Handbuch Wandertourismus
für Ausbildung und Praxis
0613
2016
978-3-8385-4548-6
978-3-8252-4548-1
UTB
Gabriele M. Knoll
Jahr für Jahr schnüren immer mehr Menschen ihre Wanderstiefel, um Berge und Flachland zu erkunden. Das Handbuch geht diesem Phänomen auf den Grund: Es beleuchtet Historie, Motive und aktuelle Trends des Wanderns. Zudem stellt es einige internationale Destinationen vor und beschreibt das Management und Marketing. Auch auf die Dramaturgie und das Qualitätsmanagement von Wanderwegen wird eingegangen - illustriert durch Beispiele aus aller Welt.
Das Buch richtet sich an Studierende des Tourismus und Geographie sowie an Praktiker in Wanderdestinationen und Unternehmen.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb 4548 <?page no="2"?> Gabriele M. Knoll Handbuch Wandertourismus für Ausbildung und Praxis UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Dr. Gabriele M. Knoll lehrt Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Sie hat bei diversen Tourismusprojekten im In- und Ausland mitgearbeitet und ist Autorin touristischer Fach- und Lehrbücher sowie zahlreicher Reiseführer. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: Garbriele M. Knoll, Wachtendonk Druck und Bindung: Pustet, Regensburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4548 ISBN 978-3-8252-4548-1 <?page no="4"?> Vorwort Wandern ist weit mehr als die Fortbewegung - in der Regel zu Fuß - von Punkt A nach Punkt B. Wandern ist auch ein spannendes Kapitel Kulturgeschichte: Davon wurden einst Frauen systematisch ausgeschlossen, der Sonntagsspaziergang war einmal eine revolutionäre Aktivität und die Selbstverständlichkeit, mit der man heutzutage Landschaften als „schön“ bezeichnet und sich gerne zum Vergnügen darin bewegt, ist auch eine relativ junge Ansicht. Deutschland kann man im aktuellen Wandertourismus durchaus als Trendsetter bezeichnen, denn das Qualitätsmanagement rund ums Wandern wird zunehmend von anderen Nationen übernommen. Umso interessanter ist dabei ein Blick über den „deutschen Tellerrand“, der mit einigen Beispielen zeigt, womit man sich in anderen Destinationen herumschlagen muss. Dieses Handbuch kann und will nicht mit enzyklopädischer Vollständigkeit alle Aspekte des Wandertourismus darstellen, das ist als Einsteiger-Literatur für Ausbildung, Studium und Praxis auch nicht nötig. Dafür gibt es O-Töne von erfahrenen Touristikern, die hier schon wertvolle Erfahrungen und Anregungen aus und für die Praxis weitergeben - bevor diese vielleicht eines Tages einmal in wissenschaftlichen Studien auf eine Kommastelle genau ermittelt wurden. Aus meiner Lehrtätigkeit kann ich auch beklagen, dass ein Grundwissen und eigene Erfahrungen mit dem Wandern selbst in einem Tourismusstudiengang eher mangelhaft vorhanden sind. Deshalb habe ich als abschließendes Kapitel eine Ermutigung zum Selbstversuch geschrieben, damit der Touristikernachwuchs überhaupt eine Ahnung von den Facetten des Wanderns bekommen und sich besser in die Situation seiner Gäste hineinversetzen kann. Und schließlich schadet es nicht, wenn der junge Mensch den Wert dieser Outdooraktivität schon erkennt und schätzen lernt, bevor er in der Altersgruppe der aktivsten Wanderer, der Best Ager, ankommt. Mal Abstand gewinnen, die Seele baumeln lassen und eine kleine Auszeit aus dem täglichen Stress nehmen, wie die wissenschaftlich ermittelten Motive der Wanderer lauten, das soll auch ein Zweck dieses Handbuchs sein! Wachtendonk, im April 2016 Gabriele M. Knoll <?page no="5"?> 8 Vorwort Hinweis zu verwendeten Online-Ressourcen Sehr viele Informationen rund um den Wandertourismus finden Sie online. Im Buch befinden sich deswegen auch zahlreiche Hinweise, Linktipps und Verweise auf (zitierte) Websites. Diese Websites wurden alle im Zeitraum von Januar 2015 bis März 2016 abgerufen. Einige wenige Links im Fließtext mussten teilweise umbrochen werden. Sehr lange Links wurden mithilfe des Kurz-URL-Dienstes bit.ly gekürzt. <?page no="6"?> Inhalt Vorwort ........................................................................................................................ 7 1 Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 13 1.1 „Das Wandern ist des Müllers Lust“ - berufsbedingt zu Fuß durch halb Europa.................................. 13 1.2 Historische Formen des Wanderns ohne geschäftliche Gründe ................................................................ 17 1.2.1 Pilgern auf dem Jakobsweg .................................................................... 17 1.2.2 Natur als ästhetischer Genuss ............................................................... 20 1.2.3 Der Spaziergang: anfangs ein fast revolutionäres, emanzipatorisches Sonntagsvergnügen ................................................ 23 1.3 „Aus grauer Städte Mauern“ vor allem in die Berge - Wandern als neue Freizeitbeschäftigung für Bürger wie Arbeiter und als Protest der Jugend ........................................ 25 1.3.1 Die Alpenvereine..................................................................................... 26 1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘ ............................................. 28 1.3.3 Wandernde Jugend.................................................................................. 30 1.4 Die Erfindung von touristischen Wanderwegen ......................... 32 2 Wanderer heute ................................................................................. 37 2.1 „Outdoor ist in“ - eine traditionsreiche Fortbewegungsart erlebt einen Boom? .......................................... 38 2.2 Wer wandert heutzutage wann und wo? ........................................ 43 2.2.1 Schulwandern........................................................................................... 47 2.3 Was treibt die Wanderer in die Landschaft? ................................. 49 2.3.1 Motive....................................................................................................... 49 2.3.2 Wanderarten............................................................................................. 54 2.4 Aktuelle Trends im Wandertourismus ........................................... 59 2.5 Winterwandern durch verschneite Landschaften........................ 62 <?page no="7"?> 10 Inhalt 3 Wanderglück verkaufen - Management und Marketing .. 71 3.1 Die Wanderdestination ....................................................................... 71 3.1.1 Die angesagten Landschaftsformen...................................................... 71 3.1.2 Wanderhotels, Wandergastronomie und Wanderdörfer.................... 73 3.2 Wirtschaftsfaktor Wandern ................................................................ 77 3.3 Wandertourismus als Chance für ländliche Räume ................... 82 3.4 Marketing einer Wanderdestination ............................................... 86 3.4.1 Zielgruppen.............................................................................................. 92 3.4.2 Produktgestaltung und Dienstleistungen ............................................. 96 3.4.3 Vorbereitung eines Wanderurlaubs .................................................... 100 3.4.4 Der Deutsche Wandertag..................................................................... 102 4 „Wanderparadiese“ anderswo - Blicke über die Grenzen ............................................................ 107 4.1 Österreich - der „klassische“ Weg im Wandertourismus....... 107 4.2 Schweiz - Wandern als nationale Aufgabe.................................. 115 4.3 Wandern - ein Bekenntnis im Land der Fjorde und Fjelle .... 120 4.4 Irland - Wanderwege gegen Landflucht ..................................... 124 4.5 Portugal - Wandertourismus als Entwicklungschance für das Hinterland? ............................. 130 4.6 Von Mexiko nach Kanada auf dem Pacific Crest Trail ........... 132 4.7 Neuseeland - Besucherlenkung auf den Great Walks............. 133 5 Wanderwege-Dramaturgie .......................................................... 137 5.1 Wegeführung und Orientierungshilfen ........................................ 137 5.1.1 Ohne Sinn und Verstand EU-Mittel versenkt - der NABU-Rundweg in Birlenbach-Fachingen............................ 138 5.1.2 Planung eines Wanderwegs und die Akteure .................................... 141 5.1.3 Bau und Pflege eines Wanderwegs ..................................................... 147 5.1.4 Markierung ............................................................................................. 149 5.2 Ausstattung und Möblierung .......................................................... 152 5.2.1 Wegweiser und Infotafeln .................................................................... 154 <?page no="8"?> Inhalt 11 5.2.2 Möbel zum Sitzen und Liegen............................................................. 158 5.2.3 Wanderparkplätze ................................................................................. 159 5.3 Von der „Robby-Dogisierung“ der Landschaft......................... 161 6 Der Trend zur Qualität ................................................................... 167 6.1. Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“.............................. 168 6.2 Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ ..................... 172 6.3 Das Deutsche Wandersiegel für Premiumwege ........................ 174 6.4 Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ ........................... 180 6.5 Zertifizierungen in Europa .............................................................. 184 7 Mehrwert beim Landschaftserlebnis ....................................... 189 7.1 Wandern aus medizinischer Sicht ................................................. 189 7.2 Gesundheitswandern - das Bewegungsprogramm des Deutschen Wanderverbands.................................................... 193 7.3 Wandererlebnisse für Kinder - nötiger denn je ......................... 195 7.4 Wanderbares Deutschland: Zertifizierte Wanderwege „Familienspaß“ für die jüngsten Wanderer (ab 4 Jahren) ................................................... 202 7.5 Top-Wandergenuss für Mensch und Hund................................ 204 7.6 Themenwege ....................................................................................... 205 7.7 Storytelling ........................................................................................... 208 7.8 Geocaching .......................................................................................... 211 7.9 Pilgern modern ................................................................................... 212 7.10 Unterwegs mit Ranger & Co........................................................... 218 8 Leidet oder profitiert die Landschaft? .................................... 223 8.1 Wandertourismus - ein Grund mehr für die Kulturlandschaftspflege ...................................................... 223 8.2 Wandern und Naturschutz .............................................................. 225 8.3 Chancen zur Nachhaltigkeit ........................................................... 227 <?page no="9"?> 12 Inhalt 9 Praktische Tipps für den Selbstversuch ................................. 231 9.1 Eine Ermutigung für Wanderneulinge ........................................ 231 9.2 Die Ausrüstung ................................................................................... 233 9.3 Die Wahl der Route ........................................................................... 235 9.4 Mehr als Blasen - Was man beim Wandern falsch machen kann ........................................................................... 237 9.5 Die Geheimnisse einer topographischen Karte ......................... 239 Literaturauswahl ................................................................................................. 243 Stichwortverzeichnis .......................................................................................... 245 <?page no="10"?> 1 Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 1.1 „Das Wandern ist des Müllers Lust“ - berufsbedingt zu Fuß durch halb Europa Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Welche Formen der Fußwanderung gehören zur europäischen Kulturgeschichte? In welchen gesellschaftlichen Zusammenhängen sind die Anfänge des modernen Wandertourismus zu finden? Worin lag der Protest, seine Wanderschuhe zu schnüren und auf Tour zu gehen? Der „spießige“ Sonntagsspaziergang war einmal revolutionär! Weshalb war es sinnvoll, Wandervereine zu gründen? Nicht die Wanderfreude eines bestimmten Herrn Müller wird in dem alten Volkslied „Das Wandern ist des Müllers Lust“ besungen, sondern die berufliche Weiterbildung der Müllergesellen im Allgemeinen. Nach den Zunftordnungen war es für das Gros der Handwerksgesellen vom 14. noch bis ins 19. Jahrhundert Pflicht, auf Wanderschaft, auf die Walz zu gehen, in der Ferne bei anderen Meistern zu lernen, und mindestens vier bis sechs Jahre lang ihren Heimatbezirk nicht zu betreten. Erst mit der Aufhebung der Zünfte und neuen Gewerbeordnungen im 19. Jahrhundert erledigte sich dieser historische Zwang zur beruflichen Mobilität. Bei den beruflichen Lehr- und Wanderjahren war nicht nur durch den technischen Stand des Verkehrswesen in jenen Zeiten, sondern auch durch soziale Spielregeln für Handwerker - und andere Angehörige unterer Schichten - die Fußreise die einzige Möglichkeit, von A nach B zu kommen. „Ein reitender Handwerksgeselle oder ein Bauer in der gemieteten „Extra-Post“ wären in der Standesgesellschaft undenkbar gewesen. Die Höhe des Pferderückens und der Radachse drückte symbolisch auch die Position in der gesellschaftlichen Hierarchie aus.“ (KASCHUBA (1991), S. 166) <?page no="11"?> 14 Wandertourismus Es konnten beachtliche Entfernungen sein, die die Handwerksgesellen auf ihrer Walz - wenn auch über mehrere Jahre verteilt - zurücklegten. Die geographischen Dimensionen von Handwerkerwanderungen können dabei durchaus beachtlich gewesen sein, wenn beispielsweise Maurer oder Steinmetze danach strebten, in den Dombauhütten oder auf den großen Schlossbaustellen bei den berühmtesten Baumeistern bzw. Architekten zu lernen und zu arbeiten. „Aus mitteleuropäischer Sicht umfaßte die geographische Ausdehnung handwerklicher Mobilität die deutschsprachigen Länder, die gesamte Schweiz, die flämischen und wallonischen Niederlande, Frankreich (vor allem den Westen und Paris), Italien (meist nur bis Rom), Böhmen und Mähren, Polen, das Königreich Ungarn unter Einschluß von Kroatien und Siebenbürgen, das Baltikum bis nach St. Petersburg, Dänemark und das südliche Schweden. Offensichtlich deckten sich häufig die Kommunikationsräume des Handwerks mit den Verkehrsräumen des Handels, wobei Großbritannien und die Iberische Halbinsel für die Handwerker doch eher abseits lagen.“ (ELKAR (1991), S. 57f.) Wissen Auf der Walz (1834) „Es war nicht nur meine Lust zum Reisen, weil ich hoffte, dadurch meine Gesundheit zu stärken, sondern es war Pflicht des jungen Handwerkers, ca. 3 Jahre ins Ausland zu reisen, ehe er in Hamburg ein selbständiges Geschäft anfangen konnte. Ostern 1834 machte ich mich reisefertig. Mein Gepäck war nur ca. 15 Pfund schwer, mein Ränzel also nur klein. Er enthielt Rock, Hose, Weste, dann ein paar Strümpfe, 2 Hemden und einige Taschentücher. - Mein Anzug bestand aus Hose, Weste und Kittel, dann einem Paar kräftiger Schuhe, welche auf jeder Reise aushielten, und Filzhut. - Dann noch im Ränzel Witschels „Morgen- und Abendopfer“, und ein französisches Sprachenlehrbuch zum Üben auf der Reise. - In der Tasche hatte ich eine Miniaturausgabe von Seumes’s Gedichten, Auszüge aus anderen Freiheitsdichtern und Ehrenberg’s „Karakter und Bestimmung des Mannes“. Noch eins darf ich nicht vergessen, ein kleines Album mit losen Blättern hatte ich bei mir, worin ich von meinen Freunden Sprüche zur einstigen Erinnerung an dieselben eintragen ließ, unter diesen zwei Blätter, die meine Eltern mir ins Album eingeschrieben haben, wozu ich ihnen die Umrandung nach ihrer Angabe machen mußte. - Das war mein ganzes Reisegepäck.“ Quelle: MICHAELSEN (1929), S. 39, zit. in PÖLS (1979), S. 219 <?page no="12"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 15 Selbst in unseren Zeiten einer mühelosen weltweiten Kommunikation und einer Fachliteratur, die jeder Handwerker lesen kann, werden Gesellenwanderungen durchgeführt. Auch diese moderne Form unterliegt bestimmten festgelegten Regeln; so darf sich ein Geselle beispielsweise auch heute nicht auf seiner Walz dem Heimatort mehr als 50 Kilometer nähern (Confederation Europäischer Gesellenzünfte). Im Jahr 2015 wurde die Walz sogar auf die Liste des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland gesetzt, um eines Tages als ein Teil des nicht materiellen Kulturerbes der Welt zu gelten und ausgezeichnet zu werden. Linktipps Confederation Europäischer Gesellenzünfte www.cceg.eu Liste des Immateriellen Kulturerbes der Bundesrepublik Deutschland www.unesco.de/ kultur/ immaterielles-kulturerbe/ bundesweitesverzeichnis/ eintrag/ handwerksgesellenwanderschaft-walz.html Zu einer anderen großen Berufsgruppe, die über Jahrhunderte hinweg auf die Wanderung - oft auch als Fernwanderungen - angewiesen war, gehören Kaufleute und Hausierer. „Während des Früh- und Hochmittelalters waren Kaufmannstätigkeit und Reisen untrennbar miteinander verbunden. Die Notwendigkeit des Eigenhandels trieb jeden Kaufmann zur Reise. Seine Waren begleitend zog er in die Fremde, zu Märkten und Messen“ (NEUTSCH, WITTHÖFT (1991), S. 75). In jene Zeit fielen beispielsweise schon frühe Formen von Geschäftsreisen zur Frankfurter Herbstmesse; 1240 hatte Kaiser Friedrich II. mit seinem Privileg die freie Reichsstadt Frankfurt zur ersten Messestadt der Welt erhoben. Mit ihren Waren, durchaus auch Luxusgütern aus fernen Ländern, auf den Rücken von Saumtieren oder auf Fuhrwerke geladen, zogen die Händler per Pedes zu den Märkten und Messen. Im 14./ 15. Jahrhundert setzte es sich durch, dass die Großkaufleute in ihren Kontoren blieben und von dort die Geschäfte regelten, dafür mussten sich dann Kaufmannsgehilfe oder Frachtführer auf die beschwerliche Fußreise machen. Zunehmend half den Kaufleuten Reiseliteratur für ihre speziellen Bedürfnisse, so genannte Routenbücher - ausgehend von handschriftlichen Tagebüchern und Geschäftskladden, die ab dem 16. Jahrhundert auch in gedruckter Form zur Verfügung standen - bis hin zu Meilenscheiben und Meilensteinen, die die Entfernungen von den Handelsstädten zu anderen Orten nannten (a. a. O., S. 76). Eine ähnliche Infrastruktur und Hilfen für Reisende gab es bereits in der Antike, <?page no="13"?> 16 Wandertourismus doch mit dem Beginn der Neuzeit erlebt sie eine Renaissance und konnte sich entsprechend der Nachfrage auch weiter entwickeln. Während sich die Kaufleute in der Neuzeit immer mehr von der Mühe der Fußreise verabschieden konnten und sie ihren Landverkehr mit Reit-, Zug- und Lasttieren betrieben, blieben die Hausierer als ambulante Gewerbetreibende bis ins 19. Jahrhundert und sogar noch im frühen 20. Jahrhundert weitgehend Fußgänger. Vermutlich existieren von keiner anderen Gruppe, die über die Jahrhunderte hinweg beruflich zu Fuß unterwegs war, so viele historische Abbildungen wie von den wandernden Männer mit Kiepen oder anderen Tragegestellen auf dem Rücken. „Ganze Heerscharen in- und ausländischer Hausierer waren im 18. und 19. Jahrhundert unterwegs und brachten so ziemlich alles zu den Abnehmern, was man in Rucksäcken und Tragekisten transportieren konnte. Da läßt sich kaum abschätzen, in welchem Umfang Haushaltwaren und Arbeitsgeräte, Schmuck, Textilien, Bücher, Bilder und Geschirr in bäuerliche Haushalte gelangten.“ (GLASS (1991), S. 62) Wenn es auch verständlicherweise von diesen Wanderungen, wie von den anderen berufsbedingten der Vergangenheit, keine Zahlen gibt - wohl aber von den Personen, die als ambulante Händler registriert waren (1882 waren es im Deutschen Reich offiziell 227.617 Hausierer (a. a. O., S. 64) - so kann man doch von der Versorgung der ländlichen Bevölkerung mit vielen Artikeln des täglichen Bedarfs und von der Annahme, dass die Dörfer sicherlich nicht in hohem Maße an einen öffentlichen Nahverkehr angeschlossen waren, ausgehen, dass viele Hausierer unterwegs gewesen sein müssen. Als letzte nennenswerte Gruppe, die ebenfalls aus beruflichen Gründen bzw. um in der Ferne zu lernen seit dem Mittelalter unterwegs war, gehören die Studenten und Gelehrte. Literatur ELKAR, R. S. (1991): Auf der Walz - Handwerkerreisen, in: BAUSIN- GER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 57-62. GLASS, C. (1991): Mit Gütern unterwegs. Hausierhändler im 18. und 19. Jahrhundert, in: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 62-69. <?page no="14"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 17 KASCHUBA, W. (1991): Die Fußreise. Von der Arbeitswanderung zur bürgerlichen Bildungswanderung. In: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 165-173. MICHAELSEN, F. R. (1929): Die Wanderjahre des hamburgischen Schneidergesellen Friedrich Rudolph Michaelsen 1834-1839. In: Hamburgische Geschichts- und Heimatblätter, 4. Jg. 1929. Zit. in: PÖLS, W. (Hrsg.) (1979, 3. Aufl.): Deutsche Sozialgeschichte 1815-1870. Dokumente und Skizzen, C. H. Beck, München. NEUTSCH, C., WITTHÖFT, H. (1991): Kaufleute zwischen Markt und Messe, in: BAUSINGER, H., BEYRER, K., KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus, C. H. Beck, München, S. 75-82. OHLER, N. (1986): Reisen im Mittelalter, Artemis, München. 1.2 Historische Formen des Wanderns ohne geschäftliche Gründe 1.2.1 Pilgern auf dem Jakobsweg Der vermutlich älteste schriftlich überlieferte Aufruf zu Fernwanderung und zum Pilgern dürften die Bibelverse Markus 10, 29-30 sein: „Jesus sprach: Wahrlich ich sage euch: Niemand verläßt um meinetwillen und um des Evangeliums willen Haus, Bruder, Schwester, Mutter, Vater, Kind oder Acker, ohne dass er alles hundertfach wiedererhält: schon jetzt in dieser Welt […] und in der zukünftigen Welt das ewige Leben.“ Doch erst im Mittelalter kommt die Pilgerfahrt - natürlich weitestgehend zu Fuß - in größerem Stil auf. Zuerst ist das Heilige Land mit dem Grab Christi Pilgerziel Nummer 1, doch 1291 nach der Eroberung durch die Mameluken wird diese Region für christliche Pilger eine unerreichbare, und man sucht neue Ziele in relativer „Nähe“, d. h. in Europa. Dabei rücken die Apostelgräber in den Blickwinkel der Pilger, die Gräber von Petrus und Paulus in Rom und am westlichen „Ende der Welt“ dasjenige des hl. Jakobus in Santiago de Compostela. So entwickelt sich seit dem 11./ 12. Jahrhundert mit dem Jakobsweg ein ausgedehntes Wegenetz in Europa, dessen Wege sich zunehmend bündeln, um dann in einem Hauptweg ab Puente la Reina nach Santiago de Compostela zu führen. <?page no="15"?> 18 Wandertourismus Auch eine Infrastruktur für die Fernwanderer entsteht bereits in jener Zeit, wie zum Beispiel die Hospize am Somport-Pass oder das Hospiz von Roncesvalles. Die mittelalterliche Pilgerfahrt war bereits ein Massenphänomen. „Über das Zusammenströmen riesiger Pilgermassen an den großen Pilgerzentren des Abendlands, aber auch an kleineren, plötzlich in Mode gekommenen Gnadenorten nennen uns die zeitgenössischen Quellen Zahlen, die kaum glaubhaft erscheinen würden, wenn sie nicht häufig in ganz unverdächtigen Überlieferungszusammenhängen stünden.“ (PLÖTZ (2003), S. 24) OHLER (1986, S. 285) schätzt, dass auf dem Camino de Santiago, d. h. der spanischen Hauptroute, jährlich zwischen 200.000 und 500.000 Menschen pilgerten. Wohl niemand nahm in jener Zeit die Mühsal und Gefahren einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg auf sich, „nur“ zur Selbstfindung oder als sportliche Herausforderung - wie die heutigen Motive für viele sein mögen. Im Mittelalter begab man sich vor allem aus folgenden Gründen auf den gefährlichen Weg, von dem die Rückkehr in die Heimat keinesfalls sicher war: Häufig war ein Gelübde der Anlass; rettete der angerufene Heilige einen Bedrängten aus seiner schweren Not, zum Beispiel einem Schiffbruch oder schlimmen Krankheit, versprach man bei Rettung eine Pilgerfahrt als Dank. „Nach Santiago geht man oft auch (…) zur Buße und Sühne, sei es aus eigenem Antrieb, weil man sich von einer besonders schweren Sünde reinigen will, sei es durch kirchen- und zivilrechtliche Sanktionen. Besonders in den Niederlanden und Deutschland waren Strafpilgerfahrten für bestimmte verbrechen üblich.“ (CAUCCI VON SAUKEN (2003), S. 92) Für schwerste Verbrechen wurde man zum weitesten Pilgerweg verdammt. Aber manche gingen auch als bezahlte Wanderer, als so genannte Delegationspilger, auf den Jakobsweg. Anfang des 15. Jahrhunderts konnte man als Lohn für diese Tour als Stellvertreter eines „verhinderten“ Pilgers fünf Goldstücke erhalten, von denen man sich in jener Zeit einen Ochsen oder zwanzig Schafe hätte kaufen können (vgl. a. a. O., S. 94). Ein Motiv, das damals wie heute manchen zur Pilgerreise veranlasste, war der vorrübergehende Ausstieg aus dem Alltag. Reiseberichte und Tagebücher aus dem Mittelalter überliefern, dass sich auch Entdeckerfreude und Neugier mit Frömmigkeit paaren konnten. Mit der Pilgerfahrt ist der Aspekt der Barmherzigkeit eng verbunden und stellt einen grundlegenden Wert dar. Das bedeutete/ bedeutet auch heute noch, dass Hospitäler, Hospize und andere Hilfseinrichtungen an allen Pilgerwegen entstanden. Hinzu kam auch die persönliche Barmherzigkeit eines jeden gegenüber Armen und Bedürftigen. Darunter fielen die Pilger, die mittellos auf die Reise gingen. Sie trugen als Wandergepäck nur eine Pilgertasche, einen engen und oben immer offenen Beutel. Hinter dieser Form verbarg sich zum einen, dass man nur mit dem Allernötigsten, mit kleinsten Vorräten unterwegs war - und für Weiteres auf den Herrn vertraute; zum ande- <?page no="16"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 19 ren symbolisierte der fehlende Verschluss, dass immer man zum Nehmen und Geben bereit war. Von unzähligen Faktoren hing es ab, wie lange man auf dem Jakobsweg unterwegs war, denn schließlich gehörte zum Ankommen in Santiago de Compostela auch noch der Rückweg zu Fuß oder, wenn man aus dem Norden Europas aufgebrochen war, dazu noch eine Schiffsreise. Wenn die Reise im niederländischen oder westdeutschen Raum begann, benötigte man wohl im besten Falle rund sechs Monate für Hin- und Rückweg. Ein Strafpilger aus Antwerpen ist überliefert, der 1403 dies in der Hälfte der Zeit schaffte, ein anderer nahm sich da entschieden mehr Zeit: Seine Büßertour dauerte von 1425 bis 1437. Der Sprung in die Gegenwart: 1987 erklärt der Europarat die Jakobswege, d. h. das Wegegeflecht, das sich durch den Kontinent zieht, zur ersten Europäischen Kulturstraße. 1993 wird die spanische „Zielgerade“ des Camino de Santiago von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Dabei handelt es sich um den letzten, immerhin noch knapp 700 Kilometer langen Abschnitt, in dem sich die beiden aus Frankreich kommenden Wege - von Roncesvalles über den Valcarlos Pass und von Canfranc über den Somport Pass - zwischen Pamplona und Puente la Reina zu einem Hauptweg vereinen. Linktipps Camino de Santiago auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste - spanischer Teil des Jakobswegs als Weltkulturerbe whc.unesco.org/ en/ list/ 669 - französische Abschnitte des Jakobswegs als Weltkulturerbe whc.unesco.org/ en/ list/ 868 Das aktuelle Pilgern wird in Kap. 7.8 behandelt. Literatur CAUCCI VON SAUKEN, P. (2003): Leben und Bedeutung der Pilgerfahrt. In: CAUCCI VON SAUKEN, P. (Hrsg.): Santiago de Compostela. Pilgerwege. Weltbild, Augsburg, S. 91-114. PLÖTZ, R. (2003): Pilgerfahrt zum heiligen Jakobus. In: CAUCCI VON SAUKEN, P. (Hrsg.): Santiago de Compostela. Pilgerwege. Weltbild, Augsburg, S. 17-37. <?page no="17"?> 20 Wandertourismus 1.2.2 Natur als ästhetischer Genuss Um die Natur oder eine Landschaft nicht nur mit den Augen eines Bauern, eines Handwerkergesellen auf der Walz, eines seine nächste Schlachtordnung entwickelnden Feldherrn oder eines an seine Staatskasse denkenden Fürsten zu sehen, brauchte das christliche Abendland sehr viele Jahrhunderte. Die Natur als „schön“ zu beurteilen, ihr auch eine ästhetische Dimension zuzugestehen, solch revolutionäre Gedanken kommen erstmals im 18. Jahrhundert auf. Es ist die Zeit, in der der europäische Adel sich verstärkt zum Freizeitvergnügen in der Natur aufhält, ihr näher kommt als vom Pferderücken, den gepolsterten Sitzen einer offenen Kutsche oder den abgezählten Schritten durch das Gartenparterre oder die Laubengänge eines Schlossparks. Man nähert sich der Natur noch mehr. Die vornehmen Damen in ihren Seidenkleidern sitzen mitten im Gras, es wird musiziert, erzählt und gespielt, wie es beispielsweise die Gemälde von Jean-Antoine Watteau (1684-1721) zeigen. Schäferspiele kommen in Mode. Modern gesprochen: Der Aufenthalt im Grünen bekommt erstmals einen Spaßfaktor. Die berühmte Aufforderung „Zurück zur Natur“, die Jean Jacques Rousseau (1712-1778) zugeschrieben wird, gehört zur Zivilisationskritik des 18. Jahrhunderts. In der Wahrnehmung der Alpen lässt sich verfolgen, dass die frühen Wanderer und Reisenden in Kutschen und Sänften, die angesichts des gruseligen Ausblicks lieber die Vorhänge zugezogen hatten, noch keinen Sinn für die Schönheit der Hochgebirgslandschaft besaßen. Noch im 19. Jahrhundert ist man zweigespalten, bzw. unterscheidet klar zwischen dem „Wechsel hier von angenehmen, landschaftlichen Parthien mit den entsetzlichsten Wildnissen.“ (ZSCHOKKE (1842), S. 62) Wissen Auf dem Weg zum Gotthardpass (1842) „Ringsum steigen die Berge der Schöllenen senkrecht, glatt und kahl in grausenhafter Nacktheit empor; schwarze Mauer 100-1000 Fuß hoch. Man wandelt wie auf dem tiefen Boden eines ungeheuern Felsenkessels, oder vielmehr an einer Rippe desselben, längs welchem die Straße sich, unter überhangendem Gestein, über jähen Abhängen fortwindet. Oft scheint der Ausweg zu fehlen; und wenn er wieder erscheint, öffnet er nur die Aussicht in noch furchtbarere Wüstenei. Man erblickt den Strom der Reuß, statt tief unter den Füßen, vor sich oben. […] <?page no="18"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 21 Der Ausweg vom Thal der Schrecken droht Eingang eines noch grauenvollern Schauspiels zu werden. Und die der Wanderer, nach etwa hundert Schritten, aus der Dämmerung des Urnerlochs an’s Licht des Tages hervortritt, umfängt ihn eine neue Welt. Ein geräumiges, ebenes Wiesenthal, von grünen Bergen umfangen, liegt träumerisch vor ihm da“ Quelle: ZSCHOKKE (1842), S. 63 Doch die Entdeckung der Schönheit der Alpenlandschaft und die erste erfolgreiche Werbung darf man dem Mediziner und Botaniker Albrecht von Haller (1708-1777) zuschreiben. 1728 war der junge Mann mit dem Naturforscher Johannes Gessner quer durch die Schweiz gewandert und hatte Pflanzen gesammelt. Doch er muss den Blick nicht nur auf den Boden geworfen haben, die Schönheit der Hochgebirgslandschaft außerhalb der Botanik ist ihm ebenso aufgefallen. In seinem Gedicht „Die Alpen“, erschienen 1732, schwärmt er von der Schönheit der Natur und fügt für den Leser gleich naturkundliche Informationen hinzu. Dieses 25 Seiten umfassende Gedicht wurde in alle europäischen Sprachen übersetzt und erlebte bereits zu Hallers Lebzeiten 30 Auflagen. Neben den Frühformen von Reiseliteratur konnte im 18. Jahrhundert ein solches Gedicht Reise-, korrekter Wanderbewegungen, auslösen. Gleiches gilt auch für Rousseaus 1761 erschienenen Liebesroman „ Julie oder die neue Héloise - Geschichte zweier Liebender am Fuße der Alpen“, der, wie ein Zeitzeuge beobachtete, Fremdenströme auslöste, an „die heiligen Orte der Héloise von Rousseau, wohin jetzt alle Fremden von Lausanne aus wallfahrten und wo sich besonders Engländer mit der ‚Héloise‘ in der Hand wochenlang aufhalten.“ (KNOLL (2006), S. 79) Die Engländer als Pioniere und Weltmeister des Reisens im 18./ 19. Jahrhundert waren auch die Ersten, die en gros die Schönheit von Natur zu schätzen wussten und diese in anderen Landschaften als auf ihrer Insel und entfernteren Ländern suchten. Ihre bewusste Annäherung an die Natur lässt sich in der Erfindung und Gestaltung des Englischen Landschaftsparks ( Kap. 1.2.3) ausmachen, aber natürlich auch in ihrem Reiseverhalten. Auch wenn die Engländer maßgeblich Trends in der Landschaftswahrnehmung und dem Tourismus gesetzt haben, wie es auch am Beispiel der Reisen durch das Rheintal im Geist der Rheinromantik zu beobachten ist, soll jedoch am Beispiel deutschsprachiger Reisender dieser Wandel angedeutet werden. Als Zeitzeuge dient Friedrich Schlegel, der seine Eindrücke in den 1805 erschienenen „Köln und Rheinfahrt. Briefe auf einer Reise“ schildert: „Bei dem freundlichen Bonn fängt die eigentlich schöne Rheingegend an; eine reich ge- <?page no="19"?> 22 Wandertourismus schmückte breite Flur, die sich wie eine große Schlucht zwischen Hügeln und Bergen eine Tagesreise lang hinaufzieht bis an den Einfluß der Mosel bei Koblenz; von da bis St. Goar und Bingen wird das Tal immer enger, die Felsen schroffer und die Gegend wilder; und hier ist der Rhein am schönsten. Überall belebt durch die geschäftigen Ufer, immer neu durch die Windungen des Stroms, und bedeutend verziert durch die kühnen, am Abhange hervorragenden Bruchstücke alter Burgen, scheint diese Gegend mehr ein in sich geschlossenes Gemälde zu überlegtes Kunstwerk eines bildenden Geistes zu sein, als einer Hervorbringung des Zufalls zu gleichen.“ (SCHNEIDER (1983), S. 105) Weitgehend frei vom romantisch inspirierten Blick auf die Landschaft des Rheintals war dagegen noch Georg Forster, der 1790 im Mittelrheintal zu Fuß und per Segelschiff unterwegs war. Auf den Gedanken, die Natur- und Kulturlandschaft des Mittelrheintals für ein sorgfältig gestaltetes Gemälde zu halten, kam der Naturforscher und Reiseschriftsteller nicht! „Für die Nacktheit des verengten Rheinufers unterhalb Bingen erhält der Landschaftskenner keine Entschädigung. […] Einige Stellen sind wild genug, um eine finstre Phantasie mit Orkusbildern zu nähren, selbst die Lage der Städtchen, die eingeengt sind zwischen den senkrechten Wänden des Schiefergebirges und dem Bette des furchtbaren Flusses, - furchtbar wird er, wenn er von geschmolzenem Alpenschnee oder von anhaltenden Regengüssen anschwillt - ist melancholisch und schauderhaft.“ (a. a. O., S. 72) Dass Landschaften schön und malerisch - vielleicht zeitgemäßer ausgedrückt: fotogen - sein können und allemal diejenigen, in denen sich Tourismus abspielt, auch ästhetische Erwartungen zu erfüllen haben, bezweifelt heute niemand mehr. Auch durch das von Forster noch so negativ beschriebene obere Mittelrheintal, das es 2002 immerhin zum Weltkulturerbe der UNESCO gebracht hat, ziehen sich durch die Hänge viel begangene Fernwanderwege, zum Beispiel der zu den Top Trails of Germany gehörende Rheinsteig auf dem rechten und der Rheinburgenweg auf dem linken Ufer. Welche Landschaften Wanderer heutzutage in Deutschland besonders schätzen, verrät Kap. 3.1.1. Literatur FORSTER, G. (1791): Ansichten vom Niederrhein. In: SCHNEIDER, H. (Hrsg.) (1983): Der Rhein. Seine poetische Geschichte in Texten und Bildern. Insel, Frankfurt, S. 67-86. KNOLL, G. M. (2006): Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Primus, Darmstadt. <?page no="20"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 23 OPPENHEIM, R. (1977): Die Entdeckung der Alpen. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt. STEINECKE, A. (2010): Populäre Irrtümer über Reisen und Tourismus. Oldenbourg, München, S. 97-108. SCHLEGEL, F. (1805): Köln und Rheinfahrt. Briefe auf einer Reise. In: SCHNEIDER, H. (Hrsg.) (1983): Der Rhein. Seine poetische Geschichte in Texten und Bildern. Insel, Frankfurt, S. 87-115. ZSCHOKKE, H. (1842) Die klassischen Stellen der Schweiz und deren Hauptorte. Kunst-Verlag, Karlsruhe, Leipzig, Nachdruck Harenberg, Dortmund 1978. Website Der Universalgelehrte und Entdecker der Schönheit der Alpen www.albrecht-von-haller.ch/ d/ index.php 1.2.3 Der Spaziergang: anfangs ein fast revolutionäres, emanzipatorisches Sonntagsvergnügen Der „kleine Bruder“ der Wanderung, der Spaziergang ist eine ziemlich junge „Erfindung“. So selbstverständlich und gewöhnlich uns heute ein Spaziergang in unserem Alltag erscheinen mag, so sollte man sich jedoch davor hüten, ihn deswegen als eine „schon immer“ praktizierte Fortbewegungsart und Beschäftigung in der Freizeit zu betrachten! Da stellt sich schon die Frage, wer denn die Zeit für solch eine unproduktive Betätigung gehabt hätte? Wem wäre es in den Sinn gekommen, ein Vergnügen einfach nur in dieser wenig spektakulären Bewegung zu sehen? Trotzdem gibt es Frühformen des Spaziergangs in der europäischen Geschichte, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Eine der Wurzeln des modernen Spaziergangs liegt im Siegeszug der Trinkkur, der in jene Zeit fällt. Die Promenade im Badeort, mit dem Trinkbecher in der Hand, um das heilende Wasser in kleinen Schlückchen während des Gehens zu trinken, war Teil der medizinischen Indikation. Doch die gemächliche Bewegung wurde nur dafür verordnet, um die Mineralien besser aufzunehmen, mehr Kontakt mit der Natur als in einem gepflegten Kurpark, wenn man schon den schützenden Raum einer Brunnenkolonade verlassen hatte, war nicht vorgesehen. Doch dieses Flanieren <?page no="21"?> 24 Wandertourismus mit dem Becher im Kurbad gehört mit zu den Vorläufern des Sonntagsspaziergangs des Bürgers und seiner Familie. Eine andere Wurzel des heutigen Spaziergangs lässt sich mit dem Lustwandeln im Schlossgarten oder Schlosspark ausmachen. Hier wird schon durch die angedeuteten Orte klar, dass es sich um eine herrschaftliche Freizeitbeschäftigung gehandelt hat. Wenn auch das Erleben des repräsentativsten Teils einer Gartenanlage mit den kunstvoll gestalteten Beeten vor dem Hauptgebäude des Schlosses von der Beletage im ersten Stock oder der Schlossterrasse vorgesehen war, so gibt es doch Elemente in der barocken Gartenarchitektur, die einen Spaziergang voraussetzen. Dazu gehören beispielsweise die Laubengänge oder Boskette - Wäldchen, die als grüne Räume mit hohen beschnittenen Hecken zwischen den Bäumen zum Spazieren und Verweilen einladen. Noch stärker wird der Besucher im englischen Landschaftsgarten oder Landschaftspark, der nachfolgenden Gartenmode zur Fortbewegung per Pedes motiviert. Nur durch das Spazierengehen in ihm lässt sich das Konzept seines Schöpfers vollständig nachvollziehen und seine Blickachsen und Blickpunkte erleben. Eine schöne Aussicht wird zu einem wesentlichen Teil des Naturgenusses. Die Natur - auch wenn sie in diesem Fall nicht ganz so natürlich ist wie sie scheint, sondern eine gut arrangierte Komposition eines Gartenarchitekten ist - erhält damit ästhetische Werte. „Natur an sich ist schön“, diese Sichtweise ( Kap. 1.2.2) hatte erst im 18. Jahrhundert begonnen sich zu entwickeln und damit neben der materiellen Nutzung der Landschaft nun auch einer kontemplativen Nutzung Gelegenheit zu geben. „Herrschaftliche Gärten, wie etwa in Hohenheim, standen dem bürgerlichen Reisenden zwar nach Anmeldung offen, doch noch war der Spaziergang keine öffentliche Inszenierung bürgerlichen Wohlstands und freier Zeit. Mit der Form des Landschaftsgartens als Modell eines liberalen Natur- und Gesellschaftsbildes war die äußere, mit der bürgerlichen Individuation die innere Voraussetzung geschaffen, um Natur zu genießen.“ (KÖNIG (1996), S. 14) Da stecken doch in dem von manchen als spießig verschrieenen Sonntagsspaziergang eine kleine Kulturrevolution und bemerkenswerte emanzipatorische Aspekte! Indem sich der Bürger des späten 18. Jahrhunderts herausgeputzt im Sonntagsstaat mit seiner Familie auf den Weg macht, ahmt er selbstbewusst herrschaftliches Freizeitverhalten nach und liegt in seinem Naturverständnis noch an der Spitze eines neuen Trends. Der Stadtbewohner, der in seinem beruflichen Alltag eher weniger mit der Natur verbunden ist, entdeckt um 1800 die nähere Umgebung, seine Heimat, die er mit Ausflügen, Picknicks, Landpartien und Spaziergängen erkundet (vgl. a. a. O., S. 15). In der heutigen Wanderforschung wie -praxis ist der Spaziergang ebenso ein Thema; man unterscheidet dabei zwischen zwei Varianten der kürzeren <?page no="22"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 25 Fußtour, dem „urbanen Spazierbummeln“ und dem „Spazierwandern“. Wanderexperte Brämer definiert Spazierwandern als „wanderähnliche Spaziergänge von im Schnitt etwa 2 h Dauer und 5 km Länge - mit einer Spanne von 3 bis 7 km bei fließendem Übergang. […] Damit grenzt sich Spazierwandern eindeutig vom urbanen Spazierbummeln, aber auch vom rustikalen Wandern ab. Die Strecke entspricht gerade noch der lockeren Vorstellung vom Spazieren, eine vorzugsweise naturnahe Strecke vermittelt eine gewisse Wanderatmosphäre.“ (wanderforschung.de, 4/ 2015, S. 11) Hintergründiges und Praxisorientiertes zum aktuellen Spazierwandern bietet das Kap. 2.1. Literatur BRÄMER, R. (2015): Spazierwandern. Das kleine Wandererlebnis zwischendurch. Oder: Die anspruchsvolle Alternative für Spaziergänger. Wanden als Natur- und Selbsterfahrung. Wanderforschung.de 4/ 2015 BUTTLAR, A. v. (1989): Der Landschaftsgarten. Gartenkunst des Klassizismus und der Romantik. DuMont Buchverlag, Köln. KÖNIG, G. M. (1996): Eine Kulturgeschichte des Spaziergangs. Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780-1850. Böhlau. Kulturstudien, Sonderband 20, Wien/ Köln/ Weimar. UERSCHELN, G.; KALUSOK, M. (2001) Kleines Wörterbuch der europäischen Gartenkunst. Reclam, Stuttgart. 1.3 „Aus grauer Städte Mauern“ vor allem in die Berge - Wandern als neue Freizeitbeschäftigung für Bürger wie Arbeiter und als Protest der Jugend Gründerzeit, industrielle Entwicklung, Landflucht, beengte und ungesunde Wohn- und Lebensbedingungen in der Stadt, Arbeitszeiten von zwölf Stunden und mehr an sechs Tagen die Woche etc. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert und dem Beginn des 20. Jahrhunderts wird der Drang hinaus in die Natur in der arbeitsfreien Zeit erstmals zu einer Massenbewegung. Doch von einem gemeinsamen „demokratischen“ Strom ins Grüne kann keine Rede sein: Bürger und Arbeiter suchen getrennt ihre kurzzeitige Erholung in der Natur, selbst die Trennung der Geschlechter in unterschiedlichen Vereinen gehört oftmals noch dazu. Junge Wanderfreunde schließen sich auch lieber mit Gleichgesinnten ihrer Altersgruppe zusammen. <?page no="23"?> 26 Wandertourismus Die Gattung der Wanderlieder, die schon von der romantischen Naturschwärmerei unter freiem Himmel profitierte, bekam nun ihre über Generationen bekannten - heute eher auf einer roten Liste stehenden - zur Allgemeinbildung gehörenden Lieder, wie zum Beispiel „Aus grauer Städte Mauern ziehen wir durch Feld und Wald“, „Wenn die bunten Fahnen wehen“ oder „Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen, steigen dem Gipfelkreuz zu“. Beim Wandern oder abends am Lagerfeuer gesungen zur Klampfe alias Gitarre waren sie fester Teil der Wanderkultur und der damit verbundenen Geselligkeit. In dieser Pionierzeit der Wander- und Bergvereine im späten 19. Jahrhundert entstehen bereits die Wanderunterkünfte der „ersten Generation“ und die ersten Wander- und sogar ausgewiesenen Fernwanderwege. Aus den Anfängen des Schulwanderns geht 1909 in Deutschland die Idee der Jugendherbergen hervor. 1.3.1 Die Alpenvereine Der erste Alpenverein wurde fern der Alpen gegründet; bedenkt man jedoch, dass die Briten die Weltmeister des Reisens im 19. Jahrhundert waren, ist es wiederum nicht verwunderlich, dass man 22. Dezember 1857 in London mit dem Alpine Club den ersten Bergsteigerverein der Welt aus der Taufe hob. Wer - natürlich nur männlichen Geschlechts - eine respektable Liste von Bergbesteigungen aufzuweisen hatte, konnte in den exklusiven Kreis aufgenommen werden. Damen konnten wegen ihrer geschlechtsbedingten physischen und psychischen „Defizite“ in diesen Kreis nicht aufgenommen werden. Daraufhin gründeten die Damen, darunter auch Ehefrauen von Herren des Alpine Clubs, 1907 natürlich auch in London den Ladies’ Alpine Club. Erst im Jahre 1975 waren die bergsteigenden Herren mental soweit, dass sie auch gipfelstürmende Damen in ihren Verein aufnehmen konnten; es hatte sich nun eine Mehrheit für eine Vereinigung des Ladies’ Alpine Club mit dem Alpine Club gefunden. Die Absicht dieser Vereinsgründung war es, den Mitgliedern einen geeigneten Ort für Zusammenkünfte zu geben, wo sie sich zur Vorbereitung schwierigerer Bergtouren treffen und austauschen, sowie Karten und Bücher aus der im Aufbau befindlichen Vereinsbibliothek zurate ziehen konnten. „The members will occasionally dine together at their own expense, but the funds of the Club will be made available when on suitable occasions the Club is favoured by the presence of geographical explorers, or by that of other guests of celebrity. First circular concerning the Alpine Club, 1857.“ ( www.alpine-club.org.uk/ alpineclub/ objectives.htm) Aus nachvollziehbaren praktischen Gründen wählte der Alpine Club anfangs Hotels zu seinem Vereinssitz. In den Anrainerstaaten der Alpen begann ab den 1860er Jahren die fällige Gründungswelle: 1862 entstand der Österreichische Alpenverein, 1863 folgten <?page no="24"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 27 der Schweizer Alpen-Club und der Club Alpino Italiano (noch unter dem Namen Club Alpino di Torino), 1869 der Deutsche Alpenverein und 1874 der Club Alpin Français. 1902 bildete sich jenseits des Großen Teichs der American Alpine Club. Die drei Studenten Paul Grohmann, Edmund von Mojsisovics und Guido von Sommaruga gründeten 1862 in der Akademie der Wissenschaften in Wien den Österreichischen Alpenverein. Ort und Name der Beteiligten deuten schon an, dass es kein Verein für „Jedermann“ sein sollte. Man verstand sich jedoch als ein vielseitiger Kulturverein, der die Erforschung des Alpenraums, seine Kartierung, das Sammeln wissenschaftlicher Literatur über das Hochgebirge zu seinen wichtigsten Arbeitsgebieten erklärt hatte. In dieses Konzept gehörten auch die Weiterbildung der Mitglieder in Wien durch wissenschaftliche Vorträge, das Herausgeben von Jahrbüchern, Mitteilungen sowie topographischer Karten und schließlich auch die Gründung eines Museums. Die Aktivitäten der Wiener Akademiker gingen zahlreichen österreichischen Bergfreunden an ihren mehr praktisch orientierten Interessen vorbei und sie gründeten gemeinsam mit deutschen Bergsteigern 1869 in München den Deutschen Alpenverein. Dieser schrieb sich die touristische Erschließung „Deutschen Alpen“ - sprich: der Ostalpen - auf die Fahnen. Die praktische Arbeit im Hochgebirge leisteten die Sektionen des DAV, die sich in den Städten des Deutschen Reichs und Österreich-Ungarns schnell gründeten. Im ersten Jahr entstanden Sektionen neben München beispielsweise in Frankfurt, Leipzig, Heidelberg, Salzburg, Innsbruck und Bozen. Die Sektionen engagierten sich im Wege- und Hüttenbau, bildeten Bergführer aus und setzten sich für die Belange der lokalen Bevölkerung in den Alpen ein (vgl. http: / / www.alpenverein.de/ derdav/ geschichte-des-dav_aid_12067.html). Unverkennbares Zeichen des Engagements der Alpenvereinssektionen sind bis heute viele Berghütten mit Städtenamen, wie zum Beispiel die Bremer Hütte oder das Kölner Haus. Für die Schweizer Bergfreunde war die Förderung der wissenschaftlichen und topographischen Erschließung ihrer Alpen Anlass, 1863 in Olten den Schweizer Alpen-Club zu gründen. Bewusst stellte man sich damit in einen Gegensatz zum Alpine Club in London, dem die sportliche Leistung der Gipfelbesteigungen vorrangig war (vgl. Perfahl (1984), S. 82). Einigkeit herrschte doch über den Ausschluss des weiblichen Geschlechts aus dem Verein: Sogar erst 1979 schaffte Mann die Vereinigung mit dem 1918 gegründeten Swiss Ladies’ Alpine Club! Am Beispiel des 1874 gegründeten Club Alpin Français, der seit 2004 der traditionsreichste Teil der FFCAM (Fédération française des clubs alpins et de montagne) ist, lässt sich deutlich ablesen, dass sich ein Alpenverein heute nicht mehr ausschließlich für die Interessen von Bergsteigerinnen und Bergsteigern einsetzt, sondern das gesamte Spektrum der sportlichen Aktivitäten und <?page no="25"?> 28 Wandertourismus des Naturerlebnisses im Alpenraum zum Arbeitsfeld erklärt. Alle Variationen des Wanderns, selbstverständlich für alle Zielgruppen - ohne Unterschied von Geschlecht, Alter und Bildung, wenn man die Anfänge der Alpenvereine betrachtet (! ) - stehen heutzutage in ihrem Fokus. Literatur OPPENHEIM, R. (1974): Die Entdeckung der Alpen. Verlag Huber Frauenfeld, Lizenzausgabe für die Büchergilde Gutenberg, Frankfurt. PERFAHL, J. (1984): Kleine Chronik des Alpinismus - im Zusammenwirken mit dem Deutschen Alpenverein. Rosenheimer, Rosenheim. Websites Alpine Club www.alpine-club.org.uk Deutscher Alpenverein www.alpenverein.de Fédération française des clubs alpins et de montagne www.ffcam.fr/ Club Alpin Français www.ffcam.fr/ qui_sommes_nous.html#.VVmVA_BODg0 Club Alpino Italiano www.cai.it Österreichischer Alpenverein www.alpenverein.at/ portal Schweizer Alpen-Club www.sac-cas.ch 1.3.2 Der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘ Gleichberechtigung bei der Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und von Vergünstigungen für Vereinsmitglieder zu profitieren, war Ende des 19. Jahrhunderts noch nicht angesagt. Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen die damals existierenden Wander-, Berg- und Sportvereine nicht auf. Dies motivierte im März 1895 in Wien den Sozialisten und Lehrer Georg Schmiedl dazu, in der <?page no="26"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 29 „Arbeiterzeitung“ einen Aufruf zu starten, um Gleichgesinnte zur Gründung einer „touristischen Gruppe“ zu finden. Zu Schmiedl kamen der Metallarbeiter Alois Rohrauer, sein Sohn Josef (Student phil.) und der Student Karl Renner (später Staatskanzler und Bundespräsident Österreichs) hinzu. Im September 1895 gründen daraufhin 185 Männer und Frauen in Wien den Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘. Es ging ihnen darum, das Recht des freien Zugangs zur Natur gegen die bürgerlich-privaten Interessen von Großgrundbesitzern durchzusetzen, die Natur als Quelle der Erholung zu erkunden und sich anzueignen, gemeinsam zusammenzutreffen, sich fortzubilden und Aktivitäten zu organisieren (vgl. Websites der österreichischen und deutschen Naturfreunde). 1906 beschloss die Ortsgruppe Graz, den Gruß „Berg frei“ zum Gruß der steirischen Naturfreunde zu machen, der dann vom gesamten Verein übernommen wurde und bis heute üblich ist. „Der kämpferische Gruß ist Ausdruck der Forderung nach dem Recht auf Freizeit in den Bergen nicht nur für Adel und Bürgertum“ (http: / / www.naturfreunde.de/ cms/ de/ 1_NaturFreunde/ inhalte/ 1_Die_Organisation/ index.php? channel= channel_1&Kennung=6593e02939c59db496f5ceed3a7ca36f&LN=4026&OF=de& PF=1926). Im August 1905 wurde mit der 42. Ortsgruppe in München der deutsche Zweig des Vereins gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Gesamtverein fast 9.000 Mitglieder und darunter - revolutionär verglichen mit den Alpenvereinen - auch einen Frauenanteil von 15 %! Mit dem Bau von Hütten und Wanderheimen begann man ebenfalls: 1907 wurde das erste österreichische Naturfreundehaus auf dem Padasterjoch (2232 m NN) in den Stubaier Alpen (Tirol) eröffnet, 1911 das erste in Deutschland, das die Hamburger Naturfreunde am Rand der Lüneburger Heide erbaut hatten. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Aktivitäten der österreichischen Naturfreunde zum freien Zugang zur Natur von ersten großen Erfolgen gekrönt, denn in einigen Bundesländern Österreichs wurde das freie Wegerecht in den Bergen gesetzlich verankert. Die freie Begehbarkeit des Waldes sollte erst 1975 festgeschrieben werden. Ihrer Zeit weit voraus waren die Naturfreunde 1910, als sie den Naturschutz als Vereinsziel in ihre Statuten aufnahmen. Die Möglichkeiten, Skilaufen und Bergsteigen zu lernen, gab es für die Mitglieder ebenfalls ab 1905 bzw. 1918. Die Nationalsozialisten verboten 1933 den Touristenverein Die Naturfreunde aus politischen Gründen. Bei der Gelegenheit beschlagnahmten sie auch die 428 Hütten und Häuser des Vereins und übertrugen die Gebäude linientreuen faschistischen Vereinen. 1945 begannen die Naturfreunde mit dem Wiederaufbau ihres Vereins; 1950 wurde aus dem Gesamtverein die Naturfreunde Internationale (NFI), die sich aus selbständigen Landesverbänden zusammensetzt. <?page no="27"?> 30 Wandertourismus Websites Naturfreunde Österreich www.naturfreunde.at Naturfreunde Deutschland www.naturfreunde.de 1.3.3 Wandernde Jugend Unabhängig von Erwachsenen entdeckten an der Wende zum 20. Jahrhundert auch Jugendliche den Aufenthalt in der Natur während der knappen Freizeit und das Wandern. Der besondere Reiz lag darin, Wanderfahrten zu organisieren, an denen keine Erwachsenen beteiligt waren, und die Freiheit auszukosten, sich nur in einer Gruppe von mehr oder weniger Gleichaltrigen zu bewegen. Aber es ging auch um Kritik am Großstadtleben und um die Entfernung bzw. Entfremdung von der Natur. 1901 gründeten junge Männer in einem Hinterzimmer des Steglitzer Rathauses den „Wandervogel-Ausschuss für Schülerfahrten e. V.“. Vom damaligen Berliner Stadtrand aus dehnte sich die Wandervogelbewegung in ganz Deutschland aus. „Sie wurde Hauptbestandteil einer sich am Anfang des Jahrhunderts im Kaiserreich herausbildenden eigenständigen Jugendbewegung, die eine von der älteren Generation unabhängige, jugendspezifische Lebensform anstrebte. Ab 1904 bildeten sich über das ganze Deutsche Reich verbreitet verschiedene Wandervogel-Bünde, die sich 1913 zum Wandervogel e. V. mit 25.000 Mitgliedern zusammenschlossen. Erstmals war es mit dem Zusammenschluss nicht nur männlichen Gymnasiasten, sondern auch Mädchen und Volksschülern erlaubt, als Wandervogel den Lebensstil der Bewegung mit Wanderfahrten, Lagerleben, Volkstanz und -musik zu führen.“ (https: / / www.dhm.de/ lemo/ kapitel/ weimarerrepublik/ alltag/ wandervogel/ ) Doch auch unter der Führung von Erwachsenen gingen die ersten Jugendbzw. Kindergruppen auf „Wanderfahrt“ - korrekter: Fußtour. Das größte organisatorische Problem war für solche Unternehmungen damals die Übernachtung. Erste Ansätze gab es zwar schon in einigen Regionen, wie zum Beispiel die Studenten- und Schülerherbergen, die der Fabrikant Guido Rotter im Sudetenland 1884 initiiert hatte. Diese Herbergen standen aber nur männlichen Studenten und höheren Schülern ab dem 16. Lebensjahr offen (vgl. HARTUNG (1959), S. 10)! 1889 riefen Bergwanderer bzw. Bergsteiger die Einrichtung der „Schüler- und Studentenherbergen des Deutsch- und Österreichischen Alpen- <?page no="28"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 31 vereins“ ins Leben. Auch andere Gebirgsvereine begannen, speziell für männliche - Jugendliche, preiswerte Unterkünfte anzubieten. Im August 1909 hatte der Lehrer Richard Schirrmann, der mit seiner Schulklasse eine achttägige Schulwanderung vom westfälischen Altena nach Aachen unternahm, die Idee für ein günstiges Quartier, die von einem Unwetter befördert wurde. Das übliche Quartier - eine Scheune - konnte er an jenem Abend nicht finden, wohl aber eine wegen der Schulferien leer stehende Dorfschule im Bröltal (Rhein-Sieg-Kreis), in die er schließlich Stroh bringen ließ. Aus dieser einfachen Unterkunft für seine Wandergruppe entwickelte er die „Volksschülerherberge“, d. h. die Ferienherberge im Schulhaus, von denen es 1910 bereits drei gab. 1912 öffnete auf der Burg Altena die erste Jugendherberge - zunächst nur während der Ferien; ab 1914 wurde sie ganzjährig betrieben. Lehrer Schirrmann wurde gleichzeitig auch erster Herbergsvater und lebte mit seiner Familie auf der Burg. „Von Altena ausgehend fasste die Bewegung vor allem in Holland, England und Schottland Fuß. 1931 existierten in Europa bereits zwölf Jugendherbergsverbände mit rund 2.600 Jugendherbergen.“ (http: / / www.djh-wl.de/ de/ jugendherbergen/ altenaburg/ ueber-uns/ geschichte) 1932 wurde die International Youth Hostel Federation gegründet. In den 1920er Jahren entdeckten auch einige der inzwischen etablierten Wander- und Bergvereine die Jugendarbeit, so beispielsweise im Alpenverein (zu jener Zeit: DuOeAV ) . 1927 wurde die Jugendarbeit in die Vereinssatzung aufgenommen; in Sektionen entstanden nach Geschlechtern getrennt Jugendgruppen - mehr für Jungen, denn für Mädchen. Trennung und Ausgrenzung oder Einverleibung sollten unter der Herrschaft der Nationalsozialisten auch vor den Wandervereinigungen nicht haltmachen; doch diese Strömungen begannen schon früher. „Der verlorene Erste Weltkrieg, die Gebietsverluste Deutschlands und Österreichs, die enormen Reparationszahlungen sowie die daraus resultierenden großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten sorgten für eine starke Verbreitung deutschnationaler und völkischer Ideen. Mit einher ging ein radikaler Antisemitismus. Dies schlug sich auch im Alpenverein nieder. 1920 wurde der Antrag an den Dachverband des Alpenvereins gestellt und genehmigt, dass Sektionen offiziell Arierparagrafen in ihre Satzung aufnehmen durften und damit die Mitgliedschaft von Juden ausschließen konnten. In der Folge führten zahlreiche Sektionen Arierparagrafen ein, vor allem in Österreich, aber auch in München und Berlin.“ (http: / / www.alpenverein.de/ DAV-Services/ Broschueren/ ? searchKey=Ausgeschlossen+-+J%C3%BCdische+Bergsportler+und+der+Alpenverein) Wandern, Bergsteigen, der gemeinsame freundschaftliche Aufenthalt in der Natur - unabhängig von Alter, Geschlecht, gesellschaftlicher Stellung und anderen soziologischen Kriterien - wurde in vielerlei Hinsicht von offizieller Seite <?page no="29"?> 32 Wandertourismus verhindert oder für eigene Zwecke instrumentalisiert. So sollte es in den ausgehenden 1940er Jahren und danach zu einer großen „Wiedergründungswelle“ bei Vereinen und Institutionen rund um das Wandern kommen: 1945 Wiedergründung der Landesverbände der Naturfreunde, 1949 des Hauptverbands des Deutschen Jugendherbergswerk, 1950 des Österreichischen Alpenvereins und des Deutschen Alpenvereins. Literatur GÖTZ, K. (1959): 50 Jahre Jugendwandern und Jugendherbergen, 1909-1959. Deutsches Jugendherbergswerk (Hrsg., Verlag), Detmold. HARTUNG, K. (1959): Das Jugendherbergswerk in Westfalen-Lippe. 50 Jahre DJH-Werk. Jugendherbergswerk Westfalen-Lippe, Hagen. Websites Deutscher Alpenverein (DAV) www.alpenverein.de Jugend des Deutschen Alpenvereins www.jdav.de/ Jugendarbeit/ Geschichte Jugendherbergen (Beispiel) www.djh-wl.de/ de/ jugendherbergen/ altena-burg/ ueber-uns/ geschichte Übersicht Wandervogelverbünde www.wandervogel.de/ Wandervogel Deutscher Bund www.wvdb.de/ Die Wandervogelbewegung www.dhm.de/ lemo/ kapitel/ weimarer-republik/ alltag/ wandervogel/ 1.4 Die Erfindung von touristischen Wanderwegen In diesen Ausführungen geht es um die Wanderwege, konkreter um Fernwanderwege der „ersten Stunde“. Dieses Kapitel Wandergeschichte in Deutschland muss mit dem Westweg und dem Schwarzwaldverein beginnen. Der älteste <?page no="30"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 33 deutsche Höhenweg wurde im Jahr 1900 vom Badischen Schwarzwaldverein durch Philipp Bussemer aus Baden-Baden und Julius Kaufmann aus Lahr angelegt. Die Idee eines durchgehenden Höhenwanderwegs von Nord nach Süd war damals bereits sechs Jahre alt. Im Spätherbst wurden in einer Sitzung der „Höhenwegsbezeichnungskommission“ auf dem Feldberg die Grundsätze der Markierung des „Höhenwegs Pforzheim-Basel“ festgelegt. Der rote Rhombus auf weißem Untergrund, der bis heute das Zeichen des Westwegs ist, wurde dafür ausgewählt. Zunächst ging man mit der Schablone für den Rhombus ins Gelände, aber auch weiße Zinkplatten mit dem Rhombus in den Maßen von 10 x 16 cm wurden als Vormarkierungen angebracht. Für die Hauptinformation sah man hölzerne Wegweiser mit Schildern aus 24 mm dickem Eichenholz vor. „Jeder Wegweiser erhält als Text die Überschrift: ,Höhenweg Pforzheim-Basel‘, darunter den rot ausgeführten Rhombus, seitlich das Schwarzwaldvereinszeichen und unter dem Rhombus die Ortsangaben, die an den Hauptabzweigungen die Entfernungen in Kilometer enthalten. Hervorragende Höhenpunkte werden mit Höhentafeln versehen, die außer der Ortsbezeichnung die Angabe der Höhe ü. d. Meer tragen.“ (BUSSE- MER (1901), Spalte 2) Das Wegemanagement organisierte die Kommission bereits in „moderner“ Weise, indem sie die Sektionen, durch deren Gebiete der Höhenweg Pforzheim-Basel verlief, mit den Arbeiten betraute - und diese „alljährlich aufs gewissenhafteste zu kontroliren [sic! ] und in Verlust geratene Markierungszeichen [sic! ] und Wegweiser nötigenfalls auf Kosten des Hauptvereins wiederum zu ersetzen.“ (a. a. O., Spalte 3) 1903 bekam dieser Höhenweg Gesellschaft: Der Württembergische Schwarzwaldverein „erfand“ seinen von Pforzheim nach Schaffhausen verlaufenden Ostweg sowie den Mittelweg von Pforzheim nach Waldshut. Im Laufe der Zeit musste die Wegführung an zahlreichen Stellen verändert werden, da in den mehr als hundert Jahren in den Orten natürlich neue Wohngebiete und neue Straßen entstanden waren, Feld- und Waldwege asphaltiert und Landbzw. Bundesstraßen ausgebaut worden waren. Die historische Trasse möchte heute niemand mehr wandern. Nach den Kriterien eines Qualitätswegs Wanderbares Deutschland ( Kap. 6.1) gab es auf den 285 Kilometern zwischen Pforzheim und Basel reichlich Handlungsbedarf. 2006 erhielt der Westweg erstmals dieses Prädikat. In dem Zusammenhang hatte man auch die Trennung des südlichen Westwegs in eine östliche und westliche Variante vom Bärental an den Titisee verlegt. In Thüringen besteht man ebenfalls darauf, den ältesten deutschen Fernwanderweg zu besitzen. Als historischer Weg, auf dem das Gros der Bevölkerung zu <?page no="31"?> 34 Wandertourismus Fuß unterwegs war, reicht der Rennsteig als ehemaliger Grenzweg zwischen Franken und Thüringen bis ins Mittelalter zurück. An diese Funktion erinnern heute noch ca. 1.300 historische Grenzsteine am Wegesrand. Der Rennsteig ist in voller Länge als Denkmal in das Denkmalbuch des Freistaates Thüringen eingetragen, zahlreiche Abschnitte des „Pläncknerschen Rennsteiges“ (siehe unten) sind noch weitgehend im originalen Zustand erhalten. In diesen Abschnitten reicht der Gültigkeitsbereich des Kulturdenkmalensembles auf beiden Seiten des Rennsteiges jeweils 50 Meter (http: / / www.rennsteigverein.de/ naturschutz.html). Wissen Der Rennsteig: Weg für Eilige Die Bezeichnung Rennsteig ist kein Monopol für diesen historischen Weg; es gibt weit über zweihundert Rennsteige in Deutschland. Das Wort leitet sich vom „Rynnestig“ ab und „setzt sich aus „rinnen“, im Mittelalter mit der Bedeutung „sich schnell bewegen“, davon abgeleitet „rennen“ = „zum raschen Lauf veranlassen“, und „stig“ = „ansteigender Pfad“ zusammen. Rennsteige waren demnach Wege zur raschen Fortbewegung, im Gegensatz zu den fahrbaren Heerstraßen schmale Lauf- oder Reitwege, auf denen man Boten oder Reiterscharen nach einem rasch zu erstrebenden Ziel sandte. Der Rennsteig des Thüringer Waldes ist somit als ein Höhenunterschiede überwindender Bergpfad zu erklären, auf dem man sich schnell vorwärtsbewegen konnte.