Recht des geistigen Eigentums
Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht
0813
2018
978-3-8385-4600-1
978-3-8252-4600-6
UTB
Matthias Pierson
Thomas Ahrens
Karsten Fischer
Erfahrene Experten aus Wissenschaft und Praxis legen eine umfassende, praxisnahe und wissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung des Gewerblichen Rechtsschutzes (insbesondere Patente, Marken und Design), des Urheberrechts und des Wettbewerbsrechts (UWG) vor.
Das Werk enthält zudem eine ausführliche Darstellung der Grundlagen des geistigen Eigentums sowie der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. Es erscheint in vierter Auflage und ist topaktuell.
Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 0000 UTB (L) Impressum_18.indd 1 22.05.18 09: 19 u t b 4 6 0 0 Prof. Dr. iur. Matthias Pierson ist Inhaber einer Professur für Wirtschaftsprivatrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht an der Fakultät Recht / Brunswick European Law School ( BELS ) der Hochschule Braunschweig / Wolfenbüttel. Patentanwalt Dipl.-Phys. Thomas Ahrens, ehemals Leiter Patente, Marken, Lizenzen der Volkswagen AG , Wolfsburg, ist Patentanwalt und Mediator in Braunschweig. Patentanwalt Dipl.-Geol. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. Karsten R. Fischer ist Director IP Legal, Domains & Licenses der TUI AG. Matthias Pierson, Thomas Ahrens, Karsten R. Fischer Recht des geistigen Eigentums Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht 4. Auflage A. Francke Verlag Tübingen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leider kann keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte übernommen werden. Das Werk kann und will die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany utb-Nr. 4600 ISBN 978-3-8385-4600-1 5 Inhalt Inhalt Vorwort zur 4. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums . . . . . . . . . 37 § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Die beiden Hemisphären zum Schutz des geistigen Eigentums: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Zum Begriff des Immaterialgüterrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. „Konjunktur“ und Herausforderung des geistigen Eigentums im Zeitalter der neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Schutz geistigen Eigentums im Zeitalter der Globalisierung . . . . . . . . . . . . 41 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick . . . . . . . . 42 I. Der Schutz technischer Erfindungen: Patent- und Gebrauchsmusterrecht . 42 1. Patentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Gebrauchsmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Der Schutz von Leistungen im Bereich des Designs: Designschutzrecht . . . 44 III. Der Schutz von Kennzeichen: Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Spezialmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes: Topographieschutz und Sortenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Halbleiterschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 V. Der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb: Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht i. e. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 VI. Der Schutz vertraulicher Informationen: Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . 47 VII.Der Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst: Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Gesetzliche Grundlage und Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Urheberrecht im Informationszeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Ausgangspunkt: Das Streben nach technischem Fortschritt und Ausdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Antike und Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Privilegienwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Die Theorie vom geistigen Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert / Reichsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 54 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6 Inhalt I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Beschränkter Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Staatsverträge zum Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Pariser Verbandübereinkunft ( PVÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Sonderabkommen zur PVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. WIPO -Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5. TRIPS -Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Rechtssetzungskompetenz der EU im Bereich des geistigen Eigentums . 64 2. Formen des Rechts der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Einheitliche Gemeinschaftsschutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Zentrale Kategorien geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Entdeckung als Grundlage eines Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Wissenschaftliche Theorien und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Technische Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Nicht-technische Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen . . . . . . . . . . . 77 V. Kategoriale Erfassung der Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 VI. Ergebnisse geistigen Schaffens und normativ-rechtliche Ausgestaltung . . . 79 1. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . . . 84 I. Verfassungsrechtliche Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Das Recht des geistigen Eigentums als Teil des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . 85 1. Zuordnung zum Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Nebengebiete des bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Kennzeichenschutz außerhalb des Markengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Bezüge zum Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Verwaltungsrechtliche Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Straftat- und Bußgeldtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Allgemeine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 7 Inhalt 1. Technische Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Designrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Die traditionelle Bedeutung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Kapitel. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Kapitel. Patentschutz in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Patentierbare Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Technizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Ausschluss von der Patentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden 101 4. Biotechnologische Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Gewerbliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Stand der Technik (SdT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Vorveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Ältere Anmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Durchschnittsfachmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IV. Erfinderische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 § 10 Recht auf das Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Erfinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Erfinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IV. Berechtigter vor den Patentbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Verfahren vor dem DPMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Verfahren vor dem BP atG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Verfahren vor dem BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Zur Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Fristen, Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8 Inhalt 2. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Schriftlichkeit, Elektronische Dokumente und Elektronische Akte . . . 118 5. Patentregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Patentanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Anmeldetag und Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetags . . . . . . . . . 122 2. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Teilanmeldung, Ausscheidung und Zusatzpatent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Teilanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Ausscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Zusatzpatent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Erteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Offensichtlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Recherchebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Vollständige Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Patenterteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 § 13 Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Erhebung des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Einspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Beitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Begründung des Einspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 § 14 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Nichtigkeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Begründung der Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 15 Wirkungen des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Räumliche Wirkung des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Zeitliche Wirkung des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Verkürzung und Entfall der Patentdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Schutzdauerverlängerung durch ergänzendes Schutzzertifikat . . . . . . . 136 III. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Wortsinngemäßer Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Äquivalenter Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Konsequenzen für die Schutzbereichsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 16 Rechte aus dem Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Rechte aus Erzeugnisansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Inverkehrbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5. Einführen und Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 9 Inhalt II. Rechte aus Verfahrensansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Durch Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Rechte aus Verwendungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Mittelbare Patentbenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Ausnahmen der Patentwirkung nach § 11 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Vorbenutzungs- und Weiterbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Vorbenutzungsrecht (vor Patentanmeldung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Weiterbenutzungsrecht (nach Wiedereinsetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Erschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Lizenzbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 V. Weitere Rechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Benutzungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 18 Übertragung, Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Kapitel. Besonderheiten bei europäischen Patenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 19 Europäische Patentanmeldungen bis zur Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . 158 § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung . . . . . . . . . . . . . 159 § 21 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 22 Nationale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) . . . . . . . . 161 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Wirkung des Einheitspatents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Kapitel. Der Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 § 24 PCT Kapitel I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 § 25 PCT Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 § 26 Nationale und regionale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Kapitel. Gebrauchsmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt . . . 169 I. Gebrauchsmusterfähige Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Neuheit und Stand der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Stand der Technik (SdT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Erfinderischer Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Gebrauchsmusteranmeldung und Abzweigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 10 Inhalt II. Recherche, Prüfung und Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Wirkungen des Gebrauchsmusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 § 29 Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 30 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 6. Kapitel. Arbeitnehmererfinderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 31 Anwendungsbereiche des Arb EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Erfindungen, Verbesserungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Diensterfindungen, freie Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung . . . . . . . . . . . 177 I. Erfindungsmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Inanspruchnahme und deren Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Wirkung der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Freigewordene Diensterfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Erfindervergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 33 Freie Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften . . . . . . 182 I. Schiedsverfahren und gerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 II. Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 § 35 Halbleiterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Einordnung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Materielle Schutzvoraussetzungen, Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Schutzentstehung, Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Wirkungen des Halbleiterschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Schutzgegenstand, Schutzumfang, Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Rechte des Schutzrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Ansprüche des Schutzrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 § 36 Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Einordnung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Recht auf Sortenschutz, Rechtsnachfolge, Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Wirkungen des Sortenschutzes, Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Alleiniges Vermehrungsrecht des Sortenschutzinhabers . . . . . . . . . . . . 194 2. Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 11 Inhalt 3. Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 V. Internationales und europäisches Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Internationaler Schutz von Pflanzenzüchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Gemeinschaftliches Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht . . . 197 § 37 Allgemeines zum Designschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Wesen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Bedeutung: Designschutzrecht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 § 38 Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Eigenart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Neuheitsschonfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Schutzausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Technische Bedingtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Verbindungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Sonstige Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 IV. Exkurs: Ersatzteilproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Ausgangspunkt: Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Ausschluss sog. must-fit-Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Schutzbeschränkung auf sichtbare Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Übergangsbestimmung zu Reparaturteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5. Vorschlag der Kommission betreffend Ersatzteilmarkt . . . . . . . . . . . . . 212 V. Formelle Schutzvoraussetzungen, Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Anmeldeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . 216 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Berechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Entstehung und Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Eingetragenes Design als Gegenstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Dingliche Rechte, Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren . . . . . . . . 219 3. Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Nichtigkeit und Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Nichtigkeitsverfahren beim DPMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Absolute Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Relative Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4. Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 12 Inhalt § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Rechte und Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Beschränkungen, Vorbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Beseitigung, Unterlassung, Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Flankierende Ansprüche, Erschöpfung, Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Duales Schutzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster . . . . . . . . . . . . . . 228 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Kapitel. Allgemeines zum Kennzeichenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 42 Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 43 Schutzzweck und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Kapitel. Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 45 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 III. Markenformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Entstehung des Markenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Registermarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Benutzungsmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Notorisch bekannte Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 46 Zeitrang und Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Inhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Absolute Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Eintragungsausschluss (§ 8 Abs. 1 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5. Übliche Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 6. Täuschungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7. Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten . . . . . . . . 265 8. Hoheitszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 13 Inhalt 9. Prüf- und Gewährzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 10. Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 11. Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weine, garantiert traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen . . . . . 266 12. Entgegenstehende Gesetze als Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 13. Bösgläubige Markenanmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 14. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Relative Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Angemeldete oder eingetragene Marken als relative Schutzhindernisse 272 3. Identische Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Verwechslungsgefahr von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 5. Schutz bekannter Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6. Notorisch bekannte Marke (Notorietätsmarke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 7. Agentenmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 8. Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen mit älterem Zeitrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9. Sonstige ältere Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. Ausschließlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Territoriale Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Kollisionstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Untersagungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4. Einreden und Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5. Haftung des Betriebsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Rechtsfolgen aus Markenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Auskunftsanspruch (§ 19 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Vernichtung (§ 18 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Eingetragene Marken in Nachschlagewerken (§ 16 MarkenG) . . . . . . . . . . 292 § 49 Schranken des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Erschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 V. Benutzungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 VI. Benutzung der Marke (§ 26 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 § 50 Marken als Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Rechtsübergang und dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 14 Inhalt 1. Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Anmeldetag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 4. Prüfung des Patent- und Markenamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5. Beschleunigte Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6. Rücknahme, Beschränkung, Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 7. Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 8. Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Teilung, Schutzdauer und Verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Schutzdauer und Verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Verzicht, Verfall und Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4. Nichtigkeit wegen Bestehens älterer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5. Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . 327 6. Wirkung der Löschung wegen Verfalls oder Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . 328 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Allgemeine Vorschriften für das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt, Akteneinsicht, Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2. Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Durchgriffsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2. Rechtsbeschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 IV. Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung, Inlandsvertreter und sonstige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 3. Inlandsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Weitere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 II. Eintragungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Unterscheidungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Inhaberschaft und Markensatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 3. Geltendmachung von Rechten und Schutzschranken . . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Löschungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme . . . . . . . 345 15 Inhalt I. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Streitwertbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 III. Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Strafbare Kennzeichenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . 347 3. Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 IV. Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 3. Kapitel. Geschäftliche Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 55 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 56 Unternehmenskennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Name und Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 II. Geschäftsabzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. Verkehrsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 IV. Räumlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 V. Entstehen und Erlöschen von Unternehmenskennzeichen . . . . . . . . . . . . 352 VI. Übertragbarkeit und Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 VII.Verwechslungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 § 57 Titelschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Schutzobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 III. Entstehen und Erlöschen von Titelschutzrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Titelschutzanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 V. Verwechslungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Titelähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Werknähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 3. Kennzeichnungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 58 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 I. Ausschließliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Bekannte geschäftliche Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 4. Kapitel. Geografische Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 59 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 60 Schutz geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Schutzinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Einfache geografische Herkunftsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Qualifizierte geografische Herkunftsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Geografische Herkunftsangabe mit besonderem Ruf . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 IV. Abwandlungen geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 § 61 Schutz gem. VO ( EU ) Nr. 1151 / 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 16 Inhalt II. Verfahren zur Eintragung einer geografischen Angabe oder Ursprungsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Einspruchs- und Löschungsverfahren, Überwachung, Verletzung . . . . . . 364 5. Kapitel. Exkurse Olympiaschutzgesetz und Domain-Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 § 62 Exkurs: Olympiaschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Gesetzesgegenstand und Inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 III. Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Altrechte und Verfassungskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 § 63 Exkurs: Domain-Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 6. Kapitel. Internationale Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 § 64 Internationale Registrierung ( IR ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 I. Das Madrider System der Internationalen Registrierung von Marken . . . 371 II. Unterschiede zwischen MMA und PMMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 IV. Schutzversagung und Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 V. Vorteile der Internationalen Registrierung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . 376 § 65 Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 § 66 Nationale Vorschriften für IR - und Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 I. MMA und PMMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 II. Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . 379 1. Kapitel. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 § 67 Allgemeines Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Begriff und Wesen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Europäisierung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Ergebnis persönlichen Schöpfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 4. Sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 5. Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 6. Kleine Münze, Gestaltungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 II. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Grundsatz der Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Bedeutung des Copyright-Vermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 § 69 Die Werkarten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 I. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme . . . . . . 390 17 Inhalt 1. Schriftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 2. Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 3. Computerprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 II. Musikwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 III. Pantomimische Werke, Tanzkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 IV. Werke der bildenden Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. Zweckfreie („reine“) Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Angewandte Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 3. Baukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. Lichtbildwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 VI. Filmwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 VII. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art . . . . . . . . . . . . . . 400 VIII. Wissenschaftliche Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 IX. Umarbeitungen, Veränderungen eines Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1. Bearbeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 2. Systematik urheberrechtlich relevanter Umarbeitungen . . . . . . . . . . . . 402 3. Neugestaltung, freie Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 X. Sammelwerke, Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 1. Sammelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 XI. Exkurs: Urheberrechtlicher Schutz spezieller Schutzobjekte . . . . . . . . . . . 407 1. Urheberrechtlicher Schutz einer Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 2. Urheberrechtlicher Schutz von Multimediawerken . . . . . . . . . . . . . . . . 408 § 70 Urheberschaft am Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 I. Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 II. Miturheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 1. Begriff, Abgrenzung Sammelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Schöpferischer Beitrag, Gesamthandgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 III. Urheber verbundener Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 § 71 Inhalt des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 I. Urheberpersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Grundlage des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2. Veröffentlichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 3. Anerkennung der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 4. Entstellung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 5. Weitere persönlichkeitsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 II. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1. Systematik und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 2. Ausgewählte Verwertungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Exkurs: Internettypische Benutzungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 III. Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1. Mitteilungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 2. Individualität und geistiges Gemeingut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 3. Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 18 Inhalt IV. Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 V. Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 § 72 Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 I. Allgemeines Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 II. Die urheberrechtlichen Schranken im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 III. Ausgewählte Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 2. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 3. Zitierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 4. Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch . . . 443 5. Vergütungspflicht für Vervielfältigungen nach §§ 53, 60a bis 60f . . . . . 449 6. Besondere Schranken für Datenbankwerke, Datenbanken und Computerprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7. Bildnisse / Recht am eigenen Bild ( KUG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 8. Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 I. Vererbung, Grundsatz der mangelnden Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 462 II. Urhebervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 1. Einräumung Nutzungsrecht und Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2. Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 3. Übertragung von Nutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 4. Beschränkungen des Nutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5. Übertragungszweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 6. Unbekannte Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 7. Sicherstellung des Anspruchs auf angemessene Vergütung . . . . . . . . . . 470 8. Beiträge zu Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 III. Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 1. Ausgangslage: Schöpferprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 3. Rechtserwerb vom Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 2. Kapitel. Verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 § 74 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 I. Schutz der Lichtbilder (Fotografien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 II. Schutz der ausübenden Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 III. Schutz des Herstellers von Tonträgern, des Sendeunternehmens, des Presseverlegers und des Filmherstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 1. Hersteller eines Tonträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Sendeunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 3. Schutz des Presseverlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 4. Schutz des Filmherstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 IV. Schutz der Datenbankhersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 19 Inhalt 1. Zweigliedriges Schutzkonzept für Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 2. Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3. Datenbankhersteller (Begriff und Rechte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 3. Kapitel. Gemeinsame Bestimmungen für Urheberrecht und verwandte Schutzrechte . 487 § 76 Ergänzende Schutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 I. Schutz technischer Maßnahmen (§ 95a UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 1. Umgehungsverbot (§ 95a Abs. 1 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 2. Legaldefinition „Technische Maßnahme“ (§ 95a Abs. 2 UrhG) . . . . . . . 488 3. Vorbereitungshandlungen (§ 95a Abs. 3 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 4. Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden (§ 95a Abs. 4 UrhG) . . . . . 489 II. Durchsetzung von Schrankenbestimmungen (§ 95b UrhG) . . . . . . . . . . . . 489 1. Verpflichtung gegenüber Schrankenbegünstigtem (§ 95b Abs. 1 UrhG) 489 2. Individueller Anspruch des Begünstigten (§ 95b Abs. 2 UrhG) . . . . . . . 490 3. Ausnahme zu Gunsten interaktiver Dienste (§ 95b Abs. 3 UrhG) . . . . . 491 III. Schutz der zur Rechtewahrnehmung erforderlichen Informationen (§ 95c UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 IV. Kennzeichnungspflichten (§ 95d UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 V. Ergänzende Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 108b, 111a UrhG) . . . . . . . 492 1. Strafrechtliche Sanktionen (§ 108b UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 2. Ordnungswidrigkeiten (§ 111a UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 § 77 Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 I. Zivilrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 II. Strafrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 4. Kapitel. Internationaler Urheberrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 § 78 Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 I. Persönlicher Anwendungsbereich (Fremdenrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 II. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 § 79 Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 I. Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 II. Deliktischer Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 III. Veröffentlichungen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 § 80 Anwendbares Recht (Kollisionsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 II. Schutzlandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 III. Anwendbares Urheberrecht bei Verletzungshandlungen im Internet . . . . 504 § 81 Urheberrechtsschutz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 I. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 II. TRIPS -Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 1. Grundprinzipen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 2. Die urheberrechtlichen Regelungen des TRIPS -Übereinkommens . . . . 506 III. WIPO -Urheberrechtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 20 Inhalt Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 § 82 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I. Das Wettbewerbsrecht als Rechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 II. Aufgabe und Bedeutung des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 III. Eingrenzung, Rechtsgrundlagen des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV. Einwirkungen des Europäischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 2. Primäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 3. Sekundäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 V. Stellung des Wettbewerbsrechts in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . 519 1. Das Lauterkeitsrecht als Sonderprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Das Lauterkeitsrecht als Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes . . 520 § 83 Rechtsentwicklung: UWG -Reformen 2004 bis 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 I. UWG -Reform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 1. Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung 2001 . . . . . . . . . . 522 2. Unzureichende Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 3. Entstehungsgeschichte UWG -Reform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 4. Die Struktur des UWG -Reformgesetzes 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 5. Im Rahmen der Reform 2004 neu in das Gesetz aufgenommene Reglungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 II. UWG -Reform 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 2. Überblick über die wesentlichen Neuerungen 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . 526 III. Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 IV. UWG -Reform 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 2. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 3. Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 4. Überblick über die wesentlichen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 V. Fazit zur Entwicklung des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 I. Zweck des Gesetzes (§ 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 II. Definitionen (§ 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 1. Geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 2. Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 3. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 4. Nachricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 5. Verhaltenskodex (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 6. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 7. Unternehmerische Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 8. Wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 9. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . 536 21 Inhalt III. Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen (§ 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . 537 1. Die sog. große Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 2. Die sog. Verbrauchergeneralklausel (§ 3 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . 538 3. Gegenüber Verbrauchern stets unzulässige geschäftliche Handlungen (§ 3 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 4. Die sog. schwarze Liste (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . 540 5. Durchschnittsverbraucher / durchschnittliches Mitglied einer Verbrauchergruppe (§ 3 Abs. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 6. Vorschlag für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes . . . . . . . . . . . . . 547 IV. Rechtsbruch (§ 3a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 1. Verstoß gegen Marktverhaltensregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 2. Differenzierung bei Marktzutrittsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 3. Praktisch bedeutsame Marktverhaltensregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 V. Mitbewerberschutz (§ 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 1. Herabsetzung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 2. Anschwärzung (§ 4 Nr. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 3. Ergänzender Leistungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 4. Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 VI. Aggressive geschäftliche Handlungen(§ 4a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 1. Systematische Stellung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 2. Tatbestand (§ 4a Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 3. Feststellung einer aggressiven geschäftlichen Handlung (§ 4a Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 4. Beispiele aggressiver geschäftlicher Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 VII.Irreführung (§§ 5, 5a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 1. Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2. Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 VIII. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 1. Rechtsentwicklung, Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips . . . . . . . . . 582 2. Begriff der vergleichenden Werbung (§ 6 Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . 583 3. Unzulässigkeit vergleichender Werbung (§ 6 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . 584 IX. Unzumutbare Belästigungen (§ 7 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 1. Generalklauselartige Umschreibung der Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG ) 589 2. Anwendungsfälle unzumutbarer Belästigungswerbung (§ 7 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 3. Ausnahmsweise Zulässigkeit von E-Mail-Werbung (§ 7 Abs. 3 UWG ) . 595 4. Zusammenfassende Übersicht zur belästigenden Direkt-Werbung . . . 595 5. Alternative Regelungsmodelle: „opt-in“ oder „opt-out“? . . . . . . . . . . . . 596 § 85 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 I. Beseitigung und Unterlassung (§ 8 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 1. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1, 2 UWG ) . . . . . . . 598 2. Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 3. Missbräuchliche Rechtsverfolgung (§ 8 Abs. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . 599 II. Schadensersatz (§ 9 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 22 Inhalt III. Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 IV. Verjährung (§ 11 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 I. Lauterkeitsrechtlichen Strafbestimmungen de lege lata / de lege ferenda . 601 II. Die Straf- und Bußgeldtatbestände des UWG im Überblick . . . . . . . . . . . . 602 1. Strafbare Werbung (§ 16 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 2. Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG ) . . . . . . . . 603 3. Verwertung von Vorlagen (§ 18 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 4. Verleiten und Erbieten zum Verrat (§ 19 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 5. Bußgeldvorschriften (§ 20 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 § 87 Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 II. Rechtsdurchsetzung im Bereich des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . 611 1. Die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums . . 611 2. Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 § 88 Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 I. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 II. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 1. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 2. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 I. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 1. Einordnung, Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 2. Begriff, Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3. Keine Pflicht zur Abmahnung, kostenrechtlicher Hintergrund . . . . . . . 629 4. Rechtsnatur, Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 5. Form, Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 6. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 8. Wichtige begriffliche Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 9. Reaktion des Abgemahnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 10. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 11. Unbegründete Abmahnung, Gegenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 12. Abgrenzung zur Berechtigungsanfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 II. Unterwerfungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 2. Rechtsnatur, Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 3. Zustandekommen des Unterlassungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 4. Bedeutung des Vertragsstrafeversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 5. Höhe der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 23 Inhalt 6. Erneute Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 7. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 III. Verfahren vor der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 1. Überblick, Einordnung, Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 2. Besetzung der Einigungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 4. Verfahren, Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 § 90 Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 I. Allgemeine Zulässigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 1. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 2. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 3. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 II. Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 1. Bedeutung, Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 3. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 4. Schutzschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 5. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 6. Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 7. Abschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 III. Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Linkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 25 Vorwort zur 4. Auflage Vorwort zur 4.Auflage Seit dem Erscheinen der dritten Auflage des vorliegenden Buchs sind vier Jahre vergangen. Von daher war es erneut erforderlich, das Werk mit Blick auf die in weiten Teilen des Rechts des geistigen Eigentums und des Lauterkeitsrechts fortschreitende Rechtsentwicklung zu überarbeiten und zu aktualisieren. Die neue Auflage berücksichtigt die aktuelle Rechtsprechung sowie insbesondere die folgenden Neuerungen: ▶ Richtlinie 2014 / 26 / EU v. 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt; ▶ Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb v. 2. 12. 2015 ( UWG -Reform 2015); ▶ Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken; ▶ Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes v. 4. 4. 2016; ▶ Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2014 / 26 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte und Speichermedienvergütung ( VG -Richtlinie Umsetzungsgesetz) vom 24. 05. 2016; ▶ Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung; ▶ Vorschlag der EU für eine Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Umfeld vom 14. 09. 2016 COM (2016) 593 final; ▶ Vorschlag für eine Verordnung mit Vorschriften für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen v. 14. 9. 2016 COM (2016) 594 final; ▶ Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung und zur Regelung von Fragen der Verlegerbeteiligung v. 20. 12. 2016; ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung-= Zusammenfassung der Vorschriften der Verordnung ( EG ) Nr. 207 / 2009 über die Gemeinschaftsmarke und die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung ( EU ) Nr. 2015 / 2424 zur Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung in einer Verordnung-= sog. kodifizierte Fassung); ▶ Verordnung ( EU ) 2017 / 1128 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. 6. 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt; 26 Vorwort zur 4. Auflage ▶ Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft v. 1. 9. 2017 (Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz-- Urh RW issG); ▶ Verordnung ( EU ) 2017 / 1563 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 9. 2017 über den grenzüberschreitenden Austausch von Vervielfältigungsstücken bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände in einem barrierefreien Format zwischen der Union und Drittländern zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen (Marrakesch-Verordnung); ▶ Richtlinie ( EU ) 2017 / 1564 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 9. 2017 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001 / 29 / EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Marrakesch-Richtlinie); ▶ Leitfaden der EU -Kommission v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004 / 48 / EG ; ▶ Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung v. 19. 4. 2018 (Referentenentwurf); ▶ Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung v. 25. 4. 2018 (Referentenentwurf). Die Autoren danken dem Verlag Narr Francke Attempto für die Aufnahme des Buchs in das UTB -Programm des Verlages und die gewährte Unterstützung seitens des Lektorats. Dank gebührt ferner den Herren Ben Peters LL . M. und David Schomburg LL . B. für redaktionelle Mithilfe bei den vom Autor Pierson bearbeiteten Abschnitten. Schließlich bedanken sich die Autoren für die positive Aufnahme, die das Buch auch in seiner dritten Auflage erfahren hat, und sind der Leserschaft weiterhin für konstruktive Kritik und Anregungen dankbar. Marburg und Wolfenbüttel Matthias Pierson Braunschweig Thomas Ahrens Barsinghausen und Hannover Karsten Fischer April 2018 27 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Aa. A. anderer Ansicht aaO am angegebenen Ort AB l. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Internet-Zugang über http: / / europa.eu.int/ eur-lex/ de/ ) AB l. EG / EU Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften / der Europäischen Union AB l. EPA Amtsblatt des Europäischen Patentamts Abs. Absatz ADR Alternative Dispute Resolution AG Aktiengesellschaft a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der EU a. F. alter Fassung AfP Archiv für Presserecht a. M. anderer Meinung Anm. Anmerkungen AOEPÜ Ausführungsordnung zum EPÜ AOEPÜ 2000 Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 AOPCT Ausführungsordnung zum PCT Arb EG Arbeitnehmererfindergesetz Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BB2B Business to Business B2C Business to Consumer BB Betriebsberater (Fachzeitschrift) Bd. Band Beck RS Beck (online) Rechtsprechung betr. betreffend BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGB -Info- VO Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht BGB l. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BIP Bruttoinlandsprodukt 28 Abkürzungsverzeichnis Bl. f. PMZ Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMWA Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMW i Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BO Berufsordnung BP atG Bundespatentgericht BP at GE Entscheidungen des Bundespatentgerichtes BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BSA Bundessortenamt BSAV fV Verordnung über Verfahren vor dem Bundessortenamt BT -Drucks. Bundestags-Drucksache BR -Drucks. Bundesrats-Drucksache bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Cca. circa cc carbon copy CD Compact Disc CD - ROM Compact Disc Read-Only Memory COM Dokumente der Europäischen Kommission CR Computer und Recht (Fachzeitschrift) Dd. h. das heißt DVUM Delegierte Unionsmarkenverordnung DENIC Deutsche Internet Network Information Center DesignG Designgesetz DesignV Designverordnung DPMA Deutsches Patent- und Markenamt DPMAV Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt DRM Digital Rights Management DSM Digital Single Market DSGVO Datenschutz-Grundverordnung dtv Deutscher Taschenbuch Verlag DuD Datenschutz und Datensicherheit (Fachzeitschrift) DVD Digital Video Disc E ECRL Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr EG Europäische Gemeinschaft oder Erwägungsgrund EGBGB Einführungsgesetz zum BGB 29 Abkürzungsverzeichnis EGG Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr EGSVO Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einl. Einleitung EPA Europäisches Patentamt EPGÜ Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht EPÜ Europäisches Patentübereinkommen EPÜ 2000 Europäisches Patentübereinkommen 2000 etc. et cetera EU Europäische Union Eu GEI Europäisches Gericht erster Instanz Eu GH Europäischer Gerichtshof Eu GVVO EG -Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (auch Brüssel-I-Verordnung genannt) Eu GVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EU IPO European Union Intellectual Property Office EUR Euro EUV EU -Vertrag Eu ZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum F FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung f. bzw. ff. Folgeseite(n) F&E Forschung und Entwicklung Fußn. Fußnote FS Festschrift G GATT General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsübereinkommen) GA usf OM- MA / PMMA Gemeinsame Ausführungsordnung zum MMA und PMMA GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gebr MG Gebrauchsmustergesetz GebVerz Gebührenverzeichnis GEMA Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Verwertungsgesellschaft) 30 Abkürzungsverzeichnis GeschGehG Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Referentenentwurf) Geschm MG Geschmacksmustergesetz Geschm MV Geschmacksmusterverordnung gem. gemäß ggf. gegebenenfalls GG Grundgesetz GGE Gesetz für Geistiges Eigentum (Modellgesetz) GGV / GGVO Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung GKG Gerichtskostengesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gmb HG GmbH-Gesetz GMDVO Gemeinschaftsmarkendurchführungsverordnung GMVO Gemeinschaftsmarkenverordnung GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GRC h Europäische Grundrechtecharta GRL Geschmacksmusterrichtlinie GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Fachzeitschrift) GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht international (Fachzeitschrift) GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen H HABM Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (umbenannt in EU IPO ) HGB Handelsgesetzbuch HLS chG Halbleiterschutzgesetz h.M. herrschende Meinung HMA Haager Musterschutzabkommen Hrsg. Herausgeber HWG Heilmittelwerbegesetz I ICANN Internet Corporation for the Assigned Numbers and Names i. d. F. in der Fassung i. e. S. im engeren Sinne InfoSoc-RiL Richtlinie 2001 / 29 / EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft InTeR Innovations- und Technikrecht (Fachzeitschrift) IntPat ÜG Gesetz über internationale Patentübereinkommen ITRB IT -Rechtsberater (Fachzeitschrift) IPR Internationales Privatrecht 31 Abkürzungsverzeichnis IR Internationale Registrierungen i. S. im Sinne i. S. v. im Sinne von IuK Informations- und Kommunikationstechnologie i. V. m. in Verbindung mit IZPR internationales Zivilprozessrecht JJur PC Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik KKap. Kapitel KG Kammergericht oder Kommanditgesellschaft Kommission Kommission der Europäischen Gemeinschaften KOM Dokumente der Europäischen Kommission KUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste und der Photographie LLadSchlG Ladenschlussgesetz lit. lat. littera (Buchstabe) LG Landgericht LUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst MMaMoG Markenmodernisierungsgesetz MarkenG Markengesetz MarkenR Markenrecht (Fachzeitschrift) Marken RL Markenrichtlinie MarkenV Markenverordnung MD Mini Disc MDS tV Mediendienstestaatsvertrag Mitt. Mitteilungen Deutscher Patentanwälte MMA Madrider Markenabkommen MMR MultiMediaRecht (Fachzeitschrift) Mon Monat MPI Max-Planck-Institut m. w. Nachw. mit weiteren Nachweisen Mrd. Milliarde(n) 32 Abkürzungsverzeichnis Nn. Chr. nach Christus n. F. neuer Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Fachzeitschrift) NKA Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken Oo. Ä. oder Ähnliches OHG Offene Handelsgesellschaft OHIM Office for Harmonisation in the Internal Market (umbenannt in EU IPO ) OLG Oberlandesgericht OlymiaSchG Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen OMPI Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle (=- WIPO ) P PA ngV Preisangabenverordnung PatG Patentgesetz PatV Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt PatKostG Patentkostengesetz PC Personal Computer PCT Patent Cooperation Treaty Pfl ZÜ Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen PIZ Patentinformationszentrum p. m. a. post mortem auctoris PMMA Protokoll zum Madrider Markenabkommen Pr PVO Produktpiraterieverordnung Pr PDVO Produktpirateriedurchführungsverordnung PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft R RBÜ Revidierte Berner Übereinkunft rd. rund Rdn. Randnummer RefE Referentenentwurf R, Rg. Regel RGB l Reichsgesetzblatt Rs. In der Rechtssache 33 Abkürzungsverzeichnis Rspr. Rechtsprechung RS tV Rundfunkstaatsvertrag Ss. siehe S. Satz S. Seite s. o. siehe oben SEK interne Arbeitsdokumente der Europäischen Kommission sog. sogenannte SortG Sortenschutzgesetz SdT Stand der Technik SLD Second-Level-Domain Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Eu GH und des Eu GEI Sp. Spalte SSV Sommerschlussverkauf SZ Süddeutsche Zeitung st.Rspr. ständige Rechtsprechung St GB Strafgesetzbuch s. u. siehe unten TTabu Taschenbuch des gewerblichen Rechtschutzes TDDSG Teledienstedatenschutzgesetz TDG Teledienstegesetz TDM Text und Data Mining TKG Telekommunikationsgesetz TLD Top Level Domain TMG Telemediengesetz TRIPS Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights TSD Tausend Uu. und u. a. und andere oder unter anderem UFITA Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht UGP -Richtlinie Richtlinie 2005 / 29 / EG über unlautere Geschäftspraktiken UK United Kingdom UK laG Unterlassungsklagengesetz UMV Unionsmarkenverordnung UMDV Unionsmarkendurchführungsverordnung 34 Abkürzungsverzeichnis UPOV International Union for Protection of New Varieties of Plants UrhG Urheberrechtsgesetz Urh WG Urheberrechtswahrnehmungsgesetz UrhWissG Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz URRL Urheberrechtsrichtlinie USA United States of America UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Vv. von v. Chr. vor Christus VerlagsG Gesetz über das Verlagsrecht VG Verwertungsgesellschaft VGG Verwertungsgesellschaftengesetz vgl. vergleiche VO Verordnung VPP Vereinigung von Fachleuten des gewerblichen Rechtsschutzes W WBZ Wettbewerbszentrale WCT WIPO Copyright Treaty WIPO World Intellectual Property Organization (=- OMPI ) WPPT WIPO Performance and Phonograms Treaty WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WSV Winterschlussverkauf WTO World Trade Organization WUA Welturheberrechtsabkommen www world wide web Zz. B. zum Beispiel ZGE Zeitschrift für Geistiges Eigentum ZPO Zivilprozessordnung ZPÜ Zentralstelle für private Überspielungsrechte ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht z. T. zum Teil z. Zt. zur Zeit 35 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Überblick: Gewerblicher Rechtschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht 50 Abb. 2: Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (ausgewählte wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen) 70 Abb. 3: Übersicht DE -, EP -, PCT -Verfahren 184 Abb. 4: Übersicht über Kennzeichenarten im MarkenG 239 Abb. 5: Besondere urheberrechtliche Bestimmungen für Computerprogramme 394 Abb. 6: Umarbeitungen / Veränderungen eines Werks 404 Abb. 7: Urheberschaft am Werk 412 Abb. 8: Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten 432 Abb. 9: Schrankenbestimmungen und schrankenbezogene Rechte des Urhebers 437 Abb. 10: Wettbewerbsrecht i. w. S. 512 Abb. 11: Prüfungsschema Wettbewerbsverstoß UWG 548 Abb. 12: Rechtliche Einordnung belästigender Direkt-Werbung (§ 7 UWG ) 596 Abb. 13: Alternative Modelle zum Schutz des Adressaten vor belästigender Direktwerbung 597 Abb. 14: Anspruchsgrundlagen Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht 621 Abb. 15: Beispiel für eine Abmahnung 639 Abb. 17: Checkliste Abmahnung 644 Abb. 18: Checkliste für Überprüfung Abmahnung aus Sicht des Abgemahnten 645 Abbildungsverzeichnis Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson § 1 Einführung I. Die beiden Hemisphären zum Schutz des geistigen Eigentums: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der rechtliche Schutz des geistigen Eigentums wird durch zwei umfassende, einander ergänzende Rechtsgebiete gewährleistet: Zum einen durch die spezialgesetzlichen Bestimmungen des Gewerblichen Rechtsschutzes, die dem Schutz des geistigen Eigentums im gewerblichen Bereich dienen, zum anderen durch das vom Urheberrecht abgedeckte Gebiet des Schutzes von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Unter der Bezeichnung Gewerblicher Rechtsschutz werden dabei die folgenden jeweils sondergesetzlich geregelten Gebiete zusammengefasst: das Patent- und Gebrauchsmusterrecht, das Designrecht, das Markenrecht, die Spezialmaterien des Sortenschutzrechtes und des Halbleiterschutzrechtes sowie schließlich das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) geregelte Lauterkeitsrecht. Das Lauterkeitsrecht (auch als Wettbewerbsrecht i. e. S. bezeichnet), das im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes eine Sonderrolle einnimmt, lässt sich dabei unter rechtssystematischem Blickwinkel als Klammer zwischen den angrenzenden Rechtsgebieten des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts begreifen, da es einerseits dem Wettbewerbsrecht (Kartellrecht und Lauterkeitsrecht-= Wettbewerbsrecht i. w. S.) zuzuordnen ist, andererseits jedoch zugleich als ein Teilbereich des Gewerblichen Rechtsschutzes verstanden wird. 1 Kennzeichnend für die Schutzgegenstände der Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums ist ihr immaterieller Charakter. Das durch das Urheberrecht und den Gewerblichen Rechtsschutz gebildete Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums wird daher auch als Immaterialgüterrecht bezeichnet. Der in diesem Buch wegen seiner Anschaulichkeit bevorzugt verwendete Begriff des „geistigen Eigentums“ als Oberbegriff für die Rechtsmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts entspricht internationalem Sprachgebrauch, 2 er ist jedoch in Deutschland mit Blick auf rechtsdogmatische Bedenken- - die begriffliche Gleichsetzung mit dem Sacheigentum als Vermögensrecht und die begriffliche Vernachlässigung der persönlichkeitsrechtlichen Seite-- umstritten. 3 1 Näheres zur Einordnung des Lauterkeitsrechts als Teil des „gewerblichen Eigentums“ vgl. Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 3. 2 Vgl. z. B. die Verwendung des Begriffs „Intellectual Property“ im Rahmen von WIPO , TRIPS , Art. 8 Abs. 2 Rom II - VO , Art. 118 Abs. 1 AEUV . 3 Vgl. hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 1, S. 1, § 6, S. 73; Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 1; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 1, S. 22; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 50; kritisch Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 7, S. 44 f. Rdn. 137 ff.; näheres vgl. Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Band II , S. 3; ferner insbes. Rigamonti, Geistiges Eigentum als Begriff und Theorie des Urheberrechts, UFITA -Schriftenreihe, Bd. 194. 40 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Zum Begriff des Immaterialgüterrechts Immaterialgüterrechte sind Rechte an verselbständigten, verkehrsfähigen geistigen Gütern. Sie sind Vermögenswerte, weisen jedoch meist auch einen mehr oder weniger starken persönlichkeitsrechtlichen Gehalt auf. 4 Die geistige Natur (das geistige Sein) der Immaterialgüter, ihre Unabhängigkeit von körperlicher Fixierung, hat zur Folge, dass sie- - anders als körperliche Güter-- ohne Einbuße an Substanz und Qualität, zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort genutzt bzw. sinnlich wahrgenommen werden können. 5 So kann etwa eine Erfindung überall auf der Welt als Regel zur Lösung eines technischen Problems herangezogen werden so wie ein urheberrechtliches Werk-- etwa ein Roman, ein Film oder eine Komposition- - unabhängig von Ort und Zeit den menschlichen Sinnen mitgeteilt werden kann. Die zeitliche und örtliche Ungebundenheit geistiger Güter wird gemeinhin durch den Begriff der „Ubiquität (Allgegenwart) der Immaterialgüter“ gekennzeichnet. 6 Immaterielle Güter begründen jedoch nur dann Immaterialgüterrechte, wenn sie von der Rechtsordnung einem bestimmten Rechtssubjekt-- in der Regel demjenigen, der es geschaffen hat-- als Recht zugeordnet werden. 7 Das heißt, der Kreis der von der Rechtsordnung als Schutzgegenstände eines Immaterialgüterrechts anerkannten Leistungsergebnisse ist-- im Sinne eines numerus clausus der Rechte des geistigen Eigentums-- abschließend. Im Umkehrschluss folgt daraus der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, d. h. außerhalb des Schutzbereichs dieser Rechte sind Leistungsergebnisse grundsätzlich frei benutzbar und genießen keinen immaterialgüterrechtlichen Schutz. 8 Die rechtliche Zuordnung eines Immaterialgutes erfolgt jeweils durch die Gewährung subjektiver absoluter-- d. h. gegen jedermann wirkender-- Privatrechte, die das Immaterialgut der Herrschaft des Berechtigten unterstellen. Die Rechtsherrschaft des Rechtsinhabers äußert sich insbesondere in der ausschließlichen Befugnis, das Immaterialgut zu verwerten (sog. positives Nutzungsrecht) 9 sowie dem Recht, Dritte von einer Einwirkung auszuschließen (sog. negatives Verbietungsrecht). 10 Die Rechtsposition des Rechtsinhabers im Bereich des geistigen Eigentums-- etwa des Inhabers eines Patents, einer Marke oder die des Urhebers eines geschützten Werkes- - offenbart die Parallele zum Sacheigentum nach BGB : sie entspricht in ihrer Ausgestaltung der Rechtstellung des Sacheigentümers, der als Eigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. 11 4 Schönherr, FS f. A. Troller, S. 57, 63. 5 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 55 ff. 6 Vgl. Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 1 S. 1 Rdn. 5; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39. 7 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I. S. 50 f.; Schönherr, FS f. A. Troller, S. 75, 62. 8 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 9 Vgl. z. B. §§ 15 UrhG; 9 S. 1 PatG; 11 Abs. 1 S. 1 Gebr MG ; 38 Abs. 1 S. 1 DesignG; 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG. 10 Vgl. z. B. §§ 97 ff. UrhG; 9 S. 2 PatG; 11 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ; 38 Abs. 1 S. 1 DesignG; 14 Abs. 2, 15 Abs. 2 MarkenG. 11 Vgl. § 903 S. 1 BGB . 41 § 1 Einführung Pierson III. „Konjunktur“ und Herausforderung des geistigen Eigentums im Zeitalter der neuen Medien Das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums hat in den zurückliegenden Jahrzehnten weltweit einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren. Rechtsfragen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts treten im Informationszeitalter immer stärker in den Blickpunkt des wirtschaftlichen Interesses. Hintergrund der anhaltenden „Konjunktur“ des Immaterialgüterrechts ist der rasante technologische Fortschritt, insbesondere im Bereich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien), der durch die Entwicklung einer Vielzahl völlig neuartiger Schlüsseltechnologien und immaterieller Wirtschaftsgüter gekennzeichnet ist. Computerprogramme, mikroelektronische Halbleiterchips (Topographien), Datenbanken, Multimediawerke und Domain Namen, stehen-- um einige der wichtigsten Schutzgegenstände zu nennen-- beispielhaft für diese Entwicklung. Innerhalb der sich in den vergangenen Jahren neu herausgebildeten juristischen „Querschnittmaterie“ des Rechts der Informationstechnologie (kurz „ IT -Recht“) nehmen daher Rechtsfragen des „geistigen Eigentums“ einen besonders breiten Raum ein. 12 Die Bereitstellung eines angemessenen und mit Blick auf die jeweils betroffenen Allgemeininteressen ausgewogenen Schutzes neuartiger immaterieller Wirtschaftsgüter stellt das international etablierte System zum Schutz des geistigen Eigentums anhaltend vor große Herausforderungen. Die Herausforderung für die Rechtsordnung zum Schutz des geistigen Eigentums besteht dabei nicht allein darin, neuartige immaterielle Wirtschaftsgüter als neue Schutzgegenstände anzuerkennen und in geeigneter Weise in das durch unterschiedliche Sondergesetze geprägte System des Immaterialgüterrechts zu integrieren. Eine besondere Herausforderung ist vielmehr auch darin zu erblicken, dass sich in dem durch die weitgehende „Digitalisierung“ immaterieller Schutzgegenstände einerseits und eine „Vernetzung“ potentieller Nutzer andererseits gekennzeichneten Informationszeitalter die Bedingungen für deren „ubiquitäre“ Nutzung- - wie insbesondere im Bereich des urheberrechtlichen Werkschutzes deutlich wird-- grundlegend geändert haben. Eine weitere neue Herausforderung für den Schutz des geistigen Eigentums zeichnet sich durch die Fortschritte im Bereich sog. generativer Fertigungsverfahren (3D- Druck) ab. Maßgebliche Folge der 3D-Drucktechnik ist es, dass nicht nur Unternehmen, sondern auch der Endverbraucher zukünftig in die Lage versetzt wird, zum eigenständigen „Produzenten“ vormals ausschließlich industriell gefertigter physischer Erzeugnisse zu werden. 13 IV. Schutz geistigen Eigentums im Zeitalter der Globalisierung Der Fortschritt im Bereich der modernen IuK-Technologien ist jedoch nicht nur durch die Entwicklung einer Vielzahl neuartiger immaterieller Schutzgegenstände gekennzeichnet, sondern vor allem auch dadurch, dass mit der Entwicklung der neuen Kommunikationsmedi- 12 Vgl. hierzu u. a. Bröcker u. a., Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet; Delp, Das Recht des geistigen Schaffens in der Informationsgesellschaft. 13 Großkopf, CR 2012, 618. 42 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson en-- vor allem der E-Mail-Kommunikation und dem World Wide Web (Internet)-- die maßgebliche technische Infrastruktur für eine immer schneller voranschreitende „Globalisierung“ geschaffen wurde. In einer zunehmend globalisierten und vernetzten Wirtschaft machen die Nutzung und Verwertung immaterieller Wirtschaftsgüter naturgemäß immer seltener an den nationalen Grenzen halt, vielmehr gehört der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr heute selbst für viele kleine und mittelständische Unternehmen zum geschäftlichen Alltag. Der Druck auf eine weitere Harmonisierung der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums sowie einer internationalen Vereinheitlichung der rechtlichen Instrumente zur effektiven Rechtsverfolgung ist dadurch in den zurückliegenden Jahren erheblich gestiegen. Dieser durch den Fortschritt der modernen IuK-Technologien und die zunehmende Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs erzeugte Druck zur Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts spiegelt sich in einer Vielzahl von Maßnahmen und Regulierungsinitiativen des Gesetzgebers wider. 14 Die Vielzahl unterschiedlicher regulatorischer Initiativen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sowie die Geschwindigkeit, in der sich die Fortentwicklung des rechtlichen Rahmens mitunter vollzieht-- exemplarisch zu nennen ist die Vielzahl der Novellen des Urheberrechts in den zurückliegenden Jahren- - stellen auch für den mit einschlägigen Fragen befassten Praktiker- - Richter, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Unternehmensjuristen-- eine Herausforderung dar. § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick I. Der Schutz technischer Erfindungen: Patent- und Gebrauchsmusterrecht 1. Patentrecht Gesetzliche Grundlage des deutschen Patentrechts ist das Patentgesetz (PatG). 15 Das Patentrecht regelt die Erteilung von Patenten, d. h. zeitlich begrenzten Ausschließlichkeitsrechten für Erfindungen, und die Durchsetzung der mit patentfähigen Erfindungen zusammenhängenden Rechten. Ein Patent kann nur erteilt werden, wenn mehrere formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sind. Seit dem 1. Januar 1978 sind die materiellen Erfordernisse der patentierbaren Erfindung nach deutschem und europäischem Patentrecht deckungsgleich. In Übereinstimmung mit Art. 52 des Europäischen Patentübereinkommens ( EPÜ ) werden nach § 1 Abs. 1 des deutschen Patentgesetzes Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Die Erfordernisse der Neuheit, des Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit sind in den §§ 3-5 PatG (Art. 54-57 EPÜ ) näher geregelt. Nach deutschem und europäischem Rechtsverständnis ist seit jeher anerkannt, dass die patentfähige Erfindung stets eine Schöpfung auf dem Gebiet der Technik, d. h. eine „Lehre 14 Vgl. z. B. den Maßnahmenkatalog im Anhang der Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums“, KOM (2011) 287 endgültig, S. 29 ff; ferner die „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ v. 6. 5. 2015, COM (2015) 192 final. 15 Vom 16. 12. 1980, BGB l. I, S. 1. 43 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson zum technischen Handeln“ voraussetzt. 16 Während die Beschränkung des Patentschutzes auf „technische“ Erfindungen in der Vergangenheit gewohnheitsrechtlich begründet wurde, 17 ist das Erfordernis der Technizität der Erfindung jetzt ausdrücklich gesetzlich in § 1 Abs. 1 PatG („Erfindungen auf allen Gebieten der Technik“) verankert. 18 2. Gebrauchsmusterrecht Das dem Laien meist weniger geläufige Gebrauchsmusterrecht ist im Gebrauchsmustergesetz (Gebr MG ) 19 geregelt. Es dient neben dem Patentrecht dem Schutz des geistigen Schaffens, soweit sich dieses in einer technischen Erfindung niederschlägt. Allerdings kommt dem Patentrecht als dem unter verschiedenen Gesichtspunkten weiter reichenden Schutzinstrumentarium die zentrale Bedeutung im Bereich des Schutzes technischer Erfindungen zu (näheres zu den wesentlichen Unterschieden zwischen Patent- und Gebrauchsmusterschutz s. u. 2. Abschnitt, insbes. 5. Kapitel). Ebenso wie das Patent setzt auch das Gebrauchsmuster eine technische Erfindung voraus. Nach traditionellem Verständnis ging man früher stets davon aus, dass die Anforderungen an die erfinderische Leistung-- § 1 Gebr MG spricht von einem „erfinderischen Schritt“-- geringer sind als bei einem Patent. 20 Das Gebrauchsmusterrecht wolle auf diese Weise auch kleineren Erfindungen und technischen Gestaltungen, für die ein Patent mangels ausreichender Erfinderleistung nicht in Frage kommt oder für die der Zeitaufwand des Patenterteilungsverfahrens und die höheren Gebühren der Patente nicht lohnen, Schutz gewähren. Demgegenüber hat jedoch der BGH in einer jüngeren Entscheidung festgestellt, dass für eine entsprechende Differenzierung auf der Grundlage der heute maßgeblichen, herabgesetzten gesetzlichen Anforderungen an die Schutzfähigkeit im Patentrecht kein Raum (mehr) sei, so dass für die Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ (i. S. v. § 1 Abs. 1 Gebr MG ) auf die im Patentrecht zur Beurteilung der „erfinderischen Tätigkeit“ (i. S. v. § 1 Abs. 1 PatG) entwickelten Grundsätze zurückzugreifen sei. 21 Das Gebrauchsmuster hat in der Praxis jedoch nicht nur für kleinere Erfindungen, für die es ursprünglich gedacht war, große Bedeutung. Insbesondere bei technischen Neuerungen, die sowohl dem Patentals auch dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich sind, sichert die Eintragung des Gebrauchsmusters- - die anders als die Erteilung eines Patents keine materielle Prüfung voraussetzt- - dem Anmelder einen schnellen und gebührengünstigen Schutz, vor allem in der patentrechtlich nicht geschützten Zeitspanne zwischen Offenlegung der Patentanmeldung und Patenterteilung. 16 Vgl. Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 42 ff. 17 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 2. 18 Änderung § 1 Abs. 1 PatG durch das Gesetz v. 24. 8. 2007 zur Umsetzung der Akte vom 29. 11. 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente ( BGB l. I, S. 2166). 19 In der Fassung vom 28. 8. 1986, BGB l. I, S. 1455. 20 Vgl. Benkhard / Bruchhausen, Gebr MG , 9. Aufl. 1993, § 1 Rdn. 25. 21 BGH GRUR 2006, 842, 844 f. „Demonstrationsschrank“. 44 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Der Schutz von Leistungen im Bereich des Designs: Designschutzrecht Im Gegensatz zu den vorerwähnten technischen Schutzrechten zielt der Schutz des Designschutzrechts nicht auf den Schutz technischer Erfindungen, sondern- - wie der Name des modernisierten Gesetzes jetzt erkennen lässt-- auf den Schutz des Designs ab. Angesprochen sind damit Ergebnisse geistig-kreativer Schaffenstätigkeit aus dem Bereich des Designs, nämlich zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsformen beliebiger Erzeugnisse, wie etwa die äußere Erscheinungsform von Möbeln, Autos, Computern, Smartphones, Stoffen, Lampen Büroartikeln, Haushaltsgeräten etc. Rechtsgrundlage des Designschutzrechts ist das Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (DesignG) vom 10. 10. 2013. 22 Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber das Designschutzrecht, das zuletzt durch das Gesetz über den Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz-- Geschm MG ) 23 vom 12. 3. 2004 einer grundlegenden Reform unterzogen worden war, erneut modernisiert-- im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht: Neu eingeführt wurde, vergleichbar den Verfahren im Marken-, Patent- und Gebrauchsmusterrecht, ein Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA . Ferner hat sich der Gesetzgeber nunmehr auch dazu entschieden, die bereits im Rahmen der Reform 2004 erwogene, aber damals noch nicht umgesetzte Modernisierung des Gesetzes in sprachlicher Hinsicht zu vollziehen und den antiquiert anmutenden bzw. missverständlichen Begriff des „Geschmacksmusters“ dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend in „eingetragenes Design“ zu ändern. 24 Diese in sprachlicher Hinsicht bedeutsame und alle maßgeblichen Regelungen des Gesetzes erfassende Änderung, die das Designschutzrecht durch das Modernisierungsgesetz 2013 erfahren hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der materielle Gehalt des Modernisierungsgesetzes 2013, der sich im Wesentlichen in der erwähnten Einführung eines amtlichen Nichtigkeitsverfahrens erschöpft, gemessen an der grundlegenden Reform 2004 bescheiden ausfällt. Bei dem Geschmacksmusterreformgesetz 2004 handelte es sich um eine Jahrhundertreform, durch das die EG -Richtlinie vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, 25 die auf eine Angleichung der Kernelemente des Geschmacksmusterrechts innerhalb der Gemeinschaft abzielt, umgesetzt und das alte deutsche Geschmacksmustergesetz vom 11. 1. 1876 nach einer Geltungsdauer von mehr als 125 Jahren abgelöst wurde. Der deutsche Gesetzgeber hatte die im Zuge der gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Regelungen zum Schutz industrieller Formgestaltungen notwendig gewordene Novellierung 2004 zum Anlass genommen, das Designschutzrecht (seiner Zeit noch als „Geschmacksmusterrecht“ bezeichnet) grundlegend zu modernisieren und neu zu strukturieren. Das Designschutzrecht hat durch die umfassende Novellierung 2004 gegenüber der alten Gesetzeslage eine Vielzahl bedeutender Änderungen im Bereich des materiellen und formellen Rechts erfahren (im Einzelnen hierzu s. u. Vierter Abschnitt). Hervorzuheben ist, dass das Designschutzrecht als gewerbliches Schutzrecht mit dem 2004 reformierten Recht eine wesentliche Stärkung erfahren hat. Während das früher so bezeichnete Geschmacks- 22 BGB l. Teil I Nr. 62 v. 16. 10. 2013, S. 3799 ff. 23 BGB l. Teil I v. 18. 3. 2004, S. 390 ff. 24 Vgl. hierzu im Einzelnen BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 21 ff. 25 Richtlinie 98 / 71 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 10. 1998. 45 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson musterrecht dem Rechtsinhaber lediglich die Möglichkeit gab, gegen eine unautorisierte Nachbildung seines geschützten Geschmacksmusters und dessen Verbreitung vorzugehen (vgl. § 5 Geschm MG a. F.), zeichnet sich das modernisierte Designschutzrecht durch eine sog. Sperrwirkung aus. Das bedeutet, nach dem 2004 grundlegend reformierten Recht kommt es für die Zuwiderhandlung nicht mehr auf die Kenntnis des Verletzers von dem geschützten Design an. Vielmehr gewährt das Designrecht dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten-- unabhängig von deren Kenntnis seines eingetragenen Designs-- zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen (§ 38 Abs. 1 S. 1 DesignG). III. Der Schutz von Kennzeichen: Markenrecht Gesetzliche Grundlage des Markenrechts ist das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen“ (Markengesetz-- MarkenG), 26 durch das eine Umsetzung der europäischen Markenrechtsrichtlinie 27 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken erfolgte. Das Markengesetz ist an die Stelle des früheren Warenzeichengesetzes über den Schutz von Warenzeichen (heute „Marken“) getreten und ist darüber hinaus die wichtigste Kodifikation des Kennzeichenrechts. Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes auf technischem und ästhetischem Gebiet knüpft das Markenrecht nicht unmittelbar am Gegenstand, sondern an einem Kennzeichen als dem Symbol des geistig-gewerblichen Schaffens an. Das im Markengesetz geregelte Kennzeichenrecht 28 enthält Bestimmungen über den Schutz von Marken, geschäftlichen Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben (vgl. § 1 MarkenG). Im Vordergrund steht dabei der Schutz der Marken. Dies sind alle Zeichen-- Wörter, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und eine Vielzahl weiterer Markenformen--, die geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. § 3 MarkenG). Bei der Marke handelt sich gewissermaßen um die „Visitenkarte“ eines Unternehmens, mit der Produkte und Dienstleistungen im Wettbewerb auftreten. Seit jeher haben Gewerbetreibende ihre Waren mit besonderen Kennzeichen versehen, um sie auf diese Weise von gleichartigen oder ähnlichen Produkten anderer Anbieter zu unterscheiden. Traditionell wird dem Markenschutz eine dreifache Funktion zugemessen, durch die sich seine Bedeutung im Wirtschaftsleben veranschaulichen lässt: Er kennzeichnet die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb, um sie von den Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (sog. Herkunftsfunktion), er weist eine bestimmte Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nach (sog. Garantie- oder Vertrauensfunktion) und besitzt schließlich 26 Vom 25. 10. 1994, BGB l. I, S. 3082, BGB l. 1995 I, S. 156. 27 Richtlinie 89 / 104 / EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken. 28 Zum Kennzeichenrecht i. w. S. gehören auch Bestimmungen außerhalb des Markengesetzes wie z. B. insbes. das Namensrecht, § 12 BGB , oder das Firmenrecht, §§ 17 ff. HGB . 46 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson die Eigenschaft eines Werbeträgers für den Zeicheninhaber und sein Produkt (sog. Werbe- oder Kommunikationsfunktion). 29 IV. Spezialmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes: Topographieschutz und Sortenschutz Ein Überblick über das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums verdeutlicht, dass von der Rechtsordnung nur einzelne genau bestimmte Kategorien geistiger Schaffensergebnisse als Rechtsobjekte anerkannt und einem Schutz zugunsten des jeweiligen „Eigentümers“ unterstellt sind. Ähnlich wie im Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches ( BGB ) besteht auch im Bereich des geistigen Eigentums ein numerus clausus geschützter Güter (s. bereits zuvor § 1 II .), 30 dessen Umfang durch die in diesem Abschnitt überblicksartig vorgestellten Schutzrechte beschrieben wird und der als solcher im Großen und Ganzen weltweit übereinstimmend anerkannt ist. Gleichwohl unterliegt das Recht des geistigen Eigentums, wie bereits in anderem Zusammenhang angesprochen, dem zivilisatorischen Wandel und damit dem Zwang, die bestehenden Schutzinstrumentarien den durch Fortschritt in Wissenschaft und Technik veränderten Lebensbedingungen fortlaufend anzupassen bzw. diese zu ergänzen. Die Anerkennung neuer Immaterialgüter als Rechtsubjekte durch die Rechtsordnung ist dabei jederzeit Ausdruck des Bemühens der Gesellschaft, zur Lösung neu auftretender Schutzdefizite, zu deren Bewältigung sich bereits bestehende rechtliche Instrumentarien als untauglich erwiesen haben, neue Instrumentarien zu schaffen. 31 1. Halbleiterschutzrecht Gemessen an der langen Geschichte der übrigen gewerblichen Schutzrechte und des Urheberrechts ist der jüngste Beleg für die Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts durch die Schaffung neuer Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums der Erlass des Gesetzes über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22. 11. 1987. 32 Das Halbleiterschutzrecht befasst sich mit dem Schutz von Mikrochip-Strukturen- - das Gesetz spricht von dreidimensionalen Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen, kurz „Topographien“ genannt (vgl. § 1 Abs. 1 HLS chG). Die in halbleitendem Material enthaltenen Schaltkreise sind u. a. im Bereich der IT - Industrie von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. Die Entwicklung und Herstellung einer integrierten Schaltung stellt sich als ein mehrstufiger komplexer Produktionsprozess dar, der über zahlreiche, jeweils verfeinernde Zwischenschritte schließlich zum gewünschten Endprodukt, dem fertigen Halbleiterchip führt. Das Erfordernis des rechtlichen Schutzes von Topographien ergab sich aus der Sorge, dass diese vermeintlich mit einem Bruchteil 29 Vgl. u. a. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, S. 53 f.; näheres zur Funktionenlehre vgl. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 72 f. 30 Vgl. Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 59; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 31 Knap, FS f. A. Troller, S. 119. 32 HLS chG ( BGB l. I, S. 2294). 47 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson des Kostenaufwandes, der für ihre Entwicklung erforderlich ist, kopiert werden könnten (Investitionsschutz). 2. Sortenschutzrecht Als weiteres Beispiel für die Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts durch die Anerkennung spezieller gewerblicher Schutzrechte ist die Gesetzgebung im Bereich des Sortenschutzes zu nennen, durch die-- lange nach Anerkennung der technischen Erfindungsleistungen durch die Patentgesetzgebung- - dem Schutzbedürfnis gewerblicher Leistungen im Bereich der Pflanzenzüchtungen Rechnung getragen wurde. Rechtsgrundlage des Sortenschutzrechts ist das Sortenschutzgesetz. 33 Das Sortenschutzrecht hat sich aus anfänglichen Schutzversuchen der züchterischen Leistung vor allem über das Patent- und Kennzeichenrecht zu einem besonderen Pflanzenschutzrecht entwickelt, das zwar methodisch und dogmatisch stark an die Regelungen des Patentrechts angelehnt ist, das aber gerade auch den Besonderheiten der lebenden pflanzlichen Materie Rechnung tragen will und einen eigenständigen Charakter besitzt. 34 V. Der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb: Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht i. e. S.) Das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) 35 geregelte Wettbewerbsrecht zielt allgemein auf die „Lauterkeit“ des Wettbewerbs durch einen umfassenden Schutz vor unlauterem Wettbewerbsverhalten (z. B. durch irreführende Werbung, Behinderung der Wettbewerber, Ausbeutung fremder Leistung). Es wird in Abgrenzung zum ebenfalls als Wettbewerbsrecht bezeichneten Kartellrecht auch als „Lauterkeitsrecht“ bzw. als „Wettbewerbsrecht im engeren Sinne“ bezeichnet. Anders als bei den vorgenannten Gebieten des Gewerblichen Rechtsschutzes gewährt das UWG allerdings kein „geistiges Eigentum“ an einem immateriellen Wirtschaftsgut. Gleichwohl ist das Lauterkeitsrecht mit Blick auf seine rechtssystematische Zugehörigkeit zum Gewerblichen Rechtsschutz (näheres hierzu s. u. § 82 V. 2.) und seine erhebliche praktische Bedeutung in die vorliegende Darstellung zum „Recht des geistigen Eigentums“ mit einzubeziehen. VI. Der Schutz vertraulicher Informationen: Geschäftsgeheimnisse Der Schutz von vertraulichem Know how und vertraulichen Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnissen) ist für Unternehmen und Forschungseinrichtungen von erheblichem wirtschaftlichem Interesse. 36 Allerdings unterscheidet sich der rechtliche Schutz der Geschäftsgeheimnisse von dem Schutz der anderen Schutzgegenstände im Bereich des gewerb- 33 Vom 11. 12. 1985, BGB l. I, S. 2170; grundlegend geändert durch Gesetz v. 17. 7. 1997 ( BGB l. I, S. 1854). 34 Leßmann, GRUR 1986, 279. 35 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) v. 3. Juli 2004, BGB l. I, S. 1414. 36 Näheres hierzu vgl. u. a. die Studie im Auftrag der EU „Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market“, April 2013. 48 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson lichen Rechtsschutzes. Anders als bei diesen ist der rechtliche Schutz der Geschäftsgeheimnisse lediglich von der tatsächlichen Geheimhaltung der vertraulichen Informationen abhängig. Das heißt, der Schutz als Geschäftsgeheimnis erfordert weder die Erbringung einer an spezifischen materiellen Schutzvoraussetzungen zu bemessenden besonderen gewerblichen Leistung, die sodann-- wie etwa im Bereich des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts-- durch die Gewährung eines zeitlich begrenzten technischen Schutzrechts belohnt wird, noch etwa die Erfüllung gesetzlicher formeller Voraussetzungen (Anmeldung, amtliche Registrierung, Zahlung von Amtsgebühren etc.). So gesehen begründet die faktische Geheimhaltung von Informationen (Schutz als Geschäftsgeheimnis) kein Recht an einem geistigen Eigentum, sondern stellt sich als alternatives Mittel der Aneignung einer Innovation bzw. sonstiger wirtschaftlich bedeutsamer Informationen dar. 37 Trotz dieser Besonderheiten, die die Stellung der Geschäftsgeheimnisse im System des Immaterialgüterrechts kennzeichnen, 38 ist ihr Schutz tatsächlich und rechtlich mit dem Rechtsgebiet des geistigen Eigentums eng verbunden. Das zunehmende Bewusstsein für die besondere Bedeutung, die einem wirksamen zivilrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse zukommt, spiegelt sich in der einschlägigen Richtlinie der EU (2016 / 943) und dem zwecks Umsetzung der Richtlinie seitens des BMJV vorgelegten Entwurf 39 für eine sondergesetzliche Regelung des Geheimnisschutzes- - ein Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG-E)-- wider (näheres hierzu s. u. § 86 II .). VII. Der Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst: Urheberrecht 1. Gesetzliche Grundlage und Werkbegriff Gesetzliche Grundlage des deutschen Urheberrechts ist das „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“ vom 9. 9. 1965 (das sog. Urheberrechtsgesetz, kurz „UrhG“). 40 Urheberrechtsschutz genießen danach Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst für ihre Werke (§ 1 UrhG). Gegenstand des Urheberrechtsschutzes ist dabei nicht ein körperlicher Gegenstand (z. B. das Buch, die CD , die DVD ), sondern das immaterielle, geistige Werk, das durch beliebige Wiedergabe genutzt werden kann. Zentrale Bedeutung für die Erfassung der Schutzobjekte des Urheberrechts kommt dem urheberrechtlichen Werkbegriff zu, der die materiellen Voraussetzungen, den Gegenstand und den Umfang des Urheberschutzes festlegt. Nach der Definition des urheberrechtlich schutzfähigen Werkes durch den Gesetzgeber sind Werke im Sinne des UrhG nur „persönlich geistige Schöpfungen“ (§ 2 Abs. 2 UrhG). Zudem enthält das Gesetz einen nicht abschließenden Katalog von urheberrechtlich geschützten Werkarten (§ 2 Abs. 1 UrhG). Zu den geschützten Werken gehören danach insbesondere 37 In diesem Sinne vgl. Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, EG 1. 38 Grundlegend hierzu McGuire, GRUR 2016, 1000 ff. 39 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG-- Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2016 / 943; Referentenentwurf v. 19. 04. 2018). 40 BGB l. I, S. 1273. 49 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson ▶ Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; ▶ Werke der Musik; ▶ pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; ▶ Werke der bildenden Künste, einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; ▶ Lichtbildwerke (d. h. Fotografien), einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; ▶ Filmwerke, einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; ▶ Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (vgl. § 2 Abs. 1 Ziff. 1-7 UrhG), ferner ▶ Datenbankwerke (§ 4 Abs. 2 UrhG). 2. Urheberrecht im Informationszeitalter Die vom Urheberrechtschutz erfassten Werke-- wie z. B. Musik, Filme, Fotografien und Texte, aber auch Software und Datenbanken-- sind als immaterielle geistige Güter, in dem durch immer leistungsstärkere digitale Reproduktionstechniken und weltweit vernetzte Computer gekennzeichneten Informationszeitalter dem unberechtigten Zugriff und der Manipulation durch Dritte stärker ausgesetzt als je zuvor. Das Internet eröffnet ein außergewöhnliches Nutzungs-, damit aber gleichermaßen auch ein erhebliches Verletzungspotential. Zwar haben die im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelten Reproduktionstechnologien den Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit immer wieder vor die Bewältigung neuer urheberrechtlicher Herausforderungen gestellt. Die durch Internet und Digitalisierung eröffneten Möglichkeiten haben jedoch die Nutzung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke in einer Weise revolutioniert, die den Gesetzgeber in dem Bemühen um eine angemessene Austarierung der Interessen von Rechteinhabern (Kreative, digitale Wirtschaft) einerseits und der Allgemeinheit (Verbraucher, Bildung, Wissenschaft) andererseits vor besondere Herausforderungen stellt. 41 Das Urheberrecht und seine Anpassung an die Erfordernisse des Informationszeitalters stehen daher seit vielen Jahren mehr als die anderen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Zentrum internationaler, europäischer und nationaler Regulierungsinitiativen (vgl. bereits o. § 1 III ., IV .). 41 In diesem Sinne vgl. BT -Drucks. 17 / 13 423, S. 11; BT -Drucks. 17 / 14 194, S. 5. 50 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Überblick: Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht Wettbewerbsrecht i.w.S. Geistiges Eigentum (Immaterialgüterrecht) Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Kartellrecht Lauterkeitsrecht UWG Ausschließlichkeitsrechte PatG GebrMG HLSchG SortG DesignG MarkenG UrhRG GWB Art. 101 ff. AEUV, EU-Verordnungen GeschGehG-E Abb. 1: Überblick: Gewerblicher Rechtschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Eine differenzierte, die Entstehung aller unterschiedlichen Schutzrechtskategorien des Immaterialgüterrechts nachvollziehende Darstellung der Geschichte des geistigen Eigentums würde den Rahmen der vorliegenden Abhandlung sprengen. Gleichwohl gilt auch für das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums, das was ganz allgemein für nahezu alle Erkenntnisgegenstände-- also nicht nur die Rechtswissenschaft-- gilt: Die gegenwärtige Beschaffenheit eines Gegenstandes lässt sich umfassend nur vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Entwicklung verstehen. Mehr noch: Da die gegenwärtige Beschaffenheit eines sich beständig fortentwickelnden Gegenstandes immer nur eine Momentaufnahme ist, lassen sich Fragen, die auf die zukünftige Entwicklung eines Gegenstandes gerichtet sind und die darum rankenden gesellschaftlichen Diskussionen, nur aus dem Verständnis der geschichtlichen Entwicklung heraus verstehen und beantworten. Zumindest eine knappe Skizzierung einiger wesentlicher geschichtlicher Entwicklungslinien des geistigen Eigentums erscheint daher im Sinne eines tiefergehenden Verständnisses des Rechts des geistigen Eigentums und seiner gegenwärtigen Herausforderungen von Nutzen. 42 42 Ausführlichere Darstellungen vgl. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 13 ff.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 8 ff.; umfassend vgl. Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bände I (1996) und II (2003). 51 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Pierson I. Ausgangspunkt: Das Streben nach technischem Fortschritt und Ausdruck Die Geschichte der Menschheit ist seit ihren archaischen Ursprüngen gekennzeichnet durch das stete Bestreben, sich die Kräfte der Natur durch deren Beherrschung-- etwa durch die Kontrolle des Feuers oder die Formung des Steins zu einem Keil-- im Überlebenskampf in immer vollkommenerer Weise zunutze zu machen. Unsere Geschichte ist mithin zugleich eine Geschichte der Technik-- der Suche nach dem gezielten Einsatz von Naturkräften zur Lösung von Problemen-- und des menschlichen Bestrebens nach einer stetigen, auf dem Wissen vorangegangener Generationen aufbauenden Fortentwicklung der Technik. Das menschliche Streben nach technischem Fortschritt lässt sich als ein-- vielleicht sogar das wichtigste-- Kontinuum unserer Zivilisation begreifen. Aber die Geschichte des geistigen Schaffens ist nicht allein gekennzeichnet durch das Streben nach einer immer vollkommeneren Beherrschung der Naturkräfte. Auch das Bedürfnis des Menschen, seinen Lebensumständen, Gedanken und Empfindungen in persönlich-schöpferischer, zur bloßen Aufnahme durch die menschlichen Sinne geeigneten Weise Ausdruck zu verleihen, lassen sich bis in die frühgeschichtlichen Epochen der Menschheitsgeschichte verfolgen. Die in weiten Teilen Europas, Afrikas und auf anderen Kontinenten in der Steinzeit (ca. 31 500-15 000 v. Chr.) entstandenen Höhlen-Felsmalereien belegen dies exemplarisch in eindrucksvoller Weise (Altamira, Lascaux). Gemessen an der zeitlichen Ausdehnung der bekannten Menschheitsgeschichte ist die Herausbildung des „Rechts“ als Instrument menschlicher Ordnung eine vergleichsweise moderne Entwicklung. Sie setzt ein mit der Entwicklung der Hochkulturen, die im 4. vorchristlichen Jahrtausend zunächst in Ägypten und Mesopotamien, im 3. vorchristlichen Jahrtausend dann auch auf der Insel Kreta (Minoische Kultur) entstehen. Die Entwicklung des Rechts folgte dabei stets der zivilisatorischen Entwicklung nach-- als Versuch einer Antwort auf die Anforderungen an die Ordnung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer sich immer differenzierter entwickelnden Kultur. Obgleich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft- - von den vorgeschichtlichen Anfängen, über die Antike, das Mittelalter und die Neuzeit-- seit jeher von herausragenden Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit des Menschen-- erfinderischen Leistungen auf dem Gebiet der Technik, kreativen Leistungen im Bereich von Kunst und Kultur- - getragen wurde, war der Gedanke eines Schutzes der geistigen Leistung als solcher, gar der Gedanke eines individuellen geistigen Eigentums dem sich entwickelnden Recht über die längste Zeit bis hinein in die Anfänge der Neuzeit weitgehend fremd. II. Antike und Mittelalter Die Wirtschaft der Antike war agrarisch, d. h. durch Ackerbau und Viehzucht sowie durch Handel und durch Handwerk geprägt. Die natürlichen Ressourcen waren noch nicht annähernd erkannt oder gar erschöpft und zur Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten standen nicht nur Lasttiere, sondern vielfach Sklaven zur Verfügung. Es bestand mithin noch keine Notwendigkeit, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch die gezielte Erforschung der Naturkräfte und die Entwicklung immer neuer Technologien zu gewähr- 52 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson leisten. Vielmehr beschränkte sich der Einsatz der Technik überwiegend auf einfache, leicht beherrschbare Naturkräfte, deren Nutzung-- wie etwa die des Windes, des Wassers oder der Schwerkraft-- nicht als erfinderische Leistung eines Einzelnen hervortrat. Unter derartigen gesellschaftlichen Umständen war für die Frage nach einem Schutz technischer Erfindungen noch kein Raum.-- Auch die Idee eines Rechtes an einem geistig-schöpferischen Werk und ein Recht des Urhebers ist zu dieser Zeit völlig unbekannt. Gleichwohl existiert bereits in der Antike ein Bewusstsein für „geistiges Eigentums“. Der römische Dichter Marcus Valerius Martialis (42 bis 104 n. Chr.) verglich seine Gedichte mit freigelassenen Sklaven und bezeichnete einen anderen Dichter, der seine Gedichte als eigene ausgab, scherzhaft als Menschenräuber (lat. plagiarius)-- was zugleich den Ursprung des Wortes „Plagiat“ (franz. plagiaire) erklärt, das bis heute für die Kennzeichnung auf geistigem Diebstahl beruhender Werke geläufig ist. 43 Derjenige, der den „Diebstahl“ begeht, ist mithin der Plagiator! 44 Ein Autorenrecht, das dem Bestohlenen ein Klagerecht gegen den Plagiator gegeben hätte, war im Altertum jedoch noch nicht bekannt. Ein ähnlicher Befund wie für die Antike, ergibt sich auch für das Mittelalter. Denn auch der durch die strengen Ordnungen der Zünfte und Gilden geprägten mittelalterlichen Wirtschaft war die Idee eines Schutzes individueller technischer Erfinderleistungen noch fremd. In einer durch fehlende Gewerbefreiheit, geringen Wettbewerb und starke Reglementierungen durch Zunftordnungen und Zunftzwang geprägten Wirtschaftsordnung- - die entwickelte Technik ist Gemeingut der Zunft- - ergeben sich weder nennenswerte Anreize für den individuellen Erfindergeist noch die Notwendigkeit, den Erfindergeist durch ein Verwertungs- Monopol zu stimulieren und zu belohnen. 45 Auch im Bereich des religiös motivierten Kulturschaffens ist die materielle Existenz des Schaffenden durch die Zugehörigkeit zu einem Orden, einer Korporation oder durch adelige Herkunft gesichert. Für die Frage nach einem Schutz der geistig-schöpferischen Leistung des individuellen Urhebers, der-- verstanden als bloßer Mittler zwischen Gott und Mensch- - zudem häufig anonym bleibt, existiert noch keine Bewusstseinslage. 46 III. Privilegienwesen Erste Ansätze eines Erfinderschutzes brachte das sog. Privilegienwesen an der durch eine Vielzahl bedeutender Entdeckungen und Erfindungen gekennzeichneten Wende zur Neuzeit (ab dem 15. Jahrhundert). Die sich in unterschiedlicher Ausgestaltung entwickelnden Privilegien bestanden in einem vom jeweiligen Territorialherren gewährten, regelmäßig befristeten Monopolrecht, durch das im Interesse der Allgemeinheit der Unternehmer- und Erfindergeist gefördert und die Einführung eines neuen Gewerbes (Gewerbeprivilegien) 43 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 8 f. Rdn. 23; ferner Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 108. 44 Die Bezeichnung „Plagiarius“ wurde daher auch sinnfälligerweise als Name eines Negativpreises gewählt, der jährlich im Rahmen einer Design-Messe dem dreistesten Nachahmer verliehen wird-- mehr hierzu vgl. http: / / www.plagiarius.com (letzter Abruf: 03 / 2018). 45 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 14 f. 46 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 9 Rdn. 25. 53 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Pierson bzw. die erfinderische Leistung (Erfinderprivilegien) belohnt werden sollte. Die Erteilung des Privilegs erfolgte durch eine landesherrliche Urkunde in Form von offenen Schutzbriefen (lat.: litterae patentes), durch die-- im Falle des Erfinderprivilegs-- der Erfinder vom Zunftzwang befreit, zur alleinigen gewerblichen Nutzung berechtigt und vor Nachahmung geschützt wurde. Auf die Erteilung eines Privilegs, dessen Gewährung Gnadensache des jeweiligen Landesherrn war, bestand kein Rechtsanspruch. Gleichwohl entwickelte sich aus den Privilegien im Laufe der Zeit eine feste Rechtspraxis, aus der heraus sich die wesentlichen Grundlagen des heutigen Patentrechts entwickelt haben. 47 Nicht nur im Bereich der technischen Erfindungen, auch im Bereich der Geisteswerke entwickelte sich im ausgehenden 15. Jahrhundert das Privilegienwesen, als dessen Ausgangspunkt die Erfindung des Buchdrucks (um 1450) und das damit entstandene Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz gegen Nachdruck gesehen wird. 48 Im Laufe der langen Geschichte des Privilegienwesens bildeten sich unterschiedliche Privilegientypen heraus, die-- je nach Sachlage und gesellschaftlicher Situation- - der Gewerbeförderung (sog. Druckprivilegien zugunsten der Drucker), dem Investitionsschutz (sog. Bücherprivilegien zugunsten der Drucker / Verleger), dem Leistungsanreiz (sog. Territorialprivilegien - territorial begrenzte Nachdruckverbote zugunsten der Verleger) oder der Belohnung der geistigen Schöpfung (sog. Autorenprivilegien) dienten. Obgleich die zuletzt genannten Autorenprivilegien die ideellen Interessen der Autoren schützten und bereits Ansätze enthielten, die Autoren materiell zu belohnen, sind auch diese noch nicht als Beginn des Urheberrechts im heutigen Sinne zu verstehen, da sie das Geisteswerk allenfalls mittelbar schützen und primär am Druck des privilegienwürdigen Werkes anknüpfen. 49 In England führten sachfremde Auswüchse der Privilegienerteilung auf Waren des täglichen Bedarfs in einer Gegenbewegung schließlich zum Erlass einer einschränkenden gesetzlichen Regelung durch das Antimonopolstatut von 1624 (Statute of Monopolies- - einem Vorläufer der europäischen Patentgesetzgebung), durch das Monopole als Eingriffe in die Gewerbefreiheit grundsätzlich für unzulässig erklärt und im Interesse der Allgemeinheit nur wirklichen neuen Gewerbeerzeugnissen und Verfahren vorbehalten wurden (sog. Monopoltheorie). 50 IV. Die Theorie vom geistigen Eigentum Ein völlig neues Verständnis in der Beurteilung der Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit konnte sich erst auf der Grundlage der Philosophie der Aufklärung (ab dem 17. Jahrhundert) entwickeln, also jener Geistesströmung, die sich im Denken und Handeln auf die Vernunft beruft und sich als Selbstbefreiung von aller Bevormundung durch Tradition und kirchliche Autorität versteht. Nach der in dieser Zeit zur Blüte gelangenden Naturrechtslehre ist das Naturrecht das Recht, das sich aus der menschlichen Natur ableitet und das demgemäß aus 47 Ausführlich Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 16 ff.; ferner Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. II . Rdn. 5 ff. 48 Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 90; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 9 f. Rdn. 26. 49 Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 90 ff., 94; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 10 f. Rdn. 27 ff. 50 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 18 f. 54 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson der reinen Vernunft, die allen Menschen eigen ist, erkennbar ist. 51 Die Naturrechtslehre führte zu der Überzeugung, dass der geistig Schaffende auf das Ergebnis seiner Schaffenstätigkeit ein natürliches, nicht von einem fürstlichen Gnadenakt abhängiges Anrecht habe, das ähnlich wie das Sacheigentum ohne weiteres anzuerkennen sei. Zur vollen Geltung kam die damit begründete Theorie vom geistigen Eigentum in der Französischen Revolution, in deren Zuge mit der Anerkennung der Menschenrechte auch die Anerkennung des geistigen Eigentums (propriété industrielle und propriété littéraire et artistique) erfolgte. 52 V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert / Reichsgesetzgebung Anders als in Frankreich und England-- und den von diesen beiden Ländern beeinflussten Vereinigten Staaten von Amerika ( USA )-- konnte sich die Idee vom geistigen Eigentum in Deutschland, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch durch eine starke territoriale Zersplitterung und eine dadurch gehemmte industrielle Entwicklung gekennzeichnet ist, nur verzögert durchsetzen. So herrscht zu dieser Zeit in den deutschen Territorialstaaten-- mit Ausnahme der linksrheinischen Gebiete, in denen französisches Recht gilt- - allerorten weiterhin das Privilegienwesen. 53 Um die Mitte des 19. Jahrhundert setzt zudem eine heftige Debatte ein, in deren Verlauf gewerbliche Schutzrechte wegen der damit vermeintlich einhergehenden Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit als schädliche Überreste eines überholten Zunft- und Privilegienwesens generell in Frage gestellt werden (von der Freihandelslehre beeinflusste sog. Antipatentbewegung). Erst die intensiven Bestrebungen einer sich zunehmend entwickelnden Industrie sowie neu gebildeter Erfindervereinigungen (sog. Patentbewegung) führen dazu, dass sich-- unter Hinweis auf den Gedanken des geistigen Eigentums, die Patentgesetzgebung anderer Länder und das öffentliche Interesse-- allmählich auch in Deutschland die Überzeugung von der Notwendigkeit eines Schutzes der geistigen Leistung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen vermag. 54 So kam es nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871-- gestützt auf die Reichsverfassung von 1871, die die Gesetzgebungskompetenz für Erfindungspatente und den Schutz des geistigen Eigentums dem Reich zuwies-- zu einer für alle deutschen Länder einheitlichen Reichsgesetzgebung: ▶ Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken v. 1871, 55 das durch die Gesetze betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste v. 9. 1. 1876 und betreffend den Urheberrechtsschutz an Werken der Photographie v. 10. 1. 1876 ergänzt wurde. 51 Creifelds, Rechtswörterbuch, „Naturrecht“ S. 902. 52 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 20 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3 S. 12 ff. Rdn. 33 ff.; ferner Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 117 ff. 53 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 23 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3 S. 12 ff. Rdn. 33 ff. 54 Im Einzelnen hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 25 f. 55 Hierbei handelte es sich um ein bereits vom Norddeutschen Bund am 11. 6. 1870 verkündetes Gesetz, das nachdem die Gesetzgebungskompetenz auf das Reich übergegangen war, von diesem als Reichsgesetz übernommen wurde-- vgl. Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 131. 55 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson ▶ Markenschutzgesetz von 30. 11. 1874, das durch das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen v. 12. 5. 1894 abgelöst wurde. ▶ Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen v. 11. 1. 1876 (Geschmacksmustergesetz), das sich als das mit Abstand langlebigste Gesetz im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes erweisen sollte und erst durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmustergesetzes v. 12. 3. 2004 grundlegend neu gefasst wurde. ▶ Reichs-Patentgesetz v. 25. 4. 1877, das nach auftretenden Mängeln in der Organisation und im Verfahren des Patentamtes durch ein neues Patentgesetz v. 7. 4. 1891 abgelöst wurde, das gleichzeitig mit dem ersten Gebrauchsmustergesetz v. 1. 6. 1891 am 1. 10. 1891 in Kraft trat. 56 ▶ Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 27. 5. 1896. Das auf Einzelfälle zugeschnittene und daher wenig taugliche Gesetz wurde alsbald durch das (zweite) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. 6. 1909 ersetzt, das den Mangel des ersten Gesetzes durch die „berühmte Generalklausel“ (§ 1) überwand und dem-- bis zum Inkrafttreten des UWG -Reformgesetzes 2004-- eine fast 100-jährige Geltungsdauer beschieden war. § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Die Frage des internationalen Rechtsschutzes ist im Bereich des Schutzes von geistigem Eigentum seit jeher von besonderer Bedeutung, weil sich die Schutzgegenstände des geistigen Eigentums aufgrund ihres immateriellen Charakters beliebig vervielfältigen und sich technisch ohne nennenswerten Aufwand über Landesgrenzen hinweg weltweit verbreiten lassen. I. Ausgangspunkt Wie bereits einführend dargestellt (s. o. § 1 II .), ist ein wesentliches Charakteristikum der vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände- - sowohl im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes als auch im Bereich des urheberrechtlichen Werkschutzes-- ihre sog. Ubiquität. Sie ermöglicht, dass das betreffende geistige Gut-- sofern es erst einmal öffentlich zugänglich, bekanntgemacht bzw. veröffentlicht wurde-- weltweit genutzt und verwertet werden kann. Bereits seit jeher stellt sich daher für den Gewerbetreibenden, der nicht nur auf dem nationalen Heimatmarkt, sondern auch grenzüberschreitend tätig ist, die Frage nach dem internationalen Schutz seiner gewerblichen Leistungen, d. h. danach, wie es etwa um den Schutz seiner technischen Erfindungen, seiner Leistungen im Bereich des Designs oder seiner Kennzeichen im Ausland bestellt ist. Die Frage nach einem internationalen Schutz des geistigen Eigentums stellt sich in jüngerer Zeit umso drängender, da mit der Entwicklung der modernen IuK-Technologien die Infrastruktur für eine globalisierte, vernetzte Wirtschaft bereit gestellt wurde, durch die sich die Bedingungen für eine weltweite („ubiquitäre“) Nutzung und Verwertung geistiger Güter ganz entscheidend verändert haben (vgl. bereits o. § 1 III ., IV ; § 2 VI . 2.). 56 Näheres Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. II . Rdn. 16. 56 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Beschränkter Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums Voraussetzung für das Verständnis der Notwendigkeit eines internationalen rechtlichen Systems zur Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Schutzes im Bereich des geistigen Eigentums ist es, sich zu vergegenwärtigen, dass der Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Teil in persönlicher und insbesondere durchgängig in räumlicher Hinsicht beschränkt ist. 1. Persönlicher Anwendungsbereich Hintergrund für den in vielen Rechtsordnungen noch auf Inländer beschränkten persönlichen Anwendungsbereich der Sondergesetze zum Schutz gewerblicher Leistungen ist der Umstand, dass der jeweilige Staat in der Regel nur das inländische Gewerbe schützen und fördern will. Auf die mit der Erteilung eines gewerblichen Schutzrechtes verbundene „Rechtswohltat“ soll daher-- so die Erwägung-- im Grundsatz nur der Inländer einen Anspruch haben, während diese Ausländern versagt wird oder zumindest von der Verbürgung der Gegenseitigkeit- - d. h. der Gewährung eines gleichwertigen Schutzes für die eigenen Staatsbürger in dem fraglichen Ursprungsland- - abhängig gemacht wird. Auch die Konzeption der deutschen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechts beruhte zunächst auf entsprechenden Erwägungen. Im Zuge der Rechtsentwicklung wurde die Zurücksetzung von Ausländern im deutschen gewerblichen Rechtsschutz jedoch weitgehend abgebaut. 57 Im Urheberrechtsgesetz ist ein auf Inländer beschränkter persönlicher Anwendungsbereich für das Urheberrecht nach wie vor verankert (s. u. § 78 I.). 2. Räumlicher Anwendungsbereich Mehr noch als der Beschränkung des Anwendungsbereichs in persönlicher Hinsicht kommt der Beschränkung des Anwendungsbereichs in räumlicher Hinsicht entscheidende Bedeutung für das Verständnis der Notwendigkeit eines internationalen Schutzsystems zu. Der räumliche Anwendungsbereich der deutschen Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes sowie des Urheberrechtsgesetzes ist begrenzt, und zwar auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Diese territoriale Begrenzung der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums auf die Staatsgrenzen wird als sog. Territorialitätsprinzip bezeichnet. 58 Es gilt aber nicht nur im deutschen Immaterialgüterrecht, sondern auch in allen ausländischen Rechtsordnungen. Beim Territorialitätsprinzip handelt es sich also um einen allgemein anerkannten Grundsatz des internationalen Immaterialgüterrechts. 59 Entsprechend dem Territorialitätsprinzip wird 57 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39; § 7, S. 90 f. 58 Hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39, § 7, S. 91 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 56, S. 407 Rdn. 1326; Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 109 ff; Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 6 ff. 59 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 24, S. 86. 57 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson der jeweilige immaterialgüterrechtliche Schutz nur innerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland gewährt, d. h., das dem Rechtsinhaber gewährte Verbotsrecht richtet sich nur an Personen im Inland und gilt nur für Tatbestände im Inland. Umgekehrt ist der im Ausland nach dem dortigen Immaterialgüterrecht gewährte Schutz auch nur auf das jeweilige ausländische Staatsgebiet beschränkt, so dass ausländischen Schutzrechten-- etwa einem in Frankreich erteilten Patent oder einer in Großbritannien eingetragenen Marke-- in Deutschland keine Wirkung zukommt. Das Territorialitätsprinzip zwingt also den Rechtsinhaber sein Recht in der jeweiligen Rechtsordnung des Schutzlandes zu suchen („Schutzlandprinzip“). „Das Schutzlandprinzip trägt den Territorialitätsgedanken in sich“. 60 Für das Gebiet der EU ist das Schutzlandprinzip nunmehr in Art. 8 Abs. 1 der Rom II -Verordnung 61 verankert, wonach auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden ist, für den der Schutz beansprucht wird. 62 Der Inhaber eines Immaterialgüterrechts besitzt folglich kein einheitliches, weltweit gültiges Recht, sondern im Grundsatz 63 -- die entsprechende Erlangung von Schutz im Ausland unterstellt-- nur ein „Bündel“ von nationalen Immaterialgüterrechten. 64 III. Staatsverträge zum Schutz des geistigen Eigentums Angesichts der jeweiligen territorialen Begrenzung der nationalen Schutzgesetze kommt im Bereich des geistigen Eigentums den Staatsverträgen zum gegenseitigen Schutz maßgebliche Bedeutung zu. Die ersten internationalen Übereinkommen zum Schutz des geistigen Eigentums wurden bereits fast zeitgleich zur nationalen Gesetzgebung in Deutschland (s. zuvor § 3 V.) im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts abgeschlossen. 65 1. Pariser Verbandübereinkunft ( PVÜ ) a) Einordnung Die Pariser Verbandsübereinkunft ( PVÜ ) zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883 66 ist der älteste völkerrechtliche Vertrag des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes und noch heute von grundlegender Bedeutung. Die Mitgliedsländer der PVÜ 67 60 Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 569. 61 Verordnung ( EG ) Nr. 864 / 2007 v. 11. 7. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II “). 62 BGH GRUR 2012, 1253, 1257 „Gartenpavillon“. 63 Sofern man hier von der Möglichkeit der Erlangung eines supranationalen Unionsschutzrechts auf der Grundlage der entsprechenden unionsrechtlichen Regelungen absieht (s. u. IV . 4.). 64 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 110; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 91 f. 65 Guter Gesamtüberblick: Holeweg, GRUR Int. 2001, 141; ferner Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 29 ff.; Gruber / von Zumbusch / Haberl / Oldekop, S. 1 ff. Rdn. 1.01. 66 Abrufbar wie alle von der WIPO verwalteten internationalen Verträge über deren Website unter: http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 67 Mitgliedsländer: 177 (Stand: 03 / 2018); aktualisierte Listen der Mitgliedsländer der von der WIPO verwalteten internationalen Verträge sind über deren Website abrufbar. 58 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson bilden einen Verband zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Art. 1 Abs. 1 PVÜ ). Das heißt, zwischen den Mitgliedsstaaten bestehen nicht nur vertragliche Beziehungen, sondern ein körperschaftlich organisierter Verband, 68 der überwiegend als juristische Person angesehen wird und dessen Aufgabe es ist, das gesamte „gewerbliche Eigentum“ einer möglichst einheitlichen Regelung durch die Gesetzgebung der Verbandsländer zuzuführen. 69 Die PVÜ erstreckt sich auf den Schutz des „gewerblichen Eigentums“ in der weitesten Bedeutung (Art. 1 Abs. 3). Als Gegenstände erfasst werden die wichtigen Schutzobjekte des gewerblichen Rechtsschutzes, nämlich Erfindungspatente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster oder Modelle (ehm. Geschmacksmuster, heute Designs), Fabrik- und Handelsmarken, Dienstleistungsmarken, Handelsnamen und Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen sowie die Unterdrückung des unlauteren Wettbewerbs (Art. 1 Abs. 2 PVÜ ). Die PVÜ und die auf ihrer Grundlage geschlossenen Sonderabkommen (hierzu nachfolgend 2.) haben kein einheitliches, gleichlautendes Recht für alle Verbandsangehörigen geschaffen und auch keine transnationalen Immaterialgüterrechte entstehen lassen. b) Inländerbehandlung, Unionspriorität Wichtigster Grundsatz zur Verwirklichung der Ziele der PVÜ ist vielmehr der Grundsatz der Inländerbehandlung (Assimilationsprinzip). 70 Dieser besagt, dass alle Staatsangehörigen der Verbandländer in allen übrigen Ländern des Verbandes in Bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile genießen, welche die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden (Art. 2 Abs. 1 S. 1 PVÜ ). Sie haben demgemäß den gleichen Schutz wie diese und die gleichen Rechtsbehelfe gegen jeden Eingriff in ihre Rechte, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden (Art. 2 Abs. 1 S. 2 PVÜ ). Als Folge dieser Gleichstellung steht jeder Verbandsangehörige für den Schutz seines gewerblichen Eigentums den Angehörigen des Verbandsstaates gleich, dessen Schutz er beansprucht (Schutzstaat), d. h. er steht nicht schlechter da als der Inländer. 71 Entscheidende Wirkung der PVÜ ist ferner die Unionspriorität. Jeder, der in einem der Verbandsländer die Anmeldung für ein Erfindungspatent, ein Gebrauchsmuster, ein gewerbliches Muster oder Modell, eine Fabrik- oder Handelsmarke vorschriftsmäßig hinterlegt hat, oder sein Rechtsnachfolger genießt für die Hinterlegung in den anderen Ländern-- also für Folgeanmeldungen-- während der bestimmten Fristen ein Prioritätsrecht (Art. 4 A Abs. 1 PVÜ ). Das Prioritätsrecht bedeutet, dass derjenige, der als erster die schutzwürdige Leistung erbracht hat und die Schutzvoraussetzungen erfüllt hat, innerhalb der maßgeblichen Prioritätsfrist gegenüber späteren Anmel- 68 Organe sind: die Verbandsversammlung (Art. 13), der Exekutivausschuss der Versammlung (Art. 14), das internationale Büro (Art. 15), die Revisionskonferenzen (Art. 18 Abs. 2), der internationale Gerichtshof (Art. 28). 69 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Art. 1 PVÜ Rdn. 1 m. w. Nachw. 70 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 93. 71 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Art. 2 PVÜ Rdn. 1. 59 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson dungen den absoluten Vorrang (die Priorität) genießt. 72 Die Prioritätsfristen betragen zwölf Monate für Erfindungspatente und Gebrauchsmuster und sechs Monate für die gewerblichen Muster oder Modelle und für die Fabrik- oder Handelsmarken (Art. 4 C Abs. 1 PVÜ ). Jedes Verbandsland ist verpflichtet, ein besonderes Amt für gewerbliches Eigentum und eine Zentralhinterlegungsstelle einzurichten, um die gewerblichen Schutzrechte der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen (Art. 12 Abs. 1 PVÜ ). Die in Art. 12 festgelegten Aufgaben sind in der Bundesrepublik Deutschland dem Deutschen Patent- und Markenamt ( DPMA ) in München übertragen. 2. Sonderabkommen zur PVÜ Neben der PVÜ als dem maßgeblichen „Dachabkommen“ existieren für die einzelnen gewerblichen Schutzrechte eine Reihe für die Praxis des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes höchst bedeutsamer multilateraler völkerrechtlicher Sonderabkommen, die das Regelwerk der PVÜ ergänzen und deren Abschluss den Verbandsländern ausdrücklich vorbehalten ist, sofern diese den Bestimmungen der PVÜ nicht zuwiderlaufen (Art. 19 PVÜ ). Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich dabei auf einen ersten knappen Überblick über die wichtigsten Sonderabkommen. Eine weitergehende Betrachtung dieser und weiterer spezieller internationaler Abkommen erfolgt im Kontext der Darstellung der jeweils betroffenen Rechtsgebiete. a) Patentzusammenarbeitsvertrag ( PCT ) Das bedeutendste internationale Abkommen im Bereich des internationalen Patentrechts ist der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens v. 19. 6. 1970 (Patent Cooperation Treaty, kurz „ PCT “), dem die Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. 6. 1976 (IntPat ÜG ) 73 zugestimmt hat und der für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 24. 1. 1978 in Kraft ist 74 (im Einzelnen s. u. Zweiter Abschnitt, 4. Kapitel). Die Mitgliedsstaaten 75 bilden einen Verband für die Zusammenarbeit bei der Einreichung, der Recherche und der Prüfung von Anmeldungen für den Schutz von Erfindungen und für die Leistung besonderer technischer Dienste (Art. 1 Abs. 1 S. 1 PCT ). Der PCT begegnet der Schwierigkeit, dass grundsätzlich zur Erlangung von Patentschutz im Ausland in jedem Land eine eigene Patentanmeldung in der jeweiligen Sprache und unter Beachtung der jeweiligen ganz unterschiedlichen Anmeldeerfordernisse zu erfolgen hätte. Demgegenüber eröffnet der PCT dem Erfinder die Möglichkeit, sich durch eine einzige internationale Anmeldung (Art. 3) bei einem PCT -Anmeldeamt (Art. 10) einen multinationalen Schutz für die angemeldete Erfindung zu sichern. Die Einreichung einer einzigen, die PCT -Bestimmungen erfüllenden internationalen Anmeldung hat in den Bestimmungsstaaten (Art. 4 Abs. 1 ii PCT ) die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen 72 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 57, § 7, S. 95; zur Wirkung der Priorität ferner Art. 4 B. S. 1 PVÜ . 73 BGB l. II , S. 649. 74 Benkard / Ullmann / Tochtermann, PatG, Int. Teil, Rdn. 81. 75 152 Mitgliedsstaaten (Stand: 03 / 2018). 60 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Anmeldung mit dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung (Art. 11 Abs. 3 PCT ). 76 Der PCT führt-- anders als das EPÜ (hierzu siehe 2. Abschnitt)-- nicht zu einem einheitlichen Patenterteilungssystem, vielmehr vereinheitlicht er lediglich das Anmeldeverfahren für internationale Patenterteilungsverfahren und die Neuheitsrecherche. 77 b) Haager Musterschutzabkommen ( HMA ) Im Bereich des internationalen Geschmacksmusterrechts hat das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle ( HMA ) vom 6. 11. 1925 als Nebenabkommen zur PVÜ große praktische Bedeutung erlangt. 78 Durch das HMA schließen die Vertragsstaaten 79 einen Verband für die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (Art. 1 Abs. 1). Revisionen des HMA erfolgten am 2. 6. 1934 in London, am 28. 11. 1960 im Haag und am 2. 7. 1999 in Genf. Entsprechend den Revisionskonferenzen des Haager Abkommens umfasst dieses drei verschiedene Verträge, die als „Akten“ bezeichnet werden („Londoner Akte“, „Haager Akte“ und „Genfer Akte“) und jeweils aus verschiedenen Rechtsvorschriften bestehen. Die beiden jüngeren Akten sind jeweils entstanden, um das System zu modernisieren. Entsprechend dem Grundsatz der internationalen Registrierung kann von dem Anmelder durch eine einzige Hinterlegung beim Internationalen Büro der WIPO in Genf (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 HMA ) Musterschutz in den im Antrag benannten Vertragsstaaten des HMA (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1) herbeigeführt werden. Die Haager Fassung sieht auch eine Hinterlegung durch Vermittlung der nationalen Behörde vor (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 HMA ). Die internationale Registrierung hat in den in der internationalen Anmeldung benannten Vertragsstaaten dieselbe Wirkung wie eine nationale Designhinterlegung (Art. 14 Abs. 1 HMA ). Durch die internationale Hinterlegung entsteht daher ein Bündel von nationalen Schutzrechten. 80 Inzwischen ist auch die Europäische Union dem Haager Abkommen mit Wirkung zum 1. Januar 2008 beigetreten. 81 Durch diesen Beitritt hat die Europäische Union dieses von der WIPO verwaltete Schutzsystem mit dem von dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante verwalteten Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem (s. hierzu u. IV . 4. und § 41) verknüpft. Seit dem Inkrafttreten dieses neuen Systems können europäische Unternehmen Geschmacksmuster mit einem einzigen Antrag nicht nur innerhalb der EU , sondern auch in den Vertragsstaaten der Genfer Akte des Haager Abkommens schützen lassen. Im Gegenzug können Länder, die Vertragsparteien der Genfer Akte des Haager Abkommens sind, den Schutz für ihre Muster und Modelle durch das Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem in Anspruch nehmen. 76 Gruber / von Zumbusch / Haberl / Oldekop, S. 2 Rdn. 1.03; Holeweg, GRUR Int. 2001, 141, 145. 77 Benkard / Ullmann / Tochtermann, PatG, Int. Teil, Rdn. 82. 78 Holeweg, GRUR Int. 2001, S. 141, 142. 79 67 Vertragsstaaten (Stand: 03 / 2018). 80 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Kap. B. Internationale Eintragung, Rdn. 2. 81 Zur Ermöglichung des Beitritts hat die Europäische Kommission die beiden Verordnungen ( EG ) Nr. 876 / 2007 und Nr. 877 / 2007 v. 24. 7. 2007 erlassen. 61 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson c) Madrider Markenabkommen ( MMA ) Im Bereich des Markenrechtes wird die PVÜ durch das „Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken“ vom 14. 4. 1891 ( MMA ) sowie das „Protokoll zum Madrider Markenabkommen“ vom 27. 6. 1989 ( MMP ) ergänzt (im Einzelnen s. u. § 64). Die Vertragsstaaten des MMA bilden zusammen mit den Vertragsstaaten des MMP einen Verband für die internationale Registrierung von Marken (Art. 1 Abs. 1 MMA , Art. 1 MMP ). 82 Ähnlich wie das HMA (s. o. b.) eröffnet das MMA dem Markeninhaber die Möglichkeit durch eine einzige internationale Registrierung beim Internationalen Büro der WIPO in Genf eine Vielzahl von andernfalls erforderlichen Einzelanmeldungen in anderen Staaten zu vermeiden. Grundlage für die internationale Registrierung ist eine eingetragene nationale Marke (sog. Basis- oder Ursprungsmarke, Art. 1 Abs. 2 MMA ). Der Antrag auf internationale Registrierung kann-- anders als nach dem HMA -- nicht unmittelbar beim Internationalen Büro, sondern nur durch Vermittlung der Behörde des Ursprungslandes (in Deutschland durch das DPMA ) eingereicht werden (Art. 3 Abs. 1 MMA ). Durch die internationale Registrierung der Marke entsteht allerdings-- ebenso wenig wie bei der internationalen Hinterlegung nach dem HMA -- kein supranationales Schutzrecht, sondern lediglich ein Bündel nationaler Marken (Art. 4 Abs. 1 MMA ). 83 3. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) Im Bereich des Urheberrechts steht als ältester und bedeutendster internationaler Vertrag die „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ vom 9. 9. 1886 im Vordergrund, die seit der zweiten Revisionskonferenz 1908 in Berlin als sog. Revidierte Berner Übereinkunft (kurz „ RBÜ “) bezeichnet wird. 84 Sie ist ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag, den inzwischen alle wirtschaftlich wichtigen Staaten der Welt 85 ratifiziert haben und durch den sich die vertragsschließenden Staaten zwecks internationalen Schutzes des Urheberrechts zu einem Staatenverband mit eigener Rechtspersönlichkeit zusammengeschlossen haben (Art. 1 RBÜ ). Die RBÜ sichert den internationalen Urheberrechtsschutz in erster Linie-- wie die PVÜ (s. o. unter 1.)-- durch den Grundsatz der Inländerbehandlung (sog. Assimilationsprinzip, Art. 5 Abs. 1, 3). Das heißt, Urheber eines Verbandsstaates genießen für ihre Werke in den jeweils anderen Verbandsländern denselben Schutz wie ein dortiger Inländer. Entsprechend dem im Urheberrecht gültigen Grundsatz des „automatischen Schutzes“ ist der Genuss und die Ausübung der gewährten Rechte nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden, auch ist der Schutz unabhängig vom Bestehen des Schutzes für das Werk im Ursprungsland (Art. 5 Abs. 2 RBÜ ). 86 Aufgrund der RBÜ geschützt sind nicht nur die einem Verbandsland angehörenden Urheber für ihre veröffentlichten und unveröffentlichten 82 Mitgliedsländer MMA : 55, Mitgliedsländer MMP : 100 (Stand: 03 / 2018). 83 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 19. 84 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 4, S. 19 Rdn. 55; ferner Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 27 f. mit Übersicht über Revisionskonferenzen. 85 176 Mitgliedsstaaten (Stand: 03 / 2018). 86 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 32. 62 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Werke (Art. 3 Abs. 1a), sondern auch die keinem Verbandsland angehörenden Urheber für die Werke, die sie zum ersten Mal in einem Verbandsland oder gleichzeitig in einem verbandsfremden und in einem Verbandsland veröffentlichen (Art. 3 Abs. 1b). Der Oberbegriff für die vom Schutz der RBÜ erfassten Werke der verbandsangehörigen Urheber sowie erstmals oder gleichzeitig in einem Verbandsland veröffentlichten Werke lautet „verbandseigene Werke“. 87 Die durch die RBÜ gewährte Schutzdauer umfasst grundsätzlich das Leben des Urhebers und 50 Jahre nach seinem Tod (50 Jahre post mortem auctoris, Art. 7 Abs. 1). Sie richtet sich zwar grundsätzlich nach dem Gesetz des Landes, für das Schutz beansprucht wird, jedoch darf sie, sofern die Rechtsvorschriften dieses Landes nichts anderes bestimmen, die im Ursprungsland des Werkes festgesetzte Dauer nicht überschreiten (Art. 7 Abs. 8 RBÜ ), d. h. der Grundsatz der Inländerbehandlung ist insoweit durch das Prinzip des Schutzfristenvergleichs eingeschränkt. 88 Ferner stellt die RBÜ durch die Garantie bestimmter sog. Mindestrechte ein internationales Mindestschutzniveau sicher (Näheres hierzu § 81 I.). 89 4. WIPO -Konvention Von übergreifender Bedeutung für das gesamte Immaterialgüterrecht ist das „Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum“ vom 14. 7. 1967 ( WIPO - Konvention), durch das die WIPO (World Intellectual Property Organization), die auch unter ihrem französischen Namen als OMPI (Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle) bekannt ist, gegründet wurde (Art. 1). Die WIPO ist eine von 16 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen ( UN ), ihr Sitz ist Genf (Art. 10 Abs. 1 WIPO -Konvention). Die WIPO hat 191 Mitgliedsstaaten. 90 Zweck der WIPO ist es, den Schutz des „geistigen Eigentums“ (definiert in Art. 2 viii) durch Zusammenarbeit der Staaten weltweit zu fördern (Art. 3 i) sowie die verwaltungsmäßige Zusammenarbeit zwischen den „Verbänden“ (definiert in Art. 2 vii) zu gewährleisten (Art. 3 ii). Zur Erreichung dieses Zwecks obliegen ihr vielfältige Aufgaben (vgl. Art. 4), u. a. fördert sie Maßnahmen zur weltweiten Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet (Art. 4 i); sie erfüllt die Verwaltungsaufgaben des Pariser Verbandes ( PVÜ ), der im Rahmen dieses Verbandes errichteten besonderen Verbände (Nebenabkommen PVÜ ) und des Berner Verbandes ( RBÜ , Art. 4 ii); sie unterstützt das Zustandekommen internationaler Vereinbarungen zur Förderung des Schutzes des geistigen Eigentums (Art. 4 iv) und unterhält Einrichtungen zur Erleichterung des internationalen Schutzes geistigen Eigentums (Art. 4 vii). 87 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 57, S. 414 Rdn. 1346. 88 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 34. 89 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 32. 90 Stand 03 / 2018. 63 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson 5. TRIPS -Übereinkommen Ein weiteres übergreifendes Abkommen von herausragender Bedeutung ist das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ vom 15. 4. 1994 91 (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights-- kurz „ TRIPS “), das als Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, kurz „ WTO “) abgeschlossen wurde. Das TRIPS -Übereinkommen, das auf globale Geltung angelegt ist, verbindet in neuartiger Weise den Schutz des geistigen Eigentums mit dem auf Liberalisierung und Nichtdiskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen abzielenden Allgemeinen Zoll- und Handelsübereinkommen ( GATT ). Es versteht den Schutz des geistigen Eigentums nicht als Hindernis, sondern als Bedingung für den freien Welthandel. 92 Da mit dem Beitritt zur WTO und den dadurch erreichbaren Vorzügen des Freihandels auch zwingend der Beitritt zum TRIPS -Übereinkommen verbunden ist, wurde es schnell zu einem der mitgliederstärksten und damit bedeutendsten internationalen Abkommen im Bereich des geistigen Eigentums. 93 Hauptziele des TRIPS sind die Förderung eines wirksamen und angemessenen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums sowie die Sicherstellung, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden (Präambel; zu den Zielen vgl. ferner Art. 7). Das TRIPS -Abkommen bezieht sich, wie ja bereits in seinem Namen zum Ausdruck kommt, auf den Schutz des geistigen Eigentums insgesamt, also sowohl auf den Schutz durch die gewerblichen Schutzrechte als auch auf das Urheberrecht (Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Teil II Abschnitte 1 bis 7, Art. 9-39). Der Schutz des TRIPS -Übereinkommens ist als Mindestschutz ausgestaltet, d. h. die Mitglieder dürfen in ihr Recht einen umfassenderen Schutz aufnehmen, vorausgesetzt, dieser Schutz läuft dem TRIPS -Übereinkommen nicht zuwider (Art. 1 Abs. 1 S. 2). Was das Verhältnis des TRIPS -Übereinkommens zu den bestehenden wichtigen völkerrechtlichen Verträgen im Bereich des geistigen Eigentums angeht, so baut es auf diesen auf und erklärt deren Regelungen für seine Mitglieder als Mindestschutzstandards für verbindlich (Art. 2, 9 Abs. 1), teilweise geht es jedoch über deren Schutzniveau erheblich hinaus. 94 Wesentliche Prinzipien des TRIPS -Übereinkommens sind der-- aus PVÜ und RBÜ (s. zuvor u. 1., 3.) geläufige-- Grundsatz der Inländerbehandlung (Art. 3) sowie der Grundsatz der Meistbegünstigung. Letzterer besagt, dass Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Angehörigen eines anderen Landes gewährt werden, sofort und bedingungslos den Angehörigen aller anderen Mitglieder gewährt werden (Art. 4 TRIPS ). Neben den allgemeinen Bestimmungen und Grundprinzipien (Teil I) enthält es grundlegende Regelungen für fast alle Rechte des geistigen Eigentums (Teil II ): für das Urheberrecht (Art. 9-14-- näheres hierzu s. u. § 81 II .), für Marken (Art. 15-21); geografische 91 Abrufbar über die Website der WTO unter: https: / / www.wto.org/ english/ docs_e/ legal_e/ 27-trips_01_e. htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 92 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 15. 93 164 Mitgliedsstaaten der WTO und damit des TRIPS (Stand: 03 / 2018); aktualisierte Liste abrufbar über die Website der WTO unter: http: / / www.wto.org/ english/ thewto_e/ whatis_e/ tif_e/ org6_e.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 94 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 97. 64 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Angaben (Art. 22-24), gewerbliche Muster und Modelle (Art. 25-26), Patente (Art. 27-34), Halbleiterschutz / Topographien (Art. 35-38) und den Schutz nicht offenbarter Informationen / Know-how (Art. 39). Hervorzuheben ist schließlich, dass sich das TRIPS -Abkommen nicht auf die Festlegung materieller Mindeststandards beschränkt, sondern darüber hinaus grundlegende Vorschriften enthält, um eine verfahrensmäßige Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen (Teil III , Art. 41-61). IV. Recht der Europäischen Union Neben den zuvor dargestellten völkerrechtlichen Verträgen erweist sich aus europäischer Perspektive das EU -Recht zunehmend als wichtige Quelle zur Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Schutzes geistigen Eigentums. 95 Seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft ( EG ) und der Schaffung des europäischen Binnenmarktes 96 wurden auf der Ebene der EU eine Vielzahl weitreichender Maßnahmen zur Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Schutzgesetze im Bereich des geistigen Eigentums sowie zur Schaffung europaweit einheitlich wirkender, d. h. supranationaler gewerblicher Schutzrechte ergriffen. 1. Rechtssetzungskompetenz der EU im Bereich des geistigen Eigentums Die Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich des Rechts des geistigen Eigentums stützt sich im Wesentlichen auf deren Aufgabe, die zu Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen 97 (Art. 114, 115 AEUV ). 98 Die Maßnahmen der Europäischen Union im Bereich des geistigen Eigentums zielen daher im Wesentlichen auf eine Überwindung unterschiedlicher nationaler Schutzgesetze in den Mitgliedstaaten und damit auf die Beseitigung von Hindernissen insbesondere für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU ab (Art. 14 AEUV ). Soweit sich das Unionsrecht nicht auf eine Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums beschränkt (s. nachfolgend 3.), sondern selbstständige Gemeinschaftsschutzrechte geschaffen hat (s. nachfolgend 4.), ist in Fällen eines möglichen Konflikts mit Regelungen des nationalen Rechts der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten (Art. 288 AEUV ). 99 95 Vgl. hierzu Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 119 ff. 96 Der Grundstein des Europäischen Binnenmarktes wurde durch die „Einheitliche Europäische Akte“ vom 1. 7. 1987 gelegt, in der sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet haben, schrittweise einen „Raum ohne Binnengrenzen“ zu verwirklichen, der bis zum 31. 12. 1992 vollendet sein sollte. 97 Grundlegend zur Regelungszuständigkeit der EU im Bereich des Immaterialgüterrechts vgl. Eu GH , Urteil vom 13. 7. 1995, Rs. C-350 / 92, Königreich Spanien gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 1995, S. I-1985. 98 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ehemals Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ( EGV ), umbenannt durch den Vertrag von Lissabon v. 13. 12. 2007, AB l. EU C 306 / 1. 99 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, Vorb. v. § 21, S. 76. 65 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson 2. Formen des Rechts der Europäischen Union Im Zuge der Errichtung des Binnenmarktes wurde das für einen internationalen Schutz des geistigen Eigentums maßgebliche Regelwerk inzwischen durch eine Vielzahl europäischer Richtlinien und Verordnungen ergänzt. 100 Zwecks rechtlicher Einordnung dieser Maßnahmen ist zu vergegenwärtigen, dass innerhalb des Unionsrechts zwischen dem sog. primären Unionsrecht, das im Wesentlichen aus den Verträgen ( EUV , AEUV ) besteht, und dem sog. sekundären Unionsrecht unterschieden wird. Als sekundäres Unionsrecht werden die in Art. 288 AEUV genannten europäischen Rechtsakte bezeichnet, also Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen. 101 Im vorstehenden Zusammenhang von Bedeutung ist, dass die EU -Verordnung ohne weiteres in den Mitgliedstaten der EG als europäisches Recht unmittelbar gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV ). Das heißt, die EU -Verordnung wirkt in den Mitgliedstaaten wie ein nationales Gesetz. Als solche kann sie unmittelbare Rechtspflichten und Ansprüche im vertikalen Verhältnis zwischen Staat und Bürger ebenso wie horizontale Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern untereinander begründen. 102 Demgegenüber sind EU -Richtlinien zunächst an die Mitgliedstaaten gerichtet, sie sind hinsichtlich des jeweils zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 288 Abs. 3 AEUV ). Erst nach Umsetzung in nationales Recht gilt der Regelungsgehalt der Richtlinie unmittelbar als einzelstaatliches Recht. 103 3. Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums Wie zuvor gesehen, ist die EU -Richtlinie die geeignete Maßnahme des Unionsrechts, um eine Harmonisierung des Rechts innerhalb der Union durch Angleichung der in den jeweiligen Mitgliedstaaten geltenden nationalen Gesetzesbestimmungen zu erreichen. Demzufolge spiegeln sich auch die Harmonisierungsbestrebungen der Union im Bereich des Rechts des geistigen Eigentums in einer Vielzahl von Richtlinien wider. Ohne einer Erörterung dieser Rechtsakte-- ihrer Inhalte und ihrer Bedeutung-- im Rahmen der Darstellung der jeweiligen Rechtsgebiete vorgreifen zu wollen, seien überblicksartig die wichtigsten Richtlinien bereits an dieser Stelle benannt: ▶ Die Richtlinie 87 / 54 / EWG vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen ▶ Richtlinie 89 / 104 / EWG vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken; ▶ Richtlinie 92 / 100 / EWG vom 19. 11. 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums; 100 Gute Gesamtübersicht vgl. Holeweg, GRUR Int. 2001, 141 ff. 101 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 114 Rdn. 430. 102 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 114 Rdn. 431. 103 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 115 Rdn. 432. 66 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Richtlinie 93 / 83 / EWG vom 27. 9. 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung; ▶ Richtlinie 96 / 9 / EG vom 11. 3. 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken; ▶ Richtlinie 98 / 44 / EG vom 6. 7. 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen; ▶ Richtlinie 98 / 71 / EG vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen; ▶ Richtlinie 2001 / 29 / EG vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft; ▶ Richtlinie 2001 / 84 / EG vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks; ▶ Richtlinie 2004 / 48 / EG vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums; ▶ Richtlinie 2009 / 24 / EG vom 23. 4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (kodifizierte Fassung); 104 ▶ Richtlinie 2011 / 177 / EU v. 27. 9. 2011 zur Änderung der Richtlinie 2006 / 116 / EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte; ▶ Richtlinie 2012 / 28 / EU v. 25. 10. 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke); ▶ Richtlinie 2014 / 26 / EU v. 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt; ▶ Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken; ▶ Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung. 4. Einheitliche Gemeinschaftsschutzrechte Die Initiativen der EU im Bereich des geistigen Eigentums beschränken sich jedoch nicht allein auf eine Harmonisierung des innerhalb der Europäischen Union geltenden Immaterialgüterrechts durch Richtlinien. Vielmehr hat die Union in den zurückliegenden Jahren darüber hinaus-- gestützt auf das Instrument der EU -Verordnung-- einheitliche gewerbliche Schutzrechte geschaffen, die als sog. Gemeinschaftsschutzrechte 105 überall in der Union unmittelbar gelten. Die Harmonisierung des Rechts des geistigen Eigentums innerhalb der Union hat 104 Kodifizierte Fassung der Richtlinie 91 / 250 / EWG v. 14. 5. 1991. 105 Nachdem der Begriff der „Europäischen Gemeinschaft ( EG )“ im Zuge des Vertrages von Lissabon v. 13. 12. 2007 generell durch den Begriff der „Europäischen Union ( EU )“ abgelöst wurde, ist zu erwarten, dass der Begriff des „Gemeinschaftsschutzrechts“ zunehmend durch den des „Unionsschutzrechts“ ersetzt wird. 67 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson sich also „zweigleisig“ vollzogen. 106 Während Gemeinschaftsschutzrechte im Bereich des Marken-, Design- und Sortenschutzrechtes bereits seit vielen Jahren etabliert sind, steht der Start eines supranationalen einheitlichen EU -Patentrechts noch bevor. Erst im Dezember 2012 haben sich 25 Mitgliedsstaaten 107 nach vier Jahrzehnten intensiver Diskussion und vielen erfolglosen Anläufen auf die Einführung eines einheitlichen EU -Patents (Einheitspatent) und eines einheitlichen Patentgerichts verständigen können. Das sog. Patentreformpaket zur Einführung des Einheitspatents besteht aus der Patentverordnung, der Sprachenverordnung und dem Gerichtsabkommen. 108 Die beiden Verordnungen (Einheitspatent- VO , Sprachen- VO ) sind bereits am 20. 01. 2013 in Kraft getreten, sie finden aber erst ab dem Tag Anwendung, an dem das Gerichtsabkommen-- das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht ( EPGÜ )- - in Kraft tritt. Hierfür ist die Ratifikation durch 13 Staaten erforderlich, darunter zwingend diejenigen, in denen es im Jahr vor der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten gültigen europäischen Patente gab (vgl. Art. 89 Abs. 1 EPGÜ ), d. h. Deutschland, Frankreich und Vereinigtes Königreich ( UK ). Das Inkrafttreten des EPGÜ hat sich 2017 buchstäblich in letzter Minute dadurch verzögert, dass die einzig noch fehlende Ratifikation durch Deutschland durch eine Verfassungsbeschwerde vorläufig gestoppt wurde. 109 Trotz dieser Verzögerung gehen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten davon aus, dass das Einheitspatent im Laufe des Jahres 2018 starten kann 110 (zum Einheitspatent s. auch u. 2. Abschnitt, § 23). Neben der Möglichkeit, nationale Schutzrechte in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu erlangen, besteht damit für die wichtigsten Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes die Option, ein supranationales unionsweit gültiges Schutzrecht zu erlangen. 111 Auch insoweit bleibt eine eingehendere Betrachtung dem Kontext der Darstellung der jeweils betroffenen Rechtsgebiete vorbehalten, während an dieser Stelle ein erster Überblick genügen soll: ▶ Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27. 7. 1994; ▶ Verordnung ( EG ) Nr. 6 / 2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster vom 12. 12. 2001; ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 1257 / 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes vom 17. 12. 2012 (sog. Einheitspatent-Verordnung); ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 1260 / 2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen vom 17. 12. 2012 (sog. Sprachenverordnung); 106 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 22, S. 79. 107 Mit Ausnahme von Spanien, Italien und Kroatien. 108 Vgl. hierzu Haberl / Schallmoser, GRUR Prax 2010, S. 23 ff.; Ensthaler, InTeR 2013, S. 11 ff. 109 Vgl. hierzu Tilmann, GRUR 2017, 1177 ff. 110 Information des EPA zum Start des Einheitspatents, abrufbar unter: https: / / www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent/ start_de.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 111 Zum Verhältnis zwischen Gemeinschaftsschutzrechten und nationalen Schutzrechten vgl. Ahrens/ McGuire, Modellgesetzbuch, § 22, S. 79 ff.; McGuire, GRUR 2011, 767, 769. 68 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung). 112 Mit dem Vertrag von Lissabon wurde eine spezielle rechtliche Grundlage für Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union eingeführt (Art. 118 Abs. 1 AEUV ). Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - Übergreifende Abkommen / Richtlinie Pariser Verbandsübereinkunft v. 20. 3. 1883 ( PVÜ ). Ältester völkerrechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum ( WIPO ) v. 14. 7. 1967. Schutz des geistigen Eigentums durch nahezu weltweite Zusammenarbeit der Staaten. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums v. 15. 4. 1994 ( TRIPS ). Übereinkommen als Anhang zur Errichtung der Welthandelsorganisation ( WTO ). Richtlinie 2004 / 48 / EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29. 4. 2004 (Durchsetzungs RL ). Zielt auf die Schaffung gleicher Bedingungen bei der Anwendung der Rechte an geistigem Eigentum und eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum Schutz im Sinne einer gesicherten Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. In Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums v. 7. 7. 2008. Patentrecht Vertrag über internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentrechts v. 19. 6. 1970 ( PCT ). Nebenabkommen zur PVÜ über die internationale Anmeldung bei einem PCT -Amt. Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. 10. 1973 ( EPÜ ). Völkerrechtlicher Vertrag zur Gründung der Europäischen Patentorganisation mit dem Europäischen Patentamt ( EPA ) in München. Patentreformpaket zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent), bestehend aus den beiden EU -Verordnungen Nr. 1257 / 2012, Nr. 1260 / 2012 v. 17. 12. 2012 und dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ( EPGÜ ) v. 20. 6. 2013 (2013 / C175 / 01). Zielt auf die Schaffung eines supranational geltenden, einheitlichen Patents (sog. Einheitspatent, früher EU -Patent genannt) und die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts. Für Erteilung und Prüfung des Einheitspatents ist das EPA auf der Grundlage der Bestimmungen des EPÜ zuständig. Das Einheitspatent besteht neben der Möglichkeit zur Erlangung eines nationalen Patents und eines „traditionellen“ Europäischen Patents („Bündelpatent“). Halbleiterschutz (Topographien) Richtlinie 87 / 54 / EWG des Rates über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen v. 16. 12. 1986. Schutz von dreidimensionalen Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Topographien). Umgesetzt durch das Halbleiterschutzgesetz v. 22. 10. 1987 ( HLS chG). Markenrecht 112 Zusammenfassung der Vorschriften der Verordnung ( EG ) Nr. 207 / 2009 über die Gemeinschaftsmarke und die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung ( EU ) Nr. 2015 / 2424 zur Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung in einer Verordnung (kodifizierte Fassung). 69 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken v. 14. 4. 1891 ( MMA ); ergänzt durch das Protokoll zum MMA v. 27. 6. 1989 ( PMMA ). Ermöglicht eine internationale Registrierung in den benannten Vertragsstaaten des MMA oder PMMA beim Internationalen Büro der WIPO . Richtlinie 2008 / 95 / EG v. 22. 10. 2008 des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (Marken RL - kodifizierte Fassung); geändert durch Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 (Neufassung). Zugrundeliegende Ursprungs-Marken- RL 89 / 104 / EWG v. 21. 12. 1988 umgesetzt durch das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen v. 25. 10. 1994 (MarkenG). Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung). Rechtsgrundlage der einheitlichen Unionsmarke für das gesamte Gebiet der EU , verwaltet durch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante. Geschmacksmuster-/ Designrecht Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle v. 6. 11. 1925 ( HMA ). Nebenabkommen zur PVÜ . Mit einer internationalen Hinterlegung bei der WIPO Erlangung von Musterschutz in den benannten Vertragsstaaten. Richtlinie 98 / 71 / EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen v. 13. 10. 1998 (Geschmacksmuster RL ). Harmonisierung des Geschmacksmusterrechts. Umgesetzt durch das in seinen wesentlichen Teilen am 1. 6. 2004 in Kraft getretene Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 12. 3. 2004 (Geschm MG ), das durch das Modernisierungsgesetz vom 10. 10. 2013 in Designgesetz umbenannt wurde. Verordnung ( EG ) Nr. 6 / 2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster v. 12. 12. 2001 ( GGV ); geändert durch die Verordnung ( EG ) Nr. 1891 / 2006 v. 18. 12. 2006. Schaffung eines einheitlichen Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit Zuständigkeit des Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante. Sortenschutzrecht Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen v. 2. 12. 1961 (Pfl ZÜ ). Regelung des internationalen Sortenschutzes. Mitgliedsstaaten bilden einen Verband (Union for Protection of New Varieties of Plants - UPOV ). Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz v. 27. 7. 1994 ( EGSVO ). Schaffung eines gemeinschaftlichen gewerblichen Schutzrechts für Pflanzensorten, das eine einheitliche Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet. Zuständigkeit des Gemeinschaftlichen Sortenamtes in Angers / Frankreich. Urheberrecht Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst v. 9. 9. 1886 ( RBÜ ). Ältester völkerrechtlicher Vertrag des Urheberrechts. Welturheberrechtsabkommen v. 6. 9. 1952 ( WUA ). Das WUA bietet ein geringeres Schutzniveau als die RBÜ , die deshalb auch unter den RBÜ -Verbandsstaaten Vorrang hat (Art. XVII Abs. 1 WUA ). Da nahezu alle der zunächst nur dem WUA beigetretenen Staaten inzwischen dem RBÜ beigetreten sind, ist das WUA weitgehend bedeutungslos geworden. Das Abkommen hat jedoch als Vorstufe zum Beitritt der USA , Russlands und Chinas zur RBÜ einen international bedeutenden Beitrag zur Schaffung und Anhebung eines weltweiten Schutzstandards geleistet. 70 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - WIPO -Urheberrechtsvertrag v. 20. 12. 1996 ( WIPO Copyright Treaty, WCT ). Sonderabkommen zur RBÜ , das in Ergänzung zur RBÜ anwendbar ist und darauf abzielt, den internationalen Schutz des Urheberrechts auf der Grundlage der seit 1971 nicht mehr revidierten RBÜ insbesondere auch in Bezug auf die Herausforderungen durch die Digitaltechnik zu modernisieren. Richtlinie 2009 / 24 / EG vom 23. 4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Computerprogramm RL - kodifizierte Fassung). 113 Umsetzung durch Einfügung besonderer urheberrechtlicher Bestimmungen für Computerprogramme (§§ 69a - 69g UrhG). Richtlinie 96 / 9 / EG vom 11. 3. 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (Datenbank RL ). Kennzeichnend ist ein zweispuriges Schutzkonzept. Datenbanken können danach einen verstärkten urheberrechtlichen Schutz als sog. Datenbankwerke genießen (§ 4 Abs. 2 UrhG), daneben ist ein Leistungsschutzrecht für den Hersteller der Datenbank getreten (§§ 87a - 87e UrhG). Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. 5. 2001 (InfoSoc RL ). Die Vorgaben der InfoSoc RL wurden durch die Urheberrechtsnovelle 2003 in einem ersten Schritt (Erster Korb) in das deutsche Urheberrecht umgesetzt. Die Novelle 2003 zielte darauf ab, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der neuen Informations- und Kommunikations-technologien (IuK), insbesondere der digitalen Technologie, anzupassen. Eine weitere Anpassung erfolgte durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft v. 26. 10. 2007 (Zweiter Korb). Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt v. 14. 9. 2016 COM (2016) 593 final (Vorschlag DSM -UrhR- RL ). Der Richtlinienvorschlag ist Teil der breit angelegten „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ und zielt darauf ab, das Urheberrecht durch ein Bündel von Maßnahmen mit Blick auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen im digitalen Umfeld zu modernisieren. Verordnung ( EU ) 2017 / 1128 v. 14. 6. 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt (Portabilitäts-Verordnung). Bei dieser seit dem 20. 3. 2018 geltenden Verordnung handelt es sich um die bis dato einzige EU -Verordnung auf dem Gebiet des bislang aus einer Vielzahl von Richtlinien bestehenden europäischen Urheberrechts. Ziel der Verordnung ist es, den Abonnenten portabler Online- Inhaltedienste den Zugriff auf diese Dienste auch dann zu ermöglichen, wenn sie sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedsstaat aufhalten. Abb. 2: Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (ausgewählte wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen) 113 Weitere EU -Richtlinien zum Urheberrecht s. die Übersicht zuvor unter Ziff. 3. 71 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums I. Zentrale Kategorien geistigen Eigentums Wie bereits dargelegt (s. o. § 1 II .; § 2 IV .), hat der Gesetzgeber nicht alle Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit in den Kreis der geschützten Güter aufgenommen. Vielmehr ist der durch die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums gewährte Schutz im Sinne eines numerus clausus auf bestimmte Kategorien von Schaffensergebnissen, die bei Vorliegen der jeweils gesetzlich bestimmten materiellen und ggf. formellen Schutzvoraussetzungen als Rechtsobjekte Anerkennung finden, beschränkt. 114 Das heißt, überall dort, wo immaterialgüterrechtlicher Schutz durch die Rechtsordnung anerkannt ist, knüpft dieser an bestimmten Kategorien geistiger Schaffensergebnisse und deren jeweiliges Wesen an. Das Wesen der immaterialgüterrechtlich geschützten geistigen Güter ist dabei jedoch nicht nur für deren kategoriale Abgrenzung- - etwa als technische Erfindung oder Werk im Sinne des Urheberrechts- - maßgeblich, sondern darüber hinaus insbesondere auch bestimmend für die normativ-rechtliche Ausgestaltung der jeweiligen rechtlichen Schutzinstrumentarien. Das heißt, dass die sondergesetzlichen Regelungen über das „Ob“ und das „Wie“ des Schutzes jeweils dem Wesen der einzelnen Rechtsobjekte angepasst sind. 115 Für ein tiefergehendes Verständnis des rechtlichen Systems zum Schutz des geistigen Eigentums, wie es durch die verschiedenen Sondergesetze des Immaterialgüterrechts gebildet wird, seiner jeweiligen Regelungsmechanismen und der darin zu Tage tretenden gesetzgeberischen Wertungen ist es daher unverzichtbar, sich im Rahmen der Erschließung der Grundlagen dieses Rechtsgebietes auch das Wesen der zentralen Kategorien schöpferischer Leistungsergebnisse zu vergegenwärtigen. 116 Das Abstellen auf die Ergebnisse schöpferischer Leistung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass das Immaterialgüterrecht nicht an den menschlichen Schaffensprozess an sich-- sei es etwa die Erfindertätigkeit des Ingenieurs oder den persönlich-geistigen Schöpfungsvorgang des Urhebers (z. B. Autors, Komponisten)- -, sondern an das Ergebnis des Schaffens selbst-- also etwa die technische Erfindung oder das Werk des Urhebers (z. B. den Roman, die Komposition)- - anknüpft; denn erst in diesem Ergebnis entfaltet sich der Wert des Schaffens. 117 Ausgehend von einem Begriff „schöpferischer Leistung“ im weitesten Sinne lassen sich die folgenden, für das Verständnis der wichtigsten Immaterialgüterrechte bedeutsamen Kategorien unterscheiden: 118 114 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 50; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 115 Vgl. hierzu grundlegend Troller, UFITA Bd. 50 (1967), S. 385, 392 ff.; ders. CR 1987, 213 ff.; ferner Knap, FS f. A. Troller, 117, 123. 116 Grundlegend und umfassend zur allgemeinen Bedeutung einer Systematisierung des geltenden Rechts des geistigen Eigentums s. Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch. 117 Für die erfinderische Leistung vgl. Götting, Gewerblicher Rechtschutz, § 4, S. 50 f. 118 In Anlehnung an Knap, FS f. A. Troller, S. 117, 122 f. 72 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Kategorie 1: Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen, die in der Natur oder Gesellschaft zwar vorhanden, jedoch bisher noch nicht bekannt waren. ▶ Kategorie 2: Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen, die zwar durch die objektiven Realitäten vorbestimmt, als Lösung jedoch neu sind. ▶ Kategorie 3: Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen, das ein persönlicher, d. h. individueller Ausdruck des Schaffenden ist. II. Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen 1. Entdeckungen Mit dieser Kategorie geistigen Schaffens sind insbesondere die Ergebnisse menschlicher Leistung angesprochen, die dieser durch die Erforschung der Natur erlangt. Unter einer Entdeckung versteht man die Auffindung oder Erkenntnis bisher unbekannter, aber objektiv in der Natur schon vorhandener Gesetzmäßigkeiten, Wirkungszusammenhänge, Eigenschaften oder Erscheinungen. 119 Obgleich Entdeckungen häufig auf langwieriger, mühevoller Forschungsarbeit beruhen und insoweit das Ergebnis großer Leistungen darstellen, denen zudem eine grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukommt, werden sie nach ausdrücklicher patentrechtlicher Bestimmung (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ ) nicht als Erfindungen im Sinne des Patentrechts angesehen und sind damit „als solche“ (§ 1 Abs. 4 PatG; Art. 52 Abs. 3 EPÜ ) vom Patentschutz ausgeschlossen. Diesem ausdrücklichen Ausschluss der Entdeckungen kommt jedoch nur eine klarstellende Bedeutung zu. Ihre mangelnde Patentierbarkeit folgt bereits aus der Definition der dem Patentschutz allein zugänglichen technischen Erfindung als Lehre zum technischen Handeln, d. h.-- nach der Definition der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( BGH ) 120 -- einer Lehre „zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Während also für die Erfindung ein praktisches Zweckmoment charakteristisch ist, das darin zu erblicken ist, dass eine praktische Anwendungsmöglichkeit gegebener Naturkräfte oder Naturstoffe gelehrt wird, erschöpft sich die Entdeckung in der Vermittlung reiner Erkenntnis ohne die Angabe eines praktischen Zwecks. 