernsehzuschauern zeigte, dass es sich bei der Bewertung von Sendungen in dieser Kategorie nicht um Gegenteile handelt: Es ließ sich zeigen, dass das Gegenteil von Unterhaltung aus Sicht der Zuschauer nicht Information, sondern Langeweile ist. 223 Medienschaffende und Sender richten ihre Produkte im Hörfunk daher entweder an einer dieser beiden Zielrichtungen aus, dafür ist eine entsprechende zweidimensionale Strukturierung (Abb. 2.23) notwendig. 220 Vgl. Wirtz (2011), S. 413. 221 Vgl. Statista.de (2012); ähnlich auch Hans-Bredow-Institut (2006a). 222 Vgl. Wirtz (2011), S. 498. 223 Vgl. zusammenfassend Gleich/ Vogel (2007), S. 405 ff. sowie die dort genannten Quellen. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 104 Dimension: Information sehr informativ Nachrichten (z. B. Tagesschau) Wissenschaftsmagazine (z. B. Galileo) nicht informativ Nachtprogramm (z. B. Space Night) Comedysendungen (z. B. Alles Atze) langweilig sehr unterhaltsam Dimension: Unterhaltung Abb. 2.23: Zweidimensionale Strukturierung von Unterhaltungsangeboten 224 Die folgende Grafik Abb. 2.24 zeigt die Verteilung der Sendezeitanteile nach unterschiedlichen Kategorien in großen Free-TV-Sendern im Jahr 2011. Da deren Sendezeitanteile sich im Verlauf der letzten Jahre nur geringfügig verändert haben, vermitteln diese Daten ein angemessenes Bild der verschiedenen Positionierungen. 225 Die Darstellung zeigt den größten Informationsanteil für ARD und ZDF, ProSieben ist im Bereich „Fiction“ führend, RTL in der „Nonfiktionalen Unterhaltung“. Im Programm von Sat. 1 haben „Ficition“ (29 %) und „Nonfiktionale Unterhaltung“ (30 %) beinah den gleichen Stellenwert. Schließlich zeigt die Sendezeitanalyse außerdem den durch das Finanzierungsmodell bedingten, wesentlich höheren Werbeanteil der privaten Sender im Vergleich zu den öffentlich-rechtlichen Programmen. 224 Vgl. Gleich/ Vogel (2007), S. 406 nach Mangold (2004). 225 Vgl. Krüger (2012), S. 477 für eine jährliche Auflistung der Anteile im Detail zwischen 2001 und 2011. r undfunk 105 0% 25% 50% Werbung Sonstiges Musik Kinder-/ Jugenprogramm Sport Nonfiktionale Unterhaltung Fiction Information Pro Sieben RTL Sat. 1 ARD ARD ZDF ZDF RTL Sat. 1 Sat. 1 ProSieben ARD ZDF RTL ProSieben ARD ZDF ZDF RTL RTL Sat. 1 Sat. 1 ProSieben ProSieben ARD ARD ARD ZDF ZDF RTL RTL Sat. 1 Sat. 1 ProSieben ProSieben ARD ZDF RTL Sat. 1 ProSieben Abb. 2.24: Sendezeitanteile ausgewählter Free-TV-Sender 226 Unterhaltende Medienangebote wirken psychologisch betrachtet im Wesentlichen über mindestens eine der folgenden Komponenten: 227 ◼ Humor ◼ Sex & Erotik ◼ Sport ◼ Gewalt & Horror Nicht immer ist eine klare Trennung der Kategorien „Information“ und „Unterhaltung“ gewünscht oder möglich. Verstärkt sind inzwischen Formate am Markt zu beobachten, bei denen unterhaltende Elemente gezielt in informierende Angebote aufgenommen werden. Solche Beiträge werden auch als „Info- oder Edutainment“ bezeichnet. Die Präferenz für solche Angebote ist insbesondere bei Jugendlichen zu beobachten. 228 „Infotainmentbeiträge erzeugen bei den Rezipienten zwar eine höhere Aufmerksamkeit und positivere Beurteilungen als reine Informationsbeiträge. 226 Eigene Darstellung, basierend auf Daten von Krüger (2012), S. 477. 227 Vgl. Gleich/ Vogel (2007), S. 414 ff. 228 Vgl. Gleich/ Vogel (2007), S. 416. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 106 Gleichzeitig werden sie jedoch als unglaubwürdiger im Hinblick auf ihre Informationsleistung beurteilt.“ 229 In Bezug auf Glaubwürdigkeit sowie Recherchequalität/ Sachkunde werden sowohl den Printmedien als auch dem Rundfunk relativ hohe Werte von teilweise deutlich über 80 % zugeschrieben. Onlinemedien, auf stationären oder mobilen Websites, erreichen dabei nur Ergebnisse von ca. 30 %. 230 Für Hörfunkmedien wird auf oberster Ebene der Analyse meist nur eine Unterteilung in Musik- und Wortanteile vorgenommen. Die reichweitenstarken privaten und öffentlich-rechtlichen Hörfunksender bieten dabei meist einen Musikanteil im Programm von ca. 60-85 %. 231 Radio nimmt damit eine wichtige Funktion als Begleitmedium im Tagesverlauf wahr, dessen Hauptbestandteil die Musik ist. 232 2.4.4 Führung und Management Für die Rundfunkunternehmen lässt sich eine allgemeine Wertschöpfungskette (Abb. 2.25) darstellen, die sich auf beide Medienformen anwenden lässt. Sie beginnt mit der Beschaffung der notwendigen Inputfaktoren, zu denen einerseits nichtmaterielle Güter wie Inhalte und kreative sowie technische Dienstleistungen (Nachrichtenagenturen, Werbevermarkter etc.) gehören, aber auch Personal und Technik. Diese einzeln zugelieferten Inputfaktoren werden im nächsten Schritt koordiniert und gesteuert, sodass die Ausführung und Produktion eines Gesamtprogramms nach vorgegebenen Richtlinien, Standards und strategischen Ausrichtungen möglich ist. Der Programmhandel übernimmt die Arbeit mit Lizenz und Senderechten. Es folgt die Planung und Zusammenstellung eines Gesamtprogramms, ggf. inklusive Werbung, welches schließlich technisch produziert und meist über verschiedene Distributionswege verbreitet wird. 233 Beschaffung der Inputfaktoren Programmproduktion Programmhandel Programmgestaltung Programmdistribution Abb. 2.25: Wertschöpfungskette von Rundfunkunternehmen 234 229 Gleich/ Vogel ebd. 230 Vgl. Statista.de (2013a). 231 Vgl. Gleich/ Vogel (2007), S. 407; exemplarisch für Schleswig-Holstein: Hasebrink (2006), S. 104; für Sachsen: Schubert (2012), S. 32, oder für einen bundesweiten Überblick der ARD-Hörfunkprogramme Scherer/ Schneider (2011), S. 5. 232 Vgl. BLM (2012). 233 Wirtz (2011), S. 410 und 492. 234 Vgl. Wirtz ebd. r undfunk 107 Für die Beschaffung von Inputfaktoren und die Programmproduktion ist eine Vielzahl von technischen, wirtschaftlichen und publizistischen oder dramaturgischen Rahmenbedingungen zu beachten, die hier nicht detailliert erläutert werden können. Die detaillierten Prozesse der Beschaffung sowie die kreative Konzeption von Programminhalten müssen dabei nicht durch den Fernsehsender selbst erfolgen, neben Eigenproduktionen stehen Auftragsproduktionen und Kauffilme zur Auswahl. Außerdem bilden Wiederholungen und Programmübernahmen von anderen Sendern einen Teil des Programms. 235 Für das Management der Beschaffung im TV-Bereich gelten ähnliche Bedingungen, wie sie bereits im Kap 2.1.4 für die Zeitschriftenverlage beschrieben wurden. Im Hörfunk sind insbesondere die Kosten sowie die Erlöserwartungen die wesentlichen Beschaffungsfaktoren. Aus diesem Grund werden gerade für die reichweitenstarken Sendezeiten am Morgen in der Regel die vielfältigsten und kreativsten Inhalte bereitgestellt. Häufig werden diese Inhalte vorher oder nachher (z. B. mit sog. Pre- oder Back-Sellern) zweitverwertet. Konkurrenz um den wesentlichen Inputfaktor „Musik“ ist im Hörfunk kaum ausgeprägt, da diese Verwertungsrechte in der Regel zentral und für jeden Sender zugänglich über die GEMA 236 gegen Nutzungsentgelt übertragen werden können. Für Nachrichten und redaktionelle Beiträge greifen Hörfunksender teilweise auf Nachrichtenagenturen oder Beteiligungen/ Kooperationen zurück. Für die Musikauswahl sowie Moderation haben die Eigenproduktionen einen hohen Stellenwert. In Produktionsnetzwerken werden zudem häufig Spezialberichte, feste Rubriken oder Comedy von externen Produzenten geliefert und in das Programm integriert. Der Anteil der First-Copy-Costs ist mit 84 % im Hörfunk und 78 % im privaten Free-TV besonders hoch. Dies hat zur Folge, dass sich neue Sender mit (anfänglich) begrenzter Reichweite einer hohen Markteintrittsbarriere gegenüber sehen. 237 Dies wird selbst dann weitergelten, wenn das Problem der Frequenzknappheit im analogen UKW-Bereich mittelfristig durch alternative Distributionswege entschärft werden könnte. Ebenso bedeuten Automatisierungen von Produktionsprozessen damit einen besonderen Vorteil im Rundfunkmarkt. Da Hörfunk wie Fernsehsender immaterielle Produkte anbieten, hat hier die Verpackung eine übertragene Funktion: Sie verbindet Musik und Wortanteile bzw. einzelne Sendungen mittels verschiedener, vorproduzierter Elemente. In der Produktion der Fernsehprogrammgestaltung werden die Inhalte in der Regel nach einer täglichen oder wöchentlichen Orientierung gestaltet. Ziel ist es, ähnliche Inhalte jeden Tag oder jede Woche am gleichen Sendeplatz anzubieten. Die Senkung von Informationskosten der Rezipienten und der Auf bau einer 235 Vgl. ausführlich: Die Medienanstalten - ALM (2012). 236 Die Abkürzung GEMA steht für die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigung. 237 Vgl. Wirtz (2011), S. 414 und S. 495. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 108 Markenidentität des Senders werden so unterstützt. Die zeitliche Abfolge einzelner Inhalte an einem Sendetag zielt schließlich darauf ab, einmal gewonnene Rezipienten auch auf danach folgende Sendungen zu übertragen (Audience-flow). Das Nutzungsverhalten von Zuschauern ist allerdings nur noch selten durch ein dauerhaftes Verweilen bei einem Sender gekennzeichnet, wohingegen Radiohörer oft kontinuierlich bei einem Sender bleiben oder nur zwischen zwei bevorzugten Sendern wechseln. 238 Die Hörfunkprogrammgestaltung unterscheidet, insbesondere bei werbefinanzierten Sendern, inzwischen häufig nur noch zwischen Wochentagen und Samstagen bzw. Sonntagen. Wichtiger hierbei ist der schematische Auf bau einer einzelnen Sendestunde (Hot clock oder Stundenuhr), der in der Regel auch über verschiedene Sendungen hinweg ähnlich oder identisch erfolgt. Grundlegende programmpolitische Entscheidungen im Hörfunk werden dabei zu einem sog. Radioformat oder Hörfunkformat zusammengefasst. 239 Ein Hörfunkformat definiert die Hauptbestandteile eines Programms. Dazu gehören die Musikauswahl bzw. -farbe, die Art der Moderationen, Moderations-, News- und Servicebestandteile sowie das Klangbild. 240 Das Konzept des Formatradios stammt aus den USA. Durch einen großen Konkurrenzdruck zahlreicher Radiostationen erfolgte eine marktorientierte Konzeption und Optimierung der Sender und Programme, die dafür verschiedene Marktforschungsmethoden einsetzen. Heute wird dieses Konzept von allen großen Radiostationen im deutschsprachigen Raum eingesetzt. Auch die Grundkonzepte der amerikanischen Formatkonzeptionen wurden übernommen. Dabei wird grundlegend zwischen musikbasierten und wortbasierten Radioformaten unterschieden. Die Formate finden sich auf dem deutschen Markt inzwischen allerdings oft in Variationen oder als Unterformate. Besonders häufig wird in Deutschland das Adult-Contemporary-(AC)-Format angeboten. 241 Die wesentlichen Merkmale dieser Form und weiterer ausgewählter Radioformate sind in der folgenden Tab. 2.6 dargestellt. 238 Vgl. Wirtz (2011), S. 445 ff. 239 Für Beispiele mit Forschungsmethoden zum Thema Programmplanung in Hörfunk und Fernsehen siehe auch Frey-Vor/ Sigert/ Stiehler (2008), S. 304 ff. 240 Vgl. Goldhammer (1995); Warren (2005), S. 39 ff.; Wirtz (2011), S. 509. 241 Vgl. zur Einteilung von Sendern exemplarisch Rühle (2014) zur Konzeption ausführlich auch Schramm (2008) u. a. r undfunk 109 Bezeichnung Beschreibung Adult Contemporary (AC) Gespielt wird aktuelle Musik, die sich am breiten Massengeschmack orientiert und aus den letzten drei Jahrzehnten bis zur Gegenwart stammt. Das Programm ist leicht durchhörbar, wird morgens aufwändiger als im Tagesverlauf und mit etwas höherem Wortanteil gestaltet. Moderationen und Service (aktuelle Nachrichten, Wetter, Verkehrsmeldungen) vermitteln in kurzen Blöcken eine positive Grundstimmung. Das Marketing ist aufwändig, fokussiert stark die Hörerbindung und ist auf die Zielgruppe 19-49 Jahre ausgelegt. European- oder Contemporary Hit Radio (EHR/ CHR) Gespielt wird aktuelle Musik, die Teens und junge Erwachsene anspricht. Die Titel werden über kurze Zeit häufiger wiederholt und sind meist auf schnelle Titel (neue Musik und aktuell aufsteigende Hits der Charts) begrenzt. Die Moderationen sind kurz, dynamisch und witzig bis aggressiv/ provokant, Nachrichten haben einen geringen Stellenwert. Das Marketing fokussiert die Hörerbindung mit Promotion, Veranstaltungen und Gewinnspielen und ist auf die Zielgruppe 14-29 Jahre ausgelegt. Melodie-Radio Dieser Formattyp wurde am stärksten auf die Bedürfnisse des Marktes in Deutschland angepasst. Die Musik besteht aus melodie-betonten Schlagern sowie internationalen Oldies und Evergreens. Die Moderationen sind gemütlich, freundlich bis konservativ. Die Kernzielgruppe ist ab 40 Jahre alt. Album Oriented Rock (AOR) Das Format ist stark an der Musik orientiert und spielt bekannte sowie weniger bekannte Rock-Titel. Auch die Moderationen haben einen starken bzw. häufigen Musikbezug. Nachrichten und Information sind vorhanden, spielen aber eine untergeordnete Rolle. Die Kernzielgruppe ist männlich und zwischen 18 und 45 Jahren alt. Tab. 2.6: Ausgewählte Radioformate 242 In Distribution und Vertrieb entscheiden Rundfunksender darüber, wie ihre Leistungen vermarktet und den Nutzern zugänglich gemacht werden. Für die Rezipienten im Hörfunk wird dabei meist der Weg der direkten Distribution, bspw. über UKW gewählt. Im TV-Bereich erfolgt eine indirekte Distribution über verschiedene Sendewege. Viele Distributionswege im Rundfunkbereich unterliegen allerdings einer staatlichen Regulierung bzw. Zuteilung und stehen nicht unbegrenzt zur Verfügung. Aus Sicht der Markenführung wird im Rundfunk zumeist der Sender als Einzelmarke geführt, ggf. werden zusätzlich einzelne Sendungen oder Moderatoren 242 Vgl. Warren (2005), S. 42 ff.; Lynen (2010), S. 165 ff.; Wirtz (2011), S. 510. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 110 ergänzend wie Einzelmarken am Markt positioniert. Oft besitzen die Anbieter jedoch mehrere Sender oder Beteiligungen, sodass sich aus den Einzelmarken eine Mehrmarkenstrategie ergibt. Die zweite Strategie folgt dem Konzept der Dachmarken. 243 Zur Distribution auf dem Werbemarkt werden zwar grundlegend direkte sowie indirekte Wege genutzt, die indirekten Distributionswege über Vermarktungsgesellschaften besitzen aber insbesondere bei den nationalen Fernsehsendern und den landesweiten Hörfunksendern eine höhere Bedeutung. 2.4.5 Fallstudie Antenne Bayern gehört zu Deutschlands meistgehörten privaten Radiosendern und sendet ein 24-Stunden-Vollprogramm mit einem Mix aus Musik, Information, Unterhaltung und Service. Dazu gehören auch selbst oder im Auftrag des Senders produzierte Comedy-Elemente. Die Kernzielgruppe ist 14-49 Jahre alt, gesendet wird im AC-Format. Eine permanente Weiterentwicklung der Programmanteile, Eventmarketing und zielgerichtete Markenkommunikation sind für den Sender besonders wichtig. Für die Hörfunkangebote wird Antenne Bayern im Wesentlichen als Dachmarke positioniert und betreibt so eine Reihe zusätzlicher Webradio-Streams. Das Unternehmen ist als GmbH & Co. KG organisiert und wird von mehreren Gesellschaftern getragen. Dazu gehören u. a. der Axel Springer Verlag, Hubert Burda Media, UFA sowie eine Beteiligungsgesellschaft, an der viele bayrische Tageszeitungsverlage Anteile halten. Als Medienunternehmen bietet der Sender seinen Hörern neben dem UKW- Hörfunk auch mehrere moderne Medienkanäle und betreibt drei 100 %-ige Tochterunternehmen: einen rockorientierten Radiosender sowie eine Vermarktungsgesellschaft und eine Eventagentur. „Durch die technische Konvergenz der Medien und die wirtschaftliche Globalisierung lassen sich die Verbreitungswege und auch die Märkte nicht mehr exakt abgrenzen. Für den Hörfunk besteht daher die größte Herausforderung - bei zunehmendem nationalen, internationalen und digitalen Wettbewerb - seine Marktposition zu behaupten. Es gilt diese Marktposition weiterzuentwickeln und auch in neue Märkte zu übertragen.“ 244 243 Vgl. Wirtz (2011), S. 451 f. und S. 515 f. 244 Hörhammer, K. (2013), S. 9. V ideo - und c oMputerSpiele 111 2.5 Video- und Computerspiele Bei der Video- und Computerspielebranche handelt es sich um einen klassischen Systemmarkt, wo die einzelnen Systemkomponenten, die Spielesoft- und Spielehardware nur im Systemverbund für den Spieler von Nutzen sind. 245 Das wahrgenommene Leistungsspektrum umfasst einerseits den Leistungskern aus Spieleplattform und Spielesoftware sowie andererseits Zusatzleistungen. Hierunter fallen Peripheriegeräte, Merchandising-Artikel und Dienstleistungen. Darüber hinaus wird das Spektrum, wie die folgende Abb. 2.26 zeigt, um die Lizensierung von Content, welcher von der Spieleindustrie selber entwickelt wurde, sowie der Handel mit diesen Lizenzen komplettiert. Leistungsspektrum der Video- und Computerspieleindustrie Hardware Dienstleistungen Lizensierung/ Merchandising Peripherie Software Leistungsspektrum im engeren Sinn Leistungsspektrum im weiteren Sinn ◼ Mobilität: stationäre (Konsole, PC) oder mobile Plattform (Pad, Handheld, mobiles Endgerät) ◼ Kompatibilität: proprietäre (Konsole) oder kompatible Plattform (PC) Distribution ◼ Offline: CD-ROM, DVD, Bluray, Flash- Card ◼ Online: Download, Application Hosting Inhalt ◼ Gengre: Action, Strategie, Jump and Run, Rennspiele, etc. ◼ Spieleranzahl: ein Spieler, Multiplayer, Massive Multiplayer etc. ◼ Gamepad ◼ Wiimote ◼ Lenkrad ◼ Eye Toy/ Kamera ◼ Fernbedienung ◼ Adapter/ Kabel ◼ etc. ◼ Kinofilme ◼ TV-Comic-Serien ◼ Soundtrack ◼ Magazine ◼ Spielzeugartikel ◼ Comic-Hefte ◼ etc. ◼ Spieleportale ◼ Lösungsbuch zum Spiel ◼ Spiele-Events ◼ Foren ◼ etc. Abb. 2.26: Leistungsspektrum der Video-und Computerspieleindustrie 246 Das in Abb. 2.26 dargestellte Leistungsspektrum im engeren Sinn wird nachfolgend etwas näher betrachtet: 247 ◼ Hardware: Diese stellt die Spieleplattform dar und lässt sich bzgl. der beiden Merkmale Mobilität und Kompatibilität charakterisieren. Der Computer stellt eine stationäre, kompatible Plattform dar, wohingegen bspw. der Nintendo 3DS mobil und proprietär ist. ◼ Software-Distribution: Video- und Computerspiele sind digitale Güter. Ihre Distribution ist sowohl über physische Datenträger als auch über das Internet via Download oder Application Hosting möglich. Beim Download bezieht 245 Vgl. Dietl/ Royer (2003), S. 414. 246 Vgl. Wirtz 2013, S. 651. 247 Vgl. Wirtz (2013), S. 651 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 112 der Nachfrager das komplette Spiel in Dateien vom Server eines Anbieters für seine Hardware. Im Rahmen des Application Hosting verbleibt das Spiel auf dem Server des Hosting Providers. Hier erwirbt der Spieler lediglich ein Nutzungsrecht. Von einem Onlinespiel wird jedoch nur gesprochen, wenn eine Application-Hosting-Anwendung genutzt wird. ◼ Software-Inhalt: Grundsätzlich können Video- und Computerspiele nach dem Genre unterschieden werden. Hier existiert eine Vielzahl von Spieletypen, wie bspw. Action-, Strategie- und Rollenspiel, Sport- oder Abenteuerspiele, Simulationen, Shooter, Rennsowie Kinderspiele. Die jeweilige (Mit-)Spieleranzahl ist eng mit dem Inhalt verbunden. Klassische Jump-and-Run-Spiele sind i. d. R. nur für einen Spieler ausgelegt. Multiplayer Games zeichnen sich dadurch aus, dass mehrere Spieler on- oder offline mit- oder gegeneinander antreten können. Bei Massive Multiplayer Games können mehrere Tausend Spieler im Internet mit- oder gegeneinander spielen. Die Struktur und das Verhalten der Nutzer von Video- und Computerspielen haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Wie in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich, sind bis auf die Nutzer unter neun Jahren alle anderen Altersgruppen annähernd gleich häufig vertreten. Bedingt ist dies auch dadurch, dass die Nutzung von PC bzw. mobilen Endgeräten für viele Nutzer ubiquitär geworden ist und somit auch keine oder nur geringe Barrieren bzgl. der Verwendung der Hardware vorhanden sind. 0% 5% 10% 15% 20% 25% 10% 19% 18% 16% 17% 20% bis 9 Jahre 10-19 Jahre 20-29 Jahre 30-39 Jahre 40-49 Jahre 50+ Jahre Abb. 2.27: Altersverteilung von Computerspielen in Deutschland im Jahr 2014 248 Die Interaktivität dieses Mediums ist es auch, welche den Reiz für die Nutzung ausmacht. Gegenüber Unterhaltungsformaten wie dem Fernsehen, Radio oder 248 Vgl. Statista (2014e). V ideo - und c oMputerSpiele 113 Kino kann der Spieler das Geschehen aktiv kontrollierend und steuernd beeinflussen. Viele Nutzer können Computer- und Videospiele über eine längere Zeit, meist über verschiedene Levels bzw. Schwierigkeitsstufen hinweg, mit hoher Konzentration spielen. Die beliebtesten Genre für PC und Konsolen sind nachfolgend abgebildet. Action Sport Shooter Familienunterhaltung Rollenspiele Abenteuer Sonstiges Rennspiele Casual Strategie 31,9% 12,7% 20,0% 5,5% 7,0% 6,9% 1,2% 4,6% 2,3% 3,4% 2,3% 0,3% 7,2% 0,6% 12,3% 7,1% 2,3% 40,0% 28,3% 38,4% PC Konsole Abb. 2.28: Verwendung von Spiele-Genres auf unterschiedlichen Plattformen im Jahr 2014 249 2.5.1 Marktanalyse Der Markt für Video- und Computerspiele ist derjenige aus dem Gesamtspielemarkt, der eine digitale Form aufweist. Der Nutzer verwendet für die jeweiligen Angebote eine rechnergestützte Plattform. Grundsätzlich setzt sich dieser Markt aus den beiden Industriezweigen der Hard- und Softwareindustrie zusammen. Hierbei agieren folgende Akteure: 250 ◼ Spieleentwickler: Er konzipiert und programmiert das eigentliche Video- und Computerspiel. ◼ Publisher: Die Hauptfunktionen betreffen die Finanzierung, Produktion und Markteinführung von Video- und Computerspielen. Publisher arbeiten oft 249 Vgl. ESA (2014), S. 10. 250 Vgl. Wirtz (2013), S. 621. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 114 eng mit unabhängigen Entwicklern zusammen bzw. haben eigene Entwicklungskapazitäten. Teilweise wird der Vertrieb von ihnen übernommen oder an unabhängige Distributoren übergeben. ◼ Hardwarehersteller: Sie übernehmen die Entwicklung und Produktion der Spieleplattformen. Eine Unterscheidung kann zwischen multifunktionalen und reinen Spieleplattformen getroffen werden. Der Computer, das Handy, das Smartphone, der Tablet-PC und der Fernseher stellen multifunktionale Plattformen dar, da die Möglichkeit des Spielens nur eine Teilleistung des Gerätes ist. Mobile und stationäre Konsolen sind i. d. R. traditionell reine Spieleplattformen, wobei aktuelle Konsolengenerationen mit zusätzlichen Funktionen als digitaler Videorekorder, DVD oder Blu-ray-Player sowie als Internetzugang ausgestattet werden. Der Gesamtumsatz für Computer- und Videospielesoftware betrug im Jahr 2013 in Deutschland rund 1,82 Milliarden Euro. Wie in der folgenden Abb. 2.29 ersichtlich, entfallen ca. 19 % des Gesamtumsatzes auf die Gebühren für Online- und Browserspiele (139 Millionen Euro), wie bspw. Abonnements, sowie auf den Verkauf von virtuellen Zusatzinhalten (209 Millionen Euro). Den Hauptanteil bildet jedoch der Verkauf von Spielen auf Datenträgern oder per Download (1.470 Millionen Euro). Hier sind auch die entsprechenden Downloads für mobile Spielekonsolen und mobile Endgeräte eingeschlossen. 1.470 209 139 Datenträger und Downloads Umsätze in Millionen Euro virtuelle Zusatzinhalte Gebühren für Online-/ Browserspiele Abb. 2.29: Umsätze für Computer und Videospielesoftware in Deutschland im Jahr 2013 251 Der Spielehardwaremarkt besteht aus den beiden Teilmärkten des Konsolen- und des Computermarktes. Der Konsolenmarkt wird hierbei periodisch von einem Spielekonsolensystem eines bestimmten technischen Standards beherrscht. Der 251 Vgl. BIU (2014). V ideo - und c oMputerSpiele 115 Lebenszyklus einer Konsolengeneration beträgt i. d. R. fünf bis sechs Jahre. Wird eine neue leistungsfähigere Generation eingeführt, nehmen die Umsätze der alten Generation schnell ab, sodass ein idealtypischer Verlauf eines Produktlebenszyklus am Markt zu beobachten ist. 252 Die Absatzzahlen des Jahres 2013 für die am Markt platzierten Spielekonsolen zeigt die nachfolgende Abbildung auf. Nintendo 3DS Sony Playstation 3 Sony Playstation 4 Microsoft Xbox 360 Nintendo Wii Microsoft Xbox One Nintendo Wii U Sony Playstation Vita Sony PSP Nintendo DS Verkaufszahlen Spielekonsolen in 1.000 Stk. 673,51 425,58 266,28 225,88 141,18 135,28 119,96 85,72 56,33 45,00 0 100 200 300 400 500 600 700 800 Abb. 2.30: Verkaufszahlen von Spielkonsolen nach Plattform in Deutschland (2013) 253 Auf dem Markt für Spielekonsolen herrscht grundsätzlich eine hohe strukturelle und strategische Markteintrittsbarriere vor. 254 ◼ Strukturelle Markteintrittsbarriere: Diese resultieren einerseits aus dem Systemcharakter der Spielekonsolen und andererseits aus den hohen Investitionen, die mit der Entwicklung, der Produktion, dem Marketing und dem Vertrieb verbunden sind. ◼ Strategische Markteintrittsbarriere: Neben dem grundsätzlichen Fehlinvestitionsrisiko können aufgrund des Systemcharakters proprietäre Technologien und Subvensionsstrategien dieses noch verstärken. Die Hersteller von Konsolen versuchen auch aufgrund des typischen Lebenszyklus ihrer Produkte möglichst schnell eine hohe Basis an Hardware und komplementärer Software auf dem Markt zu installieren. Daher subventionieren die Konsolenhersteller i. d. R. ihre Produkte, um schnell eine hohe Menge auf dem Markt absetzen zu können. Einnahmen und Überschüsse generieren sie erst aus der Lizenzvergabe an die Softwareindustrie oder dem Verkauf von Spielen. 252 Vgl. Wirtz (2013), S. 623 f. 253 Vgl. Statista (2014f ). 254 Vgl. Wirtz (2013), S. 631 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 116 Möchte ein neuer Wettbewerber in den Markt eindringen, muss dieser die strukturelle und strategische Markteintrittsbarriere überwinden. Um Kunden von einem Systemwechsel zu überzeugen, muss das Konkurrenzprodukt einen höheren Nutzen gegenüber dem etablierten Standard bieten. Dies kann entweder durch eine Plattform mit verbesserten technischen Leistungen, die kompatibel mit dem installierten Standard und den verfügbaren komplementären Produkten sind, geschehen oder auf Basis einer revolutionären neuen, aber inkompatiblen Technologie. Wie in der nachfolgenden Abb. 2.31 zu sehen, kann der Spielesoftwaremarkt weiter unterteilt werden in Teilmärkte für Konsolespiele, PC-Spiele, Onlinespiele (Internet) und Spiele für mobile Endgeräte. Die größte wirtschaftliche Bedeutung haben derzeit und auch in naher Zukunft die Konsolespiele. Bei den PC-Spielen und den Onlinespielen ist ein Umsatzwechsel zu erwarten. War dieser im Jahr 2011 für die PC-Spiele gegenüber den Onlinespielen noch höher, wird hier ein umgekehrtes Ergebnis für 2016 erwartet. Die Umsätze für Spiele, die auf mobilen Endgeräten genutzt werden, sind im Verhältnis zu den drei anderen Kategorien als sehr gering einzustufen. Hinsichtlich der grundsätzlichen Umsatzentwicklung weist der Spielesoftwaremarkt keinen so extrem zyklischen Verlauf wie der Hardwaremarkt auf. Verläuft der Markt für PC-Spiele vergleichsweise stabil, variiert der Absatz der Konsolespiele mit dem Reifegrad der aktuellen Technologiegeneration. 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% Konsolenspiele (statioär und Handheld) PC-Spiele Onlinespiele Spiele für mobile Endgeräte Umsatzanteil 2011 2016 (Prognose) 55,2% 22,4% 20,9% 1,5% 49,9% 14,2% 33,9% 2,1% Abb. 2.31: Umsatzanteile im Markt für Videospiele in Deutschland im Jahr 2011 und Prognose für 2016 255 255 Vgl. Statista (2014 g). V ideo - und c oMputerSpiele 117 Der Spielesoftwaremarkt ist analog wie der Hardwaremarkt auch von einer strukturellen und strategischen Markteintrittsbarriere sowie zusätzlich von einer institutionellen Markteintrittsbarriere geprägt, die folgende Ausprägung haben: 256 ◼ Strukturelle Markteintrittsbarriere: hohe und stetig steigende Entwicklungs- und Produktionskosten für ein Spiel. Müssen für Medieninhalte und Charaktere Franchise-Rechte erworben werden, können erhebliche Content-Lizenzgebühren entstehen. ◼ Strategische Markteintrittsbarriere: Content-Franchaising stellt auch eine strategische Barriere dar. Deshalb schließen die marktführenden Publisher langfristige Verträge mit der Film- und Entertainment-Branche zur Sicherung von Exklusivrechten ab. ◼ Institutionelle Markteintrittsbarriere: Dies betrifft die national unterschiedlichen Straf- und Jugendschutzbestimmungen. So dürfen bspw. Inhalte in einem Land frei vertrieben werden, wohingegen sie in anderen Ländern einer Altersbeschränkung unterworfen oder sogar verboten sind. 2.5.2 Ökonomie und Finanzierung Zur Analyse der wirtschaftlichen Besonderheiten des Video- und Computerspielmarktes muss dieser differenziert zwischen Hardware- und Softwareindustrie betrachtet werden. Im Rahmen der Spielehardwareindustrie können folgende vier Wertschöpfungsstufen identifiziert werden: 257 ◼ Forschung und Entwicklung: Diese erfolgt einerseits durch die Plattformhersteller und andererseits durch die Systemlieferanten. Im Rahmen der Konsolenproduktion handelt es sich um Systembestandteile wie Prozessoren, Speichermedien und Grafikkarten. ◼ Produktion: Diese kann entweder bei Plattformproduzenten oder bei einem ausgelagerten Unternehmen erfolgen. ◼ Software- und Lizenzenmangement: Stellt die zentrale Stufe in der Wertekette dar, da hier die Spielepolitik und -strategie festgelegt sowie umgesetzt wird. ◼ Distribution und Handel: Hier erfolgt die Lagerung sowie Auslieferung an Zwischen-, Groß- und Einzelhändler sowie der Verkauf bzw. Verleih der Spieleplattformen an die Nutzer. Auf Basis dieser Wertschöpfungsbausteine haben die Hardwarehersteller Sony, Microsoft und Nintendo ihre Geschäftsmodelle entwickelt. Die Geschäftsmodelle der Anbieter unterscheiden sich jedoch in einigen Punkten: ◼ selbständige Forschung und Entwicklung oder Übertragung auf Systemlieferanten 256 Vgl. Wirtz (2013), S. 637 f. 257 Vgl. Wirtz (2013), S. 654 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 118 ◼ hoher Anteil innerbetrieblicher physischer Fertigungsprozesse der Konsole vs. Auftragsproduktion 258 ◼ Ausgestaltung des Software-Lizenzmanagements ◼ Ausmaß der Integration des Konsolenherstellers in der Spielentwicklung und -veröffentlichung In den meisten Fällen verkauft der Publisher (Entwickler) ein fertiges Spiel an den Konsolenhersteller bzw. an einen von ihm autorisierten Produzenten. Dieser übernimmt die Produktion auf ein physisches Trägermedium (CD, DVD, Bluray oder Flash-Card) sowie i. d. R. auch die Verpackung. Der Publisher kann anschließend das fertig produzierte Spiel zurückkaufen und den Vertrieb selbständig übernehmen oder an einen Distributor übergeben. Mit Hilfe des Erlösmodells muss der Konsolenhersteller allerdings schnell eine hohe installierte Basis schaffen, wobei die erzielten Verkaufserlöse nicht die Kosten der Entwicklung, Produktion und Vermarktung der Konsole decken. Gewinne werden erst über Softwarelizenzeneinnahmen und Erlösbeteiligungen aus den Verkäufen der Spielesoftware sowie aus Onlinegeschäften erzielt. Die Wertschöpfung auf dem Spielsoftwaremarkt kann in drei Stufen untergliedert werden: 259 ◼ Entwicklung: Hier erfolgt die Konzeption, die Programmierung und der Test des Spiels. Dies führen entweder unabhängige Spielentwickler oder die Entwicklungsabteilungen von Publishern bzw. Konsolenherstellern durch. ◼ Publishing: Diese Stufe umfasst die Finanzierung, die Content-Beschaffung bzw. das Lizenzenmanegement, die Hard-Copy-Vervielfältigung, die Verpackung sowie das Marketing. ◼ Distribution und Handel: Realisierung des physischen bzw. digitalen Vertriebs bis zum Nutzer. Hinsichtlich der realisierten Geschäftsmodelle gibt es aufgrund der hohen Anzahl von Marktteilnehmern unterschiedlichste Ansätze. Das Geschäftsmodell der Spieleentwickler basiert auf der Erstellung des PC-, Video-, Online- oder Mobile- Games. Hierbei hängen die Kosten der reinen Spieleentwicklung wesentlich von der Komplexität der Spielplattform sowie der Verfügbarkeit von Programmiertools und Softwareengines ab. Die meisten Spiele werden im Auftrag eines Publishers entwickelt und finanziert. Anschließend werden die Lizenzen für das fertig entwickelte Spiel von dem Entwickler an den Publisher verkauft. Da hierbei der Publisher das finanzielle Risiko trägt, inwieweit das entwickelte Spiel erfolgreich am Markt sein wird, fallen die Gewinnmargen für den Entwickler entsprechend niedrig aus. Neben der Auftragsfertigung existieren noch Geschäftsmodelle wie 258 Externe Firmen (Outsourcing), die Geräte im Auftrag eines Marken- oder Lizenzgebers nach engen vertraglichen Vorgaben herstellen, werden auch als Contract Manufacturer beschrieben. 259 Vgl. Wirtz (2013), S. 655 f. V ideo - und c oMputerSpiele 119 die Produktion in eigener Initiative und somit auch per Selbstfinanzierung. Beim Mobile-Gaming sind die Strukturen derzeit noch offener gehalten, d. h. hier sind Geschäftsmodelle auch ohne Publisher denkbar. Die Geschäftsmodelle beim Publishing basieren primär auf den Funktionen Spieleselektion, Lizenzen-/ Franchise-Rechte-Management, Finanzierung, Marketing sowie Lokalisation. Des Weiteren sind einige Publisher stark in den Entwicklungs- und Distributionsprozess involviert. Analog zu den Geschäftsmodellen der Spieleentwickler kann der Publisher die Spiele grundsätzlich in Eigen- und Fremdproduktion erstellen. Bei der Eigenproduktion entwickelt der Publisher die Spielesoftware selbst bzw. beauftragt einen unabhängigen Entwickler, wohingegen bei der Fremdproduktion eine Lizenz für die Software von Dritten erworben wird. Erlöse werden aus dem Verkauf der Spielekopien erzielt, wobei versucht wird, diese über möglichst viele Verwertungsstufen zu generieren. Das ist bspw. möglich, wenn die Spiele für verschiedene Plattformen (PC, Konsole, mobiles Endgerät) sowie als Onlineversion produziert und international vermarktet werden. 260 Bei den Geschäftsmodellen für Distribution und Handel muss zwischen der kabelgebundenen und kabellosen Distribution differenziert werden. Beide sind durch folgende Merkmale charakterisiert: 261 ◼ Kabelgebundene Distribution: Hier wird zwischen Download und Application Hosting unterschieden. Beide Geschäftsmodelle bieten unterschiedliche Erlösoptionen, wobei die einmalige Kaufgebühr für das dauerhafte Spielerecht am weitesten verbreitet ist. ◼ Kabellose Distribution: Bei dieser Distributionsform wird der Spieletitel digital auf das mobile Endgerät übertragen. Hierbei können drei Geschäftsmodelle unterschieden werden. Das Messaging-Based-Modell basiert unter Nutzung des SMS- und MMS-Standards, indem der Spieler per SMS den Spiele-Provider anfragt, ein Spiel beginnen zu können. Das Spielen beruht auf einem SMS- Austausch zwischen Spieler sowie Service Provider und wird über eine erhöhte SMS-Gebühr über die Mobiltelefonrechnung bezahlt. Beim Web-Based-Modell wird das kabellose Internet für das mobile Spielen genutzt, der Spieler ist die gesamte Zeit online und die Abrechnung erfolgt per Zeiteinheit oder übertragener Datenmenge. Bezahlt wird entweder über die Mobilfunkrechnung oder andere Zahlverfahren. Im Rahmen des Download-Modells sind die Betriebssysteme der mobilen Endgeräte die Grundlage für die mobile Distribution. Die Abrechnung erfolgt transaktionsabhäng. Es kann jedoch darüber hinaus unterschieden werden, ob dem Spieler eine dauerhafte Nutzung ermöglicht wird oder diese zeitlich bzw. nach Spielehäufigkeit begrenzt ist. 260 Vgl. Beeson (2001), S. 10; Beeson (2002), S. 11 ff. Wirtz (2013), S. 663 ff. 261 Vgl. Wirtz (2013), S. 668 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 120 2.5.3 Psychologie Aus der Sicht der Kommunikationspsychologie können Video- und Computerspiele als ein interaktives, auf der Computertechnologie beruhendes Individualmedium definiert werden. Je nach Spielart ist es der Mensch- Computer-Kommunikation oder der computervermittelten interpersonellen Kommunikation zuzuordnen. 262 Mit beiden psychologischen Kommunikationsarten verbunden ist ein wesentliches Merkmal von Video- und Computerspielen: die Interaktivität, die allerdings folgende unterschiedliche Nutzeranforderungen bedingt: 263 ◼ Denken: Spieleformen, bei denen sich der Nutzer auf das „Denken“ konzentriert, erfordern von ihm vor allem planvolles, strategisches Denken sowie ein durchdachtes indirektes Handeln. Dies bedeutet, der Spieler bestimmt zwar, welche Handlungen ausgeführt werden sollen, er führt diese aber nicht unmittelbar selbst aus. ◼ Action-dominierte Spiele: Diese erfordern vom Spieler ein schnelles und direktes Handeln sowie Steuern einer Spielfigur in filmerischen Abläufen. Hierbei ist eine akkurate Bedienung der Eingabegeräte wesentlich für den Spielerfolg. ◼ Geschichten: Konstituierendes Merkmal ist hier ein festgelegter, das gesamte Spiel umfassender Handlungsbogen bzw. -ablauf, innerhalb dessen der jeweilige Spieler unterschiedliche Aufgaben lösen muss, um Teilziele oder das Gesamtziel des Spiels zu erreichen. Die folgende Tab. 2.7 zeigt eine Einteilung von Computerspielen unterschiedlicher Genres. Genre Denken Action Geschichten Gewalt Actionspiele niedrig hoch mittel hoch Kampfsportspiele niedrig hoch niedrig hoch (Kriegs-)Strategiespiele hoch niedrig mittel hoch Wirtschafts- und Auf bausimulationen hoch niedrig mittel niedrig (Flug-)Simulationen militärisch mittel hoch mittel hoch 262 Vgl. Gimmler (2007), S. 461. 263 Vgl. Fritz (1997), S. 81 ff. V ideo - und c oMputerSpiele 121 (Flug-)Simulationen zivil mittel mittel niedrig niedrig (Auto-)Rennspiele niedrig hoch niedrig mittel Sportspiele niedrig hoch niedrig niedrig Jump-and-Run niedrig hoch mittel niedrig Rollenspiele hoch mittel hoch hoch Adventures hoch niedrig hoch niedrig Denk- und Geschicklichkeitsspiele hoch niedrig niedrig niedrig Tab. 2.7: Einteilung von Spielgenres nach Nutzeranforderungen und Gewaltpotential 264 Die Begeisterung für Video- und Computerspiele kann auf unterschiedliche Art und Weise erklärt werden. An dieser Stelle werden zwei Ansätze erläutert: die phänomenologische und die bedürfnisorientierte Sichtweise. Aus phänomenologischer Sicht interessiert die Frage, wie sich aus den Merkmalen der Video- und Computerspiele Funktionen sowie die jeweilige Faszinationskraft ableiten lässt. Auf Basis der nachfolgenden Funktionskreise wird erläutert, wie Merkmale der Spiele und Nutzeraktivitäten/ -aktivierungen zusammenwirken. 265 ◼ Pragmatischer Funktionskreis: Sensumatorische Synchronisierung, d. h. die Erweiterung des Körperschemas im Sinne von Körperbewegungen auf die Spielerfigur. ◼ Sematischer Funktionskreis: Bedeutungsübertragung, d. h. die Erfassung der Inhalte und Darstellungen im Spiel. ◼ Syntaktischer Funktionskreis: Regelkompetenz, d. h. Regeln verstehen, Spielziele und -strategien entwickeln und angemessen handeln. ◼ Dynamischer Funktionskreis: Selbstbezug, d. h. Verknüpfung von Spielinhalt und Lebensthematik stellt die Beziehung zum Spiel her. Die aufgezeigten Funktionskreise erklären hierbei einerseits einzeln, aber andererseits auch durch ihr Zusammenwirken die spielspezifischen Mechanismen, wie Video- und Computerspiele Kontroll- und Selbstwirksamkeitserleben vermitteln, eine Identifikation mit der Spielerfigur ermöglichen sowie emotionale Reaktionen auslösen. 264 Vgl. Ladas (2002), S. 47, erweitert um die Kategorie „Gewalt“. 265 Vgl. Fritz (2003), S. 10 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 122 Dabei wird ein Kontroll- und Selbstwirksamkeitserleben in folgender Weise vermittelt: 266 ◼ durch im Verlauf des Spiels stufenweise erlernte Beherrschung von Bewegungs- und Handlungsmöglichkeiten der Figur (pragmatischer Funktionskreis), ◼ durch Bedeutungsübertragung auf die Rolle der Spielfigur im zu deutenden Spielumfeld (semantischer Funktionskreis), ◼ durch spielbezogene Regelkompetenz (syntaktischer Funktionskreis) und ◼ durch Selbstbezug. Neben der Passung zwischen der Spielthematik und der Lebenswelt der Nutzer kann die Faszination von Video- und Computerspielen auch durch eine kompensatorische Kopplung erklärt werden: Viele Spiele bieten die Möglichkeit, im Spiel eine andere Rolle einzunehmen bzw. Handlungen auszuführen, die in der realen Welt nicht oder nur mit Gefahren möglich sind. Die Spielattraktivität und Spielmotivation erklärt sich durch das Immersionspotential der Spiele, d. h. es besteht die Möglichkeit, in die virtuelle Welt abzutauchen und in ihr aufzugehen. Ein solches Potential ergibt sich durch das Zusammenwirken der beschriebenen Funktionskreise, insbesondere in Bezug auf Kompetenz- oder Kontrollerleben. Kommt es während der Nutzung zu einer optimalen Passung von Spielanforderungen und Spielerfähigkeiten, kann es zu einem „Flow“, d. h. dem völligen Aufgehen im Spiel, kommen. Bei der bedürfnisorientierten Sicht liegt der Ausgangspunkt für die Erklärung von Funktionen bzw. Nutzungsmotiven der Video- und Computerspiele bei den Bedürfnissen, Einstellungen und Erwartungen der Nutzer. Als Handlungsauslöser oder Nutzungsanlass kann angeführt werden, dass Video- und Computerspiele insbesondere dann genutzt werden, wenn die Spieler Lust und Zeit aber auch Langeweile haben. Ein Mangel an Alternativen ist eher weniger ausschlaggebend. Auch ist es unwahrscheinlich, dass gespielt wird, wenn der Nutzer Ruhe haben will oder unter Stress steht. 267 Im Hinblick auf die Belohnungserwartung der Spieler sind die kognitive Herausforderung (auch im Hinblick auf die Konzentration), der (soziale) Wettbewerb sowie der Spielerfolg zu nennen. Über die mit erfolgreichem Spiel verbundenen positiven Gefühle hinaus werden auch emotional-psychologische Zustände wie Anspannung, Nervenkitzel und Erregung angestrebt. 268 266 Vgl. Gimmler (2007), S. 465 f. 267 Vgl. Schlütz (2002). 268 Vgl. Gimmler (2007), S. 466. V ideo - und c oMputerSpiele 123 2.5.4 Führung und Management Innerhalb dieses Abschnittes werden die zentralen Aktivitäten des strategischen Managements, des Beschaffungsmanagements sowie die Produktions- und Marketingaktivitäten erörtert. Die nachfolgende Tab. 2.8 stellt zunächst die Fokussierungs-, Integrations- und Netzwerkstrategie im Rahmen des strategischen Managements dar. Strategisches Management Fokussierungsstrategie Integrationsstrategie Netzwerkstrategie ◼ verstärkt im Spielesoftwaremarkt, aufgrund hoher Produktkomplexität und Heterogenität der Entwickler- und Verlegerfunktion ◼ umgesetzt auch bei Entwicklern und Publishern in Form von unabhängigen Entwicklungsstudios, insbesondere im Mobile-Gaming-Feld ◼ Erfolgsfaktoren für Spieleentwickler: kleine, überschaubare Teamstrukturen sowie ein kreatives Klima ◼ Erfolgsfaktoren für Publisher: Größe, Marktmacht, Finanzkraft ◼ Publisher integrieren die Funktion der Spieleentwicklung ◼ Hardwarehersteller integrieren die Spielesoftwareerstellung ◼ horizontale Integrationstendenzen der Konsolenhersteller: Ausstattung der Konsolen mit zusätzlichen Features (z. B. E-Mail- oder Chat-Funktion) oder Gadgets (z. B. Karaoke- Kits, Live-Kamera, Sonnensensoren) ◼ vertikale Integrationstendenzen der Publisher: Beteiligungsanteile an Entwicklungsstudios oder Auf bau interner Entwicklungsdivisionen ◼ laterale Kooperationen zwischen Plattformherstellern und Spieleproduzenten: Sicherung von Exklusivrechten ◼ laterale Kooperationen zwischen Spieleproduzenten und Systemlieferanten der Plattformhersteller: Leistungsfähigkeit neuer Systemmodule frühzeitig und bestmöglich bei der Spielentwicklung ausschöpfen ◼ vertikale Beschaffungskooperationen zwischen Publishern und Entwicklern: Sicherung von dauerhaften Lizenzrechten an neuen Spielen Tab. 2.8: Strategische Managementstrategien im Video- und Computerspielemarkt 269 Das Beschaffungsmanagement ist besonders für den Softwaremarkt von Interesse. Eine zentrale Aufgabe stellt die Beschaffung der Konsolen-, Content- und Spielelizenzen dar. Ein Vorgehen hierfür ist die Direktkontrahierungsstrategie, da der Publisher zumeist in direkten Kontakt mit Konsolenherstellern, Franchise-Rechtegebern und unabhängigen Spielentwicklern tritt. 270 Ein wichtiges Merkmal der Video- und Computerspieleproduktion ist der Projektcharakter, welchen das Projektmanagement steuern muss. Idealtypisch 269 Vgl. Wirtz (2013), S. 670 ff. 270 Vgl. hier und alle weiteren Ausführungen des Kapitels Wirtz (2013), S. 674 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 124 setzt sich der Produktionsprozess aus der Konzeptions-, der Design-, der Lokalisierungs- und der Vervielfältigungsphase zusammen, wobei zwei Hauptprozessschritte prägend sind: Spieleentwicklung und Spieletitelvervielfältigung. [1] Spieleentwicklung: Die Entscheidung für Eigen- oder Fremdentwicklung wird primär von der Finanzkraft und dem Image des Entwicklers geprägt. Publisher arbeiten bei der Auftragsfertigung gern mit erfahrenen Entwicklungsstudios zusammen. Bei der Eigenfertigung muss der Entwickler einerseits das Projekt über einen langen Zeitraum selbst finanzieren, was ihm andererseits auch höhere Erlösanteile generieren kann. Aufseiten der Publisher wird eine Eigenvs. Fremdproduktion durch die Parameter wie dem bestehenden Produktportfolio, der Liquiditätssituation und der Entwicklungskompetenz determiniert. [2] Spieletitelvervielfältigung: Wichtige Produktionsstrategie für Konsolenhersteller ist die Kontrolle des Vervielfältigungsprozesses, um hohe Produktqualität zu sichern und optimalen Schutz vor Raubkopien zu gewährleisten. Im Rahmen der Marketingaktivitäten wird an dieser Stelle nur die Kommunikationspolitik erörtert, da sie wesentlich zur Infizierung der Nachfrager mit neuen Produkten beiträgt. Für die Video- und Compuerterspieleindustrie können folgende Instrumente unterschieden werden: ◼ Klassische Werbeformen wie Kino-, TV-, Print- und Radiowerbung stellen die wichtigsten Werbemedien dar. Mit ihnen können in kürzester Zeit viele potentielle Konsumenten zielgruppenspezifisch angesprochen werden. ◼ Für die Konsolenvermarktung von primärer Bedeutung ist das Eventmarketing. So werden bspw. Messen, Sportveranstaltungen und Konzerte im Rahmen von Sponsoring-Aktivitäten genutzt, um ganz spezifische Kundengruppen ansprechen zu können. Eine spezielle Form des Eventmarketing sind Spielturniere, bei denen eingeladene Spieler gemeinsam und gegeneinander spielen können. ◼ Durch die Aufstellung von Spielekonsolen am Point-of-Sale erhält der potentielle Kunde die Möglichkeit, Konsolen und neueste Spiele selbst zu testen. ◼ Das Internet bietet die Möglichkeit, Trailer, Teaser und Demoversionen von neuen Spieletiteln bereitzustellen. Dies hat den Vorteil, dass dem Konsumenten ein besserer Eindruck von dem Spieleerlebnis vermittelt werden kann, um diesen zum Kauf zu bewegen. ◼ Bei großen Blockbusterproduktionen, die auf einem Kinofilm-Content basieren, eignen sich Crossmedia-Strategien. 2.5.5 Fallstudie Die Nintendo Wii ist eine Spielekonsole, welche im Jahr 2006 eingeführt wurde. Das Unternehmen platzierte diese Konsole aufgrund des mäßigen Erfolgs von Nintendo 64 und Nintendo Gamecube. Außerdem sollten die Hauptkonkurrenten, e lectronic B uSineSS 125 Sony mit der PlayStation 3 und Microsoft mit der Xbox 360, angegriffen werden. Beide Wettbewerber mussten in der Folge Marktanteile an Nintendo abgeben. Der Erfolg verstärkte sich durch Verspätungen und hohe Preise bei der PlayStation 3 sowie Qualitätsmängel und Wartungsleistungen bei der Xbox 360. 271 Beide Hauptkonkurrenten von Nintendo setzten auf eine leistungsfähigere Hardware und teure Elektronikbausteine, die Wii-Konsole zeichnete sich dagegen durch einen niedrigeren Verkaufspreis sowie ein neuartiges Spieleprinzip aus. Das Besondere war die bewegungssensitive, kabellose Fernbedienung, der Wii- Controller. Dieser ermöglichte dem Spieler mit Hilfe von Bewegungssensoren an der Fernbedienung eine völlig intuitive und natürliche Art des Spielens. Hierbei überträgt der ergonomische Controller die realen physischen Bewegungen des Spielers in Bewegungen, welche auf dem Bildschirm dargestellt werden. Weiterhin wird neben dem Videospielen auch die Option zur Herstellung einer drahtlosen Internetverbindung mit folgenden Funktionen angeboten: ◼ Nutzung der Standardleistungen, wie bspw. Abrufen aktueller Nachrichten und Wettervorhersagen. ◼ Herunterladen von Spieleinhalten, Verfassung von Textnachrichten und Bearbeitung von Digitalfotos. ◼ Onlineaustausch von Daten mit anderen Wii-Besitzern und auch gegeneinander spielen. Daneben setzte Nintendo gezielt auf Gelegenheitsspieler, die sog. Casual Gamer, aller Altersgruppen und bewarb das Produkt als leicht und ohne große Erfahrung im Videospielbereich nutzbar. Somit verband die Wii-Konsole erstmals erfahrene Videospieler und Nicht-Videospieler durch ein gemeinsames Erlebnis zu einer neuen Spielegeneration. 272 2.6 Electronic Business Die innovative Informationstechnik induziert spätestens seit Beginn der 1990er Jahre einen Strukturwandel im gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich. Waren noch vor einigen Jahren Computer und Netzwerke nur einigen Spezialisten vorbehalten, sind diese heute Bestandteil des täglichen Lebens. Die digitale Technik und deren Auswirkung auf die Informationsübertragung sind allgegenwärtig. Der stetige Fortschritt und die wachsende Bedeutung der Informationstechnik und die Vernetzung von elektronischen bzw. digitalen Datenwegen sind notwendige Voraussetzungen für eine neue Dimension des wirtschaftlichen Miteinanders, dem elektronischen Handel auf elektronischen Datenwegen. 273 271 Vgl. Iwersen (2008), S. 2. 272 Vgl. Wirtz (2013), S. 688 f. 273 Vgl. Kollmann (2013), S. 1. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 126 E-Business steht für „Electronic Business“ und damit den elektronischen Geschäftsverkehr. E-Business bedeutet die Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse, d. h. der Leistungsaustausch zwischen Marktteilnehmern mit Hilfe öffentlicher oder privater Kommunikationsnetze, zur Erzielung einer Wertschöpfung. 274 Als Leistungsanbieter und Leistungsnachfrager im E-Business können sowohl Unternehmen (Business), öffentliche Institutionen (Government bzw. Administration) als auch private Konsumenten (Consumer) auftreten. Wichtig ist, dass die jeweilige elektronische Geschäftsbeziehung einen Mehrwert schafft. Dies kann in Form eines monetären oder immateriellen Beitrags erfolgen. 275 Während sich E-Business über alle Geschäftsprozesse innerhalb und außerhalb des Unternehmens erstreckt, hat Electronic Commerce (E-Commerce) sehr viel direkter mit kommerziellen Aktivitäten zu tun, die zwischen Marktteilnehmern stattfinden. Da allerdings die Grenzen zwischen „drinnen“ und „draußen“ so fließend sind, kann E-Commerce auch innerhalb der Unternehmung stattfinden. E-Commerce wird daher umgesetzt, wenn zwischen autonomen Organisationseinheiten kommerzieller Austausch stattfindet. Dies bedeutet, dass sich häufig die technisch und organisatorisch interessanten Probleme im Bereich des E-Commerce finden. 276 Bei Fokussierung auf die Transaktionsprozesse wird die Summe der Möglichkeiten zur Umsatzgenerierung über E-Technologien und die Nutzung des Internets als neue Distributionsplattform als Electronic Commerce bezeichnet. E-Commerce zielt somit nur auf die Unterstützung der Transaktionsprozesse (Kaufprozesse) zwischen zwei Marktpartnern auf elektronischen Märkten ab. 277 Die eben diskutierten Abgrenzungen zwischen E-Business und E-Commerce sowie die Integration der Marktparteien sind in der Abb. 2.32 zusammenfassend dargestellt. 274 Vgl. Kollmann (2013), S. 51; Meier/ Stormer (2012), S. 2; Wirtz (2013a), S. 22. 275 Vgl. Meier/ Stormer (2012), S. 2. 276 Vgl. Weiber (2002), S. 10. 277 Vgl. Kollmann (2013), S. 17; Wirtz (2013), S. 30 f. e lectronic B uSineSS 127 Electronic Business E-Commerce E-Commerce Anbieter Intranet Extranet Internet Nachfrager Geschäftspartner Business-to-Business (BtoB) Business-to-Consumer (BtoC) Abb. 2.32: Transaktionspartner im E-Business 278 2.6.1 Marktanalyse Das weitgefasste Gebiet des E-Business wird häufig über die beteiligten Akteure bzw. Marktteilnehmer und ihre Geschäftsbeziehungen in Teilgebiete gegliedert. Akteure des E-Business sind hierbei alle Anbieter und Empfänger von elektronisch basierten Leistungsaustauschprozessen. Als mögliche Anbieter bzw. Empfänger sind hauptsächlich Unternehmen (Business), öffentliche Unternehmen (Gouvernement/ Administration) und private Konsumenten (Consumer). In der Kombination dieser drei Gruppen ergeben sich folgende typische Geschäftsbeziehungen, welche auch in Abb. 2.33 dargestellt sind: 279 ◼ Business-to-Consumer (B2C): Charakteristisch für den Onlinehandel zwischen Unternehmen und Kunden ist die Geschäftsanbahnung, -vereinbarung und Zahlungsabwicklung. Die Beziehung ist hierbei i. d. R. geprägt durch eine Kurzfristigkeit des Marktkontaktes und die relativ kleinen bis mittleren Transaktionsbeträge. Im Vordergrund des Kaufprozesses steht die Auswahl des Produktes/ der Dienstleistung, die Bestellung und Bezahlung. Eine Verhandlung findet üblicherweise nicht statt. ◼ Business-to-Business (B2B): Die Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen ist im Gegensatz zu B2C von einer längerfristigen Geschäftsbeziehung und komplexeren Wertschöpfungsstrukturen geprägt. Es handelt sich hierbei nicht nur um einzelne Unternehmen, sondern auch um Unternehmensgruppen (z. B. Autohändler oder Werkstättenverbünde), die miteinander interagieren sowie mittels der Informations- und Kommunikationstechnologien miteinander Geschäfte abwickeln. Die B2B-Integration findet im Wesentlichen zwischen Softwaresystemen statt. 278 Vgl. Weiber (2002), S. 10. 279 Vgl. Kollmann (2013), S. 54 ff.; Merz (2002), S. 22 ff.; Wirtz (2013a), S. 23 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 128 ◼ Government-to-Business (G2B): Dieser Bereich bezieht sich überwiegend auf Transaktionen im Bereich der öffentlichen Beschaffung und kommt insbesondere bei formalisierten Ausschreibungsverfahren zum Einsatz. Bei einer öffentlichen Ausschreibung werden Aufträge in Form von Leistungsbeschreibungen spezifiziert und publiziert. Innerhalb gegebener Fristen können Unternehmen ihre Angebote unterbreiten, welche nach vorgegebenen Kriterien zu vergleichen und zu bewerten sind. G2B-Commerce ist somit stark am Beschaffungswesen orientiert. Weitere Aktivitäten liegen im Bereich der Finanzämter oder Amtsgerichte. ◼ Government-to-Government (G2G): Wenn Staaten oder öffentliche Einrichtungen und Ämter über das Internet kommunizieren, so dient der jeweilige Informationsbzw. Leistungsaustausch in erster Linie der Unterstützung von Unternehmen beim Handel. ◼ Government-to-Consumer (G2C): Kunden erhalten über das Internet den Zugang zur öffentlichen Verwaltung. Umsetzungen im Hinblick auf E-Government sind häufig auch unter dem Stichwort „virtuelles Rathaus“ zu finden. Dies beinhaltet E-Services für Bürger, wie bspw. die Bereitstellung von Informationen, Formularen und die Abwicklung der Kfz-Anmeldung. Die Bundesanstalt für Arbeit ist ferner eine öffentliche Institution, die Leistungen wie etwa Vermittlungsbörsen, aber auch ausführliche Informationen zum Arbeitnehmerrecht, zur Greencard-Initiative und anderem anbietet. ◼ Consumer-to-Consumer (C2C): Hierbei steht die Organisation des Produkt- und Informationsaustauschs zwischen Privatpersonen im Vordergrund. Sehr bekannt sind hierbei die Handelsbörsen im Internet, wie bspw. www.ebay.de, wo Privatpersonen als Anbieter und Empfänger einer Leistung fungieren können. Dieses Verhältnis wird häufig auch als Peer-to-Peer (P2P) bezeichnet, da Peers (Gleichberechtigte) in einem Verbund gegenseitig Ressourcen austauschen können. e lectronic B uSineSS 129 Behörden Konsument Unternehmen C2C B2C B2B G2C G2B G2G Information, Kommunikation, Transaktion zwischen Behörden Information, Kommunikation, Transaktion zwischen Konsumenten Information, Kommunikation, Transaktion zwischen Behörden und Unternehmen bzw. Konsumenten Information, Kommunikation, Transaktion zwischen Unternehmen und Konsumenten Information, Kommunikation, Transaktion zwischen Unternehmen Abb. 2.33: Geschäftsbeziehungen im E-Business 280 Grundsätzlich gilt, dass die Rollen der Akteure im E-Business nicht 100 %ig fix sind und sich diese in Abhängigkeit vom Markt verändern und umkehren können. Klassisches Beispiel ist der Konsument, welcher ab einem bestimmten Zeitpunkt auf der Auktionsplattform ebay.de zum Profianbieter (Powerseller) wird und damit eher die Rolle eines Unternehmers einnimmt. Auch kann es passieren, dass ein elektronischer Marktplatz, wie bspw. autoscout24.de, sowohl den Handel im B2C-Bereich als auch im C2C-Segment organisiert und somit eine Mischform im Rahmen der möglichen Geschäftsbeziehungen darstellt. Mit der Geburtsstunde der Mikroelektronik im Jahre 1959 wurde der Grundstein für das E-Business gelegt. Durch die Mikroelektronik wurde es möglich, in weitgehend automatisierten Entwurfs- und Fertigungsprozessen ganze Schaltungskomplexe auf hochintegrierten Bausteinen, die als Chips bezeichnet werden, zu miniaturisieren und zu niedrigen Kosten herzustellen. 281 Die in der Anschaffung immer günstiger werdenden leistungsstarken Systeme führten zu einer beschleunigten Verbreitung von Computersystemen sowie zur Erhöhung der Rechenleistung. Diese ist letztlich dafür verantwortlich, dass der Nutzer über ein Zugangsmedium die zahlreichen heterogenen Informationen, die für eine elektronische Transaktion notwendig sind, erfassen und kontrollieren kann. Die Digitalisierung der Informationen stellt hierbei eine weitere Grundvoraussetzung 280 Vgl. Merz (2002), S.24. 281 Vgl. Weiber (2002), 6 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 130 für die Realisierung elektronischer Märkte dar. Sie ermöglicht es, dass große Mengen von Texten, Bildern, Videos und andere Informationen mit hoher Geschwindigkeit bearbeitet, kopiert, übertragen und angezeigt werden können. 282 In Abhängigkeit von der Zahl und Leistung der vernetzten Rechner auf der Hardwareebene erfolgt parallel eine enorme Zunahme der über die Datennetze transferierten Datenmenge. Geschäftliche Prozesse werden vermehrt von der persönlichen Ebene (Face-to-Face) auf die Kanäle der weltweiten Datennetze übertragen. Der Anstieg der Datenmengen konfrontiert die Nachfrager jedoch mit mehr Informationen, als sie wahrnehmen können. Der hohe Datenstrom muss logistisch und inhaltlich organisiert werden. Hieraus ergeben sich gerade im Bereich der Informationsverarbeitung neue Geschäftsfelder. Wenn über elektronische Datennetze immer mehr Daten und Informationen zur Verfügung stehen, stellt sich die Frage nach deren Funktion im wirtschaftlichen Wettbewerb. Die Computertechnik hat dazu geführt, dass Informationen als Produktionsfaktor auf einer breiten Basis und auf wirtschaftliche Weise genutzt werden können. Der massive Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken in der gesamten Wirtschaft führt nicht nur zu Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen, sondern es entstehen neue Märkte, Geschäftsmodelle, Geschäftsfelder und Unternehmen. 283 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 1,8 2,2 2,7 3,2 3,7 4,4 8,0 0 2 4 6 8 10 Gesamtvolumen pro Jahr [Mrd. GB] Abb. 2.34: Datenvolumen des Breitband-Internet-Verkehrs in Deutschland 284 282 Vgl. Kollmann (2013), S. 3. 283 Vgl. Kollmann (2013), S. 6. 284 Vgl. Bundesnetzagentur (2014), S. 75; Wirtz (2013a), S. 18. e lectronic B uSineSS 131 In den Anfangsjahren des Internets wurde dieses primär zum Abrufen von Informationen als auch als Kommunikationsmittel im geschäftlichen sowie im privaten Umfeld genutzt. Wie in der nachfolgenden Tab. 2.9 dargestellt, wurde bei der Internetnutzung, nach Angaben der Nutzer, auch noch im Jahr 2013 hauptsachlich kommuniziert oder mittels Suchmaschinen gezielt recherchiert. Die Unterschiede in der Soziodemografie der Nutzer dieser Anwendungen waren eher gering. An Attraktivität deutlich gewonnen haben in den letzten Jahren die Onlinecommunitys sowie die multimedialen Anwendungen. Hier zeichnen sich allerdings auch die altersspezifischen Differenzen zwischen den Onlinern am deutlichsten ab. So sind in den Onlinecommunitys von den 14bis 29-Jährigen rund 76 % mindestens einmal wöchentlich in ihrem Netzwerk aktiv, wohingegen die ab 50-Jährigen zurzeit noch relativ zurückhaltend agieren (13 %). Wenige Veränderungen gab es im Jahr 2013 gegenüber dem Vorjahr beim Abruf von audiovisuellen Anwendungen. Hier sind bereits erste Anzeichen für eine Stagnation festzustellen. Insbesondere die Livenutzung von Radio und Fernsehen im Internet hat im Vergleich zum Jahr 2012 nur um 3 % bzw. 2 % zugenommen. Communitys wurden 2013 wie im Vorjahr von rund einem Drittel der Nutzer (39 %) regelmäßig besucht. Insbesondere in der Gruppe der unter 30-Jährigen wird diese Anwendung mit rund 76 % am häufigsten genutzt. Gegenüber dem Vorjahr ergab sich ein Anstieg von 1 %. Allerdings nutzen die ab 40-Jährigen Onlinecommunitys bereits nur noch unterdurchschnittlich. 285 Gesamt 14-29 J. 30-49 J. 50-69 J. 70+ Suchmaschinen nutzen 83 % 90 % 87 % 76 % 61 % Senden/ Empfangen von E-Mails 79 % 80 % 85 % 73 % 64 % bestimmte Angebote/ Informationen zielgerichtet suchen 72 % 80 % 77 % 64 % 50 % einfach so im Internet surfen 44 % 57 % 45 % 35 % 22 % Onlinecommunitys nutzen 39 % 76 % 38 % 13 % 7 % Homebanking 34 % 33 % 39 % 31 % 31 % Chatten 26 % 59 % 20 % 9 % 3 % Herunterladen von Dateien 23 % 35 % 22 % 15 % 6 % Kartenfunktionen nutzen 20 % 27 % 20 % 15 % 10 % Onlinespiele 16 % 23 % 17 % 9 % 7 % 285 Vgl. Eimeren/ Frees (2013), S. 362. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 132 Audios im Internet herunterladen/ anhören 14 % 31 % 12 % 5 % 0 % Musikdateien aus dem Internet 14 % 33 % 9 % 4 % 0 % Video/ TV zeitversetzt 13 % 24 % 11 % 11 % 4 % live im Internet Radio hören 13 % 22 % 11 % 8 % 2 % RSS-feeds/ Newsfeeds 10 % 18 % 10 % 4 % 4 % Tab. 2.9: Am häufigsten genutzte Internet-Anwendungen nach Alter im Jahr 2013 (mindestens einmal wöchentlich genutzt) 286 Bei einer Betrachtung der Nutzung von Web 2.0-Angeboten ist ersichtlich, dass diese innerhalb der einzelnen Altersgruppen erheblich schwankt. Tendenziell sprechen Web 2.0-Angebote jüngere Zielgruppen an (vgl. Tab. 2.10), auch wenn die Online-Enzyklopädie Wikipedia von vielen älteren Nutzern ebenfalls verwendet wird. Die geringsten Nutzungen weisen berufliche Netzwerke und Communitys, Webblogs sowie die Microblogging-Plattform Twitter auf. Männlich Weiblich 14- 19 J. 20- 29 J. 30- 39 J. 40- 49 J. 50- 59 J. 60+ Wikipedia 75 % 70 % 96 % 87 % 78 % 74 % 56 % 49 % Videoportale 65 % 52 % 90 % 85 % 76 % 54 % 39 % 16 % private Netzwerke und Communitys 43 % 42 % 88 % 74 % 56 % 25 % 23 % 10 % berufliche Netzwerke und Communitys 9 % 7 % 1 % 14 % 16 % 6 % 4 % 2 % Weblogs 8 % 5 % 12 % 11 % 8 % 4 % 4 % 2 % Twitter 4 % 4 % 5 % 8 % 4 % 3 % 2 % 0 % Tab. 2.10: Nutzung von Web 2.0-Angeboten im Jahr 2012 nach Geschlecht und Alter (zumindest selten genutzt) 287 Innerhalb der Gesamtheit der Internetnutzer lassen sich unterschiedliche Ausprägungen des Nutzungsverhaltens feststellen. Während ein Teil das Internet zum Zwecke der selektiven Informationssuche nutzt, stehen für den anderen unterhaltsame und multimediale Angebote im Vordergrund. 286 Vgl. Eimeren/ Frees (2013), S. 363. 287 Vgl. Busemann/ Gscheidle (2012), S. 381. e lectronic B uSineSS 133 Eine Annäherung im Nutzungsverhalten ist bei Anwendungen des Web 1.0 (E-Mail, Informationssuche, Onlineshopping etc.) zwischen den Jüngeren und Älteren sowie zwischen den erfahreneren und unerfahrenen Nutzern zu beobachten. Sie werden generationsübergreifend genutzt. Zu beachten ist, dass bloße Verfügbarkeit des Internets nicht automatisch zu einer routinierten und habitualisierten Nutzung führt. 43 % aller deutschen Internetnutzer gehörten 2012 entweder der Gruppe der Randnutzer (25 %) oder der Selektivnutzer (18 %) an. Wie in der nachfolgenden Abb. 2.35 dargestellt, waren es noch 2010 nur unwesentlich mehr Rand- und Selektivnutzer (45 %). Charakteristisch für diese beiden Gruppen ist, dass sie das Internet noch nicht in den individuellen Medienalltag integriert haben und sich ihre Nachfrage auf wenige bekannte Angebote sowie Funktionen beschränkt. Begründet ist dies auch mit ihren geringen Fähigkeiten, mit diesem Medium souverän umzugehen. Die Gegengruppe zu den Rand- und Selektivnutzern bilden die „Digital Natives“. Dies ist die Generation der unter 30bzw. unter 35-Jährigen, welche auch in der Literatur häufig als „Generation Netz“ bezeichnet wird. Das Internet ist für diese Nutzergruppe zentraler Bestandteil ihres Alltags und auch die Nutzung fest hierin integriert. Tatsache ist: Junge Menschen sind weit häufiger (Gesamt: 5,7 Tage/ Woche; 14bis 29-Jährige: 6,3 Tage/ Woche), intensiver und länger im Netz (Gesamt: 133 Min.; 14bis 29-Jährige: 168 Min.). Mit den implementierten Dienstleistungen im Internet, allen voran mit dem interaktiven Web 2.0, kennt sich diese Nutzergruppe weitaus besser aus als die Generationen vor ihnen. Für die wenigsten Jugendlichen ist das interaktive Web 2.0 ein echtes Mitmach-Web, wo sie die meiste Zeit mit dem aktiven Einstellen von Content verbringen würden. Zwar tauschen sie sich ausgiebig in ihren Communitys innerhalb der sozialen Netzwerke aus, dies dient aber vor allem dazu, die privaten Kontakte zu pflegen. Allerdings ist das Internet für die meisten Jugendlichen keine neue, andere Welt, sondern eine nützliche Erweiterung der alten Welt. So nimmt die „Generation Netz“ eher eine passiv-konsumierende als eine aktiv-gestaltende Haltung gegenüber dem Internet ein: Auch wenn nahezu jeder dieser Nutzergruppe Videos im Netz ansieht, haben nur die wenigsten Videos im Internet selbst eingestellt (14bis 29-Jährige: 7 %; Gesamt: 4 %). Nur 4 % bloggen (Gesamt: 2 %) oder 3 % twittern (Gesamt: 2 %). Die Jüngeren sind in ihrem Umgang mit dem Internet nicht unähnlich der Generation ihrer Eltern und Großeltern - auch wenn diesen historisch bedingt andere Tools zur Verfügung standen. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 134 Des Weiteren zeigt sich im Umgang mit dem Netz die junge Generation auch weniger naiv in Belangen des Datenschutzes. So befürchten 82 % der „Generation Netz“ den Missbrauch von persönlichen Daten, die sie über das Netz weitergeben. In der Gesamtheit aller Internetnutzer liegt dieser Anteil mit 88 % nur unwesentlich höher. Allerdings sind sie in der Weitergabe persönlicher Daten unbekümmerter. So haben bereits 53 % aller 14bis 29-Jährigen persönliche Daten ins Netz gestellt, in der Gesamtheit der Internetnutzer sind es nur 37 %. 288 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% Junge Hyperaktive Junge Flaneure E-Consumer Routinierte Infonutzer Selektivnutzer Randnutzer 2010 2012 19% 8% 11% 16% 20% 25% 21% 12% 8% 16% 18% 25% Abb. 2.35: Zusammensetzung der Onlinenutzer/ Typologien 2010 und 2012 289 Der Typ der „Jungen Hyperaktiven“ nutzt fast alle Möglichkeiten, die das Internet bietet. Dies geschieht im Vergleich zu den anderen Gruppen dabei auch mit mehr Spaß und Experimentierfreude. Für diese Nutzergruppe ist das Internet zu einer Art zweitem Zuhause geworden, sodass es auch zur Freizeitgestaltung und für soziale Kontakte genutzt wird. Des Weiteren wird das Internet bei der Suche nach Informationen gegenüber klassischen Medien vorgezogen. Die „Jungen Flaneure“ sind im Gegensatz zu den „Jungen Hyperaktiven“ nicht so stark emotional mit dem Internet verbunden, lassen sich aber gelegentlich auch von deren neuen Angeboten und Möglichkeiten begeistern. Allerdings ist in der Regel schon ein klar definiertes Informationsinteresse vorhanden. Von zentralem Interesse für die Frauen dieser Nutzergruppe ist der Zugang zu Informationen des näheren oder weiteren Lebensumfeldes, wie der Stadt oder Region, 288 Vgl. Eimeren/ Frees (2012), S. 364 f. 289 Vgl. Eimeren/ Frees (2012), S. 365. e lectronic B uSineSS 135 in der sie leben. Dies können aktuelle Nachrichten oder auch Anstöße zur Freizeitgestaltung sein. Bei der Gruppe der „E-Consumer“ ist bei der Nutzung des Internets der Aspekt des privaten Konsums von entscheidender Bedeutung. Das Internet wird jedoch nicht nur als Plattform zur reinen Transaktion angesehen, sondern es werden auch Informationen über Produkte eingeholt. E-Consumer liegen in der Nutzung von Onlinebanking als auch der Inanspruchnahme von Onlineshopping-Angeboten deutlich vor anderen Nutzerkategorien. Gleichzeitig besteht ein ausgeprägtes Interesse an Börseninformationen sowie dem Versicherungsbzw. Automarkt. Die „Routinierten Infosucher“ halten sich zeitlich nicht so lange im Internet auf wie die anderen Gruppen. Dies liegt in erster Linie darin begründet, dass es sich um ältere Nutzer handelt, denen es aufgrund ihrer Berufstätigkeit nicht möglich ist, sich intensiv im Internet aufzuhalten. Die Übergänge von privater zu beruflicher Nutzung sind bei diesem Nutzungstyp fließend. 290 2.6.2 Ökonomie und Finanzierung Informationen können grundsätzlich über die drei zentralen Informationstechnologien Internet, Mobilfunk und interaktives Fernsehen virtuell, interaktiv und individuell zwischen den einzelnen Transaktionspartnern ausgetauscht werden. Damit ein Informationstransfer zwischen dem Anbieter und dem Nachfrager im Internet stattfindet, muss dem Rezipienten ein elektronischer Mehrwert geboten werden, damit das jeweilige Onlineangebot interessant ist. Dies können folgende Aspekte (vgl. auch Abb. 2.36) sein: 291 ◼ Überblick: Hier schafft das Onlineangebot einen Überblick hinsichtlich der Vielzahl von Informationen, welche sonst nur sehr aufwendig zu beschaffen wären. Somit wird ein Strukturierungswert erzeugt. ◼ Auswahl: Das Onlineangebot schafft die Möglichkeit, über Datenbank- Abfragen für die Nachfrager die gewünschten Informationen, Produkte oder Dienstleistungen gezielter und somit effizienter zu identifizieren. Auf diese Weise wird ein Selektionswert realisiert. ◼ Vermittlung: Hier geschieht durch das Onlineangebot eine effizientere und effektivere Zusammenführung von Anbietern und Nachfragern. Damit wird ein Matchingwert geschaffen. ◼ Abwicklung: In diesem Fall wird mit dem Onlineangebot die Möglichkeit geschaffen, dass das jeweils zu realisierende Geschäft effizienter und effektiver, bspw. hinsichtlich des Kostenaspekts oder der Bezahlmöglichkeit, gestaltet wird. Dies erzeugt einen Transaktionswert. 290 Vgl. Wirtz (2010), 33 ff. 291 Vgl. Kollmann (2013), S. 44 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 136 ◼ Kooperation: Das Onlineangebot ermöglicht eine effizientere und effektivere Verzahnung der Leistungsangebote verschiedener Anbieter. Hiermit wird ein Abstimmungswert geschaffen. ◼ Austausch: Mit Hilfe des Onlineangebots können unterschiedliche Nachfrager effizienter und effektiver miteinander kommunizieren. Dies realisiert bei ihnen einen Kommunikationswert. Im Rahmen der jeweiligen Onlineangebote wird i. d. R. eine multiple Wertschöpfung realisiert, d. h. das unterschiedliche Mehrwerte erzeugt werden. Der eigentliche Wert der Information bzw. der Informationsverarbeitung ist das Ergebnis der zeitlichen, inhaltlichen und äußeren Form der Vermittlung. So können Informationen, welche noch so gut inhaltlich auf bereitet sind, keinen Wert erzeugen, wenn diese nicht zur richtigen Zeit sowie in auf das jeweilige Ausgabemedium (z. B. Desktop) optimierter Darstellung angeboten werden. Elektronische Mehrwerte Kooperation (Abstimmungswert) Abwicklung (Transaktionswert) Austausch (Kommunikationswert) Vermittlung (Matchingwert) Überblick (Strukturierungswert) Auswahl (Selektionswert) Inhalte Form Zeit Form der Informationsvermittlung Richtigkeit Relevanz Vollständigkeit Wirksamkeit Verlässlichkeit Verständlichkeit Detailgrad Anordnung Präsentation Medium Pünktlichkeit Aktualität Alterung Frequenz Beschaffungsperiode Abb. 2.36: Elektronische Wertschöpfung im E-Business 292 Die Wertschöpfung bei elektronischen Geschäftsprozessen ist nicht mit physischen Wertaktivitäten vergleichbar. Dies liegt in dem besonderen Umgang mit Informationen innerhalb von informationsverarbeitenden Prozessen begründet. Die entsprechenden Wertaktivitäten können in der Sammlung, Systematisierung, Auswahl, Kombination, Verteilung, dem Austausch, der Bewertung und dem Anbieten von Informationen liegen. Im Resultat ergibt sich auf Basis dieser neuen 292 Vgl. Kollmann (2013), S. 45. e lectronic B uSineSS 137 Wertschöpfungsebene ein elektronisches Informationsprodukt. Für diese elektronische Wertschöpfung hat der Nachfrager eine individuelle Zahlungsbereitschaft. Die elektronische Wertschöpfungskette stellt spezifische informationsverarbeitende Prozesse dar, welche in ein elektronisches Informationsprodukt münden. Diese erzeugen für den Kunden einen elektronischen Wert. Die elektronische Wertschöpfungskette zeigt somit den Gesamtwert auf, der sich aus den einzelnen Wertaktivitäten und der Gewinnspanne zusammensetzt. Innerhalb der Wertschöpfungskette werden die Wertaktivitäten identifiziert, welche für die Wertschöpfung eine besondere Relevanz haben. Erzeugt wird das elektronische Informationsprodukt auf Basis des elektronischen Wertschöpfungsprozesses. Dieser beschreibt die Informationsaktivitäten bzw. die Abfolge von Informationstätigkeiten, die zusammen einen Mehrwert für den Kunden schaffen. Hierbei wird zwischen Kern- und Serviceprozessen unterschieden. Kernprozesse haben eine echte Wertschöpfungsfunktion, während Serviceprozesse die Abläufe in der Wertschöpfungskette unterstützen. In der Regel basiert der idealtypische elektronische Wertschöpfungsprozess (vgl. für Beispiele Tab. 2.11) auf folgenden drei Schritten: 293 ◼ Informationssammlung: Basis ist die Informationsgewinnung, wo relevante Daten als Informationsinput für die weitere Wertschöpfung gesammelt werden und der Auf bau eines nutzbaren Datenbestandes erfolgt. Ziel ist die Effizienzsteigerung. Eine einfache, schnelle und umfassende Gewinnung von Informationen über die Ansprüche bzw. Vorstellungen der potentiellen Kunden ist die Basis für die Realisierung eines auf die individuellen Wünsche zugeschnittenen Leistungsangebots. Dabei können auch Kundeninformationen aktiv in die Produktgestaltung einfließen. ◼ Informationsverarbeitung: Es findet die Umwandlung des Datenbestandes in ein Informationsprodukt für den Kunden statt. Ziel der Informationsverarbeitung ist die Effizienzsteigerung. Die betrifft die Verbesserung und kostengünstigere Gestaltung der unternehmensinternen Prozesse durch eine einfache, schnelle und umfassende Verarbeitung von Informationen. ◼ Informationsübertragung: Der Informationstransfer zum Kunden beinhaltet die Umsetzung des neu erlangten oder bestätigten Wissens über gesammelte, gespeicherte, verarbeitete und ausgewertete Daten. Im Resultat entsteht ein wertschaffender Informationsoutput. Ziel der Informationsübertragung ist die Effektivitätssteigerung. Der Empfänger wertet selektiv und aktiv die relevanten sowie individuell benötigten Informationen aus. 293 Vgl. Kollmann (2013), S. 48 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 138 Informationssammlung Informationsverarbeitung Informationsübertragung elektronischer Mehrwert webmiles.de Daten zu Produkten, Kunden und Webangeboten (= Input) Vergabe von Bonuspunkten für die Nutzung von Webangeboten Punkteinformationen, Eintauschoptionen, Kundeninformationen (= Output) Abwicklung Kooperation guenstiger.de Daten zu Produktpreisen und Kundenanfragen (= Input) Strukturierung von Produktpreisen, Abstimmung von Anfrage und Angebot Produkt-, Preis- und Kundeninformationen (= Output) Überblick Auswahl Vermittlung expedia.de Daten zu Reisezielen, Buchungsmöglichkeiten und Reiseberichten (= Input) Abstimmung von Angebot und Nachfrage, Strukturierung von Reiseangeboten und Reiseberichten Reiseangebote, Zusatzinformationen und Reiseberichte (= Output) Überblick Auswahl Abwicklung Austausch Tab. 2.11: Beispiele für den elektronischen Wertschöpfungsprozess 294 Die sich im E-Business ergebenden Erlöse basieren primär auf der direkt angebotenen elektronischen Kernleistung (vgl. auch Tab. 2.12). Sie stellt gerade den elektronischen Mehrwert dar, für den das Geschäftsmodell ursprünglich entwickelt worden ist und welches zu direkten Einnahmen führt. Daneben existieren indirekte Einnahmequellen, die sich aus der Kernleistung ableiten lassen. Hierbei werden aus der Kernleistung Informationen generiert, welche für Dritte von Interesse sein könnten. Voraussetzung ist allerdings, dass diese Nebenleistungen wiederum einen elektronischen Mehrwert für die Nachfrager darstellen. 295 294 Vgl. Kollmann (2013), S. 50. 295 Vgl. Kollmann (2013), S. 58 f.; Wirtz (2013a), S. 271 f. e lectronic B uSineSS 139 Direkte Erlösgenerierung (Kernleistung) Indirekte Erlösgenerierung (Nebenleistung) transaktionsabhängig Transaktionserlöse im engeren Sinne: Übertragung finanzieller Ressourcen durch den Nutzer an den Anbieter im Tausch für ein Produkt oder eine Dienstleistung Verbindungsgebühren: Zugang zu einer Dienstleistung Nutzungsgebühren: Nutzung einer Dienstleistung Provisionen: entstehen durch die Vermittlung von Transaktionen für dritte Partnerunternehmen transaktionsunabhängig Einrichtungsgebühren: Installation einer Basistechnologie (z. B. Software), die für die Nutzung eines Produktes oder einer Dienstleistung erforderlich ist Grundgebühren: Bereitstellung einer regelmäßigen, potentiellen Nutzungsmöglichkeit eines Produktes oder einer Dienstleistung Bannerwerbung: Einrichtung von Werbeflächen auf der eigenen Webseite für dritte Unternehmen Data-Mining-Erlöse: Verkauf von Nutzerprofilen an dritte Unternehmen Sponsorship: Erlöse entstehen meist durch temporäre, jedoch exklusive Vermietung von Werberaum im Internet an ein drittes Unternehmen Tab. 2.12: Erlössystematik im E-Business 296 Der Nutzerkreis von Nebenleistungen kann sich von dem der Hauptleistung durchaus unterscheiden. Daher lassen sich für die Produktstrategie drei Varianten ableiten: 297 ◼ Singular-Prinzip: Hierbei steht die bezahlte Kernleistung im Mittelpunkt. Dies wäre bspw. der Verkauf von Produkten/ Dienstleistungen innerhalb eines E-Shops. Eine Nebenleistung ist nicht vorhanden bzw. wird nicht bewusst erzeugt oder genutzt. ◼ Plural-Prinzip: Sowohl die bezahlte Kernleistung (z. B. Vermittlungsleistung auf einem E-Marketplace) als auch die Nebenleistung (z. B. Verkauf von Marktstatistiken) stehen im Mittelpunkt der wirtschaftlichen Nutzung. ◼ Symbiose-Prinzip: Analog zum Plural-Prinzip stehen Kern- und Nebenleistungen im Mittelpunkt. Allerdings wird die Kernleistung, wie bspw. die Teilnahme an einer E-Community, kostenlos angeboten, um hieraus Informationen für die Nebenleistung (z. B. für personalisierte Werbung) zu erhalten. Die im elektronischen Wertschöpfungsprozess generierten Informationen werden 296 Vgl. Wirtz (2013a), S. 272 f. 297 Vgl. Kollmann (2013), S. 58 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 140 nur über die Kernleistung wirtschaftlich genutzt. Eine Symbiose beider Leistungen ergibt sich daraus, dass ohne die Einnahmen der Nebenleistung die Kernleistung nicht existieren könnte und umgekehrt keine Erlöse zu generieren wären. Unabhängig davon, ob es sich um eine Kern- oder Nebenleistung handelt, lassen sich drei idealtypische Erlössystematiken identifizieren: 298 ◼ Margenmodell: Hierbei wird die eigene Leistung direkt an den Kunden verkauft. Der für das Produkt zu zahlende Preis setzt sich aus den für die Leistungserstellung entstehenden Kosten und einer Gewinnmarge zusammen. Die Gewinnmarge sollte hierbei so gewählt werden, dass neben den variablen Kosten auch die Fixkosten gewinnbringend gedeckt werden. Eingesetzt wird das Margenmodell typischerweise in E-Shops. ◼ Provisionsmodell: Wenn über eine elektronische Plattform, wie bspw. einem E-Marketplace, Fremdleistungen an die Nachfrager vermittelt werden, erfolgt für diese Leistungsvermittlung eine erfolgsabhängige Provisionszahlung. Gerade bei Partnerprogrammen wird diese Form der transaktionsabhängigen Vergütung sehr häufig eingesetzt. ◼ Grundgebührenmodell: Ein Entgelt in Form einer Gebühr wird i. d. R. bei einem Angebot von transaktionsunabhängigen Leistungen erhoben. Dies kann bspw. eine Zugangs-, Bereitstellungs- oder Aufnahmegebühr sein. Sie kann als einzige Erlösform verwendet werden oder in Kombination mit weiteren transaktionsabhängigen Leistungen. Eingesetzt wird das Grundgebührenmodell typischerweise im Rahmen einer E-Community oder bei einem E-Marketplace. Die konkrete Ausgestaltung der Systematik ist dabei von der elektronischen Plattform und dem eigentlichen Leistungsgegenstand abhängig. Die Umsetzung der jeweiligen Erlössystematik wird nicht immer in ihrer Reinform erfolgen. Vielmehr sind häufig Mischformen anzutreffen, die sich nach preispolitischen und wettbewerbspolitischen Gesichtspunkten ergeben. 299 2.6.3 Psychologische Aspekte Neben der Nutzung des Internets für geschäftliche Transaktionen sowohl im privaten als auch geschäftlichen Bereich wird dieses in hohem Maß auch zur Kommunikation genutzt. Bei der Internetnutzung kommt es sowohl bei sozial Ängstlichen als auch bei sozial Aktiven dazu, dass die Kontakte mit anderen Personen im Alltag zunehmen und nicht etwa nur dazu, dass sie sich auf das Internet zurückziehen. 298 Vgl. Kollmann (2013), S. 60; Skiera/ Spann (2002), S. 691. 299 Vgl. Kollmann ebd.; Skiera/ Spann ebd. e lectronic B uSineSS 141 Sozial Ängstliche erweitern ihre Sozialkontakte deutlich und lernen dabei, ihre Ängstlichkeit zu reduzieren. Es kann daher nicht die Aussage vertreten werden, dass das Internet grundsätzlich die Menschen von direkten sozialen Kontakten abhalten würde. Dieses Verhalten betrifft nur einen kleinen Prozentsatz von weniger als 5 %. 300 Im Rahmen der Internetnutzung wird üblicherweise auch unterschieden, wie hoch die jeweilige Intensität durch den Rezipienten ist. Sie reicht von einem exzessiv-funktionalen über exzessiv-dysfunktionalen bis hin zu pathologischem oder auch süchtigem Internetgebrauch. 301 ◼ Exzessiv-funktionale Mediennutzung zeichnet sich durch ein Handlungsmuster aus, mit dem der Rezipient entsprechende Bedürfnisse zielgerichtet und selbstgesteuert umsetzt. Das hohe Nutzungsquantum wird als funktional angesehen, da der jeweilige Rezipient das Internet im Vergleich zu verfügbaren Alternativoptionen als ein relativ passendes Mittel zur Umsetzung seiner Bedürfnisse ansieht. Er erlebt keine gravierenden negativen Konsequenzen und kann eine positive Bilanz zwischen Nutzen sowie Kosten verzeichnen. Ein derartiges Handeln setzt allerdings ein Mindestmaß an Reflexion voraus, welche bei vorhandener Routine ggf. entfallen kann. ◼ Exzessiv-dysfunktionale Mediennutzung ist durch eine geringere Zielgerichtetheit und Kontrolle bei gleichzeitig deutlich geringerer Effektivität und Effizienzbilanz gekennzeichnet. Der Rezipient erlebt diese jedoch nicht so schwerwiegend, dass er darunter leiden würde. Eine graduell stärkere Dysfunktionaliät liegt bspw. dann vor, wenn Alternativoptionen mit einer günstigeren Effizienzbilanz zur Verfügung stünden, diese aber nicht umgesetzt werden. ◼ Pathologische Mediennutzung liegt vor, wenn der Rezipient sein Nutzungsquantum als unangemessen hoch empfindet. Er erlebt seinen Mediengebrauch bzw. die Nutzung des Internets als diskrepant zu seiner hierauf bezogenen Einstellung. Abgesehen von einem kurzfristigen Nutzengewinn nimmt der Rezipient längerfristig schwerwiegende negative Konsequenzen, wie bspw. ein schlechtes Gewissen, wahr. ◼ Süchtige Mediennutzung muss wesentliche Suchtkriterien erfüllen. Internetsucht wird zumeist als ein Verhaltenssyndrom exzessiver Nutzung des Internets oder einzelner Onlinedienste definiert, wobei gleichzeitig Kriterien spezieller psychischer Störungen zutreffen. Dies sind insbesondere Kontrollverlust, Toleranzentwicklung, psychische Entzugserscheinungen sowie negative Konsequenzen für die Nutzer vor allem in Leistungsbereichen und sozialen Beziehungen. Analog wie für die exzessive Nutzung anderer Medien wird auch für die Internetnutzung inzwischen zumeist eine Art Spiraleffekt angenommen: 300 Vgl. Witte (2007), S. 202 f. 301 Vgl. Six (2007), S. 358 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 142 Internetsucht basiert einerseits auf bereits vorhandenen psychischen Problemen und Störungen, die andererseits durch Ausmaß und Qualität der Internetnutzung verstärkt werden können. Die meisten Erklärungen postulieren hierbei einen „Teufelskreis“ (vgl. Abb. 2.37) zwischen negativen psychischen Befindlichkeiten, wie bspw. Einsamkeit oder Angstsymptome, und daraus resultierenden Bedürfnissen (etwa soziale Unterstützung oder Selbstaufwertung), die der Rezipient durch das Internet zu realisieren versucht. Kurzfristig wird eine Bedürfnisbefriedigung erlebt, wobei allerdings längerfristig negative Konsequenzen und damit wiederum negative Befindlichkeiten entstehen. Merkmale aufseiten des Rezipienten und seines Kontextes negative psychische Befindlichkeiten Erleben langfristig negativer Konsequenzen Erleben kurzfristiger Befriedigung Bedürfnisse Bestrebungen Versuch der Bedürfnisbefriedigung per Internet Abb. 2.37: Wirkungszusammenhänge pathologischer Internetnutzung 302 Die negativen Befindlichkeiten und die aus ihnen resultierenden Bedürfnisse sowie Bestrebungen können aufgrund vorliegender psychischer Störungen sowie bestimmter Persönlichkeitseigenschaften (Depressivität, Ängstlichkeit und Schüchternheit, geringer Selbstwert etc.) erklärt werden. Als weitere Erklärungen können kritische Lebensereignisse, schwierige Lebensphasen oder ungünstige Rahmenbedingungen bzw. anhaltende psychosoziale Probleme, wie etwa familiäre Konflikte oder soziale Isolation, angeführt werden. Auch Attraktivitätsfaktoren des Internets können als suchtbegünstigende Elemente genannt werden. Hierzu zählen: ◼ die leichte Zugänglichkeit von Informationen und Reize verschiedenster Art, ◼ die Anonymität und die mit ihr verbundenen Vorteile, ◼ die Kontrollierbarkeit der über das Internet realisierten Sozialkontakte, ◼ die persönliche Selbstoffenbarung oder auch ◼ die Möglichkeiten für ein ungehemmtes „Ausleben“ von Wünschen. 302 Vgl. Six (2007), S. 363. e lectronic B uSineSS 143 Auch wenn die aktuellen Raten für eine pathologische bzw. süchtige Internetnutzung nicht unbedingt Anlass zur Besorgnis geben, so sind doch die Risiken einer abnormalen Mediennutzung nicht zu unterschätzen. Etwa 5 % der Internetnutzer haben ein süchtiges, weitere 5-7 % zumindest ein suchtgefährdetes Verhalten. Dabei handelt es sich allerdings um eine Problematik, die nicht nur auf den jeweils betroffenen Nutzer und seine private Umgebung Auswirkungen haben kann, sondern die mittlerweile auch in Organisationen sowie Unternehmen als bedeutsam angesehen wird. 303 2.6.4 Führung und Management Electronic Business stellt das Schlagwort für Wirtschaften nach den Erfolgsgesetzen der Internetwelt dar. Durch die schnellen Entwicklungen innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien sind neue Geschäftsansätze im Internet entstanden. Gleichzeitig fordert das von technologischen Innovationen geprägte Umfeld des Electronic Business dynamische Fähigkeiten und Ressourcen einer Unternehmung. Eine klare Definition und Umsetzung der E-Business-Strategie trägt wesentlich zur Erfolgssteigerung bei und kann unter den sich schnell wechselnden Umweltbedingungen den Langzeiterfolg eines Unternehmens sichern. 304 In einer solchen Strategie finden folgende vier Erfolgsfaktoren eine besondere Berücksichtigung: 305 ◼ Digitale Innovationsfähigkeit: Aufgrund der hohen Anzahl von technologischen Innovationen müssen die Unternehmen den Markt aufmerksam beobachten und die jeweiligen Chancen sowie Risiken dieser Innovationen abschätzen. Hierbei ist es wichtig zu beachten, dass eine reine Innovation per se einen dauerhaften Erfolg am Markt noch nicht sichert, sondern vielmehr eine Kombination aus Preisstrategie, Kundennutzen sowie Handhabung des Gutes im Rahmen des E-Business Berücksichtigung bei der Produkt- und Prozessgestaltung finden muss. Dabei müssen nicht nur physische, sondern auch virtuelle Güter bzw. Inhalte beachtet werden, da diesen eine Schlüsselrolle für den Erfolg im E-Business zugesprochen werden. ◼ Strategische und organisatorische Flexibilität: In der klassischen Ökonomie waren die Unternehmen von einem relativ starren Umfeld umgeben. In der Internetökonomie sind sie dagegen mit einem stetigen Wechsel konfrontiert. Im Rahmen der Prozess- und Organisationsstrukturen einer Unternehmung sollte daher eine wesentlich stärkere Fokussierung auf den Kunden erfolgen und damit eine neue Qualität in der Kundenbeziehung erreicht werden. Gleichzeitig bietet E-Business mehr als nur einen weiteren Vertriebsweg für traditionelle Produkte. Neben dem 303 Vgl. Six (2007), S. 359 ff. 304 Vgl. Beheshti/ Salehi-Sangari (2007), S. 244.; Wirtz/ Vogt (2004), S. 15 ff. 305 Vgl. Wirtz (2013a), S. 41 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 144 Potential für die Entwicklung und den Absatz neuer Angebote sowie der Steigerung des Wertes eines Produktes durch elektronische Zusatzleistungen können auch zahlreiche Produktvarianten in Massenmärkten angeboten werden. Dies steigert die Flexibilität der Unternehmen, auf aktuelle Trends reagieren zu können, was als ein entscheidender Erfolgsfaktor anzusehen ist. ◼ Vernetzungsfähigkeit und Integration: Ein Grundgedanke des E-Business stellt die effiziente Vernetzung von Informationen, Services, Produkten und Prozessen dar. Daher ist die Fähigkeit zur Vernetzung und Integration eine kritische Komponente der Geschäftstätigkeit im E-Business. Dabei kann die Vernetzung, bspw. in Form von Netzwerkeffekten, einerseits als Treiber der Entwicklung von E- Business-Geschäftsprozessen fungieren oder andererseits durch plattformabhängige Lock-in-Effekte (z. B. Apples Mobilfunkplattform AppStore für das iPhone bzw. den iPod Touch) als Kundenbindungsinstrument eingesetzt werden. Die plattforminterne Vernetzung der Kunden schafft die Basis für einen Markt von Drittanbietern, die zusätzliche Funktionalitäten für die Endgeräte anbieten. ◼ Convenience und Bedienerfreundlichkeit: Die Bedienerfreundlichkeit von Anwendungen im E-Business stellt einen weiteren zentralen Erfolgsfaktor dar. Dabei wird das Design von Geschäftsprozessen und Navigationsschnittstellen unter den Aspekten der Effizienz und allgemeinen Zugänglichkeit, mit dem Ziel der Vereinfachung von wirtschaftlichen Transaktionen, betrachtet. Hierbei soll die elektronische Abwicklung so gestaltet sein, dass sie alte Probleme nicht durch neue ersetzt. Beispielsweise sollte es bei einem virtuellen Warenkorb analog zur Offline-Warentransaktion möglich sein, bis zum Bezahlvorgang einzelne Produkte zurücklegen zu können. Digitale Innovationsfähigkeit Strategische & organisatorische Flexibilität ◼ Marktanalyse/ Kundenbedürfnisse ◼ Bewertung von Chancen & Risiken einer Innovation ◼ physische vs. virtuelle Güter ◼ dynamische Umwelt der Internetökonomie ◼ Fokussierung auf Kundenbeziehungen ◼ Fähigkeit zur Anpassung an Marktstrukturen auf verschiedenen Unternehmensebenen Vernetzungsfähigkeit & Integration Convenience & Bedienerfreundlichkeit ◼ Prozesse und Informationen werden digital kombiniert und verarbeitet ◼ Ressourcen- & Zeitvorteile durch medienbruchfreie elektronische Vernetzung ◼ Netzwerkeffekt, Lock-in-Effekt ◼ Effizienz und Zugänglichkeit von Business-Schnittstellen ◼ Übertragung von Offline-Handlungsmöglichkeiten in das Electronic Business ◼ Ausrichtung an Kundenbedürfnissen Tab. 2.13: Erfolgsfaktoren des Electronic Business 306 306 Vgl. Wirtz (2013a), S. 43. M oBile B uSineSS 145 2.6.5 Fallstudie eBay ist gegenwärtig die erfolgreichste Online-Auktionsplattform und gilt als eine der ersten Web 2.0-Anwendungen. Das Auktionshaus ist in erster Linie das Ergebnis der gemeinsamen Aktivitäten der Nutzer, welche innerhalb eines virtuellen Marktplatzes unterschiedliche Güter käuflich erwerben und verkaufen können. Die Benutzeroberfläche ist dabei strukturiert und übersichtlich aufgebaut, sodass dem Nutzer ein Auffinden von spezifischen Auktionsobjekten durch verschiedene Filterkriterien erleichtert wird. Das Unternehmen gibt dabei eine Systematik vor, in die Auktionsobjekte eingeordnet werden können. Das Geschäftsmodell von eBay basiert auf der Bereitstellung einer Onlineplattform für den An- und Verkauf von unterschiedlichen Gütern, wobei das Unternehmen nicht selbst als Verkäufer auftritt. Es stellt lediglich die notwendige Infrastruktur in Form des virtuellen Handelsplatzes zur Verfügung, wo sich Anbieter und Bieter treffen können. Die Nutzung des virtuellen Auktions- und Verkaufstools ist somit als Dienstleistung zu betrachten. Die Finanzierung von eBay findet vorwiegend über Verkaufsgebühren statt, wobei weitere Umsätze aus Werbeschaltungen erwirtschaftet werden. Bei der Preisbildung der Verkäufergebühren wird ein zweiteiliger Tarif umgesetzt, welcher sich aus einer Einstellgebühr und einer Provision zusammensetzt. Die Einstellgebühr beinhaltet die Bereitstellung der Angebotsfläche für den Verkäufer auf dem eBay- Server. Zusatzoptionen wie optische Hervorhebung in den Suchergebnissen, eine exponierte Platzierung der Auktion oder das Einstellen von mehreren Bildern wird mit Extrakosten belegt. Die Provision wird in Abhängigkeit des Verkaufspreises verlangt und liegt zwischen 2 und 12 %. Weitere angebotene Servicedienstleistungen betreffen vor allem die Onlinebezahlung. Ein integraler Bestandteil des Geschäftsmodells von eBay ist die Onlinecommunity bzw. das breite Kundennetzwerk sowie der über verschiedene Zusatzleistungen verbundene große Kundenstamm. Die Kundenbasis ist vor allem auf die verkäuferlastige Preisstruktur für die Nutzung der Plattform zurückzuführen. Zusätzliche vertrauensbildende Maßnahmen zwischen Anbietern und Bietern, wie bspw. das interne Bewertungssystem, haben diese noch verstärkt und die Basis für den Erfolg dieses virtuellen Marktplatzes geschaffen. 307 2.7 Mobile Business In Analogie zur Nutzung von klassischen Internetanwendungen lässt sich eine derartige Entwicklung auch im mobilen Bereich erkennen. Nachdem mit der flächenweiten Etablierung des Smartphones und des UMTS-Netzes einerseits die 307 Vgl. Wirtz (2013a), S. 324 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 146 notwendige technische Infrastruktur geschaffen wurde und andererseits auch die Anbieter von Telekommunikationsdiensten ihre Tarifstrukturen dahingehend angepasst haben, dass den Mobilfunkteilnehmern entsprechende Datenflaterates zur Verfügung gestellt werden, sind die Voraussetzungen für eine Entfaltung des Mobile Business gegeben. 308 Mobile Business beschreibt die kommerzielle Nutzung von Diensten über Luftschnittstellen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen in Unternehmen, zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten sowie zwischen Unternehmen und ihren Kunden. 309 Im Rahmen von Mobile Business erfolgt die Abwicklung von Geschäftsprozessen durch die Nutzung einer kabellosen Datenübertragung auf mobile Endgeräte. Ein wichtiger Aspekt ist neben der Datenbasiertheit die Ortsflexibilität. 310 Demgegenüber beinhaltet Mobile Commerce jede Art von geschäftlicher Transaktion, bei der die jeweils beteiligten Partner im Rahmen von Leistungsanbahnung, Leistungsvereinbarung oder Leistungserbringung mobile elektronische Kommunikationsmedien - in Verbindung mit mobilen Endgeräten - einsetzen. Hierbei steht der marktmäßige Handel zwischen Transaktionspartnern im Vordergrund. Mobile Commerce ist somit ein Teilbereich des Mobile Business. 311 Das Mobile Marketing kann als die Planung, Durchführung und Kontrolle von Marketingaktivitäten über mobile Endgeräte bezeichnet werden und beinhaltet folgende drei Ziele: 312 [1] Schaffung von Brand Awareness [2] Beeinflussung des Brand Image [3] Auf bau von Brand Loyality Im Vergleich zu den klassischen Desktop-Anwendungen bieten mobile Applikationen den Nutzern folgende entscheidende Vorteile, die auch als Mobile-Mehrwerte (Mobile Added Values - MAV) bezeichnet werden. Dabei lassen sich vier Faktoren unterscheiden: 313 308 Vgl. Behre (2013), S. 31. 309 Vgl. Scheer et al. (2001), S. 30. 310 Vgl. Bauer et al. (2008), S. 130.; Reichwald et al. (2002), S. 9. 311 Vgl. Reichwald et al. (2002), S. 9; Turowski/ Pousttchi (2004), S. 1. 312 Vgl. Bauer et al. (2008), S. 130; Pousttchi/ Wiedemann (2009), S. 5. 313 Vgl. Heinemann (2012), S. 11.; Reichwald et al. (2002), S. 10 ff. M oBile B uSineSS 147 ◼ Mobilität: Die physische Präsenz des Nachfragers ist frei wählbar - soweit die mobile Netzversorgung gegeben ist. Die Allgegenwärtigkeit der Informationssysteme wird auch mit dem Begriff Ubiquität gekennzeichnet, die durch den Ad-hoc-Zugang im Mobile Business einen zusätzlichen „Added Value“ erhält. ◼ Erreichbarkeit: Der mobile Nutzer ist zu jeder Zeit und an jedem Ort erreichbar, wenn mobile Netzversorgung gegeben ist. Damit können proaktive Dienste, wie bspw. der Kauf oder die Verkaufsempfehlung von Aktien, oder eine synchrone Kommunikation zwischen Nutzern realisiert werden. ◼ Kontextsensitivität: Die für den Nutzer relevanten Dienste lassen sich durch die Erfassung des Umfeldes sowie dessen Auswertung eingrenzen und somit aktiv anbieten. So nehmen ortsbezogene Dienste Bezug auf den lokalen Kontext, während aktuelle Zweitpunkte sich auf den zeitlichen Kontext beziehen. Der persönliche Kontext wird in Präferenzen und individuellen Eigenschaften berücksichtigt. ◼ Identifikation: Diese stellt einen mobilen Mehrwert dar und aufgrund der Geräte-Nutzerzuordnung ist für viele Anwendungen der Besitz eines Endgerätes für die Identifikation ausreichend. Dies schließt jedoch zusätzlich notwendige Authentifizierungen, wie bspw. die PIN-Eingabe bei Zahlungsprozessen, nicht aus. 2.7.1 Marktanalyse Die Nutzung und Akzeptanz von Mobile-Business-Anwendungen wird wesentlich durch die Entwicklung schneller Übertragungstechnologien, benutzerfreundlicher mobiler Endgeräte mit dem jeweiligen Betriebssystem sowie den aktuellen technologischen Trends beeinflusst. Anfang der 1990er Jahre wurde das auf dem „Global System for Mobile Communications“ (GSM)-Standard basierende Mobilfunknetz der zweiten Generation (2G) in Deutschland installiert, welches jedoch nur langsame Datenübertragungsraten (9,6 kBit/ s) ermöglichte. Ende der 1990er Jahre entwickelten sich daher Brückentechnologien, die als 2,5G bzw. 2,75G bezeichnet wurden. Die bekanntesten und am meisten genutzten Technologien sind der „General Packet Radio Service“ (GPRS) sowie die „Enhanced Data Rates for GSM Evolution“ (EDGE)-Technologie, welche eine schnellere Datenübertragung ermöglichen. Die dritte Mobilfunkgeneration (3G) ist das „Universal Mobile Telecommunications System“ (UMTS), welches in Deutschland seit 2004 verfügbar ist. UMTS-Erweiterungen stellen das „High Speed Download Packet Access“ (HSDPA) bzw. „High Speed Upload Packet Access“ (HSUPA) sowie das „High Speed Packed Access Plus“ (HSPA+) dar, welche als 3,5G bezeichnet werden. Das Mobilfunksystem der vierten Generation (4G) ist seit 2010 in Deutschland „Long Term Evolution“ (LTE) im Auf bau. Eine Erweiterung (4,5G) ist „LTE Advanced“. Die S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 148 entsprechenden Übertragungsgeschwindigkeiten der jeweiligen Mobilfunktechnologie sind in der nachfolgenden Tabelle abgebildet. 314 Mobilfunktechnik GSM UMTS LTE GPRS EDGE UMTS HSDPA HSUPA HSPA+ LTE LTE Advanced Downlink 53,6 kbit/ s 236,8 kbit/ s 384 kbit/ s 1,8 Mbit/ s 3,6 Mbit/ s 7,2 Mbit/ s 14,4 Mbit/ s 21,1 Mbit/ s 42,2 Mbit/ s bis 100 Mbit/ s bis 1 Gbit/ s Uplink 13,4 kbit/ s (26,8 kbit/ s) 118,4 kbit/ s (236,8 kbit/ s) 128 kbit/ s (384 kbit/ s) 1,8 Mbit/ s 3,6 Mbit/ s 5,8 Mbit/ s 5,8 Mbit/ s (11,5 Mbit/ s) bis 50 Mbit/ s bis 500 Mbit/ s Tab. 2.14: Übertragungsgeschwindigkeiten unterschiedlicher Mobilfunktechnologien Mobile Endgeräte stellen den Schlüssel zum Mobile Business dar. Als sich Ende der 1990er Jahre das klassische Mobiltelefon (Handy) zu einem Massenmedium entwickelte, wurde es ausschließlich zur Telefonie und zum gelegentlichen Verschicken von Kurzmitteilungen genutzt. Die hierbei benutzten Geräte verfügten über ein kleines monochromes Display, wurden über Menüsowie Telefontasten gesteuert, hatten eine sehr begrenzte Speicherkapazität und konnten neben Telefonnummern sowie Kontaktdaten i. d. R. nur wenige Kurzmitteilungen archivieren. Im Jahr 2001 wurde das erste Handy mit Farbdisplay vorgestellt und knapp zwei Jahre später wurden die Mobilfunktelefone zunehmend mit einer integrierten Digitalkamera ausgestattet, deren Auflösung im Laufe der Zeit stetig verbessert wurde. Weitere technische Entwicklungen, wie bspw. die Nutzung des Mobiltelefons als portabler Musikplayer, forderten eine immer größere Speicherkapazität sowie schnellere Prozessoren. Auch die Displays - welche in den 1990er Jahren von einer zunehmenden Miniaturisierung geprägt waren - gewannen wieder an Größe, während das Gerät gleichzeitig immer kompakter wurde. 315 Im Jahre 2007 fand mit der Einführung des iPhones ein Technologiesprung vom klassischen Mobiltelefon zum Smartphone statt. Die hohe und rasant ansteigende Popularität der Smartphones in den letzten Jahren hat den Markt der mobilen Endgeräte stark beeinflusst und eine Trendwende in der Mobilkommunikation herbeigeführt (vgl. hierzu auch Abb. 2.38). 314 Vgl. Heinemann (2012), S. 15 ff. 315 Vgl. Behre (2013), S. 23 f.; Turowski/ Pousttchi (2004), S. 62. M oBile B uSineSS 149 32% 82% 68% 18% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 2010 2014 (Prognose) Anteil am Mobiltelefonabsatz Smartphones Handys Abb. 2.38: Vergleich der Anteile von Smartphones und herkömmlichen Handys am Mobiltelefonabsatz in Deutschland in den Jahren 2010 und 2014 316 Eine klare Abgrenzung des Handys vom Smartphone soll auf Basis der nachfolgenden Differenzierungsmerkmale erfolgen: 317 ◼ Bildschirmgröße und -spezifikation (Touchscreen): Das auffälligste Merkmal von Smartphones ist das hochauflösende und berührungsempfindliche Display (Touchscreen), welches aktuell bis zu 16,7 Mio. Farben darstellen kann. Dieses nimmt fast die gesamte Breite und Höhe der Gerätevorderseite ein. Die Steuerung der Geräte erfolgt fast ausschließlich über den Touchscreen. Nur noch sehr selten ist eine separate QWERTZ-Tastatur vorhanden. ◼ Zusatzfunktionen: Die weiterentwickelten Handys, welche noch bis zum Durchbruch der Smartphone-Generation den Markt dominierten, ermöglichten bereits Funktionen wie bspw. den Versand von SMS- und MMS- Nachrichten, Versand und Empfang von E-Mails, Organizer-Funktionen oder hochauflösende Kameras mit Foto- und Videofunktion. Dennoch wird das Smartphone häufig als „Mobiltelefon mit erweitertem Funktionsumfang“ 318 beschrieben und hierüber differenziert. Grundsätzlich beherrscht das Smartphone die genannten Handyfunktionen auf einem höheren (technischen) Niveau. Darüber hinaus sind noch ganz bestimmte Funktionen wie bspw. die Ortungs- und Navigationsfunktion auf Basis eines GPS-Moduls, eigene Webbrowser für den Internetzugriff, Videotelefonie, internetbasierte Messaging- Funktion oder die Verwendung des Gerätes als WLAN-Router. 316 Vgl. Statista (2014j). 317 Vgl. Behre (2013), S. 25 f. 318 Vgl. Sjurts (2011), Stichwort: Smartphone, S. 564. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 150 ◼ Individuelle Applikationen (Apps): Eine der bedeutendsten Funktionen von Smartphones besteht im optimalen Download und der Installation zusätzlicher Applikationen, die dem Nutzer einen erweiterten und individualisierten Funktionsumfang für sein mobiles Endgerät ermöglichen. Die nachfolgende Abb. 2.39 zeigt die unterschiedliche Einstellung der Nutzer zum Smartphone und zum Handy auf. Zu erkennen ist, dass das Smartphone einen hohen Spaßfaktor vermittelt und auch intensiver genutzt wird. 0% 20% 40% 60% 80% 100% 87% 61% 36% 33% 30% 26% 15% 7% 41% 27% 26% 5% 10% 12% 23% 0% Smartphone NUR Handy Mir macht das Benutzen meines Handys/ Smartphones immer noch Spaß! Ich nutze mein Handy/ Smartphone heute intensiver als früher! Aus Datenschutz-Bedenken werde ich in Zukunft weniger Funktionen meines Handys/ Smartphones nutzen! Ich bin jemand, der gerne neue Dinge, wie z.B. Apps ausprobiert! Mein Handy/ Smartphone ist mein wichtigstes technisches Gerät! Ich nutze mein Handy/ Smartphone im Vergleich zu Freunden und Bekannten intensiver! Mich langweilt mein Handy/ Smartphone immer häufiger! Ich kaufe am liebsten das neueste Handy/ Smartphone! Abb. 2.39: Einstellung von Smartphone-Nutzern vs. Handy-Nutzern 319 Ein weiteres wichtiges Unterscheidungskriterium zum Handy stellt das Betriebssystem der Smartphones dar, welches die komplexe Bedienung und Funktion dieser Geräte erst ermöglicht. Des Weiteren spielen Betriebssysteme eine zentrale Rolle bei der Nutzung des mobilen Internets. Die gängigsten Smartphone- Betriebssysteme sind Android (Open Handset Alliance/ Google), iOS (Apple), Symbian OS (Nokia), BlackBerry OS (Research in Motion), Windows Phone (Windows) und bada OS (Samsung). In der nachfolgenden Abb. 2.40 ist die Entwicklung der Marktanteile der Betriebssysteme in Deutschland zwischen den Jahren 2013 und 2014 dargestellt. Diese verdeutlicht eindrucksvoll, dass Android der klare Marktführer ist. Es ist auch das einzige Betriebssystem, welches in diesem Zeitraum Marktanteile hinzugewinnen konnte. Alle anderen haben entsprechende Einbußen erlitten. 319 Vgl. BVDW (2014), S. 10. M oBile B uSineSS 151 77,9% 13,7% 6,2% 0,6% 1,7% 80,9% 12,1% 5,9% 0,4% 0,7% Android iOS Windows BlackBerry Andere März bis Mai 2013 März bis Mai 2014 0% 20% 40% 60% 80% 100% Anteil am Absatz Abb. 2.40: Marktanteile der mobilen Betriebssysteme am Absatz von Smartphones in Deutschland von März bis Mai in den Jahren 2013 und 2014 320 320 Vgl. Statista (2014h). 321 Vgl. Statista (2014i); Statista (2014l). 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 Absatz in Millionen Stück 2012 2013 2014* 2018* 725,3 1.009,6 1244,1 1.806,3 144,2 218,5 260,9 383,8 201,0 178,4 166,6 168,3 Smartphone Tablets Laptops Abb. 2.41: Weltweite Prognose des Absatz von Tablets, Smartphones und Laptops zwischen 2012 und 2018 321 S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 152 Im Rahmen der Endgeräte kann grundsätzlich zwischen stationären und portablen bzw. mobilen Geräten differenziert werden. Werden stationäre Systeme i. d. R. an einem bestimmten Ort verwendet, sind portable bzw. mobile Endgeräte für einen ortsunabhängigen Einsatz konzipiert. Neben den Smartphones hat insbesondere der Tablet Computer (Tablet) unter den Mobile Personal Computern zunehmend an Bedeutung gewonnen. Das Netbook, als ein weiterer Mobile Personal Computer, hat nach seiner Einführung im Jahre 2008 ebenfalls eine hohe Popularität erfahren. Gleichzeitig behauptet sich der Laptop - vor allem aufgrund seiner Eigenschaft als vollständiger Ersatz für den klassischen Desktop-PC - auch zukünftig auf dem Markt. 322 Wie in der folgenden Abb. 2.42 zu sehen ist, existiert mit dem Samsung Galaxy Note 3, dem Sony Xperia Z Ultra oder dem LG Nexus 4 eine Gruppe von mobilen Endgeräten, die als Smartlet (engl. Phablet) bezeichnet wird. 322 Vgl. Behre (2013), S. 26; Heinemann (2012), S. 18 ff. Mobiltelefone Klassisches Mobiltelefon (Handy) Verwendung … ◼ … zur Sprachtelefonie, ◼ … zum Versand und Empfang von Kurzmitteilungen, ◼ … für Bild-/ Videoaufnahmen sowie ◼ … für das Abspielen von Audio- und Videodateien Smartphone Verwendung … ◼ … zur Sprach- und Videotelefonie, ◼ … zum Versand und Empfang von Kurzmitteilungen sowie E-Mails, ◼ … zur Nutzung des Internets, ◼ … für Navigation sowie Bild-/ Videoaufnahmen, ◼ … als Musik- und Mediaplayer, Organizer sowie ◼ … zur Nutzung individueller Apps Smartlet Verwendung … ◼ … zur Sprach- und Videotelefonie, ◼ … zum Versand und Empfang von Kurzmitteilungen sowie E-Mails, ◼ … zur Nutzung des Internets, ◼ … als Taschencomputer (z. B. Textverarbeitung, Tabellenkalkulation) Mobile Personal Computer Tablet Computer (Tablet) Verwendung … ◼ … für E-Mail und Internet, ◼ … zur Sprach- und Videotelefonie, ◼ … als Navigationsgerät, Musik- und Mediaplayer, ◼ … zur Verwaltung von Fotos, Videos und Musik, ◼ … als Organizer und Notepad sowie ◼ … zur Nutzung individueller Apps Netbook Verwendung… ◼ … zum Einsatz als Internet-Client sowie ◼ … als Laptop, da er über die wichtigsten Funktionen hierfür verfügt Laptop Verwendung… ◼ … als vollständiger Desktop-PC-Ersatz Mobile Endgeräte ◼ … für Navigation sowie Bild-/ Videoaufnahmen, ◼ … zur Verwaltung von Fotos, Videos und Musik, ◼ … als Organizer sowie ◼ … zur Nutzung individueller Apps Abb. 2.42: Überblick zu Mobilen Endgeräten M oBile B uSineSS 153 Dies sind Touch-PCs mit 4,6 bis 7 Zoll Bildschirmdiagonale (11,68 bis 17,78 Zentimeter), welche über Telefonie- und weitere Smartphone-Funktionen verfügen. Gegenüber Smartphones grenzen sich Smartlets bspw. durch einen größeren Bildschirm, längere Akkulaufzeit und Zusatz-Features wie integrierte Stylus- Stifte ab. Bezüglich der Tablets haben Smartlets kompaktere Maße und verfügen meist über eine Telefonfunktion. Die starke Verbreitung der Smartphones, eine flächendeckenden UMTS- Netzinfrastruktur sowie das Angebot kostengünstiger Datenflatrates für die Mobilfunkteilnehmer führten gemeinsam zu einem Anstieg der Mobilfunkanschlüsse auf über 110 Millionen. 0 20 40 60 80 100 120 140 Mobilfunkanschlüsse in Millionen 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 Jahr 1,77 3,76 8,29 23,47 56,13 64,84 79,27 97,15 108,26 114,13 115,23 Abb. 2.43: Entwicklung der Mobilfunkanschlüsse in Deutschland 1993-2011 323 Obwohl die mobilen Endgeräte statistisch in jedem Haushalt vorhanden sind, lag bis zum Jahr 2012 die Nutzung des mobilen Internets - bezogen auf die grundsätzliche Onlinenutzung - bei nur 23 %. Im Jahr 2013 kam es jedoch zu einem deutlichen Anstieg: 41 % der Onliner sind auch außerhalb der eigenen Wohnung oder des Arbeitsplatzes online. Grundsätzlich ist eine Zunahme der Attraktivität der Nutzung des mobilen Internets in allen Altersgruppen zu verzeichnen, besonders jedoch bei den 14bis 29-Jährigen. Bei den 30bis 49-Jährigen ist knapp die Hälfte und bei den unter 50-Jährigen jeder Fünfte online unterwegs. 324 323 Vgl. Bundesnetzagentur (2014), S. 76. 324 Vgl. Eimeren (2013), S. 389. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 154 alle Angaben in % 2009 2010 2011 2012 2013 Nutzer gesamt 11 13 20 23 41 Männer 15 16 26 27 46 Frauen 8 10 13 20 36 14bis 19-Jährige 12 21 28 46 64 20bis 29-Jährige 18 16 34 40 68 30bis 39-Jährige 11 15 23 28 46 40bis 49-Jährige 10 13 16 15 42 50bis 59-Jährige 8 9 10 12 24 60-Jährige u. älter 9 4 7 9 14 Basis: 2009: Deutsche Onlinenutzer ab 14 Jahren (n=1.212); Ab 2010: Deutschsprachige Onlinenutzer ab 14 Jahren (2010: n=1.252, 2011: n=1.319, 2012: n=1.366, 2013: n=1.389) Tab. 2.15: Mobile Internetnutzung 2009-2013 325 Wurden die Vorzüge des mobilen Internets erkannt, wird dies auch sehr schnell in den täglichen Medienalltag integriert. Applikationen (Apps) vereinfachen stark den Zugang zum Internet und seinen vielfachen Inhalten, da sie schnelle Lösungen für alle nur denkbaren Bedürfnisse liefern. Nutzer gesamt Männer Frauen 14bis 29-Jährige 30bis 49-Jährige 50bis 69-Jährige 70-Jährige u. älter nutze Apps 44 % 39 % 48 % 70 % 46 % 24 % 12 % nutze keine Apps 56 % 61 % 52 % 30 % 54 % 76 % 88 % am häufigsten genutzte Smartphone-Apps am häufigsten genutzte Tablet-Apps Instant Messaging 37 % Nachrichten/ Aktuelles 20 % Communitys/ Soziale Netzwerke 27 % Communitys/ Soziale Netzwerke 13 % Nachrichten/ Aktuelles 26 % Spiele-Apps 11 % Spiele-Apps 14 % E-Mail 11 % Verkehr 13 % Browser/ Internetzugang 9 % E-Mail 9 % Instant Messaging 7 % Fernsehen/ Radio 6 % Verkehr/ Navigation 7 % Tab. 2.16: Nutzung von Apps im Jahr 2013 326 325 Vgl. Eimeren (2013), S. 389. 326 Vgl. Eimeren (2013), S. 388 f. M oBile B uSineSS 155 Wie in Tab. 2.16 ersichtlich, nutzten im Jahr 2013 bereits 44 % (2012: 24 %; 2011: 17 %) der deutschen Onliner Apps. Sehr beliebt sind diese bei den 14bis 29-Jährigen, während sich die ab 50-Jährigen noch zurückhaltender zeigen. Auf dem Smartphone führt bei der Nutzung von Apps die Kommunikation: Instant Messaging, hier insbesondere die App WhatsApp, sowie die Sozialen Netzwerke stehen an der Spitze der Rangliste mit 37 % bzw. 27 %. Bei den Tablets hingegen werden Apps aus der Kategorie „Nachrichten“ mit 20 % am häufigsten genutzt. Zwei Drittel der Nachrichtenkonsumenten nutzen auf den Tablets aktuelle Inhalte, deren Anbieter sie aus der Offlinewelt kennen. Am häufigsten werden die Apps von Tagesschau, heute, n-tv und N24 genutzt. 327 Die Verbreitung der unterschiedlichen mobilen Applikationen führt jedoch zu einer starken Zunahme des Datenverkehrs. Sind im Jahr 2009 rund 33 Mio. GB übertragen worden, waren es vier Jahre später mit rund 267 Mio. GB gut achtmal mehr Daten. 0 50 100 150 200 250 300 Datenvolumen im Mobilfunk in Mio. GB 33 65 100 156 267 2009 2010 2011 2012 2013 Abb. 2.44: Entwicklung des Datenvolumens im Mobilfunk in Deutschland 2009-2013 328 Neben der Analyse der Mobilfunktechnologien, der Entwicklung der mobilen Endgeräte und der hierauf verwendeten Applikationen sowie der generierten Datenvolumina gilt es, im Rahmen des Mobile Business auch die Umsatzentwicklungen zu betrachten. Basierend darauf, dass die Konsumenten mehr Mobilität und Ubiquität präferieren, gewinnt das Mobile Shopping deutlich an Bedeutung. Wie die nachfolgende Abb. 2.45 darstellt, ist für das Jahr 2014 zu erwarten, dass sich der 327 Vgl. Eimeren (2013), S. 389. 328 Vgl. Bundesnetzagentur (2014), S. 7. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 156 Umsatz im Mobile Commerce gegenüber dem Vorher mehr als verdoppelt. Hierbei wird das größte Wachstum über mobile Käufe auf Basis des Smartphones erzielt. 2,1 Mrd. € 4,1 Mrd. € 1,0 Mrd. € 2,5 Mrd. € 0,0 2,0 4,0 6,0 8,0 2013 2014 (Prognose) in Milliarden Euro Erwartete Umsatzsteigerung im Mobile Commerce: 112 % Smartphone Tablet 6,6 Mrd. € Abb. 2.45: Entwicklung des Mobile-Commerce-Umsatzes in Deutschland 329 Zu den wichtigsten Mobile-Commerce-Kategorien für das Smartphone zählen der Einzelhandel, Auktionen und Kleinanzeigen sowie Bankanwendungen. Couponing, Versicherungen sowie die Aktienbranche werden hingegen nur in einem geringen Ausmaß durch die Rezipienten in Anspruch genommen (vgl. Abb. 2.46). Einzelhandel Auktionen/ Kleinanzeigen Bankkonten Elektronische Zahlungen/ Überweisungen Shopping/ Preisführer Automobilbranche Kreditkarten Tourismus Couponing/ Daily Deals Versicherungen Aktienbranche 0% 5% 10% 15% 20% 25% 30% 27,2% 24,6% 22,9% 16,4% 16,2% 10,2% 9,4% 9,1% 8,1% 6,4% 6,0% Abb. 2.46: Ranking der M-Commerce Kategorien mit der stärksten Nutzung durch Smartphone-Besitzer in Deutschland im Jahr 2013 330 329 Vgl. DMN (2014). 330 Vgl. Statista (2014h). M oBile B uSineSS 157 Bei einer genaueren Betrachtung des Mobile-Commerce-Umsatzes im Jahr 2013 nach Gerätetypen lag im Smartphone-Bereich der Anteil von Android-Geräten im Jahr 2012 mit 23 % noch fast gleichauf mit dem iPhone (21 %). Im Jahr 2013 hat sich dies allerdings zugunsten von Android verschoben. Android-Geräte erzielten einen Umsatzanteil von 30 %, der gegenüber dem iPhone mit 16 % fast doppelt so hoch war. Wird jedoch das iPad mit in die Betrachtung einbezogen, so betrug der Umsatzanteil der Apple-Geräte im Jahr 2013 rund 76 % und im Jahr 2014 rund 69 %. 21% 16% 23% 30% 1% 1% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 2012 2013 Anteil der Umsätze am Mobile Commerce nach Endgerät iPad iPhone Android andere 53% 55% Abb. 2.47: Mobiler Umsatz nach Endgeräten 331 2.7.2 Ökonomie und Finanzierung Zu Beginn des Mobile Business dominierten die Mobilfunknetzbetreiber die Angebote, welche sich sehr stark auf die Datenübertragung und die Leistungsfähigkeit der Endgeräte bezog. Daher spielten auch die Endgerätehersteller in dieser Phase eine große Rolle und boten zum Teil auch eigene Mobile-Business- Leistungen an. Allerdings ging die Dominanz der Mobilfunkanbieter und Gerätehersteller durch veränderte Vermarktungsmodelle im Zeitverlauf immer weiter zurück. Für eine Beurteilung der wirtschaftlichen Potentiale des Mobile Business werden nachfolgend zunächst fünf unterschiedliche Wertschöpfungsbereiche diskutiert: 332 331 Vgl. Zanox (2014), S. 10. 332 Vgl. Nicolai/ Petersmann (2001), S. 291; Pichlmeier (2010), S. 44. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 158 ◼ Infrastruktur: Diese umfasst das Mobilfunknetz, die Softwareplattformen sowie die mobilen Endgeräte. ◼ Betrieb: Er ist die Schnittstelle zum Anbieter mobiler Endgeräte - auch mit Vertrag - auf dem Markt. ◼ Anwendungen/ Applikationen (Apps): Sie beinhalten Businessmodelle und richten sich am Kundennutzen aus. In Form von Apps werden aktuell für alle Arten von Services entsprechende Anwendungen angeboten. ◼ Geschäftskonzept: Lange Zeit war Content, also die Bereitstellung von Informationen, das alleinige Geschäftsmodell. Heute ermöglicht die Technik das Angebot von Produkten und Dienstleistungen mit Transaktionscharakter. ◼ Portale/ Websites: Diese sind häufig schon mit klassischen Internetauftritten identisch und versuchen, Anbieter von Content und Anwendungen einzubinden, um einen direkten Zugang zum Nachfrager zu erzielen. Erst durch die gesamte Etablierung der Wertschöpfungsbereiche ist es möglich, im Rahmen des Mobile Business Dienstleistungen und Produkte anzubieten. Bei der Umsetzung müssen sich die anbietenden Unternehmen dann fragen, ob hierfür eine Website oder eine App entwickelt werden soll (vgl. Tab. 2.17). Mobile Website Applikation (App) Vorteile ◼ wird von der Suchmaschine gut gefunden ◼ gelerntes Surfverhalten der Nachfrager ◼ (relativ) kostengünstige Entwicklung ◼ Durchführung von Verlinkungen wie gewohnt aus dem traditionellen Internet ◼ bietet mit einer nativen App sehr gute Usability ◼ hoher Beliebtheitsgrad bei den Nutzern ◼ Funktionen des mobilen Endgerätes leicht integrierbar Nachteile ◼ leicht eingeschränkte Usability ◼ kann als weniger hochwertig vom Nachfrager eingestuft werden ◼ kein Zugriff auf Kamera oder GPS-Funktion des mobilen Endgerätes ◼ für jedes Betriebssystem wird eine eigenständige App benötigt ◼ Optimierung hängt von Nutzer-Update ab ◼ vergleichsweise teuer in der Entwicklung Tab. 2.17: Vor- und Nachteile von Mobilen Websites und Applikationen 333 Eine Finanzierung der geschaffenen technischen Voraussetzungen, aber auch die Erzielung von Einnahmen für anbietende Unternehmen von Dienstleistungen und Produkten im Mobile Business ist auf Basis unterschiedlicher Geschäftskonzepte möglich. 333 Vgl. Heinemann (2012), S. 48. M oBile B uSineSS 159 Das Geschäftskonzept beschreibt hierbei den Austausch einer angebotenen Leistung zwischen bestimmten Geschäftspartnern hinsichtlich des Inhalts und der dafür zum Tragen kommenden Vergütung. Im Mobile Business lassen sich fünf grundlegende Geschäftskonzepte identifizieren, die nachfolgend im Überblick dargestellt werden: Mobile Content, Mobile Commerce, Mobile Context, Mobile Connection und Mobile Communication. 334 ◼ Mobile Content: Beinhaltet die Sammlung Selektion, Systematisierung, Kompilierung (Packing) und Bereitstellung der Inhalte auf einer eigenen Plattform innerhalb eines Netzwerkes. Ziel ist hierbei, die Inhalte für den Nutzer einfach, bequem, visuell ansprechend und für das mobile Endgerät zugänglich zu präsentieren bzw. handzuhaben. Die Art der Inhalte kann hierbei informierend, unterhaltend oder bildend sein. Erlöse können entweder direkt (z. B. Verkauf von Inhalten) oder indirekt (z. B. Werbung im Rahmen der Inhaltspräsentation) erzielt werden. ◼ Mobile Commerce: Dieser umfasst die Anbahnung, Aushandlung bzw. Abwicklung von Geschäftstransaktionen über mobile Netzwerke. Ziel ist es, traditionelle Kauf- und Geschäftsprozesse zu vereinfachen oder auch bequemer und schneller abzuwickeln. Erlöse können sowohl direkt aus dem Verkauf von Produkten und Dienstleistungen, aber auch indirekt über Werbung oder Werbekostenzuschüsse erzielt werden. ◼ Mobile Context: Zeichnet sich durch die Klassifizierung, Systematisierung und Zusammenführung von verfügbaren Informationen sowie Leistungen in mobilen Netzwerken aus. Hierbei wird das Ziel verfolgt, die Markttransparenz für den Nachfrager zu verbessern und seinen Suchaufwand insbesondere im Zusammenhang mit seinem aktuellen Standort zu reduzieren. So erlauben Location Based Services (LBS) die Ortung des Standortes des jeweiligen Nachfragers und können diesem dann ortsbezogene Informationen (z. B. Restaurants, Bankautomaten, Geschäfte) auch in Kombination mit sozialen Netzen anbieten. Erlöse können hierbei direkt über Gebühren (z. B. Aufnahme bzw. Platzierung von Inhalten) bzw. indirekt über Werbung oder Statistiken erzielt werden. ◼ Mobile Connection: Ermöglicht bzw. unterstützt die Interaktion von Akteuren in mobilen Datennetzen. Dies kann nicht nur auf kommerzieller, sondern auch auf kommunikativer oder technologischer Ebene erfolgen. Erlöse werden hierbei auf direktem Weg (z. B. Objektaufnahme/ -anbindung) oder in indirekter Form über Werbung, Statistiken oder Cross Selling erfüllt. ◼ Mobile Communication: Hier wird die Interaktion von Akteuren in mobilen Netzwerken ermöglicht bzw. unterstützt. Dies schließt die Kommunikation zwischen Nutzern einer Seite untereinander als auch die Kommunikation von 334 Vgl. Kollmann (2013), S. 56 ff. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 160 Nutzern mit einer Plattform und umgekehrt ein. Es werden entweder direkte Erlöse in Form von Verbindungsgebühren oder indirekt über Werbung generiert. Bei Werbung wird dabei insbesondere auf die verschiedenen Kommunikations- und Nutzerprofile zurückgegriffen. Waren die Geschäftskonzepte zu Beginn des Mobile Business noch vorwiegend in Reinform, so werden heute fast nur noch Mischformen genutzt. Diese hybriden Geschäftskonzepte sind fast nur noch vorzufinden und nehmen durch Adaption, Kombination und Aggregation der fünf grundlegenden Geschäftskonzepte noch weiter zu. Um im Mobile Business lang fristig Erfolg zu haben, werden nachfolgend Faktoren abgeleitet, die hierfür einen maßgeblichen Beitrag leisten. Erfolg bemisst sich hier sowohl an betriebswirtschaftlichen Größen, wie Umsatzwachstum oder Profitabilität, als auch an spezifische Onlinekennzahlen. Dies sind bspw. die Reichweite des Mobile-Shops oder die Schnelligkeit der Website/ Applikation. 335 Mobile Business muss in einen allgemeinen strategischen Rahmen des Unternehmens integriert werden, um erfolgreich zu sein. Die Erfolgsfaktoren im Mobile Business sind denen im Electronic Business ähnlich, wobei die speziellen Charakteristika der Mobilität, Erreichbarkeit, Lokalisierung und Identifizierbarkeit berücksichtigt werden müssen. 336 Die „Erreichbarkeit und Mobilität“ bzw. Ortsunabhängigkeit wird im Zusammenhang mit zeitkritischen Informationen erfolgsrelevant. Insbesondere im Bereich der mobilen Finanzdienstleistungen ist es für den Nachfrager unerlässlich, Informationen zeitnah zu erhalten und Transaktionen von jedem Ort aus ohne Verzögerungen durchführen zu können. Aber auch in weiteren Bereichen, in denen es auf Aktualität ankommt, wie bspw. bei Nachrichten, stellt eine zeitnahe Information für den Rezipienten einen Zusatznutzen dar. Die wesentlichen relevanten Erfolgsfaktoren des Mobile Business (vgl. auch Tab. 2.18) können den folgenden vier Kategorien zugeordnet werden: 337 ◼ Softwareplattform und ihr Integrationsgrad: Die Bereitstellung eines Marktes für die Leistungen Dritter, die mobilen Produkte und Services um Funktionen sowie Inhalte zu erweitern, erhöht die Attraktivität des Ausgangsproduktes bzw. -services. Hierbei werden vor allem proprietäre Plattformen eingesetzt, die für den Anbieter den Vorteil eines hohen Maßes an Kontrollierbarkeit bieten. Des Weiteren kann durch ein hohes Angebot von verfügbaren Zusatzleistungen ein Lock-in-Effekt erzielt werden, der Kunden dauerhaft an mobile Endgeräte, Services und Plattformen eines bestimmten Herstellers bindet. ◼ Customization: Diese kann auf zwei Gebieten stattfinden. Während die Personalisierung individuelle Anpassungen an die Nutzerstruktur erfasst, wer- 335 Vgl. Heinemann (2012), S. 81 ff. 336 Vgl. Bauer et al. (2008), S. 8. 337 Vgl. Wirtz (2013), S. 94 ff. M oBile B uSineSS 161 den unter Lokalisierung ortsbasierte Anwendungen von Services verstanden. Beide Komponenten ermöglichen es, die Kundenbedürfnisse zielgerechter zu erfüllen und damit die Kundenzufriedenheit zu erhöhen. ◼ Medienbruchfreiheit und Seamless Connection: Komplexe vernetzte Informationsprozesse und Dienste werden dabei über ein zentrales Element abgewickelt, ohne dass ein Wechsel zwischen verschiedenen Geräten oder Medien notwendig ist. Ziel ist es hierbei, einen Convenience- und Zeitvorteil aufseiten der Nutzer zu realisieren. ◼ Bandbreite: Sie dient als Voraussetzung für Content-Angebote, wie bspw. das mobile Video-Steaming, und begrenzt damit direkt das Nutzungsspektrum von Mobile-Business-Anwendungen. Softwareplattform & Integration Customization ◼ vernetzte Systemlösungen ◼ virtueller Marktplatz für softwarebasierte Erweiterungen ◼ Lock-in-Effekt bei proprietären Plattformen ◼ Personalisierung sowie Individualisierung von Dienstleistungen und Produkten ◼ Lokalisierung von Angeboten und Präferenzen Medienbruchfreiheit & Seamless Connection Bandbreite ◼ universelle zeit- und ortsungebundene Verfügbarkeit von Daten ◼ Neugestaltung von Prozessen und Informationsketten ◼ Ressourcen- und Zeiteinsparungen durch den Einsatz eines zentralen mobilen Endgerätes ◼ Voraussetzung für internetbasierte mobile Dienste ◼ Priorisierung der Daten anhand einer Anwendungszuordnung Tab. 2.18: Erfolgsfaktoren des Mobile Business 338 In diesem Zusammenhang müssen auch die Potentiale der Social-Media-Applikationen, welche durch den Faktor der „Mobilität und Erreichbarkeit“ noch erhöht werden, angesprochen werden. Der Faktor der Mobilität nimmt insbesondere im Rahmen des Social Networking eine bedeutende Rolle ein. Die Vernetzung erhöht sich, da jederzeit und überall auf die Applikationen durch die Rezipienten zurückgegriffen werden kann. Die Lokalisierung bzw. das Angebot lokalisierter Dienste hat im Mobile Business ebenfalls einen hohen Stellenwert und trägt aus Kundensicht zu einer erheblichen Nutzensteigerung bei. Einen Wert für den Nutzer generieren hierbei sowohl Informationen über aktuelle Ereignisse in der gewohnten Umgebung des Rezipienten als auch Informationen über eine unbekannte Umgebung, wie bspw. im Zusammenhang mit Reisen. Daher kann der Personalisierung ein ähnlich hoher Wert wie der Lokalisierung zugeschrieben 338 Vgl. Wirtz (2013), S. 95. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 162 werden. Durch die Lokalisierung können auf den jeweiligen Kontext bzw. den jeweiligen Ort passende Dienste angeboten werden. Durch die eindeutige Identifikation sind Unternehmen in der Lage, sich aktiv Kundendaten zu beschaffen, da mobile Nutzer durch die Auswahl von bestimmten Diensten und Anwendungen ihre Präferenzen offenlegen und diese gebündelt gesammelt werden können. Dieses Wissen gibt Unternehmen die Möglichkeit, den Interaktionspfad zwischen sich und den Kunden dahingehend zu optimieren, dass dem Nachfrager ein individueller Mehrwert aus der Inanspruchnahme der angebotenen Anwendungen und Services entsteht. 339 2.7.3 Psychologische Aspekte Eine zentrale Medieninnovation stellt nach der Onlinekommunikation die Mobilkommunikation dar: An die Stelle stationärer vernetzter Computer sind drahtlos gebundene, portable Endgeräte getreten. Während für den Technikbefürworter das mobile Endgerät einen enormen kommunikativen Mehrwert besitzt und den zwischenmenschlichen Austausch quantitativ sowie qualitativ verbessert, warnen Technikkritiker vor zunehmender kommunikativer Verarmung: Oft werden WhatsApp-Nachrichten oder mobile Telefonate („Hallo, ich bin gerade hier im Bus …“) als sinnlose „Nullkommunikation“ abgetan. Aus der technikablehnenden Perspektive ist die mediale Kommunikation immer nur ein unzureichender Ersatz für die Face-to-Face-Kommunikation, welche als ganzheitlich und menschlich gerühmt wird. Allerdings müssen diese Extrempositionen als technikdeterministisch abgelehnt werden, da sie Merkmale und Konsequenzen medialer Individualkommunikation nur eindimensional aus der Medientechnik ableiten. Allerdings lassen sich die besonderen Merkmale, kurzfristige Effekte und langfristige soziale Folgen medialer Individualkommunikation nur dann erklären, wenn Medienmerkmale sowie Nutzer- und Situationsmerkmale einbezogen werden. 340 Zum Verständnis der Nutzungsmotive dient der Uses-and-Gratifications-Ansatz. Der Uses-and-Gratisfications-Ansatz gilt als gutes Mittel, um gerade bei neuen Medienangeboten auf induktive Weise die Erwartungen der Nutzer und die sich herausbildenden Nutzungseigenschaften zu erschließen. 341 339 Vgl. Wirtz (2013), S. 95 f. 340 Vgl. Döring (2007), S. 299 f. 341 Vgl. Pape (2012), S. 281. M oBile B uSineSS 163 Unterhaltung wird als Rezeptionssowie Nutzungsphänomen und nicht aus einem bestimmten Endgerät oder Genre abgeleitet. In den Anfangsjahren der Untersuchung von Nutzungsweisen und Gratifikationen einer mobilen Anwendung oder eines mobilen Endgerätes wurden folgende Sachverhalte angeführt: ◼ Über eine erwartbare Gratifikation der „mobility“ hinaus ist auch der unmittelbare Zugang zu Gesprächspartnern ein Gewinn des Mobiltelefons. ◼ Verfügbarkeit als Gratifikation mobiler Telefonie bzw. SMS. ◼ Prestigewert, welcher sich aus der großen Sichtbarkeit der Nutzung ergibt, sowie der Unterhaltungswert aus dem Herumspielen mit einem „Gadget“. 342 Auch mit Untersuchungen zu den Gratifikationsdimensionen multimedialer mobiler Endgerate lässt sich Entsprechendes nachweisen. Der Prestigewert ergibt sich hierbei nicht allein aus dem Endgerät, sondern aus der öffentlichen Sichtbzw. Hörbarkeit der Nutzungssituation, die bei einer sozial anerkannten Form der Nutzung zu einer Gratifikation führt. Die zusätzlichen Gratifikationen, welche mobile Anwendungen über die von stationären Anwendungen hinaus ermöglichen, haben große Gemeinsamkeiten: 343 ◼ Die Möglichkeit der Unterhaltung zu jeder Zeit und an jedem Ort wird als Kommunikation mit einer neuen Qualität angesehen. ◼ Die mobilen Endgeräte haben in ihrer Multifunktionalität einen eigenen Unterhaltungswert, der zumindest so lange erhalten bleibt, wie sie von den Nutzern als komplex und innovativ betrachtet werden. ◼ Der Prestigewert, welcher als Geltungsnutzen bei der Verwendung mobiler Geräte in der Öffentlichkeit auftritt, ist zumindest teilweise mit einem Unterhaltungspotential verbunden. Eine zweite Möglichkeit der Erklärung mobiler Mediennutzung stellt der Mood- Management-Ansatz dar. Nennt der Uses-and-Gratifications-Ansatz den Zeitvertreib als Nutzungsmotiv, so muss genauer nachgefragt werden, in welchen Situationen die Zeit in welcher Weise vertrieben werden soll. Hierzu können folgende vier Faktoren angeführt werden, welche über die Nutzung eines Medienangebotes zur Stimmungsregulierung entscheiden: 344 ◼ Erregungspotential von Medieninhalten: Wirkt auf die jeweils aktuellen Stimmungen des Nutzers ein. So ist ein klassisches Nutzungsszenario die Überbrückung einer Wartesituation. Aber es existieren auch mobile Unterhaltungsanwendungen, die speziell zur Beruhigung entwickelt wurden. Hierzu 342 Gadget: Entspricht einem technischen Werkzeug oder Gerät mit bisher so nicht bekannter Funktionalität. Es ist i. d. R. klein, handlich und zum Mitführen konzipiert. Hierunter fallen bspw. Smartphones, MP3-Player, Netbooks oder mobile Spielekonsolen. 343 Vgl. Pape (2012), S. 281 f. 344 Vgl. Höflich et al. (2010), S. 104; Pape (2012), S. 282 f. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 164 zählen Hörbücher mit entspannenden Texten und Hintergrundmusik aber auch komplexere Anwendungen mit audiovisuellen Bestandteilen oder beruhigenden Aufgaben. ◼ Absorptionspotential von Medieninhalten: Dieses ist stark durch die Situation vorgeprägt, da die Medieninhalte den Nutzer ablenken sollen. Eine Herausforderung mobiler Inhalte liegt in der Tatsache, dass die Nutzer wesentlich aktiver sind und dadurch häufig weniger stark absorbiert werden können als bei klassischen „Lean-back-Medien“. 345 ◼ Semantische Affinität: Befindet sich der Rezipient in einer negativen Stimmung, so wird er bei der Wahl des Unterhaltungsmediums eine semantische Affinität zum Anlass der Stimmung vermeiden. So wird er bei Liebeskummer mediale Inhalte, die eine romantische Stimmung erzeugen, vermeiden. Allerdings überfordert die Komplexität der hier zu berücksichtigenden Faktorkonstellation (Valenz der Stimmung, Kenntnis der Stimmungsursache und ihre Bedeutung, Einschätzung einer semantischen Affinität) noch die aktuell erhältlichen mobilen Endgeräte. ◼ Hedonistische Valenz: Das Gefallen bestimmter Medieninhalte scheint weniger situational bedingt als vielmehr durch den Medienstimulus selbst geprägt. Dieser Faktor ist somit den wandelnden Bedingungen mobiler Mediennutzung weniger direkt unterworfen. Das eigentliche Potential und die Herausforderung für die Gestaltung mobiler Angebote ergeben sich daraus, dass diese sich - wenn sie über mehrere Situationen hinweg genutzt werden - den jeweiligen Anforderungen anpassen müssen bzw. können. 2.7.4 Führung und Management Unternehmen, welche im Mobile Business aktiv sind bzw. aktiv sein wollen, müssen sich entscheiden, welche Form des Mobile Business sie umsetzen. Grundsätzlich lassen sich die nachfolgend dargestellten Formen umsetzen. Neben dem Pure Mobile Business stellt das hybride Mobile Business, aus einem Parallelbetrieb vom klassischen Onlinehandel und Mobile Business, eine weit verbreitete Form dar. Im Rahmen der Pure-Mobile-Business-Strategie bieten Unternehmen häufig Informations- und Unterhaltungsdienste an. Ihr Fokus liegt somit auf den digitalen Gütern und Dienstleistungen. Über Portale sind zunehmend auch Kooperationen im Mobile Business zu beobachten. Diese bilden dann das kooperierende Mobile Business. Eine weitere Form ist das Multi-Channel-Mobile-Business, welches eine Kombination aus stationären sowie elektronischen Verkaufskanälen darstellt und Mobile Business inkludiert ist. Eine spezielle Form des Multi- 345 Lean-back-Medien: Sind Medien, wie bspw. das klassische Fernsehen, welche ohne einen bedeutenden Rückkanal senden. M oBile B uSineSS 165 Channel-Mobile-Business ist der No-Line-Handel. Zunehmend nutzen auch Mobilfunkunternehmen oder Gerätehersteller den mobilen Distributionskanal, um entsprechende Produkte und Dienstleistungen zu vertreiben. Diese Form des Mobile Business ist das vertikale Mobile Business. 3 1 4 5 Multi-Channel- Mobile-Business Pure Mobile Business Kooperativer Mobile Business Hybrider Mobile Business Vertikaler Mobile Business mobiler Kanal wird in Kombination mit anderen Online- und Offlinekanälen umgesetzt; beinhaltet mindestens einen stationären Verkaufskanal; vollständige Kanalintegration = No-Line-Handel Digitale Produkte oder Dienste wie bspw. Downloads, Informations- und Unterhaltungsdienste werden ausschließlich über den mobilen Kanal vertrieben Produkte und Dienste aller Art werden über kooperative Plattformen für die mobilen Endgeräte angeboten; häufig Ergänzung um andere Kanäle mobiler Kanal wird in Kombination mit anderen Distanzhandelskanälen umgesetzt, die mindestens einen Onlinekanal beinhalten (i. d. R. Onlinehändler mit zusätzlichem mobilen Absatzkanal) mobiler Kanal wird von Geräteherstellern oder Netzbetreibern zum Verkauf an den Endkunden genutzt (Vorwärtsintegration) oder Portale kontrollieren die Supply-Chain (Rückwärtsintegration) 2 Abb. 2.48: Formen des Mobile Business 346 Die unterschiedlichen Formen bieten Unternehmen Chancen der Ausweitung ihrer Handelsaktivitäten, aber bergen auch Risiken: Zum einen ergibt sich durch die ansteigende Transparenz ein Bedrohungspotential durch den erhöhten Wettbewerbsdruck, andererseits können die anbietenden Unternehmen ihren Wettbewerbsvorteil vernetzt über mehrere Kanäle konsequent kommunizieren. 347 Die Chancen von mobilen Angeboten speziell für den Handel ergeben sich aus den Anwendungsfeldern. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Nachfrager innerhalb aller Stufen des Kaufprozesses zwischen „online“ und „offline“ hin und her wechseln. Davon ist auch das stationäre Image des physischen Handels betroffen und erfordert adäquate Darstellung auf allen Kanälen. Daher sollte der 346 Vgl. Heinemann (2012), S. 71. 347 Vgl. Rudolph/ Emrich (2008), S. 262. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 166 mobile Distributionskanal als weitere Schnittstelle zum Kunden in ein ganzheitliches Konzept eingebunden sein. Folgende drei Anwendungsfelder (vgl. auch Tab. 2.19) von mobilen Services für den Handel können abgeleitet werden: 348 ◼ Anlassbasierte Services: Sie richten sich an eine große Anzahl von Kunden im Zusammenhang mit bspw. Events und Auktionen, um Neukunden oder inaktive Kunden zu gewinnen. Die hierfür eingesetzte Adresse ist das Hauptkriterium dieses Instruments. Es muss das Einverständnis der Empfänger vorliegen. Die adressierten Nutzer müssen über den mobilen Service klar wahrnehmbare Vorteile, wie z. B. Coupons oder Preisnachlässe erfahren. Die Leistungen der anbietenden Unternehmen sollten auch weitgehend standardisiert sein. ◼ Zielgruppenbasierte Services: Diese sind auf die persönlichen Anforderungen der Kunden angepasst und versuchen, die jeweiligen Kundenbedürfnisse weitgehend umfassend abzudecken. So können bspw. Kunden beim Einscannen eines QR-Codes mit dem mobilen Endgerät Hinweise bzgl. der Inhaltsstoffe erhalten. Grundsätzlich sollen mit dieser Art von Service transparente und umfassende Informationen bereitgestellt werden. Anbieter können hiermit auch den Mehrwert ihrer Leistungen gegenüber dem Nachfrager kommunizieren, wobei die Kunden selber entscheiden können, auf welche Informationen sie zugreifen. ◼ Ortsbasierte Services: Sie tragen dem Umstand Rechnung, dass der Handel in erster Linie ein lokales Geschäft ist. Händler können ihre auf die lokalen Besonderheiten zugeschnittenen Angebote besser gegenüber einem räumlich abgegrenzten Kundenkreis kommunizieren. Es besteht die Möglichkeit, Kundenempfehlungen mit dem Aufenthaltsort des Nachfragers zu kombinieren und „Insider“-Tipps abzugeben. Die zentrale Komponente ist jedoch die thematische Darstellung der Händlerleistung in einem regionalen Netzwerk. Ortsbasierte mobile Services (Location Based Services) greifen häufig auf soziale Netzwerke und entsprechende regionale Cluster zurück. 348 Vgl. Heinemann (2012), S. 198 ff.; Rudolph/ Emrich (2008), S. 266. M oBile B uSineSS 167 Marktpotentiale Kernaufgaben Kompetenzen Anlassbasierte Services ◼ Vielzahl unterschiedlicher Kunden mit sporadischem Bedarf (Kundenpotential) ◼ selektiver Zugang i. d. R. über Kundendatenbanken (Leistungspotential) ◼ Kundenakquisition ◼ Neukunden gewinnen ◼ Kunden aktivieren ◼ Umsatz pro Kunde erhöhen ◼ Leistungspflege ◼ Unterstützung bestehender stationärer Leistungen ◼ Verkaufsförderung ◼ Preisaktionen (Coupons) ◼ Werbeaktionen (Events) ◼ Markenkooperationen ◼ standardisierte Leistungen ◼ abgestimmte Preise Zielgruppenbasierte Services ◼ klar definierte Kundensegmente mit spezifischen Kundenanforderungen und individuellen Kaufsituationen (Kundenpotential) ◼ flexibel anpassbare Leistungen (Leistungspotential) ◼ Kundenbindung ◼ Mehrwert kommunizieren ◼ Verbundverkäufe fördern ◼ Kundenpartnerschaften ◼ Leistungsinnovation ◼ verbesserte Informations- und Kommunikationsprozesse ◼ Kundenkompetenz ◼ Technologie/ Prozesse ◼ Sortimentskompetenz ◼ Informationskompetenz ◼ Koordination entlang der Lieferkette Ortsbasierte Services ◼ Kunden in einem gemeinsamen geographischen Umfeld beschleunigter Vertrauensauf bau, individuell-situativ (Kundenpotential) ◼ auf Besonderheiten zugeschnittene Leistungen (Leistungspotential) ◼ Kundenakquisition ◼ Kunden-Matching- Angebote ◼ Impulskäufe fördern ◼ Reputation aufbauen ◼ Leistungspflege/ -innovation ◼ Unterstützung für spezialisierte/ hochqualitative Leistungen ◼ Netzwerkkompetenz ◼ regionale Verankerung ◼ auf situative Faktoren ausgerichtetes Leistungsangebot Tab. 2.19: Anwendungsfelder mobiler Services im Handel 349 349 Vgl. Heinemann (2012), S. 190; Rudolph/ Emrich (2008), S. 267. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 168 Neben den Chancen, welche Mobile Business für den Handel bietet, muss sich jedoch das Management auch mit Risiken auseinandersetzen. Durch die hohe Markttransparenz, die das mobile Internet ermöglicht, ergeben sich unmittelbare Bedrohungspotentiale durch Preisvergleiche. Über entsprechende Preissuchmaschinen lassen sich durch die Eingabe des Namens eines Produktes relativ einfach Preise vergleichen. Ein höheres Risiko für Händler stellen Loaction Based Service (LBS)-Dienste dar. So können auf einer virtuellen Landkarte die lokalen Standorte der User mit qualitativen Produktinformationen im Internet kombiniert werden. Scannt der Nutzer bspw. den Barcode eines Produktes mit seinem mobilen Endgerät ein, kann er das jeweilige Produkt in Hinblick auf den Preis und die Qualität mit weiteren Alternativen vergleichen. In Verbindung mit sozialen Medien kann er zusätzlich auf Empfehlungen und Bewertungen anderer Kunden zugreifen. Weiterhin sind mobile Dienste in der Lage, die Distanz vom Nachfrager bis zum nächsten physischen Laden zu berechnen und Nutzer so gezielt zu Lenken. Durch die gestiegene Markttransparenz, die erhöhte Vergleichbarkeit sowie Schnelligkeit der Informationsverarbeitung macht es für stationäre Händler und deren Management notwendig, ihre Kernleistungen genau zu definieren. Nur ein scharfes Profil erlaubt es, diese Kernleistungen vernetzt über mehrere Kanäle zu kommunizieren. Die mobilen Services stellen in ihrem singulären Einsatz weniger einen Wettbewerbsvorteil dar, sondern entfalten erst mit strategischer Einbindung ihre Wirkung. Damit die Kunden die jeweiligen angebotenen mobilen Service auch nutzen, dürfen keine unnötigen Nutzungsbarrieren aufgebaut werden. Dies betrifft insbesondere den Zeitaufwand und die Bequemlichkeit im Hinblick auf die Usability des mobilen Shops. Umständliche Menüführungen, welche nicht an die Oberflächengröße und Touch-Screen-Bedienung eines mobilen Endgerätes angepasst sind, reduzieren schnell die Akzeptanz. Insbesondere bei habitualisierten Kaufvorgängen, wo der Kunde nur schnell einkaufen will, ist ein Abbau der Nutzungsakzeptanz sehr schnell vorhanden. Des Weiteren stellt die Gewährleistung und Kommunikation der Datensicherheit gegenüber dem Rezipienten ein wichtiges Feld dar. Für das Management eines Handelsunternehmens gilt es daher, sowohl die Vorteile und Chancen bzw. Nachteile und Risiken aus Anbietersicht aber auch aus Kundensicht zu beachten sowie zu steuern. Diese sind in der nachfolgenden Tab. 2.20 zusammengefasst: M oBile B uSineSS 169 Vorteile und Chancen Nachteile und Risiken Anbietersicht ◼ Konsumentenreichweite und Marktabdeckung durch breite Penetration mit mobilen Endgeräten und Erschließung neuer Kundengruppen bzw. anderer Mediennutzer ◼ Wirtschaftlichkeit und Risikoausgleich durch die Nutzung von Synergiepotentialen bei gleichzeitiger Vermeidung bestimmter Medienabhängigkeiten ◼ Flexibilität und Schlagkraft durch medienspezifische und schnelle Reaktionsmöglichkeiten auf Marktentwicklungen ◼ Imagegewinn und Kundentreue durch Absatzkanalinnovation und medienübergreifende Aktivitäten ◼ Bessere Kommunikation der Kernleistungen und Zusatzgeschäfte durch Nutzung mobiler Dienste ◼ Schwierigkeiten der Implementierung und Kontrollverlust durch mangelndes Problembewusstsein und von Einschränkungen der Handelsspielräume ◼ Suboptimierung und sinkende Differenzierung durch gestiegene Aufgabenkomplexität und falsche Handhabung der mobilen Dienste ◼ Konflikte und Kannibalisierungseffekte durch Konkurrenzsituationen in den verschiedenen Medien und Absatzkanälen ◼ Bedrohungspotentiale und Hemmfaktoren durch Nichtnutzung oder falsche Umsetzung mobiler Kanäle ◼ Wirtschaftliche Risiken aufgrund der Nichtbeachtung der Erfolgsfaktoren und fehlende Business-Planung Nachfragersicht ◼ Anpassung der Kundenbedürfnisse durch gezielte und situationsgerechte Kommunikation in verschiedenen Medien ◼ Risikoausgleich aufgrund der Vermeidung von Abhängigkeiten auf bestimmte Medien ◼ Vollkommene Markttransparenz auch beim Offlineeinkauf in Hinblick auf mobil zugängliche Informationen ◼ Steigender Wettbewerbsdruck durch Markttransparenz zugunsten der Nachfrager ◼ Mobile Mehrwerte in Form von Mobilität, Erreichbarkeit, Kontextsensitivität sowie der Identifikation ◼ Verwirrung beim Kunden durch die Kommunikation der gleichen Leistung in verschiedenen Medien ◼ Unzufriedenheit aufgrund mangelnder Channel-Hopping- Möglichkeiten ◼ Daten- und Bezahlunsicherheit durch externe Zugriffs- und schlechte Kontrollmöglichkeit ◼ Überforderung aufgrund des technologischen Fortschritts und der permanenten Neuerungen ◼ Mangelnde Vergleichsmöglichkeit durch die Fülle und Vielfältigkeit der Angebote Tab. 2.20: Risk-Benefit des Mobile Business aus Anbieter- und Nachfragersicht 350 350 Vgl. Heinemann (2012), S. 193 ff.; Passenheim (2003), S. 124. S pe zifik a der M edienMärkte S pezifika der M edienMärkte 170 2.7.5 Fallstudie Als ein Paradebeispiel für die Umsetzung des Multi-Channel-Mobile-Business gilt www.bestbuy.com. Für alle gängigen Betriebssysteme gibt es native Apps, die auf dem aktuellen technischen Stand basieren. Dabei ist es nicht nur möglich, dass der Nutzer durch das komplette Sortiment navigieren, sondern darüber hinaus die Produkte nach unterschiedlichen Aspekten vergleichen kann. Mit Hilfe des Produkt-Scanners können schnell die favorisierten Produkte gefunden, Produkttests bzw. Bewertungen dazu gelesen sowie die Verfügbarkeit in bestimmten Shops abgefragt werden. Nach dem Kauf über das Smartphone wird der entsprechende Artikel entweder nach Hause geliefert oder kann in einer Filiale der Wahl abgeholt werden. „BestBuy“ zählt zu den weltweit größten Elektronik-Anbietern. Mehr als 26 % des Umsatzes werden im Ausland erzielt, dabei schwerpunktmäßig in Kanada, Europa und China. Das einzigartige Multi-Channel-Konzept von BestBuy wird als zentraler Wettbewerbsfaktor und wesentliche Säule für den zukünftigen Erfolg gesehen. Es soll den Kunden so viele „Customer Touch Point“-Möglichkeiten, wie realisierbar sind, bieten, entweder über Ladenstandorte, Websites, mobile Applikationen oder Call Center. Das Unternehmen wird insbesondere durch die konsequente Umsetzung des Mobile-Business-Kanals und die Vernetzung von stationären Angeboten und „Location Based Services“ als Vorreiter auf dem Weg zum No-Line-Handel angesehen. 351  Kontrollfragen 1 Nach welchen Differenzierungskriterien lassen sich Printmedien unterscheiden? 2 Erläutern Sie die Begriffe „Ausgabe“ und „publizistische Einheit“ im Kontext von Presseverlagen. 3 Verändern Tageszeitungen ihr Layout, die grafische Gestaltung, müssen sie sich häufig zunächst mit einigen negativen Reaktionen langjähriger Leser auseinander setzen. Erläutern Sie diesen Effekt psychologisch. 4 Begründen Sie, warum der Handel mit gebrauchten Büchern im Vergleich zu anderen Medienmärkten von besonderem Interesse ist. 5 Erläutern Sie, wie Rezipienten auf neue Kinofilme aufmerksam werden und warum das Marketing von Filmen bereits vor der Uraufführung besondere Bedeutung hat. 351 Vgl. Heinemann (2012), S. 176 f. l iteraturVerzeichniS 171 6 Differenzieren Sie die Begriffe „TV-Vollprogramm“, „TV-Spartenprogramm“ und „Social TV“. 7 Was wird im Rundfunkmanagement unter einem Hörfunkformat verstanden? Beschreiben Sie den Begriff und erläutern Sie außerdem das in Deutschland verbreitetste Format. 8 Welche Akteure agieren auf dem Markt für Video- und Computerspiele? Was sind deren jeweilige Aufgaben? 9 Wie sind die strukturellen, strategischen und institutionellen Markteintrittsbarrieren im Spielesoftwaremarkt ausgeprägt? 10 Erläutern Sie die beiden Hauptprozessschritte „Spieleentwicklung“ und „Spieletitelvervielfältigung“ in der Video- und Computerspieleproduktion! 11 Welche unterschiedlichen psychologischen oder krankhaften Ausprägungen kann die Internetnutzung durch den Rezipienten aufweisen? 12 Welche unterschiedlichen Formen des Mobile Business gibt es? 13 Was sind für den Nachfrager Nutzungsbarrieren, um angebotene mobilen Services nicht zu nutzen? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. 2.8 Literaturverzeichnis Andrejevic, M.; Lee, Hye Jin: Second Screen Theory: From the Democratic Surround to the Digital Enclosure. In: Holt, J.; Sanson, K. (Hrsg.): Connected Viewing: Selling, Streaming & Sharing Media in the Digital Age, Taylor & Francis, Routledge, New York, 2014. 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S pe zifik a der M edienMärkte 184 Kapitel 3 Medienproduktion  Lernziele Nach diesem Kapitel können Sie … ◼ die Grundlagen der menschlichen Sinneswahrnehmung und Verarbeitung von Reizen für Medienprodukte beschreiben. ◼ die Auswirkung der Farbwahl, wichtiger visueller Gestaltungsregeln sowie der Bildauswahl bzw. des Bildausschnittes auf eigene Medienprodukte anwenden. ◼ den technischen Produktionsprozess unterschiedlicher Medienformen in seinen typischen Phasen beschreiben. ◼ unter Anleitung Ziele und Meilensteine für Multimedia Projekte entwerfen und ein Minimalschema zur Planung, Durchführung und Kontrolle im Multimedia Projektmanagement aufstellen. ◼ die grundlegenden Einflussfaktoren für die Kalkulation von Zeitungen/ Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendungen sowie bei Multimedia Produktionen benennen. Die Produktion von Mediengütern ist aufgrund ihrer Eigenschaften mit branchenspezifischen Charakteristika verbunden. Es soll nachfolgend weniger die technische Produktion wie bspw. das Drucken einer Zeitung, Zeitschrift oder eines Buches betrachtet werden, sondern vielmehr die Entwicklung der Inhalte im Vordergrund stehen. Hierzu werden im Kap. 3.1 zunächst die Grundsätze der Gestaltung diskutiert. Im Rahmen von multimedialen Anwendungen werden unterschiedliche Sinnes- und Wahrnehmungskanäle angesprochen, die allerdings in ihrer Aufnahme durch individuelle Schwellwerte begrenzt sind. Diese werden bei der Gestaltung von Medienprodukten oft gezielt genutzt. Die Aufnahme und Verarbeitung von Reizen wird innerhalb dieses Kapitels auf Basis unterschiedlicher Modelle diskutiert und die grundlegenden Gestaltgesetze bzw. Grundlagen der Gestaltung multimedialer Produkte aufgezeigt sowie hieraus abgeleitet. M edienproduktion 186 Typografie sowie der Einsatz und die Gestaltung von Schrift hat auch in digitalen Medien und vielen multimedialen Produktionen einen festen Platz. Das Kap. 3.2 betrachtet daher zunächst die unterschiedlichen Gesetzmäßigkeiten der Schrift sowie Faktoren zur Beurteilung textueller Darstellung. Anschließend werden detailliert die Elemente Bild, Grafik, Druck, Animation & Bewegtbild sowie Audio erörtert. Viele Aufgaben im Multimedia Marketing haben Projektcharakter. Im Kap. 3.3 werden die zum Management solcher Vorhaben notwendigen Grundbegriffe, Methoden und Zusammenhänge dargestellt. Neben den klassischen Bausteinen „Entstehung & Konzeption“, „Start“, „Planung“, „Durchführung“ und „Abschluss“ wird auch der Aspekt der „Psychologie“ diskutiert, da Projektmanager mit einer einmaligen oder neuartigen Situation umgehen müssen und dabei das Projekt gemeinsam mit dem Team zum Erfolg führen sollen. Für jedes Medienprodukt gibt es unterschiedliche und spezifische Produktionsprozesse. Wichtige in den Produktionsprozess einfließende elementare Faktoren sind Informationen, Arbeitsleistung und Technologien. Deren Ausgestaltung sowie die Produktkalkulation wird im Kap. 3.4 für „Zeitungen und Zeitschriften“, „Radiosendungen“, „Fernsehproduktionen“ und „Crossmedia- Produktionen“ diskutiert. 3.1 Grundsätze der Gestaltung Zur Gestaltung multimedialer Produkte ist es wesentlich zu verstehen, wie Menschen Informationen, Reize und andere Umwelteinflüsse wahrnehmen und verarbeiten. Dieses Kapitel gibt daher zunächst einen Überblick zur menschlichen Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Anschließend werden allgemeine gestalterische Grundlagen der Medienproduktion sowie Grundbegriffe und Zusammenhänge der Gestaltung unterschiedlicher Medienformen behandelt. Die Praxis und Wissenschaft des zielgerichteten Entwerfens von Medienangeboten wird als Medienkonzeption bzw. Mediendesign bezeichnet. Die Gestaltung und wissenschaftliche Analyse sowie Erforschung multimedialer Produkte ist heute interdisziplinär und findet unter Beteiligung unterschiedlicher Fachdisziplinen statt: 353 352 Vgl. Bennet (2005), S. 26. 353 Vgl. Malaka et al. (2009), S. 23.; Urban (2011), S. 9 ff. u. a. G rundsätze der G estaltunG 187 ◼ Die (Medien-)Informatik und Medientechnik sucht nach technischen Lösungen. ◼ Die Psychologie betrachtet menschliche Faktoren und die Wirkung von Multimedia-Angeboten auf Menschen. ◼ Konzeption, Marktforschung und Mediendesign erarbeiten die Gestaltung und den Einsatz der Produkte. ◼ Die Medienwissenschaft behandelt Auswirkungen auf die Gesellschaft. ◼ Medienökonomie, -wirtschaft und Wirtschaftsinformatik befassen sich mit den ökonomischen Aspekten. ◼ Das Medienrecht betrachtet die sich daraus ergebenden rechtlichen Auswirkungen, Rahmenbedingungen, Konflikte und Anforderungen. Von multimedialen Darstellungen werden verschiedene Sinnes- oder Wahrnehmungskanäle angesprochen. Der Mensch verfügt über fünf unterschiedliche Wahrnehmungskanäle, die vornehmlich über einzelne, dafür zuständige Sinnesorgane wahrgenommen werden können. 354 Tatsächlich können Wahrnehmungen einzelner Sinneskanäle in der Realität teilweise auch durch weitere, meist unbewusste Wahrnehmung über alternative Kanäle unterstütz werden. Angesprochen wird im Bereich des Multimedia Marketing aber zumeist ein einzelnes Sinnesorgan oder eine gezielte Kombination mehrerer der fünf Sinne mit ihren jeweiligen Wahrnehmungskanälen: [1] visuell (sehen): die Augen [2] kinästhetisch (fühlen, tasten): die Haut [3] auditiv (hören): die Ohren [4] olfaktorisch (riechen): die Nase [5] gustatorisch (schmecken): die Zunge Auf der Präsentationsebene wird dabei zwischen monomedialen Darstellungen (z. B. UKW-Radio, primär ausgerichtet auf das Hören) und multimedialen Darstellungen (z. B. Fernsehgerät, ausgerichtet auf Hören und Sehen) unterschieden. Je nach Perspektive der Betrachtung kann eine ähnliche Unterscheidung jedoch auch für die Codierung der selben Information (Umwandlung für den Menschen) und der sinnlichen Wahrnehmung als Vorstufe der Verarbeitung von Reizen (Perzeption) dargestellt werden. 355 Die Unterscheidungen sind in der nachfolgenden Tab. 3.1 dargestellt: 354 Zusätzlich können z. B. durch sehr laute Schallquellen (auditive Wahrnehmung) neben dem hörbaren, akustischen Reiz damit weitere Reize verbunden sein (Luftzug, Bewegung etc.), die über andere Sinnesorgane wahrgenommen werden können. 355 Vgl. zur Aufteilung Weidenmann (2002), S. 47 u. a. sowie Malaka (2009), S. 53 für Erläuterungen und Beispiele. M edienproduktion M edienproduktion 188 Präsentation Codierung Perzeption monomedial monocodal Monomodal multimedial multicodal Multimodal Tab. 3.1: Formen medialer Darstellungen Der Begriff Multimedia wurde bereits 1995 als „Wort des Jahres“ gewählt, hat heute aber Eingang in die Alltagssprache gefunden. Waren frühe Definitionen noch oft auf Computer als multimediale Präsentationsform beschränkt, so lösen sich aktuelle Definition 356 des Begriffs von dieser Sichtweise. Auch wenn der Duden Multimedia nach wie vor als „das Zusammenwirken, die Anwendung von verschiedenen Medien (…) mit Hilfe von Computern“ umschreibt. Es lässt sich folgende Definition für den Begriff Multimedia ableiten: Multimedia ist das abgestimmte Ansprechen verschiedener Kommunikationskanäle unter Einsatz verschiedener Medien oder Modalitäten mit dem Ziel einer integrierten, ganzheitlichen Wahrnehmung als Gesamtheit. Alle menschlichen Sinnesorgane sind in ihrer Ansprechbarkeit durch Schwellen begrenzt. Aufeinanderfolgende Reize müssen sich deutlich genug voneinander unterscheiden, um getrennt wahrgenommen zu werden. Es gilt, dass der Unterschied umso größer sein muss, je stärker der schon vorhandene Reiz ist. Dabei wird auch von der sog. relativen Wahrnehmungsschwelle gesprochen. 357 In der Gestaltung von Medien werden diese Wahrnehmungsschwellen der menschlichen Sinne oft gezielt genutzt. So ist das visuelle System des Menschen bspw. nicht in der Lage, schnell wechselnde Bilder getrennt wahrzunehmen. Um die Illusion fließender Bewegungen zu erzeugen, wird diese Eigenschaft etwa in der Fernsehproduktion gezielt angesprochen. Die Unterschiedsschwelle ist konstant proportional zur Reizintensität. Dieses Prinzip wird auch als Webersches Gesetz, nach seinem Entdecker, beschrieben. Je nach Sinnesmodalität liegen die Unterschiedsschwellen bei Menschen unterschiedlich hoch. 358 356 Vgl. hierzu u. a. Klimsa (2002), S. 5 ff., Henning (2003), S. 19, Malaka ebd., Viererbe (2010), S. 33 ff. sowie teilweise frühere Auflagen der genannten Autoren für ältere Darstellungen. 357 Vgl. Felser (2007), S. 120 f. und Zimbardo/ Gerrig (2008), S. 118 ff. u. a. 358 Vgl. Bourne/ Ekstrand, 2005, S. 111 und Goldstein (2010), S. 14 f. G rundsätze der G estaltunG 189 Die Lautstärke eines Musikstücks wird auf den Wert „10“ (lineare Skala) eingestellt. Ausgehend von einer Unterschiedsschwelle für Lautstärke von vereinfacht 5 %, würde es mehr als ausreichen, den Regler während einer gleichbleibend laut aufgenommenen Schallquelle bei der Wiedergabe von „10“ auf „11“ zu erhöhen. Wird dagegen das Stück mit der Lautstärke „80“ abgespielt, muss für einen wahrgenommenen Lautstärkenunterschied desselben Stückes der Regler auf mindestens „84“ erhöht werden. Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen, z. B. der Lautstärke, erfolgt bei Menschen in mehreren Stufen. Je nach psychologischer Betrachtungsweise wird dieser Prozess unterschiedlich beschrieben. Ein bekanntes Modell ist das sog. S-O-R-Modell, welches aus den drei Teilen Stimulus, Organismus und Reaktion besteht. Wie jedoch bereits gezeigt, muss der Reiz in der Medienproduktion auch oberhalb der jeweiligen Wahrnehmungsschwelle liegen. Für viele Medienproduktionen im Multimedia Marketing, die auf eine Reaktion auf das Produkt oder dessen bewusste Wahrnehmung ausgerichtet sind, ist dafür zusätzlich die Aufmerksamkeit des adressierten Menschen notwendig. Es lässt sich so der in Abb. 3.1 dargestellte allgemeine Prozess der Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen durch den Menschen ableiten. Aufmerksamkeit Reiz/ Stimulus Wahrnehmung Entscheidung/ Antwort Ausführung Abb. 3.1: Prozess der menschlichen Wahrnehmung und Reaktion 359 Auf dieser Grundannahme beruht auch eines der bekanntesten Modelle der Werbewirkung: das sog. AIDA-Modell. 360 Die Buchstaben A I D A stehen dabei für die einzelnen Elemente der Handlungssequenz: A - Attention: Die Reaktion beginnt mit Aufmerksamkeit. I - Interest: Nach der Aufmerksamkeit kann Interesse entwickelt werden. D - Desire: Ein Wunsch nach Aktion oder dem Produkt kann entstehen. A - Action: Die beabsichtigte Handlung (z. B. Kauf, Konsum) erfolgt. 359 Vgl. Felser (2011), S. 12ff., ausführlich auch Zimbardo/ Gerring (2008), S. 108ff. 360 Vgl. Bruhn (2010), S. 207; Felser ebd. S. 13; Kloss (2012), S. 86 u. a. M edienproduktion M edienproduktion 190 Dieses sehr bekannte Modell wurde ursprünglich zur Systematisierung von Verkaufsgesprächen entwickelt und vielfach in der Werbegestaltung eingesetzt. 361 Obwohl das Modell heute oft kritisiert wird, 362 war es dennoch wegweisend für die Entwicklung anderer Ansätze 363 und wird noch immer, etwa für Analysezwecke, genutzt. Nicht mehr aufrechterhalten werden kann inzwischen etwa die ursprüngliche Annahme des Modells, dass die einzelnen Schritte der Reizverarbeitung nacheinander durchlaufen werden müssen und es sind zur Erklärung des Kaufverhaltens zusätzlich noch eine Reihe weiterer Faktoren, wie etwa Verfügbarkeit, Preis, Beratung usw., zu berücksichtigen. Die Verarbeitung der Reize erfolgt vor allem im Gehirn. Zur Beschreibung der Reizverarbeitung bedient sich das Multimedia Marketing inzwischen Erkenntnissen der Medizin, Psychologie und insbesondere der Neurowissenschaft sowie Hirnforschung. Ein sehr bekanntes, älteres, teilweise jedoch auch widerlegtes Modell 364 zur Analyse der Verarbeitung von Reizen im Gehirn ist die sog. Hemisphärenforschung. Sie geht davon aus, dass die beiden Hirnhälften tendenziell für unterschiedliche Aufgaben der Wahrnehmung und Reizverarbeitung zuständig sind. linke Gehirnhälfte sprachlich-logische Verarbeitung Bsp. Details, Sprache, Logik, Fakten rechte Gehirnhälfte bildlich-emotionale Verarbeitung Bsp. Kontext, Bilder und visuelle Wahrnehmung, Emotionen, Kreativität Abb. 3.2: Aufgaben der menschlichen Hirnhälften 365 361 Vgl. Schmidt (2004), S. 253 ff.; Seebohn (2011), S. 5. 362 Vgl. Bongard (2002), S. 211 ff.; Moore (2005), S. S. 252 ff.; Reinecke/ Janz (2007), S. 227 ff.; Kloss (2012), S. 86 u. a. 363 Hampel nennt ca. 40 Stufenmodelle der Werbewirkung. Vgl. Hampel (2011), S. 51 ff. 364 Vgl. Scheider/ Held (2007), S. 30 ff. 365 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Campbell/ Reece/ Markl (2003), S. 1250. G rundsätze der G estaltunG 191 Moderne bildgebende Verfahren und aktuelle Erkenntnisse der Hirnforschung legen nahe, dass die gezielte Verarbeitung bestimmter Reize sich eher auf Teilbereiche des Gehirns eingrenzen lässt. In Abb. 3.3 sind die Teilbereiche des Gehirns mit ihren primären Verarbeitungsaufgaben dargestellt. Diese Erkenntnisse wurden bereits im Bereich des Multimedia Marketing eingesetzt. So ließ sich nachweisen, dass emotionale Markenwerbung andere Gehirnareale stimuliert als rationale Werbeauftritte und sich zudem besser daran erinnert wird. 366 Gestützt werden diese Erkenntnisse von Ergebnissen der Lernforschung, welche den Erfolg multimedialer im Vergleich zu monomedialer Darstellung vielfach belegen konnte. 367 So zeigte etwa Paivio bereits 1971, dass sich an beiläufig gelernte Bilder nach einer ganzen Woche besser erinnert wird, als an absichtlich gelernte, abstrakte Substantive nach einer Lernpause von nur 5 Minuten. 368 Frontallappen (Entscheidung, Emotion) Temporallappen (Gehör) Okzipitallappen (Sehen) Parietallappen (Hautsinne) Abb. 3.3: Gehirnareale der Reizverarbeitung 369 In den folgenden Abschnitten werden begriffliche, technologische und gestalterische Grundlagen erläutert, mit deren Hilfe es möglich ist, monosowie multimediale Medien- und Marketingkonzeptionen zu entwickeln, zu diskutieren, zu bewerten oder zu verstehen und in Zusammenarbeit mit anderen Fachdisziplinen professionell zu agieren. 366 Vgl. Ambler, T./ Ioannides, A./ Rose, S. (2000). 367 Vgl. Klimsa (2002), S. 9 ff. sowie die dort beschriebenen Studien für Beispiele. 368 Vgl. Paivio (1971) im Original, zitiert nach Klimsa (2002), S. 9. 369 Eigene Darstellung, in Anlehnung an Spitzer (2005), S. 65 f. u. a. M edienproduktion M edienproduktion 192 Die Entscheidung oder Einordnung von wahrgenommenen Reizen durch den Menschen erfolgt hypothesengesteuert. Die Bildung dieser Hypothesen der Wahrnehmung wird durch Motive und Erfahrungen beeinflusst. Gestaltung im Multimedia Marketing sollte sich daher einiger grundlegender Gestaltgesetze bzw. Grundlagen der Gestaltung bewusst sein. Die heute im deutschsprachigen Raum unter der Bezeichnung Gestaltgesetze bekannten Grundlagen der menschlichen Wahrnehmung und Verarbeitung visueller Reize gehen im Wesentlichen bereits auf Arbeiten von Wertheimer und Metzger zurück. Im Folgenden sind einige wesentliche Grundsätze dieser Arbeiten, die sich vielfach in der Literatur finden und auch in späteren Forschungsarbeiten bestätigt wurden, zusammenfassend dargestellt. 370 Das heißt, alles was Menschen wahrnehmen, wird spontan im Gehirn möglichst zu einem sinnhaften Ganzen ergänzt. Dabei kommen folgende Grundregeln 371 regelmäßig zum Einsatz: ◼ Figur und Hintergrund ◼ Gesetz der Nähe ◼ Gesetz der Ähnlichkeit ◼ Gesetz der guten Fortsetzung ◼ Gesetz der Geschlossenheit ◼ Gesetz der Einfachheit Die Figur-Hintergrund-Unterscheidung ist die graphische und räumliche Organisation von Einheiten. In der menschlichen Wahrnehmung wird erwartet, dass eine Figur, also der relevante Gegenstand, sich von einem Hintergrund abhebt. So kommt bspw. die doppeldeutige Wahrnehmung (zwei Gesichter oder eine Vase) in Abb. 3.4 zustande. Nahe beieinander liegende Elemente werden gemäß dem Gesetz der 370 Vgl. Wertheimer (1923) und Metzger (1936). 371 Vgl. zur Gestaltpsychologie zusammenfassend auch Bruhn (2011), S. 460 ff., zur Auswahl der Gestaltgesetze Fries (2010), S. 68 f. u. a. Abb. 3.4: Beispiel der Figur-Hintergrund- Unterscheidung 372 G rundsätze der G estaltunG 193 Nähe als Einheit wahrgenommen. So werden die in Abb. 3.5 dargestellten Quadrate einmal als in Spalten angeordnet (dunkelgrau) und einmal als in Reihen angeordnet (hellgrau) empfunden. Dieses Gesetz wird etwa bei der Navigationsgestaltung oder anderen grafischen Auf bereitungen im Multimedia Marketing gezielt genutzt. So kann bspw. durch einfache Formen (großes Quadrat und zwei Kreise) ein Tisch mit zwei Sitzplätzen symbolisiert werden, wenn diese Symbole entsprechend nahe zueinander angeordnet werden. Ähnliches gilt für das Gesetz der Ähnlichkeit, Dinge die einander ähnlich sind (z. B. in Form oder Farbe) werden als zusammengehörig wahrgenommen. So werden auch in diesem Buch gezielte Hervorhebungen genutzt, um Orientierung zu bieten. Gemäß dem Gesetz der Geschlossenheit wird etwas als zusammengehörig wahrgenommen, wenn es durch Linien umschlossen ist. Ein Beispiel dafür liefern die beiden umrahmten grauen Kästchen in Abb. 3.6. Es werden außerdem Formen in guter Fortsetzung bevorzugt als Figur zusammengesetzt bzw. erkannt, wenn ein sinnvoller Zusammenschluss möglichst vieler Linien zu erkennen ist oder sich diese nach der Einfachheit symmetrisch organisieren lassen. Die Gestaltgesetze finden vielfach in der modernen Medienproduktion Anwendung. So werden z. B. bei der Websitegestaltung regelmäßig die Gesetze der Nähe und der Ähnlichkeit eingesetzt, um die Akzeptanz für Werbung zu erhöhen. Werbende Inhalte werden dabei in einer ähnlichen Aufmachung (Schrift, Hintergrundfarbe etc.) und nahe dem redaktionellen Inhalt angeboten. Die visuelle Unterscheidung von Werbung und Redaktion wird einerseits damit erschwert, andererseits ergibt sich dadurch oft eine insgesamt harmonischere, einfachere Gesamtgestaltung. So wird der visuelle Gesamteindruck einer Website für den Betrachter verbessert. Auch bei der Gestaltung von Printprodukten, Navigationen oder User-Interfaces lassen sich vielfach die dargestellten Gestaltgesetze einsetzen. 372 Abgebildet ist die „Rubin’sche Vase“, ein bekanntes Beispiel für optische Illusionen, die auf perzeptueller Mehrdeutigkeit der Figur-Grund-Beziehung beruht. Vgl. im Original Rubin (1921), Anhang, Abb. 3. Abb. 3.6: Gesetz der Geschlossenheit Abb. 3.5: Gesetz der Nähe M edienproduktion M edienproduktion 194 3.2 Typografie und Schrift Typografie ist die Kunst der Gestaltung von Druckerzeugnissen. Der Einsatz und die Gestaltung von Schrift hat auch in digitalen Medien und vielen multimedialen Produktionen einen festen Platz. In Werbeanzeigen werden zentrale bildliche Aussagen oft durch Schrift ergänzt oder in den gewünschten Kontext gesetzt. Im Fernsehen werden zentrale Aussagen zu Personen oder Nachrichten schriftlich dargestellt. Viele Webseiten basieren überwiegend auf Text - die Entwicklung von Schrift wird oft als wichtiges Merkmal einer Hochkultur gesehen. Die Erfindung des Buchdrucks begründet die Entwicklung unserer heutigen Massenmedien, bei denen beinah beliebig viele Kopien einer identischen Botschaft zu geringen Kosten produziert werden können. Typografie dient jedoch nicht nur dem Transport von Information, sondern bietet Orientierungshilfe für den Leser. Sie kann das Lesen, die Wirkung oder Aufmerksamkeit für ein Medienprodukt steuern und beeinflussen. Selbst der relativ junge Kurznachrichtendienst Twitter basiert auf dem Einsatz von Schrift in einem neuen Kontext und dem Internet als Transportmedium. In diesem Kapitel werden daher die Grundbegriffe der Textgestaltung vermittelt und dargestellt. Technisch gesehen wird beim Schreiben eines Textes eine Folge von Zeichen aus einem festgelegten Zeichenvorrat auf ein Trägermedium aufgebracht. Anfangs wurden dafür Stein- und Tontafeln eingesetzt, später kamen Papyrusrollen, das heute verwendete Papier und inzwischen vielfältige verschiedene Displaytechnologien, wie in modernen E-Book-Reader mit spezieller Schriftdarstellung, zum Einsatz. Ein identischer Text oder Slogan kann in unterschiedlichen Schriften dargestellt sehr verschieden wirken. Die Lesbarkeit und Anmutung einer Schrift wird dabei durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. In Abb. 3.7 sind einige grundlegende Fachbegriffe der Schriftgestaltung, insbesondere zur Abmessung dargestellt. Alle Buchstaben werden in der Darstellung auf einer Grundlinie angeordnet. Die Höhe der Kleinbuchstaben wie e, m, n oder x wird dann als Mittellänge oder x-Höhe beschrieben. Ragen Buchstaben über diese Höhe hinaus oder herunter, so besitzen sie Oberbzw. Unterlängen. Die Höhe des großen Buchstaben M wird auch als Versalhöhe oder EM bezeichnet. Versalhöhe Oberlänge Mittellänge Unterlänge Vorbreite + Buchstabenbreite + Nachbreite = Laufweite Grundlinie Abb. 3.7: Auswahl an Fachbezeichnungen eines Schriftschnitts 373 373 Eigene Darstellung, zu den Bezeichnungen vgl. Malaka et al. (2009), S. 151, ausführlich auch Böhringer et al. (2000), S. 44. t ypoGrafie und s chrift 195 Manchmal wird Schrift in Versalien (GROSSBUCHSTABEN) oder Kapitälchen (verkleinerte Grossbuchstaben) dargestellt und kann in verschiedenen Schriftschnitten (meist normal, fett und kursiv oder daraus kombiniert) vorkommen. Die Größendarstellung einer Schrift wird als Schriftgrad bezeichnet und in gedruckten Medien oft in typografischen Punkt angegeben. Die Umrechnung eines solchen typografischen Punktes in mm ist davon abhängig, welcher Standard verwendet wird. Das Schriftbild und die Lesbarkeit einer Schrift werden durch diese Werte beeinflusst. Fast alle heute verwendeten Schriftarten sind sog. Proportionalschriftarten, bei denen jeder Buchstabe eine individuelle Laufweite, die auch Dickte genannt wird, aufweist. Damit ergibt sich ein besonders harmonisch wirkendes Schriftbild, in dem keine Lücken rechts oder links von kleineren Buchstaben wie „i“ oder „l“ auftreten. Das Schriftbild lässt sich zusätzlich verbessern, indem aufeinanderfolgende Buchstaben je nach ihrer Passform näher zusammengerückt werden oder weiter auseinander stehen. Diese Anpassung wird auch Kerning genannt und ist in Abb. 3.8 zum besseren Verständnis dargestellt. Vor allem bei gedrucktem Fließtext wird die Lesbarkeit und Lesegeschwindigkeit erhöht, wenn eine Schrift mit sog. Serifen eingesetzt wird. Es handelt sich hierbei um kleine Verzierungen an Enden der Linien von Buchstaben, wie sie in Abb. 3.9 dargestellt sind. Für neue Medien (Websiten, Tablet-Anwendung, Smartphones u. ä.) werden hingegen zumeist serifenlose Schriften empfohlen, da Untersuchungen gezeigt haben, dass in elektronischen Medien - anders als bei gedrucktem Text - diese als besser lesbar wahrgenommen werden. 374 Nielsen/ Hoa sehen die Ursache für dieses Phänomen in den detailreichen Serifenschriften selbst: „Leider bieten Computerbildschirme nicht die gleiche typografische Qualität wie der Druck und deshalb sehen die feinen Details der Serifenschriften am Monitor ganz und gar nicht fein aus.“ 375 Bei der Gestaltung von Printsowie neuen Medien ist eine Vielzahl von weiteren Faktoren technischer sowie gestalterischer Art zu berücksichtigen, die hier nicht alle aufgeführt werden können. Zur Schriftgrößendarstellung ist insbeson- 374 Vgl. Nielsen/ Loranger (2006), S. 230. 375 Nielsen/ Loranger ebd. Abb. 3.8: Das Kerning beeinflusst die Passform von Buchstaben. Abb. 3.9: Schrift mit Serifen (schwarz) M edienproduktion M edienproduktion 196 dere auf Webseiten jedoch besonders zu beachten, dass der gleiche Schriftgrad nicht immer gleich groß wirken muss, wie Abb. 3.10 zeigt. Als Faustregel für längere Texte auf Internetseiten kann jedoch eine Schriftgröße von 10 bis 12 Punkt zur Orientierung (für ein allgemeines Publikum) empfohlen werden. 376 Schrift Georgia Schrift Times New Roman Abb. 3.10: Größenwirkung von Schriftarten in 12 Punkten Die mediale Form über die ein Inhalt vom Nutzer aufgenommen wird, erfordert eine angepasste Gestaltung. Dabei ist jedoch nicht nur die Lesegeschwindigkeit zu beachten, sondern es muss zusätzlich berücksichtigt werden, ob das Gelesene gut behalten sowie mental verarbeitet wird und ob die Nutzer die jeweilige Darstellung als angenehm empfinden. Relevante Faktoren zur Beurteilung textueller Darstellungen sind somit: ◼ die Lesegeschwindigkeit ◼ die subjektive Wahrnehmung ◼ die Erinnerungsleistung ◼ der kognitive Verarbeitungsaufwand Eine Studie der Universität Mainz hat diese Faktoren 2011 in einer kleinen vergleichenden Untersuchung betrachtet. Dabei wurde das Lesen auf Papier mit dem Lesen auf einem Tablet-PC und einem E-Ink-Reader unterschieden. Zum Einsatz kamen unterschiedliche Textsorten. Hier zeigte sich, dass aus neuronaler Perspektive der Aufwand für das Verarbeiten neuer Informationen 377 beim Lesen auf dem Tablet deutlich geringer ausfiel, als auf Papier oder einem E-Ink-Reader. Das Lesen auf dem Tablet war der Studie zur Folge also „leichter“. In der subjektiven Einschätzung der Probanden („Wohlfühlfaktor“ beim Lesen) erreichte jedoch das Papier die höchsten Werte. Bei der Lesegeschwindigkeit zeigten sich Unterschiede im Alter der Probanden. Die jüngere Probandengruppe (Durchschnittsalter 26 Jahre) benötigte medienunabhängig pro Textseite durchschnittlich 23 Sekunden. Bei der Gruppe der älteren Probanden (Durchschnittsalter 64 Jahre) lagen die Werte für eine Tablet- Seite bei 22 Sekunden, für eine Papierseite bei 26 Sekunden bzw. 27 Sekunden auf dem E-Ink-Reader. Diese Ergebnisse sind in Abb. 3.11 zusammenfassend dargestellt. Zu beachten ist dabei allerdings die relativ geringe Zahl der Probanden (n = 30) in dieser Studie, in der zudem beide Gruppen (alt und jung) nicht 376 Vgl. Nielsen/ Loranger (2006), S. 219. 377 Gemessen über eine EEG-Messung über Veränderungen der Hirnaktivität im Thetaband (zwischen ca. 3,5 und 7,5 Hertz). t ypoGrafie und s chrift 197 gleich groß waren. 378 Bei der Erinnerungsleistung 379 zeigte die Studie keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Medien. Ø 26 Jahre Ø 64 Jahre 23 Sek. 27 Sek. 23 Sek. 22 Sek. 23 Sek. 26 Sek. 5,9 5,45 5,95 Abb. 3.11: Lesegeschwindigkeit und Thetaband-Aktivierung (Mitte) auf unterschiedlichen Medien (n = 30) 380 Die Ergebnisse dieser Studie waren in der Fachwelt allerdings umstritten, 381 sie zeigen zwar einen möglichen Trend, weitere Untersuchungen, insb. auf neurowissenschaftlicher Basis zur Prüfung dieser Ergebnisse, stehen jedoch aus. Eine mögliche Ursache für die kontroverse Diskussion dieser Studienergebnisse (abgesehen von Fragen der Methodik) liegt in unterschiedlichen Nutzungssituationen. So zeigte Nielesen bereits 1997, lange vor der Zeit von Tablets und E-Ink-Readern, das Nutzer im Web Seiten nicht Wort für Wort lesen, sondern meist nur einzelne Wörter oder Sätze betrachten. So ist die Art der Betrachtung bzw. Lesegeschwindigkeit möglicherweise nicht nur vom Medium, sondern auch vom Nutzungskontext abhängig. 382 3.2.1 Bild Die meisten Menschen nehmen einen Großteil der wahrgenommenen Informationen visuell auf. Forscher sprechen von ca. 80 % der menschlichen Wahrnehmung, die über den visuellen Kanal erfolgt. 383 Der Schwerpunkt der folgenden Kapitel liegt daher auch in der visuellen Auf bereitung und Gestaltung. 378 Vgl. Universität Mainz (o. V./ 2011): Nähere Informationen zur Lesestudie: Unterschiedliche Lesegeräte, unterschiedliches Lesen? 379 Gemessen über korrekte Antworten auf Verständnisfragen während des Experiments. 380 Eigene Darstellung, zu den Ergebnissen vgl. Universität Mainz ebd. 381 Vgl. hierzu zusammenfassend Spitzer (2012), S. 407 f. 382 Vgl. Nielsen (1997). 383 Vgl. Zühlke (2012), S. 7 ff. M edienproduktion M edienproduktion 198 Das menschliche Auge verarbeitet streng genommen zwei unterschiedliche Arten von visueller Information: Farbe (mit Hilfe der Zäpfchen) und Helligkeit (mit Hilfe der Stäbchen). Der gesunde Mensch kann bis ca. 55 Grad nach oben und 80 Grad nach unten sehen. Allerdings ist der optimale Betrachtungsbereich deutlich geringer als dieses recht große Panorama, wir sehen also nicht überall gleich gut. Auch in der Horizontalen ist der gesamte Betrachtungsbereich, den ein Mensch durch Bewegungen des Kopfes und der Augen erfassen kann, nicht überall gleich gut sichtbar (vgl. Abb. 3.13). 384 Der Bereich für das optimale scharfe Sehen beträgt sogar nur weniger als 1 Grad. Bei einem Leseabstand von 50 cm ergibt dies umgerechnet einen Lesebereich von 7,85 mm. Die Fähigkeit, Objekte in verschiedenen Abständen vom Auge scharf sehen zu können, ist stark altersabhängig. Der notwendige Mindestabstand, in dem noch scharf gesehen werden kann, steigt mit dem Alter. Die Anpassung des Auges zur Fokussierung, dem scharfen Sehen in unterschiedlichen Abständen wird auch Akkommodation genannt. Unser Blick tastet ein Bild in unregelmäßigen Sprüngen ab. Er verweilt an bestimmten Punkten oder Bildausschnitten, es kommt zur sog. Fixation. Anschließend springt der Leser schnell zum nächsten Punkt im Bild. Pro Sekunde schaffen wir so ungefähr 5 Fixationen. Diese Art der Informationsaufnahme wird gedanklich kaum bewusst kontrolliert. Dabei hinterlassen nur die fixierten Punkte ein klares Abbild, alles Weitere erledigt der Verstand. 385 Fixationspunkte etc. können mit der sog. Eye-Tracking-Technologie (der Blickverfolgungsmessung) aufgezeichnet und anschließend ausgewertet oder grafisch sichtbar gemacht werden. Abb. 3.12 zeigt exemplarisch die Auswertung eines Eye-Tracking-Experiments. Hier werden die Fixationen als sog. Heatmap je nach Betrachtungsdauer hervorgehoben. Der Blickverlauf, auch Scanpath genannt, kann alternativ oder ergänzend zur Heatmap durch Zahlen oder Punkte in Kombination mit Linien dargestellt werden. Zusätzlich hat die Helligkeit einen entscheidenden Einfluss auf die visuelle Wahrnehmungsqualität. Das Auge kann sich in begrenztem Rahmen dabei auf unterschiedliche Helligkeitsquellen einstellen. Eine Umstellung von dunkel auf hell erfolgt in wenigen Sekunden, dagegen werden von hell auf dunkel für das Auge einige Minuten zur Anpassung benötigt. Eine intensive, gleichmäßige Be- 384 Vgl. Malaka et al. (2009), S. 25. 385 Vgl. Fries (2010), S. 104. t ypoGrafie und s chrift 199 leuchtung beugt daher Ermüdung vor. 386 Auch die Farbsehleistung ist von der Helligkeit abhängig: die farbempfindlichen Zäpfchen benötigen mehr Licht. Abb. 3.12: Heatmap: Auswertung von Fixationen nach einer Blickverfolgungsmessung Wahrnehmung 10° 30° 60° 100° Farben Lesen Symbole Abb. 3.13: Horizontales Gesichtsfeld des Menschen 387 Der sichtbare Farbbereich für Menschen liegt zwischen dem ultravioletten und dem infraroten Farbspektrum. Die Farbwahrnehmung sowie die Fähigkeit, Farben überhaupt sehen zu können, ist bei Menschen jedoch unterschiedlich. 386 Vgl. Zühlke ebd. 387 Vgl. Herczeg (1994), zitiert und dargestellt in Anlehnung an Böhringer et al. (2000), S. 103 f., Malaka et al. (2009), S. 25 f. und Zühlke (2012), S. 8 ff. M edienproduktion M edienproduktion 200 Obwohl die meisten Menschen Farben sehen können, gibt es einige, die Farben nur teilweise oder gar nicht erkennen. Etwa 8 % der Männer und 1 % der Frauen sind farbenblind. Meist heißt das, dass sie weniger Farben unterscheiden können. Bei der häufigsten Form der Farbenblindheit werden die Farben Rot und Grün nicht unterschieden. 388 Farbe ist dennoch, neben Form und Struktur, ein wichtiges Gestaltungselement. Die Wirkung von Farben ist in ihrer Assoziation teilweise kulturkreisabhängig. Außerdem wirkt eine Farbe immer im Kontext der jeweiligen Umgebung und Beleuchtung. Der identische Farbton kann daher bereits im Innenraum eines Büros anders wirken, als unter freiem Himmel. Für bestimmte Gestaltungsaufgaben im Multimedia Marketing sind daher kontrollierte Beleuchtungsbedingungen oder kalibrierte Wiedergabegeräte notwendig, um Farben verlässlich beurteilen und analysieren zu können. Einige typische Bedeutungsbeispiele für Farben sind in der nachfolgenden Tab. 3.2 dargestellt. 389 Farbbilder und -töne in der Medienproduktion werden oft aufeinander abgestimmt, sodass Bilder harmonisch zueinander passen und z. B. eine farbige Produktverpackung in allen Medien sowie die Verpackung am PoS möglichst identisch dargestellt wird. Viele Anwendungsfälle beschränken sich auf wenige, aufeinander abgestimmte, Farben eines sog. Farbschemas. Diese werden ggf. noch in der Helligkeit variiert und ermöglichen ein konsistentes und harmonisches Gesamtbild. Im unternehmerischen Kontext oder der Markenführung wird die Farbauswahl sogar oft soweit beschränkt, dass nur eine oder höchstens zwei Farben gleichzeitig eingesetzt werden. Farbe Bedeutungen und Assoziationen Rot ◼ Hitze und Wärme ◼ Blut und Aggression ◼ Liebe und Erotik ◼ Gefahr Grün ◼ Natur, Gras, Üppigkeit ◼ Umwelt und Dschungel ◼ „freie Fahrt“, „alles okay“ ◼ Hoffnung Gelb ◼ Sonne ◼ heitere Stimmung ◼ Warnung 388 Malaka et al., 2009, S. 24. 389 Zur Wirkung und Bedeutung von Farben vgl. ausführlich: Bartel (2003), Heller (2004), Vollmar (2005) sowie May/ Kullmann (2009) S. 106 ff. t ypoGrafie und s chrift 201 Blau ◼ Himmel und Meer ◼ Weite, Ruhe, Sehnsucht ◼ Kühle ◼ Verlässlichkeit Orange/ Braun ◼ Herbstfarben, Reife ◼ Wärme und Erde ◼ Schmutz ◼ leuchtendes Orange: Warnfarbe Tab. 3.2: Ausgewählte Bedeutungsbeispiele für Farben Farben können somit gezielt in Produktionen des Multimedia Marketing eingesetzt werden. Beachtet werden muss dabei jedoch, dass sich die Bedeutung und Wahrnehmung sowie Darstellung von Farben bspw. auf unterschiedlichen Endgeräte und Bildschirmen oder in Kulturkreisen stark unterscheiden kann. Sie unterliegen außerdem modischen Trends. Farben sollten daher immer redundant eingesetzt werden. Das hat zum einen Gründe in der Darstellung, es ermöglicht aber auch Farbblinden die Nutzung und Rezeption der Inhalte und vereinfach die Übertragung auf Medien, die keine Farbdarstellung ermöglichen (z. B. Ausdruck auf Schwarz-Weiß-Drucker oder Darstellung auf bestimmten E-Ink-Readern). Alternativ bietet sich oft außerdem der redundante Einsatz von Symbolen anstelle von Farben an. Neben der Farbdarstellung ist auch die Bildauswahl und -bearbeitung für die Wirkung relevant. Abb. 3.14 zeigt exemplarisch die unterschiedliche Wirkung von Bildausschnitten. Je nach dem gewählten Ausschnitt, kann die Aussage eines Bildes verändert oder beeinflusst werden. Abb. 3.14: Unterschiedliche Wirkung von Bildausschnitten 390 390 Fotos: Alexandra H., pixelio.de, 2013, eigene Bearbeitung. M edienproduktion M edienproduktion 202 In den beiden identischen Bildern im Beispiel ändert sich die optische Gewichtung des Mannes. Als kaum wahrgenommener Bestandteil (links) wird der Mann im rechten Foto zum zentralen Bildbestandteil. Bilder sollten dem jeweiligen Verwendungszweck und Medium angepasst sein und inhaltlich zum Text bzw. der Produktaussage passen. Daneben lassen sich einige Bildverwendungsregeln für die meisten Anwendungsfälle aufstellen. Bilder sollten kontrastreich und scharf sein. Außerdem ist, gerade bei klein dargestellten Bildern, die Auswahl des richtigen Bildausschnittes besonders wichtig. Ist auf dem Bild eine Blick- oder Bewegungsrichtung zu erkennen, so folgt das Auge des Betrachters meist unwillkürlich dieser Richtungsvorgabe. Daher sollten sich Objekte nicht von einem zentralen Objekt weg bewegen oder Personen aus einer Seite hinausblicken. Gesichter von Menschen, Tieren oder gesichtsähnliche Formen ziehen allgemein sehr stark die Blicke der Betrachter an. Mit der Kombination dieser Regeln lässt sich oft die Betrachtung steuern. So würde das in Abb. 3.15 rechts dargestellte Bild wohl intensiver betrachtet. Wenn die Aufmerksamkeit des Betrachters jedoch auf ein neben dem Bild stehendes Produkt oder einen Text gelenkt werden soll, das Bild eher berichtenden oder handelnden als werbenden Charakter bekommen soll, so wäre die linke Variante zu empfehlen. Außerdem gelten für die Bildgestaltung die bereits dargestellten Gestaltgesetze und einige weitere, folgende Punkte. Abb. 3.15: Einfluss unterschiedlicher Blickrichtungen 391 Von Betrachtern werden zusammenfassend meist Bilder bevorzugt, 392 die … ◼ lachende und sympathische Gesichter zeigen, ◼ Menschen zeigen, die direkt in die Kamera schauen, ◼ konkrete Aktionen oder sexuelle Reize zeigen, 391 Fotos: Alexandra H., pixelio.de, 2013, eigene Bearbeitung. 392 Vgl. Schneider/ Raue (2012), S. 247 ff.; Heijnk (2011), S. 104; Bosch et al. (2007), S. 430 f. Nielsen/ Loranger (2006), S. 295 ff. t ypoGrafie und s chrift 203 ◼ appetitanregendes Essen bzw. Nahrungsmittel zeigen, ◼ das Wesentliche zeigen (Ausschnitt, Aussage oder Anweisung), ◼ der Blickrichtung Raum geben. 3.2.2 Grafik Grafische Gestaltung wird an vielen Stellen im Multimedia Marketing in unterschiedlicher Form und für verschiedene Zielsetzungen eingesetzt. Für jede grafische Arbeit im Multimedia Marketing sollten daher folgende Fragen beantwortet werden können. 393 ◼ Was ist das Ziel der gestalteten Grafik? ◼ Wie muss das grafische Produkt funktionieren, um dieses Ziel zu erreichen? ◼ Auf welche Weise kann diese Produkt eine möglichst ansprechende Form erhalten, welche die gewünschte Funktion optimal unterstützt? ◼ Welcher Aufwand wird für Gestaltung und Produktion der grafischen Arbeit entstehen und ist dieser angemessen? Vom kleinen Icon, welches als Symbol auf einer Website oder auf der Benutzeroberfläche eines Smartphones eingesetzt wird, bis zur animierten, dreidimensionalen Darstellung, über Präsentationsgrafiken, technische Zeichnungen bis hin zu ganzen Kinofilmen oder Anwendungen der Virtuellen- und Augmented- Reality sind die Anforderungen an Multimedia-Grafiken sehr vielfältig. Entsprechend haben sich im Laufe der Zeit auch unterschiedliche Spezialisierungen, eine Vielzahl von Anwendungsfällen und Workflows herausgebildet. Die grafischen Anforderungen und Arbeitsprozesse im Bereich Multimedia umfassend darzustellen, würde den Rahmen dieses Buches bei Weitem sprengen. Dieses Kapitel beschränkt sich daher auf einige grundlegende Aspekte. Nach wie vor werden Grafiken, auch im Bereich Multimedia, in ihrer Erstellung oft für ein einzelnes Medium konzipiert und optimiert. Anders als Text, Bilder oder Videos lassen sich viele grafische Elemente oder Konzeptionen noch nicht ohne erheblichen Aufwand für unterschiedliche Verbreitungswege oder Darstellungsformen nutzen. Dabei werden jedoch heute in allen gestalterischen Bereichen zwei technische Arten von grafischen Darstellungen unterschieden: ◼ pixel-orientierte Darstellungen ◼ vektor-orientierte Darstellungen Pixelgrafiken setzen sich aus einzelnen Bildpunkten zusammen und sind auflösungsgebunden. In der Praxis bedeutet dies, dass sich Pixelgrafiken nur in begrenztem Maße vergrößern lassen, denn dabei reduziert sich die Anzahl von Pixeln pro Fläche gegenüber der Ursprungsgröße, was die Qualität und Detailtreue der Grafik reduziert. Dafür lassen sich Pixelgrafiken jedoch relativ leicht 393 Vgl. Wäger (2010), S. 19. M edienproduktion M edienproduktion 204 bearbeiten, denn streng genommen bieten sie formatbedingt bereits die Möglichkeit, jedes einzelne Pixel in seiner Farbe und Helligkeit zu manipulieren. Für (foto-)realistische Abbildungen werden daher vornehmlich Pixelgrafiken eingesetzt. Immer wenn Fotos im Spiel sind, wird meist auch mit Pixeln gearbeitet. Diese Abbildungsart hat Folgen für die elektronische Speicherung: vereinfacht gesagt, benötigt ein großes, detailtreues Bild (viele Bildpunkte) mehr Speicher als ein kleines. Auch Digitalkameras oder Scanner erzeugen meist Pixelgrafiken. Einen anderen Weg gehen die Vektorgrafiken. Ein Punkt in einer Vektorgrafik ist nicht als absolute Position innerhalb eines Bildes definiert, sondern wird über die relative Position zu seinen benachbarten Punkten und über eine definierte Verbindungslinie beschrieben. Da sich diese Verhältnisse beim Verkleinern oder Vergrößern, dem Skalieren, nicht ändern, ist eine Vektorgrafik verlustfrei zu vergrößern oder zu verkleinern. Das funktioniert mit relativ geringem Speicherbedarf. Bei grafischen Darstellungen, für die noch keine Ausgabegröße feststeht oder die in verschiedenen Medienformen dargestellt werden soll, wie etwa ein Logo, ein Schriftzug oder eine technisch Zeichnung, ist daher oft eine Vektorgrafik die bessere Wahl. Sobald jedoch versucht wird, mit dieser Technik Objekte aus der realen Welt möglichst realistisch darzustellen, ist dieses Verfahren aufwändig oder schlicht nicht geeignet. Gängige Dateiformate für Pixelgrafiken Gängige Dateiformate für Vektorgrafiken ◼ BPM ◼ GIF ◼ JPEG, JPG ◼ PNG ◼ PSD ◼ TIF ◼ PDF, PS ◼ EPS ◼ AI ◼ CDR Tab. 3.3: Ausgewählte Dateiformate für Grafiken Beachtet werden sollte bei den unterschiedlichen Formaten allerdings, dass in Vektordateien heute teilweise etwa auch Pixelgrafiken mit eingebunden werden können. Beide Grafikarten lassen sich daher in der Praxis nicht immer allein auf Basis des Dateiformates (vgl. Tab. 3.3) klar erkennen oder trennen. Das Erzeugen von Pixelbildern aus einer Vektorgrafik („rastern“) ist, falls notwendig, meist relativ einfach möglich. Dabei muss allerdings eine Auflösung, also eine Größendarstellung, in der die Vektoren anschließend in Bildpunkte umgerechnet werden, festgelegt werden. Aus Pixelgrafiken lassen sich anders herum meist nicht ohne Weiteres Vektorgrafiken erstellen („vektorisieren“). t ypoGrafie und s chrift 205 Neben Fotos werden grafische Abbildungen im Multimedia Marketing auf verschiedene Art und Weise eingesetzt. 394 Typische Beispiele sind: ◼ Strichzeichnungen oder Scribble (vereinfachte Visualisierungen) ◼ Schemata oder technische Zeichnungen (Abläufe, Auf bau, Anleitungen) ◼ Visualisierungen des CAD (2D- und 3D-Abbilder) ◼ Benutzerführungen zur Orientierung (Buttons oder Piktogramme) ◼ Darstellungen technischer oder wissenschaftlicher Informationen 3.2.3 Druck Auch wenn sich Multimedia Marketing vor allem mit elektronischen Medien befasst, so bestehen dennoch vielfach Schnittstellen und Prozesse, die mit traditionellen Printmedien zusammenhängen. Zudem sind klassische, bedruckte Medien wie Bücher, Zeitungen, Zeitschriften oder Werbematerialien fester Bestandteil der meisten integrierten Kampagnen. Die Druck- und Printmedienindustrie ist damit heute eng mit dem Multimedia Marketing verbunden. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über gängige Verfahren und Produktionsweisen der Druckereitechnik. Der konventionelle Produktionsprozess in Printmedien lässt sich in drei Schritten darstellen: die Druckvorstufe, der Druck selbst und die Weiterverarbeitung. Am Ende dieses Prozesses steht ein Druckprodukt. Vorstufe Druck Weiterverarbeitung Druckprodukt Abb. 3.16: Produktionsstufen Printmedien Je nach Anwendungsfall stehen heute unterschiedliche Verfahren zum Bedrucken zur Verfügung. Dabei wird das Papier entweder „endlos“ in Rollen oder in einzelnen Bögen zugeführt. Eine vereinfachte Übersicht ist in Abb. 3.17 dargestellt. Entscheidungskriterien für das passende Verfahren sind vor allem: ◼ die Auflagenhöhe (in welcher Menge soll gedruckt werden), ◼ die Druckqualität sowie das zu bedruckende Material und ◼ teilweise die Bearbeitungsgeschwindigkeit, in der produziert werden soll. 394 Auflistung in Anlehnung an Kothes (2011), S. 189. 395 Eigene Darstellung, vgl. ausführlich Kipphan (2000), S. 43. Druckverfahren mit Druckform Siebdruck Hochdruck Flachdruck Offset Tiefdruck ohne Druckform Toner-basiert Tinten-basiert Träger-basiert Abb. 3.17: Übersicht Druckverfahren (vereinfacht) 395 M edienproduktion M edienproduktion 206 Bei der Herstellung von Massenmedien kommen aus Zeit- und Kostengründen nach wie vor zumeist druckformenbasierte Verfahren zum Einsatz. Je nach konkreten Produktionsanforderungen eignen sich die unterschiedlichen Verfahren mehr oder weniger gut. 396 Das Siebdruckverfahren, auch Durchdruckverfahren genannt, dient meist dem Bedrucken von unterschiedlichen Materialien und Formen. Bedruckte Flaschen, Dosen, Kugelschreiber oder Schalttafeln werden häufig in diesem Verfahren produziert. Die Druckform, der Informationsträger, besteht dabei aus einem feinen Sieb, welches an den zu bedruckenden Stellen ausgewaschen und somit für Farbe durchlässig wird. Die Farbe wird dann auf dem Sieb verteilt und mit einem Rakel durch das Sieb gedrückt. 397 Das Hochdruckverfahren basiert im Grundprinzip auf dem klassischen Buchdruck. Farbe wird auf ein Medium mit erhabenen Stellen aufgebracht und von dort auf den zu bedruckenden Stoff übertragen. Dabei können auch harte und glatte Oberflächen gut bedruckt werden, wie etwa Verkehrsschilder, Glas oder Kunststoff. Eine einfache Art des Hochdruckverfahrens ist der Stempeldruck. Bei Auflagengrößen zwischen ca. 1.000 bis 10.000 Einheiten pro Auftrag ist heute meistens eine Form des Flachdrucks die wirtschaftlichste Variante. Dabei kommen zumeist Varianten des sog. Offsetdrucks zum Einsatz. Das Offsetdruckverfahren nutzt die Eigenschaften von Fett und Wasser, die sich gegenseitig abstoßen. Meist wird dabei eine feuchtfreundliche Aluminiumplatte verwand, die mit einer farbfreundlichen Kunststoffschicht überzogen ist. An den nichtdruckenden Stellen wird dieser Kunststoff in der Vorproduktion beseitigt. Anschließend wird die Platte befeuchtet und danach eingefärbt. Nur die druckenden Stellen übernehmen dabei die Farbe und übertragen sie über ein Gummituch auf das zu bedruckende Material. Offsetdruck kann inzwischen sowohl traditionell, aber in einer Weiterentwicklung auch wasserlos erfolgen. Das zu bedruckende Material, meist Papier, wird je nach Form, in vorgeschnittenen Papierbögen oder endlos als Rolle zugeführt. Bei der Produktion mit Rollen ist oft ein Wechsel der Papierrolle im laufenden Betrieb möglich, ohne dass dafür die Druckmaschine angehalten werden muss. Dies macht den Rollenoffsetdruck für größere Auflagen, die in engen Zeitfenstern zu produzieren sind (z. B. Tageszeitungen) besonders interessant. 396 Vgl. zu den Vor- und Nachteilen der Verfahren ausführlich Bann (2011), S. 84 ff., zu Leistungsmerkmalen mit Bezug zur Auflagenhöhe etc. auch Kipphan (2000), S. 1015 ff. 397 Vgl. Böhringer et al. (2000), S. 135; Kipphan (2000), S. 56 ff. t ypoGrafie und s chrift 207 Farbwerk Feuchtwerk Plattenzylinder Gummituchzylinder Gegendruck und Bedruckstoff Abb. 3.18: Prinzip des Offsetdrucks (Flachdruckverfahren) 398 Der Tiefdruck überträgt die Farbe über eine einzelne Walze dagegen direkt auf das zu bedruckende Material. Es wird dafür eine Druckform mit sog. Näpfchen erstellt: kleine vertiefte Stellen, die anschließend die Farbe enthalten. Aus diesen Näpfchen überträgt sich dann die Farbe auf das zu bedruckende Material. Tiefdruck findet beim Bedrucken von Verpackungen oder Tapeten Anwendung, ein rollenbasierter Tiefdruck lässt sich bei sehr hohen Auflagen von mehreren hunderttausend Exemplaren für Wochenzeitschriften oder Kataloge einsetzen. Alle bisher hier vorgestellten Verfahren benötigen eine sog. Druckform, eine Art Ur-Kopie, von der ausgehend alle weiteren Exemplare erstellt werden. Dies bedingt verfahrenstechnisch relativ hohe Kosten der Erstellung für die erste Kopie. Außerdem lassen sich die Produkte in diesen Verfahren nur schwer personalisieren, da dafür entweder die Druckform erneut geändert werden müsste oder die Personalisierung nur durch eine Kombination mit anderen Verfahren möglich gemacht werden kann. Hier bieten Verfahrensweisen ohne Druckform Alternativen. Einige dieser Verfahren sind auch unter dem Stichwort Digitaldruck bekannt geworden. Aufwand und Kosten zur Erstellung der Ur-Kopie sind hier deutlich niedriger. Dafür ist das einzelne Exemplar teurer, da Spezialfarben oder Toner eingesetzt werden müssen. Da es keine Druckplatte oder Ur-Kopie gibt, können jedoch auch kleine Auflagen wirtschaftlich und hochwertig produziert werden, Änderungen, etwa für Name oder Adresse, sind einfach möglich. 398 Darstellung in Anlehnung an Böhringer et al. (2000), S. 130; Bann (2011), S. 87 ff. M edienproduktion M edienproduktion 208 Die Druckweiterverarbeitung umfasst alle Arbeitsschritte, die nach dem Bedrucken bis zur Fertigstellung des jeweiligen Druckproduktes durchgeführt werden. 399 Die meisten Druckerzeugnisse durchlaufen nach der Druckmaschine noch einen oder mehrere Schritte zur Weiterverarbeitung, bis ein fertiges Endprodukt entsteht. Eine Systematik möglicher Schritte der Weiterverarbeitung ist in Abb. 3.19 dargestellt. Dazu gehört oft das Schneiden der gedruckten Bögen und das Falzen und ggf. Binden. Falzen beschreibt das Herstellen einer scharfen Knickkante unter Einsatz spezieller Maschinen oder Werkzeuge. Bei der Herstellung werden dabei eine Reihe von unterschiedlichen Techniken und Formen des Falzens unterschieden. Um das Falzen zu erleichtern, kann dickes Papier oder Karton gerillt werden. Wird eine Knickkante ohne Werkzeug erstellt, wird vom Falten gesprochen. Außerdem sind viele weitere Binde- und spezielle Veredelungstechniken 400 möglich, bevor das Produkt zum Vertrieb vorbereitet wird. 3.2.4 Animation und Bewegtbild Bewegte Bilder sind heute fester Bestandteil im Multimedia Marketing und inzwischen nicht mehr nur aufwändigen Fernseh- oder Kinoproduktionen vorbehalten. Auch kleine Produktionen sind wirtschaftlich umsetzbar. Die Verbreitung über das Internet sorgt mit der stetig steigenden Bandbreite und Verarbeitungsgeschwindigkeit der Geräte dafür, dass sie inzwischen meist problemlos auch über drahtlose Internetverbindungen transportiert und auf Smartphones der Tablet-PCs dargestellt oder sogar teilweise produziert werden können. 