“ Quelle: www.rennsteigverein.de/ rennsteig.html 1829 wanderte der Topograph Julius von Pläckner von Blankenstein an der Saale den kompletten Rennsteig bis nach Hörschel an der Werra. Dabei beschrieb und kartographierte er die ca. 168 km lange Strecke; aus dieser Feldarbeit wurde sein „Taschenbuch für Reisende durch den Thüringerwald“, das 1832 erschien - also der erste Wanderführer für den Rennsteig. Das neue Naturgefühl der Romantik brachte auch die ersten Scharen von Wanderer. Zum „modernen“ Wanderweg wurde der Rennsteig zum Ende des 19. Jahrhunderts, denn Pfingsten 1896 gründete man den Rennsteigverein mit dem Zweck: „[...] den Rennsteig des Thüringer Waldes touristisch zu erschließen und geschichtlich zu erforschen“ (a. a. O.). Natürlich machte man sich auch den Erhalt und die Pflege des historischen Wegs über die Kammhöhe des Thüringer Walds zur Aufgabe, aber ebenso die Erforschung, Erschließung, Erwanderung aller Rennsteige des deutschen Sprachgebietes wurden in der neuen Satzung von 1993 wieder mit verankert. <?page no="32"?> Eine Zeitreise zu Fuß - Aus der Geschichte des Wanderns 35 Rennsteig-Knigge Nicht wundern! Auf dem Rennsteig grüßt man sich mit „Gut Runst! “ Im Unterschied zur Neuschöpfung Westweg handelt es sich beim Rennsteig um einen historischen Weg, von dem noch ca. 121 Kilometer Originalstrecke sind, die restliche Strecke wurde nach den Vorgaben eines Qualitätswegs Wanderbares Deutschland verändert. Aktuell (2016) besitzt der Rennsteig jedoch nicht mehr dieses Gütesiegel. Im Juli 2017 wird der Rennsteigverein den Deutschen Wandertag ( Kap. 3.4.4) ausrichten. Literatur BUSSEMER, Ph. (1901): Die Thätigkeit der Höhenbezeichnungskommission. In: Monatsblätter des Badischen Schwarzwaldvereins, 4. Jg. Nr. 1, Spalte 1-10. Websites Mehr zum Westweg www.schwarzwaldverein.de/ wege/ fernwanderwege/ westweg.html www.westweg.info Mehr zum Rennsteig www.rennsteigverein.de/ rennsteig.html www.rennsteig.de www.rennsteigverein.de/ naturschutz.html Zusammenfassung Die Füße sind das älteste Fortbewegungsmittel des Menschen, mit deren Hilfe von der Antike, über das Mittelalter bis ins ausgehende 19. Jahrhundert aus beruflichen Gründen Fernwanderungen von beachtlichen Entfernungen zurückgelegt wurden. Ein Beispiel für einen historischen Weg, der auch als touristischer Fernwanderweg der „1. Stunde“ zunehmend an Bedeutung gewonnen hat, ist der Thüringer Rennsteig. <?page no="33"?> 36 Wandertourismus Die historische Wanderung aus überwiegend spirituellen Gründen ist die so genannte „Pilgerfahrt“ auf dem europäischen Netz des Jakobswegs, zu dem bereits im Mittelalter eine Infrastruktur gehört, die auf die Bedürfnisse der Fernwanderer ausgerichtet ist. Infrastrukturen und andere Dienstleistungen für das „moderne“ Wandern, anfangs als Teil der Erholung und später auch als Teil der Freizeitgestaltung, schaffen die Wandervereine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Diese Vereine, wie zum Beispiel die Alpenvereine und der Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘, sind bis heute - doch erfreulicherweise ohne die einstigen Klassen- oder Geschlechterschranken - aktiv. Alpenvereinshütten, Naturfreundehäuser und Wanderheime werden weitergeführt. Aus dem klassischen Wanderverhalten lassen sich Ideen für neue Angebote oder Events gewinnen nach der Devise „Alles kommt wieder“. <?page no="34"?> 2 Wanderer heute Das Wandern hat sein schlechtes Image längst wieder verloren und ist bei vielen, eigentlich allen Bevölkerungsgruppen mehr oder weniger in Mode gekommen. Auf den ersten Blick - vor allem denjenigen auf Homepages und Prospekte - scheint der Anteil junger Menschen gestiegen. Doch steckt dahinter nur eine Werbemasche? Unverändert umfasst die größte Gruppe die Wanderer fortgeschrittenen Alters, die Best Ager, die in Wald und Flur anzutreffen sind. Die Fortbewegung draußen per Pedes ist zu einem Massenphänomen geworden; ein Zeichen dafür: Outdoorkleidung ist allgegenwärtig und die Wanderausrüstung gibt es in regelmäßigen Abständen selbst beim Discounter. Trotz der vielen Gelegenheiten, preisgünstig an Wanderkleidung zu kommen, sind Wanderer nicht unbedingt Leute, die auf preiswertes Freizeit- oder Urlaubsvergnügen angewiesen sind, sondern eine durchaus zahlungskräftige Klientel. Die technikaffinen jüngeren Leute locken GPS-Touren und Geocaching ( Kap. 7.6) in die Landschaft, wo sie vor der Erfindung und Verbreitung der handlichen Geräte kaum anzutreffen waren. Auf den Nachwuchs setzt die Wander- und Tourismusbranche ebenfalls, indem spezielle Familienwanderwege ( Kap. 7.2 und 7.3) angelegt werden. Ein engerer Kontakt zur Natur schon von Kindesbeinen an hat heutzutage noch größere Bedeutung bekommen, als es nur die ohnehin schon seltener gewordene Bewegung an frischer Luft für „Computer-Kids“ bedeuten mag. Wandern ist gut für Körper, Seele und Geist nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder, die damit einige Zivilisationsschäden minimieren können. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Wandern passt für viele zum aktuellen Lebensgefühl, zum Bedürfnis, etwas Gutes für sich und seine Gesundheit zu tun. Auch der Wunsch, Authentisches zu erleben, gehört zum zeitgenössischen Wanderer. Welche Gruppen schnüren wie oft die Wanderschuhe und ziehen in welcher Gesellschaft los? Welche Wanderarten kann man unterscheiden? Wandern ist für viele Jugendliche uncool - was sie aber doch vom Computer weglocken kann. <?page no="35"?> 38 Wandertourismus Natur - ein Fremdwort für Kinder? Die Entfremdung von der Natur gehört heute zur Kindheit und hat weitreichende Folgen, die man nicht ignorieren sollte. Ein Plädoyer für das Schulwandern. Auf welche Trends im Wandertourismus sollten sich Touristiker aktuell einstellen? 2.1 „Outdoor ist in“ - eine traditionsreiche Fortbewegungsart erlebt einen Boom? Zu Fuß durch die Landschaft gehen, ist das wesentlichste Merkmal des Wanderns - aber auch des Spazierengehens, des Spazierwanderns, des Bergsteigens, Trekkings, Nordic Walkings und der einen oder anderen Fortbewegungsart mehr. Den Versuch einer Abgrenzung verschiedener Wanderarten bietet das Kap. 2.3.2, doch die grundlegende Unterscheidung zwischen Spazierengehen und Wandern soll an dieser Stelle erfolgen. An einer allgemein verbindlichen Definition des Wanderns fehlte es lange Zeit. „Vor diesem Hintergrund wurde im Forschungsauftrag der vorliegenden Studie ausdrücklich die Bildung einer Definition gefordert, die auf Grundlage des empirischen Befundes entwickelt und als allgemeingültig angesehen werden kann.“ (BMWI (2010) S. 20) Als gängige Unterscheidung zwischen Wandern und Spazierengehen gilt seit 2002 die Begriffsabgrenzung des DTV/ DWV. Tab. 1: Begriffsabgrenzung Wandern und Spazierengehen nach DTV/ DWV Wanderung Spaziergang Zeit +/ - 1/ 2 Tag +/ - 1 Stunde Länge +/ - 13 km wenige km Geschwindigkeit moderat bis zügig gemächlich Vorbereitung Planung, Materialstudium keine Ausrüstung Allwetterbekleidung, Gepäck, Verpflegung Regenschirm, Mantel Motive Naturerlebnis, körperliche Herausforderung Beine vertreten, frische Luft schöpfen Aktionsraum überwiegend ortsfern überwiegend ortsnah Quelle: DTV/ DWV 2002, S. 11 <?page no="36"?> Wanderer heute 39 Diese Definitionen geben immer noch Anlass zu Diskussionen beispielsweise unter Sportmedizinern oder Touristikern. „Sportmediziner verbinden das Wandern mit einer gewissen - sportlichen - Mindestgeschwindigkeit: Wandern beginnt bei einem Fußmarsch mit einer Mindestgeschwindigkeit von 5 bis 6 km/ h. Aus touristischer Sicht ist diese Auslegung jedoch unrealistisch, da sie Streckenprofil und landschaftlichen Charakter vernachlässigt und den Umstand außer Acht lässt, dass gerade bei touristischer Betrachtung in der Regel der leistungsorientierte Charakter des Wanderns etwas in den Hintergrund tritt. So kommt ein mäßig trainierter Mittelgebirgswanderer auf einen Schnitt von ca. 3 bis 5 km/ h und liegt damit deutlich unter der sportmedizinischen Definition (vgl. DTV/ DWV 2002, S. 10)“ (a. a. O., S. 20). Für die touristische Praxis besteht ein Konsens, eine Mindestdauer von zwei Stunden - nicht mit der Stoppuhr gemessen (! ) - und die Motivation zu der Tour, beispielsweise die Suche nach dem Naturerlebnis, nach Entspannung, dem Wunsch, etwas für die Gesundheit zu tun und Neues kennenzulernen, als entscheidende Kriterien einer Wanderung zu verstehen. Die überwundene Entfernung soll dabei keine Rolle spielen. „Das sehr unspezifische Schlagwort vom „Genußwandern“ umschreibt diese Kombination unterschiedlicher Motive, bei denen das Natur- und Kulturerlebnis vor der sportlichen Motivation steht. Trotzdem weist das Wandern eine sportliche Komponente auf: Die körperliche Beanspruchung, die zusätzlich zu den alltäglichen Bewegungsformen ausgeübt wird. Wandern wird freiwillig ausgeübt und dient in Kombination mit den genannten Motiven einem Selbstzweck.“ (vgl. Menzel et al. 2008, S. 15) (a. a. O., S. 21) Trotz der fließenden Übergänge von der Wanderung zum Spaziergang soll eine Definition bzw. Abgrenzung vorgenommen werden. Im Unterschied zur Wanderung ist das Spazierengehen eine „eher spontan und ohne spezielle Ausrüstung und Vorbereitung durchgeführte Aktivität“ (a. a. O., S. 21), die weniger Zeit in Anspruch nimmt. Befragungen zur durchschnittlichen Dauer eines Spaziergangs bzw. einer Wanderung haben Folgendes zutage gebracht: „Die durchschnittliche Dauer eines Spaziergangs wird von der Gesamtbevölkerung - also sowohl Wanderer als auch Nicht-Wanderer - mit ca. 1: 22 Stunden angegeben, die durchschnittliche Dauer einer Wanderung dagegen mit 2: 39.“ (a. a. O.) Aber auch bei der Frage der Dauer einer „richtigen“ Wanderung brachten Untersuchungen höchst unterschiedliche Werte. So bezeichnen 20 % der Bevölkerung schon eine Tour von einer Stunde Dauer als Wanderung, während ein Drittel eine Zeit von drei bis vier Stunden als Kennzeichen einer Wanderung angibt. Für 10 % der Befragten fängt dagegen eine Wanderung erst bei mehr als vier Stunden Gehzeit an (vgl. a. a. O., S. 22). So viel Relativität wird dem Touris- <?page no="37"?> 40 Wandertourismus tiker in der praktischen Arbeit einerseits auch nicht unbedingt helfen, andererseits lässt sie ganz viel Freiheit! Betrachtet man das Qualitätsmanagement an Wanderwegen, wie es die Qualitätswege Wanderbares Deutschland oder die Premiumwege voraussetzen, dann wird auch das Unterscheidungsmerkmal einer Planung und eines Materialstudiums hinfällig. Nach den Vorgaben ist es möglich, eine solche Wanderung ohne nennenswerte Vorbereitung durchzuführen. Die richtigen Schuhe und eine dem Wetter angepasste Kleidung anzuziehen kann schon reichen, und damit wäre man schon nah an den geringeren Voraussetzungen eines Spaziergangs. „Aus den Befragungsergebnissen wurde eine Definition für das Wandern abgeleitet und durch den Projektbeirat im Januar 2010 einstimmig beschlossen: Wissen Wandern Wandern ist Gehen in der Landschaft. Dabei handelt es sich um eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die sowohl das mentale wie physische Wohlbefinden fördert. Charakteristisch für eine Wanderung sind: eine Dauer von mehr als einer Stunde, eine entsprechende Planung, Nutzung spezifischer Infrastruktur sowie eine angepasste Ausrüstung. Diese Definition umfasst sowohl touristische Wanderungen im Rahmen von Urlauben oder bei reinen Wanderurlauben. Sie umfasst aber auch die Wanderungen, welche im Rahmen der Naherholung durchgeführt werden und bei denen teilweise deutlich kürzere Distanzen zurückgelegt werden.“ (a. a. O., S. 23) In die Definitionsdiskussion bringt BRÄMER (4/ 2015, S. 10f.) noch die Variante des Spazierwanderns ein, eines Wanderns „light“; die Wortschöpfung weist er bereits seit der Mitte des 19. Jahrhunderts nach. Bei dem Begriff erlauben die Wortbestandteile schon eine erste Einordnung: Es handelt sich um „wanderähnliche Spaziergänge von im Schnitt etwa 2 h Dauer und 5 km Länge - mit einer Spanne von 3 bis 7 km bei fließendem Übergang. Eine solch moderate Spazierwanderung stellt sich nicht als großes, eingefleischte Spaziergänger abschreckendes Unternehmen dar, sondern entspricht dem modernen Freizeitrhythmus im Zweistundenraster.“(a. a. O., S. 11) Als wesentlichen Unterschied zu kurzen Wanderungen sieht der Autor, dass das Spazierwandern dem Zeitgeistanspruch <?page no="38"?> Wanderer heute 41 nach Entschleunigung noch näherkommt als das Wandern, das für viele immer auch noch mit Mühen verbunden sei (vgl. a. a. O.). Der Grund für diese Differenzierung folgt sofort: „Damit wäre dann auch ein eigenständiger Begriff gefunden, dessen es bedarf, um ein neues Marktsegment zu begründen“ (a. a. O.). Als Gegensatz zum anstrengenden, sportlichen oder „Hardcore-Wandern“ taucht das Spazierwandern auf und bezeichnet Menschen zwischen ambitionierten Spaziergängern und genussorientierten Kurzwanderern. Ist damit eine neue Zielgruppe für Wanderdestinationen gefunden? Gibt es Unterscheidungsmerkmale zu denen, die bereits bekannt sind, denen man die passende Infrastruktur und verlockende Angebote offeriert? BRÄMER sieht Chancen dieser Wanderform als „Einstiegsdroge für Nichtwanderer“, aber auch als Baustein für Veranstaltungsprogramme, als Teil einer gesundheitlichen Prävention, Rehabilitation und eines barrierefreien Angebots sowie weiteren Möglichkeit, Bildung und Abenteuer mit dem Wandern zu verbinden. Wie steht es aktuell um den Trend Wandern im Allgemeinen - ohne eine Unterscheidung nach den möglichen Arten? Das Bild ist keineswegs einheitlich, verschiedene Studien kommen zu verschiedenen Ergebnissen. BRÄMER bewertet in seiner Publikation von 2015: „Es gibt keinen neuen Wanderboom. Erst recht nicht unter jungen Zeitgenossen“ (http: / / wanderforschung.de/ files/ kein-neuerwanderboom-2015_1503181607.pdf) die Entwicklungen seit der Jahrtausendwende und ihre Interpretationen als neue Wandermythen. „Danach befinden wir uns nach wie vor im Wanderboom, ständig werden neue Fernwanderwege eröffnet und auf Wanderprospekten gehen junge Menschen strahlend quer über Wiesen. Wesentlichen Anteil an der Fortschreibung dieses Wandermärchens hat der Deutsche Wanderverband DWV, die Lobbyorganisation der organisierten Wanderer (welche allerdings lediglich 2 % der Wanderer organisiert).“ (a. a. O., S. 1f.) Die Vergleichbarkeit und die kritische Analyse der aktuellen Untersuchungsergebnisse - Boom oder nicht, das ist hier die Frage - sei BRÄMER als langjährigem wie kompetentem Kenner der Wanderszene überlassen. Als ein Beispiel für die eingeschränkte Vergleichbarkeit von Studien sei genannt, dass es ein höchst wahrscheinlich verzerrtes Bild von Wanderern gibt, wenn die Umfrage ausschließlich online durchgeführt wird. Ein größerer Teil der Wanderer gehört der in der Regel nicht so technikaffinen Altersgruppe an, wohl aber mehr der Gruppe der häufigen Wanderer; diese werden bei einer solchen Befragungsmethode vermutlich unterrepräsentiert sein, während der höhere Anteil jüngerer Personen ein schiefes Bild ergibt - und man daraus den vielleicht falschen Schluss ziehen könnte, dass mehr junge Leute nun die Wanderschuhe schnüren! Einige Resultate aus den neueren Untersuchungen, die dem Touristiker vor Ort als nützliches und derzeit aktuelles Hintergrundwissen vielleicht helfen könnten, seien im Folgenden kurz skizziert. So konstatiert BRÄMER (vgl. <?page no="39"?> 42 Wandertourismus a. a. O., S. 2), dass der Anteil der „bekennenden“ Wanderer von rund 60 % um die Jahrtausendwende, auf 54 % für das Jahr 2010 und auf geschätzt 48 % im Jahr 2015 gesunken sei. Für den Zeitraum seit 2010 macht er einen Schwund des Stammpublikums aus, bei den Gruppen, die mehrmals monatlich wandern, wie bei denen, die einmal im Monat und seltener auf Tour gehen, sind die Zahlen gesunken. „Es ist vor allem das touristisch wichtige Stammpublikum, welches allmählich wegbricht.“ (a. a. O., S. 3) Dazu passt, dass die Motivation zum Wandern nachgelassen habe. Bei einzelnen Motiven sind Verluste von mehr als 10 bis über 20 % zu verzeichnen. Von einem neuen Wanderboom könne keine Rede sein, so der Autor. Einem weiteren „Zeitgeistklischee“ ist er beim Anteil junger Wanderer zwischen 14 und 29 Jahren auf der Spur. „Auch wenn Wanderklamotten nach wie vor weit über die Outdoorszene hinaus up to date sind, gehören die Stichworte ,Boom‘ und ,jung‘ mittlerweile in den Bereich der Legendenbildung.“ (a. a. O., S. 4) In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts konnten zahlreiche Untersuchungen eine „Wiederentdeckung“ des Wanderns in dem besagten Alter ausmachen, doch der Anteil wandernder junger Leute ging von 58 % (2001) stetig zurück auf 36 % (2015). „Die Schrumpfungstendenz des Wandermarkts setzt sich also fort, obwohl dieser sich in den letzten Jahren auf der Angebotsseite mit diversen Qualitätsprodukten regelrecht neu erfunden hat.“ (a. a. O.) Das Interesse an der Natur und ihre Wertschätzung haben nach Befragungen des Bundesamts für Naturschutz in den vergangenen Jahren abgenommen. Tab. 2: Persönliche Bedeutung von Natur Diesseitsparadies - Das Bundesamt für Naturschutz fragt in seinen „Naturbewusstseinsstudien“ seit 2009 nach der „persönlichen Bedeutung von Natur“. ja davon ja, voll und ganz „Ich versuche, so oft wie möglich in der Natur zu sein“ 75/ 75/ 85 31/ 33/ 41 „Es macht mich glücklich, in der Natur zu sein“ 85/ 86/ 91 41/ 41/ 52 „Natur bedeutet für mich Gesundheit und Erholung“ 91/ 93/ 95 53/ 58/ 60 „Ich fühle mich mit Natur und Landschaft in meiner Region eng verbunden“ 81/ 81/ 84 36/ 38/ 43 Quelle: BRÄMER (a. a. O., S. 5) Antwortquoten in % jeweils 2013/ 2011/ 2009 Entgegen dem Trend eines nachlassenden Interesses an der Natur und an der Bewegung in ihr sieht BRÄMER einen Gewinner: „Denn die gezielt qualitätsoptimierten und zertifizierten Wege haben meist Jahr um Jahr an Akzeptanz gewon- <?page no="40"?> Wanderer heute 43 nen. Insofern belegen auch die vorliegenden Daten einmal mehr die Notwendigkeit, sich engagiert dem Wettbewerb um die Publikumsgunst zu stellen.“ (a. a. O.) Weitere Informationen über den „Homo migrans“, seine Verbreitung und sein artspezifisches Verhalten sind dem nachfolgenden Kap. 2.2. zu entnehmen. 2.2 Wer wandert heutzutage wann und wo? Zu Zahlen, Verteilung und Struktur der Wanderer liefert die vom BUNDES- MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLIGIE in Auftrag gegebene Studie (BMWI (2010)) relativ aktuelle Informationen, die die eingangs gestellte Frage beantworten können und damit auch Auskunft über grundlegende Aspekte des Wandermarkts in Deutschland geben können. Bei der Gesamtnachfrage Wandern kam heraus: „Insgesamt können 56 % oder fast 40 Mio. Personen der deutschen Bevölkerung ab 16 Jahren als aktive Wanderer bezeichnet werden.“ (BMWI (2010), S. 24) In dieser Gesamtzahl der Befragten verbergen sich alle Wanderer mit sehr unterschiedlichem Drang ins Grüne: 15 % von ihnen gaben an, regelmäßig zu wandern, 23 % nur gelegentlich und 18 % eher selten - 44 % der Befragten haben mit Wandern nichts am Hut. Mit einem Wert von mehr oder weniger 56 % liegt die grundsätzliche Wanderintensität nach weiteren Studien und einem Blick wenige Jahre zurück konstant auf diesem Niveau. Wie oft die Wanderer im Laufe eines bestimmten Zeitabschnittes ihre Wanderschuhe schnüren, wurde ermittelt. Wiederum ausgehend von der Gesamtmenge aller Befragten, d. h. inklusive der erklärten Nicht- Wanderer, ist festzuhalten: Abb. 1: Wanderhäufigkeit (vgl. BMWI (2010), S. 24) mehrmals im Monat; 15,8% mindestens 5 bis 6mal in einem Halbjahr; 14,2% mindestens 1 bis 2mal pro Halbjahr; 21,3% seltener als 1 bis 2mal pro Jahr; 4,4% weiß nicht; 0,3% Nicht-Wanderer; 44,0% <?page no="41"?> 44 Wandertourismus Wie steht es um die Wanderintensität innerhalb verschiedener Altersgruppen? „Jüngere wie ältere Menschen wandern. Die Regelmäßigkeit der Aktivität Wandern ist allerdings stark vom Alter abhängig: Mit zunehmendem Alter steigt die Bereitschaft zu wandern deutlich an.“ (a. a. O., S. 25) Die stärksten Gruppen unter den regelmäßigen Wanderern sind in der Altersklasse 65 bis 74 Jahre mit 28,4 % zu finden, gefolgt von den 55bis 64-Jährigen mit 19,1 %. Unter den jungen Leuten von 16 bis 24 Jahren geben gerade einmal 5,3 % an, regelmäßig zu wandern. Bei der Gruppe der gelegentlichen Wanderer liegen die prozentualen Anteile der einzelnen Lebensdekaden längst nicht so weit auseinander. Größere Unterschiede bzw. eine markante Abnahme finden sich bei denen, die eher selten wandern: Hier geht der Wert von 27,4 % bei der jüngsten Altersgruppe der Untersuchung stetig zurück bis auf die Gruppe der über 75-Jährigen, von der 9,2 % nur noch selten wandert. Unterschiede in der Wanderintensität zwischen Frauen und Männern konnten dagegen nicht festgestellt werden. Interessant ist die Frage zum geographischen Aspekt der Wanderlust: Gibt es regionale Unterschiede? Da bei den Ergebnissen der oben zitierten Studie Personengruppen gefunden wurden, die so häufig wandern, dass es sich nicht ausschließlich um Urlaubsaktivitäten handeln kann, spielt der Aspekt Tagestourismus hier eine wichtige Rolle und das kann nun auch andere Wandergebiete betreffen als die „klassischen“ Wanderdestinationen. Oder es wäre auch eine grundlegende Überlegung, ob man in den entsprechenden Bundesländern Geld für Werbe- und Marketing-Aktionen ausgeben sollte, wenn dort die erklärten Nicht-Wanderer dominieren. Es gibt in Deutschland ein markantes Süd-Nord- Gefälle, was die Neigung zu wandern betrifft, das heißt die mit Abstand meisten Wandermuffel sind in den nördlichen Bundesländern zu finden. 66 % der Befragten in Schleswig-Holstein gaben an, nie zu wandern, in Hamburg und in Brandenburg liegt ihr Anteil auch noch deutlich über der 50-Prozent-Marke. Als südlichstes Vorkommen von Nie-Wanderern (ca. 60 %) fällt das Saarland auf. Diese Tatsache überrascht, denn die Mittelgebirgsregionen gehören zu den beliebtesten Wanderregionen - nicht nur als Zielgebiete, sondern auch als Quellgebiete für den Wandertourismus. „Die höchsten Anteile aktiver Wanderer finden sich dagegen in den Mittelgebirgsregionen Deutschlands: Die Bevölkerungen von Thüringen und Sachsen weisen mit Abstand die größte Wanderintensität auf - rund 70 % der Bewohner zählen sich zu den aktiven Wanderern. Überdurchschnittlich hoch ist die Wanderintensität auch in den Stadtstaaten Berlin und Bremen (ca. 59 % bzw. 58 %).“ (a. a. O., S. 25) Bekanntermaßen sind es nicht bergige Landschaften, die hier zum Wandern motivieren könnten, sondern wohl eher der Drang „Aus grauer Städte Mauern zieh‘n wir durch Wald und Feld“. <?page no="42"?> Wanderer heute 45 Welche Vorlieben für Landschaftsformen die aktiven Wanderer allgemein oder auch nach den Herkunfts-Bundesländern haben, wurde in der Studie des Wirtschaftsministeriums ebenso ermittelt. Bei den Wanderpräferenzen steht das Mittelgebirge an erster Stelle, rund 40 % der Viel-Wanderer bevorzugen diese Regionen. An zweiter Stelle stehen mit rund 30 % in der Beliebtheitsskala das Flachland und die Küstenregionen. Abgeschlagen scheint das Hochgebirge, das nur 9 % der Wanderer als ihr bevorzugtes Gebiet bezeichnen. Das Gros der Hochgebirgsliebhaber kommt dagegen aus Regionen, die räumlich wie topographisch von den Alpen weiter entfernt liegen. „Die aktiven Wanderer aus Hamburg (ca. 18 %) und Mecklenburg-Vorpommern (16 %) zeigen mit Abstand die höchsten Präferenzen für das Hochgebirge als Landschaftsform zum Wandern - gefolgt von Sachsen, Saarland, Nordrhein-Westfalen und Berlin.“ (a. a. O., S. 26) Bei den Bewohnern von Flachlandbzw. Mittelgebirgsregionen fällt auf, dass diese auch die Landschaftsformen, in denen sie leben, zum Wandern bevorzugen. Die aktiven Wanderer und Einwohner von Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg bevorzugen zu jeweils knapp über 50 % das platte Land, während es die Rheinland-Pfälzer zu ca. 52 %, Sachsen-Anhalter (ca. 54 %), Sachsen (sogar 63 %) und Thüringer (ca. 64 %) mit dem Mittelgebirge halten. Das größte landschaftliche Spektrum als Heimspiel haben die Bayern; für 45 % der Vielwanderer sind das Alpenvorland und das Allgäu die bevorzugten Wanderregionen. Die deutlichen Präferenzen für die Landschaften in der relativen Nähe sind wiederum ein Indiz dafür, dass der Wandertourismus als Tagestourismus oder in Form einer kurzen Reise, wie zum Beispiel eines Wochenendaufenthalts, eine nicht unbedeutende Rolle spielt. Nach der alten Wandererregel „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung“ ist ganzjährig Wandersaison. Natürlich möchte nicht jeder ständig seine Funktionskleidung auf Wasser abweisende oder wärmende Fähigkeiten testen, so dass es schon einen deutlichen Anstieg in der Zahl der Wanderungen im Sommer - mit einem Maximum im August und September - gibt. Aber auch in den Wintermonaten von November bis Februar zieht es noch gut 20 % der Wanderer in die Landschaft. <?page no="43"?> 46 Wandertourismus Abb. 2: Saisonalität der Aktivität Wandern; „In welchen Monaten sind Sie gewandert? “ (vgl. BMWI (2010), S. 24) Zu den soziodemographischen Fakten, die charakteristisch für „die“ Wanderer, sprich: die aktiven Wanderer, sind, gehört ein höherer Bildungsgrad. „Mit zunehmender Wanderhäufigkeit und -intensität steigt der Anteil höherer Bildungsabschlüsse deutlich an. Der Anteil der Abiturienten erreicht bei den regelmäßig und gelegentlich wandernden Personen einen Wert von ca. 32 %, dagegen liegt dieser Anteil bei den Nicht-Wanderern bei nur ca. 15 %“ (a. a. O., S. 39). Die höheren Bildungsabschlüsse schlagen sich in entsprechenden Berufstätigkeiten nieder, so dass sich daraus ableiten lässt - und von den Untersuchungen bestätigt wird, dass das Einkommen von aktiven Wanderern höher liegt. „So verfügen rund 41 % der aktiven Wanderer über ein Haushaltsnettoeinkommen von mindestens 2.250 € - dieses Einkommensniveau erzielen nur ca. 26 % der Nicht-Wanderer.“ (a. a. O. 29) Damit sei deutlich der Fehlinterpretation widersprochen, wer wandere habe kein Geld für ein teureres Urlaubs- oder Freizeitvergnügen! Allein für die optimale Wanderausrüstung, wenn man nicht auf die Angebote bei Discountern zurückgreifen möchte, kann man - ohne rein modischen Trends nachzulaufen - ein ordentliches Sümmchen auf den Ladentisch legen! Einige Details um Ausgaben für die Ausrüstung und den Wirtschaftsfaktor Wandern sind in Kap. 3.2 zu finden. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass zwar in allen Bevölkerungsschichten gewandert wird, aber die Intensität des Wanderns vor allem durch die Faktoren Alter und Bildungsstand bestimmt wird. Dies gilt nicht nur für die höheren 22% 25% 48% 60% 61% 56% 54% 55% 42% 32% 22% 20% 0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% Dezember November Oktober September August Juli Juni Mai April März Februar Januar <?page no="44"?> Wanderer heute 47 Altersklassen, sondern auch für die jüngeren: „Jüngere Personen mit höherer Schulbildung wandern wesentlich häufiger als gleichaltrige Personen mit geringerer Schulbildung. Dieser Zusammenhang wird mit zunehmendem Alter immer stärker.“ (a. a. O., S. 40) Literatur BRÄMER, R. (2015): Spazierwandern. Das kleine Wandererlebnis zwischendurch. Oder: Die anspruchsvolle Alternative für Spaziergänger. Wandern als Natur- und Selbsterfahrung. Wanderforschung.de 4/ 2015. BRÄMER, R. (2015): Es gibt keinen neuen Wanderboom. Erst recht nicht unter jungen Zeitgenossen. Wanderforschung.de (4/ 2014, Stand 3/ 2015). BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin (auch als PDF unter www.bmwi.de). DEUTSCHER TOURISMUSVERBAND (DTV)/ DEUTSCHER WANDERVERBAND (DWV) (2002): Wanderbares Deutschland. Praxisleitfaden zur Förderung des Wandertourismus. 2. Aufl. Bonn/ Meckenheim. 2.2.1 Schulwandern Die Zukunft des Wanderns liegt unter anderem auch im Schulwandern, das die Wandervereine, allen voran ihr Zusammenschluss, der Deutsche Wanderverband (DWV), „entdeckt“ haben. Wenn auch „Wandertage“ bevorzugt in der Zeit vor Schuljahresende eine gewisse Tradition im deutschen Schulalltag haben - als Notlösung, wenn notenrelevante Leistungen nicht mehr gefragt sind und andere pädagogisch wertvolle Lernziele „entdeckt“ werden, so gilt es nun nach dem Vorbild der „Uteskole“ („Draußenschule“) in skandinavischen Ländern, einen Unterricht im Freien nicht nur zur Umweltbildung und direkten Begegnung mit der Natur mit allen Sinnen, sondern auch zur Weiterentwicklung von sozialen Kompetenzen zu fördern. Die Defizite einer modernen Kindheit im Kontakt mit der Natur ( Kap. 7.2) können damit reduziert werden. Das Schulwandern ist auch der Gegenstand eines bundesweiten Projekts, bei dem der DWV als Projektträger und die Johannes Gutenberg-Universität Mainz als wissenschaftlicher Projektpartner beteiligt sind und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) und das Bundes- <?page no="45"?> 48 Wandertourismus amt für Naturschutz (BfN) für den Zeitraum vom 1.1.2014 bis 31.12.2016 insgesamt 996.850 Euro bereitstellen. Das Projekt „Schulwandern - Draußen erleben. Vielfalt entdecken. Menschen bewegen“ aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt hat sich zum Ziel gesetzt, „Lehrer und Lehrerinnen als auch Schüler und Schülerinnen stärker für die Bedeutung und Schutzwürdigkeit der biologischen Vielfalt zu sensibilisieren. Auf diese Weise sollen sie letztlich auch befähigt werden, gesellschaftliche Verantwortung für die biologische Vielfalt zu übernehmen, die auf eigener Natur- Erfahrung beruht.“ (http: / / www.biologischevielfalt.de/ 20143.html ) Im Förderzeitraum der Jahre 2014 bis 2016 werden Modellkonzepte entwickelt und an drei Grundschulen in Baden-Württemberg, Brandenburg und Rheinland- Pfalz bei regelmäßigen „Draußentagen“ praktisch umgesetzt, Erziehungswissenschaftler der Universität Mainz begleiten das Projekt wissenschaftlich (http: / / web5.werbeagentur-aufwind.com/ dwv-microseiten/ / html/ seiten/ output_adb_ file.php? id=5015). Für den Deutschen Wanderverband gehört die Förderung des Schulwanderns zum Alltagsgeschäft; er wirbt ganzjährig für „Wandertage biologische Vielfalt“, erstellt Bildungsmaterialien und bietet seit 2013 in Kooperation mit der Deutschen Wanderjugend (DWJ) auch Fortbildungen zum/ zur zertifizierten Schulwanderführer/ -in an. Inhalte dieser Ausbildung sind: „Pädagogische Grundlagen/ Didaktik, Kinder- und Jugendwanderformen, Bildung für nachhaltige Entwicklung mit Schwerpunkt biologische Vielfalt, Organisation von Schulwanderungen, Orientierung im Gelände und rechtliche Rahmenbedingungen“ (www.schulwandern.de/ text/ 143/ de/ schulwander-projekte.html). Diese Ausbildungen finden in Zusammenarbeit mit regionalen Wandervereinen, wie zum Beispiel dem Sauerländischen Gebirgsverein und seiner SGV-Wanderakademie oder der Heimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg ( Kap. 10.7) des Schwäbischer Albvereins, statt. Zudem hat der DWV mit der Website www.schulwandern.de das erste Schulwanderportal für Lehrer, Umweltbildner, Multiplikatoren sowie Natur- und Umweltschutzverbände geschaffen. Mit welchen Abneigungen sich Schüler auf eine Schulwanderung machen, mit welchen Aktionen man aber Jugendlichen auch zu Spaß an der Bewegung und Entdeckung der Natur verhelfen könnte - als Lehrer oder Touristiker ein attraktives Erlebnis bzw. Angebot gestalten könnte, dazu liefert ein Blick auf die Wandermotive und den altersspezifischen Wanderfrust ( Kap. 2.3.1) nützliches Hintergrundwissen. <?page no="46"?> Wanderer heute 49 Websites Deutscher Wanderverbands zum Schulwandern www.schulwandern.de www.schulwandern.de/ text/ 112/ de/ schulwandern.html www.schulwandern.de/ text/ 143/ de/ schulwander-projekte.html Bundesamt für Naturschutz zum Schulwandern www.biologischevielfalt.de/ 20143.html Flyer Schulwanderprojekt web5.werbeagentur-aufwind.com/ dwv-microseiten/ / html/ seiten/ output_adb_file.php? id=5015 2.3 Was treibt die Wanderer in die Landschaft? 2.3.1 Motive Die Vergleichbarkeit der drei zugrunde liegenden Studien (Profilstudie Wandern 2008, Grundlagenuntersuchung 2010 und Wanderstudie 2014) mag angesichts einer „wissenschaftlichen Goldwaage“ zu einigen Diskussionen Anlass geben, wie es BRÄMER auch formuliert (vgl. S. 2). Doch im Rahmen dieses Grundlagen vermittelnden und an den Bedürfnissen der Praxis orientierten Werkes sollen diese akademischen Reflexe ignoriert werden! Welche für diese Zwecke hilfreichen Erkenntnisse und Trends rund um Wandermotive in Deutschland lassen sich aus diesen Zahlen herausholen? Mit deutlichem Abstand steht bei den befragten Personen der Wunsch, die Natur zu erleben, an erster Stelle. Ist es ein ernst zu nehmendes Zeichen, dass der Prozentsatz dieses führenden Motivs in der jüngsten Studie deutlich abgenommen hat? Nahezu gleichauf sind aktuell die verwandten Motive „sich bewegen, aktiv sein“ und „etwas für die Gesundheit tun“. Im Unterschied zu den älteren Untersuchungen überrascht, dass bei diesen allgemein im Trend liegenden wie durchaus „vernünftigen“ Bemühungen der Zeitgenossen im Bezug auf das Wandern jedoch deutliche Abstriche gemacht werden. „Eine Region zu erleben“ scheint per Pedes auch weniger gefragt zu sein. <?page no="47"?> 50 Wandertourismus Mit den Intentionen „Stress abbauen“, „frische Kraft sammeln“, „in Geselligkeit sein, Gemeinschaft erleben“, „zu sich selber finden“, „auf sich selbst zu besinnen“ sind in den tieferen Rängen der Skala die Gewinner der Wandermotive zu finden. Tab. 3: Wandermotive im Vergleich Rang 18 ausgewählte Motive von 21 Rang Diff. % 2014 % 2010 % Diff. % 2008 1 die Natur erleben 75 87 -12 (88) 2 sich bewegen, aktiv sein 57 72 -15 (52) 3 etwas für die Gesundheit tun 56 65 -9 (70) 4 eine Region erleben 38 54 -16 5 Stress abbauen +2 31 38 -7 (53) 6 den Alltag verbessern 25 33 -8 7 frische Kraft sammeln +1 23 35 -12 8 neue Eindrücke gewinnen -3 22 43 -21 9 etwas Neues entdecken 20 43 -23 10 Stille erleben 19 29 -10 (65) 11 in Geselligkeit sein, Gemeinschaft erleben +1 16 37 -21 (62/ 6) 12 zu sich selber finden +3 12 16 -4 (24) 13 frei sein -2 11 21 -10 14 aktiv Sport treiben 9 21 -12 (18) 15 sich auf sich selbst besinnen +1 8 16 -8 16 viel erleben -3 7 22 -15 17 Horizont erweitern, etwas für die Bildung tun 5 17 -12 18 Religiöse/ spirituelle Motive 1 1 0 Quelle: Wandermotive im Zeitenwandel (2014) Schnitt -12 Bei einem Vergleich der Profilstudien Wandern der Jahre 2003, 2004, 2006 und 2008, die von ihrem methodischen Vorgehen, den zugrunde liegenden Fragen und Antwortvorgaben auch Veränderungen erfahren haben, kommt BRÄMER (a. a. O., S. 5) zu folgenden Erkenntnissen: <?page no="48"?> Wanderer heute 51 Wissen „Der Spitzenplatz des Naturerlebnisses in enger Verbindung mit natürlicher Stille - in deutlicher Abstufung zum Interesse an Flora und Fauna; der ökologisch nuancierte Wunsch nach unberührter Natur bzw. Wildnis fällt dagegen noch drastischer ab, auf etwas niedrigerem Niveau die Neugier auf unbekannte Regionen, ein nur mittlerer [sic! ] Interesse an einer Einkehr unterwegs, das Bedürfnis zur selbstbesinnlichen Innenschau sowie der alternative Drang zu sportliche [sic! ] Leistungen, beides auf mäßigem, extrem konstantem Niveau ein erstaunlich geringer Abenteuerwunsch.“ Eine eigenständige Untersuchung zu den Erwartungen, Meinungen und zum Verhalten Jugendlicher führte BRÄMER in der „Wanderstudie Jugend 07 Aus- Lauf-Modell? “ durch (http: / / wanderforschung.de/ files/ justu07kern1238952226.pdf). Die wichtigsten Ergebnisse sollen zum Verständnis, der sich oftmals weigernden Zielgruppe und als Hintergrundwissen für eventuelle Planungen kurz vorgestellt werden. „Uncool“, „ätzend“ - die Aussicht auf eine Wanderung mit der Schulklasse oder einen Spaziergang wird von den meisten Jugendlichen mit dem gerade gültigen abwertenden Modewort quittiert. „Ich wandere gerne“ gaben gerade einmal 14 % der Befragten an, während 22 % behaupteten „ich gehe gerne spazieren“. Die scheinbare Scheu vor der Bewegung und ein weit verbreiteter Wanderfrust zeigen sich weniger bei anderen Fußaktivitäten, wie dem Trekking (machen 26 % gerne) und dem Joggen/ Waldlauf, die von 41 % gerne praktiziert werden. Bei der Formulierung im Fragebogen „Durch die Gegend zu streifen“, äußerten 43 % ihre Zustimmung. Auf die Aussicht „mich frei bewegen zu können“ fuhren die befragten Jugendlichen dagegen ab, 84 % tun dies gerne. Welche Aspekte bei einer Gruppen-/ Schulwanderung lösen derartigen Frust aus, zählen zu den schlechten Erfahrungen, die dem Jugendlichen das Wandern bereits weitgehend verleidet haben? Die Hitliste aus der Wanderstudie Jugend 07 (a. a. O., S. 11) offenbart Folgendes: Langweilige Wege (69 % empfanden dies als Störfaktor) Belehrungen unterwegs (63 %) Handyverbot (58 %) Zwang zum Zusammenbleiben (52 %) Dauernd nur Gehen ist langweilig (50 %) Man bekommt so schnell Blasen (45 %) <?page no="49"?> 52 Wandertourismus Lehrer dabei (43 %) Moralische Verhaltensregeln (43 %) Lehrer verläuft sich (41 %) Strecke meist zu lang, Tempo meist zu schnell (38 %) Zu anstrengend (31 %) Alkohol- und Zigarettenverbot (28 %) Man verläuft sich so leicht (18 %) Zu viele Mitschüler (16 %) Wie es die Aspekte dieser Aufzählung zeigen, sind die Störfaktoren keineswegs als Naturgesetze vorgegeben, sondern es gibt reichlich Potenzial, aus dem Wanderfrust das eine oder andere Wandervergnügen für Jugendliche zu machen. Dass alleine das Vermeiden der Störfaktoren bzw. ihr Gegenteil zu einem Imagegewinns der Gruppen-/ Schulwanderungen führt, sollte man jedoch auch nicht annehmen! Wanderlust kann man jedoch auch bei Jugendlichen wecken und fördern. Was diese schwierige Zielgruppe in die Natur locken könnte, ist spätestens seit der Wanderstudie Jugend 07 auch kein Geheimnis mehr (a. a. O., S. 17 ff.). 71 % der befragten Jugendlichen nannten als Möglichkeit, Spaß an einer Klassen- / Wanderung zu haben, diese mitzuplanen. „Damit entgehen die Jugendlichen in der Tat der von ihnen so nachdrücklich kritisierten Bevormundung durch Erwachsene und greifen zugleich ein Kernmerkmal des Wandervogels auf. Man will, wie es dieser Alters- und Entwicklungsstufe angepasst ist, die Entdeckung der Umwelt möglichst in die eigene Hand nehmen und die Erlebnisse auf die Bedürfnisse der Gleichgesinnten zuschneiden.“ (a. a. O., S. 17) Wanderprofis wie Helikopter-Eltern mögen durchaus berechtigte Bedenken haben, ob diese Planungen allen Ansprüchen genügen können, aber es wäre pädagogisch entschieden wertvoller, den Jugendlichen einen Freiraum zu lassen und ihnen die Chance zu geben, eigene Erfahrungen - auch schlechte -, zu machen, ihre Grenzen kennenzulernen und am Abbau von Defiziten zu arbeiten. Von Pädagogen und anderen Erwachsenen mag dies viel Geduld verlangen, aber das wird ihnen wiederum auch nicht schaden. Womit lassen sich die jungen Leute noch außer zum selbstbestimmten Wandern locken? BRÄMER fand unter dem Aspekt Landschaften, vor allem den Wunsch nach „unbekannten“ Landschaften (53 %) und den Drang „weg von der Zivilisation“ (47 %). Streng genommen ist das ein eher unrealistischer Wunsch, aber bei der weit verbreiteten Entfremdung von der Natur, lässt sich dieser schon in praktikabler Nähe und sicherlich das eine oder andere Mal von einer Haltstelle des ÖPNV aus ausleben! Bei den Wunsch-Wegen soll es abenteuerlich sein (66 %) oder gleich ohne Weg querfeldein (52 %) gehen. Die Nachfrage nach schma- <?page no="50"?> Wanderer heute 53 len Wegen/ Pfaden ist exakt gleich mit derjenigen nach befestigten Wegen (29 %). Bei einer jugendgerechten Tour spielen viele Pausen und ein Gehen ohne Hektik (54 %) sowie eine zünftige Mahlzeit unterwegs (42 %) eine große Rolle. Genauer nachgefragt, kam zum Vorschein, dass die Rast am Wasser 64 % bevorzugen würden, als zweiter idealer Rastplatz kam die Einkehr bei McDonald’s heraus. Der Filmkonsum schlägt sich auf die Vorstellung von der Orientierung im Gelände nieder, die Spaß machen würde. Mit Nachtsichtgerät würden sich 38 % gerne bei einer Nachtwanderung auf den Weg machen, 34 % fänden den Umgang mit Karte und Kompass spannend und 25 % möchten sich mit der GPS-Navigation in der Landschaft versuchen. Der Anteil derer, die es attraktiv finden, sich vom Smartphone per GPS leiten zu lassen, dürfte seit der Erhebung dieser Daten deutlich angestiegen sein. In seinem Resümee stellt BRÄMER (vgl. a. a. O., S.21) die Frage, ob es angesichts der „nicht unerheblichen Attraktivitätsverluste nahezu aller Naturaktivitäten“ und der Hinwendung zu „technischen Lebensbegleitern“ nicht angebracht sei, dies zu akzeptieren, und darauf zu warten, dass diese jungen Leute später voll im stressigen Berufsleben stehend, auf Natur und „die entspannenden und erholsamen Kräfte des Wanderns“ angewiesen sein werden. Inwieweit der Erwachsene, sei es als Elternteil oder Pädagoge, die moderne Entfremdung der Kinder und - in Fortsetzung - der Jugendlichen von der Natur ( Kap. 7.2) mit den eigenen und gesellschaftlichen Werten in Einklang bringen kann oder hier Handlungsbedarf sieht, ist dessen Entscheidung, aber für Touristiker in Wanderdestinationen empfiehlt es sich auf alle Fälle, Strategien dagegen und Angebote dafür zu entwickeln, schließlich handelt es sich auch um die Gäste der Zukunft. Websites Profilstudien Wandern www.wanderforschung.de/ WF/ wanderstudien/ profilstudien-wandern-kurz.html Aktueller Vergleich der Wandermotive www.wanderforschung.de/ files/ motivreihen_1406262147.pdf Jugendstudie 2007 wanderforschung.de/ files/ justu07kern1238952226.pdf <?page no="51"?> 54 Wandertourismus 2.3.2 Wanderarten Wanderarten lassen sich in vier Gruppen zusammenfassen: nach Konzeption der Tour als Rund- oder Streckentour bzw. nach Länge bzw. Dauer der Tour; nach der Höhenlage in Flachland, Mittelgebirge und Hochgebirge; nach der Motivation zur Wanderung sowie den Themen der Wanderwege. Fürs Praktische ist die Unterscheidung in Rundbzw. Streckentour von großer Bedeutung. Bei einer Rundtour kommt man zum Ausgangspunkt - meist dem Parkplatz, auf dem das Auto steht - zurück. Bei einer Streckenwanderung wird die Rückkehr zum Ausgangspunkt, dem Parkplatz oder die Anbindung an den ÖPNV von fundamentaler Bedeutung. Bei der Länge und damit der Dauer einer Wanderung unterscheidet man zwischen Halbtages-, Tages- und Mehrtageswanderung. Die besondere Herausforderung bei Mehrtageswanderungen ist die Anbindung an Übernachtungsmöglichkeiten, dass diese möglichst nah an der Strecke liegen oder dass es einen Hol- und Bringservice gibt. Die Differenzierung nach Höhenparametern wirkt sich in erster Linie auf unterschiedliche Anforderungen an den Wanderer und seine Ausrüstung aus; es macht einen großen Unterschied, ob man im Flachland, Mittelgebirge oder Hochgebirge unterwegs ist. „Hauptargument dafür ist, dass sich alleine durch wechselnde Höhenlagen die geographischen (u. a. Höhenprofil, Steigungen) und klimatischen (u. a. Luftdruck, Temperatur) Bedingungen stark ändern. Die Belastungsanforderungen an das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat sind dementsprechend unterschiedlich hoch.“ (SCHEUMANN (2003), S. 110; zit. in: DREYER (2010), S. 32) Den drei Höhenregionen ordnen SCHEUMANN/ DREYER verschiedene körperliche Anforderungen zu. Das Wandern im Flachland bedeutet die geringste körperliche Belastung, wenn man daraus nicht gerade eine Marathon- Tour macht. „Die Gelenke werden geschont und der Blutdruck steigt nicht übermäßig an.“ (a. a. O.) Als eine eigenständige Art des Wanderns im Flachland stellt DREYER das Wattwandern heraus, da sich durch das Gehen im morastigen Untergrund spezielle körperliche Anstrengungen ergeben sowie ein erhöhtes Risiko, durch die Abhängigkeit von den Gezeiten bzw. die Gefahr, während einer Tour von der Flut überrascht zu werden und nicht mehr sicher an Land zurückkehren zu können. Im Mittelgebirge sind die Belastungen für den Körper schon deutlich stärker, ein größerer Kraftaufwand wird durch das Relief der Landschaft mit dem häufigen Bergauf- und Bergabgehen gefordert. Dadurch wird die Atemfrequenz erhöht, der Bewegungsapparat wird stärker beansprucht, die lokale muskuläre Ermüdung setzt früher ein und die Körperwärme steigt schneller an (vgl. a. a. O.). Letzteres muss vor allem bei der Wahl der Wanderkleidung ( Kap. 10.2) berücksichtigt werden, auch an das Schuhwerk sind höhere Erwartungen zu stellen - an passenden Wanderschuhen geht hier kein <?page no="52"?> Wanderer heute 55 Weg mehr vorbei! Wesentlich größer als bei Touren im Mittelgebirge sind die Anforderungen an Ausrüstung und Körper bei Wanderungen im Hochgebirge. Beim Wandern im alpinen Raum - das Bergsteigen sei hier nicht berücksichtigt - sind die Belastungen für den Wanderer deutlich größer. Die Höhenunterschiede und größeren Höhenlagen, in denen sich untrainierte Wanderer bewegen, verursachen häufig Atemprobleme, die das allgemeine Wohlbefinden schmälern. Das steilere Gelände strapaziert den Bewegungsapparat wesentlich mehr. Aus diesen Fakten können sich so genannte subjektive Gefahren ergeben, Gefahren, die in erster Linie im Wanderer begründet liegen. Mangelnde Trittsicherheit, verstärkt durch körperliche Belastung bis hin zur Erschöpfung, eventuell fehlende Erfahrungen im alpinen Gelände und deshalb falsche Einschätzung oder Nicht-Erkennen von Gefahren, zum Beispiel bei Wetterveränderungen, oder auch ein Überschätzen der eigenen Fähigkeiten, können sich bei Wanderungen im Hochgebirge fatal auswirken. Hinzu kommen die objektiven Gefahren, die vom Naturraum vor allem oberhalb der Wald- und Almenstufe den Bergwanderer betreffen können. Ein heikler Komplex beim Wandern im Hochgebirge kann das Wetter sein, mit einem plötzlichen Wetterumschlagen, verminderter Sicht und sich rapide verschlechternden Wegverhältnissen zum Beispiel bei nassen, rutschigen Pfaden vor allem im Schrofengelände. Das Wandern lässt sich auch nach der Motivation und den Intentionen der Wanderer unterscheiden, wie den „freiwilligen“ Formen des Genusswanderns, dem sportlichen Wandern, der Gesundheitswanderung ( Kap. 7.1) sowie den oftmals „weniger freiwilligen“ Formen der Schulwanderung ( Kap. 7.1.1), Lehrwanderung oder Exkursion. Das Genusswandern, d. h. Wandern ohne sportliche Ambitionen, dafür Landschaft kennenlernen und Gemeinschaft erfahren, sei es in der Gruppe oder mit Partner/ in, steht hoch im Kurs und gilt als die aktuell beliebteste und häufigste Form des Wanderns, so DREYER (vgl. a. a. O., S. 34). „Das gemeinsame Erleben schöner Aussichten, lange Pausen, Picknick am Waldesrand, der Genuss regionaler Produkte oder Entdeckungen am Wegesrand schärfen die Sinne.“ (a. a. O.) Aus diesen Wünschen und Erwartungen der Wanderer lassen sich in den Wanderdestinationen passende Wege, auch Themenwege und entsprechende Angebote entwickeln. Das gestiegene Interesse der Wanderer daran, die Region authentisch wie kulinarisch zu erleben, schlägt sich bereits in den Kriterien für zertifizierte Qualitätsgastronomie Wanderbares Deutschland und den entsprechenden Gastgebern nieder ( Kap. 6.2). Das sportliche Wandern stellt im Unterschied zum Genusswandern die Bewegung und die körperlichen Anforderungen mehr in den Vordergrund - was jedoch nicht bedeuten soll, dass diese anstrengenderen Formen auch ein Vergnügen sein können und Befriedigung geben! Mehr die Selbstverwirklichung <?page no="53"?> 56 Wandertourismus und Erfolgserlebnisse als der Genuss stehen hier im Fokus. Die sportliche Herausforderung, die natürlich einen trainierten Körper voraussetzt, kann sich durch längere Strecken, schwierigeres Gelände, überwundene Höhenmeter und ein schnelleres Gehtempo ergeben. Zahlen signalisieren Leistungen, mit denen sich Eindruck schinden lässt und man sich Anerkennung in der Freizeit verschaffen kann! Zu den sportlichen Varianten des Wanderns nach DREYER (a. a. O., S. 34ff.) gehören Gipfel- und Höhenwanderungen (zusammengefasst im hochalpinen Wandern), das Fern- und Weitwandern - Pilgern auf dem Jakobsweg wäre das klassische Beispiel dafür -, das Trekking sowie die Expedition. Das hochalpine Wandern lässt DREYER (a. a. O.) in Regionen ab 1500 m NN beginnen, doch diese Grenze scheint für den Alpenraum zu niedrig; mindestens die höher liegende Waldgrenze sollte als Richtwert genommen werden, da erst darüber und eigentlich auch noch über der Höhenstufe der Almen, die schwierigere und typisch alpine Zone beginnt, die einem anspruchsvollen und sportlichen Wandern das passende Gelände bietet. Schmale steile Pfade oder auch Wegeabschnitte, die nur durch die Markierung im Schrofengelände vorgegeben sind, oder auch Passagen über gesicherte Klettersteige erfordern vom Wanderer Konzentration, Trittsicherheit, körperliche Eignung und Fitness, eine gewisse alpine Erfahrung sowie die notwendige Ausrüstung und eine Vorbereitung der Tour. Wenn es auch Fernwanderwege im Hochgebirge, beispielsweise die ausgeschilderte Alpenüberquerung von München nach Venedig oder auch in West- Ost-Richtung von Monaco nach Triest als Via Alpina, gibt, so ziehen sich die längsten in Europa durch viele, auch flache und niedrig gelegene Landschaften, wie der E 1, der vom Nordkap bis nach Sizilien führen und derzeit bis Salerno markiert sein soll. Der berühmteste und geschichtsträchtigste der europäischen Fernwanderwege ist das Netz des Jakobswegs ( Kap. 7.7). An diesem gibt es teilweise eine bis ins Mittelalter zurückreichende Infrastruktur, vor allem Übernachtungsmöglichkeiten, wie sie für einen „modernen“ Fernwanderweg untypisch ist. Der Fernwanderer trägt entweder sein leichtes Zelt samt Zubehör für Übernachtung und Campingküche im Rucksack und/ oder er nutzt die Möglichkeiten, die sich am Wegesrand bieten. Doch es gibt inzwischen auch schon von Spezialreiseveranstaltern Touren auf Fernwanderwegen als Pauschalangebote mit vorgebuchten Übernachtungsmöglichkeiten und Gepäcktransfer. Es liegt in der Natur der Sache, dass Fernwanderwege per se nicht irgendwelchen Qualitätsansprüchen an Wanderwege genügen können, denn sie nutzen das bestehende Wegenetz in den Regionen/ Ländern und müssen zwangsläufig auch auf längeren Abschnitten, zum Beispiel in städtischen Großräumen, über unattraktive Wege und Straßen führen. Über eine Definition des Fernwanderns zu disku- <?page no="54"?> Wanderer heute 57 tieren, ist angesichts des großen Spielraums eher müßig; „zumeist spricht man von einer Fernbzw. Weitwanderung, wenn die Wanderung mindestens drei Tage dauert oder eine Wanderstrecke von mindestens 100 km zurückgelegt wird.“ (a. a. O., S. 35) Eine Gruppe von Weitwanderungen, bei denen die Streckenführung besser den Idealen von Wandererlebnissen angepasst werden kann, sind die Trekkingtouren. Sie führen in der Regel in bzw. durch wenig erschlossene Regionen; zum Abenteuercharakter gehört hier die Fortbewegung auf oftmals nicht ausgebauten Wegen bzw. nicht gespurtes Gelände. Wasserläufe werden häufig nicht trockenen Fußes auf Brücken überwunden, sondern man muss seine Furt selber finden. Bei beliebten Trekkingtouren im Himalaya, dem Everest-Trek zum höchsten Berg der Welt beispielsweise, kann man jedoch auch auf viele wandernde Zeitgenossen treffen und den möglichen einsamen Charakter eines Trekkings sehr vermissen! Dafür lässt die Infrastruktur hier kaum einen Wunsch offen. Grundsätzlich geht es beim Trekking um intensivere bis extreme Naturerlebnisse, dem Hauch von Abenteuer jenseits der gewohnten Zivilisation und der Bewährung und Selbsterfahrung des modernen Menschen in der Wildnis. Der Vollständigkeit halber seien als „Meisterklasse“ und extremste Form des Wanderns noch die Expeditionen erwähnt. Auch wenn die Teilnahme an „Bergexpeditionen“, zum Beispiel mit der Besteigung der höchsten Gipfel in den Hochgebirgen weltweit, nach Katalog gebucht werden kann, so lässt es sich trotzdem rechtfertigen, diesen höchst sportlichen Typ der Fernwanderung in diesem Buch auszuklammern. Eine bedeutende Rolle spielt das Wandern heutzutage für die Gesundheit, auch schon vor der Erfindung des so genannten Gesundheitswandern ( Kap. 7.1.2). „During the past quarter of a century there has been a social movement in the Western world toward more active living, including healthier food, increased exercise and natural health care approaches. With the realization that sedentary lifestyles are contributing to increased obesity and related health problems, trails have been fingered as one of the most salient exercise venues for this movement toward healthier lifestyles.” (TIMOTHY, BOYD (2015), S. 110) Eine Reaktion auf die zunehmenden Gesundheitsprobleme und das Bewusstsein, präventiv etwas unternehmen zu wollen oder zu es müssen, ist das Gesundheitswandern. Die Bewegung bzw. der Spaziergang gehören traditionsgemäß zum Heilungsprozess bei einer Reihe von Krankheiten; sie waren schon immer ein Teil einer Kur - sichtbar und praktiziert in der Wandelhalle und dem vor Wind und Wetter geschützten Gang mit dem Trinkbecher voll heilenden Wassers bis zu den Spaziergängen durch Kurparks und auf entsprechend gestalteten Promenaden. Im heutigen Kurbetrieb wird das Wandern zielgruppengerecht und unter Anlei- <?page no="55"?> 58 Wandertourismus tung eingesetzt, entsprechend ausgeschilderte Wege mit Informationen über objektive Schwierigkeiten und Belastungen ermöglichen es, aber auch ohne eine medizinische/ therapeutische Begleitung Gesundheitswanderwege zu gehen und die ergänzenden Übungen auszuführen. Außerhalb des klassischen Kurbetriebs bietet man oftmals Gesundheitswanderwege auch als Fitnesswege oder als entsprechende Variante der Trimm-Dich-Pfade an. Zu den Wanderarten zählen ebenso die verschiedenen Formen von Lehrwanderungen. Im besten Fall hat die Lehrperson die Wanderung vorbereitet, in den Unterricht oder eine andere Veranstaltung eingebettet, dort einen Bezug zum Lerngegenstand in der Natur geschaffen und dazu passend eine Wanderstrecke gefunden oder selbst erarbeitet. Für den zweiten Teil der pädagogischen Arbeit gibt es inzwischen viele professionelle Angebote von Wanderführungen, „Klassenzimmern draußen“, Workshops in der Natur oder Ähnlichem in Zusammenarbeit mit Naturpark-, Geopark-, Nationalpark-Zentren oder ähnlichen Institutionen. Durchaus lehrreich und für das „Selbststudium“ vor Ort in der Landschaft können Themenwanderungen ( Kap. 7.5) sein. Doch dabei muss es nicht nur um die Vermittlung von Aspekten zur Wanderregion, sei es zu geowissenschaftlichen, historischen, kulturgeschichtlichen oder anderen sichtbaren Zeugnissen gehen, sondern auch um Geschichten, Sagen und Mythen, die mit bestimmten Plätzen verbunden sind. Die Inhalte der Themenwege werden in der klassischen Art mit Informationstafeln vermittelt, aber es gibt auch kreativere Lösungen, vor Ort Wissen unter die Wanderer zu bringen, zum Beispiel durch Erlebnisstationen, die zum Ausprobieren, Experimentieren einladen oder durch „sprechende“ Steine. Literatur DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. TIMOTHY, D. J.; BOYD, S. W. (2015): Tourism and Trails. Cultural, Ecological and Management Issues. Aspects of Tourism 64, Channel View Publications, Bristol. <?page no="56"?> Wanderer heute 59 2.4 Aktuelle Trends im Wandertourismus Als ein erster Überblick seien hier die aktuellen Trends im Wandertourismus zusammengestellt, in den genannten Kapiteln wird tiefer darauf eingegangen. Die Reihenfolge der Nennung beinhaltet keine Rangfolge in einer - ohnehin wissenschaftlich kaum zu ermittelnden - Bedeutung. Außerdem sind bei dem weit verbreiteten Verhalten multioptionaler Gäste ohnehin keine lupenreinen Trennungen zwischen dem Ausleben der verschiedenen Trends möglich, da man je nach Lust und Laune oder aus anderen Gründen mal das eine, dann das andere Angebot präferiert und nutzt. Nicht minder problematisch ist es, den geographischen Raum und die Akteure dafür abzugrenzen. Deshalb sei als Ausgangspunkt der Betrachtungen der Wandertourismus in Deutschland und den Nachbarländern gewählt. In den gefragten ausländischen Wanderdestinationen wird man sich an den Erwartungen der deutschen Wanderer orientieren, denn Gästewünsche zu befriedigen, gehört schließlich zum Grundverständnis touristischer Arbeit! Am Trend Qualität und Premium ( Kap. 6) ist zu beobachten, dass die Qualitätsoffensiven und Zertifizierungen, die vom Deutschen Wanderverband ausgingen, inzwischen auch in anderen europäischen Ländern nach dem deutschen Vorbild übernommen wurden. Das Bestreben, möglichst viel Qualität in die Wanderszene zu bringen, hat auch zur „Entdeckung“ der neuen Zielgruppen Kinder ( Kap 7.3) und Hunde mit ihrem Rudel Zweibeiner ( Kap. 7.4) geführt - auch für sie werden nun Wanderwege geschaffen und zertifiziert. Ihre Wünsche nach Beschäftigung in der Natur versucht man alterswie artgerecht zu befriedigen und damit allen Beteiligten gemeinsamen Spaß am Aufenthalt draußen zu vermitteln. Positive Erlebnisse rund um das Wandern werden gesucht und angeboten, die Freude am Wandern, der Genuss der Landschaft allein reicht nicht immer - mancher moderne Wanderer scheint mehr Erlebniswert zu fordern. Eine Antwort auf diesen Gästewunsch ist das Storytelling, wie es mit Beginn der Wandersaison 2014 in der Allgäuer Trilogie ( Kap. 7.6) in die Tat umgesetzt wird. Als Vorläufer und immer noch aktuelle Form der Wanderung, Informationen über die verschiedensten Aspekte einer Landschaft und dabei auch die eine oder andere geistige Anregung zu geben, bietet das breite Spektrum der Themenwanderwege ( Kap. 7.5). Das Bestreben, Landschaft mit allen Sinnen erleben, fördert u. a. das Interesse an der regionalen und saisonalen Küche im Wandergebiet, so dass dies bereits in den Kriterienkatalog für zertifizierte Wandergastronomie aufgenommen wurde ( Kap. 6.2). Neben der Suche nach kulinarischen Entdeckungen passt dieser Wunsch auch zum umfassenderen Trend, Authentisches kennenlernen zu wollen. Die Gesundheit zu fördern, einen Ausgleich für den in der Regel bewegungsarmen Alltag zu finden oder <?page no="57"?> 60 Wandertourismus auch gezielt als Vorbeugung, Linderung oder Heilung bestimmter Beschwerden oder Krankheiten nicht nur des Bewegungsapparats, brachte das Gesundheitswandern ( Kap. 7.1.2) hervor, zu dem es nicht nur die passenden Wanderwege, sondern auch die entsprechend zertifizierten Gesundheitswanderführer gibt. DREYER (2010, S. 274ff.) fasst die aktuellen Trends folgendermaßen zusammen und deutet mögliche Reaktionen auf der Anbieterseite an - „Mögliche Werkzeuge im Rahmen der zunehmenden Segmentierung und Ausdifferenzierung auf dem Wandermarkt sind Themenmarketing und Zielgruppenansprache unter der Beachtung zukünftiger Wandertrends.“ Sein Trend 1: Gesünder liegt nicht nur im Zeitgeist begründet, dem Fakt, dass sich Gesundheit zu einem „eigenständigen Konsumgut“ entwickelt hat, sondern auch als Folge des demographischen Wandels, der Industrialisierung - sinnvoller wäre es vielleicht von der Arbeitswelt allgemein zu sprechen - sowie den Veränderungen im Gesundheitswesen. Da Krankenkassen schon seit geraumer Zeit ihre Leistungen zurückfahren, liegt es stärker in der Verantwortung des Einzelnen, bewusster mit seiner Gesundheit umzugehen und u. a. auch manchem eigenverantwortlich und auf eigene Kosten vorzubeugen. Aber auch Reiseveranstalter haben sich auf die Veränderungen im Gesundheitswesen eingestellt und bieten innerhalb gesundheitsorientierter Urlaubsreisen Präventionsmaßnahmen an, die von Krankenkassen bezahlt werden. Welchen Stellenwert Gesundheit in der Gesellschaft bekommen hat, zeigt sich in der neuen Kundengruppe der LOHAS (lifestyle of health and sustainability). Trend 2: Spiritueller betrifft die wieder modern gewordene Sinnsuche, die für eine Wiederbelebung der traditionsreichen Fernwanderungen auf Pilgerwegen, allen voran dem Jakobsweg, gesorgt hat. Dabei steigt nach Schätzungen die Zahl derer, die sich nicht aus religiösen Gründen auf Pilgerschaft begeben. Diese Wege und damit verbundenen Fernwanderungen werden zunehmend für die persönliche Sinnsuche und als Chance genutzt, wieder einmal zu den natürlichen Wurzeln zurückzukehren und dabei neue Kräfte zu tanken oder die Wanderschaft als „Reise zum Ich“ zu verstehen und davon physisch wie psychisch zu profitieren. Darin spiegelt sich die Sinngesellschaft nach Romeiß-Stracke (http: / / kupoge.de/ kongress/ 2005/ dokumentation/ romeiss-stracke.pdf) wider. Das Verlangen und Bedürfnis nach einer Auszeit durchaus auch im religiösen Kontext wird bei allgemeinen Lebensbedingungen in der westlichen Gesellschaft vermutlich zunehmen. Die gestiegenen Angebote und Nachfragen nach Auszeiten in Klöstern gehören ebenfalls zu den Trends der neuen Sinngesellschaft. Als eine Reaktion auf unseren bewegungsarm gewordenen Alltag ist Trend 3: Aktiver zu sehen und so DREYER (a. a. O., S. 277): „Es entwickelt sich eine neue Bewegungs- und Körperkultur, die auch dem Wandertourismus hilft. Und die als Triebfeder der Sportartenentwicklung bekannte Sportartikelindustrie trägt <?page no="58"?> Wanderer heute 61 mit immer funktionellerer Kleidung dazu bei, dass bei unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, Kälte oder Hitze, die Freude am Wandern nicht leidet.“ Das weiter verbreitete Anspruchsdenken spiegelt sich im Trend 4: Anspruchsvoller wider. Hohe Erwartungen an Qualität und Service finden ihren Niederschlag im Festlegen von Standards und den darauf folgenden Zertifizierungsaktionen, einem großen Betätigungsfeld des Deutschen Wanderverbands. Zu den gestiegenen Ansprüchen in Sachen Qualität kommt noch die Erwartung hinzu, einen höheren Erlebniswert, als es die Natur allein bieten kann, beim Wandern zu bekommen. Trend 5: Erlebnisreicher fordert vor allem die Touristiker vor Ort heraus, den Wanderwegen mehr als einen gelenkschonenden Belag und eindeutige Markierungen zu geben. Möglichst viele Sinne des Wanderers sind anzusprechen, um ihm einen größeren Eindruck von einem „Erlebnisort“ zu vermitteln. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, auch die Emotionen - natürlich im positiven Sinne - anzuregen. „Erfolgreich sind die Inszenierungen themenbezogener Wegekonzepte, bei denen entlang eines ‚roten Fadens‘ der Erlebnisinhalt in Form von Geschichten, "Storytelling“, Möblierung etc. vermittelt wird. Dies kann in Form von Inszenierungen einzelner Orte (Erlebniszonen) auf dem Weg geschehen.“ (a. a. O., S. 279) Der Trend 6: Kultureller bedeutet, dass der Wanderer nicht unbedingt nur das Erlebnis in der Natur sucht, sondern die Landschaft, in der er sich bewegt, umfassender kennenlernen möchte, vor allem die Suche nach dem Typischen, dem Authentischen treibt ihn an. Und dies beschränkt sich keinesfalls auf ein Abhaken von Sehenswürdigkeiten am Wegesrand, auch das Erlebnis der regionalen Alltagskultur von kulinarischen Spezialitäten bis zu Festen und Traditionen gehört dazu. Der Wunsch, mehr über die Wanderregion zu erfahren, steht im Einklang mit Ergebnissen von Studien über das Bildungsniveau von Wanderern. Dieses ist in den letzten Jahren gestiegen und liegt weit über dem Bundesdurchschnitt. (vgl. a. a. O.) „Waren es im Jahr 2000 gerade noch 25 Prozent der Wanderer mit Hochschulabschluss, so sind es in 2005 bereits 41 Prozent“ (a. a. O., S. 279f.). Natürlich geht es bei jeglicher Wissensvermittlung nicht darum, diese umfassend oder gar schulmeisterlich zu gestalten, sondern der Erlebniswert und ein gewisser Spaßfaktor sind hier bei Didaktik und Methodik gefragt - egal ob es sich um die Informationstafeln am Wegesrand handelt oder ob ein Wanderführer das Thema präsentiert. Zu den in der Landschaft unübersehbaren Zeichen dieses Trends gehört die wachsende Zahl von Themenwegen, von der Halbtages-Tour bis zum Fernwanderweg unter einem bestimmten Motto. Die zunehmende Verbreitung von Hightech-Geräten, von digitaler Kommunikation und Information schlägt mit dem Trend 7: Technischer auch im Wandertourismus nieder. Neben den üblichen Informationsmöglichkeiten rund um den Tourismus gibt es bereits sehr spezialisierte Websites von Wanderdesti- <?page no="59"?