121 Der Unterschied zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung lässt sich danach so umschreiben, dass die Entdeckung die Natur beschreibt, die Erfindung hingegen sich ihrer zum technischen Handeln bedient. 122 119 Beier / Straus, Der Schutz wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, S. 14. 120 Vgl. Nachw. bei Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 43. 121 Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 24. 122 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 155. 73 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 2. Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit Die insoweit gegebene Beschränkung des Patentschutzes auf den Bereich der technischen Erfindungen unter Ausschluss der Entdeckungen als bloße Erkenntnisse vom Anwendungsbereich des Patentschutzes wird zunächst damit begründet, dass die Entdeckung-- anders als die Erfindung, die den Bestand der in der Welt vorhandenen geistigen Güter durch eine neue Lehre vermehre-- lediglich etwas über das bereits Bestehende Aussage, ohne es zu vermehren. 123 Gegen eine zeitweise Monopolisierung ergäbe sich insoweit das Bedenken, dass etwas schon Vorhandenes dem allgemeinen Gebrauch vorenthalten würde. Als weiterer, letztlich entscheidender Grund für die Patentunfähigkeit von Entdeckungen wird jedoch geltend gemacht, dass ein Patentanspruch für eine wissenschaftliche Entdeckung infolge seiner Breite die gesamte darauf beruhende technische Entwicklung sperren und damit die Gefahr einer erfindungs- und fortschrittshindernden Wirkung begründen würde. 124 3. Entdeckung als Grundlage eines Patents Allerdings können Entdeckungen, was häufig der Fall ist, Grundlage einer Erfindung sein, wenn es gelingt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Technik dienstbar zu machen. 125 Stellt etwa jemand eine Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses fest, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist. Wird für die Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist (s. u. § 8 I. 2 a). Die Umsetzung einer Entdeckung in eine technische Handlungsanweisung ist jedoch nur dann eine dem Patentschutz zugängliche erfinderische Tätigkeit, wenn sie vom Fachmann nicht zu erwarten war, d. h. die Patentierung scheitert, wenn die Lösung für den Fachmann bei Kenntnis der Entdeckung nahe lag. 126 4. Wissenschaftliche Theorien und Methoden Auf der gleichen Erwägung, die zum Ausschluss der Entdeckungen vom Patentschutz führt, beruht auch die ausdrückliche Ausnahme der wissenschaftlichen Theorien und mathematischen Methoden vom Patentschutz (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ ). 127 Auch die reinen wissenschaftlichen Erkenntnisse wie physikalischen Gesetze, Lehrsätze, chemische Formeln und sonstigen Prinzipien sind nämlich nicht-technischer Natur, da sie kein angewandtes Denken darstellen, sondern lediglich eine abstrakte Erkenntnis vermitteln. 123 Vgl. Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 55; ferner Schramm, Die schöpferische Leistung, S. 144. 124 Vgl. Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 24 f.; Kraßer / Ann, Patentrecht, § 11 Rdn. 12. 125 Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 25; Schulte / Moufang, PatG, § 1 Rdn. 126 f. 126 Vgl. im Einzelnen Kraßer / Ann, Patentrecht, § 11 Rdn. 16, § 18 Rdn. 84 ff. 127 Schulte / Moufang, PatG, § 1 Rdn. 129 ff. 74 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson III. Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen Während sich die zuvor genannten Ergebnisse geistiger Leistung in dem Erkennen in der Natur bzw. der Gesellschaft vorhandener Realitäten, d. h. in der Vermittlung von Erkenntnissen erschöpfen, stellen sich die Ergebnisse der hier behandelten weiteren Kategorie möglicher geistiger Schaffensergebnisse als durch die objektiven Realitäten vorbestimmte, neuartige Problemlösungen dar. Jede neuartige Problemlösung, gleichgültig ob es sich um eine auf technischem oder nicht-technischem Gebiet handelt, stellt sich als ein konkret fassbares Ergebnis geistiger Leistung und damit an sich auch als ein immaterielles Gut dar. Anders als im Recht der körperlichen Güter-- der beweglichen und unbeweglichen Sachen-- ist es jedoch für das Verständnis des Immaterialgüterrechts von Bedeutung, dass von der Rechtsordnung, wie bereits eingangs dargelegt, nicht alle immateriellen Güter als Rechtsobjekte geistigen Eigentums anerkannt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber, wie bereits die vorerwähnten Ausführungen zur Freiheit der Entdeckungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, an deren Wert für die Gesellschaft nicht zu zweifeln ist, verdeutlicht haben, den Schutz auf ganz bestimmte Kategorien geistiger Schaffensergebnisse beschränkt. Im Bereich der hier erörterten Kategorie von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit, die durch ihren Problemlösungscharakter bestimmt sind, ist der Schutz auf technische Problemlösungen beschränkt. Für nicht-technische Problemlösungen ist ein immaterialgüterrechtlicher Schutz demgegenüber explizit ausgeschlossen. 1. Technische Problemlösungen Wie bereits dargestellt (s. o. § 2 I. 1.), handelt es sich bei der dem Patentschutz zugänglichen Erfindung um eine „Lehre zum technischen Handeln“, gestützt auf die ständige Rechtsprechung des BGH definiert als eine „Lehre zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Bei der Erfindung handelt es sich also um die an den Fachmann gerichtete Belehrung darüber, welche Naturkräfte er wie einsetzen muss, um einen kausal übersehbaren Erfolg zu erreichen. Die einzusetzenden Naturkräfte sind dabei das Mittel zur Lösung eines technischen Problems. Die dem Patentschutz zugängliche Erfindung ist somit eine technische Problemlösung; ebenso wie die dem Gebrauchsmusterschutz zugängliche Erfindung, bei der es sich gleichermaßen um eine Lehre zum technischen Handeln handelt (s. o. § 2 I. 2.).-- Auch bei den vom Halbleiterschutz erfassten Halbleitertopographien als Ergebnissen geistigen Schaffens handelt es sich um technische Problemlösungen. Die Entwicklung und Herstellung einer integrierten Schaltung stellt sich als ein mehrstufiger komplexer Produktionsprozess dar, der über zahlreiche, jeweils verfeinernde Zwischenschritte schließlich zum gewünschten Endprodukt, dem fertigen Halbleiterchip, führt. Analysiert man die einzelnen Phasen des Entwicklungs- und Herstellungsprozesses, wird deutlich, dass auch die Chipproduktion, die im Ergebnis auf eine Problemlösung auf schaltungstechnischem Gebiet abzielt, durch ihren Charakter als technische Problemlösung bestimmt ist. 75 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 2. Nicht-technische Problemlösungen a) Sog. Anweisungen an den menschlichen Geist Explizit von einem immaterialgüterrechtlichen Schutz ausgeschlossen sind Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten, die nicht als Erfindungen angesehen und daher-- zumindest „als solche“-- nicht patentiert bzw. gebrauchsmusterrechtlich geschützt werden können (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG; § 1 Abs. 2 Nr. 3 Gebr MG ). 128 Die damit angesprochenen Ergebnisse geistiger Tätigkeit decken sich weitgehend mit den Gegenständen, die im juristischen Schrifttum 129 meist unter dem Stichwort der sog. Anweisungen an den menschlichen Geist behandelt werden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie zwar Handlungsanweisungen geben, jedoch keine Lehre zum technischen Handeln vermitteln. Sie unterscheiden sich von den patentfähigen Regeln zum technischen Handeln (Erfindungen) dadurch, dass sie die Beherrschung von Formen und Lagen des Denkens an sich bezwecken, ohne dass es dabei auf die Anwendung von Naturkräften ankommt, während die Regeln zum technischen Handeln die geistigen Fähigkeiten des Menschen im Hinblick auf die Beherrschung der Naturkräfte einschalten, sie also zu einem technischen Handeln bestimmen. 130 Keine Erfindung und damit nicht patentierbar sind danach z. B. Gebrauchsanweisungen, Unterrichts- und Lehrmethoden, Regeln für psychologische Tests, Einteilungen von Formularen, Tabellen, Skalen (=- Anweisungen für „gedankliche Tätigkeiten“), Spielregeln, Einteilungen von Brettspielen (=- Anweisungen für „Spiele“), Buchführungs- und Abrechnungssysteme, Werbemethoden (=- Anweisungen für „geschäftliche Tätigkeiten“) usw. 131 So hat der BGH etwa die Lehre, einen Wett- oder Wahlschein, also ein Stück Papier, in bestimmter Weise für die Vornahme von Eintragungen durch die Anordnung von Linien und Schriftzeichen aufzuteilen, nicht als patentierbare Erfindung angesehen, da durch den Wettschein-- möge sein Entwurf auch eine geistige Leistung darstellen-- keine technische Wirkung erzielt, sondern lediglich eine Anweisung an den menschlichen Geist gegeben werde. 132 Ein typischer, zur Verdeutlichung der hier in Rede stehenden Ergebnisse geistiger Leistung geeigneter Gegenstand lag auch der Buchungsblatt-Entscheidung des BGH 133 zugrunde. Zu entscheiden war insoweit über die Gebrauchsmusteranmeldung eines Buchungsblattformulars für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, das im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet war, dass unterschiedlich gefärbte, vertikal verlaufende Spalten das Auge des Buchhalters bei Eintragungen und Addiervorgängen „optisch lenken“ und dadurch die Gefahr von Falscheintragungen ausschließen sollten. Der BGH verneinte den technischen Charakter des Anmeldungsgegenstandes und damit seine Schutzfähigkeit vor allem damit, dass die Aufteilung des Buchungsblattes nicht als technisches Mittel zur Erreichung des gewünschten Ergebnisses 128 Zur Einordnung der gleichfalls in diesem Zusammenhang geregelten „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ s. u. § 8 I. 3. 129 Vgl. etwa Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 13; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 10, S. 129 f. 130 Blum, FS zum 100-jährigen Bestehen der Firma Blum & Co., S. 61, 67; Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 101. 131 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 16 ff.; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 10, S. 130. 132 BGH GRUR 1958, 602, 603 „Wettschein“. 133 BGH GRUR 1975, 549; weitere Rechtsprechungsnachweise s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 18. 76 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson angesehen werden könne. Die Aufteilung derartiger Liniensysteme und Flächenmuster könne vielmehr in aller Regel nicht ohne Einschaltung einer symbolischen geistigen Anweisung sinnvoll genutzt werden. b) Mangelnde Technizität Die vorgenannten Beispiele belegen, dass es sich bei den allgemein unter dem Begriff „Anweisungen an den menschlichen Geist“ zusammengefassten Tatbeständen um Ergebnisse geistigen Schaffens handelt, die der Kategorie der Problemlösungen zuzuordnen sind, für die also-- im Gegensatz zu den reinen Erkenntnissen und Entdeckungen (s. zuvor u. II .)-- ein praktisches Zweckmoment, eine konkrete Anwendungsmöglichkeit charakteristisch ist. Anders als bei den patent- und gebrauchsmusterfähigen Erfindungen handelt es sich jedoch bei den sog. Anweisungen an den menschlichen Geist nicht um technische Problemlösungen, d. h. um Lehren zum lösungsgerechten Einsatz von Naturkräften, sondern um nicht-technische, d. h. um Lehren zum lösungsgerechten Einsatz des menschlichen Geistes. So wird in dem oben genannten Beispielsfall durch die Gestaltung des Buchungsblattes eine Anweisung an den Buchhalter gegeben, seinen „Geist“ in bestimmter Weise zu betätigen, nämlich sich bei Eintragungen, Additionen etc. jeweils an optischen Hilfsmittel (Spalten, Farben etc.) zu orientieren. Dass sich letztlich auch die menschliche Verstandestätigkeit mit Rücksicht auf die primär biologisch-chemischen Vorgänge, die die Tätigkeit des Gehirns steuern, als Einsatz von Naturkräften darstellt, ist hier ohne Belang, da die menschliche Verstandestätigkeit jedenfalls nicht zu den beherrschbaren Naturkräften im Sinne des patentrechtlichen Technikbegriffs gehört. Damit sind vielmehr nur solche Naturkräfte gemeint, die außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit liegen und mit ihrer Hilfe beherrscht werden können. 134 Entscheidend ist also, dass der Benutzer der sog. Anweisung an den menschlichen Geist den angestrebten Erfolg, die Lösung seines Problems, nicht automatisch durch den Einsatz technischer Mittel, sondern durch eigenes Zutun, nämlich vermittels eigener Denktätigkeit, erlangt. c) Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit Auch die Entwicklung derartiger nicht-technischer Problemlösungen kann auf erheblicher, mit hohen Kosten verbundener geistiger Arbeit beruhen, deren Ergebnisse gerade im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich eine große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. 135 Die-- jetzt auch in § 1 Abs. 1 PatG ausdrücklich geregelte-- Begrenzung des Patentschutzes auf das Gebiet der Technik hat damit zur Folge, dass nicht unwesentliche Ergebnisse nach deutschem und europäischem Patentrecht vom Schutz ausgenommen bleiben. 136 Gleichwohl hatte sich der BGH 137 bereits nach früherer Rechtslage, die noch keinen expliziten Ausschluss der unter der Bezeichnung der „Anweisungen an den menschlichen Geist“ zusammengefassten Gegenstände vorsah, gegen einen Schutz von Anweisungen für eine „rein geistige“ Tätigkeit und einen entsprechend erweiterten Technikbegriff ausgesprochen. Eine 134 BGHZ 67, 22, 27-= GRUR 1977, 96, 98 „Dispositionsprogramm“; GRUR 1977, 152, 153 „Kennungsscheibe“. 135 Beier, GRUR 1972, 214, 230. 136 Näheres vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 123 ff. 137 BGHZ 67, 22, 32-= GRUR 1977, 96, 99 „Dispositionsprogramm“. 77 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson Einbeziehung der menschlichen Verstandestätigkeit als solcher in den Kreis der Naturkräfte hätte- - so die Befürchtung- - zur Folge, dass schlechthin allen Ergebnissen menschlicher Gedankentätigkeit, sofern sie nur eine Anweisung zu planmäßigem Handeln darstellen und kausal übersehbar sind, technische Bedeutung zugesprochen werden müsste. Damit aber würde der Begriff des Technischen praktisch aufgegeben und der Schutz des Patentschutzes für Leistungen eröffnet, deren Wesen und Begrenzung nicht zu erkennen und zu übersehen sei. Ein völliger Verzicht auf das Erfordernis des technischen Charakters einer Neuerung komme jedoch nicht in Betracht, da der Begriff der Technik als das einzig brauchbare Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen geistigen Leistungen des Menschen erscheine. Auch sei das Patentgesetz kein Auffangbecken für den Schutz sonst nicht geschützter Leistungen, sondern ein Spezialgesetz für den Schutz technischer Leistungsergebnisse. 138 IV. Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen Mit dieser Kategorie geistigen Schaffens sind schließlich diejenigen Ergebnisse menschlicher Geistestätigkeit angesprochen, die allgemein dem Bereich des sog. Kulturschaffens zuzuordnen sind. Sie lassen sich abstrakt dadurch kennzeichnen, dass sie der menschliche Geist gewissermaßen aus sich selbst heraus, wenn auch unter Ausschöpfung allgemeiner, frei zugänglicher Quellen, hervorgebracht hat. Ihnen gemeinsam ist das Beruhen auf einem geistigen Schaffensprozess, der-- ausgehend von einer Inspiration, einer Idee im Sinne eines Gedankens, eines Einfalls-- auf eine persönliche Ausdrucksform gerichtet ist und schließlich eine Gestalt gewinnt, so dass ein neuer, ursprünglich geistiger Gegenstand entsteht. 139 Die hier in Rede stehenden Geisteswerke-- z. B. Romane, Kompositionen, Gemälde, Filmwerke-- unterscheiden sich damit in ihrem Wesen von den Ergebnissen der zuvor behandelten Kategorien geistigen Schaffens. So kann eine Entdeckung, wie gesehen (s. o. II . 1.), zwar auf einer bedeutenden Forschungsleistung beruhen; ein neuer geistiger Gegenstand wird durch sie jedoch nicht geschaffen, sondern „nur“ ein in der Natur liegendes geistiges Prinzip aufgefunden. Auch die einer Problemlösung (s. zuvor III .), insbesondere einer technischen Erfindung zugrunde liegende Leistung setzt regelmäßig erhebliche intellektuelle Fähigkeiten-- Fachwissen, Phantasie, Kombinationsgabe etc.-- voraus. Sie verleiht jedoch nicht dem individuellen menschlichen Geist an sich Ausdruck und Gestalt, sondern bringt „lediglich“ eine in der Natur vorgegebene Gesetzmäßigkeit zur Anwendung, d. h. stellt sie in den Dienst einer praktisch anwendbaren und gewerblich verwertbaren Lösung eines Problems. In der Literatur wird diesem Unterschied in Bezug auf die Ergebnisse menschlicher Schaffenstätigkeit begrifflich z. T. dadurch Rechnung getragen, dass von einer „Schöpfung“ nur dort gesprochen werden könne, wo der menschliche Geist-- wie bei Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst- - seinen individuellen Inhalten eine Ausdrucksform gebe und so einen Gegenstand in der Außenwelt schaffe, während die Schutzgegenstände des gewerblichen Rechtsschutzes 138 Zum Technizitätserfordernis im Spiegel der Rechtsprechung vgl. auch Pierson, Jur PC Web-Dok. 182 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040182.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 139 Ausführlich zum Wesen des geistigen Schaffens im Bereich des Kulturschaffens vgl. Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 5, S. 26 ff. 78 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson sprachlich als geistige Leistungen zu erfassen seien. 140 Im Gegensatz zu den der Kategorie der Problemlösungen zugeordneten Ergebnissen geistigen Schaffens ist den hier ins Auge gefassten Geisteswerken des Kulturschaffens ein praktisches Zweckmoment, eine konkrete unmittelbare Anwendungs- und Benutzungsmöglichkeit jedoch weitgehend fremd. Ihre Aufgabe ist vielmehr primär das Mitteilen und Bewirken von Gedanken, Eindrücken, Empfindungen, Gefühlen, Stimmungen, Assoziationen etc., die sie durch ihr bloßes Dasein, ihr sinnliches Erscheinen und die damit gegebene Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung erfüllen. 141 Sofern geistiges Schaffen im vorgenannten Sinne seinen Niederschlag in einem Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst findet, genießt dieses urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes (vgl. § 1 UrhG). Auch neue und eigenartig gestaltete Designs im Sinne des Designgesetzes sind dieser Kategorie geistiger Schaffensergebnisse zuzuordnen. V. Kategoriale Erfassung der Kennzeichen Kennzeichen im Sinne des Markengesetzes nehmen eine Sonderstellung im System des geistigen Eigentums ein und stellen eine spezielle Kategorie immaterieller Güter dar. Kennzeichen sind weder- - technische oder nicht-technische- - Problemlösungen (s. o. III .) noch handelt es sich bei Ihnen um persönlich-geistige oder eigenartig-gestalterische Schaffensergebnisse, deren Bedeutung sich in ihrem Dasein, der Möglichkeit ihrer sinnlichen Wahrnehmung erschöpft (s. zuvor IV .). Vielmehr handelt es sich bei den schutzfähigen Kennzeichen um immaterielle Güter, die-- anders als die anderen vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände- - für etwas anderes stehen. Als Symbole stehen sie für die unternehmerische Leistung- - für Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen als solches. 142 Sie sind das zentrale Mittel unternehmerischer Kommunikation mit den anderen Marktteilnehmern und haben die Aufgabe einen Bedeutungsinhalt in Bezug auf exakt definierte Objekte (Waren, Dienstleistungen, Unternehmen) zu transportieren. Der Schutzgegenstand des Kennzeichenrechtes lässt sich begreifen als der Schutz gewerblicher Kennzeichen als Symbolen konkret definierter unternehmerischer Leistungen und zentralem Mittel der auf diese Leistungen bezogenen Kommunikation mit anderen Marktteilnehmern. 143 140 Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 1988, S. 36 ff.; der Sache nach Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 5, S. 26 ff.; kritisch Kraßer / Ann, Patentrecht, § 2 Rdn. 72, daran anschließend, unter Aufgabe der in den Vorauflagen vertretenen Auffassung jetzt auch Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, S. 48. 141 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 60. 142 Allgemein zum Schutz der Marke als Unternehmensleistung vgl. Fezer, Markenrecht, 2. A., Einl. Rdn. 28. 143 Im Einzelnen vgl. Pierson in Huck (Hrsg.), China und Deutschland, S. 61 ff. 79 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson VI. Ergebnisse geistigen Schaffens und normativ-rechtliche Ausgestaltung Die vorstehende Systematisierung wesentlicher Kategorien geistiger Schaffensergebnisse ist für das Verständnis des Systems des Immaterialgüterrechts von zentraler Bedeutung. Denn, wie eingangs (s. o. I.) bereits festgestellt, ist das Wesen der geschützten geistigen Güter maßgeblich zum einen für die kategoriale Anknüpfung der jeweiligen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums, zum anderen für deren normativ-rechtliche Ausgestaltung. Bildlich lässt sich dieser Zusammenhang zwischen rechtlichem Schutzinstrumentarium und immateriellem Schutzgegenstand wie folgt veranschaulichen: Der Handwerker (Gesetzgeber) muss den Nagel (Schutzobjekt) in seinem Wesen und seiner Bestimmung (angespitzter Stift, meist mit Kopf, zum Verbinden von Holz, Kunststoff, Presspappe u. ä., zum Eintreiben mit einem Hammer) erkennen (kategoriale Anknüpfung), um zum richtigen Werkzeug (Schutzinstrumentarium)-- dem Hammer-- zu greifen, mit dem er den Nagel durch gezielte Schläge (normativ-rechtliche Ausgestaltung) eintreiben kann. Durch die nachfolgende Darstellung soll anhand exemplarischer Regelungsbereiche aufgezeigt werden, dass sich die wesensmäßigen Unterschiede der vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände in vielfältiger Weise auf die normativ-rechtliche Ausgestaltung der sondergesetzlichen Bestimmungen auswirken. Ungeachtet dieser sich aus dem Wesen der jeweiligen Schutzgegenstände ergebenden schutzrechtsspezifischen Unterschiede ist hervorzuheben, dass die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums über weite Strecken durch Gemeinsamkeiten und parallele Regelungen gekennzeichnet sind. Angesprochen sind damit alle Regelungsbereiche, die nicht durch das Wesen der Schutzgegenstände in spezifischer Weise bestimmt sind und für die daher im Sinne einer übergreifenden Systematisierung die Zusammenfassung in einem „Allgemeinen Teil“ vorgeschlagen wird. 144 1. Materielle Schutzvoraussetzungen a) Kategoriale Anknüpfung Der durch das Patentrecht gewährte Schutz knüpft an das Vorliegen einer Erfindung an, bei der es sich, wie dargestellt (s. o. III . 1.), ihrem Wesen nach um eine technische Problemlösung, eine „Lehre zum technischen Handeln“ handelt. Bei einem Sachpatent betreffend eine erfinderische Maschine etwa (z. B. zum Recycling von geschreddertem metallischem Autoschrott) besteht die Lehre in dem Aufzeigen der erforderlichen Konstruktion (Anordnung von Schüttungen, Förderbändern, Tauchbädern, Schüttelsieben, Magneten etc.) und der Erläuterung deren Funktion zur Lösung des technischen Problems (Trennung und Sortierung der unterschiedlichen beim Fahrzeugbau eingesetzten und wieder verwertbaren Edelmetalle). Die Bereicherung der in der Maschine realisierten Erfindung für die Technik und damit für die Gesellschaft äußert sich offensichtlich nicht in der visuellen Wirkung der Maschine als Raumform auf die menschlichen Sinne, sondern ihrem Zweck entsprechend in ihrem Funktionieren, ihrer Tauglichkeit zur Lösung eines Problems unter Ausnutzung von Naturkräften (hier u. a. Schwerkraft, elektromagnetische Anziehung), die durch die erfinderische 144 Vgl. hierzu Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, Buch 1: Allgemeiner Teil. 80 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Konstruktion zum Einsatz gelangen. Der Schutz des Gesetzes wäre daher untauglich, würde dieser, anstatt am geistigen Gehalt der erfinderischen Lehre und deren Nutzungsmöglichkeiten, an die äußere Gestalt der Maschine als visuell wahrnehmbare, auf die menschlichen Sinne wirkende Erscheinung anknüpfen. Der Schutz der erfinderischen Idee wäre auf die Ausführung in einer konkreten Form beschränkt und abgesehen von dem auf diese Weise nicht zu erfassenden geistigen Gehalt von Verfahrens- und Verwendungserfindungen, leicht durch formale, rein äußerliche, den geistigen Gehalt unberührt lassende Änderungen zu unterlaufen. 145 Anders hingegen das Urheberrecht, das dem Wesen der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, sich in ihrem Dasein und der damit verbundenen Möglichkeit eines „geistigen Genusses“-- der Wirkung des Werks auf die menschlichen Sinne-- zu erschöpfen, gerade dadurch entspricht, dass es unmittelbar an das Werk und die von diesem ausgehende Wirkung auf die menschlichen Sinne anknüpft. Bei einem Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst ist eine von seiner sinnlichen Aufnahme unabhängige Benutzungsmöglichkeit seinem Wesen nach ausgeschlossen. Der Schutz der Werke bezieht sich folgerichtig nicht, wie der von Erfindungen, auf eine Nutzung durch Anwendung oder Gebrauch (vgl. § 9 PatG), sondern auf die Verwertung durch körperliche oder unkörperliche Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG), durch die sich das Werk den menschlichen Sinnen mitteilt. Diese wesensmäßige Unterscheidung zwischen geistigen Gütern, die sich in ihrer bloßen Existenz und ihrer sinnlichen Wirkung erschöpfen einerseits, und solchen, die durch ihre technischfunktionelle Wirkung gekennzeichnet sind andererseits, ist gleichermaßen für die kategoriale Abgrenzung der Designs im Sinne des Designgesetzes von den erfinderischen Arbeitsgerätschaften und Gebrauchsgegenständen im Sinne des Gebrauchsmustergesetzes maßgeblich. 146 b) Bewertungsmaßstab Auch die sondergesetzlichen Regelungen, in denen die jeweiligen Schutzvoraussetzungen bestimmt sind, stimmen mit dem Wesen der jeweiligen Schaffensergebnisse überein. Nur bei einer mit dem Wesen der jeweiligen Schaffenstätigkeit übereinstimmenden Regelung ist deren Tauglichkeit sichergestellt, den für die Gewährung des Schutzrechts maßgeblichen Erfolg bzw. Wert geistigen Schaffens zu erfassen. So entspricht es dem Wesen der Erfindung als technischer Problemlösung und dem Zweck des Patentrechts, den Fortschritt auf dem Gebiet der Technik zu fördern (s. u. § 7 II . 1.), dass das Patentrecht für die Gewährung des Patentschutzes entscheidend auf das Patenterfordernis des Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG, Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ ) abstellt. Durch die damit vorausgesetzte sog. Erfindungshöhe wird an die erfinderische Problemlösung ein an objektiven Beurteilungskriterien-- dem Stand der Technik, dem Können eines Durchschnittsfachmanns-- orientierter qualitativer Maßstab angelegt. 147 Umgekehrt entspricht es dem Wesen der vom Urheberrecht erfassten, aus dem Geist des Urhebers hervorgebrachten ursprünglich-geistigen Schöpfungen, die sich in ihrer Wirkung auf die menschlichen Sinne erschöpfen, dass der Urheberrechts- 145 Troller, UFITA , Bd. 50 (1967), S. 382, 395. 146 Troller, UFITA , Bd. 50 (1967), S. 382, 396. 147 Zur erfinderischen Tätigkeit als qualitativem Kriterium vgl. BGH GRUR 2006, 842, 845 „Demonstrationsschrank“. 81 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson schutz-- anstatt eines nach objektiven Kriterien zu bemessenden Qualitätserfordernisses-- als wichtigste Voraussetzung die Individualität des Werkes voraussetzt. Auch insoweit wird die Bedeutung der zutreffenden kategorialen Erfassung des jeweiligen Schutzobjektes deutlich, denn bei einem mit dem Wesen nicht zu vereinbarenden Verständnis, etwa der Erfindung als bloßer sinnlich wahrnehmbarer Gestaltung (Maschine, Vorrichtung, Stoff etc.), wäre bereits der Ansatz, die Perspektive für eine ihrem Wesen gerecht werdende Beurteilung verfehlt: Das bloße Dasein einer verkörperten Problemlösung, die von ihr ausgehende visuelle, akustische oder sonstige Wirkung auf die menschlichen Sinne (z. B. das Erscheinungsbild einer Vorrichtung, das Geräusch einer Maschine, der Geruch eines Stoffs etc.) ist offenbar kein geeigneter Bezugspunkt, der eine Bewertung der von ihr ausgehenden Beförderung des technischen Fortschritts, d. h. ihres erfinderischen Abstandes zum Stand der Technik, zuließe. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen dem Wesen des in Rede stehenden Schutzgegenstandes und den gesetzlich festgelegten materiellen Schutzvoraussetzungen lässt sich auch für das Kennzeichenrecht nachweisen. So ist maßgebliche Schutzvoraussetzung im Markenrecht, dass die Marke als Zeichen geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden (§ 3 Markengesetz; Art. 3 Marken RL ; Art. 4 UMV ; Art. 15 Abs. 2 TRIPS ). Hiermit trägt das Gesetz in gebotener Weise dem Umstand Rechnung, dass bei der Marke kein Schutzgegenstand in Frage steht, an den-- wie bei einer Erfindung-- ein qualitativer Maßstab („Erfindungshöhe“) anzulegen wäre oder bei dem es-- wie bei einem Werk im Sinne des Urheberrechts-- auf die schöpferische Individualität („Werkhöhe“) ankäme. 148 c) Neuheit Auch die Frage, ob die Gewährung eines Schutzrechts von einem Neuheitserfordernis abhängt, kann nur im Einklang mit dem Wesen des zu schützenden Ergebnisses geistigen Schaffens beantwortet werden. So ist bei Ergebnissen geistigen Schaffens, die sich ihrem Wesen nach als technische Problemlösungen darstellen, eine Beurteilung ihrer Neuheit, d. h. ihrer Nichtzugehörigkeit zum Stand der Technik (§§ 1 Abs. 1, 3 PatG; Art. 52 Abs. 1, 54 Abs. 1 EPÜ ; §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 Gebr MG ) möglich und für die Schutzgewährung auch erheblich. Nur eine neue technische Lehre ist geeignet, den technischen Fortschritt zu befördern und die Belohnung durch die Gewährung eines umfassenden Ausschließlichkeitsrechts zu rechtfertigen. Demgegenüber kommt es im Urheberrecht auf die Frage der Neuheit nicht an. 149 Ausschlaggebend für den Schutz eines Werkes der Literatur, Wissenschaft und Kunst ist dessen Individualität, nicht dessen Neuheit. 150 Dass ein Urheber nur etwas schaffen kann, was ihm nicht bekannt ist, für ihn also „neu“ ist, ergibt sich bereits aus dem Begriff der Schöpfung, ist diesem „inhärent“. 151 Die Frage der Neuheit erlangt daher im Urheberrecht allenfalls dadurch Bedeutung, dass zwischen der Frage der Neuheit und der der Individualität 148 Pierson in Huck (Hrsg.), China und Deutschland, S. 61, 84 f. 149 BGHZ 18, 319, 322- = GRUR 1956, 88, 89 „Bebauungsplan“; BGH GRUR 1982, 305, 307 „Büromöbelprogramm“; BGHZ 94, 276, 286-= GRUR 1985, 1041, 1047 „Inkassoprogramm“. 150 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 77 f. Rdn. 230, 234. 151 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 368. 82 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson eine gewisse Relation insofern besteht, als einer objektiv vorbekannten Gestaltung keine schöpferische Eigentümlichkeit zugebilligt werden kann. 152 d) Gewerbliche Verwertbarkeit Der wirtschaftliche Wert einer Erfindung liegt ihrem Wesen als Problemlösung auf technischem Gebiet entsprechend in ihrer gewerblichen Verwertbarkeit. 153 Gemäß der Zielsetzung des Patentrechts, den Erfindergeist für gewerbliche Nutzanwendungen anzureizen, ist daher die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung Voraussetzung für die Patenterteilung (§§ 1 Abs. 1, 5 PatG; Art. 52 Abs. 1, 57 EPÜ ). Die gewerbliche Verwertbarkeit ist ein gemeinsames Grundmerkmal der gewerblichen Schutzrechte, das diese vom Urheberrecht unterscheidet. 154 Die Bedeutung der gewerblichen Verwertbarkeit spiegelt sich auch in den jeweiligen Bestimmungen über die Festlegung des Schutzumfanges wider, wonach lediglich Benutzungshandlungen zu gewerblichen Zwecken vom Schutz eines gewerblichen Schutzrechts erfasst werden. Das Urheberrecht hingegen schützt das Werk und erfasst über die Arten der Werkvermittlung den Werkgenuss selbst, ohne, dass es auf eine gewerbliche Verwertbarkeit des Werks ankäme. 155 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Der bestimmende Einfluss des Wesens der vom Immaterialgüterrecht erfassten geistigen Güter zeigt sich auch bei der Ausgestaltung der formellen Schutzvoraussetzungen. Da sich die Schutzgegenstände der gewerblichen Schutzrechte im Gegensatz zu den vom Urheberrecht erfassten Geisteswerken nicht bereits durch eine ihnen eigene individuelle Prägung und eine darin zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit der Person eines Schöpfers als einer bestimmten Person zugehörig ausweisen, ist ihre rechtliche Zuordnung in der Regel von der Erfüllung formeller Schutzvoraussetzungen-- insbesondere der amtlichen Registrierung-- abhängig. 156 So trägt das Gesetz dem durch die mangelnde Individualität der Schutzobjekte des gewerblichen Rechtsschutzes aufgeworfenen Problem, dass mehrere Personen unabhängig voneinander zu parallelen Ergebnissen gelangen können, grundsätzlich Rechnung durch das Erfordernis der Anmeldung, die das Erteilungsverfahren, die Zuordnung des Rechts durch formellen Verwaltungsakt in Gang setzt und materiell die bestehende Interessenkollision nach dem Prioritätsprinzip entscheidet. Demgegenüber offenbart sich die Zugehörigkeit der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Person ihres Urhebers bereits durch ihre Individualität, ihre persönliche Prägung, so dass sich das Problem der Priorität im Urheberrecht nicht stellt. 157 Die Entstehung des urheberrechtlichen Werkschutzes knüpft daher unmittelbar an den Schöpfungsakt an, ohne dass es auf die Erfüllung formeller Voraussetzungen ankäme. 152 BGH GRUR 1962, 144, 145 „Buntstreifensatin“; BGH GRUR 1982, 305, 307 „Büromöbelprogramm“. 153 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 175. 154 Knap, UFITA Bd. 61 (1971), S. 109, 113. 155 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56. Rdn. 175. 156 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 58; Ausnahmen § 4 Nr. 2, 3 MarkenG, Art. 1 Abs. 2 a) GGVO . 157 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 78 Rdn. 233. 83 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 3. Schutzwirkungen a) Sperrwirkung Kennzeichnend für die Wesensverschiedenheit der vom Immaterialgüterrecht erfassten geistigen Güter sind schließlich auch die Unterschiede in der Wirkung der einzelnen Schutzrechte. Was das Patentrecht angeht, setzt ein wirkungsvoller Erfindungsschutz, wie bereits erörtert (s. o. 1. b), voraus, dass dieser die Erfindung in ihrem Wesen als technische Problemlösung und allein nach objektiven Kriterien zu bewertendes Ergebnis geistiger Leistung erfasst. Aus der Natur der Erfindung als technischer Problemlösung ergibt sich ferner, dass diese von verschiedenen Personen unabhängig voneinander (Doppelerfindern) aufgefunden werden kann. Im Einzelfall wäre es deshalb schwer nachweisbar, dass ein Benutzer seine Kenntnis der patentierten Lehre gerade von der eines bestimmten Erfinders ableitet. Ein wirkungsvoller Schutz, der geeignet ist, dem Erfinder den angemessenen Lohn seiner Leistung zu sichern, setzt daher voraus, dass dieser-- so wie dies beim Patentschutz der Fall ist-- gerade auch mit Wirkung gegenüber einem späteren Doppelerfinder, d. h. mit sog. Sperrwirkung, ausgestattet ist. 158 Demgegenüber ist dem Urheberrecht eine Sperrwirkung fremd. Da das Urheberrecht das Werk dem Urheber nur insoweit zuordnet, als es auf dessen Individualität beruht und ein Übereinstimmung von Werken, die auf selbständiger schöpferischer Arbeit beruhen, nach menschlicher Erfahrung ausgeschlossen ist, genügt es dem Schutzinteresse des Urhebers, vor der unberechtigten Übernahme seines Werkes geschützt zu sein. 159 Sollte es dennoch vorkommen, dass voneinander unabhängiges Werkschaffen aus Zufall zu im wesentlichen übereinstimmenden Schöpfungen führt, was vor allem bei Werken von geringer persönlicher Prägung möglich erscheint, erwerben daher beide Urheber ein selbständiges Urheberrecht. 160 b) Schutzdauer Auch in der gesetzlichen Festlegung des zeitlichen Schutzumfangs eines Immaterialgüterrechts, d. h. in der Bemessung der Schutzdauer, spiegelt sich die unterschiedliche Natur der jeweiligen immateriellen Güter wider. 161 So beträgt etwa die Schutzdauer des Patents maximal 20 Jahre (§ 16 PatG), 162 die des Gebrauchsmusters sogar nur maximal 10 Jahre (§ 23 Abs. 1 Gebr MG ), während sich die Schutzdauer des Urheberrechts auf 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers 163 beläuft (§ 64 UrhG). Dieser Umstand, dass die gesetzliche Schutzfrist bei den technischen Schutzrechten im Vergleich zum Urheberrecht erheblich kürzer ist, trägt der Tatsache Rechnung, dass die Erfindungsidee, die technische Problemlösung an sich, weil verschiedenen Erfindern im Grundsatz gleichermaßen zugänglich, geistiges Gemeingut darstellt und regelmäßig im Zuge normaler technischer Entwicklung über kurz 158 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 1 Rdn. 31, 52. 159 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 173. 160 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 78 Rdn. 233. 161 Troller, UFITA Bd. 50 (1967), S. 385, 399. 162 In den gesetzlich bestimmten besonderen Fällen mögliche Verlängerung auf max. 25 Jahre durch sog. ergänzendes Schutzzertifikat, § 16a PatG. 163 Lat.: post mortem auctoris (=-nach dem Tod des Urhebers). 84 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson oder lang auch von anderer Seite aufgefunden worden wäre. Eine ausschließliche rechtliche Zuordnung rechtfertigt sich daher nur für einen Zeitraum, der dem Erfinder zwar einerseits durch die Gewährung eines Wettbewerbsvorteils den Lohn seiner Leistung sichert, der jedoch andererseits eine allzu lange dauernde Abhängigkeit späterer, von auf dem fraglichen Schutzgegenstand aufbauender Erfindungen vermeidet. Demgegenüber ist der Grund für die lange Schutzdauer des Urheberrechts darin zu erblicken, dass die schutzbegründenden Elemente der Geisteswerke der Literatur, Wissenschaft und Kunst auf der Individualität des Urhebers beruhen und ohne diesen nie geschaffen worden wären. Der Spielraum schöpferischen Werkschaffens ist, anders als der der technischen Entwicklungstätigkeit, auch nicht durch Sachzwänge (Naturgesetze, Gesetze der Mathematik und Logik) und die sich daraus ergebende beschränkte Anzahl möglicher Lösungen begrenzt. Vielmehr setzt der für das urheberrechtliche Werkschaffen erforderliche schöpferische Spielraum in seinen schutzbegründenden, individuellen Elementen gerade eine hinreichende Gestaltungsfreiheit voraus. Der lange Schutz des Urheberrechts führt daher auch zu keiner Einschränkung des Werkschaffens nachfolgender Schöpfer, da deren Gestaltungsfreiraum für ihrerseits individuelles schöpferisches Werkschaffen von dem urheberrechtlichen Werkschutz früherer Urheber unberührt bleibt. 164 c) Persönlichkeitsrechtliche Schutzelemente Dem jeweiligen Wesen der Schutzobjekte des Immaterialgüterrechts entspricht schließlich auch die unterschiedliche Ausprägung persönlichkeitsrechtlicher Schutzelemente. Während im Urheberrecht die Individualität, der Persönlichkeitsbezug der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, zu einer umfassenden Ausbildung eines Urheberpersönlichkeitsrechts geführt hat, tritt der persönlichkeitsrechtliche Schutz bei den durch ihren Charakter als technische Problemlösungen bestimmten Erfindungen mangels einer nennenswerten persönlichen Prägung stärker zurück. 165 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, handelt es sich bei dem durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gebildeten Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums um eine Spezialmaterie unserer Rechtsordnung, die in ihrer Systematik und ihrer normativ-rechtlichen Ausgestaltung dem immateriellen Charakter der von ihr erfassten Schutzgegenstände Rechnung trägt. Die für eine Abgrenzung als Rechtsgebiet hinreichend klaren Konturen haben sich im Laufe der historischen Entwicklung herausgebildet und spiegeln sich, wie dargestellt, in entsprechender Weise auch im internationalen Regelwerk zum Schutz des geistigen Eigentums wider. Gleichwohl handelt es sich beim Recht des geistigen Eigentums keineswegs um eine isolierte Rechtsmaterie, deren umfassendes Verständnis allein aus sich heraus zu erschließen wäre. Vielmehr handelt es sich auch bei dem 164 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 2 Rdn. 76. 165 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 174; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 48. 85 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Pierson Recht zum Schutz des geistigen Eigentums um ein Rechtsgebiet, das vielfältige Bezüge zu anderen Gebieten unserer Rechtsordnung aufweist. I. Verfassungsrechtliche Bezüge Das Recht des geistigen Eigentums ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung des Wirtschaftslebens. Das heißt, die Verfassung gewährleistet den Schutz des gewerblich und kreativ Schaffenden in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen. Sie sichert die Persönlichkeit des geistig Schaffenden gegen staatliche Eingriffe und garantiert die Freiheit der gewerblichen bzw. schöpferischen Betätigung (Art. 1, 2 GG ). 166 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht bekanntlich über den bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff insofern hinaus, als er nicht nur auf Sachen beschränkt ist. Soweit vermögensrechtliche Interessen betroffen sind, fallen die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht als eigentumsähnliche Vermögensrechte daher auch unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14). Der verfassungsmäßige Schutz des geistigen Eigentums ist jedoch nicht nur auf unsere nationale Rechtsordnung beschränkt. Exemplarisch zu nennen sind insoweit der Schutz des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 Europäische Grundrechtecharta ( GRC h) und die Anerkennung des „gewerblichen und kommerziellen Eigentums“ in Art. 36 AEUV . II. Das Recht des geistigen Eigentums als Teil des Privatrechts 1. Zuordnung zum Privatrecht Der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht sind Teilgebiete des Privatrechts. 167 Sie dienen in erster Linie dem Schutz gewerblicher bzw. kreativ-schöpferischer Schaffensergebnisse und damit verbundener privater Interessen gegenüber anderen privaten Teilnehmern am Rechtsverkehr. Die Zuordnung des geistigen Eigentums zum Privatrecht hat inzwischen international ihre ausdrückliche Bestätigung in der Präambel des TRIPS -Abkommens 168 (s. o. § 4 IV . 5.) gefunden. Bei den durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gewährten Rechten handelt es sich um absolute subjektive Privatrechte, die als Ausschließlichkeitsrechte ausgestaltet sind und gesetzestechnisch, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s. o. unter § 1 II .), dem Schutz des Sacheigentums angenähert sind. Die sich aus den gewerblichen Schutzrechten bzw. dem Urheberrecht ergebenden Rechte des Rechtsinhabers, insbesondere die zivilrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Scha- 166 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 72 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 9, S. 62 ff.; näheres zur verfassungsrechtlich verbürgten Einheit von Immaterialgüterrechtsschutz und marktwirtschaftlicher Wettbewerbsordnung siehe Fezer, Markenrecht, Einl. Rdn. 25 f. 167 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 42 f. 168 Präambel TRIPS -Abkommen: „…-in der Erkenntnis, dass Rechte an geistigem Eigentum private Rechte sind,-…“. 86 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson densersatz, Auskunft, Vernichtung (etc.), können gegenüber dem allgemeinen Deliktrecht (§§ 823 ff. BGB ) als spezielles Deliktsrecht verstanden werden. 169 2. Nebengebiete des bürgerlichen Rechts Als Teilgebiet des Privatrechts sind der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht (jeweils) Nebengebiete des bürgerlichen Rechts ( BGB ), das zur Ergänzung der Sondergesetze herangezogen werden kann. Allgemein anerkannt ist, dass die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht als absolute subjektive Rechte auch als „sonstiges Recht“ i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind. Bei einer Verletzung eines Immaterialgüterrechts können daher zur Ausfüllung von Lücken der Sondergesetze Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB hergeleitet werden, wobei das allgemeine Deliktsrecht auf eine subsidiäre ergänzende Rolle beschränkt ist. 170 Vor allem jedoch kommt der ergänzenden Anwendung bürgerlich-rechtlicher Regeln für Fragen des Rechtsverkehrs, d. h. der Übertragung und Lizenzierung von gewerblichen Schutzrechten, die in den Sondergesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes nur fragmentarisch geregelt sind, 171 erhebliche praktische Bedeutung zu. 172 So ist für vertragsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertung gewerblicher Schutzrechte durch Übertragungs- oder Lizenzvertrag regelmäßig auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen. Obgleich das Urheberrecht-- anders als die gewerblichen Schutzrechte-- unter Lebenden nicht übertragbar ist (§ 29 Abs. 1 UrhG) und das Urhebervertragsrecht-- die vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten durch den Urheber- - eine vergleichsweise ausführlichere gesetzliche Regelung erfahren hat (vgl. §§ 31 ff. UrhG; VerlagsG), ist auch insoweit für die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB unverzichtbar. 173 Die Rechtsnatur des Lizenzvertrags, durch den ein gewerbliches Schutzrecht einem anderen zur Benutzung überlassen wird, ist gesetzlich nicht bestimmt. Da sich der Lizenzvertrag nicht ohne weiteres in die Vertragstypologie des BGB und des HGB einordnen lässt, geht die h.M. vom Vorliegen eines Vertrages sui generis aus, auf den je nach Ausgestaltung im Einzelfall die Vorschriften der Rechtspacht, der Miete, aber auch des Kaufvertrags- und Gesellschaftsrechts zur Anwendung kommen sollen. 174 Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die dem Lizenzvertrag in der Wirtschaftspraxis zukommt, 175 erweist sich die geltende Rechtslage zum Lizenzvertragsrecht mit Blick auf die zuvor erwähnten lückenhaften sondergesetzlichen Regelungen sowie die Schwierigkeiten einer Einordnung 169 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 2; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 43. 170 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75 f.; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 43. 171 Vgl. §§ 15 PatG, 22 Gebr MG ; 27-31 MarkenG; 29-32 DesignG; 11 SortG. 172 Vgl. hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 79 f. 173 Vgl. hierzu u. a. Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 42; Vor §§ 31 ff. Rdn. 19. 174 Benkhard / Ullmann / Deichfuß, § 15 Rdn. 81 ff.; Palandt / Weidenkaff, Einf. v. § 433 Rdn. 22, Einf. v. § 581 Rdn. 7. 175 Vgl. hierzu Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen v. 18. 1. 2012, S. 33 (§ 108a INSO -Entwurf 2012 nicht umgesetzt). 87 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Pierson in die bestehende gesetzliche Vertragstypologie als unbefriedigend. Eine eigenständige, dem spezifischen Wesen des Lizenzvertrages Rechnung tragende Regelung des Lizenzvertragsrechts erscheint daher de lege ferenda geboten. 176 3. Kennzeichenschutz außerhalb des Markengesetzes Im Bereich des Kennzeichenschutzes ergeben sich wichtige Berührungspunkte zwischen dem markenrechtlichen Schutz der geschäftlichen Bezeichnung (§§ 5, 15 MarkenG) und dem bürgerlich-rechtlichen Namensrecht (§ 12 BGB ) sowie dem handelsrechtlichen Firmenrecht (§§ 17 ff., 37 Abs. 2 HGB ). 177 4. Bezüge zum Arbeitsrecht Bedeutsame Bezüge des Immaterialgüterrechts zum Arbeitsrecht ergeben sich insbesondere überall dort, wo es um die Frage der rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Zuordnung von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit geht, die von abhängig Beschäftigten erarbeitet werden. Für den wichtigen Bereich der vom Patent- und Gebrauchsmusterrecht erfassten technischen Erfindungen ist der fragliche Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmererfinder und Arbeitgeber spezialgesetzlich im Arbeitnehmererfindergesetz (Arb EG ) geregelt (näheres hierzu s. u. 2. Abschnitt, 6. Kapitel). Für den Bereich der sonstigen gewerblichen Schutzrechte sowie das Urheberrecht finden sich entsprechende, allerdings lediglich rudimentäre Regelungen in den jeweiligen Sondergesetzen, 178 die eine unterschiedliche Regelungsdichte aufweisen und von grundsätzlich unterschiedlichen Prinzipien ausgehen. 179 III. Verwaltungsrechtliche Bezüge Obgleich die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums, wie dargestellt, mit Blick auf die durch sie begründeten absoluten subjektiven Privatrechte dem Privatrecht zuzuordnen sind, ergeben sich-- vor allem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes-- auch verwaltungsrechtliche Bezüge. Bekanntlich ist für die Erlangung eines gewerblichen Schutzrechtes im Grundsatz, d. h. soweit dieses nicht ausnahmsweise ohne Registrierung entsteht (§ 4 Nr. 2, 3 MarkenG; Art. 1 Abs. 2a GGVO ), die Mitwirkung einer Verwaltungsbehörde, in Deutschland regelmäßig die des DPMA , 180 erforderlich. Das durch die Anmeldung eines gewerblichen Schutzrechtes eingeleitete Verfahren vor dem DPMA (bzw. dem Bundessortenamt) ist dementsprechend als Verwaltungsverfahren ausgestaltet, wobei die Erteilung des gewerblichen 176 Ausführlich hierzu vgl. Ahrens / McGuire, Modellgesetz, Einl. S. 5 f., Vorb. v. §§ 110 ff. 177 Vgl. hierzu Ingerl / Rohnke, MarkenG, Nach § 15, Rdn. 1 ff. (zu § 12 BGB ), Rdn. 250 ff. (zu § 37 Abs. 2 HGB ). 178 Vgl. §§ 7 Abs. 2 DesignG; 2 Abs. 2 HLS chG; 43, 69b, 79 UrhG. 179 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, Vorb. zu Buch 10B, S. 800. 180 Im Falle des Sortenschutzes die des Bundessortenamtes. 88 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Schutzrechtes durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt erfolgt. 181 Durch die behördliche Erteilung werden allerdings privatrechtliche Schutzrechte begründet. Wegen dieses engen sachlichen Zusammenhangs zum Privatrecht ist die Überprüfung der Verwaltungsakte des DPMA (bzw. des Bundessortenamtes) jedoch nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern der ordentlichen Gerichtsbarkeit-- dem Bundespatentgericht und dem BGH -- zugewiesen. 182 IV. Straftat- und Bußgeldtatbestände Weitere öffentlich-rechtliche Bezüge ergeben sich daraus, dass sämtliche Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes sowie das Urheberrechtsgesetz Straftat- und z. T. auch Bußgeldtatbestände enthalten. 183 Bei der vorsätzlichen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Urheberrechts drohen daher neben den in der Praxis im Vordergrund stehenden zivilrechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig auch strafbzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen. Bei den fraglichen Straftatbeständen handelt es sich um nebengesetzliche Normen des materiellen Strafrechts, auf die die Vorschriften des St GB (Allgemeiner Teil) sowie verfahrensrechtlich die der St PO anwendbar sind. § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums I. Allgemeine Bedeutung Die Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums dienen vor allem der Befriedigung der Vermögensinteressen der geistig Schaffenden, denen auf diese Weise der wirtschaftliche Wert des jeweils geschützten Immaterialgutes gesichert wird. 184 Insbesondere im Bereich der gewerblichen Schutzrechte liegt ein grundsätzliches Ziel darin, Anreize zu schaffen, in Innovationsaktivitäten zu investieren. Geistige Eigentumsrechte- - vor allem solche zum Schutz technischer Erfindungen-- sind für ein hochindustrialisiertes, rohstoffarmes, auf den Export angewiesenes Land wie die Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung. Wissen und technischer Fortschritt sind anerkanntermaßen elementare Faktoren des Wirtschaftswachstums. Die herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung, die den Rechten des geistigen Eigentums zukommt, wird auch durch vom Europäischen Patentamt und der beim EU IPO angesiedelten Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durchgeführte Studien zur Bedeutung sog. schutzrechtsintensiver Wirtschaftszweige belegt. Danach können 38 % der Gesamtbeschäftigung in der EU (82 Millionen) direkt und indirekt schutzrechtsintensiven Wirschaftszweigen zugerechnet werden. 42 % der gesamten Wirtschaftsleistung ( BIP ) in der EU , d. h. 5,7 Billionen Euro, und 90 % des Handels der EU mit der übrigen Welt entfallen auf schutzrechtsintensive Wirtschaftszweige, was 181 Vgl. u. a. Benkard / Schäfers, PatG, § 49 Rdn. 3; Fezer, Markenrecht, § 41 Rdn. 3. 182 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75. 183 Vgl. §§ 142 PatG; 25 Gebr MG ; 10 HLS chG; 51 DesignG; 143-145 MarkenG; 39, 40 SortG; 106 ff. UrhG. 184 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 58. 89 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Pierson einem Handelsbilanzüberschuss für die EU von 96 Milliarden Euro entspricht. 185 Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums wird allerdings nicht nur die positiven Effekte ihrer rechtskonformen Nutzung belegt, sondern spiegelt sich auch in den erheblichen Schäden wider, die den Volkswirtschaften durch ihre Verletzung, den weltweiten Handel mit Fälschungen und Piraterieware entstehen (s. hierzu u. § 87 II . 2. b ff). II. Gewerblicher Rechtsschutz 1. Technische Schutzrechte Zweck des Patentschutzes ist es, den Fortschritt auf dem Gebiet der Technik zu fördern. Das Patentgesetz-- ergänzt durch das Gebrauchsmustergesetz-- soll für einen umgrenzten Bereich geistiger Leistungen, nämlich solche auf dem Gebiet der Technik einen angemessenen Schutz gewähren. Diejenigen, die Kenntnisse über gewerblich anwendbare technische Erfindungen besitzen, sollen im Interesse der Allgemeinheit zur Offenbarung ihrer technischen Kenntnisse veranlasst werden. Der Grund für die Verleihung des Ausschließlichkeitsrechts Patent wird im Wesentlichen einerseits in der Anerkennung und Belohnung einer besonderen Leistung im Bereich der Technik gesehen, andererseits in der Gewährung einer Gegenleistung dafür, dass der Erfinder den technischen Fortschritt und das technische Wissen der Allgemeinheit bereichert hat. Zugleich ist das dem Erfinder erteilte Patent als Ansporn zu verstehen, durch das der „Erfindergeist“ zu weiteren neuen erfinderischen Leistungen angereizt werden soll, durch die der technische Fortschritt dann erneut zum Nutzen der Allgemeinheit erweitert wird. Schließlich verschafft das Patent, das dem Patentinhaber eine zeitlich begrenzte Monopolstellung verleiht, einen temporären Wettbewerbsvorteil, der es dem Patentinhaber ermöglicht, seine erfinderische Intuition, seine Mühe und seine Investitionen-- insbesondere seinen Aufwand für Forschung und Entwicklung- - über die Preisgestaltung für sein innovatives Produkt zu kompensieren. 186 Die zur rechtstheoretischen Begründung des Patentschutzes entwickelten Patentrechtstheorien (Eigentums- oder Naturrechtstheorie, Belohnungstheorie, Anspornungstheorie, Offenbarungs- oder Vertragstheorie), 187 die jeweils unterschiedliche Aspekte des Patentschutzes in den Vordergrund stellen, schließen einander nicht aus, sondern stehen miteinander im Zusammenhang und sind erst in ihrer Summe dazu in der Lage, eine Rechtfertigung des Patentsystems zu leisten. 188 Aus volkswirtschaftlicher Sicht besteht die Herausforderung darin, gewerbliche Schutzrechte so zu gestalten, dass die durch sie generierten Innovationsanreize maximiert und die durch die Gewährung einer Monopolstellung entstehenden Wohlfahrtsverluste minimiert werden. 189 Die insoweit entscheidende Frage, ob das System geistiger Eigentumsrechte stets und in Bezug auf alle Schutzgegenstände zu einer angemessenen Balance zwischen der Produktion und der Verbreitung intellektuellen 185 Auswirkungen schutzrechtsintesiver Wirtschaftszweige in der EU , abrufbar unter https: / / euipo.europa. eu/ ohimportal/ de/ web/ observatory/ ip-contribution#ip-contribution_1 (letzter Abruf: 03 / 2018). 186 Im Einzelnen Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. Rdn. 1. 187 Grundlegend vgl. Machlup, GRUR AIT 1961, 373, 377. 188 Kraßer / Ann, § 3 Rdn. 12. 189 Studie MPI / Fraunhofer, S. 14. 90 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Eigentums beitragen kann, ist umstritten und wurde in jüngerer Zeit-- insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Patentierung sog. computerimplementierter Erfindungen („Softwarepatente“)-- sehr kontrovers diskutiert. 190 Ungeachtet dessen wird die zunehmende Bedeutung, die dem geistigen Eigentum im Vergleich zu materiellen Vermögensgütern aus volkswirtschaftlicher Sicht zukommt, durch Untersuchungen aus jüngerer Zeit bestätigt. 191 2. Designrecht Die eingangs erwähnten allgemeinen Ziele des Systems zum Schutz des geistigen Eigentums stehen jedoch nicht nur bei den technischen Schutzrechten, sondern auch bei den anderen gewerblichen Schutzrechten im Vordergrund. So zielt auch das Designrecht primär darauf ab, den Rechtsinhaber in der wirtschaftlichen Verwertung der von ihm unter Einsatz sachlicher und persönlicher Ressourcen erbrachten Leistung auf dem Gebiet des Designs zu sichern. Zugleich sollen das Handwerk und die Industrie durch die Gewährung des eingetragenen Designs zur Entwicklung weiterer neuer und eigenartiger Leistungen im Bereich des Designs angespornt und dadurch gefördert werden. 3. Markenrecht Auch im Bereich des Markenrechts, das neben dem Patentrecht und dem Urheberrecht eine weitere tragende Säule im System des geistigen Eigentums darstellt, kommen ähnliche Erwägungen zum Tragen. So wie das Patentrecht den Erfindergeist und damit den technischen Fortschritt fördert, belohnen Marken den Unternehmer, der ständig hochwertige Waren erzeugt bzw. Dienstleistungen anbietet, und stimulieren auf diese Weise den wirtschaftlichen Fortschritt. Die Marke ist Anreiz für den Unternehmer, neue Waren und Dienstleistungsangebote zu entwickeln oder die Qualität der vorhandenen Produkte zu erhalten und zu verbessern. Hintergrund für diese Anreizwirkung ist, dass Marken gegenüber dem Verbraucher als eine Art Garantie dafür wirken, dass alle mit der Marke gekennzeichneten Produkte vom selben Hersteller stammen und oder zumindest unter dessen Kontrolle erzeugt wurden und daher von gleicher Qualität sind. 192 Die Marke, die auch dem Schutz des Goodwills von Waren und Unternehmen dient, ist als selbständiger Gegenstand des Vermögens und als Unternehmensleistung geschützt. 193 Zugleich dient sie dem Schutz des Publikums, das sich anhand der Kennzeichen besser orientieren kann und vor Verwechslungen und Irreführungen bewahrt wird. 194 Die erhebliche und zunehmende wirtschaftliche Bedeutung, die Marken als immateriellen Vermögenswerten zukommt, spiegelt sich auch in dem monetären Wert 190 Vgl. hierzu eingehend die Studie MPI / Fraunhofer, S. 13 ff.; ferner Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. Rdn. 2; Pierson, JurPC Web-Dok. 163 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040163.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 191 Vgl. BMWT -Studie, S. 2 f. 192 Fezer, Markenrecht, Einl Kap. D. Rdn. 8. 193 Fezer, Markenrecht, Einl Kap. C. Rdn. 14 f. 194 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 67. 91 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Pierson bedeutender Marken wider 195 und darin, dass der Anteil des Markenwertes am Gesamtunternehmenswert der größten deutschen Unternehmen ausweislich einer Studie im Jahre 2012 bei durchschnittlich 56 % lag. 196 III. Urheberrecht 1. Die traditionelle Bedeutung des Urheberrechts Das Urheberrecht gewährt den Urhebern von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst Schutz für ihre Werke (vgl. bereits o. § 2 IV .). Das Urheberrecht ist daher traditionell von grundlegender Bedeutung für den Bereich des Kulturschaffens. Es sichert den Urheber nicht nur in seinen persönlich-geistigen, seinen ideellen Beziehungen zum Werk, sondern sichert insbesondere auch seine Interessen an einer Verwertung des Werkes und damit seine wirtschaftliche Existenz. Da die Urheber meist nicht selbst dazu in der Lage sind, ihr Werk allein umfassend zu verwerten, sind im Umfeld des urheberrechtlichen Werkschaffens vielfältige Zweige der sog. Kulturwirtschaft entstanden. Zur Kulturwirtschaft zählen alle Unternehmungen, die urheberrechtlich geschützte Werke verwerten, d. h. die daran beteiligt sind, den Genuss urheberrechtlich geschützter Werke an den „Konsumenten“-- sei es den Leser, den Musikliebhaber, den Theater- oder Kinobesucher (etc.) - zu vermitteln. Angesprochen sind damit insbesondere Verlage, Ausleiheinrichtungen (Bibliotheken, Videotheken etc.), die sog. mechanische Industrie (Hersteller von Ton- und Bild-Tonträgern, wie CD s, Videofilme, DVD s), Rundfunkanstalten (Hörfunk, TV ), Theater- und Konzertveranstalter, Verwertungsgesellschaften sowie z. T. auch die kunstgewerbliche Industrie (z. B. Porzellan, Möbel, Textilien etc.). 197 Der Kultur- und Kreativwirtschaft und damit auch dem Urheberrecht kommt in dem häufig auch als „Medienzeitalter“ apostrophierten Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts volkswirtschaftlich eine immer zentralere Bedeutung zu. Nach Angaben der Kommission 198 sind in der EU 1,4 Mio. KMU in der Kreativwirtschaft tätig. Die Zahl der Beschäftigten in der Kreativwirtschaft innerhalb der EU -27 belief sich danach im Jahr 2008 auf 6,7 Mio. Auch kann die Kreativwirtschaft, die im Jahre 2006 mit 3,3 % zum Bruttoinlandsprodukt ( BIP ) der EU beigetragen hat, die höchsten Beschäftigungszuwächse verzeichnen. Nach Angaben des BMW i 199 lag der Beitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Bruttowertschöpfung in Deutschland im Branchenvergleich für das Jahr 2013 mit 65,9 Mrd. Euro über dem der chemischen Industrie (40,8 Mrd. Euro), der Energiewirtschaft (50,8 Mrd. Euro) oder der 195 Vgl. z. B. das Interbrand-Ranking der global wertvollsten Marken 2017, abrufbar unter: http: / / interbrand. com/ best-brands/ best-global-brands/ 2017/ ranking/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 196 Fezer / Fischer / Menninger, Hdb Markenpraxis, Bd. II ., 2. Teil Rdn. 2. 197 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 1, S. 3 f. Rdn. 8. 198 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums“, KOM (2011) 287 endgültig, S. 6. 199 BMW i (Hrsg.), Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2014, abrufbar unter: https: / / www.bmwi.de/ Redaktion/ DE/ Publikationen/ Mittelstand/ monitoring-zu-ausgewaehlten-wirtschaftlichen-eckdaten-der-kultur-und-kreativwirtschaft-2014.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 92 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Finanzdienstleistungsbranche (64,8 Mrd. Euro). Die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft belief sich in Deutschland im Jahr 2014 auf rund 1,6 Millionen. 2. Der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts Die in den zurückliegenden Jahrzehnten zu beobachtende wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts lässt sich im Wesentlichen durch zwei Faktoren erklären. a) Ausweitung des Geltungsbereichs Zum einen erklärt sich der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts durch eine Ausweitung des Geltungsbereichs: So genießen Urheberrechtsschutz nicht nur Werke der „reinen Kunst“, sondern auch Werke der angewandten Kunst; ferner besteht Schutz nicht nur für kulturell anspruchsvolle, sondern auch für Werke von bescheidenem Niveau (z. B. Trivialliteratur, kitschige Gemälde, einfache Schlager). Insbesondere jedoch wurde der Geltungsbereich des Urheberrechts durch die technologische Weiterentwicklung der Verwertungstechniken allgemein sowie insbesondere durch die Einbeziehung zentraler Schlüsseltechnologien des Informationszeitalters (Computerprogramme, Datenbanken) ganz erheblich ausgeweitet (vgl. bereits o. § 1 III .). Die Entscheidung zur Verankerung des Schutzes von Computerprogrammen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a-g) und Datenbanken (§§ 4 Abs. 2, 87a-e) im Urheberrechtsgesetz hat dazu geführt, dass Fragen des Urheberrechts heute weit über den traditionellen Geltungsbereich des Urheberrechts im Bereich der sog. Kulturwirtschaft hinaus in allen Zweigen der Wirtschaft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind. Das heißt, angesichts der Heterogenität der erfassten Schutzgegenstände lässt sich das Urheberrecht nicht mehr auf seine ursprüngliche Funktion einer Domäne des traditionellen „Kulturrechts“ reduzieren. Es mag dieser erhebliche Bedeutungswandel gewesen sein, der eine ehemalige deutsche Justizministerin zu der Feststellung veranlasst hat: „Das Urheberrecht ist die Wirtschaftsordnung des Internetzeitalters“. 200 b) Urheberrecht in der Medien- und Freizeitgesellschaft Neben der Ausweitung seines Geltungsbereichs ist der enorme Bedeutungszuwachs, den das Urheberrecht in den zurückliegenden Jahrzehnten erfahren hat, auch auf die gestiegene Nachfrage nach Informationen und Unterhaltung zurückzuführen (Stichworte: „Medienzeitalter“, „Freizeitgesellschaft“), die den Konsum von Gütern der „Urheberrechtsindustrien“ erheblich gesteigert hat. 201 200 Bundesministerin der Justiz Leutheusser-Schnarrenberger-- Pressemitteilung BMJ vom 7. 9. 2012. 201 Schricker / Loewenheim, Einl. Rdn. 23 i. V. m. Rdn. 1. Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen 95 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Ahrens 1. Kapitel. Einleitung Technische Ideen können unter bestimmten Bedingungen durch Patente oder Gebrauchsmuster geschützt werden, die beide zum Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes und somit zu den Immaterialgüterrechten (s. o. § 1, II .) gehören, die gegenüber jedermann wirken, also absolute Rechte sind. Der patentrechtliche Erfindungsbegriff ist auch maßgebend für Gebrauchsmuster, die wesensgleich mit Patenten sind und gemeinsam das System des Patentschutzes, verstanden als Schutz technischer Erfindungen, bilden. 1 Dennoch weist das Gebrauchsmuster deutliche Unterschiede zum Patent auf, auf die im 5. Kapitel dieses Abschnitts hingewiesen wird. Sofern materiell- und verfahrensrechtliche Voraussetzungen erfüllt werden, wird im Rahmen eines rechtsgestaltenden Verwaltungsakts ein Patent geschaffen, der dessen Inhalt festlegt 2 und den Anmelder begünstigt. Ein dadurch erteiltes Patent-- das gilt analog auch für eingetragene Gebrauchsmuster-- entfaltet aufgrund des Territorialprinzips (s. u. § 15 I.) nur Schutz im Hoheitsgebiet des Staates, für den es erteilt bzw. eingetragen ist, wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan oder USA . Derartige Patentrechte können erlangt werden durch Verfahren bei den nationalen Behörden-- beispielsweise durch das Deutsche Patent- und Markenamt ( DPMA )-- oder für Vertragsstaaten im Rahmen von supranationalen Verfahren. Besonders interessant ist das Europäische Patentübereinkommen ( EPÜ 3 ), durch das in Form einer zwischenstaatlichen Einrichtung die Europäische Patentorganisation ( EPO ) gegründet wurde, deren Organe der Verwaltungsrat und das Europäische Patentamt ( EPA ) sind. Die nach dem EPÜ erteilten Patente werden europäische Patente (Art. 2 Abs. 1 EPÜ ) genannt. Nach dieser Einleitung werden im zweiten Kapitel dieses Abschnitts neben dem deutschen Patentrecht (im Wesentlichen basierend auf dem Patentgesetz, PatG) 4 auch das europäische Patentrecht nach dem EPÜ sowie der zugehörigen Ausführungsordnung ( AOEPÜ ) 5 erläutert, soweit beide Rechte harmonisiert oder ähnlich ausgestaltet sind. Im 3. Kapitel wird auf Besonderheiten des EPÜ eingegangen. Davon zu unterscheiden sind eventuelle Rechte, die aus einem einheitlichen Patentschutz (Einheitspatent) entstehen sollen. Dieses System findet bisher noch keine Anwendung, da ein zugehöriges Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht noch nicht von den notwendigen EU -Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde (Stand Juni 2018). Darauf wird im 3. Kapitel eingegangen. 1 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 1 Rdn. 47. 2 BP atG GRUR 1992, 380, 381 „Sammeltasche“. 3 Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. 10. 1973, zuletzt geändert mit Wirkung zum 13. 12. 2007 durch die Revision des EPÜ v. 29. 11. 2000. 4 In der Fassung der Bekanntmachung v. 16. 12. 1980, zuletzt geändert mit Wirkung zum 8. 4. 2018 durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. 10. 2017 ( BGB l I S. 3546). 5 Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. Oktober 1973, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 4. 2018 aufgrund Beschluss des Verwaltungsrats der EPO vom 13. 12. 2017. 96 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Aufgrund des Patentzusammenarbeitsvertrages (Patent Cooperation Treaty, PCT ; s. 4. Kapitel) ist es möglich, durch eine einzige „internationale Anmeldung“ die Wirkung je einer Anmeldung in den vom Anmelder bezeichneten Bestimmungsstaaten zu erzielen. Die Entscheidung, ob ein Patent erteilt wird, bleibt jedoch- - anders als beim Verfahren nach dem EPÜ -- den nationalen Behörden 6 vorbehalten. Weiterhin werden in diesem Abschnitt wesentliche Regelungen zum Arbeitnehmererfinderrecht behandelt (s. 6. Kapitel). Wesentliche Schritte der Verfahren vor den Patentämtern sind als Übersicht in Abb. 3 am Ende dieses Abschnitts dargestellt, worauf an verschiedenen Stellen hingewiesen wird. 6 Im Rahmen des PCT -Verfahrens kann auch das EPA benannt werden, welches für EPÜ -Vertragsstaaten ein europäisches Patent erteilen kann. 97 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens 2. Kapitel. Patentschutz in der Bundesrepublik Deutschland Ein Patent wird per Verwaltungsakt durch das DPMA oder durch das EPA erteilt, sofern bestimmte materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Bedingungen erfüllt sind. Auch ein durch das EPA erteiltes europäisches Patent kann Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland haben, sofern der Anmelder die entsprechende Benennung vornimmt, die erforderliche Gebühr zahlt und nach Erteilung des europäischen Patents die nötigen Schritte zur Nationalisierung einleitet. Durch eine PCT -Anmeldung kann Schutz für die Bundesrepublik Deutschland erzielt werden, wenn eine Benennung dafür oder für eine europäische Anmeldung erfolgt, die notwendigen Gebühren gezahlt und die erforderlichen Schritte für die Nationalisierung vorgenommen werden. Das eigentliche Patenterteilungsverfahren findet jedoch erst im Anschluss an das PCT -Verfahren statt (s. 4. Kapitel). § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ein Patent wird erteilt, sofern folgende materiellrechtlichen Bedingungen erfüllt werden (s. § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ): es muss eine Erfindung vorliegen; diese muss ▶ irgendein Gebiet der Technik betreffen, ▶ neu sein, ▶ auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und ▶ gewerblich anwendbar sein. I. Patentierbare Erfindungen Weder das PatG noch das EPÜ definieren den Begriff der Erfindung. Dort wird (s. § 1 Abs. 3 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2 EPÜ ) zunächst lediglich angegeben, was insbesondere nicht als Erfindung angesehen wird. Die in der Aufzählung enthaltenen Gegenstände sind alle abstrakter Art (z. B. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien usw.) und / oder nicht technischer Natur (z. B. ästhetische Formschöpfungen oder Wiedergabe von Informationen). Eine patentfähige Erfindung muss hingegen sowohl konkreten als auch technischen Charakter haben. Sie kann aus jedem Gebiet der Technik stammen. Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs „Erfindung“ wird Rechtsprechung und Lehre überlassen. Dadurch kann er zwanglos dem jeweils neuesten Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst werden. 7 Durch § 1a PatG ist ferner bestimmt, inwiefern der menschliche Körper bzw. dessen Bestandteile patentierbare Erfindungen sein können. Eine Erfindung ist eine Lösung zu einer Aufgabe. 8 Diese Aufgabe ist unter objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Das heißt, maßgeblich ist nicht was der Anmelder als Auf- 7 BGH GRUR 1969, 672 „Rote Taube“. 8 BGH GRUR 1984, 194 „Kreiselegge“. 98 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens gabe in seiner Patentanmeldung bzw. seiner Patentschrift nennt, sondern was der durch die Patentanmeldung angesprochene Fachmann (s. u. § 9 II .) als das objektiv durch die Erfindung gelöste technische Problem erkennt. 9 Zur Klärung der Frage, welche Erfindung durch eine Patentanmeldung oder ein darauf erteiltes Patent geschützt werden soll, ist insbesondere der sog. Patentanspruch (oder die Patentansprüche) zu prüfen. Dieser ist Teil der Patentanmeldung bzw. des erteilten Patents und bestimmt nach § 14 PatG (Art. 69 EPÜ ) maßgeblich den Schutzbereich (s. u. § 15 III .). 1. Technizität Eine Erfindung ist nur dann patentfähig, wenn sie technischen Charakter-- sog. Technizität-- aufweist. Dieses grundsätzliche Erfordernis ist schon lange herrschende Meinung und ergibt sich aus einer Vielzahl von Rechtsprechung. 10 Seit Dezember 2007 ist die Technizität außerdem in § 1 PatG gesetzlich gefordert, indem es jetzt heißt „Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt,-…“. 11 Der Begriff der Technik bzw. Technizität ist nicht definiert. Der BGH hat das Wesen einer technischen Erfindung in der planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausalen Erfolges gesehen. 12 Durch den Wortlaut „beherrschbare Naturkräfte“ wird der patentrechtliche Erfindungsbegriff auf das Gebiet der Technik beschränkt. Der Begriff der Technik ist im Gesetz nicht definiert, sondern ein wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff und knüpft an dasjenige Verständnis an, das den Begriff der Technik herkömmlich ausfüllt (z. B. Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie oder Biologie). Technisches Handeln besteht im Arbeiten mit den Mitteln der Naturkräfte. Der Technikbegriff ist nicht statisch, sondern ist Modifikationen zugänglich, um ihn der jeweiligen technologischen Entwicklung anzupassen. 13 Eine Erfindung auf dem Gebiet der Technik i. S. v. § 1 Abs. 1 PatG liegt jedenfalls dann vor, wenn die beanspruchte Lehre den Einsatz technischer Geräte umfasst. 14 Wichtig ist auch die technische Brauchbarkeit. Diese ist z. B. jedoch nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten bei einem „Perpetuum mobile“ nicht vorhanden, so dass eine solche Erfindung nicht patentfähig ist. 15 Nach der Definition des BGH gehört die menschliche Verstandestätigkeit alleine nicht zur Beherrschbarkeit der Naturkräfte. 9 BGH GRUR 1991, 811, 814 „Falzmaschine“. 10 Siehe z. B. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdn. 16 ff. 11 Änderung des PatG zum 13. 12. 2007 durch „Gesetz zur Umsetzung der Akte vom 29. 11. 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente“, BGB l. I 2007, S. 2166. 12 BGH GRUR 1981, 39, 41 „Walzstabteilung“. 13 S. bspw. BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15; BGH GRUR 1969, 672 „Rote Taube“; BGH GRUR 2000, 498 „Logikverifikation“. 14 BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15, „Flugzeugzustand“; BP atG v. 16. 5. 2017, 12W(pat) 37 / 14. 15 BP atG GRUR 1999, 487 „Perpetuum mobile“; BP atG 9W (pat) 41 / 08 v. 17. 9. 2008. 99 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens 2. Ausschluss von der Patentierung a) Mangelnde Patentfähigkeit Das Patentgesetz gibt in § 1 Abs. 3 PatG (bzw. Art. 52 Abs. 2 EPÜ ) eine nicht erschöpfende Auflistung von Dingen, die nicht als Erfindung angesehen werden und somit nicht patentfähig sind. Zu beachten ist, dass die dort aufgeführten Gegenstände oder Tätigkeiten nur dann der Patentfähigkeit entgegenstehen, sofern dafür Schutz als solcher begehrt wird (§ 1 Abs. 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 3 EPÜ ). Im Folgenden werden die einzelnen aufgelisteten Dinge der Reihe nach behandelt und weitere Beispiele angeführt, um eine Vorstellung zu vermitteln, was patentfähig sein kann und was nicht. 16 Ergänzend wird auch auf den ersten Abschnitt (s. o. § 5) verwiesen. Entdeckungen an sich sind nicht patentfähig. Wird die Erkenntnis aus einer Entdeckung jedoch praktisch umgesetzt, kann es sich um eine technische Erfindung handeln, wie bei folgenden Beispielen. Eine Entdeckung an sich liegt z. B. vor, wenn (lediglich) herausgefunden wird, dass ein bestimmtes und an sich bekanntes Material stoßfest ist. Denn das hat als solches noch keine technische Wirkung. Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, wie die Herstellung von Eisenbahnschwellen aus dem genannten Material, handelt es sich um eine technische Erfindung, die möglicherweise (also bei Erfüllung der anderen Patentierbarkeits-Voraussetzungen) patentfähig ist. Auch eine wissenschaftliche Theorie an sich ist nicht patentierbar- - wie die physikalische Halbleitertheorie. Deren praktische Umsetzung kann jedoch patentfähig sein, wie die Realisierung von neuen Halbleiterelementen und Verfahren zu ihrer Herstellung. Ähnlich ist es auch bei einer nicht patentierbaren mathematischen Methode, wie für das Entwerfen von elektrischen Filtern. Filter, die nach dieser Methode entworfen worden sind, können jedoch patentfähig sein. Auch ästhetische Formschöpfungen als solche gelten nicht als Erfindungen, denn sie beziehen sich der Definition nach auf ein Erzeugnis, das im Wesentlichen das subjektive Formempfinden anspricht. Sollte das Erzeugnis jedoch auch technische Merkmale haben, dann könnte es patentierbar sein, wie z. B. die Lauffläche eines Reifens, bei der es neben dem ästhetischen Eindruck auch auf Wasserverdrängung und Bodenhaftung ankommt. Zu unterscheiden ist auch, ob ein ästhetischer Effekt mit technischen Mitteln erreicht wird oder nicht. 17 So sind z. B. folgende technische Lösungen grundsätzlich patentfähig: ▶ Farben mit einer neuartigen Zusammensetzung zur Erhöhung der Leuchtkraft; ▶ Stoffe oder Stoffgemische, die durch technische Merkmale definiert sind und dazu dienen, in Bezug auf einen Geruch oder Geschmack eine besondere Wirkung zu erzielen. ▶ Dagegen sind z. B. folgende geistige Leistungen vom Patentschutz ausgeschlossen: ▶ ein Gemälde, das definiert ist durch die Anordnung der Farben oder seinen künstlerischen Stil; ▶ eine bloße geschmackliche Abwandlung eines Kochrezepts. 16 Vgl. EPA Prüfungsrichtlinien 2017, Teil G, Kapitel II -2 ff. 17 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 12 f. mit weiteren Verweisen. 100 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sind als solche nicht patentfähig, da es sich um Anweisungen an den menschlichen Geist handelt. Es fehlt also der Bezug auf den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte und deshalb der technische Charakter. Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind als solche ebenfalls nicht patentfähig. Da die Frage, inwiefern bei solchen Erzeugnissen auch Technizität vorliegt, einem stetigen Wandel unterworfen ist, wird auf dieses Thema unten gesondert eingegangen. Eine Wiedergabe von Informationen, die lediglich durch den Inhalt der Information definiert wird, ist nicht patentierbar. Das gilt z. B. für eine Datei oder eine CD , die anhand des aufgenommenen Musikstücks definiert ist. Merkmale von Datenkodierungsschemen, Datenstrukturen und elektronische Kommunikationsprotokolle sowie eine CD , die eine besondere Materialzusammensetzung aufweist, können hingegen patentfähig sein. b) Verstoß gegen öffentliche Ordnung und gute Sitten Patente werden nicht erteilt für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde (§ 2 Abs. 1 PatG bzw. Art. 53 a) EPÜ ). Öffentliche Ordnung ist im Sinne von „ordre public“ zu verstehen. Das umfasst die tragenden Grundsätze einer Rechtsordnung und somit alle Normen, die der Verwirklichung und dem Schutz von solchen Gütern dienen, die für das Leben in der Gemeinschaft eine essentielle Bedeutung haben. 18 Gute Sitten stellen einen Bewertungsmaßstab dar, der als Anstandsgefühl „aller billig und gerecht Denkenden“ umschrieben werden kann. 19 Von der Patentierung sind nur solche Erfindungen ausgeschlossen, die ausschließlich derartig benutzt werden können. Somit sind z. B. Waffen, Gifte und Sprengstoffe durchaus patentierbar. c) Verfahren zur chirurgischen und therapeutischen Behandlung In § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG (bzw. Art. 53 c) EPÜ ) wird per Gesetz definiert, dass Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Damit soll die Entscheidungsfreiheit eines Arztes zur Anwendung entsprechender Verfahren erhalten bleiben. Als chirurgische Behandlung ist ein Eingriff in den lebenden Körper eines Menschen oder Tieres anzusehen. 20 Verfahren zur therapeutischen Behandlung sind solche, die im Sinne der Anwendung medizinischer Maßnahmen die Ursachen oder Symptome einer Funktionsstörung des Körpers heilen, lindern, beseitigen oder abschwächen oder dem Risiko des Erwerbs einer solchen Störung vorbeugen oder dieses verhindern. 21 Diagnostische Verfahren dienen der Feststellung einer bestehenden Erkrankung und der Ursachenermittlung. 18 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 2 Rdn. 18. 19 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 2 Rdn. 22. 20 BGH GRUR 2001, 321, 322 „Endoprotheseeinsatz“. 21 AB l. EPA 1995, 512, „Hornhaut / Thompson“. 101 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens Als Kriterium, inwiefern die genannten Verfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, kann regelmäßig das Merkmal des Heilzwecks dienen. 22 Keinen Heilzweck verfolgen rein kosmetische Verfahren, wie Haarbehandlung durch Schneiden, Färben usw. Dagegen ist ein Verfahren zum Implementieren von Haarbündeln in die Kopfschwarte mittels atraumatischer Nadeln als chirurgisches Verfahren trotz seines kosmetischen Zwecks von der Patentierung ausgeschlossen. 23 Erzeugnisse zur Anwendung in einem der genannten Verfahren, sind jedoch aufgrund § 2a Abs. 1 Nr. 2, S. 2 PatG (bzw. Art. 53 (c), S. 2 EPÜ ) patentierbar. Dazu gehören insbesondere pharmazeutische Produkte, medizintechnische Geräte, Herzschrittmacher, Prothesen usw. 3. Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden Aufgrund der steigenden Bedeutung der Computertechnik besteht bereits seit den 1970er Jahren ein wachsendes Bedürfnis, Computerprogramme, also Programme für Datenverarbeitungsanlagen, zu schützen. Neben dem möglichen Schutz nach dem UrhG (s. u. § 69 I. 3.) wird auch regelmäßig versucht, einen geeigneten Patentschutz dafür zu ermöglichen. Denn durch das UrhG kann zwar ein Computerprogramm an sich geschützt werden, jedoch nicht die Ideen und Grundsätze, die ihm oder einzelnen seiner Algorithmen zugrunde liegen. Einen derartigen Schutz könnte jedoch das Patentrecht ermöglichen. Durch den Vorschlag einer Richtlinie 24 hat die Kommission der EG versucht, den Schutz sog. „computerimplementierter Erfindungen“ EU -weit zu harmonisieren. Eine derartige Erfindung ist nach dem Richtlinienvorschlag jede Erfindung, zu deren Ausführung ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird und die auf den ersten Blick mindestens ein neuartiges Merkmal aufweist, das ganz oder teilweise mit einem oder mehreren Computerprogrammen realisiert wird. 25 Dieses Richtlinienprojekt ist jedoch vorerst gescheitert, da es im Juli 2005 durch das Europäische Parlament abgelehnt wurde. 