399 In enger Anlehnung an Kipphan (2000), S. 33. 400 Dazu gehören z. B. Kaschieren, Rundkanten, Stanzen oder Versiegeln. Weiterverarbeitung von Druckerzeugnissen drucknahe Weiterverarbeitung Schneiden Rillen/ Perforieren ... druckferne Weiterverarbeitung Falzen Binden Veredeln Vertriebsvorbereitung Abb. 3.19: Übersicht Druckweiterverarbeitung (vereinfacht) t ypoGrafie und s chrift 209 Die im Kapitel 1.2.2 dargestellten Unterschiede zwischen Pixelgrafiken und Vektorgrafiken bedingen es, dass bewegte Bilder in digitalen Medien auf unterschiedliche Arten erzeugt werden können. Grundlage aller Filme und im Prinzip jeder pixelbasierten, bewegten Darstellung ist die vermeintliche Wahrnehmung von Bewegung durch die komplexe Leistung des menschlichen Gehirns im Zusammenspiel mit den Augen. Sehen Menschen eine schnelle Folge von Bildern, in denen sich Objekte schrittweise verändern, werden die Bilder über die Zeit hinweg verglichen und ausgewertet: Der Eindruck von Bewegung kann entstehen. Pro Sekunde sind 18 bis 30 Bildern notwendig, damit eine kontinuierliche Bildfolge als Eindruck eines Films, entstehen kann. Zwar genügen schon etwa 5 Bilder pro Sekunde, um eine Bewegung erkennen zu können, Filme mit weniger als 24 Bildern pro Sekunde werden jedoch als anstrengend empfunden. Zur bewegten Abbildung von realen Objekten mit Kameras wird dieses Prinzip genutzt, indem schlicht in einem definierten Zeitraum eine entsprechende Anzahl von Bildern des bewegten Objekts aufgenommen und später wiedergegeben wird. 401 Einen anderen Weg geht die sog. Computeranimation. 402 Hierbei werden zumeist die in Kapitel 1.2.2 beschriebenen Vektorgrafiken genutzt und ihre Veränderung über die Zeit hinweg beschrieben. Aus diesen Grafiken können gemeinsam mit der Bewegungsbeschreibung dann die notwendigen Einzelbilder zur Darstellung der Bewegung für den Menschen errechnet werden. Dabei lassen sich nicht nur fertige Vektorgrafiken im Raum (2D oder 3D) bewegen, sondern es können auch Eigenschaften der Grafiken, wie die Gestaltung von Linien oder Füllungen, über die Zeit hinweg verändert werden, um einen möglichst realitätsgetreuen Eindruck für den Betrachter zu schaffen. Die einfachste Art einer solchen Animation führt über die sog. Schlüsselbildanimation. Dabei werden die Zustände eines Vektorobjekts (etwa Start und Ende der Szene) definiert. Alle dazwischenliegenden, notwendigen Veränderungen werden interpoliert. Ein bekanntes Werkzeug zur Gestaltung solcher Animationen mittels Zeitleiste und Schlüsselbildern ist Adobe Flash. Neben dem Prinzip der Schlüsselbilder existieren für spezielle Anwendungsfälle noch sog. Partikelsysteme, die mittels physikalischer Simulationen die Animation vieler einzelner Objekte auf einfache Art ermöglichen. In der realitätsgetreuen Darstellung von Objekten spielt die schnelle Wahrnehmung von Bildern eine wichtige, aber nicht die einzige Rolle. Wie realistisch Menschen eine bewegte Abbildung auffassen, hängt bspw. auch davon ab, inwiefern sich ein Mensch in der dargestellten Szene umschauen kann. Dabei spielt die Größe der Abbildung und die Wahrnehmung in unterschied- 401 Vgl. Malaka et al. (2009), S. 173 f. 402 Vgl. Malaka et al. (2009), S. 214 ff. M edienproduktion M edienproduktion 210 lichen Qualitäten des menschlichen Gesichtsfeldes eine Rolle. So kann ein Zuschauer in einen Film auf einem kleinen Bildschirm, im Kino oder in 3D- Darstellung unterschiedlich „tief eintauchen“. Dieses Eintauchen wird auch als Immersion bezeichnet. 403 Der Produktionsprozess 404 bewegter Bilder lässt sich idealtypisch darstellen (vgl. auch Abb. 3.20). Sowohl Filmproduktionen als auch andere Arten der Animation folgen einer ähnlichen Vorgehensweise. kreative Konzeption technische Konzeption Scripting Produktionsplanung Produktion Nachbearbeitung Distributionsvorbereitung Abb. 3.20: Produktionsstufen Bewegtbild Bewegtbildproduktionen beginnen in der Regel mit einer kreativen Konzeption oder einem kreativen Produktionsauftrag. Zumeist werden dabei die späteren Distributionswege bzw. das technische Zielprodukt (Kino- oder Fernsehfilm, Internetvideo etc.) einer Zielgruppe und natürlich die inhaltlichen Anforderungen beschrieben. Handelt es sich um keine Auftragsproduktion, so muss in diesem Schritt häufig auch zunächst die Finanzierung des Projekts geklärt werden. Es folgt eine technische Konzeption, in der definiert wird, mit welchen Techniken das angestrebte Produkt produziert wird, ggf. werden auch technische Dimensionen der Idee aus dramaturgischer oder technisch-organisatorischer Sicht weiterausgearbeitet. Es folgt das Scripting, oft in Form eines ausformulierten Drehbuches. Auf dieser Basis kann die Produktion geplant werden, in der Personen, Dreh- und Arbeitsorte sowie übrige Ressourcen wie Licht, Kamera, Spezialeffekte, spezielle Foto- oder Animationsstudios sowie Schauspieler und, wenn nötig, Drehgenehmigungen organisiert, gebucht und koordiniert werden. Es folgt die eigentliche Produktion des animierten Materials. Je nach Produktionsvorhaben geschieht dies in sehr unterschiedlichen (Teil-)Schritten. Es folgt die Nachbearbeitung, 403 Vgl. Murray (1997), S. 98 f.; McMahan (2003) sowie Neitzel (2008) u. a. Im Schüren Verlag erscheinen außerdem die „Jahrbücher Immersiver Medien“. 404 Vgl. ausführlich Wells (2006). t ypoGrafie und s chrift 211 die häufig auch im deutschsprachigen Raum als „Post-Production“ beschrieben wird. Dazu gehören in der Regel der Schnitt, die Musik- und Tonbearbeitungen, Farbkorrekturen und ggf. die Integration von Spezialeffekten. Anschließend wird das Material zur Auslieferung und Distribution vorbereitet. Je nach Zielformat können hierbei bspw. für computeranimierte Filme umfangreiche Rendering- Vorgänge oder Konvertierungen und Kopiervorgänge für Kino-, Fernseh- oder Internetfilme notwendig sein. 405 Zur Produktion bewegter Bilder genügt es allerdings nicht, nur Objekte mit veränderten Positionen oder Eigenschaften über die Zeit hinweg zu beschreiben. Zwei weitere wichtige Punkte sind die Themen Kamera und Licht. Die Position und Einstellungen der Kamera beeinflussen vor allem das für den Betrachter sichtbare Abbild der Realität und muss konzeptuell daher auch in der Computeranimation berücksichtigt werden. Nachfolgend werden einige Grundbegriffe der Kamerapositionierung und -einstellung erläutert. Sie sind auch unter dem Begriff Einstellungsgrößen bekannt. 406 Die Einstellungsgrößen legen die Nähe und Distanz der Kamera zum abgebildeten Geschehen fest. Sie bestimmen damit die Nähe oder Distanz, die der Zuschauer zum Geschehen entwickeln kann. 407 Für den gezeigten Bildausschnitt (vgl. Abb. 3.21) haben sich in der Praxis einige Bezeichnungen etabliert, deren Anwendung allerdings leicht variieren kann. Die weiteste Kameraeinstellung (ohne Abbildung) ist das Panorama, welches auch „extrem long shot“ oder Supertotale genannt wird. Solche Aufnahmen entstehen zumeist von einem erhöhten Standpunkt aus oder 405 Für HD-Anlieferungsinformationen vgl. z. B. Transfer Media (2012), S. 250-349. 406 Vgl. zu den Einstellungsgrößen ausführlich Petrasch/ Zinke (2012), S. 154-192; Faulstich (2013), S. 117-134. 407 Vgl. Mikos (2003). Großaufnahme Nahaufnahme Halbnahaufnahme Amerikanische Einstellung Halbtotale Totale Abb. 3.21: Gebräuchliche Einstellungsgrößen M edienproduktion M edienproduktion 212 mit einer Flugdrohne - beim Film auch aus Flugzeugen oder Hubschraubern - und zeigen weiträumige Landschaften o. Ä. Sie verschaffen dem Zuschauer einen Überblick über die Szene oder vermitteln eine bestimmte Stimmung. Menschen sind hierbei, wenn sichtbar, verschwindend klein. Auch in der klassischen Totalen („long shot“) spielt der Mensch als Akteur einer Handlung eine untergeordnete Rolle. Die Totale stellt den Handlungsraum der Szene dar und wird deshalb teilweise auch als „establishing-shot“ bezeichnet und weckt meist Erwartungen beim Zuschauer an das künftige Geschehen. In der Halbtotalen („medium long shot“) werden Akteure als Handelnde in einer Szene gezeigt. Diese Einstellung wird häufig für kleine Menschengruppen und bei körperbetonten Aktionen gewählt. Akteure sind von Kopf bis Fuß sichtbar. In der Amerikanischen Einstellung wird ein Akteur vom Gesicht abwärts bis zum Oberschenkel gezeigt. Szenen, die auf die konkrete Handlung einer Person in einer bestimmten Umgebung bezogen sind, werden oft als Halbnahe-Einstellung realisiert. Der Akteur ist dabei von der Hüfte aufwärts zu sehen. Stehen Mimik oder Reaktionen in Form von Gesten im Vordergrund des Bildes oder werden einzelne Teilnehmer einer Gesprächsrunde gezeigt, so bietet sich die Nahaufnahme („medium close-up“) an. Für große Gefühle und Mimik wird schließlich das „close-up“, die Großaufnahme, etwa des Gesichts, genutzt. Werden nur noch Teile des Gesichts oder eines Gegenstandes bildfüllend gezeigt, wird vom „extrem close-up“ gesprochen. In der Fotografie werden solche Einstellungen auch als Makro-Aufnahmen bezeichnet. Auch bei der Bewegtbildproduktion beeinflusst die Blickrichtung von Akteuren den Zuschauer. Daher sollte bei nahen Darstellungen von Gesichtern dem Blick der dargestellten Person etwas Raum gegeben werden. Neben der Größendarstellung der Akteure beeinflusst die Wahl der eigentlichen Kameraposition maßgeblich die Wirkung der Szene. Die häufigste Perspektive ist die sog. Normalperspektive (teilweise auch „Ego-Perspektive“). Dabei befindet sich die Kamera auf Augenhöhe des Darstellers. Steht die Kamera höher („Vogelperspektive“), wirken Person klein oder sogar schwach. Eine Überkopfperspektive wird häufig eingesetzt, um Handlungen auf Tischen etc. darstellen zu können. Eine Aufnahme aus einem niedrigen Kamerawinkel („Froschperspektive“) lässt Akteure eine Szene stärker dominieren. In Gesprächsrunden oder bei Aktionen zwischen wenigen Darstellern wird häufig auch ein „over-shoulder“ oder „third-person shot“ gezeigt. Dabei wird eine Aktion oder eine Person über die Schulter einer anderen Person hinweg gefilmt. Kopf und Schulter sind dabei von hinten zu sehen und begrenzen das gezeigte Bild. Schließlich werden drei grundsätzliche Bewegungsarten von Kameras unterschieden: Schwenk, Zoom und Fahrt. Der Schwenk entspricht der Bewegung des Kopfes beim natürlichen Sehen, von einem festen Standpunkt aus. Der Zoom t ypoGrafie und s chrift 213 ändert dagegen den Bildausschnitt durch eine Brennweitenveränderung und macht ihn kleiner oder größer. Die Bestandteile des Bildes ändern sich jedoch perspektivisch nicht. Ändert die Kamera ihre gesamte Position, was zu einer perspektiven Änderung der Bildelemente führt, wird von Kamerafahrt gesprochen. Neben den hier dargestellten, allgemeinen Einstellungsgrößen gibt es eine Reihe von weiteren, teilweise genrespezifischen Begriffen. 3.2.5 Audio Jede akustische Wahrnehmung basiert auf Schall, der mechanischen Schwingung von Materieteilchen. Meistens nehmen Menschen diese Schwingungen von Teilchen der umgebenden Luft als Trägermedium wahr. Junge Menschen hören Töne in einem Frequenzbereich von etwa 16 Hz bis maximal 20.0000 Hz. Die obere Hörgrenze sinkt dabei mit steigendem Lebensalter ab. Töne sind allerdings reine Sinusschwingungen, für die es im Multimedia Marketing in reiner Form kaum Anwendung gibt. Bei der Produktion von akustischen Inhalten wird daher häufig zwischen Klängen und Geräuschen unterschieden. Ein harmonischer Klang entsteht erst, wenn zu einem sinusförmigen Ton weitere ganzzahlige Obertöne hinzukommen. Abb. 3.22 zeigt das Frequenzspektrums eines Sinustons mit 440 Hz (unten) im Vergleich zum gleichen Ton (Kammerton A) gespielt auf einem Klavier (oben). Geräusche hingegen entstehen als Frequenzgemisch von Schallwellen ohne gesetzmäßigen Zusammenhang, deren Frequenzen meist eng beieinander liegen. 100 500 2.000 5.000 20.000 10.000 1.000 200 Lautstärke (db) -60 Frequenz (Hz) 100 500 2.000 5.000 20.000 10.000 1.000 200 Lautstärke (db) -60 Frequenz (Hz) 0 0 Abb. 3.22: Klang und Sinuston im Vergleich M edienproduktion M edienproduktion 214 Die so entstehenden Geräusche und Klänge werden im Multimedia Marketing vielfach eingesetzt. 408 Sie werden dabei nicht nur zur reinen Informationsübertragung genutzt, sondern erfüllen vielfältige Funktionen 409 und, teilweise allerdings kontrovers diskutierte, Wirkungsweisen. Insbesondere die Wirkung von Musik, dem Zusammenspiel von Klängen, auf Menschen wird inzwischen intensiv untersucht. Musik in Dur mit großem Tonumfang und akzentuiertem Rhythmus etwa ruft eine sympathische Tonuslage hervor, bei der physiologisch messbare Parameter wie der Blutdruck, Atem- und Herzschlagfrequenz sowie Muskelspannung steigen. 410 Einige dieser Effekte werden inzwischen auch durch Erkenntnisse der Neurowissenschaft 411 unterstützt. Eingesetzt wird Audiomaterial im Multimedia Marketing mit folgenden Zielen: ◼ Erzeugung akustischer Wiedererkennung ◼ Unterstützung von Emotionen oder Stimmungen ◼ Abbilden von Inhalten ◼ Vermittlung von Kontexten ◼ Dimensionieren von Personen ◼ Herstellen von Raumgefühl oder Atmosphäre Zur akustischen Wiedererkennung werden zum einen wiederkehrende musikalische Elemente, Soundlogos oder Geräusche eingesetzt, die dem Hörer eine akustische Orientierung ermöglichen. Ein Wiedererkennungseffekt lässt sich zum anderen auch über klangliche Motive hinaus erreichen. Indem eine bestimmte Klangfärbung, Instrumentierung oder andere akustische Gestaltungsmittel eingesetzt werden, lässt sich ebenfalls eine einmal gelernte klangliche Identifikation beim Hörer erneut abrufen. Im redaktionellen wie im werbenden oder unterhaltenden Umfeld werden Geräusche und Musik vielfach eingesetzt, um Emotionen zu erzeugen oder zu unterstützen. So kann eine Filmszene allein durch die verwendete Hintergrundmusik unterschiedlich wirken. Natürlich werden bei der Vermittlung von multimedialen Produktionen akustische Signale vielfach eingesetzt, um, ähnlich wie Bilder oder andere Sinneswahrnehmungen, akustische Inhalte zu transportieren. Außerdem dienen Klänge und eine akustische Aufbereitung von Signalen häufig dazu, Inhalte in einem akustischen Kontext zu Platzieren. Dazu gehören vor allem akustische Trenner für verschiedene Inhalte. Außerdem werden Personen durch klangliche Optimierung dimensioniert, können in begrenztem Maße älter, jünger wirken, weit entfernt oder nah zum Hörer positioniert werden, auch die Sprachverständlichkeit oder der stimmliche Charakter können durch technische Maßnahmen eingestuft werden. Zum akustischen Raumgefühl dienen atmosphärische Geräuschkulissen 408 Vgl. ausführlich zum Thema Audio-Marketing: Nölke (2009). 409 Funktionen teilweise in Anlehnung an Schwender (2006), S. 117 ff. 410 Vgl. Evers (1991), S. 16-18. 411 Vgl. Blood et al. (1999); Blood et al. (2001); Salimpoor et al. (2009); Salimpoor et al. (2011). p rojektManaGeMent 215 im Rundfunk oder in Videospielen genauso wie die Bearbeitung von Sprache, Musik oder Geräuschen mit Anpassungen an Hörsituationen, die dem realen Hörerlebnis bestimmter akustischer Räume nachempfunden sind (z. B. reduzierter Frequenzumfang am Telefon, hörbarer Raumanteil für große Räume etc.). 3.3 Projektmanagement Viele Aufgaben im Multimedia Marketing haben Projektcharakter. In diesem Kapitel werden die zum Management solcher Vorhaben notwendigen Grundbegriffe, Methoden und Zusammenhänge dargestellt. Es ermöglicht damit einen leichten Zugang in der Planung, Bearbeitung und Steuerung von Multimedia- Produkten. Unter Projekten 412 werden allgemein - so auch im Multimedia Marketing - Vorhaben verstanden, die … ◼ ein definiertes neuartiges oder einmaliges Ziel haben, ◼ welches außerhalb der Routinetätigkeit liegt, ◼ zeitlich, personell bzw. finanziell begrenzt sind und ◼ von mehreren Personen im Team und interdisziplinär bearbeitet werden. Es hat sich gezeigt, dass solche Vorhaben in der Regel besondere Werkzeuge und Methoden der Steuerung bedürfen, die außerhalb des üblichen, betrieblichen Routinemanagements liegen. Die Gesamtheit dieser Führungsmechanismen wird als Projektmanagement bezeichnet. 413 Eine Führungsaufgabe im Projektmanagement erfordert daher, neben dem inhaltlichen Fachwissen zur Bearbeitung des entsprechenden Multimedia-Produkts auch spezifisches Methodenwissen des Projektmanagements sowie ausgeprägte Fähigkeiten zur Teamführung und Konfliktbearbeitung. 414 Haben sich die vorangegangenen Kapitel dieses Buches im Wesentlichen mit der Vermittlung von Fach- und Hintergrundwissen zur Erstellung medialer Produkte beschäftigt, so widmet sich das folgende Unterkapitel den Grundlagen des notwendigen Methodenwissens im Medien-Projektmanagement sowie der Teamführung. 412 In der Literatur existieren unterschiedliche Definitionen für den Projekt-Begriff, die hier aufgeführten Kriterien können als auf breiter Basis akzeptierte gemeinsame Sichtweise betrachtet werden (vgl. für Definitionen im Detail z. B. PMI (2013), S. 3; DIN 69901: 2009 u. a.). 413 Vgl. exemplarisch im englischen Original: PMI (2013), S. 9 f. 414 Vgl. Klein (2010), S. 16, zu informellen Projektkennzeichen und Anforderungen von Rosenstiel et al. (2009), S. 12 f. M edienproduktion M edienproduktion 216 Für die vertiefende Betrachtung existieren im Projektmanagement eine ganze Reihe von Methoden und Standardwerken, wie etwa der Project Management Body of Knowledge (PMBoK) des amerikanischen Project Management Instituts (PMI), die im deutschsprachigen Raum sehr verbreitete IPMA Competence Basline (ICB) der International Project Management Association (IPMA) oder der britische Standard Projects in Controlled Enviroments (Prince 2). Zusätzlich an Relevanz gewonnen haben in den letzten Jahren sog. agile Methoden, wie Scrum oder Extrem Programming (XP), auf die am Ende des Kapitels noch einmal eingegangen wird. Unabhängig vom Standard hat Projektmanagement die Aufgabe, ein komplexes, neuartiges Vorhaben plan- und steuerbar zu machen. Dafür existieren unterschiedliche Methoden und Ansätze, von denen die bekanntesten im Folgenden überblicksartig betrachtet werden. Ein Modell, welches unabhängig von Werkzeugen der Projektbearbeitung auch branchenübergreifend immer wieder genutzt wird, ist das sog. Magische Dreieck des Projektmanagements. Dieses Spannungsdreieck (vgl. Abb. 3.23) des Projektmanagement besagt: Aufgabe des Projektmanagements ist es, die drei Zielgrößen Termine, Kosten (Budget) und das inhaltliche Projektergebnis, repräsentiert durch Qualität und Quantität, im Gleichgewicht zu halten. Auch wenn es das erklärte Ziel eines Projektes ist, alle drei genannten Dimensionen zu erfüllen, haben Veränderungen einer dieser Größen oft auch Einfluss auf die weiteren. Sie beeinflussen also das gesamte Gefüge. Oder es kann notwendig sein, Prioritäten für diese Größen im Bezug auf eine Entscheidung im Projektverlauf zu definieren. Wie auch die Abb. 3.23 zeigt, kommt im Projektmanagement dem Umgang mit Zielen zentrale Bedeutung zu. Wann und in welchem Detaillierungsgrad Grob- und Feinziele des Projekts zu definieren sind, ist vom jeweiligen Vorgehen im Projektmanagement abhängig. Zum Umgang mit und der Formulierung von Zielen lässt sich Projektziel Termine (Zeit) Kosten (Budget) Qualität/ Quantität Abb. 3.23: Spannungsdreieck im Projektmanagement p rojektManaGeMent 217 eine einfache, aus dem Englischen abgeleitete SMART-Merkformel aufstellen, die sich inzwischen nicht nur im Projektmanagement vielfach durchgesetzt hat: 415 ◼ S - Spezifisch („specific“): Ein Ziel sollte möglichst eindeutig, klar formuliert und nicht zu vage sein. ◼ M - Messbar („measurable“): Es muss möglich und definiert sein, wie die Erreichung des Ziels zu messen ist. ◼ A - Erreichbar („achievable/ attractive“): Das Erreichen des Ziels ist anspruchsvoll, möglichst jedoch nicht selbstverständlich oder zu einfach. ◼ R - Relevant („relevant“): Die Erreichung des Ziels muss für das Projekt von Bedeutung und auch nicht illusorisch sein. ◼ T - Terminiert („time constrained“): Besagt, in welchem Zeitraum oder zu welchem Zeitpunkt das Ziel zu erreichen ist. Die Ziele lassen sich in muss-, kann- und nicht-Ziele unterteilen, es wird zwischen Anwendungs- und Abwicklungszielen unterschieden. Anwendungsziele betrachten das Ergebnis des Projekts: die zu erstellende Dienstleistung oder das Produkt und dessen bestimmungsgemäßen Einsatz. Abwicklungsziele betrachten den Weg der Projektbearbeitung, also etwa die bei der Leistungserstellung zu berücksichtigenden Termin-, Kosten- und Qualitätsziele in Anlehnung an das Magische Dreieck. Nicht alle zum Beginn eines Projektes definierten Ziele lassen sich immer erreichen. 416 Während des Projekts sollte der Auftraggeber daher immer wieder prüfen, ob die Existenz des Projekts in seiner bisherigen Form noch gerechtfertigt ist oder ob sich wesentliche Rahmenbedingungen, etwa mit Auswirkungen auf die Projektziele, geändert haben. Schließlich muss bei der Beurteilung des Erfolgs eines Projektes nicht nur das formale Erfüllen der Abwicklungsziele berücksichtigt werden. Es lässt sich folgende allgemeine Definition für den Projekterfolg ableiten, die auch zeigt, das Projekte unter Umständen selbst dann erfolgreich sein können, wenn Zeit- oder Kostenziele überschritten worden sind. 415 Vgl. zu SMART-Managementzielen Doran (1981) sowie exemplarisch für die Übertragung im Multimedia-Projektmanagement Schmitz/ Nathrath (2010), S. 14 f. oder Klein (2010), S. 43. 416 Vgl. zum Umgang mit Zielen im Projektmanagement ausführlicher auch Stöger (2011), S. 63 ff.; Schelle (2007), S. 83 ff. M edienproduktion M edienproduktion 218 Ein Projekt ist dann erfolgreich, wenn die Beteiligten zufrieden sind und die Qualität der technischen Lösung und die Termin- und Kostenziele insgesamt positiv bewerten. 417 Auch Projektmanagement versucht Aufwand. Es stellt sich daher in der Praxis die Frage, ob insb. für kleinere Projekte nicht auf ein Projektmanagement als Instrument verzichtet werden kann. Auch kleine Projekte binden jedoch Kapazität und können beim Scheitern Organisationen schaden. Das Projektmanagement sollte daher, je nach Größe und Risiko des entsprechenden Projektes sinnvoll angepasst werden. 417 Zu beachten ist außerdem, dass bestimmte Standards, Abteilungs- oder Unternehmensrichtlinien für Projekte feste Werkzeuge vorschreiben, sie müssen daher fallweise berücksichtigt werden. 3.3.1 Entstehung und Konzeption Am Anfang eines Projektes steht ein sog. Projektauftrag. Dieses Dokument wird in der Regel gemeinsam von Auftraggeber und vom Projektleiter erstellt und unterschrieben. Mit ihrer Unterschrift vereinbaren beide das Projekt im beschriebenen Rahmen (Kosten, Termine, Inhalt). Ein Projektauftrag selbst beschränkt sich meist auf ein relativ kurzes Formular, wird jedoch häufig, je nach Branche, Projektart und Methodik, durch weitere Spezifikationen ergänzt. 419 Dem Projektauftrag kann eine Projektauswahl als Ausschreibung, Pitch, interne Make-or buy-Entscheidung, klassische Vertragsverhandlung sowie Markt- und Machbarkeitsstudie vorausgehen. Auch interne Projekte sollten mit einem klaren, schriftlich fixierten Projektauftrag gestartet werden. Die folgende Auflistung stellt typische Werkzeuge und Phasen dar, die bei der Generierung von Projektideen 420 im Multimedia Marketing regelmäßig zum Einsatz kommen: ◼ Projektideen finden ☐ Delphi-Technik ☐ Kreativitäts-Workshops ☐ Lead-User-Analyse ☐ Marktforschung ☐ Nutzerfeedback 417 Vgl. Braehmer (2009), S. 13 ff.; Schelle (2007), S. 43 ff. 418 Vgl. Lechler (1997). 419 Vgl. Hessler (2007), S. 1300 ff.; Braehmer (2009), S. 30 ff. 420 Auflistung in Anlehnung an Sigler (2010), S. 107, vgl. zu einzelnen Methoden zusammenfassend auch Klein (2010), S. 46 ff. u. a. p rojektManaGeMent 219 ☐ Szenarios ☐ Trendscouts ◼ Projektideen entwickeln ☐ Brainstorming ☐ De-Bono-Methode (sechs Hüte) ☐ Morphologischer Kasten ◼ Projektideen sammeln ☐ Ideenpools, Betriebliches Vorschlagswesen (intern) ☐ Wettbewerber, Nutzer, (Mega-)Trends (extern) ◼ Projektideen bewerten und bestimmen ☐ Risikoanalyse ☐ Scoring-Modell/ Nutzwertanalyse ☐ SWOT-Analyse ☐ Wirtschaftlichkeitsanalysen Die Bearbeitung eines Projektes über seine gesamte Laufzeit kann schematisch als phasenweiser Ablauf dargestellt werden. Abb. 3.24 zeigt diesen Projektlebenszyklus an einem allgemeinen Beispiel. Projektauswahl, Vor- oder Machbarkeitsstudie Projekteinrichtung/ "Kick-off" Projektplanung Ausführung/ Projektbearbeitung Ergebnis-Einführung und Projektabschluss Abb. 3.24: Schematischer Projektverlauf (Projektlebenszyklus) 421 Die konkrete Ausgestaltung der Projektauswahl und von Vorstudien ist vom jeweiligen Projektziel und Umfeld abhängig und wird in diesem Buch nicht näher behandelt. Zur Projekteinrichtung werden zwei mögliche Startformen im Kapitel 3.3.2 vorgestellt. Es folgen Kapitel zur Projektplanung sowie den verschiedenen Teilaspekten der Projektbearbeitung bis zum -abschluss. 421 Eigene Darstellung, vgl. Klein (2010), S. 45; Schelle (2007), S. 90; Hesseler (2007), S. 22; Stöger (2011), S. 1. M edienproduktion M edienproduktion 220 3.3.2 Start Der Projektstart besitzt für die Bearbeitung eines Projektes besondere Relevanz. In der Startform, meist einer Sitzung wichtiger Projektbeteiligter, werden die Grundlagen einer erfolgreichen Zusammenarbeit gelegt. Typische Kommunikationsformen, um Projekte zu beginnen, sind der Projektstart-Workshop oder ein Kick-off-Meeting. 422 Die Start- oder Auftaktsitzung eines neuen Projektes wird „Kick-off-Meeting“ genannt. Ein Projektstartworkshop dient als alternative Kommunikationsform, um ein Projekt zu beginnen. Das Kick-off-Meeting ist weniger aufwändig und verwendet kaum Zeit auf das gegenseitige Kennenlernen der Beteiligten oder die Identifikation möglicher Konflikte und Risiken. Es dient im Wesentlichen dazu, die geplante Vorgehensweise im Projekt, die projektbezogene Organisation und Zusammenarbeit vorzugestellen. Es wird die Einbindung des Projekts in bestehende Organisationsstrukturen erläutert, wesentliche projektbezogene Rollen und das projektbezogene Informationssystem werden vereinbart oder vorgestellt. Es handelt sich dabei meist um eine Ein-Weg-Kommunikation, ausgehend vom zukünftigen Projektleiter. Das Vorgehen empfiehlt sich bei „Routine-Projekten“ in bestehenden Teams oder nach der Durchführung eines Vorprojekts. Diese Startform lässt sich also sinnvoll einsetzen, wenn das Projektziel, die Vorgehensweise sowie Rahmenbedingungen relativ klar sind. Ein Projektstart-Workshop verfolgt einen weniger formalen, sondern einen gruppenbezogenen Anspruch. Die Kommunikation läuft weniger zentriert auf den Projektleiter ab. Es werden die Hauptziele des Projekts zunächst gemeinsam geklärt und anschließend festgelegt. Die Entwicklung einer einheitlichen Sprache, Sichtweise und Kultur („Wir-Gefühl“) und das frühzeitige Erkennen von Konflikten und Potentialen stehen stärker im Mittelpunkt als die Weitergabe von Sachinformationen im Vergleich zum Kick-off-Meeting. Dabei werden auch Projektumfeldgruppen oder Nutzer bzw. Betreiber des Projektergebnisses mit einbezogen und beteiligt. 423 422 Vgl. Schelle (2007), S. 90 ff.; Stöger (2011), S. 45 ff.; Hesseler (2007), S. 138 ff.; Patzak/ Rattay (2009), S. 133 ff. 423 Vgl. Hesseler ebd., ausführlich auch Patzak/ Rattay (2009), S. 139 ff. p rojektManaGeMent 221 3.3.3 Planung Um Projekte effizient zu managen, sollte das damit verbundene Risiko und die Projektgröße eingeschätzt werden. Viele Werkzeuge im Projektmangement sind anpassbar bzw. nicht alle Werkzeuge sind für jeden Projekttyp zu empfehlen. Einfache Kriterien zur Beurteilung der Projektgröße 424 sind: ◼ das Projektbudget (Personal- und Sachkosten, Investition bzw. AfA) ◼ die eingesetzte Arbeitskapazität (Qualifikation der Vollzeit-/ Teilzeitkräfte oder Partner) ◼ die einzusetzende Arbeitszeit (Stunden, Tage …) ◼ die Dauer bzw. Laufzeit des Projekt sowie des Endproduktes ◼ die Größe des Produkts (Umsatzpotential, Codezeilen, Laufzeit, Nutzungsfläche, Auflage, Verbreitungsgebiet o. Ä.) ◼ der erwartete Anteil am Unternehmensertrag (Deckungsbeitrag, Gewinnchancen, Umsatzanteile, o. Ä.) ◼ Anzahl der Projektbeteiligten (Personenanzahl nach Köpfen) Häufig bietet sich neben der Größeneinschätztung eines Projektes auch eine einfache Risikoabschätzung (z. B. als Worst-Case Szenario) an, um den notwendigen Planungsaufwand für ein Projekt zu beurteilen. Angenommen, die Planung einer Firmenweihnachtsfeier, gemessen an Arbeitszeit, Budget und Beteiligten, wäre möglicherweise mit der Konzeption eines neuen Messestandes vergleichbar. Beide Projekte haben einen festen Endtermin, nach dem sie in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr eingesetzt werden können. Wird der Stand jedoch benötigt, um auf der größten Branchenmesse eine relevante Anzahl von Erstkontakten zu potentiellen Kunden zu erstellen, würde ein Scheitern dieses Projektest im Vergleich zur Feier im schlimmsten Fall den Fortbestand des planenden Unternehmens bedeuten. Scheitert das Weihnachtsfeierprojekt, so wird im schlechtesten Fall nur die Motivation vorübergehend sinken. In der Folge lässt sich für das Messeprojekt ein höherer Planungsaufwand rechtfertigen als für die Weihnachtsfeier. Diese Betrachtung schützt davor, auch die Planung und Durchführung von vermeintlich kleinen oder internen Projekten zu unterschätzen. 425 Schelle empfiehlt für kleine Projekte die folgenden, minimalen Werkzeuge. Auch an anderer Stelle in der Literatur sowie durch die Erfahrungen der Autoren in der Projektpraxis ergeben sich vergleichbare Empfehlungen: 424 Vgl. Braehmer (2009), S. 13. 425 Vgl. Braehmer (2009), S. 13 ff.; Schelle (2007), S. 43 ff. M edienproduktion M edienproduktion 222 Minimalschema 426 für kleine Projekte ◼ offizielle Ernennung und Bekanntgabe von Projektleiter und Team ◼ Projektstartsitzung und schriftlicher Projektauftrag ◼ Pflichtenheft ◼ Projektstrukturplan mit beschriebenen Arbeitspaketen (AP) ◼ fortlaufende Kosten bzw. Mengenerfassung pro AP ◼ Terminierung der AP ◼ Definition von mind. 3 Meilensteinen mit Meilensteinergebnissen ◼ regelmäßige Projektsitzungen ◼ einheitliches, einfaches Berichtsformat ◼ Projektabschlusssitzungen mit Abschlussbericht Die klassische Projektplanung beginnt mit dem Projektstrukturplan (kurz PSP). Er gliedert ein Projekt hierarchisch, ähnlich einem Organigramm. Es werden alle Liefergegenstände bzw. zu erstellenden Leistungen des Projekts und die dafür benötigten Arbeitsschritte grafisch dargestellt. Für die Gliederung eines PSP gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Ein Projekt wird dabei ggf. in Teilprojekte, Teilaufgaben und Arbeitspakete unterteilt. Die Arbeitspakete sind die kleinsten Elemente des PSP und dort nicht weiter untergliedert. 427 Ein Arbeitspaket sollte einer verantwortlichen Person zugeordnet werden können, diese berichtet dann der Projektleitung über den Bearbeitungsfortschritt des Pakets. Der Projektstrukturplan ist damit im Projektmanagement ebenfalls die Basis für eine Fortschrittsmessung, Zuordnungen von Verantwortlichkeiten etc. Im Ablauf- und Terminplan werden Arbeitspakete in einen oder mehrere Vorgänge bzw. einzelne Aktivitäten unterteilt. In diesem Planungsprozess werden auch Meilensteine definiert oder gesetzt. Ein Meilenstein ist ein besonders wichtiger Zeitpunkt oder ein wichtiges Ereignis in einem Projekt. Viele Projektmanager bzw. Planungslösungen betrachten Meilensteine als Aktivität oder Vorgang ohne Dauer (Dauer = 0) und ordnen diesem Vorgang auch keine Ressourcen zu. 426 Vgl. Schelle (2007), S. 46, ähnlich auch Stöger (2011), S. 29 ff. u. a. 427 Vgl. zur Projektplanung exemplarisch Hesseler (2007), S. 164 ff.; Schelle (2007), S. 117 ff. p rojektManaGeMent 223 Meilensteine in Multimedia Projekten 428 können bspw. sein: ◼ ein vom Auftraggeber erarbeitetes Lastenheft oder schriftliches Briefing ◼ eine schriftlich fixierte Zieldefinition ◼ ein vom Lenkungsausschuss verabschiedetes Pflichtenheft ◼ ein genehmigter Bauplan, Drehbuch oder andere Konzeptionsanweisungen ◼ eine Liste ausgewählter und beauftragter externer Dienstleister ◼ das Ergebnis eines Castings, einer Namens- oder Patentrecherche ◼ eine Marktstudie über die Absatzchancen eines neuen Produktes ◼ ein Test- oder Prüf bericht ◼ eine Pilotfolge, Testversion oder eine andere Musterproduktion ◼ ein fertiges Produkt Vorgänge werden als logische Zusammenhänge zu Folgen verknüpft. Es entsteht ein Ablaufplan, der bei Übertragung auf einen Kalender einen Terminplan mit Terminliste ergeben kann. Außerdem können mit Hilfe der Netzplantechnik mögliche Zeitreserven bzw. Puffer im Projekt ermittelt werden sowie der sog. „kritische Pfad“. Aktivitäten auf diesem Pfad muss ein Projektmanager mit besonderer Sorgfalt behandeln. Sie haben keine Zeitreserven und bestimmen meist die Gesamtlaufzeit eines Projektes. Vorgänge, die auf dem kritischen Pfad liegen, haben keine Pufferzeiten. Terminverschiebungen bei diesen Vorgängen wirken sich direkt auf das Projektende bzw. den nächsten Meilenstein aus. Anschließend müssen ggf. noch Kapazitäten und Auslastungen berücksichtigt und dadurch die Planung meist angepasst werden. Die Erstellung und Umrechnung von solchen Plänen wird meist mittels Projektplanungs-Software wie bspw. MS Project vorgenommen. Diese Lösungen ermöglichen es, meist gleichzeitig Netz- und Balkenpläne zu erstellen oder zu modifizieren. Es folgen bei Bedarf ein Kosten- und Finanzsowie ein Qualitätsplan. Die verschiedenen hier beschriebenen Planungsschritte der Projektplanung sind in der folgenden Abb. 3.25 dargestellt. 428 Auflistung teilweise in Anlehnung an Schelle (2007), S. 208. M edienproduktion M edienproduktion 224 Projektstrukturplan (Was? ) Ablauf- und Terminplan (Wann? ) Kapazitäts- und Auslastungsplan (Wer wie viel? ) Kostenbzw. Finanzplan (Wann wie viel? ) Qualitätsplan (Wie? ) Realisierung Kontrolle ggf. Plananpassung Abb. 3.25: Planungsschritte im Projektmanagement 429 Der hier bisher vorgestellte Planungsansatz von Projekten setzt allerdings voraus, dass sich das zu erreichende Projektziel bereits vor Beginn der Realisierungsphase relativ gut gliedern lässt und seine Bestandteile sinnvoll geschätzt werden können. Ist dies nicht möglich oder ändern sich im Verlaufe der Umsetzung wesentliche Teile, so stößt dieses Konzept an seine Grenzen. Aus diesen Erfahrungen sind die Konzepte des sog. agilen Projektmanagements entstanden. Änderungen werden hier nicht als außergewöhnliche Ereignisse gesehen, sondern als Normalfall betrachtet. Die Planung und Steuerung des Projekts erfolgt dabei nicht mehr, wie hier vorgestellt, sequentiell nach einem einmal festgelegten Plan, sondern reagiert und plant kontinuierlich mit (wesentlichen) Änderungen, ohne dass zuvor ein detaillierter Gesamtplan existiert. 3.3.4 Durchführung Nach Planung und Projektstart ist die kontinuierliche Steuerung des Projekts Aufgabe des Projektmanagers. Zur Wahrnehmung dieses Auftrages ist eine Vielzahl unterschiedlicher Kompetenzen notwendig. Projektmanager müssen jederzeit über bedarfsgerechte Informationen zum Stand des Projektes verfügen, auf drohende Termin- oder Kostenüberschreitungen oder Änderungen an der vereinbarten Leistung reagieren. Oft sind dabei Anpassungen der ursprünglichen Planungen notwendig oder es müssen Konfliktsituationen überwunden werden. Kein Projekt kommt ohne Fortschrittsmessung aus. Dabei ist die Messung des Projektfortschrittes der jeweiligen Aufgabe anzupassen. So werden die projektbezogenen Kosten in der Regel auf Basis der einzelnen Arbeitspakete geschätzt und beurteilt. Da auch der Kostenvergleich mit gewissem Aufwand verbunden ist, erfolgt dies in der Regel monatlich oder 14-tägig. Für Arbeitspakete, die im Berichtszeitraum komplett abgeschlossen wurden, ist der Kostenvergleich trivial möglich: Es werden die geplanten Kosten den tat- 429 Vgl. Braehmer (2009), S. 84; Hesseler (2007), S. 179. p rojektManaGeMent 225 sächlichen gegenübergestellt. Relativ einfach ist die Fortschrittsmessung auch dann, wenn sich die erreichten Ergebnisse eines Arbeitspaketes messen, zählen oder wiegen lassen. Dies kann z. B. die Anzahl gleichartiger Werbefotos, Präsentationsvideos oder Produktbeschreibungen in einem Multimedia-Projekt sein, genauso wie die Zahl erfolgreich durchgeführter Kundenbefragungen oder Neukundenakquisen. Für Fälle, in denen der Arbeitsfortschritt nicht direkt durch zählen, messen oder wiegen ermittelt werden kann, werden andere Methoden eingesetzt. Ein einfacher Weg ist dabei die sog. 0-100-Methode. Ein Arbeitspaket wird dabei im Fortschritt so lange mit „0 %“ bewertet, bis es vollständig abgeschlossen ist. Erst danach wird der Fortschritt auf „100 %“ gesetzt. Diese Art der Fortschrittsmessung spiegelt zwar nicht zu jedem Zeitpunkt den tatsächlichen Arbeitsstand im Projekt wider, lässt sich jedoch relativ einfach ermitteln und ohne zusätzlichen Aufwand leicht implementieren. Sie bietet sich auch für Arbeitspakete an, deren Fortschritt Projektleiter und Team im Verlauf der Bearbeitung gar nicht beurteilen können oder müssen: etwa bei kleineren, externen Dienstleistungen. Einen ähnlichen Weg geht auch die 50/ 50-Methode. Wurde ein Arbeitspaket begonnen, so werden der Fortschrittsgrad und meist auch die angefallenen Kosten auf 50 % gesetzt, nach Abschluss des Paketes und dessen Abnahme folgen die verbliebenen 50 %. Einen anderen Weg gehen Betrachtungen auf Basis der tatsächlich angefallenen Kosten, im Vergleich zu Plankosten bzw. geschätzten Restkostenpositionen. Auch zeitlich orientierte Fertigstellungsbetrachtungen und andere, komplexe statistische oder mathematische Methoden sind möglich, bringen jedoch eigene Vor- und Nachteile mit sich. Mittels der Fortschrittswerte lassen sich anschließend Trends zum Projektverlauf bilden, die in der Praxis vor allem als Meilenstein- und Kostentrendanalyse bekannt sind. Drohende Überschreitungen erfordern in der Regel das Eingreifen des Projektmanagers. Wobei konkrete Maßnahmen vom Projektumfeld und den Ursachen abhängig sind. Zur vereinfachten Kommunikation des Projektfortschritts nach außen werden häufig standardisierte Berichtsbögen genutzt. Dabei wird der Projektstatus meist nicht nur in Zahlenwerten, sondern häufig auch mittels eines „Ampelsystems“ eingeordnet. Die Farben grün, gelb und rot stehen dann für den Projektstatus: ◼ grün: alles okay, Projekt ist im Plan, auftretende Konflikte oder Planabweichungen können ohne Auswirkungen auf Meilenstein- oder Projektziele gelöst werden. ◼ gelb: es drohen Planabweichungen oder sind bereits eingetreten, Maßnahmen zur Korrektur wurden eingeleitet oder sind in Planung. ◼ rot: Stillstand droht oder ist bereits eingetreten, Projekt- oder Meilensteinziele sind akut gefährdet und werden voraussichtlich nicht erreicht, eine Eskalation zur nächsten Verantwortungsstufe ist erforderlich. M edienproduktion M edienproduktion 226 Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Projektmanagements ist der Umgang mit Projektbesprechungen, der in diesem Lehrbuch jedoch nicht vertiefend behandelt werden kann. In IT-Projekten und größeren Medienproduktionen kommt außerdem dem Konfigurations- und Änderungsmanagement besondere Bedeutung zu. Durch das Änderungsmanagement werden Änderungswünsche und Abweichungen von der ursprünglich vereinbarten Leistung systematisch erfasst und in ihren Auswirkungen auf Termine, Kosten sowie den Liefergegenstand bzw. das inhaltliche Projektziel überprüft. Im Konfigurationsmanagement werden schließlich die Auswirkungen von Änderungen und unterschiedliche Entwicklungsstadien verfolgt und erfasst. So sind sie in komplexen Liefergegenständen, die zudem etwa als immaterielles Gut relativ leicht zu verändern sind, dauerhaft nachvollziehbar. Bei Softwareprodukten, Spezifikationen oder ähnlichen nicht körperlichen Ergebnissen kann über das Konfigurationsmanagement zudem ein früherer Entwicklungszustand bei Bedarf wieder hergestellt werden. In der Softwarentwicklung ist das Konfigurationsmanagement eng mit der Versions- und Releaseverwaltung verbunden. 3.3.5 Abschluss Der Projektabschluss ist das formale Ende eines Projektes. Damit gemeint ist der Abschluss sämtlicher mit dem Projekt in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten. Im Regelfall endet ein Projekt entweder mit der Übergabe des zu liefernden Projektgegenstandes und dessen Abnahme durch den Auftraggeber. Bei einem Projektabbruch werden, je nach Vereinbarung, die bisher erbrachten Leistungen sowie die nicht fertiggestellten Leistungen zusammen mit einer Projektabschlussdokumentation übergeben. Auch die formale Dokumentation eines erfolgreichen Projektes sollte die Übergabe der Leistung und das mögliche weitere Verwenden derselben durch andere sicherstellen. Insofern noch nicht geschehen, sollten zum Projektabschluss außerdem Erfahrungen aus der Projektlaufzeit gesichert und weitergegeben werden. Dies gilt für erfolgreiche wie weniger erfolgreiche bzw. abgebrochene Projekte gleichermaßen. Ein systematischer Projektabschluss ist auch deshalb notwendig, um gerade bei internen Projekten sicherzustellen, dass Projekte tatsächlich beendet und nicht, nach der letzten Lieferung, unter der Hand weitergeführt werden. Erfahrungen aus abgeschlossenen Projekten oder Phasen werden im Projektmanagement teilweise auch als „lessons learned“ bezeichnet. Solche Erfahrungen können allerdings nicht nur zum Projektende gesammelt und in den Wissensspeicher eingefügt werden. Spätestens jedoch rechtzeitig zum Projektabschluss sollte eine solche Erfahrungssicherung erfolgen. Für die im Projekt beschäftigten Mitarbeiter ist darauf zu achten, rechtzeitig eine Perspektive für die Zeit nach dem Projektende aufzuzeigen. Es besteht andernfalls die Gefahr, dass Mitarbeiter das Projektende schon deshalb verzöp rojektManaGeMent 227 gern, weil nicht klar ist, wie ihre Position nach dem Ende aussehen wird oder andere Widerstände gegenüber den mit dem Projektabschluss verbundenen Änderungen bestehen. 3.3.6 Psychologie Projektmanager müssen mit einer einmaligen oder neuartigen Situation umgehen und sollen dabei das Projekt gemeinsam mit dem Team zum Erfolg führen. Sie brauchen hierfür nicht nur technisch-methodische Fähigkeiten, sondern auch psychologische Kompetenzen. Dazu gehören vor allem die Bereiche Kommunikation und Teamführung, im weitesten Sinne aber auch des Konfliktmanagement. Oft werden diese Faktoren - deren Erfolgsrelevanz für Projekte inzwischen vielfach belegt ist - auch als sog. „weiche Faktoren“ beschrieben. 430 So wird etwa die Bedeutung des Faktors „Kommunikation“ für den Erfolg von Projekten, obwohl in der Wissenschaft bereits seit über 20 Jahren bekannt 431 , noch immer als hoch-relevanter Erfolgsfaktor im Vergleich erfolgreicher und gescheiterter Projekte eingestuft. 432 Hinzu kommt, dass sich Führungsaufgaben in Projekten regelmäßig deutlich von Linienführung unterscheiden. Zum engeren Bereich der Projektpsychologie existiert bisher kaum deutschsprachige Literatur. 433 Es kann daher auf keine anerkannte Begriffsdefinition und Abgrenzung zurückgegriffen werden. Zur Analyse und Erklärung von Abläufen innerhalb der Projektteams bedienen sich Forscher vermehrt der angewandten Psychologie, wobei vor allem Erkenntnisse der Kleingruppenforschung und der Organisationspsychologie relevant sind. Beide Gebiete werden aus der Perspektive der angewandten Psychologie betrachtet. Der Begriff der Projektpsychologie beschreibt somit keine eigene Wissenschaft, sondern muss als Teil des Wissensgebiets der angewandten Psychologie, bisher insb. der Organisationspsychologie, verstanden werden. Es lässt sich folgende Definition aufstellen: 430 Vgl. Mielke/ Spörrle (2010); Fitzsimons/ Wagenhals/ Kühn (2010). 431 Vgl. Lechler (1997) sowie vorausgehende und nachfolgende Arbeiten dieser vielfach zitierten Untersuchung. 432 Vgl. GPM (2008). 433 Einzige Fach- und Lehrbücher sind Wastian/ Braumandl/ von Rosenstiel (2009) sowie Reuter (2011), wobei nur das erstgenannte Werk psychologisch fundierte Aspekte im engeren Sinne behandelt. Verschiedene psychologisch fundierte Betrachtungen finden sich außerdem bei Smettan (2010). Das Thema Projektkommunikation wird außerdem bei Hansel/ Lomnitz (2003) und Freitag/ Müller/ Rusch/ Spreitzer (2011) behandelt. M edienproduktion M edienproduktion 228 Die Projektmanagementpsychologie, kurz Projektpsychologie, ist ein Teilbereich der angewandten Organisationspsychologie. Sie beschäftigt sich mit der Erklärung und Lösung von aus der Praxis des Projektmanagements entstandenen Problemstellungen in Lehre und Forschung. Aktuelle Zahlen zeigen die hohe Relevanz und den Bedarf der Praxis etwa an Angeboten zur Optimierung der Kommunikationskompetenz für Projektleiter. In einer Umfrage unter 754 Projektmanagern im Jahr 2013 hielten es 90 % für sehr wichtig, dass Projektmanager über ausreichende (Projekt-)Kommunikationskompetenz und -erfahrung verfügen. Gleichzeitig waren aber nur 20 % der Befragten der Meinung, dies sei auch meistens der Fall. 434 Ähnliche Hinweise gibt es auch für den Bereich der psychologischen Fundierung des Stakeholdermanagements in Projekten. Durchgesetzt hingegen haben sich im Projektmanagement bereits eine Vielzahl von Erkenntnissen zur Teamarbeit, insb. -zusammenstellung. Hier sind etwa die Modelle zu Teamrollen von Belbin, das Phasenmodell der Teamentwicklung von Tuckman oder unterschiedliche Betrachtungen zur Teamgröße zu nennen. 435 Vor allem zur Diagnose von Problemen im Team liegen jedoch auch in diesem Teilbereich noch Ergebnisse psychologischer Forscher vor, die bisher kaum auf ihre Anwendbarkeit in Projektteams geprüft wurden. Weniger bekannt und im Projektkontext kaum erforscht sind auch die Einflüsse in Abhängigkeit der Leistung von Projektteams durch Effekte der Prozessgewinne und Prozessverluste oder die Auswirkung gruppenpsychologischer Effekte auf die Entscheidungsqualität im Projektteam. 436 3.4 Kalkulation von Medienproduktionen Für jedes Medienprodukt gibt es unterschiedliche und spezifische Produktionsprozesse. So unterscheiden sich bspw. eine Filmproduktion und eine Fernsehproduktion grundlegend voneinander. Jedoch können die Medienproduktionen allgemein in vier grundlegende Phasen gegliedert werden: ◼ Pre-Produktion: Hierbei stehen die Recherche, Planung und die Content- Zusammenführung im Mittelpunkt. Dabei spielt die Fähigkeit von Medienunternehmen, Innovationen zu entwickeln und zu fördern, eine zentrale Rolle. Inhalte für Medienprodukte entstehen durch aktuelle Ereignisse, kreative 434 Vgl. Nagel (2013), S. 30 f. 435 Vgl. Belbin (1996); Belbin (2011); Tuckman (1965); Tuckman/ Jensen (1977) 436 Vgl. Kraus (2008). k alkulation von M edienproduktionen 229 Ideen oder Trends. Im Resultat wird ein Konzept (First-Module-Copies) vorgestellt und unter den Aspekten der Machbarkeit (technische Umsetzung) sowie der anfallenden Kosten und Wirtschaftlichkeit bewertet. ◼ Produktion: Nach der Konzeptannahme erfolgt die Produktion der Inhalte und es findet die Übertragung auf das jeweilige technische Zielsystem statt. Die geschaffenen Inhaltsbausteine werden zu einer Angebots-Leistung zusammengefasst. ◼ Post-Produktion (Reproduktion): Es erfolgt die Verfeinerung der bereits fertiggestellten Medienprodukte. ◼ Verteilung: Sie beinhaltet alle Maßnahmen zur Verteilung von Kopien der Inhaltebündel (Mass-Copies) an die Rezipienten. Als wichtige in den Produktionsprozess einfließende elementare Faktoren sind Informationen, Arbeitsleistung und Technologien anzusehen. Wie in der nachfolgenden Abb. 3.26 ersichtlich, wird beim Produktionsfaktor „Information“ zwischen der impliziten und expliziten Form unterschieden. Zu den impliziten Informationen zählen kreative Ideen, Ereignisse des Zeitgeschehens, aber auch erkennbare Stimmungen und Trends, die jedoch noch nicht an Medien gebunden sind. Explizite Informationen sind dagegen bereits abgebildete Informationen wie Agenturmeldungen oder auch Drehbücher. Beide Arten von Informationen fließen in den Produktionsprozess von Medienprodukten ein. Arbeitsleistung Technologien Informationen Elementare Produktionsfaktoren implizite Informationen explizite Informationen kreative Arbeitsleistung technische Arbeitsleistung Produktionstechnologien Reproduktionstechnologien Abb. 3.26: Elementare Produktionsfaktoren für Medienunternehmen 437 Ein weiterer wichtiger Produktionsfaktor sind die Arbeitsleistungen. Diese können hinsichtlich der kreativen und technischen Komponente unterschieden werden und sind entsprechend bei der Kalkulation des Medienproduktes zu berücksichti- 437 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 82. M edienproduktion M edienproduktion 230 gen. Zwar spielt die jeweilige quantitative Verfügbarkeit eine Rolle, allerdings ist besonders das fachliche und technische Know-how (qualitative Kriterien) wichtig, da die personell benötigten Ressourcen einerseits - neben den Materialkosten - maßgeblich zu den Fixkosten der Medienproduktion beitragen und andererseits den oft höchst individuellen Charakter des Produktes beeinflussen. 438 Innerhalb einer Medienproduktion kommen des Weiteren zwei unterschiedliche Technologien zum Einsatz: ◼ Produktionstechnologien: Stellen technologische Infrastrukturen im Rahmen der Erzeugung und Bündelung von Inhalten dar. Hierbei kommen heute überwiegend digitale Technologien bspw. in Form von Content-Management- Systemen, Servern, Computern, digitalen Kameras etc. zum Einsatz. ◼ Reproduktionstechnologien: Dies sind die technologischen Infrastrukturen im Rahmen der Distribution von Inhalten. Dies erfolgt heute sowohl digital als auch mit analogen Technologien wie etwa Druckmaschinen. In den nachfolgenden Kapiteln wird die Produktion und Kalkulation unterschiedlicher Medienprodukte diskutiert. 3.4.1 Produktion von Zeitungen und Zeitschriften Die Struktur des Produktionsprozesses hat erheblichen Einfluss auf die Zeitungs- und Zeitschriftenproduktion. Darüber hinaus sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen und die Produktionskosten im Rahmen des Produktionsmanagements zu berücksichtigen. In der nachfolgenden Abb. 3.27 ist der Produktionsprozess redaktioneller Beiträge dargestellt. Redaktionelles Konzept Selektion Produktion der Inhalte Technische Produktion Packaging ◼ Ereignisse ◼ Trends ◼ Ideen ◼ Themenvorschläge ◼ Bewertung der Themen ◼ Auswahl der Themen ◼ Recherche ◼ Schreiben von Artikeln ◼ Herstellung von Bildmaterial ◼ Layout, Satz, Titelgestaltung ◼ Vervielfältigung/ Druck Abb. 3.27: Produktionsprozess redaktioneller Beiträge 439 Der Produktionsprozess startet mit dem redaktionellen Konzept des Titels, welches für jede Ausgabe einer Zeitung bzw. Zeitschrift mit Inhalten gefüllt werden muss. Hierfür geeignete Inhalte können entweder aus internen Quellen, wie bspw. Recherchen, oder aus extern verfügbaren Informationen generiert wer- 438 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 81 f.; Sigler (2010), S. 103 f. 439 Vgl. Wirtz (2013), S. 235. k alkulation von M edienproduktionen 231 den. Diese müssen allerdings mit dem redaktionellen Konzept des Titels übereinstimmen, sodass ein Selektionsprozess erforderlich ist. Diesem redaktionellen Auswahlprozess schließen sich die Recherche und das Schreiben der Artikel an sowie im Anschluss das Packaging der Inhalte. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Zusammenstellung der einzelnen Text- und Bildbestandteile sowie die Erstellung des Layouts. Den Abschluss bildet die technische Produktion. 440 Dieser grundsätzliche Produktionsprozess trifft sowohl für Zeitungen und Zeitschriften zu, obwohl sich beide hinsichtlich der in der nachfolgenden Tabelle dargestellten Kriterien unterscheiden. Kriterium Zeitung Zeitschrift Aktualität hohe Aktualität geringere Aktualität, mehr Analyse Erscheinungszeitraum täglicher Erscheinungsrhythmus wöchentliches, zweiwöchentliches oder monatliches Erscheinen geographische Ausrichtung regionaler Fokus i. d. R. überregionale Ausrichtung Adressatenkreis breiter Adressatenkreis zunehmende Spezialisierung auf einzelne Gruppen Special-interest-Titel Werbeadressaten viele, breit gestreute Werbeadressaten gezieltes Marketing auf Einzelgruppen ausgerichtet Inhaltsfokus geringere Selektion der Nachrichten breites Themenfeld starke Selektion der Nachrichten Vertrieb Austräger, Post, Kioske Kioske, Post Tab. 3.1: Unterscheidungskriterien für Presseerzeugnisse 441 Die Zeitschriften können nochmals in folgende Titel differenziert werden: ◼ Anzeigenblätter ◼ Nachrichtenmagazine (z. B. Focus, Spiegel) ◼ Wochenzeitungen (z. B. Zeit, Wochenpost, Bayernkurier) ◼ Publikumszeitschriften ◼ Fachzeitschriften ◼ Konfessionelle Presse ◼ Kundenzeitschriften 440 Vgl. Wirtz (2013), S. 234. 441 Vgl. Beck (2005), S. 105. M edienproduktion M edienproduktion 232 Die weiter zunehmende Spezialisierung der Zeitschrift hat mehrere Folgen: Zum einen sinkt die Anzahl der Personen, die Interesse an einem Objekt haben, d. h. je spezieller ein Themengebiet, desto weniger Interessenten. Eine Gegenreaktion wäre eine zunehmende überregionale Verbreitung, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, mehr Leser zu finden. Andererseits kann die werbetreibende Industrie gezielter in den jeweiligen Zeitschriften werben und die Leser sind tendenziell eher bereit, aufgrund des individuell höheren Nutzwertes einen höheren Preis zu zahlen. 442 Allerdings hat die eine Spezialisierung auch Auswirkungen auf die Kostensituation. Grundsätzlich ist die Produktionskostenstruktur von Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen im Vergleich zu anderen Medien durch einen relativ geringen Anteil der First-Copy-Costs in Höhe von knapp 50 % der Gesamtkosten (vgl. auch Kap. 2.1.2) gekennzeichnet. Hierbei entfällt ein Großteil dieser Kosten auf die Redaktion und die hierin eingesetzten personellen Ressourcen. Die variablen Kosten entstehen bei der Produktion und Distribution. Hierbei sind bei Zeitschriften gegenüber den Zeitungen aufgrund der Verwendung von hochwertigerem Papier die Papierkosten und aufgrund der Spezialisierung die redaktionellen Kosten höher. Durch den Einsatz eigener Zustelldienste bei Zeitungen liegen die Distributionskosten der Zeitungsverlage tendenziell höher als bei Zeitschriftenverlagen. Zusammenfassend kann der Anteil der variablen Produktionskosten bei Zeitungen und Zeitschriften als ähnlich hoch eingestuft werden. 443 Die Deckung der entsprechenden Produktionskosten erfolgt einerseits über Verkaufserlöse und andererseits durch Einnahmen aus Anzeigen oder Werbung. Die in Abb. 3.28 dargestellte Funktion T zeigt den potentiellen Zusammenhang zwischen den Werbeeinahmen sowie den Verkaufseinnahmen an und entspricht somit der Umsatzkurve. Hierbei ist ersichtlich, dass es verschiedene Kombinationen von Werbeeinnahmen und Verkaufserlösen gibt: Bei dem Verlauf von links oben nach rechts unten werden die sich reduzierenden Werbeeinnahmen in geringerem oder höherem Maße durch steigende Verkaufserlöse kompensiert. Die beiden Randpunkte sind ebenfalls plausibel: Wird die Zeitung oder die Zeitschrift gratis verteilt (linker oberer Punkt von T), so werden nur Werbeerlöse erzielt. Am rechten unteren Punkt von T erzielt der Verlag nur sehr geringe bzw. gar keine Werbeeinnahmen, da die jeweilige Zeitung bzw. Zeitschrift eine zu geringe Auflage hat. Dafür sind allerdings die Verkaufserlöse am höchsten, da das entsprechende Produkt sehr spezialisiert ist und der Leser bereit ist, hierfür einen hohen Preis zu zahlen, er hat also eine hohe individuelle Zahlungsbereitschaft. Die Entfernung der Umsatzkurve vom Koordinatenursprung zeigt entsprechend höhere Umsätze aus Werbung und Verkauf an. 442 Vgl. Beck (2005), S. 108 f. 443 Vgl. Wirtz (2013), S. 236. k alkulation von M edienproduktionen 233 Werbeerlöse Verkaufseinnahmen H G 2 G 1 T I A B C D E F Abb. 3.28: Umsatzentwicklung bei Zeitungen und Zeitschriften 444 Bei Betrachtung der Umsatzkurve ist ersichtlich, dass diese durch unterschiedliche Abschnitte geprägt ist. Im oberen Verlauf ist zu erkennen, dass mit einer steigenden Spezialisierung der Zeitschrift die Werbeeinnahmen nicht so stark zurückgehen, denn die Reichweite ist trotz der stärkeren Spezialisierung noch so groß, um diese für die Anzeigenkunden attraktiv erscheinen zu lassen. Die Wanderung von Punkt A zu Punkt B zeigt an, dass der Verlag auf der einen Seite zwar Werbeeinnahmen verliert, auf der anderen Seite die Nachfrager durch die Spezialisierung bereit sind, mehr Geld zu bezahlen, da die Zeitschrift ihre Interessen nun stärker anspricht. Der Gesamtumsatz (Werbeplus Verkaufserlöse) nimmt somit zu. Zwischen den Punkten B und C zeigt sich, dass mit einer zunehmenden Spezialisierung nur wenig mehr an Verkaufserlösen generiert werden, aber die Anzeigeneinnahmen stärker zurückgehen. Eine weiterführende Spezialisierung wird von den Lesern wieder stärker honoriert (Bewegung von Punkt C nach D) und die Werbeerlöse gehen weniger stark (analog der Wanderung von Punkt A nach B) zurück. Allerdings unterscheidet sich die Art der Werbung in Punkt C gegenüber Punkt A. Diese richtet sich in C an ein spezielleres Publikum als in A. Aus Sicht eines Verlages ist die Frage interessant: Wie hoch sollte die Spezialisierung der Zeitschrift sein, um mit dieser ein Umsatzmaximum zu erzielen? Hierbei werden die Verlage den Spezialisierungsgrad in der Art verändern, dass 444 Vgl. Beck (2005), S. 113 ff. M edienproduktion M edienproduktion 234 die Reduzierung der Werbeerlöse durch die Verkaufseinnahmen überkompensiert werden. Auf der Geraden G 1 in der Abb. 3.28 entspricht der Verlauf von Punkt E nach F genau den mit der Zunahme an Spezialisierung verlorenen Werbeerlösen und den durch die höhere Zahlungsbereitschaft der Nachfrager generierten höheren Verkaufserlösen. Eine Verschiebung der Geraden G 1 nach außen zeigt auf der Geraden G 2 zwei Tangentialpunkte, Punkt H und Punkt I, mit der Umsatzkurve T. Grundsätzlich entscheidet der Verlauf der Umsatzkurve, wie viele Maxima es gibt. Aus Sicht der Verlage zeigen die Punkte H und I an, dass Zeitschriften entweder den Charakter eines allgemeinen Blattes oder einer Spezialisierungszeitschrift haben. Im Zwischenraum, der sog. „Spezialisierungslücke“, ist kein Platz für Zeitschriften, da Werbekunden entweder eine hohe Reichweite mit geringer Spezialisierung oder, wenn bei einer geringen Reichweite die Spezialisierung entsprechend hoch ist, sehr zielgruppenwirksame Werbung nutzen. Zusammenfassend lassen sich hinsichtlich der Produktion von Zeitungen und Zeitschriften folgende Punkte ableiten: ◼ Es muss zwischen einer gestiegenen Zahlungsbereitschaft der Leser und den geringeren Leserzahlen optimiert werden. Den höheren Einnahmen aus dem gestiegenen Preis stehen Erlösverluste aus dem Rückgang der Auflage gegenüber. ◼ Der Verlag muss sich zwischen der zielgenaueren Werbung bei zunehmender Spezialisierung und der geringeren Reichweite entscheiden. ◼ Die gesamten Produktionskosten sind in Abhängigkeit der Auflagenhöhe zu optimieren. 3.4.2 Produktion von Radiosendungen Eine Besonderheit beim Produktionsprozess im Radiobereich ist, dass sowohl die Produktion als auch die Distribution häufig zusammenfallen, wie bspw. bei Liveübertragungen von Sport- oder Musikereignissen oder die Moderation durch ein Hauptprogramm. Die Basis für die Produktion eines Hörfunkbeitrags ist eine Idee. Hierbei sind zwei Unterscheidungen zu treffen: ◼ Bei der Idee wird auf bereits bestehende Produkte, wie Programmformate anderer Hörfunksender oder Bücher als Vorlage für Hörspiele, zurückgegriffen. ◼ Es wird eine völlig neue Idee entworfen. Im Anschluss an die Auswahl geeigneter Ideen werden diese in einem ersten Konzept fixiert. Der eigentliche Produktionsprozess beginnt dann unter dem Einsatz von technischen Hilfsmitteln und dem entsprechend notwendigen Personal. Dieser Produktionsprozess ist beispielhaft in der nachfolgenden Abbildung für ein Radio-Jingle dargestellt. Es besteht allerdings die Schwierigkeit, k alkulation von M edienproduktionen 235 dass nur eine Sinnesebene zur Verfügung steht - die akustische. Zu deren Gestaltungselementen zählen Sprache, Geräusche, Musik und Stille. 445 ◼ Sprache: Hierbei sind der Text als der gesprochene Inhalt, die Stimmqualität, die Intonation, der Dialekt, die Lautstärke und die Emotionalität zu unterscheiden. ◼ Geräusche: Diese können hinsichtlich ihrer Intensität (Vorder- oder Hintergrund) und ihrer Quelle differenziert werden. ◼ Musik: Das Gestaltungselement lässt sich weiter in gesungene Sprache, rein instrumentelle Musik und Kurzmelodien mit Marken- oder Erlebnischarakter „Jingles“ aufsplitten. ◼ Stille: Innerhalb eines durchgängigen Klangteppichs kann ein kurzer Moment der Stille herausragen und für Aufmerksamkeit sorgen. Konzept Grobproduktion Feinarbeit der Mischung Fertigstellung Wortbeimischung ◼ Festlegung des Ziels ◼ Festlegung des Musikstiles ◼ Einspielen der Instrumente mittels Musical Instruments Digital Interface (MIDI) ◼ erste grobe Abmischung mittels Sequencer ◼ Feinabstimmung der einzelnen Musikinstrumente und Klangfarben ◼ erste Präsentation beim Layout-Redakteur ◼ Aufnahme des gesprochenen Worts auf Festplatte ◼ Beimischung des gesprochenen Worts zur Musik ◼ Abmischung von Musik und gesprochenem Wort ◼ Beimischung letzter Klangfarben Abb. 3.29: Produktionsprozess eines Radio-Jingles 446 Ein Radio-Jingle stellt ein ganz typisches hörfunkspezifisches Element dar. Es ist charakterisiert durch eine kurze Melodie, die oft nur wenige Sekunden lang und teilweise mit Sprache unterlegt ist. Ein Jingle wird üblicherweise zur Unterstützung der Moderation oder zur Einleitung von Programmelementen verwendet. Zur Realisierung der Programmproduktion müssen die Radiosender über zwei wichtige Ressourcen verfügen: ◼ Technik: Dies sind insb. die Tonstudios mit ihrer technischen Einrichtung. Hinzu kommen die Musik- und Tonarchive, in denen die Radiosender Musiktitel sowie Ton- und Klangdokumente auf bewahren. ◼ Personal: Es umfasst neben den Sprechern, Redakteuren und Reportern vor Ort vor allem die Moderatoren. Diese sollten stimmlich ansprechend und kreativ sein. 445 Vgl. Unger et al. (2013), S. 293 f. 446 Vgl. Wirtz (2013), S. 533. M edienproduktion M edienproduktion 236 An Produktionskosten fallen im Radiobereich überwiegend Sach-, Personal- und Urheberkosten an. Unter den Sachkosten sind u. a. die Kosten für den Betrieb und den Unterhalt des Produktionsstudios zu verstehen. Diese sind für den Radiobereich wesentlich, da die Programmformate häufig zeitgleich distribuiert werden. Unter Urheberkosten fallen insb. Lizenzgebühren und GEMA-Gebühren. Hinsichtlich der grundlegenden Produktion einer Radiosendung kann zwischen der Eigen- und Fremdproduktion unterschieden werden. Innerhalb der Fremdproduktion ist es nicht notwendig, dass der gesamte Produktionsprozess - von der Idee bis zum fertigen Programmelement - ausgelagert wird. Häufig wird die externe Erstellung von Teilprodukten realisiert. Im Rahmen des öffentlichrechtlichen Bereichs stellt die Programmübernahme einen Spezialfall dar. Hierbei werden Programme von anderen öffentlich-rechtlichen Hörfunksendern zeitgleich oder zeitversetzt übernommen. Die Produktion von Hörfunkbeiträgen und hier insb. die Produktion von Hörspielen ist mit finanziellen Risiken verbunden, da diese nicht ohne Weiteres eingestellt werden können, falls die Kostenplanvorgaben überschritten werden. Jingles hingegen verursachen aufgrund ihrer Kürze keine derart hohen Kosten, dass von einem wesentlichen finanziellen Risiko gesprochen werden kann. Bei einem Jingle kommt es darauf an, dass dieser für bestimmte Erfordernisse produziert wird. Grundsätzlich lässt sich das finanzielle Risiko durch eine Fremdproduktion reduzieren, da das Kostenrisiko nicht mehr vom Radiosender selbst getragen wird. Zu beachten ist jedoch, dass die landesweiten Hörfunksender vollausgestattete Tonstudios und Musikbzw. Tonarchive besitzen, die bei einem Outsourcing der Produktion nicht genutzt würden. Daher werden viele Elemente des Hörfunkprogramms selber erstellt. Anders ist die Situation bei Lokalradios. Diese sind auf Fremdproduktionen angewiesen, da die jeweiligen technischen Einrichtungen nicht so umfassend sind. 447 Bei der Fremdproduktion lassen sich außerdem Kostenvorteile nutzen, die durch Mehrfachverwertungen vorhandener Elemente oder eine geringfügige Anpassung solcher entstehen. So werden bspw. Jingle-Pakete für mehrere Sender nicht-exklusiv von externen Dienstleistern angeboten oder bereits existierende musikalische Jingles im sog. „Re-Sing“ nur mit dem Sendernamen bzw. neuem Gesang für einen zusätzlichen Sender ausgestattet. Ähnliche Modelle finden sich auch bei senderunabhängigen Anbietern redaktioneller Inhalte. So werden bspw. identische Welt- oder Wirtschaftsnachrichten nur mit einem jeweils individuellen Ende („… für Radio XYZ.“) oder senderneutral fertig produziert angeboten. 