> 62 Wandertourismus nationen, auf denen sich der Wanderer bereits zu Hause bei der Vorbereitung Karten, Höhenprofile sowie anderes nützliches Wissen um seine geplante Tour herunterladen kann. Daneben findet man auf überregionalen Wanderportalen ebenfalls Tourenvorschläge und praktische Informationen, auf derzeit noch wenigen Bewertungsportalen und Wander-Communities können Wanderer sich austauschen. Großes Potenzial sieht DREYER (a. a. O., S. 281) in diesem Bereich unter anderem zur Darstellung der Destinationen, zur Kundengewinnung und -ansprache oder auch, um dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit bei der Urlaubsplanung nachzukommen. „Es gilt, mit neuen, innovativen Technologien und Angeboten an den ,neuen Wandergast‘ heranzutreten. So würden sich über die Hälfte der Wanderer (57 %) über das Angebot von ,Wanderfernsehen‘ freuen, 27 % können sich ein Internetportal für Last-Minute-Wanderreisen vorstellen und 12 % der Wanderer wünschen sich eine Wanderreisepartnervermittlung über das Internet.“ (a. a. O.) Deutliche Zeichen für den Technik-Trend draußen in der Landschaft und in der Hand des Wanderers sind zum einen das zunehmend beliebte Geocaching und zum anderen die häufigere Orientierung mit Navigationsgeräten anstelle der „altmodischen“ Wegesuche mit Karte und Kompass. Literatur DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. Ein Wandel im Zeitgeist, der sich auch im Tourismus niederschlägt: Von der Spaßgesellschaft zur Sinngesellschaft. http: / / kupoge.de/ kongress/ 2005/ dokumentation/ romeiss-stracke.pdf 2.5 Winterwandern durch verschneite Landschaften Es ist kein Widerspruch: Das Winterwandern profitiert vom Klimawandel und dies heute schon! Mag in schlechten Jahren der natürliche Schnee schon kaum mehr für den Pistenbetrieb reichen, da langt selbst in niedrigeren Lagen der weiße Belag auf den Wegen für Naturerlebnisse und sportliche Betätigung in der Winterlandschaft. Bereits heute lässt sich zunehmend beobachten, dass die Gäste in Wintersportorten nicht mehr nahezu ausschließlich am Abfahrtsskilauf interessiert sind und dass es auch zunehmend Besucher in der kalten Jahreszeit gibt, die gar nicht Ski laufen wollen. Das Spazierengehen und Wandern auf <?page no="60"?> Wanderer heute 63 präparierten, gewalzten Wegen, aber auch Schneeschuhwanderungen durch ungespurtes Gelände gehören heute schon zu den selbstverständlichen Angeboten einer Wintersportdestination. Schneeschuhwandern gilt in den Alpen und Mittelgebirgen als eine Trendsportart. Die wachsende Beliebtheit des Schneeschuhwanderns fördern auch noch die Tatsachen, dass es grundsätzlich von allen Altersklassen ausgeübt werden kann, mit relativ geringen Ausgaben für eine Ausrüstung, sowie dass es ohne eine besondere Ausbildung möglich ist. Abb. 3: Wandern mit Schneeschuhen (Quelle: eigenes Foto) Praxis: Ausrüstung fürs Winterwandern Für den ersten Überblick und Einstieg in das Winterwandern - ohne Langlauf- oder Tourenski unter den Füßen - seien folgende Tipps für die richtige Ausrüstung gegeben, die für Sicherheit wie Spaß und Genuss in der verschneiten Landschaft sorgen. Ohne hohe Wanderschuhe mit einer Profilsohle geht gar nichts. Die Schuhe mit einem Schaft, der über die Knöchel reicht, bieten dem Fuß mehr Halt sowie Wärme und verhindern stärker das Eindringen von Schnee. <?page no="61"?> 64 Wandertourismus Gegen Schnee, der sich von oben in die Schuhe und von unten in die Hose schiebt, helfen Gamaschen. Schneeschuhe geben den Füßen eine größere Auflagefläche, so dass man nicht tief in den Schnee einsinkt - bei einer Tour durch den Schnee, egal ob es sich um lockeren Pulverschnee oder um eine vereiste Schneedecke handelt, ermüdet das Spuren und Stapfen beachtlich, so dass ein Gehgenuss garantiert nicht aufkommt. Welcher Typ Schneeschuh für die Winterwanderpläne der richtige ist, bringt eine Beratung im Sportgeschäft! Dort lasse man sich auch gleich die geeigneten und auf die richtige Größe eingestellten Wanderstöcke verpassen. Als Rutschbremse auf vereistem Untergrund helfen Grödel, die als „Spikes“ unter die Schuhe geschnallt werden. Da Winterwanderungen, insbesondere solche auf Schneeschuhen durch ungespurtes Gelände einen sportlichen Charakter haben, da das Gehen deutlich anstrengender ist, gehört Funktionskleidung im Zwiebelschalenprinzip zum absoluten Muss. Über den Rucksack und seinen Inhalt sei an dieser Stelle nicht weiter eingegangen, nur noch der Hinweis auf einen guten Sonnenschutz für Haut und Lippen mit hohem Lichtschutzfaktor und natürlich auf eine Sonnenbrille sei gegeben. Bei längeren geplanten Touren sollte man eine Taschenlampe dabei haben, denn schließlich sind die Tage wesentlich kürzer und falls sich die Wanderung hinzieht, weil man sich mit den besonderen Anforderungen verschätzt hat, kommt man immer noch sicher zurück. Nach der Studie des Bundeswirtschaftsministeriums (2010) steht bei den Winterwanderungen vor allem das Naturerlebnis im Vordergrund und die Möglichkeit, etwas für die Gesundheit zu tun. „Abschalten und sich bewegen und dabei Stress abzubauen sind Motive, die den Winterwanderern deutlich wichtiger sind. Zurück tritt dagegen die Bedeutung von sozialen und kommunikativen Aspekten. Winterwandern wird auch stärker als aktiver Sport verstanden.“ (a. a. O., S. 56) Das Wandern durch die verschneite Winterlandschaft bedeutet für die Natur eine größere Belastung, insbesondere wenn es in sensible Bereiche führt. Auf Schneeschuhen werden Gebiete zugänglich und auch gerade dadurch attraktiv, weil sie von Skifahrern und Langläufern wegen der fehlenden Lenkung durch Pisten und Loipen in der Regel nicht befahren werden. Dazu gehören die Ge- <?page no="62"?> Wanderer heute 65 biete unterhalb bzw. an der Waldgrenze bevorzugt auf aussichtsreichen Rücken und Graten. Hier befinden sich nämlich wichtige Wintereinstandsgebiete für Schalenwild (vor allem Reh- und Gamswild) und ebenso die Lebensräume der seltenen und störungsempfindlichen Raufußhühner (Hasel-, Auer-, Birk- und Schneehuhn). „Wenn Wildtiere überrascht werden, flüchten sie panikartig. Kommt dies öfter vor, können daraus lebensbedrohliche Situationen entstehen: Bei Flucht, vor allem im hohen Schnee, wird viel Energie verbraucht, die die Tiere eigentlich für das Überleben im Winter und die Fortpflanzung im Frühjahr benötigen. Folgen des unfreiwilligen Verlassens von guten Lebensräumen sind nicht nur die Schwächung der Tiere bis hin zum Tod, sondern beim Schalenwild beispielsweise auch die erhöhte Verbissbelastung des Waldes. Dieser verstärkte Verbiss kann im Gebirge den Lawinenschutzwald schwächen und langfristig sogar zerstören.“ (http: / / www.lfu.bayern.de/ natur/ freizeitnutzung/ tier_wintersport/ schneeschuhwandern/ index.htm) Futterstellen sollte man umgehen und Lärm vermeiden, die Wildtierlebensräume erkennen und den Wildtieren ausweichen und wenn es möglich ist, auf bereits ausgewiesenen Skitouren unterwegs sein - ohne dabei die Aufstiegsspuren der Skitourengeher zu beschädigen. Eine weitere Belastung der Tierwelt bedeuten die Wanderungen in der Dämmerung oder in der Nacht, die als Mondscheintouren oder Fackelwanderungen oder auch mit Iglu-Übernachtung angeboten werden. Diese Unruhe im Rückzugsgebiet verhindert, dass die Wildtiere selbst in der sonst für sie „sicheren“ Nacht zur Ruhe kommen (vgl. a. a. O.). Praxis Winterwandern kann die Natur schädigen Eine Landschaft unter einem dicken weißen Schneepolster bedeutet nicht für alle Lebewesen Winterschlaf. Gerade das Schneeschuhwandern, das in Bereiche führen kann, die von den Wildtieren als Rückzugsgebiete genutzt werden, kann unerwünschte Folgen haben. Deshalb rät der Deutsche Alpenverein in seinen „Natürlich auf Tour-Tipps“ für Winterwanderungen im Gebirge: Routenempfehlungen, Markierungen und Hinweise der DAV- Kampagne „Natürlich auf Tour“ beachten. Schutz- und Schongebiete für Pflanzen und Tiere respektieren, Lärm vermeiden. Lebensräume erkennen: Wildtieren möglichst ausweichen, sie nur aus der Distanz beobachten, Futterstellen umgehen, Hunde anleinen. <?page no="63"?> 66 Wandertourismus Im Hochwinter Gipfel, Rücken und Grate vor 10 Uhr und nach 16 Uhr meiden. In Waldgebieten und an der Waldgrenze auf üblichen Skirouten, Forst- und Wanderwegen bleiben, Abstand zu Baum- und Strauchgruppen halten. Aufforstungen und Jungwald schonen. Die Touren mit Führern und Karten planen, die das DAV-Gütesiegel „Natürlich auf Tour“ tragen. Quelle: http: / / www.alpenverein.de/ natur-umwelt/ natuerlich-auf-tour/ 10-tipps-auftour_aid_14586.html Am Beispiel von Bayern sei einmal ein Blick auf die rechtliche Lage rund um das Schneeschuhwandern geworfen. Nach dem Betretungsrecht ist es grundsätzlich erlaubt, zum „Genuss von Naturschönheiten und zur Erholung alle Teile der Natur ohne behördliche Genehmigung und ohne Zustimmung des Grundeigentümers bzw. -berechtigten unentgeltlich zu betreten.“ (BayNatSchG, zit. a. a. O.) Dies gilt nur für die übliche Form der privaten Freizeitgestaltung und Sportausübung. Für einige mögliche Bereiche gibt es jedoch gesetzliche Verbote (a. a. O. - konkrete Gesetzesartikel wurden weggelassen! ): „Auf behördlich allgemein oder für eine bestimmte Sportart gesperrten Skiabfahrten, Rodelbahnen und Loipen. Auf Wegen und Flächen in Schutzgebieten oder Bereichen mit behördlichen Einschränkungen. Auf von Grundstücksberechtigten gesperrten Flächen in der freien Natur. Auf den nach der Straßenverkehrsordnung beschilderten öffentlichen Straßen und Wegen sowie Privatwegen in der freien Natur mit Verbot für Fußgänger (auch auf Sonderwegen für Radfahrer oder Reiter). Auf nicht nach der Straßenverkehrsordnung beschilderten, aber durch den Grundstücksberechtigten gesperrten Privatwegen in der freien Natur ohne dessen Zustimmung.“ <?page no="64"?> Wanderer heute 67 Abb. 4: Ein Winterwanderweg in den Kitzbüheler Alpen (Quelle: eigenes Foto) Für Tourismusgemeinden empfiehlt das Bayerische Landesamt für Umwelt (u. a. in seiner Handreichung für Tourismusgemeinden zur naturverträglichen Lenkung von Freizeitaktivitäten): „Festlegung und Ausschilderung von Trails, die sowohl natur- und wildtierschonend als auch landschaftlich reizvoll für Schneeschuhwanderer sind. Einheitliche und übersichtliche Beschilderung der Routen. Keine Touren in sensiblen Wildtierlebensräumen ausweisen. Ausweisung von Wildtierruhezonen, um Störungen für Wildtiere zu vermeiden (Schutzverordnungen erforderlich! ) Eventuell Wegegebote für besonders sensible Zeiten (Rechtsgrundlage erforderlich! ); Einsatz von Gebietsbetreuern/ Rangern. Sensibilisierung von kommerziellen Anbietern und Schneeschuhwanderen: Information und Aufklärung über die Auswirkung von Störungen mit Hilfe von Übersichtstafeln, Flyern. Kommunikation über Naturschutzverbände und deren Verbandszeitschriften.“ Als Fazit schließt das Bayerische Landesamt für Umwelt: „Grundlage erfolgreicher Lenkungsmaßnahmen ist eine Kooperation von allen Beteiligten, <?page no="65"?> 68 Wandertourismus sprich Forst- und Naturschutzverwaltung, Tourismusvertretern, Deutschem Alpenverein - DAV, Jagdverband sowie Naturschutzverbänden.“ Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010) Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) Websites Bayerisches Landesamt für Umwelt zum Schneeschuhwandern www.lfu.bayern.de/ natur/ freizeitnutzung/ tier_wintersport/ schneeschuhwandern Deutscher Alpenverein zum Skibergsteigen http: / / www.alpenverein.de/ natur-umwelt/ natuerlich-auf-tour/ hintergrund/ faqinfos-zu-natuerlich-auf-tour_aid_14590.html Zusammenfassung Ca. 40 Millionen der deutschen Bundesbürger über 16 Jahren wandern, dies jedoch unterschiedlich intensiv. Spazierengehen und Wandern gehören zu den beliebtesten Freizeit- und Urlaubsbeschäftigungen; dabei wandert die Altersgruppe zwischen 64 und 75 Jahren am häufigsten regelmäßig, gefolgt von den 55bis 64-Jährigen. Wer viel wandert, hat einen höheren Bildungsgrad und dementsprechend auch ein höheres Einkommen. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Kindern und Jugendlichen gelten: Nicht nur im Hinblick auf den zukünftigen Wandertourismus, sondern heute schon, da das Wandern helfen kann, bei Kindern zivilisationsbedingte Defizite abzubauen. Naturerlebnisse gehören zu einer gesunden Entwicklung dazu und sensibilisieren für die Umwelt. Modellkonzepte für das Schulwandern sind in ihren Erprobungsphasen, auch der DWV engagiert sich darin. Eine deutlichere Spezialisierung auf neue Zielgruppen, wie Familien mit Kleinkindern, Wanderer mit Hund, schlägt sich in ersten neuen zertifizierten Wegen nieder. <?page no="66"?> Wanderer heute 69 Das Winterwandern könnte trotz/ gerade wegen des Klimawandels an Bedeutung gewinnen - als alternatives Angebot, wenn die Schneemengen nicht mehr für den Skilauf reichen. Als wichtigster aktueller Trend im Wandermarkt ist das Bestreben nach Qualität in der Wanderinfrastruktur und im dazugehörenden Service zu sehen. Für die Zukunft vermutet DREYER, dass das Wandern „gesünder, spiritueller, aktiver, anspruchsvoller, erlebnisreicher, kultureller und technischer“ werden könnte. <?page no="68"?> 3 Wanderglück verkaufen - Management und Marketing Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Welche Landschaften bevorzugt der deutsche Wanderer? Welche Wirtschaftskraft steckt im Markt Wandertourismus? Wanderer sind häufig auf der Suche nach dem authentischen Erlebnis. Wo/ wie kann dieses Bedürfnis befriedigt werden? Welche Summen werden auf dem bundesdeutschen Wandermarkt nach offiziellen Schätzungen umgesetzt? Lässt sich von diesem „Kuchen“ etwas in strukturschwache ländliche Regionen bringen? Die erfolgreich agierende Wanderdestination. Der Deutsche Wandertag - ein Wirtschaftsfaktor und Geschenk für die Marketingabteilung des jeweiligen Austragungsortes. 3.1 Die Wanderdestination 3.1.1 Die angesagten Landschaftsformen Was ist eine schöne, für das Wandern attraktive Landschaft? Hierzulande bevorzugt man eine hügelige, bergige Landschaft, eines der zahlreichen Mittelgebirge, an denen Deutschland in einem großen Bogen vom Harz über das Rheinische Schiefergebirge, vom Pfälzer Wald über den Odenwald, Schwarzwald bis zum Bayerischen Wald schließlich über keinen Mangel klagen muss, hinzu kommt noch der - wenn auch kleine - Anteil am Alpenraum. Umfragen zur Landschaftsästhetik im Rahmen der Profilstudien Wandern 1998 bis 2008, so BRÄMER ((2013), S. 3), ergaben „eine klare Präferenz für mittlere Höhen“. Dabei weist er jedoch auf die Feldforschung hin, die Befragungen im Flachland vernachlässigt hat - was jedoch auch schon wieder eine interessante und bezeichnende Aussage ist, dass sich selbst Kenner des Wanderverhaltens nicht in diese „Tiefen“ herablassen und hier vermutlich zu mühsam nach der Spezies „Homo migrans“ suchen müssten! Ein bemerkenswertes Er- <?page no="69"?> 72 Wandertourismus gebnis aus den Untersuchungen ist, dass „jeweils der Landschaftstypus mehrheitlich bevorzugt wird, in welchem sich die Befragten gerade bewegen: Mittelgebirge in den Mittelgebirgen, Alpen in den Alpen“ (a. a. O., S. 9). Ist daraus zu schließen, dass man wenig experimentierfreudig nur dort wandert, wo man es schon immer am schönsten fand? Abb. 5: Die Vulkaneifel, eine beliebte Wanderregion mit geologischen Attraktionen (Quelle: eigenes Foto) Die größte Attraktivität von „mittleren“ Höhen gilt - nun nicht an exakten Höhenmetern festzumachend - auch für den Hochgebirgsraum. In den Alpen schätzt der befragte Wanderer auch am meisten die Höhenlage der Almen, das höher gelegene Terrain mit Felsen etc. ist deutlich weniger gefragt. Welche Elemente in der Landschaft in mittleren Höhen werden als Kulisse für eine gelungene Wanderung betrachtet? Hoch im Kurs steht der Wald; Naturschutzgebiete und andere unberührt erscheinende Reservate gelten als sehenswert, jedoch als Teil eines Nationalparks schon wieder weniger. „Diese Zurückhaltung gegenüber ökologischen Highlights ist auch aus anderen Studien bekannt und dürfte einen Grund nicht zuletzt in der starken Reglementierung des Naturzugangs in solchen Reservaten haben.“ (a. a. O., S. 4) Bei den Gewässern gelten kleinräumige Teiche, Seen, Bäche und Flüsse als besonders attraktiv. <?page no="70"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 73 Ein wichtiger Aspekt in einer schönen Landschaft sind die Aussichtpunkte, doch das heißt keineswegs, dass es die Gipfel sein müssen! „Die Aussicht ist Wanderern wichtiger als die Aussichtshöhe - auch in den Mittelgebirgen mit seinen eher sanften Gipfeln, weit mehr noch in den Alpen. Sogar der Wald und einschlägige Gewässer machen den Gipfeln Konkurrenz. Die landschaftlichen Höhepunkte decken sich also keineswegs automatisch mit den topographischen Höhepunkten, wie das immer noch mancher Alpintouristiker ungeprüft zu glauben scheint.“ (a. a. O., S. 3). Weiterhin wurde festgestellt, dass Aussichtstürme die direkte Aussicht vom Weg oder Gipfel nicht ersetzen können; „Es bringt offenkundig mehr, diese frei zu stellen oder zu halten, als den Wanderern das Erklimmen nicht selten allzu luftiger Türme zuzumuten.“ (a. a. O.) Für die Praxis sei noch einmal betont, dass es von Vorteil ist, die direkte Umgebung von Aussichtskanzeln ständig zu pflegen und auch historische Blickachsen in die Landschaft konsequent frei zu halten, bevor es die Grundsatzdiskussionen mit Baumschützern gibt! Literatur BRÄMER (2013) (Landschaftsästhetik elementar. Worauf Wanderer wieviel Wert legen. In: wanderforschung elementar 9/ 2013, ergänzt 10, 2013. 3.1.2 Wanderhotels, Wandergastronomie und Wanderdörfer Zwei wesentliche Aspekte haben Wandergastronomie, Wanderhotels und Wanderdörfer zu erfüllen: Zum einen müssen sie auf die Bedürfnisse von Wanderern ausgerichtet sein und zum anderen können sie die von vielen Wanderern gewünschte Authentizität bieten. Bezeichnungen wie Wandergasthof, Wanderhotel und Wanderdorf sind nicht geschützte Begriffe; erst wenn es sich beispielsweise um einen Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ ( Kap. 6.2) handelt, ist dies ein nach festgelegten Kriterien überprüfter Betrieb, der für drei Jahre dieses Zertifikat erhalten hat und damit auch werben und die entsprechende Plakette an seinem Hauseingang befestigen darf. Der Wanderer kann ziemlich sicher sein, dass dieser Übernachtungsbetrieb die Erwartungen und Wünsche eines Wanderers kennt und erfüllen kann - Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel! Für Wanderlaien, die noch nie geschafft, durchgeschwitzt oder vom Regen aufgeweicht am Abend an der Tür ihres Wanderquartiers standen, seien die elementaren Bedürfnisse des „Homo migrans“ kurz zusammengefasst: Wer über Durst und Hunger erst einmal hinwegsehen kann und noch zum voraus- <?page no="71"?> 74 Wandertourismus schauenden Planen in der Lage ist, kümmert sich um die Gelegenheit, bis zum nächsten Morgen wieder trockene Schuhe, Kleidung und sonstige Ausrüstung zu bekommen. Von einem Wandergastgeber - egal in welche Kategorie sein Betrieb einzuordnen wäre - erwartet man Kenntnisse über die nähere Wanderregion und aktuelle Informationen rund um das Wandern, vom Wetter über Insider-Tipps bis zu Fahrplänen. Aber auch das Wissen um Reparaturmöglichkeiten an der Wanderausrüstung, Verleih oder die Möglichkeit für den Ersatz typischer Verschleißteile, wie zum Beispiel Schnürsenkel, werden vom Wandergastgeber erwartet. Und zu guter Letzt soll ein Wandergastgeber ebenso für das leibliche Wohl seiner Zielgruppe sorgen und dabei die besonderen Bedürfnisse bei der Ernährung befriedigen, wenn dies gewünscht wird, und ebenso Lunchpakete für das nächste Picknick am Wegesrand vorbereiten. Zunehmend wird wie bei anderen Formen des Tourismus auch beim Wandertourismus Authentisches aus der Region nachgefragt, was sich in angenehmer Form auf der Speisekarte niederschlagen sollte. Für eine erfolgreiche Zertifizierung zum Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ müssen Speisen aus der regionalen Küche angeboten werden. Als Beispiel einer grenzüberüberschreitenden Wanderhotel-Kooperation sei die erste dieser Art, die 1995 in Südtirol gegründete Vereinigung der „Europa- Wanderhotels“, genannt, die von 36 Wanderhoteliers aus Österreich, Südtirol, Deutschland und der Schweiz ins Leben gerufen wurde. „Mit dem Markenrelaunch 2012 treten die Pioniere der Wanderhotels als „Wanderhotels - best alpine“ auf und setzen den hohen Qualitätsanspruch auch nach mehr als 20 Jahren fort.“ (http: / / www.wanderhotels.com/ de/ ueber-uns) Aktuell (2016) gehören 66 Betriebe zur Kooperation. Neben den Anforderungen, die oben kurz angerissen wurden, müssen Wanderhotels als festes Quartier für einen Wanderurlaub im Unterschied zum Übernachtungsbetrieb an einer Etappenwanderung auch noch einen erweiterten Service mit geführten Touren, Wanderprogrammen als Veranstalter oder in Kooperation und Möglichkeiten für wanderfreie Tage anbieten. Zu den grenzüberschreitenden Wanderquartier-Kooperationen, die jedoch weit älter als diese Hotel-Vereinigung sind, gehören die Berghütten der Alpenvereine ( Kap. 1.3.1), die Naturfreundehäuser ( Kap. 1.3.2), die Jugendherbergen ( Kap. 1.3.3) sowie die Wanderhütten, -häuser von regionalen Wandervereinen. Auf der touristischen Landkarte sind auch ganze Wanderdörfer zu finden. Den Begriff prägte man in Österreich. Als Ableger der Österreich Werbung wurde 1991 der Verein und Marketingverbund „Dorfurlaub in Österreich“ gegründet, „mit dem Ziel, Tourismus mit ökologischem Anspruch nach streng ausgewählten Kriterien wie landestypischer Ortsbildcharakter, ökologische Belastungsgrenzen und Mindestmaßnahmen sowie soziale Belastungsgrenzen zu unterstüt- <?page no="72"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 75 zen und zu fördern. Mit dem Gewinn des „Tourism For Tomorrow Awards 1993“ wurde die Initiative international ausgezeichnet. Im Wandel der Zeit hat sich die Angebotsgruppe immer intensiver mit dem Thema Wandern auseinandergesetzt und 1998 diesen Arbeitsschwerpunkt namentlich verankert. Neben der Entwicklung von zeitgemäßen Wanderangeboten und dem Erfahrungsaustausch ist die Gestaltung von wertvollen Informationsmaterialien, die Betreuung und Information von wanderinteressierten Menschen über die vielgestaltige Wanderlandschaft unser Ziel.“ (http: / / www.wanderdoerfer.at/ service/ presse? section= wanderdoerfer&article=wir-uber-uns) Die Österreichischen Wanderdörfer haben im September 2014 mit den Sauerland Wanderdörfern dem Namen nach neue Verwandtschaft bekommen. Doch bei Letzteren handelt es sich um die Bezeichnung der ersten zertifizierten Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ ( Kap. 6.4), diese umfasst mehr als 280 Ortsteile und Dörfchen, die mit ihrer umfangreichen Wanderinfrastruktur, den Unterkünften, den Angeboten und dem Service die verschiedenen Zielgruppen unter den Wanderern - Sportwanderer, Genusswanderer, Familien mit Kindern - ansprechen. (vgl. http: / / www.wanderbares-deutschland.de/ region/ sauerland.html ) Der anspruchsvolle Wanderer erwartet von der Verpflegung unterwegs oder am Ende einer Tour einiges mehr, als „nur“ möglichst gut satt zu werden, denn zum vollkommenen Wandergenuss gehört heutzutage für viele auch das kulinarische Erlebnis der Wanderregion. Man möchte ebenso das regionaltypische Essen der durchwanderten Landschaft kennenlernen und sucht damit auch die Authentizität im Kulinarischen. Dies sollte sich in der Wandergastronomie widerspiegeln. Die Nachfrage nach regionaler wie saisonaler Küche gehört auch außerhalb des Wandertourismus zu den durchaus erfreulichen wie auch Aspekte der Nachhaltigkeit realisierenden Trends; beim Wanderurlaub bekommt dies noch einen zusätzlichen emotionalen Wert und fördert das positive Bild der Destination - wenn sich nicht gerade der Koch blamiert hat. „Zu einer umfassenden Urlaubsqualität trägt nicht nur die Servicequalität (Basisfaktor) der einzelnen Leistungsträger bei, sondern es gibt den Wunsch nach einer darüber hinausgehenden Erlebnisqualität, die auch vor der Gastronomie nicht haltmacht. Allerdings geht es hier nicht um inszenierte Konzepte der Erlebnisgastronomie (wie z. B. Rainforest Cafés), sondern um die Schaffung einer rustikalen, möglichst authentischen Atmosphäre“ (DREYER (2010), S. 204). <?page no="73"?> 76 Wandertourismus Authentizität und Nachhaltigkeit der regionalen Küche „A growing body of work is beginning to pay testament to the role that sensations of taste, touch, sound and smell can play within the holiday (Boniface, 2003; Davidson, Bondi & Smith, 2005; Eastham, 2003; Mitchell & Hall, 2003, Urry, 1995), with holiday food becoming of particular importance to researchers […]. More specially, it is recognized that the that the kind of foods and drinks on offer for tourists can have major implications for the economic, cultural and environmental sustainability of tourism destinations […].“ (SIMS (2009), p. 321) Mit ihren Untersuchungen in den Nationalparks Lake District und Exmoor konnte SIMS erfahren, dass mehr als 60 % der Befragten absichtlich solche Speisen und Getränke konsumiert hätten, die sie als typisch für die Region betrachteten. Man suchte Produkte, die einen Einblick in die Natur des Platzes und seiner Bewohner boten, Besucher äußerten sich: „You need to try the local food because it’s part of the culture“ oder „…to get a taste of the place“ (vgl. a. a. O., S. 329). Auf der Suche der Touristen nach den lokalen/ regionalen Produkten und Gerichten, die eine Region widerspiegeln, gilt diese auch dem „Setting“, dem Schauplatz und seiner Atmosphäre. Dazu gehörten für die Touristen auch die Betriebe, die ihnen traditionell und Englisch erschienen. „However, the choice of a ‚cosy little real-ale pub‘ above anything ‚loud and plastic‘ also indicates a desire for more authentic, traditional, Lakeland eating experience.“ (a. a. O.) Eine regionaltypische Küche - natürlich auf der Grundlage heimischer Produktion - kann ebenfalls zum Bild einer Destination gehören und werbewirksam sein. Ein gutes Beispiel, wie regionale Erzeugnisse und ihre Verarbeitung zu einem touristischen Produkt werden, zeigt das Programm „Naturerlebnisschule“ der „Wanderhotels - best alpine“, bei dem verschiedene Wanderungen angeboten werden, um Traditionelles und Authentisches der jeweiligen Region kennenzulernen (http: / / www.wanderhotels.com/ de/ news/ pressemeldungen/ item/ 2012-essbare-natur). Literatur DREYER, A., MENZEL, A., ENDRESS, M. (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. <?page no="74"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 77 SIMS, R. (2009): Food, place and authenticity: local food and the sustainable tourism experience. In: Journal of Sustainable Tourism, Vol. 17, No. 3, p. 321-336. Websites Wanderhotels www.wanderhotels.com/ de www.wanderhotels.com/ de/ angebote-sommer/ berglust-pur/ naturerlebnisschule www.mein-wanderhotel.com/ wanderurlaub/ wanderurlaub-deutschland/ bayern www.randonnee-hotels.com Wanderdörfer www.wanderbares-deutschland.de/ region/ sauerland.html www.wanderdoerfer.at Wandergastronomie www.wandergasthoefe.de www.bergische-wandergastronomie.de 3.2 Wirtschaftsfaktor Wandern Die Freizeit- und Urlaubsbeschäftigung Wandern bringt allein der deutschen Wirtschaft Milliardenumsätze. Für die Studie des BUNDESMINISTERIUMS FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (2010) haben der Deutsche Wanderverband und das Europäische Tourismusinstitut (ETI) Daten zum Wirtschaftsfaktor Wandern erhoben, die im Folgenden zusammengefasst werden. Die wirtschaftliche Bedeutung des Wandertourismus, der für geschätzt 144.000 Arbeitsplätze in Deutschland sorgt, lässt sich nicht nur in den Zielgebieten, in den Destinationen ausmachen, sondern auch schon in den Quellgebieten der Wanderer. Die größten Summen entstehen hier durch den Kauf von Ausrüstung. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Umsätze insbesondere bei der Outdoorbekleidung wesentlich höher sind, als es die Befragung der Wanderer ergeben hat. Schließlich gehört die Wanderjacke mit dem Tatzensymbol oder anderen Logos zum aktuellen Lifestyle und ist in allen Variationen aus unserem Straßenbild nicht mehr wegzudenken - auch Nicht-Wanderer tragen die Funktionskleidung. <?page no="75"?> 78 Wandertourismus „Im Durchschnitt gibt jeder Wanderer pro Jahr ca. 92 € für wanderspezifische Ausrüstungsgegenstände aus. Hierin sind auch die Wanderer enthalten, die über das Jahr hinweg keine Ausrüstungsgegenstände kaufen. Werden nur die Wanderer betrachtet, die mindestens einen Gegenstand gekauft haben, stiegen die durchschnittlichen Werte auf ca. 216 € pro Jahr an. Werden diese Werte auf alle Wanderer in Deutschland hochgerechnet, ergibt sich ein jährliches Volumen von ca. 3,7 Mrd. €, die für wanderbezogene Gegenstände ausgegeben werden […]. Dabei steigt die Ausgabenbereitschaft mit zunehmender Wanderaffinität erwartungsgemäß an: Selten wandernde Personen geben im Schnitt ca. 59,50 € für Ausrüstungsgegenstände aus, die gelegentlichen Wanderer 98,60 € und die regelmäßig wandernden Personen ca. 121,10 €.“ (a. a. O., S. 60) Der teuerste Einzelposten, der für die Wanderausrüstung gekauft wird, ist das GPS-Gerät mit einem durchschnittlichen Preis von 239 €. Der größte Umsatz fällt jedoch auf entschieden wichtigere Ausrüstungsteile: die Outdoor-/ Wanderjacken sowie die Wanderschuhe. Für die mehr oder weniger wetterfesten Jacken werden „jährlich ca. 960 Mio € oder 27 % der Gesamtausgaben für wanderbezogene Ausrüstungsgegenstände von den aktiven Wanderern ausgegeben. Auf die Wanderschuhe entfällt ein Anteil von ca. 22 %, insgesamt entspricht dies einem Volumen von ca. 780 Mio. €.“ (a. a. O.) Ein erstaunliches und gegen den weit verbreiteten Trend liegendes Einkaufsverhalten zeigen die erklärten Wanderer: Zu 51,8 % kaufen sie ihre Ausrüstung im Sportfachgeschäft, zu 36,2 % im Kaufhaus, zu 19,2 % im Outdoorfachgeschäft, zu 7,3 % im Versandhandel/ nach Katalog und erst dann folgen abgeschlagen Internetfachhandel (5,4 %) und Internet/ allgemeiner Versand (2,8 %). Diese hohe Nutzung des Einzelhandels ist sicherlich nicht nur dem höheren Anteil älterer Personen unter den Wanderern geschuldet, sondern auch den Möglichkeiten des Vergleichens, Ausprobierens und der fachlichen Beratung im spezialisierten Einzelhandel. „Kartensoftware wird im Gegensatz zu den übrigen Produkten am ehesten über das Internet bezogen.“ (a. a. O., S. 61) Die Ausgaben für Reiseplanung und -organisation fallen zu einem großen Teil ebenso am Heimatort, in den Quellgebieten an. Im Zielgebiet umfassen die Ausgaben vor Ort wesentlich mehr als die Kosten für Hotellerie und Gastronomie. Ausgaben für Lebensmittel- und Getränkeeinkäufe (u. a. als Rucksackverpflegung), Eintrittsgelder für Veranstaltungen oder Einrichtungen im Bereich Unterhaltung/ Kultur/ Sport, Verkehrsmittel, sonstige Dienstleistungen (z. B. Führungen) und sonstige Einkäufe kommen hinzu - sie wurden in der Studie für das BMWI erfasst. „Insgesamt gibt der wandernde Tagesgast bzw. Tagesausflügler ca. 15,50 € pro Tag/ Ausflug aus. Die durchschnittlichen Tagesausgaben der übernachtenden <?page no="76"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 79 Wanderer liegen mit 22 € pro Person deutlich über diesem Wert. Hinzu müssen noch die Übernachtungskosten gerechnet werden, die pro Tag und Person ca. 35 € betragen und je nach Qualitätsstufe der Unterkunft auf bis zu 68 € im Durchschnitt ansteigen können - die gesamten Tagesausgaben der übernachtenden Wanderer betragen somit ca. 57 €. In diesen Werten sind die Kosten für An- und Abreise nicht enthalten.“ (a. a. O., S. 62f.) Die niedrigen Werte bei den Übernachtungskosten ergeben sich durch die Beliebtheit von einfacheren Unterkünften, wie Jugendherbergen, Wanderheimen, Hütten und Pensionen, bei Wanderern. Gerade die ersten drei Betriebsarten sind in der Regel durch ihre Lage (und schließlich auch aus ihrer Geschichte heraus! ) für Wanderer prädestiniert. Die Untersuchung der Ausgaben vor Ort hat auch gezeigt, dass sich Wanderer im Zielgebiet nicht „verzetteln“, das heißt, das Wandern und das Naturerlebnis haben absoluten Vorrang; demzufolge fallen außer für die Verpflegung - sei es in einem gastronomischen Betrieb oder im Laden für die Rucksackverpflegung - für den Wanderer kaum weitere Kosten an, bzw. lässt er keine nennenswerten Beträge im Wandergebiet. Daraus darf jedoch nicht abgeleitet werden, dass wandernde Gäste wirtschaftlich uninteressant wären! Der aktive Wanderer ist schließlich statistisch gesehen mehrmals im Monat bzw. fünfbis sechsmal im Halbjahr unterwegs. Daraus ergeben sich ökonomische Effekte, die auch wie beim Kauf von Ausrüstungsgegenständen für das Wandern jährlich in Milliardenhöhen klettern. Allein für Deutschland kommt die Studie des BMWI auf folgende Daten: Die geschätzte Zahl der Tageswanderungen pro Jahr, welche die Wanderer von ihrem Wohnort aus unternehmen, bewegt sich zwischen 351,6 und 391,9 Millionen. Weitere 8,7 Millionen Wanderer werden hinzugezählt, die als Wanderurlauber unterwegs waren, sowie Personen, die in ihrem Urlaub auch mindestens eine Wanderung unternommen haben. „Die durchschnittliche Anzahl von Übernachtungen, die für die Durchführung der Wanderungen in den Urlauben anfallen, beträgt 3,5 Nächte. Insgesamt können somit jährlich 30,3 Mio. Übernachtungen in Deutschland dem Bereich Wandern zugeordnet werden. Nicht in die Betrachtung eingeflossen sind die Wanderurlaube der Deutschen im Ausland“ (a. a. O., S. 67). Aus diesen Übernachtungszahlen lassen sich Bruttoumsätze durch den Wandertourismus in Deutschland von 7,2 bis 7,8 Milliarden Euro pro Jahr annehmen (vgl. a. a. O.). „Dieses Volumen wird überwiegend in der Region verausgabt, in der die Wanderung auch durchgeführt wird. Wird die mittlere Schätzung in Höhe von 7,5 Mrd. € betrachtet, entfallen ca. 58 % auf den Bereich Gastronomie, 18 % auf den Lebensmitteleinzelhandel und ca. 14 % auf die Beherbergungsbetriebe.“ (a. a. O., S. 68) <?page no="77"?> 80 Wandertourismus Berücksichtigt man, dass die für das Wandern gefragten Landschaften mit ihrem Maximum an so genannter „unberührter“, intakter Natur häufig ihren attraktiven Zustand dem Mangel an anderen Wirtschaftszweigen verdanken, wird deutlich, welche Wirtschaftsförderung in peripheren bzw. ländlichen Räumen der Wandertourismus bedeuten kann ( Kap. 3.3). Zu welchen Prognosen kommt die Studie des Bundeswirtschaftsministeriums in Sachen Wandertourismus? Da für den Einzelnen weder größere Investitionen noch das Erlernen von Bewegungsabläufen nötig sind und die aktive Bewegung in der freien Natur äußerst positive Effekte für das körperliche und geistige Wohlbefinden bedeuten, geht man davon aus, dass sich der Urlaubs- und Freizeitmarkt Wandern auch künftig als stabiles Marktsegement zeigen und entwickeln wird; die aktuellen Potenziale des Wanderns seien noch nicht ausgereizt (vgl. BMWI (2010), S. 136). Zehn Thesen zum Zukunftsmarkt (vgl. BMWI (2010), S. 136-139) werden aufgestellt: [1] Mindestens stabile Nachfrage bis 2040 Der demographische Wandel wird für ein Wachstum der Altersgruppen sorgen, die zu den aktiveren Wanderern zählen. Ein stärkeres Bewusstsein für eine eigenverantwortliche Gesundheitsvorsorge lässt die Nachfrage nach leichten Aktivitäten steigen. Erlebnisse in der Natur werden auch weiterhin einen positiven Kontrapunkt zur fortschreitenden Technisierung der Gesellschaft darstellen. [2] Wachstumspotenzial im Zukunftsmarkt Gesundheit Das Wandern als Prävention der gesundheitsschädigenden Folgen mentaler wie körperlich einseitiger Belastungen wird an Bedeutung gewinnen. Die Akteure aus Gesundheitswirtschaft und Wandern werden künftig stärker im Bereich Produktentwicklung zusammenarbeiten. Nach Schätzungen sollen 21 Millionen der derzeitigen 31 Millionen Nicht-Wanderer für eine stärkere Vernetzung von Gesundheit und Wandern aktivierbar sein. Ein anderes Wachstumspotenzial sieht man im Ausbau barrierearmer Wanderangebote. [3] Wertschöpfungspotenzial durch Integration von Mobilitätslösungen Die An- und Abreise zur Wanderung, insbesondere im Zusammenhang mit einer Streckenwanderung, bedeutet gerade in ländlichen Gebieten eine logistische Herausforderung. Ein rentabel arbeitender ÖPNV ist hier in der Regel nicht möglich, deshalb müssen flexible Mobilitätslösungen entwickelt werden. [4] Wertschöpfungspotenzial im Tagesausflugsverkehr In der Vergangenheit hat man sich in den Destinationen sehr auf den übernachtenden Wandertourismus konzentriert und dabei ignoriert, dass die Wanderungen im Rahmen von Tagesausflügen zahlenmäßig auf einem weit höheren Ni- <?page no="78"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 81 veau liegen. Darin liegen vor allem im Umland von Ballungsgebieten große Chancen, da es hier funktionierende ÖPNV-Systeme gibt. Auch für die Gastronomie kann mit positiven Effekten gerechnet werden, da Wanderer knapp 20 % mehr ausgeben als der durchschnittliche Tagesausflügler. [5] Wandern ist ein Ganzjahresphänomen Im Unterschied zu anderen Outdooraktivitäten wird ganzjährig gewandert, im Winter tun dies immer noch 20 % der Deutschen. Unbeschadet der quantitativ geringeren Nachfrage ist das Wandern im Winter qualitativ hochwertiger, da die Wanderer nach mehr Begleitangeboten (zum Beispiel Wellness) fragen und damit ein höherer Umsatz je Wanderer erzielt werden kann. Entsprechende Angebote sollten entwickelt werden. [6] Wanderanbieter und Ausrüsterindustrie profitieren voneinander Outdoorbekleidung wird nicht nur von Wanderern auf ihren Touren getragen, sondern sie signalisiert auch für viele Nicht-Wanderer allgemein einen gewissen an der Natur orientierten Lebensstil und steht für Aktiv-sein. Wanderanbieter können von der Werbung der Ausrüsterindustrie profitieren, da sie durch ihre Botschaften Lust auf Bewegung in der Natur wecken. Wanderregionen und Ausrüster können die Effekte ihrer Werbemaßnahmen gegenseitig verstärken. [7] Maßvolle Technisierung des Wanderns Die elektronischen Hilfsmittel zur Orientierung im Gelände werden vermutlich noch Wachstumspotenziale erzielen, doch eher Randerscheinungen mit Ausnahme spezieller Wanderformen, wie dem Geocaching, bleiben. Die modernen Kommunikations- und Informationstechnologien werden dem Wanderer eher zusätzlichen Service, zum Beispiel über Fahrpläne, Öffnungszeiten oder Wetterberichte und Unwetterwarnungen, bieten. [8] Neue Wege im Ehrenamt Der größte Teil der Arbeit am Wanderwegenetz wird durch Ehrenamtliche erledigt - in der Regel von Mitgliedern der regionalen Wandervereine oder von nicht organisierten lokalen Wegepaten. Diese Zusammenarbeit zwischen den Tourismusorganisationen und den Wandervereinen wird auch die Zukunft bestimmen und die wesentlichste Voraussetzung für Pflege und Ausbau der Wanderinfrastruktur sein. Hierzu gehören auch Aspekte der Professionalisierung des Wegemanagements, des qualitativen Ausbaus des Wegenetzes und der fokussierten Nutzerorientierung bei der Neuentwicklung von Wegen. [9] Qualitativer Ausbau der Wanderinfrastruktur Einen größeren quantitativen Ausbau des Wegenetzes wird es in absehbarer Zukunft nicht geben, da dafür zum einen die finanziellen Mittel weitgehend fehlen werden und zum anderen die ehrenamtlich Aktiven in den Vereinen bei stagnierenden oder rückläufigen Mitgliederzahlen weniger werden. Die Verbesserung der <?page no="79"?> 82 Wandertourismus Qualität wird bereits das Gros der Ressourcen beanspruchen. Buchstäblich an das Bestehende anknüpfend sieht man zum einen die Chance, Wanderer länger in der Region zu halten, indem man die bestehenden Hauptwege entweder durch Wegeschleifen erweitert bzw. das Wegenetz mehr verdichtet, mehr miteinander verknüpft. Zum anderen sollte der qualitative Ausbau der Infrastruktur noch stärker auf die Ansprüche der verschiedenen Gruppen von Wanderern eingehen. Jede Maßnahme muss natürlich den Qualitätsstandards genügen. [10] Das Internet entwickelt sich zur zentralen Kommunikationsplattform Die Bedeutung, die das Medium für das Wandern heute schon hat, wird noch weiter steigen, indem einfach zu bedienende Wanderportale die nötigen Informationen - vernetzt mit denen der Verkehrsmittel und regionalen Leistungsträgern - bieten, zum einen in der Planung, zum anderen auf der Tour selber. Auch der Erfahrungsaustausch der Wanderer untereinander sowie der Kontakt mit den Touristikern der Region können davon profitieren. Trotz aller moderner Informationstechnik werden die klassischen Wanderkarten und Reiseführer weiter genutzt werden, schätzt man. Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) 3.3 Wandertourismus als Chance für ländliche Räume Ein Allheilmittel für wirtschaftliche und strukturelle Probleme auf dem Land ist der Tourismus nicht, auch wenn man denken könnte, durch ein paar gute Wanderwege in einer schönen und intakt erscheinende Naturund/ oder Kulturlandschaft ließe sich der Tourismus ankurbeln. Die Studie von NEUMEIER/ POL- LERMANN in fünf touristisch „unbelasteten“ Gemeinden der neuen Bundesländer hat gezeigt, dass „der ländliche Tourismus als Faktor der ländlichen Entwicklung interessante Potenziale in diesen Regionen bietet, sofern nicht nur ökonomische Aspekte als Messlatte dienen.“ (NEUMEIER/ POLLERMANN (2011), S. 161. In: http: / / www.tourismus-fuersland.de/ Downloads/ Fachartikel/ Neumeier_Pollermann_Agriculture_and_Forestry_Research_laendlicher_Tourismus_als_Chance.pdf) „Neben den natur- und kulturlandschaftlichen Gegebenheiten einer Region sind für einen erfolgreichen Tourismus die Menge sowie die Qualität der verschiede- <?page no="80"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 83 nen Angebote des Fremdenverkehrsgewerbes, der vorhandenen Infrastruktur und die Dienstleistungsbereitschaft der Bevölkerung ausschlaggebend.“ (a. a. O., S. 163) In ihrem Fazit kommen die Autoren zu dem Schluss, dass sich die Erwartungen an die Etablierung eines tragfähigen Tourismus in den Kommunen nicht erfüllt haben, es keine Einkommenssicherung, allenfalls einen Nebenerwerb durch Aktivitäten im Tourismus gab. Wenn man aber nicht am Punkt Null anfangen muss, sondern es sich um die Förderung eines bestehenden Tourismus in ländlichen Räumen handelt, da kann es Unterstützung für neue Maßnahmen, wie zum Beispiel die Anlage eines Wanderwegs aus nationalen oder europäischen Geldtöpfen geben. Der Smaragdweg ( Kap. 4.1) im Salzburgischen Bramberg beispielsweise wurde als Leader-Projekt in den Jahren 2008-2010 mit 698.000 Euro gefördert. „Dieses für den Nationalpark Hohe Tauern charakteristische Tal wurde mit einem Erlebniswanderweg für Einheimische und Gäste erschlossen. Mit dem Smaragdweg wird das hohe Erlebnis- und Erholungspotenzial des Nationalpark Habachtal verträglich genutzt, den Besuchern natur- und kulturkundliches Wissen vermittelt und gleichzeitig damit auch eine „sanfte“ Besucherlenkung erzielt. Das Thema Smaragd zieht sich wie ein roter Faden durch die Gemeinde Bramberg und ist dort fest verankert.“ (www.netzwerk-land.at/ netzwerk/ projekte-gutebeispiele/ projektdatenbank-le-07-13, PDF Projekt 202) Praxis Bedeutung des ländlichen Tourismus in Deutschland „22 Prozent des Deutschland-Incomings entfällt auf ländliche Regionen (Gemeinden bis 10.000 Einwohner). 35 Prozent Wachstum der Ausländerübernachtungen in kleineren Gemeinden bis 10.000 Einwohner: 2005: 12,1 Mio. Übernachtungen 2014: 16,3 Mio. Übernachtungen Mit 5,2 Millionen Übernachtungen dominieren die Niederlande mit Abstand das Ranking der Quellmärkte, gefolgt von der Schweiz, Belgien, Dänemark, Österreich und Frankreich. […] Ihre Urlaubsform ist laut Qualitätsmonitor überdurchschnittlich häufig Erholungs-, Natur-, Familien- und Aktivurlaub. Flanieren/ Bummeln, Shopping, Spazierengehen in der Natur, Nichtstun/ Ausspannen und individuelle Ausflüge zählen zu den beliebtesten Aktivitäten während des Urlaubsaufenthalts auf dem Land.“ Quelle: DZT Jahresbericht 2014, S. 76f. <?page no="81"?> 84 Wandertourismus Der Deutsche ReiseVerband (DRV) hat im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie das Projekt „Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen - Handlungsempfehlungen zur Förderung des Tourismus in ländlichen Räumen“ durchgeführt. „Ziel war es, den Status quo im Tourismus ländlicher Räume zu ermitteln sowie Perspektiven und modellhaft Lösungswege für Anbieter, Vermarkter, Netzwerke und die öffentliche Hand in wichtigen Handlungsfeldern aufzuzeigen.“ (BMWI (2014), S. 4) Der daraus entstandene Leitfaden nennt viele mögliche Handlungsfelder und gibt Empfehlungen für Strategien, den ländlichen Tourismus zeitgemäß weiterzuentwickeln - dabei stets die Nachhaltigkeit im Fokus habend. Der Wandertourismus spielt dabei selbstverständlich eine angemessene Rolle. Es werden Schlüsselstrategien skizziert, die eine erfolgreiche Entwicklung des ländlichen Tourismus bewirken können: Es gilt u. a., das Bewusstsein für den Wert ländlicher Lebensräume zu stärken, dem Tourismus in Dorfentwicklungsprogramme seinen Raum zu geben oder auch die Integration lokaler Identität in das touristische Produkt voranzutreiben, dem Wunsch der Touristen nach Authentizität ( Kap. 3.1.2) nachzukommen. „Identität wird lokal geprägt. Und der Gast sucht auch genau dieses „Echte“. Touristische Angebote können einen aktiven Beitrag zum Identitätserhalt vor Ort leisten, indem sie originäre Themen und Traditionen aufgreifen.“ (a. a. O., S. 27) Dabei geht es nicht allein um die Erwartungen der Gäste, sondern um eine mindestens gleichrangige Befriedigung der Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung. Es geht darum, Angebote zu schaffen, die auch von den Einheimischen genutzt werden - „dabei keine künstliche Überspitzung, sondern Bewahren des echten Charakters“ (a. a. O.). Exemplarisch sei die „Schlüsselstrategie: Angebotsinszenierung auf regionaler Ebene“ (a. a. O., S. 30) angerissen und auf das dort vorgestellte Beispiel der Allgäuer Wandertrilogie ( Kap. 7.6.) eingegangen. Bei einer Angebotsinszenierung lassen sich sehr gut die vielen kleinen Anbieter für ein größeres/ großes Produkt vernetzen, das ein marktfähiges touristisches Kernangebot - zum Beispiel ein attraktives Wanderwegenetz - erweitert. „Ein Plus vieler Anbieter sind Authentizität und regionale Identität. Hieraus können Angebote mit Alleinstellung entwickelt werden.“ (a. a. O., S. 30) Die Inszenierung und Präsentation eines attraktiven Themas, wie zum Beispiel die Allgäuer Wandertrilogie, kann dem Gast eine besondere Erlebnisqualität bieten. Dies wird jedoch nur erfolgreich sein, wenn das Erlebnis auf der Grundlage einer qualitativ hochstehenden Infrastruktur, wie einer klassifizierten Hotellerie und einem Netz aus zertifizierten Wanderwegen basiert. Im Zusammenhang mit der „Schlüsselstrategie: Priorisierung, Qualifizierung und Reduktion von touristischen Wegenetzen“ (a. a. O., S. 34) gilt es, die Wegenetze für Wanderer, Radfahrer, Reiter und andere sportlichen Freizeitbe- <?page no="82"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 85 schäftigungen auf die aktuellen Wünsche ihrer Nutzer auszurichten. Der Trend fordert hier: „kürzer und komfortabler“. „Nachfragestarke Leitwege mit höchster Qualität und Zielgruppenrelevanz sollten eingerichtet werden. Eine pflegbare und nachfragegerechte Netzgrundstruktur ist sowohl für Tagestouren als auch für die Etappen, z. B. regionale Wandersteige, zu erhalten.“ (a. a. O.) Doch der Ausbau eines perfekten Wegenetzes darf auch schon bevor es die Finanzlage nahelegt, an seine Grenzen kommen, mehr noch: Man kann das Wegenetz auch reduzieren. Nach einer kritischen Prüfung und des Bedarfs bzw. Erhalt von Wanderwegen sollten auch der Rückbau oder die „Entschilderung“ nicht mehr benötigter Wege kein Tabu sein (vgl. a. a. O.). Welche Gedanken man sich in Portugal um die Entwicklung eines Wandertourismus macht, zeigen KASTENHOLZ/ RODRIGUEZ ( Kap. 4.6). Hier soll der Wandertourismus ein zusätzliches Angebot für das Hinterland eines viel besuchten Küstenraumes darstellen und dort auch zur wirtschaftlichen Förderung einer strukturschwachen Region beitragen. Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2014): Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen. Handlungsempfehlungen zur Förderung des Tourismus in ländlichen Räumen. Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) DEUTSCHE ZENTRALE FÜR TOURISMUS (Hrsg.) (2015): DZT- Jahresbericht 2014. Rekorderlebnis bilanzieren, Markenpositionierung schärfen, Prognose entwickeln. Berlin. (auch als PDF unter www.germany.travel) NEUMEIER, S.; POLLERMANN; K. (2011) Ländlicher Tourismus als Chance? Möglichkeiten und Grenzen der Förderung von ländlichem Tourismus am Beispiel eines Modellvorhabens. In: Landbauforschung vTI Agriculture and Forestry Research 3 2011 (61), S. 161-174. (http: / / www.tourismus-fuersland.de/ Downloads/ Fachartikel/ Neumeier_Pollermann_Agriculture_and_Forestry_Research_laendlicher_Tourismus_als_Chance.pdf) Websites Konkretes für die Praxis aus der BMWI-Studie - beste Beispiele www.tourismus-fuers-land.de/ DE/ Vorreiter <?page no="83"?> 86 Wandertourismus - Checklisten www.tourismus-fuers-land.de/ DE/ Checklisten-und-Handlungsempfehlungen - Aktuelles Hintergrundwissen zur Entwicklung des Tourismus im ländlichen Raum www.tourismus-fuers-land.de/ DE/ Wissen 3.4 Marketing einer Wanderdestination Die Wandermöglichkeiten in Deutschland sind ein international attraktives Produkt, so dass die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) dieses Thema weltweit vermarktet. „Schön für die Gesundheit, schön fürs Auge: Wandern in Deutschland“ lautet das Motto 2015/ 16 und man lockt: „Laufbegeisterte, Schatzsucher, Gesundheitsbewusste und Romantiker können in Deutschland zu Fuß unterschiedlichste Naturräume durchstreifen. Dabei sorgt ein gut ausgeschildertes Wegenetz von rund 200.000 Kilometern Gesamtlänge dafür, dass Sie auch ohne GPS-Gerät immer die Orientierung behalten. Ein besonderes Naturerlebnis versprechen Touren durch die Natur-, Nationalparks und UNE- SCO-Biosphärenreservate. Doch auch in und um deutsche Städte herum kann viel Grün erkundet werden. Und extra wanderfreundliche Unterkünfte finden Sie hier auch.“ (http: / / www.germany.travel/ de/ freizeit-erholung/ wandern/ wandern.html) Im Rahmen der Zielgruppenanalyse wurde die Herkunft der wandernden Gäste ermittelt, die keinesfalls nur aus den angrenzenden Staaten kommen. Befragungen (Quelle: DZT Qualitätsmonitor (Mai 2011-April 2014), Stand: Oktober 2014) haben ergeben, dass das Wandern mit 17 % die beliebteste sportliche Aktivität ausländischer Gäste ist, gefolgt von Radfahren/ Mountainbiken (10 %) und Skifahren/ Snowboarden (4 %). Von den europäischen Gästen wandern aus folgenden Nationen während ihres Deutschland-Urlaubs: Niederlande 18 % Polen 14 % Schweiz 14 % Belgien 11 % Dänemark 7 % Großbritannien 6 % Frankreich, Italien, Russland jeweils 5 % <?page no="84"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 87 In 30 Sprachen informiert die DZT-Webseite www.germany.travel über das Angebot. Die Zielgruppe der ausländischen Wanderer nutzt deutlich stärker als die nicht wandern wollenden Gäste das Internet als Informationsquelle für den Urlaub: Generelle Informationen holten sich 80 % der Wanderer, aber nur ca. 70 % der übrigen ausländischen Gäste aus dem Netz. Größer ist der Unterschied bei den Informationen der betreffenden Tourismusorganisation, die von 56 % der Wanderer, aber nur von ca. 35 % der anderen Gäste angeklickt wurde. Für die Suche nach einer Unterkunft wählten 31 % der Wanderer und ca. 23 % der anderen Gäste das Internet als Medium. Auf den aktuellen gesellschaftlichen Megatrend Gesundheit reagiert die DZT mit der Produktlinie Natur & Erholung, bei der natürlich das Wandern - neben Aktivurlaub, Familienurlaub sowie Gesundheits- und Medizintourismus sowie Wellness - angesiedelt ist. Durch so genannte Themenjahre, die immer wieder das Wandern bzw. Natur als Schwerpunkt haben, wird das entsprechende Thema für die Auslandsmärkte aufbereitet und präsentiert. Die Internetplattform der DZT, verschiedene Imagebroschüren, Flyer, entsprechende Presse- und PR-Arbeit sowie die Präsenz auf Messen und Workshops werden als Marketinginstrumente genutzt. 2015 war die DZT auf 15 Fachleit- und Publikumsmessen weltweit präsent und führte 26 Workshops bzw. Roadshows durch (vgl. DZT (2015), S. 17). Das Wandern ist ein Thema für den europäischen Markt, viele Gäste vor allem aus den Nachbarstaaten Deutschlands verbinden einen Deutschlandurlaub mit sportlichen Aktivitäten, unter denen das Wandern Platz 1 einnimmt (siehe oben). 2009 rief die DZT das Themenjahr „Aktivurlaubsziel Deutschland: Lifestyle, Wandern und Radfahren“ aus. Zu diesem Anlass wurde ein „Aktivpaket“ geschnürt, eine Infobox für Pressemaßnahmen mit Flyern der sportlichen Aktivitäten sowie ein zusammenfassender Prospekt mit einer Deutschlandkarte. Ein Pocketguide „Wanderbares Deutschland“ in sieben Sprachen wurde für den Endverbraucher herausgegeben. Dieser Wanderführer bot praktische Tipps und eine Auswahl von Routen, die das gesamte Spektrum des Wanderangebots in Deutschland repräsentierte. Webcodes der verschiedenen Touren führten zu weiteren Informationen auf den Seiten der DZT. „Beide Medien informierten darüber hinaus über die Qualitätszeichen der Marke Wanderbares Deutschland und machen die enge Kooperation zwischen DZT und Deutschem Wanderverband deutlich.“ (BMWI (2010), S. 106) Für das Jahr 2016 wurde wieder ein Thema gewählt, welches das Wandern als wichtige Komponente des Angebots einschließt. „Kommunikationsschwerpunkte 2016 werden die faszinierenden Naturlandschaften Deutschlands sein - wieder mit besonderem Fokus auf die Belebung der ländlichen Regionen“ (DZT (2015), S. 17). Unter dem Thema „Faszination Natururlaub Deutschland“ werden die 135 Nationalen Naturlandschaften der <?page no="85"?> 88 Wandertourismus Bundesrepublik, d. h. 16 Nationalparks, 15 UNESCO-Biosphärenreservate und 104 Naturparke im Mittelpunkt der weltweiten Marketingmaßnahmen stehen. Diese Kampagne wird die DZT gemeinsam mit EUROPARC Deutschland, dem Verband Deutscher Naturparke (VDN) sowie dem Bundesumweltministerium (BMU) aufsetzen. Praxis Vorbereitung des Themenjahrs 2016 der DZT „Bisher wurde schon der Contentbereich auf der DZT-Seite zum Thema Naturlandschaften unter www.germany.travel/ natur um die 15 UNESCO- Biosphärenreservate und rund 50 ausgewählte Naturparke erweitert und mit ansprechendem Bild- und Videomaterial illustriert. Alle Nationalen Naturlandschaften sind auf einer interaktiven Karte verortet und verlinkt. Im Zuge der Kampagne wird der Tiefencontent nochmals erweitert und die Zugänglichkeit über eine Online-Filterung erleichtert. Das Social Media Marketing spielt eine zentrale Rolle in der Umsetzung der Kampagne: Über die Bloggeraktionen Blogger@Nature und eine Blogger-Challenge wird User-Generated-Content gewonnen, der in verschiedenen Social Media-Plattformen verbreitet und darüber hinaus auf einer Social Wall gebündelt wird. Für den Traffic auf den Kampagneseiten visiert die DZT 200.000 Visits und 400.000 Impressions mit einer durchschnittlichen Verweildauer von zwei Minuten an. Für den Kampagnen- Hashtag werden 5.000 Posts, 10 Millionen unique Followers und 40 Millionen Impressions erwartet.“ Quelle: DZT (2015), S. 84 Im Marketing der deutschen Landesmarketingorganisationen (LMO) besitzt das Thema Wandern unterschiedliche Bedeutung, wie es bei der verschiedenen natürlichen Ausstattung der Bundesländer nicht überraschen muss. Mit der bevorzugten Landschaftsform des Mittelgebirges ( Kap. 3.1.1) sind eben nicht alle „gesegnet“! In Schleswig-Holstein und Mecklenburg- Vorpommern - sowie in den Stadtstaaten - ist das Wandern nicht in den Marketingkonzepten zu finden (vgl. BMWI (2010), S. 107ff.). Im Süden der Republik rund um Deutschlands Top-Wanderdestination Schwarzwald besitzt das Wandern eine hohe Priorität und es ist natürlich ein Kernthema der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW). Dabei verfolgt man die „Leuchtturmstrategie“, d. h. „Nicht mehr die Kommunikation möglichst vieler Angebote steht im Vordergrund, sondern die Darstellung und Konzentration der auf Landesebene herausragenden Angebote und Produkte.“ (www.tourismus- <?page no="86"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 89 bw.de/ content/ download/ 47156/ 535421/ version/ 1/ file/ Marketingstrategie_2012_FIN AL.pdf ) Auf den Primärmärkten stellen Natur und Landschaftserlebnisse bedeutende Handlungsfelder dar. Zu den entsprechend bearbeiteten Quellmärkten gehören die Schweiz, die Niederlande und Flandern sowie Frankreich und Luxemburg. Der „Black Forest“ ist zwar auch ein Thema für USA/ Kanada, Indien und China, doch bei diesen Gästen erwartet niemand ernsthaft die Wanderschuhe im Reisegepäck; deren Kennenlernen der Landschaft wird auf Bustouren stattfinden! Im „mittelgebirgsreichen“ Rheinland-Pfalz wird ein „Wanderwunder“ (www.wanderwunder.info) vermarktet, denn das Thema gehört ohnehin von Natur aus zur Kernkompetenz dieses Bundeslands. Ein Abstecher in den europäischen Norden bietet überraschende Einblicke in eine Wanderregion, die vor echter Naturlandschaft nur so strotzt und demzufolge eine Topdestination von internationalem Rang sein müsste. Doch in Norwegen, wo das Wandern sogar zur nationalen Identität gehört ( Kap. 4.3), belegt eine aktuelle Studie bemerkenswerte Defizite in seinem Marketing. Und das erklärt sich wiederum aus dem nationalen Selbstverständnis samt Nutzung der Natur, so dass NORDBØ, ENGILBERTSSON und VALE (2014) von „Market Myopia“ - „Markt-Kurzsichtigkeit“ bei den norwegischen Destinationsmarketingorganisationen (DMO) sprechen. Die Aktivitäten der DMOs haben den typischen norwegischen Wanderer im Fokus und nicht den internationalen Gast. Die Norweger sammeln von Kindesbeinen an Erfahrungen in „echten“ Naturlandschaften, in der Wildnis und verfügen somit über nützliche Fähigkeiten, die beim Wandern immer wieder gefragt sind. „The skill of mastering nature through physical hardship with minimal equipment represents not only idealized but also very basic values of Norwegian national Self-conceptualization.“ (a. a. O., S. 396) Eine solche Zielgruppe ist eher anspruchslos, was Wanderinfrastruktur oder gar Angebote, Produkte rund um das Wandern betrifft, und dieses Verständnis zeigt sich darin, dass die DMOs gutes Informationsmaterial herausgeben, so dass der norwegische Wanderer sich alleine durchschlagen kann - auch ganz nach den Idealen der Norwegian Trekking Association, was „richtiges“ Wandern sei. <?page no="87"?> 90 Wandertourismus Abb. 6: Ein norwegischer Wanderweg - Einheimische finden sich hier zurecht! (Quelle: eigenes Foto) Dem steht die zweite Gruppe Wanderer im Land gegenüber: „Most international visitors at Norwegian destinations are urban dwellers with little or no knowledge of the most basic wilderness skills such a show to dress, how to make a fire, or how to walk on rough terrain.“ (a. a. O.) Auf die Bedürfnisse dieser - noch nicht adoptierten und somit wenig berücksichtigten - Zielgruppe geht man kaum ein: „From a product development point of view there is little evidence of market orientation among the DMOs.“ (a. a. O.) Um dies zu ändern, müssten die DMOs, so NORDBØ et al., zunächst einmal den typisch norwegischen Umgang mit der Natur in den Hintergrund rücken und eine Kommunikation mit den ausländischen Gästen beginnen. Trotz finanzieller Unterstützung durch die Regierung bestimmt die traditionelle „Markt- Kurzsichtigkeit“ noch immer weitgehend die Arbeit der DMOs, auch die selbstverständlich gewordenen Kooperationen in einem Netzwerk mit verschiedenen Akteuren im Tourismus scheinen sich noch nicht durchgesetzt zu haben. Die Werte, die Grundlage der Arbeit sind, „often more nature-presevation oriented than market oriented“ (a. a. O., S. 397). So wird es eben weitgehend für ausreichend gehalten, die Naturattraktionen zugänglich zu machen. „It is possible to speculate at this point whether Norwegian DMOs have little knowledge of marketing, consumer behavior and product development, or in contrast whether <?page no="88"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 91 there are more deeply grounded cultural values that make the strategic commercialization of Norwegian nature a taboo.“ (a. a. O.) Steht das Naturverständnis der Norweger einem internationalen Wandertourismus in den einzigartigen Landschaften zwischen den Fjorden im Wege? Beispiele aus der aktuellen Wanderpraxis bietet Kap. 4.3. Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin (auch als PDF unter www.bmwi.de) DEUTSCHE ZENTRALE FÜR TOURISMUS (Hrsg.) (2015): DZT- Jahresbericht 2014. Rekorderlebnis bilanzieren, Markenpositionierung schärfen, Prognose entwickeln. Berlin. (auch als PDF unter www.germany.travel) DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. NORDBØ, I.; ENGILBERTSSON, H. O., VALE, L. S. R. (2014): Market Myopia in the Development of Hiking Destinations: The Case of Norwegian DMOs. In: Journal of Hospitality Marketing & Management, 23: 4, 380-405 Websites ITB Fachforum Wandern 2015 bit.ly/ 1RT75Ku DZT Jahresbericht 2014 viewer.zmags.com/ publication/ 175fa3ad#/ 175fa3ad/ 110 - Baden-Württemberg: http: / / www.tourismus-bw.de/ content/ download/ 47156/ 535421/ version/ 1/ file / Marketingstrategie_2012_FINAL.pdf - Rheinland-Pfalz: www.gastlandschaften.de/ urlaubsthemen/ wandern www.wanderwunder.info <?page no="89"?