26 Für einen für die Bundesrepublik geltenden möglichen Patentschutz von Computerprogrammen ist also auf den Technikbegriff abzustellen, wie er von deutschen Gerichten (insbesondere BGH , BP atG) und dem EPA verstanden wird. 27 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Technikbegriff nicht statisch ist, sondern modifiziert werden kann, sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepasster effektiver Patentschutz dies erfordern. 28 Fraglich ist also, wann Technizität vorliegt und ein Computerprogramm nicht als Erfindung ausgeschlossen ist i. S. v. § 1 Abs. 3, 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2, 3 EPÜ . Die üblichen physikalischen Wirkungen (z. B. elektrische Ströme) eines Computerprogramms auf eine 22 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 14 Rdn. 58. 23 BP atG, Bl. f. PMZ 1989, 395. 24 Vorschlag für eine Richtlinie des Europ. Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, KOM (2002) 92 vom 20. 2. 2002 AB l. EG C 2002 / 151 E v. 25. 6. 2002. 25 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 122. 26 Vieregge, Wiesner, VPP Rundbrief 2005, 123; s. a. o.g. Fußn. 25. 27 Vgl. auch Pierson, Jur PC Web-Dok. 182 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040182. htm (letzter Abruf: 6 / 2018). 28 BGH GRUR 2000, 498, 501 „Logikverifikation“. 102 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Datenverarbeitungsanlage sind alleine nicht ausreichend, um dem Programm alleine oder in Kombination mit der Datenverarbeitungsanlage technischen Charakter zu verleihen. Erforderlich ist ein darüber hinausgehender technischer Effekt. 29 Ein Computerprogramm hat technischen Charakter, wenn zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe von Naturkräften, technischen Maßnahmen oder Mitteln (z. B. von hydraulischen Kräften, elektrischen Strömen in Schaltelementen und Regeleinrichtungen oder von Signalen) unmittelbar Gebrauch gemacht und somit unmittelbar ein technischer Effekt ausgelöst 30 wird. Das ist beispielsweise der Fall bei einem Antiblockierregelungssystem für druckmittelbetätigte Fahrzeugbremsen, bei dem eine optimale Bremswirkung erreicht werden soll. 31 Nach diesem Grundsatz sind allgemein Verfahren zur Steuerung technischer Geräte (wie Fernsehgeräte, Handys, Motorsteuerungen etc.), die heute üblicherweise mittels eines programmierten Mikroprozessors ablaufen, als technisch anzusehen. Nicht dem Patentschutz zugänglich ist jedoch z. B. ein Verfahren zum Betrieb eines Kommunikationssystems, bei dem von einem Kunden an seinem Rechner vorgenommene Bedienhandlungen erfasst und mit Referenzprotokollen verglichen werden, wobei dem Kunden unter bestimmten Bedingungen interaktive Hilfe angeboten wird. 32 Laut einer weiteren BGH -Entscheidung 33 ist für die Frage der Technizität zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt. Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Laut dieser BGH -Entscheidung wurde erkannt, dass eine Erfindung zwar das Technizitätserfordernis erfüllen kann, aber dennoch als reines Datenverarbeitungsprogramm (i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG) anzusehen und somit nicht patentfähig ist. Bei anderen BGH -Entscheidungen 34 wurde zwar die Technizität von Erfindungen nicht ausgeschlossen; jedoch wurden bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit (s. u. § 9 IV ) nur diejenigen Teile der Erfindung berücksichtigt, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen. Somit wurden im Ergebnis in den betreffenden BGH -Entscheidungen die Erfindungen zwar als technisch (i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2 Buchst. c oder d EPÜ ), jedoch aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (i. S. v. § 4 PatG bzw. Art. 56 EPÜ ) doch nicht als patentfähig angesehen. 29 Benkard / Bacher / Melullis, PatG, § 1 Rdn. 109. 30 Benkard / Bacher / Melullis, PatG, § 1 Rdn. 108. 31 BGH GRUR 1980, 849, „Antiblockiersystem“. 32 BGH GRUR 2005, 141, „Interaktive Hilfe“. 33 BGH v. 24. 2. 2011, X ZR 121 / 09, „Webseitenanzeige“. 34 BGH v. 26. 10. 2010, X ZR 47 / 07, „Wiedergabe topografischer Informationen“; BGH v. 18. 12. 2012, X ZR 3 / 12, „Routenplanung“; BGH v. 23. 4. 2013, X ZR 27 / 12, „Fahrzeugnavigationssystem“; BGH v. 25. 8. 2015, X ZR 110 / 13, „Entsperrbild“. 103 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens In einer weiteren Entscheidung, bei der es um die Ermittlung eines Flugzeugzustands durch Auswertung von Messwerten zu technischen Parametern ging, stellte der BGH 35 fest, dass auch für mathematische Methoden i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG dasselbe Kriterium gilt, wie für den Patentierungsausschluss für Programme für Datenverarbeitungsanlagen. 4. Biotechnologische Erfindungen Die Patentierbarkeit von Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie ist schon lange allgemein anerkannt und hat mit der Implementierung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen 36 ausdrücklich ihren Niederschlag im PatG bzw. EPÜ gefunden (§ 1 Abs. 2, § 1a Abs. 2-4 und § 2a Abs. 2 PatG bzw. analog Art. 53 b) EPÜ , R 26-34 AOEPÜ ). 37 Bei diesem Gebiet spielen auch ethische und moralische Fragen eine wichtige Rolle und beeinflussen die Gesetzgebung. So reguliert das Gentechnikgesetz die Forschungsarbeit; Embryonenschutzgesetz und Stammzellgesetz können die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen einschränken. Laut DPMA 38 werden folgende Einsatzgebiete der Biotechnologie unterschieden: die „Grüne“ Biotechnologie betrifft pflanzliche Anwendungen, bspw. für landwirtschaftliche Zwecke; die „Rote“ Biotechnologie befasst sich mit medizinisch-pharmazeutischen Anwendungen, also mit der Herstellung von Medikamenten und Diagnostika; die „Weiße“ (oder Industrielle) Biotechnologie umfasst bspw. Herstellungsverfahren für chemische Verbindungen in der Textil- oder Lebensmittelindustrie; die „Blaue“ Biotechnologie befasst sich mit der Nutzung von Organismen aus dem Meer und die „Graue“ Biotechnologie betrifft den Bereich der Abfallwirtschaft (Kläranlagen, Dekontamination von Böden u. ä.). Besondere ethische Herausforderungen für das Patentrecht ergeben sich aus der „Grünen“ und aus der „Roten“ Biotechnologie, die teilweise von der Öffentlichkeit kritisch begleitet wurden, wie bspw. die Verfahren zum „Krebsmaus-Patent“ 39 und zum „Brokkoli-Patent“ 40 . Für Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie gelten dieselben Patentierungsvoraussetzungen (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit und ausreichende Offenbarung) wie für Erfindungen auf anderen technischen Gebieten. Auch ein in der Natur bereits vorhandener Stoff kann patentiert werden, sofern dessen Existenz nicht bekannt war und zur Abgrenzung gegenüber einer bloßen Entdeckung eine Lehre zum technischen Handeln vorliegt (s. o. § 8 I. 1.). Eine Lehre zum technischen Handeln kann ein technisches Verfahren zur Isolierung des Stoffes aus seiner natürlichen Umgebung oder zu dessen Herstellung sein wie in § 1 Abs. 2 S. 2 PatG (bzw. R 27 a) AOEPÜ ) für biologische Materialien angeführt. 41 35 BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15, „Flugzeugzustand“. 36 Richtlinie 98 / 44 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6. 7. 1998; s. Bl. f. PMZ 1998, 458 ff. 37 DE : Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen (BioPatG) sowie Begründung hierzu (B. f. PMZ 2005, 93 ff. und 95 ff.); EPÜ : Beschluss des Verwaltungsrats vom 16. 6. 1999 ( AB l. EPA 1999, 437 ff.). 38 S. www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 39 EP 169 672. 40 EP 1 597 965. 41 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdn. 151. 104 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Ausdrücklich ausgenommen von der Patentierbarkeit sind jedoch: ▶ der menschliche Körper und die bloße Entdeckung seiner Bestandteile (§ 1a Abs. 1 PatG bzw. R 28 a), b), c), R 29 Abs. 1 AOEPÜ ); ▶ Pflanzensorten, Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zu deren Züchtung (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 PatG bzw. Art. 53 b) S. 1 EPÜ ); ▶ und (jeweils nach § 2 Abs. 2 PatG bzw. R 28 AOEPÜ ): ▶ Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; ▶ Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; ▶ die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken; ▶ Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere. Der Patentierungsausschluss umfasst auch Erzeugnisse, die nur unter Verwendung und Zerstörung menschlicher Embryonen hergestellt werden können. Diese Ausnahmen betreffen nicht (so dass also grundsätzlich ein Patent erteilt werden kann): ▶ Bestandteile des menschlichen Körpers, sofern eine Isolierung oder Gewinnung mit einem technischen Verfahren erfolgt (§ 1a Abs. 2 PatG bzw. R 29 Abs. 2 AOEPÜ ); ▶ Pflanzen und Tiere, sofern die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist (§ 2a Abs. 2 Nr. 1 PatG bzw. R 27 (b) AOEPÜ ); ▶ mikrobiologische Verfahren oder ein sonstiges technisches Verfahren und deren Erzeugnisse, sofern es sich nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt (§ 2a Abs. 2 Nr. 2 PatG bzw. Art. 53 (b) und R 27 (c) AOEPÜ ). Für ausführliche Erläuterungen wird auf die Kommentierung zu den genannten Gesetzesnormen sowie auf weiterführende Literatur verwiesen. 42 Ergänzend wird auch auf das Sortenschutzrecht (s. u. § 36) hingewiesen. II. Gewerbliche Anwendbarkeit Liegt eine technische Erfindung vor, so ist diese nur dann patentfähig, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ erfüllt sind. Dazu gehört u. a. die gewerbliche Anwendbarkeit. Gemäß § 5 PatG (bzw. Art. 57 EPÜ ) gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet 42 Siehe z. B. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, insbes. § 1 Rdn. 135 ff; Kraßer / Ann, Patentrecht, § 14 Rdn. 1 ff., sowie Ensthaler / Zech, GRUR 2006, 529 ff. und Kilger / Jaenichen, GRUR 2005, 984 ff. zur Problematik der Patentierung von (menschlichen) Gensequenzen mit Erläuterungen der Begriffe und des biologischen Hintergrunds. 105 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann. Dazu gehören insbesondere auch Bergbau, Jagd, Fischerei und Gartenbau. Da bereits die mögliche gewerbliche Herstellung ausreicht, kommt es bei Erzeugnissen nicht auf die anschließende (gewerbliche) Benutzbarkeit an. Also ist gewerbliche Anwendbarkeit auch gegeben, wenn ein Erzeugnis ausschließlich im nichtgewerblichen Bereich benutzbar sein sollte, wie etwa Spielzeug, Sportgeräte, medizinische Geräte, Arzneimittel, Prothesen sowie Kriegswaffen. 43 Die gewerbliche Anwendbarkeit im patentrechtlichen Sinne setzt außerdem nicht voraus, dass die Erfindung Gewinn verspricht. Wichtig ist jedoch deren Ausführbarkeit. Das heißt insbesondere, dass die Erfindung 44 ▶ in der Patentanmeldung ausreichend offenbart ist; ▶ funktioniert; das heißt der Kausalzusammenhang zwischen der zu lösenden Aufgabe (im objektiven Sinn) und der vorgeschlagenen Lösung muss erkennbar sein. Dabei ist es ausreichend, wenn der Erfinder verstanden hat, wie die Erfindung funktioniert; es ist nicht notwendig, dass er auch verstanden hat, warum sie funktioniert; ▶ wiederholbar ist; also nicht vom Zufall abhängt; ▶ fertig ist; das heißt, ein Fachmann muss ohne Versuche, die das übliche bzw. zumutbare Maß überschreiten, und ohne eigene erfinderische Überlegungen imstande sein, die Erfindung umzusetzen. 45 Eine Serienreife ist jedoch nicht erforderlich. § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Weitere Voraussetzungen für die Patentfähigkeit einer Erfindung sind, dass sie neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ). Eine Beurteilung dieser Kriterien erfolgt durch zeitlichen und inhaltlichen Vergleich mit dem Stand der Technik (SdT), der durch die Legaldefinition von § 3 PatG (Art. 54 EPÜ ) festgelegt ist. Für den zeitlichen Vergleich ist ein Stichtag maßgeblich, nämlich der Zeitrang der zu prüfenden Anmeldung, welche die Erfindung schützen soll. Dieser ergibt sich grundsätzlich aus deren Anmeldetag, ggf. jedoch aus einem früheren Prioritätstag aufgrund der Inanspruchnahme eines inländischen oder ausländischen Prioritätsrechts nach § 40 bzw. § 41 PatG bzw. für europäische Patentanmeldungen nach Art. 87 ff. EPÜ (s. a. Abb. 3). Für den inhaltlichen Vergleich ist der Inhalt der Patentansprüche dieser zu prüfenden Anmeldung entscheidend, da sie wesentlich den Schutzumfang (nach § 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ ) und somit die zu schützende Erfindung bestimmen. Dabei kommt es darauf an, was der zuständige Fachmann („Durchschnittsfachmann“) den Ansprüchen und dem aufgefundenen SdT entnimmt. Einzelheiten dazu werden in diesem Paragraphen erläutert. 43 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 13 Rdn. 4. 44 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 13 Rdn. 11 ff. 45 BGH GRUR 1971, 210 „Wildverbißverhinderung“. 106 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens I. Stand der Technik (SdT) Beim SdT ist zu unterscheiden zwischen ▶ Vorveröffentlichungen (§ 3 Abs. 1 PatG bzw. Art. 54 Abs. 2 EPÜ ) und ▶ älteren Anmeldungen (§ 3 Abs. 2 PatG bzw. Art. 54 Abs. 3 EPÜ ). 1. Vorveröffentlichungen Der SdT umfasst zunächst alle Kenntnisse, die der Öffentlichkeit vor dem Zeitrang der zu prüfenden Anmeldung zugänglich gemacht worden sind (§ 3 Abs. 1 PatG bzw. Art. 54 Abs. 2 EPÜ ). Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Form, an welchem Ort oder vor wie langer Zeit die Öffentlichkeit Zugang erlangt hat. Dazu gehören grundsätzlich auch alle Kenntnisse, die der Erfinder selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat oder die auf ihn zurückgehen. Das heißt also, dass es eine Neuheitsschonfrist zugunsten des Erfinders oder seines Rechtsnachfolgers weder nach deutschem Patentrecht noch nach dem EPÜ gibt. 46 Ausgenommen sind lediglich Veröffentlichungen, die nicht früher als 6 Monate vor Einreichung der Anmeldung missbräuchlich zum Nachteil des Erfinders oder auf einer international amtlich anerkannten Ausstellung erfolgten (§ 3 Abs. 5 PatG bzw. Art. 55 EPÜ ). Zu beachten ist, dass für die Berechnung der 6-Monats Frist der Anmeldetag und nicht ein eventuell früherer Prioritätstag maßgeblich ist. Unter Öffentlichkeit ist ein Kreis von Personen zu verstehen, der wegen seiner Größe oder der Beliebigkeit seiner Zusammensetzung für den Urheber der Information nicht mehr kontrollierbar ist. 47 Abzugrenzen davon ist ein begrenzter Personenkreis, der zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Dies kann explizit durch eine Vereinbarung („Vertraulichkeitsvereinbarung“) erfolgen oder implizit aus einer geschäftlichen Beziehung folgen, wie bei Kunde / Lieferant, Arbeitnehmer / Arbeitgeber oder dergleichen. Falls jedoch die Vertraulichkeitspflicht verletzt wird und die Information an gutgläubige Empfänger gelangt (die selbst der Öffentlichkeit zuzurechnen sind), wird die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich und gehört damit zum SdT. Ab diesem Zeitpunkt läuft die oben genannte 6-monats Frist (gem. § 3 Abs. 5 PatG bzw. Art. 55 EPÜ ) innerhalb der noch eine wirksame Patentanmeldung eingereicht werden kann. Sofern Schutz sowohl aufgrund eines deutschen Patents als auch aufgrund eines europäischen Patents nach EPÜ gewünscht ist, sind innerhalb dieser Frist beide Anmeldungen einzureichen, da der jeweilige Anmeldetag maßgeblich ist-- und nicht ein eventuell früherer Prioritätstag. Internationale Ausstellungen im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 2 (Art. 55 Abs. 1 b) EPÜ ), die einen 6-monatigen Ausstellungsschutz bewirken können, werden auch im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht und üblicherweise auch im Bl. f. PMZ veröffentlicht. Dabei werden lediglich 46 Anders im alten PatG (bis 1978) sowie nach geltendem deutschen Gebrauchsmusterrecht (§ 3 Abs. 1 Gebr MG ). 47 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 16 Rdn. 19. 107 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens Weltausstellungen und gleichrangige Fachausstellungen berücksichtigt. Der Ausstellungsschutz wird nur wirksam, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, dass die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von 4 Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Für die Zugehörigkeit zum SdT genügt es, dass der Öffentlichkeit die Kenntnisnahme möglich ist; eine tatsächlich erfolgte Kenntnisnahme ist nicht notwendig. Somit kann ein Dokument, das an einem bestimmten Tag in einer Bibliothek ausgelegt wird, ab diesem Tag zum SdT gehören, unabhängig davon, ob es eingesehen oder ausgeliehen wurde. Eine andere Bewertung kann sich ergeben, wenn von einer Erfindung erst nach einer Zerlegung einer Vorrichtung Kenntnis genommen werden kann und die Zerlegung nicht bestimmungsgemäß vorgesehen ist. Das war z. B. der Fall bei einem Steuerungsverfahren, das auf einem Mikrochip gespeichert war, der Teil einer offenkundig vorbenutzten (und damit der Öffentlichkeit zugänglichen) Maschine war. Das wurde damit begründet, dass die Ermittlung des Programminhalts des Mikrochips zwar technisch möglich gewesen sei, jedoch unter den gegebenen Umständen, insbesondere aus Kosten-/ Nutzenerwägungen, nicht erfolgt sein könne. 48 2. Ältere Anmeldungen Nach § 3 Abs. 2 PatG (Art. 54 Abs. 3 EPÜ ) können auch Patentanmeldungen zum SdT gehören, die erst an oder nach dem Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung veröffentlicht worden sind. Dafür müssen diese Patentanmeldungen jedoch einen älteren Zeitrang als die zu prüfende Patentanmeldung aufweisen und Schutz für das Inland bewirken. Letzteres ist möglich durch: ▶ nationale beim DPMA eingereichte Anmeldungen, ▶ europäische Patentanmeldungen nach dem EPÜ , wenn die Bundesrepublik Deutschland benannt und für sie die Benennungsgebühr gezahlt ist und ▶ internationale Patentanmeldungen nach dem PCT , für die das DPMA Bestimmungsamt ist, wenn sie in deutscher Sprache vorliegen und die Anmeldegebühr fristgerecht entrichtet ist (Art. III § 8 Abs. 3, § 4 Abs. 2 IntPat ÜG ). Derartige Patentanmeldungen werden in der Praxis „ältere Patentanmeldungen“ 49 genannt. Maßgeblich ist deren Inhalt, d. h. deren gesamter Offenbarungsgehalt (s. u. § 12 I.) und zwar bezogen auf deren Anmelde- oder Prioritätsdatum, selbst wenn die später der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Fassung von ihr abweicht. Eine ältere Patentanmeldung gehört für eine jüngere Patentanmeldung nur dann zum SdT, wenn die ältere veröffentlicht wird und zu diesem Zeitpunkt noch anhängig ist. 48 EPA , AB l. EPA 1993, 295 „Mikrochip / Heidelberger Druckmaschinen“. 49 Selbstverständlich sind auch vorveröffentliche Patentanmeldungen aufgrund ihres Zeitrangs ältere Anmeldungen; dennoch werden sie nicht als solche bezeichnet, sondern „vorveröffentlichte Patentanmeldungen“ genannt. 108 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Folgende Anmeldungen werden weder nach PatG noch nach EPÜ als ältere (nicht vorveröffentlichte) Anmeldungen dem SdT zugerechnet: ▶ nationale Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen im Ausland, ▶ deutsche Gebrauchsmusteranmeldungen. II. Durchschnittsfachmann Bei einem Vergleich der zu schützenden Erfindung mit dem entgegenstehenden SdT kommt es maßgeblich darauf an, wie ein sog. Durchschnittsfachmann einerseits die zu schützende Erfindung und andererseits die Gesamtoffenbarung der entgegenstehenden Informationen (aus Dokumenten oder aufgrund anderer möglicherweise entgegenstehender Sachverhalte-- wie Vorträge, Benutzungen usw.) versteht. Dazu ist zunächst zu klären, wer der maßgebliche (Durchschnitts-)Fachmann 50 ist. Der Fachmann ist eine Fiktion. Es handelt sich um den sog. Durchschnittsfachmann des betroffenen bzw. einschlägigen Fachgebiets, der zum Stichtag über das übliche Fachwissen und über durchschnittliche Fähigkeiten verfügt. Maßstab ist also keinesfalls ein „Genie“ oder gar der Prüfer oder Richter bei den Patentbehörden, der nicht selbst praktisch tätig ist und deshalb aus der Sicht des SdT und des Fachwissens Schwierigkeiten geringer oder auch größer einzuschätzen geneigt sein könnte. Was vom Fachmann zu erwarten ist, richtet sich in erster Linie nach seinem Fachgebiet. Dieses wird gemäß der Aufgabe bestimmt, die durch die Erfindung gelöst wird, nicht nach der Person dessen, der die Erfindung gemacht hat oder erfindungsgemäße Erzeugnisse benutzt. So ist beispielsweise der Fachmann für ein Dauerwellenmittel nicht der Frisör, sondern ein akademisch ausgebildeter Chemiker. Es gibt oft auch Fälle, in denen als „Fachmann“ eine Gruppe von Fachleuten anzusehen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein durchschnittlicher Fachmann eines primär einschlägigen Gebietes die Hilfe eines für ein anderes Gebiet zuständigen Fachmanns als notwendig erkennt und in Anspruch nimmt, wie bei einem Gerät zur Erzeugung und medizinischen Verwendung von Ultraschall-Stoßwellen, bei dem Kenntnisse der Physik mit denen der Medizintechnik zu kombinieren sind. 51 Für die Qualifikation, die beim Fachmann vorausgesetzt werden kann, ist maßgeblich, welche Fachleute sich mit Aufgaben der durch die Erfindung gelösten Art zu beschäftigen pflegen. Das können handwerklich geschulte Techniker, aber auch Ingenieure bzw. Naturwissenschaftler mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss sein. III. Neuheit Eine Erfindung gilt nach § 3 Abs. 1 PatG (Art. 54 EPÜ ) als neu, wenn sie nicht zum SdT gehört. Für eine solche Beurteilung wird inhaltlich geprüft, ob die durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmte Erfindung durch Informationen einer einzelnen Quelle (Dokument 50 Siehe auch Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 42 ff. 51 BGH GRUR 1999, 145, 147 „Stoßwellen-Lithotripter“; s. a. BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 78 / 09, „Pfeffersäckchen“. 109 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens oder sonstiger Sachverhalt) aus dem SdT vorweggenommen ist. Verglichen wird also der technische Inhalt des zu schützenden Anspruchs mit dem gesamten Offenbarungsgehalt z. B. eines einzelnen Dokuments. Dafür ist der Informationsgehalt maßgebend, den dieses Dokument für den zuständigen Fachmann (s. oben) hat. Damit umfasst der Informationsgehalt auch, was der Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ergänzt oder bei aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und „in Gedanken gleich mitliest“, ggf. unter Zuhilfenahme eines Lexikons oder eines anderen Nachschlagewerkes. So ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass zu einer kompletten Steckverbindung außer dem in einem Dokument erwähnten Steckverbinder ein entsprechend ausgebildeter Gegensteckverbinder gehört. 52 Eine Erfindung kann neu sein, auch wenn sie an sich bekannte Bestandteile (Elemente) enthält oder gar ausschließlich aus solchen besteht, wie beispielsweise eine neue elektronische Schaltung mit an sich bekannten elektronischen Komponenten. Ein neues Verfahren kann auch in der neuen Verwendung (Anwendung) eines an sich bekannten Erzeugnisses liegen; z. B. in der Lehre, einen als Düngemittel bekannten Stoff als Waschmittel zu verwenden. Die patentierbare Erfindung beschränkt sich dann auf die neue Anwendung. IV. Erfinderische Tätigkeit Eine weitere Voraussetzung für die Patentfähigkeit einer Erfindung ist die erfinderische Tätigkeit (gem. § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ). Nach § 4 PatG, S. 1 (Art. 56, S. 1 EPÜ ) gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann in nicht nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Dabei sind ältere, jedoch nicht vor dem Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung veröffentlichte Patentanmeldungen, nicht zu berücksichtigen (§ 4 S. 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 PatG bzw. Art. 56, S. 2 i. V. m. Art. 54 Abs. 3 EPÜ ). Von dieser Ausnahme abgesehen ist der zu berücksichtigende SdT der gleiche, wie er auch der Neuheitsprüfung zugrunde liegt. Dabei können jedoch Informationen aus mehreren Quellen (Dokumente usw.) kombiniert werden. Das Erfordernis „erfinderische Tätigkeit“ bedeutet nicht, dass es darauf ankommt, wie-- also mit welcher Anstrengung- - der Erfinder zu seiner neuen Problemlösung gelangt ist. Maßgeblich ist alleine das nicht-naheliegende Ergebnis, auch dann, wenn die Erfindung scheinbar mühelos oder zufällig gemacht wurde. Für die Beurteilung, ob die zu prüfende Erfindung sich in nahe liegender Weise aus dem SdT ergibt, wird dieser in seiner Gesamtheit und aus Sicht des Durchschnittsfachmanns betrachtet. Diesem wird unterstellt, dass er den gesamten SdT seines Fachgebiets kennt und diesen zusammen mit seinem allgemeinen Grundlagenwissen mosaikartig nutzt, um eine Aufgabe zu lösen und so zu einer Erfindung zu gelangen. Der Fachmann wird dabei jedoch 52 BGH GRUR 1995, 330 „Elektrische Steckverbindung“. 110 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens nicht allzu viele und allzu unterschiedliche Informationen miteinander verknüpfen sondern hauptsächlich diejenigen nutzen, die erkennbare Bezüge zu seiner Aufgabe zeigen. 53 Das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit ist einem unmittelbaren Tatsachenbeweis nicht zugänglich. Stattdessen sind häufig sog. Beweisanzeichen bzw. Hilfskriterien hilfreich. Diese können positive Anhaltspunkte liefern, jedoch keine verbindliche Aussage rechtfertigen. Solche Beweisanzeichen können sein: 54 ▶ eine Abkehr von eingefahrenen Wegen; 55 ▶ Befriedigung eines seit langem bestehenden Bedürfnisses; 56 ▶ Einfachheit, gepaart mit Robustheit, Sicherheit und erheblicher Aufwandsminderung; 57 ▶ entgeltliche Lizenzerteilung; ▶ Nachahmung durch Mitbewerber. 58 Zu beachten ist auch, dass bei einer Erfindung, die auf den ersten Blick nahe liegend erscheint, durchaus eine erfinderische Tätigkeit vorliegen kann. Denn bei Kenntnis der Erfindung lässt sich oft theoretisch und im Rahmen einer Ex-post-facto-Analyse fälschlicherweise zeigen, wie man von einem bekannten Ausgangspunkt durch eine Reihe offensichtlicher Schritte zu ihr gelangen kann. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit verfährt das EPA -- und in entsprechender Weise oft auch die deutschen Instanzen-- regelmäßig nach dem sog. „Aufgabe-Lösungs-Ansatz“. 59 Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Erfindungen mit nicht-technischen Merkmalen wird auf § 8 3. („Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden“; s. o.) hingewiesen. § 10 Recht auf das Patent Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger (§ 6 PatG bzw. Art. 60 EPÜ ). In diesem Zusammenhang ist also insbesondere zu klären, ▶ wer Erfinder ist, ▶ welche Rechte er hat und ▶ wer ggf. sein Rechtsnachfolger ist. 53 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 87. 54 S. bspw. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 4 Rdn. 61 ff, mit weiteren Beispielen und Zitaten. 55 BGH GRUR 1999, 145 „Stoßwellen-Lithotripter“. 56 BP atG GRUR 1995, 397, 398 „Außenspiegelanordnung“. 57 BGH Mitt. 1978, 136 „Erdölrohre“. 58 BGH GRUR 1991, 120, 121 „Elastische Bandage“. 59 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 89 ff. sowie EPA Prüfungsrichtlinien 2017, Teil G, Kapitel VII-3. 111 § 10 Recht auf das Patent Ahrens I. Erfinder Ein Erfinder ist eine natürliche Person, die eine Erfindung gemacht hat. Eine Erfindung kann auch von mehreren natürlichen Personen gemacht werden und zwar entweder gemeinschaftlich oder unabhängig voneinander. Ein Unternehmen hingegen kann kein Erfinder, jedoch Rechtsnachfolger sein. Eine Erfindung gilt als gemacht, wenn sie fertig ist und vom Erfinder verlautbart wurde. Dabei ist die Angabe nur einer Aufgabe keine fertige Erfindung, solange nicht die Lösungsmittel angegeben sind. Fertig ist eine Erfindung, wenn die ihr zugrunde liegende Lehre technisch ausführbar ist, wobei Markt- oder Serienreife nicht gefordert ist. Die in diesem Zusammenhang geforderte Verlautbarung kann durch irgendeine Mitteilung oder körperliche Wiedergabe erfolgen. Dabei sollte sie nur einem Personenkreis, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit sie nicht SdT wird und so mangels Neuheit ihrer eigenen Patentfähigkeit entgegenstehen könnte. Wesentlich ist, dass die Erfindung nicht ausschließlich im Kopf des Erfinders vorhanden, sondern deren Existenz für Fachleute erkennbar ist, wie z. B. durch den Aufbau einer erfindungsgemäßen Vorrichtung oder schriftliche bzw. mündliche Erläuterungen. 60 Von erforderlichen schöpferischen Beiträgen 61 zu unterscheiden sind auch unterstützende Leistungen. Wer (nur) Geldmittel, ein Laboratorium oder Geräte zur Verfügung stellt, ist nicht Miterfinder. Das gilt auch für Personen, die nach den Angaben eines anderen Versuchsbedingungen überwachen, Messwerte registrieren, den Bau von Versuchsanordnungen oder Prototypen ausführen usw. II. Erfinderrechte Das Recht auf das Patent steht dem Erfinder (bzw. mehreren Miterfindern gemeinschaftlich) zu (§ 6 PatG bzw. Art. 60 EPÜ ). Dieses entsteht mit dem Schöpfungsakt der Erfindung. Das Erfinderrecht umfasst zwei Bereiche, 62 bestehend aus: ▶ dem Erfinderpersönlichkeitsrecht und aus ▶ der materiell-rechtlichen Berechtigung des Erfinders (bzw. seines Rechtsnachfolgers), die im Wesentlichen aus folgenden Rechten besteht: ▶ Anspruch auf Erteilung des Patents (nach § 49 PatG bzw. Art. 97 Abs. 2 EPÜ ); ▶ Berechtigung, die Erteilung des Patents zu verlangen (§ 7 PatG bzw. Art. 60 Abs. 3, 61 EPÜ ); ▶ Rechte aus dem Patent (gem. §§ 9 ff., 15 Abs. 1, 2, §§ 139 ff. PatG bzw. Art. 71 ff. EPÜ ). Das Erfinderpersönlichkeitsrecht ist höchstpersönlich und unverzichtbar. Es äußert sich insbesondere in dem Recht des Erfinders, als solcher durch den Anmelder nach § 37 PatG 60 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 19 Rdn. 9 ff. 61 S. BGH v. 17. 5. 2011, X ZR 53 / 08, „Atemgasdrucksteuerung“; BGH v. 22. 1. 2013, X ZR 70 / 11. 62 S. bspw. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 19 Rdn. 1 ff. 112 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens benannt (bzw. nach Art. 62 EPÜ genannt) sowie durch das DPMA bzw. EPA auf der Offenlegungsschrift und Patentschrift genannt zu werden (§ 63 PatG bzw. Regel 20 AOEPÜ ). Sofern mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht haben, steht ihnen gem. § 6 S. 2 PatG das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Steht fest, dass es sich um eine gemeinschaftliche Erfindung handelt, steht das Recht den Miterfindern gemeinschaftlich zu. Das führt zu einer Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB , wenn und soweit die Beteiligten keine andere Vereinbarung getroffen haben. Besteht Bruchteilsgemeinschaft, kann über das Patent als Ganzes nur gemeinschaftlich verfügt werden, wobei die Bruchteilsgemeinschafter jedoch befugt sind, über ihren Anteil an der Erfindung frei zu disponieren. 63 Von der gemeinsamen Erfindung ist die Parallelerfindung (auch Doppelerfindung genannt) zu unterscheiden. Eine solche liegt vor, wenn mehrere Personen unabhängig voneinander eine identische technische Lehre (Erfindung) gemacht haben. Nach deutschem Patentrecht (§ 6 S. 3 PatG) und dem des EPÜ 64 (Art. 60 Abs. 2 EPÜ ) steht bei Parallelerfindungen das Recht demjenigen zu, der die Erfindung zuerst beim Patentamt angemeldet hat (Erstanmelderprinzip). III. Rechtsnachfolger Die materiell-rechtliche Berechtigung-- umfassend das Recht auf das Patent, den Anspruch auf dessen Erteilung und das Recht aus dem Patent- - ist ein Vermögensrecht, als solches veräußerbar und kann vererbt oder auch beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden (§ 15 Abs. 1 PatG bzw. Art. 71 f. EPÜ ) oder Gegenstand von Lizenzen sein (§ 15 Abs. 2 PatG bzw. Art. 73 EPÜ ). Durch eine solche Rechtsnachfolge kann auch eine juristische Person solche Rechte erwerben und zwar durch rechtsgeschäftliche Übertragung oder durch eine Inanspruchnahme im Rahmen des Arbeitnehmererfinderrechts (s. u. 6. Kapitel). IV. Berechtigter vor den Patentbehörden Um eine Verzögerung der Prüfung der Patentanmeldung zu vermeiden, gilt im Verfahren vor dem Patentamt der Anmelder als berechtigt, die Erteilung des Patents zu verlangen (§ 7 Abs. 1 PatG bzw. Art. 60 Abs. 3 EPÜ ). Um dadurch entstehende Ungerechtigkeiten auszugleichen, gewährt das PatG Abhilfe: Der materiell Berechtigte kann im Falle einer Anmeldung durch einen Nichtberechtigten (sog. „widerrechtliche Entnahme“) Einspruch gegen ein entsprechendes Patent erheben (§ 21 Abs. 1, Nr. 3 PatG), dessen Widerruf verlangen und eine neue Patentanmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der ursprünglichen Anmeldung gem. § 7 Abs. 2 PatG einreichen. Weiterhin kann er gemäß § 8 PatG durch Klage (Vindikationsklage) geltend machen, dass ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird oder die Übertragung des Patents verlangen, falls die Anmeldung bereits zum Patent geführt 63 BGH GRUR 2001, 226, 227 „Rollenantriebseinheit“. 64 Nach Art. 60 Abs. 2 EPÜ ist dieses Recht abhängig von der Veröffentlichung der früheren Anmeldung. 113 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens hat. Zusätzlich hat der Berechtigte noch die Möglichkeit, im Wege einer Nichtigkeitsklage das Patent für nichtig erklären zu lassen. Für Entscheidungen zur widerrechtlichen Entnahme bei europäischen Patentanmeldungen verweist das EPÜ auf nationale Gerichte (siehe Art. 61 EPÜ sowie Anerkennungsprotokoll zum EPÜ ; siehe auch unten § 20). § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Im Folgenden werden Grundsätze für die Verfahren vor dem DPMA , dem BP atG und dem BGH beschrieben, und es wird konkreter auf die Erteilung eines inländischen Patents (d. h. erteilt vom DPMA mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland) sowie auf entsprechende Einsprüche und Nichtigkeitsverfahren eingegangen. 65 Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass für Patentstreitsachen, d. h. Klagen, durch die ein Anspruch aus einem im PatG geregelten Rechtsverhältnis geltend gemacht wird (beispielsweise Ansprüche wegen Patentverletzung nach § 139 PatG), die Zivilkammern zugewiesener Landgerichte (einschließlich Instanzenzug über zugehörige Oberlandesgerichte bis ggf. zum BGH ) ausschließlich zuständig sind (§ 143 PatG). Darauf wird in diesem Abschnitt nicht weiter eingegangen; stattdessen wird dafür auf den achten Abschnitt verwiesen. I. Übersicht 1. Verfahren vor dem DPMA Die Bestimmungen zur Durchführung von Verfahren vor dem DPMA sind teilweise geregelt im PatG und werden ergänzt durch die „Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt“ (PatV) 66 sowie durch die „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ ( DPMAV ). 67 Ein Patentverfahren des DPMA beinhaltet im Wesentlichen: ▶ Offensichtlichkeitsprüfung (§ 42 PatG); ▶ Recherche (§ 43 PatG); ▶ vollständige Prüfung (§§ 44 ff. PatG); ▶ Führung des Patentregisters sowie Einsicht in dieses Register und in Akten (§§ 30, 31 PatG); 65 In diesem Paragraphen werden nur nationale inländische Patente behandelt. Auf Besonderheiten des europäischen Patentverfahrens nach dem EPÜ wird unten im 3. Kapitel eingegangen. 66 „Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt“ v. 1. 9. 2003, zuletzt geändert am 1. 1. 2013 durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und anderer Verordnungen vom 10. 12. 2012. 67 „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ v. 1. 4. 2004, zuletzt geändert zum 1. 10. 2016 durch das Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes vom 4. 4. 2016. 114 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ sowie möglicherweise ein Einspruchsverfahren (§§ 59 ff. PatG). Diese Tätigkeiten werden wahrgenommen von (s. a. § 27 PatG): ▶ Prüfungsstellen, die zuständig sind für die Bearbeitung von Patentanmeldungen und für die Erteilung von Auskünften zum SdT und deren Obliegenheiten je ein Prüfer wahrnimmt und ▶ Patentabteilungen, die u. a. zuständig sind für alle Angelegenheiten für erteilte Patente und bei Mitwirkung von mindestens drei Mitgliedern beschlussfähig sind. Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen sind den Beteiligten von Amts wegen in Abschrift zuzustellen und zu begründen (§§ 47 Abs. 1, 59 Abs. 5 PatG). Ein Beschluss in diesem Sinne ist eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte der Beteiligten berühren kann. 68 2. Verfahren vor dem BP atG Das BP atG entscheidet durch Beschluss (auch Beschwerdebeschluss genannt) über Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des DPMA , sofern der Beschwerde nicht zuvor durch das DPMA abgeholfen wird (§§ 73, 79 Abs. 1 PatG). Das BP atG ist unter bestimmten Voraussetzungen auch zuständig für Entscheidungen über Einsprüche (§ 61 Abs. 2 PatG) und entscheidet weiterhin in folgenden Fällen durch Urteile: ▶ in Nichtigkeitsverfahren (§§ 81 ff. PatG), die auch solche Patente betreffen können, die vom EPA erteilt wurden und für das Inland Wirkung erzielt haben sowie ▶ über einstweilige Verfügungen in Verfahren wegen Erteilung einer Zwangslizenz (§ 85 PatG). 3. Verfahren vor dem BGH Der BGH entscheidet über Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des BP atG (§§ 100 ff. PatG). Außerdem werden Berufungsverfahren gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des BP atG durchgeführt (§§ 110 ff. PatG). II. Zur Vertretung Ein Verfahrensbeteiligter, wie insbesondere Patentanmelder, Einsprechender oder Nichtigkeitskläger, kann eine natürliche oder juristische Person sein. Für den, der im Inland Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung hat, besteht für Verfahren vor dem DPMA und dem BP atG kein Vertretungszwang. Dieser Personenkreis kann also selbst handeln. Gem. § 97 Abs. 2 können sich diese Personen jedoch auch durch einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem BP atG nur 68 St. Rspr.; s. bspw. BP atG 7 W(pat) 23 / 16 v. 22. 03. 2017. 115 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens bestimmte Beschäftige sowie weitere Personen, wie bspw. volljährige Familienangehörige, vertretungsberechtigt, sofern es sich nicht um eine berufsmäßige (geschäftsmäßige) Vertretung handelt. Davon sind jedoch folgende Fälle zu unterscheiden: ▶ Wenn ein Verfahrensbeteiligter im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat-- also auch bei deutscher Staatsangehörigkeit mit ausländischem Wohnsitz-- hat er im Inland einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt zu bestellen (§ 25 Abs. 1 PatG); ▶ in Berufungs- und Beschwerdeverfahren (gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des BP atG nach §§ 84 bzw. 85 PatG) vor dem BGH müssen sich die Parteien (also unabhängig von Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung) durch einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt vertreten lassen (§§ 113 und 122 Abs. 4 PatG), wobei letzterer bei einem beliebigen deutschen Gericht, nicht jedoch notwendigerweise beim BGH , zugelassen sein muss; 69 ▶ in Rechtsbeschwerdeverfahren (gegen Beschwerdebeschlüsse des BP atG nach § 73 PatG) vor dem BGH müssen sich die Beteiligten durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dabei ist auf Antrag eines Beteiligten seinem Patentanwalt das Wort zu gestatten (§ 102 Abs. 5 PatG). III. Fristen, Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung 1. Fristen Bei den Verfahren vor dem DPMA und dem BP atG sind verschiedene Fristen einzuhalten. Fristen sind Zeiträume, deren Beginn und Ende bestimmt oder genau bestimmbar sind und innerhalb deren Verfahrenshandlungen vorgenommen werden müssen. 70 Sie können gesetzlich vorgegeben (wie die Prüfungsantragsfrist nach § 44 Abs. 2 PatG) oder vom Amt bestimmt sein (wie nach § 45 Abs. 1 PatG). Die Fristberechnung erfolgt nach §§ 187 ff. BGB . Der Anfang einer Frist kann beispielsweise der Anmeldetag einer Patentanmeldung oder die Zustellung eines Bescheides sein. Das Ende der Frist wird nach §§ 188 ff. BGB berechnet, wobei insbesondere auf § 193 BGB hingewiesen wird, wonach ein Fristende, das auf ein Wochenende oder einen Feiertag fällt, auf den darauf folgenden Werktag verschoben wird. 2. Wiedereinsetzung Wer ohne Verschulden verhindert war, gegenüber dem DPMA oder dem BP atG eine Frist einzuhalten und dadurch aufgrund gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil erleidet, ist gem. § 123 Abs. 1 PatG auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen. Bei einer derartigen Wiedereinsetzung handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, dessen Wesen darin besteht, dass er eine verspätete Handlung zu einer rechtzeitigen macht. 71 Zur Klärung der Frage, inwiefern (k)ein Verschulden des Handelnden vorliegt, sei auf die einschlägigen Kommentare und Rechtsprechungen verwiesen. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von 69 Benkard / Hall / Nobbe, PatG, § 114 Rdn. 4. 70 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 3. 71 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 1. 116 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses (das ist beispielsweise, wenn dem Verantwortlichen das Fristversäumnis bewusst wird) schriftlich beantragt werden, wobei auch Tatsachen angegeben werden müssen, die die Wiedereinsetzung begründen. Die Schriftform ist auch erfüllt durch Telegramm oder Fernschreiben 72 sowie aufgrund der Bestimmungen nach § 125a Abs. 1 PatG. Innerhalb der Antragsfrist ist außerdem die versäumte Handlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 123 Abs. 2 S. 3 PatG). Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden. Bestimmte Fristen sind von der Wiedereinsetzung ausgenommen (s. §§ 123 Abs. 1, S. 2 und 123a Abs. 3 PatG). Zu beachten ist auch, dass § 123 PatG nicht für solche Fristen gilt, die gegenüber dem BGH einzuhalten sind, wie diejenigen zur Einlegung von Berufung und Beschwerde (gem. §§ 110 bzw. 122 PatG). Für eine derartige Wiedereinsetzung sind §§ 233 ff. ZPO anzuwenden, nach denen jedoch andere Fristen gelten. Über den Antrag nach § 123 Abs. 3 PatG beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat. Eine gewährte Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 123 Abs. 4 PatG). Bei einer Ablehnung des Antrages im patentamtlichen Verfahren ist die Beschwerde nach § 73 PatG gegeben. Eine Ablehnung im patentgerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich unanfechtbar. 73 Bei einer gewährten Wiedereinsetzung gilt die versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen und der Rechtsnachteil als nicht eingetreten. 74 Hat das Fristversäumnis den Wegfall eines Patents oder einer Patentanmeldung zur Folge, der durch die gewährte Wiedereinsetzung anschließend wieder rückgängig gemacht wird, kann derjenige ein Weiterbenutzungsrecht erlangen, der in der Zeit zwischen dem Erlöschen und dem Wiederinkrafttreten des Patents oder der Patentanmeldung den geschützten Gegenstand in Benutzung genommen oder in dieser Zeit die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat (§ 123 Abs. 5-7 PatG; siehe auch oben § 17 II . 2.). 3. Weiterbehandlung Von der Wiedereinsetzung zu unterscheiden ist die Weiterbehandlung nach § 123a PatG. Ist nach Versäumung einer vom DPMA bestimmten Frist eine Patentanmeldung zurückgewiesen worden, so wird der Beschluss wirkungslos, wenn der Anmelder die Weiterbehandlung der Anmeldung beantragt und die versäumte Handlung nachholt. Die Antragsfrist, innerhalb der auch die Handlung nachzuholen und eine Gebühr zu zahlen ist, beträgt 1 Monat ab Zustellung der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung (§ 123a Abs. 1, 2 PatG). Die Weiterbehandlung weist gegenüber der Wiedereinsetzung also folgende wesentliche Unterschiede auf: 72 BP atG Bl. f. PMZ 1973, 166. 73 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 67a, wo auch auf eine mögliche Rechtsbeschwerde hingewiesen wird. 74 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 69. 117 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens ▶ die Frage, ob Verschulden vorliegt, ist nicht relevant; ▶ es muss eine vom DPMA bestimmte Frist versäumt worden sein (wie Bescheidserwiderungsfrist nach § 45 Abs. 1 S. 1 PatG), nicht jedoch eine vom BP atG oder durch PatG oder andere Vorschriften mit Gesetzes- oder Ordnungsrang bestimmte Frist (z. B. Prüfungsantragsfrist, § 44 Abs. 2 PatG); ▶ Anwendung im Anmelde-/ Prüfungsverfahren, also vor Patenterteilung; ▶ es ist eine Gebühr zu zahlen; ▶ die Antragsfrist beträgt 1 Monat. Gegen die Versäumung der Antragsfrist und die Frist zur Zahlung der Weiterbehandlungsgebühr ist die Wiedereinsetzung nicht gegeben (§ 123a Abs. 3 PatG). IV. Sonstiges 1. Rechtliches Gehör Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist als Verfassungsgebot ein Eckpfeiler eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens (Art. 103 Abs. 1 GG ). Das gilt auch entsprechend für Verwaltungsverfahren (also auch vor dem DPMA ), was völkerrechtlich speziell durch Art. 62 Abs. 4, 41 Abs. 3 TRIPS für patentamtliche Verfahren gewährleistet ist. 75 2. Gebühren Gebühren, die z. B. mit der Einreichung einer Anmeldung, eines Antrags oder durch die Vornahme einer sonstigen Handlung fällig werden, sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, durch das Patentkostengesetz (PatKostG) 76 geregelt und werden insbesondere nach dem Gebührenverzeichnis der dortigen Anlage erhoben (§ 2 Abs. 1 ergänzend Abs. 2 PatKostG). Besonders hingewiesen sei auch auf § 6 PatKostG, in dem es sinngemäß heißt: Ist für die Stellung eines Antrags oder die Vornahme einer sonstigen Handlung durch Gesetz eine Frist bestimmt, so ist innerhalb dieser Frist auch die Gebühr zu zahlen. Alle übrigen Gebühren des Gebührenverzeichnisses sind innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit zu zahlen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Wird eine solche Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Anmeldung oder der Antrag als zurückgenommen, oder die Handlung als nicht vorgenommen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Für Patentanmeldungen, Patente und Schutzzertifikate sind Jahresgebühren nach § 17 bzw. § 16a Abs. 1 PatG zu zahlen. Diese werden fällig gem. § 3 Abs. 2 PatKostG und sind gem. § 7 Abs. 1 PatKostG innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit zu zahlen. Innerhalb einer Nachfrist besteht noch die Möglichkeit, die Jahresgebühren mit Zuschlag zu zahlen. 75 Benkard / Schäfers, PatG, vor § 34 Rdn. 18. 76 Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts v. 13. 12. 2001, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 7. 2016 durch das Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes vom 4. 4. 2016. 118 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 3. Sprache Gemäß § 126 PatG ist die Sprache vor dem DPMA und dem BP atG deutsch, sofern nichts anderes bestimmt ist (Amtssprache bzw. Gerichtssprache). Zugelassene Ausnahmen finden sich beispielsweise in § 35a PatG, wonach Anmeldeunterlagen in anderen Sprachen zulässig sind, sofern der Anmelder fristgerecht eine deutsche Übersetzung nachreicht. Diese muss von einem Patentanwalt oder Rechtsanwalt beglaubigt oder von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt sein; s. § 14 PatV, 77 wo auch geregelt ist, inwiefern Übersetzungen von Schriftstücken einzureichen sind, die nicht zu den Anmeldeunterlagen zählen. Regional- und Minderheitensprachen, wie Niederdeutsch (Plattdeutsch), Sorbisch, Friesisch und Schweizerdeutsch, sind eigenständige Sprachen und keine deutsche Sprache. 78 Fachsprache kann jedoch deutsche Sprache sein und fremdsprachige Ausdrücke oder Begriffe stehen der deutschen Sprache nicht entgegen, 79 wenn ▶ deren Verwendung auf dem Fachgebiet allgemein anerkannt ist, ▶ sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat, ▶ dem Deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung auch ohne Übersetzung ohne Weiteres klar ist und er sie auf dem einschlägigen Fachgebiet beherrscht. 4. Schriftlichkeit, Elektronische Dokumente und Elektronische Akte Das Verfahren vor dem DPMA ist grundsätzlich schriftlich, mit den Modifikationen des Schriftlichkeitsbegriffs, die sich aus der Einführung und Zulassung elektronischer Formen der Textübermittlung auch für das DPMA ergeben (siehe auch § 125a PatG, §§ 11, 12 DPMAV i. V. m. den Vorschriften der ERVDPMAV , 80 §§ 3, 11 PatV). 81 Für Anträge und Handlungen, die ein patentamtliches Verfahren einleiten, ist die Schriftform meist besonders vorgeschrieben, woraus gem. § 126 Abs. 1 BGB auch das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift folgt. Alternativ kann die schriftliche Form ersetzt werden durch eine notarielle Beurkundung oder durch eine elektronische Form, sofern sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (s. § 126 Abs. 4 bzw. Abs. 3 BGB ). Zwar ermöglicht ein Telefax lediglich die elektronische Übertragung einer schriftlichen Originalvorlage mit anschließendem Ausdruck an einem Empfangsgerät. Trotzdem ermöglicht § 11 DPMAV , dass ein unterschriebenes Original auch per Telefax übermittelt werden kann, wobei das DPMA das Nachreichen des Originals verlangen kann (§ 11 Abs. 2 DPMAV ). § 125a Abs. 1 PatG 82 verweist darauf, dass in Verfahren vor dem DPMA bzgl. der Schriftform für Anmeldungen, Anträge oder sonstige Handlungen die Regelungen des § 130a Abs. 1, 2 S. 1 77 Die PatV ist vom DPMA gem. §§ 34 Abs. 6, 63 Abs. 4 PatG verordnet worden. 78 Schulte / Schell, Patentgesetz, 10. Auflage, § 126 Rdn. 7. 79 Schulte / Schell, Patentgesetz, 10. Auflage, § 126 Rdn. 8. 80 Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim DPMA v. 1. 11. 2013; BGB l. I, S. 3906; zuletzt geändert durch Ges. v. 18. 7. 2017, BGB l I, S. 2745. 81 Benkard / Schäfers, PatG, vor § 34 Rdn. 20. 82 Letzte Änderung zum 1. 1. 2018 aufgrund Ges. v. 10. 10. 2013; BGB l I, S. 3786. 119 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens Abs. 5 und 6 der ZPO entsprechend gelten. Damit ist sichergestellt, dass dortige Änderungen unmittelbar auch für das DPMA gelten. Im DPMA wurden zum 1. 6. 2011 sämtliche Verfahren im Patent- und Gebrauchsmusterbereich vollständig auf elektronische Aktenführung und -bearbeitung umgestellt. 83 Einige elektronische Dokumente, für die grundsätzlich gesetzlich die Schriftform vorgeschrieben ist, können nach Maßgabe von § 12 DPMAV i. V. m. den Vorschriften der ERVDPMAV elektronisch eingereicht werden, wobei teilweise eine signaturgebundene elektronische Kommunikation nötig ist (§ 1 ERVDPMAV ). Aufgrund der elektronischen Aktenführung ist es auch erforderlich, dass Dokumente zum SdT vom DPMA elektronisch gespeichert, vervielfältigt und auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Darunter können auch solche Dokumente fallen, die durch das UrhG geschützt sind. Die Einbeziehung von urheberrechtlich geschützten Werken in die internen Recherchedatenbanken ist geregelt durch den zum 1. 3. 2018 in Kraft getretenen § 29a PatG und dabei ist auch vorgesehen, dass ggf. eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Ergänzend wird auf Abschnitt 6 dieses Buches verwiesen. 84 5. Patentregister Das DPMA führt ein Register für Patentanmeldungen und erteilte Patente (§ 30 Abs. 1 PatG), das u. a. den Anmelder bzw. Patentinhaber sowie dessen Vertreter oder Zustellungsvertreter angibt. Diese Angaben, die auf Nachweis geändert werden, sind maßgeblich für den Verkehr mit dem DPMA und den Gerichten, denn die jeweils eingetragenen Personen sind nach Maßgabe des PatG berechtigt und verpflichtet (§ 30 Abs. 3 PatG). Bezüglich eines Rechtsübergangs oder einer Bevollmächtigung haben diese Eintragungen jedoch nur deklaratorische Wirkung; d. h. eine entsprechende Eintragungsänderung ist zur Wirksamkeit eines Rechtsübergangs oder einer Bevollmächtigung nicht erforderlich. Für den Verkehr mit dem DPMA und den Gerichten ist jedoch die Umschreibung im Register zur Legitimation erforderlich. 85 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren 86 I. Patentanmeldung Damit eine Erfindung patentrechtlichen Schutz durch ein inländisches nationales Patent erlangen kann, ist zunächst eine entsprechende Patentanmeldung beim DPMA einzureichen. Das kann auch über bestimmte Patentinformationszentren 87 erfolgen (§ 34 Abs. 1, 2 PatG). Die Anmeldung muss enthalten (siehe auch § 34 Abs. 3 PatG sowie ergänzend die auf § 34 Abs. 6 PatG beruhende PatV): 83 DPMA -Mitteilung 10 / 11 v. 6. 9. 2011, Bl. f. PMZ 11, 313 oder unter www.dpma.de. 84 S. Abschnitt 6, § 72 III . 8. 85 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 23 Rdn. 181. 86 In diesem Paragraphen werden nur nationale inländische Patente behandelt. Auf Besonderheiten des europäischen Patentverfahrens nach dem EPÜ wird unten im 3. Kapitel eingegangen. 87 S. a. http: / / www.piznet.de (letzter Abruf: 6 / 2018). 120 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ Name des Anmelders; ▶ Antrag auf Erteilung eines Patents mit kurzer Bezeichnung der Erfindung; ▶ einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben ist, was unter Schutz gestellt werden soll; ▶ Beschreibung der Erfindung; ▶ Zeichnungen, auf die sich die Patentansprüche oder die Beschreibung beziehen. ▶ Beispielhafte Patentanmeldungen aus den Bereichen der Chemie, Mechanik und Computer können der Broschüre des EPA „Der Weg zum europäischen Patent“ 88 entnommen werden. Eine weitere Voraussetzung ist die Zahlung der Anmeldegebühr. Sie wird fällig mit Eingang der Anmeldung und ist innerhalb von drei Monaten zu zahlen. Unterbleibt eine vollständige Zahlung gilt die Anmeldung als zurückgenommen (§ 6 Abs. 2 PatKostG). Die Unterlagen können deutsch- oder fremdsprachig sein, wobei im zweiten Fall fristgerecht eine Übersetzung nachzureichen ist (§ 35a PatG). Anmelder kann jede natürliche oder juristische Person sein, aber auch eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, die ähnlich einer juristischen Person als solche Rechte und Pflichten haben kann, wie OHG oder KG (§ 124 HGB ) sowie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB ). 89 Der Anmeldung ist auch eine Zusammenfassung beizufügen, die jedoch fristgerecht nachgereicht werden kann. Sie dient ausschließlich zur technischen Unterrichtung (§ 36 PatG). Der Anmelder hat im Rahmen einer Erfinderbenennung, die ebenfalls fristgerecht nachgereicht werden kann, anzugeben, wie er das Recht auf das Patent erlangt hat (also ggf. Rechtsnachfolger des Erfinders wurde), jedoch wird dies amtsseitig im Erteilungsverfahren nicht geprüft (s. § 37 Abs. 1 PatG). Für den Erteilungsantrag sind die in § 4 PatV genannten formellen und inhaltlichen Vorgaben einzuhalten. In die Beschreibung sind keine Angaben aufzunehmen, die zum Erläutern der Erfindung offensichtlich nicht notwendig sind. Modelle und Proben sind nur auf Anforderung des DPMA einzureichen (§ 16 Abs. 1 PatV). Sie sind jedoch nicht Bestandteil der Anmeldung und kein Mittel zur Erfindungsoffenbarung. 90 Die Offenbarung der Erfindung muss in der Anmeldung (insbesondere in Beschreibung, Zeichnungen und Patentansprüchen) so deutlich und vollständig erfolgen, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG). Die Offenbarung ist auch insofern wesentlich, als sie den Gegenstand der Anmeldung und damit den maximal möglichen Schutzumfang festlegt. Dieser kann im Laufe des Erteilungsverfahrens zwar eingeschränkt, aber nicht mehr erweitert werden. Die Offenbarung definiert weiterhin den sachlichen Umfang, der bei Inanspruchnahme von Prioritäten gilt (s. u. § 12 II . 2.). Angaben, die ausschließlich in der Zusammenfassung enthalten sind, dienen nicht der Offenbarung. Die Anmeldung darf nach § 34 Abs. 5 PatG nur eine einzige Erfindung enthalten oder eine Gruppe von Erfindungen, die eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen (Einheitlichkeit). Eine eventuelle Uneinheitlichkeit ist danach zu beurteilen, ob nach dem 88 „Der Weg zum europäischen Patent-- Leitfaden für Anmelder“, 17. Auflage, Juli 2017, S. 81 ff. 89 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 10. 90 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 59. 121 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens technologischen Zusammenhang und der Übersichtlichkeit des Erfindungskomplexes eine Behandlung in verschiedenen Patentverfahren geboten erscheint. 91 Die Patentansprüche haben eine ganz herausragende Bedeutung, denn ihr jeweiliger Inhalt bestimmt die zu schützende Erfindung und somit den Schutzbereich der Patentanmeldung bzw. des darauf erteilten Patents (§ 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ ). Wegen der rechtlichen Bedeutung der Ansprüche wird im Folgenden kurz dargestellt, wie diese prinzipiell aufgebaut sein können. Patentansprüche umfassen eine Reihe von Merkmalen, durch die die zu schützende Erfindung beschrieben werden soll, wie bei folgendem einfachen Beispiel für einen (allgemein bekannten) Tisch: 1. Vorrichtung mit einer Platte und mindestens einem Bein, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Bein senkrecht zur Platte angeordnet ist. Dieser beispielhafte Anspruch umfasst also verschiedene Merkmale, die anhand folgender Merkmalsanalyse leicht darstellbar sind: i. eine Platte ii. ein Bein oder mehrere Beine, welches / welche iii. senkrecht zu der Platte angeordnet ist / sind. Daraus wird erkennbar, dass in den Ansprüchen enthaltene Merkmale üblicherweise eine Erfindung einschränkend beschreiben (eine würfelförmige Platte ohne Beine ist nicht umfasst, ebenso wenig eine Beinanordnung, die einen Winkel von 45 Grad zur Platte einschließt). Wie üblich (aber nicht zwingend), ist der Beispielsanspruch zweiteilig formuliert, wobei die Merkmale vor der Formulierung „dadurch gekennzeichnet, dass“ 92 als Oberbegriff und die anschließenden Merkmale als kennzeichnender Teil bezeichnet werden. Der Oberbegriff soll die Merkmale des nächstkommenden SdT beschreiben, und der kennzeichnende Teil die dem gegenüber neuen Merkmale enthalten. Eine solche Unterteilung dient jedoch nur Zweckmäßigkeitserwägungen und es ist für die Erfassung des Gegenstands, also dessen was geschützt werden soll, nicht von Bedeutung, ob ein bestimmtes Merkmal im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil erscheint. 93 Ein Patent kann einen oder mehrere Ansprüche enthalten. Der erste wird als Hauptanspruch bezeichnet. Die weiteren Ansprüche können von ihm abhängig („Unteranspruch“) oder unabhängig („Nebenanspruch“) sein. Ein abhängiger Anspruch bezieht sich direkt oder indirekt (d. h. durch Bezug auf andere abhängige Ansprüche) auf den Hauptanspruch oder einen Nebenanspruch. Ein abhängiger Anspruch enthält (wenigstens) ein weiteres einschränkendes Merkmal, durch das die Erfindung weiter präzisiert wird, wie in folgendem Beispiel: 91 Prüfungsrichtlinien des DPMA (1. 3. 2004), 3.3.3.4 mit Verweis auf BGH GRUR 1979, 619 „Tabelliermappe“. 92 Stattdessen auch „gekennzeichnet durch“ oder dergleichen. 93 St. Rspr.; s. bspw. BGH v. 5. 10. 2016, X ZR 21 / 15, „Zungenbett“; BGH v. 1. 3. 2017, X ZB 6 / 15. 122 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Bein an die Platte geleimt ist. Durch diesen Unteranspruch wird also eine Vorrichtung definiert- - und im Falle einer Patenterteilung geschützt, die alle folgenden Merkmale umfasst: i. eine Platte (aus Anspruch 1) ii. ein Bein oder mehrere Beine (aus Anspruch 1), welches / welche iii. senkrecht zu der Platte angeordnet ist / sind (aus Anspruch 1) und welches / welche iv. an die Platte geleimt ist / sind (aus Anspruch 2). Ein Tisch mit drei senkrecht zur Platte angeordneten Beinen, die an diese geschraubt oder geschweißt sind, ist zwar von Anspruch 1, jedoch nicht von Anspruch 2 umfasst. Ein Nebenanspruch bezieht sich nicht auf einen anderen Anspruch und die in ihm angegebene Erfindung wird somit nicht durch Merkmale aus anderen Ansprüchen beschränkt, wie in folgendem Beispiel: 3. Verfahren, bei dem eine Platte mit mindestens einem Bein verbunden wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Platte horizontal ausgerichtet wird, mindestens ein Bein der Platte vertikal zugeführt und anschließend mit dieser verbunden wird. Bei Nebenansprüchen ist in der Praxis zu beachten, dass das Erfordernis der Einheitlichkeit gemäß § 35 Abs. 5 PatG (Art. 82 EPÜ ) zu erfüllen ist. II. Anmeldetag und Priorität Der Eingang der Patentanmeldung beim DPMA oder bei einem zugelassenen Patentinformationszentrum bestimmt ihren Anmeldetag (s. a. Abb. 3), nach dem verschiedene Fristen berechnet werden, wie z. B. für die Patentdauer (§ 16 PatG), für Jahresgebührenzahlungen (§ 17 PatG) und für die Stellung des Prüfungsantrags (§ 44 Abs. 2 PatG). Sofern der Anmeldetag den Zeitrang der betreffenden Patentanmeldung oder weiterer Nachanmeldungen darstellt (s. a. § 9), werden nach ihm auch weitere Fristen berechnet, wie z. B. für die Akteneinsicht (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG). 1. Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetags Zur Anerkennung des Anmeldetages sind jedoch nicht alle Erfordernisse aus § 34 Abs. 3 PatG erforderlich (s. o. I.). Die Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetages bestimmt § 35 Abs. 1 PatG: ▶ Name des Anmelders; ▶ Antrag auf Erteilung eines Patents mit kurzer Bezeichnung der Erfindung; ▶ Angaben, die dem Anschein nach als Beschreibung der Erfindung anzusehen sind. 123 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens Die fristgerechte Nachreichung deutschsprachiger Unterlagen bei fremdsprachigen Anmeldeunterlagen ist seit dem 1. 4. 2014 kein Mindesterfordernis mehr für die Anerkennung eines Anmeldetages. Die Mindesterfordernisse umfassen also nicht die Einreichung eines Patentanspruchs, die Zahlung der Anmeldegebühr und Erfüllung von Formerfordernissen. Das bedeutet: Sind die Mindesterfordernisse erfüllt, beeinflusst ein eventueller anschließender Wegfall der Patentanmeldung (was z. B. der Fall ist, wenn die fehlenden in § 34 Abs. 3 PatG genannten Bedingungen nicht nachträglich fristgerecht erfüllt werden (s. § 42 Abs. 1, 3 PatG) oder die gem. § 35a PatG erforderliche deutsche Übersetzung nicht fristgerecht nachgereicht wird) nicht den einmal zuerkannten Anmeldetag. Dieser kann wesentlich sein, selbst wenn die dazugehörige Patentanmeldung anschließend entfällt. Denn handelt es sich bei dieser Patentanmeldung um die erste Anmeldung der Erfindung, bestimmt ihr Anmeldetag die Priorität und damit den Zeitrang (bzgl. Neuheit i. S. v. § 3 Abs. 1 PatG) auch von Nachanmeldungen, sofern diese innerhalb von 12 Monaten nach dem ersten Anmeldetag eingereicht werden und für sie die Priorität dieser ersten Anmeldung beansprucht wird. 2. Priorität Der Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung und des darauf erteilten Patents kann der eigene Anmeldetag sein. Er kann sich jedoch auch ergeben aufgrund der wirksamen Inanspruchnahme einer Priorität. Dabei sind zu unterscheiden ▶ innere Priorität (§ 40 PatG) und ▶ Auslandspriorität (§ 41 PatG). Die innere Priorität zeichnet sich dadurch aus, dass sie einem Anmelder ermöglicht, für eine spätere deutsche Patentanmeldung die Priorität einer früheren deutschen Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung zu beanspruchen. Eine frühere Designbzw. Geschmacksmusteranmeldung hingegen kann kein Prioritätsrecht für eine spätere Patentanmeldung begründen. 94 Bei der Inanspruchnahme der inneren Priorität ist zu beachten, dass bei einer früheren anhängigen Patentanmeldung diese per Gesetz mit der wirksamen Prioritätsbeanspruchung als zurückgenommen gilt (Rücknahmefiktion gem. § 40 Abs. 5 PatG). Das gilt jedoch nicht, wenn diese Anmeldung nicht mehr anhängig ist, weil darauf bereits ein Patent erteilt ist. 95 Diese Rücknahmefiktion gilt gem. § 40 Abs. 5 S. 2 auch nicht für eine frühere Gebrauchsmusteranmeldung. Die Auslandspriorität bezieht sich auf eine frühere Anmeldung im Ausland. Eine solche Voranmeldung kann nach deutscher Praxis auch eine Designbzw. Geschmacksmusteranmeldung sein. 96 94 Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 40 Rdn. 9. 95 BP atG GRUR 1989, 663 „Innere Priorität-- Doppelpatentierung“. 96 Das EPA und die übrigen Verbandsländer folgen dieser Praxis nicht; lt. Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 41 Rdn. 15. 124 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Üblicherweise kommen dafür Anmeldungen in Verbandsländern der PVÜ , der WTO (s. o. § 4 III . 1. bzw. 5.) sowie auch europäische Patentanmeldungen in Frage. Durch § 41 Abs. 2 PatG sind jedoch auch Anmeldungen in solchen Staaten für die Inanspruchnahme einer Priorität zugelassen, mit denen kein entsprechender Staatsvertrag besteht, sofern mit diesen Staaten entsprechende bilaterale Vereinbarungen vereinbart sind. Solche Vereinbarungen gibt es zwar mit Ecuador, Kolumbien und Taiwan, 97 jedoch gehören diese Staaten inzwischen (zumindest) der WTO an. Durch die Vorschriften der Unionspriorität (Art. 4 PVÜ ) und die des EPÜ (Art. 87 ff. EPÜ ) wird andererseits auch ermöglicht, dass für ausländische Anmeldungen der Anmeldetag einer deutschen Patentanmeldung beansprucht werden kann. Die Priorität kann der Anmeldetag einer früheren Anmeldung sein, die die zu schützende Erfindung offenbart. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese in den Ansprüchen angegeben ist, sie kann auch in anderen Teilen der Anmeldung offenbart sein, insbesondere in der Beschreibung oder in den Zeichnungen. Nicht zur Offenbarung gehören jedoch Informationen, die lediglich in der Zusammenfassung enthalten sind (s. o.). Der früheren Anmeldung muss ein Anmeldetag zuerkannt worden sein und zwar nach nationalem Recht des Amtes, wo sie eingereicht wurde. So müssen z. B. für die Beanspruchung einer inneren Priorität die oben genannten Mindesterfordernisse für einen Anmeldetag erfüllt sein. Auf das anschließende Schicksal dieser älteren Anmeldung kommt es nicht an. Das heißt, sie kann zurückgewiesen worden sein oder als zurückgenommen gelten, z. B. wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr. Zur Inanspruchnahme einer Priorität ist eine Vielzahl von Formerfordernissen einzuhalten. Besonders hingewiesen sei hier lediglich auf die Frist zur Einreichung der Nachanmeldung. Sie beträgt 12 Monate und zwar gerechnet ab dem Anmeldetag der ersten Anmeldung, die die betreffende Erfindung offenbart. Die Inanspruchnahme einer Priorität bewirkt, dass der Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung früher liegt als ihr eigener Anmeldetag. Damit werden Kenntnisse nicht mehr zum SdT gerechnet, die zwar vor dem Anmeldetag aber nach dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Analoges gilt auch für ältere Patentanmeldungen (siehe oben § 9 I. 2.). III. Teilanmeldung, Ausscheidung und Zusatzpatent 1. Teilanmeldung Nach § 39 Abs. 1 PatG kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Der abgetrennte Teil wird als Teilanmeldung bezeichnet, für die der Zeitpunkt (Anmeldetag) der ursprünglichen Anmeldung und eine dafür in Anspruch genommene Priorität erhalten bleibt. Der Anmelder kann auch mehrere Teilanmeldungen aus der Ursprungsanmeldung ableiten. Es ist außerdem möglich, eine Teilanmeldung als Grundlage für weitere Teilanmeldungen zu verwenden. Obwohl grundsätzlich eine jederzeitige Teilung der Anmeldung möglich ist, gibt es dennoch zeitliche Begrenzungen. So ist Voraussetzung, dass die zu teilende Anmeldung 97 Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 41 Rdn. 25. 125 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens noch anhängig ist. Das ist nicht der Fall, wenn die Anmeldung bereits rechtskräftig als Patent erteilt oder aber zurückgewiesen oder zurückgenommen ist oder als zurückgenommen gilt. Eine Teilung ist somit auch möglich bis zum Ablauf einer Beschwerdefrist (bei DPMA -Beschluss) bzw. einer Rechtsbeschwerdefrist (bei BP atG-Beschluss), und zwar unabhängig davon, ob Rechtsmittel eingelegt wird oder nicht. 98 Durch Wegfall von § 60 PatG zum 1. Juli 2006 ist die Teilung eines erteilten Patents nicht mehr möglich. Nach Beendigung der Tatsacheninstanzen (vor DPMA und BP atG) ist eine Teilung nach den Vorschriften über die Rechtsbeschwerde ausgeschlossen. 99 Gründe zum Einreichen einer Teilanmeldung, die ja erhöhten Aufwand und zusätzliche Gebührenzahlungen verursacht, können vielfältig sein, wie: ▶ eine schnelle Erteilung von unstrittigen, jedoch eingeschränkten Patentansprüchen zur Durchsetzung der Rechte nach § 139 PatG, wobei im weiteren Verfahren der Ursprungsanmeldung strittige ggf. umfangreichere Patentansprüche ausgiebig geprüft werden können; ▶ einzelne Teile der Ursprungsanmeldung sollen im Rahmen einer vertraglichen Transaktion verwertet werden; ▶ der Anmelder möchte einem Einwand der Uneinheitlichkeit zuvorkommen. 2. Ausscheidung Stellt das DPMA im Rahmen seiner Prüfung fest, dass ein Patent nicht die Erfordernisse der Einheitlichkeit erfüllt, wird der Anmelder unter Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung aufgefordert, die Einheitlichkeit durch eine Ausscheidungserklärung oder durch Verzicht auf den uneinheitlichen Teil herzustellen. 100 Die Ausscheidung wird auch als „einvernehmliche Teilung“ bezeichnet. Einvernehmen bedeutet hier, dass der Anmelder auf die Zustimmung und Vorgaben des Prüfers angewiesen ist, der die Uneinheitlichkeit der beanspruchten Gegenstände festgestellt hat Die Ausscheidung wird nicht gem. § 39 Abs. 1 PatG erklärt, sondern sie wird beantragt und ggf. vom Prüfer genehmigt. 101 Ansonsten gibt es verfahrens- und materiellrechtlich viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Verfahren. Einzelheiten dazu sowie auch die Diskussion um die rechtliche Einordnung von Ausscheidung und Teilung werden ausführlich in dem Lehrbuch von Kraßer / Ann behandelt. 102 98 BGH v. 28. 03. 2000, X ZB 36 / 98, „Graustufenbild; BP atG v. 1. 2. 2017, 20W(pat) 7 / 16. 99 Benkard / Schäfers, PatG, § 39 Rdn. 10. 100 Prüfungsrichtlinien des DPMA (1. 3. 2004), 3.3.3.4; s. www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 101 Benkard / Schäfers, PatG, § 34, Rdn. 112 sowie weitere Informationen dort unter Rdn. 111 ff. 102 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 25 Rdn. 183 ff. 126 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 3. Zusatzpatent Bis zum 31. 3. 2014 war es möglich, durch die fristgerechte Anmeldung eines Zusatzpatents (§ 16 aF Abs. 1 S. 2 PatG) eine Verbesserung oder Weiterbildung einer Hauptanmeldung auf günstige Weise schützen zu lassen. Aufgrund der Änderungen des PatG zum 1. 4. 2014 (s. a. Vorauflage, Fußn. 4) ist die Anmeldung von Zusatzpatenten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Für anhängige Verfahren auf ein Zusatzpatent oder für bereits erteilte Zusatzpatente gelten die früheren Regelungen des PatG weiterhin (s. § 147 Abs. 3 PatG). IV. Erteilungsverfahren Der Kern des Patenterteilungsverfahrens ist die Prüfung nach §§ 44 ff. PatG, die sowohl Formerfordernisse als auch materielle Patentierungsvoraussetzungen umfasst. Sie wird jedoch erst nach Stellung eines Prüfungsantrages vorgenommen, der innerhalb einer Frist von 7 Jahren nach Einreichung der zu prüfenden Patentanmeldung zu stellen ist. Wird dieser Antrag nicht (nahezu) gleichzeitig mit dem Einreichen der Patentanmeldung gestellt, so erfolgt zunächst eine Offensichtlichkeitsprüfung. 1. Offensichtlichkeitsprüfung Die Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 PatG findet ohne gesonderten Antrag statt und soll einerseits bewirken, dass formal mangelhafte Anmeldungen in eine zur Offenlegung und als Grundlage einer Recherche geeignete äußere Form gebracht werden. Weiterhin sollen Anmeldungen, deren Gegenstand gem. § 42 Abs. 2 PatG offensichtlich außerhalb des Anwendungsbereichs des Patentschutzes liegen, möglichst früh zurückgewiesen werden. Stellt sich heraus, dass die Anmeldung den in § 42 PatG genannten Anforderungen offensichtlich nicht genügt, wird der Anmelder aufgefordert, die gerügten Mängel zu beseitigen. Falls das nicht geschieht oder die Anmeldung offensichtlich nicht patentfähig ist, wird die Anmeldung zurückgewiesen (§ 42 Abs. 3 PatG). Wenn sich keine Beanstandungen ergeben, ist eine positive Benachrichtigung an den Anmelder nicht vorgesehen. 103 2. Recherchebericht Wenn der Patentanmelder einen schriftlichen Antrag auf Ermittlung von SdT stellt (Rechercheantrag) und die zugehörige Gebühr zahlt, führt das DPMA eine entsprechende Recherche durch (§ 43 PatG). Das Ergebnis (Recherchebericht) enthält den ermittelten SdT sowie zugehörige klassifikatorische Hinweise auf dessen Relevanz. Aufgrund der Änderungen des PatG zum 1. 4. 2014 (s. a. Vorauflage, Fußn. 4) kann der Rechercheantrag nur von dem Patentanmelder gestellt werden (§ 43 Abs. 2 PatG). 103 Benkard / Schäfers, PatG, § 42 Rdn. 21. 127 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens 3. Offenlegung Unabhängig vom Verfahrensstand wird eine Patentanmeldung üblicherweise 18 Monate nach dem Anmelde- oder Prioritätstag veröffentlicht (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG; s. a. Abb. 3). Dies geschieht durch Veröffentlichung des Offenlegungshinweises im Patentblatt (§ 32 Abs. 5 PatG) und Herausgabe der Anmeldungsunterlagen als Offenlegungsschrift (§ 32 Abs. 2 PatG). Die Offenlegung hat zur Folge, dass jedermann freie Einsicht in die Akten der Patentanmeldung nehmen kann. Damit wird der einsehbare Akteninhalt, also insbesondere auch die angemeldete Erfindung, zum SdT und zwar nicht nur bzgl. Neuheit (§ 3 Abs. 1 PatG) sondern auch bzgl. erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG). Außerdem kann der Anmelder von Dritten, die den Anmeldegegenstand unerlaubt 104 benutzen, eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 33 Abs. 1 PatG). Der Anmelder kann sich gegenüber dem DPMA jedoch auch schon vorzeitig, d. h. vor Ablauf der 18 Monate, mit der Offenlegung und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einverstanden erklären (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 PatG). 4. Vollständige Prüfung Nachdem vom Patentanmelder oder irgendeinem Dritten fristgerecht ein Prüfungsantrag gestellt und die Prüfungsgebühr 105 gezahlt wurde (§ 44 Abs. 2 PatG), beginnt die vollständige Prüfung (s. a. Abb. 3), bei der das DPMA auch-- anders als bei der Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 PatG-- nicht offensichtliche Formerfordernisse sowie die materielle Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung nach den §§ 1 bis 5 PatG prüft. Üblicherweise liegt der Schwerpunkt eines solchen Verfahrens bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderischer Tätigkeit. Wesentlich sind dafür normalerweise der vom Anmelder genannte und der vom DPMA ermittelte SdT. Jedoch können auch Dritte dem DPMA Hinweise zum SdT geben, der der Erteilung des Patents entgegenstehen könnte (§ 43 Abs. 3 S. 2 PatG). Kommt das DPMA zu dem Ergebnis, dass eine patentfähige Anmeldung nicht vorliegt, benachrichtigt es den Anmelder durch einen (oder mehrere) schriftlichen Prüfungsbescheid. Dieser enthält die entsprechenden Gründe und eine Aufforderung, sich innerhalb einer bestimmten (verlängerbaren) Frist zu äußern (§ 45 Abs. 2 PatG). Dabei kann der Anmelder z. B. durch Anpassung der Patentansprüche seine beanspruchte Erfindung gegenüber dem SdT abgrenzen. Es ist auch möglich, dass das DPMA Beteiligte zu einer mündlichen Anhörung lädt (§ 46 PatG), um so das Verfahren zu vereinfachen. Seit dem 1. 4. 2014 hat der Anmelder gem. § 46 Abs. 1 S. 2 PatG nach entsprechendem Antrag ein Recht auf eine solche Anhörung. Das DPMA weist die Anmeldung durch Beschluss zurück, wenn Formfehler nicht beseitigt werden oder wenn die Prüfung ergibt, dass die beanspruchte Erfindung nicht patentfähig ist (§ 48 PatG). Eine solche Zurückweisung führt zum rückwirkenden Wegfall des Anspruchs auf 104 Der Begriff „unerlaubt“ bedeutet hier, dass Ausnahmen insbesondere gem. §§ 11, 12 PatG nicht greifen. Es handelt sich jedoch nicht um eine widerrechtliche Benutzung, die einer Gestattung bedürfte. Diese Benutzung kann also nicht verboten werden-- BGH , GRUR 75, 430, 434 „Bäckerhefe“. 105 Deren Höhe hängt davon ab, ob zuvor ein Rechercheantrag gestellt wurde oder nicht und beträgt z. Zt. 150 bzw. 350 EUR . 128 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens angemessene Entschädigung (§ 58 Abs. 2 PatG). Gegen diesen Beschluss kann eine gebührenpflichtige 106 und fristgebundene Beschwerde gem. § 73 PatG beim DPMA eingelegt werden. Falls das DPMA die Beschwerde für begründet erachtet, hat es ihr abzuhelfen. Andernfalls ist sie dem BP atG vorzulegen, das das Verfahren gem. §§ 74 ff. PatG durchführt. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 PatG) und sichert daher zunächst den Fortbestand des vorläufigen Schutzes aus der offengelegten Anmeldung. 107 Gegen einen für den Anmelder negativen Beschluss des Beschwerdesenats des BP atG kann der Anmelder Rechtsbeschwerde an den BGH einlegen, wenn diese in dem Beschluss zugelassen wurde (§ 100 Abs. 1, 2 PatG) oder Verfahrensmängel nach § 100 Abs. 3 PatG vorliegen. 5. Patenterteilung Sind die in § 49 Abs. 1 PatG genannten Voraussetzungen erfüllt, beschließt die Prüfungsstelle die Erteilung des Patents (s. a. Abb. 3). Diese wird im Patentblatt veröffentlicht. Gleichzeitig wird die Patentschrift veröffentlicht und mit Veröffentlichung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§ 58 Abs. 1 PatG). Das Patent hat also bereits Wirkung während der 9-monatigen Einspruchsfrist (§ 59 Abs. 1 PatG) und behält diese während eines eventuellen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens (s. §§ 59 ff. bzw. 81 ff. PatG). Erst nach Abschluss eines solchen Verfahrens wird entschieden, ob und in welchem Umfang das Patent von Anfang an widerrufen (oder aufrecht erhalten) wird (§§ 61 Abs. 1 i. V. m. 21 Abs. 3; bzw. 81 i. V. m. 22 Abs. 2 PatG; siehe auch unten § 13 bzw. § 14). § 13 Einspruch I. Erhebung des Einspruchs Ein Einspruchsverfahren (s. a. Abb. 3) wird durchgeführt, wenn innerhalb der Einspruchsfrist (also auch nicht davor) 108 schriftlich beim DPMA Einspruch erhoben und die fällige Gebühr 109 gezahlt wird. Die Einspruchsfrist beträgt seit der Änderung des PatG zum 1. 4. 2014 jetzt 9 Monate (zuvor 3 Monate), berechnet ab Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt gem. § 58 Abs. 1 S. 1 PatG. Bei Erhebung des Einspruchs ist auch der Einsprechende anzugeben und zu erklären, gegen welches Patent sich der Einspruch richtet. Im Falle widerrechtlicher Entnahme ist nur der Verletzte zum Einspruch berechtigt. In den anderen Fällen ist jedermann unabhängig von einem möglichen eigenen Rechtsschutzinteresse dazu berechtigt. Der Patentinhaber selbst oder ein Mitinhaber des Patents ist nicht einspruchsberechtigt. 110 106 PatKostG, GebVerz Nr. 401300 (z. Zt. 200 EUR ). 107 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 23 Rdn. 46. 108 BP atG 11W(pat) 307 / 06 v. 2. 3. 2006. 109 Seit 1. 1. 2002; PatKostG, GebVerz Nr. 313600 (z. Zt. 200 EUR ). 110 BGH X ZB 33 / 08 v. 24. 1. 2011 „Deformationsfelder“ (dort unter Nr. 16). 129 § 13 Einspruch Ahrens Sollte das Patent jedoch innerhalb der Einspruchsfrist oder während des anschließenden Verfahrens ex nunc erlöschen, z. B. durch Verzicht oder Nichtzahlung von Jahresgebühren, so ist zum Einspruch bzw. an der Fortsetzung des Verfahrens nur derjenige berechtigt, der ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis an einer rückwirkenden Beseitigung nachweisen kann, z. B. wegen Inanspruchnahme auf Schadensersatz aus dem Patent. 111 II. Einspruchsverfahren In dem Einspruchsverfahren sind der Patentinhaber und der (oder die) Einsprechende(n) Beteiligte, nicht jedoch ein Dritter, der (gem. §§ 59 Abs. 5 i. V. m. 43 Abs. 3 S. 2 PatG) dem DPMA Druckschriften angibt, die der Patentfähigkeit entgegenstehen könnten. Das Einspruchsverfahren wird vom DPMA - - genauer von einer der dortigen Patentabteilungen- - durchgeführt und es wird durch Beschluss entschieden (§ 61 Abs. 1 PatG), sofern nicht einer der Beteiligten beantragt, dass der Beschwerdesenat des BP atG darüber entscheiden soll und die sonstigen Bedingungen nach § 61 Abs. 2 PatG erfüllt sind. Das DPMA (bzw. BP atG) kann nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 59 Abs. 5, § 46 Abs. 1 S. 1 PatG) auch eigene Ermittlungen anstellen. Nach § 61 Abs. 1 S. 2 PatG ist auch vorgesehen, dass das Einspruchsverfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt wird, wenn der Einspruch zurückgenommen wird. Das gilt jedoch nicht, wenn der Einspruch nur wegen widerrechtlicher Entnahme erhoben wurde; dann hat eine Zurücknahme die Beendigung des Einspruchsverfahrens zur Folge. 112 Ein erfolgreicher Einspruch setzt voraus, dass er ▶ als wirksam erhoben gilt, ▶ zulässig und ▶ sachlich begründet ist. Ein Einspruch gilt z. B. als nicht erhoben, wenn die Einspruchsgebühr nicht oder nicht in ausreichender Höhe entrichtet worden ist. Er ist z. B. dann unzulässig, wenn gegen Formvorschriften (wie Schriftlichkeit, Rechtzeitigkeit, Fehlen einer Begründung) verstoßen wurde oder eine Nichtangriffspflicht des Einsprechenden gegenüber dem Patentinhaber besteht. Der Einspruch ist (teilweise) begründet, wenn die vorgebrachten Tatsachen und Argumente die genannten Widerrufsgründe belegen. In dem Fall wird das Patent widerrufen oder nur beschränkt aufrechterhalten (§ 61 Abs. 1, § 21 PatG). Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung gilt diese Bestimmung entsprechend (§ 21 Abs. 3 PatG). Wird das Patent widerrufen, so wird dies im Patentblatt veröffentlicht. Das gilt auch bei beschränkter Aufrechterhaltung, wobei zusätzlich noch die Patentschrift zu ändern und diese Änderung zu veröffentlichen ist (§ 61 Abs. 3, 4 PatG). 111 BP atG 8W(pat) 18 / 15 v. 11. 5. 2017 m. w. Nachw. 112 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 174. 130 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Gegen den Beschluss der Patentabteilung (§ 61 Abs. 1 PatG) findet die kostenpflichtige Beschwerde nach §§ 73 ff. PatG statt, sowie möglicherweise auch die Rechtsbeschwerde nach §§ 100 ff. PatG (vgl. auch oben § 11 I. 3.). III. Beitritt Auch nach Ablauf der Einspruchsfrist kann ein Dritter als Einsprechender einem anhängigen Einspruch beitreten, sofern gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist oder er aufgrund einer Unterlassungsaufforderung des Patentinhabers eine entsprechende negative Feststellungsklage erhoben hat (§ 59 Abs. 2 PatG). Als Einsprechender kann auch derjenige beitreten, gegen den der Patentinhaber wegen Patentverletzung den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. 