447 Vgl. Wirtz (2013), S. 534 f. k alkulation von M edienproduktionen 237 3.4.3 Fernsehproduktion Das Produktionsmanagement hat im TV-Bereich eine entscheidende Bedeutung, da der überwiegende Teil der TV-Inhalte von den Sendern selbst produziert wird. Hierbei wird zwischen der Eigen- und Auftragsproduktion unterschieden. ◼ Eigenproduktion: Alle Teilprozesse der Produktion werden durch den ausstrahlenden Sender ausgeführt. Dieser muss hierfür neben den personellen Ressourcen wie bspw. Moderatoren, Künstler oder Autoren auch die eigene Studiokapazität mit dem notwendigen technischen Personal bereitstellen. ◼ Auftragsproduktion: Diese wird von externen Produzenten übernommen und vom Auftraggeber auf Basis eines Einzelvertrags zur Verwertung erworben. Wesentlicher Vorteil ist die Reduktion der Produktionskosten, da durch die Vergabe von Teilprozessen der Fernsehproduktion an externe Firmen Spezialisierungseffekte entstehen. Diese entstehen einerseits durch die jeweilige Konzentration auf bestimmte Genres sowie andererseits aus der Vermarktung freier Kapazitäten, was die Wahrnehmung der Fixkostendegression erlaubt. Bei privaten Sendern ist die Wahl der Eigen- oder der Auftragsproduktion in der Regel eine rein wirtschaftliche Entscheidung. Allerdings muss das Produktionsmanagement der öffentlich-rechtlichen Sender das regulative Umfeld beachten. Die Grenzen der Auftragsproduktion werden dort gesehen, „wo der unverzichtbare Kernbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks tangiert [wird]“. 448 Neben diesen beiden grundsätzlichen Produktionsmöglichkeiten sind auch noch weitere Zwischenformen möglich. So übernimmt im Rahmen der Koproduktion der ausstrahlende Sender nur einen geringen Anteil der Produktionsbzw. Finanzierungsaufgaben. Des Weiteren ist die Ko-Eigenproduktion zu nennen, bei welcher der überwiegende Teil der Produktionsaufgaben beim ausstrahlenden Sender liegt. 449 Die Produktion von TV-Beiträgen ist mit erheblichen finanziellen Risiken verbunden, was einerseits mit der Auslastung der Produktionskapazitäten und andererseits mit den Schwierigkeiten bei der Planung des Projektcharakters einer TV-Produktion und deren Einhaltung zusammenhängt. Die Kosten einer TV-Produktion setzen sich zum größten Teil aus folgen drei Kategorien zusammen: ◼ Urheberkosten: Überlassung von Drehbüchern oder Show-Formaten ◼ Personalkosten: Schauspieler, Regisseure und technische Mitarbeiter für Beleuchtung oder Produktion ◼ Sachkosten: technische Ausrüstung wie Studios oder Aufnahmetechnik, aber auch Kosten für Bühnenbilder oder Außenanlagen 448 Stolte (1999), S. 9 449 Vgl. Wirtz (2013), S. 465 ff. M edienproduktion M edienproduktion 238 15.512 € 9.469 € 2.515 € 2.170 € 0 € 5.000 € 10.000 € 15.000 € 20.000 € TV-Film TV-Serie Unterhaltung Magazin, Reportage, Dokumentation Abb. 3.30: Durchschnittlicher Minutenpreis bei ausgewählten Typen von Fernsehproduktionen in Deutschland im Jahr 2011 450 Des Weiteren stellt auch das Erfolgsrisiko von TV-Beiträgen einen wichtigen Faktor dar. Nur eine ausreichende Qualität und Attraktivität der produzierten Beiträge kann auch die beabsichtigten bzw. prognostizierten Zuschauerzahlen generieren. Treten nur unzureichende Einschaltquoten auf, können die Produktionskosten nicht durch die im Vorfeld avisierten Werbeeinnahmen kompensiert werden. Innerhalb der Eigenproduktion muss das Erfolgsrisiko durch den jeweiligen ausstrahlenden Sender selbst übernommen werden. Im Rahmen einer Auftragsproduktion können Vertragsklauseln existieren, die zu einer Risikoaufteilung zwischen Produzent und Sender führen. Dies kann in der Form gestaltet werden, dass ein Basispreis vereinbart wird und der endgültige Preis des TV- Beitrags an den erreichten Marktanteil auf dem Zuschauermarkt gekoppelt wird. Die Produktion von TV-Inhalten beginnt immer mit einer Idee, welche jedoch nicht zwangsläufig beim Sender entstehen muss, sondern auch häufig von einem Autor oder Produzenten ausgeht. 451 Bei einer Filmproduktion wird die Idee in aller Regel in Form eines Exposés präsentiert, um anschließend die Wahl der zu produzierenden Beiträge zu treffen. Erst im Anschluss daran wird die Idee zu einem Treatment (Kurzform eines Drehbuchs) erweitert. Dieses enthält die wichtigsten Personen und Handlungsstränge und wird zum Drehbuch erweitert. Die sich anschließende technische Umsetzung wird auf Basis von umfangreichen Ressourcen wie bspw. Produktionsstudios oder unterschiedliche Außengelände realisiert. 450 Vgl. Statista (2014). 451 Vgl. Sehr (1998), S. 16 k alkulation von M edienproduktionen 239 Konzept Auswahl Produktion im eigentlichen Sinn Sendeabwicklung Postproduktion ◼ Ereignisse ◼ Trends ◼ Ideen ◼ Initiative durch Sender, Autor oder Produzent ◼ Exposé ◼ Bewertung der Aktivität ◼ Einschätzung der Kosten ◼ Treatment ◼ Drehbuch ◼ Dreharbeiten ◼ Schnitt ◼ Nachbearbeitung ◼ Vertonung ◼ Spezialeffekte ◼ Produktion von Sendesignalen ◼ Ausstrahlung Abb. 3.31: Produktionsprozess von TV-Beiträgen 452 Eine Besonderheit im Rahmen der Fernsehproduktion stellt die Postproduktion dar. Hierbei wird die Nachbearbeitung des Filmmaterials wie der Schnitt, Farbkorrekturen, Retuschen unerwünschter Bildbestandteile oder die Vertonung durchgeführt. Dieser Abschnitt des Produktionsprozesses hat auch die Funktion einer abschließenden Qualitätskontrolle, sodass der jeweilige Beitrag im Anschluss ausgestrahlt werden kann. Eine spezifische Besonderheit im Fernsehbereich liegt in der teilweisen simultanen Produktion und Distribution, wie dies z. B. bei Liveübertragungen von Sportveranstaltungen oder Unterhaltungssendungen der Fall ist. Hier werden die Beiträge zum Zeitpunkt der Erstellung redaktionell bearbeitet und ausgestrahlt. Einen wichtigen Faktor bei TV-Produktionen spielen folgende Ressourcen: ◼ Materielle Produktionsressourcen: Sie bestehen aus Produktionsstudios mit technischer Ausstattung. Diese sind auch in ausreichendem Umfang vorhanden, sodass keine wesentlichen Engpässe vorhanden sind. ◼ Personelle und immaterielle Ressourcen: Hierzu zählen einerseits Autoren, Schauspieler, Regisseure und Moderatoren, aber auch technische Mitarbeiter der Produktion und Postproduktion. Andererseits sind neben begabtem und kreativen Personal auch attraktive Formate für Unterhaltungssowie Informationssendungen von großer Bedeutung. Für die jeweils benötigten Ressourcen fallen im Rahmen der Fernsehproduktion bereits vor Beginn der Dreharbeiten erhebliche Kosten an. So müssen bspw. Bühnenbilder oder Gestaltungen von Außenanlagen bereits in der Konzeptionsphase besprochen werden, um frühzeitig die technische und finanzielle Durchführbarkeit gewährleisten zu können. Gleichzeitig ist es innerhalb dieser Phase notwendig, über entsprechende Castings die notwendige personelle und örtliche Besetzung eines TV-Beitrags sicherzustellen, bevor die finale Produktionsentscheidung gefallen ist. 452 Vgl. Wirtz (2013), S. 462. M edienproduktion M edienproduktion 240 Analog zu klassischen Gütermärkten spielt auch bei Fernsehproduktionen die Qualität und Attraktivität der jeweiligen Beiträge eine entscheidende Rolle. Allerdings ist es bedingt durch die Eigenschaften von Medienprodukten (vgl. hierzu die Ausführungen im Kap. 1.2), dass eine Aussage zur Qualität einer geplanten TV-Produktion im Vorhinein nicht zu treffen ist. Bedingt ist dies im Rahmen einer subjektiven Bewertung bei gekauften Filmen möglich. Hierauf basierend kann der Sender seine Kaufentscheidung und Zahlungsbereitschaft bestimmen. Unternehmen versuchen, durch unterschiedliche Maßnahmen die Qualitätsunsicherheiten zu reduzieren. In der Regel zielen diese darauf ab, vorhandene Erfahrungen mit abgeschlossenen Produktionen zu nutzen und bewährte Ressourcen einzusetzen. Des Weiteren besteht bei TV-Serien die Möglichkeit, vor dem Start einer mehrteiligen Serie einen Pilotfilm zu drehen. Dieser hat i. d. R. Spielfilmlänge und beinhaltet die grundlegenden Charaktere und Handlungsmotive der Serie. Wenn dieser Pilotfilm sich als hinreichend attraktiv erwiesen hat, beginnt die Produktion der Serie. Anderenfalls wird er einzeln als Fernsehfilm vermarktet, um wenigstens einen Teil der entstandenen Kosten zu kompensieren. 453 3.4.4 Crossmedia-Produktion In den letzten Jahren hat die Entwicklung und Gestaltung und Gestaltung von Mehrkanalstrategien im Mediensektor eine zunehmende Bedeutung erfahren. 454 Hierbei hat sich im Zeitverlauf sowohl im Schrifttum als auch in praxi der Begriff Crossmedia etabliert. Des Weiteren ist zu beobachten, dass Crossmedia oft zu sehr auf mediale Inhalte beschränkt wird, die über Onlinekanäle distribuiert werden. Tatsächlich umfasst Crossmedia auch die Integration klassischer Medienformen und -kanäle. Crossmedia bezeichnet ein Konzept zur Nutzung von mindestens zwei Medienkanälen für die Vermarktung medialer Produkte. 455 Für die Herausbildung von crossmedialer Vermarktung von Inhalten können markt- und umfeldbezogene sowie unternehmensbezogene Ursachen angeführt werden. Als marktbzw. umfeldbezogene Treiber können folgende Punkte angeführt werden: 453 Vgl. Wirtz (2013), S. 463 f. 454 Vgl. Müller-Kalthoff (2002), S. VII; Vogelberg (2006), S. 359 f.; Jakubetz (2008), S. 11. 455 Vgl. Wirtz (2013), S. 837. k alkulation von M edienproduktionen 241 ◼ Digitalisierung: Diese umfasst heute alle Arten klassischer Medienformate, womit sich insb. niedrigere Kosten für die Portierung von Inhalten ergeben haben. Dies resultiert aus dem deutlich niedrigeren Anpassungsaufwand für die kanalübergreifende Verwertung von Medienformaten. ◼ Branchenkonvergenz: Sie führte zur Verfügbarkeit neuer Distributionskanäle und deren Aufnahme in integrierte Crossmedia-Strategien. Der Druck auf traditionelle Medienunternehmen zur Nutzung digitaler Kanäle wurde hierbei von neuen Marktteilnehmern signifikant erhöht. ◼ Änderung des Nutzungsverhaltens: Die Nutzungspräferenzen haben sich in zahlreichen Branchen hin zu neuen Vermarktungskanälen verschoben, was in zunehmendem Maße zu einer Substitution traditioneller durch neue Medienkanäle führt. Die zentralen unternehmensbezogenen Treiber sind folgende: ◼ höhere Erlösmöglichkeiten: Sie ergeben sich durch Mehrfachverwertung medialer Inhalte. Diese lassen sich durch die Digitalisierung sehr kostengünstig über verschiedene Kanäle vertreiben und generieren zusätzliches Erlöspotential zur Deckung der oftmals sehr hohen First-Copy-Costs. ◼ sinkende Marketingkosten: Skalen- und Verbundeffekte führen zu günstigeren Kosten. Verbundeffekte treten bei einer abgestimmten crossmedialen Kanalnutzung über die Grenzen der einzelnen Vermarktungskanäle hinweg auf. Dieser Aspekt spielt besonders in der Distribution der medialen Inhalte sowie der Produktentwicklung eine wichtige Rolle. ◼ Markentransfer: Eine etablierte Marke kann mit verhältnismäßig geringen Anpassungs- und Koordinierungsbedarf auf neue Kanäle ausgeweitet werden. Crossmediale Strategien stellen Spezialfälle von allgemeinen Wachstumsstrategien dar. Für eine Systematisierung von Crossmedia-Strategien wird daher hier auf einen bekannten allgemeinen Wachstumsansatz zurückgegriffen: die Produkt-Markt-Matrix von Ansoff. Diese differenziert nach existierenden und neuen Märkten sowie bestehenden und neuen Produkten. Für deren Anwendung im Crossmedia-Kontext muss die ursprüngliche Matrix allerdings erweitert werden. Es wird unterschieden, ob der neue Medienmarkt bzw. das Medienprodukt einem bestehenden Markt oder Produkt ähnelt. Medienmärkte, die in diesem Zusammenhang auch als Medienbranche bezeichnet werden, sind bspw. der Buchmarkt, der TV-Markt oder der Zeitungsmarkt. Unter Medienprodukten bzw. Medienformen sind hierbei Textbeiträge, Bilder, Audiobeiträge oder audiovisuelles Material zu verstehen. Folgende zwei grundlegende Crossmedial- Ausprägungen lassen sich ableiten: ◼ Single Media: Durch Single Media Penetration kann in einem bestehenden Medienkanal bei gleicher Medienform eine stärkere Marktdurchdringung erreicht werden. Bei einem ähnlichen Medienprodukt (bspw. Buchtext und redaktioneller Textbeitrag im selben Medium) wird von Single Media Differentia- M edienproduktion M edienproduktion 242 tion gesprochen. Handelt es sich bei der Produkterweiterung um ein komplett neues Medienformat, wie z. B. ein Audiobeitrag in einer sonst reinen textuellen Onlinedarstellung, so entspricht dies einer Single Media Diversification. ◼ Crossmedia Wachstum: Hierbei wird zu einem bestehenden Kanal ein neuer Kanal erschlossen. Bei einem gleichen Medienprodukt handelt es sich um laterales Crossmedia, bei ähnlichen oder neuen Medienprodukten um multilaterales Crossmedia. In der nachfolgenden Abb. 3.32 sind verschiedene Wachstumsstrategien in Abhängigkeit der Anzahl der Medienprodukte sowie der Distributionskanäle dargestellt. Single Channel MultiChannel Anzahl der Distributionskanäle Anzahl der Medienprodukte I Single Media Diversification II Multilateral Crossmedia III Single Media Penetration IV Lateral Crossmedia Single Media Crossmedia eine Produktart verschiedene Produktarten ◼ Verwendung verschiedener Medienarten in einer Medienbranche ◼ z. B. bebilderter Text in einem Magazin ◼ Verwendung verschiedener Medienarten in unterschiedlichen Medienbranchen ◼ z. B. Verfilmung (audiovisuell) eines Buches (textuell) ◼ Verwendung einer Medienart in einem Kanal ◼ z. B. nur Audiobeiträge im Radio ◼ Verwendung einer Medienart in verschiedenen Medienbranchen ◼ z. B. Buchtexte im Internet Abb. 3.32: Erscheinungsformen von Crossmedia 456 Im Rahmen der Umsetzung einer Crossmedia-Strategie sind die Anzahl der implementierten Verwertungsstufen sowie die unternehmensspezifische Koordination der Medienformate und -kanäle von besonderer Bedeutung. Die einfachste Form stellt hierbei die zweistufige Crossmedia-Strategie dar. Durch eine geschickte Kanalnutzung kann die Mehrkanalverwertung auf bis zu fünf Kanäle ausgeweitet werden. In der nachfolgenden Tab. 3.2 ist dies exemplarisch für drei Kanäle und das Medienformat „Zeitungen und Magazine“ dargestellt. Die klassische Erstverwertung ist die jeweilige Printausgabe. Einen weiteren Vertriebskanal und damit die Basis für eine zweistufige Crossmedia-Strategie stellt 456 Vgl. Wirtz (2013), S. 839. k alkulation von M edienproduktionen 243 die Webseite dar. Hierbei dient der Inhalt der Printausgabe als Vorlage. Als dritte Verwertungsstufe dient die Mobile Version, sie ist parallel mit der Webseite denkbar. In diesem Fall liegt eine dreistufige Crossmedia-Strategie vor. Titel Print* (pro Ausgabe, in Mio. €) Webseite (pro Woche, in Mio. €) Mobile*** (pro Woche, in Mio. €) Bild** 12,15 6,45 1,81 Stern 7,07 1,82 0,48 Der Spiegel 5,87 5,18 1,88 Focus 4,38 3,35 1,27 Die Zeit 1,64 2,08 0,2 Süddeutsche Zeitung** 1,43 2,64 0,61 FAZ** 0,88 1,55 0,29 Die Welt** 0,79 3,14 0,71 * ohne Digitalausgabe (E-Paper, E-Magazine, Apps) ** Printausgabe werktäglich *** mobile Websites und Apps (nur Smartphones, keine Tablets) Tab. 3.2: Crossmedia-Reichweite ausgewählter Zeitungen und Magazine in Deutschland im Jahr 2013 457 Der Prozess der Entwicklung einer Crossmedia-Strategie gliedert sich hierbei in vier aufeinanderfolgende Bereiche. Der Planungsprozess beginnt mit der allgemeinen Unternehmensanalyse, um einerseits die Stärken und Schwächen sowie andererseits die Chancen und Risiken der Umwelt zu identifizieren, um einen möglichst vollständigen Überblick der Ausgangssituation zu erhalten. Diese Situationsanalyse ist bei einer medialen Mehrkanalstrategie besonders wichtig, um die speziellen Anforderungen an deren Umsetzung (Produktion) zu verstehen. Anschließend erfolgt eine Marktsegmentierung, welche auf geographischen, soziodemographischen, verhaltensorientierten, psychographischen und nutzerorientierten Kriterien basiert. Auf dieser Basis kann dann die Definition der unternehmensindividuellen Crossmedia-Strategie erfolgen. Auf bauend werden die potentiellen Medienkanäle ermittelt sowie die Form des Crossmedia-Systems für die differenzierte Ausgestaltung der Kanäle. Zentrale Aktivitäten sind hierbei die Bestimmung der Medienstufenzahl, die Medienpositionierung sowie die Ableitung des medialen Differenzierungsgrades. 457 Vgl. Statista (2014b). M edienproduktion M edienproduktion 244 Im letzten Schritt erfolgt die Identifikation spezieller Anforderungen an die Medienkanäle, um eine gezielte Kanalauswahl vorzunehmen. Dieser Schritt schließt mit der crossmedialen Produktpositionierung ab. Hierbei wird gleichzeitig die kanalabhängige Positionierungsplanung für das Medienprodukt erstellt sowie die Anpassung des Medienprodukts an den Medienkanal vorgenommen. 458 In der nachfolgenden Abb. 3.33 ist das Crossmedia-Konzept für die Produktfamilie „Deutschland sucht den Superstar“ von RTL dargestellt. Zusatz Speichermedien Print TV Internet RTL Shows (Samstagabend) VOX Magazin (Montagabend) VOX Interactive (Montagmittag) DSDS Magazin CD „We have a dream …“ CD „United“ CD „Take …“ DVD/ VHS Merchandisingartikel CASTINGS 10er-SHOWS LIVE-MOTTOSHOWS Reportagen/ Interviews/ Gastauftritte etc. im Programm von RTL RTL VIVA Aufrufe zur Bewerbung Homepage Abb. 3.33: Produktfamilie „Deutschland sucht den Superstar“ von RTL 459 458 Vgl. Wirtz (2013), S. 840 ff. 459 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 62. k alkulation von M edienproduktionen 245  Kontrollfragen 1 Definieren Sie den Begriff „Multimedia“ und erläutern Sie, welche menschlichen Sinne damit angesprochen werden können. 2 Wie erfolgt die visuelle Reizverarbeitung beim Menschen und wie werden von den meisten Personen eher abstrakte Substantive oder beiläufig gelernte Bilder besser erinnert? 3 Begründen Sie, warum die Kenntnis von sog. Gestaltgesetzen auch in Multimedia Produktionen sinnvoll ist und nennen Sie diese. 4 Stellen Sie Grundlinie, Versalhöhe, Ober-, Mitte- und Unterlänge einer Schrift grafisch dar. 5 Welche unterschiedlichen Arten von Druckverfahren gibt es am Markt? Nennen und erläutern Sie das für eine mehrfarbige, nicht individualisierte Kundenbroschüre mit einer Auflagenhöhe von 5.250 Stück wahrscheinlich günstigste Verfahren. 6 Wann ist ein Multimediaprojekt ihrer Meinung nach erfolgreich? Und wie sollten Ziele dafür definiert werden? 7 Definieren Sie den Begriff der Meilensteine in einem Multimediaprojekt und nennen Sie mögliche Beispiele aus der Praxis. 8 Wählen Sie 2 - 3 Gestaltgesetze aus und erläutern Sie ihre Wirkung bzw. den gezielten Einsatz dieser Gesetze an einem selbst gewählten Beispiel einer bekannten Website. 9 Sie sollen Verpackungsentwürfe für ein Bio-Diätpulver beurteilen. Zur Auswahl stehen drei Versionen, die sich vor allem im gewählten Farbdesign unterscheiden. Es gibt eine rote, eine grüne und eine gelbe Variante. Welchen Entwurf würden Sie bevorzugen, begründen Sie Ihre Einschätzung! 10 Für eine Kundenzeitschrift müssen Sie ein Bild auswählen. Im Text zum Bild verabschiedet sich ein beliebter Kundenberater von seinen ehemaligen Kunden und schildert, teilweise sehr persönlich, seine Erlebnisse im Unternehmen in den letzten Jahren. Er wird nun das Unternehmen verlassen und im Ausland arbeiten. Begründen Sie Ihre Einschätzung ausgehend von den vorliegenden Symbolbildern 460 . 460 Eigene Darstellung und Erweiterung, basierend auf Grafiken von www.snap2 objects.com und parkablogs.blogspot.com. M edienproduktion M edienproduktion 246 1 2 3 4 11 Sie sollen eine Projektidee für eine Kommunikationskampagne für einen großen Automobilhersteller, der negative Schlagzeilen gemacht hat, entwickeln. Nennen Sie drei dafür mögliche Methoden und beschreiben bzw. recherchieren und beschreiben Sie den Ablauf einer dieser Methoden. Führen Sie die Methode anschließend exemplarisch durch. 12 Beschreiben Sie kurz die beiden Technologien, welche innerhalb einer Medienproduktion zum Einsatz kommen! 13 Stellen Sie den Produktionsprozess eines Radio-Jingles grafisch dar! 14 Worin unterscheiden sich die Eigen- und die Auftragsproduktionen im TV-Bereich? 15 Welche zwei unterschiedlichen Crossmedia-Ausprägungen können unterschieden werden und was ist deren jeweilige Charakteristik? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. l iteraturverzeichnis 247 3.5 Literaturverzeichnis Ambler, T./ Ioannides, A./ Rose, S.: Brands on the Brain: Neuro-Images of Advertising, Business Strategy Review, 11,3, S. 17-30, Wiley & London Business School, West Sussex, London, 2000. Bann, D.: Die moderne Druckproduktion, 2. Auflage, Stiebner, München, 2011. Beck, H.: Medienökonomie - Print, Fernsehen und Multimedia, 2. Auflage, Springer, Berlin, 2005. 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M edienproduktion 252 Kapitel 4 Vermarktung von Medienprodukten  Lernziele Nach diesem Kapitel können Sie … ◼ die grundsätzlichen Anforderungen an die Gestaltung eines medialen Angebotsprogramms aufzeigen. ◼ die unterschiedlichen Funktionen von Medienmarken sowie die Umsetzung einer erfolgreichen Markenstrategie erläutern. ◼ Methoden der Preisfindung aufzeigen sowie die Preissetzung auf verschiedenen Medienmärkten analysieren. ◼ ökonomische und außerökonomische Werbeziele formulieren und die Planung einer Werbekampagne erörtern. ◼ direkte und indirekte Absatzwege sowie die Umsetzung der akquisitorischen Distribution beschreiben. Die unterschiedlichen Marketinginstrumente sind Gegenstand des operativen Managements in Unternehmen und sorgen für die Umsetzung von festgelegten Strategien sowie Zielen. Hierfür werden die vier Instrumente der Produkt-, Preis-, Kommunikations- und Distributionspolitik, welche in ihrer Kombination den Marketingmix bilden, eingesetzt. Allerdings richten sich diese auf den Medienmärkten nicht nur an eine Zielgruppe, die Rezipienten, sondern auch auf den Werbemarkt. Daher folgen differenzierte Betrachtungen der einzelnen Marketinginstrumente hinsichtlich des anzusprechenden Marktes. 460 Im Rahmen der Produktpolitik werden drei Themenfelder diskutiert: [1] Produktpolitik auf dem Rezipientenmarkt, [2] Produktpolitik auf dem Werbemarkt und [3] die Markenpolitik. Innerhalb des ersten Themenfeldes wird erörtert, welche Nutzenkomponenten ein mediales Produkt vermitteln kann, welche grundsätzlichen Anforderungen 460 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 77. V ermarktung Von m edienprodukten 254 an die Gestaltung des Angebotsprogramms bestehen und welche Möglichkeiten der Produktveränderungen existieren. Für den Werbemarkt wird diskutiert, welche Spezifika die Produktpolitik für die Zielgruppe zu beachten hat und wie unterschiedliche Werbeträgergattungen zur Umsetzung der verfolgten Strategie des werbungtreibenden Unternehmens geeignet sind. Die Markenpolitik betrachtet die unterschiedlichen Funktionen von Medienmarken und wie eine Markenstrategie erfolgreich umgesetzt werden kann. Die Preispolitik, die sich mit der Festlegung und dem Vergleich von alternativen Preisforderungen gegenüber potentiellen Kunden sowie deren Durchsetzung beschäftigt, zeigt eingangs unterschiedliche Methoden der Preisfindung auf und analysiert anschließend die Preissetzung auf verschiedenen Medienmärkten. Hohe Anforderungen an Medienunternehmen stellt die Kommunikationspolitik sowohl auf dem Rezipientenals auch auf dem Werbemarkt. Die rezipientengerichtete Kommunikationspolitik stellt zunächst die Ansätze zur Umsetzung der gesteckten Ziele und anschließend verschiedene Möglichkeiten für deren Realisierung dar. Die Ausführungen zur Kommunikationspolitik auf dem Werbemarkt formulieren zunächst ökonomische und außerökonomische Werbeziele und erörtern anschließend die Schritte der Planung einer Werbekampagne. Weiterführend werden verschiedene Instrumente der Kommunikationspolitik für Werbekunden diskutiert. Die Distributionspolitik von Medienunternehmen ist einerseits von der Verbreitung informatorischer bzw. unterhaltender Inhalte sowie andererseits durch quantitative und qualitative Reichweitenziele und Präsenz geprägt. Die Ausführungen betrachten einerseits die direkten und indirekten Absatzwege sowie andererseits die Umsetzung der akquisitorischen Distribution. 4.1 Produktpolitik Die Produktpolitik ist einer der zentralen Parameter im Marketing und beinhaltet alle Entscheidungstatbestände, welche sich auf die Gestaltung der vom Unternehmen im Absatzmarkt anzutreffenden Leistungen beziehen. 461 Nur wenn innerhalb der Produktpolitik eine Ausrichtung auf die optimalen Bedürfnisse der Rezipienten stattfindet, kann das langfristige Überleben des Unternehmens durch eine dauerhafte Erlösgenerierung sichergestellt werden. Da als Absatzmärkte für Medienunternehmen die Rezipienten- und die Werbemärkte von Relevanz sind, muss auch die Produktpolitik aus diesen beiden Blickwinkeln betrachtet werden. 462 461 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 385. 462 Vgl. Wirtz (2013), S. 131. p roduktpolitik 255 4.1.1 Produktpolitik auf dem Rezipientenmarkt Innerhalb des Rezipientenmarktes bezieht sich die Produktpolitik auf die nachfragergerichtete Gestaltung des Leistungsprogramms. Im Rahmen des Marketingmix nimmt die Produktpolitik eine exponierte Stellung ein, da die Entscheidungen über die anzubietende n Leistungen nicht nur ein technisches, sondern vor allem als ein marktbezogenes Problem anzusehen sind. Langfristig erfolgreiche Medienunternehmen müssen die Bedürfnisse der Rezipienten erfüllen. Die produktpolitischen Aktionsparameter auf dem Rezipientenmarkt beziehen sich auf den Leistungskern sowie auf den Nutzen des Angebots durch seine Eigenschaften und somit auch auf seine Qualität. 463 Der durch ein mediales Produkt vermittelte Nutzen lässt sich in folgende Kategorien unterteilen: 464 ◼ Kern(Grund)nutzen: Dieser entspricht dem eigentlichen Produktnutzen und lässt sich relativ undifferenziert als Information, Bildung und Unterhaltung kennzeichnen. Der Kernnutzen ist eingebettet in die Grundversion des Produkts, das generische Produkt, bspw. eine Nachrichtensendung. ◼ Zusatznutzen: Er entspricht der über den Kernnutzen hinausgehenden Bedürfnisbefriedigung wie Entspannung, Anregung oder Gewohnheit. Diese Eigenschaften bzw. Wirkungen beziehen sich bei Medienprodukten auf die Details des redaktionellen Konzeptes wie Aktualität, Informationsgehalt, Unterhaltungs- oder Bildungswert, Präsentation sowie - mit besonderem Gewicht - die Glaubwürdigkeit. ◼ Symbolischer Nutzen: Hier spiegeln sich die Emotionen, Bezüge zum Lebensstil, Prestige oder die Wertevermittlung wider. Diese Nutzenkategorie ist im Medienbereich schwieriger als in klassischen Industrien wie bspw. der Automobilindustrie umzusetzen, da der Medienkonsum weniger demonstrativ in der Öffentlichkeit zum Tragen kommt. Allerding erfolgt die Markierung im Medienbereich analog zu jeder anderen Branche auch durch Namen, Design und Logo. Im Rahmen der Produktpolitik sind einerseits Entscheidungen hinsichtlich der Gestaltung einzelner Produkte und dem hieraus erwarteten zu generierenden Nutzen bei den Rezipienten sowie andererseits des gesamten Angebotsprogramms zu treffen. 463 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 190. 464 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 190; Meffert et al. (2012), S. 387; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 78 f.; Siegert (2001), S. 122 f. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 256 Die zentrale Zielsetzung der Produktpolitik ist die Ausrichtung des Angebotsprogramms an den Bedürfnissen der Rezipienten, um hieraus einen Wettbewerbsvorteil zu generieren. 465 Im Medienbereich betrifft das Angebotsprogramm die Tiefe und Breite der angebotenen Produkte sowie der gewählten Marktbearbeitung. Die Programmbreite steht für die inhaltliche Vielfalt eines Angebots. So gab es früher im Fernsehen eine große Programmbreite in Form von Vollprogrammen, deren Angebot sich an die ganze Familie richtete. In der nachfolgenden Abbildung ist zu sehen, dass deren Anzahl in den Jahren 2011 und 2012 nur noch von geringer Natur waren. 416 267 72 40 17 17 3 421 261 77 45 17 18 3 0 100 200 300 400 500 Insgesamt landesweite, regionale und lokale Fernsehangebote Pay-TV Spartenprogramme Vollprogramme Teleshopping Fernsehfenster 2011 2012 Abb. 4.1: Anzahl der Programme im deutschen Fernsehen in den Jahren 2011 und 2012 (vgl. Statista 2014a) Die Programmtiefe beschreibt hingegen die Anzahl gleichartiger Produkte innerhalb einer Programmgattung. So ist eine große Programmtiefe im Hörfunk bei Spartensendern zu finden, die ihr Programm auf eine bestimmte Musikrichtung, wie bspw. klassische Musik, ausgerichtet haben. So richtet sich im Medienbereich die Programmbreite auf die inhaltliche Vielfalt des Angebots und die Programmtiefe auf die Anzahl der Produkte innerhalb einer einheitlichen Produktlinie. 466 465 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 388. 466 Vgl. Wirtz (2013), S. 132. p roduktpolitik 257 Veränderungen der bisher angebotenen Produkte (Produktvariation), Erweiterungen des Angebots durch Varianten vorhandener Produkte (Produktdifferenzierung) oder auch die Entwicklung von Neuprodukten (Produktinnovation) haben im Medienbereich wie auch in allen anderen Branchen Einfluss auf das Angebotsprogramm. Die genannten drei Möglichkeiten für Produktvarianten sind mit ihren jeweiligen Spezifika in Tab. 4.1 erläutert. Produktvariation ◼ wird umgesetzt mit jeder Zeitungsausgabe, jeder produzierten Sendung oder mit jedem aufgerufenen Internetangebot ◼ keine Veränderung in den Strukturen, wie bspw. der Auf bau und das Layout von Zeitungen ◼ die eigentliche Produktvariation erfolgt durch eine Veränderung des Präsentationsschemas Produktdifferenzierung ◼ schwieriger im traditionellen Medienbereich als im Onlinebereich zu realisieren ◼ traditioneller Medienbereich: verschiedene Tageszeitungskonzepte oder Fernsehprogramme  sehr kostenintensiv ◼ Onlinebereich: Umsetzung der Differenzierung zu geringen Kosten  vielfältige Angebote für ein Massenpublikum und enge Zielgruppen ◼ Mass Customization ist die extremste Form im Internet Produktinnovation ◼ Ansatzpunkte liegen im formalen und inhaltlichen Bereich ◼ Zeitungen: Layout und Auf bereitung der Inhalte  Aufspaltung einzelner Themen in voneinander unabhängig konsumierbare Teile und Präsentation durch verschiedene Stilelemente ◼ stärkere Serviceorientierung, vermehrte lokale Profilierung oder intensiver Bezug zu Personen im Zusammenhang mit dem Thema Tab. 4.1: Ausprägungen von Produktvariation, Produktdifferenzierung und Produktinnovation im Medienbereich 467 4.1.2 Produktpolitik auf dem Werbemarkt Die produktpolitischen Aktionsparameter der Werbewirtschaft beziehen sich auf die Erzielung von Aufmerksamkeit, Reichweite und Kontaktherstellung für eine klar definierte Zielgruppe. Die Produktpolitik beinhaltet somit alle Maßnahmen, mit denen die Programm- und Werbezeitengestaltung an den Bedürfnissen der werbungtreibenden Wirtschaft ausgerichtet wird. 468 Die Entwicklung der Werbeumsätze ist in den nachfolgenden Abb. 4.2 und 4.3 dargestellt. 467 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 191 ff.; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 82 f. 468 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 194; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 94. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 258 Die Aufgabe der werbemarktbezogenen Leistungspolitik besteht darin, die angebotenen Werbeformate und Zusatzleistungen so zu gestalten, dass möglichst viele qualitativ hochwertige Kontakte erreicht, langfristig gehalten und nachgewiesen werden können. 0 4.000 8.000 12.000 16.000 20.000 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Umsatz in Millionen Euro 12.765 13.696 15.950 14.872 16.219 16.390 17.021 17.560 Abb. 4.2: Werbeumsätze der Medienbranche in Deutschland von 2003 bis 2017 in Millionen Euro 469 Bezogen auf einzelne Branchen ergibt sich für das Jahr 2012 folgendes Bild: 0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000 14.000 Umsätze in Millionen Euro Fernsehen Internetzugang Bücher Zeitungen Zeitschriften Onlinewerbung Hörfunk Film Videospiele Musik Außenwerbung 12.973 12.931 9.523 8.441 5.680 4.670 3.497 2.831 1.966 1.435 863 Abb. 4.3: Umsätze der Unterhaltungs- und Medienbranche 2012 nach Segmenten in Millionen Euro 470 469 Vgl. Statista (2014b). 470 Vgl. Statista (2014c). p roduktpolitik 259 Grundsätzlich eignet sich nicht jedes Medium, um die verfolgte Strategie des werbungtreibenden Unternehmens zu realisieren. Daher werden nachfolgend unterschiedliche Werbeträgergattungen diskutiert. Die Zeitschriften haben den Vorteil, dass diese nach Auswahl der Titel einerseits zielgruppenspezifische Werbung, aber andererseits auch eine nahezu alle Rezipientengruppen ansprechenden Strategie umsetzen können. Neben der schon seit längerer Zeit durchgeführten Segmentierung nach soziodemographischen Kriterien wird in stärkerem Maße auch Differenzierung nach psychographischen Merkmalen (Einstellung, Meinung, Motivation etc.) durchgeführt. Grundsätzlich liegt die Nutzung einer Zeitschrift hinsichtlich Ort, Zeitpunkt und Dauer vollständig im Ermessen des Lesers. Die Beschäftigung mit diesem Medium ist allerdings i. d. R. sehr intensiv und höher gegenüber elektronischen Medien. Je intensiver die Hirnaktivitäten ausfallen, umso höher ist die jeweilige Erinnerungsleistung. Bei der Gestaltung einer Anzeige ist jedoch zu beachten, dass der Rezipient dieser nur eine relativ kurze Betrachtungszeit widmet. So können durchschnittliche Betrachtungszeiten für eine halbe Seite von 0,6 Sekunden und für Doppelseiten von 4,1 Sekunden angeführt werden. 471 Allerdings muss erwähnt werden, dass weniger von Interesse ist, wie lange die gesamten Nutzer einer Zeitschrift eine Anzeige im Durchschnitt betrachten, sondern, wie lange dies die avisierte Zielgruppe durchführt. Hierfür liegen allerdings keine allgemeingültigen Informationen vor, sodass an dieser Stelle nur grundlegende Anforderungen an die Anzeigengestaltung aufgeführt werden können: 472 ◼ Gestaltung der Anzeige in der Form, dass diese in kurzer Zeit bei Verarbeitung von ca. 20 Informationseinheiten die zentrale Botschaft vermitteln kann. ◼ Da Zeitschriften öfter durchblättert werden, erfolgt auch ein wiederholter Kontakt mit dem Werbemittel. Vermittelt eine Anzeige auf den ersten Blick eine - wenn auch kurze - verständliche und interessante Botschaft, dann besteht die Chance, das bei einem Wiederholungskontakt eine intensivere Hinwendung durch den Rezipienten geschieht. ◼ Die persönliche Ansprache der Zielgruppe sowie der interessierenden Thematik in der Headline können ein Informationsbedürfnis wecken. Besonders in „Special-Interest“-Zeitschriften verstehen die Leser auch Anzeigen als gesuchte Informationen. Hier können stark informativ gestaltete Anzeigen platziert werden. Für die Realisierung der verfolgten Ziele der Anzeigenwerbung in einem bestimmten Zeitraum ist die mögliche Reichweite ein wichtiger Indikator. Hierbei sind Titel, welche nur monatlich erscheinen, gegenüber 14-tägigen oder wöchentlichen Ausgaben im Nachteil. Dies ist insbesondere bei einer zeitlichen Fixierung von Marketingzielen zu beachten. 471 Vgl. Kroeber-Riel/ Weinberg (2013), S. 85. 472 Vgl. Unger et al. (2013), S. 360 f. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 260 Werbung in Zeitungen ist gegenüber Zeitschriften zeitlich sehr gut differenziert einsetzbar und daher für die Verfolgung kurzfristiger Werbeziele hervorragend geeignet. Dies wird durch eine regionale Differenzierungsmöglichkeit - mit Ausnahme überregionaler Zeitungen, die jedoch regionale Teilbelegungen enthalten können - noch verstärkt. Die Nutzungsdauer einer Zeitung und somit auch die Werbewirkung ist allerdings nur kurzfristig und i. d. R. auf einen Tag begrenzt. Ausnahmen bilden nur Wochenzeitungen, wie bspw. „Die Zeit“. Allerdings erfolgt bei Zeitungen die Durchsetzung der Werbewirkung äußerst schnell. Über 80 % der Werbekontakte dieser Medien erfolgen am Tag des Erscheinens. Die Wirkung unterschiedlicher Anzeigenkategorien ist sehr differenziert und kann wie folgt dargestellt werden: 473 ◼ Bei Markenartikelanzeigen bemerken nur rd. 33 % der Männer und Frauen Marke und Firma. ◼ Partnerschaftsanzeigen, bei denen Handel und Anbieter von Markenartikeln als „Partner“ auftreten, werden von 32 % der Männer und 37 % der Frauen wahrgenommen. ◼ Einzelhandelsanzeigen registrieren 34 % der Männer und 49 % der Frauen. Die Plakatwerbung ist besonders für die Ansprache der jüngeren Zielgruppe geeignet. So werden die Personengruppen zwischen 14-39 Jahren überdurchschnittlich stark erreicht und die über 40-Jährigen nur unterdurchschnittlich. Des Weiteren werden Berufstätige besser erreicht als Nichtberufstätige sowie Rezipienten in Städten mit über 500.000 Einwohnern. Geeignet ist Plakatwerbung besonders für einfache und klare Botschaften mit prägnanten Bildinformationen, wobei die Informationsaufnahme i. d. R. ohne direkte Hinwendung, sondern eher zufällig erfolgt. Es darf jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass nur eine kurze und oberflächliche Informationsverarbeitung stattfindet und dieses Medium demnach nur für „Low-Interest“- Produkte geeignet ist. Wenn die zu vermittelnde Botschaft auf sehr wenige und bildlich darstellbare Elemente reduziert wird, dann kann das Plakat als Ergänzungsmedium zu allen anderen Werbeträgergattungen eingesetzt werden. 474 Im Rundfunk verfolgen die Unternehmen hinsichtlich der Werbekunden sowohl ökonomische (bspw. Auslastung der Kapazitäten, Qualitätssicherung und Marktstellung) als auch psychographische (Schaffung eines Images oder Verfolgung bestimmter Einstellungen) Ziele. Die auf dem Werbemarkt angebotenen Werbeprodukte unterscheiden sich hinsichtlich der Art der Werberaumleistung (z. B. Spotwerbung oder Split Screens) und unterliegen einem rechtlichen Rahmen. Diesen bildet der Rundfunkstaatsvertrag (RStV), der zwischen folgenden Kategorien unterscheidet: 475 473 Vgl. Unger et al., S. 365 f. 474 Vgl. ebd., S. 365. 475 Vgl. RStV (2009). p roduktpolitik 261 ◼ Spotwerbung: Werbefilme, die kürzer als 90 Sek. sind. ◼ Dauerwerbesendungen: Werbefilme, die länger als 90 Sek. sind. ◼ Teleshopping: Werbesendungen, welche zu sofortigem Kauf bzw. zur Bestellung ermuntern. ◼ Sponsoring: Der Werbekunde unterstützt die nicht-werbende Sendung und kann erwähnt werden. Ergänzt wird der Rundfunkstaatsvertrag durch die Werberichtlinien für Fernsehen bzw. Hörfunk. Diese erweitern die im RStV festgelegten Kategorien, um aktuelle Entwicklungen (Splitscreens) zu berücksichtigen. In der nachfolgenden Abb. 4.4 sind hierzu die Entwicklungen der wichtigsten TV-Sonderwerbeformen dargestellt. Dabei kann bspw. die Splitsrceen-Werbung (parallele Ausstrahlung redaktioneller und werblicher Inhalte) weiter in Cut In, 7x7, Program Split, Win Ad oder Single Split unterteilt werden. 476 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 in Millionen Euro Singlespot und sonstige Sonderwerbeformen Dauerwerbesendung Programmsponsoring Splitscreen 79,4 89 161,4 312 250,3 281 551,7 656 2009 2010 Abb. 4.4: Entwicklung von TV-Sonderwerbeformen 477 In der nachfolgenden Tab. 4.2 sind die Regelungen für werbefinanzierte Fernsehsender dargestellt. Die Regelungen erlauben es, in zuschauerreichen Sendezeiten mit 12 Minuten die durchschnittliche tägliche Werbezeit von 9 Minuten pro Stunde zu überschreiten. Sendungen von Gottesdiensten sowie Kindersendungen dürfen durch Werbung nicht unterbrochen werden. Diese Regelung gilt analog auch für Nachrichtensendungen, Dokumentarfilme, politische und religiöse Sendungen, wenn diese weniger als 30 Minuten programmierte Sendezeit haben. 476 Vgl. Wirtz (2013), S. 475. 477 Vgl. SevenOne Media (2011), S. 9. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 262 Kategorie Zeitraum Grenzwert Spotwerbung und Teleshopping-Spots pro Stunde max. 12 Min. (20 %) Spotwerbung und Teleshopping-Spots pro Tag max. 216 Min. (15 %) Teleshopping-Fenster pro Tag max. 180 Min. Spotwerbung, Teleshopping-Spots und andere Formen der Werbung pro Tag max. 288 Min. (20 %) Tab. 4.2: Zulässige Dauer für Rundfunk-Werbung laut RStV und Werberichtlinien für das Fernsehen bzw. Hörfunk 478 Die Nutzung von Werbung ist auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gestattet. Ausgeschlossen ist allerdings im § 18 RStV das Teleshopping. Die Dauer der Werbung wird im § 16 RStV geregelt und umfasst im Wesentlichen die nachfolgenden Punkte: ◼ Gesamtwerbedauer in ARD und ZDF beträgt jeweils höchstens 20 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt. Nicht vollständig genutzte Werbezeit darf höchstens bis 5 Minuten werktäglich nachgeholt werden. ◼ Keine Werbesendungen nach 20 Uhr sowie an Sonntagen und an gesetzlichen Feiertagen. ◼ In den Dritten Fernsehprogrammen findet keine Werbung statt. ◼ Spotwerbung darf in einer Stunde 20 % nicht übersteigen. ◼ Die Landesrundfunkanstalten dürfen bis zu 90 Minuten werktäglich im Jahresdurchschnitt Werbung im Rundfunk einräumen. Das Internet hat den Unternehmen neue Möglichkeiten der Werbung eröffnet. Unter dem Begriff Online-Marketing werden alle Aktivitäten zusammengefasst, die auf Basis interaktiver elektronischer Medien umgesetzt werden. In der nachfolgenden Abb. 4.5 ist die Entwicklung der Online-Werbung dargestellt. Ein wesentlicher Vorteil der Online-Werbung ist, dass die Botschaftsinhalte laufend aktualisiert werden können. Folgende Basiskonzepte können dabei verwendet werden: 479 ◼ Information-Site: eigenständiger Auftritt des Unternehmens. ◼ Electronic-Publishing: Veröffentlichung von Printmedien im Internet. ◼ Werbebanner Als Werbebanner können unterschiedliche Formen eingesetzt werden. Diese sind in Abb. 4.6 in der Reihenfolge nach den realisierten Bruttowerbeinvestitionen dargestellt. Hierbei steht das Wallpaper mit 393 Millionen Euro (2013) mit Abstand auf Platz eins. Bei einem Wallpaper werden typischerweise ein oberer 478 Vgl. RStV (2009), §§ 45, 45a. 479 Vgl. Unger et al. (2013), S. 367 f. p roduktpolitik 263 horizontaler sowie ein rechtsseitig angrenzender Balken zusammen als Werbemittel gestaltet, welches den Content auf der Webseite umrahmt. Das Banner (Standardwerbeformat, i. d. R. fest in der Webseite integriert und steht am oberen oder unteren Bildschirmrand) erzielte mit 276 Millionen Euro (2013) den größten absoluten Zuwachs im Ranking. Das auf dem 3. Platz stehende Ad-Bundle weist mit einem Plus von 82 Millionen Euro gegenüber 2012 den zweitgrößten Zuwachs auf und kommt 2013 auf insgesamt 263 Millionen Euro. Das Ad Bundle stellt keine eigene Werbeform dar, sondern definiert sich durch seine festgelegte Kombinationsbuchung. Eine Ad-Bundle-Buchung besteht aus drei der folgenden Werbeformen: Superbanner, Medium Rectangle, Skyscraper und Wide Skyscraper. 481 Die weiteren sieben Online-Werbeformen aus Abb. 4.6 werden nachfolgend erklärt: 482 ◼ Pre-Roll: Diese werden vor dem eigentlichen Videoinhalt ausgespielt. In Deutschland wird meist nur ein Spot gesendet, hingegen können dies in England auch bis zu drei Spots sein. ◼ Medium Rectangle: Ist auffällig auf der Webseite im Content-Bereich platziert und hat eine Größe von 300x250 Pixel. 480 Vgl. Statista (2014d). 481 Vgl. BVDW (2014), S. 13. 482 Vgl. OVK (2014): Werbeformen. http: / / www.werbeformen.de/ ovk/ ovk-de/ werbeformen.html 0 2.000 4.000 6.000 8.000 2005 2007 2009 2011 2013 2015 2017 Umsatz in Millionen Euro 907 2.521 3.332 4.249 5.120 5.943 6.625 Abb. 4.5: Umsätze mit Onlinewerbung in Deutschland (2005 bis 2017) in Millionen Euro 480 V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 264 ◼ Skyscraper: Ist ein hochformatiges Werbemittel und wird meist rechts neben dem Content gesetzt. Durch seine Größe von 120x600 Pixel erlaubt diese Werbeform interessante Effekte. ◼ Rectangel: Stellt eine optische Unterbrechung in redaktionellen Artikelseiten dar und ist von mindestens drei Seiten mit redaktionellem Inhalt umgeben. Ein Wegklicken ist nicht möglich. Die Größe beträgt 180x150 Pixel. ◼ Mircosite: Sie ist eine eigene Webseite mit weiterführenden Inhalten auf dem Werbeträger. Auf diese gelangt der Rezipient, wenn er auf ein Werbemittel geklickt hat. ◼ Superbanner: Es hat eine Größe von 728x90 Pixel und wird i. d. R. horizontal am oberen Rand der Webseite platziert. ◼ Halfpage Ad: Wird direkt im Contentbereich und auffällig in die Seitenstruktur integriert. Dieses sehr aufmerksamkeitsstarke Format hat eine Größe von 300x600 Pixel. Halfpage Ad Superbanner Microsite Rectangle Skyscraper Medium Rectangle Pre-Roll Ad Bundle Banner Wallpaper in Mio. Euro 0 50 100 150 200 250 300 350 400 450 2013 2012 48 123 120 94 179 180 173 181 172 359 70 72 84 117 127 146 234 263 276 393 Abb. 4.6: Top 10 der Online-Werbeformen nach Bruttowerbeinvestitionen 483 4.1.3 Markenpolitik Der Auf bau einer Marke ist Bestandteil der Produktpolitik, da sich diese zum Teil durch Eigenschaften etabliert, welche von den Elementen des funktionalen Nutzens, dem redaktionellen Konzept und der Audiovisualisierung geprägt ist. Nach neuerem Markenverständnis steht eine Marke mehr für das Image und das 483 Vgl. BVDW (2014), S. 13. p roduktpolitik 265 Bild, welches sich die Öffentlichkeit bzw. der Rezipient von einem Unternehmen oder einem Produkt oder einer Dienstleistung macht. 484 In der folgenden Tab. 4.3 ist dargestellt, welche unterschiedlichen Funktionen Medienmarken erfüllen müssen. So ermöglicht bspw. im Rundfunk eine Marke beim Rezipienten die Orientierung bei der Senderwahl und die Möglichkeit zur Identifikation mit bzw. die Bindung an den Sender. Für Wettbewerber stellt sie eine Chance zur Differenzierung dar. Bezogen auf die Werbewirtschaft dient die Marke zur Profilierung des Angebots sowie zur Bindung der Kunden. Des Weiteren bildet eine Marke den Grundstein für den Auf bau eines Senderimages, was für die Schaltung von Werbung auf Produkte und Leistungen der werbetreibenden Unternehmen transferiert werden kann. 485 Funktionen von Medienmarken, für … Medienunternehmen Werbewirtschaft Rezipienten Orientierungshilfe für Produktion, Einkauf, Personal und Kooperation bekanntes und verlässliches Marketingkonzept Orientierung bei Kauf/ Abonnement und Mediennutzung Strukturierungsprinzip für die Programmplanung sowie Publikums- und Mediaforschung prägnante und zielgruppenspezifische Aufmerksamkeit für Werbeaussagen Auf bau sowie Sicherung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit gefestigte Verhandlungsposition gegenüber der Werbewirtschaft Imagetransfer auf beworbene Objekte spezifische Qualitätssicherung Absatzförderung und Absatzstabilisierung verminderte Beanspruchung eigener Marketinginstrumente Minderung des Risikos von Fehlentscheidungen Profilierung gegenüber der Konkurrenz individueller und sozialer Zusatznutzen Instrument zum Auf bau der Corporate Identity Tab. 4.3: Aufgaben und Funktionen von Medienmarken aus unterschiedlichen Perspektiven 486 484 Vgl. Silberer (2001), S. 238. 485 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 96. 486 Vgl. Siegert (2004), S. 200. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 266 Die erfolgreiche Umsetzung einer Markenstrategie ermöglicht, dass Medienmarken: 487 ◼ … zum Abbau von Unsicherheit aufgrund des Erfahrungs- und Vertrauensgutcharakters von Medienprodukten beitragen. ◼ … die Orientierung in einem Markt mit vielfältigem Angebot erleichtern. ◼ … die Wahrnehmungskontinuität erhöhen, die umso wichtiger ist, da Medienprodukte Unikate darstellen. ◼ … aufgrund ihrer Immaterialität nicht nur begrenzt eingesetzt werden können (z. B. Jingle im Radio, Markierung von Mikrofonen, Trailer). ◼ … eine Klammer bilden für die hohe Inhaltsbreite des Angebots eines einzelnen Medienunternehmens. ◼ … die Flüchtigkeit des Medienangebots kompensieren. ◼ … die Gleichheit des funktionalen Nutzens Information, Bildung bzw. Unterhaltung überwinden. ◼ … bei ihrer Etablierung entscheidend von der Kommunikationspolitik abhängen. 4.2 Preispolitik Die Preispolitik beschäftigt sich mit der Festlegung und dem Vergleich von alternativen Preisforderungen gegenüber potentiellen Kunden sowie deren Durchsetzung. Dies geschieht unter Ausschöpfung des durch unternehmensinterne und unternehmensexterne Faktoren beschränkten Entscheidungsspielraums. 488 Auf dem Markt können gegenüber anderen Marketingmaßnahmen preispolitische Handlungen schneller umgesetzt werden, da diese eine geringe Vorlaufzeit haben. 489 Gleichzeitig reagieren jedoch die Nachfrager auf Preisänderungen häufig schnell und vergleichsweise stark. Die Bedeutung der Preispolitik für Medienunternehmen muss aufgrund der stark divergierenden Erlösstrukturen abhängig von der Branche und den betroffenen Märkten betrachtet werden. Auf den Rezipientenmärkten spielt die Preispolitik im Zeitungs-, Zeitschriften-, Buch- und Musiksektor eine wichtige Rolle. 490 Grundsätzlich kann zwischen den in der nachfolgenden Tab. 4.4 dargestellten Methoden der Preisfindung unterschieden werden. 487 Vgl. Baumgarth (2004), S. 6 f.; Beyer/ Carl (2008), S. 197; Siegert (2001), S. 198. 488 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 469 f. 489 Vgl. Diller (2007), S. 34. 490 Vgl. Wirtz (2013), S. 139. p reispolitik 267 Methoden der Preisfindung kostenorientiert nachfragerorientiert konkurrenzorientiert ◼ Kosteninformationen bilden die Basis der Preisfindung ◼ Anwendung von Voll- und Teilkostenansätzen ◼ Festlegung von langfristig kostendeckenden Preisen aber auch kurzfristiger Preisuntergrenzen möglich ◼ basiert auf dem Konzept der Preis-Absatz- Funktion  diese stellt alle Preis-Mengen- Kombinationen auf dem Absatzmarkt dar ◼ hohe Bedeutung hat Preiselastizität der Nachfrage ◼ Grundlage für Preisentscheidung: voraussichtliche Reaktion der Nachfrager ◼ Mittelpunkt der Entscheidungsfindung: Verhalten der Wettbewerber auf den entsprechenden Märkten ◼ Verzicht auf eine autonome Preisfindung und Anpassung an Preisführer oder Übernahme von branchenüblichen Preisen Tab. 4.4: Methoden der Preisfindung 491 Die Preispolitik im Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt ist stark geprägt von einem oligopolistischen Verhalten, d. h. viele Verlage passen sich dem Marktführer an oder orientieren sich stark an seinen Preisen. 492 Auf dem Rezipientenmarkt setzen die Verlage die Preisdifferenzierung ein. So ist der Preis einer einzelnen Tageszeitung gegenüber dem Abonnement teurer, welches zusätzlich noch nach Zahlungsweise (jährlich, halbjährlich, quartalsweise und monatlich) sowie nach Lesergruppe (bspw. Studenten) unterschieden wird. Auf den Werbemärkten liegt der Preisfindung werbefinanzierter Produkte i. d. R. eine Kostenorientierung zugrunde. Allerdings stehen Zeitungen und Zeitschriften, bedingt durch eine hohe Markttransparenz und Standardisierung der Produkte, einer relativ preiselastischen Nachfrage sowie einem intensiven inter- und intramediären Wettbewerb gegenüber. Für den Werbemarkt wird als Preismaßstab häufig der Tausend-Kontakt-Preis (TKP) herangezogen. Er bildet den Preis für einen bestimmten Anzeigenraum je 1.000 Leserkontakte ab und ist nachfolgend dargestellt. 493 TKP = Schaltkosten (Preis einer x-seitigen Anzeige) _________           Anzahl der potentiell erreichbaren Personen (Anzeigenreichweite) · 1.000 491 Vgl. Becker (2009), S. 486 ff. 492 Vgl. Oppenberg (1987), S. 152. 493 Vgl. Seufert (1994), S. 222; Wirtz (2013), S. 242. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 268 Im Zeitschriftenmarkt haben die Ausgaben mit einem gesundheitsbewussten Inhalt den günstigsten Tausend-Kontakt-Preis, wie in der nachfolgenden Abbildung 4.7 ersichtlich ist. Innerhalb des Werbemarktes bei Zeitungen und Zeitschriften sind häufig Preisbündelungen zu beobachten. Dies geschieht durch eine parallele Schaltung von Anzeigen in verschiedenen Titeln oder Ausgaben. Ziel der Preisbündelung ist es, verschiedene Zahlungsbereitschaften der Kunden effizienter als über Einzelpreise ausnutzen zu können. Zeitschriftenverlage gewähren ihren Werbekunden Rabatte auf die in den Preislisten gemachten Angaben bis zu 20 %. Insbesondere bei der Neueinführung von Zeitungen und Zeitschriften ergibt sich das Problem der Preisfindung. Folgende Bestandteile umfasst daher die Preispolitik in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen: 494 ◼ Bestimmung des Preises sowie die Preisbildung für ein neues Angebot ◼ Festlegung des Preissegments, in dem ein Verlag operieren will ◼ Änderung von Preisen bestehender Angebotsleistungen sowie die Festlegung der Preise für die unterschiedlichen Stufen des Distributionsprozesses (Großhandel und Endverbraucher) Für die Gestaltung der Preispolitik im Buchmarkt ist es gegenüber periodisch erscheinenden Medienprodukten schwieriger, verlässliche Prognosen über den Absatz von Titeln und die jeweilige Preis-Absatz-Funktion abzugeben. Des Weiteren können Verlage durch die Buchpreisbindung 495 nur in einem sehr stark eingeschränkten Maß eine unvorteilhafte Preissetzung nachträglich schnell korrigieren. Innerhalb der Preissetzung fließen sowohl kostenorientierte als auch marktorientierte Überlegungen ein, wobei die Preiselastizität der Nachfrage von großer Bedeutung ist. Eine geringe Preiselastizität liegt bei erfolgreichen Autoren und Bestsellern vor, sodass hier der Verlag einen größeren Spielraum für die preispolitischen Entscheidungen hat und hier bspw. eine hochpreisige Hardcover-Ausgabe anbieten kann. Unbekannte Autoren verzeichnen hingegen eine wesentlich höhere Preiselastizität, sodass hier Softcover- oder Taschenbuchsusgaben gewählt werden sollten. Grundsätzlich sollte der Preis des jeweiligen Titels in das Gesamtpreisniveau des Verlagsprogramms passen. Für die Abschöpfung unterschiedlicher Zahlungsbereitschaften kann der Verlag auch die zeitliche Preisdifferenzierung nutzen, indem er zunächst die hochpreisige Hardcover-Ausgabe eines Titels veröffentlicht und mit zeitlicher Verset- 494 Vgl. Wirtz (2013), S. 244. 495 Vgl. zur Preisfestlegung und Kostenstruktur im Buchmarkt auch Kap. 2.2.2. 496 Vgl. Statista (2014e). p reispolitik 269 Apothekenumschau A + B Apothekenumschau B Apothekenumschau A Senioren Ratgeber Glücks Revue Senioren Ratgeber, Diabetes Ratgeber-Kombi Das Goldene Blatt Die Aktuelle Neue Apotheken Illustrierte Echo der Frau Öko-Test Gong plus Mach mal Pause Bild der Frau, Gut kochen & backen Reader's Digest 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 13,07 6,48 6,59 2,33 0,51 3,63 0,5 0,79 1,57 0,42 0,78 1,17 0,32 0,78 0,96 8,67 9,63 9,64 9,64 10,36 11,58 12,03 12,62 12,64 12,98 14,16 14,92 16,13 16,34 17,32 Kontakte (in Millionen) TKP (in Euro) Abb. 4.7: Tausend-Kontakt-Preis und Kontakte verschiedener deutschsprachiger Zeitschriften 495 V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 270 zung wird dieser Titel als Taschenbuch verkauft. Dies wird chronologischer Split genannt. Eine zeitgleiche Veröffentlichung beider Buchformate ist auch möglich (simultaner Split), kommt jedoch bei eindeutig abgegrenzten Teilmärkten nur selten zur Anwendung. 497 Aus der kostenorientierten Sicht muss bei der Festsetzung des Verkaufspreises keine Vollkostenrechnung zugrunde liegen. Anders als bei anderen Medienprodukten ist es im Buchbereich möglich, die hohen First-Copy-Costs auf mehrere Auflagen zu verteilen. Hierbei steht im Vordergrund, dass das gleiche Buch erneut produziert und in seiner ursprünglichen Form vertrieben wird. 498 Im Musikmarkt betrifft die Preispolitik i. d. R. den Rezipientenmarkt mit den physischen Tonträgern sowie den digitalen Musikverkäufen. Grundsätzlich kann die Preisfindung nach den drei Kategorien der Kosten-, Nachfrage- und Konkurrenzorientierung erfolgen. 499 Die kostenorientierte Preisbildung ist im Markt für physische Tonträger aufgrund der hohen Fixkostenbestandteile wenig sinnvoll, da eine Orientierung an ◼ Teilbzw. Grenzkostensätzen zwar zu einer kurzfristigen Preisuntergrenze, mittelbis langfristig zu hohen Verlusten führt, da fixe Kosten nicht gedeckt sind. ◼ Vollkostensätzen an der hohen Misserfolgsquote von Musikproduktionen scheitert. Auch erscheint eine Preisbindung an die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager nicht möglich, da diese stark gesunken ist. Dies zeigt auch die nachfolgend dargestellte zeitliche Umsatzentwicklung unterschiedlicher physischer Tonträger. in Mio. € 2004 2006 2008 2010 2012 2013 CD 1.408 1.368 1.299 1.130 1.019 1.006 MC 45 21 21 9 3 2 Vinyl-LP 8 6 9 12 19 29 Single 120 71 33 19 11 8 Video 159 156 118 115 89 80 Total 1.740 1.622 1.480 1.285 1.141 1.125 Tab. 4.5: Umsatzentwicklung physischer Tonträger in Deutschland 500 497 Vgl. Schönstedt (1999), S. 205. 498 Vgl. Wirtz (2013), S. 298 f. 499 Vgl. Diller (2007), 150 ff. 500 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e. V. (2014), S. 10. p reispolitik 271 In der Musikbranche hat sich weitestgehend eine wettbewerbsorientierte Preispolitik eingestellt. In der Folge haben sich die Preise für branchenweit auf ein weitgehend einheitliches Niveau gefestigt. Innerhalb dieses Preisgefüges setzen Unternehmen folgende preispolitische Instrumente ein: 501 ◼ Zeitliche Preisdifferenzierung, wenn aktuelle Künstleralben zunächst zum full price und nach einiger Zeit stufenweise reduziert vermarktet werden. ◼ Zusammenstellung von Packages, die sich hinsichtlich Umfang, Verpackung und Zusatzfeatures unterscheiden, wie bspw. aktuelle Single-Chart als günstigere 2-Track-Single, die Maxi-CD mit drei Titeln oder die Single-DVD mit mehreren Tracks plus Filmmaterial. ◼ Preisbündelung wird bei Medienprodukten realisiert, die aus mehreren Titeln bestehen. Hierbei wird dem Nachfrager eine feste Kombination von Musiktiteln oder die Verknüpfung mehrerer Tonträger zum Gesamtpreis angeboten. Ein Auf brechen von Bündelangeboten bewirken legale digitale Musikverkäufe. Hierbei hat der Rezipient die Möglichkeit, entweder ein ganzen Album oder nur einzelne Titel per Download zu erwerben. Die Preise bei diesem Vertriebsweg liegen zumeist unter denen von physischen Tonträgern. Die folgenden Tab. 4.6 zeigt, dass der Umsatz digitaler Musikverkäufe in Deutschland in den letzten Jahren stetig zugenommen hat. in Mio. € 2008 2009 2010 2011 2012 2013 Download-Singletracks 46 51 66 86 109 104 Downloads-Bundles 42 67 91 117 144 151 Download-Music Video 2 2 2 2 2 2 Mobile Realtones 12 7 4 3 1 2 Mobile Ring-backtones 4 4 4 6 1 1 Steaming 21 27 25 26 36 68 Sonstiges 17 15 10 7 1 0 Total 144 173 204 247 294 328 Tab. 4.6: Umsatzentwicklung digitaler Musikverkäufe in Deutschland 502 Im Rahmen des TV-Managements wird zwischen Rezipienten- und Werbemarkt unterschieden, wobei die Preispolitik für die Konsumenten lediglich im entgeltfinanzierten Privatfernsehen eine Rolle spielt. Die öffentlich-rechtlichen Sender 501 Vgl. Wirtz (2013), S. 603 f. 502 Vgl. Bundesverband Musikindustrie e. V. (2014), S. 11. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 272 werden durch Rundfunkbeiträge 503 finanziert, die vom Rezipienten erhoben werden. Dies erfolgt in dem nachfolgend dargestellten dreistufigen Verfahren: [1] Die Sender melden ihren Finanzbedarf, der sich nach den autonom getroffenen Programmentscheidungen bestimmt, bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) an. [2] Die KEF überprüft auf Basis dieser Bedarfsanmeldung den Finanzbedarf auf Grundlage der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die anschließende Stellungnahme gibt Auskunft, ob eine Änderung des Rundfunkbeitrages in Höhe notwendig ist und wenn ja, ab welchem Zeitpunkt. [3] Die Landesregierungen und Landesparlamente entscheiden auf Basis des Beitragvorschlags der KEF über Anpassungen. Durch diese Art der Beitragsfestlegung besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Preis sowie Leistung und die öffentlich-rechtlichen TV-Anbieter können weder Einfluss auf den Preis noch die Leistungsinanspruchnahme ausüben. Somit entfällt die Möglichkeit einer ziel- und marktorientierten Gestaltung des Preis-/ Leistungsverhältnisses. Der Rundfunkbeitrag stellt somit kein autonomes Marketinginstrument dar, welches preispolitische Handlungsmöglichkeiten auf dem Rezipientenmarkt eröffnet. 504 Für das entgeltfinanzierte Privatfernsehen können folgende zwei Entgeltformen unterschieden werden: ◼ Pay per Channel (Abonnentenfernsehen): Die Preispolitik bezieht sich auf die Festlegung der Höhe einer transaktionsunabhängigen Mediennutzungsgebühr. ◼ Pay per View: Die Preispolitik des Anbieters legt die transaktionsbasierten Mediennutzungsgebühren für die einzelnen Sendungen fest, welche der Rezipient konsumiert. Innerhalb der Preispolitik auf dem Werbemarkt stehen die öffentlich-rechtlichen Sender mit den privaten Anbietern im Wettbewerb. Die jeweiligen preispolitischen Entscheidungen unterliegen jedoch folgenden Besonderheiten: 505 ◼ Die Bereitstellung von Werbezeiten ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die abgesetzten Einheiten (Werbezeitminuten) nicht lagern lassen. ◼ Die Nachfrage nach Werbezeit ist entsprechend den Rezipientengewohnheiten der werberelevanten Zielgruppe(n) sowohl im Tages- und Wochenals auch im Jahresverlauf ungleich verteilt. ◼ Das zeitlich erlaubte Werbevolumen ist gesetzlich beschränkt. Die grundlegenden nachfragerseitigen Einflussfaktoren auf die Preisbildung sind in der folgenden Abb. 4.8 dargestellt. Hierbei sind zwei Determinanten der Preisbildung zu unterscheiden: die rezipientenmarktspezifischen und die werbemarktspezifischen Einflussfaktoren. 503 Dies gilt ab 2013, zuvor erfolgte die Finanzierung über Rundfunkgebühren. 504 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 206; Wirtz (2013), S. 478 f. 505 Vgl. Köcher (2000), S. 229 f. p reispolitik 273 Werbestrategie Preissensibilität Zahlungsbereitschaft Programmnachfrage saisonale Schwankungen Schwankungen im Tagesverlauf Zapping Konsumverhalten Nachfrage der Rezipienten nach redaktionellem Programm Nachfrage der Werbekunden nach Werbezeiten Basis: Reichweitenprognose Basis: Auslastung der verfügbaren Werbezeiten Preise für Werbezeiten Nachfrage nach Werbezeiten Abb. 4.8: Nachfragerseitige Einflussfaktoren auf die Preisbildung 506 Jeder werbefinanzierte Sender verfolgt das Ziel, die Kosten für das angebotene Programm durch Werbeeinnahmen zu decken. Im Rahmen der kostenorientierten Preisbestimmung wird der Preis für die Werbezeiten durch eine Kalkulation auf Basis der Daten aus der Kostenrechnung ermittelt. Die Kostenträgerrechnung kann dann die Kosten für jede einzelne Sendung berechnen. Die Bildung kostenorientierter Preise zielt darauf ab, einen Preis zu finden, welcher die verursachten Kosten deckt und einen angemessenen Gewinn am Werbemarkt erzielt. Im Idealfall müsste es gelingen, jede einzelne Sendung über den Verkauf von Werbezeiten während ihrer Ausstrahlung kostendeckend zu gestalten. In der Praxis ist eine Kostendeckung nicht für alle Formate gewährleistet. Relative geringe Kosten verursachen Talkshows, Serien und regelmäßige Magazine. Durch ihre recht konstanten Reichweiten können zu ihren Sendezeiten hohe Werbepreise und somit gute Gewinne erzielt werden. Hohe Kosten entstehen jedoch bei aufwendig produzierte Spielfilmen oder teuer erworbenen Spielfilmrechten. In diesem Fall muss durch eine Querfinanzierung der Verlust ausgeglichen werden. 507 Im Rahmen der wettbewerbsorientierten Preisbestimmung orientieren sich die TV-Unternehmen an den Preisen und dem Marktverhalten der Wettbewerber. 506 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 111. 507 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 112 ff. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 274 Ausgangspunkte für die Preisbestimmung sind der durchschnittliche Marktpreis für Werbezeiten und die Preisaktivitäten der Hauptwettbewerber. Ihre Preissetzung lehnen sie hierbei an den kompetitiven TKP. Vor dem Hintergrund des branchenüblichen TKP für ein analoges Medium wird auf Basis der eigenen erwarteten oder gemessenen Reichweite der Werbespotpreis errechnet. Für den privaten Anbieter stellt nicht der Werbespotpreis, sondern die Reichweite die entscheidende Stellgröße dar. 508 Die Erhöhung der Reichweite verringert gleichzeitig den TKP gegenüber dem Wettbewerber. Dies eröffnet einem TV-Anbieter einen Handlungsspielraum zur Erhöhung der Werbespotpreise. Die Angabe von qualitativen Reichweiten, welche auf Basis von Nutzwertanalysen und Nutzerprofilen nach soziodemographischen sowie psychographischen ermittelt werden, verbessert die zielgenaue Ansprache der Rezipienten durch die werbetreibende Industrie. In der Regel erfolgt die Preisdifferenzierung der Spots nach deren Länge, Saisongruppen und Werbeblöcken. Die Differenzierung nach Werbeblöcken ist in der sehr unterschiedlichen Zuschauerreichweite der einzelnen Werbeblöcke begründet. Eine vorläufige Preisfestsetzung bestimmt sich nach den durchschnittlichen Reichweiten der Sendungen, die in den Basislisten der Preisanbieter festgesetzt sind. Einen Ausschnitt der Preise des Jahres 2014 für eine Spotlänge von 20 Sekunden bei der ARD zeigt die nachfolgende Tab. 4.7. Die endgültigen Preise ergeben sich erst nach erfolgter Ausstrahlung auf der Basis der tatsächlich gemessenen Zuschauerreichweite. 509 508 Vgl. Heinrich (1999), S. 323. 509 Vgl. Schuster (1995), S. 236; Wirtz (2013), S. 479 f. p reispolitik 275 Sendezeit Januar 2014 März 2014 Juli 2014 Nov. 2014 Ø 2014 Montag bis Freitag 16: 58 Uhr 5.920 € 7.920 € 3.960 € 8.500 € 6.600 € 19: 43 Uhr (Abspannsplit, Mo.) 15.120 € 20.160 € 10.080 € 21.840 € 16.800 € 19: 59 Uhr 31.320 € 41.760 € 20.880 € 45.240 € 34.800 € Samstag mit Bundesliga 18: 50 Uhr (Unterbrecher) 29.740 € 42.000 € 19.240 € 43.760 € 35.000 € 19: 53 Uhr (Ergebnis- Split) 44.880 € 63.360 € 29.040 € 66.000 € 52.800 € Samstag ohne Bundesliga 18: 57 Uhr 5.400 € 7.200 € 3.600 € 7.800 € 6.000 € 19: 53 Uhr 9.720 € 12.960 € 6.480 € 14.040 € 10.800 € Tab. 4.7: Ausgewählte Preise für ARD TV National im Jahr 2014 bei einer Spotlänge von 20 Sekunden 510 Das Ziel einer nachfragerorientierten Preisbestimmung ist darin zu sehen, die Reaktionen der Werbekunden auf unterschiedliche Preise zu prognostizieren. Unter der Annahme verschiedener Preisforderungen erfolgt eine Rückrechnung der Auswirkungen der Werbepreise auf die Zielerreichung eines TV-Unternehmens. 