> 92 Wandertourismus 3.4.1 Zielgruppen Wichtig für die Produktentwicklung und das Marketing in der Destination sowie im Büro des Reiseveranstalters ist das Wissen um die Personengruppen, die Interesse am Wandern haben, die Zielgruppen, die für das Angebot in der Destination offen sein könnten, oder die mit entsprechenden Produkten noch zu motivieren und zu locken wären. Das Kriterium Alter reicht da nicht, denn innerhalb der großen und wiederum zu unterteilenden Gruppe der „Älteren“ sorgen unterschiedliche Wertvorstellungen und Lebensweisen für eine weitere Differenzierung. Daraus ergeben sich recht unterschiedliche Erwartungshaltungen und Verhaltensweisen, auf die eine zielgruppengerechte Produktgestaltung und anschließend ein gutes Marketing eingehen. Die Unterscheidung in der großen Gesamtmenge älterer Wanderer erfolgt nach den jeweiligen Lebensstilen. Daraus ergeben sich nach der GfK Lebensstilforschung (vgl. a. a. O., S. 41ff.) acht Lebensstilgruppen: die Träumer, Häuslichen, Abenteurer, Anspruchsvollen, Kritischen, Weltoffenen, Bodenständigen und Realisten. Im Hinblick auf ihre Affinität zum Wandern gibt es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Lebensstilgruppen. Unter den Nicht- Wanderern sind die Träumer, Häuslichen oder Bodenständigen am stärksten vertreten. Die Lebensstilgruppe der Abenteurer zeigt nur ein durchschnittliches Interesse am Wandern, während es die Kritischen, Anspruchsvollen, Realisten und Weltoffenen am stärksten danach drängt, die Wanderschuhe zu schnüren und in die Outdoorkleidung zu schlüpfen. Charakteristische Merkmale der vier besonders wanderaffinen Gruppen fasst die folgende Tabelle zusammen (a. a. O., S. 135). <?page no="90"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 93 Tab. 4: Charakteristika der wanderaffinen Kernzielgruppe Lebensstile Realisten Weltoffene Anspruchsvolle Kritische Soziodemografie Altersgruppen 45-74 Jahre, Ehepaare, teilweise mit älteren Kindern; z.T. schon im Ruhestand Führungskräfte hohes Bildungsniveau mittleres Einkommen Altersgruppen 35-54 Jahre, aber auch relativ hoher Anteil an Studenten; junge Singles oder Paare ohne Trauschein unter 40 Jahre Angestellte oder Führungskräfte hohes Bildungs- und Einkommensniveau Altersgruppen 55-74 Jahre, Teilzeitbeschäftigte; z.T. schon im Ruhestand; Kinder bereits ausgezogen Führungskräfte sehr hohes Bildungsniveau gehobenes Einkommen Altersgruppen 45-74 Jahre, Ehepaare mit älteren Kindern; Hausfrauen, Teilzeitbeschäftigte; z.T. im Ruhestand Führungskräfte alle Bildungsgruppen mittlere, z.T. hohe Einkommen Marketing investieren viel Zeit für Markenvergleiche, Vertrauen auf Internetwerbung Suche nach neuen Produkten, investieren viel Zeit für Markenvergleiche Vertrauen auf Internetwerbung investieren viel Zeit für Markenvergleiche, Vertrauen auf Zeitungswerbung investieren viel Zeit für Markenvergleiche, Kaufen nur bekannte oder vertraute Marken, Vertrauen auf Fernseh-, Radio- und Zeitschriftenwerbung Konsumstil verbringen viel Zeit damit, nach Marken zu suchen, die ihren Ansprüchen gerecht werden gehoben und auf Lifestyle und Ambiente ausgerichtet investieren viel Zeit für Markenvergleiche, Vertrauen auf Zeitungswerbung investieren viel Zeit für Markenvergleiche, Kaufen nur bekannte oder vertraute Marken, Vertrauen auf Fernseh-, Radio- und Zeitschriftenwerbung Wandermotive Horizont erweitern, frische Kraft sammeln, etwas für die Gesundheit tun neue Eindrücke sammeln, körperliche Herausforderung, Stressabbau, Selbstfindung, Genuss sich selber finden, Freiheit und Zeit, Gott suchen Horizont erweitern, etwas Neues entdecken, in sich kehren Wanderintensität regelmäßig, mehrmals pro Monat, max. 2-4 h regelmäßig 5-6-mal/ Halbjahr, max. 3-4 h regelmäßig mehrmals im Monat, 1 h bis hin zu Tagestouren regelmäßig mehrmals im Monat, Ganztagestouren Landschaftspräferenz Mittelgebirge Alpenvorland, Hochgebirge Mittelgebirge Hochgebirge Ausrüstung hoher Ausstattungsgrad, Interesse an spezieller Oberbekleidung perfekter Ausstattungsstandard, starkes Interesse an neuesten Trends hoher Ausstattungsgrad, Interesse an Zelten, Outdoorjacken hoher Ausstattungsstandard, Interesse an Wanderschuhen Anteil Wanderer an der Bevölkerung 3,5 Mio. 8,4 Mio. 5,4 Mio. 3,9 Mio. Quelle: BMWI (2010), S. 135 <?page no="91"?> 94 Wandertourismus Die Darstellung der wanderaffinen Kernzielgruppen zeigt, dass „die aktuelle Wandernachfrage in Deutschland sehr unterschiedlich strukturiert ist und sehr differenzierte und gruppenindividuelle Ansprüche und Erwartungen an die Aktivität Wandern stellt. […] Die hohen Anteile von Lebensstilgruppen, die nicht in Traditionen verhaftet sind, sondern einen eher freien, auch hedonistischen Lebensstil pflegen, sprechen dabei auch für den Imagewandel, den die Aktivität Wandern in den letzten Jahren vollzogen hat.“ (a. a. O., S. 49) Bei den Zielgruppen macht es auch noch Sinn, nicht nur nach den Lebensstilgruppen, sondern auch nach wanderndem Tagesbzw. Urlaubsgast zu unterscheiden. Es ist nicht nur der Aspekt der Übernachtung, der hier zum Tragen kommt und für Produktentwicklung und Marketing zu berücksichtigen wäre. Der wandernde Tagesgast ist zahlenmäßig der wesentlich Wichtigere, rund 370 Millionen Tageswanderungen werden jährlich durchgeführt: Bei 76 % der Tagesausflüge steht Wandern auf dem Programm, drei von vier Befragten äußerten sich entsprechend, während im Urlaub oder Kurzurlaub nur für jeden zweiten das Wandern, d. h. bei 56,3 % dies als Aktivität genannt wird. „Das Marktpotenzial des Wanderns im Rahmen von Tagesausflügen ist somit deutlich höher und darf nicht unterschätzt werden. Vor allem auch deshalb nicht, da die Wanderfrequenz im Rahmen von Tagesausflügen deutlich höher liegt, als im Bereich der Kurzurlaube oder Urlaube.“ (a. a. O., S. 50) Bei einer solch hohen Gesamtzahl ist es interessant, in welche Zielgebiete sich diese „Eintags-Wandererströme“ ergießen. Die Zielgebiete stehen oft im engen Zusammenhang mit den dicht besiedelten Regionen Deutschlands; es sind die Wanderregionen in relativer Nähe zu den Ballungsgebieten. Die größte Ausnahme von dieser Regel stellt Bayern als beliebteste Wanderdestination für den Tagesausflug dar. Das Bundesland kann nicht die höchste Eigenbesuchsquote mit 88 % aufweisen, d. h. 88 % der Bayern verbringen wandernd ihren Tagesausflug im Freistaat, sondern es wird auch - und das nicht nur aus den angrenzenden Bundesländern - von Tagestouristen aus größerer Ferne aufgesucht. 26 % der baden-württembergischen und sogar 24 % der Berliner Wanderer fahren für eine Tagestour nach Bayern. „Bayern stellt ebenfalls für die Quellmärkte Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, sowie Hessen, Nordrhein- Westfalen und das Saarland ein wichtiges tagestouristisches Zielgebiet dar.“ (a. a. O., S. 51) Unter den Bundesländern mit einer hohen Eigenbesuchsquote folgen Bayern „Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und das Saarland mit Werten zwischen 72 % und 76 %. Dagegen suchen vor allem die Wanderer aus Berlin, aber auch aus Brandenburg, Schleswig-Holstein, Hamburg und Nordrhein-Westfalen gerne Ziele außerhalb des eigenen Bundeslandes auf.“ (a. a. O., S. 52) <?page no="92"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 95 Im Unterschied zum Wandern im Urlaub geht man bei der Tagestour lieber und häufiger in Gesellschaft; Geselligkeit und Gemeinschaft zu erleben, wird hier mehr angestrebt. Statistisch gesehen umfasst eine Wandergruppe beim Tagesausflug 4 Personen - bei 40 % sind es Verwandte, Freunde oder Bekannte. Im Urlaub umfasst eine Wandergruppe statistisch 3,6 Personen und nur ein Drittel der Mitwanderer sind Verwandte oder Bekannte. Der Anteil der allein gehenden Personen ist bei Tagestouren mit ca. 7 % deutlich geringer als bei Urlaubstouren mit 18 %. Wegen der Fahrt zum und vom Wandergebiet, die für einen Tagesausflug in Relation schon einen größeren Zeitaufwand erfordert, überrascht es nicht, dass dann nur noch weniger Zeit für die Wanderung übrig bleibt und diese Touren in der Regel kürzer ausfallen als an einem Urlaubstag mit Start ab Ferienquartier. Die kürzere Dauer und auch Länge wurden ermittelt: Die durchschnittliche Wanderdauer bei einem Tagesausflug beträgt 2,57 Stunden, Wanderungen von über vier Stunden sind deutlich unterrepräsentiert (vgl. a. a. O., S. 53). Zu dieser verwendeten Zeit kommt eine durchschnittliche Entfernung von 8,8 Kilometern. Bei etwas mehr als einem Viertel der Tagesausflüge (ca. 28 %) werden Entfernungen zwischen 2,5 und 5 Kilometern zurückgelegt, bei fast 40 % der Tagesausflüge sind es Distanzen von 5 bis 10 Kilometern und bei 32 % geht es über 10 Kilometer durch die Landschaft. Ein etwas anderes Verhalten zeigen die Wanderer während des Urlaubs, wenn die Ausgangslage auch im wahrsten Sinne des Wortes eine andere ist. So am deutlichsten bei der Dauer und Länge einer Wanderung, wenn es sich um eine Mehrtageswanderung mit wechselnden Unterkünften handelt. Dann werden durchschnittlich 5,46 Stunden am Tag gewandert und dabei 18,7 Kilometer geschafft. Bei Wanderern mit festem Quartier wurden Werte von durchschnittlich 3,20 Stunden und 9,5 Kilometern Strecke ermittelt. In der Beliebtheit der deutschen Wanderregionen steht auch für den Urlaub Bayern bei 46 % der Wanderer an erster Stelle, mit deutlichem Abstand gefolgt von Baden-Württemberg (17 %). „Sachsen, Niedersachsen und Thüringen sowie Mecklenburg-Vorpommern erreichen noch einen Anteil von ca. 9 % an den Inlandsreisen der aktiven Wanderer und stellen somit ebenfalls noch bedeutende Wanderregionen für den übernachtenden Wandertourismus dar.“ (a. a. O., S. 54) Für einen Wanderurlaub in Deutschland nimmt man sich eher weniger Zeit, d. h. 81 % fallen in die Kategorie Kurzurlaub, nur knapp 19 % der Befragten verbringen ihren Haupturlaub zum Wandern im Inland. In den Motiven, die zum Wandern bewegen, gibt es zwischen dem Tagesausflug und dem Urlaub Unterschiede. Kommunikative und soziale Aspekte, die bei ersterem eine Rolle spielen, verlieren beim Urlaub an Bedeutung. Hier steht das Interesse an der Region stärker im Fokus, so werden beispielsweise mehr <?page no="93"?> 96 Wandertourismus Besichtigungen durchgeführt. Der Wunsch, den Alltag hinter sich zu lassen, Stress abzubauen, frei zu sein und viel zu erleben, hat ebenfalls einen höheren Stellenwert - ist schließlich bei einem mehrtägigen Aufenthalt eher zu realisieren. Gleiches gilt auch für weitere Aktivitäten, die neben dem Wandern im Urlaub einen Platz finden können. Doch nur jeder fünfte Wanderer nimmt sich Zeit für anderes; Besichtigungen spielen hier eine große Rolle: Rund 60 % der zusätzlichen Aktivitäten entfallen auf den Besuch kultureller Sehenswürdigkeiten, wie Denkmäler, Museen oder ähnlichen Einrichtungen. Möglichkeiten, sich über die Natur zu informieren, werden zu gut 21 % genutzt. Die Studie kommt zu dem Fazit: „Wanderer konzentrieren sich somit größtenteils auf die Aktivität Wandern. Gezielte Besuche kultureller Einrichtungen spielen zwar noch eine gewisse Rolle, insgesamt gesehen ist der Anteil der im Rahmen von Wanderungen durchgeführten, weiteren Aktivitäten doch relativ gering.“ (a. a. O., S.57) Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) 3.4.2 Produktgestaltung und Dienstleistungen Ohne zertifizierte Wanderwege, ohne ein bereits auf den ersten Blick erkennbares Qualitätsmanagement im Wanderangebot ( Kap. 4), hat eine Wanderdestination heutzutage eher schlechte Karten - die relativ wenigen, die das große Abenteuer in der Natur suchen, werden für diesen Urlaub kaum Deutschland auswählen. Bei derzeit (Stand Winter 2016) 152 Qualitätswanderwegen mit rund 13.500 Kilometern bundesweit kann man die zertifizierten Wanderwege nicht wirklich als Alleinstellungsmerkmal bzw. USP (Unique Selling Product) bezeichnen. Da sind größere Aktivitäten im Destinationsmarketing gefordert. <?page no="94"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 97 Wissen Destination Eine Destination ist ein „geographischer Raum (Ort, Region, Weiler), den der jeweilige Gast (oder ein Gästesegment) als Reiseziel auswählt. Sie enthält sämtliche für einen Aufenthalt notwendigen Einrichtungen für Beherbergung, Verpflegung, Unterhaltung/ Beschäftigung. Sie ist damit die Wettbewerbseinheit des Incoming Tourismus, die als strategische Geschäftseinheit geführt werden muss.“ (BIEGER/ BERITELLI (2013), S. 54) „Darüber hinaus umfasst der Begriff auch den Aspekt des Bündels an touristischen Leistungen, das von der Destination bereitgestellt wird. In privatwirtschaftlichen Destinationen wie Themenparks, Hotelresorts etc. erfolgt die komplexe Leistungserstellung durch ein einzelnes Unternehmen (also „aus einer Hand“), in öffentlichen Destinationen wie Städten und Regionen sind zahlreiche eigenständige Unternehmen daran beteiligt - z. B. Hotels, Restaurants, Verkehrsbetriebe, Freizeit- und Unterhaltungseinrichtungen. Für einen erfolgreichen Marktauftritt bedarf es einer intensiven Kooperation dieser Akteure innerhalb einer Destination und eines klaren Profils in der Außendarstellung (Kommunikationspolitik, Markenbildung)“ (STEINECKE (2013), S. 15). Aus den grundsätzlichen Überlegungen zur Produktgestaltung im Tourismus, zum einen die Orientierung an den speziellen Bedürfnissen verschiedener Kundengruppen, zum anderen die Orientierung an Themen, die diese speziellen Bedürfnisse verkörpern und befriedigen können (vgl. DREYER (2010), S. 238), ergeben sich spezifische Herausforderungen für eine Wanderdestination. Grundlegende Produktkomponenten einer solch spezialisierten Destination sind die Wanderinfrastruktur und die Landschaft. Neben den klassischen Kernleistungen, wie Wanderwegenetz, Übernachtung, Verpflegung, erwartet der Gast Zusatzleistungen - zum einen als direkte Ergänzung zum Wandern beispielsweise den Gepäcktransfer, Hol- und Bringdienst zur Route, spezielle und aktuelle Informationen rund um das Wandern (z. B. über das Wetter, Fahrpläne des ÖPNV), Tourenvorschläge, GPS-Daten zum Herunterladen, zum anderen als abwechslungsreiche Gestaltung eines Wanderurlaubs, wie Wellnessangebote, Kulinarisches und Kulturelles aus der Region. Es gilt, Angebote zu schaffen, die mit dem Wandern harmonieren, zum Beispiel für Gesundheitsbewusste vieles rund um Wellness, oder des Weiteren Gelegenheiten und Angebote zu schaffen, die Charakteristika einer Region, das Authentische, genussvoll zu erleben. Zu den Dienstleistungen, mit denen die Destination Pluspunkte sammeln kann, gehört ein Tourenportal, mit dessen Hilfe sich der Gast schon bei seiner Urlaubsplanung ein konkretes Bild von den Touren machen kann, die er vielleicht <?page no="95"?> 98 Wandertourismus unternehmen möchte, und sich eventuell auch schon die entsprechenden Routenbeschreibungen herunterladen und ausdrucken kann. Ein solches Beispiel ist der Tourenplaner von Sauerland Tourismus (regio.outdooractive.com/ oar-sauerland/ de/ tourenplaner), der nicht nur ein Bild von bestehenden markierten Wanderwegen vermittelt, sondern auch individuelle Tourengestaltung erlaubt. Auch von solchen „selbstgestrickten“ Wanderrouten bekommt der potenzielle Gast gleich die entscheidenden Infos, wie Länge, Dauer der Tour, Höhenmeter im Auf- und Abstieg, natürlich ein Höhenprofil und dieses auch noch inklusive Bodenbeläge und Art der Wanderwege (z. B. Asphalt, Schotter, Straße, Wanderweg, Pfad) geliefert. Dieser Service ermöglicht mühelos, Routen abzuwägen und seine optimale Wanderung zu finden. Manchen Pluspunkt und Chance aus der Vielzahl gut ausgestatteter Wanderdestinationen herauszuragen, bietet ein gutes Image der Region, sei es als „klassische“ Destination oder als „Geheimtipp“ - aber bitte mit Mittelgebirge, weil Wanderer diese Landschaftsform bevorzugen! Ein „namhafter“ zertifizierter Wanderweg als Marke, wie zum Beispiel der Rothaarsteig oder der Westweg, kann das positive Image fördern. Da jedoch viele Leistungsträger für das Markenversprechen mit verantwortlich sind, besteht die Gefahr, dass nicht alle die Qualitätsvorgaben und die Markenerwartung erfüllen. Ein anderer Aspekt, der sich an den Grundbedürfnissen des - statistisch ermittelten - Wanderers orientieren sollte, ist dessen Suche nach Authentizität, dem Kennenlernen einer Region mit möglichst allen Sinnen und auf verschiedenen Ebenen, wie es Themenwege oder Storytelling ( Kap. 7.6) in „Eigenarbeit“ des Wanderers ermöglichen. Die zweite Möglichkeit sind geführte Touren mit ausgebildeten Natur- und Landschaftsführern ( Kap. 7.9), die mehr als nüchterne Fakten vermitteln, sondern auch noch Erlebniswerte schaffen, dem Gast „Insider-Einblicke“ ermöglichen. Praktische Tipps zur Gestaltung von Wanderpauschalen bietet zum Beispiel Sauerland Tourismus in einem Leitfaden (www.sauerland-tourismus.com/ content / download/ 14034/ 105359/ file/ Praxisleitfaden%204_Pauschalangebote.pdf ). Praxis Konzeption einer Pauschale „Die folgenden Leitfragen sollten bei der Erstellung einer Pauschale beachtet werden, damit die Pauschale die richtige Zielgruppe zum richtigen Zeitpunkt mit interessanten Inhalten anspricht. Wen soll die Pauschale ansprechen? Was ist das Besondere an dem Angebot? <?page no="96"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 99 Welche Leistungen gehören zu den Basisleistungen, was sind Zusatzangebote? Wann und wie oft/ wie lange wird die Pauschale angeboten? Wie wird die Pauschale vermarktet, wie bekommt der Gast die Infos? Wo ist das Angebot buchbar, wer sind die Vertriebspartner? Wie können Text und Layout die Zielgruppe erfolgreich ansprechen? Wie wird die Qualität gesichert? “ Quelle: SAUERLAND TOURISMUS, a. a. O., S. 3 SAUERLAND TOURISMUS liefert in seinem Fazit über das Erstellen von Pauschalen auch gleich noch seine Erfahrungswerte über den dazugehörenden Zeitrahmen mit: „Ein Planungsvorlauf bei der Erstellung einer Pauschale von sechs bis neun Monaten ist durchaus realistisch. Bis Pauschalen erfolgreich im Markt wahrgenommen und gebucht werden, können drei bis vier Jahre vergehen. Hier ist also u. U. ein langer Atem gefragt. Dabei muss weiterhin der Markt beobachtet werden, ob sich während der Laufzeit der Pauschale relevante Veränderungen ergeben.“ (a. a. O., S. 5) Für große Destinationen, wie zum Beispiel die deutschen Bundesländer, kann das Wandern nur eine von mehreren Themenlinien, Themensäulen, Themenbereichen sein oder wie man die Schwerpunkte des Marketings noch nennen mag. „Dabei steht die Frage im Mittelpunkt: Was können wir besonders gut? - und nicht: Was können wir alles? “ so STEINECKE (2015, S. 87). Aus den dann definierten Kernkompetenzen kann sich das Themenmarketing ergeben. Wissen Themenmarketing von Destinationen „Destinationen sollten sich in ihrer Leistungspolitik also auf wenige Schwerpunkte konzentrieren (Produkt-Markt-Kombinationen), für die sie aufgrund ihrer gesamten Angebotsstruktur besonders gut geeignet sind (Kernkompetenzen) und in denen ein hohes Nachfragepotenzial besteht.“ (STEINECKE (2015), S. 87) Im „mittelgebirgsreichen“ Rheinland-Pfalz wird ein „Wanderwunder“ (www.wanderwunder.info) vermarktet, doch das Thema gehört ohnehin von Natur aus zur Kernkompetenz dieses Bundeslands. Auf der Internetseite werden nicht nur allgemeine Informationen über Wanderregionen, zertifizierte Wege samt <?page no="97"?> 100 Wandertourismus praktischen Tipps und Touren-Apps geboten, sondern auch Informationen über Wanderveranstaltungen und Wanderreisen, d. h. Angebote regionaler Tourismusmarketingorganisationen sowie professioneller Reiseveranstalter. Literatur BIEGER, T.; BERITELLI, P. (2013): Management von Destinationen. 8. Aufl., Oldenbourg, München. HARTMANN, R. (2014): Marketing in Tourismus und Freizeit. UVK/ Lucius, München. DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M. (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. STEINECKE, A. (2013): Destinationsmanagement. UVK/ Lucius, München. Websites Leitfaden zur Erstellung von Wander-Pauschalangeboten www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14034/ 105359/ file/ Praxisleitfaden%204_Pauschalangebote.pdf Wanderurlaub Rheinland-Pfalz www.wanderwunder.info 3.4.3 Vorbereitung eines Wanderurlaubs Wie informiert sich der Wandergast über seinen Urlaub, wie bucht er, welche speziellen Vorlieben sind zu beobachten - auch darüber gibt die Studie des Bundeswirtschaftsministeriums (2010) Auskunft. Die folgenden Ausführungen betreffen den Wandergast, der einen mehrtägigen Aufenthalt mit Übernachtungen plant, nicht den Tagestouristen. Rund zwei Drittel der übernachtenden Wandergäste haben für ihre Information das Internet genutzt (62,2 %); mit großem Abstand (25,8 %) folgen diejenigen, die Tipps und Empfehlungen aus dem persönlichen Umfeld bekommen haben. 20,9 % ließen sich vom Prospektmaterial der Tourismusinformation inspirieren. Eng beieinander liegen die Werte für Gedrucktes in umfangreicherer Form: Allgemeine Reiseführer nutzten 13,3 %, auf spezielle Wanderführer stützten sich 12,3 % der Planenden. Erwartungsgemäß gibt es bei der Informations- <?page no="98"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 101 beschaffung Unterschiede zwischen den Altersgruppen, bei den Jüngeren ist die Internetnutzung größer, aber immer noch rund 35 % der 65-Jährigen und älteren Personen nutzten dies. Bei den älteren Wanderern steht - auch nicht überraschend - Prospektmaterial der Tourismusinformation höher im Kurs. Mit einem speziellen Wanderführer planen 42 % der Wanderer, die sich auf eine Mehrtagestour begeben wollen. Bei den Wanderurlaubern mit einem festen Quartier sind es dagegen nur 8 %. Bei der Buchung eines Wanderurlaubs zeigen die Wanderer eindeutige Vorlieben. Zu 62 % buchen sie diesen direkt beim Vermieter, 16 % haben sich gleich ohne eine Reservierung auf den Weg gemacht. Keine Rolle spielen in diesem Part des Wandertourismus die Reisebüros, Reiseveranstalter und die lokalen oder regionalen Tourismusinformationen, denn nur 3 oder 4 % der Buchungen laufen über ihre Computer. In diesem Buchungsverhalten konnte die Studie keine nennenswerten Unterschiede zwischen den Altersgruppen ermitteln. Zu denjenigen, die sich ohne Reservierung auf ihren Weg begeben, gehören ca. 34 % der Streckenwanderer. Dieses Verhalten zeigt, dass man unabhängiger sein möchte, sich nicht festlegen will, wie weit man an einem Tag wandern möchte/ kann. Dank einer guten Vorbereitung und moderner Kommunikationsmittel dürfte sich die Herbergssuche auf der Wanderung nicht in biblische Probleme ausarten und das Risiko, kein Quartier zu finden, sich in engen Grenzen halten. Auf die Orientierung während eines Wanderurlaubs bereiten sich erstaunlicherweise die meisten (44 %) überhaupt nicht vor! Und noch zusätzliche 2 % nehmen dann auch im Urlaub keinerlei Orientierungshilfen in Anspruch, d. h. fast die Hälfte aller Wanderer verlässt sich ausschließlich auf die Beschilderung an den Wegen. Die klassische Wanderkarte haben rund ein Drittel zur Vorbereitung studiert und dann auch im Rucksack dabei, 10 % einen Wander- oder Reiseführer. Die elektronischen Informationsmöglichkeiten spielen bei der Planung wie den Touren selber keine nennenswerte Rolle, zwischen 1 und 5 % liegen hier die Werte. Selbst junge Wanderer nutzen von allen Orientierungshilfen am meisten die Wanderkarte aus Papier. Die stärkste Nutzung von Wanderkarten fand sich bei den Streckenwanderern: Ca. 76 % orientierten sich mit einer Karte, 27 % mit Reise- oder Wanderführer und gerade einmal 6 % mit einem GPS- Gerät. <?page no="99"?> 102 Wandertourismus Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin, S. 86 ff. 3.4.4 Der Deutsche Wandertag Der Grund, weshalb es berechtigt ist, den Deutschen Wandertag im Kapitel Marketing zu behandeln, liegt in den „immensen“ ökonomischen Effekten dieser mehrtätigen Veranstaltung - so die Pressemitteilung 15/ 2015 des Deutschen Wanderverbands (Wandertag2016PM.pdf). Für das Marketing der Wanderregion bedeutet diese Veranstaltung viel Arbeit, aber auch zahlreiche direkte positive wie nachhaltige Effekte. Im Gründungsjahr des Deutschen Wanderverbands 1883 versammelten sich die Wanderfreunde zum ersten Mal und seit 1950, mit einer Ausnahme 1972, treffen sie sich alljährlich zum Deutschen Wandertag. Ein Mitgliedsverein des Deutschen Wanderverbands kann sich darum bewerben, diesen Wandertag auszurichten und „seine“ Stadt zur „Wanderhauptstadt“ des Jahres zu erheben bzw. seine Region zum Treffpunkt des größten deutschen „Wanderfestes“ werden zu lassen. Die Delegierten der 57 deutschen Gebirgs- und Wandervereine, die zum Deutschen Wanderverband gehören, beschließen während einer Jahreshauptversammlung über diese Anträge. Im Juni 2015 fand in Paderborn der 115. Deutsche Wandertag statt, Ausrichter war neben der Stadt und dem Kreis Paderborn auch der Eggegebirgsverein. Ein Mammutprogramm wurde für die sechstägige Veranstaltung organisiert. Fast 200 geführte Wanderungen durch die Region fanden statt, hinzu kamen Führungen durch die Stadt Paderborn, durch Sehenswürdigkeiten in Stadt und Umland, Radtouren, Busexkursionen sowie Vorträge, Unterhaltungsangebote für die ganze Familie, Fachtagungen und traditionsgemäß auch Vorstandsitzungen und die Jahreshauptversammlung des DWV. Als gesellschaftlicher Höhepunkt des Wandertags gilt der Festumzug um Sonntag, an dem bis zu 25.000 Vereinswanderer aus allen Teilen Deutschlands teilnehmen, die ihre jeweilige Heimatregion repräsentieren. Eine ähnlich hohe Zahl an Zuschauern wird geschätzt. Die ökonomischen Effekte einer solchen Veranstaltung wurden bei einigen vergangenen Deutschen Wandertagen untersucht. „Durchschnittlich halten sich 11.000 zusätzliche Übernachtungsgäste für einen Zeitraum von vier bis fünf Tagen in einem Umkreis von 60 Kilometern um den Austragungsort eines Wandertages auf. Damit kann die jeweilige Region im Schnitt rund 50.000 zusätzliche Übernachtungen für sich verbuchen. Das Thüringer Saaleland etwa <?page no="100"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 103 steigerte seine Übernachtungszahlen im Jahr des dortigen 105. Deutschen Wandertages 2005 gegenüber dem Vorjahr um 16 Prozent“ (a. a. O., S. 1). Der große Festumzug ist eine wichtige Attraktion für den Tagestourismus. „Beim 108. Deutschen Wandertag in der Rhön zum Beispiel zählten die Offiziellen während des Festumzuges 50.000 Gäste in Fulda.“ (a. a. O., S. 1f.) Nach Untersuchungen des Deutschen Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts für Fremdenverkehr e. V. (DWIF) kann man von den Ausgaben der Kurzurlauber und Tagestouristen im Zielgebiet auf mindestens zusätzliche drei Millionen Euro schließen, die als unmittelbare Wertschöpfung in die Region fließen. Von hohem Wert, der sich letztendlich auch in barer Münze auszahlen wird, sind die zufriedenen Wandertagsteilnehmer als Werbeträger für die jeweilige Region. Zum einen tragen sie ihre Erfahrungen und Informationen in die 57 Mitgliedsvereine des DWV und erreichen ein Gros der rund 600.000 Mitglieder, aber auch in den Kreis der nicht organisierten Wanderer. „Diese von Tourismus-Verantwortlichen als besonders wirksam geschätzte Mund-zu-Mund- Propaganda bestätigt eine Besucherumfrage zum 99. Deutschen Wandertag vom Fremdenverkehrsverein Dübener Heide/ Sachsen-Anhalt: 44,9 % der Wandertagsgäste gaben an, dass sie die Region Freunden und Bekannten als Wanderregion weiterempfehlen werden.“ (a. a. O., S. 2) Berücksichtigt man, dass rund ein Viertel der Wanderer bei der Planung ihres Wanderurlaubs persönlichen Empfehlungen ( Kap. 3.4.3) folgt, zeigt sich, welche Bedeutung dieser Aspekt hat. Daraus ergibt sich ein höheres Besucheraufkommen in den Jahren nach einem Wandertag. Doch auch ohne Flüsterpropaganda gewinnt eine Wandertagsregion neue Gäste: Die Wanderer können schließlich davon ausgehen, dass die Infrastruktur zu diesem Anlass auf den neuesten und besten Stand gebracht wurde und davon profitieren sie in den Folgejahren gerne - besonders, wenn man lieber in kleiner Gesellschaft unterwegs sein möchte. Der Erfolg des Wandertags im Sommer hat inzwischen auch zu einer Winterausgabe geführt: 2014 fand die Premiere mit dem 1. Deutschen Winterwandertag in Willingen statt, wo im Januar 2016 die Gemeinde Willingen und der Upländer Gebirgsverein ebenso den Zweiten ausrichteten. Die Winterwandertage sollen im Zwei-Jahres-Rhythmus stattfinden - auch wenn kein Schnee liegt; 2018 werden der Fichtelgebirgsverein und die Ochsenkopf-Region die Organisatoren des 3. Deutschen Winterwandertags sein. Das Programm beinhaltet - wie bei den Sommerveranstaltungen - geführte Wanderungen, Wanderungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden, Familientouren, vom DWV zertifizierte Gesundheitswanderungen und vielleicht jahreszeitlich bedingt mehr Fackelwanderungen sowie ein Rahmenprogamm ohne Wanderschuhe. <?page no="101"?> 104 Wandertourismus Websites 115. Deutscher Wandertag 2015 in Paderborn www.dwt-2015.de/ Deutscher Wanderverein/ Deutscher Wandertag allgemein www.wanderverband.de/ conpresso/ _rubric/ index.php? rubric=Deutscher-Wandertag 2. Deutscher Winterwandertag www.winterwandertag.willingen.org Zusammenfassung Die beliebteste Landschaft bei deutschen Wanderern ist das Mittelgebirge. Wandergastronomie und Wanderhotels sowie Wanderdörfer sollen neben der wandertouristischen Grundversorgung (Verpflegung und Übernachtung) auch die jeweiligen Regionen erfahrbar machen, indem authentische Erlebnisse in Küche und Ambiente geboten werden. Das Wandern stellt in Deutschland einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor dar: Es sichert ca. 144.000 Arbeitsplätze und bringt es derzeit auf geschätzte 7,8 Milliarden Euro Bruttoumsatz im Jahr. Der Wandertourismus kann für den nationalen und internationalen Tourismus eine gewichtige Rolle im ländlichen Raum spielen. Die Arbeit der DZT zeigt, dass das Wandern wie das Radfahren für Bewohner der angrenzenden Staaten Motive für einen Deutschlandaufenthalt sein können. Natur und damit verbundene Aspekte gehören zum Themenmarketing und immer wieder auch zu Themenjahren. Zielgruppen für das Marketing einer Destination ergeben sich auch den unterschiedlichen aktuellen Lebensstilen. Für die Produktgestaltung und ein erfolgreiches Marketing einer Wanderdestination gibt es die große Herausforderung, Alleinstellungsmerkmale zu entwickeln, da die Angebotsseiten sich wenig unterscheiden. <?page no="102"?> Wanderglück verkaufen - Management und Marketing 105 Studien über das charakteristische Informations- und Buchungsverhalten von Wandergästen helfen dabei, auf die richtigen zielgruppenadäquaten Vertriebswege zu setzen. Von den Deutschen Wandertagen gehen für den Austragungsort nachhaltige ökonomische Effekte aus und für das Marketing der Destination werden beste Grundlagen gelegt. Nach 115 Deutschen Wandertagen bis zum Jahr 2016 hat man 2014 den 1. Deutschen Winterwandertag ins Leben gerufen. <?page no="104"?> 4 „Wanderparadiese“ anderswo - Blicke über die Grenzen Höchst unterschiedliche Aspekte rund um den Wandertourismus, zu denen sich interessante aktuelle Studien finden ließen oder etwas Feldarbeit vor Ort möglich war, sollen die nachfolgenden Blicke über den deutschen Tellerrand bieten. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: In Österreich wird an einem Beispiel der Bedeutungswandel von Sommer- und Wintersaison und damit des Wanderns angerissen sowie die Gestaltung des Wanderwegenetzes. Wanderwegemanagement mit einer „Weltpremiere“ in der Schweiz und Überlebensstrategie für Wanderer auf der Alm. Norwegens Wandertourismus wird von zwei höchst unterschiedlichen Zielgruppen bestimmt, die lange für eine Vernachlässigung des Marketings gesorgt haben. Der irische Weg, im Burren-Nationalpark den Wandertourismus für die Förderung der Wirtschaft im ländlichen Raum zu nutzen. Versuche in Portugal, ein zusätzliches Angebot zum Küstentourismus zu schaffen. Skizzen von einem Fernwanderweg für Hartgesottene - dem PCT. Radikale Besucherlenkung auf den Great Walks in Neuseeland. 4.1 Österreich - der „klassische“ Weg im Wandertourismus Die typische Entwicklung des Wandertourismus in einer Gemeinde der Ostalpen und ihre aktuellen Aktivitäten auf diesem Sektor lassen sich gut am Beispiel von Neukirchen am Großvenediger und Bramberg, den beiden wichtigsten Gemeinden in der Tourismusregion Wildkogel-Arena, aufzeigen. Das Gebiet gehört ebenfalls zu einem Teil zum Nationalpark Hohe Tauern. <?page no="105"?> 108 Wandertourismus Mit dem Entdecken der Dörfer - nicht nur im Salzburger Land - als geeignete Orte der Sommerfrische beginnt im 19. Jahrhundert die touristische Entwicklung, die als wichtigste sportliche Aktivitäten während der Aufenthalte im Sommer das Spazierengehen und Wandern hervorbringt. Beflügelt wird die Fortbewegung per Pedes in den Alpen durch die Bergsteiger, die sich zur „Eroberung“ der Gipfel auf den Weg machen. Im Oberpinzgau sorgen in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Besteigungen in der Glockner- und Venedigergruppe für erste große Aufmerksamkeit. Zeitgleich erfolgt der erste Ausbau einer Infrastruktur, wie zum Beispiel 1842 eine alpine Unterkunft am Fuß des Großvenedigers im Obersulzbachtal, die Vorgängerin der heutigen Kürsinger Hütte (2558 m NN). Auch die ersten Wanderwege bis in die hochalpine Region werden angelegt. Doch mit der Anbindung des Oberpinzgaus an das Eisenbahnnetz 1898 durch die Pinzgauer Lokalbahn kommt es zu einem bemerkenswerten Aufschwung des Fremdenverkehrs. „Besonders gilt die für die Gemeinde Neukirchen (seit 1929 Neukirchen am Großvenediger), wo 1897 ein „Verschönerungsverein“ gegründet worden war, der durch gezielte Maßnahmen, wie die Anlage von Wanderwegen, das Aufstellen von Ruhebänken und die Verschönerung des Ortsbildes maßgeblich zur Belebung des örtlichen Fremdenverkehrs beitrug“ (MOSE (1988), S. 51). Zu den Aktivitäten gehört auch 1898 das Anpflanzen einer Allee vom Bahnhaltepunkt durch das Dorf - wenn auch Spazierengehen zu den Standardaktivitäten der Gäste gehört, ein brauner Teint oder andere sonnengebräunte Körperteile galten noch als unfein und Zeichen niedrig angesehener Arbeit! In den Jahren 1919 bis 1929 weist die Statistik bereits eine zehnfache Steigerung der Gästeübernachtungen in Neukirchen (vgl. a. a. O.) auf und bereits ein Großteil der Gäste kommt aus Deutschland. Mit der Einführung der 1000-Mark- Sperre - einer „Ausreisegebühr“ oder Strafsteuer - schränken die Nationalsozialisten 1933 bis 1936 den Reisestrom aus Deutschland massiv ein, um die österreichische Wirtschaft und insbesondere den Tourismus zu schädigen. Mit dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich 1938 ändern sich die Gästegruppen: Die Deutschen können wieder „ungestraft“ kommen, dafür meiden andere Urlaubergruppen, so die Briten, Franzosen und Niederländer, Österreich, wie es auch in Neukirchen zu beobachten ist. Anfang der 1950er Jahre erlebt der internationale Tourismus im Oberpinzgau wieder eine Blütezeit, die auch von der neuen Mobilität der Gäste dank privater PKW profitiert. In Neukirchen steigt die Zahl der Sommerübernachtungen von 39.208 im Jahre 1954 auf 121.351 zehn Jahre später (vgl. a. a. O., S. 52). Es ist der traditionelle Sommertourismus mit den wesentlichen Aktivitäten Wandern und Bergsteigen, der zwischen Mai und Oktober die Gästebetten füllt. „So belief sich das Verhältnis von Sommerzu Wintergästen im Fremdenverkehrs- <?page no="106"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 109 jahr 1964/ 65 z. B. in Neukirchen auf 1: 17, in Bramberg sogar auf 1: 54“ (a. a. O., S. 52). 1966 sollen mit der Eröffnung der Doppelsesselbahn der Wildkogelbahn die Weichen für den Durchbruch des Wintertourismus und den Bedeutungsverlust des Sommertourismus gestellt werden, erste kleine Schlepplifte in Ortsnähe hatten zu diesem Zeitpunkt bereits den Betrieb aufgenommen. Heute hat sich das Verhältnis zwischen Winter- und Sommertourismus bei 689.800 Übernachtungen in Neukirchen am Großvenediger und Bramberg (im Zeitraum 1.5.2014-30.4.2015), davon ca. 63 % der Übernachtungen im Winter zu knapp 37 % während des Sommers eingependelt. Für das Salzburger Land schätzen die Touristiker, dass 85 % der Gäste in ihrem Urlaub „häufig oder fallweise“ wandern. „Spazieren und Wandern sind die bedeutendsten Urlaubsaktivitäten der Gäste“ (SALZBURGERLAND TOURISMUS (2005), S. 5). Praxis Ingrid Maier-Schöppl, Geschäftsführerin Wildkogel-Arena Von den Sommergästen sind geschätzt 90 bis 95 % Wanderer, „aber rund 80 % davon machen schon auf 1.900 m NN schlapp, außer sie fahren mit der Bergbahn! “, sagt Ingrid Maier-Schöppl, die Geschäftsführerin der Wildkogel-Arena, die die Gemeinden Bramberg und Neukirchen am Großvenediger umfasst. Die „klassische“ Wanderergeneration mit Kniebundhose, roten Strümpfen und rot-weiß kariertem Hemd, die lange das Bild bestimmte, gehört inzwischen der Vergangenheit an. Während bis ungefähr um das Jahr 2000 kaum junge Leute gewandert sind, ist es jetzt „in“ - natürlich im modernen Outdoor-Outfit, d. h. in der aktuellen Funktionskleidung. Auch Einheimische sind zunehmend auf den Wanderwegen in der Wildkogel-Arena zu finden. Großer Beliebtheit erfreuen sich Wanderungen zu GPS-Punkten - dazu Ingrid Maier-Schöppl: „Du musst alle neuen Facetten mitnehmen! Alles hat einen modernen Touch bekommen. Es zeigt sich auch der Trend, wieder gesünder zu leben; Sport, Bewegung und Nachhaltigkeit sind gefragt! “ Quelle: Interview mit Ingrid Maier-Schöppl Zu den neueren Entwicklungen seit ca. 2005 gehört auch, dass im Winter verstärkt gewandert wird, und es Gäste gibt, die in der kalten Jahreszeit gar nicht Ski laufen wollen, sondern wegen des alternativen Winterangebots nach Neukirchen kommen. Ein großer Teil der Aktivitäten umfasst dabei mit Schneeschuhtouren, Winterwanderungen auf gespurten und geräumten Wegen sowie Fackelspaziergängen wiederum das Wandern. <?page no="107"?> 110 Wandertourismus Von der Wildkogelbahn, die nun sommers wie winters Gäste in eine Höhe von 2091 m NN (Bergstation) bringt, profitiert auch der Wandertourismus und erhält somit ein weiteres Gebiet, das vor allem von der höhenbedingt offenen Landschaft mit seinen Panoramablicken profitiert und eine Reihe von Almen und Grasbergen erschließt. Dank seiner verschiedenen Wandergebiete sieht sich Neukirchen/ Bramberg als größter und vielseitigster Partner des Nationalparks Hohe Tauern unter den 19 beteiligten Gemeinden. Neben dem Höhenwandergebiet Wildkogel gehören drei Täler des Nationalparks - das Ober- und das Untersulzbachtal sowie das Habachtal - zum Wanderangebot. Diese drei Täler dürfen nur von den Nationalparktaxis befahren werden, die festgelegte Haltestellen im mittleren und oberen Talbereich ansteuern. Auf diese Weise sind lange Abschnitte der Täler für alle Zielgruppen, d. h. auch für eingeschränkt mobile Gäste, erreichbar. Mit seinen Themenwanderwegen erschließt Neukirchen/ Bramberg lokale Aspekte der Naturlandschaft, die durchaus von europäischem Rang sein können: Das Habachtal ist das einzige Tal Europas mit Smaragdvorkommen. Auf diesen mineralogischen Schatz aufbauend hat man den Smaragdweg angelegt. An seinen Stationen zeigt sich, dass er nicht nur kreativ Wissen rund um Natur, Geologie und Mineralogie vermittelt, sondern auch als Familienwanderweg konzipiert wurde. Noch mehr wurde der Venedigerweg im Obersulzbachtal ( Kap. 7.2) als Kinderwanderweg konzipiert. Zu den weiteren Themenwegen gehört im mittleren Bereich desselben Tals der Energielehrpfad Postalm, der mit Informationstafeln und fünf interaktiven Stationen erneuerbare Energien dem Wanderer näherbringt. Oben im Talschluss beginnt bei der Obersulzbachhütte im alpinen Gelände noch ein Gletscherlehrweg. Im Untersulzbachtal bietet der Nationalpark-Geolehrweg Einblicke in das geologische Phänomen „Tauernfenster“ und in den ehemaligen Kupferbergbau im Hochfeld inklusive Besichtigung eines Schaubergwerks bzw. einem 130 m langen Stollens. Als Beitrag zum aktuellen Trend und Wandermotiv Pilgern wurde 2015 der Neukirchner Kapellenweg eröffnet, der auf seinen 17,5 Kilometern zehn Kirchen und Kapellen auf dem Gemeindegebiet verbindet. Durch diese Sakralbauten werden auch prägende Elemente der bäuerlichen Kulturlandschaft touristisch erschlossen; die Initiative zu diesem Weg ging von dem Besitzer der jüngsten Kapelle, der 2008/ 09 errichteten Christophoruskapelle, aus. Die Streuobstwiesen und der traditionsreiche Obstanbau im Pinzgau sind das Thema des Obstlehrwegs Pomarium in Bramberg/ Wenns. So weitgereist Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) nachweislich auch war - er brachte es bei all seinen Reisen zusammengenommen auf eine komplette Erdumrundung, im Neukirchner Trattental ist er sicherlich nicht gewandert. Mit dem dortigen Goetheweg, der 2007 angelegt wurde, bringt man die <?page no="108"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 111 Themen „Metamorphose der Pflanzen“ und Goethes Farbenlehre mit Kunstwerken von Christian Hitsch und Versen aus Goethes Gedicht „Metamorphose der Pflanzen“ dem Wanderer nahe. Zu den Rahmenbedingungen, die das Wandern in der Wildkogel-Arena fördern und für den Gast die Attraktivität erhöhen, gehören diverse Mobilitätsangebote. Zum einen hat die Pinzgauer Lokalbahn mit ihrer engen Reihe an Haltestellen für den Wandertourismus wieder an Bedeutung gewonnen, zum anderen machen es Wanderbusse und Nationalparktaxis den Gästen leicht, auf ihren eigenen PKW im Urlaub zu verzichten, oder geben ihm die Möglichkeit, auch bei einer Anreise mit der Bahn am Ferienort mobil zu sein und zu den Ausgangspunkten vieler Wanderungen zu kommen. Neukirchen und Bramberg gehören zu den derzeit (2016) 25 Alpinen Perlen, die auf „sanfte“ Mobilität setzen, d. h. „Nationalparktaxi, Tauernradtaxi, Taxi, Bus und Bahn, Shuttle-Service, Gratis-Skibus, Wildkogelbahnen“ (www.alpinepearls.com/ perlen/ oesterreich/ neukirchen.html) minimieren den Autoverkehr der Gäste. Die Nuzung dieser Angebote fördert die so genannte Wildkogel-Card, die man nicht direkt kaufen kann. Der Gast bezahlt sie mit seiner Übernachtung - (2015) 5 Euro zusätzlich pro Übernachtung - und erhält dafür Mehrleistungen, die den gezahlten Betrag deutlich übersteigen. Unter den Inklusivleistungen des Sommers 2015 waren insbesondere für Wanderer interessant: die kostenlose Teilnahme an geführten Spaziergängen und Wanderungen, die ebenfalls kostenlose Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel Zug und Bus, reduzierte Preise bei Wanderbus, Nationalparktaxi und Almtaxi, kostenloses Parken auf dem Parkplatz Hopffeldboden im Obersulzbachtal (täglich), kostenloses Parken auf dem Parkplatz Habachtal (einmal pro Woche) sowie eine Nahwanderkarte und ein Wanderbuch gratis. Als besondere Förderung des Familienwanderns verleiht man kostenlos Kindertragen und Buggys. Ab 2016 wird die Zahl der beteiligten Partner wesentlich erhöht, da aus der Wildkogel-Card mit den zwei Gemeinden eine Nationalpark-Card wird, an der sich alle 19 Gemeinden des Nationalparks beteiligen. Websites Lehr- und Themenwege Wildkogel-Arena www.wildkogel-arena.at/ de/ sommer/ wandern/ lehr-und-themenwege.html Alpine Pearls - natürlich sanfter Urlaub www.alpine-pearls.com/ home.html <?page no="109"?> 112 Wandertourismus Praxis Finanzierung der Wanderinfrastruktur am Beispiel von Neukirchen am Großvenediger Die Finanzierung der Wanderwege ist im Salzburger Tourismusgesetz geregelt: https: / / www.ris.bka.gv.at/ GeltendeFassung.wxe? Abfrage=LrSbg& Gesetzesnummer=20000248 (Landesrecht Salzburg: Gesamte Rechtsvorschrift für Salzburger Tourismusgesetz 2003, Fassung vom 09.10.2015) 1997 beschloss der Club Arc Alpin, der Zusammenschluss aller alpinen Verbände im Alpenraum (CAA), eine einheitliche Beschilderung der Wanderwege. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts stellt man auch in den betroffenen Bundesländern Österreichs, unter anderem in Salzburg, die Wanderwegschilder nach den neuen Vorgaben um. Dieser Wandel ist zum einen der zunehmenden Beliebtheit von Wanderungen im Winter geschuldet: Weiße Schilder werden durch gelbe ersetzt, die eben in einer verschneiten Landschaft auf die Distanz besser zu erkennen sind. Zum anderen hat man die Farbmarkierung zum Kennzeichnen der Schwierigkeiten von Skipisten übernommen, d. h. die Wanderwegschilder der neuen Generation geben neben den üblichen Informationen, wie Wegziel, gegebenenfalls Logo oder Name des Themenwegs, Wegzeit und Wegnummer, Name des Weghalters oder Wegbetreuers (z. B. des entsprechenden Tourismusverbands oder der zuständigen Alpenvereinssektion) und Standort des Schilds, nun auch eine Bewertung der Schwierigkeit dieses Wanderwegs. Abb. 7, rechts: Beschilderung mit Angaben der Schwierigkeiten der Wege im Nationalpark Hohe Tauern (Quelle: eigenes Foto) Zu den Punktfarben auf den Schildern in der Abbildung: Die Wanderwege zum Seebachsee und zur Kürsingerhütte sind rote Wege, die übrigen werden der blauen Kategorie zugeordnet. <?page no="110"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 113 <?page no="111"?> 114 Wandertourismus Wie bei den Farbmarkierungen von Skipisten bedeutet ein blauer Punkt auf dem gelben Wanderwegschild, dass es sich um einen leichten Weg, bei einem roten Punkt um eine Tour mit mittlerer Schwierigkeit und bei einem schwarzen Punkt um eine schwere Wanderung handelt. Diese Einschätzungen gelten für sommerliche trockene Witterungsverhältnisse (vgl. SALZBURGERLAND TOURIS- MUS (2005), S. 13). Praxis Schwierigkeitsklassen in Österreich Folgende Schwierigkeiten werden den Wanderwegen im alpinen Raum zugeordnet: Blauer Wanderweg Einfache Wanderwege im Dauersiedlungsraum und anschließendem Waldbereich, die durch flaches Gelände führen, keine größeren Steigungen aufweisen. Anforderungen: Keine speziellen Anforderungen, mit Lauf- oder Straßenschuhen begehbar. Es ist keine spezielle Ausrüstung zur Fortbewegung notwendig. Der Weg ist auch ohne Wanderkarte begehbar. Roter Wanderweg Bergwanderwege, bei denen bereits etwas Trittsicherheit notwendig ist. Steilstufen, Wasserläufe, Engstellen und erdige Wannen durch Ausschwemmungen sind bei diesen Wegen anzutreffen. Anforderungen: Ein Mindestmaß an Orientierung ist erforderlich. Über die Knöchel eichende Wander/ Trekking/ Bergschuhe mit guter Profilsohle werden empfohlen. Eine Wanderkarte (topographische Landkarte) des jeweiligen Gebietes wird empfohlen. Schwarzer Wanderweg Schwierige Bergwanderwege und Alpinsteige, die an exponierten Stellen mit Seilen, künstlichen Stufen, Leitern, Ketten usw. abgesichert sind. Hier werden die Hände zur Fortbewegung und zur Unterstützung des Gleichgewichtes eingesetzt. Die Weganlage ist als solche nicht immer deutlich erkennbar. Zum Teil gibt es exponierte Stellen mit Absturzgefahr, Geröllgelände, abschüssiges Gras-, Fels- oder Schroffengelände. Mit Altschneeresten muss unter Umständen gerechnet werden. Anforderungen: Hier ist entsprechende Bergerfahrung notwendig. Auch der Umgang mit einer genauen Wanderkarte (topographische Landkarte) sollte geläufig sein. Über den Knöchel reichende Wander/ Trekking/ Bergschuhe mit guter Profilsohle sind unbedingt erforderlich. Seilsicherungen, künstliche Tritte und Ähnliches sollten auch im Abstieg keine Schwierigkeiten bereiten. Wanderstöcke sind hier teilweise hinderlich. Quelle: a. a. O., S. 13 <?page no="112"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 115 In der Praxis wurden Probleme und Missverständnisse bei schwarzen Wanderwegen beobachtet: Die Klassifizierung als schwarzer Weg sagt nur etwas über die Schwierigkeit des Weges und nichts über seine Länge aus; wegen Bedenken, abschreckend zu wirken, werden schwarze Wege manchmal nicht als solche deklariert. Literatur HUTTER, F. (1979): 50 Jahre Markt Neukirchen am Großvenediger 1929-1979. O. V. Neukirchen. MOSE, I. (1988): Sanfter Tourismus im Nationalpark Hohe Tauern. Probleme und Perspektiven im oberen Oberpinzgau (Land Salzburg). VGA Vechtaer Arbeiten zur Geographie und Regionalwissenschaft, Band 6. Vechtaer Druckerei und Verlag, Vechta. SALZBURGERLAND TOURISMUS UND AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG (HRSG.) (2005): Salzburger Wander- und Bergwegekonzept. Ohne Verlag, Hallwag. 4.2 Schweiz - Wandern als nationale Aufgabe Bei der Markierung von Wanderwegen sind den Eidgenossen Kirchturmdenken und „Kantönligeist“ fremd; in der gesamten Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein inklusive gibt es weltweit das einzige Wanderwegenetz - heute von ca. 65.000 Kilometern - mit einer durchgehenden, einheitlichen Beschilderung sowie Markierung. 1934 begannen der Verband Schweizer Wanderwege und seine 26 kantonalen Wanderweg-Organisationen mit der einheitlichen Signalisation, wie man die Beschilderung (Wegweiser und Markierung) hierzulande nennt. Darauf aufgebaut gibt es ein Netz von touristischen Strecken- und Rundwegen, die mittels einheitlicher Zusatz-Signalisation ausgewiesen sind. Im Unterschied zur Ausschilderung und Markierung der Wege in Deutschland geht man in der Schweiz davon aus, dass man zusätzlich Kartenmaterial für die Orientierung braucht und nutzt! Die Zuständigkeiten rund um das Wegemanagement sind in der Schweiz gesetzlich verankert: „Seit 1987 ist das Bundesgesetz über die Fuss- und Wanderwege (FWG) in Kraft, welches die Kantone zur Planung, Anlage, den Unterhalt und die Markierung der Wanderwege verpflichtet.“ (Leitbild Schweizer Wanderwege (2005), S. 4) Für die Durchgangsrechte sind ebenfalls die Kantone verantwortlich, wobei jeder Weg rechtlich abgesichert ist, indem das Durchgangsrecht im <?page no="113"?> 116 Wandertourismus Grundbuch eingetragen wird. Der Bau und die Pflege der Wege ist dagegen Sache der Gemeinden. Hauptakteur ist der Verband Schweizer Wanderwege (SAW) mit Sitz in Bern: „Wir positionieren uns als Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum sowie als Forum für die Koordination, die gemeinsame Nutzung von Fachwissen und für die Wahrnehmung nationaler Aufgaben.“ (Leitbild 2015, S. 9) In seinem Leitbild von 2005 stellte der Verband das Wandern noch stärker in einen gesellschaftspolitischen Zusammenhang, indem man das Umfeld des Wanderns anriss und Schlaglichter auf die Ebenen warf, die diese Freizeit- und Urlaubsaktivität berühren. Dazu gehören die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit, wie der Trend zur Spaßgesellschaft, die nachlassende Neigung zu ehrenamtlichem Engagement, aber auch die verschiedenen Lebensstile. Das politische Umfeld berührt das Wandern, wie zum Beispiel durch die knapper werdenden finanziellen Mittel der öffentlichen Hand, die Diskussion über das freie Betretungsrecht der Natur oder das Berücksichtigen des „medizinisch-präventiven Gesundheitsnutzens“. Die erhöhte Sensibilisierung der Politiker für umweltpolitische Fragestellungen und Entwicklungen ist ein weiterer Aspekt. Belastungen der Umwelt können sich auf das Wandern auswirken. Speziell im alpinen Bereich ist der Rückgang des Permafrosts durch die Klimaerwärmung problematisch, da er die Böden und Hänge instabil macht; aber auch andere Naturkatastrophen, wie übermäßige Niederschläge, verstärken die objektiven Gefahren im Hochgebirge. Die Zeugen eines härter werdenden Konkurrenzkampfes zwischen den Tourismusdestinationen, wie Großprojekte, Neuerschließungen und Massenveranstaltungen, aber auch die steigende Nachfrage nach Outdoorangeboten (u.a. Schneeschuhwandern, Canyoning, Gleitschirmfliegen, Offroad-Scooter) schädigen die Natur direkt, aber auch indirekt durch erhöhte Luftbelastung und Lärmimmission durch verstärktes Verkehrsaufkommen (vgl. a. a. O., S. 5f.). Im aktuellem Leitbild von 2015 (www.wandern.ch/ download.php? id=4326_313c2b4a) haben dagegen die Marketing- und Dienstleistungsaufgaben für den Verband stark an Bedeutung gewonnen, auch wenn die gesellschaftlichen Dimensionen „Wandern ist eine die Gesellschaft in ihrem Zusammenhalt und in ihrer Gesundheit stärkende Bewegungs- und Breitensportaktivität. Seiner gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend wird das Wandern auf private Initiative wie auch durch die öffentliche Hand aktiv gefördert.“ (a. a. O., S. 2) nicht aus dem Blickwinkel verschwunden sind. Deutlich wird in diesem Leitbild wiederholt, dass man die Rechte und Interessen der Wanderer vertritt. Doch auch die Eigenverantwortung und die Berücksichtigung von Natur- und Umweltschutz sowie Nachhaltigkeit schreibt man den Wanderern ins Stammbuch. „Die Wandernden kennen die Regeln für sicheres und eigenverantwortliches Wandern, Sensibilisierung trägt zur Unfallverhütung bei. […] Alle Wanderwegbenutzerinnen und -benutzer nehmen Rücksicht <?page no="114"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 117 auf Natur, Umwelt, Landschaft, Kulturland und Bevölkerung. Sie nutzen nach Möglichkeit die öffentlichen Verkehrsmittel.“ (a. a. O., S. 2) Als ein Beitrag, die Sicherheit von Wanderern aus der Stadt in der bäuerlichen Kulturlandschaft der Schweizer Berge zu erhöhen, seien folgende gute Ratschläge gegeben: Praxis Heikle Begegnungen mit Mutterkühen Man muss nicht annehmen, dass das geländegängigere Bergvieh aggressiver wäre als beispielsweise die Holländische Milchkuh auf dem platten Land! Doch die ist mehr an Menschen und Hunde gewöhnt als die Artgenossen, die einen Sommer auf der Alm verbringen. Dies gilt insbesondere für die Mutterkühe; die Mutterkuhhaltung ist ein neues Phänomen in den Schweizer Bergen und deshalb sind in den letzten beiden Jahrzehnten auch entsprechen vermehrt Unfälle mit ihnen aufgetreten. Aber auch die fehlende Vertrautheit der modernen Stadtmenschen mit arttypischem Verhalten der milchgebenden Vierbeiner führt immer wieder zu gefährlichen Situationen am Wanderweg, die es im schlimmsten Fall bis in die Fernsehnachrichten schaffen können à la „Touristin von Kuh getötet“ (Sommer 2015). Für Rindviehhalter und Wegeverantwortliche bietet der Verband Schweizer Wanderwege eine Checkliste, die alljährlich rechtzeitig vor Beginn der Weidesaison abzuarbeiten ist. Für Wegeverantwortliche ergeben sich daraus folgende Empfehlungen: Die Situation beurteilen, indem die potenziellen Gefahren für Wanderer gemeinsam mit den Tierhaltern analysiert werden. Eventuell müssen die Möglichkeiten für eine Wegverlegung geprüft werden. In der Folge kann eine Verlegung des Wanderwegs temporär oder auch permanent erforderlich sein. Wie in diesen Fällen mit der Beschilderung (Signalisation) zu verfahren ist, ist geregelt - „Eigenkreationen sind nicht zugelassen“! Den Wanderern werden folgende drei Regeln mit auf den Weg gegeben: Halten Sie Distanz zu Rindvieh! Kälber auf keinen Fall berühren! Hunde an der Leine führen und im Notfall aber die Leine losmachen, damit sich der Hund, ohne die Gefahr, irgendwo hängenzubleiben, in Sicherheit bringen kann! Die Mutterkuh sieht den Hund - auch einen kleinen, den ein Mensch für absolut harmlos halten mag - und nicht den Wanderer als Bedrohung für ihr Kalb. Sie wird versuchen, den „gefährlichen“ Vierbeiner zu vertreiben und wenn dieser die Chance zur Flucht bekommt, haben Fußgänger und Hund gute Chancen, unbeschadet aus der heiklen Situation herauszukommen. Quelle: http: / / www.wandern.ch/ download.php? id=1166_7424ba51 <?page no="115"?> 118 Wandertourismus Den Wanderern bietet der Verband in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein „ein flächendeckendes, attraktives, sicheres und qualitativ hochstehendes Wanderwegnetz, welches einheitlich und lückenlos signalisiert ist. Es erschliesst alle Schweizer Landschaften und findet als wichtiger Teil der Erholungs- und Kulturlandschaft sowie der touristischen Wertschöpfung breite Anerkennung. Die Wegweiser sind ein international bekanntes, identitätsstiftendes Symbol.“ (a. a. O.) Als „Mission“ - sprich: Aufgabenbereiche und Selbstverpflichtung - sieht der Verband wichtige Handlungsfelder in der Betreuung der Wanderer, ihnen „vielfältige, attraktive Wandervorschläge, Informationen und Beratungen zu allgemeinen Themen rund um das Wandern und die Wanderwege“ sowie Foren für Begegnung und Meinungsaustausch zu bieten. Zukunftsweisend gestaltet man „Entwicklungen im Wandern und bei den Wanderwegen aktiv mit, sofern diese eine Steigerung der Qualität und Attraktivität des Gesamtangebotes für die Wandernden bewirken. Neuen Formen, Trends und Ausrichtungen des Wanderns, insbesondere im Breitensport, im Fitnessbereich und in der Gesundheitsförderung, begegnen wir mit Offenheit. Wir fördern speziell die Zusammenführung der Wanderwege mit den historischen Verkehrswegen, die Erschliessung von Naturschutzgebieten und Naturpärken mit Wanderwegen. Weiter fördern wir den Anteil Wanderwege entlang der Gewässer sowie die Entwicklung von wandernahen Angeboten, vor allem für das Winterwandern, für das Schneeschuhwandern sowie für die Erholung im siedlungsnahen Raum. Unsere Leistungen erbringen wir in Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den Wanderwegverantwortlichen in den Kantonen und Gemeinden.“ (a. a. O., S. 4) In einem Credo formuliert man sein Selbstverständnis und positioniert sich als Partner der öffentlichen Hand, des Tourismus und der Organisationen des „Langsamverkehrs“. Wissen Langsamverkehr „Langsamverkehr (LV) steht für die Fortbewegung zu Fuss, auf Rädern oder Rollen, angetrieben durch menschliche Muskelkraft.“ Quelle: http: / / www.astra.admin.ch/ themen/ langsamverkehr/ index.html Folgende Aspekte stellen die Schweizer Wanderprofis dabei heraus: „Durch Fachkompetenz, Leistungsfähigkeit und wirksame Öffentlichkeitsarbeit sind wir als Anbieter von Leistungen mit hoher Qualität gleichermassen attraktiv wie als unterstützungswürdige Organisation. Als gemeinnützige Vereine orientieren wir uns am Prinzip der Nachhaltigkeit. Wir achten auf die <?page no="116"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 119 Gleichbehandlung aller. Wir nehmen Rücksicht auf sprachregionale wie kulturelle Unterschiede und begegnen und mit Respekt und Toleranz. Mit unseren Führungs- und Kontrollinstrumenten und gesunden Finanzen behaupten wir uns langfristig als erfolgreiche Non-Profit-Organisationen von hoher Effizienz und konsequenter Qualitätsorientierung.“ (a. a. O., S. 5.) Ein Blick auf das aktuelle Wandergeschehen (2014) in der Schweiz http: / / www.wandern.ch/ download.php? id=4596_1f77edd3 zeigt erwartungsgemäß viele Parallelitäten zum Wandern in Deutschland. Wandern ist eine beliebte Freizeitbeschäftigung in der Nähe des Wohnorts, im Ausflugsgebiet und in einer ferneren Destination während des Urlaubs. Eine attraktive Wanderlandschaft, an denen in der Schweiz bekanntlich kein Mangel herrscht, und Wanderwege möglichst mit Naturbelag sind Grundlagen. „Wegweiser und Markierungen stellen weiterhin das wichtigste Orientierungsinstrument der Wanderer dar“ (a. a. O., S. 35). Auf das ehrenamtliche Engagement rund um die Wegepflege - hier auf der Ebene der kantonalen Wanderweg-Organisationen - kann nicht verzichtet werden. Erhöhte Aufmerksamkeit und besonderen Handlungsbedarf verlangen folgende Aspekte: Wanderwege werden auch von anderen Freizeitsportlern, wie zum Beispiel Radfahrern und Mountainbiker, genutzt. Abfälle in der Landschaft werden als großes Problem wahrgenommen. Eine Sensibilisierung aller Nutzer der Landschaft könnte einen wichtigen Beitrag zum Naturschutz leisten. Es wird zunehmend wichtig, bei der Vorbereitung einer Wanderung Hilfestellung zu geben. Da mehr jüngere und unerfahrene Wanderer ins Gelände, insbesondere auf Bergwanderwegen, gehen, sind Informationen rund um das sichere Wandern (beispielsweise auf Almen, siehe oben Kasten Mutterkühe) notwendig. Auch in der Schweiz ist der Wandertourismus ein interessanter Wirtschaftsfaktor. „Der durch das Wandern jährlich in der Schweiz generierte Umsatz liegt bei rund 2.5 Milliarden Schweizer Franken (inkl. ausländische Gäste).“ (a. a. O.) Die Wanderleidenschaft ist unter den Schweizern keinesfalls gleichmäßig verteilt. Nach den Sprachregionen wandern 46 % der Bevölkerung in der deutschsprachigen Schweiz, während es in der italienisch- und französischsprachigen Schweiz jeweils 41 % sind. Die beliebtesten Wanderregionen sind die Zentralschweiz (49 %), das Mittelland (47 %) und die Ostschweiz (46 %) (vgl. a. a. O., S. 12). <?page no="117"?> 120 Wandertourismus Websites Dachverband der Wanderweg-Organisation: Schweizer Wanderwege www.wandern.ch - Leitbild Schweizer Wanderwege www.wandern.ch/ download.php? id=4326_313c2b4a - Das Bundesgesetz über die Fuß- und Wanderwege (FWG) www.wandern.ch/ download.php? id=233_d7a42aa7 - Studie Wandern in der Schweiz 2014 www.wandern.ch/ download.php? id=4596_1f77edd3 4.3 Wandern - ein Bekenntnis im Land der Fjorde und Fjelle Norweger haben ein ganz besonderes Verhältnis zur Natur ihres Landes; für sie ist sie entschieden mehr als der Wechsel von imposanten Fjordtälern mit fast senkrechten Felswänden und endlosen Weiten der Fjelle auf den Höhen. Für sie ist das Wandern mehr als der Aufenthalt und die Fortbewegung in der Wildnis. „Since the formation of Norway as a nation state, outdoor life and hiking have been essential elements in building national identity, becoming an integral part of the Norwegian culture“ (NORDBØ et al. (2014), S. 382). Zum Hintergrund: 1905 konnte sich Norwegen nach jahrhundertelanger Herrschaft der Dänen und 91 Jahren Personalunion mit Schweden friedlich mit einem Beschluss seines Parlaments als selbständiger Staat etablieren. Das Wandern gehört seitdem zum norwegischen Selbstverständnis, ist ein Bekenntnis zum Land, zur Nation und hat einen unverändert hohen Stellenwert, doch immer noch weniger als touristisches Angebot ( Kap. 3.4), sondern als Freizeitbeschäftigung und „friluftsliv“, als Tradition des „Freiluftlebens“. Die Werte, die mit dem Aufenthalt in der Natur und somit auch dem Wandern verbunden sind, hat die Norwegian Trekking Association in einer Definition des „korrekten“ Wanderns festgelegt. Dazu gehören die Aspekte: „Simplicity“ (minimal equipment, non-luxury accommodation, and food) „authenticity“ (being at one with nature and minimum intervention) „challenge“ (wilderness skills, hard work, mastery, and reward of physical efforts)“ (a. a. O.). <?page no="118"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 121 Im touristischen Alltag prallen hier zwei Welten aufeinander: die der naturerfahrenen „strapazierfähigeren“ Norweger und die der mehr qualitäts- und serviceorientierten internationalen Gäste. Aber auch die einheimischen Wanderer haben begonnen, höhere Ansprüche zu stellen. „However, a number of studies of both national and international hikers in Norway over the last 5 to 6 years have reported a number of significant changes in consumer preferences, such as an increased demand for high standard, luxury, and combined packages (e.g., hiking combined with cycling, kayaking, spa, and wellness, etc.), healthier gourmet food, fitness, and spa“ (a. a. O.). Die Rangfolge der Touristen, die in ihrem Norwegen-Urlaub wandern, führen - wenig überraschend - die Deutschen an, 89 % nannten dies, gefolgt von Franzosen (88 %) und Niederländern (73 %). Im Unterschied zu den österreichischen Wanderwegen ( Kap. 4.1) unterteilen die Norweger ihre Wanderwege in vier Schwierigkeitsklassen, was auf den ersten Blick in jeder Präsentation bzw. Publikation erkennbar ist. Sie werden folgendermaßen definiert: Praxis Schwierigkeitsklassen in Norwegen Grün = leicht Diese Wanderwege eignen sich für Anfänger sowie Familien mit Kindern. Es sind weder besondere Fähigkeiten noch eine spezielle Ausrüstung erforderlich. Wegearten: Asphalt, Schotter, Waldwege; Dauer der Tour: weniger als zwei Stunden; Höhenunterschied: weniger als 200 Meter. Blau = mittlere Schwierigkeit Diese Wege sind für Wanderer mit Grundkenntnissen. Dauer: unter vier Stunden Gehzeit. Wegearten: ähnlich den mit Grün klassifizierten Wegen, aber sie können etwas anspruchsvollere Abschnitte haben. Höhenunterschied: weniger als 400 Meter. Rot = Schon eine Herausforderung Für erfahrene Wanderer mit guter Konstitution und Kondition. Diese Touren erfordern eine angemessene Wanderausrüstung. Wegearten: Wanderwege, offenes Gelände, felsiges Gelände, Geröll und nackter Fels. Dauer: weniger als sechs Stunden. Höhenunterschied: weniger als 800 Meter. Schwarz = für Experten Diese Wanderungen eignen sich nur für erfahrene Bergwanderer/ Bergsteiger. Sie müssen in guter physischer Form sein, gute Kondition besitzen. Die Touren erfordern eine gute Wanderausrüstung; der Gebrauch von Karte und Kompass ist nötig. Wege: technisch anspruchsvoller als die rot klassifizierten, auch länger. Keine maximale Dauer, keine maximalen Höhenunterschiede. Quelle: http: / / www.visittelemark.com/ vandretelemark/ hiking-trails <?page no="119"?