113 Der gebührenpflichtige Beitritt ist schriftlich und fristgerecht innerhalb einer in § 59 Abs. 2 PatG genannten 3-Monatsfrist zu erklären sowie innerhalb dieser Frist so zu begründen, wie es auch für einen Einspruch erforderlich ist. Der Beitritt ist, abgesehen von der Frist, entsprechend dem Einspruch geregelt. Praktisch handelt es sich also um die Zulassung eines nachträglichen Einspruchs, der nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist. 114 IV. Begründung des Einspruchsverfahrens Der Einspruch ist auf einen der folgenden (in § 21 Abs. 1 PatG genannten) Widerspruchsgründe zu stützen: ▶ fehlende Patentfähigkeit des Patentgegenstands nach §§ 1 bis 5 PatG; ▶ undeutliche oder unvollständige Offenbarung der patentierten Erfindung, so dass ein Fachmann sie nicht ausführen kann; ▶ widerrechtliche Entnahme des wesentlichen Patentinhalts von einem Dritten; ▶ unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Patentanmeldung. Andere Gründe, wie z. B. Formfehler im Erteilungsverfahren, sind nicht relevant. Außerdem ist der Einspruch substantiiert zu begründen und es sind die Tatsachen, die ihn rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben (§ 59 Abs. 1 PatG). So ist es nicht ausreichend, allgemein zu behaupten, dass die Erfindung nicht neu oder erfinderisch sei. Das ist plausibel zu erläutern. Bei Druckschriften oder Ereignissen (wie Vorträge, offenkundige Vorbenutzung etc.), die als SdT genannt werden, ist darzulegen, ob und wann sie der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden und wie der Zusammenhang zum Patentgegenstand ist. 115 Üblicherweise wird ein Patent (teilweise) widerrufen, weil dessen Gegenstand nach §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig ist, also insbesondere die Kriterien Neuheit, erfinderische Tätigkeit 113 BGH v. 29. 08. 2017, X ZB 3 / 15, „Ratschenschlüssel". 114 Benkard / Schäfers, PatG, § 59 Rdn. 101. 115 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 146. 131 § 14 Nichtigkeit Ahrens oder gewerbliche Anwendung nicht erfüllt sind bzw. die Erfindung gegen §§ 1a, 2, 2a PatG verstößt. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) ist der Gegenstand des Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Dabei ist Gegenstand des Patents die durch die Patentansprüche definierte Lehre. Beschreibung und Zeichnungen sind dabei lediglich zur Auslegung heranzuziehen. Die Patentansprüche dürfen nicht auf einen Gegenstand gerichtet sein, den die Anmeldeunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung aus Sicht des Fachmanns (s. o. § 9 II ) nicht als zur Erfindung gehörend erkennen lassen. 116 Wenn nun in den erteilten Patentansprüchen ein Merkmal enthalten ist, das zu einem ursprünglich nicht offenbarten Patentgegenstand führt, kann dieses Merkmal im Einspruchsverfahren nicht ohne weiteres entfernt werden, wenn dadurch der Schutzbereich des Patents erweitert wird. Denn das führt zu einem Nichtigkeitsgrund nach § 22 PatG. Der Patentinhaber befindet sich also in der Zwickmühle, denn die unzulässige Erweiterung aus dem Patenterteilungsverfahren würde genauso zur Unwirksamkeit des Patents führen wie die anschließende Korrektur, die eine Schutzbereichserweiterung nach der Patenterteilung bewirkt. Dieses „Dilemma der einschränkenden Erweiterung“ hat der BGH dadurch gelöst, dass ein erteiltes Patent nicht deshalb für nichtig erklärt wird, weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das ursprünglich nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf. 117 § 14 Nichtigkeit Im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens können nach § 81 PatG bzw. Art. II § 6 IntPat ÜG folgende Schutzrechte überprüft werden: ▶ vom DPMA erteilte nationale Patente, ▶ ergänzende Schutzzertifikate (s. u. § 15 II . 2.) und ▶ vom EPA erteilte europäische Patente mit Wirkung für das Inland. I. Nichtigkeitsklage Ein Nichtigkeitsverfahren wird eingeleitet durch Klage, die beim BP atG schriftlich zu erheben und gegen den im Register (nach § 30 Abs. 1 PatG) eingetragenen Patentinhaber zu richten ist (§ 81 Abs. 1, 4 PatG). Mit Einreichen der Klage wird nach PatKostG eine vom Streitwert abhängige Klagegebühr fällig, deren Nichtzahlung zu einer Rücknahmefiktion führen kann. Die Klage wegen Nichtigerklärung eines Patents kann erst erhoben werden, wenn die Ein- 116 BGH v. 25. 7. 2017, X ZB 5 / 16, „Phosphatidylcholin“. 117 BGH v. 21. 10. 2010, Xa ZB 14 / 09, „Winkelmesseinrichtung“; BGH v. 17. 2. 2015, X ZR 161 / 12, „Wundbehandlungsvorrichtung“. 132 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens spruchsfrist abgelaufen oder alle eventuellen Einspruchsverfahren rechtskräftig erledigt sind 118 (§ 81 Abs. 2 PatG). Da der Beginn eines eventuellen Nichtigkeitsverfahrens nicht näher bestimmt ist, gibt es dazu in Abb. 3 keinen Hinweis. Gegen ergänzende Schutzzertifikate kann kein Einspruch erhoben werden. Daher gibt es für sie keine entsprechende Einschränkung zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage. Es ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auf Antrag ihre Laufzeit berichtigen oder eine Laufzeitverlängerung widerrufen zu lassen (§ 49a Abs. 4). Sofern die Voraussetzungen für einen solchen Antrag vorliegen oder ein solches Verfahren anhängig ist, kann eine Klage auf Erklärung der Nichtigkeit eines ergänzenden Schutzzertifikats nicht erhoben werden (§ 81 Abs. 2 S. 2). Die Klage gegen ein ergänzendes Schutzzertifikat kann mit der Klage gegen das zugrunde liegende Patent verbunden und auch darauf gestützt werden, dass ein Nichtigkeitsgrund gegen dieses Patent vorliegt (§ 81 Abs. 1, S. 3 PatG). Eine Nichtigkeitsklage ist grundsätzlich nicht fristgebunden. Nach Wegfall des Patents mit Wirkung ex-nunc ist jedoch beim Nichtigkeitskläger ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse an einem Wegfall von Anfang an (also mit Wirkung ex tunc) nötig, ähnlich wie bei einem Einspruchsverfahren. Weitere Erfordernisse sind in § 81 Abs. 3 bis 6 PatG genannt. II. Nichtigkeitsverfahren Das BP atG stellt dem Beklagten die Klage zu und fordert ihn auf, sich darüber innerhalb eines Monats zu erklären. Tut er das nicht, so kann ohne mündliche Verhandlung sofort nach der Klage entschieden und dabei jede vom Kläger behauptete Tatsache für erwiesen angenommen werden (§ 82 PatG). Widerspricht der Beklagte rechtzeitig, so entscheidet das BP atG auf Grund mündlicher Verhandlung, sofern die Parteien nicht darauf verzichten (§ 82 Abs. 3 S. 2 PatG). In dem Nichtigkeitsverfahren weist das BP atG nach § 83 Abs. 1 die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Ein solcher Hinweis wird jedoch dann nicht gegeben, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte den Parteien offensichtlich erscheinen. Das BP atG kann nach § 83 Abs. 2 den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem genannten Hinweis Stellung nehmen können. Das kann z. B. durch sachdienliche Anträge, Ergänzungen oder dergleichen erfolgen. Diese Frist kann nur bei Vorliegen von erheblichen Gründen verlängert werden. Wird die gesetzte-- und ggf. verlängerte-- Frist nicht eingehalten, kann das BP atG unter den in § 83 Abs. 4 genannten Voraussetzungen Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Der seit dem 1. Oktober 2009 geltende § 83 enthält in seinem Abs. 4 also Regelungen, aufgrund derer ein Vorbringen der Parteien nach Ablauf der Stellungnahmefrist zurückgewiesen 118 Benkard / Schäfers, PatG, § 81 Rdn. 26. 133 § 14 Nichtigkeit Ahrens werden kann und dann für die Entscheidung des BP atG keine Berücksichtigung mehr findet. Diese Regelungen stehen zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem grundsätzlich geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 PatG, sie widersprechen diesem aber nicht. 119 Nach diesem Amtsermittlungsgrundsatz erforscht das BP atG den Sachverhalt von Amts wegen und ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das ermöglicht z. B. die Ermittlung von maßgeblichem SdT und die Einbringung solcher Druckschriften in das Nichtigkeitsverfahren. 120 Dennoch steht die Verfügung über das Verfahren den Parteien zu (Verfügungsgrundsatz). Der Verfügungsgrundsatz gilt auch hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs der Prüfung durch die Anträge der Beteiligten. 121 Damit ist das BP atG bei der Überprüfung des Patents an die gestellten Anträge (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 308 ZPO ) und die geltend gemachten gesetzlichen Nichtigkeitsgründe gebunden. Es kann das Patent nicht stärker einschränken, als es der Kläger begehrt, und seine Entscheidung nicht auf einen Nichtigkeitsgrund stützen, auf den er sich nicht beruft. Dabei gilt mangelnde Patentfähigkeit (nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) als einheitlicher Nichtigkeitsgrund und umfasst neben der Prüfung auf Neuheit z. B. auch die auf Vorliegen einer technischen Erfindung. 122 Der Kläger kann die Nichtigkeitsklage jederzeit, auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Patentinhabers nach § 99 PatG i. V. m. § 269 ZPO zurücknehmen. 123 Die Klagerücknahme führt dazu, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden gilt. Eine Prüfung und Entscheidung in der Sache erfolgt nicht mehr. 124 Über die Klage (und über die Kosten) wird durch Urteil entschieden (§ 84 PatG). Dabei kann es zu einer Nichtigerklärung oder Beschränkung des Patents oder zu einer Abweisung der Klage kommen. Eine Beschränkung erfolgt regelmäßig durch entsprechende Änderung der Patentansprüche. Eine Anpassung der Beschreibung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Urteilsgründe ergänzen oder ersetzen die Beschreibung, soweit diese nicht mehr zu der neuen Anspruchsfassung passt. 125 Eine rechtskräftige Nichtigerklärung oder Beschränkung bewirkt- - ähnlich wie beim Einspruchsverfahren-- dass die entsprechenden Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 3 PatG). Die Entscheidung über das Patent gilt für und gegen alle. Soweit das Urteil die Klage abweist, hindert es zwar den Kläger, jedoch nicht einen Dritten, wegen desselben Nichtigkeitsgrundes erneut zu klagen. Wegen eines Nichtigkeitsgrundes, der nicht geltend gemacht war, kann auch der abgewiesene Kläger eine neue Nichtigkeitsklage erheben. 126 119 Begründung des „Entwurfes eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts“, BT -Drucks. 16 / 11 339, S. 22. 120 Benkard / Schäfers, PatG, § 87 Rdn. 3. 121 Benkard / Schäfers, PatG, § 87 Rdn. 28. 122 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 223. 123 BGH GRUR 1993, 895 „Hartschaumplatten“. 124 Benkard / Hall / Nobbe, PatG, § 84 Rdn. 26. 125 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 234. 126 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 242 ff. 134 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens III. Begründung der Nichtigkeitsklage Wirksame Nichtigkeitsgründe sind die oben genannten Widerrufsgründe nach § 21 Abs. 1 PatG sowie zusätzlich eine unzulässige Schutzbereichserweiterung (§ 22 PatG). Auf weitere Gründe, wie Verfahrensfehler bei der Patenterteilung oder bei der Behandlung von Einsprüchen, kann das Verfahren nicht gestützt werden. § 15 Wirkungen des Patents Erst mit Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§ 58 Abs. 1, S. 3 i. V. m. §§ 9 ff., 139 ff. PatG bzw. Art. 97 Abs. 3 EPÜ ). Dazu gehört insbesondere auch der Anspruch auf Schadenersatz, der nach deutschem Recht 127 zu unterscheiden ist von dem Entschädigungsanspruch für veröffentlichte Patentanmeldungen (§ 33 PatG; Art. 67 Abs. 2 EPÜ i. V. m. Art. II , § 1 Abs. 2 IntPat ÜG ). Diese gesetzlichen Wirkungen, also die Rechte aus dem Patent, können nach unterschiedlichen „Dimensionen“ unterschieden werden, nämlich: ▶ räumlich, ▶ zeitlich und ▶ inhaltlicher Schutzbereich (im Wesentlichen durch die Patentansprüche definiert). Diese Wirkungen können jedoch aufgrund verschiedener Gründe begrenzt sein (s. u. § 17). I. Räumliche Wirkung des Patents Eine Patentanmeldung bzw. ein darauf erteiltes Patent entfaltet nach dem Territorialitätsprinzip Wirkung für das Territorium des Staates, für den die Anmeldung eingereicht bzw. für den das Patent erteilt ist. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das insbesondere: i. Patentanmeldungen (und darauf erteilte Patente), die vor dem 3. Oktober 1990 beim Deutschen Patentamt (damaliger Name des heutigen DPMA ) eingereicht wurden, haben nur Wirkung für die alten Bundesländer entfaltet (also das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ausgenommen). Erst durch das Erstreckungsgesetz 128 wurden mit Wirkung zum 1. Mai 1992 die bis dahin in einem der beiden Teilgebiete eingereichten „Altrechte“ auf das jeweilig andere Gebiet erstreckt, so dass auch diese seitdem das Gesamtgebiet der gesamten Bundesrepublik umfassen. ii. Europäische Patente können aufgrund Art. I, II des IntPat ÜG auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden (Art. 3 EPÜ ), sofern diese in der Anmeldung benannt ist. Ein solches Patent entfaltet nach Art. 2, 64 EPÜ grundsätzlich dieselbe Wirkung wie ein deutsches Patent, das vom DPMA erteilt wurde. 127 Art. 67 Abs. 1 EPÜ gewährt für eine europ. Patentanmeldung grds. den gleichen Schutz wie für ein erteiltes europ. Patent. Abs. 2 gestattet den Vertragsstaaten jedoch, den Schutz der Patentanmeldung zu beschränken, wovon viele EPÜ -Vertragsstaaten Gebrauch gemacht haben. 128 Gesetz über die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten v. 23. 4. 1992; BGB l. I, S. 938. 135 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens iii. Internationale Patentanmeldungen nach dem PCT haben aufgrund Art I, II des Int- Pat ÜG bei Benennung der Bundesrepublik Deutschland die Wirkung einer nationalen Anmeldung (Art. 11 Abs. 3 PCT ), wenn die internationale Anmeldung in deutscher Sprache veröffentlicht wird. Andernfalls ist die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Übersetzung durch das DPMA nötig (Art. III § 8 Abs. 1, 2 IntPat ÜG ) Die Folge des Territorialitätsprinzips ist, dass mit einem für das Inland geltenden Patent nur solche Benutzungen (i. S. v. §§ 9 ff. PatG)-- wie z. B. Herstellung, Vertrieb und Vermarktung eines Erzeugnisses-- verfolgt werden können, die auch im Inland stattfinden. Wenn z. B. ein in Polen hergestellter Tisch in die Bundesrepublik Deutschland importiert wird, so kann der Inhaber eines Patents- - das in Kraft ist und einen entsprechenden Schutzumfang aufweist-- dagegen vorgehen, da das Inverkehrbringen und das Importieren nach § 9 Nr. 1 PatG geschützt sind. Wenn ein solcher Tisch jedoch von Polen in ein anderes Land (Frankreich, Japan, USA ,-…) importiert wird, so hat der Inhaber eines deutschen Patents keine Möglichkeit dagegen vorzugehen, sofern er nicht in diesen Ländern entsprechenden Patentschutz hat. 129 II. Zeitliche Wirkung des Patents Die Patentdauer beträgt gem. § 16 PatG zwanzig Jahre, die mit dem Tag beginnen, der auf die Anmeldung der Erfindung folgt. Obwohl Art. 63 Abs. 1 EPÜ einen anderen Wortlaut 130 hat, weisen deutsche und europäische Patente die gleiche Schutzdauer auf. Die verwendeten Wortlaute „das Patent dauert“ bzw. „die Laufzeit des europäischen Patents beträgt“ sind irreführend. Denn in dem Zeitraum ist auch das Stadium der Patentanmeldung enthalten, also des noch nicht erteilten Patents. Zu beachten ist weiterhin, dass die Patentdauer vom Anmeldetag und nicht von einem eventuellen früheren Prioritätstag an läuft (s. a. Abb. 3). 1. Verkürzung und Entfall der Patentdauer Die Patentdauer kann aufgrund verschiedener Ereignisse ex nunc (von jetzt an, also nicht für die Vergangenheit) verkürzt werden oder gar ex tunc (von Anfang an) rückwirkend entfallen: Mit Wirkung „ex tunc“: ▶ bei nicht rechtzeitiger Stellung des Prüfungsantrages (nach § 44 Abs. 2 PatG) oder bei nicht rechtzeitig entrichteter Jahresgebühr (nach § 17 PatG) gilt die Patentanmeldung als zurückgenommen und die Wirkung für Anspruch auf Entschädigungszahlungen gilt als nicht eingetreten (§ 58 Abs. 2 PatG); ▶ durch Widerruf des erteilten Patents im Rahmen eines Einspruchsverfahrens; damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 21 Abs. 1, 3 i. V. m. § 61 PatG); 129 Ideal wäre in einem solchen Fall ein Patent mit Wirkung in Polen, das den Tisch als Erzeugnis oder dessen Herstellungsverfahren schützt. 130 Dort heißt es „… gerechnet vom Anmeldetag an“. 136 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ durch Nichtigerklärung des erteilten Patents im Rahmen einer Nichtigkeitsklage; auch damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 22 i. V. m. § 81 PatG); ▶ durch Beschränkung des erteilten Patents nach § 64 PatG; damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung im Rahmen der Beschränkung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 64 Abs. 1 PatG). Mit Wirkung „ex nunc“: ▶ durch Erlöschen des erteilten Patents nach § 20 PatG. Das Patent erlischt, wenn der Patentinhaber durch schriftliche Erklärung an das DPMA verzichtet oder Jahresgebühren nicht rechtzeitig oder vollständig entrichtet; ▶ durch Erteilung eines europäischen Patents mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für denselben Erfinder (oder seinen Rechtsnachfolger), mit gleicher Priorität und soweit es dieselbe Erfindung wie ein deutsches Patent betrifft. Damit hat das deutsche Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem 1. die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent abgelaufen ist, ohne dass Einspruch eingelegt worden ist, 2. das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist oder 3. das deutsche Patent erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in den Nummern 1 oder 2 genannten Zeitpunkt liegt. Diese wegfallende Wirkung des deutschen Patents ergibt sich aus dem Verbot des Doppelschutzes nach Art. II § 8 IntPat ÜG und bleibt auch dann bestehen, wenn das europäische Patent anschließend erlischt oder für nichtig erklärt wird. 2. Schutzdauerverlängerung durch ergänzendes Schutzzertifikat Durch § 16a Abs. 1 PatG (bzw. Art. 63 Abs. 2 b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6a IntPat ÜG ) wird ermöglicht, dass die effektive Schutzdauer für ein Patent verlängert werden kann, indem ergänzender Schutz beantragt wird, der sich an den Ablauf des Patents nach § 16 PatG unmittelbar anschließt. Maßgeblich dafür sind nach dieser Bestimmung Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung von ergänzenden Schutzzertifikaten, auf die im Bundesgesetzblatt hinzuweisen ist. Aktuell betrifft das folgende Produktgruppen: ▶ Arzneimittel gem. EG - VO 469 / 2009 v. 6. 5. 2009 ▶ Kinderarzneimittel gem. EG - VO 1901 / 2006 v. 12. 12. 2006 ▶ Pflanzenschutzmittel gem. EG - VO 1610 / 96 v. 23. 7. 1996 Hintergrund dafür ist die Erkenntnis, dass bei den genannten Produktgruppen aufgrund von gesetzlich vorgeschriebenen behördlichen Genehmigungsverfahren der dem Erfinder (oder seinem Rechtsnachfolger) effektiv verbleibende Rechtsschutz drastisch verkürzt werden kann. 137 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens Die maximale Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats beträgt 5 Jahre, kann jedoch für Kinderarzneimittel gem. Art. 3 Abs. 3 EG - VO 469 / 2009 um weitere 6 Monate verlängert werden. Die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Erzeugnis erfolgt nur dann, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist. Hervorzuheben ist auch die Notwendigkeit, dass das Erzeugnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des Schutzzertifikats durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt sein muss. Das DPMA prüft einen Antrag auf ein ergänzendes Schutzzertifikat gem. § 49a PatG, was zu einer entsprechenden Erteilung oder zu einer Zurückweisung führen kann. III. Schutzbereich Nach § 14 PatG (Art. 69 EPÜ ) wird der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Für eine gerechte Auslegung des Patentschutzes ist abzuwägen zwischen einem angemessenen Schutz für den Patentinhaber und ausreichender Rechtssicherheit für Dritte. Maßgeblich für die Bestimmung des Schutzbereichs ist die jeweils in der zuletzt durch patentamtliche oder gerichtliche Entscheidung festgelegte Fassung der Patentansprüche sowie ergänzend die jeweils aktuelle Fassung der Beschreibung und der Zeichnungen. Das bedeutet insbesondere: ▶ eine veröffentlichte Patentanmeldung gewährt einstweiligen Schutz aufgrund der eingereichten und veröffentlichten Unterlagen- - insbesondere der Ansprüche, sofern offensichtliche Gründe dem nicht entgegen stehen (§ 33 Abs. 1, 2 i. V. m. § 14 PatG; Art. 67 Abs. 2, 69 Abs. 2 EPÜ ); ▶ das auf die Patentanmeldung erteilte Patent gewährt Schutz gemäß der erteilten Unterlagen (Ansprüche usw.). Dieser Schutz ist üblicherweise geringer als bei der veröffentlichten Anmeldung. Dieser geringere Schutz ist rückwirkend auch dem einstweiligen Schutz der Anmeldung zugrundezulegen. Sofern der Schutz im Rahmen der Patenterteilung erweitert wird, was vor Patenterteilung im Rahmen von § 38 PatG bzw. Art. 123 Abs. 2 EPÜ erlaubt ist, hat dieser erweiterte Schutz keinen Einfluss auf den einstweiligen Schutz der Patentanmeldung 131 (Art. 69 Abs. 2 EPÜ ) ▶ wenn das Patent in einem Einspruchsverfahren widerrufen wird oder im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt wird, so gelten die Wirkungen der Anmeldung und die des Patents als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung, also bei geringerem Schutz als bei Patenterteilung, gilt das entsprechend (§ 21 Abs. 3, § 22 Abs. 2 PatG bzw. Art. 69 Abs. 2 S. 2 EPÜ ). Eine Schutzerweiterung nach Patenterteilung, also auch während eines Einspruchsverfahrens, ist nach § 22 Abs. 1, 2. Alt. bzw. Art. 123 Abs. 3 EPÜ nicht gestattet. 131 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 44. 138 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Bei europäischen Patentanmeldungen und europäischen Patenten kommt außerdem noch hinzu, dass der Wortlaut in der Verfahrenssprache die verbindliche Fassung darstellt (Art. 70 Abs. 1 EPÜ ). Nicht zur Auslegung des Schutzbereiches herangezogen werden die Zusammenfassung (§ 36 Abs. 2 PatG bzw. Art. 78 Abs. 1 e), 85 EPÜ ), die ausschließlich der technischen Unterrichtung dient, und die Unterlagen aus der Erteilungsakte. 132 Das gilt grundsätzlich auch für Einspruchsverfahren. 133 Nur die Merkmale, die in den Patentansprüchen enthalten sind, können den Schutzbereich bestimmen. Sind nur in der Beschreibung oder nur in den Zeichnungen wesentliche Merkmale der Erfindung enthalten, so sind sie für die Beurteilung des Inhalts der Ansprüche ohne Bedeutung, sofern sie nicht im Wortlaut der Ansprüche einen Niederschlag gefunden haben. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Patentanspruch und Beschreibung der Patentanspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt. 134 Das schließt jedoch nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Patentanspruchs vermittelt. Denn die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe selbstständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen. 135 Für die Bestimmung des Schutzumfangs haben sich zwei Stufen herausgebildet: 136 i. zunächst wird der Wortsinn (gleichbedeutend mit Sinngehalt) der Patentansprüche ermittelt. Erfasst er die angegriffene Ausführungsform, liegt eine identische Benutzung des Schutzgegenstands vor; ii. andernfalls werden die Unterschiede zwischen der wortsinngemäßen Auslegung und der angegriffenen Ausführungsform unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz geprüft. Eine Anspruchsauslegung erfolgt dabei insofern, als festzustellen ist, ob der Anspruch vom Fachmann so verstanden werden kann, dass er die angegriffene Ausführungsform trotz gewisser Abweichungen noch einschließt. Bei der Auslegung der Ansprüche ist zu beachten, dass sich diese an den zuständigen Durchschnittsfachmann (s. o. § 9 II .) wenden. Daher sind sie aus dessen Sicht auszulegen. 137 132 BGH GRUR 2002, 511 „Kunststoffrohrteil“; BGH v. 15. 12. 2015, X ZR 30 / 14, „Glasfasern II “. 133 BGH GRUR 2002, 511, 513 „Kunststoffrohrteil“. 134 BGH v. 9. 5. 2017, X ZR 102 / 15, mit Verweis auf BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 135 BGH v. 9. 5. 2017, X ZR 102 / 15, m. w. Nachw. 136 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 71. 137 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 72. 139 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens 1. Wortsinngemäßer Schutzbereich Der Wortsinn der Patentansprüche erschließt sich dem Fachmann nicht nur aus dem Wortlaut, sondern aufgrund des technischen Gesamtzusammenhangs, den der Inhalt der Patentschrift ihm unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung vermittelt. 138 Dafür ist beim Fachmann das gewöhnliche Fachwissen seines Gebiets am Prioritätstag vorauszusetzen. Sonstiger SdT wird als Auslegungshilfsmittel nur berücksichtigt, sofern er in der Beschreibung angegeben ist. In den Ansprüchen verwendete Begriffe sind nach dem technischen Sinn auszulegen. Dieser kann von der gewöhnlichen Bedeutung abweichen, wenn die Beschreibung oder die Zeichnungen dazu Anlass geben. Laut BGH 139 können Patentschriften im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen, so dass im Zweifel letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgeblich ist. Bei Widersprüchen zwischen den Patentansprüchen und der Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt. 140 Wenn die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale des Patentanspruchs im oben genannten Sinne benutzt, handelt es sich um eine wortsinngemäße und damit identische Benutzung. 2. Äquivalenter Schutzbereich Liegt eine wortsinngemäße Benutzung nicht vor, ist anschließend zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform unter den Äquivalenzbereich des Patents fällt. Dieser ist weiter als eine wortsinngemäße Auslegung und kann ermittelt werden mithilfe folgender Fragen, 141 die nacheinander zu beantworten sind: i. Löst die angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln? (Technische Gleichwirkung) ii. Befähigen seine Fachkenntnisse den Fachmann, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden? (Auffindbarkeit) iii. Sind die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht zieht, die der wortsinngemäßen Lösung des Patentanspruchs gleichwertig ist? (Gleichwertigkeit der Abwandlung). 138 BGH GRUR 1999, 909, 911 „Spannschraube“. 139 BGH GRUR 1999, 909, 911 „Spannschraube“ und Rdn. 134. 140 BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 141 Meier-Beck, GRUR 2003, 907; s. a. BGH v. 13. 1. 2015, X ZR 81 / 13, „Kochgefäß“ m. w. Nachw. 140 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Offenbart die Beschreibung eines Patents mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln. 142 3. Konsequenzen für die Schutzbereichsbestimmung Bei der Prüfung auf Benutzung geht es im Kern um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Patentinhabers und der Rechtssicherheit für die Allgemeinheit. Für die Beantwortung der Frage, ob eine angegriffene Ausführungsform den geschützten Gegenstand eines Patents oder einer Patentanmeldung benutzt oder nicht, kommt es also im Wesentlichen auf die Merkmale in den Ansprüchen (zu interpretieren mit Hilfe von Beschreibung und Zeichnungen), die zu lösende Aufgabe und den zuständigen (fiktiven) Durchschnittsfachmann an. Ob im Ergebnis dann entschieden wird, ob eine wortsinngemäße, eine äquivalente oder gar keine Benutzung vorliegt, hängt nicht nur vom jeweiligen Einzelfall, sondern letztendlich auch von dem angerufenen Gericht ab. 143 Es kann jedoch wesentlich sein, ob eine wortsinngemäße oder eine äquivalente Benutzung vorliegt. Denn nur bei äquivalenter Benutzung greift der sog. „Formstein-Einwand“, 144 der sich ergeben hat aus der BGH -Entscheidung „Formstein“. 145 Danach kann ein Beklagter geltend machen, dass die als Patent verletzend beanstandete Ausführungsform aus dem veröffentlichten SdT (gem. § 3 Abs. 1 PatG) bekannt sei oder sich daraus in nahe liegender Weise ergebe. Dadurch soll gewährleistet sein, dass sich der Schutz des Patents nicht auf den (zum Prioritätszeitpunkt) freien Stand der Technik unter Einschluss derjenigen Weiterentwicklung erstreckt, die nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit für den Gemeingebrauch offen stehen soll. § 16 Rechte aus dem Patent Die Rechte, die aus einem Patent geltend gemacht werden können, sind abhängig von den oben genannten Wirkungen des Patents. Dabei ist weiterhin besonders zu berücksichtigen, durch welche Art von Patentansprüchen die Erfindung geschützt ist. In § 9 PatG, der sich auf die Wirkungen des Patents bei unmittelbarer Benutzung bezieht, wird unterschieden zwischen ▶ Erzeugnissen und ▶ Verfahren, 142 BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 143 Beispielhaft hierzu sind die Entscheidungen „Epilady“ und „Spannvorrichtung“, die je auf einem europ. Patent basieren, dessen Schutzumfang sich aus Art. 69 EPÜ ergibt. Dennoch wurde die Benutzung von verschiedenen Instanzen in verschiedenen Ländern bei jeweils gleicher angegriffener Benutzungsform unterschiedlich entschieden. 144 BGH v. 13. 10. 2015, X ZR 74 / 14, „Luftklappensystem“. 145 BGH GRUR 1986, 803 „Formstein“. 141 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens die Gegenstand von Patenten sein können. In der Praxis werden auch sog. Verwendungserfindungen geschützt, auf die unter III . separat eingegangen wird. Auf die Besonderheiten der mittelbaren Patentverletzung wird unten in IV . eingegangen. In diesem Paragraphen wird nicht explizit auf Regelungen des EPÜ verwiesen, da die Rechte aus dem europäischen Patent gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ die gleichen wie bei einem inländischen Patent und somit durch das PatG geregelt sind. I. Rechte aus Erzeugnisansprüchen Ansprüche, die ein Erzeugnis (auch Vorrichtung genannt) schützen, werden Erzeugnisansprüche oder Vorrichtungsansprüche genannt. Diese gewähren dem Patentinhaber Schutz gegenüber Dritten, das Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen (§ 9 Nr. 1 PatG). 1. Herstellung Die Herstellung umfasst die gesamte Tätigkeit, die auf die Schaffung des Gegenstandes abzielt, und zwar von deren Beginn an. Das bedeutet, sie ist nicht beschränkt auf den letzten, die Vollendung herbeiführenden Tätigkeitsakt. 146 Zu unterscheiden ist auch zwischen (zulässiger) Ausbesserung und Reparatur sowie (unzulässiger) Neuherstellung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnis-Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Diese Erzeugnis-Exemplare dürfen insbesondere bestimmungsgemäß gebraucht und an Dritte veräußert werden. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt ist. Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch jedoch nicht umfasst sind alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen. Für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßen Gebrauch und Neuherstellung ist die Gesamtkombination maßgeblich. Nach diesem Grundsatz hat der BGH -- in Abkehr von älterer Rechtsprechung-- entschieden, dass die Herstellung einzelner Teile auch dann nicht als unmittelbare Patentverletzung angesehen werden kann, wenn diese Teile erfindungsfunktionell individualisiert sind. 147 146 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 54. 147 BGH v. 17. 7. 2012, X ZR 97 / 11, „Palettenbehälter II “; BGH v. 4. 5. 2004, X ZR 48 / 03, „Flügelradzähler“; BGH v. 24. 10. 2017, X ZR 55 / 16, „Trommeleinheit“. 142 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 2. Anbieten Zum Anbieten (früher auch „Feilhalten“ genannt) eines patentierten Erzeugnisses gehört jede Handlung, die einem Dritten die Überlassungsbereitschaft signalisiert, wie beispielsweise die Ausstellung des Erzeugnisses, die Versendung von Werbeprospekten, die Werbung in Zeitungen usw. Dabei ist es gleichgültig, ob die Überlassung im Wege der Eigentumsübertragung oder miet-, leih- oder pachtweise erfolgen soll. Ob das beworbene Erzeugnis bereits hergestellt wurde oder im Inland vorrätig ist, ist nicht entscheidend. Für die Benutzungshandlung des Anbietens ist das tatsächliche Erwecken der schädlichen Nachfrage nach dem Verletzungsgegenstand ausreichend, und zwar auch dann, wenn die in Aussicht gestellte Befriedigung der Nachfrage nicht vom Anbietenden selbst sondern von fremder dritter Seite erfüllt werden soll. 148 Auch ein Angebot, das während der Patentdauer erfolgt, sich jedoch allein auf den Abschluss von Geschäften nach Ablauf der Schutzdauer bezieht, stellt eine Patentverletzung dar. 149 Internetangebote sind nicht schon deshalb schutzrechtsverletzend, weil sie vom Inland abgerufen werden können. Erforderlich ist vielmehr ein wirtschaftlich relevanter Bezug zum Inland, der sich bspw. daraus ergeben kann, dass das Internetangebot auch in deutscher Sprache abgefasst ist oder dass im Inland bekanntermaßen potenzielle Abnehmer ansässig sind, so dass offensichtlich ist, dass auch diese Kreise angesprochen werden sollen. 150 3. Inverkehrbringen Unter Inverkehrbringen wird jede Tätigkeit verstanden, durch die der patentierte Gegenstand mit Willen des Entäußernden in die tatsächliche Verfügungsmacht eines Dritten gelangt, so dass dieser den Gegenstand benutzen kann. 151 Dazu gehört neben dem Vertrieb auch das Vermieten oder Verleihen einer geschützten Vorrichtung. Eine Eigentumsübertragung ist nicht erforderlich. 152 4. Gebrauch Ein patentiertes Erzeugnis wird i. S. v. § 9 PatG gebraucht, wenn es bestimmungsgemäß verwendet wird, wie z. B. der Betrieb einer Vorrichtung, die Verwendung einer Sache oder die Verarbeitung eines chemischen Stoffes. Ist das patentierte Erzeugnis Teil einer größeren Einheit, so wird dieser Teil nicht gebraucht, wenn er die technische Funktion der Gesamtsache nicht entscheidend mitbestimmt, wie z. B. der patentierte Nagel in einem Schrank. 153 148 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 64. 149 BGH GRUR 2007, 221 „Simvastatin“. 150 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 75 m. w. Nachw. 151 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 77. 152 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 101. 153 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 80. 143 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens 5. Einführen und Besitz Das Einführen patentierter Erzeugnisse aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland stellt dann eine dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzung dar, wenn die Einfuhr zu dem Zweck erfolgt, das Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. Auch ein Besitz zu einem dieser Zwecke kann verboten werden. Der Begriff des Besitzes umfasst die tatsächliche Verfügungsgewalt im wirtschaftlichen Sinne und ist nicht auf den zivilrechtlichen Besitz beschränkt. 154 II. Rechte aus Verfahrensansprüchen Durch einen Verfahrensanspruch wird ein bestimmtes technisches Handeln, das in mehreren Verfahrensmaßnahmen bestehen kann, unter Schutz gestellt. Dabei wird im Wesentlichen unterschieden zwischen ▶ Herstellungsverfahren und ▶ Arbeitsverfahren. Bei einem Herstellungsverfahren besteht die Lehre zum technischen Handeln in der Beschreibung der beiden eigentlichen Verfahrensmaßnahmen, nämlich der Wahl der Ausgangsmaterialien und der Art der Einwirkung auf diese. Dabei wird also auf ein Ausgangssubstrat (z. B. Werkstück, Werkstoff) durch mechanische, physikalische, chemische oder biologische Vorgänge eingewirkt, so dass als Arbeitsergebnis ein Erzeugnis entsteht. Das Herstellungsverfahren kann sich beispielsweise auf äußere Formgebung (wie Fräsen, Lochen, Stanzen) oder innere stoffliche Beschaffenheit des verwendeten Materials beziehen. Die herrschende Meinung versteht unter einem „Erzeugnis“ nur körperliche Gegenstände. Ungeklärt ist, ob auch sonstige Erzeugnisse, wie z. B. elektrische Energie, dazu gehören. 155 Ein Herstellungsverfahren kann auch dann patentfähig sein, wenn das hergestellte Erzeugnis im Prioritätszeitpunkt des Verfahrenspatents an sich bekannt ist (also zuvor auf anderem Wege hergestellt wurde). Arbeitsverfahren hingegen sind nicht auf das Hervorbringen eines Erzeugnisses gerichtet und haben auch nicht die Veränderung eines bereits bestehenden Objekts zum Ziel. Stattdessen wirken sie auf Objekte ein ohne dass diese als solche nach Abschluss des Verfahrens Veränderungen aufweisen. 156 Beispiele dafür sind Verfahren zum Fördern, Ordnen, Reinigen, Messen, Steuern elektronischer Geräte und dergleichen. 154 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 82. 155 Mes, GRUR 2009, 305. 156 Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 35. 144 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 1. Anwendung Ein Verfahrenspatent, also ein Patent, das mindestens einen Verfahrensanspruch-- der ein Herstellungs- oder ein Arbeitsverfahren schützen kann-- enthält, hat nach § 9 S. 2 Nr. 2 PatG die Wirkung, dass es einem Dritten ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, das geschützte Verfahren anzuwenden. Dabei ist Anwendung des Verfahrens sein bestimmungsgemäßer Gebrauch. 157 2. Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn ein Dritter weiß oder es offensichtlich ist, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, ist es ihm auch verboten, das geschützte Verfahren anzubieten. Dieses Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung, welches zur Geltendmachung von § 9 S. 2 Nr. 2, 2. Alt. PatG im Inland erfolgen muss, hat in der Praxis aufgrund der besonderen Voraussetzungen keine große Bedeutung. Denn der Dritte müsste einerseits die Details des Verfahrens und andererseits die Existenz sowie den Schutzumfang des Patents kennen. 3. Durch Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis Durch § 9 S. 2 Nr. 3 PatG (Art. 64 Abs. 2 EPÜ ) wird der Schutz eines Herstellungsverfahrens ergänzt und umfasst auch Erzeugnisse, die unmittelbar durch das Verfahren hergestellt wurden. Derartige Erzeugnisse sind so geschützt, als ob sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt wären (s. oben I.). Der Inhaber eines inländischen Verfahrenspatents wird zusätzlich auch vor der Einfuhr und dem Inlandsvertrieb von Erzeugnissen geschützt, die im Ausland hergestellt wurden. Die Erstreckung des Schutzes auf das unmittelbar hergestellte Erzeugnis ändert jedoch nichts daran, dass die geschützte Lehre in dem Verfahren besteht. Wird das geschützte Verfahren nicht benutzt, so wird selbst ein identisches Erzeugnis vom Schutz gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG nicht erfasst, denn dieser bezieht sich nur auf das unter Anwendung des geschützten Verfahrens hergestellte Erzeugnis. 158 Fraglich-- und im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden-- ist, wann ein Erzeugnis als unmittelbar hergestellt gilt. Dafür muss ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und dem Verfahren bestehen, wie bei folgendem Beispiel: 159 ▶ Eine Kunststofffaser wird unmittelbar durch ein geschütztes Verfahren hergestellt. Damit ist diese so hergestellte Faser durch das Verfahrenspatent geschützt. Stoffe, die aus dieser Faser gewebt oder Strümpfe, die daraus hergestellt werden, sind ebenfalls vom Schutz umfasst. 157 BGH GRUR 1990, 997, 999 „Ethofumesat“. 158 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 53. 159 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 186. 145 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens Ein Erzeugnis wird hingegen bei folgendem Beispiel nicht mehr als nach einem Verfahren unmittelbar hergestellt anzusehen sein: 160 ▶ Ein (durch ein geschütztes Verfahren hergestellter) Nagel wird zum Bau eines Schrankes verwendet. Der Nagel ist zwar physikalisch noch vorhanden, hat jedoch jede Selbständigkeit verloren. Daher fällt der Schrank nicht unter den Schutz des Verfahrenspatents. III. Rechte aus Verwendungsansprüchen Neben den in § 9 PatG genannten Erzeugnis- und Verfahrenspatenten gibt es in der Praxis auch zweckgebundenen Erzeugnisschutz in Form von Verwendungspatenten (bzw. Anwendungspatenten). Das sind solche Patente, die mindestens einen Anspruch enthalten, durch den die Verwendung (oder Anwendung) eines Erzeugnisses für einen bestimmten Zweck geschützt ist. Ein solcher Anspruch könnte beispielsweise folgenden Wortlaut haben: Verwendung eines chemischen Stoffes XY als Schädlingsbekämpfungsmittel. Für die Schutzfähigkeit eines solchen Anspruchs ist es nicht notwendig, dass das Erzeugnis selbst schutzfähig (also neu oder erfinderisch) ist. Stattdessen muss die Verwendung neu und erfinderisch sein. Bei der Prüfung, inwiefern eine Benutzungsform für die geschützte Verwendung bestimmt ist, kommt es darauf an, inwiefern das Erzeugnis objektiv auf die geschützte Verwendung ausgerichtet, d. h. sinnfällig (oder augenfällig) hergerichtet ist. Dabei kann eine spezifische Form des Erzeugnisses (z. B. Applikation als Tablette, Salbe etc.) herangezogen werden. Jedoch kann es auch genügen, dass die Bestimmung zur patentgemäßen Verwendung in den Angaben auf der Verpackung oder einer beigefügten Gebrauchsanweisung zum Ausdruck kommt. 161 Eine Verwendungserfindung ist ihrem Inhalt nach zwar eine Verfahrenserfindung, der durch einen Verwendungsanspruch gewährte Schutz läuft jedoch auf einen zweckgebundenen Sachschutz hinaus. 162 Der Patentinhaber ist damit wirksam dagegen geschützt, dass ein Dritter eine Sache im Inland gewerblich zu der geschützten Verwendung augenfällig herrichtet, einen derartigen Gegenstand anbietet, in Verkehr bringt, gebraucht oder zu den genannten Zwecken einführt oder besitzt-- ganz gleich, wo die sinnfällige Herrichtung stattgefunden hat. 163 Der Patentinhaber ist ferner dagegen geschützt, dass ein Dritter eine im Ausland augenfällig für die geschützte Verwendung hergerichtete Substanz im Inland anbietet oder in Verkehr bringt. Er kann sich schließlich auch gegen den Export derart hergerichteter Substanzen wirksam zur Wehr setzen. 164 Besondere Arten des zweckgebundenen Erzeugnisschutzes ergeben sich aus § 3 Abs. 3 PatG bzw. Art. 54 Abs. 4 EPÜ (erste medizinische Indikation) und aus § 3 Abs. 4 PatG bzw. Art. 54 160 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 188; s. a. Beier / Ohly, GRUR Int. 1996, 973. 161 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 209 ff. 162 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 209. 163 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 50. 164 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 50. 146 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Abs. 5 EPÜ (zweite und weitere medizinische Indikation). Die erst genannten Regelungen erweitern den Erzeugnisschutz für medizinisch einsetzbare Stoffe, wie insbesondere Arzneimittel und Diagnostika, indem sie die Erteilung eines gebietsgebundenen Stoffpatents für an sich bekannte Stoffe erstmalig für das Gebiet der Medizin eröffnen. Die zweitgenannten Regelungen erlauben die Gewährung eines zweckgebundenen Erzeugnispatents auch dann, wenn der Stoff als Arzneimittel, als Diagnostika oder dergleichen, bereits bekannt war, die Erfindung aber eine neue und erfinderische spezifische Verwendung lehrt. 165 IV. Mittelbare Patentbenutzung Durch § 10 PatG besteht die Möglichkeit, gegen mittelbare Patentbenutzung vorzugehen, wodurch Patentinhabern erleichtert wird, ihre Rechte durchzusetzen. Diese Regelung erfasst das Anbieten und das Liefern von Mitteln zur Erfindungsbenutzung, d. h. von Gegenständen, die ohne selbst schon die patentierte Erfindung zu verwirklichen, beim Handeln nach ihrer Lehre unmittelbar zur Wirkung kommen. Dadurch wird bezweckt, dass der Eingriff in den Patentschutz durch mögliche (spätere) unberechtigte unmittelbare Benutzung bereits im Vorfeld verhindert werden kann. Das Anbieten / Liefern von Mitteln zur Erfindungsbenutzung bildet jedoch keinen zusätzlichen Verletzungstatbestand. Sein Verbot beruht darauf, dass dem Anbietenden / Liefernden Benutzungshandlungen eines anderen zugerechnet werden. Dabei genügt es, dass solche Handlungen nach Sachlage zu erwarten sind, z. B. wenn der Lieferant weiß oder den Umständen nach offensichtlich ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentverletzender Weise verwenden wird. 166 Grundsätzlich müssen jedoch die zu erwartenden Handlungen patentverletzend sein. 167 Voraussetzung zur Anwendung dieser Regelung ist die Gefahr der unmittelbaren Benutzung einer patentierten Erfindung mit allen ihren Merkmalen, und zwar im Geltungsbereich des PatG (also im Inland). Unter Benutzung ist eine der in § 9 S. 2 Nr. 1-3 PatG genannten Handlungen zu verstehen, also beispielsweise die Herstellung des geschützten Erzeugnisses oder die Anwendung des geschützten Verfahrens, das den Patentanspruch wortsinngemäß oder unter Verwendung von äquivalenten Mitteln verwirklicht. 168 Nach § 10 Abs. 1 PatG umfasst der Tatbestand objektive und subjektive Voraussetzungen. Die Tathandlung eines Dritten („Anbieter / Lieferant“) besteht im Anbieten oder Liefern eines bestimmten Mittels ohne Zustimmung des Patentinhabers, welches nicht allgemein im Handel erhältlich sein darf (§ 10 Abs. 2 PatG). Die Tathandlung muss im Inland gegenüber einem Anderen („Angebotsempfänger / Belieferter“) erfolgen, der nicht zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigt ist. Das Mittel muss sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und (objektiv) geeignet sowie (subjektiv, d. h. von dem Angebotsempfänger / Belieferten) dazu bestimmt sein, für die Benutzung der Erfindung benutzt zu werden. Als weitere subjektive Voraussetzung muss der Anbieter / Lieferant wissen, oder es muss 165 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 3 Rdn. 139 ff. 166 BGH GRUR 2006, 839 „Deckenheizung“. 167 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 384. 168 Benkard / Scharen, PatG, § 10 Rdn. 3. 147 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens offensichtlich sein, dass das angebotene oder gelieferte Mittel geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung ist damit unabhängig davon, ob der Angebotsempfänger / Belieferte oder ein späterer Abnehmer (Hintermann) das Mittel tatsächlich bei einer ihm gem. § 9 PatG verbotenen Handlung gebraucht oder dies versucht. 169 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Die oben beschriebenen Wirkungen aus einem Patent und somit die Rechte des Anmelders bzw. Patentinhabers können begrenzt sein und zwar durch: ▶ die in § 11 PatG genannten Handlungen im privaten Bereich, zu Versuchszwecken usw.; ▶ das in § 12 PatG genannte Vorbenutzungsrecht; ▶ Weiterbenutzungsrechte nach gewährter Wiedereinsetzung (§ 123 Abs. 5 PatG); ▶ Rechte aufgrund der vom Patentinhaber abgegebenen Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 PatG; ▶ Erschöpfung, sofern der patentierte Gegenstand mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurde (Grundsatz aus Rechtsprechung); ▶ Zwangslizenzen (§ 24 PatG); ▶ Benutzungsanordnung (§ 13 PatG). I. Ausnahmen der Patentwirkung nach § 11 PatG Der Patentschutz soll nicht auf den Privatbereich erstreckt werden. Daher sind Handlungen, die im privaten Bereich und zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen werden, von der Wirkung des Patents gem. § 11 Nr. 1 PatG ausgenommen. Zur Anwendung dieser Vorschrift müssen beide Bedingungen kumulativ vorliegen. Mit privatem Bereich ist die reine Privatsphäre, wie Familie, Haushalt, Sport, Spiel, Unterhaltung gemeint. 170 Eine Handlung zu nichtgewerblichen Zwecken i. S. v. § 11 PatG ist unabhängig vom Begriff der gewerblichen Anwendbarkeit (gem. § 5 PatG). So gehört freiberufliche Tätigkeit zu den gewerblichen Zwecken i. S. v. § 11 Nr. 1 PatG. Deshalb ist beispielsweise die Nutzung eines patentgeschützten Karteischrankes für eine Patientendatei in der Privatwohnung eines freiberuflichen Arztes durch § 11 Nr. 1 PatG nicht vom Patentschutz ausgenommen. Ein derartiges Patent wirkt jedoch nicht gegen die Herstellung oder den Gebrauch des Karteischrankes durch eine Privatperson zu privaten Zwecken. Die Wirkung des Patents erstreckt sich gem. § 11 Nr. 2 PatG auch nicht auf Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen. Das heißt, die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn die Erfindung selbst (also eine entsprechende Vorrichtung bzw. ein entsprechendes Verfahren) das Versuchsobjekt bildet; nicht jedoch, wenn die Erfindung als Hilfsmittel bei Versuchen dient. So sind Versuche an einem patent- 169 Benkard / Scharen, PatG, § 10 Rdn. 3. 170 Benkard / Scharen, PatG, § 11 Rdn. 3. 148 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens geschützten Oszillographen mit dem Ziel, diesen zu verbessern, erlaubt; nicht jedoch der Einsatz dieses Oszillographen zur Optimierung eines Fernsehempfängers. Außerdem sind solche Versuche, die keinen Bezug zur technischen Lehre haben und nur noch der Klärung wirtschaftlicher Fakten dienen, wie Marktbedürfnis, Preisakzeptanz und Vertriebsmöglichkeiten, genau so vom Privileg des § 11 Nr. 2 ausgeschlossen und damit unzulässig, wie solche, bei denen der Umfang der Erprobungen in einem nicht mehr zu rechtfertigenden großen Ausmaß vorgenommen wird. 171 Von der Wirkung des Patents ist gem. § 11 Nr. 2a PatG die Nutzung biologischen Materials (wie definiert in § 2a Abs. 3 Nr. 1 PatG) zum Zweck der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte (wie definiert in § 2a Abs. 3 Nr. 4 PatG) ausgenommen und begründet damit ein entsprechendes Forschungsbzw. Versuchsprivileg. Durch § 11 Nr. 2b PatG sind Studien und Versuche sowie die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen ohne Zustimmung des Patentinhabers erlaubt, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der EU oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung innerhalb oder außerhalb der EU erforderlich sind. Darin umfasst sind alle Handlungen, die an sich unter §§ 9, 10 PatG fallen, oder objektiv notwendig sind, um eine erstrebte arzneimittelrechtliche Genehmigung oder Zulassung zu erlangen. Erfasst wird insbesondere auch die Herstellung von Arzneimitteln, soweit sie für die Durchführung von Studien oder Versuchen erforderlich ist. 172 Damit eine Zubereitung von Arzneimitteln gem. § 11 Nr. 3 PatG von der Wirkung des Patents ausgenommen wird, muss es sich um eine Einzelzubereitung (nicht auf Vorrat) eines Arzneimittels- - was im Einzelfall abzugrenzen ist von Kosmetika und Lebensmitteln- - in Apotheken (auch Krankenhausapotheken) auf Grund ärztlicher Verordnung handeln. Der internationale Verkehr soll durch § 11 Nr. 4 bis 6 PatG vor unnötigen patentrechtlichen Behinderungen geschützt werden, indem Handlungen in Bezug auf Einrichtungen an Schiffen, sowie Luft- oder Landfahrzeugen, die vorübergehend oder zufällig ins Inland gelangen, von der Patentwirkung ausgenommen sind. Praktisch kommt als nicht schutzrechtsverletzende Handlungen hauptsächlich der Gebrauch einschließlich der Reparatur in Betracht. In Ausnahmen könnte das auch für inländisches Anbieten oder Inverkehrbringen gelten; keinesfalls jedoch für das Herstellen von Fahrzeugen. 173 II. Vorbenutzungs- und Weiterbenutzungsrecht 1. Vorbenutzungsrecht (vor Patentanmeldung) Durch § 12 PatG tritt die Wirkung eines Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung oder eines wirksam beanspruchten Prioritätstages (§ 12 Abs. 2 PatG) die Erfindung im Inland in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. 171 BGH Mitt. 1997, 253 „Klinische Versuche II “. 172 Benkard / Scharen, PatG, § 11 Rdn. 10 mit Verweis auf BT -Drucks 15 / 5316 S. 48. 173 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 268. 149 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Handlungen im Ausland, auch innerhalb der EU genügen dafür nicht. 174 Durch dieses Vorbenutzungsrecht 175 soll aus Billigkeitsgründen der Besitzstand eines Vorbenutzers geschützt werden. Dabei soll jedoch nur der durch den Erfindungsbesitz untermauerte Besitzstand erhalten werden. Somit erwirbt derjenige kein Vorbenutzungsrecht, der bei der Vornahme der Benutzungshandlung oder der Veranstaltung zur Benutzung den Erfindungsgedanken nicht erkannt hat. 176 Andererseits ist es nicht notwendig, dass dem Vorbenutzer ein (auf Parallelerfindung beruhendes) eigenes Erfinderrecht zusteht. Stattdessen kann auch eine von einem Dritten 177 gemachte Erfindung wirksam ausgeführt werden. Ein Vorbenutzungsrecht ist sogar selbst dann möglich, wenn die Erfindung durch den Patentanmelder oder seinen Rechtsvorgänger mitgeteilt und anschließend in Benutzung genommen wurde. In einem solchen Fall besteht jedoch kein Vorbenutzungsrecht, wenn ein Rechtevorbehalt gem. § 12 Abs. 1 S. 4 PatG vorliegt. Ein Vorbenutzungsrecht entsteht außerdem dann nicht, wenn es sich um eine widerrechtliche, unredliche Entnahme des benutzten Erfindungsgedankens handelt. Für einen redlichen Erwerb der Erfindung ist es auch erforderlich, dass der Erfindungsbesitz unabhängig von einem der Überlassung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis auf Dauer ausgeübt werden darf. Sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erfinder und dem Benutzer vertraglich geregelt, fehlt es von vornherein an einer berechtigten Grundlage für eine solche Annahme, wenn sich aus dem Vertrag derartiges nicht ergibt. 178 Als Benutzung i. S. v. § 12 PatG kommt jede in § 9 PatG (für eine unmittelbare) bzw. in § 10 PatG (für eine mittelbare) genannte Handlung in Betracht. Auf den Umfang der Benutzungshandlungen kommt es nicht an. 179 Ein Vorbenutzungsrecht kann auch begründet werden, wenn lediglich die für eine Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen wurden ohne die Benutzung selbst aufzunehmen (§ 12 S. 1, 2. Alt. PatG). Die Veranstaltungen müssen auf die Erfindung bezogen sein und auch den Entschluss, diese alsbald gewerbsmäßig zu benutzen, durch geeignete Vorbereitung erkennen lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aufnahme der Benutzung bzw. entsprechender Veranstaltungen ist der Anmeldetag (§ 12 Abs. 1 S. 1 PatG) bzw. Prioritätstag (§ 12 Abs. 2 PatG). Zur Entstehung des Vorbenutzungsrechts braucht eine aufgenommene Benutzung nicht notwendig bis zum Anmelde-/ Prioritätstag fortgesetzt zu werden. Eine vorübergehende Unterbrechung steht dem Vorbenutzungsrecht nicht entgegen. 180 Dagegen müssen Veranstaltungen zur Benutzung (mindestens) bis zu dem Anmelde-/ Prioritätstag im Inland fortdauern, und zwar ohne Unterbrechung. 181 174 LG Düsseldorf, Mitt. 2001 561, 565 f. „Laborthermostat II “. 175 Seinem Inhalt nach ist das Vorbenutzungsrecht ein Recht zur Weiterbenutzung; s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 28. 176 BGH GRUR 1964, 496 „Formsand II “. 177 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 6. 178 BGH GRUR 2010, 47 „Füllstoff “. 179 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 11a. 180 BGH GRUR 1969, 35 „Europareise“. 181 BGH GRUR 1969, 35 „Europareise“. 150 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Das Vorbenutzungsrecht unterliegt keinen quantitativen Grenzen, soweit dessen Inhaber es für den eigenen Betrieb nutzt, wobei dieser beliebig erweitert 182 und auch mit einem weiteren Betrieb verschmolzen werden darf. 183 Der Berechtigte darf solche Tätigkeiten für seinen Betrieb auch in fremden Werkstätten durchführen lassen (verlängerte Werkbank); eine Lizenzierung hingegen ist nicht zulässig. 184 Inwiefern von einer Benutzungsart (Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen, Besitzen) auf eine andere gewechselt werden darf, hängt vom Einzelfall ab und ist umstritten. Nur für den Hersteller gilt uneingeschränkt der Grundsatz, dass der Wechsel der Benutzungsart erlaubt ist und das Vorbenutzungsrecht alle Benutzungsarten umfasst, auch wenn er nur eine von ihnen vor der Anmeldung ausgeübt hat. 185 Das Vorbenutzungsrecht kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden (§ 12 Abs. 1 S. 3 PatG). Es soll also eine Vervielfältigung des Rechts unterbleiben. 2. Weiterbenutzungsrecht (nach Wiedereinsetzung) Versäumt ein Beteiligter ohne Verschulden gegenüber dem Patentamt oder dem Patentgericht eine Frist, so hat er unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, wieder in den vorigen Stand eingesetzt zu werden („Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“, § 123 PatG (bzw. Art. 122 EPÜ ); siehe auch oben § 11 II 2.). Dadurch kann ein Zeitraum entstehen, zu dessen Beginn eine Patentanmeldung wegfällt oder ein Patent erlischt und zu dessen Ende das Schutzrecht wieder in Kraft tritt. Falls ein Dritter in gutem Glauben innerhalb dieses Zeitraums im Inland den Gegenstand eines Patents in Benutzung nimmt oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen trifft, ist dieser befugt den Patentgegenstand für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten weiter zu benutzen. Ein solches Recht erlangt auch derjenige, der im Vertrauen auf den Wegfall einer 12-monatigen Unionspriorität den geschützten Gegenstand in Benutzung genommen hat. Analog entfällt auch der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 33 Abs. 1 PatG (§ 123 Abs. 5, 6, 7 PatG bzw. Art. 122 Abs. 5 EPÜ ). Der Zeitpunkt der Aufnahme von Benutzungen oder der für entsprechende Vorbereitungen (Veranstaltungen) dazu muss nach Entfall, aber vor Wiederinkrafttreten des Schutzrechts bzw. des Prioritätsrechts liegen. Ein Dritter ist daher nicht schutzwürdig, wenn er die Patent verletzende Benutzung vor dem Erlöschen aufgenommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat und die Benutzung anschließend über den Zeitpunkt des Erlöschens hinaus fortsetzt. 186 Dieses Weiterbenutzungsrecht kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. 182 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 61. 183 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 25. 184 BGH GRUR 1992, 432, 433 „Steuereinrichtung“. 185 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 23. 186 BGH GRUR 1993, 460 „Wandabstreifer“. 151 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Mit Ausnahme des maßgebenden Zeitpunkts entsprechen Voraussetzungen und Inhalt dieses Rechts denjenigen des oben beschriebenen Vorbenutzungsrechts. 187 III. Erschöpfung Erschöpfung meint Verbrauch des Patentrechts hinsichtlich eines bestimmten patentgemäßen Erzeugnisses. Sie entsteht, wenn der Patentinhaber oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter eine durch Patent geschützte Vorrichtung oder ein unmittelbares Erzeugnis eines patentierten Verfahrens im Inland, innerhalb der EU oder des EWR in den Verkehr bringt. 188 Eine rechtmäßige Herstellung ohne Inverkehrbringen reicht dafür hingegen nicht aus. 189 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnis-Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Rechtmäßige Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber- - einschließlich Wettbewerber des Patentinhabers-- sind befugt, diese Exemplare bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten. 190 Daher kann bei bestehender Erschöpfung der Patentinhaber für das genannte Erzeugnis-Exemplar das weitere Inverkehrbringen, das Anbieten und den Gebrauch dieses Gegenstands aus dem Patent nicht mehr verbieten. Jeder, der dazu tatsächlich in der Lage ist, darf das Erzeugnis ohne Zustimmung des Patentinhabers veräußern oder auf sonstige Weise weitergeben, anbieten und gebrauchen sowie zu diesen Zwecken erwerben und besitzen. Der Erschöpfungsgrundsatz im Patentrecht ergibt sich üblicherweise nur aus Rechtsprechung und Schrifttum. 191 Lediglich für biologisches Material gibt es gem. § 9b PatG eine nationale gesetzliche Regelung. In dem noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (s. a. § 23 dieses Abschnitts) ist in dessen Art. 29 ebenfalls die Erschöpfung berücksichtigt. Ein Inverkehrbringen außerhalb des EWR (einschl. EU ) bewirkt keine Erschöpfung. 192 Dieser Grundsatz gilt auch in den Fällen, in denen Erzeugnisse in einem Land in den Verkehr gebracht worden sind, bevor dieses Land der EU beigetreten ist 193 und auch nicht Mitglied des EWR war. Es ist gleichgültig, ob der Patentinhaber im Staat des ersten Inverkehrbringens ebenfalls über ein Schutzrecht, insbesondere ein „Parallelpatent“ (also eins basierend auf derselben Erfindung wie das für das Inland erteilte Patent) verfügt, das ihn berechtigt, einem Inverkehrbringen der Erzeugnisse durch Andere entgegenzutreten. 194 Die Zustimmung des Patentinhabers für ein Inverkehrbringen ist z. B. dann gegeben, wenn er einen Dritten zum Vertrieb beauftragt oder ihm eine Lizenz erteilt hat. Durch ein 187 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 68. 188 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 16. 189 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 283. 190 BGH v. 24. 10. 2017, X ZR 55 / 16, „Trommeleinheit“; BGH v. 17. 7. 2012, X ZR 97 / 11, „Palettenbehälter II “. 191 Anders z. B. im Markengesetz: § 24 MarkenG. 192 BGH GRUR 2000, 299 „Karate“; BGH v. 13. 3. 2003, X ZR 100 / 00, „Enalapril“. 193 BGH GRUR 1976, 579, 582 „Tylosin“. 194 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 296. 152 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Inverkehrbringen patentgemäßer Erzeugnisse ohne Zustimmung des Patentinhabers wird die Erschöpfung auch dann bewirkt, wenn ein Benutzungsrecht aufgrund einer Lizenzbereitschaft nach § 23 PatG (s. unten IV .), eines Weiterbenutzungsrechts nach §§ 12, 123 Abs. 5 (s. oben II .), einer staatlichen Benutzungsanordnung nach § 13 PatG (s. unten V. 1.) oder einer Zwangslizenz nach § 24 PatG (s. unten V. 2.) vorliegt. 195 Diese Zustimmung bzw. Berechtigung muss zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorliegen. Ist das der Fall, so bleibt die Erschöpfungswirkung bestehen, auch wenn nachträglich ihre Voraussetzungen wegfallen, z. B. das Patent übertragen wird oder eine Lizenz endet. 196 Bei einem Verfahrenspatent gelten die Grundsätze zur Erschöpfung uneingeschränkt für die nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG geschützten unmittelbaren Erzeugnisse. Durch deren Inverkehrbringen werden allerdings nur diese, nicht aber das Verfahren selbst gemeinfrei. 197 IV. Lizenzbereitschaft In § 23 PatG ist die sog. Lizenzbereitschaft geregelt. Erklärt der Patentanmelder oder der im Register (gem. § 30 Abs. 1 PatG) als Patentinhaber Eingetragene schriftlich gegenüber dem Patentamt die Bereitschaft, jedermann die Benutzung der Erfindung gegen angemessene Vergütung zu gestatten, so ermäßigen sich die nach Eingang der Erklärung fälligen Jahresgebühren auf die Hälfte. Die Erklärung, die gem. § 23 Abs. 7 PatG jederzeit schriftlich zurückgenommen werden kann, ist eine materiellrechtliche Verfügung über das Patent, wodurch der Patentinhaber / Anmelder auf wesentliche Teile seines Rechtes verzichtet, nämlich auf das Verbotsrecht gegenüber Dritten, sofern diese bereit sind, eine angemessene Vergütung zu zahlen. Somit verzichtet er auf das Recht zur alleinigen Benutzung der Erfindung und zur Erteilung einer ausschließlichen Lizenz (siehe unten § 18 II .). Nach Eintragung der Erklärung im Register (s. § 23 Abs. 1 S. 2 PatG) wirkt diese wie ein Lizenzangebot an die Allgemeinheit, das jeder beliebig annehmen kann. 198 Anderweitige einfache, also nicht-ausschließliche Lizenzen, stehen dem nicht entgegen. Ausschließliche Lizenzen hingegen sind mit dem Charakter der Lizenzbereitschaftserklärung nicht vereinbar. 199 Der Patentinhaber braucht für nach dem Eingang der Erklärung fällige Jahresgebühren nur die Hälfte zu zahlen. Das gilt auch für die dem Patent zugrunde liegende deutsche Anmeldung (§ 23 Abs. 6 PatG) sowie für zugehörige ergänzende Schutzzertifikate (§ 16a Abs. 3 PatG). Es gilt weiterhin auch für Zusatzpatente, die bis zum 1. April 2014 angemeldet werden konnten (s. § 147 Abs. 1 PatG). Die Gebührenreduzierung gilt jedoch nicht für die für eine europäische Patentanmeldung an das EPA zu zahlenden Jahresgebühren. 200 195 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 290. 196 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 295. 197 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 25. 198 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 8. 199 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 9. 200 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 2. 153 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Jeder Dritte kann ab Eintragung der Erklärung in das Register die Erfindung benutzen, sofern er seine Absicht dem Patentinhaber / Anmelder anzeigt, Auskunft über die Benutzung gibt und eine angemessene Vergütung zahlt. Diese Vergütung wird auf schriftlichen Antrag eines Beteiligten durch das DPMA festgesetzt (§ 23 Abs. 4). V. Weitere Rechtsbeschränkungen Die Rechte des Patentinhabers können weiterhin durch eine Benutzungsanordnung (gem. § 13 PatG) oder durch eine Zwangslizenz (§ 24 PatG) beschränkt werden. 1. Benutzungsanordnung Die Benutzungsanordnung unterscheidet zwei Fälle, nämlich: ▶ Benutzung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt; das hat die Bundesregierung (nicht ein einzelner Minister) anzuordnen (§ 13 Abs. 1, S. 1 PatG) und ▶ Benutzung im Interesse der Sicherheit des Bundes; das hat die zuständige oberste Bundesbehörde (wie Bundesministerium der Verteidigung oder des Inneren) oder in deren Auftrag eine nachgeordnete Stelle anzuordnen (§ 13 Abs. 1 S. 2 PatG). Der Patentinhaber hat gegenüber dem Bund (nicht gegenüber dem Benutzer) einen Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 13 Abs. 3 PatG), die einer Enteignungsentschädigung entspricht. 201 2. Zwangslizenz Falls ein Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen und das öffentliche Interesse die Erteilung einer solchen Lizenz gebietet, hat das Bundespatentgericht die Möglichkeit eine Zwangslizenz zu erteilen (§ 24 Abs. 1 PatG). Ein öffentliches Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz für einen pharmazeutischen Wirkstoff kann auch dann bestehen, wenn nur eine relativ kleine Gruppe von Patienten betroffen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Gruppe einer besonders hohen Gefährdung ausgesetzt wäre, wenn das betreffende Medikament nicht mehr verfügbar wäre. 202 Außerdem haben Inhaber von Patenten mit jüngerem Zeitrang gegenüber dem Inhaber eines älteren Patents Anspruch auf Einräumung einer Zwangslizenz sofern (a) sich der Lizenzsucher erfolglos bemüht hat, eine Lizenz zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erhalten und (b) die Erfindung des jüngeren Patents einen wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung aufweist, verglichen mit der Erfindung 201 Näheres siehe bei Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 137 ff. 202 BGH v. 11. 7. 2017, X ZB 2 / 17, „Raltegravir“ (betreffend HIV -Medikament). 154 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens des älteren Patents. Dafür hat er auf Verlangen des Inhabers des älteren Patents diesem eine Gegenlizenz zu angemessenen Bedingungen einzuräumen (§ 24 Abs. 2 PatG). Entsprechendes gilt, wenn ein Pflanzenzüchter ein Sortenschutzrecht nicht erhalten oder verwerten kann ohne ein früheres Patent zu verletzen (§ 24 Abs. 3 PatG). Für eine patentierte Erfindung auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie darf eine Zwangslizenz im Rahmen von Abs. 1 nur erteilt werden, wenn dies zur Behebung einer in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren festgestellten wettbewerbswidrigen Praxis des Patentinhabers erforderlich ist (§ 24 Abs. 4 PatG). Die durch Erteilung einer Zwangslizenz begründete Benutzungsbefugnis ist privatrechtlicher Natur und wirkt nur für die Zukunft, so dass vorherige Patentverletzungen nicht rechtmäßig werden. 203 Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, dass ein Lizenzsucher eine Art Zwangslizenz-- unabhängig von § 24 PatG-- aufgrund von kartellrechtlichen Vorschriften erhalten kann. Als Grundlage dafür kommen insbesondere in Betracht: Art. 101, 102 AEUV (ex Art. 82 EGV ) sowie §§ 19, 20 GWB oder eine gegenüber einer Standardisierungsbehörde abgegebene und den Lizenzsucher begünstigende Lizenzbereitschaftserklärung des Patentinhabers, ihm am Gegenstand des Klagepatents eine Lizenz zu FRAND -Bedingungen (fair, reasonable and non discriminatory) zu erteilen. 204 Der Eu GH hat in einem Fall differenziert zwischen (1) Ansprüchen auf Unterlassung und Rückruf und (2) Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz, wobei erstere eher als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. Art. 102 AEUV zu qualifizieren sind. 205 § 18 Übertragung, Lizenz Durch § 9 PatG wird allein dem Patentinhaber die bevorzugte Stellung eingeräumt, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu nutzen und somit wirtschaftlich zu verwerten. Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger (§ 6 PatG). Dieses Recht sowie der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent können übertragen oder vererbt werden (§ 15 Abs. 1 PatG). Außerdem können diese Rechte ganz oder teilweise Gegenstand von Lizenzen sein (§ 15 Abs. 2 PatG). Sie können sich auf bereits erteilte Patente, auf eingereichte Patentanmeldungen sowie auf noch nicht geschützte Erfindungen beziehen. 206 Nicht übertragen werden kann jedoch das Erfinderpersönlichkeitsrecht, das allein entsteht auf Grund der Tatsache des Erfindens oder Miterfindens. 207 Im Folgenden wird lediglich auf Grundzüge derartiger Rechtsübertragungen eingegangen. Für weiterführende Aspekte, wie insbesondere Leistungsstörungen, Gewährleistungsansprüche und Kartellrecht, sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. 203 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 127. 204 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 24 Rdn. 46 ff; s. a. BGH GRUR 2004, 966, „Standard-Spundfass“ sowie Kraßer / Ann, Patentrecht, § 42 Rdn. 1 ff. 205 Eu GH v. 16. 7. 2015, C-170 / 13, „Huawei / ZTE “. 206 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 RD n. 4. 207 Benkard / Melullis, PatG, § 6 Rdn. 20. 155 § 18 Übertragung, Lizenz Ahrens I. Übertragung Die Übertragung der nach § 15 Abs. 1 PatG bestehenden Rechte kann durch formlosen Vertrag gem. §§ 413, 398 BGB erfolgen. 208 Dabei liegt als Verpflichtungsgeschäft in vielen Fällen ein Kaufvertrag zugrunde. 209 Für die industrielle Praxis bedeutsam ist außerdem eine Rechtsübertragung bei Diensterfindungen aufgrund einer Inanspruchnahme nach §§ 6, 7 Arb EG (s. u. § 32 II .). Auf die Übertragung durch Erbfolge wird hier nicht weiter eingegangen. Wesentlich bei einer derartigen Rechtsübertragung ist das materiellrechtliche Geschäft. Der Vermerk nach § 30 Abs. 3 PatG in dem Patentregister hat insofern nur verlautbarende (deklaratorische), jedoch keine rechtsbegründende Wirkung. 210 Der Vermerk verschafft jedoch dem jeweils Eingetragenen Legitimation gegenüber dem DPMA und den Gerichten. Das heißt auch, dass ein Patentinhaber in dem Patentregister eingetragen sein muss, um aus dem Patent wirksam klagen zu können. 211 II. Lizenz Eine Lizenz i. S. v. § 15 Abs. 2 PatG ist im Kern die Erlaubnis, die technische Lehre, die Gegenstand eines Schutzrechts ist oder werden soll, in bestimmtem Umfang rechtmäßig zu benutzen. Eine Lizenz kann durch formlosen Vertrag erteilt werden. 212 Inwiefern sich ein solcher Vertrag einem der im BGB geregelten Vertragstypen zurechnen lässt, ist umstritten. Üblicherweise 213 wird er als Vertrag eigener Art angesehen. Es wird zunächst unterschieden zwischen ▶ „nicht ausschließlichen“ Lizenzen, die auch „einfache“ Lizenzen genannt werden und ▶ „ausschließlichen“ Lizenzen. Bei einer einfachen Lizenz verzichtet der Patentinhaber (oder zukünftige Patentinhaber) auf die Ausschließlichkeit nach § 9 PatG zugunsten des Lizenznehmers. Der Lizenzgeber kann die geschützte Erfindung aber weiter für sich benutzen, er kann auch zusätzliche Lizenzen erteilen oder nach Patenterteilung anderen Personen weiterhin die Benutzung verbieten. Die ausschließliche Lizenz hingegen bewirkt, dass der Lizenzgeber keine weiteren Lizenzen vergeben und auch die geschützte Erfindung nicht selber nutzen darf, soweit die ausschließliche Lizenz reicht. Einfache und ausschließliche Lizenzen können jedoch unterschiedliche Beschränkungen enthalten, wie bezüglich: 208 Eine wirksame Übertragung einer europäischen Patentanmeldung muss nach Art. 72 EPÜ schriftlich erfolgen; der deutsche Teil eines darauf erteilten Patents kann jedoch formlos übertragen werden. 209 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 41 Rdn. 2. 210 Benkard / Schäfers, PatG, § 30 Rdn. 8. 211 Benkard / Schäfers, PatG, § 30 Rdn. 17. 212 Das Schriftformerfordernis gem. § 34 GWB ist 1998 entfallen-- s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 Rdn. 23. 213 Nach anderer Ansicht ist ein Lizenzvertrag dem Typus der Rechtspacht mit teilweiser Modifizierung zuzuordnen-- s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 41 Rdn. 4. 156 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ zeitlicher Dauer (Zeitlizenz); ▶ räumlicher Wirkung (Gebietslizenz); ▶ sachlicher Schutzbereich (z. B. bestimmte Ausführungsform); ▶ Benutzungsarten (z. B. Herstellung, Vertrieb). Ein Lizenzvertrag kann auch das Recht enthalten, dass der Lizenznehmer Unterlizenzen an weitere Dritte vergeben darf, die dadurch entsprechend befugt werden, die geschützte Erfindung zu nutzen. Ein solches Recht zur Unterlizenzierung ist in ausschließlichen Lizenzen implizit enthalten, sofern sich aus dem zugehörigen Vertrag nichts anderes ergibt. Sowohl für einfache als auch für ausschließliche Lizenzen gilt der „Sukzessionsschutz“, 214 wonach ein Rechtsübergang der Erfindung oder die Erteilung von weiteren Lizenzen solche Lizenzen nicht berührt, die Dritten vorher erteilt worden sind (§ 15 Abs. 3 PatG). 214 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 Rdn. 38. 157 § 18 Übertragung, Lizenz Ahrens 3. Kapitel. Besonderheiten bei europäischen Patenten In diesem Kapitel wird auf Besonderheiten von europäischen Patenten (bzw. deren Anmeldungen) eingegangen. Das sind solche, die nach dem Europäischen Patentübereinkommen ( EPÜ ) 215 durch ein einheitliches Verfahren erteilt sind. Im zweiten Kapitel ist bereits insofern auf das EPÜ verwiesen worden, soweit es Analogien zum deutschen Patentrecht gibt. Das EPÜ umfasst gem. Art. 164 EPÜ neben dem eigentlichen Regelungswerk noch weitere Bestandteile, wie insbesondere die zugehörige Ausführungsordnung ( AOEPÜ ), 216 das Protokoll zur Auslegung des Art. 69 EPÜ 217 und das Anerkennungsprotokoll. 218 Ergänzt werden diese Vorschriften durch die Gebührenordnung. 219 Europäische Patente können für einen, mehrere oder alle der 38 Vertragsstaaten 220 der Europäischen Patentorganisation beantragt werden und haben nach wirksamer Erteilung dort dieselbe Wirkung und unterliegen denselben Vorschriften wie ein nationales Patent, soweit sich aus dem EPÜ nichts anderes ergibt (Art. 3, Art. 2 Abs. 2, Art. 64 EPÜ ). Das heißt, eine Anmeldung für ein europäisches Patent („europäische Patentanmeldung“) durchläuft zunächst ein einheitliches Verfahren. Mit Erteilung zerfällt das europäische Patent in ein Bündel von Patenten, die in vieler Hinsicht nach nationalen Vorschriften zu behandeln sind. Somit haben die nach dem EPÜ erteilten Patente den Charakter eines sog. „Bündelpatents“. Daneben gelten jedoch weiterhin selbst für das erteilte europäische Patent einige Vorschriften nach dem EPÜ . Dazu gehören insbesondere die Vorschriften für ein eventuelles Einspruchsverfahren (Art. 99 ff. EPÜ ), die Vorschriften für ein eventuelles Beschränkungsverfahren (Art. 105a, 105b, 105c EPÜ ), die Auslegung des Schutzbereichs (Art. 69 EPÜ zusammen mit dem Protokoll zu dessen Auslegung), die Verbindlichkeit der Fassung in der Verfahrenssprache (Art. 70 EPÜ ) und die Auslegung der Patentfähigkeit (Art. 52-57 EPÜ ) sowie die Auslegung zur Berechtigung des Patentinhabers (Art. 60 EPÜ ) im Rahmen eines möglichen Nichtigkeitsverfahrens. Wesentliche Schritte des Verfahrens vor dem EPA sind ebenfalls in Abb. 3 dargestellt. Das EPÜ verweist in verschiedenen Stadien auch auf nationale Vorschriften der Vertragsstaaten, wie z. B. bzgl. des Schutzes einer Patentanmeldung nach deren Veröffentlichung (Art. 67 Abs. 2 EPÜ ) oder die Möglichkeit zur Einreichung von europäischen Patentanmeldungen auch bei nationalen Behörden (Art. 75 Abs. 1 b) EPÜ ). Die zugehörigen nationalen Vorschriften in den einzelnen Vertragsstaaten können unterschiedlich sein. Dazu gibt 215 S. o. Fußn. 3. 216 S. o. Fußn. 5. 217 Vom 5. 10. 1973 in der Fassung der Akte zur Revision des EPÜ v. 29. 11. 2000. 218 Vom 5. 10. 1973. 219 Vom 20. 10. 1977, zuletzt geändert durch Beschluss des Verwaltungsrates v. 13. 12. 2017. 220 Dazu gehören auch Staaten außerhalb der EU , wie z. B. Schweiz, Türkei usw. Aktuelle Liste unter http: / / www.epo.org/ about-us/ organisation/ member-states_de.html (letzter Abruf 6 / 2018); letzter Beitritt: Serbien zum 1. 10. 2010. 158 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens eine vom EPA herausgegebene Broschüre einen guten Überblick. 221 Für die Bundesrepublik Deutschland sind die maßgeblichen nationalen Regelungen enthalten in Art. II IntPat ÜG (auch IntPatÜbkG genannt). 222 Nur der Vollständigkeit halber wird in diesem Kapitel auch kurz auf das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (auch Einheitspatent genannt) eingegangen, das jedoch bisher (Stand Juni 2018) und wohl auch innerhalb der kommenden Monate noch nicht angewendet wird. § 19 Europäische Patentanmeldungen bis zur Veröffentlichung Jede natürliche oder juristische Person und jede einer juristischen Person gleichgestellte Gesellschaft kann, ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit und Wohnsitz oder Sitz, die Erteilung eines europäischen Patents beantragen (Art. 58 EPÜ ). Mit der Patentanmeldung sind die Vertragsstaaten 223 zu benennen, für die das Patent erteilt werden soll. Sie kann nach Art. 75 Abs. 1 EPÜ beim EPA oder bei einer zugelassenen nationalen Behörde, wie dem DPMA oder auch bei einem Patentinformationszentrum 224 (nach Art. II § 4 Abs. 1 IntPat ÜG ), eingereicht werden. Die Anmeldung kann grundsätzlich in jeder Sprache eingereicht werden. Es ist jedoch zu unterscheiden, ob es sich dabei um eine der drei Amtssprachen des EPA handelt, nämlich Deutsch, Englisch oder Französisch, oder um eine andere Sprache. Wenn die europäische Patentanmeldung in einer Nicht-Amtssprache eingereicht wird, ist sie fristgerecht in eine (beliebige) der drei Amtssprachen des EPA zu übersetzen. Diejenige Amtssprache, in der die Patentanmeldung eingereicht oder übersetzt wird, ist in allen Verfahren vor dem EPA als Verfahrenssprache zu verwenden, sofern nichts anderes bestimmt ist (Art. 14 Abs. 1-3 EPÜ i. V. m. R. 6 Abs. 1 AOEPÜ ). In der Verfahrenssprache werden die europäische Patentanmeldung und die europäische Patentschrift veröffentlicht (Art. 14 Abs. 5, 6 EPÜ ). Durch die Verfahrenssprache wird außerdem die verbindliche Fassung von Patentanmeldung und Patent nach Art. 70 EPÜ bestimmt. Auf die Anmeldung folgen die Eingangsprüfung und die Formalprüfung und es wird ein Recherchenbericht erstellt (Art. 90, 92 EPÜ ). Liegt dieser rechtzeitig vor, wird er zusammen mit der Patentanmeldung veröffentlicht (Art. 93 EPÜ i. V. m.R. 68 Abs. 1 AOEPÜ ). Durch die Veröffentlichung gewährt die Patentanmeldung dem Anmelder grundsätzlich denselben Schutz wie ein erteiltes Patent (Art. 67 Abs. 1 i. V. m. Art. 64 EPÜ ). Dieser kann von den Vertragsstaaten jedoch nach Art. 67 Abs. 2 eingeschränkt werden. Davon hat die Bundesrepublik-- wie auch andere Vertragsstaaten 225 -- Gebrauch gemacht, so dass nach Art. II § 1 221 Broschüre „Nationales Recht zum EPÜ “, 18. Auflage v. Okt. 2017, herausgegeben vom EPA - - s. http: / / www.epo.org/ law-practice/ legal-texts/ national-law_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 222 Gesetz über internationale Patentübereinkommen v. 21. 6. 1976 ( BGB l. II , S. 649), zuletzt geändert durch Gesetz v. 17. 7. 2017 ( BGB l. I, S. 2541). 223 Das kann auch ein einzelner Vertragsstaat sein, was jedoch im Folgenden sprachlich nicht unterschieden wird. 224 S. a. www.patentinformation.de oder über www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 225 S. o. Fußn. 221. 159 § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung Ahrens Abs. 1 IntPat ÜG eine veröffentliche europäische Patentanmeldung lediglich einen vorläufigen Schutz mit einstweiligen Entschädigungsanspruch gem. § 33 Abs. 1 PatG gewährt. Dieser Schutz steht dem Anmelder jedoch erst von dem Tag an zu, an dem eine von ihm eingereichte deutsche Übersetzung der Patentansprüche vom DPMA veröffentlicht worden ist oder der Anmelder eine solche Übersetzung dem Benutzer der Erfindung übermittelt hat (Art. II § 1 Abs. 2 IntPat ÜG ). § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung Die Sachprüfung wird eingeleitet durch einen Prüfungsantrag, der innerhalb von 6 Monaten nach dem Hinweis auf Veröffentlichung des Recherchenberichts wirksam gestellt werden kann und der erst als gestellt gilt, wenn die Prüfungsgebühr entrichtet worden ist. Wird er nicht rechtzeitig gestellt, gilt die Anmeldung als zurückgenommen (Art. 94 EPÜ i. V. m. R. 70 AOEPÜ ). Ergibt die Prüfung, üblicherweise nach Anpassung der Anmeldeunterlagen durch den Anmelder, dass die Anmeldung und ihre Erfindung den Erfordernissen des EPÜ (sowohl materiell als auch formell) genügen, sind anschließend fristgerecht die erforderlichen Gebühren zu zahlen und eine Übersetzung der Patentansprüche in den beiden Amtssprachen des EPA einzureichen, die nicht die Verfahrenssprache sind. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird die Erteilung des europäischen Patents beschlossen (Art. 97 EPÜ i. V. m. R. 71 AOEPÜ ). Die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents wird an dem Tag wirksam, an dem im Europäischen Patentblatt der Hinweis auf Erteilung bekannt gemacht wird (Art. 97 Abs. 3 EPÜ ). Von diesem Tag an gewährt das europäische Patent seinem Inhaber in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte wie ein nationales Patent (Art. 64 Abs. 1 EPÜ ). Durch Art. 64 Abs. 2 EPÜ ist außerdem gewährleistet, dass bei einem Patent, das ein Verfahren schützt, auf jeden Fall auch diejenigen Erzeugnisse geschützt sind, die durch das Verfahren unmittelbar hergestellt sind. Das ist im deutschen Patentgesetz auch direkt geregelt (§ 9 S. 2 Nr. 3 PatG). Die Patentwirkungen können jedoch gem. Art. 65 EPÜ für einzelne Vertragsstaaten rückwirkend entfallen, wenn die Verfahrenssprache nicht einer der staatlichen Amtssprachen entspricht und eine ggf. erforderliche Übersetzung nicht rechtzeitig bei der zuständigen Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eingereicht wird. Bezüglich der Übersetzungserfordernisse in den einzelnen Vertragsstaaten wird erneut auf die genannte Broschüre „Nationales Recht zum EPÜ “ 226 verwiesen. Ab Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung läuft eine 9-monatige Einspruchsfrist, innerhalb der jedermann Einspruch einlegen kann (Art. 99 Abs. 1 EPÜ ). Davon ausgenommen ist allerdings der Patentinhaber selbst. 227 Die Einspruchsgründe sind in Art. 100 EPÜ abschließend aufgeführt. Somit ist nach EPÜ ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme, anders als nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG, nicht vorgesehen. 226 S. o. Fußn. 221. 227 AB l. EPA 1994, 891, G 9 / 93. 