511 Das Grundprinzip der praxisnahen nachfagerorientierten Preisbestimmung besteht darin, dass für einzelne Werbezeiten jeweils alternative Preise festgelegt werden. Im Anschluss daran müssen für jeden alternativen Preis die Absatz- und Umsatzwerte geschätzt und auf dieser Basis der optimale Preis ermittelt werden. In der nachfolgenden Tab. 4.8 sind hierzu die wichtigsten Verfahren dargestellt. 510 Vgl. ADR-Werbung Sales & Services (2014). 511 Vgl. Diller (2008), S. 319 ff. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 276 Break-Even-Analyse marginalanalytische Methode Yieldmanagement ◼ statisches Verfahren ◼ Gewinnschwelle ist erreicht, wenn die Kosten dem Umsatz entsprechen ◼ kritische Absatzmenge: Deckungsbeitrag = fixe Kosten ◼ optimaler Werbepreis: Gegenüberstellung der bei bestimmten Absatzmengen erreichbaren Marktpreise zu den kritischen Absatzmengen ◼ Methode bezieht sich nur auf die Bestimmung der Vorteilhaftigkeit unterschiedlicher Preise ◼ wird angewendet, wenn im TV-Unternehmen die Zusammenhänge zwischen der Preishöhe und den preispolitischen Zielgrößen Absatzmenge, Umsatz, Gewinn und Rentabilität bekannt sind ◼ zur Bildung optimaler Preise müssen die Verläufe der Preis- Absatz-Funktion, der Preiselastizität der Nachfrage oder der Umsatz- und Kostenfunktion bekannt sein ◼ Grundidee: Werbekunden entsprechend ihrer Zahlungsbereitschaft so zu segmentieren, dass der Preis für einen Werbeplatz optimiert und somit der Umsatz maximiert wird ◼ segmentierte Werbekunden bekommen Werbeleistungen zu differenzierten Preisen ◼ Voraussetzung: Kontingentbildung, wo die gesamte Werbezeitkapazität in Teilkapazitäten zerlegt wird, um anschließend Preisklassen zu bilden ◼ Preis entspricht dem Grenznutzen der gewünschten Werbezeit Tab. 4.8: Methoden der nachfragerorientierten Preisbestimmung 512 4.3 Kommunikationspolitik Die Kommunikationspolitik stellt in der heutigen Zeit hohe Anforderungen an Unternehmen. Sie umfasst hierbei die systematische Planung, Ausgestaltung, Abstimmung und Kontrolle aller Kommunikationsmaßnahmen des Unternehmens im Hinblick auf die relevanten Zielgruppen, um die Kommunikationsziele sowie die nachgelagerten Marketing- und Unternehmensziele zu erreichen. 513 Zu den Instrumenten der Kommunikationspolitik zählt die Werbung einschließlich der Direktwerbung wie Mailing, Telefonaktionen und interaktive Medien, mit deren Hilfe Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens bekannt gemacht sowie mit einem Image versehen werden sollen. Die Verkaufsförderung zielt auf eine direkte Unterstützung des Verkaufs, während Public Relations (PR) das Unternehmen als Ganzes profilieren soll. Im Rahmen der Kommunikationspolitik von Medien handelt es sich um Kommunikation über Kommunikation, wobei sich folgende zwei Besonderheiten ergeben: 514 512 Vgl. Pezold/ Sander (2009), S. 118 ff. 513 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 606. 514 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 199; Strecker (1996), S. 130 f. k ommunikationspolitik 277 ◼ Medien sind selbst Werbeträger: Sie können neben der Werbung in Fremdmedien auch Eigenwerbung und redaktionelle Verweise nutzen. Diese beiden Instrumente stehen anderen Branchen nicht zur Verfügung. ◼ Unikatcharakter von Medienleistungen: Es ergibt sich in Form der einzelnen Beiträge eine hohe Anzahl von Objekten für die Kommunikationspolitik. Dies führt einerseits zu einem Selektionsproblem, aber andererseits müssen keine Ereignisse für die Kommunikationspolitik künstlich produziert werden. Die schwierigste Aufgabenrealisierung besteht im Internet, da hier das Angebot individuell jeweils unterschiedlich ausfällt, sodass als Objekte Angebotskategorien oder Serviceleistungen infrage kommen. Die kommunikationspolitischen Ziele konzentrieren sich auf zwei Aspekte: Einerseits soll das Medienunternehmen als Ganzes am Markt mit bestimmten Eigenschaften und Leistungen positioniert und andererseits sollen die Nachfrager über sein Angebot informiert werden. Die Zielgruppen sind hierbei vor allem die Rezipienten und die Werbekunden. 4.3.1 Kommunikationspolitik auf dem Rezipientenmarkt Die Aufgaben der rezipientengerichteten Kommunikationspolitik bestehen in der Steigerung der Marken- und Firmenbekanntheit, dem Auf bau positiver Einstellungen und Images sowie der Positionierung des Produktes als ein attraktives Angebot. 515 Zur Erreichung dieser drei Zielsetzungen können Medienunternehmen die Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen der Rezipienten auf Basis folgender zwei Ansätze umsetzen: 516 ◼ Psychologischer Ansatz: Dieser richtet sich bspw. auf die Steigerung des Bekanntheitsgerades bestimmter Produkte oder des Medienunternehmens, die Veränderungen der Meinungen und Einstellungen der Rezipienten sowie die Übermittlung von Informationen über das Unternehmen und seine Leistungen. Hierbei können folgende Teilziele verfolgt werden: ☐ Kognitiv orientierte Ziele: Sie unterstützen die Wahrnehmung, Kenntnis und Erinnerung sowie das Verständnis von Angeboten des Medienunternehmens. Dies geschieht über die Steuerung der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung. So können Kampagnen, die auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtet sind, dazu dienen, die Bekanntheit des Medienunternehmens herzustellen, zu stabilisieren und zu steigern. In Entscheidungssituationen sollen dem Rezipienten die Angebote des Unternehmens bekannt sein (Evoked Set). 515 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 77 f. 516 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 131 f. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 278 ☐ Affektiv orientierte Ziele: Verfolgung der individuellen und emotionalen Positionierung sowie Abgrenzung des Angebots bzw. des Unternehmens von der Konkurrenz. So können bestimmte Claims, wie bspw. „We love to entertain you“ von ProSieben, dazu beitragen, dass sich bei den Rezipienten bestimmte Präferenzen, Einstellungen und Images auf bauen. ☐ Konativ orientierte Ziele: Diese dienen dazu, beim Rezipienten bestimmte Handlungen auszulösen. So soll etwa das Fernsehbzw. Hörverhalten durch Motivation der Rezipienten beeinflusst werden, neue Sendungen einzuschalten oder eingeblendete Hotline-Rufnummern zu nutzen. ◼ Ökonomischer Ansatz: Um diesen langfristig umsetzen zu können, dienen die psychologischen Ansätze meist als Zwischenziele. Messbar ist der ökonomische Erfolg an Größen wie Umsatz oder Marktanteil. ◼ Die einfachste Möglichkeit der Umsetzung einer rezipientenorientierten Kommunikationspolitik ist die Eigenwerbung. Da Medienprodukte komplex bzw. umfangreich sind, können Nachfrager durch dieses Instrument für bisher von ihnen nicht beachtete Teile, wie bspw. einzelne TV-Sendungen oder Zeitungsbeiträge, interessiert werden. ◼ Innerhalb des TV- oder Radiomarktes kann sowohl der eigene Sender als auch ein anderes Medium als Träger der Eigenwerbung genutzt werden. Wie in Abb. 4.9 dargestellt, umfasst die On-Air-Promotion die gesamte Werbung für das Programm oder den Sender, welche die Rezipienten erreicht. Oft wird unter On-Air-Promotion auch lediglich die interne Form verstanden, da sie für die Eigenwerbung die größte Bedeutung hat. Dies liegt darin begründet, 517 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 133. Eigenwerbung Crossmedia-Promotion On-Air-Promotion Off-Air-Promotion intern extern ◼ Trailer ◼ Programmansagen ◼ Programmtafeln ◼ Hinweise ◼ interne Cross-Promotion ◼ redaktionelle Beiträge ◼ Spots ◼ externe Cross- Promotion ◼ redaktionelle Beiträge ◼ Werbeanzeigen ◼ Außenwerbung ◼ Kino ◼ Presseberichte ◼ Programminformationen ◼ Internet Abb. 4.9: Kategorien und Formen der Eigenwerbung im TV- und Radiobereich 517 k ommunikationspolitik 279 dass innerhalb der eigenen Sendezeit für die eigenen Angebote oder den Sender selbst geworben wird. Diese Form verursacht über die Herstellungskosten hinaus keine weiteren Aufwendungen und ist im Vergleich zur externen On- Air-Promotion und zur Off-Air-Promotion wesentlich günstiger. Der Verkaufs- und Absatzförderung, als ein weiteres Kommunikationsinstrument, stehen zahlreiche Möglichkeiten für die Realisierung, wie bspw. Preisausschreiben, Reisen, kostenlose Proben oder Kundenclubs, zur Verfügung. Aufgrund des Vertrauens- und Erfahrungscharakters von Medienprodukten sind kostenlose Probeangebote eine wichtige Maßnahme im Rahmen der Verkaufsförderung. Im Printbereich werden sie in Form von Probeabonnements eingesetzt. Für TV-Unternehmen bestehen die Ziele der Verkaufs- und Absatzförderung in der kurzfristigen Erhöhung der Einschaltquoten, der Bekanntmachung und Profilierung neuer Sendungen sowie der verbesserten Information der Rezipienten. Die eingesetzten Maßnahmen finden sich sowohl im On-Airals auch Off-Air-Bereich, wobei die On-Air-Aktionen (vgl. für Beispiele auch Tab. 4.9) mit den Sendungen laufen und somit zur Aktivierung und Motivation der Zuschauer führen. 518 Form der Verkaufsförderung Charakteristik Voting-Konzepte ◼ Aktivierung der Rezipienten und fördern das Interesse an der Sendung ◼ oft in Verbindung mit Events eingesetzt, die der Sender organisiert Anruf-Aktionen ◼ Einbeziehung der Nachfrager, Bindung an das Programm ◼ Initiierung bspw. durch polarisierende Themen mit allgemeinem Interesse Mitmach-Angebote ◼ Rezipienten haben die Möglichkeit, sich aktiv am Programm zu beteiligen oder damit zu identifizieren Gewinnspiele ◼ bewirken einen kontinuierlichen Konsum des Programms und sorgen für eine hohe Anzahl an Nachfragern Tab. 4.9: Formen der On-Air-Verkaufsförderung 519 Als Off-Air-Aktionen kommen Medien zum Einsatz, die über das Fernsehen hinausgehen. Dies können bspw. Teilnahmeformulare für Gewinnspiele sein oder Voting-Aktionen können zusätzlich in Printmedien abgedruckt als auch auf Webseiten platziert werden. 518 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 202; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 138 f. 519 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 138 f. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 280 Das Merchandising stellt eine weitere Möglichkeit dar, um die Kommunikationspolitik zu unterstützen. Das Logo wirbt für das Medienunternehmen auf den unterschiedlichsten Produkten und steigert somit die Bekanntheit. Je nach Produkt kann auch das Image des Medienunternehmens durch Merchandising beeinflusst werden. Die Wahl der Produkte oder Lizenznehmer ist für das Merchandising als Marketinginstrument wichtiger als in der Funktion eines Finanzierungsunternehmens. Innerhalb des Musikmanagements umfasst bspw. das Geschäftsmodell der Tonträgerhersteller zum Teil auch den Bereich des Merchandising. Hierbei erfolgt die Verwertung von Nebenrechten für Künstler und Musikprodukte. Neben der traditionellen Ausprägung in Form des Vertriebs von T-Shirts oder Postern können auch zusätzliche Erlöse aus dem digitalen Merchandising gewonnen werden. Hierbei handelt es sich um Klingeltöne, SMS-Grußkarten oder MMS. Oft werden die Merchandising-Rechte jedoch vom Künstler selbst oder einer spezialisierten Organisation wahrgenommen, sodass sie für den Tonträgerhersteller nicht verfügbar sind. 520 Innerhalb von TV-Unternehmen werden im Rahmen des Merchandising die Marken des Senders oder seines Angebots auf Produkte übertragen, die bisher nicht in direkter Verbindung damit standen. Diese tragen einerseits dazu bei, Verkaufserlöse zu generieren. Andererseits bieten sie eine Marketingplattform, um den Claim des Senders zu verbreiten. 521 Das Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit) als ein weiteres Instrument der Kommunikationspolitik zielt nicht nur auf eine direkte Beeinflussung des Kaufverhaltens, sondern auf eine Verbesserung des Unternehmensimages und seiner Produkte im Bewusstsein der Öffentlichkeit. Zu diesem Zweck werden im Medienbereich bspw. Spendenaktionen durchgeführt, Stiftungen gegründet oder Preisverleihungen (Oskar-Verleihung, Bambi, Goldene Henne etc.) veranstaltet. 522 Public Relations (PR) schließt aber auch den Bereich der Medienpolitiker, mögliche Kapitalgeber sowie externe Institutionen ein. Daher ist auch die Zielgruppe breiter als bei Werbung. Allerdings fällt die Trennung zwischen PR und Werbung im Medienbereich schwerer als in anderen Branchen, sobald das Gesamtprodukt wie bspw. die Zeitung, der TV-Sender oder das komplette Internetangebot im Blickfeld einer Kommunikationskampagne steht. 523 520 Vgl. Wirtz (2013), S. 588. 521 Vgl. Krone (2005), S. 134. 522 Vgl. Schumann/ Hess (2009), S. 78. 523 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 201. k ommunikationspolitik 281 Public Relations erfüllt somit verschiedene Funktionen. Diese werden nachfolgend am Beispiel eines Rundfunkunternehmens erläutert: ◼ Informationsfunktion: Übermittlung von Informationen aus dem Unternehmen an den Rezipienten, um somit Verständnis für das Rundfunkunternehmen zu erreichen. ◼ Imagefunktion: betrifft den Auf bau und die Änderung der Vorstellung des Senders in der Öffentlichkeit. ◼ Führungsfunktion: Beeinflussung der relevanten Rezipienten hinsichtlich der Positionierung des Senders am Markt. ◼ Kommunikationsfunktion: Herstellung von Kontakten zwischen dem jeweiligen Sender und seinen Rezipienten. ◼ Existenzerhaltungsfunktion: glaubwürdige Darstellung der Notwendigkeit des TV- und Hörfunksenders für die Öffentlichkeit. Die Nutzung von Events als ein weiteres Kommunikationsinstrument erfährt zunehmend an Bedeutung. Events stellen speziell inszenierte Veranstaltungen dar, die in einem entspannten und emotional anregenden Umfeld stattfinden. So hat bspw. das Eventmarketing in der Konsolenvermarktung eine große Bedeutung. Hierbei stellen Spieleturniere, zu denen Video- und Computerspieler eingeladen werden, um gemeinsam zu spielen, eine geeignete Möglichkeit dar. Bei Rundfunksendern besteht das Ziel von Events in der Präsentation des Senders in erlebnisorientierter Form. Hierbei wird eine aktive Ansprache der Zielgruppe beabsichtigt, die zu einer positiven Beeinflussung des Images beiträgt. Darüber hinaus erfolgt eine tiefe Verinnerlichung der durch die Events ausgelösten Emotionen, welche später einen Einfluss auf das Rezipientenverhalten haben. 524 4.3.2 Kommunikationspolitik auf dem Werbemarkt Im Rahmen der Kommunikation haben sowohl Rezipienten als auch Werbekunden unterschiedliche Bedürfnisse. Daher müssen unterschiedliche Botschaften entwickelt und übertragen werden, die der Steuerung von Meinungen, Einstellungen, Erwartungen und Verhaltensweisen dienen. Auch Werbekunden erhalten spezielle Informationen über das Medienunternehmen und seine Leistungen. Die Kommunikationspolitik hat die Aufgabe, mit den werbungtreibenden Unternehmen in einen Kommunikationsprozess einzutreten und diese zu ermuntern, auf die angebotenen Werbemarktleistungen zu reagieren. 525 524 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 681; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 140 f. 525 Vgl. Fill (2001), S. 34. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 282 Die Kommunikation auf dem Werbemarkt ist darauf ausgerichtet, die Bindung der Werbekunden an das Unternehmen sowie den Absatz des Werbepotentials (z. B. Werbezeit eines Rundfunksenders, freie Plakatflächen oder Werbeflächen in Zeitungen oder Zeitschriften) zu verbessern. Besonders wichtig ist das Übermitteln konkreter Informationen hinsichtlich der Inhalte und der Qualität der Leistungen des Medienunternehmens und die Schaffung von Anreizen. Diese beziehen sich auf die Imagepflege und die Schaffung von Kundenzufriedenheit. Innerhalb der Kommunikationspolitik auf dem Werbemarkt werden im Allgemeinen folgende drei Instrumente eingesetzt: klassische Mediawerbung, Verkaufsförderung und Messen. Die klassische Mediawerbung umfasst den Transport und die Verbreitung werblicher Informationen über die Belegung von Werbemitteln in Massenmedien. 526 Ihre Aufgabe im Werbemarkt besteht darin, die Kunden durch den Einsatz spezieller Kommunikationsmittel zu einem Verhalten zu veranlassen, welches der Erfüllung der Unternehmensziele dient. Allerdings ist Werbung langfristig nur erfolgreich, wenn diese systematisch geplant und umgesetzt wird. Daher müssen Werbeziele definiert werden. Ökonomische Werbeziele, wie bspw. die Steigerung des Absatzes an Werbezeiten, können oft nicht eindeutig auf Werbeaktivitäten zurückgeführt werden. Daher erfolgt i. d. R. die Formulierung von außerökonomischen Werbezielen, welche für einen werbefinanzierten Rundfunkanbieter wie folgt formuliert werden könnten: 527 ◼ Vermittlung einer spezifischen Problemlösungskompetenz: Sender A hat das beste Kinderprogramm, Sender B ist der Marktführer im Vollprogramm oder Sender C spricht sehr genau und intensiv die Zielgruppe der Senioren an. ◼ Überzeugung der Werbekunden und Mediaagenturen: Sender bietet ein qualitativ hochwertiges Rahmenprogramm an, wo es sich lohnt, Werbespots zu platzieren. Dies kann ein Sportsender sein, der mit der Übertragung von verschiedenen Sportsendungen die Hauptzielgruppe am intensivsten an sich bindet. ◼ Hervorhebung des Mediums werbefinanzierter Rundfunk: Mit einem Sub-Claim wie „Radio. Geht ins Ohr. Bleibt im Kopf.“ 528 soll herausgestellt werden, dass bspw. Radiowerbung eine hohe Reichweite erzielt. ◼ Kommentieren der Vorteilhaftigkeit eines Werbespots: Innerhalb bestimmter Sendungsformate oder Werbezeiten kann hervorgehoben werden, dass die Zielgruppe dieser Sendung bspw. männlich und im Durchschnitt 30-35 Jahre alt ist, sportlich und bestimmte Ernährungsprodukte besonders gern konsumiert. 526 Vgl. Bruhn (2005), S. 223. 527 Vgl. Karsten/ Schütte (2005), S. 264; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 145 ff. 528 Radiozentrale (2014). k ommunikationspolitik 283 Nach der Festlegung der Werbeziele werden die nachfolgenden Schritte analog der Planung einer klassischen Werbekampagne umgesetzt: ◼ Auswahl der Werbesubjekte: Hierbei handelt es sich um die Zielgruppe bzw. die Zielpersonen, welche vom Medienunternehmen im Rahmen einer Kampagne angesprochen werden sollen. Für eine optimale Ansprache der Werbesubjekte müssen möglichst genaue Informationen über sie selbst und ihre Mediengewohnheiten vorliegen. ◼ Entwicklung der Werbestrategie: Festschreibung der Schwerpunkte des Einsatzes der Werbemittel und der Werbeträger zum Erreichen der Werbeziele. Folgende Strategien können hierbei formuliert werden: ☐ Bekanntmachungsstrategie: Kann bspw. auf die Einführung eines neuen Rabattmodells hinweisen. ☐ Informationsstrategie: Aufklärung über neue Inhalte des Werbeunternehmens. ☐ Imageprofilierungsstrategie: Ausrichtung auf die Aktualisierung bestimmter Dimensionen, wie z. B. bei Radio Paradiso mit dem Image als Soft-Pop- Format. ◼ Konzeption der Werbebotschaft: Diese soll Aufmerksamkeit und Sympathie hervorrufen und die Zielgruppe zum Kauf von Werbezeiten motivieren. ◼ Festlegung von Werbemittel und Werbeträger: Das Werbemittel stellt die reale, sinnlich wahrnehmbare Erscheinungsform der Werbebotschaft dar, welche durch ein Medium (Werbeträger) an werbungtreibende Unternehmen herangetragen wird. Als Werbeträger zur Ansprache der Zielgruppe eignen sich vor allem Fachzeitschriften, Informationsbroschüren, Online- und Rundfunkmedien, da sie eine große Reichweite sowie ein hohes Involvement gewährleisten. Neben der klassischen Mediawerbung wird als weiteres Kommunikationsinstrument die Verkaufsförderung eingesetzt. Während die Mediawerbung langfristig wirkt, zielt die Verkaufsförderung darauf ab, kurzfristige Umsatzsteigerungen zu realisieren. Mit ihr soll der Reizüberflutung und der Intransparenz auf dem Werbemarkt begegnet werden. Zusätzliche Informationen und Kaufanreize am Point of Sale (PoS) motivieren die Werbekunden zu einem sofortigen Kauf. Die Verkaufsförderung beinhaltet die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle meist zeitlich begrenzter Aktionen, um den Absatz und den Umsatz zu steigern. 529 Dies erfolgt durch eine direkte Kontaktaufnahme, Kommunikation sowie die Gewährung zusätzlicher (Kauf-)Reize, durch Verbesserung des vom Kunden wahrgenommenen Preis-Leistungs-Verhältnisses. Die in der nachfolgenden Abbildung dargestellten Ebenen der Verkaufsförderung sind darauf ausgerichtet, einen Push-Effekt hervorzurufen, und so die Werbeleistung in den Werbemarkt hineinzudrücken. 529 Vgl. Scharf et al. (2012), S. 400. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 284 werbetreibende Industrie Medienunternehmen z. B. Druck- und Verlagshaus, werbefinanziertes Rundfunkunternehmen, Musikverlag Verkaufsabteilung/ Außendienst Vermarktungsagentur Mediaagenturen Verkäufer-Promotion Schulungen, Informationsveranstaltungen, Verkaufshilfen, Markt- und Medienstudien zur Motivation des Personals Endkunden-Promotion Aufbereitung und Bereitstellung von Informationen entsprechen den Kundenanforderungen Händler-Promotion Preiszugeständnisse, Display-Informationsmaterial, Handbücher, Testberichte etc. Abb. 10: Formen der Verkaufsförderung 530 Als drittes Kommunikationsinstrument auf dem Werbemarkt können Messen eingesetzt werden. Hierbei handelt es sich um zeitlich und örtlich festgelegte, in regelmäßigen Abständen stattfindende Veranstaltungen, welche ein umfassendes Angebot eines oder mehrerer Wirtschaftszweige zeigen. 531 Sie gewährleisten und vergrößern die Markttransparenz, dienen der Herstellung neuer Kontakte, fördern den Informationsaustausch und können als Akzeptanztest für neue Produkte und Leistungen genutzt werden. Da die Messe- und Ausstellungsbesucher gut in die präsentierten Produkte und Leistungen involviert werden können, tragen Messen im Vergleich zu anderen Kommunikationsinstrumenten am stärksten zur Entwicklung von Kundenbindung bei, was auch an der weitestgehenden Konstanz der Anzahl von überregionalen Messen und Ausstellungen (vgl. Abb. 4.11) ersichtlich ist. Die auftretenden Intervalle sind damit zu erklären, dass einige Messen und Ausstellungen einen zweijährigen Rhythmus aufweisen. 530 Vgl. Gelbrich et al. (2008), S. 178; Pezoldt/ Sattler (2009), S. 149; Scharf et al. (2012), S. 401. 531 Vgl. Scharf et al. (2012), S. 469. d istributionspolitik 285 0 50 100 150 200 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 141 159 139 153 135 157 134 160 Abb. 11: Anzahl der überregionalen Messen und Ausstellungen in Deutschland von 2005 bis 2012 532 Innerhalb von kurzer Zeit treffen auf einer Werbemesse die Anbieter gleichwertiger Werbeleistung und deren Nachfrager aufeinander. So verfolgt ein Medienunternehmen mit einer Messebeteiligung das Ziel, Aufmerksamkeit und Interesse bestehender sowie potentieller Werbekunden zu gewinnen, mit ihnen bezüglich Kompetenzdemonstration, Kontaktauf bau und -pflege in einen Dialog zu treten sowie bisher unbekannte Kunden- und Anspruchsgruppen zu aktivieren. 533 4.4 Distributionspolitik Der Distributionsbereich von Medienunternehmen ist einerseits von der Verbreitung informatorischer bzw. unterhaltender Inhalte sowie andererseits durch quantitative und qualitative Reichweitenziele und Präsenz geprägt. Alle Aktivitäten, die darauf ausgerichtet sind, die Leistungen eines Medienunternehmens an die Nachfrager heranzutragen, zählen zur Distributionspolitik. Im Rahmen der Distributionspolitik müssen einerseits Entscheidungen bezüglich der Absatzwege (akquisitorische Distribution) und andererseits hinsichtlich des logistischen Systems getroffen werden. 534 532 Vgl. Statista (2014f ). 533 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 152. 534 Vgl. Wirtz (2013), S. 141. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 286 Im Zentrum des Distributionskonzeptes steht die Wahl der Absatzwege, welche die folgenden zwei Ausprägungen haben können: 535 ◼ Direkte Absatzwege: Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass keine externen Absatzmittler zwischen dem Medienunternehmen und den Nachfragern eingeschaltet sind. Die Vorteile ergeben sich durch die direkte Einflussnahme des Medienunternehmens und den auf sein Produkt konzentrierten Vertrieb. ◼ Indirekte Absatzwege: Hier werden Absatzmittler zwischen dem Medienunternehmen und den Nachfragern eingesetzt. Diese erhalten für ihre Leistungen von den Medienunternehmen eine Provision. Bei dem indirekten Absatzweg sind die Chancen eines hohen Distributionsgrades eher gegeben und der Verkauf in einem Sortiment lässt positive Komplementäreffekte oder spontane Kaufentscheidungen zu. Beispielhaft sind nachfolgend Vertriebswege von Zeitungen und Zeitschriften im Überblick dargestellt (vgl. Abb. 4.12). Das Abonnement ist hierbei eine wichtige Distributionsform, da es stabile Einnahmen garantiert. Die Leser verpflichten sich, über einen gewissen Zeitraum zur regelmäßigen Abnahme der Produkte. Als Besonderheit im indirekten Vertrieb sind die Lesezirkel anzusehen. Diese haben sich auf die Vermietung von Lesemappen spezialisiert. Sie sind zwar keine eigenständigen Einzelhändler, stellen aber eine abonnementähnliche Vertriebsform dar. Ihr Angebot richtet sich sowohl an Privatpersonen als auch an Unternehmen, bei denen die jeweilige Leistungsbereitstellung mit höheren Wartezeiten für den Nachfrager verbunden ist. Dies betrifft bspw. Arztpraxen oder Friseure. Direkte Absatzwege Indirekte Absatzwege Abonnement Direktvertrieb Presse- Einzelhandel Presse- Großhandel Sonstiger Handel ◼ Zusteller ◼ Postdienst ◼ Außendienstmitarbeiter ◼ Bahnhofsbuchhandel ◼ werbender Zeitschriftenhandel ◼ Presse-Einzelhandel ◼ Lesezirkel ◼ Fachgrossisten ◼ Presse-Grosso ◼ Fachhandel verschiedener Richtungen ◼ Kauf- und Warenhäuser ◼ Papier-, Büro-, Schreibwareneinzelhandel und Grossisten ◼ Tankstellen ◼ Zeitungsverlage (Prämien- und Sonderproduktion) Abb. 4.12: Direkte und indirekte Absatzwege für Zeitungen und Zeitschriften 536 535 Vgl. Beyer/ Carl (2008); S. 211; Pezoldt/ Sattler (2009); S. 155; Wirtz (2013), S. 143. 536 Vgl. Wirtz (2013), S. 244 f. d istributionspolitik 287 Die akquisitorische Distribution beschäftigt sich mit dem Management des Vertriebssystems, der Zusammenarbeit mit Distributionspartnern und Key Accounts 537 sowie der Gestaltung von Verkaufsaktivitäten. Die zentrale Aufgabe ist in der Herstellung und Pflege der Kontakte zu den Kunden zu sehen. Insbesondere werbefinanzierte Medienunternehmen legen den Schwerpunkt auf distributionspolitischen Aktivitäten, die geprägt sind von Entscheidungen zur Wahl der Absatzwege und zum Management des Vertriebs. Es muss sichergestellt werden, dass die angebotene Werberaumleistung auch von Werbungtreibenden nachgefragt wird. Die Absatzwege eines werbefinanzierten Rundfunkunternehmens können wie folgt ausgestaltet werden: ◼ Weg I: Die landesweite Vermarktung der Werbezeiten erfolgt über große Vermarktungsagenturen wie bspw. IP Deutschland (Tochtergesellschaft von RTL und vermarktet RTL, VOX, Super RTL, n-tv und RTL NITRO) oder Seven- One Media (Tochtergesellschaft der ProSieben Sat.1 Media AG und vermarktet die TV-Sender ProSieben MAXX, Sat.1 Gold, Kabel 1,sixx und N24). ◼ Weg II und III: Kleine bzw. lokal tätige Unternehmen wickeln den Verkauf ihrer Werbezeiten entweder in einem direkten Kontakt zu einer Mediaagentur (Weg II) oder über eine Vermarktungsagentur (Weg III) ab. ◼ Weg IV: Kleinere werbefinanzierte Rundfunkunternehmen vertreiben ihre Werbezeiten meist selbst. Medienunternehmen Werbekunden Vermarktungsagentur Mediaagentur Vermarktungsagentur Mediaagentur I II III IV Abb. 4.13: Absatzwege eines Rundfunkunternehmens 538 Die Aufgabe der in der Abb. 4.13 dargestellten Mediaagenturen ist darin zu sehen, dass diese Werbezeiten von den Vermarktungsagenturen oder direkt vom Sender kaufen. Anschließend planen und kontrollieren sie die Werbung in Radio und Fernsehen und handeln im Auftrag ihrer Werbekunden. Für ihre Tätig- 537 Key Accounts („Schlüsselkunden“) sind für ein Unternehmen von besonderer Bedeutung und werden im Vergleich zu anderen Kunden, meist aufgrund hoher Umsatz- oder Ertragserwartungen, besonders betreut. 538 Vgl. Pezoldt/ Sattler (2009), S. 168. V ermarktung Von m edienprodukten V ermarktung Von m edienprodukten 288 keiten erhalten sie von den Rundfunkunternehmen Provisionen in Höhe von ca. 15 %, die sie oft zum Teil an die werbungtreibenden Kunden weitergeben. 539 Auf die Distributionspolitik hat auch das Internet einen maßgeblichen Einfluss, wenn indirekte Absatzwege bestehen, das Produkt jedoch auch auf elektronischem Weg zum Nachfrager gelangen kann. Die Zwischenhändler, wie bspw. im direkten Vertrieb von Zeitungen und Zeitschriften, können dann ganz oder teilweise ausgeschalten werden, wenn das Medienunternehmen direkt mit dem Nachfrager in Kontakt tritt. Durch einen Medienvertrieb über das Internet können sich folgende Konsequenzen für die Wertschöpfungsstrukturen auf der Anbieterseite ergeben: 540 ◼ Unternehmen aus der IT-Branche werden zu direkten Wettbewerbern für die klassischen Medienunternehmen. Letztere haben allerdings einen Wettbewerbsvorteil durch ihren Erfahrungsvorsprung und die etablierte Medienmarke(n). ◼ Durch den elektronischen Vertrieb sind Medienprodukte global verfügbar, was die verstärkte internationale Konzentration mit immer größeren Playern fördert. ◼ Die Medienkonzentration kann sich jedoch auch durch das Internet vermindern, da kleinere Content-Anbieter im Rahmen der Selbstvermarktung direkt mit den Nachfragern agieren. ◼ Intermediäre der Vervielfältigung und Distribution von Druckerzeugnissen werden in ihrem Geschäftsmodell durch den Vertrieb über das Internet gefährdet.  Kontrollfragen 1 Welche Ausprägungen haben die Produktvariation, die Produktdifferenzierung und die Produktinnovation im Medienbereich? 2 Erläutern Sie die grundlegenden Anforderungen an die Anzeigengestaltung in einer Zeitschrift! 3 Welche wesentlichen Punkte bzgl. der Dauer von Werbung im Fernsehen und Rundfunk werden im § 16 des RStV geregelt? 4 Welche unterschiedlichen Funktionen erfüllen Medienmarken für die einzelnen Marktteilnehmer? 5 Stellen Sie die Bestandteile der Preispolitik in Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen dar! 6 Wie kann ein Buchverlag die zeitliche Preisdifferenzierung umsetzen? 539 Vgl. Pezoldt/ Sattler 2009, S. 169 f. 540 Vgl. Beyer/ Carl (2008), S. 219 f. l iteraturVerzeichnis 289 7 Erläutern Sie die unterschiedlichen preispolitischen Instrumente, die in der Musikbranche umgesetzt werden! 8 Worin unterscheidet sich die wettbewerbsorientierte Preisbestimmung von der nachfragerorientierten Preisbestimmung im Fernsehen? 9 Welche unterschiedlichen Formen der On-Air-Verkaufsförderung können auf dem Rezipienten-Werbemarkt eingesetzt werden? 10 Formulieren Sie unterschiedliche außerökonomische Werbeziele für einen werbefinanzierten Rundfunkanbieter! 11 Worin unterscheiden sich direkte und indirekte Absatzwege bei Medienunternehmen? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. 4.5 Literaturverzeichnis ADR-Werbung Sales & Services: TV-Tarife 2014, Frankfurt a. M., 2014. Baumgarth, C.: Besonderheiten der Markenpolitik im Mediensektor, In: Ders. 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Daher hat die Präsenz des eigenen Unternehmens in den sozialen Netzwerken eine höhere Bedeutung als je zuvor. Folgende wesentliche Potentiale hat hierbei Social Media Marketing: 541 ◼ ist durch eine hohe Reichweite gekennzeichnet. ◼ gibt Informationen mit einer hohen Geschwindigkeit weiter. ◼ erlaubt zahlreiche Möglichkeiten der Datenerhebung. Um diese Potentiale zu nutzen, müssen sich die Marketingorganisationen der Unternehmen unterschiedlichen Herausforderungen stellen: ◼ zusätzliche Aneignung von Kompetenz im Umgang mit digitalen Medien. ◼ die Integration der digitalen Medien in die vorhandene Marketingstrategie. ◼ die Mitarbeiter und Kunden mit operativen sowie individuellen Hilfestellungen unterstützen. ◼ Durchführung von Anpassungen/ Veränderungen der existierenden Geschäftsmodelle. 541 Vgl. Lembke (2011), S. 14. S ocial M edia M arketing 294 Ein besonders wichtiger Teil zur Realisierung einer erfolgreichen Social Media Strategie ist das Social Media Monitoring. Hierbei erfolgt das Ermitteln oder Beobachten von Gesprächen oder Erwähnungen bestimmter Themen, Akteure oder Keywords im Internet. Für den richtigen Start eines Social Media Engagements liefert es wichtige Einblicke in das Nutzerverhalten und das aktuelle Stimmungsbild über das Unternehmen. Außerdem kann der Erreichungsgrad bzgl. der gesetzten Social-Media-Ziele geprüft werden. 5.1 Social Media: Ebenen, Ziele und Potentiale Nutzer von Anwendungen im Internet, um Informationen über Produkte und Dienstleistungen zu suchen, die Teilnahme an Wahlkampagnen zu realisieren oder ihre Hobbys und Leidenschaften zu diskutieren, treffen sich an allen möglichen Online-Orten der Welt. Die Technologien, die einen derartigen Informations- und Kommunikationsfluss ermöglichen, werden zusammenfassend als Social Media bezeichnet. Sie verbinden nicht nur private Nutzer untereinander, sondern auch Unternehmen und Institutionen mit Konsumenten oder auch viele kleine und große Unternehmen untereinander. Die hierfür eingesetzten, meist webbasierten Anwendungen werden auch als Social Software bezeichnet. Sie stellen Texte, Bilder, Audios oder Videos einem ausgewählten Empfängerkreis, einer virtuellen Gemeinschaft oder der Allgemeinheit zur Verfügung bzw. ermöglichen Bewertungen, Vernetzungen und andere Formen des Teilens oder Interagierens. 542 Eine Abgrenzung des Begriffs Social Media kann daher wie folgt vorgenommen werden: 543 Social Media sind elektronische Plattformen, auf denen Nutzer Ideen, Content oder Gedanken austauschen und Beziehungen herstellen können. Die (berechtigten) Nutzer erstellen, kommentieren oder erweitern Content z. B. in Form von Texten, Bildern, Audios oder Videos. Die grundsätzliche Entwicklung von Social Media vollzieht sich auf drei Ebenen (vgl. auch Abb. 5.1): 544 ◼ Individuelle Ebene: Allen Aktivitäten, die sich im Rahmen von sozialen Medien beobachten lassen, liegt ein individueller Beitrag zugrunde. Allerdings variiert das Ausmaß der individuellen Beteiligung stark. Es reicht von einer 542 Vgl. Hettler (2010), S. 14; Lembke (2011), S. 15; Scott (2012), S. 93. 543 Vgl. Scott (2012), S. 94. 544 Vgl. Michelis/ Schildhauer (2012): 19 ff. S ocial M edia : e benen , Z iele und P otentiale 295 einfachen Bewertung vorhandener Inhalte bis hin zur vollständigen Erstellung eigener Internetseiten. Das Verhalten des Nachfragers, seine Wünsche, Erwartungen, Fähigkeiten oder auch Gewohnheiten sowie die Veränderung dieser Eigenschaften sind die wesentlichen Determinanten dafür, was in den sozialen Medien technologisch möglich ist. ◼ Technologische Ebene: Unterschiedliche Technologien ermöglichen es dem Nutzer, aus vorhandenen digitalen Bausteinen eigene Seiten bzw. Inhalte zu erstellen oder Bestehendes mit eignen Inhalten zu ergänzen. Diese variabel kombinierbaren modularen Bausteine sind die Basis für Kommunikation, Interaktion und Partizipation in den sozialen Medien. Die Modularität ist hierbei die Grundlage für die Leichtigkeit, mit der Anwendungen und Inhalte der sozialen Medien miteinander verbunden und neu kombiniert werden können. Hierbei basieren eine Fülle von Anwendungen und deren Verknüpfungen auf einem hohen Maß an Automatisierung. Die zur Verfügung gestellte Variabilität ist die Basis, dass sich die inhaltlichen und funktionalen Module der sozialen Medien beliebig miteinander verknüpfen und individualisieren lassen. Die technologische Ebene steht in einem wechselseitigen Austausch mit der individuellen und sozioökonomischen Ebene. ◼ Sozioökonomische Ebene: Sie verändert nicht nur die sozialen, sondern eben auch die ökonomischen Strukturen, Kommunikationsformen und Verhaltensweisen. Im Rahmen dieser Ebene haben die sozialen Medien zu einer Vielzahl von Entwicklungen geführt, welche sich über folgende fünf Trends zusammenfassen lassen: ☐ authentische Kommunikationsformen: Damit Unternehmen als Gesprächspartner akzeptiert werden, müssen diese offen und ehrlich zeigen sowie auch bereit sein, nicht mehr nur Informationen zu senden, sondern auch aktiv zuzuhören. Sie sollten sich daher ein Bild davon machen, wie sich die jeweilige Zielgruppe in den sozialen Medien verhält, über welche Produkte und Marken kommuniziert wird und wie über die eigenen Angebote gesprochen wird. ☐ symmetrische Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager: Die Vernetzung der Nachfrager fordert anstelle von asymmetrischen Beziehungen zwischen Unternehmen und Kunden eine symmetrische Teilhabe. Hierbei müssen die Kunden als gleichberechtigte Partner behandelt werden. Durch das gemeinsame Gespräch mit den Kunden können Unternehmen innovative Ideen umsetzen, das eigene Angebot verbessern oder neue Produkte/ Dienstleistungen entwickeln. ☐ selbstorganisierte Gruppenaktivitäten: Gruppen können heute nicht nur einfacher gegründet, sondern auch viel günstiger erhalten werden. Selbstorganisierte Gruppen liefern eine hohe Qualität, welche sonst nur professionellen Unternehmen vorbehalten war. Des Weiteren ermöglichen sie ein S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 296 kollaboratives Arbeiten auch in den Bereichen, in denen dies aufgrund hoher Transaktionskosten bislang nicht möglich war. ☐ emergente Märkte: Durch die aktive Nutzung des Internets der Nachfrager sowie deren Beteiligung an der Erstellung von Leistungen, nimmt die Menge des verfügbaren Gesamtangebots zu. Gleichzeitig entstehen darüber hinaus neue Märkte. Um diese neuen Märkte zu erreichen, sollten Unternehmen ihren Kunden in die sozialen Medien folgen. Die verfügbaren Technologien können einerseits für die Kommunikation und den Vertrieb genutzt werden, aber auch andererseits für die gemeinschaftliche Produktion neuer Angebote. ☐ nicht-marktliche Produktion: Ohne eine monetäre Gegenleistung oder eine andere Form der extrinsischen Belohnung beteiligen sich eine Vielzahl von Nutzern fast gleichberechtigt an der Produktion einer gemeinsamen, kollektiven Lösung. Soziale Medien führen zu einer Demokratisierung von Produktions- und Vertriebsmitteln. ◼ authentische Kommunikationsformen ◼ symmetrische Beziehungen zwischen Anbieter und Nachfrager ◼ selbstorganisierte Gruppenaktivitäten ◼ emergente Märkte ◼ nicht-marktliche Produktion sozioökonomische Ebene Trends ◼ Modularität ◼ Automatisierung ◼ Variabilität technologische Ebene Eigenschaften der digitalen Bausteine ◼ Wünschen ◼ Fähigkeiten ◼ Erfahrungen ◼ Gewohnheiten ◼ Verhalten ◼ Erfahrungen ◼ … individuelle Ebene determiniert von Transcodierung zwischen den Ebenen Abb. 5.1: 3-Ebenen-Modell Sozialer Medien 545 545 Vgl. Michelis/ Schildhauer (2012), S. 22. S ocial M edia : e benen , Z iele und P otentiale 297 Social Media ermöglicht, dass Informationen und Meinungen im Internet sichtbar werden. Durch die systematische Integration von Social-Media-Instrumenten (vgl. hierzu Kap. 5.2) in die Wertschöpfungskette des Unternehmens entsteht eine neuen Form des Marketing: das Social Media Marketing. Social Media Marketing ist eine Form des Marketing, welche durch die Nutzung von sowie die Beteiligung an sozialen Kommunikations- und Austauschprozessen mittels webbasierter Applikationen und Technologien eigene Vermarktungsziele erreicht. Kernpunkt des Social Media Marke ting ist die systematische Organisation und Integration der Beteiligung an Kommunikations- und Austauschprozessen. 546 Social Media ermöglicht es, die Marketingaktivitäten zu erweitern und die Kundenbindung auszubauen. Die einzelnen Potentiale, die Social Media Marketing bietet, sind aus unternehmerischer Sicht in verschiedenen Funktionen zu finden: ◼ Der Vertrieb kann die Informationen ergänzend zur traditionellen Darstellung digital auf bereiten und nutzen. ◼ Im Rahmen der Preis- und Kommunikationspolitik ergeben sich ergänzende und neue Möglichkeiten. ◼ Im Personalbereich ist Social Media geeignet, die Rekrutierung neuer Mitarbeiter durchzuführen oder zu unterstützen. ◼ Die Entwicklungsabteilung kann mit Partnern und Nachfragern höhere Entwicklungsqualitäten erreichen. ◼ Die Social-Media-Teilnehmer sind mehr an einer Kommunikation mit anderen Teilnehmern interessiert als an Werbeinhalten. Social Media Marketing kann als ein planmäßiges Vorgehenskonzept bezeichnet werden, um die Nutzer zur Erreichung der eigenen Marketingziele zu instrumentalisieren. In der folgenden Abb. 5.2 sind Ziele dargestellt, die sich Unternehmen durch den Einsatz von Social Media Marketing erhoffen. 546 Vgl. Hettler (2010), S. 38; Lembke (2011), S. 17. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 298 Sonstiges Personalgewinnung Marktforschung Verbesserung Marken-/ Produktimage Steigerung Marken-/ Produktbekanntheit Unterstützung der Online- Marketingziele Neukundengewinnung Kundenbindung 0,0% 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0% 3,2% 30,5% 31,2% 49,4% 64,3% 64,3% 64,9% 73,4% Abb. 5.2: Ziele deutscher Unternehmen 2012 mit Social Media Marketing 547 5.2 Social-Media-Instrumente Bei Social Media Marketing handelt es sich nicht um eine Weiterentwicklung des Online-Marketing, sondern um ein neues Tätigkeitsfeld. Allerdings können die Grenzen zwischen dem klassischen Online-Marketing und dem Social Media Marketing fließend sein. Während das klassische Online-Marketing über moderne Kanäle (noch) immer eine „Ein-Weg-Kommunikation“ verfolgt, ist das Social Media Marketing auf eine „Zwei-Wege-Kommunikation“ ausgerichtet. In Abb. 5.3 ist dargestellt, welche Social-Media-Instrumente in Deutschland im Jahr 2012 mehrheitlich durch die Unternehmen genutzt wurden. Ersichtlich ist, dass dies überwiegend Community-, Microblog- und Sharing-Plattformen waren. Gegenüber den verschiedenen Social-Media-Plattformen verliert die klassischen Unternehmens-Website nicht an Relevanz. Sie dient neben ihren bisherigen Funktionen (z. B. Informationen über das Unternehmen und seine Produkte/ Dienstleistungen, Ansprechpartner, Kontakte) gleichzeitig als Start- und Zielpunkt für die Nutzung der eingesetzten Social-Media-Instrumente. Die Verbindung zu den Social-Media-Instrumenten entsteht durch das Hinzufügen von Links. Wenn der Nutzer diese anklickt, wird er auf die jeweilige Plattform gelei- 547 Vgl. DIM Deutsches Institut für Marketing (2012), S. 11. S ocial -M edia -i nStruMente 299 Pinterest Google+ YouTube Twitter Xing Facebook 0,0% 20,0% 40,0% 60,0% 80,0% 100,0% 12,7% 42,5% 62,7% 64,2% 79,9% 91,8% Abb. 5.3: Nutzung der Social-Media-Plattformen von deutschen Unternehmen im Jahr 2012 548 tet. Umgekehrt können entsprechende Links auf den Social-Media-Plattformen die Nutzer zur Unternehmens-Website oder spezifischen Landingpages führen. 5.2.1 Blogs und Corporate Blogs Ein Blog, die Abkürzung für den Begriff „Weblog“, stellt eine chronologisch strukturierte Website in Form eines Onlinetagebuchs oder Onlinejournals dar. Blogs basieren auf einer einfach zu bedienenden Software, die es auch ungeübten Nutzern ermöglicht, eigene Beiträge schnell und ohne Kosten im Internet zu platzieren. Blogs gehören zu den wichtigsten Erscheinungsformen des Web 2.0. In ihrem Grundsatz stellen sie eine Website dar, die von einer Einzelperson, einer Gruppe oder dem Unternehmen betrieben werden kann. Blogs sind somit ein zusätzlicher Kommunikationskanal und für Unternehmen auch ein PR-Tool. Der Autor oder Gründer eines Blogs und andere eingeladene oder interessierte Personen können über unterschiedliche Themen schreiben und Grafiken, Fotos oder Videos hinzufügen. Diese Autoren werden dabei oft auch als „Blogger“ bezeichnet. Dritte können auf diese Einträge durch eigene Kommentare reagieren oder Diskussionen in eine andere Richtung lenken sowie mit eigenen Blogs verlinken. Hierbei sind typische Blogs durch folgende Funktionen geprägt: 549 548 Vgl. DIM (2012), S. 7. 549 Vgl. Kreutzer (2012), 345 f. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 300 ◼ Blogposts bzw. Posts: Diese sind Hauptbestandteile eines jeden Blogs. Posts können hierbei jede beliebige Länge haben, beschäftigen sich hierbei meist mit einem bestimmten Thema, auf das sich der jeweilige Blogger konzentriert. Die aktuellen Blogbeiträge werden an oberster Stelle platziert. ◼ Kommentare: Leser können selbst Kommentare zu den Blogeinträgen verfassen, die jeweils darunter angezeigt werden. Dies realisiert den interaktiven und dialogischen Charakter von Blogs. ◼ Permalinks: Hierbei handelt es sich um eine feststehende Verbindung zu anderen Blogeinträgen, die bspw. ähnliche Fragestellungen diskutieren und weiterführende Informationen beinhalten. ◼ Trackbacks: Diese ermöglichen es Besuchern, einen Link zu einem eigenen Blog herzustellen, der zu ähnlichen Themen verfasst wurde. ◼ Tags: Der Blogger kann einen Text, ein Bild oder ein Video mit passenden Schlagwörtern versehen, um den Zugriff zu erleichtern. Blogs kommt im Rahmen der Informationsgewinnung eine zentrale Bedeutung zu. Hier informieren sich nicht nur in zunehmendem Maße Privatpersonen, sondern auch Unternehmensvertreter oder andere spezielle Zielgruppen. Mit der Blogosphäre wird hierbei die Gesamtheit der Blogs und deren Vernetzungen untereinander bezeichnet. Wie in der nachfolgenden Abb. 5.4 ersichtlich, ist die Anzahl der Blogs weltweit in den letzten Jahren stetig gewachsen. 0,0 2006 2007 2008 2009 2010 2011 50,0 100,0 150,0 200,0 Blogs in Mio. (weltweit) 35,8 61,4 78,7 127,0 148,5 173,0 Abb. 5.4: Anzahl der Blogs weltweit von 2006 bis 2011 550 Neben privaten Blogs, welche von Einzelpersonen ins Leben gerufen werden, sind Corporate Blogs abzugrenzen. Diese werden von Unternehmen genutzt, um mit unterschiedlichen Stakeholdern in einen Dialog zu treten. Je nach Zielgruppe wird zwischen internen und externen Blogs unterschieden. Interne Blogs 550 Vgl. NM Incite (2012), S. 7. S ocial -M edia -i nStruMente 301 richten sich nur an die eigenen Mitarbeiter. Sie bieten die Möglichkeit, über laufende Aktivitäten, neugewonnene Kunden, innovative Angebote oder geplante Marketing-Kampagnen zu informieren. Externe Blogs sprechen hingegen bspw. potentielle Mitarbeiter, Interessenten, Kunden, Investoren oder Lieferanten an. Hierbei können Unternehmen zwei Wege gehen: einerseits die Beteiligung in anderen Blogs, wenn das Unternehmen hoch angesehen und in vielgelesenen Blogs mit eigenen, ziel- und imagekompatiblen Inhalten präsent ist. Andererseits kann es einen eigenen Blog auf bauen. 551 Folgende Vorteile können Blogs den Unternehmen bieten: 552 ◼ Das Unternehmen hat eine Plattform, über die es direkt mit der Zielgruppe in Kontakt treten und kommunizieren kann. ◼ Blogs erhöhen die Reichweite, da das Unternehmen über Empfehlungen oder Suchmaschinen gefunden wird. ◼ Umsetzung der Primärmarktforschung, durch Integration von Online-Fragebögen in den Blog. ◼ Das direkte Feedback der Kunden hilft, die Qualität der Produkte und Leistungen zu verbessern. ◼ Aufzeigen von Kompetenz und Autorität innerhalb des Fachgebietes, um sich so auch vom Wettbewerb abzuheben. 5.2.2 Microblog Bei Microblogs handelt es sich um eine Form des Bloggens, bei der die Länge der Beiträge auf eine relativ geringe Zahl von Zeichen begrenzt wird. Die bekannteste und weltweit größte Plattform dieser Art ist Twitter. Hierbei handelt es sich um einen auf einer Webseite oder per mobilem Endgerät geführten Informationsdienst im Internet. Hierbei besteht jedes Profil eines Autors, ähnlich dem normalen Blog, aus den chronologisch erstellten Beiträgen, die auch als „Tweets“ bezeichnet werden. Das Verfassen von Texten ist dabei auf 140 Zeichen beschränkt und wird auch „twittern“ genannt. Registrierte Nutzer können eigene Textnachrichten erstellen und diese für andere Nutzer bereitstellen sowie selbst Nachrichten abonnieren. Dies wird täglich in einem großen Umfang durchgeführt. Lag die Anzahl der täglichen Tweets im Februar 2010 noch bei rd. 50 Mio., im März 2011 bei rd. 140 Mio., betrug sie im März 2012 rd. 340 Mio. 553 551 Vgl. Kreutzer (2012), 346 ff. 552 Vgl. Grabs/ Bannour (2012), 179 f. 553 Vgl. Burson-Marsteller (2012), S. 10. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 302 0 50 100 150 200 250 300 Monatlich aktive Nutzer in Millionen Q2'10 Q4' 10 Q2' 11 Q4' 11 Q2' 12 Q4' 12 Q2' 13 Q4' 13 Q1' 14 40 54 85 117 151 185 218 241 255 Abb. 5.5: Anzahl der monatlich aktiven Nutzer von Twitter von 2010 bis 2014 in Millionen 554 Aus Sicht der Kommunikation ist entscheidend, dass nicht der Sender darüber bestimmt, wer seine Nachricht erhält, sondern der Empfänger. Der Lieferant der Nachricht auf der Seite von Twitter wird hierbei als Autor vorgestellt. Auf die jeweiligen Tweets kann mit Antworten reagiert werden. Diese werden auf dem Profil des Nutzers veröffentlicht, der den ursprünglichen Tweet erstellt hat. Im Vergleich zu anderen Sozialen Netzwerken bietet Twitter jedoch keine Möglichkeit, Freundschaften zu schließen. Die Nutzer können jedoch sog. „Follower“ werden und erhalten dann von Twitter regelmäßig automatisch die Informationen zu Aktivitaten, Meinungen oder Interessen anderer Mitglieder. Twitter ist daher eine geeignete soziale Plattform, um eine Community aufzubauen und mit einer hohen Anzahl von Personen direkt oder indirekt über das Unternehmen sowie seine Angebote ins Gespräch zu kommen. Nutzer, die von den jeweiligen Unternehmen und Tweets begeistert sind, werden auch darüber sprechen oder das Unternehmen in Diskussionsforen anderer Teilnehmer erwähnen. Unternehmen können hierbei einerseits ihre Marken selbst twittern lassen, welche für die Zielgruppe interessante Neuigkeiten bereitstellen. Andererseits können die Tweets vom Unternehmen abgesetzt werden. Neben kommunikativen bzw. werblichen Zwecken kann Twitter auch dazu genutzt werden, einen Kundendienst anzubieten. Somit kann hier auf Tweets von Nachfragern reagiert werden, die direkt an das Unternehmen gerichtet sind. 555 Verfolgen Unternehmen im Rahmen dieser Plattform die Diskussion, was über die eigenen Produkte, Dienstleistungen oder Einstellungen veröffentlicht wird, und beteiligen sich auch aktiv an dem Kommunikationsprozess, kann schnell 554 Vgl. Statista (2014a). 555 Vgl. Kreutzer (2012), S. 356 ff. S ocial -M edia -i nStruMente 303 auf Anfragen bzw. Meinungen und Beschwerden reagiert werden. Aus der Sicht des Kunden haben sich folgende Inhalte als besonders attraktiv erwiesen: 556 ◼ exklusive Sonderangebote, wie bspw. besondere Rabatte, limitierte Angebote, ◼ exklusive Services, wie z. B. Previews auf neue Angebote, ◼ exklusive Informationen über Produkte, Dienstleistungen das Unternehmen oder die Branche. Aufgrund des Exklusivitätscharakters der bereitgestellten Inhalte können die Follower an das Unternehmen gebunden werden. Dies kann dann erfolgen, wenn der Kunde der Meinung ist, spezielle Angebote nur über Twitter zu bekommen. Dann wird er auch weiterhin die Tweets des Unternehmens lesen wollen. 557 Aufgrund der Relevanz von Twitter-Nachrichten für loyale Kunden ist diese Plattform auch als ein längerfristig und ernsthaft betriebenes Engagement anzusehen. 5.2.3 Soziale Netzwerke Ein soziales Netzwerk ist eine Social-Media-Plattform, die eine Gemeinschaft von Webusern beherbergt. Sie erlaubt den Nutzern, neue Beziehungen zu Geschäftspartnern bzw. Privatpersonen aufzubauen, Gleichgesinnte zu finden und mit diesen in Kontakt zu treten oder zu bleiben. Hierbei weisen soziale Netzwerke folgende Grundstrukturen auf: 558 ◼ Profilerstellung: Eigendarstellung des Nutzers, d. h., er gibt Auskunft darüber, wer er ist, was er macht, worin seine Interessen liegen und wie er kontaktiert werden kann. ◼ Profilerweiterung (Zuführung von elektronischem Mehrwert): Anreicherung der Standardangaben um Fotos, Videos, Links etc. ◼ Visualisierung: Das persönliche Netzwerk sowie die darin enthaltenen Kontakte werden mit Graphen, Verbindungen und Profilen angezeigt. Optional möglich ist die Funktion, dass die Kontakte der Kontakte angezeigt werden. ◼ Beziehungsmanagement: Jeder Nutzer pflegt seine persönlichen Kontakte mit privaten Mitteilungen. Es können aber auch öffentliche Nachrichten für einen größeren Nutzerkreis sichtbar gemacht werden. Teilweise wird die Kommunikation auch über SMS, E-Mail- und Chat-Funktionen unterstützt. ◼ Lokalisierung der Nutzer: Zunehmend wird die Möglichkeit angeboten, Mitglieder des eigenen Netzwerkes zu lokalisieren. Die Anzahl der Nutzer in den sozialen Netzwerken betrug weltweit im Jahr 2012 rd. 1,47 Mrd. und wird 2017 rd. 2,55 Mrd. betragen. 559 In der folgenden 556 Vgl. Munkelt (2010), S. 35. 557 Vgl. Comm (2010), S. 156. 558 Vgl. Kollmann (2013), S. 607; Kreutzer (2012), S. 364. 559 Vgl. eMarketer (2013), o. S. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 304 Abb. 5.6 sind die Nutzerzahlen der sozialen Netzwerke bezogen auf Deutschland dargestellt. Hier ist ersichtlich, dass Facebook die mit Abstand meisten Nutzerzahlen aufweist. StayFriends Pinterest ask.fm LinkedIn XING Instragram Tumblr Twitter Goggle Plus Facebook 0 100 200 300 400 500 600 700 Anzahl der Visits in Millionen 2,65 4,30 7,20 7,40 7,60 12,00 18,10 24,70 31,00 599,00 Abb. 5.6: Nutzung sozialer Netzwerke (Anzahl von Visits in Mio.) in Deutschland im Februar 2014 560 Die Interessen sind bei den Nutzern von sozialen Netzwerken unterschiedlich geprägt und haben entweder eher einen privaten oder eher geschäftlichen Charakter. Für Unternehmen sind die sozialen Netzwerke aufgrund der dort ausgewiesenen umfassenden Profil- und Vernetzungsdaten ein großes Reservoir von Informationen, die für unterschiedliche Zwecke genutzt werden können. Im Rahmen der Mitarbeitersuche sind diese Netzwerke für Unternehmen eine regelmäßig in Rekrutierungsprozessen eingesetzte Informationsquelle. Hierzu können einerseits offene Stellen über die sozialen Netzwerke kommuniziert werden. Andererseits setzen die für die Rekrutierung verantwortlichen Mitarbeiter das Internet ständig zur Überprüfung von Bewerbern ein. Für Unternehmen ist es interessant, ob ein Bewerber generell im Netz zu finden ist. Weiterhin wird geprüft, wie seriös sich die zukünftigen Mitarbeiter innerhalb der sozialen Netze präsentieren und welche beruflichen sowie privaten Vernetzungen bestehen. Grundsätzlich ist es für Unternehmen interessant zu prüfen, wie diese von sozialen Netzwerken profitieren können. Bei Facebook können sie etwa sog. Fan- Pages, öffentliche Profile bzw. offizielle Seiten einrichten. So kann mit diesem sozialen Netzwerk eine Gemeinschaft um das Unternehmen oder eine Marke herum aufgebaut werden. Die Nutzer können über den „Like“-Button Fan werden. Diese Fan-Page eröffnet den Unternehmen verschiedene Funktionen. So können Informationen bereitgestellt, Diskussionen geführt, Fotos und Videos 560 Vgl. Statista (2014b). S ocial -M edia -i nStruMente 305 veröffentlicht sowie auf Events hingewiesen werden. Besonders attraktiv werden von Fans der Unternehmen und Marken folgende Angebote gesehen: 561 ◼ exklusive Sonderangebote: besondere Rabatte, limitierte Angebote, die sich an unterschiedlichen Zielgruppen ausrichten können; Möglichkeit der Verlinkung der Onlineshops mit dem Facebook-Auftritt ◼ exklusive Services & Informationen: z. B. über Produkte, Dienstleistungen, das Unternehmen bzw. die Branche, mit Hinweisen auf die Websites, Blogeinträge oder Foren ◼ exklusive Veranstaltungen: Einladung zu Produkt- oder Unternehmenspräsentationen, wie bspw. Modenschauen ◼ Aufruf zu Mitmach-Aktionen: Gewinnspiele, Ideenwettbewerbe, Einreichung von Beiträgen, die Bezug zum Unternehmen bzw. zur Marke haben ◼ Einbindung in Kreativprozesse: angebotsspezifisch bei eigenen Produkten, Dienstleistungen oder kommunikationsspezifisch bei Slogans oder Models Das soziale Netzwerk Facebook bietet aufgrund der Vielzahl von Anwendungen den Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, in Interaktion mit den Interessenten und Kunden zu treten. Für Unternehmen kann es sinnvoll sein, direkt aus dem sozialen Netzwerk neue „Freunde“ bzw. „Fans“ zu gewinnen und diese für Multiplikatoren oder Botschafter zu gewinnen. Da Informationen so zügig an die eigenen Kontakte sowie wiederum an deren Kontakte gesendet werden können, liegt hier ein erhebliches Potential für virale Effekte. 5.2.4 Sharingplattformen Sharingplattformen erlauben es Unternehmen und privaten Nutzern, Inhalte wie Videos, Fotos, Präsentationen und Audiodaten im Internet hochzuladen, anderen Nachfragern zugänglich zu machen sowie Informationen darüber auszutauschen. Hierbei können zwei Arten unterschieden werden: ◼ Vom Unternehmen selbst erstellte und veröffentlichte Inhalte: Diese können bspw. dem Imageauf bau dienen, konkrete Angebote ausloben, über den korrekten Produktgebrauch informieren oder Kampagnen verlängern. ◼ Unabhängig von Unternehmen erstellte und veröffentlichte Inhalte: Unternehmenunabhänge Nutzer können zur Förderung des Images bzw. der Marke förderliche Beiträge erstellen. Somit ist eine Integration in den Kreativitätsprozess des Unternehmens möglich. Im Rahmen der Media-Sharingplattformen ist YouTube die weltweit wichtigste und größte Plattform, um Videos ins Internet hochzuladen, anzusehen oder mit anderen zu teilen. Alternative Anbieter sind bspw. Sevenload, MyVideo, Clipfish und Vimeo. In der Abbildung 5.7 ist der Anteil der Internetnutzer in Deutschland dargestellt, welche auch Videoplattformen nutzen. Hierbei ist seit dem Jahr 561 Vgl. Kreutzer (2012), S. 367 f. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 306 2010 eine weitgehende Stagnation eingetreten, sodass für den deutschen Markt eine gewisse Marktsättigung konstatiert werden kann. 0% 20% 40% 60% 80% 100% 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 34% 51% 52% 58% 58% 59% 60% Abb. 5.7: Anteil der Nutzer von Videoplattformen im Internet von 2007 bis 2013 in Deutschland 562 Im Rahmen der Sharingplattform ist es auch für Unternehmen möglich, Userkonten (Channels) anzulegen. Hierdurch eröffnen sich einen Vielzahl von Möglichkeiten, sich den Internetnutzern zu präsentieren, wobei die Einsatzfelder vom global agierenden Konzern bis zum stationären Einzelhändler reichen. ◼ Gesponsorte Videos: Unternehmen können durch bezahlte Präsentationen von Videos verschiedene Zielgruppen ansprechen. Hierzu werden Videoanzeigen bei Suchanfragen oder bei ähnlichen Videoinhalten präsentiert. ◼ Partner-Watch: Die Mehrheit der Videoaufrufe erfolgt über Partner-Watch- Sites der Content-Partner, wie bspw. Universal Music, Ford, Condé Nast, Newsweek, Bloomberg TV oder Time Magazine. Eine in unmittelbarem Umfeld platzierte Anzeige bleibt während einer Betrachtung ohne Scrollen sichtbar. Hierzu werden Anzeigeformate wie In-Video-Overlay-Anzeigen (sind im unteren Bereich des Videos zu sehen), Companion-Anzeigen (sind neben dem Video platziert) bis zur In-Stream-Anzeige (Einbindung von Spots als Pre-, Mid- oder Post-Roll) verwendet. Außer der klassischen Werbefunktion kann der Betrachter durch einen Klick auf die Landingpage oder den Markenkanal weitergeleitet werden. 562 Vgl. van Eimeren/ Frees (2013), S. 367. S ocial -M edia -i nStruMente 307 Zur Gestaltung der unterschiedlichen Möglichkeiten bietet YouTube einen Video-Targeting-Pool an, welcher Unternehmen bei der Planung und Umsetzung komplexer Kampagnen mit folgenden Elementen unterstützt: ◼ einzelne YouTube-Videos, die auf einem speziellen Targeting (gezieltes Einblenden nur in Videos, die eine zuvor definierte Zielgruppe betrachtet) basieren, ◼ YouTube-Channels, welche sich an der Struktur der dort präsentierten Videos orientieren, ◼ YouTube-Kategorien, von Autos über Bildung, Comedy, Musik bis zu Nachrichten/ Politik, Reisen und Sport. Unternehmen können innerhalb dieses sozialen Netzwerkes auch Marken- Channels i. S. von Portalen für Marken einrichten. Dazu kann eine Präsentation der Kanalbanner, Hintergrundbilder und das Markenfeld im Auftritt der Marke gestaltet und die relevanten Videoinhalte präsentiert werden. Neben der Möglichkeit, dass ein derartiger Marken-Channel die Potentiale für eine virale Verbreitung der Inhalte bieten kann, ist eine Mobilisierung der Nutzer durch Mitmachaktionen möglich. Hierzu können diese Kommentare abgeben und bei Interesse diesen Kanal abonnieren, um regelmäßig über Neuigkeiten informiert zu werden. Darüber hinaus haben Unternehmen die Möglichkeit, diese Markenkanäle auch direkt auf der eigenen Website einzubinden. Sie sind besonders geeignet, um Nachfrager zum Mitmachen aufzurufen, indem diese eigene Video- Kreationen erstellen und hochladen. 563 5.2.5 Onlineforen Onlineforen stellen die älteste Form der sozialen Medien dar, wobei sich der Begriff an der ursprünglichen Bedeutung von Forum für einen Markt- und Veranstaltungsplatz in römischen Städten der Antike orientiert. Ein Onlineforum stellt einen virtuellen Platz zum Austausch und zur Archivierung von Ideen, Meinungen und Erfahrungen dar. Innerhalb dieser Plattformen findet die Kommunikation meist zeitversetzt statt. Auf dem Markt sind eine hohe Anzahl von Foren, welche sich unterschiedlichen Themenkreisen und somit auch Zielgruppen zuwenden, existent. Nach der erfolgten Anmeldung können Fragen innerhalb des Forums gestellt werden, welche andere Mitglieder beantworten, oder es kann eine Beschäftigung mit den Fragen und Antworten der anderen Teilnehmer erfolgen. 563 Vgl. Kreutzer (2012), 378 ff. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 308 Für das Engagement von Unternehmen in Onlineforen können folgende zwei Ansätze unterschieden werden, welche allerdings auch parallel einsetzbar sind: Engagement des Unternehmens in bereits bestehenden Foren (Beiträge können im Rahmen von laufenden Diskussionen zum Imageauf bau des Unternehmens beitragen) sowie der Auf bau von Foren durch das Unternehmen selbst. Foren kann auch eine wichtige Marktforschungsfunktion zukommen, da sich besonders engagierte Nutzer sehr intensiv austauschen. Gleichzeitig können somit Kundenwünsche frühzeitig erkannt und ggf. in die Innovationsprozesse eingebunden werden. Allerdings muss auch beachtet werden, dass diese Plattformen nicht nur Fans, sondern auch Gegner anspricht. Bei der Integration von Bewertungen ist es für Unternehmen wichtig, dass auf unerwünschte Kommentare, wie in anderen sozialen Netzwerken auch, kompetent und souverän geantwortet wird, um bspw. Missverständnisse zu lösen. 564 5.3 Social-Media-Strategie Um erfolgreich im Social Media zu sein, sollten Unternehmen hierfür eine Marketingstrategie entwickeln. Allerdings ist es nicht möglich, eine allgemein gültige Social-Media-Marketingstrategie abzuleiten, da die Anlässe, betrieblichen Rahmenbedingungen und das Individualverhalten der Zielgruppe stets einen spezifischen Charakter haben. Grundsätzlich unterscheiden sie sich von klassischen Marketingstrategien durch den überproportionalen Einsatz von digitalen Medien. Die Medienperspektive gewinnt neben den traditionellen marketingpolitischen Instrumenten Konditions-, Produkt-, Distributions- und Kommunikationspolitik eine fünfte Dimension hinzu: die Medienpolitik. Die digitalen Medien stehen im Marketingmix im Zentrum, da die anderen Instrumente in Interaktion mit den Medien stehen können. Für der Implementierung einer Social-Media-Strategie werden folgende Prozessschritte vorgeschlagen: 565 Kosten- und Ressourcenplanung Festlegung der Ziele und Zielgruppen Auswahl der Medien Mentoringbegleitung Medienproduktion Wirkungsbeobachtung und Korrektur Abb. 5.8: Prozessschritte zur Umsetzung einer Social-Media-Strategie 564 Vgl. Kreutzer (2012), S. 396 ff. 565 Vgl. Lembke (2011), S. 63. S ocial -M edia -S trategie 309 Die einzelnen Prozessschritte können hierbei sequentiell in der dargestellten Reihenfolge konzipiert oder - um Zeit in der Konzeption zu sparen - parallelisiert bearbeitet werden. Innerhalb der Kosten- und Ressourcenplanung sollten Antworten auf die wichtigsten strukturellen Fragen wie Personalressourcen oder Verantwortlichkeit erarbeitet werden. Hierzu sind in der nachfolgenden Tab. 5.1 unterschiedliche Ressourcen und ihre Aufgaben dargestellt. Personalressource Aufgaben Social-Media- Koordinator ◼ hat den Überblick bzgl. des gesamten Social-Media-Engagements des Unternehmens ◼ Erarbeitung eines Redaktionsplans, indem über einen bestimmten Zeitraum definiert ist, wann wo welche Social- Media-Maßnahmen eingesetzt werden Mitarbeiter ◼ Kommunikation im Rahmen des Social Media Guidelines des Unternehmens ◼ Einhaltung des Redaktionsplanes ◼ berufliche und private Inhalte klar trennen Social-Media- Berater ◼ Unterstützung bei Strategieentwicklung, Konzeption von Social-Media-Kampagnen und Auswahl der richtigen Tools ◼ Übernahme von Teilen der Umsetzung und des Monitorings Community- Manager ◼ steht als erster Ansprechpartner in engem Kontakt mit Kunden und Geschäftspartnern ◼ kommentiert Blogbeiträge, Statusupdates, Foreneinträge, verbreitet News und Aktionen in Social Media ◼ beobachtet die Konkurrenz und kontrolliert die Social- Media-Maßnahmen Tab. 5.1: Typische Personalressourcen und ihre Aufgaben im Rahmen einer Social- Media-Strategie Nach der Beantwortung der wichtigsten strukturellen Fragen gilt es die Ziele sowie die anzusprechenden Zielgruppen festzulegen. Die Zielgruppenanalyse kann auf einer soziodemographischen Analyse oder hinsichtlich der grundsätzlichen Nutzung von Social Media Tools durchgeführt werden. Als typische Ziele für eine Social-Media-Strategie können folgende angeführt werden: 566 ◼ Erhöhung des Traffics auf der Website: Das häufigste Ziel im Rahmen von Social Media ist die Erhöhung der Zugriffszahlen (Traffic) auf der eigenen Website. Allerdings ist es häufig ein Trugschluss, den Traffic so gezielt, systematisch und dauerhaft erhöhen zu können. Oftmals wächst der Traffic nur zeitlich begrenzt. Daher sollte dies auch eher kein primäres Ziel von Social Media sein. 566 Vgl. Lembke (2011), 65 ff. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 310 ◼ Verbessertes Suchmaschinenranking: Social-Media-Aktivitäten können eine Vielzahl von Verlinkungen generieren, was von Suchmaschinen als hochwertiger Inhalt interpretiert wird und das Unternehmensangebot in der Suchmaschine höher bewertet wird. Daher kann der Community-Manager mit seinen Inhalten, welche er in sozialen Kanälen pflegt, die Rückverlinkungen auf die Website des Unternehmens positiv beeinflussen. ◼ Reputationsmanagement: Eine hohe Reputation wird gleichgesetzt mit einem guten Ruf. Reputation hilft hierbei abschätzen zu können, wie sich ein Unternehmen zukünftig verhalten wird. Ein wichtige Basis für derartige Einschätzungen sind Vertrauen und Glaubwürdigkeit. ◼ Steigerung von Umsatz für Produkte und Leistungen: Hierbei geht es nicht mehr darum, ein Produkt im Social-Media-Bereich zu bewerten, sondern die Social-Media-Kanäle zu nutzen, um das Produkt, das Unternehmen sowie seine Dienstleistungen ins Gespräch zu bringen und damit nachhaltig Absatzpotentiale zu nutzen. ◼ Erlangen der Meinungsführerschaft: Besitzt das Unternehmen Kompetenzen hinsichtlich einer bestimmten Technologie oder Wissen zur Herstellung der Produkte bzw. Dienstleistungen, so kann es sich mit Fachwissen in die Gespräche von relevanten Foren einbringen, ohne Details zu publizieren. Dies kann bspw. durch die Beteiligung an Diskussionen oder Bewertungssystemen erfolgen, um so die Kompetenzen zu zeigen. Die Konsequenz kann sein, dass bei Konstanz und Dauerhaftigkeit dieses Engagements das Unternehmen als ein Meinungsführer wahrgenommen wird. ◼ Mundpropaganda (Worth of Mouth Marketing): Social Media Marketing verfolgt nicht nur das Ziel, das Unternehmen und dessen Angebote ins Gespräch zu bringen, sondern die Kanäle auszuwählen, die dies besonders effektiv leisten. Bei Worth of Mouth Marketing geht es weniger darum, belanglosen Content zu verbreiten, sondern Medien zu entwickeln, die den Bedürfnissen der Internetnutzer hinsichtlich der Suche nach Informationen, Unterhaltung und Spaß gerecht werden können. Ziel ist es, eine kreative Herangehensweise zu wählen und neue Lösungen zu schaffen sowie innovatives Denken einzusetzen. ◼ Krisenkommunikation: Social Media hat das Potential, dass scheinbar kleine Meldungen schnell eine Eigendynamik entwickeln und nicht erwünschte Resonanzen erzeugen. Für Unternehmen ist es wichtig, auf kritische Informationen frühzeitig und glaubwürdig zu reagieren, um Krisen schon in der Entstehung zu begegnen oder sie ganz zu vermeiden. Negativmeinungen sollten in der Regel nicht unterdrückt oder gelöscht werden, sondern es gilt, sich ernsthaft mit diesen Informationen auseinanderzusetzen und dies auch nach außen zu signalisieren. Anderenfalls kann dies einen Shitstorm auslösen. ◼ Marktforschung und Entscheidungsfindung: Potentiale liegen hier im Rahmen der mit Kunden und Interessenten gemeinsamen Produktentwick- S ocial -M edia -S trategie 311 lung (Crowdsourcing). Es kann hilfreich und betriebswirtschaftlich sinnvoll sein, Kunden und womöglich Fachexperten einzubeziehen. Weitere Möglichkeiten bestehen innerhalb der kollaborativen Dialogmarktforschung, welche besonders im B2B-Bereich interessant ist. So können hier Unternehmen digitale Kooperationen initiieren, wenn Unternehmen von gleichen oder fremden Branchen vertikal bzw. horizontal an einem gemeinsamen Produkt arbeiten. Nach der Zielfestlegung und deren Operationalisierung müssen die hierfür notwendigen Social-Media-Instrumente ausgewählt sowie die Medienproduktion geplant werden. Diese Komponente stellt für viele Unternehmen im Social Media eine besondere Herausforderung dar, da es ihnen oft nicht gelingt, interessante Inhalte bereitzustellen. Es ist empfehlenswert, eine Strategie von kurzen, aber regelmäßigen Nachrichten anzustreben. Als Minimalanforderungen an die Mediengestaltung können folgende Punkte angeführt werden: ◼ Farbkonzeption, Auswahl und Einsatz von Farben in Abhängigkeit von der betrieblichen Corporate Identity; ggf. Gestaltung eines eigenen Social Media Marketinglogos ◼ Bildkonzeption und Auswahl von Bildern nach Aussage sowie Qualität ◼ Berücksichtigung wirkungsvoller und geeigneter Typografie ◼ Einsatz aktueller Webtechnologien unter Einhaltung der Grundsätze von Web Usability sowie Barrierefreiheit ◼ Herstellen von Performance in allen Bereichen Im Rahmen der Monitoringbegleitung gilt es, eine Kampagne nach dem Kickoff für das Social Marketing nicht alleine zu lassen, da diese Veränderungen in den Organisationsabläufen und technischen Workflows erzeugt (vgl. hierzu auch Kap. 5.4). Diese gilt es weiterzuentwickeln und zu etablieren, um die Produktivitätseffekte in der Zukunft auszuschöpfen. Die Zusammenfassung der bisherigen Analysen und Ergebnisse sowie die Ableitung einer ganzheitlichen Strategie für das Social Media Marketing kann mit Hilfe einer SWOT(Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats)-Matrix erfolgen. Sie ist von ihrer originären Ausrichtung her ein Werkzeug, welches meist im strategischen Management für Unternehmensanalysen und Evaluationen sowie Qualitätsprogramme eingesetzt wird. Allerdings kann sie auch auf den Bereich Social Media angepasst werden. Grundsätzlich werden hierbei die innerbetrieblichen Stärken (Strengths) und Schwächen (Weaknesses) sowie die externen Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) betrachtet. Die Unternehmensanalyse untersucht hierbei die interne Perspektive, wo die Stärken und Schwächen des Social Media-Engagements sowie die nachhaltige Integration von Social-Media-Aktivitäten betrachtet werden. Die jeweiligen Stärken und Schwächen produziert das Unternehmen hierbei selbst, durch die jeweils geschaffenen Prozesse und Strukturen sowie der eigenen Kultur. Im Rahmen der externen Analyse (Umweltanalyse) wird die Umwelt mit den jeweiligen Chancen und Risiken, die sich aus den Veränderungen im Markt ergeben, unter- S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 312 sucht. Hierbei liegt der Fokus insbesondere in der technologischen und sozialen Medienumwelt. Die sich hieraus im Resultat ergebende 4-Feld-Matrix beinhaltet folgende Kombinationen: 567 ◼ Kombination „Stärke und Schwäche“: Hier wird betrachtet, welche Stärken zu welchen Chancen im Unternehmen passen. Ziel ist es, die Stärken so für das Social Media Marketing einzusetzen, dass die Realisierung die jeweiligen Chancen erhöht. ◼ Kombination „Stärken und Gefahren“: Die Umsetzung von Social Media birgt Gefahren, die identifiziert werden müssen. Es gilt zu untersuchen, mit welchen Stärken diesen Gefahren begegnet werden kann. ◼ Kombination „Schwächen und Chancen“: Hier wird gefragt, wie sich aus den identifizierten Schwächen die Chancen entwickeln können; d. h. konkret: Wie kann das Unternehmen konkret Schwächen zu Stärken wandeln? ◼ Kombination „Schwäche und Gefahren“: Im Rahmen dieser Kombination wird geschaut, wie sich das Unternehmen vor Schäden aus den Schwächen des Unternehmens schützen kann. Die größten Bedrohungen und Risiken sind auch dort zu vermuten, wo eine Kombination von Schwächen einer oder mehreren Gefahren gegenübersteht. In der folgenden Abb. 5.9 wird allgemein aufgezeigt, wie eine SWOT-Matrix für das Social Media Marketing ausgestaltet sein kann. Stärken Schwächen Chancen Risiken Social Media Marketing ◼ Input für Produktionsverbesserungen ◼ Kunden testen die Produkte selbst ◼ positive Kommentare unterstützen die Mund-zu-Mund-Propaganda ◼ Motivation der Kollegen und Mitarbeiter ist gering ◼ wenig sinnvolle Inhalte posten ◼ Kommunikationsverhalten ist konservativ, nicht digital ◼ neue Produktideen ◼ Verbesserung des Markenimages ◼ Erschließung neuer Kundengruppen ◼ Kosteneinsparungen ◼ Negativ-Kommentare von Nutzern ◼ Wettbewerber lesen mit und kopieren ◼ rechtliche Grauzonen Abb. 5.9: SWOT-Matrix für Social Media Marketing 567 Vgl. Lembke (2011), S. 105 ff. S ocial M edia M onitoring 313 5.4 Social Media Monitoring Social Media Monitoring, also dass Durchsuchen der sozialen Medien nach Informationen und Nutzerprofilen, die für das Unternehmen von Relevanz sind, wird in Deutschland noch nicht konsequent umgesetzt, wie dies in der nachfolgenden Abbildung ersichtlich ist. 568 Ersichtlich ist, dass nur knapp die Hälfte der Befragten ein Social Monitoring realisieren. 0% 10% 20% 30% 40% 50% ja nein weiß nicht 43% 42% 15% Abb. 5.10: Anteil aktiver Social Media Monitorings 569 Von einem Social Media Monitoring profitieren allerdings im Unternehmen unterschiedliche Zielgruppen: 570 ◼ Die Mitarbeiter des Unternehmens bzw. die mit der Social Media Betreuung beauftragten Agenturen. ◼ Monitoring hilft, die Führungsebene des Unternehmens mit Zugriffs- und Kennzahlen zu überzeugen, damit dieses aktiv in Social Media vertreten ist. ◼ Da viele Mitarbeiter eines Unternehmens privat in Social Media unterwegs sind und sich somit gut im Umgang mit den jeweiligen Instrumenten auskennen, könnten diese eventuell auch als Unternehmensbotschafter aktiviert werden. Allerdings muss eine strikte Trennung zwischen geschäftlichem und privatem Auftritt in den jeweiligen Social-Media-Instrumenten sichergestellt sein. 568 Hierzu sollten Unternehmen die folgende Frage beantworten: Betreiben Sie ein aktives Social Media Monitoring zu Ihrem Unternehmen bzw. zu Ihrer Arbeitgebermarke im Social Web? (n = 335, 10. 05. 2012-14. 07. 2012). 569 Vgl. Zils (2012), S. 13. 570 Vgl. Grabs/ Bannour (2012), S. 126. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 314 5.4.1 Erfolgsmessung im Unternehmen: Die Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard verfolgt im klassischen Marketing und Controlling die Idee, über ein ausgewogenes Kennzahlensystem die Leistungen eines Unternehmens oder einer Geschäftseinheit ganzheitlich zu bewerten. Ausgewogenheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass neben finanzwirtschaftlich orientierten Größen zusätzlich auch messbare qualitative Komponenten mit in die Analyse einbezogen werden. 571 Die Balanced Scorecard ergänzt finanzielle Kennzahlen vergangener Leistungen um die treibenden Faktoren zukünftiger Ergebnisse. Zur Leistungsmessung können verschiedene relevante Geschäftsinhalte, wie bspw. Finanzen, Kunden oder interne Geschäftsprozesse in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden. 572 Über die Balanced Scorecard lässt sich die Strategie eines Unternehmens durch die Verbindung von Ergebnissen und Ursachen abbilden. Sie erfüllt somit viele Anforderungen an ein zweckmäßiges Kennzahlensystem. In ihrer originären Form wurden vier Blickrichtungen geschaffen und in ihrem Zusammenhang untersucht. 573 ◼ Finanzielle Perspektive: Enthält klassische Finanzkennzahlen, die hilfreich sind, einen Überblick zu den wirtschaftlichen Konsequenzen früherer Aktionen darzustellen. Mit diesem Bereich sollen Ziele wie bspw. die Steigerung der Ertragskraft oder des Shareholder-Value erreicht bzw. berücksichtigt werden. Als Messgrößen können dabei Kennzahlen wie Umsatzwachstum, Cashflow, Kostensenkung oder Rentabilität genutzt werden. ◼ Kundenperspektive: Hier werden Ziele zu Kunden- und Marktsegmenten definiert sowie Kennzahlen zur Leistung des Unternehmens oder der Abteilung in diesen Marktsegmenten festgelegt. Mögliche Ziele können sein: Marktanteile erhöhen, Produktinnovationen entwickeln, Kundenzufriedenheit verbessern etc. Zur Darstellung werden Kennzahlen wie der Marktanteil, die Wiederkaufsraten, die Abwanderungsraten etc. verwendet. ◼ Innovations- und Wachstumsperspektive (wird alternativ auch als Lern- und Entwicklungsperspektive bezeichnet): Identifiziert die Infrastruktur, die aus strategischer Sicht das Unternehmen auf bauen muss, um ein langfristiges Wachstum und eine Verbesserung der Wettbewerbsposition zu ermöglichen. 571 Vgl. Meffert et al. (2012), S. 827. 572 Vgl. Fiege/ Toma (2013), S. 361 ff. 573 Vgl. Fiege/ Toma ebd.; Thommen/ Achtleitner (2012), S. 1021; Wöhe (2013), S. 203 ff. S ocial M edia M onitoring 315 Die Ziele können die Bereiche Leistungsfähigkeit des Informationssystems, Stärkung von Forschung und Entwicklung oder die Personalentwicklungsplanung sowie die langfristige Weiterbildung des Stammpersonals betreffen. Eine Abbildung kann über die Kennzahlen wie Forschungsquote, Mitarbeiterzufriedenheit, Firmenzugehörigkeit etc. erfolgen. ◼ Interne Prozessperspektive: Identifiziert die Geschäftsprozesse, die ein Unternehmen zur Erreichung von optimaler Kundenzufriedenheit verbessern und überwachen sollte. Hierbei geht es um Effizienzverbesserungen im operativen Geschäft. Dies können Vorgaben zur Verbesserung der Organisationsstruktur und des Personaleinsatzes, zur Rationalisierung von Fertigungsabläufen etc. sein. Auf Basis der Kennzahlen wie Verwaltungskostenquote, Personalaufwandsquote, Durchlaufzeiten etc. können die Zielvorgaben abgebildet werden. Finanzen Interne Geschäftsprozesse Kunden Lernen und Entwicklung Vision und Strategie Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auftreten, um finanziellen Erfolg zu haben? Kennzahlen (Auswahl): Wertschöpfung, Return on Investment (ROI) In welchen Geschäftsprozessen müssen wir die Besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu befriedigen? Kennzahlen (Auswahl): Qualität, Kosten, Reaktionszeit Wie sollen wir gegenüber unseren Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirklichen? Kennzahlen (Auswahl): Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Marktanteil Wie können wir unsere Veränderungs- und Wachstumspotentiale fördern, um unsere Vision zu verwirklichen? Kennzahlen (Auswahl): Forschungsquote, Firmenzugehörigkeit Abb. 5.11: Aufbau und Perspektive der Balanced Scorecard 574 5.4.2 Social Media Balanced Scorecard Die Balanced Scorecard ist in erster Linie ein Instrument zur Präzisierung von Strategien. Für eine Social Media Balanced Scorecard sollte der Grundstein die Entwicklung oder Konkretisierung der Marketingstrategie im Social Web sein. Eine Social-Media-Marketing-Strategie könnte bspw. „Effizienz und Effektivität im Marketing“ lauten. 574 Vgl. Kaplan/ Norton (2007), S. 9. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 316 Die Effektivität entspricht der Strategie der Ertragssteigerung, d. h. die Fähigkeit, vergleichbare Marketingaktivitäten besser zu machen als der Wettbewerb. Die Effizienzsteigerung entspricht dem wirtschaftlichen Einsatz der Marketinginstrumente. Diese Strategie ist allerdings nicht mit der Kostenführerschaft gleichzusetzen, da für diese niedrige Preise charakteristisch sind, was bei der Effizienzsteigerung nicht notwendigerweise der Fall sein muss. Bei der Strategie zur Umsatzsteigerung kann der Schwerpunkt entweder auf die Erschließung neuer Märkte und die Einführung neuer Produkte oder die Gewinnung neuer Nachfrager auf dem etablierten Markt gelegt werden. Für das Treffen einer Entscheidung ist allerdings eine umfangreiche Marktforschung notwendig. Als problematisch anzusehen ist hierbei, neben dem Einsatz von Prognosen hinsichtlich zu erwartender Absatzmengen und den anfallenden Kosten, auch der lange Zeithorizont. Der Vorteil des Konzepts der Social Balanced Scorecard und somit eines kontinuierlichen Monitorings des Social Media Marketing liegt in der Überwindung der Zeit. Dies wird realisiert in einer Ausgewogenheit zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen. Daher sollten die beiden Strategien des Umsatzwachstums und der Effizienzsteigerung in den Finanzperspektiven der Balanced Scorecard enthalten sein. Bezugnehmend auf die exemplarische Social-Media-Marketing-Strategie „Effizienz und Effektivität im Marketing“ werden nachfolgend die einzelnen Bausteine der klassischen Balanced Scorecard auf den Bereich Social Media umgebrochen. Traditionell werden strategische Ziele für einen Zeitraum von 3 bis 5 Jahren festgelegt. Da allerdings im Bereich des Social Media Marketing noch sehr wenige Erfahrungen vorliegen, erscheint eine Zeitspanne von 1 bis 3 Jahren realitätsnäher. Nachfolgend werden die einzelnen Bausteine der Social Media Balanced Scorecard näher betrachtet: 575 ◼ Finanzielle Perspektive: Hier können unter anderem Umsatzziele festgelegt werden, da diese über die Preispolitik, bspw. durch Coupon-Aktionen oder Rabatte für Community-Mitglieder, die Kommunikations- und Distributionspolitik direkt beeinflussbar sind. Weitere Ziele aus der Finanzperspektive wären auch die Gewinnsteigerung oder die Kostensenkung. Welche Ziele letztlich verfolgt werden, hängt von der definierten Strategie (Effizienz und Umsatzwachstum) sowie dem Lebenszyklus der Produkte ab. So rücken bei Produkten, die sich in der Endphase des Lebenszyklus 576 befinden, Kosten- 575 Vgl. Fiege/ Toma (2013), S. 378 ff. 576 Vgl. zum Grundkonzept des Produktlebenszyklus auch S. 65 f. S ocial M edia M onitoring 317 senkungen in den Vordergrund. Bei der Erschließung neuer Märkte oder der Neuprodukteinführung sind Umsatzziele, wie die Marktführerschaft, sinnvoll. Zu beachten ist allerdings, dass einerseits Abhängigkeiten zwischen den finanziellen Zielen beachtet werden müssen und andererseits durch das Marketing nur ein Teil des Unternehmensgewinns beeinflusst werden kann. ◼ Kundenperspektive: Als wichtige Ziele sind die Steigerung des Bekanntheitsgrades durch möglichst viele Fans bzw. Follower, das Image sowie der Ruf im Social Web anzusehen. Die strategischen Ziele werden jedoch meist allgemeiner gehalten, wie z. B. „Steigerung des Marktanteils“ oder „Erweiterung der Absatzmärkte“. Das Hauptziel ist jedoch in der Erhaltung sowie Steigerung der Kundenzufriedenheit zu sehen. Da zufriedene Kunden nicht so schnell zur Konkurrenz wechseln, hat die Kundenzufriedenheit einen direkten Einfluss auf die Finanzperspektive und somit den finanziellen Unternehmenserfolg. Eine zielgruppengerechte Unternehmenskommunikation sowie die Implementierung von „Frühwarnsystemen“ zur rechtzeitigen Wahrnehmung einer risikobehafteten Kommunikation über das Unternehmen oder seiner Produkte sind unmittelbar mit der Erfüllung der finanziellen Ziele verknüpft. ◼ Innovations- und Wachstumsperspektive (Lern- und Entwicklungsperspektive): Das Ziel der Steigerung der Kundenzufriedenheit ist vor allem für Dienstleistungsunternehmen geeignet, da hier das Mitarbeiterverhalten eine zentrale Rolle zur Erklärung der Kundenzufriedenheit einnimmt. Das Mitarbeiterverhalten wird direkt von den Kunden wahrgenommen und beurteilt. Innerhalb der Balanced Scorecard wird unterstellt, dass mit den Zielen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit die Mitarbeitertreue sowie -produktivität und damit direkt den Unternehmenserfolg über eine erhöhte Servicequalität und Kundenzufriedenheit zu beeinflussen. Weitere mögliche Ziele sind die Steigerung der Motivation der Mitarbeiter, ihres fachlichen Know-hows oder die Schaffung eines innovativen Betriebsklimas. ◼ Interne Prozessperspektive: Ziel ist im Rahmen dieser Perspektive all jene erfolgskritischen Prozesse im Social Media Marketing zu identifizieren, die zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und des Umsatzes notwendig sind. Die Analyse beginnt hierbei mit dem Innovationsprozess und erstreckt sich von der Planung einer Produktinnovation bis hin zum Feedbackprozess der Wirtschaftlichkeitsanalyse. Im Rahmen der Analyse der Betriebsprozesse ist für Social Media Marketing nicht die Herstellung der Produkte, sondern der gesamte Vermarktungsprozess wichtig. Letztlich muss der Serviceprozess auf die Ziele der Kundenperspektive hin analysiert werden. Hierbei muss entschieden werden, welche Zusatzangebote vom Kunden gewünscht und entsprechend honoriert werden. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 318 Perspektive Beispielhafte strategische Ziele Finanziell Umsatz- und Gewinnsteigerung, Kostensenkung, Erhöhung der Umsatzrendite Kunde Steigerung der Kundenzufriedenheit, Erweiterung von Absatzmärkten, Erhöhung des Anteils an Stammkunden, Marktanteilssteigerung Interne Geschäftsprozesse Kundennutzensteigerung im Innovationsprozess, Verbesserung des Vermarktungsprozesses, Optimierung des Kundenservices Lernen und Entwickeln Erhöhung der Mitarbeiterzufriedenheit und -motivation, Förderung des Know-hows von Mitarbeitern, Schaffung eines innovativen Betriebsklimas Tab. 5.2: Strategische Ziele der einzelnen Bausteine der Social Media Balanced Scorecard 577 Die einzelnen strategischen Ziele müssen jetzt in einem nachfolgenden Schritt mit Maßnahmen sowie Kennzahlen (Key Perfomance Indicators - KPI) verknüpft werden. Hierzu müssen Unternehmen vor Klärung der Frage: Was können wir messen? die folgende Frage beantworten: Was wollen wir wissen? Daher müssen die entsprechenden Kennzahlen im Zusammenhang mit den Organisationszielen und der Organisationsstrategie stehen. Nachfolgend sind einige plattformunabhängige Kennzahlen und Metriken speziell für das Social Web dargestellt: 578 ◼ Share of Voice: Für starke Marken ist dies ein guter Indikator bezüglich der Hoheit im Social Web; Verhältnis aus „Anzahl der Nennungen über eigene Marke“ zu „Anzahl der Gesamtnennungen im untersuchten Kontext“. ◼ Issue Resolution Rate: Schlüsselkennzahl, die den Anteil der zufriedenstellend beantworteten Verbraucheranfragen angibt; Verhältnis von „Anzahl der zufriedenstellend beantworteten Konsumentenanfragen“ zu „Gesamtanzahl der Anfragen“. ◼ Resolution Time: Gibt die Zeit in Minuten, Stunden oder Tagen an, welche notwendig ist, um auf eine Kontaktanfrage im Social Web zu antworten; Verhältnis aus „erforderliche Gesamtzeit zur Beantwortung von Verbraucheranfragen“ zu „Gesamtzahl der Anfragen“. ◼ Satisfaction Score: Indikator zeigt die relative Kundenzufriedenheit im Social Web an; Verhältnis aus „Feedback eines Internetnutzers“ zu „Feedback aller Internetnutzer“. ◼ Idea Impact: Zeigt den Anteil der Interaktionen und positiven Meinungen, die durch ein neues Produkt oder eine neue Serviceidee entstanden sind, an. 577 Vgl. Fiege/ Toma (2013), S. 380. 578 Vgl. Fiege/ Toma 2013, S. 366 ff. S ocial M edia M onitoring 319 ◼ Advocate Influence: Bildet den Einfluss der positiven Äußerung eines Social Web Users (oder eigenes Werbeprogramm) auf die positive Meinungsbildung anderer Onlinenutzer ab. ◼ Advocacy Impact: Enthüllt die Wirkung, welche ein positiver Beitrag auf die Meinungen anderer Internetnutzer hat; Verhältnis aus „Anzahl der generierten Meinungsänderungen“ zu „Gesamtzahl der positiven Meinungen“. Die Zielsetzungen von Social Media Initiativen können von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich sein. Daher müssen die entsprechenden Maßnahmen zu den jeweiligen strategischen Zielen sowie die jeweiligen Kennzahlen individuell festgelegt werden. Die nachfolgende Tab. 5.3 zeigt beispielhaft, wie dies erfolgen kann. strategische Ziele Maßnahmen Key Performance Indicators (KPIs) Markenpflege und -präsenz Belebung des Dialogs Share of Voice (Anteil eines bestimmten Themas am Gesamtvolumen der Konversationen) in Prozent pro Periode Audience Engagement (Interaktionsgrad pro Beitrag) Conversation Reach (aktive Nutzer im Verhältnis zur Gesamtanzahl erreichter Nutzer der Conversation) Förderung von Markenbotschaftern Active Advocates (aktive Markenbotschafter pro Periode) Advocate Influence (Einfluss der Markenbotschafter) Advocacy Impact (Wirkungsgrad der Markenbotschafter) Kundenzufriedenheitssteigerung Vereinfachung des Kundendienstes Resolution Rate (Anzahl der gelösten Kundendienstanfragen pro Zeiteinheit) Resolution Time (Dauer, bis Kundendienstanfrage gelöst wurde) Satisfaction Score (Grad der Kundenzufriedenheit) Innovationsführerschaft Förderung von Innovationen Topic Trends (thematische Trends bezogen auf diskutierte Kernthemen pro Periode) Santiment Ration (Tonalität pro Periode) Idea Impact (Wirkungsgrad neuer Produktideen) Tab. 5.3: Verknüpfung von strategischen Zielen, Maßnahmen und KPIs 579 579 Vgl. Fiege/ Toma (2013), S. 381. S ocial M edia M arke ting S ocial M edia M arketing 320 Um eine Social Media Balanced Scorecard ableiten zu können, muss noch einen Schritt weitergegangen werden. Hierfür müssen die jeweiligen Kennzahlen (KPIs) mit konkreten Zielvorgaben verknüpft werden, die erfüllt bzw. einzuhalten sind. Dies ermöglicht den Unternehmen, die Ergebnisse von Social-Media- Kampagnen im Rahmen von Social-Media-Analysen und Social Media Monitoring in Echtzeit zu beobachten und die Zielvorgaben bei Bedarf anzupassen. strategische Ziele Maßnahmen KPIs beispielhafte Zielvorgaben Markenpflege und -päsenz Belebung des Dialogs Share of Voice 20 % der Konversationen entfallen pro Periode auf die eigene Marke/ Kampagne Audience Engagement 1 % der Fans interagieren durchschnittlich pro Beitrag durch „liken“, kommentieren, teilen etc. Conversation Reach 100.000 potentielle Leser pro Beitrag in 6 Monaten Förderung von Markenbotschaftern Active Advocates 10 % der Fans sind aktive Markenbotschafter, d. h. posten, „liken“, kommentieren und teilen 10 x pro Woche Advocate Influence … Fans x 100 werden durch die Markenbotschaften erreicht Advocacy Impact 10 % der Fans werden durch Markenbotschafter zur Conversation (Opt-in, Kauf, Download etc.) animiert Innovationsführerschaft Förderung von Innovationen Topic Trends Top 10 im Ranking der diskutierten Themen pro Woche Sentiment Ratio nicht negative Beiträge im Verhältnis zur Gesamtanzahl der veröffentlichen Beiträge pro Woche > 0,7 Idea Impact Interaktionen aufgrund der Verbreitung neuer Produktideen im Verhältnis zur Gesamtzahl der Interaktionen mit der Marke > 0,2 Tab. 5.4: Beispiel einer Social Media Balanced Scorecard 580 580 Vgl. Fiege/ Toma (2013), 382. l iteraturverZeichniS 321  Kontrollfragen 1 Auf welchen drei Ebenen vollzieht sich die grundsätzliche Entwicklung von Social Media? 2 In welchen Funktionen sind aus unternehmerischer Sicht die einzelnen Potentiale von Social Media zu finden? 3 Welche Inhalte haben sich bei Mircoblogs für Kunden als besonders attraktiv erwiesen? 4 Auf welche zwei Arten können Inhalte auf Sharingplattformen bereitgestellt werden? 5 Welche Prozessschritte umfasst die Umsetzung einer Social Media Strategie? 6 Worin bestehen die Vorteile des Konzeptes der Social Media Balanced Scorecard? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. 5.5 Literaturverzeichnis Burson-Marsteller: Burson-Mansteller’s Global Media Check-Up 2012. Im Internet: http: / / sites.burson-marsteller.com/ social/ Documents/ Burson-Marsteller%20 Global %20Social%20Media%20Check-Up%202012.pdf, 2012. Comm, J.: Twitter Power 2.0. How to Dominate Your Market. 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Kapitel 6 Medienrecht  Lernziele Nach diesem Kapitel können Sie … ◼ erklären, warum das Medienrecht auch als „Querschnittsrecht“ definiert wird. ◼ unterscheiden, welche Medienprodukte urheberrechtlich geschützt sind und welche nicht. ◼ bei der Nutzung von Personenfotos anhand eines Prüfschemas beurteilen, ob Sie ein Fotos zu Werbezwecken verwenden dürfen oder nicht. ◼ Möglichkeiten aufzeigen, wie Direktmarketing zulässigerweise betrieben werden kann. ◼ erläutern, unter welchen Voraussetzungen ein Betreiber einer Social Media Plattform für fremde Inhalte haftet. Der stetig wachsende Informationsfluss sowie die vielfältigen Möglichkeiten, Informationen zu verbreiten und zu nutzen, stellt nicht nur den Einzelnen vor die Herausforderung, dem Übermaß an Informationen Herr zu werden, sondern fordert auch das Recht, mit neuen technischen Entwicklungen Schritt zu halten und für die am Medienprozess Beteiligten einen rechtlichen Rahmen zu gewähren, der allen Interessen gerecht wird. Dieser Teil des Buches soll einen Einstieg und einen Überblick über das dynamische Rechtsgebiet des Medienrechts bieten. Es kann aufgrund des Umfangs keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Vielmehr soll in erster Linie beim Leser ein Problembewusstsein entwickelt werden, im Bereich Multimedia Marketing rechtliche Aspekte im Blick zu behalten. In Kap. 6.1 wird zunächst der Begriff Medienrecht definiert. Dabei wird deutlich werden, dass es sich bei Medienrecht um kein klar abgrenzbares Rechtsgebiet handelt, sondern vielmehr um eine Art „Querschnittsrecht“, welches eine Vielzahl von Rechtsgebieten erfasst. Aufgrund dessen werden im sich anschließenden Kap. 6.2 diejenigen Rechtsgebiete kurz vorgestellt, die im Medienrecht relevant werden können. Einen Schwerpunkt werden in Kap. 6.3 rechtliche Aspekte bei M edienrecht 324 der Medienproduktion einnehmen. Hier soll aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen Mediengüter rechtlich geschützt sein können. Das Entstehen von Urheberrechten und deren wirtschaftliche Nutzung wird dabei im Vordergrund stehen. Damit einhergehend wird die Frage beantwortet, wann fremde Urheberrechte verletzt werden und mit welchen Ansprüchen sich der Urheber dagegen zur Wehr setzen kann. Schließlich werden die Voraussetzungen dargestellt, unter denen Personenfotos für die Mediennutzung veröffentlicht werden dürfen. Das Kap. 6.4 wird rechtliche Aspekte im Rahmen der Vermarktung beleuchten. Im Zentrum wird dabei irreführende Werbung sowie unzumutbare Belästigung des Nutzers stehen. Besonderheiten im Social-Media-Bereich werden im folgenden Kap. 6.5 genauer betrachtet. Dabei wird der Umfang der Meinungsfreiheit sowie ihre Grenzen diskutiert werden. Abschließend soll der Frage nachgegangen werden, ob der Betreiber eines Social-Media-Kanals für fremde Inhalte einzustehen hat. Dafür wird abgegrenzt werden, wann überhaupt eigene oder fremde Inhalte vorliegen. 6.1 Begriff und Definition Bislang hat sich noch keine allgemeine Definition für den Begriff „Medienrecht“ durchsetzen können. 581 Das Medienrecht wird inzwischen vielmehr als Sammelbegriff für diejenigen Rechtsgebiete genutzt, welche für Medien typischerweise relevant sein können. 582 Es erfasst damit alle medialen Erscheinungsformen wie Printmedien - also Zeitungen, Zeitschriften und Bücher - Film, Rundfunk, Telekommunikation sowie alle Bereiche von Multimedia. Ausgangspunkt des Medienrechts ist die Meinungs- und Informationsfreiheit, die als Grundrecht 583 in Deutschland jedem Menschen gewährt wird. Dies umfasst auch das Recht der Massenmedien und -kommunikation, insbesondere also das Recht der Presse, des Rundfunks und Films. 584 Für das Medienrecht sind besonders folgende Gesetze relevant (vgl. auch Abb. 6.1): das Grundgesetz, die Presse- und Rundfunkgesetze, das Bürgerliche Gesetzbuch, das Urheberrechtsgesetz, das Markengesetz, die Datenschutzgesetze und das Strafgesetzbuch. Im Social Media Marketing ist darüber hinaus zusätzlich vor allem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb zu beachten. Da das Medienrecht somit eine Vielzahl von Rechtsbereichen betrifft wird es auch als Querschnittsrecht bezeichnet. 585 Zusammenfassend lässt sich Medienrecht daher wie folgt definieren: 581 Vgl. Dörr/ Schwartmann (2012), Rn. 25. 582 Vgl. Fechner (2014), S. 3. 583 Vgl. Artikel 5, Absatz 1 GG. 584 Vgl. Cole (2001). 585 Vgl. exemplarisch Dörr/ Schwartmann (2012), Rn. 32; Paschke (2009), Rn. 4. K urzüberblicK über die einzelnen r echtsgebiete 325 Medienrecht ist ein Sammelbegriff für eine Vielzahl von Gesetzen aus dem Bürgerlichen Recht, dem Strafrecht und dem öffentlichen Recht. Ausgangspunkt ist das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit. Das Medienrecht gilt für alle am Medienprozess Beteiligten: 586 Erfasst sind also einerseits Medienschaffende, die aktiv an der Medienproduktion mitwirken, egal ob als Individuen oder als Medienunternehmen. Andererseits gehört jeder einzelne Nutzer, der Informationen aus Medien bezieht, zu den Beteiligten. Sinn und Zweck des Medienrechts ist es, die Rechte und Pflichten der am Medienprozess Beteiligten untereinander zu regeln. Vornehmlich die Medien Presse und Rundfunk leisten einen erheblichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Aufgabe des Medienrechts ist es daher einerseits, eine bestimmte Kommunikations-Infrastruktur zu gewährleisten. 587 Andererseits müssen die Rechte der Teilnehmer am Medienprozess beachtet werden. Hier werden bspw. die Einhaltung von Datenschutzrechten, Urheberrechten oder Persönlichkeitsrechten relevant. Zivilrecht (= Privatrecht) ◼ Bürgerliches Gesetzbuch ◼ Urheberrechtsgesetz ◼ Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ◼ Markengesetz Öffentliches Recht ◼ Grundgesetz ◼ Pressegesetze ◼ Rundfunkgesetze ◼ Datenschutzgesetze Strafrecht ◼ Strafgesetzbuch Medienrecht Abb. 6.1: Rechtsgebiete und besonders relevante Gesetze im Medienrecht 6.2 Kurzüberblick über die einzelnen Rechtsgebiete Da das Medienrecht als Querschnittsrecht eine Vielzahl von Rechtsgebieten mit unterschiedlichen Gesetzen betrifft, sollen zunächst im Rahmen eines Kurzüberblicks die für den Bereich Multimedia besonders relevanten Rechtsgebiete 586 Vgl. Dörr/ Schwartmann (2012), Rn. 36. 587 Vgl. Fechner (2014), S. 12. M edienrecht M edienrecht 326 vorgestellt werden. Diese Übersicht dient dem Verständnis für diese komplexe Materie und soll den Einstieg in die nachfolgenden Kapitel erleichtern. Die Grundrechte gewährleisten dem Einzelnen bestimmte Rechte und verpflichten den Staat. Sie sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat 588 und dienen dem Schutz der Bürger vor staatlichen Eingriffen oder Beschränkungen. Will der Staat in Grundrechte eingreifen, diese also beschränken, benötigt er dafür eine Rechtfertigung, die gesetzlich geregelt sein muss. Unter „Staat“ sind in diesem Zusammenhang alle staatlichen Funktionsträger zu verstehen. Die Grundrechte finden sich in der Verfassung, dem „Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland“, abgekürzt GG. Somit haben die Grundrechte Verfassungsrang und stehen über den sog. einfachen Gesetzen, gehen normalen Gesetzen also vor. Nach dem Kreis der Berechtigten lassen sich Grundrechte einerseits in sog. Jedermannsrechte bzw. Menschenrechte und andererseits in Bürgerrechte unterscheiden: Jedermanns- oder Menschenrechte stehen allen Menschen, Bürgerrechte nur deutschen Staatsangehörigen zu. Für das Medienrecht sind die nachfolgenden Grundrechte, 589 die auch unter dem Oberbegriff „Kommunikationsgrundrechte“ 590 zusammengefasst werden, von zentraler Bedeutung: ◼ Meinungsfreiheit: seine Meinung frei äußern und verbreiten ◼ Informationsfreiheit: sich aus allgemein zugänglichen Quellen unterrichten ◼ Medienfreiheit: Produktionsfreiheit für Presse, Rundfunk und Film Bei diesen Grundrechten handelt es sich um Jedermannsrechte, da diese Grundrechte ohne Einschränkung jedem Menschen bzw. allen juristischen Personen des Inlands zustehen. Darüber hinaus können noch folgende Grundrechte im Medienrecht Bedeutung erhalten: der Schutz der Menschenwürde 591 , das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit 592 sowie die Kunst- und Wissenschaftsfreiheit. 593 Auch diese Grundrechte stehen allen Menschen zu. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird aus den Grundrechten der allgemeinen Handlungsfreiheit 594 und der Menschenwürde abgeleitet und ist wie ein eigenständiges Grundrecht zu behandeln. Es gibt dem Einzelnen das Recht der Selbstbestimmung, der Selbstbewahrung und der Selbstdarstellung. 595 Vom allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Grundrecht ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Zivilrecht zu unterscheiden. Mit dem allgemeinen Persönlichkeits- 588 Vgl. Pieroth et al. (2013), Rn. 76. 589 Art. 5 Abs. 1 GG. 590 Vgl. Fechner (2014), S. 19. 591 Art. 1 Abs. 1 GG. 592 Art. 2 Abs. 1 GG. 593 Art. 5 Abs. 3 GG. 594 Art. 2 Abs. 1 GG. 595 Vgl. Pieroth et al. (2013), Rn. 391 ff. K urzüberblicK über die einzelnen r echtsgebiete 327 recht des Zivilrechts kann sich der Betroffene jedoch gegen jedermann, und vor allem gegen die Medien, zur Wehr setzen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährt dem Einzelnen u. a. folgenden Schutz: ◼ Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung: Geschützt werden Intimes wie bspw. Sexualität und Krankheiten, die Privatsphäre, also die „eigenen vier Wände“ sowie jeder Ort, an dem der Betroffene erkennbar eine Rückzugsmöglichkeit sucht. ◼ Recht am eigenen Bild: Die Veröffentlichung von Fotos oder Filmaufnahmen ist grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten zulässig. ◼ Recht der persönlichen Ehre: Das Recht der persönlichen Ehre schützt den Einzelnen vor Diffamierung. 596 Als mögliche Straftaten sind hier Verleumdung, 597 üble Nachrede 598 und Beleidigung 599 zu nennen. ◼ Recht am gesprochenen und geschriebenen Wort: Jeder darf selbst entscheiden, ob sein gesprochenes Wort auf Tonträger aufgezeichnet und veröffentlicht wird. 600 Die Veröffentlichung persönlicher Aufzeichnungen, wie Briefe oder Tagebücher, ist nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. 601 ◼ Recht auf informationelle Selbstbestimmung: Jeder darf über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst entscheiden. 602 ◼ Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme: Das sog. „IT-Grundrecht“ 603 wurde vom Bundesverfassungsgericht 604 im Zuge einer Entscheidung zur sog. Onlinedurchsuchung im Jahr 2008 entwickelt. Es schützt den Einzelnen vor Zugriffen des Staates auf informationstechnische Systeme. Ein solcher Eingriff ist nur zulässig, wenn erhebliche Gefahren für ein überragend wichtiges Rechtsgut, wie Leben, Leib und Freiheit der Person, bestehen. 605 Das Urheberrecht schützt künstlerische oder wissenschaftlich-technische Leistungen, die ein gewisses Maß an Originalität und Kreativität aufweisen. Dieser Schutz entsteht gemäß dem deutschen Recht automatisch mit Erschaffen des Werkes, ohne dass eine Registrierung, ein Copyright-Vermerk oder sonstige Formalitäten erforderlich wären. Der Urheberrechtsschutz endet 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Das Urheberrecht soll einerseits die wirtschaftlichen Interessen 596 Vgl. Fechner (2014), S. 70 f. 597 § 187 StGB. 598 § 186 StGB. 599 § 185 StGB. 600 Vgl. Dörr/ Schwartmann (2012), Rn. 331. 601 Vgl. Dörr/ Schwartmann (2012), Rn. 332. 602 Vgl. Pieroth et al. (2013), Rn. 399. 603 Vgl. Pieroth et al. (2013), Rn. 400. 604 BVerfG v. 27.02.2008, Az. 1 BvR 370/ 07, 1 BvR 595/ 07. 605 Vgl. Paschke (2009), Rn. 956 ff. M edienrecht M edienrecht 328 des Urhebers wahren, indem ihm allein die umfassenden Verwertungsrechte an dem von ihm geschaffenen Werk zustehen. Verwertungsrechte sind insbesondere ◼ das Vervielfältigungsrecht, 606 ◼ das Verbreitungsrecht, 607 ◼ das Ausstellungsrecht 608 und ◼ das Recht zur öffentlichen Wiedergabe. 609 Der Urheber kann diese Verwertungsrechte an Dritte, meist gegen Zahlung einer Vergütung, übertragen. Andererseits soll das Informationsbedürfnis der Nutzer gewährleistet werden, sodass mit Hilfe des Urheberrechts diese unterschiedlichen Interessen in Ausgleich gebracht werden sollen. Das Urheberrecht ist im „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“, abgekürzt UrhG, geregelt. Das Wettbewerbsrecht dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauterem Wettbewerb. Es schützt zugleich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb. 610 Das Wettbewerbsrecht ist vor allem im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelt. Dieses Gesetz bestimmt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte geschäftliche Handlungen „unlauter“ und damit unzulässig sind. Dazu gehören bspw. geschäftliche Handlungen, die die geschäftliche Unerfahrenheit meist von Kindern und Jugendlichen ausnutzen. 611 Die getarnte Werbung, also Schleichwerbung, ist ebenfalls nicht erlaubt. 612 Wirbt ein Unternehmen mit Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken, muss es die Bedingungen für deren Inanspruchnahme klar und deutlich angeben. 613 Es ist unzulässig, Mitbewerber herabzusetzen oder zu verunglimpfen. 614 Irreführende Werbung, die unwahre Angaben enthält oder geeignet ist, andere zu täuschen, ist ebenfalls untersagt. 615 Bei der Direktwerbung mittels Telefon, Fax, E-Mail oder SMS ist immer zu prüfen, ob eine unzumutbare Belästigung 616 vorliegt. Diese Werbeform wird im Kap. 6.3.4 noch vertieft werden. In der sog. „Schwarzen Liste“, einem Anhang zum UWG, sind geschäftliche Handlungen benannt, die gegenüber Verbrauchern immer unzulässig sind. 606 § 16 UrhG. 607 § 17 UrhG. 608 § 18 UrhG. 609 §§ 19 ff. UrhG. 610 § 1 UWG. 611 § 4 Nr. 2 UWG. 612 § 4 Nr. 3 UWG. 613 § 4 Nr. 4 UWG. 614 § 4 Nr. 7 UWG. 615 § 5 f. UWG. 616 § 7 UWG. K urzüberblicK über die einzelnen r echtsgebiete 329 Das Marken- und Kennzeichenrecht regelt den Schutz von Marken oder Kennzeichen wie etwa Firmennamen oder -logos. Alle Zeichen, Wörter, Personennamen, Abbildungen, Buchstaben und Zahlen 617 können als Marke geschützt sein. Wichtig dafür ist jedoch, dass das jeweilige Markenzeichen geeignet ist, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden. 618 Zeichen oder Angaben, welche die Ware oder Dienstleistung beschreiben können oder die im allgemeinen Sprachgebrauch zur Bezeichnung der Ware oder Dienstleistung üblich geworden sind, können jedoch nicht mehr als Marke geschützt werden. 619 Bei solchen allgemeinen Begriffen besteht ein sog. „Freihaltebedürfnis“. Damit sollen Mitbewerber die Möglichkeit behalten, ihre eigenen Waren und Dienstleistungen zu beschreiben. Marken dienen vor allem dazu, den Endabnehmer über die Herkunft der Ware und den Betrieb des Herstellers zu informieren. 620 Markenschutz entsteht in erster Linie durch die Eintragung einer Marke in das Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes. Darüber hinaus kann im Einzelfall eine Marke allein durch ihre Benutzung im geschäftlichen Verkehr Markenschutz erhalten, wenn sie in den beteiligten Verkehrskreisen bekannt geworden ist. Ist eine Marke geschützt, so gibt sie ihrem Inhaber ein ausschließliches Recht. Damit dürfen Dritte im geschäftlichen Verkehr kein identisches oder ähnliches Markenzeichen für die Kennzeichnung identischer oder ähnlicher Waren oder Dienstleistungen verwenden, ansonsten würden sie die geschützte Marke des Markeninhabers verletzen. Neben Marken werden auch Unternehmenskennzeichen, also der Name, die Firma oder sonstige besondere Bezeichnungen des Geschäftsbetriebs geschützt. Anders als Marken können Unternehmenskennzeichen nicht in ein Register eingetragen werden. Ihr Schutz entsteht vielmehr automatisch mit Beginn der Benutzung im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung des Geschäftsbetriebs. Der Schutz von Marken und Kennzeichen ist im Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (Markengesetz - MarkenG) geregelt. Das Zivilrecht, auch Privatrecht genannt, ist der Teil des Rechts, der die Beziehungen zwischen den einzelnen gleichgeordneten Mitgliedern der Gemeinschaft regelt. 621 Dagegen geht es im öffentlichen Recht meist um die Regelung von Über- und Unterordnungsverhältnissen, wobei sich Bürger und Staat gegenüberstehen. Das Zivilrecht ist u. a. im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Aber auch die bereits vorgestellten Rechtsgebiete des Urheberrechts, Markenrechts und Wettbewerbsrecht zählen zum Zivilrecht, da sich hier Gleichgestellte, wie bspw. Urheber und Nutzer oder zwei Mitbewerber, gegenüberstehen. 617 § 3 Abs. 1 MarkenG. 618 § 3 Abs. 1 MarkenG. 619 § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 MarkG. 620 Vgl. Bingener (2012), S. 6. 621 Vgl. Brox/ Walker (2013): Allgemeiner Teil des BGB, § 1 Rn. 10. M edienrecht M edienrecht 330 Das Datenschutzrecht dient in erster Linie dem Schutz des Einzelnen vor dem „gläsernen Menschen“. Geschützt werden alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person. 622 Im Datenschutzrecht gilt der Grundsatz der Datenvermeidung bzw. der Datensparsamkeit und der Zweckbindung. 623 Dies bedeutet, dass einerseits so wenig wie notwendig Daten erfasst werden sollen, um so wenig wie möglich in das Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung einzugreifen. Andererseits sollen Daten nur dann erfasst und genutzt werden, wenn dies im Gesetz ausdrücklich erlaubt ist und einem bestimmten Zweck dient. Das Datenschutzrecht ist im Bundesdatenschutzgesetz und in den Datenschutzgesetzen der Länder geregelt. Das Datenschutzrecht schützt die Persönlichkeit des Einzelnen vor Zugriffen des Staates, weshalb es zum einen dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Zum anderen müssen aber auch alle Unternehmen, die Daten sammeln, diese Vorschriften beachten. Insoweit kann das Datenschutzrecht auch dem Zivilrecht zugeordnet werden. Die allgemeinen Vorschriften des Strafrechts sind auch im Medienrecht anwendbar. Im Bereich der Medien können insbesondere folgende Straftaten relevant werden: ◼ Propagandamitteln verbotener Organisationen 624 , ◼ Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen 625 , ◼ Volksverhetzung 626 , ◼ Anleitung zu Straftaten 627 , ◼ Verbreitung von Gewaltdarstellungen 628 , ◼ Straftaten gegen die Ehre 629 , ◼ „Hacking“ 630 , ◼ Abfangen von Daten 631 , ◼ Computerbetrug 632 , ◼ Datenveränderung 633 und ◼ Computersabotage 634 . 622 § 3 Absatz 1 BDSG. 623 Vgl. Hoeren (2014), S. 441. 624 § 86 StGB. 625 § 86a StGB. 626 § 130 StGB. 627 § 130a StGB. 628 § 131 StGB. 629 §§ 185 ff. StGB. 630 § 202a StGB. 631 § 202b StGB. 632 § 263a StGB. 633 § 303a StGB. 634 § 303b StGB. M edienproduKtion und r echt 331 Das Strafrecht ist im Strafgesetzbuch, dem StGB, geregelt. Daneben finden sich noch in anderen Gesetze Straftatbestände, so ist auch die Verletzung von Urheberrechten eine Straftat, 635 Softwarepiraterie, 636 strafbare Werbung 637 und die Verletzung von Marken und Unternehmenskennzeichen 638 sind ebenso strafbar. 6.3 Medienproduktion und Recht Bei der Produktion von Mediengütern spielt das kreative Schaffen des an der Produktion Beteiligten eine wichtige Rolle. Diese Kreativität verdient unter gewissen Voraussetzungen einen bestimmten Schutz. Bei der Nutzung von Mediengütern stehen sich unterschiedliche Interessen gegenüber: Der Nutzer möchte sein Informationsbedürfnis befriedigen, der Produzent will aus der Herstellung des Medienguts wirtschaftlichen Vorteil ziehen. Diese unterschiedlichen Interessenlagen müssen gewahrt und miteinander in Einklang gebracht werden. Es soll daher zunächst unter Kap. 6.3.1 die Frage beantwortet werden, welche Mediengüter generell urheberrechtlich geschützt werden können und welche Voraussetzungen dafür vorliegen müssen. Sodann werden die einzelnen Rechte des Urhebers, insbesondere die Verwertungsrechte, vorgestellt. Aus der Sicht des Verwerters wird unter Kap. 6.3.2 aufgezeigt, wann eine Verletzung von Urheberrechten vorliegt. Bei dem Leser soll ein Problembewusstsein entwickelt werden, damit er fremde Inhalte nicht bedenkenlos verwendet. Außerdem werden die Konsequenzen dargestellt, die demjenigen drohen, der Urheberrechte nicht beachtet. Da heutzutage Medien ohne Bilder oder Videos nahezu undenkbar sind, wird aufgrund der enormen Praxisbedeutung schließlich unter Kap. 6.3.3 dargelegt, unter welchen Voraussetzungen Bilder, die fremde Personen zeigen, veröffentlicht werden dürfen. 6.3.1 Schutz eigener Inhalte Wer Medienprodukte - gleich welcher Art - erschafft, stellt sich unweigerlich die Frage, ob das von ihm erschaffene Ergebnis einen besonderen Schutz genießt und ob er Dritten die Nutzung dieser Medienprodukte untersagen oder die Bedingungen einer Nutzung, wie bspw. Zahlung einer Vergütung, zumindest selbst festlegen kann. 635 § 106 UrhG. 636 §§ 106, 69a UrhG. 637 § 16 UWG. 638 § 143 MarkenG. M edienrecht M edienrecht 332 Es soll nachfolgend zunächst das Entstehen von Urheberrechten erörtert werden, also welche Voraussetzungen vorliegen müssen, damit ein Medienprodukt überhaupt urheberrechtlich geschützt ist. Sodann werden die wichtigsten Rechte des Urhebers vorgestellt. Dabei wird auf die Übertragung von Nutzungsrechten und den Anspruch des Urhebers auf Zahlung einer angemessenen Vergütung eingegangen werden. Entstehen von Urheberrechten Das Urheberrechtsgesetz schützt die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. 639 Das Urheberrechtsgesetz spricht immer von „Werken“ als Oberbegriff für die einzelnen Medienprodukte. Zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören insbesondere: ◼ Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; ◼ Werke der Musik; ◼ pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; ◼ Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; ◼ Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; ◼ Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; ◼ Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. 640 Urheberrechtlich geschützte Medienprodukte können also sein: Texte, Fotos, Computerprogramme, Datenbanken, Audio- und Videodateien. Bei dem geschaffenen Werk muss es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handeln. 641 Dies bedeutet, dass das Werk durch die gestalterische Tätigkeit eines Menschen entstanden sein muss. Urheber kann somit immer nur eine natürliche Person und keine juristische Person, wie etwa eine GmbH, sein. 642 In dem Werk muss ein geistiger Gehalt zum Ausdruck gebracht werden. Dies erfordert, dass das Werk einen vom Urheber stammenden Gedanken- oder Gefühlsinhalt aufweist, der auf den Nutzer unterhaltend, belehrend oder sonst wie anregend wirkt. 643 Weiterhin muss das geschaffene Werk sinnlich wahrnehmbar sein, es muss also in einer konkreten Form umgesetzt worden sein. Demgegenüber sind 639 § 1 UrhG. 640 § 2 Abs. 1 UrhG. 641 § 2 Abs. 2 UrhG. 642 Vgl. Rehbinder (2010), Rn. 248. 643 Vgl. Dreier/ Schulz (2013), UrhG § 2 Rn. 12. M edienproduKtion und r echt 333 bloße Gedanken oder Ideen nicht urheberrechtlich geschützt. Schließlich muss die persönliche Leistung des Urhebers eine sog. Schöpfungshöhe oder Gestaltungshöhe aufweisen. Das Werk muss folglich einen individuellen Charakter haben. Schöpfungshöhe, oder auch Gestaltungshöhe genannt, beschreibt das Maß an Individualität, das einem Werk anhaftet. Wird die notwendige Schöpfungshöhe nicht erreicht, besteht kein Urheberrechtsschutz. Wie hoch die Schöpfungshöhe liegt, richtet sich nach dem jeweiligen Werk. 644 Bei Fotos sowie Audio- und Videodateien wird die Schöpfungshöhe häufig erreicht sein, sodass diese Werke urheberrechtlich geschützt sind. Demgegenüber kommt es bspw. bei Texten (sog. „Sprachwerken“) auf deren konkrete Art und ihren Umfang an. Handelt es sich um „Alltagstexte“, wie etwa Werbetexte oder Produktbeschreibungen, müssen sie sich aus der Masse vergleichbarer Texte hervorheben und eine gewisse Originalität aufweisen. 645 Ist der Inhalt des Textes frei erfunden, wird ein Schutz eher möglich sein. 646 Demgegenüber sind Texte, die Gebrauchszwecken dienen, wie Bedienungsanweisungen oder reine Produktbeschreibungen u. Ä., weitaus seltener geschützt. Bei solchen Texten werden in erster Linie vorgegebene Tatsachen wiedergegeben, sodass kaum Raum für individuelle Formulierungen besteht. Insgesamt kommt es jedoch immer auf den Einzelfall an. Wird für solche Texte die Schöpfungshöhe nicht erreicht, sind diese Texte nicht geschützt. Das heißt, Dritte können diese Texte verwenden, ohne dass sich der Verfasser dagegen wehren kann. Das Urheberrecht entsteht automatisch mit Erschaffen des Werkes. 647 Eine Eintragung in ein Register ist nicht erforderlich. Ebenfalls nicht notwendig ist es, das Werk zu kennzeichnen, bspw. mit dem Copyright-Vermerk ©. Auch kommt es nicht auf eine Veröffentlichung oder ein Erscheinen des Werkes an. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. 648 Nach Ablauf dieser Frist kann das Werk von jedermann frei genutzt oder verändert werden. Die Voraussetzungen für das Entstehen von Urheberrechten lassen sich wie folgt zusammenfassen: 644 Vgl. Rehbinder (2010), Rn. 152 ff. 645 Vgl. Dreier/ Schulz (2013), UrhG § 2 Rn. 20. 646 Vgl. Dreier/ Schulz (2013), UrhG § 2 Rn. 20 f. 647 Vgl. Dreier/ Schulz (2013), UrhG § 2 Rn. 35. 648 § 65 UrhG. M edienrecht M edienrecht 334 ◼ persönliche geistige Schöpfung des Urhebers ◼ Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst ◼ Umsetzung des Werkes in einer konkreten Form (keine bloße Idee) ◼ Erreichen der Schöpfungshöhe; erforderlich ist ein individueller Charakter des Werkes ◼ Entstehen des Schutzes bereits durch das Erschaffen des Werkes Rechte des Urhebers Das Urheberrecht soll dem Urheber in erster Linie eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Werkes sichern. 649 Das Gesetz unterscheidet bei den Rechten des Urhebers einerseits zwischen den Verwertungsrechten und andererseits zwischen den Urheberpersönlichkeitsrechten. Bei den Verwertungsrechten lässt sich zwischen den körperlichen und unkörperlichen Verwertungsrechten unterscheiden (vgl. auch Abb. 6.2). Rechte des Urhebers Verwertungsrechte Urheberpersönlichkeitsrechte körperliche Verwertungsrechte unkörperliche Verwertungsrechte Veröffentlichungsrecht Vervielfältigungsrecht Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht Recht auf Anerkennung der Urheberschaft Verbreitungsrecht Recht der öffentlichen Zugänglichmachung Recht, Entstellungen des Werks zu verhindern Ausstellungsrecht Senderecht Zugangsrecht Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger sowie von Funksendungen Änderungsverbot Abb. 6.2: Struktur der Rechte des Urhebers 650 Der Urheber ist Inhaber der Verwertungsrechte an seinem Werk. 651 Ohne Zustimmung des Urhebers ist folglich eine Nutzung des Werkes nicht erlaubt. Er 649 § 11 UrhG. 650 §§ 12 ff. UrhG; vgl. Fechner (2014), S. 132 f. 651 § 15 Abs. 1 UrhG. M edienproduKtion und r echt 335 kann anderen jedoch die Nutzung des Werkes in einer bestimmten Weise gestatten, um davon wirtschaftlich zu profitieren. Er überträgt dann das sog. Nutzungsrecht. 652 Der Urheber schließt dafür mit dem Nutzer einen Vertrag, den sog. Nutzungs- oder Lizenzvertrag. Denn die Einräumung von Nutzungsrechten wird auch als Vergabe von Lizenzen bezeichnet. Die Übertragung von Nutzungsrechten kann entweder ausdrücklich oder stillschweigend erfolgen. Eine bestimmte Form ist nicht vorgesehen, sodass der Vertrag mündlich oder schriftlich geschlossen werden kann. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist jedoch ein schriftlicher Vertrag empfehlenswert. Der Urheber gestattet dem Dritten, das Werk in einer bestimmten Art und Weise zu nutzen und verlangt dafür meist eine Vergütung. Der Inhalt des Nutzungsvertrages bestimmt sich allein danach, was die Vertragspartner vereinbart haben, denn gesetzliche Regelungen existieren hierzu nicht. Der Urheber kann einem Dritten ausschließliche oder einfache Nutzungsrechte übertragen, die sich wie folgt unterscheiden. Das ausschließliche Nutzungsrecht erlaubt allein dem Inhaber dieses Nutzungsrechts, das Werk zu nutzen. Allen anderen, einschließlich dem Urheber, ist die Nutzung des Werkes nicht (mehr) gestattet. Das einfache Nutzungsrecht erlaubt dem Inhaber dieses Nutzungsrechts, das Werk in der vereinbarten Weise zu nutzen. Daneben können der Urheber und andere Personen das Werk nutzen. Der Nutzungsvertrag kann auch zeitliche Beschränkungen der Nutzungsdauer regeln oder die Nutzung quantitativ beschränken. So kann ein Fotograf z. B. eine Nutzung von Fotos für die Dauer von 2 Jahren gestatten. Ein Softwareunternehmen kann im Nutzungsvertrag dem Kunden gestatten, die Software auf bis zu 3 Arbeitsplätzen zu nutzen. Der Nutzungsvertrag sollte schließlich regeln, welche konkrete Nutzungsart dem Dritten erlaubt sein soll. Nutzungsart ist jede wirtschaftlich-technisch selbständige und abgrenzbare Verwertungsform. 653 652 vgl. Fechner (2014), S. 133. 653 Vgl. Fechner (2014) S. 135. M edienrecht M edienrecht 336 Typische Nutzungsarten sind: ◼ Nutzung von Fotos für den Printbereich ◼ Nutzung von Texten für Internetseiten ◼ Veröffentlichung einer Videodatei über Social-Media-Plattformen Der Urheber hat Anspruch auf eine angemessene Vergütung. 654 Dies gilt einerseits dann, wenn die Vertragspartner überhaupt keine Vergütung vereinbart haben. Andererseits gilt dies aber auch, wenn eine Vergütung zwar vereinbart wurde, diese aber nicht „angemessen“ ist. Im letztgenannten Fall kann der Urheber von seinem Vertragspartner eine Änderung des Nutzungsvertrages und Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen. Welche Vergütung im konkreten Fall angemessen ist, richtet sich in erster Linie nach den gemeinsamen Vergütungsregeln, die Vereinigungen von Urhebern mit Vereinigungen von Werknutzern aufgestellt haben. 655 Existiert eine solche gemeinsame Vergütungsregel, nicht gilt als angemessen, was man zur Zeit des Vertragsschlusses in dieser Branche für die Nutzung des konkreten Werkes als angemessene Vergütung vereinbart hätte. Ohne Zweifel ist das Thema der angemessenen Vergütung eine Frage, die abschließend nur für den konkreten Einzelfall beantwortet werden kann. Für die Nutzung digitaler Rechte gibt es bislang in der Praxis noch keine festen Vergütungsregeln. 656 Deshalb sollte die Vergütung in solchen Fällen individuell vereinbart werden. Die Urheberpersönlichkeitsrechte schützen die ideellen Interessen des Urhebers auf Bestand und Unversehrtheit seines Werkes. 657 Der Urheber hat das Recht zu entscheiden, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist. Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft beinhaltet vor allem das Namensnennungsrecht des Urhebers. Der Urheber hat danach einen Anspruch darauf, als Urheber eines bestimmten Werkes benannt zu werden. Es gibt dem Urheber ein Abwehrrecht gegen Dritte, die behaupten, selbst Urheber eines Werkes zu sein. Dieses Recht auf Anerkennung der Urheberschaft ist bereits dann verletzt, wenn z. B. auf einer Website auf ein urheberrechtlich geschütztes Werk verlinkt wird, ohne den Urheber zu benennen. Der Urheber hat zudem das Recht, Entstellungen seines Werkes zu verbieten. Damit soll verhindert werden, dass die Wesenszüge eines Werkes verzerrt oder verfälscht werden. Das Zugangsrecht ist weniger für die Medien als vielmehr für die bildenden Künste relevant. Das Änderungsverbot verbietet Inhabern eines Nutzungsrechts, das Werk zu verändern. 654 §§ 11 S. 2, 32 UrhG. 655 §§ 32, 36 UrhG. 656 Vgl. Hoeren (2014), S. 197. 657 Vgl. Rehbinder (2010), Rn. 389 ff. M edienproduKtion und r echt 337 6.3.2 Verwendung fremder Inhalte Wohl kaum ein Unternehmen dürfte in der Lage sein, die eigene Medienpräsenz ausschließlich mit eigenen Inhalten, also selbstverfassten Texten, eigenen Fotos und Videos, zu gestalten. Die Verwendung fremder Inhalte spielt daher bei der Medienproduktion unweigerlich eine bedeutsame Rolle. Es ist daher wichtig zu wissen, unter welchen Voraussetzungen fremde Inhalte für die Gestaltung eigener Medienprodukte verwendet werden dürfen. In diesem Zusammenhang soll auch geklärt werden, wann überhaupt eine Verletzung von Urheberrechten vorliegt und welche Konsequenzen demjenigen drohen, der fremde Urheberrechte verletzt. Zulässige Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke Grundsätzlich gilt: Die Nutzung fremder urheberrechtlich geschützter Inhalte nur mit Zustimmung des Urhebers. Das Urheberrecht schützt den Urheber jedoch nicht grenzenlos. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es zugunsten der Allgemeinheit zulässig, urheberrechtlich geschützte Werke auch ohne Zustimmung des Urhebers zu nutzen. Dazu gehören folgende Varianten, die anschließend genauer erläutert werden: ◼ amtliche Werke ◼ öffentliche Reden, Zeitungsartikel, Rundfunkkommentare ◼ fremde Inhalte als Zitate ◼ Vervielfältigung zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch ◼ Panoramafreiheit ◼ freie Benutzung ◼ Sammlungen für Kirchen-, Schul- oder Unterrichtsgebrauch ◼ öffentliche Zugänglichmachung für Unterricht und Forschung ◼ Ablauf des Urheberrechtsschutzes Amtliche Werke, 658 wie Gesetze, Verordnungen, amtliche Bekanntmachungen und Entscheidungen, sollen von der Allgemeinheit zur Kenntnis genommen werden und dürfen deshalb ohne Weiteres verbreitet werden. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare, die politische, wirtschaftliche oder religiöse Tagesfragen betreffen, dürfen verwertet werden, sofern sie keinen Rechtevorbehalt enthalten. Allerdings ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen. Das Zitatrecht 659 erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen, Teile eines urheberrechtlich geschützten Werkes identisch zu übernehmen. Die Übernahme muss dafür einem bestimmten Zitatzweck dienen, das Zitat soll also lediglich eigene Aussa- 658 § 5 UrhG. 659 § 51 UrhG. M edienrecht M edienrecht 338 gen untermauern. Außerdem muss das Zitat eine entsprechende Quellenangabe enthalten. Die sog. Privatkopie 660 gestattet es, urheberrechtlich geschützte Werke zum privaten Gebrauch zu vervielfältigen. Mit der Herstellung der Kopie dürfen jedoch keine kommerziellen Zwecke verfolgt werden. Auch ist es unzulässig, einen wirksamen Kopierschutz 661 zu umgehen oder eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage für das Herstellen der Privatkopie zu verwenden. Die Privatkopie erlaubt es bspw., Lieder einer CD auf einen MP3-Player zu spielen, wenn dabei kein Kopierschutz umgangen wurde. Die Panoramafreiheit 662 legitimiert es, Ansichten öffentlicher Wege, Straßen und Plätze fotografisch zu vervielfältigen und zu verbreiten. Damit ist es bspw. erlaubt, Bauwerke von einem öffentlichen Platz aus zu fotografieren und dieses Foto zu veröffentlichen. Um eine zulässige freie Benutzung 663 handelt es sich, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk nur als Grundlage für die Produktion eines neuen selbständigen Werkes dient. Voraussetzung ist jedoch, dass das ursprüngliche Werk lediglich als Anregung gedient hat und in dem neu geschaffenen Werk kaum noch zu erkennen ist. Demgegenüber liegt eine Bearbeitung vor, wenn das ursprüngliche Werk zwar verändert, aber in seinen Grundzügen noch erkannt werden kann. Die Veröffentlichung einer solchen Bearbeitung ist nur mit Zustimmung des Urhebers zulässig. 664 Eine zulässige freie Benutzung liegt bspw. vor, wenn ein künstlerisches Foto als Anregung für die Komposition eines Musikstücks dient. Im Gegensatz dazu handelt es sich um eine Bearbeitung, wenn ein markanter Ausschnitt dieses Fotos in einer Collage verwendet wird. Eine Veröffentlichung dieser Collage ist ohne Zustimmung des Fotografen nicht erlaubt. Verletzung des Urheberrechts Eine Verletzung von Urheberrechten liegt dann vor, wenn fremde Werke genutzt werden, ◼ ohne dass der Urheber dem zugestimmt hat und ◼ keine gesetzliche Ausnahme vorliegt. 660 § 53 Absatz 1 UrhG. 661 § 95 a Absatz 1 UrhG. 662 § 59 Absatz 1 UrhG. 663 § 24 UrhG. 664 § 23 UrhG. M edienproduKtion und r echt 339 Die Rechte des Urhebers werden aber auch dann verletzt, wenn der Nutzer ein ihm eingeräumtes Nutzungsrecht überschreitet. Erlaubt ein Fotograf lediglich, das Bild auf einer Website zu veröffentlichen, ist es nicht zulässig dieses Foto auch für Printprodukte zu verwenden, da es sich dabei um eine andere Nutzungsart handelt. Konsequenzen bei Urheberrechtsverletzungen Werden die Rechte des Urhebers verletzt, so hat dieser folgende Ansprüche: 665 ◼ Unterlassungsanspruch: Der Urheber kann verlangen, dass die verletzende Handlung, z. B. die Verbreitung eines Videos, zukünftig nicht wieder begangen wird. ◼ Beseitigungsanspruch: Wenn die Rechtsverletzung noch besteht, kann der Urheber deren Beseitigung verlangen. Werden bspw. Texte ohne Zustimmung des Urhebers auf einer Webseite veröffentlicht, so kann er deren Löschung fordern. ◼ Auskunftsanspruch: Zur Herkunft bzw. dem Vertrieb von rechtswidrig hergestellten Vervielfältigungsstücken sowie über Art und Ausmaß der Rechtsverletzung kann Auskunft verlangt werden, um ein Schadensersatzanspruch bestimmen zu können. ◼ Vernichtung oder Überlassung von rechtswidrig hergestellten oder verbreiteten Vervielfältigungsstücken. ◼ Zahlung von Schadensersatz: Die Höhe des Schadensersatzes kann dabei nach drei Möglichkeiten berechnet werden: 1. nach dem bei dem Urheber eingetretenen Schaden 2. nach der Höhe des Gewinns, den der Verletzte erzielt hat 3. danach, was üblicherweise als Lizenzgebühr zu zahlen wäre Der Urheber selbst entscheidet, nach welcher Berechnungsmethode der Schadensersatz ermittelt werden soll. ◼ Ersatz von Abmahnkosten. Werden Urheberrechte verletzt, kann der Urheber mit einer sog. Abmahnung versuchen, ohne Einschaltung des Gerichts seine Ansprüche gegenüber dem Verletzer durchzusetzen. Das Abmahnschreiben enthält eine Schilderung der Rechtsverletzung, der Abgemahnte wird aufgefordert, die vorgeworfene Handlung zu unterlassen und eine straf bewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Weiterhin enthält die Abmahnung die Androhung gerichtlicher Schritte. Oft ist der Abmahnung bereits eine vorgefertigte Unterlassungserklärung beigefügt. Die Unterlassungserklärung dient dazu, zukünftige Rechtsverletzungen zu verhindern. Denn gibt der Abgemahnte eine Unterlassungserklärung ab und verletzt wieder die Rechte des Urhebers, muss er die in der Unterlassungserklärung festgelegte Vertragsstrafe 665 §§ 97 ff. UrhG. M edienrecht M edienrecht 340 zahlen. Wird ein Rechtsanwalt mit der Abmahnung beauftragt, muss der Verletzer dem Urheber diese Abmahnkosten erstatten. Der Urheber kann seine Ansprüche gegen denjenigen durchsetzen, der unmittelbar gehandelt hat. Inhaber von Unternehmen müssen beachten, dass sie für Rechtsverletzungen ihrer Arbeitnehmer oder Beauftragten haften. 666 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass eine Verletzung von Urheberrechten eine Straftat darstellt, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet wird. 667 6.3.3 Nutzung von Personenfotos Medien sind ohne Bilder undenkbar. Im Kap. 6.3.1 wurde erläutert, dass Fotos urheberrechtlich geschützt sind. Ohne Zustimmung des Fotografen als Urheber dürfen seine Bilder also nicht genutzt werden. Nachfolgend geht es nun um die Rechte derjenigen, die auf veröffentlichten Fotos abgebildet sind. Es soll daher erörtert werden, unter welchen Voraussetzungen Fotos, auf denen Personen abgebildet sind, veröffentlicht werden dürfen. Voraussetzungen für die Veröffentlichung Unter welchen Voraussetzungen Personenfotos veröffentlicht werden dürfen, beurteilt sich nach dem Recht am eigenen Bild. Das Recht am eigenen Bild ist ein besonderes Persönlichkeitsrecht. Es schützt den Einzelnen, selbst über seine visuelle Erscheinung zu bestimmen. 