> 122 Wandertourismus Selbst Familienwanderwege sind in Norwegen nicht ohne! Sie verlangen teilweise auch schon von den Kindern viel Trittsicherheit und von den Eltern, dass sie ihren Nachwuchs zu diesen Gelegenheiten in hochgebirgstaugliches Schuhwerk stecken. Ein solches Beispiel ist bei Vrådal (Telemark) die blaue „Familietur“, eine Streckenwanderung, die von einer Höhe von 640 m NN zum 904 m hohen Gipfel Venelifjellet führt. Schon diese kurze Familienwanderung von 4,1 Kilometern zeigt, dass der norwegische Wanderer, egal welche Größe seine Wanderschuhe haben, geländegängiger ist. Es gibt viele Passagen über vom Gletschereis blank gehobelte Felsen mit passabler Neigung, trocken im Aufstieg völlig kindertauglich, nass im Abstieg schon weniger! Immer wieder gehören Moor- und Matschabschnitte dazu, durch die man über Balken balancieren kann. Der Weg mit ständiger weiter Fernsicht hat einen hohen Erlebniswert und Abenteuercharakter für Kinder und weniger trittsichere Große. Je nach Saison, die für diesen Weg mit 15. Mai bis 1. November angegeben wird, kann die Wanderung zu einer „Heidelbeer-Kur“ geraten. Der absolute Höhepunkt in dieser Zeit wäre ein Pfannkuchen backen aus mitgebrachter Teigmasse über einem offenen Feuer. Zur luxuriösen - und eigentlich „unnorwegischen“ Ausstattung dieses Familienwegs - gehört als Etappenziel eine kleine Hütte an einem kleinen See. Das gastliche Holzhäuschen bietet gerade Platz für einen Tisch mit zwei breiten Bänken, die auch als Schlafstatt genutzt werden können, etwas trockenes Holz für eine Mahlzeit über der Feuerstelle mit Kochgestell vor der Hütte, Streichhölzern sowie Besen und Kehrschaufel. Hinter dem Häuschen gibt es ein ökologisch korrektes Plumpsklo. Für Trinkwasser und als Abenteuerspielplatz und Badegelegenheit für abgehärtete Norweger dient ein kleiner See wenige Schritte unterhalb des Rastplatzes. Als Familientour für sicherheitsverwöhnte deutsche Eltern taugt die 3 Kilometer lange blaue Rundtour zum Falkeriset bei Rauland (Telemark). Es wird schon deutlich in der Beschreibung im Tourenflyer: „Suitable for hikers aged 2 to 90.“ Die besondere Attraktion dieser absolut kindertauglichen Runde sind die Treppenstufen aus großen heimischen Steinplatten; 2011/ 13 legten Sherpas diesen Weg an, so wie er auch im Himalaya gebaut wird (www.visittelemark.com/ vandretelemark/ information/ product-catch-all/ falkeriset-rauland-hardangervidda-p558133). Für den Ausgangspunkt der Wanderung zu einem 1096 m hohen Gipfel mit Rundumpanorama braucht es ein funktionierendes GPS-Gerät o. Ä. Als touristische Infrastruktur bietet dieser Weg völlig ausreichend eine Infotafel am Start und auf dem Gipfel eine Steinpyramide mit Gipfelbuch, das belegt, dass 2014 in dieser Abgeschiedenheit, die im Winter meist vier Monate lang nicht zugänglich ist, über 10.000 Wanderer gewesen sind. <?page no="120"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 123 Abb. 8: Der Sherpaweg zum Falkeriset (Quelle: eigenes Foto) Wissen Das Jedermannsrecht in Norwegen „Ein wichtiger Teil unseres kulturellen Erbes ist das aktive Erleben der Natur. Seit alters her haben wir das Recht, uns in Wald und Feld, auf Flüssen und Seen, in den Schären und im Gebirge zu bewegen - unabhängig davon, wem der Grund und Boden gehört. Wir dürfen in der Natur ernten - nicht nur Salzwasserfische, Beeren, Pilze und Blumen, sondern auch Eindrücke und Erlebnisse. Die Grundsätze des Jedermannsrecht sind im Gesetz über den Aufenthalt in der Natur von 1957 niedergelegt.“ Quelle: Norwegian Environment Agency Literatur NORDBØ, I.; ENGILBERTSSON, H. O., VALE, L. S. R. (2014): Market Myopia in the Development of Hiking Destinations: The Case of Norwegian DMOs. In: Journal of Hospitality Marketing & Management, 23: 4, 380-405. <?page no="121"?> 124 Wandertourismus Websites Wandern in der Telemark www.visittelemark.com/ vandretelemark Wanderwege nach Schwierigkeitsgraden www.visittelemark.com/ vandretelemark/ hiking-trails Sorge um Sicherheit beim Wandern www.visittelemark.com/ vandretelemark/ safety-tips www.visittelemark.com/ vandretelemark/ safety-tips/ the-norwegian-mountain-code 4.4 Irland - Wanderwege gegen Landflucht Mit dem Wandern auf nationaler Ebene beschäftigt sich in Irland das National Waymarked Way Advisory Committee (NWWAC) als Unterausschuss des Irish Sports Council. In der Irish Trails Strategy von 2007 hat man drei Zielgruppen im Blick: zum einen die Landsleute, denen die Wanderwege Gelegenheit zu sportlichen Aktivitäten im Freien, zur körperlichen Fitness und mentalen Gesundheit und Wohlfühlen bieten sollen; zum anderen die Touristen, denen Wandern und Radfahren angeboten werden sollen. Mit diesen Nischenprodukten soll die touristische Saison verlängert und damit auch mehr Ausgaben durch die Gäste erreicht werden; für die ländlichen Gemeinden sollen die Wanderwege ermöglichen, neue Tourismusinitiativen zu starten, die einen Beitrag zur ökonomischen Nachhaltigkeit im ländlichen Irland leisten werden. (vgl. www.irishtrails.ie/ National_Trails_Office/ Irish_Trails_Strategy, S. 7) Eine große Bedeutung hat in Irland das Wandern für die wirtschaftliche Entwicklung des ländlichen Raums - betrachtet man beispielsweise die Naturlandschaft des Burren (heute National- und Geopark, siehe unten), kann man sich nur fragen, welche Not seine Bewohner einst in diese karge und im schlimmsten Fall Mondlandschaft getrieben hat. Die dortigen Lebensbedingungen passen kaum mehr in das 21. Jahrhundert, so dass die Landflucht eine sehr verständliche Reaktion ist. Der ländliche Raum habe sich seit dem späten 20. Jahrhundert dramatisch verändert und der Trend werde sich fortsetzen, so die Irish Trails Strategy (S. 18). Für die Gemeinden auf dem Land sei es dringend geboten, neue <?page no="122"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 125 Nutzungen des ländlichen Raumes zu finden und dabei auch den Tourismus zu entwickeln, der einen Beitrag zur ökonomischen Nachhaltigkeit leisten kann, wie zusätzliches Einkommen und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Den strukturellen und wirtschaftlichen Schwächen steht mit der Natur- und Kulturlandschaft jedoch ein großes Potenzial gegenüber, das sich für zahlreiche Freiluftaktivitäten eignet. Ein Wanderwegenetz von „Weltrang“ hält man für möglich, das mehr Einheimische und Touristen zum Wandern motivieren könnte. Die Studie The Economic Value of Trails & Forest Recreation in Ireland (2015) förderte für den aktuellen Tourismus folgende Werte zutage (vgl. a. a. O., S. 19): Durch die wandernden und Rad fahrenden Iren - die Zahl ihrer unternommenen Touren wird auf 17,5 Millionen jährlich geschätzt - werden direkte Einnahmen von 307 Millionen Euro generiert, hinzu kommen durch internationale Touristen weitere 218 Millionen Euro. Während die irischen Touristen pro Wandertag durchschnittlich 22 Euro vorzugsweise für das Essen ausgeben und bei Mehrtagestouren noch 64 Euro für eine Übernachtung, so gibt der ausländische Tourist rund 138 Euro pro Wandertag aus. Abb.9: Der Burren National Park (Quelle: eigenes Foto) Ein Paradebeispiel für eine irische Region, die nicht viel mehr als ihre karge natürliche Ausstattung auf den touristischen Markt bringen kann, ist im Westen der Insel der Burren, ein Nationalpark und seit 2011 gemeinsam mit den Cliffs <?page no="123"?> 126 Wandertourismus of Moher auch europäischer Geopark (www.burren.ie/ the-geopark). Der Eindruck einer Mondlandschaft als Erbe einer Zeit vor 340-317 Millionen Jahren, in der hier ein tropisches Meer für die mächtigen Kalkschichten sorgte, muss jedoch relativiert werden. Die wenig nutzungsfreundlichen Karsthochflächen durchschneiden Täler, in denen sich auch fruchtbare Böden entwickeln konnten. Hier wie in kleineren Mulden in der Kalklandschaft entwickelte sich eine artenreiche Vegetation, die beispielsweise mediterrane Orchideen und alpine Flora umfasst und in der baumarmen Landschaft in geschützten Senken Haselnusswäldchen hervorbringt. Praxis Burren National Park - was sich verbessern ließe Obwohl diese Mondlandschaft aus Kalkgestein endlos viel Platz bieten könnte, so scheint es doch nicht möglich, an Mullaghmore Crossroads einen halbwegs angemessenen Parkplatz einzurichten. Mindestens acht Wanderwege, zumeist Rundtouren, starten von dieser Kreuzung. Als Parkplatz können hier nur die Straßenränder dienen, was jedoch dem Fernverkehr auf einer Hauptverbindung durch den Burren und erst recht im noch schmaleren nicht befestigten Nebenweg - offiziell auch Wanderroute - nur eine enge Fahrspur lässt, da Lesesteinmauern unmissverständlich Grenzen setzen. Abb. 10: Parksituation im Burren National Park (Quelle: eigenes Foto) <?page no="124"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 127 Nach einer Informationstafel an der Kreuzung gehören hier 13 Hektar Land dem irischen Staat, da dürfte man das Parkproblem an dieser Stelle lösen können. Auf einen Informationsmangel stößt man schnell auf der grünen Rundwanderung. Sie ist zurückhaltend, aber völlig ausreichend mit grünen Pfeilen auf kleinen Steinstelen markiert, aber es gibt daneben fast ein Dutzend rätselhafter Stelen mit Ziffern am Wegesrand. Nirgendwo wird am Startplatz kommuniziert, was es mit diesen Zahlen auf sich hat, wie man an die dahintersteckenden Informationen kommen kann. Auch der offizielle Führer „The Burren Explorer“ bewahrt das Geheimnis. Auf der Homepage des Burren und Cliff of Moher Geoparks werden demzufolge nicht nur die geologischen Attraktionen vorgestellt, sondern auch die lokale landwirtschaftliche Produktion und ihre Verarbeitung (www.burren.ie/ food-dining), die interessante Angebote auch für den Tourismus, für Handel und Gastronomie darstellen. Sie reichen von den Kräutertees und kosmetischen Produkten der Burren Perfumery über „Hasel Mountain Chocolate“-Produkten bis zur breiten Palette von Erzeugnissen des heimischen Lebensmittelhandwerks. Auf dieser Produktschiene rollen ebenso Veranstaltungen wie das Burren Slow Food Festival (Mai) und die Burren Food Fayre (Oktober). Unter dem Motto „Besuche den Burren nicht nur, schmecke ihn auch“ lässt sich die Authentizität der Region seit 2012 genussvoll auf dem Burren Food Trail (www.burren.ie/ fooddining/ burren-food-trail) erleben. 2015 wurde diese Initiative regionaler Gastronomen und Lebensmittelproduzenten als irischer Gewinner der „European Destination of Excellence 2015 - Tourism and Local Gastronomy (EDEN)“ ausgezeichnet. Praxis European Destination of Excellence Die Auszeichnung „European Destination of Excellence“ verfolgt mit ihrem europaweiten Wettbewerb zwei Ziele: Sie stellt zum einen die Werte, Vielfalt und charakteristischen Merkmale von weniger bekannten europäischen Destinationen heraus, zum anderen möchte sie damit Regionen promoten, die in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung einen sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Tourismus praktizieren. Die Mitglieder des Burren Food Trails bieten ihren Gästen, kommen sie als Wanderer, Radfahrer oder Autoreisende, kulinarische Spezialitäten mit Produkten der Region, können über die Herkunft, Herstellung und das Kochen im <?page no="125"?> 128 Wandertourismus Burren informieren wie über Veranstaltungen rund um den Food Trail. Dazu gehören auch von April bis Oktober die Food Trail Mondays, an denen einzelne Mitglieder besondere Aktionen, wie zum Beispiel Kräuterwanderung, literarischer Spaziergang, besondere „Frühstücks-Erfahrungen“, bei denen die Gäste an der Vorbereitung beteiligt werden, oder spezielle Menüs anbieten. Zum Titelbild des Buches Der Kerry Way Solch ein „Schilderwald“ ziert keineswegs überall und in vielleicht schon das Landschaftsbild schädigender Weise den Verlauf des Kerry Way im Südwestens Irlands, in der namensgebenden Grafschaft (County) Kerry! Berücksichtigt man die für ein maritimes Klima typischen Nebel- und Regenmengen wird man im Zweifelsfall solch eine unübersehbare und auch aus größerer Entfernung wahrnehmbare Beschilderung schätzen. Doch der Schein einer vorbildlichen Markierung nach höchsten Qualitätsstandards stimmt nicht für den gesamten Verlauf des Fernwanderwegs: „Da die Strecke nicht überall deutlich markiert ist, wird dringend empfohlen, gute topographische Karten (siehe unten) und ein GPS-Gerät (inkl. Ersatzbatterien! ) mitzuführen. Handy-Empfang ist nicht immer gegeben! “ (s. u.) Der Kerry Way ist ein Rundwanderweg von 180-210 Kilometern Länge, für den sieben bis neun Tage veranschlagt werden. Es geht dabei durch eine bergige offene Landschaft, häufig oberhalb der Waldgrenze (Nadelbaumforste) und umrundet u. a. den Carrauntoohil, der mit seinen 1040 m NN den höchsten Berg Irlands darstellt. So wenig die Landschaft links und rechts des Kerry Way von Menschenhand beeinflusst erscheint, sie wird für die Schafhaltung genutzt. Ein unverkennbares Zeichen auf dem Bild ist die hölzerne Treppe über den Zaun. Das anschließende Brückchen bietet dem Wanderer hier einen trockenen Einstieg in ein Tälchen, das entschieden mehr Bodenfeuchtigkeit bieten kann. Davor warnt man auch auf der Homepage: „Die Wanderung ist über weite Teile leicht bis mässig schwierig, vor allem bei trockenen Bedingungen, kann aber schwierig werden bei nassen Verhältnissen und schlammigen Böden“ (s. u.). <?page no="126"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 129 Die Quartierfrage auf dieser Rundwanderung lässt sich auf zwei Arten lösen: Man trägt „expeditionsmäßig“ seine Ausrüstung mit: „Camping nur an wenigen Stellen gut möglich. Ausschließlich privates Gelände, immer abseits von Häusern zelten und immer um Genehmigung bitten. Abfälle mitnehmen! “ Oder man übernachtet in Bed&Breakfast-Betrieben (B&B - siehe Wegweiser! ), die mit ihren Dienstleistungen auch anspruchsvolle Wanderer zufriedenstellen können, indem sie Gepäcktransfer, Abendmahlzeiten, Vesperpakete, Trockenmöglichkeiten anbieten und teilweise auch den Transport vom/ zum Wanderweg übernehmen können. Karte Topgraphische Karte 1: 50.000 zum Abschnitt des Titelbilds inklusive Killarney Nationalpark: Ordnance Survey Ireland/ National Mapping Agency: No. 78, 5th Ed. Dublin 2015. (www.osi.ie) Website www.kerryway.kerry-ireland.com/ d/ Websites Irish Trails Strategy www.irishtrails.ie/ National_Trails_Office/ Irish_Trails_Strategy Irische Wanderwege offiziell www.irishtrails.ie Der Burren National Park/ Geopark www.burren.ie/ the-geopark Der Burren authentisch und nicht nur touristisch interessant: www.burrenlife.com <?page no="127"?> 130 Wandertourismus 4.5 Portugal - Wandertourismus als Entwicklungschance für das Hinterland? Als Wanderdestination gilt Portugal nicht gerade. Verlässlich scheinende Sonne und das Meer führen zu einer Konzentration des Tourismus an der Algarve mit den üblichen negativen Auswirkungen: Saisonalität des Tourismusgeschäfts, ein wenig differenziertes Angebot in der Destination und die Abhängigkeiten von großen internationalen Reiseveranstaltern (vgl. KASTENHOLZ/ RODRI- GUEZ (2007), S. 6). „On the other hand, important rural and natural areas of its relatively deserted hinterland are still mostly neglected by tourists (residents, politicians and investors likewise), although natural and cultural attractions abound and show a potential of sustainable tourism development, which may help these areas in maintaining some economic activity and thereby fixing its young population“ (a. a. O.). Hier sehen die beiden Autorinnen Entwicklungspotenzial für das nicht touristisch genutzte Hinterland. Unter den Touristen an der Küste befinden sich reichlich Angehörige von Nationen, in denen das Wandern für weite Kreise der Bevölkerung zum festen Bestandteil von Freizeit und Urlaub gehört. Ähnlich wie in Deutschland (siehe Zahlen in Kap. 2.2.) wird beispielsweise auch in England viel gewandert („almost half of the population hikes regularly“), in Schweden soll rund ein Drittel der Bevölkerung wandernd in Feld und Wald unterwegs sein. In Italien und Frankreich bezeichnen sich jeweils mehr als drei Millionen Einwohner als Wanderer. So hoffnungsvoll es für den internationalen Markt aussehen mag, für den heimischen Markt beurteilen KASTEN- HOLZ/ RODRIGUEZ die Lage als wesentlich schwieriger, da das Wandern unter den Portugiesen wenig populär ist und diese Freizeitaktivität auch von den Entscheidungsträgern nicht wahrgenommen wird - „who typically defend the construction of another golf course than the elaboration of a well designed and signed walking trail network“ (a. a. O.). Für die beiden potenziellen Touristengruppen, die internationalen und die heimischen Gäste, möchten sie unterschiedliche Schwerpunkte im touristischen Angebot setzen und halten ebenso verschiedene Marketingstrategien für angemessen. Bei den ausländischen Gästen erwarten sie als Kontrast zum Massentourismus an der Küste ein stärkeres Bedürfnis nach Naturerlebnis ohne Menschenmengen. Für die möglichen Destinationen im Hinterland wäre die erste Aufgabe, ein Wanderwegenetz anzulegen, das die Attraktionen von Natur, aber auch Kultur erschließt. Authentizität soll bei den Unterkünften mit gut ausgestatteten Campingplätzen in schöner Landschaft und kleinen Hotels erreicht werden, ebenso im gastronomischen Angebot, das von Lokalem oder Regionalem geprägt sein soll. Mit diesen und weiteren Maßnahmen, wie beispielsweise <?page no="128"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 131 der Förderung des einheimischen Kunsthandwerks, sollen Aspekte der Nachhaltigkeit umgesetzt werden. Eine Herausforderung wird die Kommunikation mit dieser Zielgruppe sein, aber auch ihr typisches Reiseverhalten schätzen die Autorinnen. Neben den englischsprachigen Informationskanälen im Internet setzt man auf die Mund-zu-Mund-Propaganda. Kein großes Vertrauen scheint in der „Treue“ des internationalen Wandergasts zu bestehen: „…being a relatively young group, they might eventually come back at a later stage in their ‚travel lifecycle‘ (OPPERMANN 1995), once satisfied with the hiking destination“ (a. a. O., S. 17). Dieser Aspekt ist für KASTENHOLZ/ RODRIGUEZ ein besonders wichtiger Grund, auf den heimischen Markt zu setzen, auf die „potentiell loyalere Besuchergruppe“ der Portugiesen, auch wenn man von ihnen geringere Einnahmen erwartet. Doch das größere Problem scheint bei dieser Zielgruppe zu sein, dass sie traditionell dem Strandleben zugewandt ist und ein geringes Interesse daran hat, durch bergige und waldige Landschaften zu laufen. Außerdem fehle es ihr an Sensibilität, Erfahrung, Wissen und Wertschätzung für Landschaften und deren Schönheit. Darum sollte man für einheimische Gäste verstärkt Führungen einplanen, um diese Defizite abzubauen, schließlich sei Umwelterziehung eine öffentliche Aufgabe, die sich damit gut verbinden ließe. Man hegt kein großes Vertrauen darin, dass die beiden Hauptzielgruppen einträchtig in einer Destination wandern können und schlägt vor, die internationalen und einheimischen Gäste räumlich und zeitlich zu trennen - „Correspondingly the two hiking groups might not be compatible, so that a careful management of demand should be undertaken, selecting the segment best matching area and its potential and eventually separating tourist groups in space and time, along the year“ (a. a. O.,18). Einen Grund für die Annahme, dass beide Gruppen nicht kompatibel seien, liegt in der Vermutung unterschiedlicher Ansprüche, die bei den ausländischen Gästen höher eingeschätzt werden, zusätzlich zu der Annahme, dass diese auch mehr Geld auszugeben in der Lage und bereit seien. Umfangreichere Fakten zum Ausgabeverhalten von Wanderern in Portugal wären erst noch zu ermitteln. Literatur KASTENHOLZ, E.; RODRIGUEZ, A. (2007): Discussing the Potential Benefits of Hiking Tourism in Portugal. Anatolia: An International Journal of Tourism and Hospitality Research, Vol. 18, No. 1, p. 5-21. <?page no="129"?> 132 Wandertourismus 4.6 Von Mexiko nach Kanada auf dem Pacific Crest Trail Als „Thru-hiker“ („Durchwanderer“) auf dem Pacific Crest Trail (PCT) muss man sich im Frühjahr an der mexikanisch-kalifornischen Grenze auf den Weg machen, um in ca. fünf Monaten - und vor dem Wintereinbruch - die 2.650 Meilen (4.286 Kilometer) lange Strecke bis zur amerikanisch-kanadischen Grenze zu schaffen. Ein zu früher Start kann jedoch bedeuten, dass die Sierra Nevada noch ihrem Namen alle Ehre macht und hier der Schnee ein Durchkommen noch nicht erlaubt. Die Wegemarkierungen des PCT sind nicht für Wintertouren ausgerichtet. Beim Start auf dem PCT hat man bereits ca. sechs bis acht Monate Vorbereitungszeit für dieses Unternehmen hinter sich. Da der Fernwanderweg zu einem großen Teil durch die Wildnis geht, muss sich der Wanderer beispielsweise Proviantpakete an Poststationen nahe des PCT schicken/ schicken lassen, um für bestimmte Etappen fern jeglicher Zivilisation versorgt zu sein. Um die Distanz zu schaffen, plant man Tagesetappen von 20 Meilen bzw. 32 Kilometern. Da sind auch ein durchtrainierter Körper und eine bis ins Letzte getestete Ausrüstung nötig, um diese Herausforderungen zu meistern. Das absolute Fit-Sein umfasst auch den Umgang mit der klassischen topographischen Karte in Papierform und einem Kompass; der PCT soll nicht immer leicht zu finden sein! Moderne Kommunikationsmittel sind trotzdem unverzichtbar für die Tour, da es immer wieder Abschnitte gibt, die beispielsweise durch Waldbrände, Überschwemmungen, Bergstürze oder aus anderen Gründen gesperrt sind. Darüber informiert die PCTA, aber auch die Wanderer geben von unterwegs ihre Eindrücke und Erfahrungen weiter. Das Gros der Wanderer geht in süd- / nördlicher Richtung, nur geschätzte 5 % wandern von der kanadischen zur mexikanischen Grenze. Wer sich kein Sabbatjahr für den PCT nehmen kann oder will, bewandert die Strecke als „Section-Hiker“ jährlich in Abschnitten, so wie es beispielsweise in Old Europe auch für den Jakobsweg gängige Praxis ist. Auf seinen 4.286 Kilometern durchquert der PCT die Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington und dabei 26 National Forests, 7 National Parks, 5 State Parks und 4 National Monuments bis zur Grenze von British Columbia. Die Anfänge des Fernwanderwegs reichen zurück in die 1920/ 30er Jahre; 1968 wurde der PCT gemeinsam mit dem Appalachian Trail (AT) im National Trail System Act zum National Scenic Trail erklärt. 1977 schlossen sich die Pacific Crest Trail Conference und der Pacific Crest Club zur Pacific Crest Trail Association (PCTA) zusammen, die nun den Weg schützt, erhält und bewirbt. Diese Vereinigung mit Hauptsitz in Sacramen- <?page no="130"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 133 to/ Kalifornien und fünf Regionalbüros betreut auch die mehr als 1.700 Freiwilligen, die den Weg in jährlich rund 118.000 Arbeitsstunden pflegen. Der Hauptpartner im Wegemanagement ist der US Forest Service. Website Der Pacific Crest Trail www.pcta.org 4.7 Neuseeland - Besucherlenkung auf den Great Walks Als eine „alte“ Wandernation kann man auch Neuseeland bezeichnen. Der älteste unter den so genannten Great Walks, der ca. 54 Kilometer lange Milford Track auf der Südinsel, wurde bereits 1890 eröffnet und seit 1990 ist er mit dem Fiordland National Park, durch den er führt, sogar Teil eines Weltnaturerbes der UNESCO. Für eine Wanderung auf dem Milford Track sowie den übrigen Great Walks muss der Individual-Wanderer den „Great Walk Pass“ erwerben und auf besonders gefragten Wegen in der Sommersaison, die durch die Lage auf der Südhalbkugel von Ende April bis Ende Oktober dauert, die Übernachtungen in den Hütten vorher buchen - Campen ist oftmals nicht erlaubt (www.newzealand.com/ de/ feature/ milford-track). „Alle Preise sind aber recht annehmbar, da sie stark subventioniert sind, um möglichst vielen Menschen dieses Erlebnis zu ermöglichen.“ (a. a. O.) Durch dieses Vorgehen ist auch eine Besucherlenkung bzw. starke Limitierung der Besucher (90 pro Tag) und auch die Nutzung des Wegs als „Einbahnstraße“ nur von Süd nach Nord möglich. In den 1990er Jahren, als sich Neuseeland stärker zu einer internationale Destination entwickelte, rief dies das Department of Conservation (DOC) auf den Plan und man entwickelte eine Besucherstrategie, um ein Gleichgewicht zwischen dem wachsenden Tourismus, den betroffenen natürlichen Ressourcen und dem Niveau der permanent vorzuhaltenden Infrastruktur zu finden. Dabei war zu berücksichtigen, dass gerade bei der Gruppe der „Backcountry Comfort Seekers“ (bezeichnet als „BCC“) auf den Great Walks ein großer Handlungsbedarf bestand. „In its 1996 Strategy, the DOC noted that BCC visitors have little or only moderate experience of a backcountry and the priority is on ensuring they have safe facilities, a good track surface and a degree of comfort in camping and hut structures. The DOC put in place a booking system, with seasonal hut and campsite fees that were highest during the peak summer months.“ (TIMOTHY/ BOYD (2015), S. 73f.) <?page no="131"?> 134 Wandertourismus In seiner Strategie von 2003 legte das neuseeländische Department of Conservation fest, einen Teil der touristischen Infrastruktur aus dem Hinterland wieder zu entfernen. Trotz Protesten auch der einheimischen Bevölkerung - und Wanderer - wurde dies durchgezogen, um den Charakter der „wilden Plätze“, der Naturlandschaft, zu bewahren. Der Anstieg internationaler Gäste und deren Erwartungen an einen Wanderurlaub in „Down Under“ schlugen sich in den Planungen nieder. An Ausbau und Verlängerung der Great Walks wurde nicht gedacht, weil sich mit Längen von 32 bis 78 Kilometern und Aufenthaltsdauern von zwei bis fünf/ sechs Tagen die besonders gefragten Wanderungen gut in das Programm einer Ferienreise integrieren lassen. Bei diesen Distanzen und diesem Aufwand werden die wenigsten „nur“ zum Wandern nach Neuseeland fliegen und demzufolge das Wandern nur eine von mehreren Urlaubsaktivitäten sein. Trotzdem sollte man, wenn ein Great Walk auf dem Reiseprogramm steht, erst die Wanderhütten und dann die Flüge buchen! Natürlich bietet Neuseeland ein größeres Wandernetz: mehr als 11.000 Kilometer Wanderwege mit Hütten, Brücken für die Überquerung von Flüssen, „pit toilets“ (Plumpsklos) und einer Beschilderung mit „signs that are designed primarily for safety“ (a. a. O., S. 76). Literatur TIMOTHY, D. J.; BOYD, St. W (2015): Tourism and Trails. Cultural, Ecological and Management Issues. Aspects of Tourism, Vol. 64, Channel View Publications, Bristol, Buffalo, Toronto. Websites Die Great Walks in Neuseeland doc.govt.nz/ parks-and-recreation/ things-to-do/ walking-and-tramping/ great-walks/ Milford Track doc.govt.nz/ parks-and-recreation/ places-to-go/ fiordland/ places/ fiordland-nationalpark/ things-to-do/ tracks/ milford-track/ Milford Track auf der deutschsprachigen Seite von Tourism New Zealand www.newzealand.com/ de/ feature/ milford-track/ <?page no="132"?> „Wanderparadiese anderswo“ - Blicke über die Grenzen 135 Zusammenfassung Obwohl der Sommertourismus in den beiden beschriebenen Gemeinden, wie in den Hochalpengebieten Österreichs generell, an Bedeutung verloren hat, ist das Wandern nun auch als Winteraktivität gefragt. Das Mobilitätskonzept der „Alpinen Perlen“ dient in Neukirchen am Großvenediger/ Bramberg auch dem Wandertourismus. Das Wanderwegenetz und sein Management haben die Schweizer in einem Bundesgesetz geregelt. Die einheitlichen Wegweiser versteht man in der Eidgenossenschaft als „identitätsstiftendes Symbol“. In Norwegen setzen die Wanderwege viel Erfahrung im Umgang mit der Natur voraus, wie sie die Einheimischen aber auch bereits schon von Kindesbeinen an sammeln (müssen). Für das internationale Marketing sind deshalb größere Anstrengungen nötig; aber auch Norweger lernen inzwischen Qualitätsmanagement bei der Wegeinfrastruktur und ein größeres Angebot rund um das Wandern schätzen. Aus Irland und Portugal wurden Beispiele genannt, Wandertourismus als Wirtschaftsförderung im ländlichen Raum zu praktizieren - im irischen Burren-National- und Geopark immerhin schon 2015 mit einem europäischen Preis ausgezeichnet. Für europäische Verhältnisse kaum vorstellbar sind die effektiven Maßnahmen der Besucherlenkung und -reduzierung auf den Great Walks in Neuseeland. <?page no="134"?> 5 Wanderwege-Dramaturgie Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Welche Fehler werden leicht gemacht, wenn Laien mit viel gutem Willen einen Wanderweg kreieren? (Dargestellt an einem negativen Beispiel aus dem Lahntal, wie es sich aber auch anderswo genauso finden ließe! ) Die Vorbereitungen für einen neuen Wanderweg: Wer muss unbedingt bei den Planungen mit ins Boot geholt werden? Die Hohe Schule der Diplomatie. Wie sieht eine professionelle Ausschilderung eines Wanderwegs aus? Welche Ausstattung eines Wegs erwartet der qualitätsbewusste Wanderer heute? Was wäre eventuell zu viel des Guten bei einer Wegeausstattung? 5.1 Wegeführung und Orientierungshilfen Aus der Pressemitteilung des Deutschen Wanderverbands vom 25. Juni 2010: „Sicher durch die Landschaft - Wanderer wollen Wegweiser und Wegemarkierung. Für 90 % der Wanderer sind Beschilderung beziehungsweise Wegweiser und für 86 % sind die Wege-Markierungen (zum Beispiel an Bäumen) die wichtigsten Elemente einer guten Wegeinfrastruktur - das zeigt die erste nationale Grundlagenuntersuchung zum Wandermarkt. 46 % der Wanderer laufen ohne jegliche Orientierungshilfe, wie Karte oder Wanderführer, und müssen sich auf die Wegemarkierung verlassen können.“ ( www.wanderbares-deutschland.de/ web/ adb/ output/ asset/ 2425, PM_16_Wegemarkierung.pdf.) Doch immer wieder ist der Wanderer dabei verlassen; zum Teil weil Wegemarkierungen verwittert oder überwachsen sind, attraktive Schilder als „Souvenirs“ gestohlen wurden oder aber, wie es das folgende Kapitel zeigt, gar nicht angebracht wurden. <?page no="135"?> 138 Wandertourismus 5.1.1 Ohne Sinn und Verstand EU-Mittel versenkt - der NABU-Rundweg in Birlenbach-Fachingen So sollte es nicht sein! Als ein schön-schlechtes Beispiel aus der Praxis eignet sich der 2009 angelegte NABU-Rundwanderweg um die Gemeinde Birlenbach-Fachingen - aus letzterem Ortsteil kommt seit dem 18. Jh. das berühmte gleichnamige Mineralwasser. Lehrbuchmäßig haben hier engagierte Naturschützer und eine Schülergruppe eigentlich alles falsch gemacht, was man bei einem neuen Wanderweg unprofessionell und schlecht machen kann. Kurz die Vorgeschichte, die die Infotafel am Ausgangspunkt, dem Friedhofsparkplatz außerhalb der Ortschaften an der Kreisstraße 31 verrät. „Dieser Rundweg am östlichen Ende des Naturparks Nassau wurde im Jahr 2009 von der Kreisgruppe Rhein-Lahn des Naturschutzbundes Deutschland e. V. (NA- BU) eingerichtet. Er ist etwa 4 km lang und gibt einen Einblick in ökologische und kulturgeschichtliche Aspekte der Region, die an einzelnen Standorten des Wanderwegs durch Schautafeln erläutert werden. […] Die inhaltliche Aufbereitung und Gestaltung der Informationstafeln erfolgte zusammen mit Schülerinnen und Schülern des Technischen Gymnasiums an der Nicolaus-August-Otto Schule in Diez im Rahmen eines multinationalen COMENIUS-Schulprojektes der Europäischen Union.“ An der ersten Abzweigung des Rundwegs, an dem bis zum Juni 2015 noch immer keine Markierungen angebracht wurden, zeigt sich, dass die Wanderer entweder ein fotografisches Gedächtnis und am besten noch geographisch geschultes Auge oder ein Gerät zum Fotografieren der Tourenskizze besitzen sollten. Der naturkundlich nicht unbelastete Wanderer bemerkt, dass er bereits an zwei Streuobstwiesen vorbeigelaufen ist, bevor er auf das Infoschild „Streuobstwiese“ stößt. Dieses hat man jedoch vor eine hohe und absolut blickdichte Hecke gestellt, hinter der sich ebenfalls eine, die dann dritte auf dem Weg, befindet. Nicht zu verfehlen ist der nächste Infopunkt, eine andere Hecke. Nachdem man erst an einem „Betreten-verboten-Schild“ vorbeigelaufen ist, stößt man auf die Infotafel, an der die Pfleger des schmalen Grünstreifens am Wegesrand die Disteln jedoch nicht abgemäht haben, die die Lesbarkeit des Schildes sehr beeinträchtigen. An einem gut lesbaren und frei geschnittenen zweiten „Betretenverboten-Schild“ wenige Schritte weiter führt der Weg zu den Häusern von Birlenbach. Abb. 11, rechts: Gut versteckt hinter der Hecke: die ausgeschilderte Streuobstwiese (Quelle: eigenes Foto) <?page no="136"?> Wanderwege-Dramaturgie 139 <?page no="137"?> 140 Wandertourismus Nach dem wegen fehlender Wegemarkierung verinnerlichten Routenplan müsste es gleich die erste Sackgasse hineingehen, doch eine Absperrung am hinteren Ende verrät den Irrweg. Mit gesundem Menschenverstand nimmt man die nächste Straße rechts und von der die erste Abzweigung rechts und stößt erfreulicherweise bald an die nächste Infotafel des Wegs. Vor dem Eingang zum Birlenbacher Luftschutzstollen stehen drei provisorisch wirkende Elemente eines Bauzaunes, um Neugierige von einer Erkundung der Höhle abzuhalten. Eine ernsthafte Hürde für „Höhlenforscher“ ist dieser Zaun nicht - wie eine Versicherung bei einem eventuellen Schadensfall reagieren würde, steht noch auf einem anderen Blatt. Am Rand des Bauzaunes hat jemand Bauschutt in die Landschaft gekippt - ein Versuchsbiotop für Pioniervegetation? Auch einmal begonnene Müllhalden entwickeln sich meist prächtig! Von Natur aus eindeutig führt der Weg das Reisersbachtal weiter abwärts, aber man kann noch einmal den Plan vom Schild auswendig lernen. Die Infotafel am nächsten Stopp erzählt vom 1973 aufgegebenen Manganabbau in der Gemeinde. „Heute kann man nur noch an einigen Stellen gut erkennen, wo die Lorenbahn verlief, z. B. hier vor dem Trockenhang.“ Man sieht eine gut zugewachsene Terrassenmauer und eine üppige Vegetation - mehr nicht. Ein zweites Schild am Ende der Terrasse will über die typische Vegetation unter diesen Bedingungen informieren, doch es steht so weit weg vom Weg und ein gut erzogener Wanderer wird hier nicht in die Botanik klettern, so dass ihm ohne Feldstecher die Auskünfte der Tafel verborgen bleiben. Mit Gespür für die Routenführung kommt der Wanderer auf der Rückseite des Bahnhofs Fachingen vorbei. Im Halbstunden- und Stundentakt halten hier Züge, die für den Rad- und Wandertourismus im Lahntal eine ausgesprochen gut funktionierende Ergänzung darstellen. Vom Bahnsteig der in Richtung Limburg fahrenden Züge verlässt man das Bahnhofsgelände und steht eigentlich sofort auf dem NABU-Rundweg, doch das verrät hier kein Schild und auf der Vorderseite des Bahnhofs genauso wenig. Hier kann man auf Personen treffen, die beispielsweise seit 30 und sogar 57 Jahren hier leben und von dem Wanderweg nichts wissen, der seit sechs Jahren in ihrer Nachbarschaft verläuft. Ein beachtliches Kommunikationsdefizit in Birlenbach-Fachingen wird offensichtlich! Bei einer Gemeinde von gerade einmal 1.600 Einwohnern könnte das besser sein. Damit sind die Mängel dieses Rundwegs keinesfalls komplett angerissen, doch diese kapitalen Fehler mögen reichen. Dabei stehen die Naturschützer an der Lahn keineswegs vor der Aufgabe, das Rad neu erfinden bzw. eine selbständig professionelle Wegemarkierung entwickeln zu müssen. Auf der Website des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz finden sie die angesagte Wegemarkierung, die der heutige Wanderer erwartet, die ihn garantiert in der Spur hält bzw. zu <?page no="138"?> Wanderwege-Dramaturgie 141 seinem Ziel bringt und auch noch Qualitätsstandards umsetzt. Eine Zusammenfassung der Grundregeln einer professionellen Wanderwegemarkierung bietet das Kap. 6.1.4. Linktipp Website des Tourismusnetzwerks Rheinland-Pfalz (Wegemarkierung) www.tourismusnetzwerk.info/ inhalte/ leitfaeden/ wandern/ wanderwegeleitfaden 5.1.2 Planung eines Wanderwegs und die Akteure Beim Sonntagsausflug eine schöne Route entdeckt zu haben, vielleicht noch einen attraktiven Schlenker hinzufügen, ein paar Markierungen an die Bäume gepinselt - fertig ist der neue Wanderweg? Die Anlage eines Wanderwegs findet hierzulande nicht in einem rechtsfreien Raum statt; es gibt gesetzliche Grundlagen, die auch schon wichtige Beteiligte - aber nicht alle - für das Projekt eines neuen Wanderwegs nennen. Linktipp Die übergeordneten juristischen Vorlagen stehen im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und im Bundeswaldgesetz (BWaldG), nachzulesen auf der Website des Bundesministeriums der Justiz und des Verbraucherschutzes unter www.gesetze-im-internet.de/ bnatschg_2009/ index.html und www.gesetze-im-internet.de/ bwaldg/ index.html. Bundesländer können auf dieser Grundlage weitere Vorschriften erlassen und den sehr allgemein gehaltenen Gesetzestext konkretisieren. Da dies den Rahmen dieses Buches sprengen würde, beschränken wir uns auf die Vorgaben des Bundesministeriums. Im BNatSchG § 1 Abs. 4 werden Natur und Landschaft u. a. ein Erholungswert zugeordnet und vorgegeben, dass dafür geeignete Flächen zugänglich zu machen sind. Gesetze „(4) Zur dauerhaften Sicherung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft sind insbesondere <?page no="139"?> 142 Wandertourismus [11] Naturlandschaften und historisch gewachsene Kulturlandschaften, auch mit ihren Kultur-, Bau- und Bodendenkmälern, vor Verunstaltung, Zersiedelung und sonstigen Beeinträchtigungen zu bewahren, [12] zum Zweck der Erholung in der freien Landschaft nach ihrer Beschaffenheit und Lage geeignete Flächen vor allem im besiedelten und siedlungsnahen Bereich zu schützen und zugänglich zu machen.“ Um diese Ziele zu erreichen, soll jeder „nach seinen Möglichkeiten zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege beitragen und sich so verhalten, dass Natur und Landschaft nicht mehr als nach den Umständen unvermeidbar beeinträchtigt werden“ (nach BNatSchG § 2 Abs. 1). Die Bundesländer können diese Grundsätze erweitern und sogar nach BNatSchG § 9 Grundeigentümern und Nutzungsberechtigten jener Grundstücke für landschaftsplanerische Maßnahmen, die u. a. die Erhaltung und Entwicklung des Erholungswertes einschließen, eine Duldungspflicht auferlegen. Steigen wir hinab von den Höhen der Bundes- und Ländergesetzgebung auf die Ebene, die der Touristiker vor Ort als sein Feld zu beackern hat, zu den Akteuren und Betroffenen in seiner Destination. Viele Interessen sind hier zu berücksichtigen und möglichst unter einen Wanderhut zu bringen, diejenigen von Landwirtschaft, Forstwirtschaft - zum Thema Wald, Natur- und Landschaftsschutz -, Grundstücksbesitzern, Jägern, Wandervereinen, lokalen Dienstleistern, z. B. Gastronomie, ebenso der Gemeinde, des Kreises, der regionalen Tourismusinstitution und schließlich die eigenen als Vertreter/ Mitarbeiter eines lokalen Tourismusbüros. Für alle verbindlich ist der aktuell gültige Landschaftsplan der jeweiligen Gemeinde, nachdem ihn der Gemeinderat beschlossen hat. Als ein Beispiel mögen die Informationen aus dem Bayerischen Landesamt für Umwelt dienen. Linktipp Bayerisches Landesamt für Umwelt: www.lfu.bayern.de/ natur/ landschaftsplanung/ faq/ index.htm Eine besondere Aufmerksamkeit gilt dem Wald, ohne den kaum ein Wanderweg auskommt und für den es mit dem Bundeswaldgesetz und den Waldgesetzen der Bundesländer weitere Vorgaben für Planung und Ausführung eines touristischen Wegs gibt. Der Gesetzgeber definiert den Wald folgendermaßen (BWaldG § 2 Abs. 1): <?page no="140"?> Wanderwege-Dramaturgie 143 Gesetze § 2 Wald (1) „Wald im Sinne dieses Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche. Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.“ Damit sind außer Weihnachtsbaum-Schonungen, Baumschulen und kleinen Gehölzgruppen in der offenen Landschaft bzw. im bebauten Gebiet alle eventuell touristisch relevanten Einheiten eines Waldes Gegenstand „gesetzlicher Aufmerksamkeit“. Für die Waldwege, die auch als offizielle, d. h. markierte Wanderwege dienen, können für Forstbetriebsgemeinschaften und Forstbetriebsverbände sogar gesetzliche Vorgaben bestehen, die Wege in ihrem Revier zu unterhalten (siehe BWaldG §16, 17). Zumindest gilt für Waldbesitzer (BWaldG § 13 Abs. 2) die Verpflichtung „den Bau, die Errichtung und die Unterhaltung von Wegen, Bänken, Schutzhütten und ähnlichen Anlagen oder Einrichtungen und die Beseitigung von störenden Anlagen oder Einrichtungen zu dulden“. Zu Beginn einer Wegeplanung gehört auf alle Fälle das Studium der für dieses Gebiet gültigen Gesetzeslage. Für ein Brainstorming über den neu anzulegenden Wanderweg - wobei damit nicht ein erst einmal neu zu bauender Weg gemeint ist, sondern ein bereits bestehender, aber noch nicht in das Wanderwegenetz integrierter - sind folgende Aspekte wesentlich (vgl. DREYER et al.(2010), S. 175): Zweck des Weges Was soll mit ihm beabsichtigt werden? Ist es ein bereits viel genutzter Weg, der entsprechend verbessert werden sollte? Oder soll er als „Besucherlenkung“ dienen und einen viel begangenen Weg entlasten? Soll eine Sehenswürdigkeit neu erschlossen werden? Muss eine Alternative für einen nicht mehr attraktiven bzw. nicht mehr zu verantwortenden Weg, z. B. Attraktivitätsverlust, Belästigungen oder Gefahrenquelle durch eine neue Umgehungsstraße, gefunden werden? Grundsätzliche Routenführung Rundwanderung oder Streckenwanderung? Welche ungefähre Länge? Halbtagestour? Tagestour? Fernwanderweg oder eine Ergänzung zu einem bereits bestehenden? Erreichbarkeit Gibt es bereits Parkplätze am Beginn/ Ende der Route, die sich zu Wanderparkplätzen ausbauen ließen? An welchen Stellen des Wan- <?page no="141"?> 144 Wandertourismus derwegs gibt es weitere Parkmöglichkeiten, falls dies sinnvoll sein könnte? Wie ist die Anbindung auch an Wochenenden an den Öffentlichen Nahverkehr? Vernetzung An welche Wanderwege soll der neue anbinden? Soll er eine neue Verbindung schaffen? Soll er eine zusätzliche Runde an einen bereits bestehenden längeren Weg, auch einen Fernwanderweg darstellen? Wie sieht das Wanderwegenetz jenseits der Gemeinde- oder Kreisgrenze aus, wäre der neue Weg eine sinnvolle Ergänzung? Wegeführung im Detail Welche attraktiven Wegeabschnitte sollten in die Wegeführung einbezogen werden? Ist für Abwechslung im Landschaftserlebnis gesorgt, werden lohnende Aussichtspunkte angesteuert? Zustand des Weges Hat der Weg zu großen Teilen eine „fußgängerfreundliche“ naturbelassene Oberfläche und möglichst wenig Asphaltabschnitte? Ist er auch bei Regen und ganzjährig gut begehbar? Hat der Weg einen interessanten Verlauf und ist keine oftmals schnurgerade „Forst-Autobahn“? Konkurrierende Nutzung Mit wem werden sich die Wanderer ihren Weg teilen? Wieweit ist die Wegeführung über eine vom normalen Autoverkehr genutzte Straße unvermeidlich? Gibt es dann wenigstens einen getrennten Fuß-/ Radweg? Welche Interessenkonflikte können mit landwirtschaftlichem Verkehr, mit Radwanderern, Mountainbikern entstehen? Infrastruktur Gibt es bereits Bänke, Ruheplätze, Unterstände oder Schutzhütten? In welchem Zustand sind sie? Ließe sich diese Infrastruktur weiterverwenden und ausbauen? Wie steht es um eventuell schon existierende Wegweiser und Markierungen? Wo ließen sich gegebenenfalls Aktivitätsstationen/ Mitmachpunkte z. B. für einen Familienwanderweg aufbauen? Dramaturgie Lässt sich bei dem Weg eine Dramaturgie entwickeln, d. h. dem Naturerlebnis einen Spannungsbogen, eine Steigerung geben? Nicht die größte Attraktion am Anfang und danach nur noch langweilige „Latscherei? Sind die Anstrengungen - Auf- und Abstiege - für den Wanderer gut verteilt? Didaktik Lässt sich die Route von Lehrpfaden und Themenwegen so legen, dass die zu vermittelnden Inhalte eine möglichst logische Reihenfolge haben? Sind die Inhalte in der Landschaft einsehbar und nachvollziehbar, so dass sie mit wenigen Sätzen oder einer kleinen Skizze etc. verständlich erklärt werden können? Welche Fachleute, z. B. Geographie- oder Biologielehrer, Geologen, Historiker, Heimatforscher lassen sich dafür ins Boot holen? Zielgruppen Die „gewöhnlichen“ Wanderer? Der eher sportliche Typ oder der Landschaftsgenießer? Familien mit Kindern? Barrierearm? Behinderten- <?page no="142"?> Wanderwege-Dramaturgie 145 gerecht? Für welche körperlichen Einschränkungen? Sollen besondere Gesundheitsaspekte herausgestellt werden? Einschränkungen im Gelände Würde der Weg ein Naturschutzgebiet berühren oder durchqueren oder ein Gelände, das in sonstiger Weise nur einen eingeschränkten Zugang oder gar keinen hat, wie z. B. ein Militärgelände? Gibt es eventuell saisonale Einschränkungen? Wegestatus Wird ein Qualitätssiegel angestrebt? Soll es ein Premiumweg o. Ä. werden? Lassen sich die damit verbundenen Anforderungen erreichen? Welche Maßnahmen wären dafür unabdingbar? Pflege und Kontrolle des Weges Wer kontrolliert zuverlässig den Weg und seine Infrastruktur? Übernimmt dies der örtliche Wanderverein oder ehrenamtliche Wegepaten, die nahe an „ihren“ Wegabschnitten wohnen? Wer ist für eventuelle Ausbesserungsarbeiten zuständig? Wer könnte eine App zum Wanderweg erstellen und diese pflegen bzw. aktualisieren? Finanzen Wer trägt die Kosten für Wegebau und Unterhaltung des neuen Wegs und seiner Infrastruktur? Welche Fördermittel könnte es geben? Mit welchen Mehrkosten muss man für das Erreichen angestrebter Qualitätsstandards rechnen? Würde sich dieser Mehraufwand lohnen? Doch vor der Planung eines neu zu bauenden Wegs wäre erst einmal die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob dieser unbedingt erforderlich ist oder ob nicht die Verbesserung bereits bestehender Wege eine sinnvollere und preiswertere Lösung wäre. Welche Philosophie, welche Leitsätze existieren bereits in der betreffenden Region? So formuliert beispielsweise die Wanderdestination Sauerland in ihrem Praxisleitfaden Nr. 1, dass für sie die Optimierung bestehender Wanderwege grundsätzlich Vorrang vor einer Neuanlage hat; „Qualität statt Quantität heißt die Devise, die neben Kostenreduzierungen für die Einrichtung und Unterhaltung der Wanderwege auch zu einer erheblichen Akzeptanzsteigerung bei den Grundeigentümern führt“. Ein anderer Aspekt, der für die Konzentration auf das bestehende Wegenetz sprechen kann, ist der geringere „Landschaftsverbrauch“, eventuell das „Verschonen“ noch nicht vom Tourismus betroffener Flächen. Auch wenn Ländergesetze das Bundesgesetz zur Erholungsfunktion des Waldes konkretisieren, so muss damit keinesfalls schon die Ausweisung von Wanderwegen geregelt sein. Im Nordrhein-Westfälischen Landschaftsgesetz § 59 Markierung von Wanderwegen sowie der dazugehörenden Durchführungsverordnung wird dies erst geregelt. „Im Sauerland sind nur die Naturparke sowie die Wandervereine zur Ausweisung und Markierung von Wanderwegen befugt. Daher müssen alle Planungen mit diesen Institutionen abgestimmt und durch sie in das <?page no="143"?> 146 Wandertourismus Genehmigungsverfahren eingebracht werden.“ (SAUERLAND TOURISMUS Praxisleitfaden 1, S. 3) Praxis Tipp zur Gestaltung eines Wanderweges Prinzipien für die Gestaltung eines Wanderwegs, die sich auch außerhalb des Sauerlands bewähren: Wanderwege … verlaufen abwechslungsreich, stehen nicht in Konkurrenz zueinander, orientieren sich an Landmarken oder Themen, meiden sensible Landschaftsbereiche, sind und werden mit den betroffenen Eigentümern abgestimmt, sollen möglichst an den ÖPNV angeschlossen sein, sind in einem wandersicheren Zustand und werden einheitlich und in beide Richtungen durchgängig markiert und beschildert. Quelle: SAUERLAND TOURISMUS Praxisleitfaden 1, S. 4 Am Anfang einer Wegeplanung stehen zum einen das Studium der entsprechenden topographischen Karten und Wanderkarten des Gebiets und dann die ersten eigenen Begehungen und Erfahrungen im Gelände. Man sollte die mögliche Route und eventuelle Varianten erst einmal selber abwandern, wichtige Details fotografieren und damit die Ausgangssituation dokumentieren, gegebenenfalls auch schriftlich protokollieren. Spätestens ab der Erfassung der Ausgangslage sind permanent Gespräche mit den Experten vor Ort, Beteiligten und Betroffenen - den Stakeholdern eines Projekts - unerlässlich. Für eine erfolgreiche Wegeplanung bis hin zum Anbringen der letzten Markierungen und dem Aufstellen von Infotafeln, Bänken etc. braucht es eine Menge diplomatisches Talent und viel Fingerspitzengefühl, Geduld, Kompromissbereitschaft, aber auch eine Portion Hartnäckigkeit könnte nötig sein. Man unterschätze nicht die fiktiven Steine, die einem bei einem solchen Projekt in den Weg gelegt werden können, denn es werden mehr Interessen betroffen, als es anfangs scheinen mag! Für den Ausbau des Wanderwegenetzes kann es auch Fördermöglichkeiten geben, so als eine Maßnahme der allgemeinen touristischen Infrastrukturförderung oder als ein Beitrag zur Entwicklung des ländlichen Raums ( Kap. 3.1). Über konkrete Möglichkeiten informieren beispielsweise die entsprechenden <?page no="144"?> Wanderwege-Dramaturgie 147 Landesministerien; dort weiß man sicherlich auch, welche EU-Fördertöpfe - besonders bei grenzüberschreitenden Projekten - angezapft werden könnten. Linktipps Beschilderung von Wanderwegen www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14032/ 105349/ file/ Praxisleitfaden%202_Beschilderung%20von%20Wanderwegen.pdf Optimierung von Wanderwegen www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14031/ 105344/ file/ Praxisleitfaden%201_Optimierung%20von%20Wanderwegen.pdf 5.1.3 Bau und Pflege eines Wanderwegs Über die Einzelheiten beim Bau eines Wanderwegs, der erst neu angelegt werden soll, muss der Touristiker kein Fachwissen haben, das kann er getrost den studierten Tiefbauingenieuren überlassen. Wichtig wäre im Vorfeld der Baumaßnahme, dass die Anforderungen und Erwartungen aus der Tourismuspraxis klar definiert wurden, so dass sie sich dementsprechend in Ausschreibung und Angebot wiederfinden lassen. Mit dem Procedere eines Bauvorhabens und seinen verschiedenen Phasen, Zuständigkeiten, Verwaltungsakten etc. sind in einer Gemeindeverwaltung diverse Personen qua Amt bestens vertraut. Als Touristiker sollte man sich für den Zustand der Wanderwege in seinem Revier verantwortlich fühlen, d. h. auf dem Laufenden sein über den Zustand der Wege und der damit verbundenen Infrastruktur, über Mängel zügig informiert werden, so dass Instandhaltung oder andere Maßnahmen schnellstmöglich initiiert werden. Es geht dabei nicht nur um gemindertes Wandervergnügen, sondern vielleicht auch um das Beseitigen von Gefahrenquellen, zum Beispiel eines nicht mehr intakten Geländers, das den Wanderweg am Steilhang sichert, oder einer morschen Treppenstufe bei einem Aussichtsturm, die zu Schadensfällen und Auseinandersetzungen mit Versicherungen wegen Verkehrssicherungspflicht und Haftungsfragen führen können. Das Deutsche Wanderinstitut bietet Fachkurse an, die speziell auf die Bedürfnisse und Anforderungen an die Pflege von Wanderwegen ausgerichtet sind. Diese Kurse wenden sich an Mitarbeiter von Gemeindebauhöfen, Tourismusdestinationen, Naturparks und anderen Schutzkategorien, Forstbetrieben, spezialisierten Planungsbüros und Baufirmen. <?page no="145"?> 148 Wandertourismus Linktipp Fortbildungsangebot des Deutschen Wanderinstituts www.wanderinstitut.de/ fortbildung Um eine kleine Vorstellung von den möglichen Arbeiten zu geben, die bei der Unterhaltung von Wanderwegen anfallen können, für die man vor Ort im Gelände ein Auge haben sollte, seien die drei Module des Fachkurses „Bau und Pflege von Wanderwegen“ hier wiedergegeben. Praxis Pflege von Wanderwegen Modul 1 - Grundpflege Theorie: Wer ist unser Kunde und was ist ein gut gepflegter Wanderweg? Analyse im Feld: Beurteilung eines Wanderweges auf Pflegemängel und bauliche Mängel. Praktische Pflege im Feld: Laufende Grundpflege eines Weges. Welche Hilfsmittel und Werkzeuge sind sinnvoll? Modul 2 - Sanierungen und Wegebau Erkennen von Problemstellen und ihrer Ursachen. Sanierung eines Wegstückes bei Nässe, im Steilhang, in losem Erdboden oder Gestein. Welche baulichen Maßnahmen und Materialien kommen in Frage? Modul 3 - Infrastruktur Brücken, Treppen, Entwässerungen und Handläufe. Analyse, welche Bauart und welches Material ist geeignet? Praktische Ausführung. Quelle: www.wanderinstitut.de/ fortbildung (Fachkurs „Bau und Pflege von Wanderwegen“) Website Beispiel Sauerland-Mobiliar www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14031/ 105344 / file/ Praxisleitfaden %201_Optimierung%20von%20Wanderwegen.pdf <?page no="146"?> Wanderwege-Dramaturgie 149 5.1.4 Markierung Ein Wanderweg ohne eine zuverlässige Markierung, wie es das Beispiel des NABU-Rundwegs vom Birlenbach-Fachingen ( Kap. 6.1.1.) zeigt, geht prinzipiell nicht. Als Orientierung und Handreichung für die Praxis könnte den Naturschützern in ihrem Rheinland-Pfälzischen Revier der sehr konkrete wie ausführliche Wanderwege-Leitfaden Rheinland-Pfalz (www.tourismusnetzwerk.info/ inhalte/ leitfaeden/ wandern/ wanderwegeleitfaden/ ) dienen oder für einen ersten Überblick die wichtigsten Grundregeln für die Markierung, die das Deutsche Wanderinstitut herausgegeben hat (Markierungsrichtlinien DWI). Verschiedene Markierungsarten (Rheinland-Pfalz Wanderwege Leitfaden, Kap. 4.3), die sich im Laufe eines Wanderwegs je nach Situation unterscheiden können, sind möglich: Plaketten und Aufkleber mit dem Logo der Route sowie Farbmarkierungen. Grundsätzlich sollte bei der Gestaltung der Markierung bzw. des Logos der Route berücksichtigt werden, dass es sich um möglichst einfache, farblich gut sichtbare sowie kontrastreiche Zeichen handelt, die auch problemlos mit Hilfe von Schablonen als Farb- oder Sprühmarkierung im Gelände angebracht werden können. „Das Markierungszeichen stellt somit in der Regel eine vereinfachte Form des Vermarktungslogos dar. Markierungszeichen und Vermarktungslogo sollten in jedem Fall zusammenpassen.“ (a. a. O.) Pfeilwegweiser und Tafelwegweiser ( Kap. 5.2.1) vervollständigen die Orientierungshilfen in der Landschaft. Als oberster Grundsatz einer zeitgemäßen Wanderwegemarkierung gilt: „Die Markierung von Wanderwegen hat den Zweck, Wanderer ohne weitere Hilfe von Führern oder Wanderkarten absolut zuverlässig über die vorgesehene Route zum Ziel zu geleiten.“ Daraus lässt sich ableiten, dass die Markierung gut sichtbar schon auf eine gewisse Entfernung, eineindeutig in ihren Richtungshinweisen und in ausreichend dichten Abständen anzubringen ist. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass der Weg auch für ungeübte Wanderer und Ortsfremde „ohne die geringste Orientierungsunsicherheit“ (DWI) erkennbar sein muss. Da empfiehlt es sich in der Praxis sehr, für den Test eines neu ausgeschilderten Weges nicht die einheimischen Wanderprofis auf Tour zu schicken, sondern diesen „Markierungs-TÜV“ von einer auswärtigen Person durchführen zu lassen! <?page no="147"?> 150 Wandertourismus Abb. 12: Ein Wegweiser nach den Vorgaben des DWV (Quelle: Birgit Dasbach) Diesen Grundsatz konkretisiert das DWI mit sechs detaillierteren Vorgaben für eine unmissverständliche Markierung (vgl. a. a. O.): [1] Richtung Da Wanderwege in beiden Richtungen benutzt werden, wird grundsätzlich auch in beide Richtungen mit gleicher Sorgfalt markiert. [2] Sichtmarkierung Nicht die Suche nach der Fortsetzung des Wegs an einer Abzweigung, sondern das Wissen darum schon aus einer gewissen Entfernung soll den Wanderschritt nicht bremsen! Deshalb sollen die Zeichen in Front zu den Wanderern als Sichtmarkierung, die bereits aus der Distanz erkennbar ist, angebracht werden und nicht als Backenmarkierung seitwärts zum Weg. In Kurven sollen die Markierungen an der Kurvenaußenseite zu sehen sein. [3] Wegkreuzungen und Einmündungen An Wegekreuzungen und Einmündungen/ Abzweigungen, auch wenn sie dicht aufeinander folgen, muss der Wegeverlauf jedes Mal eindeutig markiert sein. [4] Abzweigung mit Richtungswechsel An jeder Kreuzung oder Abzweigung, an der die Wanderroute die Richtung wechselt, muss dies unmissverständlich mit einem zusätzlichen Richtungspfeil gekennzeichnet werden. Sollte die Abzweigung aus irgendwelchen Gründen unübersichtlich sein, <?page no="148"?> Wanderwege-Dramaturgie 151 muss schon vorher als „Vorwarnung“ eine Markierung mit einem abknickenden Pfeil angebracht werden. [5] Bestätigungszeichen bei abknickender Wegführung Unmittelbar nach der Abzweigung soll eine Markierung bestätigen, dass hier der Wanderweg verläuft und dieses Beruhigungszeichen sollte schon von der Abzweigung aus zu erkennen sein. [6] Markierungsdichte Die Dichte der Markierungen unterscheidet sich bei schmalen Pfaden und bei gut erkennbaren, breiten Wegen. Trampelpfade sollten erheblich dichter markiert werden als „Forstautobahnen“ oder andere Wege, deren Verlauf sich eindeutig über längere Abschnitte verfolgen lässt. Das Sichtweite-Prinzip kann man hier etwas lockerer handhaben, aber als Beruhigung für den Wanderer sind die Markierungen in regelmäßigen Abständen von ca. 200 m sinnvoll und üblich. Diese bundesweit geltenden Grundregeln müssen u. a. erfüllt sein, wenn der Wanderweg zertifiziert werden soll. Buchstäblich ein eigenes Kapitel sind neben diesen Wegmarkierungen Wegweiser ( Kap. 6.2.1). Bei einer optimalen Markierung eines Wanderwegs ist unbedingt zu berücksichtigen, dass für die Flächen, auf denen man das Wanderweg-Logo anbringen oder einen Wegweiser aufstellen möchte, eventuell erst einmal bei Privatpersonen die Genehmigung dazu einholen muss. Bei Markierungsträgern im öffentlichen Raum dürfte dies mit einem korrekten Procedere der Wegeplanung schon geregelt sein. Vorderseiten von Verkehrszeichen und Leitposten, Naturdenkmäler und Kulturdenkmäler sowie religiöse Skulpturen dürfen grundsätzlich nicht für Markierungen genutzt werden. Auf der Rückseite von Verkehrsschildern sind Aufkleber jedoch in der Regel erlaubt. Als sehr nützlich hat sich eine eigene Markierungsweise für den Zugang zu den großen Wanderwegen erwiesen, die sich schon an einer Reihe von qualitätsgeprüften Wegen bewährt. Das Logo des Hauptwanderwegs wird farblich abgeändert für die Zuwege verwendet, so zum Beispiel am Rothaarsteig, wo ein schwarzes liegendes „R“ auf gelbem Hintergrund einen Zuweg markiert, während der Hauptweg durch ein weißes liegendes „R“ auf rotem Untergrund gekennzeichnet wird. Beim Lahnwanderweg variiert der Hintergrund des gleich gestalteten „WL“ im roten Schriftzug: Weißer Untergrund bedeutet: Hauptweg, gelber: Zuweg. Auf diese Weise werden Bahnhöfe, Parkplätze, Sehenswürdigkeiten abseits des Wegs an den Hauptwanderweg angebunden. Eine weitere Kategorie von möglichen Schildern auf einem Wanderweg sind die Standortschilder. Neben dem Logo des Wanderwegs sind Angaben zum Standort (Name, Höhe über dem Meeresspiegel (x m NN) und die Koordinaten für GPS-Geräte) zu finden. Für Informationen über Mängel in der Markierung, <?page no="149"?> 152 Wandertourismus zum Beispiel zerstörte oder gestohlene Schilder, aber auch Hindernisse am/ auf dem Weg, beispielsweise einem umgestürzten Baum oder andere potenzielle Gefahrenquellen bzw. gravierende Mängel, wird eine Telefonnummer des regionalen Wegemanagements angegeben. Wer bringt die Markierungen an? Wer kümmert sich um den lückenlosen Bestand am Wegesrand, unterhält und pflegt ihn? Meist übernehmen Mitglieder der örtlichen Wandervereine und lokale ehrenamtliche Wegepaten diese Aufgaben. Praktische Tipps für die Markierungsarbeit im Gelände - inklusive aller eventuell nötigen Werkzeuge und Materialien am Wegesrand, in Feld und Wald - gibt das Kapitel 4 des Wanderwegeleitfadens aus Rheinland-Pfalz. 5.2 Ausstattung und Möblierung So wenig wie der moderne Wanderweg nicht mehr nur mit einer schlichten Markierung, eventuell gar nur mit auf Bäume gepinselten Buchstaben und Zahlen, auskommt, so gehören heutzutage zu seiner Ausstattung neben den attraktiv präsentierten Informationen über wesentliche Aspekte der Strecke oftmals auch aufwendiger gestaltete Ruhepunkte für den Wanderer. Die einfache Bank am Wegesrand reicht da vielfach nicht mehr. Eine an den Körper angepasste Holzliege ist zum Beispiel eine angenehme Weiterentwicklung. Abb. 13: Spiel mit Wasser am Smaragdweg im Nationalpark Hohe Tauern (Quelle: eigenes Foto) <?page no="150"?> Wanderwege-Dramaturgie 153 Abb. 14: Balancieren an Baumstämmen am Hermannsweg (Quelle: Birgit Dasbach) Als zusätzliche Attraktionen lassen sich Aktivitätsstationen sinnvollerweise im Zusammenhang mit Rastplätzen oder zumindest Bänken errichten. Kleine Geschicklichkeitsübungen können hier spielerisch durchgeführt werden, indem man über Baumstämme balanciert, kleine Turnübungen beispielsweise an einem Reck ausübt oder über Seile und wankende Hängebrückchen balanciert, die zwischen Baumstämmen befestigt wurden, oder einen mit Griffen und Tritten präparierten Baumstamm hoch- und herunterklettert. Beliebte Spielstationen sind solche, bei denen Wasser mit einbezogen wird, man beispielsweise Kanälchen in Baumstämmen aufstauen kann, Hebel und Wasserräder in Bewegung setzen, Pumpen und einfach nur plantschen kann - was nicht nur Kindern gefällt. Solche Stationen geben gerade für Kinder dem Wanderweg neue und für sie interessantere Höhepunkte - und dann mit zufriedenen Kindern weiterzuwandern, steigert auch für die Eltern den Wandergenuss. Im Rückzug sind dagegen vielerorts die Papierkörbe in der Landschaft. Aus Kostengründen gehören sie immer häufiger nicht mehr neben die Ruhebänke, besonders wenn diese nicht mit einem Fahrzeug für die Entsorgung des Mülls zu erreichen sind. Da vertreten Touristiker und Gemeinden die Meinung, dass man die Dinge, die man in die Landschaft getragen hat, auch wieder aus ihr heraustragen kann, wie zum Beispiel den Verpackungsmüll seines Wanderproviants. Eine durchaus berechtigte und vernünftige Ansicht, die aber längst nicht <?page no="151"?> 154 Wandertourismus von allen Wanderern und Spaziergängern beherzigt wird, so dass herumliegender Abfall weiterhin ein unerfreuliches Phänomen bleibt. Ein anderer kritischer Aspekt bei der Ausstattung der Wanderwege ist die „Robby-Dogisierung“ der Landschaft ( Kap. 5.3). 5.2.1 Wegweiser und Infotafeln Eine „Wissenschaft für sich“ sind die Wegweiser und Schilder. Es gibt Tafelwegweiser und Pfeilwegweiser; im Sauerland beispielsweise haben die Tafelwegweiser die Maße von 33 x 40 cm, die Pfeilwegweiser 17 x 70 cm, die damit gerade einmal Platz für zwei Zeilen Text bieten. „Die Verwendung der unterschiedlichen Formate hängt von der Anzahl der auszuweisenden Wanderwege, der touristischen Bedeutung des Standortes sowie den örtlichen Rahmenbedingungen ab. Mitentscheidend ist die Wahl des optimalen Standorts für den Trägerpfosten. Hierbei sind die örtlichen Gegebenheiten abzuwägen, zu denen neben den Eigentumsverhältnissen auch die Lage von Versorgungsleitungen oder die waldwirtschaftliche Nutzung (Rückegassen, Schwenkbereich von Langholztransportern, etc.) gehören.“ (SAUERLAND TOURISMUS Praxisleitfaden 2, S. 3f.) Die Wegmarkierungen wurden in Kap. 5.1.4 behandelt, so dass es hier um die etwas ausführlicheren Informationen am Wegesrand gehen soll. Die Tafelbzw. Pfeilwegweiser sollen schließlich noch ein paar Auskünfte mehr geben als nur den eindeutigen Hinweis auf den Routenverlauf. Nah- und Fernziele der Strecke werden angegeben und die dazugehörende Entfernung, bei Ortsangaben wählt man die Distanz bis zur entsprechenden Ortsmitte, um dem Wanderer den Frust einer längeren Ortsdurchquerung zu ersparen bzw. um ihm einen realistischen Eindruck von der zu wandernden Strecke zu geben. Bei der Angabe von Fernzielen sollte man Entfernungen von mehr als 15 km vermeiden - größere Distanzen können sich unter Umständen etwas motivationshemmend auswirken, frustrierte oder gestresste Wanderer sind auch nicht das Ziel des Wandermarketings! Zur wichtigen und manchmal noch stimmungsfördernden Information gehören Piktogramme an den Wegweisern über die nächste Gaststätte, Übernachtungsmöglichkeit, Tourist-Information und Haltestelle des ÖPNV. Piktogramme für Schutzhütten, Natur- oder Kulturdenkmal, Aussichtspunkt und andere Sehenswürdigkeiten sind möglich. An den Beginn eines Wanderwegs stellt man eine Wanderinformationstafel, die mehrere Funktionen besitzt (vgl. SAUERLAND TOURISMUS, Praxisleitfaden 3). Natürlich ist ihre wichtigste Aufgabe, den Wanderer zu informieren und ihm einen schnellen und guten Überblick über seine Route zu geben. Aber auch mögliche Aktivitäten vor, während und nach der Wanderung kön- <?page no="152"?