160 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Ein eventueller Streit darüber, ob der Anmelder auch materiell berechtigt ist i. S. v. Art. 60 EPÜ , ist durch Gerichte der Vertragsstaaten zu entscheiden. Eine solche in einem Vertragsstaat ergangene rechtskräftige Entscheidung wird in den anderen Vertragsstaaten anerkannt ohne dass es hierfür eines gesonderten Verfahrens bedarf (Art. 9 Anerkennungsprotokoll). Die Person, der durch eine solche Entscheidung der Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents zugesprochen wird, kann wahlweise die vorhandene Patentanmeldung anstelle des Anmelders als eigene Anmeldung weiterverfolgen, eine neue Patentanmeldung für dieselbe Erfindung einreichen oder beantragen, dass die europäische Patentanmeldung zurückgewiesen wird (Art. 61 Abs. 1 EPÜ ). Bei einem zulässigen Einspruch prüft das EPA , ob wenigstens ein Einspruchsgrund vorliegt. In einem solchen Fall wird das Patent widerrufen. Andernfalls wird der Einspruch zurückgewiesen. Es ist auch möglich, dass der Patentinhaber im Laufe des Verfahrens die Einspruchsgründe erst durch Änderungen der Unterlagen behebt, beispielweise durch Beschränkung der Patentansprüche. In einem solchen Fall wird das Patent in geänderter Fassung aufrecht erhalten und das EPA veröffentlich eine neue europäische Patentschrift (Art. 101, 103 EPÜ ). Die Entscheidung über den Einspruch wirkt grundsätzlich für alle Vertragsstaaten, in denen das europäische Patent Wirkung hat (Art. 99 Abs. 2 EPÜ ). Auf Antrag des Patentinhabers kann das europäische Patent widerrufen oder durch Änderung der Patentansprüche beschränkt werden. Der Antrag ist gebührenpflichtig und schriftlich beim EPA zu stellen (Art. 105 a Abs. 1 EPÜ , R. 92 Abs. 1 AOEPÜ ). Der Antrag ist nicht fristgebunden. Er kann jederzeit nach Erteilung und selbst nach dem Erlöschen des Patents gestellt werden, 228 jedoch nicht solange ein Einspruchsverfahren anhängig ist (Art. 15 a Abs. 2 EPÜ , R. 93 AOEPÜ ). Wenn der Antrag den festgelegten Erfordernissen genügt, beschließt das EPA die Beschränkung oder den Widerruf des Patents. Diese Entscheidung gilt mit Wirkung für alle Vertragsstaaten, für die das europäische Patent erteilt worden ist und wird an dem Tag wirksam, an dem der Hinweis auf die Entscheidung im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht wird (Art. 105 b EPÜ ). Im Falle einer Beschränkung veröffentlicht das EPA eine geänderte europäische Patentschrift (Art. 105 c EPÜ ). § 21 Beschwerde Sofern einer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde durch die Stelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, nicht abgeholfen wird, entscheidet darüber eine der Beschwerdekammern des EPA (Art. 21, 106 ff. EPÜ ). Die Große Beschwerdekammer ist zuständig für Entscheidungen über Rechtsfragen, die ihr von den Beschwerdekammern vorgelegt werden, für die Abgabe von Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die ihr der Präsident des EPA vorlegt und für Entscheidungen über Anträge, auf Überprüfung von Beschwerdekammerentscheidungen (Art. 22. 112, 112 a EPÜ ). 228 Richtlinien für die Prüfung im Europ. Patentamt, Nov. 2017, Teil D, X-1. 161 § 22 Nationale Verfahren Ahrens § 22 Nationale Verfahren Mit dem bestandskräftigen Abschluss des Erteilungsverfahrens bzw. eines sich daran ggf. anschließenden Einspruchsverfahrens endet üblicherweise die Entscheidungskompetenz des EPA , sofern durch den Patentinhaber nicht ein Beschränkungsbzw. Widerrufsverfahren beantragt wird. Zwar enthält das EPÜ mit Art. 138 eine Vorschrift betreffend eventueller Nichtigkeitsverfahren, jedoch werden diese nach nationalen Verfahren durchgeführt. Eine (teilweise) Nichtigerklärung wirkt nur für das Hoheitsgebiet des Staates, in dem das Verfahren stattfindet. Damit ein europäisches Patent auch die Wirkungen gem. Art. 64 EPÜ in den benannten Staaten entfaltet, sind in Abhängigkeit von der Verfahrenssprache Übersetzungen in einzelnen Staaten erforderlich (Art. 65 EPÜ ). 229 Der Schutzbereich des erteilten Patents ist nach Art. 69 EPÜ -- ergänzt durch das Protokoll über dessen Auslegung-- bestimmt. Die daraus resultierenden Rechte und Verfahren zu deren Geltendmachung werden jedoch nach nationalem Recht i. S. v. Art. 64 EPÜ behandelt. Ein rechtskräftig erteiltes europäisches Patent bewirkt nach Ablauf der Einspruchsfrist oder eines eventuellen Einspruchsverfahren gem. Art. II § 8 IntPat ÜG , dass ein nationales deutsches Patent seine Wirkung verliert, soweit es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt („Verbot des Doppelschutzes“; s. o. § 15 II . 1.). § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) I. Allgemeines Es wird seit vielen Jahren versucht, für die EU ein gemeinsames Patentsystem zu schaffen, das durch ein einheitliches Verfahren und mit nur geringem Übersetzungsaufwand einen EU -weiten Schutz ermöglicht und vergleichbar ist mit dem System der Unionsmarke bzw. des Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Ein solches Patentsystem würde sich von dem o. g. europäischen Bündelpatent (gem. EPÜ ) also insbesondere dadurch unterscheiden, dass es nach Erteilung nicht wie ein Bündel in einzelne Patente der Mitgliedsstaaten, deren Anzahl der Patentanmelder bzw. -inhaber bestimmen kann, zerfällt, sondern einheitliche Wirkung in (möglichst) allen EU -Staaten hat. Das Einheitspatent soll Nutzern neben den klassischen nationalen Patenten (nach PatG,-… ) und europäischen Patenten (nach EPÜ ) eine weitere Option bieten. Ein solches Einheitspatent findet jedoch bisher 230 noch keine Anwendung. In den Jahren 2012 und 2013 haben die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament einem „Patent-Paket“ zugestimmt, das den Grundstein legt für die Einführung eines einheitlichen Patentschutzes in der EU . Dieses Patent-Paket besteht aus zwei Verordnungen, die das Einheitspatent betreffen 231 sowie einem internationalen Abkommen, das ein einheitliches 229 S. o. Fußn. 221. 230 Die Begriffe „bisher“ und „momentan“ bedeuten in diesem Zusammenhang: Stand Juni 2018. 231 VO ( EU ) Nr. 1257 / 2012 des Europ. Parlaments und des Rates v. 17. 12. 2012 (betreffend einheitlicher Patentschutz); VO ( EU ) Nr. 1260 / 2012 des Rates v. 17. 12. 2012 (betreffend Übersetzungsregelungen)-- s. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 162 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Patentgericht betrifft und kurz EPGÜ 232 genannt wird. Das Patent-Paket wird im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zwischen 26 Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, wobei zuletzt Italien im September 2015 dazu kam. Momentan sind alle EU -Mitgliedsstaaten außer Kroatien und Spanien beteiligt. 233 Die Verordnungen traten- - gem. ihrer Art. 18 Abs. 1 bzw. Art. 7 Abs. 1- - am 20. 1. 2013 in Kraft. Sie gelten jedoch erst ab dem Tag, an dem das EPGÜ in Kraft tritt, 234 was bisher noch nicht der Fall ist. Gegen das Patent-Paket gab es eine erste Klage von Italien und Spanien, die im April 2013 vom Eu GH abgewiesen wurde. Zwei weitere Klagen von Spanien gegen die o. g. Verordnungen, die im März 2013 beim Eu GH eingereicht wurden, wurden im Mai 2015 abgewiesen 235 . Für das Inkrafttreten des EPGÜ ist in dessen Präambel festgelegt, dass es am 1. Januar 2014 in Kraft treten sollte (was nicht geschah) oder aber am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der 13. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, wobei auch diejenigen von Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich vorliegen müssen (weil es dort im Jahr 2012 die meisten gültigen europäischen Patente gab). Bisher liegen zwar die Ratifikationsurkunden von 16 Staaten (zuletzt von dem Vereinigten Königreich am 26. 04. 2018) vor, es fehlt jedoch insbesondere noch die Ratifikationsurkunde von Deutschland. 236 Im Rahmen der deutschen Ratifizierung bzw. der zugehörigen Umsetzungsgesetzgebung stellt sich die Lage momentan folgendermaßen dar: Im März 2017 stimmten der Bundestag und auch der Bundesrat dem Regierungsentwurf zu. Gegen die Umsetzungsgesetzgebung wurde jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt und im Eilverfahren ein Aussetzungsantrag gestellt. Ein Termin für die Entscheidung im Eilverfahren hat das BV erfG nicht genannt. 237 Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass in einem Referendum des Vereinigten Königsreichs im Juni 2016 eine knappe Mehrheit der Wähler sich für einen Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU -- üblicherweise auch kurz „Brexit“ genannt-- entschieden hat. Die britische Premierministerin leitete den Austrittsprozess gem. Art. 50 EUV am 29. 3. 2017 rechtlich wirksam in die Wege, so dass das Land die EU voraussichtlich am 29. 3. 2019 verlassen werde. Momentan verlaufen die Brexit-Verhandlungen schwierig. Optimistische Meinungen gehen davon aus, dass das Einheitspatent im Laufe des Jahres 2018 starten wird. 238 232 Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht, unterzeichnet am 19. 2. 2013 von 25 Mitgliedsstaaten-- s. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ upc_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 233 S. http: / / ec.europa.eu/ internal_market/ indprop/ patent/ index_de.htm (letzter Abruf 6 / 2018). 234 Genau genommen heißt es in Art. 18 Abs. 2 bzw. Art 7 Abs. 2 jeweils: „Sie (die VO ) gilt ab dem 1. Januar 2014 oder ab dem Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist.“ 235 Eu GH v. 5. 5. 2015, C-146 / 13; Eu GH v. 5. 5. 2015, C-147 / 13. 236 S. http: / / ec.europa.eu/ internal_market/ indprop/ patent/ ratification/ index_de.htm (letzter Abruf 6 / 2018). 237 S. BT -Drucks. 18 / 11 137 v. 13. 2. 2017; BR -Drucks. 202 / 17 v. 10. 3. 2017; BR -Drucks. 202 / 17 (Beschluss) v. 31. 3. 2017; BR -Drucks. 604 / 17 v. 7. 9. 2017; www.cmshs-bloggt.de (letzter Abruf 6 / 2018). 238 S. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent/ start_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 163 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) Ahrens Realistischerweise 239 ist jedoch wohl davon auszugehen, dass das EPGÜ in nächster Zeit nicht Inkrafttreten wird, zumal eine der Abteilungen der Zentralkammer des Gerichts erster Instanz in London sein soll (s. Art. 7 EPGÜ ). Da es somit noch nicht absehbar ist, wann das Einheitspatent zur Anwendung kommt, wird im Folgenden auch nur recht kurz darauf eingegangen. II. Wirkung des Einheitspatents Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten. Das sind diejenigen, die an der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des Einheitspatents teilnehmen. Das Einheitspatent kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen. Es kann im Hinblick auf die Gesamtheit oder einen Teil der Hoheitsgebiete der teilnehmenden Mitgliedsstaaten lizenziert werden (Art. 2, 3 VO 1257 / 2012). III. Verfahren Aufgrund von Art. 9 VO 1257 / 2012 übertragen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten dem EPA im Sinne von Art. 143 EPÜ wesentliche Aufgaben, die es gemäß seinen internen Regeln ausführt. So wird das EPA beispielsweise die Anträge der Patentinhaber auf einheitliche Wirkung verwalten, ist für die Erhebung, Verwaltung und Verteilung der Jahresgebühren zuständig und hat ein Register für die Einheitspatente zu führen, das Rechtsstandsdaten zu Lizenzen, Rechtsübertragungen und Beschränkungen sowie zum Widerruf bzw. Erlöschen von Patenten enthält. Was die Übersetzungsregelungen für das Einheitspatent angeht, wurde beschlossen, die Sprachenregelungen des EPA mit den drei Amtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch zu übernehmen. 240 239 S. Quodbach, IPkompakt, Heft 10 / 2017, wo darauf hingewiesen wird, dass insbesondere die verfassungsrechtlichen Fragen von den meisten Stimmen / Veröffentlichungen als offen betrachtet werden. 240 S. a. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 165 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) Ahrens 4. Kapitel. Der Patentzusammenarbeitsvertrag ( PCT ) Durch den Patentzusammenarbeitsvertrag 241 ( PCT ), ergänzt durch eine Ausführungsordnung ( AOPCT ), 242 wird eine Möglichkeit geschaffen, mit einer einzigen „internationalen“ Anmeldung Schutz für eine Erfindung in vielen Staaten zu sichern. Der PCT führt jedoch-- anders als das EPÜ -- nicht zu einer einheitlichen Patenterteilung. Es wird lediglich ein einheitliches Anmeldeverfahren durchgeführt, einschließlich Veröffentlichung der Anmeldung und einer Recherche. Auf Wunsch des Anmelders ist auch eine unverbindliche Prüfung der Anmeldung bzw. von deren Erfindung möglich. Jedoch ist die verbindliche Prüfung und entsprechende Schutzrechtserteilung den in der Anmeldung benannten Vertragsstaaten vorbehalten. Dem PCT gehören aktuell 152 Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten) an, 243 so auch die Bundesrepublik Deutschland, die in Art. III IntPat ÜG die Schnittstellen zu nationalen Vorschriften geregelt hat. Das EPÜ regelt Schnittstellen zum PCT durch Art. 150 ff. EPÜ . Die PCT -Verfahren werden koordiniert durch die in Genf ansässige Weltorganisation für geistiges Eigentum ( WIPO ), dort konkret durch das Internationale Büro. In diesem Kapitel werden nur die Grundzüge des PCT dargestellt. Wesentliche Schritte des Verfahrens sind auch in Abb. 3 dargestellt. Für ausführliche Informationen sowie aktuelle Regelungen, wird auf die Internetseite der WIPO verwiesen. 244 Das Verfahren nach dem PCT umfasst folgende Phasen, die jeweils die angegebenen Schritte enthalten: ▶ Kapitel I (s. Art. 3-30 PCT ) Einreichung der Anmeldung, Recherche, Veröffentlichung von Anmeldung und Recherchenbericht; ▶ Kapitel II (s. Art. 31-42 PCT ) Auf Antrag findet eine unverbindliche vorläufige internationale Prüfung mit Erstellung eines Gutachtens über Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit statt; ▶ Nationale bzw. regionale Phasen (s. Vorschriften nationaler bzw. regionaler Ämter) Anschließende Verfahren zur Erteilung von Patenten (bzw. Eintragung von Gebrauchsmustern usw.) vor nationalen bzw. regionalen Patentbehörden. 241 Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens, unterzeichnet am 19. 6. 1970, zuletzt geändert am 3. 10. 2001. 242 Ausführungsordnung zum Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens in der ab 1. 7. 2017 geltenden Fassung. 243 S. http: / / www.wipo.int (letzter Aufruf 6 / 2018). 244 Internetseite der WIPO: http: / / www.wipo.int/ pct/ de/ bzw. www.wipo.int/ pct/ en/ appguide (letzter Abruf 6 / 2018). 166 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens § 24 PCT Kapitel I Internationale Anmeldungen zum Schutz von Erfindungen umfassen u. a. solche für Patente und für Gebrauchsmuster 245 (Art. 2 ii) PCT ). Nur derjenige, der die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates oder in einem Vertragsstaat Sitz oder Wohnsitz hat, kann eine solche Anmeldung einreichen (Art. 9 PCT ); 246 und zwar beim nationalen Amt seines Sitzes oder seiner Staatsangehörigkeit, beim Internationalen Büro oder ggf. bei einer zwischenstaatlichen Organisation (Art. 10 PCT i. V. m. R 19.1 a), b) AOPCT ). Somit kann ein Anmelder mit Sitz in Deutschland eine internationale Anmeldung einreichen beim DPMA (national geregelt durch Art. III § 1 IntPat ÜG ), beim EPA (s. Art. 151 EPÜ ) sowie beim Internationalen Büro. Die Einreichung umfasst- - die Erfüllung der notwendigen Formalitäten vorausgesetzt- - grundsätzlich die Bestimmung aller Mitgliedsstaaten, für die der Vertrag am internationalen Anmeldedatum verbindlich ist (Bestimmungsstaaten) und zwar für alle nach PCT dort möglichen Schutzrechtsarten (R 4.9 a) i), ii) AOPCT ). Für diese Bestimmungsstaaten hat die internationale Anmeldung die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung mit dem internationalen Anmeldedatum (Art. 11 Abs. 3 PCT ). Für eine internationale Anmeldung kann die Priorität einer (oder mehrerer) früheren Anmeldung in Anspruch genommen werden, wobei grundsätzlich nach Art. 8 PCT das Prioritätsrecht nach Art. 4 PVÜ gilt. Die internationale Anmeldung kann auch Grundlage für die Inanspruchnahme von Prioritätsrechten sein (Art. 11 Abs. 4 PCT ). Für jede internationale Anmeldung wird gem. Art. 15 PCT eine Recherche zur Ermittlung des einschlägigen SdT durchgeführt und zwar von einer internationalen Recherchebehörde, die ein nationales Amt oder eine zwischenstaatliche Organisation sein kann (Art. 15 ff. PCT ). Für internationale Anmeldungen, die beim DPMA oder beim EPA eingereicht werden, führt das EPA die Recherchen durch (Art. 16 Abs. 2 PCT i. V. m. Art. III § 3 IntPat ÜG 247 bzw. Art. 152 EPÜ ). Auf Grundlage einer solchen Recherche werden ein Recherchenbericht und ein nicht bindender Bescheid zur Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit erstellt (R 43 ff. AOPCT ). Ein Dialog mit dem Anmelder im Rahmen der Erstellung dieses Bescheides erfolgt nicht. Die internationale Anmeldung wird üblicherweise unverzüglich nach Ablauf von 18 Monate nach ihrem Zeitrang (Anmeldebzw. frühester Prioritätstag) veröffentlicht. Mögliche Veröffentlichungssprachen der Anmeldung sind, abhängig von der Sprache bei ihrer Einreichung, deutsch, englisch, französisch (also die EPA -Amtssprachen) sowie arabisch, chinesisch, japanisch, koreanisch, portugiesisch, russisch oder spanisch. Der Recherchenbericht wird-- in der Veröffentlichungssprache und auch in englischer Sprache-- zusammen mit der Anmeldung veröffentlicht, sofern er vorliegt; sonst wird er zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Der oben genannte nicht bindende Bescheid hingegen wird nicht veröffentlicht (Art. 21 PCT , R 48 AOPCT ). Er kann dennoch Dritten zur Kenntnis gelangen, jedoch 245 Weitere Schutzrechte sind: Erfinderscheine, Gebrauchszertifikate, Zusatzpatente, Zusatzzertifikate, Zusatzerfinderscheine, Zusatzgebrauchszertifikate. 246 Beachte: Eine solche Begrenzung gibt es nicht im PatG und nicht im EPÜ . 247 Siehe ergänzend Bekanntmachung vom 24. 4. 1978, Bl. f. PMZ 1978, 165. 167 § 25 PCT Kapitel II Ahrens frühestens 30 Monate nach dem Prioritätsdatum im Rahmen einer Einsichtnahme (R 44ter AOPCT ). Nach Art. 29 PCT sind die Schutzwirkungen der internationalen Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung grundsätzlich die gleichen wie bei der Veröffentlichung einer nationalen Anmeldung. Sofern die internationale Anmeldung in deutscher Sprache veröffentlicht wird (und die Bundesrepublik Bestimmungsstaat ist), entsteht somit auch der Entschädigungsanspruch gem. § 33 PatG. Andernfalls ist für einen solchen Anspruch zuvor die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Übersetzung durch das DPMA erforderlich (Art. III § 8 Abs. 1, 2 IntPat ÜG ). Kapitel I endet gem. Art. 22 PCT i. V. m. ergänzenden nationalen Vorschriften frühestens 30 Monate 248 nach dem Zeitrang (Prioritätsdatum). Bis zum 31. März 2002 galt dafür eine 20-Monatsfrist. Im Rahmen dieser Änderung des PCT besteht die Möglichkeit, dass Vertragsstaaten bzw. deren Ämter einen Vorbehalt gegen die neue 30-Monatsfrist erklären. Davon haben z. Zt. noch 3 Staaten Gebrauch gemacht. Für diese Staaten endet Kapitel I nach 20 bzw. 21 Monaten. 249 Für die übrigen Bestimmungsstaaten ist das Ende von Kapitel I gleichzeitig auch das Ende des PCT -Verfahrens. Danach können dort nationale bzw. regionale Phasen eingeleitet werden, indem die hierfür notwendigen Formalitäten und Gebührenzahlungen rechtzeitig erledigt werden. Für die Bestimmungsstaaten, die den genannten Vorbehalt erklärt haben, endet das PCT - Verfahren nach 20 bzw. 21 Monaten nur dann, wenn nicht bis zum Ablauf von 19 Monaten nach dem Prioritätsdatum ein Antrag auf vorläufige internationale Prüfung gestellt und somit Kapitel II (s. u.) eingeleitet wird. § 25 PCT Kapitel II Der Anmelder kann eine vorläufige internationale Prüfung betreffend Neuheit, 250 erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit beantragen (Art. 31 ff. PCT ), wodurch das sog. Kapitel II für vom Anmelder ausgewählte Staaten eingeleitet wird. Die Frist dafür beträgt (außer bei den oben in § 24 genannten 3 Staaten) maximal 22 Monate ab dem Zeitrang oder 3 Monate nachdem der Anmelder den Recherchenbericht und den nicht bindenden Bescheid (aus Kapitel I) erhalten hat, je nachdem welche Frist später abläuft (R 54 bis AOPCT ). Für internationale Anmeldungen, die beim DPMA oder beim EPA eingereicht wurden, ist das EPA internationale Prüfungsbehörde. Das Prüfungsverfahren ermöglicht dem Anmelder, die Unterlagen der Anmeldung anzupassen und mit der Prüfungsbehörde zu verkehren (Art. 34 Abs. 2 PCT ). Das ist besonders in den Fällen entscheidend, in denen ein negativer Bescheid (nach Kapitel I) erstellt wurde 248 Das EPA gewährt dafür eine Frist von 31 Monaten (R 159 AOEPÜ ). 249 Tansania (21 Mon.), Uganda (21 Mon.), sowie Luxemburg (20 Mon.), für das jedoch im Rahmen von EURO - PCT Verfahren die 30 / 31-Monatsfrist gilt (s. u. § 26). 250 Der dafür berücksichtigte SdT umfasst nur schriftliche Offenbarungen (R 64.1 AOPCT ). 168 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens und der Anmelder der Meinung ist, das Prüfungsverfahren könnte zu einem positiven Ergebnis führen. Kapitel II endet üblicherweise 30 Monate 251 nach dem Zeitrang der Anmeldung (Art. 39 Abs. 1 PCT ) und kann analog zu Kapitel I zu nationalen / regionalen Phasen in den ausgewählten Staaten führen, sofern die notwendigen Formalitäten rechtzeitig eingeleitet werden. § 26 Nationale und regionale Verfahren Für die Erteilung von Patenten bzw. Eintragung von Gebrauchsmustern (oder sonstiger nach PCT vorgesehenen Rechte; s. o. § 24) auf Grundlage der internationalen Anmeldung sind die weiteren notwendigen Formalitäten (einschließlich Übersetzungen und Gebührenzahlungen) fristgerecht vorzunehmen. Das kann bei nationalen Patentbehörden (wie dem DPMA ), aber auch gem. Art. 45 PCT bei regionalen Patentbehörden (wie dem EPA ) erfolgen. Das DPMA ist Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt, wenn die Bundesrepublik Deutschland für ein Patent und / oder für ein Gebrauchsmuster Bestimmungsstaat (Kapitel I) bzw. ausgewählter Staat (Kapitel II ) ist (Art. II § 4 bzw. § 6 IntPat ÜG ). Zur Erteilung eines nationalen Patentes sind die Bestimmungen des PatG bzw. für die Eintragung eines Gebrauchsmusters sind diejenigen des Gebrauchsmustergesetzes anzuwenden. Das gilt auch für weiterführende Verfahren, wie insbesondere für Einspruchs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren bzw. Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren (s. u. 5. Kapitel) und dergleichen. Analog gilt das für die Fälle, bei denen das EPA Bestimmungsamt bzw. ausgewähltes Amt ist (Art. 153 EPÜ ). Die wirksame Einleitung einer regionalen Phase über das EPA führt zum sog. EURO - PCT Verfahren, in dem die Regelungen des EPÜ anzuwenden sind. Im Falle einer Patenterteilung durch das EPA ist eine anschließende Nationalisierung für die EPÜ - Bestimmungsstaaten einzuleiten, in denen das Patent Wirkung erlangen soll (s. o. 3. Kapitel). 251 Das EPA gewährt dafür eine Frist von 31 Monaten (R 159 AOEPÜ ). 169 § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt Ahrens 5. Kapitel. Gebrauchsmusterrecht Das Gebrauchsmuster, dessen gesetzliche Grundlage das geltende Gebr MG 252 ist, wird häufig als kleiner Bruder des Patents bezeichnet, da auch hiermit technische Erfindungen geschützt werden können, die neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sind. Es gibt also zwischen beiden Schutzrechtsarten viele Übereinstimmungen, jedoch auch deutliche Unterschiede. So z. B. bereits in der Definition von dem, was neu und erfinderisch ist, sowie in der Laufzeit (Schutzdauer), die bei einem Gebrauchsmuster maximal 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Gebr MG ). Aufgrund des deutlich reduzierten Aufwandes bei dem Prüfungsverfahren zur Eintragung eines Gebrauchsmusters soll es vor allem Einzelerfindern sowie kleinen und mittleren Unternehmen schnell und kostengünstig ein leicht zu handhabendes Schutzrecht für ihre Alltagserfindungen zur Verfügung stellen. 253 In diesem Kapitel wird auf die Besonderheiten des Gebrauchsmusters und auf die wesentlichen Unterschiede zum Patent eingegangen. § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 Gebr MG ). Zur gewerblichen Anwendbarkeit wird auf die Erläuterungen zum Patentrecht verwiesen und es wird hier nicht weiter darauf eingegangen. I. Gebrauchsmusterfähige Erfindungen Unter Erfindungen werden-- wie auch im Patentrecht-- solche verstanden, die Technizität, also einen technischen Charakter aufweisen. Es können Erzeugnisse, Vorrichtungen, (elektrische, hydraulische) Schaltungen, Stoffe und dergleichen geschützt werden, jedoch keine Verfahren § 2 Nr. 3 Gebr MG ) und keine biotechnologischen Erfindungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 Gebr MG ). Somit sind also keine Ansprüche schutzfähig, die Herstellungsverfahren (wie Schweißen) oder Arbeitsverfahren (wie Messen) betreffen (zu Verfahrensansprüchen siehe auch oben § 16 II .). Dagegen sind Vorrichtungen schutzfähig, die derartige Verfahren ausführen, wie Schweißanlagen oder Messgeräte. Da auch Erzeugnisse schutzfähig sind und der Schutz entsprechender Gebrauchsmuster u. a. auch deren Herstellung umfasst (§ 11 Abs. 1 Gebr MG ), kann ein Gebrauchsmusterinhaber auf diese Weise auch gegen die Anwendung jedes Herstellungsverfahrens vorgehen, soweit sie zu dem geschützten Erzeugnis führt. 254 252 Gebrauchsmustergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. 8. 1986, zuletzt geändert durch Gesetz v. 17. 7. 2017 ( BGB l. I, S. 2541). 253 Begründung zum Gebr MG v. 28. 8. 1986; BT -Drucks. 10 / 3903, S. 16. 254 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 192. 170 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Somit kann also mittelbar Schutz für das Herstellungsverfahren erreicht werden. 255 Die Verwendung eines an sich bekannten Stoffes für ein Arzneimittel zur therapeutischen und präventiven Behandlung von Erkrankungen ist kein Verfahren i. S. v. § 2 Nr. 3 Gebr MG und somit gebrauchsmusterfähig, 256 obwohl Verwendungsansprüche sonst üblicherweise als eine Erscheinungsform des Verfahrensanspruchs gesehen werden. 257 II. Neuheit und Stand der Technik Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Gebr MG gilt der Gegenstand eines Gebrauchsmusters als neu, wenn er nicht zum SdT gehört. Trotz des analogen Wortlauts zu § 3 Abs. 1 S. 1 PatG ist der Neuheitsbegriff nach Gebr MG anders definiert als im Patentrecht, da die Definition des SdT anders ist. Außerdem gibt es Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Prioritäten. 1. Stand der Technik (SdT) Während im Patentrecht grundsätzlich 258 jede Veröffentlichung vor dem Zeitrang der Anmeldung zum SdT zählt und somit schädlich ist (siehe oben § 9 I. 1.), gilt dies nach Gebrauchsmustergesetz nur beschränkt, denn: ▶ eine bloß mündliche Erläuterung gehört nicht zum SdT; stattdessen wird eine schriftliche Beschreibung gefordert, die der Öffentlichkeit zugänglich sein muss; ▶ nur im Inland der Öffentlichkeit zugängliche Benutzungshandlungen werden dem SdT zugerechnet; eine Benutzung im Ausland hingegen ist nicht relevant; ▶ öffentliche Beschreibungen oder Benutzungen, die auf dem Anmelder oder seinem Rechtsnachfolger beruhen, gehören nicht zum SdT, wenn sie 6 Monate vor dem Zeitrang (Anmelde- oder Prioritätstag) der Gebrauchsmusteranmeldung erfolgen. Diese Neuheitsschonfrist bezieht sich also nicht zwangsläufig auf den Anmeldetag (wie beim offensichtlichen Missbrauch bzw. dem Ausstellungsschutz nach § 3 Abs. 4 PatG), sondern kann auch einen eventuellen Prioritätstag berücksichtigen; ▶ ältere Anmeldungen (also vorher angemeldet, jedoch nach dem Zeitrang des zu prüfenden Gebrauchsmusters veröffentlicht) gehören, anders als im Patentrecht (§ 3 Abs. 2 PatG), nicht zum SdT. Zu berücksichtigen ist aber das Verbot des Doppelschutzes nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Gebr MG . Danach besteht ein Löschungsanspruch, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters bereits aufgrund einer früheren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung geschützt worden ist. 255 Benkard / Goebel / Engel, Gebr MG , § 2 Rdn. 13. 256 BGH GRUR 2006, 135 „Arzneimittelgebrauchsmuster“. 257 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 45. 258 Ausnahmen s. § 3 Abs. 4 PatG. 171 § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen Ahrens 2. Priorität Analog zum Patent kann für ein Gebrauchsmuster gem. § 6 Gebr MG eine innere Priorität und auch eine Auslandspriorität in Anspruch genommen werden (siehe auch oben § 12 II . 2.). Zusätzlich ist auch die Inanspruchnahme einer Ausstellungspriorität nach § 6a Gebr MG möglich. Das bedeutet, dass eine Zurschaustellung auf einer nach § 6a Abs. 2, 3 Gebr MG zugelassenen Ausstellung den Zeitrang des Gebrauchsmusters festlegen kann, sofern eine entsprechende Anmeldung innerhalb von 6 Monaten eingereicht und die nötigen Formalitäten eingehalten werden. III. Erfinderischer Schritt Auch nach Gebrauchsmusterrecht ist eine gewisse Erfindungsqualität Voraussetzung, so dass nicht Erfindungen geschützt werden dürfen, die auf rein handwerkliches Können zurückzuführen sind. Durch den Begriff „erfinderischer Schritt“, der im Gebr MG nicht definiert ist, 259 sollte lt. Gesetzesbegründung 260 das im Verhältnis zum Patent geringere Maß an notwendiger erfinderischer Leistung zum Ausdruck gebracht werden. Durch den BGH 261 wurde jedoch entschieden, dass bei der Beurteilung des erfinderischen Schritts auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zur erfinderischen Tätigkeit-- jedoch unter Berücksichtigung des unterschiedlich definierten SdT-- zurückgegriffen werden kann. § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen I. Gebrauchsmusteranmeldung und Abzweigung Um Gebrauchsmusterschutz nach § 11 Gebr MG zu erlangen, kann eine entsprechende Anmeldung nach §§ 4, 4a Gebr MG eingereicht werden. Eine Besonderheit des Gebrauchsmusterrechts besteht darin, dass eine solche Anmeldung auch durch Abzweigung von einer dieselbe Erfindung betreffenden Patentanmeldung bewirkt werden kann (§ 5 Gebr MG ), die Wirkung für das Inland hat. Dazu gehören nationale (nach PatG), europäische (nach EPÜ ) mit Benennung der Bundesrepublik und internationale (nach PCT ) Patentanmeldungen, bei denen das DPMA oder das EPA (mit Benennung der Bundesrepublik) 262 Bestimmungsamt ist. Die Abzweigung ist möglich bis zum Ablauf von 2 Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Patentanmeldung erledigt ist oder ein etwaiges Einspruchsverfahren abgeschlossen ist, jedoch längstens bis zum Ablauf von 10 Jahren nach dem Anmeldetag der Patentanmeldung. Als erledigt gilt eine Patentanmeldung dann, wenn sie rechtskräftig zurückgewiesen oder zurückgenommen wurde oder durch rechtskräftigen Beschluss ein Patent darauf erteilt wurde (das ist zeitlich zu unterscheiden von der Veröffentlichung der Erteilung im Patent- 259 Anders „erfinderische Tätigkeit“, die gem. § 4 PatG definiert ist. 260 BT -Drucks. 10 / 3903, S. 18. 261 BGH GRUR 2006, 842 „Demonstrationsschrank“. 262 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 195. 172 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens blatt). 263 Durch die Abzweigung wird der Gebrauchsmusteranmeldung der Anmeldetag und ggf. der Prioritätstag der Patentanmeldung zugerechnet. II. Recherche, Prüfung und Veröffentlichung Auf Antrag führt das DPMA eine Recherche durch und ermittelt den SdT, der für die Beurteilung der Schutzfähigkeit relevant sein kann (§ 7 Gebr MG ). Dieser Antrag kann vom Gebrauchsmusteranmelder bzw. -inhaber oder von einem Dritten gestellt werden. Das DPMA prüft eine Gebrauchsmusteranmeldung gem. § 8 Gebr MG auf die Anforderungen nach §§ 4, 4a, 4b Gebr MG . Das beinhaltet im Wesentlichen eine Prüfung auf Formerfordernisse. 264 Zusätzlich werden auch bestimmte materielle Schutzvoraussetzungen geprüft, wie insbesondere das Vorliegen einer technischen Erfindung, sowie ob die Anmeldung einen an sich ausgeschlossenen Gegenstand, wie Pflanzensorten, Tierarten oder ein Verfahren, betrifft. Eine Prüfung auf Neuheit, erfinderischen Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit findet jedoch nicht statt (§ 8 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ). Nach erfolgreichem Abschluss dieser Prüfung wird das Gebrauchsmuster eingetragen. Erst dadurch wird die Erfindung im Rahmen des Verfahrens veröffentlicht. Das heißt, eine Offenlegung der Anmeldung vor Gebrauchsmuster- Eintragung analog § 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG erfolgt nicht. III. Wirkungen des Gebrauchsmusters Ähnlich wie ein Patent (s. o. § 15) wirkt ein Gebrauchsmuster in unterschiedlichen „Dimensionen“, nämlich räumlich, zeitlich und durch den inhaltlichen Schutzbereich. Die räumliche Wirkung umfasst das gesamte Bundesgebiet. Die (maximale) Schutzdauer nach § 23 Gebr MG beträgt jedoch lediglich 10 Jahre ab dem Anmeldetag (also nicht ab einem eventuellen Prioritätstag). Dieser Zeitraum unterteilt sich nach § 23 Abs. 2 Gebr MG in 4 Abschnitte, nämlich 3+3+2+2-= 10 Jahre. Die ersten drei Jahre sind mit der Anmeldegebühr bezahlt. Für die letzten drei Abschnitte ist jeweils eine Aufrechterhaltungsgebühr zu zahlen. Die Schutzdauer ist zu unterscheiden von der Dauer der Schutzwirkung, die erst nach Eintragung gem. § 11 Gebr MG eintritt. Ein Entschädigungsanspruch vor Eintragung ist nicht vorgesehen (anders bei Patentanmeldungen; s. § 33 PatG) Der Schutzbereich wird bestimmt nach § 12a Gebr MG , der quasi wortgleich mit § 14 PatG ist. Ein Gebrauchsmuster unterliegt deshalb denselben Grundsätzen zur Auslegung wie ein Patent. 265 Da Verfahren und biotechnologische Erfindungen nicht gebrauchsmusterfähig sind, ist der mögliche Schutzbereich jedoch in dieser Hinsicht entsprechend eingeschränkter als bei einem Patent. 263 Benkard / Goebel / Engel, Gebr MG , § 5 Rdn. 13. 264 Eine solche Prüfung unterscheidet sich von der nach § 42 PatG auch dadurch, dass sie auch nicht-offensichtliche Punkte berücksichtigt-- Kraßer / Ann, Patentrecht, § 25 Rdn. 249. 265 BGH GRUR 2005, 754 „Knickschutz“. 173 § 29 Löschung Ahrens § 29 Löschung Jedermann hat gegen den als Inhaber Eingetragenen Anspruch auf Löschung des Gebrauchsmusters, wenn einer der in § 15 Abs. 1 Gebr MG genannten Gründe vorliegt. Die Löschung ist nach § 16 Gebr MG schriftlich beim DPMA zu beantragen und es sind dabei die Tatsachen anzugeben, auf denen sich der Antrag stützt. Das DPMA teilt dem Inhaber den Antrag mit und fordert ihn auf, sich dazu innerhalb eines Monats zu erklären. Widerspricht er nicht rechtzeitig, erfolgt die Löschung. Andernfalls wird das Löschungsverfahren gem. § 17 Gebr MG durchgeführt. Eine Löschung beseitigt das Gebrauchsmuster-- teilweise oder vollständig-- rückwirkend (ex tunc). § 30 Beschwerde Gegen die Beschlüsse des DPMA findet die Beschwerde an das BP atG statt (§ 18 Abs. 1 Gebr MG ). Gegen Beschlüsse des Beschwerdesenats des BP atG kann nach § 18 Abs. 4 Gebr MG auch die Rechtsbeschwerde an den BGH stattfinden. 175 § 31 Anwendungsbereiche des ArbEG Ahrens 6. Kapitel. Arbeitnehmererfinderrecht Schätzungen zufolge basieren 80-90 % aller im Inland eingereichten Patentanmeldungen auf Erfindungen, die von Arbeitnehmern gemacht wurden. 266 Einerseits steht nach § 6 S. 1 PatG grundsätzlich dem Erfinder das Recht auf das Patent zu. Andererseits besteht der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass Arbeitsergebnisse dem Arbeitgeber zustehen. Dieser Konflikt wird durch das Arb EG (auch ArbnErfG genannt) 267 gelöst, das somit als Kollisionsnorm zwischen den arbeitsrechtlichen Grundsätzen und den Grundsätzen des allgemeinen Erfinderrechts konzipiert ist. Es ist außerdem als ein dem Arbeitsrecht zuzuordnendes Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmererfinders anzusehen. 268 In dem Arb EG sind insbesondere die Anwendungsbereiche (persönlich, sachlich), die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und die Vergütungsansprüche geregelt, für deren Bemessung ergänzend auch die Richtlinien 269 zu berücksichtigen sind, die nach § 11 Arb EG vom Bundesminister für Arbeit (und Sozialordnung) erlassen wurden. § 31 Anwendungsbereiche des Arb EG Nach § 1 Arb EG unterliegen dem Gesetz die Erfindungen und technischen Verbesserungsvorschläge von Arbeitnehmern im privaten und öffentlichen Dienst sowie von Beamten und Soldaten. I. Persönlicher Anwendungsbereich Die Vorschriften, die die Arbeitnehmer im privaten Dienst betreffen, bilden die Basis. Darauf aufbauend werden Besonderheiten für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sowie für Beamte und Soldaten in den §§ 40 ff. Arb EG geregelt. Arbeitnehmer gem. Arb EG ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen (d. h. in persönlich abhängiger Stellung) zur Arbeit verpflichtet ist 270 und dessen Arbeitsverhältnis deutschem Recht untersteht. 271 Darunter fallen sowohl 266 Bartenbach / Volz, Arb EG , Einleitung Rdn. 2. 267 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen v. 25. 7. 1957 ( BGB l. I, S. 756), zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 10. 2009 durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts v. 31. 7. 2009. Anm: Für Erfindungen und techn. Verbesserungsvorschläge, die vor dem 1. 10. 2009 gemeldet wurden, s. u. § 34 II . 268 Bartenbach / Volz, Arb EG , Einl. Rdn. 3. 269 „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst“ v. 20. 7. 1959, dazu Änderungsrichtlinie vom 1. 9. 1983 (s. GRUR 1984, 11), die gem. „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im öffentlichen Dienst“ vom 1. 12. 1960 entsprechend auf Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sowie auf Beamte und Soldaten anzuwenden sind. 270 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 34. 271 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 28. 176 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Arbeiter als auch Angestellte einschließlich Auszubildender, Praktikanten und leitende Angestellte. Arbeitnehmer in diesem Sinne sind jedoch nicht: 272 ▶ Organe juristischer Personen oder deren Mitglieder mangels arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit, wie Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer; ▶ Pensionäre sowie ▶ Freie Mitarbeiter. Für Erfindungen von Beschäftigten an einer Hochschule gelten besondere Bedingungen, die sich aus § 42 Arb EG ergeben. Der Begriff der Hochschule bestimmt sich nach § 1 Hochschulrahmengesetz und umfasst Universitäten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen usw. Beschäftigte sind alle dortigen Bediensteten, wie Arbeiter, Angestellte und Beamte, sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in der allgemeinen Verwaltung, und auch wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte usw. Nicht einbezogen sind jedoch solche Personen, bei denen ein Beschäftigungsverhältnis fehlt, wie bei Studenten, Gastdozenten und Lehrbeauftragten. 273 II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Erfindungen, Verbesserungsvorschläge Das Arb EG ist anwendbar auf: ▶ Erfindungen, sofern diese patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 2 Arb EG ); ▶ solche technischen Verbesserungsvorschläge, die zwar nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, jedoch dem Arbeitgeber eine ähnliche Vorzugsstellung gewähren, wie ein gewerbliches Schutzrecht (oft bezeichnet als „qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge“). Ansonsten bleibt die Behandlung von technischen Verbesserungsvorschlägen der Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung überlassen (s. §§ 3, 20 Arb EG ). Da qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge in der Praxis kaum eine Rolle spielen und sonstige technische Verbesserungsvorschläge nicht unter das Arb EG fallen, soll hier darauf nicht weiter eingegangen werden. Nicht unter das Arb EG fallen somit also Neuerungen, die keine Technizität aufweisen, wie insbesondere Softwareprogramme und ästhetisches Design. Dafür können ggf. die Regelungen des UrhG gelten. 2. Diensterfindungen, freie Erfindungen Erfindungen im Sinne des Arb EG können Diensterfindungen oder freie Erfindungen sein (§ 4 Arb EG ). Diensterfindungen sind solche, die: 272 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 1 Rdn. 18 ff. m. w. Beispielen. 273 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 42nF Rdn. 10 ff, 17 ff. 177 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung Ahrens ▶ während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht werden und ▶ aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder ▶ maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes (oder der öffentlichen Verwaltung) beruhen. Sonstige Erfindungen sind freie Erfindungen (s. u. § 33). Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses sind rechtlicher Beginn und Beendigung entscheidend (z. B. vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2017). Ob die Erfindung in der Arbeitszeit oder während Urlaub, Krankheit, Freistellung oder dergleichen gemacht (also fertig gestellt) wurde, ist nicht entscheidend. Zur Klärung der Frage, ob eine Erfindung aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden ist, kommt es auf dessen Aufgabenbereich sowie auf den ihm tatsächlich zugewiesenen (konkreten) Arbeits- und Pflichtenkreis an. 274 Auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht eine Erfindung, wenn der Arbeitnehmer Kenntnisse, die ihm im Unternehmen zugänglich geworden sind, für die erfinderische Problemlösung verwertet. Unter Erfahrungen ist das gesamte im Unternehmen vorhandene Wissen auf technischem Gebiet zu verstehen, wie Produktionsabläufe, Rezepturen, „praktische Kniffe“ usw., gleichgültig ob dieser Wissensstand schriftlich oder auf sonstigen Informationsträgern fixiert wurde oder ob es sich um Kenntnisse der Mitarbeiter handelt. 275 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung I. Erfindungsmeldung Ein Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat, hat diese dem Arbeitgeber gesondert unter Berücksichtigung bestimmter Formerfordernisse zu melden. Dabei ist es wesentlich, dass der Arbeitgeber eine Diensterfindung von einem üblichen Arbeitsergebnis unterscheiden kann. Eine derartige Erfindungsmeldung hat unverzüglich (also gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“) und in Textform (gem. § 126b BGB ) zu erfolgen und es ist kenntlich zu machen, dass es sich um die Meldung einer Erfindung handelt (§ 5 Abs. 1 Arb EG ). Die seit 1. Oktober 2009 geltende Textform erlaubt nun die Verkörperung der Erklärung nicht nur auf Papier, sondern insbesondere auch auf Diskette, CD - ROM , als Email oder Computerfax. Dem Lesbarkeitserfordernis ist bereits Genüge getan, wenn der Empfänger den Text auf seinem Bildschirm lesen kann. Die Person des Erklärenden muss genannt werden. Außerdem muss der Text den Abschluss der Erklärung in geeigneter Weise erkennbar machen. Dies kann durch eine Unterschrift geschehen; ausreichend ist aber auch ein Abschluss durch eine Datierung, durch eine Grußformel oder in sonstiger Weise. 276 274 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 4 Rdn. 22 ff. 275 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 4 Rdn. 39 ff. 276 Begründung d. Entw. eines Gesetzes zur Vereinfachung u. Modernisierung des Patentrechts, BT-Drucks. 16 / 11 339, S. 32. 178 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Inhaltlich sind gem. § 5 Abs. 2 Arb EG in der Erfindungsmeldung die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung zu beschreiben. Nach dieser Norm sollen außerdem weitere Unterlagen und Angaben enthalten sein. Dazu gehören insbesondere vorhandene Aufzeichnungen, die für das Verständnis der Erfindung erforderlich sind, und Informationen zur Bestimmung des persönlichen Anteilsfaktors (s. u. III .) des Arbeitnehmers an der Erfindung. Sind mehrere Arbeitnehmer an dem Zustandekommen der Erfindung beteiligt, so können sie die Meldung gemeinsam abgeben und sollen dabei angeben, wer welchen Miterfinderanteil hat. Der Arbeitgeber hat den Zeitpunkt des Eingangs der Erfindungsmeldung unverzüglich in Textform zu bestätigen (§ 5 Abs. 1). Entspricht diese nicht den Anforderungen von § 5 Abs. 2 Arb EG , gilt sie dennoch als ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb von zwei Monaten erklärt, dass und in welcher Hinsicht die Meldung einer Ergänzung bedarf (§ 5 Abs. 3 Arb EG ). II. Inanspruchnahme und deren Wirkung 1. Inanspruchnahme Um Rechte an einer Diensterfindung zu erlangen, muss der Arbeitgeber diese in Anspruch nehmen. Das kann durch eine ausdrückliche formlose Erklärung erfolgen oder aufgrund der gesetzlichen Fiktion nach § 6 Abs. 2 Arb EG , wonach die Inanspruchnahme als erklärt gilt, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung nicht bis zum Ablauf von vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung gegenüber dem Arbeitnehmer durch Erklärung in Textform freigibt. Damit wird die Inanspruchnahme zur Regel und die Freigabe zur ausdrücklich zu erklärenden Ausnahme, für die Formzwang besteht. 277 2. Wirkung der Inanspruchnahme Mit Inanspruchnahme gehen gem. § 7 Abs. 1 Arb EG alle vermögenswerten 278 Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über. Diese Rechtswirkungen treten unmittelbar ein, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf. Der Arbeitgeber ist nun also alleiniger Berechtigter und kann-- ohne jedoch dazu verpflichtet zu sein 279 -- die Rechte an der Erfindung in allen Benutzungsarten, z. B. des § 9 PatG, selbst nutzen und auch hieran Lizenzen vergeben. Sind an der Erfindung mehrere Arbeitnehmer beteiligt, so ist für einen vollständigen Rechtsübergang die ausdrückliche oder die per gesetzlicher Fiktion bewirkte Inanspruchnahme gegenüber jedem Miterfinder notwendig. Sind Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber beteiligt, so hat der jeweilige Arbeitgeber die Inanspruchnahme gegenüber seinem Arbeitnehmererfinder ausdrücklich oder per gesetzlicher Fiktion zu erklären. 277 Begründung d. Entw. eines Gesetzes zur Vereinfachung u. Modernisierung des Patentrechts, BT-Drucks. 16 / 11 339, S. 33. 278 Insbesondere das Erfinderpersönlichkeitsrecht verbleibt beim Arbeitnehmererfinder. 279 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 7nF Rdn. 21. 179 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung Ahrens Nach § 13 Abs. 1 Arb EG ist der Arbeitgeber allein berechtigt für eine Diensterfindung eine Schutzrechtsanmeldung (zum Patent oder Gebrauchsmuster) für das Inland 280 einzureichen. Er ist dazu sogar auch verpflichtet, sofern nicht eine Ausnahme gem. § 13 Abs. 2 Arb EG (freigewordene Diensterfindung, Zustimmung des Arbeitnehmers, Betriebsgeheimnis) vorliegt. Der Arbeitgeber ist außerdem berechtigt, Auslandsschutzrechte für die Diensterfindung einzureichen. Für ausländische Staaten, in denen der Arbeitgeber Schutzrechte nicht erwerben will, hat er dem Arbeitnehmer die Diensterfindung freizugeben. Dabei kann sich der Arbeitgeber gleichzeitig ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Diensterfindung in den betreffenden Staaten gegen angemessene Vergütung vorbehalten (§ 14 Arb EG ). Wenn der Arbeitgeber vor Erfüllung des Anspruchs auf angemessene Vergütung (s. u.) die Schutzrechtsanmeldung nicht weiter verfolgen oder das Schutzrecht nicht aufrechterhalten will, sei es im Inland oder im Ausland, 281 hat er dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen und ihm auf dessen Verlangen und Kosten das Recht zu übertragen sowie die erforderlichen Unterlagen auszuhändigen. Dazu ist der Arbeitgeber jedoch nur dann verpflichtet, wenn der Anspruch auf angemessene Erfindervergütung (s. u.) noch nicht erfüllt ist (s. § 16 Abs. 1 Arb EG ). 3. Freigewordene Diensterfindung Die Diensterfindung wird gem. § 8 S. 1 Arb EG frei, wenn der Arbeitgeber sie durch Erklärung in Textform frei gibt. Eine derart frei gewordene Erfindung ist von einer freien Erfindung (als Gegensatz zu einer Diensterfindung) zu unterscheiden, da nach § 8 S. 2 Arb EG nur für letztere die Mitteilungspflicht und die Anbietungspflicht (nach § 18 bzw. § 19 Arb EG ) gelten. III. Erfindervergütung Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch genommen hat (§ 9 Abs. 1 Arb EG ). Dieser Anspruch entsteht zunächst nur dem Grunde nach. Er bedarf also noch einer Konkretisierung nach den Kriterien von § 9 Abs. 2 Arb EG , 282 nämlich: ▶ wirtschaftliche Verwertbarkeit; ▶ Aufgaben und Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb; ▶ Anteil des Betriebs am Zustandekommen der Diensterfindung. Zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung wurden die bereits erwähnten Richtlinien nach § 11 Arb EG erlassen. Diese sind jedoch keine verbindlichen Vorschriften, sondern geben nur Anhaltspunkte für die Vergütung. 283 280 Das ist auch bewirkt durch eine europäische Patentanmeldung mit Benennung bzw. durch eine PCT Anmeldung mit Bestimmung der Bundesrepublik Deutschland; vgl. Bartenbach / Volz, Arb EG , § 13 Rdn. 27, 28. 281 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 16 Rdn. 7. 282 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 19. 283 Siehe Einleitung der o. g. Richtlinien v. 20. 7. 1959. 180 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Maßgeblich für die wirtschaftliche Verwertbarkeit sind: 284 ▶ der geldwerte Nutzen, der auf der Erfindung- - und nicht auf anderen Umständen- - beruht; ▶ die wirtschaftlichen Auswirkungen beim Arbeitgeber (z. B. durch Eigennutzung oder Lizenzeinnahmen). Das heißt, wirtschaftliche Auswirkungen bei Dritten 285 sind nicht maßgeblich. Das kann z. B. bedeutend sein, wenn der Arbeitgeber eine Forschungseinrichtung oder ein Entwicklungsbüro ist und das Forschungs-/ Entwicklungsergebnis an ein drittes Unternehmen mit Serienproduktion übertragen wird. Die Höhe der Erfindervergütung richtet sich in einem solchen Fall danach, welche Gegenleistung dem Arbeitgeber für die Erfindungsrechte gewährt wird. 286 Daraus ergibt sich der Erfindungswert, der bei betrieblich benutzten Erfindungen üblicherweise nach der Lizenzanalogie berechnet wird. 287 Wird die Erfindung nicht betrieblich benutzt, sondern durch Vergabe von Lizenzen verwertet, ergibt sich der Erfindungswert aus der Nettolizenzeinnahme, indem ▶ von tatsächlich erzielten Lizenzeinnahmen des Arbeitgebers seine eigenen Aufwendungen abgezogen werden 288 und sich der daraus ergebende Betrag (Nettolizenzeinnahme) ▶ zusätzlich mit einem Umrechnungsfaktor (ca. 0,3) multipliziert wird, durch den ein „kalkulatorischer Unternehmerlohn“ berücksichtigt wird. 289 Da ein Arbeitnehmererfinder bei der Entstehung der Diensterfindung kein unternehmerisches Risiko zu tragen hat, sieht § 9 Abs. 2 Arb EG noch die oben genannten zusätzlichen Kriterien für die Berechnung der Vergütung vor. In den Vergütungsrichtlinien wird das durch einen persönlichen Anteilsfaktor berücksichtigt, der bestimmt wird durch: a) die Stellung der Aufgabe (welcher Anteil geht auf den Arbeitnehmer zurück und welcher auf den Betrieb; s. a. Nr. 31 der Richtlinien); b) die Lösung der Aufgabe (inwiefern fließen beruflich geläufige Überlegungen des Arbeitnehmers ein, Lösungsfindung auf Grund betrieblicher Arbeiten oder Kenntnisse, welche Unterstützung erfolgte durch den Betrieb; s. a. Nr. 32 der Richtlinien); c) die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb (der Anteil des Arbeitnehmers verringert sich um so mehr, je höher die Leistungserwartung ist; d. h. ein Pförtner erhält weit mehr als ein Entwicklungsleiter; s. a. Nr. 33-36 der Richtlinien). Somit kann die Berechnung der Vergütung (V) aus Erfindungswert (E) und persönlichem Anteilsfaktor (A) in folgender Formel ausgedrückt werden: V-= E x A. Es versteht sich, dass 284 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 2.1 ff. 285 Im Falle einer Konzernverbundenheit s. BGH GRUR 2002, 801 „Abgestuftes Getriebe“. 286 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 197. 287 BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 104 / 09, „antimykotischer Nagellack“ m. w. Nachw. 288 S. Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst, Nr. 14. 289 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 224.1. 181 § 33 Freie Erfindungen Ahrens die einzelnen Faktoren für eine Vergütung immer individuell zu ermitteln sind, wobei eine Vielzahl von betrieblichen und persönlichen Fakten zu berücksichtigen ist. Die Art und die Höhe der Vergütung soll in angemessener Frist nach Inanspruchnahme durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgestellt werden. Kommt eine derartige Vereinbarung in angemessener Frist nicht zustande, so hat der Arbeitgeber die Vergütung durch eine schriftliche Erklärung, die zu begründen ist, an den Arbeitnehmer festzusetzen und diese zu zahlen. Der Arbeitnehmer kann der Festsetzung innerhalb von zwei Monaten schriftlich widersprechen. Tut er das nicht, so wird die Festsetzung für beide Teile verbindlich (s. dazu und zu weiteren Einzelheiten § 12 Arb EG ). Wenn eine Diensterfindung in Anspruch genommen wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmererfinder über den betrieblichen Nutzen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. 290 Jedoch stehen dem Arbeitnehmererfinder Ansprüche auf Auskunft über den gemachten Gewinn sowie über die Gestehungs- und Vertriebskosten üblicherweise nicht zu. 291 Für Erfindungen, die Beschäftigte an einer Hochschule gemacht haben, gelten gem. § 42 Arb EG besondere Bestimmungen. So ist der Erfinder berechtigt, seine Diensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zu offenbaren, wenn er dies dem Dienstherrn rechtzeitig angezeigt hat. Der Hochschul-Erfinder ist außerdem nicht verpflichtet, die Erfindung dem Dienstherrn zu melden, sofern er sie nicht veröffentlichen möchte (Publikationsfreiheit). Außerdem hat der Hochschul-Erfinder einen deutlich höheren Anspruch auf Erfindervergütung aufgrund von § 42 Nr. 4 Arb EG , nämlich pauschal 30 % der durch die Verwertung erzielten Einnahmen. Die für Arbeitnehmer üblicherweise geltenden Bestimmungen nach § 9 Abs. 2 Arb EG , wie wirtschaftliche Verwertbarkeit und persönlicher Anteilsfaktor, gelten somit für Hochschulbeschäftigte nicht. Dabei handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gewollte Ungleichbehandlung, die keinen Einfluss hat auf die Ermittlung der angemessenen Erfindervergütung nach § 9 Abs. 2 Arb EG . 292 § 33 Freie Erfindungen Eine patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindung, die ein Arbeitnehmer gemacht hat, ist eine freie Erfindung, sofern die Voraussetzungen für eine Diensterfindung nicht vorliegen (s. § 4 Abs. 1-3 Arb EG ). Das ist also dann der Fall, wenn: ▶ die Erfindung vor Beginn oder nach Ende des Arbeitsverhältnisses gemacht wurde oder ▶ die Erfindung weder aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeiten entstanden ist noch maßgeblich auf betrieblichen Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht. 290 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 115 mit weiteren Nachweisen. 291 BGH GRUR 2010, 223 „Türinnenverstärkung“. 292 BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 104 / 09, „antimykotischer Nagellack“. 182 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Bei freien Erfindungen, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht wurden, 293 hat der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 i. V. m. § 18 Arb EG gegenüber seinem Arbeitgeber grds. eine Mitteilungspflicht; er hat für solche Erfindungen nach § 19 Arb EG weiterhin eine Anbietungspflicht, wenn die Erfindung zum Zeitpunkt des Angebots in den vorhandenen oder vorbereiteten Arbeitsbereich des Betriebes des Arbeitgebers fällt. Die Mitteilungspflicht dient dem Arbeitgeber festzustellen, ob eine Erfindung als freie oder als Diensterfindung einzustufen ist. Von dieser Pflicht ist der Arbeitnehmer nur befreit, wenn die Erfindung offensichtlich im Arbeitsbereich des Betriebs nicht verwendbar ist. Im Rahmen der Anbietungspflicht ist dem Arbeitgeber mindestens ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung zu angemessenen Bedingungen anzubieten, bevor der Arbeitnehmer eine freie Erfindung während der Dauer des Arbeitsverhältnisses anderweitig verwertet. Außerhalb der Pflichten der §§ 18, 19 Arb EG geht das Arb EG bei freien Erfindungen von der unbeschränkten Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Arbeitnehmers aus. Ergänzend sei jedoch auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber hingewiesen. 294 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften I. Schiedsverfahren und gerichtliche Verfahren Zur Klärung von Streitfällen über Arbeitnehmererfindungen gibt es einerseits die Möglichkeit eines Verfahrens vor der beim DPMA eingerichteten Schiedsstelle (§ 29 Abs. 1 Arb EG ) und andererseits die Möglichkeit von Gerichtsverfahren. Diese finden grundsätzlich (Ausnahmen siehe § 39 Abs. 2 Arb EG ) vor den für Patentstreitsachen zuständigen Gerichten (§ 39 Arb EG ) statt. Ein solches Gerichtsverfahren ist üblicherweise erst möglich, nachdem ein Schiedsverfahren vorausgegangen ist (§ 37 Arb EG ). Die Schiedsstelle, die in allen Streitfällen aufgrund des Arb EG jederzeit durch schriftlichen Antrag angerufen werden kann, hat zu versuchen, eine gütliche Einigung herbeizuführen (§§ 28, 31 Abs. 1 Arb EG ). Sie macht den Beteiligten einen begründeten Einigungsvorschlag, gegen den ein fristgebundener schriftlicher Widerspruch gegeben ist. Sofern keiner der Beteiligten fristgerecht widerspricht, gilt der Einigungsvorschlag als angenommen und eine dem Inhalt des Vorschlags entsprechende Vereinbarung als zustande gekommen (§ 34 Abs. 2, 3 Arb EG ). Das Verfahren vor der Schiedsstelle ist gem. § 35 Abs. 1 Arb EG erfolglos beendet, wenn sich derjenige, der den oben genannten Antrag nicht gestellt hat, nicht fristgerecht zu dem Antrag schriftlich geäußert oder es abgelehnt hat, sich auf das Verfahren vor der Schiedsstelle einzulassen, oder wenn einer der Beteiligten wirksam dem Einigungsvorschlag widerspricht. 293 Die Beschränkung „während der Dauer des Arbeitsverhältnisses“ ergibt sich bei § 18 aus dem Wortlaut und bei § 19 aus Bartenbach / Volz, Arb EG , § 19 Rdn. 7. 294 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 18 Rdn. 5. 183 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften Ahrens II. Übergangsvorschriften Die aktuellen Bestimmungen des Arb EG gelten seit dem 1. Oktober 2009. Nach der Übergangsvorschrift (§ 43 Abs. 3 Arb EG ) sind für Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge, die bis zum 30. September 2009 gemeldet wurden, weiterhin die damaligen Regelungen anzuwenden. Dazu gehört insbesondere: ▶ bei der Inanspruchnahme wurde unterschieden zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Inanspruchnahme. Die heutige „Inanspruchnahme“ entspricht der damaligen „unbeschränkten Inanspruchnahme“. Die beschränkte Inanspruchnahme unterschied sich hauptsächlich dadurch, dass der Arbeitgeber lediglich ein nicht-ausschließliches Benutzungsrecht an der Erfindung erwarb, vergleichbar mit einer einfachen Lizenz. Im Übrigen wurde die Diensterfindung frei. In der Praxis wurde davon jedoch selten Gebrauch gemacht; ▶ die Inanspruchnahme musste früher schriftlich innerhalb von vier Monaten gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen. Es galt seinerzeit also nicht die gesetzliche Fiktion der Inanspruchnahme ohne weiteres Zutun; ▶ anstelle der heute erforderlichen Textform (nach § 126b BGB ) galt für die entsprechenden Vorschriften früher die Schriftform nach (§ 126 Abs. 1 BGB ), die eine eigenhändige Unterschrift erfordert; ▶ die Regelungen bei einer Insolvenz des Arbeitgebers wurden geändert und zwar insbesondere bzgl. der Anbietungspflicht des Insolvenzverwalters (§ 27 Nr. 3 Arb EG ). Früher galt stattdessen ein Vorkaufsrecht des Arbeitnehmers. Nach den entsprechenden Regelungen in §§ 469 ff. BGB musste der Insolvenzverwalter zunächst mit einem dritten Kaufinteressenten einen Vertrag schließen. Erst nach Mitteilung dieses Vertrags war es früher für den Arbeitnehmer möglich, sein Vorkaufsrecht durch Abschluss eines neuen, selbständigen Kaufvertrags mit dem Insolvenzverwalter zu begründen. Diese Handhabung hat sich in der Praxis als zu langwierig und schwerfällig erwiesen. 295 295 Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BT -Drucks. 16 / 11 339, S. 34 f. 184 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Abb. 3: Übersicht DE -, EP -, PCT -Verfahren Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten 187 § 35 Halbleiterschutz Pierson § 35 Halbleiterschutz Wie bereits im einführenden Überblick erwähnt (s. o. § 2, IV ., 1.), handelt es sich beim Halbleiterschutzgesetz ( HLS chG) aus dem Jahre 1987 um das jüngste eigenständige Sondergesetz des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte in Umsetzung der EG -Richtlinie über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen. 1 I. Einordnung und Zweck Beim Halbleiterschutz handelt es sich um einen sog. sui generis Schutz, der Elemente des Urheberrechtsschutzes mit solchen gewerblicher Schutzrechte verbindet. Verkürzt handelt es sich um den Schutz eines technischen Erzeugnisses (Halbleiterchip), wobei der Schutz allerdings nicht durch den Inhalt der technischen Problemlösung, sondern durch das sog. Layout- Design der Topographie- - die konkrete Form der geometrischen Gestaltung- - begründet wird. Die Entwicklung des Schutzes der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen beruht auf international-rechtlicher Verflechtung. Ausgangspunkt war der sog. Semiconductor Chip Protection Act der USA von 1984, in dessen Genuss Ausländer nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit gelangten. Hierdurch entstand Handlungsdruck auf andere Industrienationen, entsprechende Schutzsysteme zu schaffen. Gemessen an den Anmeldezahlen ist die praktische Bedeutung dieses sehr speziellen Schutzinstruments allerdings sehr gering. Wie die alljährlich veröffentlichten Anmeldestatistiken des DPMA belegen, wird es- - anders als in den Anfangsjahren nach Einführung des Schutzes in 1987- - kaum noch nachgefragt. Im Jahre 2016 gingen beim DPMA lediglich acht neue Anmeldungen ein. 2 Die bereits seit vielen Jahren niedrigen Anmeldezahlen nach dem Halbleiterschutzgesetz lassen den Rückschluss zu, dass der Fortschritt im Bereich der Halbleitertechnologie einen Schutz der Erzeugnisse durch das Halbleiterschutzrecht offenbar kaum mehr notwendig macht. 3 Da der Halbleiterschutz ein international anerkannter Bestandteil des gewerblichen Rechtsschutzes ist (vgl. Art. 35 bis 38 TRIPS -Abkommen), soll auf eine zumindest knappe Darstellung dieses Schutzinstruments im Interesse der Vollständigkeit gleichwohl nicht verzichtet werden. II. Schutzvoraussetzungen 1. Materielle Schutzvoraussetzungen, Berechtigter Voraussetzung der Schutzfähigkeit einer dreidimensionalen Struktur eines Halbleitererzeugnisses (Topographie) ist, dass sie „Eigenart“ aufweist (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLS chG). Nach der Legaldefinition weist eine Topographie Eigenart auf, „wenn sie als Ergebnis geistiger Arbeit nicht durch bloße Nachbildung einer anderen Topographie hergestellt und nicht alltäglich 1 Richtlinie 87 / 54 / EWG v. 16. 12. 1986, AB l. EG Nr. C 24 / 36 v. 27. 1. 1987. 2 Jahresbericht des DPMA 2017, S. 93. 3 So bereits der Jahresbericht des DPMA 2008, S. 27. 188 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson ist“ (§ 1 Abs. 2 HLS chG). Durch das Erfordernis der Eigenart sollen ohne eigene geistige Arbeit geschaffene Topographien, die folglich keine Entwicklungsarbeit bzw. keine besonderen Investitionskosten verursacht haben, vom Schutz ausgenommen werden. Die zu schützende Topographie darf daher nicht „alltäglich“ sein, d. h. dem in diesem Industriebereich allgemein üblichen Standard entsprechen, noch darf sie eine „bloße Nachbildung“ einer fremden Topographie, d. h. von einer anderen schlicht „abgekupfert“ sein. 4 Da sich das Erfordernis der „Eigenart“ weder mit dem Erfordernis einer „persönlich geistigen Schöpfung“ im Sinne des Urheberrechts (§ 2 Abs. 2 UrhG) noch dem einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne des Patentrechts (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG) deckt, muss sich eine Topographie, für die Schutz begehrt wird, allerdings weder durch Erfindungshöhe im Sinne des Patentrechts noch etwa durch Werkhöhe im Sinne des Urheberrechts auszeichnen. Im Verhältnis zu diesen Anforderungen stellt das Erfordernis der „Eigenart“ ein Minus dar. 5 Berechtigter ist derjenige, der die Topographie geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 S. 1 HLS chG). Bei im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder im Auftrag geschaffenen Topographien steht das Recht auf den Schutz dem Arbeitgeber oder dem Auftraggeber zu, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 2 Abs. 2 HLS chG) 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Die Entstehung des Halbleiterschutzes (Topographieschutzes) setzt-- wie grundsätzlich auch im Falle der Erlangung anderer gewerblicher Schutzrechte-- eine Registrierung voraus (§§ 3, 4 HLS chG). Ausschlaggebend für die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zugunsten eines nach der Richtlinie nicht vorgeschriebenen Registrierungserfordernisses waren Erwägungen einer damit verbundenen größeren Rechtssicherheit. 6 Die Registrierung ermöglicht es grundsätzlich jedermann, Einsicht in die Unterlagen über geschützte Topographien zu nehmen und sich so über den Bestand an bestehenden Schutzrechten zu informieren. Für eine Registrierung sprach ferner, dass die Registrierung und die damit verbundene Offenbarung der geistigen Leistung bei den traditionellen technischen Schutzrechten (Patent- und Gebrauchsmuster) als selbstverständliche Gegenleistung für die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts verstanden wird. 7 Das Anmelde- und Eintragungsverfahren, das nur eine Formalprüfung ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen vorsieht (vgl. § 4 Abs. 1 HLS chG), ist in Anlehnung an das Gebrauchsmustergesetz geregelt, enthält jedoch auch inhaltliche, dem unterschiedlichen Wesen der jeweiligen Schutzgegenstände Rechnung tragende, Abweichungen. So sieht die Anmeldung im Gegensatz zum Gebrauchsmustergesetz, das eine „Beschreibung des Gegenstandes des Gebrauchsmusters“ vorschreibt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 Gebr MG ), lediglich die Vorlage von „Unterlagen zur Identifizierung oder Veranschaulichung der Topgraphie oder eine Kombination davon“ vor (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 HLS chG). Die vergleichsweise geringeren Anforderungen, die damit an die Offenbarung des Schutzgegenstandes gestellt werden, erklären sich aus der Tatsache, dass der Schutzgegenstand der 4 BT -Drucks. 11 / 454, S. 16. 5 Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 43; Koch, NJW 1988, 2446. 6 Vgl. BT -Drucks. 11 / 454, S. 14, 18. 7 Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 28. 189 § 35 Halbleiterschutz Pierson Topgraphie-- anders als sonstige technische Problemlösungen-- einer Beschreibung durch eine schriftliche Darstellung schwer zugänglich ist. Da die Schutzwirkungen des als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestalteten Topgraphieschutzes hinter denen des Patent- und Gebrauchsmusterschutzes zurückbleiben, wurden die geringeren Offenbarungsanforderungen überwiegend auch als rechtspolitisch vertretbar angesehen. 8 3. Schutzentstehung, Geltendmachung Der Zeitpunkt der Entstehung des Halbleiterschutzes weicht von den Entstehungstatbeständen der traditionellen Schutzrechte nicht unerheblich ab. Das Schutzrecht entsteht bereits an dem Tag der ersten nicht nur vertraulichen geschäftlichen Verwertung der Topographie, sofern die Anmeldung innerhalb von zwei Jahren nach dieser Verwertung erfolgt, oder mit dem Tag der Anmeldung der Topgraphie beim Patentamt, wenn sie zuvor nicht oder nur vertraulich geschäftlich verwertet worden ist (§ 5 Abs. 1 HLS chG). Das Schutzrecht entsteht also weder, wie im Urheberrecht, mit der Schöpfung noch, wie bei den traditionellen Schutzrechten, mit der Eintragung, sondern knüpft an hiervon zu unterscheidende Realakte an. Das Schutzrecht kann jedoch, auch wenn es bereits zuvor durch geschäftliche Verwertung entstanden ist, erst dann geltend gemacht werden, wenn die Topographie beim Patentamt angemeldet worden ist (§ 5 Abs. 3 HLS chG). Wie das Registrierungserfordernis beruht auch diese nicht durch die Richtlinie vorgeschriebene Regelung auf Rechtssicherheitserwägungen. Aus Schutzrechten soll grundsätzlich gegenüber Dritten nur vorgegangen werden können, wenn diese zuvor Gelegenheit hatten, sich im Wege der Akteneinsicht beim DPMA über dessen Bestand und Inhalt zu informieren. 9 III. Wirkungen des Halbleiterschutzes Der Schutz der Topographie hat die Wirkung, dass allein der Inhaber des Schutzes befugt ist, sie zu verwerten (§ 6 Abs. 1 S. 1 HLS chG). 1. Schutzgegenstand, Schutzumfang, Schutzdauer Schutzgegenstand des Halbleiterschutzes sind „Topographien“, definiert als dreidimensionale Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLS chG), z. B. die eines Speicherchips oder Prozessors. Dem gleichgestellt sind selbständig verwertbare Teile sowie Darstellungen zur Herstellung von Topographien (§ 1 Abs. 1 S. 2 HLS chG). Hervorzuheben ist, dass sich der Schutz ausdrücklich nur auf den Schutzgegenstand-- die Topographie der Schaltung als solche- -, nicht jedoch auf die der Topographie zugrunde liegenden Entwürfe, Verfahren, Systeme, Techniken oder auf die in einem mikroelektronischen Halbleitererzeugnis gespeicherten Informationen erstreckt (§ 1 Abs. 4 HLS chG). Geschützt ist also 8 Vgl. BT -Drucks. 11 / 454, S. 19; Koch, NJW 1988, 2246, 2249. 9 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 190 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson lediglich die geometrische Gestaltung des Halbleitererzeugnisses. Diese Beschränkung ist bedeutsam für die Abgrenzung des Schutzgegenstandes gegenüber den Schutzgegenständen der traditionellen Schutzrechte des Immaterialgüterrechts. So kann an einem neuartigen, erfinderischen Verfahren zur Halbleiterherstellung durchaus Patentschutz, an einer der Topographie zugrunde liegenden neuartigen Schaltung Patent- oder Gebrauchsmusterschutz oder etwa an der Zeichnung für das Layout einer Maske Urheberrechtsschutz bestehen. 10 Der Halbleiterschutz hingegen ist ein vom Inhalt der Problemlösung unabhängiger, sich allein auf die Topographie als solche beschränkender Minimalschutz. Was den Schutzumfang angeht, wird die Wirkung des Halbleiterschutzes dadurch beschränkt, dass nach § 6 Abs. 2 HLS chG Handlungen im privaten Bereich (Nr. 1), Nachbildungen der Topographie zum Zwecke der Analyse, der Bewertung oder Ausbildung (Nr. 2) sowie die geschäftliche Verwertung einer Topographie, die das Ergebnis einer Analyse oder Bewertung nach Nr. 2 ist und Eigenart im Sinne von § 1 Abs. 2 HLS chG aufweist (Nr. 3- - sog. reverse engineering), vom Schutz ausgenommen sind. Der Schutz der Topographie endet mit Ablauf des 10. Kalenderjahres nach dem Jahr des Schutzbeginns (§ 5 Abs. 2 HLS chG). Da sich die zehnjährige Schutzdauer von dem letzten Tag des Kalenderjahres an berechnet, in dem das Schutzrecht entstanden ist, kann sich die effektive Dauer des Schutzes im Einzelfall auf fast elf Jahre verlängern. 11 2. Rechte des Schutzrechtsinhabers Das Gesetz sichert dem Schutzrechtsinhaber den Lohn seiner geistigen Arbeit, indem es ihm ein ausschließliches Nachbildungs- und Verwertungsrecht an dem Ergebnis seiner Entwicklung gewährt. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 HLS chG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers die Topographie nachzubilden (Nr. 1) bzw. die Topographie oder das die Topgraphie enthaltende Halbleitererzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu verbreiten oder zu den genannten Zwecken einzuführen (Nr. 2). Das Halbleiterschutzrecht ist damit entsprechend seiner Funktion, Wettbewerbsverzerrungen infolge Vermeidung eigenen Entwicklungs- und Investitionsaufwandes zu verhindern, als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestaltet. Anders als im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG, 11 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ) ist der bloße Besitz und Gebrauch der geschützten Topographie nicht von der Zustimmung des Schutzrechtsinhabers abhängig, d. h. jeder Dritte darf die geschützte Topographie selbst zu geschäftlichen Zwecken erwerben, besitzen und gebrauchen. 12 3. Ansprüche des Schutzrechtsinhabers Derjenige, der die Topographie ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers nachbildet oder verwertet, d. h. den Schutz entgegen § 6 Abs. 1 HLS chG verletzt, kann vom Verletzten auf Unterlassung und im Falle des Verschuldens auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§ 9 Abs. 1 S. 1, 2 HLS chG). Was die Bemessung des Schadens angeht, wurde im Zuge 10 Dreier, GRUR Int. 1987, 645, 656; Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 46. 11 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 12 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 191 § 36 Sortenschutzrecht Pierson des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (im Einzelnen hierzu s. u. § 87 II . 2.) auch für das Halbleiterschutzrecht durch Verweisung auf § 24 Abs. 2 S. 2 und 3 Gebr MG klargestellt, dass insoweit auch der Gewinn des Verletzers, den dieser durch die Rechtsverletzung erlangt hat, berücksichtigt werden kann; ferner, dass der Schadensersatz auch im Wege der sog. Lizenzanalogie berechnet werden kann (§ 9 Abs. 1 S. 3 HLS chG). § 36 Sortenschutzrecht I. Einordnung und Zweck Das Sortenschutzrecht ist ein dem Patentrecht ähnliches gewerbliches Schutzrecht des Pflanzenzüchters für Leistungen auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtungen. Es ist zugleich das modernste gewerbliche Schutzrecht, das in seiner Ausgestaltung zwar an die Regelungen des Patentschutzes angeglichen, jedoch auf die Besonderheiten der Pflanzenzüchtung-- der lebenden Materie-- zugeschnitten ist. 13 Zweck des Sortenschutzes ist es, dem Züchter und Entdecker 14 einer neuen Pflanzensorte (z. B. einer neuen Mais-, Weizen- oder Rosensorte) durch die Gewährung eines gewerblichen Schutzrechtes, das ihn zeitlich begrenzt zur ausschließlichen Auswertung einer Pflanzensorte berechtigt, einen Anreiz zum Züchten oder Auffinden neuer Sorten zu bieten und auf diese Weise den Fortschritt auf dem Gebiet des Pflanzenbaus zu fördern. 15 Zu vergegenwärtigen ist, dass die Züchtung einer neuen Pflanzensorte regelmäßig den Einsatz erheblicher Arbeit, von Kapital und Zeit erfordert. Durchschnittlich dauert es mindestens 10 Jahre, um eine neue Pflanze zu schaffen. 16 Auch im Bereich des Sortenschutzes spiegeln sich also die allgemeinen Ziele des gewerblichen Rechtsschutzes wider, nämlich durch die Gewährung gewerblicher Schutzrechte im Sinne der Förderung des Fortschritts zu Innovationsaktivitäten anzureizen (s. o. § 7 I.). Gesetzliche Grundlage des Sortenschutzes ist, wie bereits skizziert (s. o. § 2 IV . 2.), das Sortenschutzgesetz (SortG), das im Jahre 1997 zwecks Anpassung an Bestimmungen des internationalen Sortenschutzrechtes grundlegend geändert und neu gefasst wurde. 17 Was das Verhältnis zum Patentrecht angeht, existiert das sog. Doppelschutzverbot, d. h. soweit Sortenschutzrecht eingreift, sind Pflanzenzüchtungen von der Patentierung ausgeschlossen. 18 13 Leßmann, GRUR 1986, 279; Wuesthoff / Leßmann / Wendt, Sortenschutzgesetz, S. 32. 14 Im Gegensatz zum Patentrecht (s. o. § 5 II . 1.) erstreckt sich der Sortenschutz auch auf Entdeckungen, d. h. das Auffinden einer neuen Sorte. 15 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 171; Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 1 f; BeckOK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 4. 16 Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, S. 95 Rdn. 1. 17 Gesetz vom 17. 7. 1997 ( BGB l. I, S. 1854; Neubekanntmachung v. 19. 12. 1997 BGB l. I, S. 3164); umfassende Informationen zum Sortenschutz abrufbar auf der Seite des BSA unter: http: / / www.bundessortenamt. de (letzter Abruf: 04 / 2018). 18 Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 13. 192 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson II. Schutzvoraussetzungen Wie grundsätzlich für andere gewerbliche Schutzrechte auch, ist für die Erteilung des Sortenschutzes das Vorliegen bestimmter materieller und formeller Voraussetzungen erforderlich. 1. Materielle Schutzvoraussetzungen Die materiellen Schutzvoraussetzungen 19 ergeben sich aus § 1 SortG. Sortenschutz wird danach für eine Pflanzensorte (Sorte) erteilt, wenn sie ▶ unterscheidbar ▶ homogen ▶ beständig ▶ neu und ▶ durch eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichnet ist (vgl. § 1 Abs. 1 SortG). Der Begriff der Sorte ist-- so wie weitere für die Anwendung des Gesetzes bedeutsame Begriffe-- gesetzlich definiert (vgl. § 2 Nr. 1a SortG). Im Übrigen sind auch die Anforderungen an die materiellen Schutzvoraussetzungen im Gesetz im Einzelnen geregelt. Unterscheidbarkeit einer Sorte ist gegeben, wenn sie sich in der Ausprägung wenigstens eines maßgebenden Merkmals von jeder anderen am Antragstag allgemein bekannten Sorte deutlich unterscheiden lässt (§ 3 Abs. 1 S. SortG). Das Bundessortenamt teilt auf Anfrage für jede Art die Merkmale mit, die es für die Unterscheidbarkeit der Sorten dieser Art als maßgebend ansieht; die Merkmale müssen genau erkannt und beschrieben werden können (§ 3 Abs. 1 S. 2 SortG). § 3 Abs. 2 SortG enthält eine beispielhafte Aufzählung der Handlungen, die die allgemeine Bekanntheit einer Sorte begründen (1. Eintragung in ein amtliches Verzeichnis von Sorten; 2. Eintragung beantragt und Antrag stattgegeben oder 3. Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte wurde bereits zu gewerblichen Zwecken in den Verkehr gebracht). Homogenität einer Sorte ist zu bejahen, wenn sie, abgesehen von Abweichungen auf Grund der Besonderheiten ihrer Vermehrung, in der Ausprägung der für die Unterscheidbarkeit maßgebenden Merkmale hinreichend einheitlich ist (§ 4 SortG). Das heißt, Pflanzen einer Pflanzensorte müssen unter Berücksichtigung der Naturgegebenheiten in ihren wesentlichen Eigenschaften ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild liefern oder einheitliche physiologische Eigenschaften aufweisen. 20 Beständigkeit einer Sorte ist gegeben, wenn sie in der Ausprägung der für die Unterscheidbarkeit maßgebenden Merkmale nach jeder Vermehrung hinreichend einheitlich ist (§ 5 SortG). Die maßgebenden Merkmale müssen sich von Generation zu Generation vererben. 21 Was das Erfordernis der Neuheit angeht, so gilt eine Sorte als neu, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb der 19 Zu diesen vgl. Leßmann / Würtenberger, Sortenschutz, § 2 Rdn. 46 ff; Beck OK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 9 ff. 20 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 187. 21 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 187. 193 § 36 Sortenschutzrecht Pierson Neuheitsschonfristen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SortG) zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind. Die als Schutzvoraussetzung erforderliche, der Kennzeichnung der Sorte dienende Sortenbezeichnung ist eintragbar, wenn kein gesetzlicher Ausschlussgrund (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1-6., § 7 Abs. 3 SortG) vorliegt (§ 7 Abs. 1 SortG). 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Formelle Voraussetzung für die Erlangung des Sortenschutzes ist, dass vom Antragsteller ein Sortenschutzantrag beim Bundessortenamt gestellt wird (vgl. § 22 SortG). Das Bundessortenamt ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (§ 16 Abs. 1 SortG) mit Sitz in Hannover, die für die Erteilung des Sortenschutzes und die hiermit zusammenhängenden Angelegenheiten zuständig ist und die Sortenschutzrolle führt (§ 16 Abs. 2 SortG). Durch den Sortenschutzantrag wird ein förmliches Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, auf das die entsprechenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden sind (§ 21 SortG). Für die Antragstellung und die erforderliche Angabe der Sortenbezeichnung sind die Vordrucke des Bundessortenamtes zu verwenden (§ 1 Abs. 2 BSAV fV). 22 Nach einer Formalprüfung erfolgt die Bekanntmachung des Sortenschutzantrages durch das Bundessortenamt in dem von ihm herausgegebenen Blatt für Sortenwesen (§ 24 SortG, § 10 BSAV fV). Gegen die Erteilung des Sortenschutzes kann jeder beim Bundessortenamt schriftlich Einwendungen erheben (§ 25 Abs. 1 SortG). Die Einwendungen sind zu begründen (§ 25 Abs. 4 S. 1 SortG), sie können nur darauf gestützt werden, dass die Schutzvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SortG nicht vorliegen, dass der Antragsteller nicht berechtigt oder, dass die Sortenbezeichnung nicht eintragbar ist (§ 25 Abs. 2 Nr. 1-3 SortG). Was die Prüfung des Sortenschutzantrages in materieller Hinsicht angeht, so prüft das Bundessortenamt, ob die angemeldete Sorte die Voraussetzungen für die Erteilung des Sortenschutzes erfüllt, und baut die Sorte an oder stellt die sonst erforderlichen Untersuchungen an (§ 26 Abs. 1 SortG; §§ 2 ff. BSAV fV). Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Sortenschutzes wird die Erteilung des Sortenschutzes in die Sortenschutzrolle eingetragen und die Eintragung bekannt gemacht (§ 28 SortG). III. Recht auf Sortenschutz, Rechtsnachfolge, Lizenzen Das Recht auf Sortenschutz steht dem Ursprungszüchter oder Entdecker der Sorte oder seinem Rechtsnachfolger zu, bei gemeinsamer Züchtung oder Entdeckung, steht ihnen das Recht gemeinschaftlich zu (§ 8 Abs. 1 SortG). Das Recht auf Sortenschutz, der Anspruch auf Erteilung des Sortenschutzes und der Sortenschutz sind übertragbar (§ 11 Abs. 1 SortG). Auch kann der Sortenschutz Gegenstand ausschließlicher oder nichtausschließlicher Nutzungsrechte („Lizenzen“) sein (§ 11 Abs. 2 SortG). Verstößt ein Nutzungsberechtigter gegen Beschränkungen seines Nutzungsrechts, kann der Sortenschutz gegen ihn geltend gemacht 22 Elektronisch abrufbar auf der Seite des BSA unter: http: / / www.bundessortenamt.de (letzter Abruf: 04 / 2018). 194 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson werden (§ 11 Abs. 3 SortG). Änderungen in der Person des Sortenschutzinhabers werden nach entsprechendem Nachweis in der Sortenschutzrolle eingetragen (§ 28 Abs. 3 S. 1 SortG). IV. Wirkungen des Sortenschutzes, Rechtsverletzungen Wie für die Wirkung gewerblicher Schutzrechte üblich, gewährt auch das Sortenschutzrecht dem Rechtsinhaber ein Ausschließlichkeitsrecht, das zum einen durch ein positives Benutzungsrecht, zum anderen ein negatives Verbietungsrecht gekennzeichnet ist (allgemein zur entsprechenden Ausgestaltung der Immaterialgüterrechte vgl. § 1 II .). 