668 Bildnisse, auf denen der Abgebildete erkennbar ist, dürfen nur mit seiner Einwilligung veröffentlicht und verbreitet werden. 669 Der Begriff Bildnis ist in dieser Definition weit zu verstehen: Es kommt dabei nicht auf die Beschaffenheit des Verbreitungsmediums an. Es sind daher bildliche Darstellungen in Printmedien, in elektronischer Form und auf Gegenständen aller Art erfasst. 670 Bildnisse sind nicht nur Fotos und Filmaufnahmen, sondern alle Abbildungsformen, wie zeichnerische Darstellungen aller Art, Karikaturen und Fotomontagen. 671 666 § 99 UrhG. 667 §§ 106 ff. UrhG. 668 Vgl. Dreier/ Schulz (2013), Vor § 22 KUG Rn. 1. 669 § 22 KUG. 670 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 121. 671 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 122. M edienproduKtion und r echt 341 Der Abgebildete muss auf dem Bild erkennbar sein. An die Erkennbarkeit werden zum Schutz der abgebildeten Person nur geringe Anforderungen gestellt. Nicht nur Gesichtszüge, auch Statur, Haltung und Frisur können dazu führen, dass das Kriterium der Erkennbarkeit erfüllt ist. Schließlich kann sich das Erkennen des Abgebildeten auch aus dem Kontext, bspw. einem Begleittext, ergeben. Es reicht dabei aus, dass der Abgebildete von seinen Bekannten, wie Nachbarn oder Kollegen, erkannt werden kann. 672 Um eine Anonymisierung des Abgebildeten zu gewährleisten, sind daher auch Augenbalken oder Verpixelung des Gesichts nur in wenigen Fällen ausreichend. 673 Bei Eingriffen in die Intimsphäre, wie bspw. Abbildungen des nackten Körpers, ist außerdem keine Erkennbarkeit der Gesamtperson durch die Darstellung notwendig. 674 Erforderlich ist schließlich eine Einwilligung des Abgebildeten in die Veröffentlichung oder Verbreitung des Bildes, wofür jedoch keine feste Form vorgeschrieben ist. Die Einwilligung kann entweder ausdrücklich oder auch stillschweigend erteilt werden. Eine solche stillschweigende Einwilligung liegt oft dann vor, wenn der Fotografierte bewusst in die Kamera lächelt oder vor ihr posiert. Allerdings muss ihm Zweck, Art und Umfang der geplanten Veröffentlichung bekannt sein. 675 Wer sein Foto in einem Sozialen Netzwerk einstellt, willigt stillschweigend darin ein, dass dieses Foto von einer Personensuchmaschine verwendet wird. 676 Wer lediglich duldet, dass ein Dritter ihn fotografiert, erklärt damit jedoch noch nicht stillschweigend seine Einwilligung in die Veröffentlichung dieser Fotos. Eine Einwilligung gilt aber im Zweifel als erteilt, wenn der Abgebildete Geld für die Abbildung erhalten hat. 677 Der Bildverwerter hat die Beweislast für die Erteilung und den Umfang einer Einwilligung. Wer also ein Foto veröffentlichen oder verbreiten möchte, muss nachweisen, dass der Abgebildete tatsächlich mit der konkreten Art und Weise der Veröffentli- 672 Vgl. Wandtke/ Bullinger (2014), § 22 Rn. 6. 673 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 128. 674 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 126. 675 Vgl. Wanckel, Foto- und Bildrecht Rn. 136. 676 Vgl. Fechner (2014), S. 73. 677 § 22 S. 2 KUG. M edienrecht M edienrecht 342 chung einverstanden ist. 678 Bildverwerter müssen somit strenge Sorgfaltspflichten beachten. Dabei ist es auch irrelevant, woher die Bilder stammen. Insbesondere kann der Bildverwerter nicht darauf vertrauen, dass eine Einwilligung vorliegt, nur weil er die Fotos von einer Bildagentur oder von einem Berufsfotografen bezogen hat. 679 Beim Umgang mit Fotos, die zu gravierenden Persönlichkeitsverletzungen führen können, ist besondere Sorgfalt zu beachten. Es handelt sich insbesondere um folgende Fallgruppen: ◼ Nacktfotos und Fotos im erotischen Kontext ◼ Personenfotos in der kommerziellen Werbung ◼ Personenfotos in der Werbung für politische oder weltanschauliche Ziele ◼ Personenfotos, die zu einer Demütigung, Bloßstellung, grundloser Anprangerung oder Vorverurteilung des Abgebildeten führen können Ausnahmen vom Erfordernis der Einwilligung Ausnahmsweise ist eine Veröffentlichung von Personenfotos auch ohne Einwilligung des Abgebildeten zulässig. Es handelt sich dabei um folgende Ausnahmen: 680 ◼ Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte; ◼ Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; ◼ Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; ◼ Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. 681 Bei der Prüfung, ob eine der genannten Fallgruppen und somit eine Ausnahme vorliegt, muss immer geprüft werden, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, wenn das Bild veröffentlicht wird. 678 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 146. 679 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 149. 680 § 23 KUG. 681 Diese Fallgruppe hat in der Praxis jedoch nahezu keine Bedeutung (vgl. Dreier/ Schulz (2013), UrhG, § 23 KUG Rn. 43). M edienproduKtion und r echt 343 Eine Bildveröffentlichung ohne Einwilligung des Abgebildeten ist zunächst dann zulässig, wenn sie ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung betrifft. Der Begriff der Zeitgeschichte richtet sich dabei nach dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Ein solches kann an politischen Angelegenheiten, an Straftaten aber auch an sportlichen oder künstlerischen Angelegenheiten bestehen. Dabei werden nicht nur Vorgänge historisch-politischer Bedeutung erfasst, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse. 682 Allein die Bekanntheit des Abgebildeten rechtfertigt jedoch noch keine Veröffentlichung. Es muss vielmehr eine Interessenabwägung stattfinden zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Interesse des Abgebildeten an dem Schutz seiner Privatsphäre andererseits. 683 Je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist, um so stärker ist das Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten. So ist das allgemeine Unterhaltungsinteresse der Öffentlichkeit allein nicht ausreichend. Eine Person ist dann unbeachtliches Beiwerk auf einem Foto, wenn die Person auf dem Bild weggelassen werden kann, ohne dass sich die Aussage und der Charakter des Bildes verändern würden. 684 Beachtung der Interessen des Abgebildeten Auch wenn ein Ausnahmetatbestand eine Bildveröffentlichung ohne Einwilligung erlauben würde, können berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen. Es ist an dieser Stelle folglich nochmals eine Interessenabwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit einerseits und dem Persönlichkeitsrecht des Abgebildeten andererseits vorzunehmen. In folgenden Fällen kann das berechtigte Interesse des Abgebildeten 685 einer Veröffentlichung entgegenstehen: ◼ Nutzung zu kommerziellen Zwecken, insbesondere Werbung ◼ Eingriff in die Privatsphäre (Paparazzi-Aufnahmen) ◼ Eingriff in die Intimsphäre (Nacktaufnahmen, sexueller Kontext) ◼ Aufnahmen, die zu einer groben Herabsetzung, Zurschaustellung, Verächtlichmachung oder unzumutbarer Anprangerung führen ◼ Aufnahmen, die zu Personengefährdung führen können ◼ Aufnahmen aus Verfolgungs- oder Belagerungssituation 682 Vgl. Fechner (2014), S. 76. 683 BVerfG, NJW 2008, 1793. 684 Vgl. Wanckel (2012), Rn. 205. 685 Vgl. § 23 Absatz 2 KUG; Wanckel (2012), Rn. 214 ff. M edienrecht M edienrecht 344 Vor der Veröffentlichung von Personenfotos sollte folgendes Prüfschema angewandt werden: 1. Liegt ein Bildnis vor (Erkennbarkeit)? 2. Liegt die Einwilligung des Abgebildeten vor? 3. Liegt eine gesetzliche Ausnahme vor? ◼ Bildnis aus dem Bereich Zeitgeschichte ◼ Person ist nur Beiwerk neben Landschaft ◼ Bild von einer Versammlung ◼ Bild dient Interesse der Kunst 4. Verletzt die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten? ◼ kommerzieller Zweck ◼ Verletzung der Privat- oder Intimsphäre ◼ Herabsetzen, Zurschaustellen, Verächtlichmachen, Anprangern ◼ Belagerung, Observation 6.4 Vermarktung und Recht Planvolles Marketing ist eine wichtige Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg. Hart umkämpfte Märkte lassen auch die Werbung im Multimedia-Bereich immer aggressiver werden. Neue Spielarten von Werbemöglichkeiten bringen zudem rechtliche Unsicherheiten mit sich. Insbesondere der Social-Media-Bereich ist für einen gelungenen Marketingmix kaum noch wegzudenken, da potentielle Kunden gezielt erreicht werden können und eine große Reichweite gegeben ist. Nachfolgend sollen daher die rechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen Werbung zulässig ist, geklärt werden. Dabei wird auch auf irreführende Werbung sowie unzumutbare Belästigung, besonders im Bereich des Direktmarketing, eingegangen. 6.4.1 Grundsätze der zulässigen Werbung Ob eine Werbung zulässig ist, richtet sich nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Es dient dem Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren geschäftlichen Handlungen. Darüber hinaus soll es zusätzlich das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb sicherstellen. 686 686 Vgl. § 1 UWG. V erMarKtung und r echt 345 Ausgangspunkt jeder Prüfung in diesem rechtlichen Rahmen ist die sog. geschäftliche Handlung. Geschäftliche Handlung ist jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt. 687 Kurz gesagt, liegt bereits bei jeder Werbemaßnahme eine geschäftliche Handlung vor. Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig, wenn sie geeignet sind, die Interessen von Mitbewerbern, Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. 576 Das Gesetz nennt zahlreiche Beispiele, wann eine geschäftliche Handlung unlauter ist. Ein besonderes Gewicht kommt dabei dem Verbraucherschutz zu. In einem Anhang zum UWG, der sog. „Schwarzen Liste“, sind 30 absolute Verbote benannt. So ist z. B. als Information getarnte Werbung unzulässig. Neben dieser Liste gibt es eine Vielzahl weiterer Beispiele für unlautere geschäftliche Handlungen. Unzulässig ist z. B.: ◼ Das Beeinträchtigen der Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern durch Ausübung von Druck in menschenverachtender Weise oder durch sonstige unsachliche Einflüsse 689 ◼ das Ausnutzen geschäftlicher Unerfahrenheit (z. B. bei Kindern und Jugendlichen etc.) 690 ◼ die Verschleierung von Werbung (sog. Schleichwerbung) 691 ; es gilt der Grundsatz zur Trennung von Werbung und redaktionellem Teil in Medien 687 § 2 UWG. 688 § 3 Abs. 1 UWG. 689 § 4 Nr. 1 UWG. 690 § 4 Nr. 2 UWG. 691 § 4 Nr. 3 UWG. M edienrecht M edienrecht 346 ◼ wenn bei Verkaufsförderungsmaßnahmen (Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken etc.) die Bedingungen für deren Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angegeben sind 692 ◼ das Herabsetzen und Verunglimpfen von Mitbewerbern 693 ◼ der Verstoß gegen andere gesetzliche Vorschriften, wenn der Werbende sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil verschafft 694 Wer z. B. in einem Onlineshop die Preise der angegebenen Produkte nicht vollständig und wahrheitsgemäß angibt und deshalb gegen die Preisangabenverordnung verstößt, begeht zugleich einen Wettbewerbsverstoß. 6.4.2 Irreführende Werbung Irreführende Werbung ist unlauter und damit unzulässig. 695 Der Verbraucher soll damit vor inhaltlich falschen Werbeaussagen geschützt werden. Es gilt: Eine Werbung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben über ein Produkt oder eine Dienstleistung enthält oder über bestimmte Umstände täuscht. Um zu verstehen, welche Darstellungen in der Werbung erlaubt sind und wann etwas irreführend sein könnte, hilft eine Betrachtung der Punkte, die dabei stets wahr sein müssen: ◼ wesentliche Merkmale der Ware, wie Verfügbarkeit, Art, Ausführung, Vorteile, Risiken, Zusammensetzung, Zubehör, Verfahren oder Zeitpunkt der Herstellung, Verwendungsmöglichkeit ◼ Anlass des Verkaufs wie das Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils, den Preis oder die Art und Weise, in der er berechnet wird, oder die Bedingungen, unter denen die Ware geliefert oder die Dienstleistung erbracht wird ◼ die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers wie Identität, Vermögen, Befähigung, Status, Zulassung, Mitgliedschaften ◼ Rechte des Verbrauchers, insbesondere solche aufgrund von Garantieversprechen oder Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen 692 § 4 Nr. 4 UWG. 693 § 4 Nr. 7 UWG. 694 § 4 Nr. 11 UWG. 695 § 5 UWG. V erMarKtung und r echt 347 Ob eine Werbung irreführend ist, richtet sich nach dem sog. Verbraucherleitbild. Dies bedeutet, dass die Werbung stets aus der Sicht eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen ist. 696 Eine irreführende und damit unzulässige Werbung liegt z. B. vor, wenn mit falschen Testergebnissen der Stiftung Warentest geworben wird. Unzulässig ist es auch, mit einer Alleinstellung zu werben, bspw. mit „Wir beliefern unsere Kunden am schnellsten“, „Wir sind besser als unser Mitbewerber Müller“. Solche Aussagen sind nur dann zulässig, wenn sie objektiv nachprüf bar und richtig sind. 697 Ebenfalls irreführend ist die Werbung mit Selbstverständlichkeiten. So liegt ein Wettbewerbsverstoß vor, wenn in einem Onlineshop plakativ damit geworben wird, dass die Ware innerhalb von 14 Tagen zurückgegeben werden kann. Denn dieses Recht muss für die meisten Käufe ohnehin jedem Verbraucher gesetzlich zugestanden werden. 6.4.3 Direktmarketing und unzumutbare Belästigung Gerade soziale Netzwerke bieten Unternehmen neue Möglichkeiten, potentielle Kunden gezielt anzusprechen. Profilinformationen des Nutzers ermöglichen dem Unternehmer, seine Zielgruppe besser zu identifizieren und seine Werbung mit einer internen Nachricht über eine Social-Media-Plattform zielgerichtet zu platzieren. Dass unverlangte E-Mail-Werbung, sog. Spam-E-Mails, unzulässig sind, dürfte mittlerweile allgemein bekannt sein. Nachfolgend soll ein ähnlicher Sachverhalt geklärt werden. Es wird erläutert, unter welchen Voraussetzungen Werbenachrichten in sozialen Netzwerken erlaubt sind. Wer einen Marktteilnehmer in unzumutbarer Weise belästigt, handelt unlauter. 698 Eine unzumutbare Belästigung liegt bei einer Werbung vor, wenn erkennbar ist, dass der Empfänger diese Werbung nicht wünscht. 699 Eine Werbung unter Verwendung elektronischer Post ist ohne Einwilligung des Adressaten eine unzumutbare Belästigung und damit unzulässig. 700 696 Vgl. Boesche (2011), Rn. 15. 697 Vgl. Köhler/ Bornkamm (2014), UWG § 5 Rn. 2.136 ff. 698 § 7 UWG. 699 § 7 Abs. 1 S. 2 UWG. 700 § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG. M edienrecht M edienrecht 348 Daraus folgt, dass Werbung mit elektronischer Post, wie z. B. E-Mail, nur dann verschickt werden darf, wenn eine ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Als elektronische Post gelten jedoch nicht nur E-Mails, sondern auch SMS, MMS und alle Nachrichten über soziale Netzwerke. Demzufolge dürfen Werbenachrichten über soziale Netzwerke ebenfalls nur verschickt werden, wenn der Empfänger zuvor ausdrücklich in den Erhalt der Werbung eingewilligt hat. Ebenso unzulässig ist die Werbung mit einer Nachricht, bei der die Identität des Absenders, in dessen Auftrag die Nachricht übermittelt wird, verschleiert oder verheimlicht wird, oder bei der keine gültige Adresse vorhanden ist, an die der Empfänger eine Aufforderung zur Einstellung solcher Post richten kann. 701 Da der werbende Unternehmer im Streitfall beweisen muss, dass eine Einwilligung des Empfängers vorliegt, sollte er die erteilte Einwilligung dokumentieren. Für den Versand von Werbe-E-Mails ist das sog. Double-Opt-In-Verfahren zu empfehlen. Trägt z. B. der Empfänger seine E-Mail-Adresse in eine Liste ein, um einen Newsletter zu erhalten, muss dieser Eintrag aktiv bestätigt werden. Dafür erhält der Empfänger an die von ihm angegebene E-Mail-Adresse einen sog. Bestätigungslink geschickt. Der Newsletter-Versand wird erst und nur dann aktiviert, wenn der Bestätigungslink von dem zuvor eingetragenen E-Mail-Account angeklickt wird. 702 Ausnahmsweise ist die Werbung mit elektronischer Post auch ohne Einwilligung des Adressaten zulässig. Dafür müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 1. Der Unternehmer erhielt die elektronische Postadresse von dem Kunden im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung. 2. Der Unternehmer verwendet die Adresse zur Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen. 3. Der Kunde hat der Verwendung der Adresse nicht widersprochen. 4. Der Kunde wird bei Erhebung der Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann. 703 Die oben genannten Grundsätze zum Direktmarketing gelten auch für das sog. Empfehlungsmarketing. Viele Onlineshops und andere Plattformen bieten dafür ihren Kunden die sog. Tell-a-friend-Funktion an. Damit können Kunden ihren 701 § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG. 702 BGH v. 10.02.2011, Az. I ZR 164/ 09. 703 § 7 Abs. 3 UWG. s ocial M edia 349 Freunden und Bekannten ein konkretes Produkt oder ein Angebot empfehlen. Der Kunde gibt dazu die E-Mail-Adresse seines Freundes auf der Internetseite ein, meist kann noch eine persönliche Botschaft ergänzt werden. Der Seitenbetreiber sendet dann die Empfehlung an den angegebenen Empfänger. Diese Form der Werbung ist jedoch nicht anders zu behandeln als andere Werbung mit elektronischer Post. Folglich muss eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen. Der Bundesgerichtshof 704 hat ausdrücklich entschieden, dass diese Form der Werbung unzulässig ist, wenn keine Einwilligung des Empfängers vorliegt. 6.5 Social Media Der Einsatz von Social-Media-Instrumenten gehört mittlerweile fast zu jedem Marketing-Konzept. Für Social Media gilt wie für den Medienbereich insgesamt: Es gibt keinen rechtsfreien Raum. Auch wenn Profile und Inhalte schnell erstellt und wieder gelöscht werden können, Nutzer direkt und weniger förmlich angesprochen werden: Es gelten prinzipiell die gleichen Grundsätze wie allgemein im Medienrecht. Nachfolgend sollen einige Aspekte aufgezeigt werden, die im Social-Media-Bereich besonders relevant sind. Zunächst geht es darum, dass auch bei einem gewerblichen Social-Media-Auftritt bestimmte Pflichtangaben erforderlich sind. Im Anschluss daran soll aufgezeigt werden, welche inhaltlichen Grenzen der Meinungsfreiheit gesetzt werden. Schließlich soll die Frage beantwortet werden, ob der Inhaber eines Social-Media-Kanals auch für fremde Inhalte haftet. 6.5.1 Wichtige Pflichtangabe: das Impressum Unternehmensprofile in sozialen Netzwerken müssen, genau wie eine Internetseite, ein sog. Impressum enthalten. Denn jeder, der geschäftsmäßig einen Onlineauftritt unterhält, muss bestimmte Pflichtangaben mitteilen. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um folgende Angaben: 705 ◼ Name (Familienname, Vorname, vollständiger Firmenname) ◼ Anschrift ◼ bei juristischen Personen: Angabe der Rechtsform (GmbH, GbR, etc.) ◼ den Vertretungsberechtigten (z. B. Geschäftsführer bei einer GmbH) ◼ E-Mail-Adresse ◼ Angabe eines weiteren elektronischen oder nicht-elektronischen Kommunikationsmittels (z. B. Telefonnummer) 704 BGH v. 12.09.2013, Az. I ZR 208/ 13. 705 § 5 TMG. M edienrecht M edienrecht 350 ◼ Eintrag in ein Register (z. B. Handelsregister, Vereinsregister, Partnerschaftsregister) mit Registernummer ◼ soweit für die unternehmerische Tätigkeit eine behördliche Zulassung notwendig ist: Angabe der zuständigen Aufsichtsbehörde (z. B. Makler, Bauträger, Versicherungsunternehmen) ◼ bei reglementierten Berufen (wie Ärzte, Architekten, Ingenieure, Rechtsanwälte) weitere Pflichtangaben ◼ Umsatzsteuer-Identifikationsnummer soweit vorhanden. Diese Angaben müssen leicht erkennbar, unmittelbar erreichbar und ständig verfügbar sein. Leicht erkennbar bedeutet, dass diese Angaben ohne langes Suchen unter einer eindeutigen Bezeichnung schnell zu finden ist. Als Bezeichnungen empfehlen sich die Wörter „Impressum“ oder „Pflichtangaben“. Unmittelbar erreichbar verlangt, dass das Impressum maximal zwei Klicks entfernt ist. Ständig verfügbar erfordert eine permanente Abruf barkeit. Bei jedem Social-Media-Auftritt eines Unternehmens muss ein Impressum angegeben werden. 6.5.2 Grundlagen und Grenzen der Meinungsfreiheit Gerade soziale Netzwerke laden zu einer direkten und unverblümten Kommunikation ein. Social Media kennzeichnet es gerade aus, Beiträge anderer nicht nur zu verbreiten, sondern auch zu kommentieren, seine eigene Meinung dazu zu äußern. Die Meinung eines jeden Einzelnen ist gefragt. Es stellt sich daher die Frage, welche inhaltlichen Grenzen der Meinungsäußerung gesetzt werden. Dabei soll vor allem die wichtige Abgrenzung zwischen Meinungsäußerung und Tatsachenbehauptung untersucht werden. Anschließend wird die Frage beantwortet, welche Rechte bei einer Überschreitung von Grenzen verletzt werden können und welche Konsequenzen in diesem Fall drohen. Meinungsfreiheit ist ein Grundrecht, das die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Einzelnen ermöglicht und darüber hinaus die geistige Auseinandersetzung zwischen Menschen sicherstellt. 706 Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. 707 706 Vgl. Fechner (2014), S. 33. 707 Art. 5 Abs. 1 GG. s ocial M edia 351 Meinungsfreiheit umfasst die Freiheit der Meinungsbildung und der Meinungsäußerung. Der Begriff der Meinung ist im rechtlichen Kontext weit zu verstehen. Auf den Wert oder Unwert einer Äußerung kommt es dabei nicht an: auch banale oder gleichgültige Äußerungen sind geschützt. 708 Von der Meinungsfreiheit erfasst sind Äußerungen auch dann, wenn sie nicht in herkömmlicher Weise in „Wort, Schrift und Bild“ geäußert werden. 709 Von der Meinungsfreiheit umfasst sind auch Satire, Karikaturen und die Werbung. Meinungsfreiheit wird jedoch nicht grenzenlos gewährt. Beschränkungen ergeben sich etwa aus dem Recht der persönlichen Ehre und dem Schutz der Jugend. Um konkret festzustellen, ob eine Äußerung vom Grundrecht der Meinungsfreiheit geschützt ist, muss zunächst zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil unterschieden werden. Bei einer Tatsachenbehauptung kann objektiv festgestellt werden, ob sie wahr oder falsch ist. (Bsp. „Der Mann auf dem Foto trägt eine rote Jacke.“) Ein Werturteil enthält eine nicht beweisbare subjektive Aussage. (Bsp. „Ich finde, die rote Jacke steht ihm nicht gut.“) Unwahre Tatsachenbehauptungen, die sich negativ auf eine andere Person oder ein Unternehmen auswirken können, sind unzulässig und nicht von der Meinungsfreiheit geschützt. Wer also über die Produkte seines Mitbewerbers bewusst falsche Aussagen verbreitet, kann sich nicht auf die Meinungsfreiheit berufen. Solche Aussagen sind unzulässig. Handelt es sich bei der Aussage nicht um eine Tatsachenbehauptung, liegt in der Regel ein Werturteil vor. Werturteile oder Meinungsäußerungen genießen einen weitumfassenden Schutz. Nicht jede überspitzte oder heftige Kritik ist unzulässig. Die Grenze des Zulässigen ist aber dann überschritten, wenn eine Beleidigung oder eine Schmähkritik vorliegt. 708 Vgl. Pieroth et al. (2013), Rn. 594. 709 Vgl. Fechner ebd. M edienrecht M edienrecht 352 ◼ Eine Beleidigung ist ein Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch die Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. 710 ◼ Bei einer Schmähkritik geht es nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung, sondern die Person des anderen soll in den Augen der Öffentlichkeit herabgesetzt werden. 711 Dies gilt besonders bei Schimpfwörtern. Handelt es sich bei einer Äußerung um ◼ unwahre Tatsachenbehauptungen oder ◼ Beleidigungen oder ◼ Schmähkritik, so ist sie unzulässig und nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt. Werden solche unwahren Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen oder wird Schmähkritik verbreitet, wird das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Dieser kann sich dagegen wehren. Ihm stehen dabei folgende Ansprüche zu: ◼ Unterlassungsanspruch: die Äußerung darf nicht verbreitet werden. ◼ Gegendarstellung: der Verletzer muss die Schilderung des Geschädigten wiedergeben. ◼ Berichtigung: der Verletzer muss bei einer falschen Tatsachenbehauptung die wahren Tatsachen wiedergeben. ◼ Schadensersatz: Ausgleich des materiellen und immateriellen Schadens. 6.5.3 Haftung für fremde Inhalte? Social Media dient oft dazu, Inhalte vieler verschiedener Nutzer auszutauschen und zu verbreiten, und ermöglicht den Teilnehmern auf Plattformen miteinander zu kommunizieren. Die Konsequenz dessen ist, dass über das von einem Unternehmen eingesetzte Social-Media-Instrument Inhalte, Bilder, Kommentare etc. von Dritten verbreitet werden, auf die das Unternehmen, welches dieses Social-Media-Instrument unterhält, zunächst keinen Einfluss hat. An dieser Stelle kann eine Vielzahl möglicher Rechtsverletzungen eintreten, dazu gehört bspw. das Hochladen eines urheberrechtlich geschützten Fotos ohne Einwilligung des Fotografen, das Veröffentlichen eines Videos, ohne dass der darin Abgebildete damit einverstanden ist, oder das Schreiben eines Kommentars, der einen anderen Nutzer beleidigt. Der Geschädigte steht häufig vor dem Problem, dass er den Verfasser nicht ausfindig machen kann. Denn nicht selten verwenden Nutzer im Social Media Nicknames, um ihre Identität nicht zu offenbaren. Demge- 710 Vgl. Schönke/ Schröder (2014), StGB § 185 Rn. 1. 711 Vgl. Fechner (2014), S. 41. s ocial M edia 353 genüber ist derjenige, der den Social-Media-Kanal unterhält, z. B. der Betreiber einer geschäftlichen Facebook-Seite, über das Impressum leicht herauszufinden. Es stellt sich daher die Frage, ob der Betreiber für die Inhalte, die über seinen Social-Media-Kanal verbreitet werden, haftet, also ob der Verletzte ihm gegenüber Ansprüche durchsetzen kann und wie ggf. der Betreiber dies verhindern kann. Haftet also der Plattformbetreiber für die Inhalte seiner Nutzer? Haftung bedeutet, für etwas einstehen müssen. Voranzustellen ist, dass sich der Betroffene aussuchen kann, ob er gegen den Nutzer oder den Plattformbetreiber oder sogar gegen beide vorgehen möchte. 712 Ob der Plattformbetreiber haftet, richtet sich danach, ob es sich um eigene Inhalte oder um fremde Inhalte handelt. ◼ Eigene Inhalte sind zum einen sämtliche Inhalte, die der Plattformbetreiber selbst eingestellt hat. Zusätzlich gelten als eigene Inhalte aber auch fremde Inhalte, die sich der Plattformbetreiber zu eigen gemacht hat. Ein solches „Zu-eigen-Machen“ fremder Inhalte liegt bspw. dann vor, wenn fremde Inhalte derart in den eigenen Onlineauftritt eingebunden werden, dass sie für einen Dritten nicht als fremde Inhalte erkennbar sind. 713 Ein „Zu-eigen-Machen“ liegt aber auch dann vor, wenn sich der Plattformbetreiber sehr weitgehende Nutzungsrechte an den eingestellten Inhalten einräumen lässt, er nach eigener Angabe die Inhalte vor der Freischaltung kontrolliert und die Inhalte auf der Plattform nicht ohne Weiteres als fremde Inhalte erkennbar sind. Der Betreiber einer Plattform, auf der Nutzer Kochrezepte nebst Fotos der Gerichte hochladen können, macht sich diese fremden Inhalte zu eigen, wenn er sich in seinen Nutzungsbedingungen alle Nutzungsrechte an den eingestellten Fotos einräumen lässt, die Rezepte und Fotos vorab sichtet und er die Fotos mit seinem eigenen Logo versieht. 714 Stellt sich nun heraus, dass ein Nutzer rechtswidrig ein Foto eingestellt hat, ohne dass der Fotograf zugestimmt hat, haftet der Plattformbetreiber für diese Urheberrechtsverletzung. ◼ Fremde Inhalte stammen ersichtlich nicht vom Plattformbetreiber. 712 BGH v. 27.03.2007, Az. VI ZR 101/ 06. 713 Vgl. Hoeren (2014), S. 467. 714 BGH v. 12. 11.2009, Az. I ZR 166/ 07. M edienrecht M edienrecht 354 Für eigene Inhalte sowie für Inhalte, die sich der Betreiber zu eigen macht, haftet er komplett. Das heißt, der Rechteinhaber kann von dem Plattformbetreiber verlangen, dass der rechtswidrige Inhalt gelöscht wird. Unter Umständen hat er auch Anspruch auf Schadensersatz. Rechteinhaber ◼ Markenrecht ◼ Urheberrecht ◼ Wettbewerbsrecht ◼ Persönlichkeitsrecht Haftung des Plattformbetreibers eigener Inhalt fremder Inhalt eigener Inhalt fremder Inhalt, der sich zu eigen gemacht wird komplette Haftung Haftung erst ab Kenntnis der Rechtsverletzung Abb. 6.3: Haftung des Plattformbetreibers  Kontrollfragen 1 Definieren Sie den Begriff „Medienrecht“ ! 2 Wie entstehen Urheberrechte und wie lange sind sie geschützt? 3 Nennen Sie diejenigen Ansprüche, die einem Urheber zustehen, wenn sein Urheberrecht verletzt wird! 4 Erläutern Sie unter welchen Voraussetzungen der Versand von Newslettern zulässig ist! 5 Erläutern Sie für welche Inhalte der Betreiber einer Social Media Plattform haftet! 6 Sie sollen für eine Werbekampagne ein Foto beschaffen, das eine Frau beim Kaffeetrinken zeigt. Die Werbekampagne soll in erster Linie über die Facebook-Seite des werbenden Unternehmens veröffentlicht werden. Zur Auswahl stehen drei verschiedene Varianten, die sich v. a. durch l iteraturVerzeichnis 355 ihre Herkunft unterscheiden: Ein Foto wurde über die Google-Bildersuche gefunden, es enthält keinen Copyright-Vermerk. Das zweite Foto stammt aus einem sog. Stockbilder-Archiv. Die Lizenzbedingungen gestatten eine rein redaktionelle Nutzung. Das dritte Foto stammt ebenfalls aus einem sog. Stockbilder-Archiv und die Lizenzbedingungen hierzu gestatten eine redaktionelle und kommerzielle Nutzung. Für welches Foto entscheiden Sie sich, begründen Sie Ihre Entscheidung kurz! 7 Sie haben die Aufgabe, die geschäftliche Facebook-Seite eines Unternehmens zu betreuen. Ein Nutzer postet einen Beitrag, der auch ein Foto enthält. Daraufhin meldet sich bei Ihnen ein zweiter Nutzer per E-Mail der behauptet, mit dem Posten des Fotos durch Nutzer 1 würden seine Urheberrechte verletzt werden. Sie schauen sich das Foto an, können jedoch nicht beurteilen, ob tatsächlich eine Urheberrechtsverletzung vorliegt. Was tun Sie? ► Lösungen finden Sie im UTB-Shop (www.utb-shop.de) auf Titelebene unter Zusatzmaterialien. 6.6 Literaturverzeichnis Bingener, S.: Markenrecht - Ein Leitfaden für die Praxis, Verlag C. H. Beck, 2012. Boesche, K.: Wettbewerbsrecht, C. F. Müller Verlag, 2011. Brox, H.; Walker, W.: Allgemeiner Teil des BGB, Verlag Franz Vahlen GmbH, 2013. Cole, M. D.: Medienrecht. In: Schanze, H./ Pütz, S. (Hrsg.): Metzler Lexikon Medientheorie, Medienwissenschaft, Verlag JB Metzler, 2002. Dörr, D.; Schwartmann, R.: Medienrecht, C. F. Müller Verlag, 2012. Dreier, T.; Schulze G.: Urheberrechtsgesetz, Kommentar, Verlag C. H. Beck, 2013. Fechner, F.: Medienrecht, Mohr Siebeck Verlag, 2014. Hoeren, T.: Internetrecht, ebook, 2014. Köhler, H.; Bornkamm, J.: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, Kommentar, Verlag C. H. Beck, 2014. Paschke, M.: Medienrecht, Springer Verlag, 2009. Pieroth, B.; Schlink, B.; Kingreen, T.; Poscher, R.: Grundrechte Staatsrecht II, C. F. Müller Verlag, 2013. Rehbinder, M.: Urheberrecht, Verlag C. H. Beck, 2010. Schanze, H.: Metzler Lexikon Medientheorie und Medienwissenschaft, Verlag J. B. Metzler, 2002. M edienrecht M edienrecht 356 Schönke, A.; Schröder, H.: Strafgesetzbuch Kommentar, Verlag C. H. Beck, 2014. Wanckel, E.: Foto- und Bildrecht, Verlag C. H. Beck, 2012. Wandtke, A.; Bullinger, W.: Praxiskommentar zum Urheberrecht, Verlag C. H. Beck, 2014. AdClicks (Advertisement-Click): Zahl der Mausklicks auf ein graphisches werbetragendes Objekt (Werbebanner oder -button). Ad-Impressions: Weisen die relevante Anzahl der Sichtkontakte eines Onlinenutzers mit einem tatsächlich eingeblendeten Werbebanner aus. Adult Contemporary (AC): Hörfunkprogrammformat, welches auf Durchhörbarkeit und die Gruppe der 20bis 40-jährigen Hörer zielt. Advocacy Impact (Wirkungsgrad der Markenbotschafter): Enthüllt die Wirkung, welche ein positiver Beitrag auf die Meinungen anderer Internetnutzer hat; Verhältnis aus Anzahl der generierten Meinungsänderungen zu Gesamtzahl der positiven Meinungen. Advocate Influence (Einfluss der Markenbotschafter): Bildet den Einfluss der positiven Äußerung eines Social Web Users auf die positive Meinungsbildung anderer Onlinenutzer ab. Agiles Manifest: Grundlagen agiler (Projektmanagement-)Methoden, bei denen Individuen und Interaktionen, funktionierende Software, Zusammenarbeit mit Kunden und Reaktion auf Änderungen im Mittelpunkt stehen. Agile Methoden: Gruppe von (Projekt-)Managementtechniken, die mit leichtgewichtigen Vorgehensweisen u. a. eine höhere Flexibilität versprechen und auf dem agilen Manifest basieren. AIDA-Modell: Ältestes und bekanntestes Stufenmodell der Werbewirkung. Der Werbeadressat durchläuft beim Kontakt mit einer Werbebotschaft die Wirkungsstufen: Attention (Aufmerksamkeit), Interest (Interesse), Desire (Kaufabsicht) und Action (Kaufhandlung). Album Oriented Rock (AOR): Hörfunkprogrammformat, stark an der Musik orientiert, gespielt werden bekannte und weniger bekannte Rock-Titel. Anzeigen-Auflagen-Spirale: Beschreibung der Wechselwirkungen zwischen Leser- und Werbemarkt. Sie erklärt die Ursache für den kumulativ-dynamischen Glossar g lossar 358 Zusammenhang von Nachfrage und Gewinn in ganz oder teilweise werbefinanzierten Medien. Balanced Scorecard: Die Leistungen eines Unternehmens oder einer Geschäftseinheit werden über ein Kennzahlensystem ganzheitlich bewertet. Barrierefreiheit: Ein Informations- und Kommunikationssystem ist barrierefrei, wenn Menschen mit Behinderungen dieses in der allgemein üblichen Weise, d. h. ohne besondere Erschwernis und fremde Hilfe, zugänglich und nutzbar ist. Blogposts: Sind die Hauptbestandteile eines jeden Blogs. Sie können jede beliebige Länge haben und beschäftigen sich mit einem bestimmten Thema. Blogs (auch: Weblog): Sind eine der wichtigsten Erscheinungsformen des Web 2.0. Sie stellen ein chronologisches Angebot dar, welches von einer einzelnen Person, einer Gruppe oder einem Unternehmen betrieben werden kann. Buchpreisbindung (BuchPrG): Ist das gesetzlich geregelte Recht der Verleger, den Ladenpreis für die von ihnen produzierten Bücher festzulegen. Business TV: Ist ein Fernsehprogramm, welches von oder im Auftrag von Wirtschaftsunternehmen mit dem Ziel gestaltet wird, einen positiven Beitrag zur Unternehmenskommunikation zu leisten. Business-to-Business (B2B): Die Unternehmen richten ihr Angebot an andere Unternehmen. Die Zusammenarbeit ist von einer längerfristigen Geschäftsbeziehung und komplexen Wertschöpfungsstrukturen geprägt. Business-to-Consumer (B2C): Die Unternehmen richten ihr Angebot an Konsumenten (Endverbraucher). Die Beziehung ist hierbei i. d. R. geprägt durch eine Kurzfristigkeit des Marktkontaktes sowie die relativ kleinen bis mittleren Transaktionsbeträge. Click-Through-Rate: Stellt das Verhältnis der AdClicks zu den Ad-Impressions dar. Consumer-to-Consumer (C2C): Die zweiseitige Organisation des Produkt- und Informationsaustauschs zwischen Privatpersonen steht im Vordergrund. Sehr bekannt sind hierbei die Handelsbörsen im Internet, wie bspw. www.ebay.de. Contemporary Hit Radio: Vgl. European- oder Contemporary Hit Radio Corporate-TV (Business TV): Fernsehprogramm, welches im Rahmen der Unternehmenskommunikation produziert und ausgestrahlt wird. Crossmedia: Konzept zur Nutzung von mindestens zwei Medienkanälen zur Vermarktung medialer Produkte. g lossar 359 Crowdfunding: Mit meist kleineren Beträgen finanziert eine relativ große Gemeinschaft von Investoren ein Gesamtvorhaben. Dachmarkenstrategie: Diese verbindet den Firmen-, Verlags- oder Autorennamen mit allen Produkten bzw. Leistungen. Oft dient das Unternehmen bzw. der Autor selbst als Namensgeber der Marke. Double-Opt-In-Verfahren: Verfahren, bei dem der Erhalt von Newslettern in einem zweiten Schritt bestätigt wird. Druckverfahren: Hierbei werden die vier Druckverfahren Hochdruck (Buchdruck), Tiefdruck, Flachdruck (Offsetdruck) und Siebdruck (Durchdruck) unterschieden. Einschaltquote: Gibt an, wie viele Personen bzw. Haushalte prozentual ein Rundfunkprogramm zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitraum eingeschaltet haben. Einzelmarkenstrategie: Jede Leistung des Unternehmens wird unter einer eigenen Marke angeboten und der Firmenname tritt in den Hintergrund. Electronic Business (eBusiness): Umfasst die Anbahnung, Vereinbarung und Abwicklung elektronischer Geschäftsprozesse, d. h. den Leistungsaustausch. Electronic Commerce (eCommerce): Ist Teil des Electronic Business, der den Kauf sowie Verkauf von Waren und Leistungen an Endkunden über elektronische Kommunikationskanäle umfasst. Erfahrungsgüter: Die Qualität und der Nutzen kann vom Rezipienten vor dem Gebrauch nicht sicher erkannt, sondern erst im Ver- oder Gebrauch des Gutes erschlossen werden. European- oder Contemporary Hit Radio (EHR/ CHR): Hörfunkprogrammformat, gespielt wird aktuelle Musik, die Teens und junge Erwachsene anspricht, begrenzt auf aufsteigende Hits und häufige Wiederholungen. Evoked Set: Sind die Angebote eines Unternehmens, die den Rezipienten bekannt sind und beim Kauf prinzipiell in Erwägung kommen. Eye-Tracking-Technologie (Blickverfolgungsmessung): Die Fixationspunkte des Rezipienten auf einer Website werden aufgezeichnet und anschließend ausgewertet. Familienmarkenstrategie: Wahl einer einheitlichen Marke für eine bestimmte Produktgruppe. Diese Strategie stellt einen Mittelweg zwischen der Einzelmarken- und der Dachmarkenstrategie dar. g lossar 360 First-Copy-Costs: Kosten für die Erstellung der Urkopie eines Medienproduktes; Kostenanteil, der unabhängig von der Zahl der Rezipienten ist. Fixkostendegression: Sinkende Stückkosten bei steigender Ausbringungsmenge; durch den hohen Fixkostenanteil von Medienprodukten entsteht eine starke Degression der Bündel-und Herstellungskosten oder in der Distribution digitaler Medien. General Packet Radio Service (GPRS): Ist ein paketorientierter Dienst zur Datenübertragung in GSM-Netzen. In der Praxis wird eine Datenübertragungsrate von bis zu 55,6 kbit/ s (Downlink) erzielt. Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG): Ist die gesetzliche Grundlage gegen unlauteren Wettbewerb und regelt, unter welchen Voraussetzungen bestimmte geschäftliche Handlungen „unlauter“ und damit unzulässig sind. Gestaltgesetze: Beschreiben die Grundregeln der menschlichen Wahrnehmung aus gestalterischer Sicht. Global System for Mobile Communications (GSM): Ist der erste Standard der Mobilfunknetze der zweiten Generation (2G) und ermöglicht Datenübertragungsraten bis 9,6kbit/ s. Government-to-Business (G2B): Bezieht sich überwiegend auf Transaktionen im Bereich der öffentlichen Beschaffung und kommt insbesondere bei formalisierten Ausschreibungsverfahren zum Einsatz. Government-to-Consumer (G2C): Kunden erhalten über das Internet Zugang zur öffentlichen Verwaltung. Umsetzungen sind häufig unter dem Stichwort „virtuelles Rathaus“ zu finden. Government-to-Government (G2G): Kommunikation von Staaten oder öffentlicher Einrichtungen und Ämter, um in erster Linie Unternehmen beim Handel zu unterstützen. Hemisphärenforschung: Modell zur Analyse der Verarbeitung von Reizen im Gehirn. Annahme ist, dass die beiden menschlichen Hirnhälften tendenziell für unterschiedliche Aufgaben der Wahrnehmung und Reizverarbeitung zuständig sind. High Speed Download Packet Access (HSDPA): Ist ein Datenübertragungsverfahren des Mobilfunkstandards UMTS. Die typischen Datenraten im Downlink sind 3,6 Mbit/ s und 7,2 Mbit/ s. High Speed Packed Access Plus (HSPA+): Stellt eine Erweiterung des Mobilfunkstandards UMTS dar. In deutschen Mobilfunknetzen werden mit Stand 2014 Datenübertragungsraten bis zu 42,2 Mbit/ s realisiert. g lossar 361 High Speed Upload Packet Access (HSUPA) (S. 142): Ist ein Übertragungsverfahren des Mobilfunkstandards UMTS, welches höhere Datenübertragungsraten im Uplink mit bis zu 5,8 Mbit/ s ermöglicht. Hörfunkformat: Definiert die Hauptbestandteile eines Programms, wozu die Musikwahl bzw. -farbe, die Art der Moderationen, Moderations-, News- und Servicebestandteile sowie das Klangbild gehören. Idea Impact (Wirkungsgrad neuer Produktideen): Zeigt den Anteil der Interaktionen und positiven Meinungen, die durch ein neues Produkt oder eine neue Serviceidee entstanden sind, an. Immersion: Aus der Sicht der Gestaltung ist darunter ein Zustand zu verstehen, der durch eine intensive Konzentration auf eine Sache, den Betrachter die Realität vergessen lässt. Impressum: Anbieterkennzeichnung; enthält gesetzlich vorgeschriebene Angaben desjenigen, der elektronische Informations- und Kommunikationsdienste anbietet (z. B. Website). Informationsfreiheit: Grundrecht, das jedem Menschen gewährleistet, sich aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Infotainment: Stellen Formate dar, bei denen unterhaltende Elemente gezielt in informierende Angebote aufgenommen werden. Internationale Standard Buch Nummer (ISBN): Kennzeichnung von Auflagen einzelner Bücher auf dem deutschen Markt. International Standard Serial Number (ISSN): Hiermit werden Zeitschriften bzw. fortlaufend periodische Erzeugnisse eindeutig gekennzeichnet. Issue Resolution Rate: Schlüsselkennzahl, welche den Anteil der zufriedenstellend beantworteten Verbraucheranfragen angibt. Verhältnis von (Anzahl der zufriedenstellend beantworteten Konsumentenanfragen) zu (Gesamtanzahl der Anfragen). Jingle: Typisches hörfunkspezifisches Element, welches durch eine kurze Melodie charakterisiert ist, die oft nur wenige Sekunden lang und teilweise mit Sprache unterlegt ist. K1-Wert: Ist eine Kennzahl aus der Werbeträgerforschung. Diese beschreibt die durchschnittliche Leserschaft einer Zeitung oder Illustrierten gemessen an der Lesehäufigkeit des sog. weitesten Leserkreises, bei dem alle Personen eingeschlossen werden, die von dieser Publikation mindestens eine der letzten (beispielsweise 12) Ausgaben gelesen haben. g lossar 362 Key Performance Indicators (KPIs): Kennzahlen, anhand derer der Fortschritt oder der Erfüllungsgrad hinsichtlich wichtiger Zielsetzungen oder kritischer Erfolgsfaktoren innerhalb einer Organisation gemessen und/ oder ermittelt werden kann. Konvergenz: Zusammenwachsen ehemals getrennter Branchen, wobei sich im Ergebnis die jeweiligen Grenzen verschieben und überlappen. Ein Beispiel ist die Konvergenz der Informationstechnologie-, der Telekommunikations- und der Medienbranche. Lock-in-Effekt: Die Bindung von Kunden an ein Unternehmen und dessen Produkt(e) ist der Lock-in-Effekt. Zur Verhinderung eines Wechsels zu alternativen Anbietern bauen Unternehmen häufig Barrieren in Form von Wechselkosten (switching costs) auf. Long Term Evolution (LTE): Ist der Mobilfunkstandard der vierten Generation (4G) und seit 2010 in Deutschland vorhanden. Die Übertragungsraten betragen bis 100 Mbit/ s. Leser pro Ausgabe (LpA): Ist die durchschnittliche Anzahl der Leser pro Ausgabe eins Printmediums und wird rechnerisch ermittelt. Leser pro Exemplar (LpE): Diese Zahl gibt an, von wie vielen unterschiedlichen Personen dasselbe Exemplar eines Printmediums genutzt wird. Leser pro Nummer (LpN): Diese Kontaktmesszahl wird durch direkte Abfrage als Leser im Erscheinungsintervall erhoben. Markengesetz (MarkenG): Gesetz, welches den Schutz von Marken und Kennzeichen regelt. Markteintrittsbarriere: Sie liegt vor, wenn die Eintrittsmöglichkeiten für potentielle Anbieter auf einem Markt beschränkt sind. Diese können struktureller, institutioneller und strategischer Natur sein. Marktforschungspanel: Hierbei handelt es sich um einen bestimmten gleich bleibenden Kreis von Adressaten, bei dem wiederholt in regelmäßigen Abständen Erhebungen zum (prinzipiell) gleichen Untersuchungsgegenstand durchgeführt werden. Medien: Sie speichern und/ oder transportieren Informationen zwischen einem Sender und einem Empfänger. Häufig wird zwischen Printmedien, Rundfunk oder audiovisuellen Medien, sowie elektronischen oder neuen Medien unterschieden. Medienkonzeption, Mediendesign: Entspricht in der Praxis und der Wissenschaft dem zielgerichteten Entwerfen von Medienangeboten. g lossar 363 Medienrecht: Sammelbegriff für diejenigen Rechtsbereiche, die für die Medien relevant sind. Es umfasst das Bürgerliche Recht, Strafrecht und öffentliches Recht. Ausgangspunkt ist das Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit. Melodie-Radio: Die Musik besteht aus Melodien betonter Schlager, internationaler Oldies und Evergreens mit einer Kernzielgruppe ab 40 Jahren. Die Moderationen sind gemütlich, freundlich bis konservativ. Merchandising: Gesamtheit der verkaufsfördernden Maßnahmen in Handel oder Verwendung von Figuren, Marken etc. auf begleitenden (oft medienfremden) Wirtschaftsgütern. meritorische Güter: Diese werden nur gering nachgefragt, wenn als Maßstab ein gesellschaftlich wünschenswerter Versorgungsgrad herangezogen wird, der von staatlichen Entscheidungsträgern festgelegt wird. Die Nachfrage muss durch Subventionen oder Konsumzwang korrigiert werden. Microblog: Form der Weblogs, bei der die Länge der Beiträge auf eine relative geringe Zahl von Zeichen begrenzt wird. Mobile Business (mBusiness): Beschreibt die kommerzielle Nutzung von Diensten über Luftschnittstellen zur Unterstützung von Geschäftsprozessen in Unternehmen, zwischen Unternehmen und ihren Lieferanten sowie zwischen Unternehmen und ihren Kunden. Mobile Marketing: Sammelbegriff für alle Marketingmaßnahmen unter Verwendung drahtloser Kommunikationsinfrastrukturen und mobiler Endgeräte mit dem Ziel, Konsumenten möglichst direkt zu erreichen und zu einem bestimmten Verhalten zu führen. Multimedia: Ist das abgestimmte Ansprechen unterschiedlicher Kommunikationskanäle unter Einsatz verschiedener Medien oder Modalitäten mit dem Ziel einer integrierten, ganzheitlichen Wahrnehmung als Gesamtheit. Multimedia Marketing: Basiert auf unterschiedlichen Hard- und Softwaretechnologien zur Integration digitaler Medien, die durch Interaktivität, Multitasking und Parallelität genutzt werden können. Musikstreaming: Eine Audiodatei wird über das Internet im Moment der Nutzung auf das Endgerät übertragen und nicht dauerhaft auf der Festplatte des Nutzers gespeichert. Nachtprogramm: Ist ein Programmformat im Fernsehen und im Hörfunk, welches die Nacht überbrückt und im Sendeplatz zwischen 0: 00 Uhr und 6: 00 Uhr ausgestrahlt wird. g lossar 364 Netzeffektgüter: Bei einigen Medienprodukten steigt der Wert nicht durch die Knappheit des Gutes, sondern steigt für den Konsumenten in dem Maße, wie die jeweilige Verbreitung des Produktes zunimmt. Der Effekt, welcher auf dem durch die Verbreitung eines Produktes entstehenden Konsumenten-„Netz“ beruht, ist der Netzeffekt. Off-Air-Promotion: Betrifft alle Aktivitäten zur Eigenwerbung, die den Rezipienten nicht über den Rundfunk, sondern über fremde Medien erreichen. Öffentliche Güter: Sind durch die Merkmale der Nichtausschließbarkeit vom Konsum und der Nichtrivalität im Konsum gekennzeichnet. On-Air-Promotion: Umfasst die gesamte Werbung für das Programm oder den Sender, welche die Rezipienten über den Rundfunk erreicht. Online-Forum: Stellt einen virtuellen Platz zum Austausch und i. d. R. zur Archivierung von Ideen, Meinungen und Erfahrungen dar. Page Impressions: Anzahl der Abrufe einer Website durch einen Benutzer. Pay per Channel (Abonnentenfernsehen, PpC): Der Zuschauer erwirbt für ein zumeist monatliches Entgelt das Recht, sämtliche Programme oder Sendungen des betreffenden Pay-TV-Senders zu empfangen. Pay per View (PpV): Der Rezipient bezahlt für die Nutzung eines von ihm ausgewählten redaktionellen bzw. kreativen Inhalt. Permalinks: Feststehende Verbindung zu anderen Blogeinträgen, die bspw. ähnliche Fragestellungen diskutieren und weiterführende Informationen beinhalten. Point-of-Information-Terminals: Haben primär einen informierenden und unterhaltenden Charakter. Sie werden an zentralen Punkten von Kaufhäusern, auf Messen und Ausstellungen etc. zur Information des Nutzers über das Unternehmen, die Produkte und Leistungen oder zur Kauf beratung aufgestellt. Point-of-Sale-(POS)-Systeme: Es können Transaktionen abgeschlossen und Käufe getätigt oder auch Tickets bestellt werden. Preisbündelung: Bei der reinen Preisbündelung kann der Kunde von dem Anbieter ein Bündel aus mehreren Produkten zu einem definierten Preis erwerben, nicht jedoch die einzelnen Produkte. Bei der gemischten Preisbündelung kann der Kunde wählen, ob er das Bündel oder das einzelne Produkt kauft. Produktlebenszyklus: Jedes Produkt durchläuft am Markt die Lebenszyklusphasen Einführung, Wachstum, Reife und Sättigung, welche unterschiedliche Absatz- und Gewinnpotentiale aufweisen. g lossar 365 Projektlebenszyklus: Dies ist der gesamte Lebensweg eines Projektes. Projektmanagement: Sammelbegriff für Führungsaufgaben und -techniken sowie zur Abwicklung und Steuerung eines Projekts. Projektmanagementpsychologie: Ist ein Teilbereich der angewandten Organisationspsychologie und beschäftigt sich mit der Erklärung sowie Lösung von aus der Praxis des Projektmanagements entstanden Problemlösungen in Forschung und Lehre. publizistische Einheit: Unter den Presseverlagen werden diejenigen Anbieter zusätzlich zusammengefasst, die im Mantelanteil bei verschiedenen Ausgaben übereinstimmen. Rastern: Erzeugen von Pixelbildern aus einer Vektorgrafik. Reichweite: Im Bereich der Printmedien entspricht dies der Anzahl der Leser einer Zeitung oder Zeitschrift, die im Allgemeinen deutlich höher als die verkaufte Auflage ist. Im Rundfunkbereich entspricht die Reichweite der Anzahl der Zuschauer, die in einem bestimmten Zeitintervall erreicht werden. Resolution Time: Gibt die Zeit in Minuten, Stunden oder Tagen an, welche notwendig ist, um auf eine Kontaktanfrage im Social Web zu antworten; Verhältnis aus (Feedback eines Internetnutzers) zu (Feedback aller Internetnutzer). responsive Webdesigns: Vorgesehene automatische Anpassung des Inhalts und des Layouts einer Website an das jeweilige Ausgabegerät des Nutzers. Hierbei wird das Layout einer Website so flexibel gestaltet, dass dieses auf dem Desktop sowie den unterschiedlichen mobilen Endgeräten eine gleichbleibende Benutzerfreundlichkeit bietet. Rezipient: Ist die Bezeichnung für den Nutzer eines Medienangebotes. RSS-feeds/ Newsfeeds: Die Bereitstellung von Daten im RSS-Format wird als RSS-feed bezeichnet. RSS-Dienste werden in der Regel in Form von RSS-Channels angeboten. Dieser versorgt den Adressaten oft, ähnlich einem Nachrichtenticker, mit kurzen Informationsblöcken. Rubrikanzeigen, Kleinanzeigen: Sie befinden sich meist im Anzeigenteil einer Zeitung. Dieser Teil besteht i. d. R. ausschließlich aus Anzeigen, die in Kategorien und einspaltig angeordnet sind. Rundfunk: Laut Rundfunkstaatsvertrag § 2 Abs. 1 ist Rundfunk für die Allgemeinheit und zum zeitgleichen Empfang bestimmte Veranstaltung und Verbreitung von Angeboten in Bewegtbild oder Ton entlang eines Sendeplans unter Benutzung elektromagnetischer Schwingungen. g lossar 366 Satisfaction Score: Der Indikator zeigt die relative Kundenzufriedenheit im Social Web an; Verhältnis aus Feedback eines Internetnutzers zu Feedback aller Internetnutzer. Scrum: Ist ein Managementsystem des agilen Projektmanagements, das in der Softwareentwicklung zum Einsatz kommt und dessen Prozesse sowie Rollen das entwicklungsbegleitende Anforderungsmanagement unterstützen. Second Screen: Stellt das Angebot von Apps und optimierten Internetseiten für mobile Endgeräte wie Tablets oder Smartphones als Begleitung eines Fernsehprogramms oder einer Sendung dar. Share of Voice: Für starke Marken ist dies ein guter Indikator bezüglich der Hoheit im Social Web; Verhältnis von Anzahl der Nennungen über die eigene Marke zu Anzahl der Gesamtnennungen im untersuchten Kontext. Smart TV: Beschreibt die Gerätegeneration von Fernsehern, welche durch Computertechnologie und Vernetzung funktional erweitert wurden. Smartlet: Ist eine Wortneuschöpfung aus den Wörtern Tablet und Smartphone. Sie verfügen über eine größere Bildschirmdiagonale als Smartphones und verfügen gegenüber dem Tablet über eine Telefonfunktion. Social Media: Sind elektronische Plattformen, auf denen Nutzer Ideen, Content oder Gedanken austauschen und Beziehungen auf bauen können. Social Media Marketing: Durch die Nutzung von sowie die Beteiligung an sozialen Kommunikations- und Austauschprozessen mittels webbasierter Applikationen und Technologien setzen Unternehmen eigene Vermarktungsziele um. Social TV: Beschreibt die inhaltliche Vernetzung von Fernsehsendungen und Inhalten in Sozialen Netzwerken. S-O-R-Modell: Bestehend aus den Teilen Stimulus, Organismus und Reaktion erklärt es die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen beim Menschen. Soziales Netzwerk: Ist eine Social-Media-Plattform, die ein Gemeinschaft von Webusern beherbergt. Streuverlust: Zusätzliche und häufig vermeidbare Kosten eines Streuplans, die dadurch entstehen, dass ein Teil der Kontakte bei Personen außerhalb der avisierten Zielgruppe erzielt werden. SWOT-Matrix: Ist die Abkürzung für Analysis of Strengths, Weakness, Opportunities and Threats (Stärken-Schwächen-Chancen-Risiken-Analyse) und stellt eine Positionierungsanalyse der eigenen Aktivitäten gegenüber dem Wettbewerb dar. g lossar 367 Tags: Der Blogger kann einen Text, ein Bild oder ein Video mit passenden Schlagwörtern versehen, um den Zugriff zu erleichtern. Tatsachenbehauptung: Bezieht sich auf objektive Umstände, deren Wahrheitsgehalt einem Beweis zugänglich, also nachprüf bar ist. Abzugrenzen ist sie von der Meinungsäußerung oder einem Werturteil, die jeweils einen subjektiven Gehalt haben. Tausend-Kontakt-Preis (TKP): Preismaßstab auf den Werbemärkten, der eine Messgröße für den Preis eines bestimmten Werberaums je 1.000 Kontakte darstellt. Trackbacks: Ermöglichen den Besuchern eines Blogs einen Link zu einem eigenen Blog herzustellen, der zu ähnlichen Themen verfasst wurde. TV-Spartenprogramme: Bieten im Wesentlichen gleichartige Inhalte an. TV-Vollprogramm: Besteht aus vielfältigen Inhalten, bei denen Information, Bildung, Beratung und Unterhaltung einen wesentlichen Teil des Gesamtprogramms bilden. TV-Werbung (Formen): Hierzu zählen Werbespots, Sponsoring, Teleshopping, Werbegewinnspielsendungen, Product-Placement, Bartering und Merchandising. Typografie: Ist die Kunst der Gestaltung von Druckerzeugnissen. Universal Mobile Telecommunications System (UMTS): Ist ein Mobilfunkstandard der dritten Generation (3 G) mit einer Übertragungsgeschwindigkeit bis zu 42,2 Mbit/ s bei HSPA+, sonst 384 kbit/ s. Urheberpersönlichkeitsrecht: Schützt die ideellen Interessen des Urhebers auf Bestand und Unversehrtheit seines Werkes; ist nicht übertragbar. Urheberrecht: Recht des geistigen Eigentums, schützt künstlerische oder wissenschaftlich-technische Leistungen, die ein gewisses Maß an Originalität und Kreativität aufweisen. Usability: Ist das Ausmaß, in dem ein Produkt durch bestimmt Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen. Uses-and-Gratisfications-Ansatz: Ist ein Instrument, um bei neuen Medienangeboten auf induktive Weise die Erwartungen der Nutzer und die sich herausbildenden Nutzereigenschaften zu erschließen. Verbundprodukte: Die Erlöse eines Medienproduktes werden i. d. R. aus Verkaufs- und Werbeeinnahmen generiert, wodurch sowohl die Anforderungen der Rezipienten als auch der Werbekunden berücksichtigt werden müssen. g lossar 368 Verkaufsförderung: Sie zielt auf eine kurzfristige Realisierung der Umsatzsteigerung ab, wohingegen die Mediawerbung langfristig wirkt. verkaufte Auflage: Anzahl der an den Endverbraucher abgesetzten Exemplare einer Ausgabe aus Verkauf und Abonnement. Verweildauer: Begriff aus der quantitativen Mediaforschung, der die Nutzungsdauer eines Programms pro Tag angibt. Visits: Zusammenhängende Seitenabrufe einer Website durch einen einzelnen Benutzer. Web 2.0: Unter diesen Begriff wird keine grundlegend neue Art von Technologien oder Anwendungen verstanden, sondern der Begriff beschreibt eine in soziotechnischer Hinsicht veränderte Nutzung des Internets, bei der dessen Möglichkeiten konsequent genutzt und weiterentwickelt werden. Webersches-Gesetz: Es beschreibt den Umstand, dass sich die Fähigkeit, zwei Reize voneinander zu unterscheiden, proportional zur Reizintensität abfällt. Werk: Ergebnis menschlichen kreativen Schaffens, das unter bestimmten Voraussetzungen urheberrechtlich geschützt ist. Wertschöpfungskette, elektronische: Sie stellt spezifische informationsverarbeitende Prozesse dar, welche in ein elektronisches Informationsprodukt münden und für den Kunden einen elektronischen Wert erzeugen. WoM, Mundpropaganda (Worth of Mouth Marketing): Ist die Weitergabe persönlicher Empfehlungen eines Rezipienten an bestehende Kontakte. Diese wirken glaubwürdiger als klassische Werbemaßnahmen und haben somit großen Einfluss auf die Meinungsbildung. A Abmahnung 339 Abwärtskommunikation 32 ff., 36 ff. AdClicks 25, 357 Animation 41, 83, 186, 208 ff. Anzeigen 23 f., 58 ff., 156, 231 ff., 259 f., 268, 288, 306, 365 Anzeigen-Auflagen-Spirale 62, 357 App(likation) 48, 101, 146, 150 ff., 297 Auflage 25, 57 ff., 78, 205 ff., 216, 233 ff., 368 Aufwärtskommunikation 32, 37, 48 Auskunftsanspruch 339 B Balanced Scorecard 314 ff., 357 Bewegtbildproduktion 83, 210 ff. Bildrecht (Recht am eigenen Bild) 327, 340 Blogs 39, 132, 299 ff., 321 Bücher 14 ff., 53, 73 ff., 170, 258 C Click-Through-Rate 25, 358 Community 41, 131 ff., 140, 154, 298 Companion-Anzeigen 306 Computerspiel 22, 53, 111 ff., 171 Corporate Blogs 299 f. Crossmedia 42, 240 ff. D Datenschutzrecht 330, 325 Digitalisierung 11, 15 f., 30 f., 129, 241 Distributionspolitik 72, 253 f., 285 ff. Druckverfahren 205 ff., 245, 359 Drehbücher 229, 237 Dualer Rundfunk 14 f., 95 E E-Books 20, 79 E-Business 126 ff., 136 ff., 143 f., 157, 359 E-Commerce 126 f., 359 Eigene Inhalte 337, 353 f. Einschaltquote 25, 238, 279, 359 E-Paper 57 Erfolgskontrolle 42 Erlösmodell 118 F Fernsehen 13 ff., 63, 83 ff., 95, 100 f., 256 ff., 261 f., 272, 288 f. Filmgattung 83 First-Copy-Costs 61, 91, 241, 359 Fixkostendegression 29, 237, 359 Free-TV 103 ff. Fremde Inhalte 331, 337, 352 f. Stichwortverzeichnis Die fettgedruckten Seitenzahlen führen Sie zu den Glossareinträgen. s tichwortVerzeichnis 370 G Geräusch 213 ff., 235 Geschäftsbeziehung 126 ff. Geschäftsmodell 31, 102, 117 ff., 158, 293 Gestaltgesetze 192 f., 245 360 Gestaltungshöhe 333 Grundrechte 326 H Hörfunk 13 ff., 94 ff., 171, 234 ff., 258 ff. I Impressum 349 ff., 361 Informationen 11 f., 21 ff., 36 ff., 67, 129 ff., 186, 229 f., 281, 293 ff. Informationsangebote 42 ff. Internet 11 ff., 40, 45 ff., 130 ff., 171, 262, 293 ff. Internetnutzer 19, 132 ff., 143, 306, 318 f. In-Video-Overlay-Anzeigen 306 Irreführende Werbung 328, 246 f. K Kennzahlen 25 f., 60 f., 314 ff. Key Performance Indicators (KPIs) 318 f., 361 Kino 53, 83 ff., 210 f. Klang 40, 43, 108, 213 f., 235 Kommunikationsformen 17, 45, 220, 295 f. Kommunikationspolitik 45 ff., 68, 124, 254, 266, 276 ff., 297 Konsole 20, 111 ff., 123 ff., 281 Konvergenz 19 f., 30 f., 102, 110, 241, 361 L Leser pro Ausgabe (LpA) 60 f., 362 Lizenzvertrag 335 M Marken- und Kennzeichenrecht 329, 362 Markenpolitik 253 f., 264 Markenstrategie 68 ff., 81 f., 110, 254, 266 Marktforschung 66, 98, 187, 218, 298, 308 ff., 316 Massenmedien 24, 41, 54, 194, 206, 282, 324 M-Commerce 156 Mediawerbung 45, 282 f. Mediengattung 27 Medienmarkt 15, 21 ff., 53 ff., 241 Mediennutzung 11 ff., 32 ff., 54, 80, 101, 141 ff. Medienprodukte 19 ff., 25 ff., 228 ff., 242, 253 ff., 331 f. Medienproduktion 185 ff., 325, 331 ff. Medienunternehmen 21 ff., 39, 53, 228 f., 241, 254 f., 265 f., 277, 285 ff. Microblog 301 ff., 363 Mobile Business 53, 145 ff., 363 Mobile Commerce 146, 156 ff. Mobile Marketing 45 f., 164, 363 Mobile Shopping 155 Mobile Website 158, 243 Mobile-Gaming 119, 123 Mobilfunk 16, 30, 119, 146 ff., 153 ff., 165 Mobiltelefon 16, 119, 148 ff., 163 Monitoring 294, 309 ff., 313 ff. Multimedia Marketing 39 ff., 88, 186 ff., 200 ff., 208, 213 ff., 363 N Netzeffektgüter 29, 363 Nutzungsrecht 84, 112, 332, 335 ff., 353 Nutzungsvertrag 335 ff. s tichwortVerzeichnis 371 O Öffentlich-rechtlicher Rundfunk 15, 95 ff., 102 ff., 236 f., 262, 271 f. Onlineforen 307 f., 364 P Page Impressions 25, 364 Pay-TV 27, 95 ff., 256 Persönlichkeitsrecht 325 ff., 340, 343, 352 ff. Preispolitik 68 ff., 254, 266 ff. Pre-Roll 263 f. Printmedien 17 f., 33, 47, 55 ff., 106, 205 Privater Rundfunk 95 Produktdifferenzierung 257 Produktion siehe dazu Medienproduktion Produktionskosten 230 ff. Produktlebenszyklus 69 f., 115, 364 Produktpolitik 68 f., 253 ff. Programmbreite 256 Programmgattung 256 Programmtiefe 256 Projekt 86 ff. (Film), 215 ff. R Reichweite 14, 24 f., 60, 96 ff., 234, 243, 259, 273 f., 365 Rezipienten 14, 21 ff., 35, 60, 65 ff., 88, 100 ff., 141 f., 254 ff., 365 Rezipientenmarkt 21 ff., 253 ff., 266 ff., 277 ff. Rundfunk 25, 53, 94 ff., 260 ff., 281 ff., 325 f. s. a. dualer/ öffentlich-rechtlicher/ privater Rundfunk S Schadensersatz 339, 352 ff. Schöpfungshöhe 333 f. Sender 47, 95 ff., 235 ff., 256, 265, 271 ff., 334 Sharingplattform 305 f. Smart TV 102, 366 Smartlet 152 f., 366 Smartphone 20, 29, 101, 114, 145 ff., 243 Social Media 41, 161, 294 ff., 344 ff., 366 Social Media Marketing 293 ff., 324, 366 Social TV 101, 366 Soziale Netzwerke 89, 154, 303, 347 f., 366 Spartenprogramm 95, 256, 367 Strafrecht 325, 330 f. Strategie 68 ff., 80 ff., 110, 115 ff., 123 f., 143, 164, 240 ff., 266, 283, 308 ff. Sunk Costs 85 SWOT-Analyse 219, 366 T Tablet 20, 101, 114, 151 ff., 196 f. Tageszeitung 13 ff., 54 ff., 257, 267 Tausend-Kontakt-Preis (TKP) 62, 71, 267 ff., 367 TV-Programme 19, 367 U Übertragungstechnologie 147 Unterlassungsanspruch 339, 352 Unzumutbare Belästigung 324, 328, 344 ff. Urheberpersönlichkeitsrecht 334 ff., 367 Urheberrecht 67 f., 324 ff., 352 ff., 367 Usability 158, 168, 311, 367 V Verkaufsförderung 45, 167, 276 ff., 328, 346, 367 Verlag 54 ff., 66 ff., 232 ff., 267 f. Vertriebspolitik 68 s tichwortVerzeichnis 372 Verwertungsrecht 22, 67 f., 92, 107, 328 ff. Video 13 ff., 28, 34, 45, 74, 85, 111 ff., 132 f., 152, 263, 270 f., 306 f. Visits 25, 304, 368 Visualisierung 205, 264, 303 Vollprogramm 95 f., 256, 367 W Web 2.0 41, 132 f., 299, 368 Weitester Leserkreis (WLK) 60 f. Werbeformen 124, 261 ff., 367 Werbemarkt 22 ff., 61 f., 71, 110, 253 ff., 267 ff., 281 ff. Werbeträger 24, 59 ff., 259 f., 277, 283 Werbeträgergattung 254, 259 f. Werbeziel 254, 260, 282 f. Wertschöpfung 29 ff., 67, 80 f., 87, 106, 117 f., 136 f., 157 f., 288, 297, 368 Wettbewerbsrecht 328 f., 354 Z Zeitschriften 13 ff., 22 ff., 33, 53 ff., 205 ff., 230 ff., 258 ff., 267 ff., 286 ff. Zeitungen 23 ff., 53 ff., 205 f., 230 ff., 243, 258 ff., 267 ff., 286 ff. Zivilrecht 325 ff. 373 Eigene Notizen Alle Bücher auf einen Blick finden Sie unter: www.management-konkret.de Management konkret Kompaktes Wissen für (angehende) Führungskräfte Mit den kompakten Taschenbüchern aus der Reihe Management konkret treffen Sie die richtige Wahl. Alles, was Sie im Arbeitsalltag wissen müssen, finden Sie hier übersichtlich und verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Übersichten helfen dabei, sich das Wissen auf einfache Weise anzueignen und umzusetzen. Die Bücher bieten einen perfekten Einstieg in die Themen • Management und Mitarbeiterführung • Controlling und Rechnungswesen • Planung und Steuerung von Unternehmen • Marketing und Vertrieb • Internet und Kommunikationskompetenz Dank des handlichen Formats sind die Taschenbücher der ideale Begleiter im Berufsalltag. www.uvk.de Verhandeln wie professionelle Ein- und Verkäufer Der Erfolg gibt ihnen Recht: die Everest-Methode von Jörg Pfützenreuter und Thomas Veitengruber ist bei Konzernen und Mittelständlern gleichermaßen gefragt. Seit Jahren coachen sie Vertriebler und Einkäufer und lassen die eine Seite in die Karten der anderen schauen. Am Ende entscheidet die strategische, taktische und psychologische Raffinesse, wer als Sieger vom Verhandlungstisch aufsteht. Ein Buch für alle, die im Einkauf oder Vertrieb arbeiten und ihr Verhandlungsgeschick um den alles entscheidenden Gipfelmeter voranbringen wollen. Jörg Pfützenreuter, Thomas Veitengruber Die Everest-Methode Professionelles Verhandeln für Ein- und Verkäufer 2015, 230 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-549-2 Alle Bücher auf einen Blick finden Sie unter: www.management-konkret.de Management konkret Kompaktes Wissen für (angehende) Führungskräfte Mit den kompakten Taschenbüchern aus der Reihe Management konkret treffen Sie die richtige Wahl. Alles, was Sie im Arbeitsalltag wissen müssen, finden Sie hier übersichtlich und verständlich erklärt. Anschauliche Beispiele und Übersichten helfen dabei, sich das Wissen auf einfache Weise anzueignen und umzusetzen. Die Bücher bieten einen perfekten Einstieg in die Themen • Management und Mitarbeiterführung • Controlling und Rechnungswesen • Planung und Steuerung von Unternehmen • Marketing und Vertrieb • Internet und Kommunikationskompetenz Dank des handlichen Formats sind die Taschenbücher der ideale Begleiter im Berufsalltag. www.uvk.de Ein Buch, das niemanden mehr ruhig schlafen lässt. Schöne neue Welt? Die Datensammelwut der Internetgiganten ist kein Geheimnis - und aufgrund dieser Datenbasis und neuer digitaler Produkte wie Haustechnik, Autoelektronik, Drohnen, digitaler Währungen etc. dringt die New Economy immer weiter in alle Systeme ein. Doch wie sieht eine Welt aus, in der Google, Facebook & Co. als gigantische globale Monopole agieren? Regieren sie längst die Welt? Arno Rolf und Arno Sagawe beschreiben den Weg in die digitale Welt - in die smarte Gesellschaft - und untersuchen auf spannende Weise, ob die digitale Transformation und stabile Gesellschaften überhaupt miteinander vereinbar sind. Arno Rolf, Arno Sagawe Des Googles Kern und andere Spinnennetze Die Architektur der digitalen Gesellschaft 2015, 278 Seiten, flex. Einb. ISBN 978-3-86764-590-4