> Wanderwege-Dramaturgie 155 nen/ sollten genannt werden. Eine zweite Aufgabe der Wanderinformationstafel kann eine Lenkungsfunktion sein, d. h. Besucher lassen sich von sensiblen Bereichen ablenken. „Weiterhin ist die Wandertafel ein Imageträger für die Wanderwelt Sauerland. Sie soll für den Besucher einen Wiedererkennungswert besitzen und in ihm den Wunsch wecken, im Sauerland zu wandern. Daher sind ein einheitlicher Gestaltungsrahmen und eine hohe Qualität unbedingt erforderlich.“ (a. a. O. S. 6) Folgende Inhalte sollte eine Wanderinformationstafel unbedingt bieten: Den entsprechenden Ausschnitt aus der Wanderkarte im Maßstab 1: 25.000 mit allen markierten Wanderwegen. Eine Kartenlegende gehört selbstverständlich dazu. Den aktuellen Standort, der durch einen roten Punkt markiert wird. Hinzu kommen die UTM-Koordinaten und die Höhenangabe über NN. Einkehrmöglichkeiten (Adresse, Telefonnummer, eventuell E-Mail-Adresse, Öffnungszeiten). Die Standorte der genannten Gastronomiebetriebe müssen in der Karte eingetragen sein und die Entfernungen vom aktuellen Standort sollten angegeben werden. Angaben zur örtlichen Tourist-Information (Adresse, Telefonnummer, ggf. E-Mail-Adresse, Öffnungszeiten, Lage in der Karte und Entfernung vom aktuellen Standort). Neben der „Pflicht“ können je nach Platz und Angebot der Region folgende Informationen als „Kür“ auf einer Wandertafel untergebracht werden, wenn sie nicht überfrachtet wirkt und die Lesbarkeit darunter nicht leidet: Kleines Porträt des Ortes, der Region Kurzbeschreibung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten (falls nötig mit Öffnungszeiten) Zusätzlicher Stadtplan mit der Markierung der Sehenswürdigkeiten Informationen über Wesentliches zu Flora und Fauna, Hinweise zum Verhalten in der Natur (z. B. Verlassen der Wege oder der Umgang mit eigenem Müll) <?page no="153"?> 156 Wandertourismus <?page no="154"?> Wanderwege-Dramaturgie 157 Eine besondere Variante der Information im Gelände ist die Panoramatafel. Sie erklärt an attraktiven Aussichtspunkten - von denen eine Wanderung mindestens einen besitzen sollte, um einen Überblick über die charakteristische Landschaftsform zu bekommen - welche Landmarken im Umkreis existieren. Nicht nur Geographen schätzen dies, die „Sehsucht“ ( Kap. 1.1.2) ist schon ein historisches Motiv, sich seit dem frühen 19. Jahrhundert auf Wanderschaft zu begeben. Der Blick in die Ferne und die Möglichkeit, diesen zu genießen, ist ein touristisches „Ur-Bedürfnis! “ Doch die Vermittlung der Informationen darf zeitgenössisch sein und anschaulich, indem man auf die alte Variante eines kaum zu verortenden Strahlenkranzes zu den Landmarken verzichtet und stattdessen ein großes Foto mit der Aussicht als Grundlage nimmt, in das die Namen der Berge, Orte oder anderer markanter Punkte eintragen werden. Gibt es noch Platz für zusätzliche Informationen, ohne dass es unübersichtlich wird, könnte man diese noch auf das Foto bringen. Ein Verweis auf dem Panoramabild wäre nur die zweite Wahl. Es ist sinnvoll, um den Vergleich zwischen der Landschaft und der Abbildung mit all ihren Informationen zu erleichtern, die Panoramatafel als Pult zu konzipieren. So können auch Kinder und eventuell Rollstuhlfahrer dieses informative Landschaftserlebnis bekommen. Selbstverständlich gelten für das Design einer Panoramatafel auch die Gestaltungsvorgaben der Wanderinformationstafeln der Region. Ein Corporate Design kann auch in der Natur seinen Platz haben. Für den Inhalt einer Wanderinformationstafel, die sich wesentlich von der Informationstafel eines Themenwegs ( Kap. 7.5) unterscheidet, werden beispielsweise im Sauerland folgende Aspekte verlangt: Wanderkarte (Maßstab 1: 25.000) mit allen markierten Wanderwegen und Legende Aktueller Standort, in der Karte durch einen roten Punkt markiert, UTM- Koordinaten und Höhenangaben über NN Einkehrmöglichkeiten mit Adresse, Telefonnummer, ggf. E-Mail-Adresse und Öffnungszeiten, Eintrag auf der Karte sowie Entfernung vom Standort Örtliche Tourismusinformationen mit Adressen usw. Weitere Informationen soweit noch Platz vorhanden über Ort, Sehenswürdigkeiten, eventuell mit Plan, Hinweise zum Verhalten im Wald usw. (vgl. www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14033/ 105354/ file/ Praxisleitfaden%203_Gestaltung%20von%20Infotafeln.pdf) Abb.15, links: Erklärungen zum Blick in den Steinheimer Meteoritenkrater (Quelle: eigenes Foto) <?page no="155"?> 158 Wandertourismus 5.2.2 Möbel zum Sitzen und Liegen Für viele zertifizierte Wanderwege gehört zur Qualität des Angebots ebenso, dass die „klassischen“ Sitzbänke vergangener Jahrzehnte schon längst abgebaut und durch moderne ersetzt wurden. Ergonomisch angepasste Sitzgelegenheiten als Bank oder Liege, das „Waldsofa“ und die „Waldliege“ sind der neueste Trend - gleich am Wegesrand buchstäblich die Füße hochlegen zu können, steigert das Wohlbefinden, wie es der erste Selbstversuch schon beweisen würde. Abb. 16: Komfortabel und ergonomisch korrekt: die Liege am Wegesrand (Quelle: Lara Dasbach) Zur Philosophie dieses Mehrwerts in der Landschaft mögen exemplarisch Gedanken aus dem Sauerland dienen. „Das Mobiliar ist robust und hochwertig und hat einen entsprechenden Wert. Daher sind die Modelle aus rein wirtschaftlichen Überlegungen nicht für alle Standorte geeignet. Sein Einsatz sollte daher auf besonders attraktive und hochfrequentierte Standorte im gesamten Sauerland konzentriert werden. Somit kann sowohl qualitativ als auch quantitativ das Mobiliar seine repräsentative Funktion entfalten und bei den Nutzern einen positiven nachhaltigen Eindruck hinterlassen.“ (Praxisleitfaden 6, S.6) Wenn das Wanderwegemobiliar der Luxusklasse schon ökonomisch sinnvoll in der Landschaft verteilt werden sollte, so werden nicht die relativ geringen Mehr- <?page no="156"?> Wanderwege-Dramaturgie 159 kosten gescheut, an ihnen auch noch das Logo oder den Schriftzug des entsprechenden Wanderwegs anzubringen und eventuell noch eine kleine Plakette eines Waldsofa-Sponsors. Selbstverständlich ist das Mobiliar eines Qualitätswanderwegs auch aus einem Guss und hat vielleicht auch noch - wie beispielsweise am Rothaarsteig - ein routeneigenes Design. Auch unter dem Aspekt der Ausstattung gilt dieser Wanderweg als ein Trendsetter, denn das Rothaarsteig-Design lässt sich inzwischen bundesweit in der Landschaft finden. Website Beispiel Sauerland-Mobiliar www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14036/ 105369/ file/ Praxisleitfaden6_Das%20Sauerland-Mobiliar.pdf 5.2.3 Wanderparkplätze So lobens- und erstrebenswert die Anbindung eines Wanderweges an den ÖPNV auch sein mag, in der Realität stellen sich diesem Ansinnen oft starke Hindernisse entgegen. Selbst wenn beispielsweise die ideale Nähe zu einer Bushaltestelle gegeben ist, wird immer noch ein Kernproblem sein, dass gerade an Wochenenden und Feiertagen, wenn erfahrungsgemäß mit einem größeren Besuch der Wanderwege zu rechnen ist, die Busse seltener fahren und vielleicht überhaupt nicht zu Uhrzeiten, die sich ein Wanderer wünscht. Aus diesem Grund werden Wanderparkplätze auch weiterhin zum Standard gehören. Wesentliche Aspekte, die bei der Anlage zu berücksichtigen sind, wenn es nicht nur um irgendeine Abstellmöglichkeit von PKWs in der Landschaft am Ausgangspunkt eines Wanderweges gehen soll, betreffen die bauliche Ausstattung und Gestaltung des Parkplatzes sowie die Information über das Wandergebiet. Die folgenden Ausführungen (vgl. Sauerland Praxisleitfaden Nr. 3) betreffen stärker die Parkplätze an zertifizierten und/ oder stark frequentierten Wanderwegen. In der Regel geht es bei diesen Parkplätzen bzw. bei Wanderparkplätzen in den bundesdeutschen Wandergebieten eher um die Verbesserung und Modernisierung bereits bestehender Plätze denn um echte Neuanlagen. Zum aktuellen Verständnis gehört, dass diese Parkmöglichkeit in der Landschaft mehr ist als nur eine offizielle Abstellfläche für den PKW. Sie wird auch als „Wanderportal“ verstanden, die „Tür“ (lateinisch: porta) in das Wandergebiet. Dieser Übergang, so Sauerland-Tourismus, sollte durch eine „attraktive Gestaltung“ sichtbar werden. Natürlich ist ein Wanderparkplatz auch der erste Ort in <?page no="157"?> 160 Wandertourismus der Landschaft, an dem Informationen über das Gebiet, das Wegenetz oder auch nur einen bestimmten Wanderweg an die Besucher gebracht werden soll. „Neben den genannten Funktionen für die Wanderer ist das Wanderportal auch eine Visitenkarte der Wanderwelt gegenüber Wanderern und Besuchern, die den Parkplatz aus anderen Motiven ansteuern. Er soll bei beiden Gruppen das Verlangen wecken, die Wanderwelt Sauerland zu besuchen.“ (a. a. O.) Diese Ansprache des Publikums und die damit verbundene Intention könnten in anderen Destinationen nicht minder zu den gesetzten Marketingzielen gehören. Die Anforderungen, die an einen Wanderparkplatz gestellt werden, unterteilen sich in die Kategorien Lage, Infrastruktur und Gestaltung, bei denen noch zwischen Muss- und Soll-Anforderungen unterschieden werden kann. Bei der Lage ist wichtig, dass der Wanderparkplatz räumlich oder baulich von der zu ihm hinführenden Straße getrennt ist. „Die Verbindung zwischen beiden Einrichtungen ist dem öffentlichen Verkehr gewidmet und muss dementsprechend ausgebaut sein. Die Abgrenzung ist aus Gründen der Verkehrssicherheit, der Gliederung des Parkraumes und als zumindest partieller Sichtschutz sinnvoll.“ (a. a. O.) Die Touristiker im Sauerland fordern, dass ein Wanderparkplatz ebenso an den ÖPNV angebunden sein und eine eigene Haltestelle besitzen sollte, wenn die nächste mehr als 3 km entfernt ist. Alternativen wären eine Bedarfshaltestelle des ÖPNV oder die Anbindung an einen Hol- und Bringdienst oder einen Wandertaxi-Service. Natürlich führt vom Parkplatz mindestens ein markierter Weg ins Wanderwegenetz oder auch nur zu einem bestimmten Weg. Anzustreben sei ebenso, dass der Parkplatz eine angenehme, einladende Atmosphäre ausstrahlt. Die Infrastruktur umfasst zum einen eine oder mehrere Informationstafeln, zum anderen die Sitzgelegenheiten. Papierkörbe rechnet man im Sauerland nicht mehr zur angesagten Ausstattung. Die Wanderinformationstafeln können nicht nur zur Orientierung im Gelände, sondern auch als Imageträger für das Gebiet oder die Destination gelten. Dann muss als gestalterisches Prinzip das einheitliche Design, das Corporate Design des Wanderweg oder der Wanderregion, angewendet werden. Eine Schutzhütte, Stelen oder aufwändiger konzipierte Info- oder Mitmachstationen können zur Soll-Ausstattung gehören. Bei der Gestaltung eines Wanderparkplatzes muss drauf geachtet werden, dass er sich gut in seine Umgebung einfügt, möglichst nicht als störend und als lästiger Fremdkörper empfunden wird. Deshalb wäre naturnahen Elementen der Vorrang zu geben, beispielsweise der Verwendung von heimischen Baumaterialien für die Infrastruktur. Auch ein Einstimmen auf das Charakteristische dieser Region, der betreffenden Natur- oder Kulturlandschaft wäre ein Pluspunkt, würde dem Wanderparkplatz eine unverwechselbare Note geben und könnte <?page no="158"?> Wanderwege-Dramaturgie 161 Lust auf diesen Wanderweg, diese Landschaft machen, also motivieren, sich mehr auf diese Destination einzulassen. 5.3 Von der „Robby-Dogisierung“ der Landschaft Saubere Wanderwege und Wegesränder erhöhen den Landschaftsgenuss, doch ein Problem sind dabei oftmals die Hundehaufen. Die Schweizer Lösung für diese übelriechende wie optisch störende Randerscheinung des Spaziergehens und Wanderns heißt seit 1981 „Robidog“, das Entsorgungssystem für Hundekot, das es immerhin schon zur eigenen Wikipedia-Seite (wikipedia.org/ wiki/ Robidog) gebracht hat. Unübersehbar an den potenziellen Hundespaziergangsrouten im Umfeld von Siedlungen, aber auch in der weiter entfernten Natur gehören die fröhlich hellgrünen Mülleimer „am Stiel“ als Sammelbehälter für Hundekotbeutel zum Bild einer modernen Schweizer Freizeitlandschaft. MÜLLER (2007) sieht diese „Möblierungen der Landschaft“ als einen kritischen Eingriff: „An den Spazier- und Wanderwegen gibt es Sitzbänke, Feuerstellen, Abfallkübel und Robby- Dogs in mehr oder weniger passenden Farbe. In Skigebieten stehen auch im Sommer viele Hilfsgeräte herum. Dieses Phänomen, auch als „Robby- Dogisierung“ der Landschaft bezeichnet, setzt sich zusammen aus unzähligen Kleinigkeiten, die aber in ihrer Gesamtheit das Landschaftsbild beachtlich stören können. Gerade hier wäre mit zum Teil kleinem Aufwand viel zu erreichen.“ (MÜLLER (2007), S. 84) Eine Möglichkeit, optisch etwas Ruhe in die Natur zu bringen, wäre eine „Flurbereinigung“ bei Schildern und Infotafeln. Ein kritisches Hinterfragen „Müssen diese Informationen alle an dieser Stelle stehen? “ wäre der erste Punkt; sind die gegebenen Informationen alle relevant und werden im Sinne eines Qualitätsmanagements des Weges auch verlangt, dann lässt sich mit einem Corporate Design eine „optische Beruhigung“ erreichen. Von den natürlichen Gegebenheiten ausgehend wäre von Situation zu Situation zu entscheiden, wie sich die erforderliche Möblierung und Beschilderung räumlich konzentrieren ließe, oder ob es besser wäre, sie etwas zu verteilen, vielleicht auch zum Beispiel bei Sitzmöglichkeiten, diese etwas vom Grün umrahmen zu lassen, statt sie auf einen Präsentierteller zu stellen. In vielen Wandergebieten sind Mülleimer als klassisches Begleitobjekt einer Sitzbank mittlerweile aus der Natur verschwunden. Hinter diesem Trend stecken meist praktische Erwägungen und Sparzwänge bei den Kommunen, die nicht mehr gewillt sind, ihre Müllfahrzeuge in die Landschaft an entlegene Rastplatze zu schicken. Nach der Devise „Nimm’s wieder mit“ erwartet man vom <?page no="159"?> 162 Wandertourismus Wanderer, dass er den leichten Verpackungsmüll seines Proviants, den er in die Landschaft getragen hat, auch wieder mindestens bis zum nächsten Ort und den dort vorhandenen Müllbehältern mitnimmt. Auf diese Weise wird ebenso der „Robby-Dogisierung“, die ein Wandergebiet auch nicht attraktiver macht, entgegengewirkt. Im englischsprachigen Raum gibt es das Programm Leave No Trace (LNT), das als eines seiner sieben Prinzipien ( Kap. 8.3) fordert: „Dispose of Waste properly“; in diesem Fall wird die richtige Müllentsorgung noch weiter gefasst als nur das Wieder-Mitnehmen des Verpackungsmülls. Abb. 17: Vielleicht schon zu viel des Guten in der Landschaft? Der Rastplatz an der Lieserquelle in der Vulkaneifel (Quelle: eigenes Foto) <?page no="160"?> Wanderwege-Dramaturgie 163 Praxis Ferdinand Rieder, Chefranger des Nationalparks Hohe Tauern Die „Müllerziehung“ ist für die Ranger des Nationalparks ein immer wieder zu beackerndes Handlungsfeld. „Das Müllbewusstsein ist schon viel besser als vor 20/ 30 Jahren“, sagt Ferdinand Rieder, der Chefranger des Nationalparks Hohe Tauern. In der Beobachtung stellt er fest, dass deutsche, holländische und belgische Gäste sehr umwelt- und müllbewusst sind. „Nach Südeuropa wird das schon lockerer und viele arabische Gäste haben überhaupt keine gute Einstellung zum Müllverhalten.“ Doch auch mit den müllbewussteren Gästen gibt es immer wieder Diskussionen um weggeworfene Apfelreste oder Bananenschalen. Dies ist zwar Biomüll, aber zum einen macht es die Masse, die in die Landschaft geworfen wird, und zum anderen verwest das pflanzliche Material unter den gegebenen klimatischen Bedingungen nicht so schnell. Papierkörbe gibt es im Salzburger Teil des Nationalparks aus Kostengründen prinzipiell an den Wanderwegen nicht mehr. Die Müllbehälter müssten nämlich täglich geleert werden, weil sonst die Tiere sie leeren würden und die nicht verzehrbaren Abfälle in der Umgebung herumliegen würden. So konzentriert sich der schlimmste Abfall derzeit an den Wanderparkplätzen. „Der Wanderweg ist die Visitenkarte der Region oder des Hüttenwirts! “ Im alpinen Gelände ist die Pflege des Weges inkl. des Müllmanagements Sache des Hüttenwirts bzw. der betreffenden Alpenvereinssektion. Literatur DREYER, A; MENZEL, A.; ENDRESS, M. (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. MÜLLER, H. (2007): Tourismus und Ökologie. Wechselwirkungen und Handlungsfelder. 3. Aufl., Oldenbourg, München. Websites Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege www.gesetze-im-internet.de/ bnatschg_2009/ index.html Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft www.gesetze-im-internet.de/ bwaldg/ index.html <?page no="161"?> 164 Wandertourismus FAQs zum gemeindlichen Landschaftsplan in Bayern www.lfu.bayern.de/ natur/ landschaftsplanung/ faq/ index.htm Wanderwege-Leitfaden Rheinland-Pfalz www.tourismusnetzwerk.info/ inhalte/ leitfaeden/ wandern/ wanderwegeleitfaden Leitfaden zur Gestaltung von Infotafeln, Wanderparkplätzen (Sauerland) www.sauerland-tourismus.com/ content/ download/ 14033/ 105354/ file/ Praxisleitfaden%203Gestaltung%20von%20Infotafeln.pdf Zusammenfassung Der gute Wille, eine Landschaft mit ihren geographischen, botanischen, ökologischen, kulturgeschichtlichen Sehenswürdigkeiten in Form eines Wanderwegs den Besuchern nahezubringen, reicht alleine nicht. Die Didaktik (was möchte ich vermitteln) und die Methodik (wie bringe ich die Informationen an den Mann) sind wesentliche Aspekte bei der Konzeption der Route. Dabei sollte möglichst das erklärt werden, was der Laie auch erkennen bzw. man ihm anschaulich machen kann. Für die erfolgreiche Planung eines Wanderwegs sollten von Beginn an alle Beteiligten (Gemeinde, Grundbesitzer und eventuell deren Nutzungsberechtige, Waldbesitzer, Naturschützer etc.) einbezogen werden. Das Studium der aktuellen Gesetzeslage für den Raum des zu erstellenden Wanderwegs ist unabdingbar, die Lektüre der Anforderungen für eine finanzielle Förderung des Projektes nützlich. Zahlreiche Aspekte sind bei der Wahl der Wegeführung zu berücksichtigen, doch darüber geben die Kriterienkataloge für eine erfolgreiche Wegezertifizierung Auskunft. In diesen Kriterienkatalogen sind ebenfalls die Standards und ganz konkrete Vorgaben, wie eine zeitgemäße Markierung eines Wanderwegs auszusehen hat, festgelegt. Ein Corporate Design der Informations- und Panoramatafeln fördert nicht nur den Wiedererkennungseffekt, sondern kann auch eine gewisse Ruhe im Landschaftsbild schaffen. <?page no="162"?> Wanderwege-Dramaturgie 165 Unter einer „Robby-Dogisierung“ versteht man eine Anhäufung im Prinzip nützlicher Orientierungs- und Informationshilfen sowie Möblierungen an Wanderwegen und Rastplätzen, die in ihrer Vielzahl dann aber doch einen störenden Charakter bekommen können. „Leave no trace“/ „Hinterlasse keine Spuren“ sollte das oberste Gebot der Wanderer in der Landschaft sein. <?page no="164"?> 6 Der Trend zur Qualität Sich mit Karte und Kompass sowie einem trainierten Orientierungssinn in der Landschaft zurechtzufinden, ist heutzutage nur noch den wenigsten Wanderern gegeben. Bei einem Studium der topographischen Karte selber die interessanteste Route zu „entdecken“ und diese auch im Gelände wiederzufinden, das sind Fähigkeiten, die inzwischen auf Rote Listen gehören. Der Wanderer von heute stellt gerne hohe Ansprüche an die Wanderwege, möchte sich darauf verlassen können, dass ihm die schönste Route zu Füßen gelegt wird und auch rund um den Wanderweg alles stimmt. Qualität wird verlangt. Dafür wird inzwischen nicht nur in deutschen Wandergebieten getestet und zertifiziert. „Das Wandersiegel bietet dem Wanderer die Garantie eines modernen, erlebnisoptimierten Wanderangebotes“, so das Deutsche Wanderinstitut über das Deutsche Wandersiegel ( www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ ). Dazu gehört konsequenterweise auch eine Art TÜV für den Premiumweg ( Kap. 6.3), der in bestimmten Zeitabschnitten wieder kontrolliert wird, ob mit der Tour noch alles in Ordnung ist. Dieses Bestreben nach verlässlicher Qualität rund um den Wanderweg gibt es inzwischen auch in einigen anderen europäischen Ländern. Die zweite Gruppe zertifizierter Wanderwege nach einem festgelegten Kriterienkatalog umfasst die so genannten Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“ ( Kap. 6.1); letzte Kontrollinstanz ist hier der Deutsche Wanderverband. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Was verbirgt sich hinter der Marke „Wanderbares Deutschland“? Was sind die Anforderungen an Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“? An Premiumwege? Was müssen Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ oder andere Wandergastgeber ihren Gästen bieten? Wie richtet sich Wandergastronomie auf ihre wichtige Zielgruppe aus? Welche Vorbildfunktion hat das Deutsche Wandersiegel in Europa? Wo können Schwächen auch bei zertifizierten Wanderwegen liegen? <?page no="165"?> 168 Wandertourismus 6.1. Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“ Die Assoziation „Wanderbares Deutschland“ - „Wunderbares Deutschland“ hätten die Erfinder des Namens kaum besser auf den Punkt bringen können! Aus einer Kooperation des Deutschen Tourismusverbands (DTV) mit dem Deutschen Wanderverband (DWV, Kap. 10.7) entstand ab 2001 die Qualitätsoffensive „Wanderbares Deutschland“. Seit 2004 ist der Deutsche Wanderverband der alleinige Träger der bundesweiten Zertifizierung von Wanderwegen, zu der 2005 die Zertifizierung der Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ hinzukam. Das oberste Ziel der vielschichtigen Maßnahmen ist die Förderung des Wandertourismus der Bundesrepublik Deutschland, dabei nicht nur für den inländischen Markt, sondern auch als ein Reisemotiv für ausländische Gäste - siehe Marketingstrategie der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) ( Kap. 3.2.1). Abb.18: Generationen von Orientierungshilfen - Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“ und Vorläufer-Markierungen (Quelle: Lara Dasbach) <?page no="166"?> Der Trend zur Qualität 169 Mit dem Prädikat Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ existieren nun deutschlandweite Standards für Wanderwege, die dem Wanderer garantieren, dass seine Bedürfnisse und Erwartungen rund um seine Tour erfüllt werden - von beispielsweise einer eindeutigen Markierung, einer guten Infrastruktur bis hin zu einer erlebniswie genussreichen Wegeführung. Die Qualitätskriterien werden in die fünf Bereiche der Wahlkriterien Wegeformat, Wanderleitsystem/ Besucherlenkung, Natur und Landschaft, Kultur sowie „Zivilisation“, d. h. Gasthäuser, Haltepunkte ÖPNV, Parkplätze, Umfeld sowie in neun Kernkriterien (ab S. 170) unterteilt. Der Deutsche Wanderverband sieht in der Zertifizierung einen dreifachen Nutzen für den Wandertourismus: „Die Qualität der Wegeinfrastruktur wird in den Regionen thematisiert und nachhaltig verbessert. Es entsteht regionale Wanderkompetenz. Der Wandergast bekommt eine Orientierungs- und Entscheidungshilfe für seine Reiseentscheidung. Die Wanderdestinationen können das Qualitätszeichen als Wettbewerbsvorteil in der Vermarktung des wandertouristischen Angebotes nutzen und sich als Qualitätsmarke profilieren.“ ( www.wanderbaresdeutschland.de/ wanderwege/ qualitaetswege/ das_qualitaetszeichen.html) Als Zielgruppen spricht man damit die Tourismusregionen und Großschutzgebiete bzw. die zuständigen Wandervereine an, die die Wanderwege vermarkten. Die mit der Zertifizierung verfolgten Ziele des DWV erweitert Dreyer (vgl. DREYER (2009), S. 193): Schaffung und Sicherung der Qualität der Wanderwegeinfrastruktur Messbarkeit/ Vergleichbarkeit für Wanderer Sicherung der Nachhaltigkeit Naturschutz Angebotstransparenz für Wanderer Marketingmöglichkeit für Touristiker Qualitätssteigerung durch Schulung und Bewusstsein schaffen für attraktive gelenkte Wanderwege Neun Kernkriterien und 23 Wahlkriterien muss ein Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ erfüllen. Die Kernkriterien legen minimale bzw. maximale Werte zu den Aspekten naturnahe Wege (mindestens 35 % der Gesamtstrecke), schlecht begehbare Wege (höchstens 5 % der Gesamtstrecke, maximal 1.500 m am Stück) fest sowie die entsprechenden Grenzwerte für Strecken mit Verbunddecken und Wegeabschnitte, die auf oder neben befahrenen Straßen verlaufen. Es wird zudem erwartet, dass 100 % der Strecke „nutzerfreundlich“ markiert sind, es Abwechslung und „Erlebnispotenziale“ gibt, während ein <?page no="167"?> 170 Wandertourismus „intensiv genutztes Umfeld“ wiederum nur in Maßen (höchstens 10 % der Gesamtstrecke, maximal 3 km am Stück) akzeptiert wird. Unter den 23 Wahlkriterien werden beurteilt: Wegeformat [1] Naturnahe Wege [2] Befestigte Wege mit Feinabdeckung [3] Schlecht begehbare Wege [4] Verbunddecken [5] Pfade [6] Auf befahrenen Straßen [7] Neben befahrenen Straßen Wanderleitsystem/ Besucherlenkung [8] Nutzerfreundliche Markierung [9] Wegweiserstandorte [10] Vernetzung Natur/ Landschaft [11] Abwechslung [12] Natürliche Stille [13] Attraktive Naturlandschaften [14] Attraktive Gewässer [15] Punktuelle Naturattraktionen [16] Eindrucksvolle Aussichten Kultur [17] Gefällige Ortsszenen [18] Lokale Sehenswürdigkeiten [19] Überregionale Sehenswürdigkeiten Zivilisation [20] Intensiv genutztes Umfeld [21] Gasthäuser [22] Haltepunkte für ÖPNV, PKW [23] Rastmöglichkeiten <?page no="168"?> Der Trend zur Qualität 171 Diese Kriterien werden von externen unabhängigen Prüfern bewertet. Dafür teilt man den Weg in 4-km-Abschnitte und vergibt entsprechende Punktzahlen, die dann addiert nicht nur die Frage „Prädikat oder nicht“ beantworten, sondern auch noch die Attraktivität eines Weges messbar machen und einen Vergleich mit anderen Wanderwegen erlauben. Natürlich ist die Zertifizierung für die Wanderdestination mit Kosten verbunden. Nach drei Jahren verliert das Prädikat seine Gültigkeit und eine - kostengünstigere - Nachzertifizierung wird fällig. Mit dem Verfallsdatum des Qualitätsprädikats wird in Nachprüfungen sichergestellt, dass der Wegebetreiber auch seine Verpflichtungen als eine permanente Aufgabe ansieht. Die Qualitätskontrolle ist ein fester Bestandteil des Qualitätswegenetzes „Wanderbaren Deutschlands.“ Aktuell (Stand April 2016) erfüllen 152 Wege mit einer Gesamtlänge von rund 13.500 km in 12 Bundesländern die Kriterien. Nach erfolgreicher Zertifizierung erhält der Betreiber des Wanderwegs vom Deutschen Wanderverband eine Urkunde und ist berechtigt, das Logo und den Begriff Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ für sein Marketing zu nutzen. „Desweiteren kann eine (vergünstigte) Detail-Präsentation auf der Internet- Plattform www.wanderbares-deutschland.de und in den Printmedien des Verbandes gebucht werden“, so der DWV. Praxis Stärken „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland“ Klare, eindeutige und transparente Qualitätskriterien nach den Bedürfnissen der Wanderer von heute unter Berücksichtigung von Naturschutzbelangen. Einbindung aller betroffenen Interessensgruppen im Qualitätsprozess. Geschulte und kompetente Wegeexperten vor Ort u.a. aus Wandervereinen, Großschutzgebieten und dem Tourismus. Gewährleistung dauerhafter Wegepflege über den gesamten Nutzungszeitraum. Einbindung in das Qualitätskonzept „Wanderbares Deutschland“ mit Qualitätswegen, Qualitätsgastgebern und Qualitätsregionen. Zielgruppengenaue Vermarktung über die starke Qualitätsmarke des Deutschen Wanderverbandes. Vorteile durch die Pressearbeit des Deutschen Wanderverbandes. Quelle: http: / / www.wanderbares-deutschland.de/ wanderwege/ qualitaetswege/ das_qualitaetszeichen.html <?page no="169"?> 172 Wandertourismus Ein großer Eifer an Zertifizierungen spezialisierter Wanderwege scheint durch die deutsche Wanderszene zu gehen. Mit der Zertifizierung des ersten Familienspaß-Wanderwegs ( Kap. 7.3) verkündet die Pressemeldung 4/ 2016 des Deutschen Wanderverbands: „Neben diesen familienfreundlichen Wegen zertifiziert der Deutsche Wanderverband unter dem Namen „regionaler genuss“ kulinarisch wertvolle Strecken. Wege, die sich mit städtischem Leben beschäftigen, heißen „stadtwanderung“. Kultur am Wegesrand bieten die „kulturerlebnis“ getauften Strecken, „naturvergnügen“ dagegen sind Wege, die spannende Naturerlebnisse beinhalten. Unter dem Namen „komfortwandern“ fasst der DWV Strecken zusammen, die einfach zu gehen und dennoch sehr schön sind. Wer auch gerne in der kalten Jahreszeit draußen ist, sollte nach Wegen mit dem Namen „winterglück“ Ausschau halten. Die „traumtouren“ schließlich sind die Alleskönner unter den Wegen: schmal, naturbelassen mit abwechslungsreichen Natur- oder Kulturattraktionen sowie empfehlenswerten Einkehrmöglichkeiten am Weg.“ Spiegelt diese Zertifizierungsfreude die geheimen Wünsche der Wanderer wider oder ist es eine kreative und „elegante“ Form, Einnahmen aus den Erst- und Wiederholungsprüfungen in die Verbandskasse wandern zu lassen? 6.2 Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ Ein Jahr nachdem die Qualitätsinitiative für die Wanderwege in der Praxis angekommen war, folgte 2005 konsequenterweise die ebenfalls bundesweite Initiative Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“. Deutschlandweite Standards werden damit festgelegt, die dem Wandertourismus in den Regionen einen dreifachen Nutzen bringen sollen: „1. Die Qualität der Gastgeber wird für die Zielgruppe Wanderer in den Regionen nachhaltig verbessert. 2. Der Wandergast erhält transparente Orientierungs- und Entscheidungshilfen für die Wahl seines Reiseziels. 3. Die Wanderdestinationen können ausgezeichnete Qualitätsgastgeber als Wettbewerbsvorteil nutzen und sich als Qualitätsmarke profilieren. Wanderkompetenz und Wanderspezialisten stärken die Region.“ ( www.wanderbares-deutschland.de/ gastgeber/ qualitaetsgastgeber/ das_qualitaetszeichen.html) Ähnlich der Zertifizierung der Qualitätswege müssen die Qualitätsgastgeber eine bestimmte Zahl von Kern- und Wahlkriterien erfüllen. Unterschieden wird bei den Betrieben zwischen denen der Gastronomie, den Gastgebern, die Unterkunft und Verpflegung anbieten, sowie den Betrieben ohne gastronomisches Angebot - sprich: Ferienwohnungen und Privatvermieter. Auf die unterschiedlichen zu erfüllenden Kriterien und erforderlichen Punktzahlen soll hier nicht eingegangen werden; dies bietet stets aktuell die Homepage <?page no="170"?> Der Trend zur Qualität 173 des Deutschen Wanderverbands, jedoch die wesentlichen Aspekte, die einen auf Wanderer spezialisierten Betrieb ausmachen, sollen vorgestellt werden. Bei einem wanderfreundlichen Übernachtungsbetrieb ist wichtig, dass er in einer attraktiven Wanderregion und nicht weiter als 2 km vom markierten Wanderwegenetz entfernt liegt. Zur gefragten Ausstattung gehört besonders ein Trockenraum für nass gewordene Kleidung und Ausrüstung, der bei Bedarf den Wanderern auch tatsächlich zur Verfügung steht! Gibt es im Zimmer oder davor eine Möglichkeit, nasse oder schmutzige Schuhe auf Ablageschalen zu stellen? Steht den Wanderern für kleine Blessuren eine Hausapotheke, u. a. mit einer Zeckenzange, zur Verfügung? Zu den Kernkriterien in Sachen Verpflegung gehört ein kohlehydrat- und vitaminreiches Frühstück. Werden Lunchpakete für die Tour angeboten? Stehen auch regionaltypische Gerichte mit Produkten aus der Region auf der Speisekarte? Wanderer schätzen dies besonders und wollen oft das Wandergebiet auch kulinarisch näher kennenlernen. Umfangreiche Anforderungen werden an den Service gestellt: Kann man den Gästen den Reservierungsservice für die nächste Unterkunft, die nächste Nacht und ebenso einen Gepäcktransport anbieten? Können Mitarbeiter Informationen rund um das Wandern in der Region geben, beispielsweise über Wegezustand, Sehenswürdigkeiten oder aktuelle Tipps? Stehen Wanderinformationen zum Gebiet - auch über das aktuelle Wetter - jederzeit zur Verfügung? Beispielweise als Mappe oder Infotafel? Lässt sich ein Hol- und Bringservice zum Wanderweg organisieren, wenn dieser in einer gewissen Entfernung liegt? Bei den Wahlkriterien kann der Betrieb punkten, wenn Mitarbeiter, am besten noch als geprüfte Wanderführer selber regelmäßig Wanderungen leiten oder es auch Pauschalangebote für ganze Wanderwochen, vielleicht auch noch kombiniert mit anderen Aktivitäten, zum Beispiel Radfahren oder Wellness, gibt. Ist es möglich, einige Ausrüstungsgegenstände auszuleihen oder Verbrauchsartikel, wie Schnürsenkel oder Sonnencreme, zu kaufen? Werden Wanderkarten verliehen oder verkauft? Können Vorschläge für Schlechtwettertage gemacht werden, an denen der Wanderer nach einem Alternativprogramm im Trockenen sucht? Bei den Kriterien, die ein wanderfreundlicher Gastronomiebetrieb erfüllen sollte, wird deutlich mehr als eine Speisekarte gefordert, auf der die regionale Küche mit Produkten der Region und Saison sowie vegetarische Gerichte vertreten sind. Wird bei Ruhetagen und außerhalb der Öffnungszeiten deutlich auf den nächsten offenen Gastronomiebetrieb hingewiesen? Gibt es in der Wandersaison eine Vesperkarte, dass der Gast tagsüber zwischen 11 und 19 Uhr zumindest immer Essen der kalten Küche bekommen kann? <?page no="171"?> 174 Wandertourismus Vieles an Service, der von einem Übernachtungsbetrieb zu leisten ist, wird auch von einem wanderfreundlichen Gastronomiebetrieb erwartet, so zum Beispiel, dass man eine Wanderapotheke, eine Säuberungsmöglichkeit im Eingangsbereich und einen Trockenraum bereithält. Liegt Informationsmaterial über Wanderrouten, Sehenswürdigkeiten und Fahrpläne des ÖPNV aus? Gibt es kompetente Mitarbeiter, die diesbezügliche Fragen beantworten können? Bietet man einen Reservierungsservice für die nächste Übernachtung möglichst bei einem Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ an? Wie bei den Qualitätswanderwegen gilt bei den zertifizierten Qualitätsgastgebern das Prädikat auch nur für drei Jahre, dann ist eine erneute Kontrolle und Zertifizierung nötig. Der Antrag ist beim Deutschen Wanderverband zu stellen. Die geprüften und zertifizierten Betriebe erhalten eine Urkunde und dürfen mit dem Titel „Qualitätsgastgeber Wanderbares Deutschland“ werben. Außerdem werden sie auf der Homepage www.wanderbares-deutschland.de präsentiert. Aktuell gibt es ca. 1.543 ausgezeichnete Qualitätsgastgeber mit Übernachtungsmöglichkeiten in ca. 85 Regionen (13 Bundesländer) und ca. 77 reine Gastronomiebetriebe in 24 Regionen (9 Bundesländer). (Stand: April 2016) Linktipps Wanderbares Baden-Württemberg http: / / www.wanderbares-deutschland.de/ gastgeber/ qualitaetsgastgeber/ das_qualitaetszeichen.html 6.3 Das Deutsche Wandersiegel für Premiumwege Eine andere Auszeichnung für einen Wanderweg bedeutet die Verleihung des Deutschen Wandersiegels durch das Deutsche Wanderinstitut ( Kap. 9.8), denn damit wird der Weg zu einem „Premiumweg“ geadelt. Im Unterschied zu einem Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ ( Kap. 7.1) gilt hier der Erlebnisqualität die größte Aufmerksamkeit. So das Deutsche Wanderinstitut: „ Für höchste Erlebnisqualität steht das „Wandersiegel für Premiumwege“. Es beschränkt sich nicht auf formelle Datenerhebungen, sondern misst auf der Basis neuester Erkenntnisse der Wanderpsychologie die sinnliche Qualität subjektiver Wandererfahrungen. Um mit dem Wandersiegel für Premiumwege ausgezeichnet zu werden, bedarf ein Weg besonderer Ziele und vieler Höhepunkte, während Durststrecken ausgeschlossen sind.“ ( www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ premium-wege/ ) <?page no="172"?> Der Trend zur Qualität 175 Deshalb werden für die Zertifizierung nicht nur die praktischen Aspekte des Wanderwegs, wie zum Beispiel der Wegebelag und die Markierung, kritisch unter die Lupe genommen, sondern Wanderer auf jener Route zu ihren Eindrücken befragt. Auf der Basis ständig aktualisierter Befragungen wird die Qualität eines Weges quantitativ messbar. Mit einem umfangreichen Kriterienkatalog lassen sich die Stärken und Schwächen eines Wanderwegs möglichst genau und objektiv erfassen (vgl. a. a. O.). „Er enthält Qualitätskriterien für eine erlebnisreiche Wanderinfrastruktur, welche die Wanderwege sowie ihr Umfeld betreffen. Sie bewerten nicht nur die schönen, sondern vorbehaltlos auch die kritischen Seiten eines Weges. Die auf ihrer Grundlage erstellen Stärken-Schwächen- Analysen ermöglichen gezielte Verbesserungen mit dem Ziel gesteigerter Wettbewerbsfähigkeit.“ ( http: / / www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ ) Es geht dabei um Streckenwanderwege, Rundwanderwege, alpine Premiumwege sowie Winterwanderwege. Wie beim Qualitätsweg „Wanderbares Deutschland“ gilt die Zertifizierung, das Deutsche Wandersiegel, für drei Jahre, dann muss der Weg für sein Prädikat wieder unter die Lupe genommen werden. Was wird als besonderer Erlebniswert verstanden? „Kernbestandteil sind 34 Kriterien, die für jeden Kilometer Weges die Aufnahme von knapp 200 Merkmalen zum Wegeformat, zur Landschaft, ihren kulturellen Sehenswürdigkeiten und zivilisatorischen Barrieren, zum Wanderleitsystem und zu den Makrostrukturen des Umfeldes verlangen. Sie beschränken sich also nicht nur - wie im Falle von Radwegen oder Bergwanderwegen - auf rein technische Gegebenheiten, sondern versuchen, möglichst viele Aspekte des Wanderererlebnisses in Zahlen zu fassen. Dadurch ist es erstmals gelungen, die vielfältigen Elemente des Wandererlebnisses messbar zu machen und so zueinander in Beziehung zu setzen, dass sich daraus auch für die unterschiedlichsten Vorlieben eine Erlebnisgarantie ableiten lässt. Die damit verbundene Wegeinventur ist allerdings so aufwendig, dass sie nur von geschulten Fachleuten durchgeführt werden kann. Das lohnt sich nur für Wege von besonders hoher Qualität, die als örtliche, regionale oder nationale Leitwege für die jeweilige Destination werben und mit hohem Aufwand vermarktet werden sollen.“ ( http: / / www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ kriterien/ ) Es wird deutlich, dass nicht der „normale“ Wanderer zu seinen Eindrücken und seiner Bewertung befragt wird, sondern der entsprechend geschulte Wanderprofi. Man erhebt noch mehr Daten als bei der Erfassung eines potenziellen Qualitätswegs „Wanderbares Deutschland“ und aus den ermittelten Zahlenmengen erhält der potenzielle Premiumweg eine nüchterne Zahl. Da erfährt der Interessierte schließlich nach Ablauf des Zertifizierungsverfahrens, dass beispielsweise der Eifelsteig und der Rheinsteig jeweils 51 Punkte haben, der jüngere Saar- Hunsrück-Steig dagegen 64 Punkte und in der Schweiz es der erste Premiumweg <?page no="173"?> 176 Wandertourismus nach den Vorgaben des Deutschen Wandersiegels auf die stolze „Erlebnispunktzahl 98“ ( Kap. 6.5) bringt. Die Steigerung der Premiumwege-Zertifizierung führte zur „Erfindung“ der PremiumWanderWelten. In diesem Wanderkosmos haben sich inzwischen neun (Stand April 2016) Wanderdestinationen Deutschlands als „Champions League der Wanderregionen“ mit insgesamt 150 Premiumwegen zusammengetan. Es sind die Regionen Dahner Felsenland (Premiumwege unter dem Namen „Dahner Felsenland“ zusammengefasst), Werratal („Entdeckertouren“), Oberstaufen („Nagelfluhschleifen“), Tecklenburger Land („Teutoschleifen“), Albstadt („Traufgänge“), Rhein-Mosel-Eifel-Land („Traumpfade“), Saar- Hunsrück („Traumschleifen“), Burgwald/ Ederbergland („Wandermärchen“) und Schwalm-Nette („Wasser.Wander.Welt.“), die alle einen unverwechselbaren Charakter mit typischen Landschaftsbildern besitzen. Diese regionalen Spezialitäten der Geographie, Geologie, Flora, Fauna und manches mehr werden durch Premiumwege - mit dem Anspruch, besondere Erlebniswerte zu bieten - touristisch aufbereitet. Linktipp PremiumWanderWelten www.premiumwanderwelten.de Abb. 19: Auf dem Premiumweg Nette Seen der Wasser.Wander.Welt. Maas Schwalm Nette (Quelle: eigenes Foto) <?page no="174"?> Der Trend zur Qualität 177 Praxis Premiumweg Nette Seen Auf Spurensuche nach dem Erlebniswert Die nüchternen Fakten zum Premiumweg der Wasser.Wander.Welt. am Niederrhein vorneweg: Rundweg von 11,6 km nahe Lobberich, eine „Erlebnispunktzahl“ von 49 Punkten, 2012 zertifiziert, demzufolge gültig bis 2015. Und die Kurzcharakteristik auf der Website: „Dieser Weg erschließt die Wasserlandschaft der Naturschutzgebiete „Kleiner De Wittsee“ und „Ferkensbruch“ sowie des Windmühlenbruchs mit ihren typischen Pflanzen und Tieren. Extensiv genutzte Wiesen wechseln sich mit naturnahen Bruchwäldern ab. Ein tolles Landschaftserlebnis! “ (www.wanderinstitut.de/ premiumwege/ nordrhein-westfalen/ nette-seen) Die Nette Seen verdanken ihren Namen dem 28 km langen Flüsschen Nette, das bei Dülken entspringt und in Wachtendonk in die Niers fließt, die wiederum in die Maas mündet. Daraus ergibt sich der Name des Naturparks Maas-Schwalm-Nette und der PremiumWanderWelt. Die Seen entstanden durch den Torfabbau vom 15. bis 19. Jh. (www.netteverband.de/ index.php? option=com_content&view=article&id=57&Itemid=61). Welche Landschaftserlebnisse bot der Premiumweg Nette Seen an einem Augusttag 2015 trotz seiner gerade abgelaufenen Gültigkeit des Zertifikats? eine abwechslungsreiche, klein gegliederte Kulturlandschaft mit vielen Wasserflächen Seenlandschaft mit Bachläufen und Kanälchen angenehm zu gehende Wege (kaum Asphalt) und gewundene Wegeführung alle Variationen niederrheinischen Walds, vom Auenwald über Bruchwald, Pappelhaine, Laubwäldchen Alleen mit dem Charakterbaum des Niederrhein, der Kopfweide sowie anderer Bäume Weidengarten Landschaftshof Baerlo Informationen zur aktuellen Wasserwirtschaft in der Region Informationen zur Kulturlandschaftsgeschichte an der Nette Sohlgleite Fischtreppe schattiger Dammweg auf einer ehemaligen Güterbahnstrecke <?page no="175"?> 178 Wandertourismus Einblicke in die Landwirtschaft, alte Bauernhöfe Landschaftselement Viersener Horst bzw. Süchtelner Höhen Naturschutzhof mit Land-Café Vogelwelt De Wittsee: Blick vom Wegesrand in die Nester auf dem See und die Kinderstube bei Blässhühnern Knappes Fazit: Das Landschaftserlebnis umfasst alle wichtigen und charakteristischen Elemente des Niederrheins, viel Atmosphäre und Landschaftsgenuss - Ziel erreicht! Verbesserungsmöglichkeiten am Premiumweg Nette Seen (Stand Anfang August 2015): Hinweis auf Parkplatz an der letzten Abzweigung von der Landstraße Reinigung mancher Wegelogos und Infotafeln Anbringen eines verlorengegangenen Wegelogos (nur rückblickend auf die Markierung der Gegenrichtung lässt sich die richtige Richtung erschließen) Ausbau einer Ecke des großen Parkplatzes am De Wittsee, der auch zu einem angrenzenden Campingplatz gehört, mit einem Rastplatz, einer Sitzgelegenheit bessere Müllentsorgung an den Mülleimern der Uferbereiche auf dem Stadtgebiet Lobberich (Wochenendmüll wurde nicht gleich am Montagvormittag in der Landschaft eingesammelt) Websites Wasser.Wander.Welt. PremiumWanderWelt im Naturpark Maas-Schwalm-Nette www.wa-wa-we.eu/ de/ touren/ nette-seen/ karte.html www.wa-wa-we.eu/ de <?page no="176"?> Der Trend zur Qualität 179 Praxis Der kritische Blick auf den Premiumweg Rheinsteig Der Genuss auf diesem Premiumweg und Top Trail of Germany ist umso größer für den Wanderer, je schwerhöriger er ist. Zu seinen Füßen verläuft eine Hauptverkehrsachse von europäischem Rang mit zwei Bahnstrecken für Personensowie Güterverkehr, zwei Bundesstraßen und einem regen Schiffsverkehr - unter anderem von und zum größten Binnenhafen Europas. Dieser Geräuschkulisse entkommt man auch kaum bei den Übernachtungen. Der einzige Hinweis auf diese für das gesamte Mittelrheintal charakteristische Situation steckt hinter der zunächst einmal unverdächtigen Formulierung in der Philosophie des Rheinsteigs zum Landschaftspotenzial „näheres, hoch gelegenes Rheinumfeld hat Priorität (möglichst nicht direkt am Rheinufer, möglichst nicht zu weit östlich des Rheins)“. Direkt am Rheinufer könnte man die Erlebnisqualität noch um Befriedigung von Leidenschaften für Lokomotiven, Waggontypen, Containerschiffe, internationalen Frachtverkehr zwischen Mittelmeer und Nordsee und Ausflugsdampfer aus nächster Nähe bereichern. Wie belastend die Verkehrsströme durch „das Top-Premium- Wandergebiet“ Mittelrhein sind, zeigt sich beispielsweise in der gemeinsamen Pressemitteilung von vier Landesministerien vom 25.2.2010: „,Das gemeinsame 10-Punkte-Programm zielt darauf ab, durch eine Kombination von kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen den Schienenverkehr im gesamten Mittelrheintal schrittweise menschen- und umweltverträglicher zu gestalten“, sagten die Verkehrsminister Hendrik Hering (Rheinland-Pfalz) und Dieter Posch (Hessen) sowie die Umweltministerinnen Margit Conrad (Rheinland-Pfalz) und Silke Lautenschläger (Hessen)“. „,Der Dauerlärm von Güter- und Personenzügen gefährdet nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern auch die regionale Wirtschaft und den Tourismus […]“ , sagt Hessens Verkehrsminister Dieter Posch.“ Quellen: www.rheinsteig.de/ der-rheinsteig/ rheinsteig-portrait/ philosophie www.mwkel.rlp.de/ Das-Ministerium/ broker.jsp? uMen=1a850c1e-8318-5501-be59- 26ffe52681ed&sel_uCon=c4e40c91-3e24-0721-c077-8b375e1df7d1&uTem=aaaaaaaaaaaa-aaaa-aaaa-000000000042 <?page no="177"?> 180 Wandertourismus Websites Deutsches Wanderinstitut - Premiumwege www.wanderinstitut.de/ premiumwege - Wegetypen www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ premiumwegtypen - Kriterien www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel/ kriterien 6.4 Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ Das Bestreben, dem Wandergast ein Optimum an Qualität zu bieten, führt ebenso zur Entwicklung von Qualitätsregionen. Auch hier steht das Sauerland als eine der wichtigsten deutschen Wanderdestinationen an vorderster Stelle; das Gebiet um Brilon, Diemelsee, Medebach, Lennestadt, Kirchhundem, Olsberg, Schmallenberg, Eslohe, Willingen, Winterberg und Hallenberg wurde am 5. September 2014 unter dem Namen „Sauerland-Wanderdörfer“ als erste Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ ausgezeichnet. Die Formulierung des Namens weist schon darauf hin, dass hier auch wieder, wie bei den Wanderwegen und den Wandergastgebern, der Deutsche Wanderverband mit seinem Kriterienkatalog dahintersteht. Auf der Basis der zertifizierten Wanderwege und Wandergastgeber rücken nun das Gesamtangebot und die Aktivitäten einer ganzen Region in das Blickfeld. Praxis Deutscher Wandermarkt „Rund 40 Millionen Menschen wandern in Deutschland und unternehmen dabei rund 370 Millionen Tageswanderungen im Jahr. In den Orten, welche die Wanderer während der Wanderungen besuchen, geben sie jährlich knapp 7,5 Milliarden Euro aus. Damit bietet dieser Markt gerade für ländliche Räume ein enormes Entwicklungspotential. <?page no="178"?> Der Trend zur Qualität 181 Von diesem Potential werden besonders Regionen profitieren, die ihre Angebote auf die Bedürfnisse der aktiven Menschen abstimmen. Sie werden künftig insbesondere Regionen aufsuchen, in denen Wege, Ausschilderungen, Gastgeber aber auch die Tourist-Information höchsten Standards entsprechen und die Verkehrsanbindung geregelt ist. Um Wanderern bei der Wahl ihrer Destination eine Entscheidungshilfe an die Hand zu geben, hat der Deutsche Wanderverband zusammen mit seinen Partnern eine weitere Qualitätsinitiative entwickelt: Die Qualitätsregion Wanderbares Deutschland.“ Website Faltblatt Qualitätsregionen PDF http: / / www.wanderbares-deutschland.de/ web/ adb/ output/ asset/ 16002 Eine Wanderregion kann ein klar abgegrenztes, in sich selbständiges Teilgebiet einer großen touristischen Oberregion sein; vor einer Zertifizierung muss dies mit der Oberregion abgestimmt werden. Die wesentlichen Aspekte, die eine Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ zu erfüllen hat, umfassen folgende (vgl. a. a. O.): Die Region muss sich in ihrer Infrastruktur und ihrem Service dem Wandern „verschrieben“ haben. Das Angebot muss reichen, einen mindestens fünf Tage dauernden Wanderurlaub abwechslungsreich zu gestalten. Das Wandergebiet soll vom Gast als eine geschlossene Region wahrgenommen werden und sich auch als solche vermarkten. Eine nachhaltige Pflege des wandertouristischen Angebots muss sichergestellt sein. Alle Partner im Bereich Wandern, wie zum Beispiel Großschutzgebiete, Naturschutz, Wandervereine und Tourismus, arbeiten strukturiert zusammen und treten organisatorisch als eine Einheit auf. Neben den Kriterien, die bereits die Qualitätswanderwege und Qualitätsgastgeber zu erfüllen haben und die somit schon eine wesentliche Grundlage für das Prädikat einer Wanderregion darstellen, untersucht die Prüfungskommission auch quantitative Aspekte. In der Rubrik Qualitätskriterien Wege/ Besucherlenkung werden u. a. maximale Daten für ein wanderfreundliches Wegeformat, Wegevernetzungen inner- <?page no="179"?> 182 Wandertourismus halb der Region und nach „außen“ vorgegeben, ein einheitliches Wege- und Beschilderungssystem sowie die Anbindung an gastronomische Betriebe mit einer Kilometer-Vorgabe auf einem Wanderweg gefordert. Ein mindestens 20 km langer Prädikatswanderweg muss die Qualitätsregion durchziehen, ergänzt um eine von der Regionsgröße abhängigen Zahl so genannter Qualitätstouren, die noch einmal eigene Kriterien zu erfüllen haben; so werden mindestens ein Landschaftswechsel pro zwei Kilometer Strecke gefordert und in derselben Distanz auch noch eine Natur- oder Kulturattraktion. Quantitative Vorgaben stecken auch in den Qualitätskriterien Gastgeber. Die Bandbreite des Angebots muss Hotels, Pensionen, Privatzimmer, Ferienwohnungen, Gruppenunterkünfte/ Jugendherberge, Campingplatz oder Wohnmobilstellplatz umfassen. Ist die Qualitätsregion größer als 500 km² müssen mindestens zwei Betriebe der jeweiligen Kategorie existieren. Zum Aufgabenbereich der Qualitätsregion gehört es zum einem, die Wanderkompetenz ihrer Gastgeber zu stärken, indem man sie mindestens zweimal jährlich in einem Newsletter über die neuesten Trends beim Wandern und Veränderungen im Wanderwegenetz und Wanderangebot der Region informiert. Zum anderen muss es in der Qualitätsregion eine kompetente Stelle für sämtliche Fragen rund um das Wandern geben, auf die die Gastgeber verweisen können - wenn sie mit ihrem „Latein“ am Ende sind. Um dies zu minimieren, muss mindestens zweimal im Jahr eine Fortbildung zum Thema Wandern für die Gastgeber innerhalb der Region angeboten werden. Zu den Qualitätskriterien Service für den Wanderer gehört eine bestimmte Angebotsvielfalt, die die Wünsche der verschiedensten Zielgruppen erfüllen soll. Dementsprechend werden mindestens fünf Arten von Wegen gefordert, wie zum Beispiel Touren für den sportlichen Wanderer, Familienwanderwege, Gesundheitswanderungen, kulinarische Routen, GSP-/ Geocaching-Touren oder auch barrierefreie Wanderwege. Neben aktuellen Wanderkarten - möglichst im Maßstab 1: 25.000 - muss die Region eine Broschüre als praktischen Wanderführer herausbringen. Eine wichtige Rolle spielt die Internetpräsenz mit einem Tourenportal, dem großen Überblick, aber auch einzelnen Tourentipps, die der Gast von einer aktuellen interaktiven Wanderkarte herunterladen kann. Eher bescheiden und realistisch sind die Anforderungen an die Mobilität des Wandergastes in der Region ohne eigenen PKW; es müssen gerade einmal 10 % der Ausgangspunkte von Wanderungen in der Hauptsaison, d. h. von April bis Oktober, mit dem ÖPNV erreichbar sein. Für die Hauptwandersaison umfasst der Service natürlich auch ein Angebot von geführten Touren, wobei mindestens ein Viertel der Wanderungen von einem zertifizierten Guide geführt werden müssen. Wenig überraschend ist, dass während des Sommerhalbjahrs auch Wanderpauschalen angeboten werden sollen. Eine Servicestelle für den Kauf, <?page no="180"?> Der Trend zur Qualität 183 Verleih und die Reparatur von Ausrüstung muss es geben, die maximal 25 km entfernt sein darf. Unter den Qualitätskriterien, die die Tourist-Informationen, zu erfüllen haben, werden keine genannt, die man nicht ohnehin dort erwarten würde: aktuelle Informationen, kompetente Mitarbeiter, Verkauf von Wanderkarten oder anderem Material. Der erhöhte Anspruch findet sich da eher nur in der Anforderung, dass auch außerhalb der Öffnungszeiten der Tourist-Information ein kompetenter Ansprechpartner telefonisch erreichbar ist, der Fragen beantworten oder sie an eine geeignete Stelle weiterleiten kann. Der Kriterienkatalog für eine Qualitätsregion schließt mit dem Aspekt Organisation. Darin wird u. a. die Zusammenarbeit mit den für das Wandern relevanten Partnern festgelegt, wie zum Beispiel denjenigen für die Betreuung und Markierung der Wanderwege sowie anderen am Erhalt der Wanderinfrastruktur beteiligten Institutionen - inklusive derjenigen für die digitale Wegeverwaltung. Auch die Verbindung zum Naturschutz und das Bestreben um Nachhaltigkeit werden hier festgehalten. Als erste Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ wurden 2014 die so genannten Sauerland-Wanderdörfer zertifiziert. Die Region umfasst im östlichen/ südöstlichen Sauerland das Gebiet der Gemeinden Brilon, Diemelsee, Medebach, Lennestadt, Kirchhundem, Olsberg, Schmallenberg, Eslohe, Willingen, Winterberg und Hallenberg. Die zweite Qualitätsregion, die auf der Tour Natur 2015 ihr Zertifikat erhielt, ist der Frankenwald; auf der CMT 2016 erhielt das Zweitälerland im Schwarzwald mit dem Elztal und dem Simonswäldertal das begehrte Zertifikat. Wie bei den anderen Zertifikaten rund ums Wandern gilt auch dieses für jeweils drei Jahre. Websites Premiumwege des Deutschen Wanderinstituts www.wanderinstitut.de/ premiumwege Wanderbares Deutschland: Sauerland www.wanderbares-deutschland.de/ region/ sauerland.html Wanderdörfer Sauerland www.sauerland-wanderdoerfer.de Wanderbares Deutschland: Frankenwald www.wanderbares-deutschland.de/ region/ frankenwald.html <?page no="181"?> 184 Wandertourismus Wanderbares Deutschland: Qualitätsregionen www.wanderbares-deutschland.de/ regionen/ qualitaetsregionen.html www.wanderbares-deutschland.de/ web/ adb/ output/ asset/ 16002 6.5 Zertifizierungen in Europa Nach dem Vorbild des Deutschen Wandersiegels hat auch in anderen europäischen Ländern die Suche nach geeigneten Wegen und ihr Ausbau zu Premiumwegen begonnen. „Seit Februar 2011 ist das Wandersiegel für Premiumwege nun auch europaweit geschützt und wird in den jeweiligen Landessprachen verliehen. Für grenzüberschreitende Wege kann das Wandersiegel auch auf Deutsch ohne den Zusatz „Deutsches“ verwendet werden“ (www.wanderinstitut.de/ deutsches-wandersiegel). Als „Walking Certificate Premium Trail“, „Label Randonnée Itinéraire d’ Excellence“ oder „Sigillo Qualita Sentieri Sicuri“ ist es mittlerweile (Stand 2015) auch in Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich und der Schweiz zu finden. In der Schweiz gibt es seit 2012 im Wallis, im obersten Rhônetal mit dem 27 km langen Gommer Höhenweg den ersten zertifizierten Premiumweg. Er erhielt eine Erlebnispunktzahl von 98 Punkten, ein Wert, der sämtliche bisherigen Premiumwege mit Punktzahlen von wenig mehr als der Hälfte in den Schatten stellt. Websites Premiumwege Schweiz: Gommer Höhenweg www.premium-wanderwege.ch www.premium-wanderwege.ch/ wege/ gommer.html Obergoms: Gommer Höhenweg www.obergoms.ch/ sommer/ wandern/ wanderhighlights/ gommerhoehenweg.php Schweizer Wanderinstitut: Wanderwelten gestalten www.wanderinstitut.ch/ schweiz <?page no="182"?> Der Trend zur Qualität 185 Praxis Ruedi Spiess, Mitglied Deutsches und Präsident Schweizer Wanderinstitut „Hinter 98 Erlebnispunkten verbergen sich so viele Qualitäten, dass man die gar nicht alle aufzählen kann. Darum nur ein paar zur Auswahl: Der Gommer Höhenweg hat einen hohen Pfadanteil mit natürlichem Belag. Der ganze Weg ist sehr gut gepflegt, markiert und immer wieder findet sich an der richtigen Stelle eine Rastmöglichkeit. Urige Siedlungen und gemütliche Almhütten mit lokal-typischer Gastlichkeit prägen das Bild der ansonsten wilden, urigen Natur (alte Wälder und kleinräumige Wiesen). - Insbesonders die zahlreichen Seitentäler, die erwandert werden, sind einzigartig. Jedes Mal quert der Wanderer einen rauschenden, sprudelnden und ungebändigten Wildbach. Und natürlich: Aussicht ohne Ende - Blicke auf Schneegipfel und in grosse Tiefen. Der Weg ist so abwechslungsreich, dass dem Wanderer laufend Neues geboten werden kann (zum Beispiel Birkenwald, sehr selten zu finden; alter Nadelwald, vollgehängt mit Ziegenbartflechten - ein Märchenwald; naturnahe Blumenwiesen mit Feldern voller seltener Orchideen …). Auf jeden Fall hat er die Punkte mehr als verdient. Wir sind ja dabei, weitere Wege in den Alpen zu zertifizieren und ich kann Ihnen schon mal versichern, dass diese alle in ähnlich hohen Punktzahlen rangieren. Dabei darf man aber keinesfalls Vergleiche mit Wegen im Mittelgebirge oder gar im Flachland machen. Auch Wege mit 60 oder weniger Punkten sind vergleichbar „schön“ zu erleben. Ihnen fehlt etwa der grandiose, durchgehende „Weitblick“, die einzigartigen Kulissen des Hochgebirges und die wegen Schutzwaldfunktion oder Unrentabilität entstandene urige Wildheit. Ich kenne zahlreiche Premiumwege und habe so viele herrliche Wege in allen Regionen gesehen, die unvergleichbar toll und erlebnisreich sind.“ Quelle: Interview mit Ruedi Spiess Websites Schweizer Wanderinstitut www.wanderinstitut.ch Durch das Österreichische Wandergütesiegel können Wanderregion, Wanderdorf, Wanderweg und Wanderbetrieb bewertet werden; es geht um das „perfekte Wandererlebnis“. Den Bewerbern wird folgende „Hausaufgabe“ für eine erfolg- <?page no="183"?> 186 Wandertourismus reiche Bewertung gegeben: „Dazu ist es notwendig, dass Sie die Potentiale in ihren Ressourcen erkennen, eine gute Produktgeschichte geschickt daraus stricken und die Geschichte auf Schauplätzen des Erlebnisses sichtbar machen.“ (www.wanderguetesiegel.at/ bewertungsdimensionen) Dabei werden die „Schauplätze des Erlebens“ beurteilt nach ihrer Raumleistung (Dabei wird die Integration der wandertouristischen Infrastruktur in die übergeordneten Natur-, Landschafts- und Planungsräume bewertet.) Erlebnisleistung (Die Attraktivität, dramaturgische Leistungen und Erlebniswert an sich werden bewertet.) Orientierungsleistung (Das Orientierungs- und Leitsystem wird als ganzheitlicher Ansatz verstanden.) Serviceleistung (In der Serviceleistung werden die Zweckerfüllung, das unterstützende Leistungsprogramm und die Erlebnisunterstützungsleistungen bewertet.) Auf der selbstverständlichen Grundlage einer eindeutigen Beschilderung geht es darum, „einladende und stimmige Atmosphäreräume, überraschende Ereignisse und sehnsüchtig erwartete Ergebnisse [als] den wesentlichen Teil von gelungenen Natur- und Wandererlebnissen zu schaffen“ ( www.wanderguetesiegel.at/ produkte/ handlungsleitfaden). Naturresourcen in Szene zu setzen, einen Erlebnisraum zu gestalten und Erlebnisse zu vermitteln, ist das oberste Bestreben. Ein perfekter Wanderweg erzählt eine Geschichte (Storytelling), in der er selber die Funktion des „roten Fadens“ übernimmt. „Die Kunst der Verknüpfung der Einzelerlebnisse, das störungsfreie Erleben von Atmosphäreräumen, die Erwartungs- und bedarfsorientierte funktionale Ausstattung der einzelnen Orte des Erlebens und natürlich die Orientierungssicherheit und die organisierte Serviceunterstützung sind die Zutaten zu erlebnisstarken Routenverläufen“ (vgl. a. a. O.). Die grundlegenden Anforderungen an eine Wanderregion stimmen mit den traditionsreichen Idealen eines Tourismusortes überein: ein gepflegter Gesamteindruck, Blumenschmuck, Möblierung, eine ansprechende und an die Landschaft und lokalen Bautraditionen angepasste bzw. mit ihr harmonierenden Architektur, eine „Gartenlandschaft“ - wobei offenbleibt, ob es sich um Parkanlagen handeln soll oder/ und - was zur Authentizität einer Region gehören würde - die traditionelle bäuerliche Kulturlandschaft. Als moderner und neuer Aspekt kommt hinzu: „Die ästhetische Codierung einer Region erfordert die konsequente Umsetzung von Gestaltungsrichtlinien und die Verfolgung einer sichtbaren Corporate Identity.“ (vgl. a. a. O.) <?page no="184"?> Der Trend zur Qualität 187 Das Wanderdorf hat für seine Gäste mehr zu sein, als nur das Quartier zwischen perfekten Wandertagen. Es steht organisatorisch am Beginn der Wanderungen, d. h. die Informationinfrastruktur gibt dem Wanderer alles Nötige mit auf seinen Weg, aber es wird auch als „Portalort in das Naturerlebnis“ verstanden und soll dabei nicht nur in einer ersten Blickbeziehung zur Wanderlandschaft stehen, sondern durch Ausstellungen in unterschiedlicher Form auf das erwartete Erlebnis einstimmen und vorbereiten. Ein Wanderdorf ist nicht nur Ausgangspunkt für Wanderungen in die nähere und weitere Umgebung, es soll auch durch Ortswanderwege weitere Erlebnisqualitäten bieten, die natürlich in das Gesamtkonzept passen. Zu den Anforderungen an einen perfekten Wanderbetrieb gehört vorrangig seine ruhige Lage in einer naturnahen Umgebung, denn „der typische Wandergast konzentriert seine Aktivitäten auf die Natur und zeigt Umweltsensibilität“ und nach einem Wandertag „genießt er im Wanderbetrieb ein beruhigendes, natürliches Ambiente.“ (vgl. a. a. O.) Zusammenfassend gilt für das Österreichische Wandergütesiegel: „Das Leitprodukt unterstützt die Identität und Einzigartigkeit der Region und macht das Leistungsprofil der Region sichtbar. Das Leistungsprogramm mit seinen Veranstaltungen, Leistungen, Betrieben und Orten soll als Ganzes eine Geschichte erzählen. Die Produktstory (Produkt + Inhalt) ist stimmig zu gestalten und soll Bedeutung vermitteln. Die bildliche Verbindung (symbolische Verankerung) mit Zeichen, Landschaftsbildern oder einer bereits vorhandenen authentischen Symbolik ist für den Gast und die Beteiligten hilfreich und orientierend“ (vgl. a. O.). Als eine Pionierregion mit diversen Zertifikaten des Österreichischen Wandergütesiegels gilt Ramsau am Dachstein. 2010 wurde hier in der Steiermark Österreichs 1. Natur- und Umweltpfad für Kinder, im folgenden Jahr der Märchenweg mit dem Gütesiegel ausgezeichnet; 2011 ebenso die Wanderregion Ramsau, 2012 der Wanderweg „Königsetappe“ sowie der ehemalige 5-Hütten-Weg nun unter dem neuen Namen „Dachsteinweg“ (www.ramsau.com/ sommerurlaub/ wandern-huetten/ oesterreichisches-wanderguetesiegel). 2011 erhielt auch im Salzburger Land die Region Hochkönig mit den Wanderdörfern Maria Alm und Mühlbach am Hochkönig sowie dem „Königsweg“ das Wandergütesiegel. Linktipp Österreichisches Wandergütesiegel: Bewertungsdimensionen www.wanderguetesiegel.at www.wanderguetesiegel.at/ bewertungsdimensionen <?page no="185"?