1. Alleiniges Vermehrungsrecht des Sortenschutzinhabers So ist allein der Sortenschutzinhaber berechtigt, Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte a) zu erzeugen, für Vermehrungszwecke aufzubereiten, in den Verkehr zu bringen, ein- oder auszuführen oder b) zu einem dieser Zwecke aufzubewahren (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SortG). Die Vornahme entsprechender Verwertungshandlungen ist nicht nur unmittelbar in Bezug auf Vermehrungsmaterial vom Schutz erfasst, sondern auch in Bezug auf Pflanzen oder Pflanzenteile oder hieraus unmittelbar gewonnene Erzeugnisse, wenn zu ihrer Erzeugung Vermehrungsmaterial ohne Zustimmung des Sortenschutzinhabers verwendet wurde und der Sortenschutzinhaber keine Gelegenheit hatte, sein Sortenschutzrecht hinsichtlich dieser Verwendung geltend zu machen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG). Durch diese Regelung soll dem Züchter die Möglichkeit gegeben werden, in Fällen, in denen eine Vermehrung ungenehmigt vorgenommen wurde, seine Rechte auch in Bezug auf das Erntegut geltend zu machen. 23 Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich auch auf Sorten, die von der geschützten Sorte (Ausgangssorte) im Wesentlichen abgeleitet sind (näheres § 10 Abs. 2, 3 SortG). Wie die anderen gewerblichen Schutzrechte unterliegt jedoch auch das Sortenschutzrecht Beschränkungen im Allgemeininteresse (vgl. § 10a SortG). So sind insbesondere nicht vom Sortenschutz erfasst Handlungen im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken, Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf die geschützte Sorte beziehen, Handlungen zur Züchtung neuer Sorten („Züchterprivileg“) 24 sowie Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte im eigenen Betrieb gewonnen hat und dort als Vermehrungsmaterial verwendet (Nachbau). 2. Rechtsverletzungen Im Fall der Verletzung des Sortenschutzrechtes steht dem Sortenschutzinhaber gegen den Verletzer ein Unterlassungsanspruch (§ 37 Abs. 1 SortG) und im Falle des Verschuldens ein Schadensersatzanspruch zu (§ 37 Abs. 2 SortG). Die zivilrechtlichen Ansprüche des Verletzten werden durch einen Anspruch auf Vernichtung und Rückruf (§ 37a SortG), einen 23 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 200; Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 311 ff. 24 Dazu Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 349 ff. 195 § 36 Sortenschutzrecht Pierson Anspruch auf Auskunft (§ 37b SortG) sowie weitere im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums neu in das Gesetz aufgenommene Ansprüche ergänzt (im Einzelnen hierzu s. u. § 87 II . 2.). Im Falle einer Verletzung des Sortenschutzrechts drohen dem Verletzter neben der zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch den Verletzten strafrechtliche Sanktionen (§ 39 SortG) bzw. ein Bußgeld (§ 40 SortG). 3. Schutzdauer Die Schutzdauer des Sortenschutzes beläuft sich regelmäßig auf 25 Jahre, bei einigen Pflanzenarten (Hopfen, Kartoffel, Rebe und Baumarten) auf 30 Jahre (§ 13 SortG). Das Sortenschutzrecht erlischt durch Ablauf der Schutzdauer, im Übrigen durch Verzicht des Sortenschutzinhabers, durch Zurücknahme der Erteilung oder durch Widerruf (§ 31 SortG). V. Internationales und europäisches Sortenschutzrecht 1. Internationaler Schutz von Pflanzenzüchtungen Das internationale Sortenschutzrecht ist im „Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen“ (Pfl ZÜ ) geregelt, das am 2. 12. 1961 in Paris von Staaten unterzeichnet wurde, die einen Verband-- die International Union for Protection of New Varieties of Plants ( UPOV )- - bilden. 25 Die wichtigsten Regelungen des sog. UPOV -Übereinkommens, das zuletzt 1991 revidiert wurde, sind die Inländerbehandlung (Art. 4), die freie Wahl des Erstantrags (Art. 10 Abs. 1), die Unabhängigkeit der Sortenschutzrechte in den Staaten der verschiedenen Vertragsparteien (Art. 10 Abs. 3), das Prioritätsrecht (Art. 11) und die Sicherung der freien Ausübung des Ausschließlichkeitsrechts (Art. 17 Abs. 1). 26 2. Gemeinschaftliches Sortenschutzrecht Für den Sortenschutz in Europa ist das gemeinschaftliche Sortenschutzrecht von Bedeutung, das in der Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27. 7. 1994 ( EGSVO ) geregelt ist. 27 Das gemeinschaftliche Sortenschutzrecht ist ein gemeinschaftliches gewerbliches Schutzrecht für Pflanzensorten, das eine einheitliche Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet (allgemein zu den supranationalen einheitlichen Unionsrechten s. bereits § 4 IV . 4.). Vor der Einführung des gemeinschaftlichen Sortenschutzrechtes konnten Pflanzenzüchter in den meisten der (damals) 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nationale Sortenschutzrechte beantragen, deren Schutz jedoch auf das Gebiet des jeweiligen Mitgliedsstaates begrenzt war. Seit dem Inkrafttreten der EGSVO zum 25 Text des Pfl ZÜ ( UPOV -Übereinkommen) abrufbar unter: http: / / www.upov.int/ portal/ index.html.de (letzter Abruf: 04 / 2018). 26 Im Einzelnen Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 215 f.; Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 13. 27 Nähres hierzu BeckOK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 72 ff.; Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 27 ff. 196 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten 27. 4. 1995 können Züchter Sortenschutz in der gesamten Europäischen Union durch einen einzigen Antrag beim Gemeinschaftlichen Sortenamt, das seinen Sitz in Frankreich / Angers hat, erhalten. 28 28 Weitergehende Informationen zum gemeinschaftlichen Sortenschutzrecht finden sich auf der Seite des Gemeinschaftlichen Sortenamtes unter http: / / www.cpvo.europa.eu/ (letzter Abruf: 04 / 2018). Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht 199 § 37 Allgemeines zum Designschutz Pierson § 37 Allgemeines zum Designschutz I. Gegenstand Wie bereits im Rahmen des einführenden Überblicks skizziert (s. o. § 2 II .) liegt der Schutzgegenstand des Designschutzrechts im Gegensatz zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht nicht auf dem Gebiet der Technik, sondern dem der Ästhetik. Seit jeher zielt der vormals als Geschmacksmusterschutz bezeichnete Schutz des Designs auf den Schutz der Gestaltung der äußeren Form von zweidimensionalen und dreidimensionalen Erscheinungsformen eines Erzeugnisses. Er schützt die Ergebnisse ästhetisch-gewerblicher Leistungen, nämlich die Gestaltung von Flächenformen (z. B. Stoffmuster, Tapeten, Mousepads) und Raumformen (z. B. Möbel, Haushaltsgeräte, Computermäuse, Smartphones), die bestimmt und geeignet sind, über das Auge auf den ästhetischen Form- und Farbensinn des Menschen einzuwirken und geschmackliche Empfindungen anzusprechen. 1 Im allgemeinen Sprachgebrauch und zunehmend auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur 2 hatte sich zur Kennzeichnung der Gestaltungen, die rechtlich vom sog. Geschmacksmusterschutz erfasst wurden, bereits seit geraumer Zeit der Gebrauch des Begriffs „Design“ durchgesetzt. Allerdings wurde dieser Sprachgebrauch nicht bereits, wie angedacht, im Rahmen der Reform des Geschmacksmusterrechts 2004, sondern erst im Zuge der Modernisierung des Geschmacksmusterrechts durch das Gesetz vom 10. 10. 2013 3 nachvollzogen, durch welches das Geschmacksmustergesetz in das „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz- - DesignG)“ umbenannt wurde. Die gesetzlichen Bestimmungen wurden damit an den nationalen und internationalen Sprachgebrauch angepasst, der Begriff „Muster“ durch den Begriff „Design“ und der Begriff „Geschmacksmuster“ durch den Begriff „eingetragenes Design“ ersetzt. Die überfällige terminologische Modernisierung des Gesetzes wurde ausdrücklich begrüßt, da sie eine höhere Akzeptanz in der einschlägigen Wirtschaftspraxis erwarten lässt auch positive Auswirkungen für den internationalen Sprachgebrauch haben dürfte, weil „eingetragenes Design“ direkt mit „registered design“ übersetzt werden kann. 4 II. Schutzzweck Entsprechend den allgemeinen Zielen des gewerblichen Rechtsschutzes zielt auch das Designschutzrecht, wie bereits einführend erörtert (s. o. § 7 II . 2.), zum einen auf eine Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Rechtsinhabers, zum anderen auf einen Ansporn zu weiteren gewerblichen Leistungen zwecks Förderung der Innovation in Hand- 1 Rehmann, Designrecht, Rdn. 8; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, Rdn. 13. 2 Vgl. z. B. Eichmann / v. Falckenstein, Geschm MG , 4. Auflage, 2010, S. 32 ff. „Allgemeines zum Designrecht“. 3 Gesetz zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz v. 10. 10. 2013, BGBl. Teil I Nr. 62 v. 16. 10. 2013, S. 3799 ff.; vgl. hierzu Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215 ff. 4 So die Stellungnahme der GRUR durch den Fachausschuss Geschmacksmusterrecht, GRUR 2013, 478, 479. 200 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson werk und Industrie. Hierbei ist der durch das Designgesetz gewährte Schutz nicht nur für der Mode unterworfene, schnelllebige Gestaltungen gedacht (wie z. B. im Bereich Textilien, Tapeten etc.). Vielmehr zeigt die maximale Schutzdauer von 25 Jahren (§ 27 Abs. 2 DesignG), dass der Designschutz auch für die Gestaltung von Erzeugnissen bestimmt ist, die nach der Planung des Herstellers und / oder der Resonanz am Markt auf ein jahrzehntelanges Nachfrageinteresse stoßen 5 (z. B. Uhren, Designermöbel, Designerlampen etc.). III. Wesen und Einordnung Im Zuge der grundlegenden Reformierung des Designschutzrechts, die ihren Niederschlag bereits im „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz)“ vom 12. 3. 2004 gefunden hat (s. bereits § 2 II .), hat sich das Wesen des Designschutzrechts verändert und sein Standort innerhalb des Koordinatensystems des Immaterialgüterrechts deutlich verschoben. Das alte Geschmacksmustergesetz-- das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“- - basierte, wie bereits aus der Gesetzesbezeichnung ablesbar, auf urheberrechtlicher Grundlage. Als im 19. Jahrhundert im Zuge der fortschreitenden industrialisierten Warenproduktion das zunehmende Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz für gestalterische Leistungen entstand, konnte zunächst mangels anderer rechtlicher Schutzinstrumente nur auf das Urheberrecht zurückgegriffen werden, dessen relativ hohe Anforderungen an die schöpferische Gestaltung eines Werkes sich für gewerbliche Gestaltungsleistungen in der Regel allerdings als zu hoch erwiesen. Vor diesem Hintergrund entstand 1876 das erste Geschmacksmutergesetz, das gegenüber dem Urheberrecht eine deutlich herabgesetzte Schutzschwelle vorsah und, das- - obgleich gewerbliches Schutzecht-- terminologisch und in seiner Ausgestaltung, insbesondere seiner Beschränkung auf einen reinen Nachahmungsschutz, starke Bezüge zum Urheberrecht aufwies. Dieser enge Bezug zum Urheberrecht wurde durch die grundlegende Geschmacksmusterrechtsreform 2004 beseitigt. 6 Insbesondere mit Blick auf die im reformierten Geschmacksmusterrecht 2004 eingeführte sog. Sperrwirkung des Designschutzrechts (§ 38 DesignG), die hiermit korrespondierende Anerkennung eines Vorbenutzungsrechts (§ 41 DesignG), aber auch aufgrund der überwiegend patentrechtlich ausgerichteten Beschränkungen der Rechte aus dem eingetragenen Design (§ 40 DesignG) ergibt sich heute eine „strukturelle Nähe“ zum Patentrecht. Im Anwendungsbereich des reformierten Designrechts ist das eingetragene Design daher nicht mehr länger ein „Zwitter“ zwischen Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz, sondern ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht, das in seinen Schutzvoraussetzungen und Schutzwirkungen den übrigen gewerblichen Schutzrechten ähnelt. 7 5 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Allgemeines zum Designrecht II . Rdn. 10. 6 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr., E. 2. b), S. 29. 7 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Allgemeines zum Designrecht II . Rdn. 9 f. 201 § 37 Allgemeines zum Designschutz Pierson IV. Bedeutung: Designschutzrecht in Zahlen Die Bedeutung des Designschutzrechts in der Praxis ist erheblich. Das Design eines Produkts wird in der modernen Industriegesellschaft als qualitätsbestimmende Produkteigenschaft angesehen, die angesichts zunehmender Homogenisierung der Erzeugnisse einen immer wichtigeren Faktor im Rahmen des Marketings darstellt. 8 Nicht zuletzt der öffentlichkeitswirksame Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung, in dem Apple die Verletzung ihrer Geschmacksmusterrechte am iPhone- und iPad-Design durch Samsung geltend gemacht hat, haben die Bedeutung des Designschutzrechts in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt. 9 Die tatsächlich-praktische Bedeutung des Designschutzrechts sowie die Anmeldeaktivität einzelner Länder und Regionen spiegeln sich recht anschaulich auch in den alljährlich vom DPMA im Rahmen seines Jahresberichts veröffentlichten statistischen Zahlen wider. 10 So wurden im Jahr 2016 beim DPMA -- zuständig ist die Designstelle des DPMA in Jena-- insgesamt 54 588 Designs in 7143 Anmeldungen angemeldet. Gegenüber dem Vorjahr 2015 mit 57 741 Designs in 7.223 Anmeldungen war damit ein moderater Rückgang um 5,5 % bei den Anmeldungen zu verzeichnen. Von der Möglichkeit, mehrere Designs in einer Sammelanmeldung (§ 12 DesignG) zusammenzufassen, haben in 2016 55,7 % der Anmelder Gebrauch gemacht, wobei durchschnittlich 12,9 Muster innerhalb einer Sammelanmeldung angemeldet wurden. Der Anteil ausländischer Designanmeldungen belief sich im fraglichen Zeitraum auf 17 % (Vorjahr 21,8 %) und war damit gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. Spitzenreiter der ausländischen Anmelder war Italien (8,1 %), gefolgt von Österreich (2,9 %), China (1,9 %), der Schweiz (1,3 %), den USA (0,8 %), Frankreich (0,4 %), Luxemburg (0,3 %) und sonstigen Ländern (1,4 %). Bei den inländischen Designanmeldungen lagen in 2016 vorn: Nordrhein-Westfalen (27,1 %), Bayern (25,6 %) und Baden-Württemberg (13,9 %), gefolgt von Niedersachsen (7,4 %), Hessen (5,1 %), Rheinland-Pfalz (4,4 %), Berlin (4,2 %), Sachsen (3,3 %), Schleswig-Holstein (3,2 %), Hamburg (2,2 %) und den übrigen Bundesländern (3,6 %). Auf die drei erstplatzierten Bundesländer entfielen damit zusammen 66,6 % der angemeldeten Designs, was den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft einzelner Regionen und der Anmeldetätigkeit der dort ansässigen Unternehmen und Personen verdeutlicht. Zur Veranschaulichung des Designschutzrechts nach Wirtschaftsbranchen ist die prozentuale Verteilung der Warenklasseneinträge aufschlussreich: 18,7 % der Einträge betrafen die Klasse 6 „Möbel“, gefolgt von Klasse 32 „Grafische Symbole und Logos“ (12,7 %) und Klasse 2 „Bekleidung und Kurzwaren“ (11,6 %). 11 8 Eisenmann / Jautz, Grundriss, Rdn. 202. 9 Einstweiliges Verfügungsverfahren LG Düsseldorf v. 9. 9. 2011, Az.: 14c O 194 / 11; OLG Düsseldorf v. 31. 1. 2012, Az.: I-20 U 175 / 11. 10 Die nachfolgenden Zahlen sind dem DPMA -Jahresbericht 2016, S. 33 f., 101 ff., entnommen- - abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ jahresberichte/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 11 Weitere Warenklassen s. DMPA -Jahresbericht 2016, S. 36, Abb. 12; zu den Besonderheiten der Designbereiche nach Branchen vgl. ferner Kobuss / Bretz, Kap. 4, S. 59 ff. 202 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson § 38 Schutzvoraussetzungen I. Begriffsbestimmungen Während das alte Gesetz bis zur Reform 2004 keine Legaldefinition des Begriffs des Geschmacksmusters enthielt und die Definition der Rechtsprechung überließ, enthält das reformierte, seit der Modernisierung 2013 als Designgesetz bezeichnete Recht einige wesentliche Begriffsbestimmungen (vgl. § 1 DesignG), insbesondere auch eine Definition des Begriffs „Design“ (früher „Muster“), das den Gegenstand des Schutzrechts beschreibt. Ein „Design“ ist danach eine zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teiles davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt (§ 1 Nr. 1 DesignG). Ein „Erzeugnis“ ist seinerseits definiert als jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis (seinerseits definiert in § 1 Nr. 3 DesignG) zusammengebaut werden sollen; ein Computerprogramm gilt nicht als Erzeugnis (§ 1 Nr. 2 DesignG). In begrifflicher Hinsicht ist im Übrigen zu beachten, dass der Schutzgegenstand des Designschutzes bis zur Eintragung als „Design“ und erst nach der Eintragung als „eingetragenes Design“ (früher „Geschmacksmuster“) bezeichnet wird (vgl. § 2 Abs. 1 DesignG). Diese sprachliche Differenzierung des deutschen Gesetzes weicht, wie bereits nach alter Gesetzeslage, von der Terminologie der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ( GGV ) ab, die den zu schützenden Gegenstand vor der Eintragung als „Geschmacksmuster“ bezeichnet und danach als „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 GGV ). Die in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung verwendeten Begrifflichkeiten „Geschmacksmuster“ und „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ können nur durch die verordnungsgebenden Organe der EU geändert werden. Eine der modernisierten deutschen Terminologie entsprechende Änderung soll offenbar von deutscher Seite angeregt werden. 12 II. Materielle Schutzvoraussetzungen Die materiellen Schutzvoraussetzungen des Designschutzes ergeben sich aus § 2 Abs. 1 DesignG. Danach wird ein Design als eingetragenes Design geschützt, wenn es neu ist und Eigenart aufweist. 1. Neuheit Ein Design gilt als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Design offenbart worden ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 DesignG). 12 Vgl. BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 23. 203 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson a) Vorbekannter Formenschatz Grundlage der Prüfung der Neuheit eines angemeldeten Designs- - und auch der Eigenart (hierzu sogleich unter 2.)-- sind danach alle Designs, die zum fraglichen Stichtag-- dem Anmeldetag- - offenbart worden sind. Diese als Beurteilungs- und Vergleichsmaßstab heranzuziehenden bereits offenbarten Designs werden in der Terminologie der deutschen Rechtsprechung als „vorbekannter Formenschatz“ bezeichnet. 13 Der vorbekannte Formenschatz ist damit für den Bereich der Ästhetik das Pendant zum „Stand der Technik“ im Bereich der technischen Schutzrechte, an dem sich im Patentrecht die Neuheit der Erfindung und die Frage des Vorliegens der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit bemisst (s. o. § 9). 14 Die wichtige Frage, wann ein Design „offenbart“ ist und damit dem vorbekannten Formenschatz angehört, ist allerdings nicht in § 2 DesignG, sondern in § 5 DesignG (Offenbarung) geregelt. Danach ist ein Design offenbart, wenn es bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Sektors im normalen Geschäftsverlauf vor dem Anmeldetag des Designs nicht bekannt sein konnte. Durch den letzten Halbsatz ist klargestellt, dass nicht jede Offenbarung im Wortsinne bereits eine neuheitsschädliche Offenbarung ist. Vielmehr ist der Begriff im Sinne eines relativ-objektiven Neuheitsbegriffs dahingehend relativiert, dass es neben der bloßen Offenbarung ergänzend auf die Kenntnisnahmemöglichkeit der jeweiligen Fachkreise innerhalb der Europäischen Union ankommt. Sinn der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass der nachgesuchte Designschutz an Gestaltungen scheitert, die zwar irgendwo in der Welt-- etwa in einem unbekannten Museum oder an einem entfernten Ort- - vorveröffentlicht wurden, die den europäischen Fachkreisen- - Designern, Herstellern, Händlern des betroffenen Sektors- - jedoch nicht bekannt sein konnten. 15 Ein unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit-- etwa im Rahmen bestehender oder angebahnter Geschäftsbeziehungen-- bekannt gemachtes Design gilt nicht als offenbart (§ 5 S. 2 DesignG). Auch die bloße Anmeldung eines Designs kann den maßgeblichen Fachkreisen in der Regel nicht bekannt sein, da eine allgemeine Recherche nach angemeldeten, aber noch nicht bekanntgemachten Designs nicht möglich ist. 16 Für die Beurteilung der Neuheit ist nach § 13 DesignG der Anmeldetag, d. h. derjenige Tag, an dem die Unterlagen mit den Angaben nach § 11 Abs. 2 DesignG vollständig beim DPMA (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 DesignG) oder einem zur Entgegennahme bestimmten Patentinformationszentrum (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 DesignG) eingegangen sind oder, wenn wirksam eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, der Prioritätstag (§ 13 Abs. 2 DesignG) maßgeblich. 13 Eine Recherchemöglichkeit für die seit dem 1. Juli 1988 eingetragenen Geschmacksmuster bietet die Internetplattform des DPMA ( DPMA register) unter: https: / / www.dpma.de/ designs/ recherche/ index. html (letzter Abruf: 04 / 2018). 14 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 5 Rdn. 3. 15 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 5, S. 35; Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 5 Rdn. 4. 16 Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279. 204 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson b) Neuheitsschädliche Identität Designs gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden (§ 2 Abs. 2 S. 2 DesignG), d. h. eine Abweichung eines Designs vom vorbekannten Formenschatz in unwesentlichen Einzelheiten kann die Neuheit eines Designs nicht begründen. 17 Die Prüfung der Identität macht einen Vergleich mit jedem vorbekannten Design erforderlich, dessen Erscheinungsform dem Gegenstand des Designs ausreichend ähnlich ist (sog. fotografischer Neuheitsbegriff). Das heißt, es findet ein Einzelvergleich statt, bei dem das Design isoliert und gesondert jedem einzelnen Erzeugnis aus dem vorbekannten Formenschatz gegenübergestellt wird. Ist der Gesamteindruck eines Designs durch eine Kombination von Merkmalen bestimmt, fehlt nur dann die Neuheit, wenn sich die vollständige Zusammenfassung der Kombinationsmerkmale in einem einzigen Erzeugnis aus dem vorbekannten Formenschatz feststellen lässt. 18 Letztlich hat die Neuheitsprüfung für die Rechtspraxis jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung, da neben der Neuheit kumulativ stets das Erfordernis der Eigenart erfüllt sein muss. Ergeben sich bereits Zweifel daran, ob sich ein Design wesentlich vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet, ist davon auszugehen, dass es jedenfalls an der erforderlichen Eigenart fehlt. 19 2. Eigenart a) Unterschiedlichkeit Das Merkmal der Eigenart hat das nach alter Rechtslage vor 2004 erforderliche Merkmal der „Eigentümlichkeit“ abgelöst (§ 1 Abs. 2 Geschm MG a. F.). Ein Design zeichnet sich nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung durch Eigenart aus, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Design bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist (§ 2 Abs. 3 S. 1 DesignG). Wie der Eu GH für die entsprechende Beurteilung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (i. S. v. Art. 6 GGV ) entschieden hat, muss sich für die Bejahung der Eigenart eines Geschmacksmusters der Gesamteindruck, den dieses beim informierten Benutzer hervorruft, nicht von dem Gesamteindruck, den eine Kombination isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern hervorruft, unterscheiden, sondern von dem Gesamteindruck, den ein oder mehrere ältere Geschmacksmuster für sich genommen hervorrufen. 20 Anders als die nach alter Rechtslage (vor 2004) maßgebliche „Eigentümlichkeit“ verbindet sich mit der Begrifflichkeit der „Eigenart“ kein Erfordernis einer „Gestaltungshöhe“. Notwendig aber auch ausreichend ist vielmehr, dass sich der Gesamteindruck des Designs vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet. 21 Eine Überdurchschnitt- 17 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 2, S. 33. 18 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 8 m. zahlr. Rspr.-Nachw.; OLG Frankfurt, GRUR 2015, 890 „Möbelgriff “. 19 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 11; Näheres zum „Verhältnis Neuheit zu Eigenart“ siehe Rehmann, Designrecht, Rdn. 53 ff. 20 Eu GH v. 19. 6. 2014, Rs. C-345 / 13 „ KFM / Dunnes“. 21 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 3, S. 33. 205 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson lichkeit der Gestaltung, ein in dieser zu Tage tretendes überdurchschnittliches Können des Designers, wie es nach alter Rechtslage im Rahmen der Eigentümlichkeit festzustellen war, ist nicht erforderlich. Entsprechend dem Begriff und Definition zugrunde liegenden Regelungszweck kommt es nicht auf qualitative Bewertungen, sondern allein auf die Unterschiedlichkeit im Verhältnis zu einem ähnlichen Design an, d. h. ein designgemäßes Erzeugnis soll im Markt als etwas von jedem anderen Design „Verschiedenes“ wahrgenommen werden. Auch eine durchschnittliche Designerleistung kann sich folglich durch die für einen Schutz vorausgesetzte Eigenart auszeichnen, sofern sie im Vergleich mit dem vorbekannten Formenschatz ein ausreichendes Maß an „Anderssein“ aufweist. 22 b) Grad der Gestaltungsfreiheit Bei der Beurteilung der Eigenart ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3 S. 2 DesignG). Wie das EuG festgestellt hat, wird „der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters“ sei, desto weniger reichten „kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters“ sei, desto eher genügten „kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen“. 23 Die Anforderungen an die erforderliche Eigenart sind damit also keine absoluten, vielmehr kann bei eingeengter Gestaltungsfreiheit bereits ein verhältnismäßig geringfügiger Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Design zur Begründung der Eigenart ausreichen. Die Gestaltungsfreiheit kann durch gattungsspezifische Erfordernisse an Gestaltung eingeschränkt sein. Als Beispiel anführen lassen sich insoweit Werkzeuge und ähnlich stark technisch geprägte Erzeugnisse, bei denen die Formgebung stark funktionsbestimmt und daher die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers eingeschränkt ist. Folge ist, dass in diesen Fällen ausnahmsweise bereits Änderungen von Details dazu führen können, dass aus Sicht des Benutzers ein neuer und eigenartiger Gesamteindruck entsteht. Eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit kann sich ferner auch bei hoher Designdichte in einer Erzeugnisklasse ergeben. Dies ist insbesondere in Produktbereichen der Fall, in denen das Design für die Wertschätzung des Produkts von großer Bedeutung oder sogar kaufentscheidend ist und, in denen wegen der Vielzahl der angebotenen, mit Schutzrechten belegten Wettbewerbsprodukten (=-Designdichte) der Ge- 22 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesingG, § 2 Rdn. 14; Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279. 23 EuG v. 13. 11. 2012- T-83 / 11, T-84 / 11 „Antrax“, Beck RS 2012, 82 406. 206 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson staltungsspielraum des Entwerfers bereits stark eingeschränkt ist. Beispiele für dicht besetzt Gebiete sind: PKW -Felgen, Küchenmöbel etc. 24 3. Neuheitsschonfrist Schließlich ist im Zusammenhang mit der Prüfung der Schutzvoraussetzungen zu beachten, dass auch das Designgesetz-- ebenso wie das Patent- und Gebrauchsmustergesetz (vgl. §§ 3 Abs. IV PatG, 3 Abs. 1 S. 3 Gebr MG )-- eine Neuheitsschonfrist vorsieht, nach der bestimmte Vorveröffentlichungshandlungen ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben. So bleiben Offenbarungen des Entwerfers, seines Rechtsnachfolgers oder eines Dritten als Folge von Informationen oder Handlungen des Entwerfers oder seines Rechtsnachfolgers innerhalb einer Frist von 12 Monaten vor dem Anmeldetag bei der Beurteilung von Neuheit und Eigenart des Designs unberücksichtigt (§ 6 S. 1 DesignG). Die nach alter Gesetzeslage lediglich 6-monatige Neuheitsschonfrist wurde im reformierten Geschmacksmustergesetz 2004 auf 12 Monate verlängert. Die Neuheitsschonfrist hat den Zweck, den Entwerfer in die Lage zu versetzen, zunächst den Markterfolg seiner Designs- - etwa durch Vorführungen oder Beschreibungen- - abzuschätzen, um im Sinne der Kostenersparnis nachfolgende Anmeldungen auf voraussichtlich marktgängige Designs beschränken zu können. Die Regelung kommt damit im Übrigen auch kleinen und mittleren Unternehmen zugute, die die rechtlichen Folgen von Vorveröffentlichungen oft nicht überblicken. 25 Von der Neuheitsschonfrist erfasst werden jedoch nicht nur Vorveröffentlichungen im Sinne von § 6 S. 1 DesignG, die durch den Entwerfer selbst erfolgen oder auf einen befugten Informationserwerb von diesem zurückzuführen sind. Nach dem Gesetz bleibt ferner unberücksichtigt, wenn das Design als Folge einer missbräuchlichen Handlung gegen den Entwerfer oder seinen Rechtsnachfolger veröffentlicht wurde (§ 6 S. 2 DesignG). In Betracht kommt insoweit z. B. die Offenbarung eines dem Entwerfer entwendeten oder von einem Arbeitnehmer veruntreuten bisher noch nicht veröffentlichten Designs. 26 III. Schutzausschluss So wie die übrigen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. §§ 2 PatG, 2 Gebr MG , 3 Abs. 2, 8 MarkenG) enthält auch das Designgesetz im unmittelbaren Anschluss an die Normierung der Schutzvoraussetzungen einen Ausschlusstatbestand. Konkret handelt es sich um einen Regelungskatalog, aus dem sich ergibt, welche Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen und welche Designs von einem Schutz ausgeschlossen sind (vgl. § 3 DesignG). 24 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 35, 38; ferner BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 3 S. 2, S. 34. 25 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 6 Rdn. 2. 26 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 6 S. 2, S. 36. 207 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson 1. Technische Bedingtheit Vom Designschutz ausgeschlossen sind danach zunächst Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG). Der Designschutz setzt zwar, wie bereits aus den Ausführungen unter II . 2. b) hervorgeht, nicht voraus, dass ein Design ausschließlich ästhetische Merkmale aufweist. Andererseits ist die Grenze des Designschutzes dort erreicht, wo die Gestaltung eines Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion bedingt ist und seine technische Bedingtheit keinen Spielraum mehr für die Verwirklichung frei gewählter Erscheinungsmerkmale belässt (z. B. bejaht für die Form des Scherkopfes eines Rasierapparates, die Rippen von Zitruspressen-- anders z. B. Profil von Fahrzeugreifen). 27 Der Zweck der Regelung liegt auf der Hand: Technische Innovationen, für die nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Patent- und Gebrauchsmusterrechts ein Ausschließlichkeitsrecht in Betracht kommt, sollen nicht durch die Gewährung eines Designrechtes auf ausschließlich technisch bedingte Gestaltungen behindert werden. 28 2. Verbindungselemente Ausgenommen vom Designschutz sind darüber hinaus Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit diese mit einem anderen Erzeugnis verbunden werden können (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG- - sog. must-fit-Klausel). Durch diesen Ausschluss von Verbindungselementen (sog. must-fit-Teile) soll nach der Intention des Gesetzgebers eine weitgehende Interoperabilität von Erzeugnissen sichergestellt werden, die typischerweise mit anderen Erzeugnissen verbunden werden. 29 Hierzu zählen beispielsweise Anschlussteile, Steckerlitzen, Befestigungsanschlüsse und dergleichen. 30 Eine bedeutsame Rückausnahme von dem Grundsatz, dass ein Designschutz an Verbindungselementen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG ausgeschlossen ist, ergibt sich jedoch aus § 3 Abs. 2 DesignG. Danach sind derartige Erscheinungsmerkmale vom Designschutz nicht ausgeschlossen, d. h. schutzfähig, wenn sie dem Zweck dienen, den Zusammenschluss oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Teilen innerhalb eines Bauteilsystems zu ermöglichen. Die Bestimmung ist danach auf Bauteilssysteme („modulare Systeme“) bezogen, d. h. auf Erzeugnisse, bei denen der Zusammenbau einzelner Teile gerade wesentliches Element des Erzeugnisses ist (sog. Lego-Klausel). 31 Nicht vom Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG erfasst sind nach dem ausdrücklichen Hinweis des Gesetzgebers die sog. mustmatch-Teile, die zur Herstellung eines Erscheinungsbildes eines komplexen Erzeugnisses in 27 Näheres zur theoretischen Begründung der technischen Bedingtheit i. S. v. Art. 8 Abs. I GGV , § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG s. Müller-Broich, GRUR -Prax 2018, 5. 28 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 4; BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 1, S. 34. 29 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 2, S. 34. 30 Bulling, Mitt. 2004, 254, 256. 31 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 2, S. 34. 208 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson einer bestimmten Form gefertigt werden müssen, bei denen aber die Gesamtgestaltung nicht zwangsläufig vorgegeben ist. Nicht vom Designschutz ausgeschlossen seien daher z. B. die sichtbaren Einzelteile einer KFZ -Karosserie, auch wenn deren Abmessungen in bestimmter Hinsicht vorgegeben sind, damit die Einzelteile in der Karosserie Verwendung finden können (sog. bodyparts, wie z. B. Abmessungen der Scheiben, eines Scheinwerfers oder einer Tür). 32 3. Sonstige Ausschlusstatbestände Ferner sind Designs vom Schutz ausgeschlossen, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG). Die Regelung hat den Zweck zu verhindern, dass das DPMA gezwungen ist, solche unzulässigen Designs im Register einzutragen, gesetzlichen Schutz durch hoheitliche Bekanntmachung gegenüber der Öffentlichkeit zu verlautbaren (§ 20 DesignG), Eintragungsurkunden solchen Inhalts auszugeben und über dies dem Inhaber die Möglichkeit zu geben, sich staatlicher Anerkennung zu rühmen. 33 Wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung schutzunfähig sind z. B. Designs von grob verunglimpfender, politisch oder religiös diskriminierender oder volksverhetzender Wirkung. Schutzunfähigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten kommt z. B. bei pornografischen, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl unerträglich verletzenden Designs in Betracht. 34 Ausgeschlossen vom Designschutz sind schließlich Designs, die eine missbräuchliche Benutzung eines der in Art. 6 ter der PVÜ aufgeführten Zeichen oder von sonstigen Abzeichen, Emblemen und Wappen von öffentlichem Interesse darstellen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG). Die Bestimmung zielt darauf ab, Zeichen, die im öffentlichen Interesse benötigt und verwendet werden-- wie staatliche Hoheitszeichen, insbesondere Wappen, Flaggen, amtliche Prüf- und Gewährzeichen (vgl. Art. 6 ter der PVÜ )- - von einer Monopolisierung zugunsten Privater durch einen Designschutz auszuschließen. Dementsprechend hat das Bundespatentgericht entschieden, dass ein angemeldetes Design, das nahezu ausschließlich aus der Abbildung einer 100 Euro-Banknote besteht, wegen missbräuchlicher Benutzung eines Hoheitszeichens bzw. sonstigen Zeichens von öffentlichem Interesse vom Designschutz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG). 35 Die Eintragungshindernisse nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DesignG sind vom DPMA von Amts wegen zu prüfen, d. h. entsprechende Anmeldungen weist das DPMA zurück (§ 18 DesignG). 32 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 2, S. 34; ferner Berlit, GRUR 2004, 635, 637; Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53. 33 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 16. 34 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 17 f. 35 BP atG vom 21. 8. 2012-10 W (pat) 701 / 09 „Folienbeutelaufdrucke“, Beck RS 2012, 22 881; s. ferner BP atG v. 22. 1. 2015-30 W (pat) 703 / 13 „De-Flagge“, GRUR 2015, 790. 209 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson IV. Exkurs: Ersatzteilproblematik Die Ersatzteilproblematik, d. h. die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Designschutz auch für Ersatzteile in Betracht kommt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere für den KFZ -Ersatzteilmarkt, auf dem sich neben den Automobilherstellern bekanntlich auch freie Ersatzteilhersteller etabliert haben. 36 Das Volumen des gesamten EU -Marktes (vor Erweiterung- = „ EU 15“) für KFZ -Ersatzteile wird auf 42 bis 45 Mrd. EUR jährlich geschätzt, wobei der Anteil der Fahrzeughersteller am Ersatzteilmarkt Schätzungen zufolge 50-55 % beträgt, während die verbleibenden 45-50 % auf den sog. unabhängigen Anschlussmarkt entfallen. Das Marktvolumen des Ersatzteilmarktes, der designfähige Fahrzeugteile betrifft (z. B. Stoßstangen, Kotflügel, Motorhauben, Beleuchtung), wird auf ca. 25 % des gesamten Anschlussmarktes, mithin auf ca. 9-11 Mrd. EUR jährlich veranschlagt. 37 Aber nicht nur für die Teileindustrie, auch für die Sachversicherer ist die Frage, ob der Ersatzteilmarkt vermittels des Designschutzes durch den Hersteller der Ausgangsware monopolisierbar ist, von besonderem wirtschaftlichem Interesse. 38 1. Ausgangspunkt: Terminologie Wie bereits erörtert (s. o. § 2 I.), ist für die Frage der Designfähigkeit der Erzeugnisbegriff von entscheidender Bedeutung. Dieser erfasst nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung auch Einzelteile, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen (§ 1 Nr. 2 DesignG). Ein komplexes Erzeugnis ist seinerseits definiert als ein Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, sodass das Erzeugnis auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann (§ 1 Nr. 3 DesignG). Ein Auto ist mithin- - anders als ein „individuelles Erzeugnis“ (z. B. eine Vase)-- in der Terminologie des Designrechts ein „komplexes Erzeugnis“, da es aus einer Vielzahl von ersetzbaren „Bauelementen“ besteht. Aus der vorgenannten Definition des Erzeugnisses (§ 1 Nr. 2 DesignG) folgt wiederum, dass die Bauelemente eines komplexen Erzeugnisses (z. B. der Türrahmen) als „Einzelteile“ grundsätzlich designfähig sind. 39 Handelt es sich um zu Reparaturzwecken hergestellte oder verwendete Einzelteile, so werden diese als „Ersatzteile“ bezeichnet. 40 2. Ausschluss sog. must-fit-Teile Ist die Designfähigkeit von Einzelteilen damit im Grundsatz zu bejahen, ist gleichwohl-- namentlich bei KFZ -Ersatzteilen-- zu berücksichtigen, dass Verbindungselemente (sog. mustfit-Teile), wie gesehen (s. zuvor III . 2.), im Interesse der Interoperabilität vom Designschutz ausgeschlossen sind. Entsprechend der Zielrichtung der diesem Ausschlusstatbestand zu- 36 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65. 37 Vgl. Mitteilung der Kommission v. 14. 9. 2004, MEMO / 04 / 215, „Vorschlag der Kommission für mehr Wettbewerb auf dem Kfz-Ersatzteilmarkt-- Häufig gestellte Fragen“. 38 Beyerlein, WRP 2004, 676. 39 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 1 Rdn. 22. 40 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65. 210 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson grunde liegenden unionsrechtlichen Gesetzgebung liegt die hauptsächliche Bedeutung dieser Regelung gerade bei Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge. So sollen danach z. B. die Abmessungen der Verbindungsmuffen eines Auspuffrohrs vom Schutz ausgeschlossen sein, weil sie durch die Abmessungen auf der Unterseite des Kraftfahrzeugs vorgegeben sind. 41 Der Ausschluss erstreckt sich, wie gleichfalls bereits erörtert (s. zuvor III . 2.), jedoch nicht auf solche Ersatzteile, die zwar zur Herstellung des Erscheinungsbildes eines komplexen Erzeugnisses in einer bestimmten Form gefertigt werden müssen, bei denen es sich jedoch- - wie etwa bei den stilistischen Formelementen der Motorhaube, der Scheinwerfer oder Stoßstange-- nicht um Verbindungselemente handelt, sodass ihre Gestaltung- - funktional bzw. technisch- - nicht zwangsläufig vorgegeben ist (sog. must-match-Teile). 42 Die Designfähigkeit der sog. mustmatch-Teile ist daher im Grundsatz zu bejahen. 3. Schutzbeschränkung auf sichtbare Bauelemente Auch soweit die Gestaltung eines Ersatzteiles nicht von einem gesetzlichen Ausschlussgrund erfasst ist, bleibt jedoch als weitere gesetzliche „Hürde“ zu beachten, dass der Gesetzgeber den Designschutz für „Bauelemente komplexer Erzeugnisse“ an besondere Bedingungen geknüpft hat. So gilt ein Design, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (§ 4 DesignG). 43 Für die Designfähigkeit von Bauelementen komplexer Erzeugnisse wird der grundsätzlich eröffnete Teileschutz damit also wieder eingeschränkt. Unionsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist, dass jeder Streit über die Schutzfähigkeit von innenliegenden KFZ -Bauteilen (z. B. Kupplung, Motorteilen) ausgeschlossen und der Schutz für KFZ -Ersatzteile durch den Ausschluss nicht sichtbarer Teile auf ein Minimum beschränkt werden sollte. 44 Bei bestimmungsgemäßer Verwendung gelten nicht sichtbare Gestaltungsmerkmale nach der gesetzlichen Fiktion als nicht neu und eigenartig und sind daher vom Schutz ausgeschlossen. Demgegenüber wird sichtbaren KFZ -Bauteilen, soweit die sichtbaren Merkmale neu und eigenartig sind, Designschutz zuerkannt. 4. Übergangsbestimmung zu Reparaturteilen Im Zusammenhang mit der Ersatzteilfrage von Bedeutung ist schließlich, dass das Gesetz seit der Geschmacksmusterreform 2004 zu dieser Frage eine Übergangsbestimmung enthält. Danach können Rechte aus einem eingetragenen Design gegenüber Handlungen nicht geltend 41 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 13. 42 Näheres zur Abgrenzung von must-fit und must-match-Teilen bei KFZ -Ersatzteilen vgl. Rehmann, Designrecht, Rdn. 85 ff.; ferner Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53. 43 EuG v. 3. 10. 2014, Rs. T-39 / 13 „Fußleistenelement“, GRUR - RS 2014, 82 025. 44 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 4 Rdn. 3. 211 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson gemacht werden, die die Benutzung eines Bauelements zur Reparatur eine komplexen Erzeugnisses im Hinblick auf die Wiederherstellung von dessen ursprünglicher Erscheinungsform-- also die Benutzung eines Reparaturteiles-- betreffen, wenn diese Handlungen nach dem alten, d. h. dem durch das Geschmackmusterreformgesetz 2004 abgelösten Geschmacksmustergesetz nicht verhindert werden konnten (§ 73 Abs. 1 DesignG). Mit anderen Worten: Verbietungsrechte aus einem eingetragenen Design können gegen die Benutzung eines Reparaturteiles dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies auch nach altem Recht, d. h. der bis zum 31. 5. 2004 maßgeblichen Gesetzeslage, nicht möglich gewesen wäre, insbesondere weil das fragliche Ersatzteil weder für sich allein noch im Rahmen eines Gesamterzeugnisses geeignet ist, eine ästhetische Funktion zu entfalten. 45 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Handlungen, gegen die bereits nach alter Rechtslage Ansprüche geltend gemacht werden konnten, folglich auch zukünftig geahndet werden können. Für Reparaturteile, die zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes dienen, bleibt also bis auf Weiteres die alte Rechtslage-- der „status quo“-- erhalten, nach der es genügt hat, dass das fragliche Ersatzteil die ihm eigene ästhetische Wirkung im Rahmen des Gesamtproduktes entfaltet. 46 Hintergrund der Übergangsbestimmung ist, dass im Rahmen der Beratungen der dem Gesetz zugrunde liegenden Geschmacksmusterrichtlinie ( GRL ) aus dem Jahre 1998 (s. o. § 2 II .) eine Einigung in der Ersatzteilfrage noch nicht erzielt werden konnte. 47 Deshalb wurde in die Richtlinie als Kompromiss eine sog. Revisionsklausel aufgenommen, nach der die Kommission drei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist (also bis zum 28. 10. 2004) einen Bericht vorzulegen hatte, in dem die Auswirkungen dieser Richtlinie auf die Industrie der Gemeinschaft, insbesondere auf die am stärksten betroffenen Industriesektoren, den Wettbewerb und das Funktionieren des Binnenmarktes analysiert werden und nach der die Kommission spätestens ein Jahr danach (also bis zum 28. 10. 2005) etwaige Änderungsvorschläge vorzuschlagen hatte (vgl. Art. 18 GRL ). Ferner enthält die Richtlinie eine Übergangsbestimmung, nach der die Mitgliedsstaaten bis zur Annahme der von der Kommission nach Art. 18 GRL zu unterbreitenden Änderungsvorschläge ihre bestehenden einschlägigen Rechtsvorschriften zum designrechtlichen Schutz von Reparaturteilen beibehalten und allenfalls Änderungen einführen, wenn durch diese eine Liberalisierung des fraglichen Handels ermöglich wird (vgl. Art. 14 GRL -- sog. freeze plus-Lösung). Vor diesem Hintergrund hat sich der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Geschmacksmustergesetzes 2004 für eine entsprechende Übergangsbestimmung entschieden, d. h. für eine Beibehaltung der alten Rechtslage bis zur Vorlage einer gesamteuropäischen Lösung. Auf eine nach der Richtlinie mögliche Liberalisierung des Marktes für sichtbare Reparaturteile hat er verzichtet. 48 45 Zu den Kriterien der Schutzfähigkeit von Ersatzteilen nach alter Rechtslage vgl. Eichmann / v. Falckenstein, Geschm MG , 2. Auflage 1997, § 1 Rdn. 12, 17, 19, 36. 46 Bulling, Mitt. 2004, 254, 260. 47 Näheres zur Diskussion vgl. Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 73 Rdn. 1 ff. 48 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65 f. 212 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson 5. Vorschlag der Kommission betreffend Ersatzteilmarkt Nach Abschluss der in Art. 18 GRL festgelegten Konsultationen und Analysen hat die EG - Kommission am 14. 9. 2004 zwecks gemeinschaftsweiter Liberalisierung des Ersatzteilmarktes einen Vorschlag zur Änderung der Geschmacksmusterrichtlinie unterbreitet. 49 Unter Binnenmarktgesichtspunkten sei die gegenwärtige Situation, so die Erwägungen der Kommission, die durch unterschiedliche, sich entgegen stehende Regelungen zum Designschutz von Ersatzteilen gekennzeichnet sei, unbefriedigend. Während nur ein Teil der Mitgliedsländer den Ersatzteilmarkt liberalisiert hätten, 50 werde in den meisten Mitgliedsstaaten der Designschutz nach wie vor auf Ersatzteile erstreckt. 51 Im Automobilsektor, der am stärksten von der Ersatzteilfrage betroffen sei, gebe es zwar einen Binnenmarkt für Neuwagen, aber keinen für Ersatzteile. So habe eine Untersuchung der Preise ausgewählter Ersatzteile ergeben, dass die Preise in den Mitgliedsstaaten mit Designschutz erheblich über denjenigen ohne einen solchen Schutz lägen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die gegenwärtige Situation mit einem gemischten Schutzregime erhebliche Handelsverzerrungen verursache. Der Vorschlag der Kommission betrifft nur durch Designschutzrechte geschützte Ersatzteile auf dem Ersatzteilmarkt, der auch als „Sekundärmarkt“ oder „Anschlussmarkt“ bezeichnet wird. Die wichtigsten betroffenen Ersatzteile sind Karosserieteile, Glas und Beleuchtung. Ausdrücklich nicht erfasst ist der Markt für neue Produkte, der sog. Primärmarkt. Wenn also ein Händler und / oder Teilelieferant Designschutz z. B. für einen Scheinwerfer genießt, dürfen andere Hersteller oder Zulieferer diese Scheinwerfer auch in Zukunft nicht nachahmen, um ihn in ein Neufahrzeug einzubauen. Entscheidend für diese Differenzierung ist die Erwägung der Kommission, dass der Hauptzweck des Designschutzes die Gewährung ausschließlicher Rechte am Erscheinungsbild eines Produktes sei, nicht jedoch die Schaffung eines Monopols auf das Erzeugnis an sich. Durch Designschutz auf dem Anschlussmarkt für Ersatzteile, zu dem es praktisch keine Alternative gebe, würde der Wettbewerb ausgeschlossen und der Inhaber des Designrechtes erhielte ein de-facto-Produktmonopol. 52 Die Kommission schlägt daher-- in Übereinstimmung mit der gleichlautenden Regelung der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (Art. 110 Abs. 1 GGV )-- vor, in die Geschmacksmusterrichtlinie eine Regelung aufzunehmen, nach der kein Geschmacksmusterschutz für ein Muster besteht, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu geben (Vorschlag Neufassung Art. 14 Abs. 1 GRL ). 53 Sollte der Vorschlag der Kommission umgesetzt werden, liefe dies auf eine Festschreibung der 49 Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 98 / 71 / EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen v. 14. 9. 2004, KOM (2004) 582 endgültig. 50 9 Länder: Belgien, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Spanien, UK . 51 15 Länder: Österreich, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Schweden. 52 Zu den vorstehenden Erwägungen vgl. die Begründung des Änderungsvorschlages (s. Fußn. 49). 53 Kritisch hierzu vgl. u. a. Beyerlein in Günther / Beyerlein, § 1 Rdn. 29. 213 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson Übergangsbestimmung nach Art. 110 GGV , 54 d. h. einen Ausschluss der Ersatzteile vom Designschutz hinaus. 55 Der Vorschlag wurde zwar Ende 2007 vom Parlament angenommen, fand im Rat jedoch nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Angesichts der anhaltend unterschiedlichen politischen Standpunkte in der Ersatzteilfrage ist eine endgültige Regelung z. Zt. nicht absehbar. 56 V. Formelle Schutzvoraussetzungen, Eintragungsverfahren Da es sich beim deutschen eingetragenen Design- - wie im Grundsatz bei den übrigen gewerblichen Schutzrechten auch-- um ein registriertes Recht handelt, ist Voraussetzung für die Erlangung von Designschutz, dass neben den materiellen auch einige formelle Schutzvoraussetzungen erfüllt sind. 1. Anmeldeverfahren So ist es, um Designschutz zu erlangen, erforderlich, das Design zur Eintragung in das Register beim DPMA anzumelden (§ 11 Abs. 1 S. 1 DesignG). Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum ( PIZ ) eingereicht werden, wenn dieses durch Bekanntmachung des BMJV zur Entgegennahme von Designanmeldungen bestimmt ist (§ 11 Abs. 1 S. 2 DesignG). 57 Die Anmeldung muss enthalten (vgl. § 11 Abs. 2, 3 DesignG): ▶ einen Antrag auf Eintragung (s. § 5 DesignV), ▶ Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen (s. § 6 Abs. 1 bis 3 DesignV), ▶ eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Designs (s. § 7 DesignV). Die Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll, ist zwar weiterhin zwingender Bestandteil der Anmeldung (§ 11 Abs. 3 DesignG), sie kann jedoch nachgeholt werden und ihr Fehlen führt-- anders als bisher (§ 16 Abs. 5 i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 4 Geschm MG )-- nicht mehr dazu, dass sich der Anmeldetag verschiebt, wenn die Angabe im Antrag unterbleibt. 58 Erzeugnisangaben sind zwingend, sie haben jedoch keine Auswirkung für den Schutzumfang. Der Schutzgegenstand eines eingetragenen Designs wird allein durch die Erscheinungsmerkmale bestimmt, die in der Anmeldung sichtbar 54 Wie der Eu GH entschieden hat (Eu GH v. 20. 12. 2017, Rs. C-397 / 16, C-435 / 16 „Acacia“), ist Art. 110 GGV -- entgegen der bisher h.M. der europäischen Zivilgerichte-- dahin auszulegen, dass dieser nicht nur sog. must-match-Teile (i. S. v. formgebundenen „passgenauen“ Ersatzteilen) erfasst, sondern auch solche Ersatzteile, die- - wie Felgen- - vom Erscheinungsbild des komplexen Erzeugnisses ( PKW ) unabhängig sind-- s. hierzu Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53 f. 55 Ruhl, GGV , Art. 110 Rdn. 4. 56 Ruhl, GGV , Art. 110 Rdn. 4; ferner Beyerlein in Günther / Beyerlein, § 73 Rdn. 4. 57 Nachweis der für Designanmeldungen zuständigen PIZ vgl. Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 11 Rdn. 16; ferner Verzeichnis der PIZ nebst Zuständigkeiten auf der Seite des DPMA abrufbar unter: http: / / www.piznet.de/ anmeldung/ annahmestellen/ (letzter Abruf: 04 / 2018). 58 BT -Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 11, S. 27 f.; Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215. 214 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson wiedergegeben sind (§ 37 Abs. 1 DesignG). 59 Die Anmeldung muss den weiteren Anmeldeerfordernissen entsprechen, die in der Designverordnung bestimmt worden sind (§ 11 Abs. 4 DesignG). Gemäß § 4 Abs. 1 DesignV kann die Anmeldung schriftlich oder elektronisch eingereicht werden, Für die elektronische Einreichung ist die Zugangs- und Übertragungssoftware oder das Onlineformular zu verwenden, die jeweils über die Internetseite des DPMA zur Verfügung gestellt werden. 60 Für den schriftlichen Antrag auf Eintragung eines Designs ist das vom DPMA herausgegebene Formblatt zu verwenden (§ 5 Abs. 1 DesignV). 61 Die Wiedergabe des Designs erfolgt mit Hilfe von fotografischen oder sonstigen grafischen Darstellungen (zu den Anforderungen an die Wiedergabe im Einzelnen vgl. § 7 DesignV). Statt einer Wiedergabe des Designs kann der Anmeldung alternativ ein das Design kennzeichnender flächenmäßiger Designabschnitt beigefügt werden, wenn von der Möglichkeit der Aufschiebung der Bekanntmachung um 30 Monate (nach § 21 Abs. 1 S. 1 DesignG) Gebrauch gemacht wird (§ 11 Abs. 1 S. 2 DesignG; s. ferner § 8 DesignV). Zweck der Einreichung flächenmäßiger Designabschnitte ist es, alternativ zu der nicht selten unzureichenden und kostenaufwendigen bildlichen Wiedergabe die Offenbarung des Designs durch das per se aussagekräftigere Originalerzeugnis bzw. Teile davon zu erlauben. Die Reglung vermeidet überflüssigen Aufwand, der durch die Bildwiedergabe von Saisonartikeln verursacht wird, für die in der Regel ohnehin die kostensparende Aufschiebung der Bildbekanntmachung ohne nachfolgende Schutzerstreckung gewählt wird und trägt damit den Bedürfnissen der Praxis (insbes. der Textilindustrie) Rechnung. 62 Mehrere Designs können, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s. o. § 37 IV .), in einer Anmeldung zusammengefasst werden (Sammelanmeldung), wobei diese nicht mehr als 100 Designs umfassen darf (§ 12 Abs. 1 DesignG). Das nach alter Rechtslage bestehende Erfordernis, dass bei der Sammelanmeldung die Muster derselben Warenklasse angehören mussten (sog. Klassenerfordernis nach § 12 Abs. 1 S. 2 Geschm MG ), hat sich nicht als praktikabel erwiesen und wurde im Zuge des Modernisierungsgesetzes 2013 gestrichen. 63 Die Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen werden soll oder bei denen es verwendet werden soll (§ 11 Abs. 3 DesignG), richtet sich nach der amtlichen Warenliste für eingetragene Designs auf Grundlage des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer internationalen Klassifikation von gewerblichen Mustern und Modellen (§ 9 Abs. 1 DesignV). 64 Die Klassifizierung dient dazu, das Designregister übersichtlich zu gestalten. Sie hat nur Ordnungsfunktion, jedoch keine 59 Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279, 280. 60 Seit dem 12. 11. 2013 ist eine Online-Designanmeldung beim DPMA möglich vgl. https: / / www.dpma.de/ designs/ anmeldung/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 61 Das Formblatt (Vordrucknummer R 5703 / 11.17) ist ebenso wie die ausführlichen Hinweise zum Ausfüllen des Formblatts im „Merkblatt für Designanmelder“ (Vordrucknummer R 5704.1 / 1.18 abrufbar unter: http: / / www.dpma.de/ design/ formulare/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 62 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 11 Rdn. 55. 63 BT -Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 12, S. 28. 64 Die Locarno-Klassifikation umfasst insgesamt 32 Hauptklassen und 219 Unterklassen mit detaillierter Beschreibung der Waren. Nähere Informationen sind auf der Seite des DPMA abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ recherche/ klassifikationen/ designs/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 215 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson materiell-rechtliche Bedeutung. 65 Der Zeitrang einer Anmeldung richtet sich grundsätzlich nach dem Eingang der Anmeldung beim DPMA . Der Anmelder hat jedoch grundsätzlich auch die Möglichkeit, die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung in Anspruch zu nehmen. In Betracht kommt insoweit insbesondere die Inanspruchnahme der sechsmonatigen Unionspriorität nach Maßgabe der PVÜ wegen einer vorangegangenen Anmeldung in einem Verbandsland (vgl. hierzu § 4 III . 1. b.). Wer die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung desselben Designs in Anspruch nimmt, hat vor Ablauf des 16. Monats nach dem Prioritätstag, Zeit, Land und Aktenzeichen der früheren Anmeldung anzugeben und eine Abschrift der früheren Anmeldung einzureichen (§ 14 Abs. 1 S. 1 DesignG). Auch für frühere Anmeldungen in Staaten, mit denen keinen Staatsvertrag besteht, kann der Anmelder eine entsprechende Priorität in Anspruch nehmen, wenn die fraglichen Staaten einer ersten Anmeldung beim DPMA seinerseits ein vergleichbares Prioritätsrecht gewährt (vgl. § 14 Abs. 2 DesignG). Auch wenn der Anmelder ein Design auf einer in § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DesignG näher bezeichneten internationalen oder sonstigen inländischen oder ausländischen Ausstellung zur Schau gestellt hat, kann er, wenn er die Anmeldung innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der erstmaligen Zurschaustellung einreicht, von diesem Tag an ein Prioritätsrecht in Anspruch nehmen (Ausstellungspriorität). Die Ausstellungen, für die eine Ausstellungspriorität in Anspruch genommen werden kann, werden vom BMJV im Falle des § 15 Abs. 1 Nr. 1 DesignG im Bundesanzeiger bekanntgemacht und im Falle des § 15 Abs. 1 Nr. 2 DesignG im Einzelfall vom BMJV bestimmt und im Bundesanzeiger bekanntgemacht (§ 15 Abs. 2, 3 DesignG). 66 Die Zurschaustellung auf einer Ausstellung ist durch Einreichung einer entsprechenden Bescheinigung nachzuweisen (§ 15 Abs. 4 DesignG). 2. Eintragungsverfahren Die für die Prüfung der Anmeldung zuständige Designstelle des DPMA prüft, ob die formalen Voraussetzungen für die Anmeldung als Voraussetzung für die Eintragung erfüllt sind. Im Einzelnen prüft es dabei (vgl. § 16 Abs. 1 DesignG), ob ▶ die Anmeldegebühren nach § 5 Abs. 1 S. 1 Patentkostengesetz 67 und ▶ die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldetages nach § 11 Abs. 2 vorliegen und ▶ die Anmeldung den sonstigen Anmeldungserfordernissen entspricht. 65 Rehmann, Designrecht, Rdn. 125. 66 Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmackmustergesetzes und zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutzes v. 10. 10. 2013 wurden die Regelungen zum sog. Ausstellungsschutz im gewerblichen Rechtsschutz einheitlich dahingehend geändert, dass die entsprechenden Bekanntmachungen nicht mehr in Bundesgesetzblatt, sondern im elektronisch geführten Bundesanzeiger erfolgen. 67 Eine Übersicht über „Gebühren für Designschutz“ (mit Beispielen) ist auf der Seite des DPMA abrufbar unter: http: / / www.dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 216 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson Eine Sachprüfung der materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie z. B. der Neuheit oder Eigenart des Designs erfolgt nicht (sog. Registrierrecht). 68 Das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen wird nur auf Antrag im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens vor dem DPMA (§§ 34 ff. DesignG) oder einer Widerklage in Verletzungs- und Schadensersatzprozessen vor den Landgerichten (§§ 52a f. DesignG) geprüft. Über die Prüfung der Formalvorschriften hinaus, überprüft das DPMA gemäß § 18 DesignG das Vorliegen von Eintragungshindernissen, nämlich die Designfähigkeit des Gegenstandes der Anmeldung (i. S. v. § 1 Nr. 1 DesignG) sowie das Vorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DesignG (s. bereits zuvor III . 3.). Sofern die formalen Voraussetzungen erfüllt sind und keine Eintragungshindernisse entgegenstehen, erfolgt die Eintragung der Anmeldung in das vom DPMA geführte Register (§ 19 DesignG, § 15 DesignV) sowie die Bekanntmachung der Eintragung der Anmeldung mit der Wiedergabe des eingetragenen Designs im elektronischen Designblatt 69 (§ 20 DesignG). Durch die Bekanntmachung soll es Dritten ermöglicht werden, sich möglichst umfassend über den bestehenden Designschutz zu informieren. Die Einsichtnahme in das Register steht jedermann frei (§ 22 S. 1 DesignG). 3. Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Im DPMA werden zur Durchführung der Verfahren in Designangelegenheiten eine oder mehrere Designstellen und Designabteilungen gebildet (§ 23 Abs. 1 S. 1 DesignG). Die Designstellen sind für die Entscheidungen im Verfahren nach dem Designgesetz mit Ausnahme des Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a DesignG zuständig und mit einem rechtskundigen Mitglied besetzt, das die Befähigung zum Richteramt haben muss und zum Mitglied des DPMA berufen sein muss (§ 23 Abs. 1 DesignG). Im Nichtigkeitsverfahren nach § 34a DesignG beschließt eine der beim DPMA eingerichteten, in der Regel mit drei rechtskundigen Mitgliedern besetzten Designabteilungen (§ 23 Abs. 2 DesignG). Gegen die Beschlüsse des DPMA findet die Beschwerde an das Bundespatentgericht ( BP atG) statt, über die der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern entscheidet (§ 23 Abs. 4 DesignG). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich beim DPMA einzulegen (§ 23 Abs. 4 S. 3 DesignG i. V. m. § 73 Abs. 2 PatG). Das Beschwerdeverfahren eröffnet dem DPMA die Möglichkeit, im Rahmen einer Nachprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes der Beschwerde abzuhelfen; wird der Beschwerde nicht abgeholfen ist sie vor Ablauf eines Monats dem Bundespatentgericht vorzulegen (§ 23 Abs. 4 S. 3 DesignG i. V. m. § 73 Abs. 3 PatG). Gegen die Beschlüsse des Bundespatentgerichts über die Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ( BGH ) statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 23 Abs. 5 DesignG). Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist zuzulassen, wenn eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§§ 23 Abs. 5 S. 2 DesignG i. V. m. 68 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 16, S. 41. 69 Abrufbar unter https: / / register.dpma.de/ DPMAregister/ blattdownload/ gsm (letzter Abruf: 04 / 2018). 217 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson 100 Abs. 2 PatG). Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde (gem. § 23 Abs. 5 S. 2 DesignG) zulassungsfrei möglich, wenn einer der in § 100 Abs. 3 Nr. 1-6 PatG bezeichneten Verfahrensmängel vorliegt und gerügt wird. § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr I. Berechtigte So wie im Bereich der technischen Schutzrechte das Recht auf das Patent (§ 6 Abs. 1 PatG) bzw. auf das Gebrauchsmuster (§ 22 Abs. 1 Gebr MG ) dem Erfinder zusteht, so steht das Recht auf das eingetragene Design dem Entwerfer oder seinem Rechtsnachfolger zu (§ 7 Abs. 1 S. 1 DesignG). Dieses Recht begründet einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Gewährung eines formalen Schutzrechts. 70 Haben mehrere Personen gemeinsam ein Design entworfen, so steht Ihnen das Recht auf das eingetragene Design gemeinschaftlich zu (§ 7 Abs. 1 S. 2 DesignG). Eine gemeinsame Entwurfstätigkeit findet statt, wenn jeder an einem Gestaltungskonzept Beteiligte-- im Sinne eines Zusammenwirkens zu einem gemeinsamen Zweck-- einen schöpferischen Beitrag zu einem einheitlichen Design beisteuert. Rechtsfolge gemeinsamer Entwurfstätigkeit ist, dass das Design den Beteiligten als Gesamthandsgemeinschaft zusteht. 71 Für die in einem Arbeitsverhältnis geschaffenen Gestaltungen findet sich eine gesetzliche Zuordnung des Rechts auf das eingetragene Design in § 7 Abs. 2 DesignG. Danach steht das Recht an dem eingetragenen Design, wenn das Design von einem Arbeitnehmer in Ausübung seiner Aufgaben oder nach den Weisungen seines Arbeitgebers entworfen wurde, dem Arbeitgeber zu, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Anders als nach der urheberrechtlich geprägten, durch die Reform 2004 abgelösten alten geschmacksmusterrechtlichen Regelung (§ 2 Geschm MG a. F.) ist der Rechtserwerb des reformierten Designrechts nicht vom Entwerfer abgeleitet, sondern erfolgt originär in der Person des Arbeitgebers. 72 Nur der in § 7 DesignG bezeichnete Personenkreis ist im Grundsatz zur Anmeldung eines einzutragenden Designs befugt. Wird ein Design dennoch von einem Nichtberechtigten wirksam angemeldet und auf dessen Namen eingetragen (die formelle Berechtigung des Nichtberechtigten wird gemäß § 8 DesignG fingiert), kann der Berechtigte von diesem die Übertragung des eingetragenen Designs oder die Einwilligung in dessen Löschung verlangen (§ 9 DesignG). II. Entstehung und Dauer Anders als nach der alten, bis zur Reform 2004 gültigen Rechtslage beginnt der Schutz nicht bereits mit der Anmeldung (vgl. so § 9 Abs. 1 Geschm MG a. F.), sondern erst mit der Eintragung in das Register (§ 27 Abs. 1 DesignG). Der geänderte Zeitpunkt für den Schutzbeginn folgt aus der unionsrechtlichen Konzeption des eingetragenen Designs als eigenständigem 70 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 3. 71 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 7 f. 72 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 16. 218 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson gewerblichem Schutzrecht, dessen Entstehung die Eintragung in das Register voraussetzt. 73 Die Schutzdauer des eingetragenen Designs beträgt 25 Jahre, gerechnet ab dem Anmeldetag (§ 27 Abs. 2 DesignG). Soweit das Gesetz für die Berechnung der Schutzdauer also nicht auf die Eintragung, sondern auf die Anmeldung abstellt, fallen der Beginn des Schutzes und der für die Berechnung der Laufzeit maßgebliche Zeitpunkt auseinander. Das Abstellen auf die Anmeldung als maßgeblichem Zeitpunkt für die Berechnung der Schutzdauer entspricht der Rechtslage im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§§ 16 Abs. 1 PatG, 23 Abs. 1 Gebr MG ) sowie im Markenrecht (§ 47 Abs. 1 MarkenG). Während der Geschmacksmusterschutz nach alter bis zur Reform 2004 gültiger Rechtslage eine ursprüngliche Schutzdauer von fünf Jahren vorsah, die um jeweils fünf Jahre oder ein Mehrfaches auf max. 20 Jahre verlängert werden konnte (§ 9 Geschm MG a. F.), geht die geltende Regelung bereits von einem ursprünglichen Schutzzeitraum von 25 Jahren aus, der in Fünfjahresabschnitten durch Zahlung einer entsprechenden Gebühr aufrecht erhalten werden kann (§ 28 Abs. 1 DesignG). 74 III. Eingetragenes Design als Gegenstand des Vermögens 1. Rechtsnachfolge Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der gewerblichen Schutzrechte (vgl. u. a. §§ 15 Abs. 1 PatG, 22 Abs. 1 Gebr MG , 27 Abs. 1 MarkenG) gilt auch im Designrecht. So kann das Recht an einem eingetragenen Design im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf andere übertragen werden oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbschaft, § 1922 Abs. 1 BGB ) auf andere übergehen (§ 29 Abs. 1 DesignG). Die Übertragung erfolgt nach den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts. Das heißt, auch bei der Übertragung des eingetragenen Designs durch Einzelvertrag ist zwischen dem in der Regel schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft als Kausalgeschäft (z. B. Rechtskauf, § 453 BGB ) und der vertraglichen Verfügung über das Recht (§§ 398, 413 BGB ) als Vollzugsgeschäft zu unterscheiden. 75 In Anlehnung an § 27 Abs. 2 MarkenG enthält auch das Designgesetz eine Vermutungsregelung, wonach ein zum Unternehmen oder zu einem Teil des Unternehmens gehöriges eingetragenes Design im Zweifel von der Übertragung des Unternehmens oder des Teils des Unternehmens, zu dem das eingetragene Design gehört, erfasst wird (§ 29 Abs. 2 DesignG). Der Regelung liegt der Grundsatz der Unternehmensakzessorietät zugrunde (vgl. auch § 34 Abs. 3 UrhG). Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass gewerbliche Schutzrechte häufig eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens darstellen, so dass es sach- und interessengerecht erscheint, dass sich im Zweifel der Verkauf und die Übertragung eines Unternehmensteils auch auf die zugehörigen Schutzrechte erstreckt. 76 Die Rechtsübertragung 73 BT -Drucks. 15 / 1075, S. 31. 74 Die Aufrechterhaltungsgebühren sind gestaffelt, sie belaufen sich für das 6. bis 10. Jahr auf EUR 90, für das 11. bis 15. Jahr auf EUR 120, für das 16. bis 20. Jahr auf EUR 150, für das 21 bis 25. Jahr auf EUR 180. Siehe Übersicht Aufrechterhaltungsgebühren für das eingetragene Design abrufbar unter: http: / / www. dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html (letzter Abruf: 04 / 20 18). 75 Näheres Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 29 Rdn. 4 ff. 76 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 29 Abs. 2, S. 46. 219 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson des eingetragenen Designs entfaltet unabhängig von der Eintragung des Inhaberwechsels ins Register Wirkung gegenüber jedermann. Der Übergang des Rechts kann jedoch auf Antrag des Rechtsinhabers oder des Rechtsnachfolgers in das Register eingetragen werden (sog. Umschreibung), wenn er dem DPMA nachgewiesen wird (§ 29 Abs. 3 DesignG). Die Regelung weicht insoweit ab von der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, nach der der Rechtsübergang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters Dritten gegenüber im Grundsatz erst dann Wirkung entfaltet, wenn er in das Register eingetragen ist (Art. 33 Abs. 2 i. V. m. 28 GGV ). 2. Dingliche Rechte, Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren Wie sonstige Vermögensgegenstände auch, kann das eingetragene Design Gegenstand eines sonstigen dinglichen Rechts sowie Gegenstand von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein (§ 30 Abs. 1 DesignG). Als dingliche Belastungen kommen eine Verpfändung (§§ 1273 ff. BGB ) oder ein Nießbrauch (§§ 1068 ff. BGB ) in Betracht. Die Zwangsvollstreckung erfolgt durch Pfändung und Überweisung (§§ 857 Abs. 1, 2 i. V. m. 828 ff. ZPO ). Dingliche Belastungen sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden auf Antrag in das Register eingetragen, wenn sie dem DPMA nachgewiesen werden (§ 30 Abs. 2 DesignG). Mit der Eintragung in das Register ist keine unmittelbare Rechtsfolge verbunden, eine mittelbare Wirkung ergibt sich jedoch daraus, dass eine Löschung aufgrund Verzichts des Rechtsinhabers oder auf Antrag eines Dritten erst vorgenommen wird, wenn die Zustimmung der Inhaber anderer in das Register eingetragener Rechte vorgelegt wird (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 und 3 DesignG). Auch soweit das Recht an einem eingetragenen Design durch ein Insolvenzverfahren erfasst wird, wird dies auf Antrag des Insolvenzverwalters oder auf Ersuchen des Insolvenzgerichts in das Register eingetragen (§ 30 Abs. 3 DesignG). 3. Lizenzen Die Möglichkeit der Einräumung von Lizenzen an eingetragenen Designs ist Gegenstand einer gesonderten Regelung (vgl. § 31 DesignG), die sich im Wesentlichen an der parallelen Regelung des Markengesetzes (§ 30 MarkenG) orientiert. Danach kann das eingetragene Design Gegenstand von ausschließlichen und nicht ausschließlichen Lizenzen für das gesamte Gebiet oder einen Teil des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland sein (§ 31 Abs. 1 DesignG). 77 Ferner ist für das Verhältnis zwischen Rechtsinhaber und Lizenznehmer ausdrücklich bestimmt, dass der Rechtsinhaber bei einem Verstoß des Lizenznehmers gegen die im Einzelnen gesetzlich näher aufgezählten lizenzvertraglichen Bestimmungen („Kardinalpflichten“) die Rechte aus dem eingetragenen Design gegen den Lizenznehmer geltend machen kann (§ 31 Abs. 2 DesignG), d. h. der Rechtsinhaber ist insoweit nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt. 78 Die entsprechenden Rechte aus dem eingetragenen Design wegen 77 Praxishinweise zum Verhandeln und Gestalten von Verträgen über Designrechte vgl. Kobuss / Bretz, Kap. 5, S. 69 ff., Kap. 11, 185 ff., Anhang S. 327 ff. 78 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 31 Abs. 2, S. 47. 220 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson eines Verstoßes gegen Beschränkungen des Lizenzvertrages kann der Rechtsinhaber nicht nur gegen den Lizenznehmer geltend machen, sondern auch gegen-- unmittelbare und mittelbare-- Abnehmer des Lizenznehmers, die Erzeugnisse des Lizenznehmers zum Gegenstand von Benutzungshandlungen machen. 79 Was die Rechtsverfolgung von Schutzrechtsverletzungen durch Dritte angeht, ist bestimmt, dass der Lizenznehmer ein Verfahren wegen Verletzung eines eingetragenen Designs, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist, grundsätzlich nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers anhängig machen kann (§ 31 Abs. 3 S. 1 DesignG). Dies gilt allerdings nicht für den Inhaber einer ausschließlichen Lizenz, wenn der Rechtsinhaber, nachdem er dazu aufgefordert wurde, innerhalb einer angemessenen Frist nicht selbst ein Verletzungsverfahren anhängig gemacht hat (§ 31 Abs. 3 S. 2 DesignG). Schließlich sieht das Gesetz nach dem Vorbild des Patentgesetzes (vgl. § 15 Abs. 3 PatG) die Regelung eines sog. Sukzessionsschutzes vor. Das heißt, auch beim eingetragenen Design lässt eine Rechtsnachfolge in der Inhaberschaft (nach § 29 DesignG) oder die Erteilung weiterer Lizenzen die Beständigkeit einer vorher erteilten Lizenz unberührt (§ 31 Abs. 5 DesignG). IV. Nichtigkeit und Löschung 1. Nichtigkeitsverfahren beim DPMA Eine der wesentlichen Änderungen des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmusterrechts vom 10. 10. 2013 war-- neben der Modernisierung der Terminologie-- die Einführung eines beim DPMA angesiedelten Nichtigkeitsverfahrens (§§ 34 ff. DesignG). Da bei der Eintragung des Designs, wie gesehen (s. o. § 38 V. 2.), keine Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfolgt, obliegt es einem möglichen Rechtssuchenden die Nichtigkeit eines eingetragenen Designs geltend zu machen. Nach alter Rechtslage musste ein Rechtssuchender mangels eines entsprechenden amtlichen Verfahrens die Feststellung der Nichtigkeit eines Geschmacksmusters im Wege eines mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Klageverfahrens vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen. Mit der Einführung des beim DPMA angesiedelten Nichtigkeitsverfahrens soll dem Rechtssuchenden in Anlehnung an die Vorschriften zum Löschungsverfahren im Markenrecht und Gebrauchsmustergesetz eine kostengünstigere Möglichkeit der Feststellung der Nichtigkeit eröffnet werden. 80 Die Nichtigkeit eines eigetragenen Designs wird durch Beschluss des DPMA oder durch Urteil auf Grund Widerklage im Verletzungsverfahren (s. §§ 52a f. DesignG) festgestellt oder erklärt (§ 33 Abs. 3 DesignG). Die Voraussetzungen für die Einleitung des Nichtigkeitsverfahrens sowie die wesentlichen Grundzüge des Verfahrens sind in den §§ 34 bis 34c DesignG geregelt. 81 79 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 31 Rdn. 21. 80 BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 21. 81 Näheres hierzu vgl. Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215 f. 221 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson 2. Absolute Nichtigkeit Ein eingetragenes Design ist nichtig (§ 33 Abs. 1 DesignG), wenn es an einer materiellen Voraussetzung für die Schutzgewährung fehlt oder ein Designschutz ausgeschlossen ist, nämlich ▶ wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design ist (i. S. v. § 1 Nr. 1 DesignG), ▶ wenn das Design nicht neu (i. S. v. § 2 Abs. 2 DesignG) ist oder keine Eigenart hat (i. S. v. § 2 Abs. 3 DesignG) oder ▶ wenn das Design vom Designschutz nach § 3 DesignG ausgeschlossen ist. Zur Stellung des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 33 Abs. 1 DesignG ist grundsätzlich jedermann befugt (§ 34 S. 1 DesignG). Diese sog. Popularantragsbefugnis ist im allgemeinen Interesse einer Löschung von Scheinrechten aus dem Register eröffnet. 82 Eine Ausnahme hiervon ergibt sich lediglich für den Nichtigkeitsgrund gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG (missbräuchliche Benutzung eines der in Art. 6 ter der PVÜ aufgeführtem Zeichen u. a.), der nur von demjenigen geltend gemacht werden kann, der von der Benutzung betroffen ist (§ 34 S. 3 DesignG). 83 3. Relative Nichtigkeit Seinem Wesen als Erscheinungsform eines Erzeugnisses entsprechend, ist es möglich, dass sich das eingetragene Design mit einigen anderen Schutzrechten überschneidet und deshalb für nichtig erklärt werden kann (Fälle sog. relativer Nichtigkeit nach § 33 Abs. 2 DesignG). So kann ein eingetragenes Design mit seinen Erscheinungsmerkmalen in den Schutzbereich eines anderen Schutzrechts eingreifen, d. h. mit diesem kollidieren. Denkbar ist eine Kollision mit einem Urheberrecht (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 DesignG- - z. B.: unerlaubte Benutzung eines urheberrechtlich geschützten Bildes oder einer Fotographie als Muster einer Tapete), mit einem eingetragenen Design mit älterem Zeitrang (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 DesignG) oder mit einem Zeichen mit Unterscheidungskraft älteren Zeitrangs (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 DesignG-- z. B.: Stoffmuster enthält Zeichen, dass als Bildmarke geschützt ist). Das Gesetz sieht für diese Fälle vor, dass der Inhaber des betroffenen Rechts befugt ist, einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen Designs zu stellen (§ 34 S. 2 DesignG). 4. Löschung Eine Löschung der Eintragung eines eingetragenen Designs erfolgt (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1-5 DesignG): ▶ bei Beendigung der Schutzdauer (d. h. bei Ablauf der max. Schutzdauer von 25 Jahren, § 27 Abs. 2 DesignG, bzw. mangels weiterer Aufrechterhaltung nach 5, 10, 15, 20 Jahren, § 28 Abs. 3 DesignG); 82 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 33 Abs. 2, S. 48 f. 83 Hintergrund dieser Einschränkung ist eine entsprechende Vorgabe der Richtlinie 98 / 71 / EG - - BT - Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 34, S. 31. 222 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson ▶ bei Verzicht auf Antrag des Rechtsinhabers (unter den in § 36 Abs. 1 Nr. 2 DesigG bestimmten Voraussetzungen); ▶ auf Antrag eines Dritten (unter den in § 36 Abs. 1 Nr. 3 DesigG bestimmten Voraussetzungen); ▶ bei Einwilligung des als Rechtsinhaber Eingetragenen in die Löschung nach § 9 DesignG bei Nichtberechtigung des als Rechtsinhaber Eingetragenen oder nach § 33 Abs. 2 S. 2 DesignG (wegen Kollision mit anderem Schutzrecht); ▶ auf Grund eines unanfechtbaren Beschlusses oder rechtskräftigen Urteils über die Feststellung oder Erklärung der Nichtigkeit. Eine Entscheidung über die Ablehnung der Löschung erfolgt durch Beschluss des DPMA (§ 36 Abs. 1 S. 2 DesignG), sie kann von dem Rechtssuchenden durch Einlegung eines Rechtsmittels nach § 23 Abs. 4 DesignG (Beschwerde) angegriffen werden. § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen I. Schutzwirkungen 1. Schutzgegenstand Die im Rahmen der Reform 2004 erfolgte Stärkung des Designschutzes-- seine Fortentwicklung von einem bloßen Nachahmungsschutz hin zu einem gewerblichen Schutzrecht mit Sperrwirkung (s. o. § 2 II .)-- hat eine eindeutige Konkretisierung des Schutzgegenstandes erforderlich gemacht. Der Schutzgegenstand des Schutzrechts ist seither ausdrücklich geregelt. Danach wird Schutz für diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines eingetragenen Designs begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben sind (§ 37 Abs. 1 DesignG). Gegenstand des Schutzes ist also nicht die Originalvorlage des angemeldeten Designs, sondern jeweils das, was in der Anmeldung offenbart wurde. Vom Schutz erfasst sind also alle Erscheinungsmerkmale, die auf der der Anmeldung beigefügten Wiedergabe erkennbar sind. 84 Durch diese Regelung haben die von der Rechtspraxis auf der Grundlage des alten Rechts vor 2004 entwickelten Beurteilungskriterien eine gesetzliche Anerkennung erfahren. 85 Der in § 5 DesignG unter den Schutzvoraussetzungen geregelte Tatbestand der Offenbarung ist daher über die Bestimmung von Neuheit bzw. Eigenart hinaus auch für die Feststellung des Schutzumfangs von entscheidender Bedeutung. 86 2. Rechte und Schutzumfang Die Rechtsherrschaft des Rechtsinhabers eines eingetragenen Designs äußert sich in einem Ausschließlichkeitsrecht, das in der für Immaterialgüterrechte typischen Weise durch die Zuweisung einer ausschließlichen positiven Benutzungsbefugnis und eines umfassenden 84 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 37 Abs. 1, S. 51. 85 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 37 Rdn. 1. 86 Hartwig, GRUR 2017, 20, 23. 223 § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen Pierson negativen Verbietungsrechts gekennzeichnet ist (vgl. § 1 II .). So gewährt das eingetragene Design dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, das eingetragene Design zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen (§ 38 Abs. 1 DesignG). Konkretisierungen des dem Rechtsinhaber danach zustehenden Verbietungsrechts und der diesem ausschließlich vorbehaltenen Benutzungshandlungen ergeben sich aus der nicht abschließenden gesetzlichen Aufzählung (vgl. 38 Abs. 1 S. 2 DesignG). Danach schließt eine Benutzung insbesondere ein ▶ die Herstellung, ▶ das Anbieten, ▶ das Inverkehrbringen, ▶ die Einfuhr und Ausfuhr, ▶ den Gebrauch eines geschützten Erzeugnisses und ▶ den Besitz eines Erzeugnisses zu den vorgenannten Zwecken. Von entscheidender Bedeutung ist, dass von den Rechten aus dem eingetragenen Designrecht-- anders als nach der früheren Rechtslage vor der Reform 2004-- nicht nur Nachbildungen erfasst werden, sondern jegliche Benutzungenhandlungen, d. h. unabhängig davon, ob der Dritte Kenntnis von dem bestehenden eingetragenen Design hatte (sog. Sperrwirkung). Was die Frage der Reichweite des Designschutzes angeht, so erstreckt sich der Schutz aus einem eingetragenen Design auf jedes Design, das bei einem informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt, wobei bei der Beurteilung des Schutzumfangs der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Designs berücksichtigt wird (§ 38 Abs. 2 DesignG). Für die Beurteilung des Schutzumfangs ist danach also der gleiche Beurteilungsmaßstab-- nämlich der bei einem informierten Benutzer erweckte Gesamteindruck-- heranzuziehen, wie zur Beurteilung der erforderlichen „Eigenart“ im Rahmen der Schutzvoraussetzungen (s. o. § 38 II . 2. a). Das gestalterische „Mehr“, das dazu führt, dass sich das Design hinreichend von anderen eingetragenen Designs unterscheidet, ist rechtlich also in zweifacher Hinsicht bedeutsam: zum einen im Rahmen der „Eigenart“ als Voraussetzung für die Entstehung des Schutzes (§ 2 Abs. 3 DesignG), zum anderen bestimmt es zugleich im Rahmen des Schutzumfangs (§ 38 Abs. 2 DesignG) die Reichweite des Schutzes. Maßstab für die Perspektive eines „informierten Benutzers“ soll dabei ein „mit einem gewissen Maß an Kenntnissen und Designbewusstsein ausgestatteter Durchschnittsbetrachter“ sein, also weder ein nicht vorgebildeter Betrachter noch andererseits ein Designexperte. 87 3. Beschränkungen, Vorbenutzungsrecht Das dem Rechtsinhaber des eingetragenen Designs zustehende, im Grundsatz umfassende Verbietungsrecht besteht nicht völlig schrankenlos, sondern unterliegt, wie andere gewerbliche Schutzrechte auch (vgl. §§ 11 PatG, 12 Gebr MG , 6 Abs. 2 HLS chG, 10a Abs. 1 SortG), einem Katalog von Beschränkungen, die dem Schutz unterschiedlicher Allgemeininteressen dienen 87 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 38 Abs. 2, S. 52. 