> 188 Wandertourismus Zusammenfassung Qualitätswege „Wanderbares Deutschland“ und Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ werden nach den Kriterien des Deutschen Wanderverbands zertifiziert. Für die Zertifizierung von Premiumwegen ist das Deutsche Wanderinstitut verantwortlich. Die Kriterien beider Institutionen unterscheiden sich nicht wesentlich, da schließlich relative Einigkeit über die Anforderungen an einen ausgezeichneten Wanderweg besteht. Das Deutsche Wandersiegel, das ein Premiumweg erhalten hat, legt einen größeren Wert auf das Landschaftserlebnis. Nach dem Vorbild des deutschen Wandersiegels werden inzwischen auch in einigen europäischen Ländern Wanderwege zertifiziert. Das Bestreben nach messbarer und vergleichbarer Qualität bezieht ebenso Gastronomie und Hotellerie für die Zielgruppe Wanderer mit ein. Auch Wanderdörfer und Wanderregionen stellen sich diesem Qualitäts-Check - in seinen nationalen Variationen. Die Zertifizierung soll dem Wandergast Qualität garantieren, eine Orientierungshilfe geben, Vergleichsmöglichkeiten schaffen und ihn mit einem Qualitätsversprechen binden. Die Prädikate für Wanderwege, Wanderergastronomie und die auf diese Zielgruppe spezialisierten Beherbergungsbetriebe sowie die damit verbundenen Dienstleistungen sind für die Destinationen auch Marketinginstrumente. Das oberste Ziel bei der Gestaltung der Wanderwege ist es, besondere Erlebnisse zu schaffen, Erlebnisräume zu kreieren, ein „Storytelling“ zu realisieren, bei der der Weg zum verbindenden Element einer erzählten Geschichte wird. Website Deutsches Wanderinstitut: Premiumwege in Frankreich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz www.wanderinstitut.de/ premiumwege <?page no="186"?> 7 Mehrwert beim Landschaftserlebnis Beim Wandern geht es in der Regel um mehr als nur die Fortbewegung in der Natur, die körperliche Betätigung an der frischen Luft. Eine Reihe von Motiven, die Wanderschuhe zu schnüren, kann es zusätzlich geben, auf die man in einer Wanderdestination eingehen könnte/ sollte und somit sein Angebot für den Gast erweitern. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Das Wandern bekommt eine zunehmende Bedeutung bei gesundheitspolitischen Maßnahmen. Welche Altersgruppen sind in den Blickwinkel geraten? Was steckt hinter dem Gesundheitswandern? Welche Chancen bieten Erlebnisse in der Natur inklusive das Wandern insbesondere bei Kindern im 21. Jahrhundert? Zertifizierte Familienwanderwege mit Spaßfaktor und geprüfte Wanderqualität schon für die Kleinsten ab 4 Jahren. Zertifizierte Wanderwege kommen auch auf den Hund. Erfahren, was man nicht (unbedingt gleich) sieht - Themenwege erklären die Landschaft rechts und links des Wegs. Ausgebildete Wanderführer sorgen für mehr Erkenntnisse auf der Tour. 7.1 Wandern aus medizinischer Sicht In diesem Kapitel kann es nur darum gehen, die vielfältigen positiven Auswirkungen des Wanderns auf den Körper, auf die psychische und physische Gesundheit einmal kurz anzureißen. Manches bedarf auch noch weiterer Untersuchungen, doch die bekannten wei reichenden Effekte sind bereits erstaunlich! Unverändert auf Platz 3 steht bei den Motiven zum Wandern der Wanderstudie 2014 der Wunsch, etwas für die Gesundheit zu tun - nach den Motiven „Natur erleben“ und „sich bewegen, aktiv sein“ (vgl. http: / / www.wanderstudie.projectm.de/ project-m/ downloads/ project-m-wanderstudie-der-deutsche-wandermarkt-2014.pdf). Aber auch <?page no="187"?> 190 Wandertourismus noch andere Motive, die sich vor allem der psychischen Gesundheit zuordnen lassen, werden genannt: Rang 5 „Stress abbauen“ (ein Plus von 2 Rängen im Unterschied zur Wanderstudie 2009), Rang 7 „frische Kraft sammeln“ (Rang unverändert) Rang 10 „Stille erleben“ (plus 1 Rang) Rang 12 „zu sich selber finden“ (plus 3 Ränge) Rang 15 „sich auf sich selbst besinnen“ (plus 1 Rang) In der Wahrnehmung der Wanderer stehen die positiven Auswirkungen des Wanderns für die seelische Gesundheit besonders im Fokus und diese haben im Unterschied zu anderen Motiven fast alle an Bedeutung gewonnen. Zu den positiven psychischen Auswirkungen des Wanderns gehört eine Verbesserung der aktuellen Stimmungslage, denn durch das langandauernde Gehen wird die Produktion körpereigener Hormone und Botenstoffe die Serotonin und Dopamin verstärkt. Damit sind Gefühle des Wohlbefindens und des Glücks verbunden und gleichzeitig die Reduzierung von negativen Stimmungen (vgl. MORRIS/ HARDMAN (1997), zit. in: BMWI (2010), S. 114). Diese Verbesserung der Stimmungslage ist leider in der Regel nur eine kurzfristige! Zur Bewältigung von akutem Stress kann das Wandern durch die Belastung des Körpers einen Beitrag leisten. Sie kann zur Minderung der wahrgenommenen Stresssymptome beitragen und sich somit auf die Stressregulation und -bewältigung auswirken (WAGNER/ BREHM (2006), S. 108f., zit. in: DREYER (2010), S. 69). Bei Depressionen soll die positive Wirkung des Wanderns teilweise diejenige von einschlägigen Medikamenten und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden erreichen (vgl. BLUMENTHAL et al. (1999), zit. in: BMWI (2010), S. 115). DREYER fügt den Auswirkungen des Wanderns auf die psychische Gesundheit noch die Aspekte Angst und Beschwerdewahrnehmung hinzu. „Wer sich in der Freizeit mehr bewegt, klagt seltener über Beschwerden bzw. es treten im Vergleich zu Inaktiven seltener starke Beschwerden auf. Gerade bei Frauen sind diese Wirkungen überdurchschnittlich ausgeprägt.“ (a. a. O., S. 69) Wenn auch zahlreiche Untersuchungen nachweisen, dass während oder kurz nach der Ausführung körperlicher Aktivitäten Angst weniger stark empfunden wird, so herrscht in der Wissenschaft jedoch keine einheitliche Meinung darüber, wie sich Bewegung und Sport bei Angstpatienten auswirken (a. a. O.). Für die kognitiven Effekte des Wanderns (vgl. BMWI (2010), S. 115) sorgen die positiven Auswirkungen der Bewegung, insbesondere die Förderung der <?page no="188"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 191 Gehirndurchblutung. Zu diesen neurobiologischen Zusammenhängen gehört die Tatsache, dass es Zusammenhänge zwischen der Bewegungsförderung und der geistigen Leistungsfähigkeit gibt. Wandern reduziert nicht nur den altersbedingten Abbau von Nervenzellen, sondern es erhöht die Verzweigungs- und Erneuerungsrate von Hirnnervenzellen. Dadurch kann auch der kognitive Leistungsabbau der Demenz verlangsamt werden. Durch Naturkontakte wird häufig auch eine Erholung von geistiger Müdigkeit erreicht: „Zahlreiche Studien weisen nach, dass durch den Aufenthalt in Landschaftsräumen mit vielen natürlichen Elementen, wie Wiesen, Feldern oder Bäumen belebende Wirkungen eintreten.“ (DREYER (2010), S. 70) Untersuchungen belegen ebenfalls, dass ein Spaziergang durch die Landschaft stärker die Konzentrationsfähigkeit fördert als ein Gang durch ein städtisches Ambiente. Tab. 5: Selbsteinschätzung der Wirkung von Wanderungen (in % der Befragten) Nach einer Wanderung fühle ich mich im Vergleich zu vorher … trifft zu weder noch trifft nicht zu keine Angabe körperlich fitter 58,3 21,2 16,2 4,3 seelisch ausgeglichener 73,8 15,1 6,2 4,9 geistig fitter 43,4 34,1 14,5 8,1 glücklich und zufrieden 82,7 10,4 3,2 3,7 insgesamt besser 90,0 6,0 1,3 2,7 Quelle: BMWI (2010), S. 119 Zahlreich sind die physischen Auswirkungen des Wanderns, die u. a. auch in der Studie von MORRIS/ HARDMAN (1997) (zit. in: BMWI (2010), S. 114) nachgewiesen wurden. Es liegt nahe, dass insbesondere der Bewegungsapparat vom Wandern profitiert. „Im Bereich der unteren Extremitäten werden Knochen, Gelenke, Sehnen und Bänder stabilisiert bzw. gestärkt. Es kommt somit zu einer Entlastung der Knie- und Hüftgelenke, zum Training der gesamten Haltemuskulatur des Körpers (Wirbelsäule, Körperhaltung). Dies verringert das Verletzungsrisiko.“ (a. a. O.) Werden beim Wandern Stöcke benutzt, kommt es zusätzlich zu einem Training der Arm- und Schultermuskulatur und bei längerem Bergab-Gehen können durch den Stockeinsatz die Kniegelenke geschont werden. Herz und Kreislauf profitieren von sportlichen Belastungen, werden dadurch gestärkt. So kann die Gefahr bestimmter Herzkrankheiten verringert werden - „Schließlich hat körperliche Aktivität positive Auswirkungen auf verschiedene Risikofaktoren des Herz-Kreislauf-Systems wie Blutdruck, Harnsäure- oder Cholesterinspiegel.“ (DREYER (2010), S. 62) Für übergewichtige Men- <?page no="189"?> 192 Wandertourismus schen ist es von Vorteil, dass sie trotz ihres Übergewichts wandern können und durch ihr größeres Körpergewicht mehr Energie verbrauchen als Normalgewichtige. Der Aufenthalt und die Bewegung im Freien bei Wind und Wetter zu jeder Jahreszeit stärken das Immunsystem und härten ab, so dass man weniger anfällig gegenüber Infektionskrankheiten ist - pflichtbewusste Hundebesitzer kennen das ebenso! Regelmäßiges Wandern fördert die Atemwege; es führt zur Vergrößerung des Atemzugvolumens und der Lungenvitalkapazität. „Dies hat eine tiefere, regelmäßigere Atmung, eine geringere Atemfrequenz und eine bessere Durchblutung der Lunge zur Folge.“ (BMWI (2010), S. 114) Bei Diabetes fördert die Bewegung die Vermehrung der körpereigenen Insulinzellen. Doch es muss berücksichtigt werden, dass längere Belastungen mit niedrigerer Intensität, wie sie das Wandern darstellt, kurzen Belastungen mit hoher Intensität vorzuziehen sind (vgl. MORRIS/ HARDMAN (1997), zit. in: BMWI (2010), S. 114). Aus den bereits genannten Effekten des Wanderns lassen sich auch positive Auswirkungen auf die typischen Alterserscheinungen des Körpers im Allgemeinen schließen: „Regelmäßiges Gehen, Wandern von Älteren bewirkt eine Verbesserung der Kraftausdauer und neuromuskulären Koordination. Wandern verringert somit das potenziell höhere Sturzrisiko von Älteren und steigert die körperliche Leistungsfähigkeit. Beides sind Faktoren, die die Betreuungsbedürftigkeit von Älteren verringern.“ (a. a. O.) Es gilt nicht nur für ältere Menschen, sondern auch schon für jüngere, die sich körperlich betätigen, dass es um ihre Gesamtmortalität günstiger steht: Wer sich viel bewegt, lebt länger und auch dann noch weniger gefährdet als Nichtsportler, wenn andere Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck oder eine Krankheitsgeschichte nachzuweisen sind (vgl. DREYER (2010), S. 60). Doch ein Zuviel an sportlicher Betätigung kann das Mortalitätsrisiko wieder erhöhen - es kommt auf das richtige Maß an! Dabei bestehen auch noch gute Chancen, wenn man in „späteren Jahren (ab dem 30. Lebensjahr) mit Sport beginnt, so DREYER ((2010), S. 61). Aus den bereits existierenden Untersuchungen schließt DREYER, „dass gerade auch ältere Inaktive die positiven Auswirkungen des Sports für sich nutzen können. Insbesondere in Anbetracht des demographischen Wandels und der Verschiebung der Alterspyramide sind zukünftig in erhöhtem Maße körperliche uns [sic! ] sportliche Aktivitäten zur Förderung der Gesundheit älterer Menschen relevant.“ (a. a. O.) <?page no="190"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 193 Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin (auch als PDF unter www.bmwi.de). BRÄMER,R. (2007): Gesundheitsstudie Wandern. Daten. Fakten. Perspektiven. PDF Deutsches Wanderinstitut (gesundstudwan1220020910.pdf) DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M. (2010): Wandertourismus, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. Website Wanderstudie: Deutscher Wandermarkt 2014 www.wanderstudie.projectm.de/ project-m/ downloads/ project-m-wanderstudie-derdeutsche-wandermarkt-2014.pdf 7.2 Gesundheitswandern - das Bewegungsprogramm des Deutschen Wanderverbands Auf die im vorangegangenen Kapitel genannten Fakten musste aus gesundheits- und gesellschaftspolitischen Gründen reagiert werden: 45 % der Frauen und 46 % der Männer legen pro Tag gerade einmal ein bis zwei Kilometer zu Fuß zurück, mehr als die Hälfte der Bevölkerung Deutschlands klagt über Stress, beide Fakten haben gravierende Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und verursachen hohe Kosten für das Gesundheitssystem und der demographische Wandel verlangt, auch älteren Menschen gesundheitsorientierte Sport- und Bewegungsmöglichkeiten anzubieten (vgl. www.gesundheitswanderfuehrer.de/ text/ 101/ de/ let%EF%BF%BD%EF%BF%BDs-go-%E2%80%93-jederschritt-haelt-fit.html). Ein Schlaglicht auf die Belastung des staatlichen Gesundheitssystems mögen folgende Zahlen werfen: „Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachen jährlich Kosten in Höhe von 35 Mrd. Euro, Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems von 25 Mrd. Euro. Die Kosten, die durch ernährungsmitbedingte Krankheiten entstehen, werden mit 30 % aller Gesundheitskosten kalkuliert und betragen damit jährlich mehr als 70 Mrd. Euro. Hinzu kommen die nicht quantifizierbaren Kosten durch Bewegungsmangel.“ (bit.ly/ 1MRZ9gt, S. 1) <?page no="191"?> 194 Wandertourismus Gemeinsam mit der Fachhochschule Osnabrück, Fachbereich Physiotherapie hat der Deutsche Wanderverband (DWV) das Gesundheitswandern „Let’ s go - jeder Schritt hält fit“ entwickelt, das vom Bundesministerium für Gesundheit gefördert wird und Teil des Modellprojekt von „IN FORM - Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung“ ist. Mit diesem Nationalen Aktionsplan soll dauerhaft und nachhaltig das Ernährungs- und Bewegungsverhalten in der Bundesrepublik Deutschland verbessert werden. Die Zusammenarbeit mit dem DWV soll nicht nur noch mehr Menschen in Bewegung bringen, sondern die spezialisierte Form des Wanderns, das Gesundheitswandern entwickeln, WanderführerInnen für diese Form des Wanderns fortbilden und sie schließlich als Gesundheitswanderführer zertifizieren. „Angestrebt wurde die stärkere Verankerung des (Gesundheits-)Wanderns im Gesundheitssystem: das Deutsche Wanderabzeichen sollte im Rahmen der Bonusprogramme der Krankenversicherungen berücksichtigt, Gesundheitswanderungen als präventive Maßnahme nach § 20 des Leitfadens der GKV anerkannt werden.“ (a. a. O., S. 3) Wissen Gesundheitswandern Gesundheitswandern ist das ideale Mittel gegen Bewegungsmangel und erfüllt die Anforderungen an Gesundheitssport: Stärkung von Koordination, Kraft, Ausdauer und Entspannung Minderung von Risikofaktoren Bessere Bewältigung von Beschwerden Verbesserung des allgemeinen Wohlbefindens Stärkung psychosozialer Ressourcen Bindung an gesundheitssportliche Aktivität Verbesserung der Bewegungsverhältnisse Quelle: Flyer Gesundheitswandern des Deutschen Wanderverbands Websites Das Programm Gesundheitswandern des Deutschen Wanderverbands www.gesundheitswanderfuehrer.de/ text/ 45/ de/ jump,45/ was-ist-das-.html www.gesundheitswanderfuehrer.de/ text/ 236/ de/ gesundheitswandern-in-derpraevention.html <?page no="192"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 195 Zum Thema Gesundheitswandern aus dem Bundesministerium für Gesundheit: www.bundesgesundheitsministerium.de/ fileadmin/ dateien/ Publikationen/ Praevention/ Kurzberichte/ Kurzbericht_Projekt_LET_s_GO_-_jeder_Schritt_haelt_fit_Teil_1.pdf www.bmg.bund.de/ fileadmin/ dateien/ Publikationen/ Praevention/ Kurzberichte/ Kurzbericht_Evaluation_Gesundheitswandern.pdf 7.3 Wandererlebnisse für Kinder - nötiger denn je Die Entfremdung der Kinder von der Natur, die Chance, sie spielerisch kennenzulernen, sich in ihr entdeckend aufzuhalten, sich darin zu bewegen und daraus wertvolle wie vielschichtige Erfahrungen mitzunehmen, gehört seit dem späten 20. Jahrhundert in unseren Breiten zum modernen Alltag und Zeitgeist. Herbert ZUCCHI, Professor an der Fakultät für Agrarwissenschaften und Landschaftsarchitektur der Hochschule Osnabrück, fasst in zehn Thesen die Ursachen für die „Denaturierung des Menschen“ in der Kindheit zusammen (vgl. ZUCCHI (2014), S. 34). Wissen Die Denaturierung des Menschen Kindern bleibt der Zugang zur Natur heute sehr häufig versperrt, da Flächen, auf denen sie Natur eigenständig erleben und erfahren könnten, zahlenmäßig stark abgenommen haben und die Distanzen zwischen Wohnung und Naturraum länger und gefahrvoller geworden sind. Die Institutionen, in denen Kinder einen erheblichen Teil ihrer Zeit verbringen, liegen heute meist in eher großen Distanzen zur Wohnung. Dies betrifft sowohl Kindergärten und Schulen als auch Freizeitorte wie Sportverein oder Musikschule. Da die Distanzen vorzugsweise mit dem Auto überbrückt werden, ist die kindgemäße Wahrnehmung zusammenhängender Räume stark eingeschränkt. Die noch unverbauten, für Kinder zugänglichen Freiräume (Parks, Hausgärten, Spielplätze etc.) sind selten naturnah gestaltet, sodass der eigentliche Charakter von Natur dort kaum erlebbar ist. <?page no="193"?> 196 Wandertourismus Wo Kinderspiel in der freien Natur noch möglich wäre, ist es oft verboten. An die Stelle natürlicher Spielmaterialien ist heute eine Flut vorgefertigter Spielzeuge getreten - häufig deklariert als „pädagogisch wertvoll“. Durch den ständigen und sehr früh einsetzenden Umgang mit elektronischen Medien leben Kinder in einer Kunstwelt. Selbst organisiertes Kinderspiel in der freien Natur ist mehr und mehr abgelöst worden durch von Erwachsenen organisierte Tätigkeiten in Institutionen. Damit unterliegen bereits Kinder einem Terminplan. In den zunehmenden Beschleunigungsprozess werden Kinder frühzeitig hineingezogen. Alles muss immer schneller gehen - ohne Innezuhalten, ohne Rast und Ruhe. Kinderspiel in der freien Natur wird durch die „Vollkaskomentalität“ vieler Eltern erschwert: Die Gefahren in der Natur (Zecken, herabfallende Äste etc.) werden hochgespielt. Häufiger berufsbedingter Umzug - Mobilität gilt heute als hoher Wert - verhindert, dass Kinder die sichere Bindung an einen ihnen vertrauten Ort erfahren. Quelle: ZUCCHI, H. (2014): Denaturierung des Menschen. In: Umweltdachverband (Hrsg.) (2014): natur.belassen. Nationalparks Austria Magazin, 11.14. ohne Verlag, Wien. S. 34-35 Aus diesen Fakten lässt sich gerade für das Wandern die Möglichkeit ableiten, den Aufenthalt in der Natur attraktiv zu machen und manche der aktuellen Defizite abzubauen. Es geht dabei um eine - die folgende Rangfolge soll keine Wertung darstellen - immaterielle Bereicherung des jungen Individuums, ein Zurückholen von Erfahrungen in der Natur, die heutzutage weitgehend verloren sind, eine Erweiterung von kognitiven, emotionalen wie körperlichen Erfahrungen, eine Sensibilisierung für die Natur, eine Verbesserung der Umweltbildung durch stärkere Anschauung am Original, ein Training seiner körperlichen Fähigkeiten - zusammengefasst um eine ganzheitliche Bildung des Nachwuchses. Auch die Zukunft des Naturschutzes hängt mit an den die Natur erlebenden Kindern, so ist im Abschlussbericht zum Europäischen Naturschutzjahr 1995 zu lesen: „Das positive Erleben von Natur in der Freizeit bietet eine Möglichkeit, bei breiten Bevölkerungskreisen ein Verständnis für Naturschutzziele zu fördern (Deutsches Nationalkomitee 1996)“ (ZUCCHI (2002), S. 21). <?page no="194"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 197 Eine lustvolle wie lehrreiche Begegnung mit der Natur - ohne den pädagogischen Zeigefinger zu heben - ist die große Chance, die ein kindgerechtes Wandern bieten kann. Der Perfektionismus des deutschen Qualitätswegemanagements hat dieses Betätigungsfeld auch schon entdeckt und die zertifizierten Wanderwege Familienspaß ( Kap. 7.3) erfunden. Die ersten „offiziell“ kindgerechten Wanderwege, die Spaß an der Entdeckung der Natur erlauben und eine zusätzliche spielerische Betätigung am Rand eines Wanderwegs vorsehen, findet man auch in anderen Destinationen, in denen Wandern ein wichtiges Thema ist. Als ein gutes Beispiel sei hier der Familienwanderweg Venedigerweg im Nationalpark Hohe Tauern vorgestellt. Zur optimalen Ausrüstung für diese Tour gehört ein Büchlein als Stempelpass und Mini-Wanderführer, das man sich vorher im Tourismusbüro Neukirchen geholt haben sollte. Hat sich das Kind an allen sechs Stempelstationen einen Stempel in sein Büchlein gesetzt, bekommt es am Ende der Tour auf der Berndlalm oder wieder unten in Neukirchen im Tourismusbüro ein Geschenk - das Angebot gilt für Kinder bis inklusive 14 Jahre mit einer Wildkogel Card oder Gästekarte. Mogeln beim Stempelsammeln geht nicht, da es an jeder Station einen Stempel mit einem anderen Tier gibt! Abb. 20, nächste Seite: An der ersten Stempelstation des Venedigerwegs im Nationalpark Hohe Tauern (Quelle: eigenes Foto) <?page no="195"?> 198 Wandertourismus <?page no="196"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 199 Die Wanderung ins Obersulzbachtal beginnt am Parkplatz Hopffeldboden, den die Familie mit dem eigenen PKW oder dem Wanderbus erreicht. Um die Sammelleidenschaft gleich zu fördern, gibt es bereits sofort hinter dem Eingang zum Venedigerweg, der auch entsprechend durch einen hölzernen Torrahmen markiert ist, den ersten Stempel mit dem Steinbock, dem Wappentier dieses Wegs. Eine Mini-Mutprobe ohne jegliche Gefahr stellt das Überqueren des Obersulzbachs auf einem Seilsteg, einer Hängebrücke mit einer Spannweite von ca. 60 Metern, dar. Von der Brücke hat man den besten Blick auf das Bachbett und die auffallenden rot gefärbten Steine; das Büchlein gibt die Information „Diese Färbung entsteht durch die Veilchen-Steinalge. Diese Art siedelt fast ausschließlich am Ufer von Bächen. Das Chlorophyll in der Alge ist durch einen als Hämatochrom bezeichneten Farbstoff, der in Öltröpfchen innerhalb der Algenzelle gelöst ist, derartig überlagert, dass die ganze Pflanze leuchtend orange bis rot erscheint. Diese Grünalge ist daher alles andere als grün.“ (Stempelpass Venedigerweg) Vorbei an einigen Spuren des Buntspechtes, die an einem Baum mit Spechthöhlen auch auf einer Tafel erläutert werden, und einem Rastplatz mit urigen Holzliegen für die Erwachsenen und einem kleinen Kletterbaum für nicht ausgelastete Kinder gelangt man zu Stempelstation 2, der Kleinen Kampriesen-Hütte. Hier erfährt man etwas über die Anfänge des Alpinismus in der Region, denn die Besteigung des 3.666 m hohen Großvenedigers erfolgt traditionsgemäß durch dieses Tal. An Station 3 geht es um eine große und tiefe Höhle, das Ofenloch. Vor Ort befindet sich auch eine Tafel mit einer Sage darauf, wie das Ofenloch entstanden sein könnte. Der Stempelpass regt an dieser Stelle die Kinder an, eine eigene Geschichte zur Entstehung des Ofenlochs zu erfinden und diese dem Tourismusbüro auf einem Blatt Papier oder als E-Mail zu schicken. Für jede eingereichte Geschichte gibt es eine Überraschung im Tourismusbüro. Auf der Kampriesenalm (Station 4) geht es um Almwirtschaft und bäuerliche Kulturlandschaft in der Höhe. Die Station 5 hat Tiere und Pflanzen zum Thema. Die 6. Station befindet sich auf der Berndlalm, wo wieder die Bergsteiger und ihre Versorgung auf einer Hütte anschaulich gemacht werden. Mit seinen Betten und Matratzenlagern bietet der Almgasthof auch einen für Kinder spannenden Übernachtungsplatz. Ansonsten kann man nach den eineinhalb Gehstunden auf dem Venedigerweg sich mit dem Taxi von einer Haltestelle auf der Berndlalm wieder auf den Rückweg begeben. Als eine zusätzliche Attraktion für den Aufstieg sind von ca. Mitte Mai bis Mitte Oktober fünf Geocaches am Wegesrand im Obersulzbachtal versteckt. <?page no="197"?> 200 Wandertourismus Praxis Tipps für Kinderwanderungen Johanna Rohregger führt für den Tourismusverband Neukirchen-Bramberg in der Sommersaison für alle Altersgruppen Wanderungen, so auch die Familienwanderungen mit Kindern. Dabei hat sie beobachtet, dass Eltern oft nicht einschätzen können, wie gut ihre Kinder im Gelände sind, sie unterschätzen eher die Fähigkeiten ihrer Sprösslinge: „Natürlich sollten sie jedoch immer die Kinder im Auge behalten, weil sie ja auch gerne wie „Hans Guck in die Luft“ unterwegs sind! Also nicht alleine vorgehen lassen, wenn sie (Eltern sowie Kinder) die Strecke nicht kennen, wegen der gefährlichen Stellen, den ungesicherten Fluss- oder Bachverläufen! “ Folgende Empfehlungen gibt sie noch für - in der Regel - Stadtkinder im Hochgebirge: Bis ca. 6 Jahre sollte der Anstieg nicht zu steil sein und die Tour maximal eineinhalb Stunden dauern. Bis ca. 10 Jahre könnte die Tour maximal zweieinhalb Stunden dauern. Kinder mögen meist keinen eigenen Rucksack; anfangs sind sie vielleicht noch stolz darauf, doch dann wird er oft lästig. Wanderstöcke sind nicht sinnvoll bei Kindern, weil ihre Koordination dadurch eingeschränkt wird. Wichtig sind rutschfeste Wanderschuhe und keine Turnschuhe. Die Kinder sollten darauf trainiert werden, bewusst zu gehen und ihre Schritte zu setzen. Man sollte Wege wählen, an denen es etwas zu erleben gibt, zum Beispiel über Steine und Wurzeln zu klettern, am Wasser zu spielen oder Beeren zu pflücken. Kinder Erfahrungen sammeln lassen! Auf Coca Cola verzichten, lieber Traubenzucker und Obstsäfte geben! Die Wanderführerin ist studierte Sportwissenschaftlerin mit einem Bachelorabschluss in Gesundheits- und Leistungssport sowie einem Master in Bewegung und Sport der Universität Innsbruck. Ihre Arbeitsfelder in der Wildkogel-Arena sind im Sommer regelmäßige Nordic-Walking- Touren, Sinneswanderungen (mit Barfußgehen, „Blind“-gehen, Natur kosten, riechen etc.), Fitnesswanderungen (mit Übungen zum Dehnen und Kräftigen der Muskulatur), Themenwanderungen, wie zum Beispiel der Familientour Venedigerweg, Schnitzeljagden. <?page no="198"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 201 Jeden Montagvormittag gibt sie mit einem weiteren Wanderführerkollegen den Gästen allgemeine Informationen über Wandermöglichkeiten in der Region, beantwortet Fragen und nimmt Anmeldungen entgegen. Aus den Ergebnissen ihrer Familienstudie setzt sich die AOK in Kooperation mit dem Deutschen Wanderverband ebenso für eine Förderung des Familienwanderns ein und gibt nützliche Tipps für Planung und Durchführung (www.wanderbares-deutschland.de/ wandern_und_fitness/ tipps_zum_familienwandern.html ). Nach der Devise „Viele Leute = viel Spaß“ empfiehlt man, dass sich mehrere Familien mit Kindern zum gemeinsamen Wandern zusammenschließen. Feuer und Wasser sind ein Muss, d. h. ein kleines Lagerfeuer für Stockbrotbacken und ein Bach zum Spielen, zum Staudammbauen und Plantschen sind unschlagbare Attraktionen. Kurze Strecken mit vielen Pausen sollten geplant werden. Orientierungswerte über das durchschnittliche Leistungsvermögen von Kindern steuert der DWV bei. Als Faustregel kann gelten: „Lebensalter mal 1,5. Ein Sechsjähriger schafft also zum Beispiel neun Kilometer. Geht es bergauf oder bergab, entsprechen 100 Höhenmeter einem Kilometer.“ Selbstverständlich bestimmen die schwächsten Teilnehmer, diejenigen mit den kürzesten Beinen Länge der Tour, Tempo und Pausen. „Kinder sollen tragen“ empfiehlt man, d. h. einen Teil ihres Proviants, aber auch Verantwortung und als Zeichen, dass man ihnen etwas zutraut, beispielsweise ein altersgemäßes Taschenmesser. Spiele, Rätsel rund um die Natur am Wegesrand lenken vom reinen Gehen ab, bieten kleine Pausen und das Entdecken von Naturphänomenen. Tiere zu beobachten, beispielsweise das Gewusel an einem Ameisenhaufen findet auch noch in optimaler Höhe vor Kinderaugen statt. Für die Kleinsten kann es spannend sein, Kinderlieder mit Bezug zur Natur dort lernen und singen, wo man das Anschauungsobjekt gleich vor Augen hat „Ein Männlein steht im Walde“, „Summ, summ, summ, Bienchen summ herum“ oder „Alle Vögel sind schon da“. Eine gut geplante Wanderung hat ein echtes Ziel - und das sind nicht das Auto oder die Haltestelle. Neues und Ungewöhnliches auf einer Wanderung zu wagen, im Sommer barfuß zu gehen, eine Nachtwanderung ohne Taschenlampe oder etwas anderes, was man eigentlich nicht tut, wird sicherlich auch Erwachsenen genauso Spaß machen. <?page no="199"?> 202 Wandertourismus Literatur ZUCCHI, H. (2002): Naturentfremdung bei Kindern und was wir entgegensetzen müssen. In: GERKEN, B.; GÖRNER, M. (Hrsg.): Planung contra Evolution. Symposium 2001. Referate und Ergebnisse. Ohne Verlag (? ),Höxter. ZUCCHI, H. (2014): Denaturierung des Menschen. In: Umweltdachverband (Hrsg.) (2014): natur.belassen. Nationalparks Austria Magazin, 11.14. ohne Verlag, Wien. S. 34-35 Websites Familienwanderweg Venedigerweg im Nationalpark Hohe Tauern: www.venedigerweg.at Wanderbares Deutschland: Familienwandern www.wanderbares-deutschland.de/ wandern_und_fitness/ tipps_zum_familienwandern.html 7.4 Wanderbares Deutschland: Zertifizierte Wanderwege „Familienspaß“ für die jüngsten Wanderer (ab 4 Jahren) Die jüngste Gruppe zertifizierter Wege richten sich an die Zielgruppe Familien mit Kindern ab 4 Jahren. Die Erkenntnisse, dass von Eltern und Kindern gemeinsam verbrachte Zeit das körperliche wie seelische Wohlbefinden steigert, sollen in diesen zielgruppengerechten Wanderwegen umgesetzt werden. Dazu gehören die gemeinsamen Naturerlebnisse, ein Hauch Abenteuer und möglichst viel Spiel und Spaß. Der Spaßfaktor gibt diesen vom DWV geprüften Wegen auch ihren Namen „Familienspaß“. Die besonderen Anforderungen, die sich an den Möglichkeiten und Bedürfnissen kleiner Wanderer orientieren, sind: Anlage als Rundweg, damit An- und Abreise leichter zu organisieren sind, als es bei einer Streckenwanderung der Fall wäre. Ausgangspunkte sind entweder Wanderparkplätze oder Haltestellen des ÖPNV. Naturnahe Attraktionen und Erlebnispunkte in einer abwechslungsreichen Landschaft. Keine gefährlichen Wegabschnitte, zum Beispiel entlang befahrener Straßen. <?page no="200"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 203 Rastplätze, die für Kinder besonders attraktiv sind, indem sie ihnen Spielgelegenheit oder die Chance zu kleinen Entdeckungen bieten. Wissen Kindgerechte Wanderwege Die Ausstattung der kindgerechten Wanderwege hat folgende Kriterien zu erfüllen: Auf naturnahen Wegen … mind. 45 % naturnaher Untergrund max. 15 % Verbunddecke und geschwungenen Pfaden … max. 300 m am Stück gerade, vollständig einsehbare Strecke mind. 20 % Pfadanteil Möglichst gefahrenlos … max. 10 m am Stück auf befahrener Straße (Straßenüberquerung) keine gefährlichen Wegstücke Naturerlebnisabenteuer … mind. 1 naturnahe Spielmöglichkeit pro 2 km mind. 2 kindgerecht gestaltete Rastplätze mit Platz zum naturnahen Spielen (ab 4 km Länge, mind. 1 Spielplatz) Quelle: PDF ITB_Fachforum_Wandern_6.3._2015__ADB18669 Die Markierung dieser Familienspaß-Wege hat natürlich ebenso nach den Richtlinien für Qualitätswege Wanderbares Deutschland ( Kap. 6.1) zu erfolgen - und dies noch eine Idee übersichtlicher, damit auch kleine Wanderer eine Chance bekommen, sich richtig orientieren zu können. Deshalb soll es auf der Tour beispielsweise möglichst keinen Zeichenwechsel geben. Im Januar 2016 wurde der erste Familienspaß-Weg „Wildkatzen Walderlebnis“ zertifiziert. „Der Weg führt über Stock und Stein vorbei an zehn Stationen, bei denen Jung und Alt viel Wissenswertes über eine der letzten Raubkatzen Europas erfahren. Und wer ein Handy dabei hat, erfährt über den Handy- Audioguide noch mehr Spannendes zur Wildkatze. Kinder können am Weg sogar ihr persönliches „Wildkatzen-Diplom“ machen“, so die Pressemitteilung 4/ 2016 des DWV. <?page no="201"?> 204 Wandertourismus Website Fachforum Wandern, ITB 2015 (Foliensatz) www.wanderbares-deutschland.de/ web/ adb/ output/ asset/ 18669 7.5 Top-Wandergenuss für Mensch und Hund Hinter diesem Titel verbirgt sich bereits die Bezeichnung eines zertifizierten Wanderwegs für den Hund mit Herrchen oder Frauchen samt restlichem zweibeinigem Rudel. Auch diese Gruppe wird in Zukunft von einem geprüften Wandervergnügen ausgehen können. Rund 12 % der Wanderer, ergab eine Studie des DWV, sind mit Hunden in der Landschaft unterwegs. 2015 begannen die ersten Zertifizierungen auch in der Schweiz in Zusammenarbeit mit dem dortigen Wanderinstitut. Neben den Wegen, die einen Genuss auch für Hundepfoten - und hoffentlich auch Hundenasen - darstellen sollen, ist vor allem das Vermeiden von Konflikten mit anderen Wegenutzern ein wichtiger und spezifischer Aspekt. „Darum führt ein Top-Wandergenuss-Weg nicht auf befahrenen Strassen oder stark genutzten Rad-, Reit- oder Wanderwegen. Er ermöglicht unterwegs das freie Laufenlassen des Hundes und bietet auch mal eine Badegelegenheit. Für den Hund gefährliche Situationen sind ausgeklammert und die Belange des Natur- und Tierschutzes sind berücksichtigt.“ (www.wanderinstitut.de/ top-wandergenussmensch-hund) Nach dem Vergnügen und Erlebniswert für die vierbeinigen Wanderer kann ein zertifizierter Weg bis zu fünf Pfötchen und für die zweibeinigen Wanderer bis zu fünf Sterne erhalten. Zu den speziellen Kernkriterien eines hundegerechten Wegs gehört die Portaltafel am Beginn mit „Infos über Streckenverlauf, Umgebung, Besonderheiten (Trink-, Badestellen, Spielposten ...) auf Karte. Verhaltensregeln für Hundewanderer, Spezialinformationen.“ (a. a. O.) Deshalb hat hier auch ein Ständer für Hundekotbeutel zu stehen, nach einem Kilometer circa der erste Mülleimer und dann alle zwei bis vier Kilometer weitere Mülleimer. Für ein störungsfreies Wandern sind maximal 5 % der Tour auf einer wenig befahrenden Nebenstraße, auf einem Hauptwanderweg und einem mehr als 1,80 m breiten Radweg erlaubt. Um Konflikte zu vermeiden, gelten „deshalb 0 % Reitweg, Laufstrecke, Fitnessweg, Finnenbahn, Freeride Trail, stark genutzte, schmale Radroute (queren erlaubt)“ (a. a. O.). Im Interesse des Hundes liegen auch die maximal 5 % lange Strecke eines Top-Wandergenuss-Wegs durch <?page no="202"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 205 Natur- und Wildschutzgebiete, bei denen Leinenpflicht besteht. Die zertifizierten Wege für Mensch und Hund dürfen nicht durch Freizeitanlagen, d. h. Parks, Tiergehege, Freibäder, Sportanlagen, stark genutzte Freizeitanlagen wie zum Beispiel Baggerseen, Grillplätze oder Liegewiesen führen. Immer muss im Fokus sein, dass die Wegeführung für Hundepfoten gefahrlos ist; d. h. „keine gefährliche Passagen, wie hohe Brücken oder Treppen ohne beidseitige Seitensicherung; kein grober Gitterrost, keine ausgesetzte Passage, keine Leiter (0 %); Keine Glasscherben/ Metall auf Weg/ Rastplatz.“ (a. a. O.) Eine Trinkgelegenheit soll es für den Vierbeiner mindestens alle vier Kilometer geben - verantwortungsvolle Herrchen und Frauchen haben jedoch eine Wasserflasche und ein Trinkgefäß im Rucksack dabei. Als zusätzliche Attraktion am Top-Wandergenuss für Mensch und Hund sind Spiel- und Trainingsstationen vorgesehen, an denen man beispielsweise Geschicklichkeitsübungen durchführen kann und somit nicht nur gemeinsam Spaß haben kann, sondern vielleicht auch noch die Kommunikation zwischen Vier- und Zweibeinern verbessern kann. Websites Wandern mit Hund www.wanderinstitut.de/ top-wandergenuss-mensch-hund/ Geeignete Wanderwege für Mensch und Hund (Label „Lecky Trail“) lecky-trail.ch 7.6 Themenwege Früher hießen sie „Lehrpfade“, doch eine Belehrung, gar noch eine, die an Schule erinnern könnte, möchte man heute seinen Gästen nicht mehr bieten und diese wünschen sich das vermutlich nur in Ausnahmefällen. Die Naturlandschaft, die Kulturlandschaft, aber auch Geschichten und Legenden der Region - oder was kreative Köpfe sonst noch entdecken mögen, wie es beispielsweise der Liebesbankweg in Hahnenklee (Harz) belegt - können Themen eines Weges werden. Ein Themenweg bedeutet, dass ausgewählte natürliche oder kulturelle Sehenswürdigkeiten zum festgelegten Thema in einer didaktisch wie dramaturgisch sinnvollen Weise erschlossen werden, d. h. durch direkte Anschauung und zu- <?page no="203"?> 206 Wandertourismus sätzliche Informationstafeln. Die große Herausforderung bei in der Landschaft vorgegebenen Fixpunkten ist es, diese durch eine attraktive Wanderung zu verbinden und möglichst auch noch auf eine logische Reihe zu bringen. Auch die Dramaturgie sollte stimmen, indem die Wanderung nicht mit dem Höhepunkt des Themas beginnt, sondern sich langsam aufbauend und steigernd daraufhin zuarbeitet. Abb. 21: Dreisprachig und anschaulich wird am Lieserquellpfad informiert (Quelle: eigenes Foto) Ist die optimale Strecke gefunden und wurden alle erforderlichen Planungen ( Kap. 5.1.2) gestartet, gilt die größte Aufmerksamkeit den Informationstafeln am Themenweg. Einige Grundsätze für Inhalt und Gestaltung wären zu berücksichtigen, auch wenn die Arbeiten dafür meist ausgelagert und entsprechenden Agenturen vergeben werde, sollte der Touristiker selber eine Vorstellung von einer guten Ausführung haben. Für den Text gelten folgende Empfehlungen: Erklären Sie, was man sieht bzw. was wichtig zum Thema ist; für tiefschürfendes Hintergrundwissen wird auf einer Infotafel kein Platz sein! Nutzen Sie eine leicht verständliche Sprache! Wenn ein Fachbegriff unumgänglich ist, erklären Sie ihn! <?page no="204"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 207 Bringen Sie auch Überraschendes/ Erstaunliches! Es könnte Interesse wecken und den Gast motivieren, sich weiter mit dem Thema und Ihrer Region zu beschäftigen. Setzen Sie kein Fachwissen oder größere Allgemeinbildung voraus! Ebenso wenig setzen Sie Vorkenntnisse über Ihre Region voraus! Das bedeutet auch, dass man Texte von „Insidern“ vor Ort einem Auswärtigen zur Kontrolle lesen lässt, der unvoreingenommen auf Unbekanntes schauen kann. Die Gefahr von Ortsblindheit und „Das weiß hier doch jeder! “ kommt nicht auf, was übrigens auch bei der Ausschilderung von Wanderwegen gilt, wenn sie nicht den hohen Ansprüchen eines Prädikatswegs genügen muss. Für die Gestaltung einer Infotafel kann man sich eine Zeitungsseite als Vorbild nehmen. Also keinen „Roman“ in die Landschaft stellen lassen, sondern eine attraktive Mischung aus Text und Bild! Es reizt mehr, kleine Textblöcke zu lesen. In ihnen lassen sich die Aspekte eines strukturierten Inhalts in kleinen lesefreundlichen Portionen unterbringen. Da würde es auch gut passen, am unteren Rand der Infotafel in Kinderaugenhöhe einen kleinen entsprechend gestalteten und kindgerechten Text für den wandernden Nachwuchs zu bringen. Auch wenn der Wanderer das Original der Landschaft vor Augen hat, kann es bei bestimmten Themen und Inhalten sinnvoll sein, genau diese Ansicht auch als Foto auf der Infotafel abzubilden und durch zusätzliche Beschriftungen, Linien oder Markierungen im Bild Wichtiges herauszuheben. Ein Detailfoto oder eine zusätzliche Skizze können den Gegenstand anschaulicher machen und gleichzeitig die Infofläche gliedern bzw. attraktiver erscheinen lassen. Doch nicht alle Informationen eines Themenwegs müssen über die klassische Infotafel unters wandernde Volk gebracht werden. Vielleicht bieten sich auch kreative Lösungen an, die finanzierbar sind. Als ein Beispiel sei der Smaragdweg in Neukirchen am Großvenediger erwähnt, an dem die Gestaltung mancher Station einige Aspekte der Geologie anschaulich macht: Da gibt es Bänke, deren Sitzflächen auf überdimensionalen aus Stein gehauenen Kristallformen ruhen - so gibt es eine Pyrit-, Smaragd- oder Anatas-Bank, oder einen „sprechenden“ Stein, der auf Knopfdruck die Geschichte eines Bergkristalls und eines Smaragds erzählt. Einen Höhepunkt hat der Smaragdweg mit der Mure beim Gasthaus Alpenrose, in dem man sich die Ausrüstung für das Suchen und Waschen nach Smaragden ausleihen kann. Mit Geduld soll jeder die Chance haben, hier einen Smaragd zu finden - der uralte menschliche Trieb des Jagens und Sammelns wird angesprochen und dieses Angebot könnte zu einem nachhaltigen Urlaubserlebnis für kleine wie große Wanderer führen. Während man für „normale“ Wanderdestinationen die Anlage von lehrreichen Themenwegen eher als eine Kür bezeichnen kann, so ist sie beispielsweise für <?page no="205"?> 208 Wandertourismus einen Nationalpark eine Pflichtnummer. Grundsätzlich haben Nationalparks einen Bildungsauftrag, wie er im Leitbild oder in Managementplänen festgehalten wird. Literatur DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. Websites Liebesbankweg Hahnenklee www.liebesbankweg.de Nationalpark Hohe Tauern, Leitbild und Managementplan www.hohetauern.at/ de/ leitbild-nationalparkrat.html Lehr- und Themenwege in der Wildkogel-Arena www.wildkogel-arena.at/ de/ sommerurlaub-wandern-lehr-themenwege 7.7 Storytelling Für Geographen, Geologen und Biologen erzählen Landschaften schon vom Fach her viele Geschichten, ohne dass es dazu einer Inszenierung oder Infostationen bedarf, doch als gerade angesagter Trend im Wandertourismus bietet das so genannte Storytelling auch dem geowissenschaftlichen Laien viel Hintergründiges. Dieses „Geschichtenerzählen“ geht allerdings weit über das Vermitteln von Inhalten wie auf einem Themenweg ( Kap. 7.5) hinaus. Geschichte und Geschichte sollen mit ihrem Bezug zur Landschaft erzählt werden. Bei der Allgäuer Wandertrilogie, die 2014 eröffnet wurde, liest sich das so: „Erstmals wurde mit der Wandertrilogie Allgäu die Landkarte neu geschrieben. Es wird zusammengebracht, was thematisch zusammengehört - in Erlebnisräumen, die von uns Trilogieräume genannt werden. Dabei sind wir dem gefolgt, was Kultur und Natur uns vorgegeben haben. Seien Sie unterwegs in diesen Geschichten, erfahren Sie die Urkrafttäler des Allgäus, erleben Sie seine Heimatstätten, wandeln Sie auf den Spuren des Elixiers allen Lebens durch die Wasserreiche oder tanken Sie neue Kraft in den Alpgärten. Jede Geschichte <?page no="206"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 209 eines Trilogieraumes wird in einem Portalort sichtbar. 10 Orte im Allgäu tragen diesen Namen und stehen repräsentativ für die Panoramalogen, die Glückswege, die Naturschatzkammern oder gar für den Schlosspark.“ (www.wandertrilogieallgaeu.de) Hinzu kommen noch acht Erlebniswelten mit Tagestouren, die weitere Facetten der Allgäuer Kulturgeschichte an originalen Schauplätzen erschließen, wie zum Beispiel der Trilogieraum Schlosspark, der aus dem Leben König Ludwig II. erzählt. Zum Konzept des Geschichten-Erzählens gehört u. a. ein passend bzw. darauf kreativ abgestimmtes Mobiliar. In den Trilogieräumen spiegeln die Sitzbänke das Hauptthema wider: Im Trilogieraum Schlosspark kann man sich auf einer hölzernen Chaiselongue ausruhen und im Trilogieraum Glückswege erleichtert die moderne Form einer „Causeuse“, einer Bank, bei der zwei Personen mit dem Rücken jeweils zu einer anderen Richtung, aber damit günstiger zum Plaudern (Französisch: causer) zueinander sitzen. Stärker an den geologischen oder geographischen Themen orientierte Trilogieräume, wie Naturschatzkammern der Moore oder der Urkrafttäler bieten Sitzgelegenheiten aus dem geologischen Material der Region. Als charakteristisches Symbol der Wandertrilogie und an jedem „Start- und Willkommensplatz“ der 33 Partnerorte ist ein Steinmännle zu finden. „Das Fundament bildet ein Findling. Darauf befindet sich der blaue Allgäu-Würfel mit dem Signet der Wandertrilogie. Auf diesem Würfel liegt der Trilogieraum- Würfel, der der Geschichte des jeweiligen Raums entsprechend entwickelt wurde und diese symbolhaft darstellt. Den Abschluss des Steinmännchens bildet der Ortswürfel, der die individuelle Geschichte des Ortes visualisiert.“ (www.allgaeu.de/ der-start-und-willkommensplatz? referralTopic=wandern) Die Allgäuer Wandertrilogie wird in den Handlungsempfehlungen zur Förderung des Tourismus in ländlichen Räumen des Bundeswirtschaftsministeriums als ein Beispiel vorgestellt, bei dem eine Inszenierung des Angebots auf der regionalen Ebene erfolgt. Als Voraussetzungen dafür sind erforderlich: „Eine „kritische“ Masse und Dichte an Erlebnispunkten. Inszenierung des Themas an gut frequentierten Orten wie Gastronomie und Kombination mit allgemeinen Services wie Information. Imagetransfer durch den Faktor Mensch: Einbezug „echter“, authentischer Personen in das Urlaubserlebnis sowie als Testimonial (Botschafter) im regionalen Tourismusmarketing. Wie das Beispiel „Wandertriologie (siehe Infokasten) zeigt, entsteht durch die Verknüpfung von Landschaft und spezifischer Routenführung ein regionaler Erlebnisraum. Das regionale Profil des Allgäus wird in einem konkreten Produkt inszeniert.“ (BMWI (2014), S. 30) <?page no="207"?> 210 Wandertourismus Damit sieht das Bundeswirtschaftsministerium gerade für die ländlichen Räume mit ihren vielen, meist kleinen Anbietern die Chance, einem touristischen Produkt die gefragte Authentizität und lokale/ regionale Identität zu geben - sei es als Erweiterung des bereits bestehenden Kernangebots oder als neues Angebot, das sich im besten Fall als ein Alleinstellungsmerkmal vermarkten ließe. Praxis Wandertrilogie Allgäu Dieses überarbeitete Wanderwegenetz bietet auf 876 Kilometern drei große Routen bzw. Fernwanderwege, die sich in Runden durch die drei Landschaftsräume parallel zu den nördlichen Alpen ziehen. Die Route „Wiesengänger“ (387 Kilometer, 23 Etappen) führt durch die Hügel- und Terrassenlandschaften des Allgäus, die eiszeitlichen Landschaftselemente, wie Altmoränen, Drumlins und Moore und bewegt sich grob in Höhen zwischen 600 und wenig über 1000 m NN. Die „Wasserläufer Route“ (377 Kilometer, 30 Etappen) bewegt sich vorwiegend in Höhen zwischen 700 und 1000 m NN mit einigen topographischen Höhepunkten bis ca. 1500 m NN. Bäche, Flüsse, Seen, Wasserfälle sind hier die roten bzw. blauen Fäden durch das Voralpenwandergebiet. Das dritte „Wander-Stockwerk“ gehört der „Himmelsstürmer Route“ (338 Kilometer, 25 Etappen), das bis gut 1500 m NN reicht. Diese Wanderoute spricht den sportlich ambitionierten Wanderer an, doch auch bei den beiden anderen Hauptrouten sind Etappenlängen von mehr als 20 Kilometern nicht ungewöhnlich und die zu überwindenden Höhenmeter im Aufbzw. Abstieg können einer Route noch eine weitere Herausforderung geben. Literatur BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2014): Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen. Handlungsempfehlungen zur Förderung des Tourismus in ländlichen Räumen. Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) <?page no="208"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 211 Websites Wanderwegekonzept Wandertriologie Allgäu www.wandertrilogie-allgaeu.de www.allgaeu.de/ der-start-und-willkommensplatz? referralTopic=wandern 7.8 Geocaching Wenn auch GPS-Geräte (Global Positioning System) vom „klassischen“ Wanderer recht selten genutzt werden - als Orientierung vor Ort greifen gerade einmal 3 % darauf zurück (vgl. BMWI (2010), S. 88) - so sind diese handlichen Geräte für das Geocaching, die moderne Form einer Schatzsuche oder Schnitzeljagd, nahezu unerlässlich. Theoretisch ließe sich die Suche nach den Geocaches (kurz: Caches genannt) auch mit einer amtlichen topographischen Karte durchführen, denn die Koordinaten, die die Lage eines „Schatzes“ - sprich: Caches - verraten, sind auch auf dem altmodischen Papier zu finden. Aber diejenigen, die noch auf solch fortgeschrittene Weise mit diesem Kartentyp umgehen können, stehen kurz vor einem Eintrag auf die Rote Liste vom Aussterben bedrohter Arten! Eine neue wandernde Spezies in der Landschaft sind diejenigen, die erst einmal eine Geocaching-Runde planen und in der Landschaft die Geocaches verstecken. Ein Cache besteht in der Regel aus einem festen und wasserdicht verschließbaren Behälter, der jedoch in der Größe sehr variieren kann. In den entsprecht größeren Behältnissen steckt dann ein Logbuch, eine Art Gipfelbuch, in das sich der glückliche „Entdecker“ des Caches eintragen kann. Häufig sind auch einige kleine Gegenstände, eben die „Schätze“, in dem Geocache-Behälter. Man darf einen Gegenstand herausnehmen und muss dafür einen mitgebrachten „Schatz“ einlegen. Es ist dabei Ehrensache, dass der Wert der ausgetauschten Gegenstände gleich ist. Grundsätzlich achten die „Schatzvergräber“ darauf, dass der Cache gut versteckt ist und auf keinen Fall von Personen entdeckt werden kann, die gar nicht auf Geocaching-Tour sind. Die Standorte sämtlicher Verstecke werden als geographische Koordinaten im Internet veröffentlicht; die spannende Suche nach dem versteckten Geocache ist das Vergnügen bei der elektronischen Schnitzeljagd. Besondere Varianten können aus der GPS gesteuerten Wanderung eine Wissenschaft für sich machen, die Spielregeln und die Geheimsprache bzw. das Vokabular eingefleischter Geocacher sind auf Internetforen zu finden. <?page no="209"?> 212 Wandertourismus Für das Platzieren und das Suchen der Geocaches sind grundsätzlich auch die allgemeinen Spielregeln für angemessenes Verhalten in der Natur einzuhalten. Ein wichtiger Grundsatz lautet auch hier: Auf Wegen bleiben und die Caches vom Wegrand aus erreichbar verstecken. Die Behältnisse dürfen nicht in sensiblen, geschützten oder gefährlichen Bereiche platziert werden. Flächen, die unter Naturschutz stehen, sind ebenso tabu wie Plätze, an denen der Aufenthalt gefährlich sein könnte, wie zum Beispiel Steinbrüche, Höhlen oder Bahndämme. Auch auf die Jahreszeit und das arttypische Verhalten von Tieren, von Winterschlaf über Brutphase und die Aufzucht des Nachwuchses ist zu achten und mögliche Störungen müssen ausgeschlossen werden. Mit dem Geocaching lässt sich auch ein jüngeres Publikum - Jugendliche, junge Erwachsene in Paaren und Kleingruppen und auch Familien mit etwas größeren Kindern - so nebenbei zum Wandern motivieren. Bei dem großen Spielraum, den Geocaching erlaubt, ist es auch möglich, Zielgruppen gerechte Touren zu gestalten. Websites Ein Einstieg ins Geocaching www.geocaching.de de.wikipedia.org/ wiki/ Geocaching Ein Beispiel für Wanderungen mit GPS-Geräten www.gpswandern.de 7.9 Pilgern modern Zu den Motivationen, sich auf den Jakobsweg zu begeben, sind zusätzlich zu den historischen ( Kap. 1.2.1) neue hinzugekommen. Längst nicht alle begeben sich heutzutage aus einer religiösen Motivation und der Zugehörigkeit zur römisch-katholischen Kirche auf die anstrengende Tour. Es sind persönliche spirituelle Bedürfnisse unabhängig von einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft, aber auch überzeugte Atheisten suchen hier wandernd neue Erfahrungen, genauso wie es andere spirituell völlig unbelastete Zeitgenossen gibt, die darin nur die sportliche Herausforderung und/ oder das Abenteuer suchen. GAMPER/ REUTER (2012) liefern mit den Ergebnissen ihrer Studie (http: / / www.wanderforschung.de/ files/ gamper-2012pilgern_1408141124.pdf) ein Bild <?page no="210"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 213 von der aktuellen Pilgerschar auf dem Jakobsweg, wie zum Beispiel die Geschlechterverteilung: 54 % der Jakobspilger sind männlich, 46 % weiblich. Zwar stellen die Pilger, die zur römisch-katholischen Kirche gehören, mit 66 % die größte Gruppe, aber schon die zweitgrößte mit 21 % sind diejenigen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören, gefolgt von den Mitgliedern der evangelischen Kirchen (10 %). Auch Minderheiten von orthodoxen Christen und Buddhisten wurden auf dem Jakobsweg ermittelt. Bei den Gründen der modernen Pilger, sich auf diese strapaziöse Tour zu begeben, spielen religiöse Motive nur noch eine untergeordnete Rolle: „„Aus religiösen Gründen“ pilgern immerhin 23,4 %; nicht selten wurden daneben auch Beweggründe wie „andere Religionen kennenlernen“ (22,4 %), „Buße vor Gott tun“ (16,6 %) oder „christliche Orte aufsuchen“ (12,1 %) angegeben.“ (a. a. O, S. 7) Entschieden mehr Gewicht haben „Beweggründe wie „zu sich selbst finden“ (51,8 %) und „Ausklinken aus dem Alltag“ (40,2 %) sowie „Stille genießen“ (39,2 %) an oberster Stelle. Aber auch Aspekte wie „spirituelle Atmosphäre fühlen“ (34,6 %), „Natur“ (34,4 %) sowie „Anblick schöner Landschaft genießen“ (32,9 %) wurden ebenfalls als wichtig empfunden.“ (a. a. O) In den 1980er Jahren waren es geschätzt nur wenige hundert Pilger jedes Jahr, die sich zu Fuß Santiago de Compostela näherten. Einen großen Boom erlebte diese Pilgerfahrt im Heiligen Jahr 1993, als aus diesem Anlass neue Pilgerherbergen eröffnet wurden, zusätzliche kulturelle Veranstaltungen stattfanden, Mittel in Städte und Orte am Jakobsweg flossen und eine entsprechende Vermarktung des Jakobsweg die Touristiker beschäftigte. Ein zusätzliches Plus für ein erfolgreiches Marketing sollte der „Adelsschlag“ des Caminos zum Weltkulturerbe der UNESCO im selben Jahr werden. Einen jüngeren Anstieg unter den deutschsprachigen Jakobsweg-Wanderern ergab sich ab 2006 nach dem Erscheinen des Buchs von Hape Kerkeling „Ich bin dann mal weg - Meine Reise auf dem Jakobsweg“. <?page no="211"?> 214 Wandertourismus Praxis Jakobsweg heute „Wer den Jakobsweg seit vielen Jahren kennt, mag heute seinen Augen nicht mehr trauen, wenn er sich auf die Strecke begibt. Die Massenbewegung namens „Pilgerfahrt zum hl. Jakobus“ hat dem Weg ihren Stempel aufgedrückt. Die Mittelalter-Romantik ist endgültig vorbei. Die Eventkultur des 21. Jahrhunderts hat in einem Jahrzehnt die Wegstrecke in einer Weise verändert, wie dies die zwölf Jahrhunderte zuvor in Krieg und Frieden, im Aufschwung und im Niedergang nicht vermochten. Der Jakobsweg ist zum Gegenstand einer nach neuen Herausforderungen dürstenden Freizeitkultur, zum Objekt der Begierde von Ausdauersportlern und Tourismusmanagern geworden. Es wird gut verdient am Jakobsweg und den Pilgern. Nur scheinbar stehen Kommerz und Spiritualität im Widerstreit. In Wahrheit haben sie ihr uraltes Bündnis erneuert und modernisiert, wie das auf den Pilgerwegen und den Wallfahrtszielen aller Religionen seit Jahrtausenden die Regel ist.“ Quelle: METTERNICH, W. (2012): 1200 Jahre Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 53 . Während jährlich rund 2,5 Millionen Menschen Santiago de Compostela besuchen, sind darunter ca. 190.000 Pilger (vgl. TIMOTHY/ BOYD (2015) S. 34f.), die sich auf traditionelle Weise diesem Ziel genähert haben und sich dies durch die offizielle Pilgerurkunde Compostela bestätigen lassen. Hinzu kommen jedoch statistisch gar nicht erfassbar zahllose Pilger, die jedes Jahr ein Stück - soviel in einem üblichen Urlaub zu schaffen ist - auf dem weit gefächerten Netz des „Camino“ - korrekt „Camino de Santiago de Compostela“ wandern, um eines Tages vielleicht den gesamten Jakobsweg ab dem Heimatort gelaufen zu sein. Für zahlreiche Etappen und nicht nur für den Endspurt gibt es mittlerweile auch Pilgern als Pauschalangebot bei spezialisierten Reiseveranstaltern. Der größte Luxus einer solchen Reise liegt darin, dass man sein Quartier vorgebucht und damit im Prinzip sicher hat und sich nicht sputen muss, rechtzeitig an einer Pilgerherberge anzukommen, um noch einen Schlafplatz zu ergattern. „Auf dem Pilgerweg hat sich hierfür unter den Pilgern die Unterscheidung zwischen „Peregrinos“, echten Fußpilgern, und „Tourigrinos“, touristischen Pilgern/ Bustouristen, durchgesetzt.“ (GAMPER/ REUTER (2012) S. 11) Für das korrekte Pilgern auf dem Jakobsweg braucht man einen Pilgerausweis - auch Pilgerbrief, Pilgerpass oder „Credencial“ genannt, den man bei der Deutschen Jakobus Gesellschaft mit Sitz in Aachen (http: / / www.deutschejakobus-gesellschaft.de/ index.php? ref=80) beantragen kann. Hierin sammelt man in <?page no="212"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 215 Kirchen am Wegesrand, aber auch Tourismusinformationen, Herbergen und anderen Stellen Stempel, die belegen, dass man auf traditionelle Weise, d. h. entweder zu Fuß, per Fahrrad oder mit Pferd auf den Spuren des hl. Jakobus unterwegs ist. Neben dem Erinnerungswert hat diese Stempelsammlung auch den praktischen Nutzen, dass man berechtigt ist, in preiswerten Pilgerquartieren zu übernachten. Für den Endspurt ist dieser Pilgerausweis ebenfalls wichtig, denn nur mit einer Stempelsammlung über die letzten 100 Kilometer, wenn man zu Fuß unterwegs war, bzw. die letzten 200 Kilometer per Rad oder Pferd erhält man im Pilgerbüro der Kathedrale von Santiago de Compostela die offizielle Pilgerurkunde Compostela. Vom Werbeträger Jakobsweg zu profitieren, motiviert so manche Gemeinde, ein neues Stück des historischen Jakobswegs zu „revitalisieren“ oder einen Zuweg zu einer bereits bestehenden Wegeführung zu schaffen. Für solch eine Erweiterung des lokalen Wanderwegnetzes hat die Deutsche St. Jakobus- Gesellschaft Leitlinien herausgegeben (www.deutsche-jakobus-gesellschaft.de/ index. php? ref=231), denn schließlich soll sich ein Abschnitt des Jakobswegs von einem „gewöhnlichen“ Wanderweg unterscheiden, hat er doch den spezifischen Anforderungen eines Pilgerwegs zu genügen. Oberstes Gebot für die Anlage eines neuen Wegeabschnitts ist die Authentizität dieser Etappe. „Eine vom Europarat geforderte „streng wissenschaftliche Identifikation der historischen Wege nach Santiago diesseits der Pyrenäen, die sich sowohl auf schriftliche und ikonographische Zeugnisse wie auf Nachforschungen im Gelände stützt“ (Abschlusserklärung Kongress Schloss Schney, 1988), ist unabdingbare Voraussetzung für eine Revitalisierung. Die Projektierung erfolgt daher in Anlehnung an eine ermittelte Altstraße, für die historische Zeugnisse der Pilgerbewegung nachgewiesen wurden. Wichtige Etappenorte der betreffenden Altstraße sind in die aktuelle Wegeführung einzubinden. Allein das Vorhandensein von Jakobuspatrozinien an Altstraßen reicht für die Begründung eines Weges nicht aus“ (a. a. O.). So sei denn auch vor dem Beginn des Projekts zu überprüfen, ob ein Bedürfnis zur Schaffung dieses neuen Wegs vorliegt. Bei den Ansprüchen an die Wegegestaltung gilt es, Asphaltstrecken zu vermeiden und - wie bei anderen Wanderwegen auch - naturnahen Untergrund zu wählen. Im Unterschied zu zertifizierten Wanderwegen, die wegen des Wegebelags auch Umwege vorsehen, ist das auf der langen Strecke nach Santiago de Compostela unerwünscht. Ein wesentlicher Aspekt für den Verlauf ist die Einbindung lokaler kirchlicher Traditionen. Auch schon im Mittelalter legte man den Jakobsweg so an, dass er Kirchen, Kapellen oder andere heilige Stätten mit einbezog, dass die Pilger dort auch beten und sich den himmlischen Beistand auf ihrer Pilgerschaft sichern/ erneuern oder verstärken konnten. Heute sollen die Wege der Jakobspil- <?page no="213"?> 216 Wandertourismus ger ebenso die europäische Pilger- und Sakrallandschaft erlebbar machen. Dieses soll sich auch, wo es geographisch angesagt ist, in einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit mit den Jakobusvereinigungen der Nachbarländer niederschlagen. Der religiös-spirituelle Gehalt einer neuen Wegetappe hat für die Deutsche St. Jakobus-Gesellschaft erwartungsgemäß den höchsten Stellenwert und stellt den größten Unterschied zu einem touristischen Wanderweg dar: „Die „Wege der Jakobspilger“ sind Wege zu Gott. Der Weg soll daher mit einem geistlichen Inhalt gefüllt sein, welcher dem Glaubensspektrum einer Spiritualität des Pilgerns gerecht wird. Diese Spiritualität sehen wir in vierfacher Weise verwirklicht: 1. Als Weg der inneren Einkehr durch die Möglichkeit zur Besinnung und Selbstfindung; 2. als Weg der Solidarität durch Begegnungen sowie die Erfahrung und Gewährung von Hilfsbereitschaft; 3. als Weg der Ökumene durch die Begegnung unterschiedlicher Glaubensvorstellungen und Glaubenstraditionen; 4. als Weg der Umkehr durch die verändernde Erfahrung einer Gottesbegegnung. Die „Wege der Jakobspilger“ unterscheiden sich somit von touristischen, ausschließlich auf Landschaft, Geschichte und Kunst orientierten Routen“ (a. a. O). Für das praktische Wegemanagement empfiehlt die Jakobus-Gesellschaft, Einzelpersonen oder regionale Gruppen einzubeziehen - wie es auch für andere Wanderwege üblich ist. Spezieller ist dagegen ihr Rat, „die Anlegung und Unterhaltung eines Weges mit einem kirchlichen oder sozialen Fürsorgeprojekt zu verbinden“ (a. a. O.). Bei einem neuen Abschnitt des Jakobswegs muss auch dafür gesorgt werden, dass für die Pilger einfache und preiswerte Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen - „Kirchliche Einrichtungen am Weg sollen diesbezüglich vorrangig angesprochen werden“ (a. a. O.). Selbstverständlich soll der neue Weg mit dem Emblem der stilisierten Jakobsmuschel markiert werden. Doch bei der Fixierung dieses vom Europarat vorgeschlagenen Wegeschilds steckt für alte wie neue Abschnitte manchmal der Teufel im Detail! <?page no="214"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 217 Praxis Bitte kein Gottvertrauen bei der Jakobsmuschel als Wegmarkierung! Das Erkennungszeichen der Jakobspilger, das sie eigentlich erst nach erfolgreicher Pilgerfahrt auf dem Rückweg von Santiago de Compostela tragen durften, kann man heute - auch ohne nachzuzählen - als die am weitesten verbreitete Wanderwegmarkierung in Europa bezeichnen. Aber vermutlich ist es deshalb auch das Wegeschild, das am häufigsten falsch in der Landschaft befestigt wurde! Korrekt aufgehängt läuft die stilisierte Jakobsmuschel, das gelbe „Wegebündel“ oder „Wegestern“ auf dem blauen Untergrund Richtung Santiago de Compostela zusammen. Man kann durchaus am Wegesrand Markierungen mit der Jakobsmuschel finden, die in die Krone eines Baumes oder seine Wurzeln weisen. Besonders groß ist die Gefahr, in die Irre geleitet zu werden, wenn die Plakette mit der Jakobsmuschel noch eine Textzeile besitzt. Dann wurde der Text garantiert richtig lesbar fixiert, ob der Wegweiser dann noch stimmt, ist eine andere Sache! Die Jakobsmuschel zeigt nach links und damit Richtung Santiago de Compostela Abb. 22: stilisierte Jakobsmuschel (Quelle: Bonilla 1879, fotolia.com) Literatur METTERNICH, W. (2012): 1200 Jahre Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. TIMOTHY, D. J.; BOYD, St. W (2015): Tourism and Trails. Cultural, Ecological and Management Issues. Aspects of Tourism, Vol. 64, Channel View Publications, Bristol, Buffalo, Toronto. <?page no="215"?> 218 Wandertourismus Websites Deutsche Jakobus Gesellschaft - kompetent für alle irdischen und geistlichen Fragen rund um den Jakobsweg (inklusive Onlineantrag für einen Pilgerausweis) www.deutsche-jakobus-gesellschaft.de Pilgerforschung an den Universitäten Trier und Mainz www.pilgern.eu Sinnsuche per Pedes, Aufsatz von Markus Gamper und Julia Reuter www.wanderforschung.de/ files/ gamper-2012pilgern_1408141124.pdf 7.10 Unterwegs mit Ranger & Co Zu den Mehrwerten eines Landschaftserlebnisses beim Wandern gehören auch kompetente Führungen. Nach der Devise „Man sieht nur, was man weiß“ ist bei den allgemein rückläufigen Kenntnissen in Biologie, Geographie, Geschichte usw. etwas Nachhilfe vor den Anschauungsobjekten wahrlich nicht verkehrt. Mit schulmeisterlichen Belehrungen hat diese Wissensvermittlung bei ausgebildeten und zertifizierten Natur- und Landschaftsführern - in der Regel - nichts zu tun. Bei der Heimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg, die für den Schwarzwaldverein und den Schwäbischen Albverein die Ausbildung übernimmt, werden folgende Themenkomplexe in den Kursen gelehrt (vgl. www.wanderakademie.de/ ausbildung/ ausbildungsinhalte/ index.html): Zu den so genannten wanderspezifischen Inhalten gehört für die Wanderakademie erst einmal - und das hoffentlich nicht an erster Stelle für die zu führenden Gäste - Informationen über Struktur, Aufgaben und Ziele der Wanderverbände sowie das regionale und internationale Wegenetz. Die Unterschiede zwischen Tages- und Mehrtageswanderungen werden den Kandidaten deutlich gemacht (sollten sie jedoch aus eigener Erfahrung schon kennen! ). Zu den Praxis relevanteren Aspekten darf man den Umgang mit der Wanderkarte und anderen technischen Hilfsmitteln der Orientierung (Kompass, GPS-Geräte) zählen sowie Grundlagen zur richtigen Ernährung, Ausrüstung und Fragen der Kondition, Wetterkunde und das angemessene Verhalten bei Gewitter. Mit den naturkundlichen Grundlagen der Region stehen die Aspekte im Vordergrund, die der Wanderer vor Ort erwartet: Es sind Einblicke in die Geologie und Landschaftsgeschichte, Klima- und Vegetationsentwicklung, Grundla- <?page no="216"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 219 gen der Ökologie und mit direktem Bezug zur Wanderung einige Beispiele von Ökosystemen in dieser Region. Die Tätigkeiten des Menschen, die über Jahrhunderte hinweg die jeweilige Kulturlandschaft geformt hat, werden im Themenkomplex Mensch - Kultur - Landschaft behandelt. Die Grundzüge der regionalen Geschichte spiegeln sich auch in der Entwicklung der Kulturlandschaft wider, in Siedlungs- und Bauformen, in der Landnutzung und dem weiteren Wirtschaftsleben früher wie heute. Weiterer Stoff für Erläuterungen sind Aspekte der historisch gewachsenen Regionalkultur, wie Literatur, Malerei, Volkskunst, Brauchtum und die regionale Identität. „Moderne“ Aspekte, die in diesem Zusammenhang vermittelt werden können/ sollen, betreffen die Grundlagen des Naturschutzes und der Landschaftspflege, regionale und überregionale Leitbilder, Vertragsnaturschutz und der Komplex der Nachhaltigkeit (nachhaltige Landschafts- und Regionalentwicklung, Natura 2000, Agenda 21). Wie die mögliche Fülle an Wissen erfolgreich vermittelt werden kann, lernt der/ die zukünftige Natur- und Landschaftsführer/ in in den Kursstunden Kommunikation und Führungsdidaktik. Hierbei erhält er pädagogischen Input, lernt u. a. Grundzüge der Kommunikation, der Natur- und Erlebnispädagogik, der Führungsdidaktik einschließlich Frage- und Präsentationstechniken. Die Verknüpfung der Inhalte mit der Lebenswelt der Teilnehmer seiner Führung ist ein anderes Lernziel in der Führungsdidaktik. Der zukünftige Wanderführer soll über seine eigene Rolle reflektieren und sich in der Rhetorik und im freien Sprechen üben. Eine Portion Psychologie gehört in die Vorbereitung auf Verhalten in schwierigen Situationen. Ein hohes Ziel im Ausbildungsmodul Kommunikation und Führungsdidaktik ist die „Erarbeitung zugkräftiger Leitideen und Themenlinien aus den Inhalten“. Im Komplex Recht und Marketing lernt der Kandidat die Grundzüge der Organisation und Rechtsgrundlagen des Naturschutzes, Schutzgebietskategorien, Kartierung und Landschaftsplanung kennen. Mehr auf seine persönlichen Bedürfnisse rund um die Tätigkeit als Natur- und Landschaftsführer sind betriebswirtschaftliche Aspekte wie Kalkulation, Steuer, Honorare und Haftungsfragen bei Führungen, Allgemeines zum Reiserecht ausgerichtet. Selbstverständlich werden auch Ranger in Nationalparks oder anders definierten Regionen entsprechend für die Wissensvermittlung ausgebildet. In Österreich wird jährlich im Sommer in einem der sechs Nationalparks eine Grundausbildung für angehende Ranger durchgeführt; für die Module Gletscherkunde und alpine Gefahren bietet nur der Nationalpark Hohe Tauern das passende, von Natur aus gut ausgestattete „Klassenzimmer“, das heißt der entsprechende Hochgebirgsbereich existiert hier. <?page no="217"?> 220 Wandertourismus Praxis Ferdinand Rieder, Chefranger des Nationalparks Hohe Tauern „Wir haben ein strenges Auswahlverfahren für unsere zukünftigen Nationalpark-Ranger. Die meisten Bewerber scheitern an den physischen Voraussetzungen, das heißt sie sind nicht sportlich fit genug für diese Aufgabe.“ „Wir versuchen, den Gästen die Einzigartigkeit der Natur und der bäuerlichen Kulturlandschaft nahezubringen; dazu haben wir eine spezielle Ausbildung.“ „Unser oberstes Ziel: Wenn die Leute weggehen, wissen sie, warum ein Nationalpark wichtig ist und dass die Brennnessel gleich wichtig ist wie ein Edelweiß.“ Quelle: Interview mit Ferdinand Rieder Das Grundmodul der Ranger-Ausbildung umfasst Grundlegendes zur Nationalparkidee, zu Nationalparknetzwerken und der rechtlichen Situation, hinzu kommen alle naturwissenschaftlich relevanten Fächer, der Komplex Kommunikation, Pädagogik und Didaktik sowie Orientierung im Gelände, Wetterkunde und Notfallmanagement. In dem Aufbaumodul werden dann die spezifischen Inhalte des jeweiligen Nationalparks vermittelt, in dem der angehende Ranger tätig werden möchte. Für diejenigen, die diese Ausbildung ohne eine feste Anstellung in einem Nationalpark machen möchten, gibt es noch eine weitere Kurseinheit. Als Tätigkeitsfelder der „Ganzjahresrangers“ sowie der „Saisonniers“ gelten nicht nur die Wanderungen des Jahresprogramms des Nationalparks, sondern auch Vorträge in Hotels, Informationsveranstaltungen in den Tourismusbüros sowie Unterrichtseinheiten für Schulklassen, zum einen im Nationalpark, aber auch in den Volks- und Hauptschulen selber. In Südwestfalen sind es die Ranger von Wald und Holz NRW, Forstwirte und Forstwirtschaftsmeister, die sich zu Natur- und Landschaftspflegern fortgebildet haben und u. a. auf den drei Premiumwanderwegen Rothaarsteig, Waldroute und Höhenflug führen. Sie sorgen nicht nur für die gewünschten Walderlebnisse, sie sind auch für die Pflege der Infrastruktur, wie zum Beispiel Brücken, Stege, Wald- Erlebnis-Stationen zuständig und leisten in Notfällen Erste Hilfe. <?page no="218"?> Mehrwert beim Landschaftserlebnis 221 Websites Wanderakademien, Inhalte einer Wanderführerausbildung www.wanderverband.de/ conpresso/ _rubric/ index.php? rubric=Fortbildungen Ausbildungen als Wanderführer Schwarzwald und Schwäbische Alb www.wanderakademie.de/ ausbildung/ ausbildungsinhalte/ index.html Ausbildungen beim Sauerländischen Gebirgsverein sgv.de/ akademie.html sgv.de/ qualitaetspolitik.html Ranger in NRW www.rothaarsteig.de/ rothaarsteig/ ranger www.wald-und-holz.nrw.de/ wald-erleben/ ranger Der Blick nach Österreich www.nationalpark.at/ de/ der-nationalpark/ bildungbesucherinformation/ nationalpark-ranger Zusammenfassung Gegen die Belastungen des modernen Alltags und Berufslebens kann das Wandern einen wertvollen Ausgleich schaffen. Zusätzlich zur Chance, sich draußen in der Natur zu bewegen, kommen Erwartungen wie „Stress abbauen, Kräfte sammeln und Stille erleben“. Nicht nur gegen körperliche Beschwerden kann Wandern helfen. Gesundheitswandern unter fachkundiger Leitung ist Bestandteil der gesundheitlichen Prävention. Körperliche, seelische und kognitive Defizite einer „modernen“ Kindheit können der Aufenthalt in der Natur sowie das Wandern mindern. Kinderwandern ist ein Thema mit Aktualität und Zukunft; ein Schritt in diese Richtung sind die ersten zertifizierten Wanderwege „Familienspaß“. Der Themenweg hat heutzutage seinen schulmeisterlichen Charakter verloren und macht Weiterbildung zu einem „leichten“ Freizeitvergnügen. Noch stärker hebt das Storytelling den Erlebnischarakter hervor. <?page no="219"?> 222 Wandertourismus Der Gebrauch von GPS-Geräten spielt beim „normalen“ Wandern nur eine marginale Rolle, aber beim Geocaching mobilisiert diese Technik sogar neue und vor allem Jüngere zur altmodischen Wanderung. Als wandergeschichtlicher Dauerbrenner erlebt das Pilgern vor allem auf dem Jakobsweg derzeit eine gewisse Renaissance - und ist auch als Pauschalreise ohne die tägliche Sorge ums Quartier buchbar. Geprüfte Qualität und Zertifizierungen sind auch bei Natur- und Landschaftsführern angekommen. <?page no="220"?> 8 Leidet oder profitiert die Landschaft? Grundsätzlich kann man behaupten, dass das Wandern die Natur und die Landschaft nur wenig beeinträchtigt, zumal eine intakte/ intakt erscheinende Natur die wichtigste Grundlage für diese Form des Tourismus ist. Doch im Wanderalltag, an viel begangenen Wegen und im Dunstkreis von Wanderparkplätzen können Zweifel daran aufkommen, dass das Wandern keine negativen Auswirkungen auf die direkte Umgebung hat. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Weshalb profitiert gerade die bäuerliche Kulturlandschaft vom Wandertourismus? Belastungen der Natur durch Wanderer. Wandertourismus und Nachhaltigkeit können zusammenkommen. 8.1 Wandertourismus - ein Grund mehr für die Kulturlandschaftspflege Mit dem Begriff Kulturlandschaft wird gerne eine Ansammlung von Musentempeln, Museen und anderen Orten des Kulturlebens bezeichnet, doch im geographischen Sinn und auch für den Wanderer mit seiner Outdoorausrüstung ist hiermit die von Menschenhand gestaltete Landschaft gemeint. Den Gegensatz stellt die Naturlandschaft dar, die weitgehend dem direkten Einfluss des Menschen entzogen war und - in unseren Breiten recht selten - es auch noch immer ist. Typische Naturlandschaften, die Wanderziele sein können, sind oftmals die Gebiete von Nationalparks; Paradebeispiele wären dafür die Nationalparks im Westen der USA. Hierzulande gehört die bäuerliche Kulturlandschaft ebenfalls zu den attraktiven Wandergebieten: Der Wechsel zwischen Feldern, Wiesen, Weiden und Wald sowie - als Siedlungselemente - Dörfern, Weilern, Bauernschaften, Einzelhöfen und Gebäuden wie beispielsweise Scheunen, Mühlen, Backhäuschen oder auch Kapellen, Bildstöcken, Kreuzwegen und anderen Zeugnissen des kirchlichen <?page no="221"?> 224 Wandertourismus Lebens kann viel Abwechslung am Wegrand bieten. Eine möglichst kleingegliederte Landschaft erfreut das Auge des Wanderers, so ist es beispielsweise kein Vergnügen, durch „endlose“ Maisfelder zu wandern, die den nachwachsenden Rohstoff für Biogasanlagen produzieren und beim Höchststand der Maispflanzen jeden Blick in die Landschaft auf größere Distanzen versperren. Der Blick über Getreidefelder mit vielleicht noch blühenden Wegrändern, in denen Kornblumen, Margeriten und andere typische Ackerrainpflanzen zu Hause sind, tut der Seele des Wanderers gut und fördert gemeinsam mit anderen Faktoren seine psychische Gesundheit ( Kap. 7.1). Abb. 23: Bäuerliche Kulturlandschaft wie ein Gemälde am Rand der Schwäbischen Alb (Quelle: eigenes Foto) Als Landschaftspfleger auf vier Beinen wirken Kühe und Pferde auf ihren Weiden, aber auch Schafe und Ziegen, die mit Hirten unterwegs sind. Gerade in den Bereichen, die nicht permanent als Weiden genutzt und gepflegt werden, sorgen die Tiere dafür, dass es nicht zur Verbuschung kommt, sich wieder Wald entwickelt und ausbreitet, so dass die ehemals offene Landschaft zuwächst. Daher ist es auch für Wanderer unverzichtbar, sich hin und wieder vor allem im Hochgebirge mit frei laufenden Weidetieren zu arrangieren und den dazu gehörenden „Alm-Knigge“ zu beherzigen ( Kap. 4. 2). <?page no="222"?> Leidet oder profitiert die Landschaft? 225 Der Touristiker sollte wegen der großen Bedeutung der bäuerlichen Kulturlandschaft diese als eine wesentliche Grundlage des Wandertourismus in seiner Destination verstehen, sie immer mit im Blick haben und sich gegebenenfalls als ihr Fürsprecher zeigen. Bei einer unrentablen Landwirtschaft gibt es Fördermöglichkeiten, den Bauern ihre Arbeit als Landschaftspfleger zu bezahlen. Ebenso wäre angesagt, ihnen Möglichkeiten zu eröffnen, dass auch sie Einkünfte aus dem Tourismus beziehen können und somit kein Höfe-Sterben und Veröden der Landschaft beginnen muss. Auf diese Weise kann der Wandertourismus seinen Teil zum Erhalt der bäuerlichen Kulturlandschaft und damit der Authentizität einer Region beitragen. 8.2 Wandern und Naturschutz Eine intakte Natur ist das wichtigste Kapital des Wandertourismus, deswegen besitzt auch der Naturschutz eine hohe Priorität in der Destination. Ein Teil des Naturschutzes liegt aber auch in der Verantwortung des Wanderers. Das leidige Problem der Abfälle in der Landschaft, insbesondere an den Wanderwegen und Rastplätzen, verursacht er zu einem beachtlichen Teil selbst. Die Ausrede, dass bestimmte Abfälle, wie zum Beispiel Obstschalen oder Papier irgendwann verrottet sind, gilt nicht, denn bis zu diesem Tag möchte auch niemand entlang so genannten Biomülls durch die Natur wandern. Zur neueren Philosophie im Umgang mit Mülleimern in der Landschaft passt beispielsweise die Aktion Nimm’s mit! (www.gipfelfieber.com/ 2015/ 06/ 17/ nimms-mit-gemeinsam-fuer-eine-saubere-bergwelt). Sie rückt ins Bewusstsein, dass man nicht nur den eigenen Müll, wie Verpackungen oder Abfälle von der Verpflegung, die man im Rucksack mitgebracht hat, sondern auch Dinge, die andere verloren oder weggeworfen haben, bis zum nächsten Mülleimer mitnimmt. Mit dieser Aktion, die sich explizit für saubere Berge einsetzt, dürfen aber durchaus alle Landschaften verstanden werden! Abb. 24: Logo der Aktion „Nimm’s mit“ Am stärksten wird der Naturschutz gleich neben dem Wanderweg missachtet, indem die Wanderer meist bei nassen Wegen die Pfützen und Matschpartien umgehen, und somit im Laufe der Zeit für eine Verbreiterung der Wege auf <?page no="223"?> 226 Wandertourismus Kosten der angrenzenden Vegetation sorgen. Dabei wird nicht nur die Pflanzenwelt mechanisch geschädigt, sondern auch noch der Boden zunehmend verdichtet. Eine andere Unsitte mit gleichen Auswirkungen ist das Trampeln von Abkürzungen vor allem im bergigen Gelände, in der Regel, um kürzer und schneller abzusteigen. Wenn diese Pfade sich als Rinnen im Gelände etabliert haben, können sie sich bei starken Niederschlägen zu neuen episodischen Wasserläufen entwickeln, die wiederum weitere unerwünschte Veränderungen und Schäden in der Natur verursachen können, wie zum Beispiel Bodenerosion, Hangrutschungen und kleine Schlammlawinen. Einige Studien haben untersucht, wie viele mitten durch die Vegetation stapfende Wanderer die Pflanzen in bestimmten Ökosystemen aushalten bzw. überleben können (vgl. TIMOTHY/ BOYD (2015), S. 134): Für die meisten Pflanzenarten bedeuten 100 bis 300 Wanderer den Tod, in empfindlicheren Biotopen können dafür schon zwei Fußgänger ausreichen. In den Rocky Mountains wurde ein Verlust der Pflanzendecke von 50 % nach 300 Wanderern festgestellt. Eine Studie in einem Waldpark auf Taiwan brachte deutliche Veränderungen der Vegetation in zwei Meter breiten Streifen parallel zu den Wanderwegen ans Tageslicht. Zur Verantwortung des Wanderers gehört es ebenfalls, sich an die Spielregeln in Schutzgebieten zu halten. Schilder machen darauf aufmerksam, ein gesunder Menschenverstand hilft ebenso. So sind Beschädigungen an Pflanzen, nicht erst wenn man es als Vandalismus bezeichnen müsste, tabu und nicht minder das Sammeln von „Souvenirs“ aus der Natur. Die entsprechenden Prinzipien von „LNT“ aus der englischsprachigen Wanderwelt dürfen auch auf dem restlichen Globus angewandt werden! Praxis Leave No Trace (LNT) „Hinterlasse keine Spur“ (Leave No Trace, LNT) Die sieben Prinzipien von LNT in Kurzform: Plane vorher, bereite dich vor. Fahre und campiere auf dauerhaften, festen Oberflächen. Respektiere wilde Tiere. Minimiere die Auswirkungen von Lagerfeuern. Lasse liegen, was Du findest. Berücksichtige andere/ anderes. Deponiere Deinen Abfall korrekt. Quelle: TIMOTHY/ BOYD (2015), p. 222 <?page no="224"?> Leidet oder profitiert die Landschaft? 227 Websites Die sieben Prinzipien in den USA www.lnt.org/ learn/ 7-principles Die sieben Prinzipien in Australien www.lnt.org.au/ programs/ 7-principles.html Schäden in der Natur www.alpenverein.de/ natur-umwelt/ bergsport-und-umwelt/ bergsteigen-wandernnatur_aid_10289.html Literatur TIMOTHY, D. J.; BOYD, S. W. (2015): Tourism and Trails. Cultural, Ecological and Management Issues. Aspects of Tourism: 64, Chanel View Publication, Bristol, Buffalo, Toronto. 8.3 Chancen zur Nachhaltigkeit Unter den zahllosen Tourismusarten gehört der Wandertourismus ohne Zweifel zu denen, die dem Ziel Nachhaltigkeit sehr nahekommen, insbesondere wenn es sich um Wanderungen handelt, bei denen man nicht mit seiner An- und Abreise einen großen Klimafußabdruck hinterlässt. Eine Flugreise zum Wanderurlaub auf Mallorca, Lanzarote oder zum Trekking im Himalaya relativiert die Nachhaltigkeit schon wieder beachtlich. Wissen Nachhaltiger Tourismus „Der Nachhaltigkeitsgedanke mit seinen drei Säulen - ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit - ist fest in den entsprechenden Konzepten der Tourismusregion verankert und wird bereits angewendet. Es gilt, die Bedürfnisse der Gäste und der lokalen Bevölkerung mit denen des Natur- und Umweltschutzes zu verbinden und dabei eine langfristig wirtschaftliche sowie sozial verträgliche Entwicklung anzustreben. <?page no="225"?> 228 Wandertourismus Nachhaltiger Tourismus trägt erheblich zu einer dauerhaften Wertschöpfung und zum Wohlstand der Bevölkerung bei. Er ist zugleich Impulsgeber für eine nachhaltige Regionalentwicklung im ländlichen Raum.“ Quelle: Deutscher Tourismusverband 2012 zit. in: REIN, H.; STRASDAS, W. (Hrsg.) (2015): Nachhaltiger Tourismus. Einführung. UVK, Konstanz/ Lucius, München, S. 23. Findet der Wandertourismus dagegen in einer geographischen Nähe, beispielsweise in Deutschland statt, sieht die Belastung der Umwelt samt CO 2 -Bilanz schon entschieden besser aus. Gerade im Zusammenhang mit dem Wandertourismus bieten einige Verkehrsträger in Kooperationen mit Institutionen oder als Einzelunternehmen umweltverträglichere Mobilitätsformen an. Ein solches Beispiel ist die seit 2001 aktive Kooperation der Deutschen Bahn mit den drei Umweltverbänden BUND, NABU und VCD unter dem Titel Fahrtziel Natur (www.fahrtzielnatur.de/ natur/ view/ index.shtml). 22 Naturlandschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz, wie Nationalparks, Naturparke und Biosphärenreservate, sind Ziele einer umweltverträglichen Mobilität und Teil eines nachhaltigen Tourismus. In den Destinationen existieren weitere Möglichkeiten einer emissionsarmen Fortbewegung, wie zum Beispiel im Schwarzwald und zunehmend auch in seinen angrenzenden Gebieten das Angebot der KONUS-Gästekarte („KONUS ermöglicht die KOstenlose NUtzung des ÖPNV für Schwarzwaldurlauber“, http: / / www.schwarzwald-tourismus.info/ service/ konus2). Diese Karte, die die Touristen - und nicht nur die Wanderer - von ihren Gastgebern in derzeit 143 Schwarzwälder Ferienorten als Gegenleistung zur Kurtaxe erhalten, ist u. a. auch ein Fahrausweis für den ÖPNV. Während der eingetragenen Urlaubszeit kann man mit der KONUS-Gästekarte in der 2. Klasse von Pforzheim bis Basel sowie Karlsruhe bis Basel gratis und beliebig oft Bahnen und Busse nutzen. Dieses Mobilitätskonzept wurde 2014 mit dem Fahrtziel Natur-Award ausgezeichnet. Aber auch schon für die Fernanreise aus dem Heimatort wird durch das so genannte Rail-Inclusive Tours (RIT) Schwarzwald-Ticket umweltverträgliche Mobilität gefördert: „Für € 138,00 incl. Umwelt-Plus (CO 2 -neutral) gelangen Sie in den Schwarzwald und zurück. Sie können alle Züge der DB (incl. ICE) ohne Zugbindung von jedem Bahnhof in Deutschland nutzen. Einzige Voraussetzung: Die RIT-Fahrkarte gibt es ausschließlich in Verbindung mit der Buchung eines touristischen Arrangements im Schwarzwald mit mindestens einer Übernachtung.“ (www.schwarzwaldtourismus.info/ service/ rit-ticket-schwarzwald) Doch solch ein Paradebeispiel eines an der ökologischen Nachhaltigkeit orientierten Mobilitätskonzepts, wie es im Schwarzwald realisiert werden konnte, gehört zu den Ausnahmen und wird es auch bleiben. „Künftig wird - abgesehen von <?page no="226"?> Leidet oder profitiert die Landschaft? 229 lokalen oder regionalen Einzellösungen - eine flächendeckende Verbesserung der Erreichbarkeit von Wanderwegen und -regionen mit dem öffentlichen Personenverkehr zwar wünschenswert bleiben, aber nicht realisiert werden können. Die Lösung zur Verbesserung der Erreichbarkeit der Wanderwege kann künftig nur in der Entwicklung von flexiblen Systemen liegen, die auf die Kooperation verschiedenster Leistungsträger angewiesen sind.“ (BMWI (2010) S. 99) Weitere Best-Practice-Beispiele sowie Ansätze, die bereits existieren und in der BMWI-Studie genannt werden, sind die Igel-Busse im Nationalpark Bayerischer Wald, die Kampagne „abgefahren.losgewandert“ im Bundesland Brandenburg, die touristische Fahrplaninfo des Verkehrsverbundes Region Trier, die Services der Bayerischen Oberlandbahn sowie im Trubachtal in der Fränkischen Schweiz das so genannte „z.z.A.-Angebot“ (zurück zum Ausgangsort) (vgl. a. a. O., S. 100-103). Zur ökologischen Nachhaltigkeit gehört beim Wandertourismus auch die wesentliche Voraussetzung einer möglichst intakten Natur, die der Wanderer auf seinen möglichst naturnahen und nicht asphaltierten Wegen erleben und kennenlernen möchte. Die Anforderungen an zertifizierte Wanderwege belegen dies ebenso wie die verständlichen Wünsche der Wanderer. Damit wäre für die Verantwortlichen in der Wanderdestination als ein Leitlinie ihrer Arbeit vorgegeben, die Natur-, aber auch die historische Kulturlandschaft mit ihrem jeweils charakteristischen Landschaftsbild zu bewahren, zu pflegen oder soweit erforderlich und möglich wiederherzustellen. Damit würde auch die Authentizität der Region gefördert - nicht nur als Teil der ökologischen, sondern auch der sozialen Nachhaltigkeit. Das Wissen um die verschiedensten Aspekte der Nachhaltigkeit kann bei direktem Kontakt mit dem einen oder anderen Anschauungsobjekt während einer Wanderung mit einem Natur- und Landschaftsführer sowie Ranger oder anderen Person mit entsprechenden Kenntnissen gefördert werden. Wandertourismus kann gerade in ländlichen Räumen auch einen Beitrag zur ökonomischen Nachhaltigkeit leisten - dabei sind allerdings keine Wunder zu erwarten, auch der Wandertourismus kann da kein Allheilmittel für strukturschwache Gebiete sein, doch die Chance auf zusätzliches Einkommen, auf Nebenerwerb kann dadurch gegeben werden ( Kap. 3.3). Darin kann auch ein wichtiger Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit liegen, dass die einheimische Bevölkerung bzw. Teile davon eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse erfährt. Auch die Pflege der regionalen Identität und Authentizität lässt sich hier subsummieren. <?page no="227"?> 230 Wandertourismus Websites Umweltverträgliche Mobilität www.fahrtziel-natur.de/ natur/ view www.schwarzwald-tourismus.info/ service/ konus2 www.schwarzwald-tourismus.info/ service/ rit-ticket-schwarzwald Zusammenfassung Das abwechslungsreiche Bild einer bäuerlichen Kulturlandschaft mit Wiesen, Weiden, Feldern, Dörfern und Einzelgebäuden und vielen Elementen mehr stellt eine ebenso attraktive Kulisse fürs Wandern dar wie eine Naturlandschaft. Falsches und rücksichtsloses Verhalten der Wanderer, wie zum Beispiel Abfälle in die Landschaft werfen, Trampelpfade als Abkürzungen schaffen, aber auch das übermäßige Sammeln von Pflanzen sowie Vandalismus verursachen Schäden an der Natur. Leave no trace! Hinterlasse keine Spuren! Wandertourismus hat das Potenzial, Aspekte der ökologischen, sozialen wie ökonomischen Nachhaltigkeit zu realisieren. <?page no="228"?> 9 Praktische Tipps für den Selbstversuch Nicht repräsentative Umfragen in den Vorlesungen, wie man es mit dem Wandern halte, haben ans Tageslicht gebracht, dass diese Freizeitaktivität unter jungen Leuten, selbst unter angehenden Touristikern, eher zu den exotischen Beschäftigungen gehört. Da dies für den Arbeitsalltag in einer ländlichen Destination - es muss noch nicht einmal ein ausgewiesenes Wandergebiet sein - eine Erfahrungslücke darstellt, sollen in diesem abschließenden Kapitel ermutigende Tipps von Wandererfahrungen aus den Weiten der nördlichen Hemisphäre und einigen Jahrzehnten gegeben werden. Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt: Die richtige Ausrüstung für eine sichere wie genussvolle Wanderung. Welche Gefahren können heutzutage am Wegrand lauern, was kann ich als Wanderneuling falsch machen? Wie orientiere ich mich, wenn Handy und App oder GPS versagen? 9.1 Eine Ermutigung für Wanderneulinge Es ist nie zu früh oder zu spät, selber die Wanderschuhe zu schnüren, und als Touristiker - nicht nur in einer ausgewiesenen - Wanderdestination sollte man unbedingt über eigene, möglichst nicht so weit zurückliegende praktische Erfahrungen verfügen. Outdoorkleidung gehört ohnehin für viele zu einem sportlich scheinen wollenden Lebensstil und mit einem Paar festerer Schuhe, die jeder besitzt, lassen sich die ersten Kilometer in dem häufig bewegungsarmen Alltag durch die Landschaft absolvieren, bevor es an den gezielten Kauf von Wanderausrüstung gehen sollte. Die Freude an der Bewegung, die Entdeckung von Natur und Kulturlandschaft, der realen Welt anstelle virtueller Konserven und Erfahrungen aus zweiter Hand neben einer gut zu dosierenden sportlichen Aktivität mögen Gründe sein, sich auf Wanderwege zu wagen. Einige nützliche Tipps für Wanderneulinge aus einigen Jahrzehnten eigener Erfahrung, die die Bewegung in der Natur von Anfang an zu einem positiven Erlebnis mit dem einen oder anderen neuen Spaßfaktor machen sollen, bieten die nachfolgenden Kapitel. <?page no="229"?> 232 Wandertourismus Wenn es dann bei der Tour doch einmal zu einem Notfall kommen sollte und man Hilfe rufen muss, kann man durchaus eine sehr überraschende Entdeckung machen: In den Tiefen der Wälder und „mitten“ in der Landschaft bzw. Natur kann es noch Funklöcher geben! Und dann gerade, wenn man am meisten auf einen schnellen Kontakt zur Zivilisation angewiesen wäre! Da wird dann doch der gesunde Menschenverstand gefordert, für dieses Problem eine Lösung zu finden. Falls später ein Rettungshubschrauber über Ihnen fliegen sollte, dann gilt für die im Raum schwebende Frage diese international gültige Kommunikation mit der Körpersprache: „Yes“ - wir brauchen Hilfe - und man hebt im Stand beide Arme schräg in die Höhe und bildet somit ein unmissverständliches „Y“, braucht man doch keine Hilfe signalisiert man ein „No“, indem ebenso stehend ein Arm gerade nach oben gestreckt wird, der andere nach unten, so wie es dem Buchstaben am nächsten kommt. Ein buntes Kleidungsstück, mit dem man wedelt, macht Retter aus der Luft oder der Entfernung schon aufmerksam. Die lokalen oder regionalen Notfallnummern sollte man schon bei der Vorbereitung in seinem Handy abgespeichert haben und das alpine Notsignal sowie die Antwort darauf kennen, auch wenn man nicht in Fels- und Eiswänden klettern will - sie gelten ebenfalls für den gewöhnlichen Wanderer im Notfall. Tab. 6: Alpines Notsignal 1. Minute 2. Minute 3. Minute usw. Notsignal Pause usw. Antwort Pause usw. Signal kann optisch oder akustisch sein Tab. 7: Notrufnummern (Auswahl) Land Notrufnummer Österreich 140 Schweiz 1414 (Rettungsflugwacht) 144 (Bergrettung) Italien (plus Südtirol) 118 Frankreich 15 Internationaler Notruf 112 <?page no="230"?> Praktische Tipps für den Selbstversuch 233 9.2 Die Ausrüstung Früher schwor man auf Schafswolle und strapazierfähige kräftige Baumwollstoffe bei der Wanderkleidung, und die Schuhe hatten aus dickem Rindsleder zu sein. Doch diese Ausrüstung sog sich bei Regentouren gnadenlos voll Wasser und wurde über Nacht nicht mehr trocken. Da war selbst auf Trockenräume in Wanderheimen, Jugendherbergen und auf Hütten kein Verlass! Heutzutage ist die so genannte Funktionskleidung, die auch regelmäßig zu Beginn der Saison auch in Aktionen bei den Discountern angeboten wird, dank der modernen Textiltechnologie eine gute Weiterentwicklung für die speziellen Bedürfnisse des Wanderers. Die wichtigsten und ausgesprochen nützlichen Funktionen der modernen „Outdoor“-Kleidung sind ihre wind- und wasserabweisenden Fähigkeiten sowie ihr Verhalten bei auftretendem Körperschweiß. Funktionswäsche stellt eine „Einbahnstraße“ für den Körperschweiß dar, d. h. sie leitet ihn in die oberen Schichten der Kleidung und bietet somit das angenehme Gefühl von trockener Kleidung (Unterwäsche und T-Shirts, Blusen, Hemden) direkt auf dem Körper. Dadurch wird deutlich die Gefahr verringert, sich besonders bei Pausen zu verkühlen und schließlich zu erkälten, da keine nass-kalte Schicht auf dem Körper klebt. Die nächste Schicht des bewährten Zwiebelschalenprinzips hat demzufolge die Aufgabe, als atmungsaktive Lage die vom Körper produzierte Feuchtigkeit weiter zu transportieren. Je nach Jahreszeit wären entweder T-Shirt, Hemd oder Bluse, vielleicht noch mit integriertem UV-Schutz, angesagt oder eine wärmendere Schicht aus Fleece unterschiedlicher Dicke. Die in der Regel für unsere Breiten oberste Schicht des Zwiebelsystems bildet die Jacke, die man früher als „Anorak“ bezeichnete. Die Windjacke der grönländischen Inuit stand Pate bei der Namensgebung. Der Schutz vor Wind wird natürlich auch von der modernen Wanderjacke erwartet, ebenso ein möglichst effektiver Schutz vor Regen. Große Wirkung hat der feine Unterschied in der Bezeichnung einer Jacke als „wasserabweisend“ oder „wasserdicht“! Den besten - und teuersten - Schutz vor Regen bieten so genannte Membranjacken, bei denen zwischen Ober- und Unterschicht des Stoffes eine unsichtbare Membran eingearbeitet wurde. Durch diese Kombination wird auch in der obersten Schicht die Atmungsaktivität sichergestellt und das Eindringen von Wasser und Wind verhindert. Dieses feine wie effektive Schichtenprinzip eines Stoffes kam erstmals unter der Bezeichnung „GORE-TEX ® “ auf den Markt; inzwischen haben viele namhafte Sportbekleidungshersteller ihre eigenen Membranstoffe unter anderen, eigenen Namen im Programm. Die leichtere Version einer Wanderjacke ist heutzutage eine Softshell-Jacke aus weichen Kunstfasern, die <?page no="231"?> 234 Wandertourismus jedoch nur wasserabweisend sein kann. Mit einer dünnen wie leichten Regenjacke und Überhose, die sich mühelos im Rucksack mitführen lassen, besitzt man vor unerwarteten Regengüssen schon einen ausreichenden Schutz. Mit dieser Kleidung ist man für Flachland und Mittelgebirge im Sommerhalbjahr erst einmal gut ausgestattet; bei einer Winterwanderung wären mehr und dickere Schichten des Zwiebelprinzips notwendig. Bei der Auswahl der richtigen Schuhe, der Wanderstiefel, sollte man sich darüber im Klaren sein, auf welchen Wegen und in welchem Gelände man unterwegs sein möchte. Bewegt man sich nur auf „Forst-Autobahnen“ oder soll es auf schmalen Pfaden auch einmal „über Stock und Stein“ oder querfeldein gehen? Für Wege der erstgenannten Kategorie reicht der feste Halbschuh, während der Wanderprofi bei anspruchsvolleren Wegen den Schuh mit einem höheren Schaft bevorzugen wird, der mehr Knickstabilität gibt und auch den Knöchel beim Gang durch steiniges Gelände schützt. Eine griffige Profilsohle ist immer sinnvoll. Welcher Rucksack der „richtige“ ist, hängt erst einmal von der Länge der Wanderung ab. Plane ich gemütliche Tagestouren im Mittelgebirge oder soll es auf eine mehrtägige Wanderung auf einen Fernwanderweg - vielleicht noch mit Gepäcktransport - oder eine Trekkingtour durch die Wildnis gehen, das bestimmt die Größe bzw. das Fassungsvolumen des Rucksacks. Mit der Größe und der zunehmenden „Zuladung“ bekommen die Rucksäcke entsprechend mehr Tragekomfort, zum Beispiel durch stärker gepolsterte Träger und einen Beckengurt mit gepolsterten Hüftflügeln. Welches Modell bei gleicher Größe dann das richtige ist, lässt sich nur durch Ausprobieren mit Gewicht im Laden feststellen. Dann bekommt man eine Idee davon, ob er am eigenen Körper bei Belastung auch gut sitzt. Nicht zu verachten ist dabei die Tatsache besonders für Wanderinnen, dass es inzwischen auch Rucksäcke gibt, die extra der weiblichen Anatomie angepasst sind. Und was gehört in den Rucksack einer Tagestour hinein? Besagter Regenschutz, wenn man eigentlich bei schönem Wetter startet, eventuell ein Rucksacküberzug oder Plastiktüten für empfindlichen Inhalt (denn mit dem Regenschutz von Rucksäcken ist es meist nicht so weit her), Proviant und - weit wichtiger - ausreichend Getränke und ein Erste-Hilfe-Set, zu dem in entsprechenden Gebieten eine Zeckenzange gehören sollte. Ein Taschenmesser kann in verschiedenen Situationen gute Dienste leisten. Wanderkarte, Wanderführer und die technische Ausstattung, ohne die man sonst auch nicht aus dem Haus geht, gehören ebenfalls in den Rucksack für eine Halbtages- oder Tagestour. Die teils beachtlichen Preisunterschiede bei der Outdoorausrüstung können sehr wohl wesentliche Qualitätsunterschiede in Material, Verarbeitung und ausgetüftelten praktischen Details bedeuten. Eine Beratung von Fachleuten im Sportgeschäft lohnt sich meist, denn sie reduziert das Risiko von Fehlkäufen und <?page no="232"?> Praktische Tipps für den Selbstversuch 235 schlechten Erfahrungen draußen in der Landschaft. Eine wichtige Grundregel, egal wo man was gekauft hat, lautet: Vor einem Wanderurlaub alles zu Hause mit kleineren Touren schon einmal testen! Und grundsätzlich nur mit eingelaufenen Schuhen auf die Reise gehen! Websites Artikel über Wanderbekleidung von Ulrike Poller www.wanderforschung.de/ files/ wanderbekleidung-2-091233746803.pdf Tipps rund ums Wandern (auch mit Praxistipps) www.schoeneres-wandern.de/ Wanderbekleidung: Das 5-Schichten System www.vertraeglich-reisen.de/ produkte/ outdoor-5-schichten-system.php Hinweise zu Funktionskleidung www.wander-pfade.de/ waschen-pflegen/ funktionskleidung-waschen-impraegnieren 9.3 Die Wahl der Route Für den Wanderneuling ist es nicht unbedingt leicht, die Anforderungen einer Wanderung abzuschätzen. Genauso wichtig wie die Kilometerzahl sind die Höhenunterschiede, die im Aus- und Abstieg zu überwinden sind. Da kann man schließlich merken, dass das Abwärtsgehen auf steileren Wegen auch nicht „ohne“ ist, dass es die Knie sehr belasten kann. Wenn es, wie bei einer guten Tourenbeschreibung in bergigem Gelände üblich, ein Höhenprofil gibt, sollte man dieses genau studieren, denn es gibt eine Vorstellung davon, wie viele Höhenmeter zu überwinden sind und wie steil die Tour in einigen Abschnitten sein wird. Für die Dauer einer Tour - sollte nur eine Kilometerangabe zur Verfügung stehen - kann man Folgendes abschätzen: Drei, vier Kilometer schafft der Wanderneuling in einer Stunde, aber Genusswanderer, der sich auch die Zeit nimmt, etwas am Wegesrand oder in der Ferne genauer anzuschauen, wer fotografiert oder die gemütlichen Rastmöglichkeiten mit Waldsofa & Co nutzt, für denjenige für den die Muße zum Landschaftserlebnis dazugehört, der wird auch diese Zeit brauchen. Wer Wandern als sportliche Disziplin sieht oder sich auf <?page no="233"?> 236 Wandertourismus einer Fernwanderung befindet und eventuell ein Etappenziel bzw. ein vorgebuchtes Quartier erreichen muss, wählt ein schnelleres Tempo. In den Alpen, insbesondere wenn man vor einem schweizerischen Wegweiser steht, sollte man sich nicht über die Zeitangaben wundern. Die gelten für sportliche und an das Gelände wie die Höhen gewöhnte „Eingeborene“ - sie können für den Wanderneuling nur eine grobe Orientierung und eine Warnung sein, wenn die angegebene Zeit beispielsweise einen Acht-Stunden-Tag im Gelände verheißt. Das wäre für ihn vermutlich am Urlaubsbeginn und vielleicht noch frisch aus dem Flachland kommend eine Zwei-Tages-Tour! Nicht vernachlässigen sollte man die An- und Abreise zur Tour und gerade für Wanderneulinge könnte es wichtig werden, wo man sie im Notfall abbrechen kann und es Möglichkeiten gibt, wieder entweder zum Auto und Wanderparkplatz ( Kap 5.2.3) zurückzukommen oder mit dem ÖPNV die Heimfahrt anzutreten. Praxis Richtiges Verhalten in den Bergen [1] Vor jeder Tour die Bergerfahrung und körperliche Eignung aller Teilnehmer, auch Kinder, prüfen. Bergwandern verlangt oft Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. [2] Genaue Planung anhand von Tourenbeschreibungen und Landkarten. Auskünfte alpiner Vereine und Ortskundiger, zum Beispiel Hüttenwirte, können entscheidend helfen. [3] Auf die entsprechende Ausrüstung und Bekleidung achten. Vor allem feste hohe Schuhe mit griffiger Sohle und Regen- und Kälteschutzsind sehr wichtig. [4] Vor dem Aufbruch Weg und Ziel der Tour sowie den voraussichtlichen Zeitpunkt der Rückkehr dem Hüttenwirt bzw. Hotelier oder Freunden bekanntgeben. [5] Das Tempo den schwächsten Mitgliedern der Gruppe anpassen. Speziell zu Beginn der Wanderung ist auf langsames Gehen zu achten. Unbedingt andere Teilnehmer beobachten, damit Erschöpfung rechtzeitig erkannt werden kann. [6] Markierte Wege nicht verlassen. Große Vorsicht beim Begehen von steilen Grashängen, vor allem bei Nässe (Rutschgefahr). Besonders gefährlich ist das Überqueren von steilen Schneefeldern bzw. Gletschern. <?page no="234"?> Praktische Tipps für den Selbstversuch 237 [7] Keine Steine abtreten (Verletzungsgefahr für andere Bergwanderer). Steinschlaggefährdete Stellen einzeln, rasch und ohne anzuhalten passieren. [8] Wenn das Wetter umschlägt, Nebel einfällt, der Weg zu schwierig wird oder in schlechtem Zustand ist, umkehren. Das ist keine Schande, sondern ein Zeichen der Vernunft. [9] Tritt ein Unfall ein, Ruhe bewahren. Sollte man sich nicht selbst helfen können, durch Handy, Rufen, Lichtzeichen oder Winken mit großen Kleidungsstücken versuchen, Hilfe herbeizuholen. Ein Verletzter ist in der Regel am Unfallort zu belassen und darf niemals alleine gelassen werden. [10] Tier- und Pflanzenwelt schonen. Abfälle ins Tal mitnehmen. [11] Verhalten mit Tieren auf Almen: Kühe, Kälber, Schafe, Pferde usw. nicht reizen, sondern sich „ganz normal“ verhalten und keine Angst zeigen. Wege auf Almweiden nicht verlassen und Tiere mit großem Abstand umgehen. [12] Hunde unbedingt an der Leine führen. Der Hund darf keinesfalls auf die Weidetiere losjagen, besonders Mutterkühe bangen um ihre Kälber. Sollte allerdings ein Weidetier den Hund attackieren, diesen zum eigenen Schutz einfach laufen lassen. Alpiner Notruf: 140 (Österreich) Internationaler Notruf: 112 Quelle: SALZBURGERLAND TOURISMUS UND AMT DER SALZBURGER LANDESREGIERUNG (HRSG.) (2005): Salzburger Wander- und Bergwegekonzept. Ohne Verlag, Hallwag 9.4 Mehr als Blasen - Was man beim Wandern falsch machen kann Ein im wahrsten Sinne des Wortes grundlegendes wie schwerwiegendes Problem sind nicht eingelaufene oder nicht passende Wanderschuhe. Auch wenn man sich auf Anhieb im Laden in den neuen Schuhen wohlfühlt, bedeutet das nicht unbedingt eine schmerzfreie erste Wanderung. Der Schuh muss sich noch an den Fuß anpassen und dies braucht mehr oder weniger viel Zeit. Es empfiehlt sich, die neuen Schuhe im Alltag bei kurzen Gängen erst einmal zu tragen und dann die Dauer des Gehens zu steigern, bis man das Gefühl be- <?page no="235"?> 238 Wandertourismus kommt, es könnte mit der ersten Halbtagestour in der Landschaft klappen. Beim Bergabwärts-Gehen kommt es zur Stunde der Wahrheit, wenn die neuen Schuhe nicht passen oder vielleicht auch nicht fest genug geschnürt wurden. Stoßen die großen Zehen vorne in den Schuhkappen an, können sich im schlimmsten Fall schmerzhafte Blutergüsse unter den Zehennägeln entwickeln. Falsche oder unpassende Bekleidung kann den Wandergenuss ebenfalls mindern und eventuell für eine ordentliche Erkältung oder Unterkühlung mit Problemen für den Bewegungsapparat sorgen. „Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Bekleidung“ ist eine uralte Weisheit unter Wanderern, die unverändert gilt. Schließlich sind die Möglichkeiten von Funktionskleidung ( Kap. 9.2) heutzutage gut, dies zu vermeiden, wobei sich dann die Spreu vom Weizen, d. h. die Billigware vom Discounter von der teureren der spezialisierten Marken, trennt. Am weitesten kommt man, wenn man sich daran orientiert, sich mit gleicher Anstrengung vorwärts zu bewegen, aber nicht unbedingt mit gleichem Tempo. Das bedeutet beim Anstieg, einen „Gang herunterzuschalten“ und mit langsameren und kleineren Schritten - aber mit einer ähnlich empfundenen Belastung für den Körper - weiterzuwandern. Beim flotten Bergabgehen kann es zu einem übermäßigen Strapazieren der Kniegelenke kommen, Wanderstöcke helfen in diesem Fall, die Kräfte, die auf die Gelenke wirken, etwas abzuleiten und sie fördern beim Bergwandern in unwegsamerem und steilerem Gelände die Trittsicherheit und das Gleichgewicht. So BRÄMER (8/ 2014): „Eingehend hat sich der Salzburger Sportmediziner Hermann Schwameder (1999, 2005) damit befasst. Der Skisport-Spezialist stellte beim Bergabgehen in einem 25 Grad (entsprechend 47 %) steilen Gelände beim Doppelstockeinsatz eine Reduzierung der Vertikalkräfte bei Bodenberührung von 12 bis 25 % fest. Dazu trug neben dem krückenähnlichen Hochdrücken des Körpers mit Hilfe der Stöcke auch die stärker nach vorne gebeugte Körperhaltung bei. Unter diesen fast schon alpinen Bedingungen spielt aber auch die Schrittgeschwindigkeit und dabei wiederum die Schrittlänge eine maßgebliche Rolle. Mit oder ohne Stöcke sind in jedem Fall ruhige, kleinschrittige Abstiege zu empfehlen.“ Zu den subjektiven Gefahren können sich zu hohe Erwartungen, ein falscher Ehrgeiz und körperliche Überforderung entwickeln, die beim Wandern vor allem im Hochgebirge riskant werden können. <?page no="236"?> Praktische Tipps für den Selbstversuch 239 Praxis Ein guter Ratschlag von Fritz Moravec Fritz Moravec (1922-1997), österreichischer Alpinist, Expeditionsbergsteiger und 1962 Gründer der Hochgebirgsschule Glockner-Kaprun der Naturfreunde Wien vermittelte schon in seinen Kinder- und Jugendkursen: „Den größten Mut beweist Du im Hochgebirge, wenn Du eine Tour abbrichst und umkehrst, bevor es gefährlich wird! “ Ein guter Ratschlag, den die Autorin 1970 erstmals hörte. Ein Schlechtwettereinbruch, plötzliche körperliche Probleme, der Verlust/ Schaden an Ausrüstung oder anderes können das Umkehren zur einzigen vernünftigen Reaktion werden lassen. Literatur BRÄMER, R. (2014): Entlasten Wanderstöcke die Gelenke? Studien relativieren gängige Überzeugungen. In: Wandern als Natur- und Selbsterfahrung. Studien zum sanften Natursport. (Wanderforschung.de, 8/ 2014 (PDF)) 9.5 Die Geheimnisse einer topographischen Karte Die altmodische Methode, sich auf eine Tour vorzubereiten und sich auch im Gelände sicher zu orientieren, ist die Beschäftigung mit der entsprechenden topographischen Karte. Dieses Blatt Papier gibt immer Auskunft, kennt kein Funkloch oder streikt wegen eines leeren Akkus! Das Problem für den Ungeübten ist es jedoch, eine solche Karte nicht richtig lesen zu können, die Fülle der Informationen zu einem zutreffenden Landschaftsbild zusammensetzen zu können bzw. sich mit Hilfe einer solchen zweidimensionalen Darstellung ein Bild von einer Landschaft mit ihren Höhen und Tiefen, markanten Punkten und anderen eindeutigen Orientierungshilfen zu machen. Doch das lässt sich ohne Weiteres lernen und eröffnet noch neue Horizonte! Eine Starthilfe sollen die folgenden Ausführungen geben. Für eine Wanderung bietet eine topographische Karte 1: 25.000 - auch kurz „Top Karte“ oder im Branchenjargon noch kürzer „TK 25“ genannt - den richtigen Maßstab. Die Zahlenkombination besagt, in welchem Verhältnis ein Zentimeter auf der Karte zu der zweiten Angabe in der Natur steht. Die einfache Rechnung bei einer TK 25: Einem Zentimeter in der Karte entsprechen 25.000 Zentimeter in der Natur, d. h. einer Strecke von 250 Metern. Weiter in der „hohen“ Mathematik: Vier <?page no="237"?> 240 Wandertourismus Zentimeter auf der TK 25 bedeuten eine Entfernung von einem Kilometer Luftlinie in der Landschaft. Beim Blick auf eine TK 25 eines Wandergebietes fallen in der Regel, geht man einmal von einem Mittelgebirge unserer Breiten aus, die ausgedehnten grünen Flächen auf, d. h. die Wälder. In diesen Flächen finden sich stets kleine schwarze Zeichen - Signaturen - für die Art des Baumbestands, z. B. Laub- oder Nadelwald. Bei den weißen Flächen zwischen den Wäldern auf der Karte sollte man nun nicht annehmen, dass es hier in der Landschaft nicht auch grün wäre. Meist sind es Felder, Wiesen und Weiden, also auch ein genauso schönes Gelände zum Wandern! Durch die grünen und weißen Flächen des Kartenbilds zieht sich das Wegenetz, bei dem durch die Kombination unterschiedlicher Striche angegeben wird, wie der jeweilige Weg ausgebaut ist, ob es sich beispielsweise um eine Landstraße, um einen asphaltierten Feldweg oder um einen nicht befestigten Waldweg handelt. Den zu erwartenden Gehgenuss oder unerfreuliche „Asphalt-Latscherei“ kann man hier schon einmal abschätzen und ohne Schaden nach Alternativen suchen. Um eine realistische Vorstellung von der Landschaft und den zu erwartenden Anstrengungen einer Wanderung zu bekommen, sollte man mit kritischem Blick auf die unzähligen braunen Linien im Kartenbild schauen. Diese braunen Linien in unterschiedlicher Darstellungsweise sind Höhenlinien, die ziemlich detailliert das Relief einer Landschaft wiedergeben. Verlaufen die dicksten braunen Linien parallel und eng, hat man in diesem Bereich einen steileren Hang zu erwarten. Sind die kräftigen braunen Linien weit auseinandergezogen und gibt es dazwischen noch gestrichelte braune Linien, steigt das Gelände hier nur sanft an. Die braunen Zahlen in den Höhenlinien sind stets so abgedruckt, dass sie mit ihrem oberen Teil in Richtung des Anstiegs zeigen. Deshalb stehen diese Zahlen kreuz und quer und oftmals auch auf dem Kopf! Wo an steilen Talhängen Felsen an der Oberfläche zu sehen sind, stellt man dies anschauliche schwarze Schraffen dar. Eine gute Orientierungshilfe, bei der sich das Kartenbild mühelos auf die Landschaft übertragen lässt, ist das immer blau eingetragene und auch in dieser Farbe beschriftete Gewässernetz. Wenn man einen Bach überquert, merkt man dies schließlich und kann so seinen Standort in der Natur punktgenau feststellen. Sicherlich am leichtesten sind für den Karten-Laien die Eintragungen von Siedlungen und Einzelgebäuden zu verstehen. Die historischen Kerne von Kleinstädten und Dörfern erkennt man meist gut an der dichtesten Bebauung oder auch am Standort der Kirche. Nach alter Tradition wird man spätestens hier <?page no="238"?> Praktische Tipps für den Selbstversuch 241 hoffentlich noch auf das geöffnete Gasthaus und seine Einkehrmöglichkeit stoßen! Gute Wanderkarten, d. h. die überarbeiteten topographischen Karten der Landesvermessungsämter, bieten auch Informationen zur touristischen Infrastruktur dieses Gebiets. Der Verlauf markierter Wanderwege ist mit den Wegezeichen/ Symbolen, die man auch im Gelände findet, eingetragen. Sehenswürdigkeiten in der Landschaft, wie zum Beispiel Hügelgräber, Burgruinen und Mühlen, oder auch Einkehrmöglichkeiten außerhalb von Siedlungen werden dargestellt. In den Orten sind nützliche Hinweise die Lage von Tourismusinformationen, Bahnhöfen oder größeren Parkplätzen, von denen aus man seine Tour starten könnte. Wenn diese und andere Punkte nicht mit eindeutigen Bezeichnungen angegeben sind, gibt die Legende einer Karte Auskunft über die Bezeichnung von Signaturen, die sich nicht selbst erklären. Eine gute Wanderkarte wird auf ihrer Rückseite noch zusätzliche Informationen über Flora und Fauna der Landschaft, Gemeinden und Sehenswürdigkeiten und vielleicht auch noch eine Beschreibung der wichtigsten Wanderrouten bieten, so dass die Auswahl leichter fällt. Recht nützlich ist auch eine kleine Vorstellung des lokalen/ regionalen Wandervereins, bei dem man kompetente Ansprechpartner zum Wandern in diesem Gebiet finden kann. Literatur WILHELMY, H. ( 1996): Kartographie in Stichworten. Überarb. Auflage von A. Hüttermann und P. Schröder. Ferdinand Hirt, Zug. Website Wissenswertes zum Umgang mit Karten www.wanderbares-deutschland.de/ kartenkunde Zusammenfassung Notfallnummern der Wanderregion und allgemeine Notsignale sollte man kennen und die Telefonnummern im Handy abgespeichert haben. <?page no="239"?> 242 Wandertourismus Für die Bekleidung bewährt sich das „Zwiebelschalenprinzip“. Funktionskleidung mit ihren besonderen Fähigkeiten, den Schweiß durchzulassen und die Körperwärme zu bewahren, erhöht das körperliche Wohlbefinden auf der Tour. Passende und eingelaufene Wanderschuhe sind das A und O. Wenn Wanderneulinge auf den Rat „alter Hasen“ hören, ersparen sie sich so manche schlechte Erfahrung! Eine topographische Karte ist kein Buch mit sieben Siegeln, sondern eine exakte wie detailreiche zweidimensionale Wiedergabe der Landschaft, mit der man sich mit etwas Übung hervorragend im Gelände orientieren kann. Kein Funkloch oder leerer Akku können stören und der Horizont ist dank des größeren Kartenbilds auch weiter. <?page no="240"?> Literaturauswahl BAUSINGER, H.; BEYRER, K.; KORFF, G. (Hrsg.) (1991): Reisekultur. Von der Pilgerfahrt zum modernen Tourismus. C. H. Beck, München. BECKER, C.; HOPFINGER, H.; STEINECKE, A. (2007): Geographie der Freizeit und des Tourismus. Bilanz und Ausblick. 3. Aufl. Oldenbourg, München. BIEGER, T.; BERITELLI, P. (2013): Management von Destinationen. 8. Aufl., Oldenbourg, München. BRÄMER,R. (2007): Gesundheitsstudie Wandern. Daten. Fakten. Perspektiven. PDF Deutsches Wanderinstitut (gesundstudwan1220020910.pdf). BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (Hrsg.) (2010): Grundlagenuntersuchung Freizeit- und Urlaubsmarkt Wandern. Forschungsbericht Langfassung 2. Aufl., Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLOGIE (Hrsg.) (2014): Tourismusperspektiven in ländlichen Räumen. Handlungsempfehlungen zur Förderung des Tourismus in ländlichen Räumen, Berlin. (auch als PDF unter www.bmwi.de) CAUCCI VON SAUKEN, P. (Hrsg.) (2003): Santiago de Compostela. Pilgerwege. Weltbild, Augsburg. DEUTSCHER TOURISMUSVERBAND (DTV)/ DEUTSCHER WANDER- VERBAND (DWV) (2002): Wanderbares Deutschland. Praxisleitfaden zur Förderung des Wandertourismus. 2. Aufl., Bonn/ Meckenheim. DEUTSCHE ZENTRALE FÜR TOURISMUS (Hrsg.) (2015): DZT Jahresbericht 2014. Rekorderlebnis bilanzieren, Markenpositionierung schärfen, Prognose entwickeln, Berlin. (auch als PDF unter www.germany.travel) DREYER, A.; MENZEL, A.; ENDRESS, M. (2010): Wandertourismus. Kundengruppen, Destinationsmarketing, Gesundheitsaspekte. Oldenbourg, München. FUCHS, W.; MUNDT, J.; ZOLLONDZ, H-D. (2008): Lexikon Tourismus. Destinationen, Gastronomie, Hotellerie, Reisemittler, Reiseveranstalter, Verkehrsträger. Oldenbourg, München. HARTMANN, R. (2014): Marketing in Tourismus und Freizeit. UVK Lucius, München (UTB 3973). KNOLL, G. (2006): Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. KÖNIG, G. (1996): Eine Kulturgeschichte des Spaziergangs. Spuren einer bürgerlichen Praktik 1780-1850. Böhlau, Wien. <?page no="241"?> 244 Literaturauswahl METTERNICH, W. (2012): 1200 Jahre Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt. MOSE, I. (1988): Sanfter Tourismus im Nationalpark Hohe Tauern. Probleme und Perspektiven im oberen Oberpinzgau (Land Salzburg). VGA. Vechtaer Arbeiten zur Geographie und Regionalwissenschaft, Band 6. Vechtaer Druckerei und Verlag, Vechta. MÜLLER, H. (2007): Tourismus und Ökologie. Wechselwirkungen und Handlungsfelder. 3. Aufl., Oldenbourg, München. NEUMEIER, S.; POLLERMANN; K. (2011) Ländlicher Tourismus als Chance? Möglichkeiten und Grenzen der Förderung von ländlichem Tourismus am Beispiel eines Modellvorhabens. 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Ferdinand Hirt, Zug. <?page no="242"?> Stichwortverzeichnis 1000-Mark-Sperre 108 A Abfälle 225, siehe Müllbehälter, Müllerziehung und Papierkörbe Abkürzungen 226 Aktivitätsstationen 153 Allgäuer Wandertrilogie 208 Alpen 20 Alpen-Club, Schweiz 27 Alpenverein(e) 26, 32 Deutschland 27 Österreich 26, 27 Alpine Club 26 Perlen 111 Altersgruppen 44 American Alpine Club 27 Angebotsinszenierung auf regionaler Ebene 84 Angst 190 Anorak 233 ästhetische Dimension 20 Ausbildung 218 Ausrüstung 77, 233 Authentizität 74-76, 84, 130, 215, 225, 229 B Baden-Württemberg 33, 48, 88, 91, 94-95, 174, 218 Bayern 45, 66, 68, 94-95, 142, 164 Beschilderung 115 Besucherlenkung 133, 170 Birlenbach-Fachingen 138, 140 Bramberg 83, 107 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) 141 Bundeswaldgesetz (BWaldG) 141 Burren 124, 125 National Park (Beispiel) 126 C Club Alpin Français 27 Alpino Italiano 27 Arc Alpin 112 Corporate Design 157 D Demenz 191 Depressionen 190 Destination, Definition 97 Deutsche Wanderjugend (DWJ) 48 Deutscher Wanderverband (DWV) 194 <?page no="243"?> 246 Stichwortverzeichnis Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) 86 Deutsche Jakobus Gesellschaft 214 Deutscher Tourismusverband (DTV) 168 Deutscher Wandertag 35, 102 Deutscher Wanderverband (DWV) 47, 77, 102, 167-168, 171, 174, 180 Deutscher Winterwandertag 103 Deutsches Jugendherbergswerk 32 Deutsches Wanderinstitut 149, 174 Deutsches Wandersiegel 174, 176, 184 Diabetes 192 Didaktik 144 Dramaturgie 144 Draußenschule 47 Draußentage 48 E Einkaufsverhalten 78 Erholungswert 141 Erlebnisqualität 75, 174, 179 Erlebniswert 175, 177 Europa-Wanderhotels 74 European Destination of Excellence 127 Expedition 57 F Familienspaß 197 Familienwanderwege 122 Familienwanderweg Venedigerweg 197 Farbmarkierung 112 Fernwanderung 17 Fernwanderweg 56 Fernziele 154 FFCAM (Fédération française des clubs alpins et de montagne) 27 Finanzierung 112 Flachland 54 Fördermöglichkeiten 146 Frankenwald 183 Führungen 21 Funktionskleidung 233 G Gastronomie, wanderfreundlich 173 Genusswandern 55 Geocaching 211 Geopark 126 Gepäcktransport 173 Geselligkeit 95 Gestaltung 160 Gesundheitswandern Gewässer 72 Gommer Höhenweg 184 GPS-Geräte 211 Great Walks 133 Großvenediger 207 <?page no="244"?> Stichwortverzeichnis 247 Grundlage erfolgreicher Lenkungsmaßnahmen 67 H Handwerkerwanderungen 14 Hausierer 15-16 Heimat- und Wanderakademie Baden-Württemberg 48 Herz und Kreislauf 191 Himmelsstürmer, Route 210 Hochgebirge 55 Hohe Tauern 107, 163 Höhenlinien 240 Höhenparameter 54 Höhenunterschiede 235 Höhenweg Pforzheim-Basel 33 Hol- und Bringservice 160, 173 Hütten 29 I Imageträger 155 Immaterielles Kulturerbe der Bundesrepublik Deutschland 15 Immunsystem 192 Informationsquelle 87 Informationstafeln, Inhalt und Gestaltung 206 Infrastruktur 144, 160 Instandhaltung 147 Intention 55 Irland 124 J Jakobsmuschel 216 Jakobsweg(e) 17, 19, 213 Jedermannsrecht (Norwegen) 123 Johann Wolfgang von Goethe 110 Jugendherberge 26, 31 Kanada 132 Kaufleute 15 Kernkriterien 169 Kerry Way 128 Kilometerangabe 235 Kinderwandern 200, 203 Klimawandel 62 Kriterien 172 Kriterienkatalog 180 Kulturlandschaft 218, 223 Kulturlandschaft, historische 229 L Lage 160 Lahnwanderweg 151 Landkarten 239, 241 Ländlicher Raum 82 Landschaftsästhetik 71 Landschaftsgarten, englischer 24 Landschaftspark 24 Landschaftsplan 142 Landschaftswahrnehmung 21 Langsamverkehr 118 Lebensstilgruppen (acht) 92 Legende 241 Lehrwanderung 58 Lenkungsfunktion 155 <?page no="245"?> 248 Stichwortverzeichnis Logo 149 Lustwandeln 24 M Marketing der deutschen Landesmarketingorganisationen 88 Marketingziele 160 Markierungen 150 Markierungsträger 151 Maßstab 239 Mecklenburg-Vorpommern 45, 88, 94-95 Mehrtageswanderung 54 Membranjacken 233 Milford Track 133 Mittelgebirge 54, 71 Mittelrheintal 179 Mobiliar 148, 158-159, 209 siehe auch Möblierung Mobilität 111 Mobilitätsangebote 111 Mobilitätskonzept 228 Möblierungen der Landschaft 161 Mortalität 192 Motivation 55 Müllbehälter siehe Papierkörbe Müllerziehung 163 Mund-zu-Mund-Propaganda 131 Mutterkühe 117 N NABU-Rundwanderweg 138 nachhaltiger Tourismus 227 Nachhaltigkeit 76, 227 Nachhaltigkeit, ökologisch 229 Nachhaltigkeit, ökonomisch 125, 229 Nachhaltigkeit, sozial 229 Nassau, Naturpark 138 National Scenic Trail 132 National Trail System Act 132 National Waymarked Way Advisory Committee (NWWAC) 124 Nationalpark 125 Nationalpark Hohe Tauern 110 siehe Hohe Tauern Nationalparks 208 Natur 24 Natur- und Landschaftsführer 218 Naturfreunde 29, 32 Internationale 29 Naturlandschaft 223 Naturschutz 225 Neukirchen am Großvenediger 107, 207 Neuseeland 133 Norwegen 89, 120-123, 135 Notfall 232 O Oberpinzgau 108 Obersulzbachtal 199 ökonomische Effekte 79 ÖPNV 154, 159, 160, 174, 182 <?page no="246"?> Stichwortverzeichnis 249 Ortsangaben 154 Ostalpen 107 Österreich 26-32, 74, 107, 219, 221, 228, 239 österreichisches Wandergütesiegel 185, 187 Outdoor -Ausrüstung 234 -Bekleidung 77 P Pacific Crest Trail (PCT) 132 Panoramatafel 157 Papierkörbe 153, 160 Parkplätze 159 Pfeilwegweiser 154 Pilgerausweis 214 Pilgern 17, 212 Pilgerreise 18 Pilgertasche 18 Portugal 85, 130-131 PremiumWanderWelten 176 Premiumweg 167, 174-175, 184 Nette Seen 177 Rheinsteig 179 Produktgestaltung 97 Profilstudie Wandern 50 Promenade 23 Q Qualität 167 Qualitätsgastgeber „Wanderbares Deutschland“ 73 Qualitätskriterien 169 Gastgeber 182 Service für den Wanderer 182 Wege und Besucherlenkung 181 Qualitätsregion „Wanderbares Deutschland“ 167-169, 172, 180-181 Qualitätsregionen 180 Quellgebiete 77 R Ranger 217, 219 Ranger von Wald und Holz NRW 220 Ranger-Ausbildung 219 Reisegepäck 14 Rennsteig 34 Rennsteigverein 34 Reservierungsservice 173 Rheinland-Pfalz 89, 99, 141, 149 Rheinromantik 21 Robby-Dogisierung 161 Rothaarsteig 151 Routenführung 143 Routenwahl 235 Rucksack 234 Rundbzw. Streckentour 54 S Santiago de Compostela 17 Sauerland 98 Sauerländischer Gebirgsverein 48 Schirrmann, Richard 31 <?page no="247"?> 250 Stichwortverzeichnis Schleswig-Holstein 44-45, 88, 94 Schuhe 234, 235 Schulwanderführer, zertifiziert 48 Schulwandern 26, 47-48 Schulwanderportal 48 Schwäbischer Albverein 48 Schweiz 115, 184 Signalisation 115 Signaturen 240 Sitzbänke 158 Smaragdweg 83, 110, 207 Sommerfrische 108 Sonntagsspaziergang 24 Spazierengehen 23, 38, 39, 57 Spazierwandern 25, 40 Standortschilder 151 Stempelsammeln 197 Storytelling 186, 208 Südwestfalen 220 T Tafelwegweiser 154 Themenjahre 87 Themenmarketing 60 Themenwanderungen 58, 110 Themenwege 157, 205 Thüringen 33, 94-95 Tipps für Planung und Durchführung 201 Top Trail of Germany 179 topographischen Karte 239 Tourenportal 182 Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg 88 Touristenverein ‚Die Naturfreunde‘ 29 Tourist-Informationen 154, 155, 181, 183 touristische Leistung 97 Trekkingtour 57 Trends 59 U Übergewicht 192 Übernachtungsbetrieb, wanderfreundlich 173 Umwelterziehung 131 Unique Selling Proposition (USP) 96 Uteskole 47 V Venedigerweg 199 Verbreiterung der Wege 225 Verkehrszeichen 151 Vermarktungslogos 149 Verschönerungsverein 108 W Wahlkriterien 170 Wald 72, 142 Waldbesitzer 143 Waldliege 158 Waldsofa 158 Walz 13 Wanderarten 54 <?page no="248"?> Stichwortverzeichnis 251 Wanderbares Deutschland 169, 172, 180-181, 202 Wanderbetrieb 187 Wanderdestination 71 Wanderdorf 187 Wanderdörfer 73-74 Sauerland 75, 183 Wanderer während des Urlaubs 95 Wandererlebnis 175, 185 wanderfreundlicher Gastronomiebetrieb 173 Übernachtungsbetrieb 173 Wanderfrust 51 Wanderführer 173 Wandergastronomie 73, 75 Wanderheimen 29 Wanderhotels 73 Wanderhotels - best alpine 74 Wanderinformationstafel 154, 155, 157 Wanderintensität 43 Wanderkleidung 233, 238 Wanderleitsystem 170 Wanderlieder 26 Wanderlust 52 Wandermarkt, deutscher 180 Wandern Ausrüstung 77 Dauer 39, 95 Definition 38 Gesamtwandern 43 hochalpin 56 Karten 241 Kleidung 233 kognitive Effekte 190 medizinische Sicht 189 mit Hund 204 objektiven Gefahren 55 Physis 191 Präferenzen 45 Psyche 190 regionale Unterschiede 44 Schwierigkeitsgrade 114-121 Soziodemographie 46 sportlich 55 subjektive Gefahren 55 Tipps für Planung und Durchführung 201 Trends 59, 60 Umfeld 116 Wirtschaftsfaktor 77 wandernder Tagesgast 94 Wanderneulinge 231 Wanderparadiese 107 Wanderparkplätze 159 Wanderpauschale 98 Wanderportal 159 Wanderpsychologie 174 Wanderregion 186 Wanderschuhe 237 Wandersiegel 167 Wanderstöcke 238 <?page no="249"?> 252 Stichwortverzeichnis Wanderstudie Jugend 2007 51 Wandertage, in der Schule 47 Wandertaxi-Service 160 Wandertrilogie Allgäu 210 Wanderung, Dauer 39 Wandervereine 152 Wandervogel 52 Wandervogelbewegung 30 Wanderwege 137 Bau und Pflege 147 Markierungen 149 Planung 146 Wanderwege Abkürzungen 226 Ausschilderung 207 Bau 147 Bestätigungszeichen 151 hungegerecht 204 kindergerechte 203 Leitfaden Rheinland-Pfalz 149 Logo 151 Markierungen 149 Markierungsdichte 151 Mobiliar 158 Pflege 148 Planung 141 Sichtmarkierung 150 Wegeformate 170 Wegepaten 152 Wanderwegschilder 112 Wasserläufer, Route 210 Wegeführung 137 Wegemanagement 33 Wegenetze 84 Wegepaten 152 Wegerecht 29 Weltkulturerbe 19 Westweg 32 Wiesengänger, Route 210 Wildkatzen Walderlebnis 203 Wildkogel (Arena) 107, 110 Winterangebote 109 Wintereinstandsgebiete 65 Winterwandern 62 Ausrüstung 63 Z Zeitangaben 236 Zertifizierung 169, 172, 174-175, 197, 202 Europa 184 Zielgebiete 78, 94 Zielgruppe 92 Zuweg 151 Zweitälerland im Schwarzwald 183 Zwiebelschalenprinzip 233 <?page no="250"?> Thomas Cook stammte aus einfachen Verhältnissen. Seine Geschichte ist deswegen eng mit der der arbeitenden Klasse im England des 19. Jahrhunderts verknüpft. Durch perfekt organisierte Reisen ermöglichte er vielen Menschen eine kurze Flucht aus dem Alltag, der durch harte Arbeit, beengte Wohnverhältnisse und allzu oft auch durch Alkohol geprägt war. Auf geschickte Art und Weise legte er dadurch den Grundstein für ein bereits zu seinen Lebzeiten multinationales Unternehmen und ebnete dem Massentourismus den Weg. Diese Biographie stellt die Person und die widrigen Lebensumstände vor, aus denen sein touristisches Geschäftsmodell und damit auch eine eindrucksvolle Unternehmerkarriere entstanden ist. »[…] ein gut zu lesendes und bestens recherchiertes Werk« berliner-kulturbrief.de »Jörn W. Mundt gelingt der Spagat zwischen spannender Reiselektüre und historischen Fakten.« aus-erlesenes-aus-aller-welt.de »Man fühlt sich glänzend unterhalten« DIE WELT »Jörn W. Mundt hat Cooks Leben sehr genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis präsentiert er in einem spannenden und lebendigem Sachbuch, das dabei detailreich und anschaulich ist.« rtf1.de ISBN 978-3-86764-496-9 € (D) 19,99 Biographie einer Tourismuslegende www.uvk.de <?page no="251"?> www.utb-shop.de Mit Best-Practice- Beispielen Albrecht Steinecke Filmtourismus 2016, 225 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4617-4 Wer kennt sie nicht - faszinierende Drehorte aus Kino und Fernsehen. Sie haben oft touristisches Potenzial. In den USA, in Großbritannien und in Asien sind Kooperationen von Film- und Tourismusakteuren deswegen längst an der Tagesordnung. Hierzulande steckt der Filmtourismus hingegen noch in den Kinderschuhen. Dieses Buch vermittelt das filmtouristische Basiswissen: Es beleuchtet die Motive und Erwartungen von Filmtouristen, geht auf die vielfältigen Effekte des Filmtourismus auf die Destinationen ein und verrät darüber hinaus, was Destinationsmanager vor den Dreharbeiten und nach dem Film unbedingt tun sollten. Mit zahlreichen Beispielen aus dem In- und Ausland sowie Checklisten das ideale Buch für Studium und Praxis. <?page no="252"?> www.uvk.de Wolfgang Fuchs, Natalie Audrey Balch Die Kartenmacher Speise- und Getränkekarten richtig gestalten 2016, 192 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-581-2 24,99 € Das Must-have für erfolgreiche Gastronomen und Hoteliers In Deutschland gibt es mehr als 220.000 gastgewerbliche Betriebe. Sie erwirtschaften Jahr für Jahr Milliardenumsätze. Der Speise- und Getränkekarte kommt dabei eine wichtige Rolle zu. Sie ist nicht nur das Aushängeschild, sondern ermöglicht darüber hinaus, den Gast zu überraschen und zu überzeugen. Das Potenzial der Karte nutzen allerdings wenige Gastronomen und Hoteliers voll aus. Dieser Ratgeber vermittelt prägnant, welche Möglichkeiten und Chancen Speise- und Getränkekarten bieten. Der erste Teil des Buches verschafft Ihnen eine Wissensbasis und ordnet die Karte geschichtlich, betriebswirtschaftlich sowie technologisch und rechtlich ein. Der zweite Teil zeigt leicht umsetzbar auf, worauf Sie bei Design, Inhalt und Formalia achten sollten - mit zahlreichen Tipps und Beispielen. Im dritten Teil können Sie Ihr Wissen in einem Test auf die Probe stellen und durch ein umfangreiches Glossar Ihr gastronomisches Vokabular festigen. <?page no="253"?> Kostenloser Versand innerhalb Deutschlands ab 10,00 € Bestellwert 2 Wochen Rückgaberecht Schnelle Retourenabwicklung © erikreis iStockphoto LP Alles unter www.utb-shop.de Studienliteratur - wie und wann ich will gedruckte Lernmedien von Lernbüchern bis Lernposter aus über 30 Fachbereichen Online-Zugang Bücher in digitaler Form online lesen und nutzen ePUB das Format für mobile End- und Lesegeräte Apps & Downloads Lernhilfen zur Wissensvertiefung kostenloses Zusatzmaterial frei verfügbare Zusatzmaterialien zu über 500 Titeln online