224 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson (vgl. § 40 DesignG). Bei diesen Beschränkungen handelt es sich-- anders als bei § 3 DesignG (hierzu s. o. § 38 III .)- - nicht um Fälle, in denen der Designschutz generell ausgeschlossen ist, sondern um Tatbestände, in denen der bestehende Schutz des eingetragenen Design an eine gesetzliche „Schranke“ stößt, d. h. ausnahmsweise keine Wirkung entfaltet. So können die Rechte aus einem eingetragenen Design u. a. nicht geltend gemacht werden gegenüber ▶ Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden (§ 40 Nr. 1 DesignG); ▶ Handlungen zu Versuchszwecken (§ 40 Nr. 2 DesignG); ▶ Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung (im Sinne von Veranschaulichung / Illustration) oder der Lehre, vorausgesetzt solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beinträchtigen die normale Verwertung des eingetragenen Designs nicht über Gebühr und geben die Quelle an (§ 40 Nr. 3 DesignG). Eine weitere Beschränkung des Rechts am eingetragenen Design ergibt sich aus dem im Rahmen der Reform 2004 neu in das Gesetz aufgenommenen Vorbenutzungsrecht, das als Rechtsinstitut mit der nach reformiertem Recht entfalteten Sperrwirkung des eingetragenen Designs korrespondiert. Danach können Rechte aus dem eingetragenen Design (nach § 38 DesignG) gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Design, das unabhängig von einem eingetragenen Design entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden (§ 41 Abs. 1 S. 1 DesignG). Durch das Vorbenutzungsrecht, das sich im Bereich der technischen Schutzrechte bewährt hat (vgl. §§ 12 PatG, 13 Abs. 3 Gebr MG -- s. o. § 17 II .), soll ein Interessenausgleich geschaffen werden zwischen dem Bedürfnis des Rechtsinhabers an einem umfassenden Schutz und dem Nutzungsinteresse Dritter, die ein in den Schutzumfang eines eingetragenen Designs fallendes Design bereits zuvor gutgläubig verwendet haben bzw. Vorkehrungen hierzu getroffen haben. 88 Der Dritte ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des Vorbenutzungsrechts berechtigt, das Design zu verwerten (§ 41 Abs. 1 S. 2 DesignG). Er ist jedoch nicht selbst Inhaber eines eingetragenen Designs, sondern nur eines Vorbenutzungsrechts-- eine Vergabe von Lizenzen ist daher ausgeschlossen (§ 41 Abs. 1 S. 3 DesignG). Das Vorbenutzungsrecht ist nur auf einen Dritten übertragbar, wenn dieser ein Unternehmen betreibt und die Übertragung zusammen mit mindestens dem Unternehmensteil erfolgt, in dessen Rahmen die Benutzung erfolgte oder die Anstalten getroffen wurden (Betriebsgebundenheit des Vorbenutzungsrechts, s. § 41 Abs. 2 DesignG). 89 88 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begründung zu § 41 Abs. 1, S. 54. 89 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 41 Rdn. 10. 225 § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen Pierson II. Rechtsverletzungen 1. Beseitigung, Unterlassung, Schadenersatz Das dem Rechtsinhaber als Ausfluss seines Ausschließlichkeitsrechts zustehende Verbietungsrecht (§ 38 Abs. 1 S. 1 DesignG) wird konkretisiert durch zivilrechtliche Ansprüche, die ihm gegen den unberechtigten Nutzer seines eingetragenen Designs eingeräumt werden. 90 Die wichtigsten Anspruchsgrundlagen sind in § 42 DesignG geregelt. Danach kann derjenige, der ein eingetragenes Design entgegen § 38 Abs. 1 S. 1 DesignG benutzt (Verletzer), von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten (Verletzten) auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 42 Abs. 1 DesignG). Hierbei kommt in der Praxis dem Unterlassungsanspruch, der auf eine Verhinderung einer fortgesetzten bzw. erneuten Verletzung des eingetragenen Designs gerichtet und bereits bei Erstbegehungsgefahr begründet ist (§ 42 Abs. 1 S. 2 DesignG), eine weitaus größere Bedeutung zu als dem Beseitigungsanspruch. 91 Als weiterer Anspruchsberechtigter und Verletzter kommt neben dem Rechtsinhaber der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz in Betracht, nicht jedoch der Inhaber einer einfachen Lizenz, der-- anders als bei der ausschließlichen Lizenz-- kein dinglicher, sondern lediglich schuldrechtlicher Charakter zukommt. Handelt der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig-- also schuldhaft--, ist er darüber hinaus zum Ersatz des aus der unberechtigten Benutzungshandlungen entstandenen Schadens verpflichtet (§ 42 Abs. 2 S. 1 DesignG). An Stelle des Schadensersatzes kann die Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Benutzung des eingetragenen Designs erzielt hat, verlangt werden (§ 42 Abs. 2 S. 2 DesignG). Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist-- neben der konkreten Berechnung des Schadens durch Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB ) und der im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (s. hierzu u. § 87 II . 2.) gesetzlich verankerten Schadensberechnung im Wege der sog. Lizenzanalogie (§ 42 Abs. 2 S. 3 DesignG)-- eine der drei Berechnungsarten, die im Bereich des Immaterialgüterrechts von der Rechtsprechung seit langem anerkannt waren. 92 2. Flankierende Ansprüche, Erschöpfung, Verjährung Die zuvor dargestellten zentralen zivilrechtlichen Ansprüche aus § 42 DesignG werden im Sinne eines umfassenden Schutzes und der Durchsetzung der Rechte aus dem eingetragenen Design durch eine Reihe flankierender zivilrechtlicher Ansprüche ergänzt (Einzelheiten zur Anspruchsgrundlagensystematik s. u. § 87 II . 2.). So steht dem Verletzten gegen den Verletzer auch ein Anspruch auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung zu (§ 43 DesignG). Danach kann der Verletzte verlangen, dass alle rechtwidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnisse, die im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, vernichtet werden (§ 43 Abs. 1 DesignG). Auch kann der Verletzte den Verletzer auf 90 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 42 Rdn. 1. 91 Rehmann, Designrecht, Rdn. 249. 92 Vgl. BGH GRUR 1993, 55, 57 „Tchibo / Rolex II “. 226 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson Rückruf von rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnissen oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen. Statt des Vernichtungsanspruchs nach Absatz 1 kann der Verletzte auch verlangen, dass ihm die Erzeugnisse, die im Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene Vergütung, welche die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, überlassen werden (§ 43 Abs. 3 DesignG). Die Ansprüche nach Abs. 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Maßnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist (§ 43 Abs. 4 DesignG). Schließlich hat der Verletzte einen Anspruch auf umfassende Auskunft (Herkunft, Vertriebsweg, Lieferanten, Vorbesitzer, gewerbliche Abnehmer oder Auftraggeber, Mengen), der sich aus § 46 DesignG ergibt. Auch die Rechte am eingetragenen Design unterliegen der Erschöpfung, 93 d. h. sie erstrecken sich nicht auf Handlungen, die ein Erzeugnis betreffen, in das ein unter den Schutzumfang des Rechts am eingetragenen Design fallendes Design eingefügt oder bei dem es verwendet wird, wenn das Erzeugnis vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder ein einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist (§ 48 DesignG). 94 Hinsichtlich der Verjährung der in den §§ 42 bis 47 genannten Ansprüche erklärt das Gesetz die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB (§§ 194 bis 218 BGB ) für anwendbar (§ 49 S. 1 DesignG), entsprechend der regelmäßigen Verjährung beträgt die Verjährungsfrist mithin drei Jahre. 3. Strafvorschriften Auch im Falle einer Verletzung des Rechts am eingetragenen Design drohen dem Verletzer-- wie bei der Verletzung anderer Immaterialgüterrechte (vgl. §§ 142 PatG, 25 Gebr MG , 143 MarkenG, 106 ff. UrhG)-- neben zivilrechtlichen Konsequenzen strafrechtliche Sanktionen. So wird derjenige, der ein eingetragenes Design entgegen § 38 Abs. 1 S. 1 DesignG benutzt, obwohl der Rechtsinhaber nicht zugestimmt hat, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 51 Abs. 1 DesignG). Bei gewerbsmäßiger Begehung drohen eine erhöhte Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 51 Abs. 2 DesignG). Bereits der Versuch der Tat-- das unmittelbare Ansetzen zur Tat (§ 22 St GB )-- ist strafbar (§ 51 Abs. 3 DesignG). Strafbar ist nur eine vorsätzliche Tatbegehung (§ 15 St GB ), d. h. in subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Verletzer die Tatumstände kennt und die Tatbestandsverwirklichung will. 93 Zur Geltung des Grundsatzes der Erschöpfung im Patentrecht s. § 17 III ., im Markenrecht s. § 49 IV ., im Urheberrecht s. § 71 II . 2. b) bb). 94 Allgemein zum Erschöpfungsgrundsatz im Recht des geistigen Eigentums vgl. Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 12 GGE , S. 55 ff. 227 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Pierson § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster I. Einordnung Wie bereits einleitend (s. o. Erster Abschnitt § 4 IV . 4.) dargestellt, wurde mit dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster auch im Bereich des Designschutzes ein supranationales, gemeinschaftsweit gültiges Schutzrecht geschaffen. Rechtsgrundlage hierfür ist die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ( GGV ) vom 12. 12. 2001, die am 6. März 2002 in Kraft getreten ist. 95 Was den internationalen Designschutz angeht, wurde damit das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung von Mustern und Modellen, das lediglich die vereinfachte Erlangung eines Bündels nationaler Schutzrechte ermöglicht, für den Bereich der Europäischen Union um ein einheitliches Schutzinstrument ergänzt. Durch den zwischenzeitlich erfolgten Beitritt der Europäischen Union zum Haager Abkommen wurde dieses von der WIPO verwaltete Schutzsystem mit dem von dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ) in Alicante verwalteten Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem mit Wirkung zum 01. Januar 2008 verknüpft (s. hierzu o. § 4 III . 2. b). Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung stimmt in ihren wichtigsten materiellen Regelungen mit der bereits im Jahre 1998 verabschiedeten Geschmacksmusterrichtlinie überein und markiert den (vorläufigen) Abschluss des Harmonisierungs- und Vereinheitlichungsprozesses im Bereich des europäischen Designrechts. Auch ein Vergleich mit den Regelungen des 2004 reformierten deutschen Designschutzrechts ergibt eine weitgehende Übereinstimmung, was nicht überrascht, da diese Regelungen, wie erwähnt (§ 2 II .) ihrerseits auf einer Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie mit dem Ziel einer Angleichung an das harmonisierte europäische Designrecht beruhen. II. Duales Schutzsystem Hervorzuhebende Besonderheit der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist, dass diese für den Designschutz ein aus zwei unterschiedlichen Schutzformen bestehendes Schutzsystem („duales System“) eingeführt hat. Danach ist beim Gemeinschaftsgeschmackmuster zu unterscheiden zwischen dem längerfristigen, stärkeren eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmuster und dem kurzfristigen, schwächeren nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster. 1. Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster Das eingetragene Geschmacksmuster kann-- wie die Unionsmarke-- durch eine Anmeldung und Eintragung beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ) in Spanien / Alicante erlangt werden. Was die Schutzausgestaltung angeht, entfaltet es die gleichen Wirkungen wie ein deutsches eingetragenes Design (vgl. Art. 19 GGV ), gewährt also gleich- 95 Abrufbar über die Seite des EUIPO unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ de/ community-designlegal-texts (letzter Abruf: 04 / 2018). 228 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson falls ein Ausschließlichkeitsrecht mit Sperrwirkung und einen Schutz von maximal 25 Jahren (Art. 12 GGV ). Aufgrund der Eintragung bietet es darüber hinaus größere Rechtssicherheit. 96 Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldungen, für die Formulare des EUIPO zur Verfügung stehen, 97 können auch beim DPMA zur Weiterleitung an das EUIPO eingereicht werden (Art. 35 GGV , § 62 DesignG). 98 Vergleicht man die Möglichkeit der Erlangung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit der Erlangung eines deutschen eingetragenen Designs unter dem Gesichtspunkt der „Kosten./ .Schutz“-Relation, ergibt sich, dass der Designanmelder für das nationale, lediglich in Deutschland wirksame eingetragene Design eine Anmeldegebühr i. H. v. EUR 60 (elektronische Anmeldung) bzw. EUR 70 (Papieranmeldung) bei einer Schutzdauer von zunächst 5 Jahren (mit Bekanntmachung der Wiedergabe des Designs) aufwenden muss, während er für eine Gebühr i. H. v. EUR 350,- (Eintragungsgebühr i. H. v. EUR 230 EUR plus Bekanntmachungsgebühr i. H. v. EUR 120) ein unionsweit gültiges Schutzrecht in 28 Mitgliedsstaaten erlangt. 99 Die vergleichsweise geringeren Amtsgebühren des DPMA dürften einer der Gründe dafür sein, dass sich das nationale Designschutzrecht im „Wettbewerb“ mit dem attraktiven Gemeinschaftsgeschmacksmuster offenbar weiterhin behaupten kann (zur nationalen Anmeldestatistik vgl. o. § 37 IV .). 2. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellte bei seiner Einführung ein Novum dar. 100 Sein Schutz entsteht europaweit- - ohne jegliche Eintragungsformalitäten- - mit der ersten öffentlichen Zugänglichmachung, wenn auch nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum von drei Jahren (Art. 11 Abs. 1 GVV ). Anerkennung und Ausgestaltung des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmusters ohne Eintragungserfordernisse tragen dem Umstand Rechnung, dass einige Wirtschaftszweige (z. B. Textilbereich) während kurzer Zeiträume zahlreiche Designs hervorbringen, von denen nur einige und nur für eine kurze „Lebensdauer“ auf dem Markt sind. 101 Ein Geschmacksmuster gilt als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverkehr bekannt sein konnte (Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGV ). Zum normalen Geschäftsverlauf der Fachkreise jedes Wirtschaftszweigs zählen Maßnahmen der Marktbeobachtung, um die Konkurrenzlage und neue Tendenzen bei der Entwicklung der eigenen 96 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 12. 97 Abrufbar über die Seite des EIIPO unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ en/ rcd-apply-now (letzter Abruf: 04 / 2018). 98 Näheres vgl. Informationen des DPMA zum „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“, abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ designs/ designschutz_ausland/ index.html#a4 (letzter Abruf: 04 / 2018). 99 Vgl. Gebühren DPMA abrufbar unter http: / / www.dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html; Gebühren EUIPO abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ de/ rcd-fees-and-payments (letzter Abruf jeweils: 04 / 2018). 100 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 11. 101 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Systematik des DesignR, Kap. C. Rdn. 1. 229 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Pierson Erzeugnisse zu berücksichtigen. 102 Für die Geltendmachung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist entscheidend, dass die erste Veröffentlichung- - Zeitpunkt und Art und Weise der öffentlichen Zugänglichmachung- - des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters umfassend dokumentiert ist. 103 Ein Geschmacksmuster, das nicht in der Gemeinschaft öffentlich zugänglich gemacht wurde, genießt keinen Schutz als nicht eingetragenes Geschmacksmuster (Art. 110a Abs. 5 S. 2 GGV ). Hervorzuheben ist, dass das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster-- anders als das eingetragene-- keine Sperrwirkung entfaltet. Das heißt, ein Verbietungsrecht des Rechtsinhabers besteht nur dann, wenn die Benutzung eines Dritten das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Designs ist (Art. 19 Abs. 2 GGV ). Die angefochtene Benutzung wird nicht als das Ergebnis einer Nachahmung eines geschützten Geschmacksmusters betrachtet, wenn sie das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines Entwerfers ist, von dem berechtigterweise angenommen werden kann, dass er das von dem Inhaber offenbarte Design nicht kannte (Art. 19 Abs. 2 S. 2 GGV ). Fraglich ist, wer im Verletzungsfall die Beweislast dafür trägt, dass eine Nachahmung vorliegt. Nach Ansicht des BGH deutet „der Wortlaut der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 GGV , wonach der Schutz nur gewährt wird, wenn die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung ist“, darauf hin, „dass die Beweislast grundsätzlich den Schutzrechtsinhaber trifft.“ „Die Beweislast“ könne „sich jedoch umkehren oder dem Inhaber des Klagemusters könnten Beweiserleichterungen zu Gute kommen, wenn wesentliche Übereinstimmungen der Muster vorliegen“. Dafür spreche, „dass derartige Übereinstimmungen den Beweis des ersten Anscheins“ dafür begründeten, das dem Entwerfer bei der Gestaltung des angegriffenen Musters das Klagemuster bekannt gewesen sei. 104 Was das Verhältnis zum deutschen Designschutzrecht angeht, sieht dieses, wie gesehen, keinen Schutz für ein nicht eingetragenes Design vor. 105 Dies ist auch nicht erforderlich, da ein erstmals in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich gemachtes Design Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster genießen kann, sofern es die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Bemerkenswert ist insoweit ferner, dass die Bekanntmachung eines deutschen eingetragenen Designs durch das DPMA zugunsten des Inhabers automatisch zugleich den Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster begründet. 106 102 BGH GRUR 2012, 1253, 1255 „Gartenpavillon“ (Eu GH -Vorlage zur Frage der öffentlichen Zugänglichmachung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters). 103 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 277 f. 104 BGH GRUR 2012, 1253, 1256 „Gartenpavillon“. 105 Vgl. hierzu BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begründung, A. II . b), S. 27. 106 Bulling, Mitt. 2004, 254, 257. Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen 233 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Fischer 1. Kapitel. Allgemeines zum Kennzeichenschutz § 42 Gegenstand Das erste deutsche „Gesetz über den Markenschutz“ stammt vom 30. 5. 1874 1 und wurde zwanzig Jahre später durch das „Gesetz zum Schutz von Warenbezeichnungen“ 2 ersetzt. In seiner Struktur, teils auch im Wortlaut war dieses Warenzeichengesetz bis zur Einführung des neuen Markengesetzes über 100 Jahre in Kraft, wobei es wesentlichen Änderungen nur in den letzten Dekaden durch die Einführung des Benutzungszwanges (1967), die Eintragbarkeit von Dienstleistungsmarken (1979) und die Aufhebung der Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb (1992) unterlag. 3 Im Rahmen der Harmonisierung der Rechtsvorschriften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wurde im Dezember 1988 die „Erste Richtlinie des Rates der EG Nr. 89 / 104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken“ 4 verabschiedet. Sie schaffte die rechtliche Grundlage für die Reformation nicht nur des deutschen Markenrechtes. Diese europäische Marken RL setzte für die derzeit achtundzwanzig Staaten der Europäischen Union verbindliche Standards und findet auf Individual-, Kollektiv-, Garantie- und Gewährleistungsmarken für Waren und Dienstleistungen Anwendung, die in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Markenamt eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden sind (Art. 1). Sie definiert die dem Schutz zugänglichen Zeichenformen (Art. 3), die einem Markenschutz entgegenstehenden „absoluten“ (Art. 4) sowie „relativen“ (Art. 5) Schutzhindernisse. Erstere betreffen die Gründe der dem Markenschutz nicht zugänglichen Zeichen. Die Zweitgenannten behandeln die Kollision mit älteren Rechten. Der Schutzumfang von Marken ist im Art. 10 geregelt. Die folgenden Artikel enthalten die wichtigsten Schutzschranken wie die lautere Benutzung (Art. 14), die Erschöpfung (Art. 15), die Erschöpfung (Art. 15), der Benutzungszwang (Art. 16) oder die Verfallsgründe (Art. 19, 20, 21). Als weitere wichtige Regelung umfasst Art. 25 die Lizenz von Markenrechten. Das in Folge der Marken RL neue und geltende „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG)“ 5 vom 25. Oktober 1994 trat am 1. 1. 1995 in Kraft und löste damit das alte Warenzeichengesetz ab. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem bis dahin geltenden Warenzeichengesetz waren zum einen die einheitliche Verwendung des Begriffs „Marke“, zum anderen die Ein- 1 RGB l. 1874, 143-146. 2 Bl. f. PMZ 1894, 5 ff. 3 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994, (Sonderheft), 47. 4 Marken RL , AB l. EG 1989 Nr. L 40, Berichtigungen im AB l. EG 1989 Nr. L 159, 60; in: Bl. f. PMZ 1989, 189 ff. 5 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft) „Das neue Markengesetz“. 234 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer beziehung aller Kennzeichenrechte 6 einschließlich der geografischen Herkunftsangaben und der international registrierten Marken. Ergänzt wurden 1996 u. a. die Regelungen zur europäischen Gemeinschaftsmarke. 7 Auch das materielle Markenrecht unterlag einer Vielzahl von Änderungen vor allem aufgrund der Umsetzung der europäischen Marken RL . Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: ▶ Zulassung aller grafisch darstellbaren und unterscheidbaren Zeichen, einschließlich dreidimensionaler oder nur aus Buchstaben und / oder Zahlen bestehende Zeichen und Hörzeichen; ▶ Verzicht auf das Vorhandensein eines Geschäftsbetriebes; ▶ Ersetzung der „Gleichartigkeit“ durch „Ähnlichkeit“ der Waren und / oder Dienstleistungen; ▶ Erweiterter Schutzumfang für bekannte Marken auch außerhalb des Ähnlichkeitsbereiches bezüglich der Waren und Dienstleistungen, sofern eine Gefahr der Rufausbeutung oder Verwässerung besteht; dies gilt entsprechend auch für geschäftliche Bezeichnungen; ▶ Teilbarkeit von Marken und -anmeldungen sowie deren freie (Teil-)Übertragung; ▶ Regelungen zur Markenlizenz; ▶ Einbeziehung aller Schutzschranken wie Verjährung, Verwirkung, Einrede der Löschungsreife, lautere Benutzung beschreibender Angaben sowie Benutzungszwang und Erschöpfung; ▶ Lockerung der Grundsätze zur Benutzung, insbesondere hinsichtlich abweichender Benutzungsformen; ▶ Beschränkung der Erschöpfung des Markenrechts auf den Wirtschaftsraum der Europäischen Gemeinschaft. Wesentliche Änderung erfuhr das deutsche Markengesetz durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums 8 vom 13. 12. 2001, das am 1. 1. 2002 in Kraft trat und das die bis dahin im MarkenG geregelten Gebührentatbestände-- zum Teil mit Änderungen- - in das neue Patentkostengesetz 9 integrierte. Zum 1. 10. 2009 wurden bekannte Marken, Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen als Widerspruchsgründe in das MarkenG aufgenommen und die Wahl der Rechtsmittelverfahren geändert. 10 Die Markenverordnung wurde an die genannten Neuerungen im Widerspruchsverfahren aufgrund des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes mit Wirkung vom 9. 12. 2010 angepasst. 11 Am 28. 12. 2010 traten Anpassungen des Markengesetzes in Bezug auf die §§ 115 sowie 125a und 143a aufgrund von Änderungen der Gemeinsamen Ausführungsverordnung 6 Insbesondere die bis dahin im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelten Vorschriften. 7 Markenrechtsänderungsgesetz 1996 v. 19. 7. 1996, Bl. f. PMZ 1996, 393 ff. 8 BGB l. I, S. 3656; Bl. f. PMZ 2002, 14 ff. 9 Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamtes und des Bundespatentgerichtes (Pat- KostG) v. 13. 12. 2001, Bl. f. PMZ 2002, 14 ff. 10 Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts v. 31. 7. 2009, BGB l. I, S. 2521 ff. 11 Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und der Geschmackmusterverordnung v. 6. 12. 2010, BGB l. I, S. 1763 ff. 235 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Fischer zum MMA und PMMA sowie der europäischen Gemeinschaftsmarkenverordnung in Kraft. 12 Die am 24. 6. 2016 in Kraft getretene 4. Verordnung zur Änderung der MarkenV definiert u. a. formale und inhaltliche Kriterien der Markenbeschreibung und das Anmelderfordernis der Übersetzung, Transliteration und Transkription von nichtlateinischer Schriftzeichen als Marke. 13 Die 10. Ausgabe der Klassifikation von Nizza enthielt eine vollständige Überarbeitung der bisher geltenden Klassifikationsregeln, zahlreiche neue sowie Streichungen bisheriger Begriffe und ferner zahlreiche Änderungen der Klassenzuordnung von Begriffen. 14 Am 1. 1. 2018 ist die Version 2018 der 11. Ausgabe der Nizza Klassifikation ( NCL 11-2018) in Kraft getreten, die im Wesentlichen nur strukturelle Klassenänderungen enthält. 15 Änderungen der Klasseneinteilung und der alphabetischen Listen der Waren und Dienstleistungen nach der Nizza Klassifikation werden im Bundesanzeiger (www.bundesanzeiger.de) bekannt gemacht. 16 Durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim DPMA ( ERVDPMAV ) 17 wurden u. a. die technischen Anforderungen an die elektronische Anmeldung von Marken-- ohne Verwendung einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur-- mit Wirkung zum 12. 11. 2013 beim DPMA vereinfacht. Am 23. 3. 2015 ist die Elektronische Schutzrechtsakte für Marken und Geografische Herkunftsangaben eingeführt worden. 18 Der Markenrechtsvertrag (Trademark Law Treaty, 19 TLT ) ist ein internationales am 1. 8. 1996 in Kraft getretenes Abkommen, dass die Vereinheitlichung der Registrierungsverfahren nationaler Eintragungsbehörden regelt und dem inzwischen 53 Staaten beigetreten sind. Verwaltet wird der TLT von der WIPO . In Deutschland ist der TLT am 16. 10. 2004 nach seiner Ratifizierung in Kraft getreten. Im Jahre 2006 wurde in Singapur die Weiterentwicklung des TLT , der Singapore Treaty, 20 beschlossen, der am 16. 3. 2009 in Kraft getreten und ebenfalls von der WIPO verwaltet wird. Für Deutschland ist er am 20. 9. 2013 in Kraft getreten. 21 12 Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 22. 12. 2010, BGB l. I, S. 2248 ff. 13 Vierte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung vom 2. 6. 2016, BGB l. I, S. 1354 ff. 14 Zweite Verordnung zur Änderung der Markenverordnung v. 6. 12. 2011, BGB l. I, S. 2629 ff. 15 Abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ docs/ marken/ klassifikation_nizza/ nizza_anleitung_klassentitel_klasseneinteilung_2018_11.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 16 Dritte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und anderer Verordnungen v. 10. 12. 2012, BGB l. I, S. 2630 ff. 17 Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Deutschen Patent- und Markenamt und zur Änderung weiterer Verordnungen für das Deutsche Patent- und Markenamt ( ERVDPMAV ) v. 1. 11. 2013, BGB l. I, S. 3906 ff. 18 Mitt. der Präsidentin Nr. 4 / 15 v. 22. 12. 2014, abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ mitteilungen/ 2015/ mdp_04_2015.html, letzter Abruf: 02 / 2018. 19 Abrufbar unter: http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ text.jsp? file_id=294357, letzter Abruf: 02 / 2018. 20 BGB l. 2012 II , S. 754, 755. 21 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Markenrechtsvertrages von Singapur v. 6. 11. 2013, Bl. f. PMZ 2014, 53. 236 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Die EU -Kommission hat am 16. 12. 2015 die Marken RL neu gefasst (( EU ) 2015 / 2436), die am 13. 1. 2016 in Kraft getreten ist. 22 Die dortigen Regelungen müssen im Wesentlichen bis zum 14. 11. 2019, die Einführung von Amtsverfahren für Nichtigkeits- und Verfallsverfahren bis zum 14. 1. 2023 in nationales Recht der EU -Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Ein Entwurf eines deutschen Gesetzes zur Umsetzung der Marken RL -- das Markenrechtsmodernisierungsgesetz 23 (MaMoG)-- liegt vor und tritt voraussichtlich im Sommer 2018 in Kraft. Zugleich werden Änderungen der MarkenV wirksam. Das Gemeinschaftsnunmehr Unionsmarkensystem der EU gründet sich auf eine „Grundverordnung“ des Rates der Europäischen Union (Verordnung ( EG ) Nr. 40 / 94 v. 20. 12. 1993) 24 ( GMVO ) über die Gemeinschaftsmarke einschließlich ihrer verschiedenen nachfolgenden Änderungen sowie auf weitere ebenfalls mehrmals geänderte Verordnungen der Kommission, in denen jeweils die Durchführungsvorschriften für die GMVO ( GMDVO ), die zu entrichtenden Gebühren sowie die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern festgelegt sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit kodifizierte der Rat der Europäischen Union die genannte Verordnung ( EG ) Nr. 40 / 94. Die kodifizierte Fassung der GMVO 25 von 2009 führte- - mit Ausnahme der Nummerierung der Artikel 26 - - keine substantiellen gesetzlichen Änderungen ein und wurde von der Unionsmarkenverordnung ( EU ) 2015 / 2424, 27 die am 23. 3. 2016 in Kraft trat, abgelöst. Die kodifizierte Fassung der Verordnung über die Unionsmarke ( EU ) 2017 / 1001) ( UMV ) wurde am 16. 6. 2017 28 veröffentlicht und gilt ab in einer ersten Stufe seit dem 23. 3. 2016 und in einer zweiten Stufe seit dem 1. 10. 2017. Entsprechend hat die Europäische Kommission auch die Durchführungsverordnung ( EU ) 2017 / 1431) vom 18. 5. 2017 ( UMDV ) 29 und die Delegierte Verordnung ( DVUM ) 30 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der UMV und der 22 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung); Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32015L2436&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018; Im Anhang ist eine Entsprechungstabelle zur Marken RL 2008 / 95 / EG enthalten. 23 Abrufbar unter: https: / / www.bmjv.de/ SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/ RefE_Ma- MoG.pdf ? __blob=publicationFile&v=3, letzter Abruf: 02 / 2018. 24 AB l. EG L 11 vom 14. 1. 1994, S. 1 ff.; Bl. f. PMZ , 1994, 192 ff. 25 Verordnung (EG) Nr. 207 / 2009 des Rates v. 26. 2. 2009 über die Gemeinschaftsmarke, Abl. EG L 78 vom 24. 3. 2009, S. 1 ff.; Bl. F. PMZ , 2009, 203 ff. 26 Eine Entsprechungstabelle der GMVO Nr. 207 / 2009 findet sich im Anhang II der GMVO , abrufbar unter https: / / oami.europa.eu/ tunnel-web/ secure/ webdav/ guest/ document_library/ contentPdfs/ law_ and_practice/ ctm_legal_basis/ ctmr_de.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 27 Verordnung ( EU ) 2015 / 2424 v. 16. 12. 2015; Abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ tunnel-web/ secure/ webdav/ guest/ document_library/ contentPdfs/ legal_reform/ regulation_20152424_de.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 28 Verordnung ( EU ) 2017 / 1001 v. 14. 6. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1001&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018. Eine Entsprechungstabelle der Artikel der ( EG ) 207 / 2009 mit denen der ( EU ) 2017 / 1001 findet sich im Anhang III der UMV . 29 Durchführungsverordnung ( EU ) 2017 / 1431 v. 18. 05. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1431&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018. 30 Delegierte Verordnung ( EU ) 2017 / 1430 v. 18. 05. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1430&from=EN, letzter Abruf: 03 / 2018. 237 § 43 Schutzzweck und Funktion Fischer Aufhebung der bisherigen Verfahrensvorschriften erlassen. Mit Wirkung zum 14. 5. 2018 ist die UMDV ( EU ) 2017 / 1431 aufgehoben und durch die aktualisierte auf die UMV 2017 / 1001 abgestimmte UMDV ( EU ) 2018 / 625 vom 5. 3. 2018 31 ersetzt worden. Ebenfalls ersetzt wurde die DVUM ( EU ) 2017 / 1430 durch die DVUM ( EU ) 2018 / 625 32 mit Vorschriften zu Verfahrenseinzelheiten. Die wesentlichen Änderungen betreffen: ▶ Die Umbenennung der Gemeinschaftsmarke in Unionsmarke und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt ( HABM ) in Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ); ▶ Eine neue Gebührenstruktur (ab dem 23. 3. 2016) mit Steigerungen der Anmeldegebühren für Markenanmeldungen mit 3 oder mehr Klassen und Senkungen der Gebühren u. a. für Markenverlängerungen und Widersprüche sowie in Löschungs- und Beschwerdeverfahren; ▶ Die Handhabung der Klassifikation von Marken, wodurch unter Oberbegriffe nur solche Waren und Dienstleistungen fallen, die begrifflich hiervon umfasst sind; ▶ Die Widerspruchsfrist für den EU -Anteil von Internationalen Registrierungen ( IR ), die 1 Monat nach der Markenveröffentlichung beginnt. Die Widerspruchsfrist selbst beträgt weiterhin 3 Monate. ▶ Die Neudefinition der Markenfähigkeit mit Entfallen des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit; ▶ Die Einführung einer neuen Markenform, der Gewährleistungsbzw. Zertifizierungsmarke 33 . Die Regelungen zur Unionsmarke in der UMV werden in den folgenden Kapiteln insbesondere in Kap. 2 im Vergleich zu den Regelungen des MarkenG behandelt. § 43 Schutzzweck und Funktion Das MarkenG regelt umfassend die Kennzeichenrechte als Teil der gewerblichen Schutzrechte. Ursprünglich diente die Marke bzw. das Warenzeichen allein als Herkunftshinweis für Waren bzw. Produkte eines bestimmten Betriebes. Sie sollte sicherstellen, dass gleichartige Produkte aus Produktionsbetrieben nicht mit ähnlichen Bezeichnungen gekennzeichnet wurden. Der ursprüngliche Grundsatz der internationalen Erschöpfung wurde hiervon abgeleitet, da dem Zeicheninhaber keine Verbietungsrechte zustehen müssten, da die Produkte aus 31 Durchführungsverordnung ( EU ) 2018 / 626 v. 5. 3. 2018; Abrufbar unter: https: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32018R0626&from=EN, letzter Abruf: 05 / 2018. 32 Delegierte Verordnung ( EU ) 2018 / 625 v. 5. 3. 2018; Abrufbar unter: https: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32018R0625&from=EN, letzter Abruf: 05 / 2018. 33 Dröge in GRUR 2017, 1198 ff. „Die Gewährleistungsmarke und ihre Praxisrelevanz“; Fezer in GRUR 2017 1188 ff. „Rechtsnatur und Rechtssystematik der unionsrechtlichen Konzeption einer Gewährleistungsmarke“. 238 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer seinem Betrieb stammten. 34 Daneben haben jedoch auch weitere Funktionen einer Marke wie die Vertrauens-, Qualitäts- und Garantiefunktion in Bezug auf bestimmte Waren- oder Dienstleistungseigenschaften, aber auch die Werbefunktion eine wenn auch gegenüber der Herkunftsfunktion eher untergeordnete Stellung erlangt. In der Literatur werden auch Kommunikations- und Investitionsfunktion genannt. 35 Jedenfalls werden dem Inhaber von Marken oder von weiteren vom MarkenG erfassten Kennzeichen Ausschließlichkeitsrechte im Geltungsbereich des MarkenG eingeräumt, deren Schutzumfang so weit reicht, wie eine Verwechslung mit jüngeren Kennzeichen durch die relevanten Verkehrskreise ausgeschlossen ist. Gegenüber den übrigen gewerblichen Schutzrechten haben Marken die Eigenart, dass ihre Laufzeit nicht begrenzt ist. Werden die Marken rechtserhaltend benutzt und regelmäßig durch Zahlung einer Gebühr verlängert, stellen sie „ewige“ Ausschließlichkeitsrechte dar. § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz § 1 MarkenG definiert den sachlichen Geltungsbereich des deutschen MarkenG und umfasst-- anders als die europäische UMV , die ausschließlich eingetragene Marken behandelt (Art. 6 UMV )- - nicht nur Marken, sondern auch geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben. Kennzeichenschutz im Rahmen des MarkenG wird nicht nur den in das beim Deutschen Patent- und Markenamt ( DPMA ) geführte Register eingetragenen Marken gewährt, sondern auch Marken, die durch Benutzung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise Verkehrsgeltung erworben haben (§ 4 Nr. 2 MarkenG) oder im Sinne des Art. 6 bis der PVÜ 36 eine notorische Bekanntheit (§ 4 Nr. 3 MarkenG, s. u. § 48 IV 3) genießen. Der Schutz geschäftlicher Zeichen wird in § 5 MarkenG geregelt und umfasst Unternehmenskennzeichen und Werktitel. Als Unternehmenskennzeichen werden in § 5 Abs. 2 MarkenG zum einen Kennzeichen mit Namensfunktion definiert, die im geschäftlichen Verkehr als Name, Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes benutzt werden, zum anderen Kennzeichen ohne Namensfunktion wie Geschäftsabzeichen oder sonstige zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben bestimmte Kennzeichen, die in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen des Geschäftsbetriebes gelten. Generell sind Unternehmenskennzeichen an den Geschäftsbetrieb gebunden und können nur zusammen mit diesem übertragen werden. Domainnamen (s. u. § 63) können, wenn ihnen eine kennzeichnende Funktion zugeordnet wird, Unternehmenskennzeichen sein, wobei die Frage, ob hierfür eine Verkehrsgeltung notwendig ist, noch nicht abschließend geklärt ist. In § 5 Abs. 3 MarkenG sind unter dem Begriff des Werktitels Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften wie Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierte, Magazine oder auch Musikpartituren und Kalender sowie Ton- und Bildwerke, Bühnenwerke oder vergleich- 34 Ingerl / Rohnke, Markengesetz, Kommentar (2. Aufl. 2003), Einleitung Rdn. 35. 35 Völker / Elskamp WRP 2010, 64 ff.; s. a. Fezer, MarkenR, Kommentar, Einl D, Rdn. 1-10. 36 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVÜ) vom 20. 3. 1883, revidiert in Stockholm am 14. 7. 1967, Bl. f. PMZ 1970, 293. 239 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer bare Werke unter Schutz gestellt. Werktitel sind werkbezogen und üben eine Namensfunktion aus. Dies gilt auch für Untertitel. Die Anwendung anderer Vorschriften zum Schutz von markenrechtlichen Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben wird gem. § 2 MarkenG nicht ausgeschlossen. In Frage kommen hierfür insbesondere Regelungen des Geschmacksmusterbzw. Designsowie Urheberrechtes, deren Ausrichtung in Bezug auf ihre jeweilige Schutzfunktion eine andere ist. Ähnliches gilt auch für handelsrechtliche Vorschriften über die Firma (§§ 17-37a HGB ) sowie den namensrechtlich einschlägigen § 12 BGB . Als Beispiel für die sich ergänzenden Schutzrechte seien beispielsweise zwei- oder dreidimensionale Logos genannt, die neben dem Zeichenschutz gleichzeitig Formenschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Designgesetz bzw. Artikel 4 Abs. 1 GGVO genießen. 37 Eintragung Verkehrsgeltung Verkehrsgeltung Ingebrauchnahme Schutz durch: eingetragene Marke § 4 Nr .1 MarkenG Marke mit Verkehrsgeltung §4 Nr .2 MarkenG notorisch bekannte Marke § 4 Nr .3 MarkenG Gewährleistungsmarke § 106a MarkenG Unternehmenskennzeichen § 5 Abs.2 MarkenG Werktitel § 5 Abs.3 MarkenG Geschäftliche Bezeichnungen § 1 Nr . 2, § 5 MarkenG Marken § 1 Nr .1, § 3 MarkenG Geographische Herkunftsangaben § 1 Nr .3, § 126 MarkenG Kennzeichen § 1 MarkenG Name Firma besondere Unternehmensbezeichnung Geschäftsabzeichen sonstige Geschäftsabzeichen notorische Bekanntheit Eintragung Abb. 4: Übersicht über Kennzeichenarten im MarkenG Zur umfassenden Regelung im Markengesetz sind ergänzende Bestimmungen im Recht des unlauteren Wettbewerbes ( UWG ) enthalten. Dieser vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung steht die Meinung von Fezer 38 -- die Regelungen des Markengesetzes und des UWG konkurrieren- - entgegen. Nach Hacker 39 können die markenrechtlichen Regeln von denen des UWG wie folgt abgegrenzt werden: Kann ein Tatbestand unter die Regelungen des MarkenG subsumiert werden, so richtet sich die Beurteilung ausschließlich nach den Bestimmungen des MarkenG. Fällt ein Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des MarkenG, obwohl er nicht oder nicht vollständig unter Regelungen des MarkenG subsumiert werden kann, so ist die Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen ausgeschlossen. Dem UWG zugänglich ist ein Sachverhalt, der von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des MarkenG fällt. Allerdings sei dem Einzelfall vorbehalten-- so Hacker--, ob in Bezug auf einen gesamten Tatbestand der Anwendungsbereich des MarkenG 37 ABL .- EG 2002 Nr. L3 in Bl. f. PMZ 2002, 152; berichtigt ABL .- EG 2002 Nr. L 179 in Bl. f. PMZ 2002, 340. 38 Fezer, MarkenR, Kommentar, § 2 Rdn. 2 ff. 39 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 2 Rdn. 5 ff. 240 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nicht berührt würde und somit die Anwendung des UWG möglich sei oder ob lediglich ein Tatbestandsmerkmal eines dem Grunde nach markenrechtlichen Tatbestandes nicht erfüllt sei und damit eine Anwendung des UWG ausgeschlossen ist. Unterschiedliche Sachverhalte liegen beispielsweise vor, wenn Anspruchsgrundlage zum einen das Markenrecht aufgrund der widerrechtlichen Verwendung einer Marke ist und zum anderen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften wegen der widerrechtlichen Verwendung eines konkreten Produktes (einschließlich der Marke) vorliegen. 40 Einer Anwendung des UWG steht nichts entgegen, wenn aufgrund der nicht kennzeichenmäßigen Verwendung eines Unternehmenskennzeichens oder einer Marke der Anwendungsbereich des MarkenG nicht tangiert ist. Die Regelung des § 5 II UWG (Irreführungsverbot) hat durch die UWG -Novelle vom 22. 12. 2008 in Umsetzung des Art. 6 II lit. A ( EG ) UGP - RL 2005 / 29 eine neue Fassung erhalten, die eine ausschließliche Anwendbarkeit des MarkenG im Einzelfall nicht mehr zulässt. Jedoch muss als weitere Voraussetzung die wettbewerbliche Relevanz erfüllt sein. 41 40 BGH GRUR 2005, 163, 165 „Aluminiumräder“. 41 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 2 Rdn. 10 ff. 241 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer 2. Kapitel. Marken § 45 Einführung I. Überblick Als Generalklausel definiert § 3 MarkenG Marken als diejenigen Zeichen, die als Marke schutzfähig sind. Gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG können als Marke alle Zeichen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Als nicht abschließende Aufzählung der Zeichen, die dem Grunde nach geschützt werden können, nennt das Gesetz: Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen, zu denen Farben und Farbzusammenstellungen gezählt werden. Eine Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden II. Abgrenzung Zu den Marken gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG werden nicht nur die durch Eintragung in das Markenregister entstandenen Marken gem. § 4 Nr. 1 MarkenG gezählt, sondern auch diejenigen Zeichen, die aufgrund der Benutzung im geschäftlichen Verkehr Verkehrsgeltung im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG erworben haben sowie die sog. notorisch bekannten Marken gem. § 4 Nr. 3 MarkenG i. V. m. Artikel 6 quinquies der PVÜ . Insoweit geht § 3 MarkenG über den Anwendungsbereich des Artikels 1 der Marken RL sowie des Artikels 4 UMV hinaus, die nur auf Marken für Waren oder Dienstleistungen, die in einem Mitgliedsstaat eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedsstaat international registriert worden sind, Anwendung finden. § 3 Abs. 2 MarkenG definiert die Schutzschranke für Formzeichen. Nicht schutzfähig sind Formen, die ausschließlich durch die Art der Ware selbst bedingt sind, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind 42 oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen. Eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, 42 BGH GRUR 2018, 404 „Quadratische Tafelschokoladenverpackung“; BGH Beck RS 2017, 141 010 „Traubenzuckertäfelchen“. 242 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer weist nur dann Unterscheidungskraft auf, wenn die Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht. 43 In Bezug auf Anmeldungen zur Internationalen Registrierung richtet sich die Frage der Markenfähigkeit aufgrund des anwendbaren Telle-quelle-Schutzes nach dem Recht im Ursprungsland (Artikel 6 quinquies , Abschnitt A. Abs. 1 S. 1 i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 S. 2 MMA / PMMA §§ 107, 113, 37 MarkenG). Diese Vorschrift besagt, dass die Marke, so wie sie in ihrem Ursprungsland angemeldet ist, auch eingetragen werden muss, es sei denn, dass die Marke gem. Artikel 6 quinquies Abschnitt B. Nr. 2 PVÜ jeder Unterscheidungskraft entbehrt. In § 3 Abs. 1 MarkenG wird mit dem Merkmal der Eignung zur Unterscheidung die Herkunftsfunktion als wesentliche Funktion der Marke kodifiziert. Hierbei geht es um die abstrakte Unterscheidungseignung eines Zeichens, d. h. unabhängig von bestimmten Waren und Dienstleistungen, nicht jedoch um die konkrete Unterscheidungskraft als absolutes Schutzerfordernis, das immer im Zusammenhang mit den für das Zeichen beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Beziehung steht. Daher kann die fehlende abstrakte Unterscheidungseignung eines Zeichens im Gegensatz zur konkreten Unterscheidungskraft nicht überwunden werden. Gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG sind die Zeichen unmittelbar mit Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens verbunden. Marken können also für jede wirtschaftliche Tätigkeit oder jedes Produkt eines Unternehmens gewählt werden. Allerdings ist nach wie vor umstritten, ob unbewegliche Sachen wie Immobilien aber auch immaterielle Gegenstände wie Rechte oder Wertpapiere hiervon ausgeschlossen sind. 44 Elektrische Energie jedenfalls ist seit der 9. Edition der NKA als Ware klassifiziert, so dass sie als solche geschützt werden kann. Umstritten war lange die Frage, ob Zeichen für Dienstleistungen eines Einzelhändlers als solche markenschutzrechtsfähig sind. Hierzu hat die Entscheidung des Eu GH „Praktiker“ 45 Klarheit geschaffen. Der Eu GH führte aus, dass der Begriff „Dienstleistungen“ im Sinne der Marken RL , insbesondere ihres Artikels 2, Dienstleistungen erfasse, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden. Für die Zwecke der Eintragung einer solchen Dienstleistungsmarke, so der Eu GH , sei es nicht notwendig, die in Rede stehenden Dienstleistungen konkret zu bezeichnen. Jedoch seien Angaben in Bezug auf die Waren oder Arten von Waren notwendig, auf die sich die Dienstleistungen beziehe. Hinsichtlich der grafischen Darstellbarkeit hat der Eu GH festgestellt, dass ein Zeichen, das als solches nicht visuell wahrnehmbar sei, eine Marke sein könne, sofern es mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen grafisch darstellbar sei und diese Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, dauerhaft, verständlich und objektiv sei. 46 Demzufolge seien die Grenzen der grafischen Darstellung dann überschritten, wenn zum Beispiel die bloße Form und konturlose Zusammenstellung zweier oder mehrerer Farben oder die Nennung zweier oder mehrerer Farben in jeglicher denkbaren Form beansprucht 43 Eu GH GRUR 2012, 925, 927 (Rdn. 42) „Fehlende Unterscheidungskraft des Schokoladen-Goldhasen-- Goldhase“. 44 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 14 u. 15. 45 Eu GH GRUR 2005, 764 „Praktiker“. 46 Eu GH GRUR 2003, 145 „Ralf Sieckmann / DPMA “. 243 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer würden. 47 Ausreichend sei eine Darstellung von zwei oder mehr abstrakt oder konturlos beanspruchten Farben nur dann, wenn diese systematisch so angeordnet seien, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. Mit Wegfall des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit schutzfähiger Zeichen in § 8 Abs. 1 MarkenG durch das MaMoG wird das Markenregister an die Bedürfnisse des Digitalisierungszeitalters angepasst. Ausgeschlossen sind nunmehr nur Zeichen, die nicht geeignet sind, in dem Register so dargestellt zu werden, dass das DPMA und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. III. Markenformen Neben Wort- und Bildmarken, dreidimensionalen Marken, Kennfadenmarken, Hörmarken kommt als sonstige Markenform insbesondere den Farbmarken eine Bedeutung zu. Farbmarken beanspruchen im Gegensatz zu farbigen Darstellungen Schutz für Farben oder Farbkombinationen, die an keine konkreten Darstellungen wie Wörter oder grafische Darstellungen gebunden sind. Somit ist Gegenstand einer Farbmarke die abstrakte Farbe als solche. Bei mehreren Farben unterteilt Kirschneck 48 abstrakt-bestimmte Farbzusammenstellungen von Marken, bei denen die Zusammenstellung in ihrer Erscheinungsform festgelegt ist, ohne dass eine äußere figürliche Begrenzung vorliegt. Beispiel für eine derartige abstrakt-bestimmte Farbzusammenstellung ist das VISA -Streifenbild. 49 Zu dieser Kategorie werden auch Farbzusammenstellungen gezählt, die in ihrer Beschreibung definieren, dass nur bestimmte Teile der unter Schutz zu stellenden Waren in bestimmten Farben ausgeführt sind. 50 Im Gegensatz dazu definiert Kirschneck eine abstrakt-unbestimmte Farbzusammenstellung, wenn zwei oder mehr Farben in wechselnder, von der Ware selbst unabhängiger Zusammenstellung unter Schutz gestellt werden soll. Die abstrakte Farbmarke ist ohne Zweifel ein Zeichen, dem eine abstrakte Unterscheidungseignung zukommen kann. IV. Entstehung des Markenschutzes Die Entstehung des Markenschutzes ist für deutsche Marken abschließend in § 4 MarkenG geregelt, nämlich durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom DPMA geführte Register, durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat, oder durch die notorische Bekanntheit einer Marke. 51 47 Eu GH GRUR 2004, 858 „Heidelberger Bauchemie“. 48 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 43 ff. 49 BP atG GRUR 1997, 285 „ VISA -Streifenbild“. 50 BP atG GRUR 1998, 1016 „grün / gelb“. 51 Gem. Art. 6 bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums ( PVÜ ). 244 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 1. Registermarke Dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 MarkenG zufolge entsteht das Verbietungsrecht erst mit Eintragung der Marke. Daher können erst ab diesem Zeitpunkt Rechte aus der Markeneintragung hergeleitet werden. Ein Entschädigungsanspruch, wie er beispielsweise für den Zeitraum zwischen der Anmeldung und der Eintragung eines Patentes geltend gemacht werden kann, gibt es im deutschen Markenrecht nicht. Ein Entschädigungsanspruch kann jedoch für europäische Unionsmarkenanmeldungen verletzende Handlungen für den Zeitraum nach der Veröffentlichung der Anmeldung bis zur Veröffentlichung der Eintragung geltend gemacht werden (Art. 9 Abs. 3 UMV ). Neben der Markenfähigkeit (gem. § 3 MarkenG) als Voraussetzung für die Eintragung dürfen auch keine absoluten oder relativen Schutzhindernisse bestehen (§§ 7-13 MarkenG). Das Verfahren zur Eintragung einer Marke ist in Teil 3, Abschnitt 1 (§§ 32-44 MarkenG) geregelt. Weitere Konkretisierungen sind der MarkenV 52 zu entnehmen, mit Anpassungen durch das inkraftgetretene MaMoG. 2. Benutzungsmarke a) Einordnung Neben der Registrierung einer Marke beim DPMA kann ein Markenrecht mit gleicher Wirkung auch durch die Benutzung eines Kennzeichens entstehen, sofern dieses im geschäftlichen Verkehr erfolgt und-- dies ist entscheidend-- innerhalb der in Frage kommenden beteiligten Verkehrskreise zumindest Verkehrsgeltung erworben hat. Diese gemeinhin als Benutzungsmarken bezeichneten, nicht eingetragenen Kennzeichen müssen jedoch zunächst markenfähig im Sinne des § 3 MarkenG sein. Dem Grunde nach kann Marken, wie beispielsweise Geruchs- oder Geräuschmarken, Geschmacks-, Tast- oder sonstige Marken, Schutz zukommen, wenn diese im Register derart dargestellt werden können, dass das DPMA und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. Allerdings hat derjenige, der sich auf die letztgenannten Markenformen beruft, den Nachweis des Bestehens zu führen, was i. d. R. schwierig sein dürfte. Die absoluten Schutzbzw. Eintragungshindernisse gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG, nämlich die fehlende Unterscheidungskraft einerseits und die Freihaltebedürftigkeit andererseits, sind auf Benutzungsmarken nicht anwendbar, da ein Zeichen erst-- wie oben bereits ausgeführt-- durch die Verkehrsgeltung bzw. -durchsetzung Markenschutz erlangt und somit per se Unterscheidungskraft in den maßgeblichen Verkehrskreisen genießen muss. Dabei ist der geforderte Grad der Verkehrsgeltung von der von Hause aus bestehenden Unterscheidungskraft bzw. der Freihaltebedürftigkeit des Wettbewerbs an dem Zeichen abhängig. Die 52 Verordnung zur Ausführung des Markengesetzes (Markenverordnung) vom 11. 5. 2004, Bl. f. PMZ, 2004, 301, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 10. 12. 2012, BGB l. I, S. 2630. 245 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer weiteren absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 bis 9 MarkenG betreffen öffentliche Interessen und sind somit auf Benutzungsmarken entsprechend anzuwenden. Voraussetzung für den Markenschutz einer Benutzungsmarke ist die markenmäßige Benutzung eines unterscheidungskräftigen Zeichens für die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens, die Benutzung im geschäftlichen Verkehr und der Erwerb der Verkehrsgeltung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise. Eine dekorative Benutzung, eine Benutzung des Produkts selbst oder als Farbaufmachung scheidet somit aus. Die Benutzung muss auch im inländischen Geschäftsverkehr erfolgt sein, eine reine private Nutzung oder Nutzung im Ausland, d. h. außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes, reicht nicht aus. Ausreichend allerdings ist die Benutzung in nur einem Teilgebiet Deutschlands, sofern in diesem Teilgebiet das Zeichen Verkehrsgeltung erworben hat. b) Verkehrsgeltung Ein Zeichen hat dann Verkehrsgeltung erworben, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise ein bestimmtes Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Im Gegensatz zur Verkehrsdurchsetzung von nicht unterscheidungskräftigen oder freihaltebedürftigen Zeichen muss diese Zuordnung nicht in allen beteiligten Verkehrskreisen erfolgen; es reicht, wenn die Verkehrsgeltung in einem nicht unwesentlichen Teil der beteiligten Verkehrskreise erreicht worden ist. Allerdings gelten die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 bis 10 MarkenG analog auch für Zeichen mit Verkehrsgeltung. 53 Als beteiligte Verkehrskreise kommen all diejenigen Teilnehmer des wirtschaftlichen Verkehrs in Frage, die sich für die in Rede stehenden Waren- und Dienstleistungen interessieren. Dies sind nicht allein die Verbraucher, sondern auch die Wiederverkäufer und Händler. 54 Für die Verkehrsgeltung ist kein definierter Prozentsatz festgelegt, da es immer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Unterscheidungskraft, die das Zeichen von Haus aus hat, sowie die Verkehrskreise ankommt. Ein Zuordnungsgrad von 20-25 % wird in der Regel als ausreichend angesehen. 55 Ist jedoch das Zeichen eher kennzeichnungsschwach und besteht darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber, so wird ein Zuordnungsgrad von regelmäßig nicht unter 50 % gefordert. 56 Den Nachweis der Verkehrsgeltung muss derjenige führen, der sich auf den Schutz einer Benutzungsmarke beruft. Dies erfolgt in der Regel durch Meinungsforschungsgutachten, die als Beweismittel anerkannt sind. In der teilweise veralteten DPMA -Richtlinie „Markenanmeldungen“ 57 wird empfohlen, im Wesentlichen vier Fragen zu stellen, nämlich 53 BGH GRUR 2013, 729, 730 (Rdn. 18) „Keine Markeneintragung wegen Sittenverstoßes- - READY TO FUCK “. 54 BGH GRUR 1969, 681 „Kochendwassergerät“. 55 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 4 Rdn. 44. 56 BGH GRUR 2001, 1042 „ REICH UND SCHOEN “; GRUR 2008, 710 „ VISAGE “; Weiler in Kur / vBomhard / Albrecht (Hrsg.), Kommentar, § 4 Rdn. 81 ff. m. w. Nachw. 57 Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen vom 13. 6. 2005, 5.17 (Verkehrsdurchsetzung), Bl. f. PMZ 2005, 245; Weiler in Kur / vBomhard / Albrecht (Hrsg.), MarkenG, Kommentar, § 4 Rdn. 88 ff. 246 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ nach den Kaufgewohnheiten (Kaufen Sie egal wie oft, für sich oder andere… [Ware / Dienstleistung]? ), ▶ nach der Verwendung (Benutzen / verwenden Sie zumindest hin und wieder- … [Ware / Dienstleistung]? ), ▶ nach der Wahrnehmung (Haben Sie diese Bezeichnung [in Rede stehende Marke] im Zusammenhang mit den [Waren / Dienstleistungen] schon einmal gehört oder gesehen / gelesen? ), ▶ nach der konkreten Zuordnung (Ist die Bezeichnung / Form Ihrer Meinung nach bei [Marke] im Zusammenhang mit den [Waren / Dienstleistungen] ein ▷ Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, ▷ Hinweis auf mehrere Unternehmen, ▷ gar kein Hinweis auf irgendein Unternehmen, oder ▷ können Sie dazu nichts sagen? ) ▶ und ggf. nach der konkreten Herkunft (Wissen Sie, wie dieses Unternehmen heißt? ) Inhaber einer Benutzungsmarke ist derjenige, für den die Verkehrsgeltung erworben wurde. In der Regel ist dies der Inhaber des Unternehmens, für dessen Waren oder Dienstleistungen die Marke verwendet wird. 58 Das Recht an der nicht im Register eingetragenen Benutzungsmarke erlischt, wenn deren Inhaber die Marke für die Waren bzw. Dienstleistungen nicht mehr oder nur in zu geringem Umfang verwendet. Das Recht geht auch dann verloren, wenn durch die Benutzung eines gleichen oder ähnlichen Zeichens die Marke derart verwässert wird, dass eine Zuordnung der Marke zu einem Unternehmen für den Verkehr nicht mehr gegeben ist. Entsprechend des Erwerbs von Verkehrsgeltung für benutzte Zeichen kann auch der Verlust der Verkehrsgeltung in einem bestimmten Wirtschaftsgebiet eintreten, wobei sie lokal durchaus erhalten bleiben kann. Zeichen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, sind wie bei registrierten Marken nicht mehr herkunftshinweisend und können daher keine Benutzungsmarken (mehr) sein. 3. Notorisch bekannte Marke Markenschutz gem. § 4 Nr. 3 MarkenG kann auch durch die notorische Bekanntheit einer Marke im Sinne des Art. 6 bis der PVÜ erworben werden. Art. 6 bis PVÜ gewährt jedoch nur notorisch bekannten Marken für Waren Schutz. Art. 16 Abs. 2 TRIPS 59 dehnt den Schutz gem. Art. 6 bis auch auf Dienstleistungen aus, wobei die Bekanntheit der Marke im maßgeblichen Teil des Verkehrs einschließlich der Bekanntheit der Marke in dem betroffenen Land, die aufgrund der Werbung für die Marke erreicht wurde, zu berücksichtigen ist. Für den Erwerb des Schutzes einer Marke nach § 4 Nr. 3 MarkenG reicht im Vergleich zur Benutzungsmarke eine überragende Bekanntheit aus, die auch ohne inländische Benutzung entstehen kann. 58 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 60. 59 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ( TRIPS ) vom 15. 4. 1994, BGB l. II , S. 1730. 247 § 46 Zeitrang und Vorrang Fischer Allerdings setzt § 4 Nr. 3 MarkenG das Bestehen einer Marke im Ausland nicht voraus, so dass es sich bei notorischen Marken ausschließlich um inländische Marken handeln kann, wobei diese dann gleichzeitig als Benutzungsmarken gem. § 4 Nr. 2 MarkenG Schutz genießen. 60 Notorisch bekannte Marken begründen auch ein Widerspruchsrecht gem. § 42 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und sind gem. § 37 MarkenG bei Amtsbekanntheit ein Eintragungshindernis für jüngere Markenanmeldungen. Wie auch bei der Benutzungsmarke steht der Markenschutz der notorisch bekannten Marken demjenigen zu, dem der Verkehr die notorische Bekanntheit zuordnet. Die notorische Bekanntheit erfordert eine allgemeine Bekanntheit in allen angesprochenen Verkehrskreisen, d. h. bei Verbrauchern, Zwischenhändlern und Wettbewerbern, die regelmäßig über derjenigen liegt, die für die durchschnittliche Verkehrsgeltung erforderlich ist, 61 jedenfalls nicht unter 50 %. 62 Allerdings kommt es im Einzelfall immer auf die Würdigung der Gesamtumstände an, so dass sich feste Prozentvorgaben verbieten. 63 Erwähnung sollen noch die unverbindlichen Vorschläge der WIPO zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken 64 finden. Nach Art. 2 der WIPO -Empfehlungen sind für die Ermittlung der Notorietät sämtliche Umstände wie beispielsweise Dauer, Umfang und geografische Verbreitung der Markennutzung sowie die für die Marke betriebene Werbung oder Verkaufsfördermaßnahmen einschließlich der Repräsentation auf Messen und Ausstellungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auch der Markenschutz relevant, soweit dieser den Gebrauch oder die Bekanntheit der Marke widerspiegelt und durch die Dauer und den geografischen Umfang der Markenregistrierungen dokumentiert ist, sowie entsprechende Feststellungen durch Gerichte oder andere zuständige Instanzen und nicht zuletzt der mit der notorisch bekannten Marke verbundene Wert. Beispiel für eine notorisch bekannte Marke ist die Kennzeichnung der Produkte eines bekannten deutschen Sportausstatters mit drei Streifen. 65 § 46 Zeitrang und Vorrang Eines der zentralen Kriterien des Kennzeichnungsrechts ist die Priorität, d. h. der Zeitrang. Dieser gewährt demjenigen, der sich auf das prioritätsältere Recht berufen kann, Vorrang gegenüber dem prioritätsjüngeren Recht, sofern nicht aufgrund besonderer Umstände eine Ausnahme gilt. Dieser-- neben dem Benutzungs- und dem Territorialprinzip sowie dem Prinzip der Verbindung von Marken mit Waren und Dienstleistungen-- beherrschende Grundsatz im 60 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 60. 61 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, 2003, § 4 Rdn. 31. 62 v. Schultz in v. Schultz, MarkenR, Kommentar, § 4 Rdn. 22, m. w. Nachw. 63 Eu GH GRUR Int. 2000, 73, 74 „Chevy“. 64 „Gemeinsame Empfehlung betreffend die Bestimmungen über den Schutz notorisch bekannter Marken“ vom 10. 5. 1999, s. http: / / www.wipo.int/ about-ip/ en/ development_iplaw/ pub833.htm, letzter Abruf: 02 / 2018. 65 OLG Frankfurt GRUR - RR 2003, 274, 275 „Vier-Streifen-Kennzeichnung“. 248 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kennzeichenrecht findet seine Grenzen in den Schutzschranken des MarkenG. 66 Maßgeblich für den Zeitrang und somit Vorrang ist bei angemeldeten und registrierten Marken der Tag der Anmeldung oder der Tag einer in Anspruch genommenen Priorität, sei es in Form einer früheren ausländischen Anmeldung (§ 34 MarkenG, Ausländische Priorität) oder einer inländischen oder ausländischen Ausstellung im Sinne des § 35 MarkenG (Ausstellungspriorität). Der häufigste Fall ist die Inanspruchnahme einer auf einer früheren ausländischen Anmeldung beruhenden Priorität, die sich nach den Vorschriften der Staatsverträge oder der PVÜ richtet. Dass die Vorschriften hierfür durchaus unterschiedlich ausgestaltet sind, zeigt ein Vergleich des deutschen MarkenG mit der europäischen UMV . Während die Priorität in Deutschland davon abhängig ist, dass der Anmeldetag einer Marke feststeht (§ 33 i. V. m. § 32 Abs. 2 MarkenG), wobei hierfür nach deutschem Recht die Zahlung der Anmeldegebühren irrelevant ist, so ist für die Feststellung des Anmeldetages für Unionsmarken (Art. 31 Abs. 2 i. V. m. Art. 32 UMV ) die Entrichtung der Anmeldegebühr Voraussetzung. § 6 Abs. 3 MarkenG bestimmt den Zeitrang von Benutzungsmarken oder notorisch- - bekannten Marken, sowie für geschäftliche Bezeichnungen im Sinne des § 5 MarkenG und für sonstige Rechte, wie sie nicht abschließend in § 13 MarkenG aufgeführt sind. Bei den Benutzungsmarken wie auch den notorisch bekannten Marken ist der Zeitrang der Zeitpunkt des Erwerbs des Rechts. In Bezug auf die sonstigen Rechte ergibt sich der Zeitrang aus den jeweils für diese geltenden Rechtsgrundsätzen, die im MarkenG nicht ausdrücklich geregelt sind. 67 Rechte mit gleichem Zeitrang begründen gegen den Inhaber des jeweiligen anderen Rechts gemäß § 6 Abs. 4 MarkenG keine Ansprüche, da die Rechte gleichrangig sind. § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse I. Inhaberschaft Inhaber von angemeldeten und eingetragenen Marken können natürliche Personen, juristische Personen oder Personengesellschaften sein, sofern sie im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten sind. Neben den juristischen Personen des Privatrechts wie z. B. der rechtsfähige Verein, die Stiftung, die GmbH, die AG , die Kommanditgesellschaft auf Aktien ( KG aA) und die eingetragene Genossenschaft (eG) sind auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie rechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes markenrechtsfähig. Die Fähigkeit, Anmelder bzw. Inhaber von Markenrechten zu sein, endet bei einer GmbH nicht bereits durch ihre Auflösung, sondern besteht gerade im 66 Teil 1, Abschnitt 4 MarkenG, insbesondere § 21 MarkenG, Verwirkung v. Ansprüchen; § 22 MarkenG, Ausschluss v. Ansprüchen bei Bestandskraft der Eintragung einer Marke mit jüngerem Zeitrang; § 23 MarkenG, Benutzung v. Namen und beschreibenden Angaben bzw. als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör und Ersatzteil; § 24 MarkenG, Erschöpfung sowie § 25 MarkenG, der Ausschluss v. Ansprüchen aufgrund mangelnder Benutzung der Marke. 67 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft, 45, 62). 249 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Hinblick auf die mit der Marke verbundenen Rechte als Liquidationsgesellschaft weiter. 68 Auch eine gelöschte GmbH kann bei reinen registerrechtlichen Vorgängen noch als partei- und prozessfähig gelten und durch ihren früheren Geschäftsführer wirksam vertreten werden, z. B. bei der registerrechtlichen Umschreibung einer bereits materiellrechtlich erfolgten Markenübertragung. 69 Zu den Personengesellschaften, die nach § 7 Abs. 3 MarkenG Inhaber von Marken sein können, gehören neben den Personenhandelsgesellschaften-- OHG und KG -- auch die Partnerschaftsgesellschaften. Seit einigen Jahren kann auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Inhaber von Markenrechten sein, soweit sie als eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechtes rechts- und parteifähig ist. 70 Dieser Änderung der Rechtsprechung wurde auch durch eine Ergänzung der MarkenV Rechnung getragen, wonach bei einer BGB -Gesellschaft der Name und die Anschrift mindestens eines Gesellschafters anzugeben ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 MarkenV). Dessen ungeachtet können auch mehrere Personen, seien es juristische, natürliche oder rechtsfähige Personengesellschaften, gemeinsam Inhaber von Marken sein. Diese Anmeldergemeinschaften müssen einen gemeinsamen Vertreter, zumindest jedoch einen gemeinsamen Zustellungs- oder Empfangsberechtigten angeben (§ 1 Abs. 1 MarkenV i. V. m. §§ 13 Abs. 1, 14 DPMAV ). 71 Für Ausländer gelten für die Inhaberschaft von deutschen Marken keinerlei Beschränkungen, da das deutsche MarkenG auf die Voraussetzung der Gegenseitigkeit (Inländerbehandlung) verzichtet hat. 72 Anders ist dies bei der europäischen Unionsmarke, 73 deren Inhaberschaft durch Eintragung erworben wird (Art. 6 UMV ). Inhaber können gem. Art. 5 UMV alle natürlichen oder juristischen Personen einschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts sein. Im Gegensatz zum früheren Warenzeichenrecht muss der Anmelder oder Inhaber einer Marke nicht mehr Inhaber eines Geschäftsbetriebes sein. Mit Inkrafttreten des Erstreckungsgesetzes 74 am 1. 5. 1992 ist diese Akzessorietät der Marke zum Geschäftsbetrieb hinfällig geworden. Einer Einschränkung unterliegen Kollektivmarken. Inhaber von deutschen angemeldeten oder eingetragenen Kollektivmarken gem. § 98 MarkenG können nur rechtsfähige Verbände sein, was Dach- oder Spitzenverbände einschließt. Diesen gleichgestellt sind juristische Personen des öffentlichen Rechtes. 68 BP atG BP at GE (41) 2002, 160, 162 „Ethocyn / Entoxin“. 69 BP atG BP at GE (44) 2005, 113, 119 ff. „Dr. Jazz“. 70 BGH MarkenR 2001, 129 „GbR-Rechtsfähigkeit“; BV erfG NJW 2002, 3533; BP atG Beck RS 2014, 15 513 „ REXO “. 71 Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt ( DPMAV ) vom 1. 4. 2004, Bl. f. PMZ 2004, 296. 72 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 63. 73 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung); Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32015L2436&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018; Im Anhang ist eine Entsprechungstabelle zur Marken RL 2008 / 95 / EG enthalten. 74 Gesetz für die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten v. 23. 4. 1992, Bl. f. PMZ 1992, 2002, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 10 des Gesetzes v. 12. 3. 2004, Bl. f. PMZ 2004, 207. 250 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Inhaber europäischer Unionskollektivmarken können nur Verbände von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungserbringern oder Händlern, die nach dem für sie maßgeblichen Recht die Fähigkeit haben, im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten jeder Art zu sein, Verträge zu schließen oder andere Rechtshandlungen vorzunehmen und vor Gericht zu stehen sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts sein (Art. 74 Abs. 1 UMV ). Inhaber von angemeldeten oder eingetragenen Gewährleistungsmarken bzw. Unionsgewährleistungsmarken kann jede natürliche oder juristische Person, einschließlich Einrichtungen, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sein, sofern sie keine Tätigkeit ausübt, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung besteht, umfasst (§ 106b Abs. 1 MarkenG (n. F.), Art. 83 Abs. 2 UMV ). II. Absolute Schutzhindernisse 1. Allgemeines Als absolute Schutzhindernisse für die Eintragung von Marken werden diejenigen bezeichnet, die in der Natur der Marke begründet sind und von Amts wegen geprüft werden. 75 § 8 MarkenG setzt die Vorschriften des Art. 3 der Marken RL in nationales Recht um und entspricht im Übrigen den Art. 4 u. 7 der UMV . Die Marken RL bezieht sich in ihrem 41. Erwägungsgrund auf die PVÜ und konstatiert, dass es erforderlich ist, dass alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch die PVÜ gebunden sind und sich die Vorschriften dieser Richtlinie mit denen der PVÜ in vollständiger Übereinstimmung befinden. Hier sind insbesondere Art. 6 quinquies , Abschnitt B und Art. 6 ter PVÜ zu nennen. Absolute Schutzhindernisse gelten im Übrigen auch für IR -Marken mit Benennung Deutschlands, bei denen die Bewilligung der Schutzerstreckung gem. den §§ 107, 113, i. V. m. § 37 MarkenG zu prüfen ist, sowie für Marken, für die der Telle-quelle-Schutz beantragt wurde. Die in Art. 4 Marken RL ( EU ) 2015 / 2436 aufgeführten absoluten Schutzhindernisse sind voneinander unabhängig und gesondert zu prüfen, 76 auch wenn sich ihre jeweiligen Anwendungsbereiche überschneiden. Die einzelnen absoluten Eintragungshindernisse müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Eu GH im Lichte des Allgemeininteresses ausgelegt werden, welches ihnen zugrunde liegt. 77 § 8 Abs. 1 MarkenG behandelte bisher als Eintragungsvoraussetzung die grafische Darstellbarkeit einer Marke. Nach Inkrafttreten des MaMoG fällt dieses Erfordernis in § 8 Abs. 1 MarkenG weg, übrig bleibt lediglich das Erfordernis der Klarheit und Bestimmtheit des Zeichens. Die Vorschrift ergänzt insoweit die Schutzvoraussetzungen des § 3 MarkenG. § 8 Abs. 2 MarkenG enthält keine abschließende Auflistung von Schutzhindernissen, wobei jede 75 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 63. 76 EuGH GRUR 2003, 514, 518 „Linde / Winward / Rado“; EuGH GRUR 2004, 674, 677 „Postkantoor“; EuGH GRUR 2004, 943, 944 „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“. 77 Eu GH GRUR 1999, 723, 725 ff. „Chiemsee“; Eu GH GRUR 2002, 804, 809 „Philips / Remington“; Eu GH GRUR 2003, 604, 607 „Libertel“. 251 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer einzelne genügt, um angemeldete Marken von der Eintragung auszuschließen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entspricht im Übrigen Art. 4 Abs. 1 Marken RL sowie Art. 7 Abs. 1 (b) der UMV . § 8 Abs. 3 MarkenG kodifiziert den Ausnahmetatbestand, dass eine Markenanmeldung die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 u. 3 MarkenG überwinden kann, sofern diese Marke aufgrund ihrer Benutzung für die von ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt ist. § 8 Abs. 4 MarkenG enthält Spezialvorschriften, die sich auf § 8 Abs. 2 Nrn. 6 bis 14 MarkenG, nämlich Hoheitszeichen (Nr. 6), amtliche Prüf- oder Gewährszeichen (Nr. 7), Wappen, Flaggen, andere Kennzeichen oder Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen (Nr. 8), Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weinbezeichnungen oder Spezialitäten-- die sich auf Unionsvorschriften oder internationale Übereinkünfte beziehen-- (Nrn. 9 bis 11), sowie Sortenbezeichnungen (Nr. 12), bösgläubig angemeldete Marken (Nr. 13) oder auf sonstige Vorschriften im öffentlichen Interesse (Nr. 14) beziehen. 2. Eintragungsausschluss (§ 8 Abs. 1 MarkenG) Das deutsche MarkenG definierte zwar nicht den Begriff der grafischen Darstellbarkeit, jedoch sind in Bezug auf Wortmarken, Bildmarken, dreidimensionale Marken, Kennfadenmarken und Hörmarken die Anforderungen in § 6 i. V. m. §§ 7, 8, 9, 10 u. 11 MarkenV aufgeführt. Mit dem Inkrafttreten des MaMoG fällt das in § 8 Abs. 1 kodifizierte Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit schutzfähiger Zeichen weg. Gleichwohl muss ein Zeichen in eindeutiger, präziser, in sich abgeschlossener, leicht zugänglicher, verständlicher, dauerhafter und objektiver Weise darstellbar sein. 78 Probleme bereiten sonstige Markenformen wie z. B. die abstrakte Farbmarke, abstrakte Farbzusammenstellungen aber auch Geruchsmarken, Geschmacks- und Tastmarken, Positionsmarken sowie Bewegungsmarken und Hologramme. Grundsätzlich diente das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit nicht nur der eindeutigen und klaren Definition des angemeldeten Zeichens, für das ein Ausschließlichkeitsrecht beansprucht wird, sondern durch die Veröffentlichung und das der Öffentlichkeit zugängliche Register auch einer zuverlässigen Unterrichtung der Allgemeinheit, insbesondere der beteiligten Verkehrskreise. Eine schnelle und sichere sowie eindeutige Prüfung des Registers durch interessierte Verkehrskreise dient der Rechtssicherheit. Daher war es notwendig, das Zeichen, für das Schutz beansprucht wird, in eindeutiger und reproduzierbarer Form darzustellen. Mängel der grafischen Darstellbarkeit konnten gegebenenfalls durch eine eindeutige und objektive Beschreibung ausgeglichen werden. Die einzutragenden Zeichen dürfen nunmehr jedoch unter Verwendung allgemein zugänglicher Technologie-- und nicht notwendigerweise mit grafischen Mitteln-- im elektronischen Register dargestellt werden. 78 Eu GH GRUR 2003, 145 „Sieckmann“. 252 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Als Darstellung einer abstrakten Farbmarke 79 reicht die Einreichung eines bloßen Farbmusters nicht aus. Die Anforderung an die Anmeldung sieht neben der Hinterlegung von Farbmustern die Angabe eines international anerkannten Farbcodes, die als genau und dauerhaft gelten, wie z. B. RAL , Pantone oder HKS vor. 80 Eine Schwierigkeit in der Zukunft könnte allerdings darin bestehen, dass auch diese Farbcodes-- da sie keiner staatlicher Aufsicht unterliegen, sondern von privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden-- eine Veränderung erfahren könnten. Von dem Begriff der abstrakten Farbmarke zu unterscheiden sind farbige Darstellungen anderer Markenformen. Farbige Bildmarken- - auch farbig gestaltete Wortmarken gehören hierzu (§ 8 Abs. 1 MarkenV)- - sind ohne weiteres grafisch darstellbar. Die abstrakte Farbmarke hingegen beansprucht Schutz für die Farbe an sich als Herkunftshinweis auf spezielle Waren und Dienstleistungen, ohne dass sie an eine Form, Zeichnung, Wörter oder bildliche Darstellung jeglicher Art gebunden ist. Nach Kirschneck 81 gehören zu den abstrakten Farbmarken neben den Einzelfarben auch Farbzusammenstellungen bestimmter und unbestimmter Art. Eine bestimmte Farbzusammenstellung liege dann vor, wenn die Zusammenstellung in ihrer Erscheinungsform festgelegt sei, d. h., wenn die Grenzen zwischen zwei Farben eindeutig definiert seien oder in einer bestimmten Reihenfolge erscheinen. Als Beispiel sei hier das Streifenbild einer Kreditkarte genannt. 82 Der Schutz von unbestimmten form- und konturlosen Zusammenstellungen von zwei oder mehreren abstrakten Farben, deren Kombination jegliche denkbare Form aufweisen kann, scheitert an der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit, da nach Artikel 3 der europäischen Marken RL die erforderlichen Merkmale der Eindeutigkeit und Beständigkeit fehlen. 83 Eine eindeutige und dauerhafte Darstellung von mehreren abstrakt und konturlos beanspruchten Farben liegt nur dann vor, wenn sie systematisch so angeordnet ist, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. 84 Auch Geruchsmarken sind dem Grunde nach zwar eintragbar, scheitern jedoch an der Hürde der Klarheit und Eindeutigkeit als absolutes Schutzhindernis. Ein Zeichen, das als solches nicht visuell wahrnehmbar ist, kann nur dann eingetragen werden, wenn es insbesondere mit Hilfe von Linien oder Schriftzeichen oder mit Hilfe von Figuren grafisch dargestellt werden kann und diese Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Auch eine Geruchsprobe kann dem Erfordernis der grafischen Darstellung nicht Genüge tun, da sie weder stabil noch dauerhaft ist. Selbst die Kombination von chemischer Formel, Geruchsbeschreibung und Geruchs- 79 Als Beispiel sei die Farbe „Orange“ für Mobilfunkdienstleistungen genannt; Eu GH GRUR 2003, 604 „Libertel“. 80 BGH GRUR 2004, 683 „Farbige Arzneimittelkapsel“. 81 Kirschneck in Hacker / Ströbele, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 42 ff. 82 BP atG GRUR 1997, 285 „Visa Streifenbild“. 83 Eu GH GRUR 2004, 858 „Heidelberger Bauchemie“. 84 Ebenda. 253 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer probe erfüllt nicht die Erfordernisse der Klarheit und Eindeutigkeit. 85 Gleiches gilt analog für Geschmacksmarken. Tastmarken sind als markenfähige Zeichen nur dann eintragbar, wenn deren haptische Eindrücke sich unmittelbar objektiv und eindeutig in ausreichender Weise beschreiben und damit grafisch festlegen lassen, beispielsweise durch eine bestimmte, über den Tastsinn wahrnehmbare, aus Vertiefungen bestehende Oberflächenstruktur eines Gegenstandes, unter Angabe der Größenverhältnisse der Vertiefungen und Erhebungen sowie ihrer Anordnung zueinander. 86 Positionsmarken sind Marken, die auf einem bestimmten Produkt in gleicher Form und Größe an der gleichen Stelle positioniert sind. 87 Für diese ist die in der MarkenV geregelte fakultative Beschreibung zwingend, da nur durch diese die erforderliche Schutzbeschränkung auf die konkrete Position vorgenommen werden kann. 88 Weitere Markenformen sind Bewegungsmarken und Hologramme. Letztere können nur dann das in § 8 Abs. 1 MarkenG aufgestellte absolute Schutzhindernis überwinden, wenn sie sich klar und eindeutig in einer überschaubaren Zahl von Bildern mit Angabe der erforderlichen Sichtwinkel beschreiben lassen. Analog zu dreidimensionalen Marken kommt hier eine Anzahl von bis zu sechs Abbildungen in Frage (§ 9 Abs. 1 S. 2 MarkenV analog). Bei Bewegungsmarken handelt es sich um Zeichen, die einen Bewegungsablauf in zwei- oder dreidimensionaler Form abbilden. Dies kann beispielsweise durch eine Bildabfolge und einer entsprechenden Beschreibung klar und eindeutig erfolgen. Als Beispiel einer Bewegungsmarke sei die (dreidimensionale) Kopfbewegung eines Löwen als Kennzeichnung für eine Filmgesellschaft oder die eines Fuchses 89 genannt. Hinsichtlich Hörmarken hat der Eu GH klargestellt, dass die grafische Darstellung der Tonfolge der als Marke angemeldeten Melodie ein in Takte gewähltes Notensystem sicherstellen kann. 90 Durch den Wegfall der Voraussetzung der grafischen Darstellbarkeit nach Inkrafttreten des MaMoG und der Umstellung auf ein elektronisches Register ist auch die Einreichung gängiger Audio- oder Bilddateiformate möglich. Auch die Aufmachung von Ladenlokalen („Flagship-Stores“) in der Form einer Abbildung ist schutzfähig, Angaben zur Größe oder den Proportionen des Ladenlokales sind nicht erforderlich. 91 85 Eu GH GRUR 2003, 145, 149 „Ralf Sieckmann / DPMA “. 86 BGH GRUR 2007, 148, 151 (Nr. 14) „Tastmarke“. 87 BP atG GRUR 1998, 390, 391 „Roter Streifen im Schuhabsatz“. 88 Bingener, MarkenR 2004, 344. 380. 89 OLG Frankfurt GRUR 2000, 1063, 1065 „Spee-Fuchs“. 90 Eu GH GRUR 2004, 54 „Shield Mark / Kist“. 91 Eu GH GRUR 2014, 866, Rdn. 19 „Apple“. 254 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 3. Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) a) Überblick Genauso wie § 8 Abs. 1 MarkenG soll § 8 Abs. 2 MarkenG verhindern, dass Marken ins Markenregister eingetragen werden, die die Herkunftsfunktion nicht erfüllen können oder gegen die Interessen der Allgemeinheit oder des Staates bzw. der Staatengemeinschaft verstoßen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stellt eines der zentralen Schutzhindernisse dar. Danach sind diejenigen Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet sind, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft kommt einem Zeichen dann zu, wenn es geeignet ist, die Ware (oder die Dienstleistung), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware (oder Dienstleistung) somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 92 Dem Sinn entsprechend hat der BGH - - in Übereinstimmung mit dem Eu GH und § 3 Abs. 1 MarkenG- - Unterscheidungskraft definiert als die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. 93 Beide Definitionen, die des BGH wie auch des Eu GH , unterstreichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblichen Herkunftshinweis. Andere Markenfunktionen, wie Werbe-, Qualitäts- oder Garantiefunktion, die zweifelsohne aus ökonomischen Gründen sinnvoll und notwendig sind, treten in den Hintergrund. Sie sind für die Eintragungsfähigkeit einer Marke irrelevant und aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise in der Regel von eher untergeordneter Bedeutung. Der Maßstab zur Feststellung der Unterscheidungskraft ist nicht abhängig von der Markenform, d. h. bei dreidimensionalen Marken, Farbmarken, Wortmarken, Wort-/ Bildmarken ist immer der gleiche Maßstab anzulegen. In Bezug auf dreidimensionale Marken hat der Eu GH 94 entschieden, dass bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach Art. 4 Abs. 1 c Marken RL in jedem Einzelfall das dieser Vorschrift zugrunde liegende Allgemeininteresse zu berücksichtigen sei. Das bedeute, dass dreidimensionale aus der Form einer Ware bestehende Marken oder generell Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben beständen, die im Sinne dieser Bestimmung zur Bezeichnung der Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung dienen könnten, von allen frei verwendet und daher vorbehaltlich des Art. 4 der Marken RL nicht eingetragen werden könnten. Allerdings könnten außer der Feststellung, dass einem Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft fehlt, keine weiteren Anforderungen an die Unterscheidungskraft 92 Eu GH GRUR 1999, 723, 727 „Chiemsee“; Eu GH GRUR 2002, 804, 809 „Philips / Remington“; Eu GH GRUR 2012, 270 Rdn. 8 „Link economy“; BGH GRUR 2013, 731, 732 Rdn. 11 „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“; BGH GRUR 2015, 581 Rdn. 9 „Langenscheidt-Gelb“; BGH GRUR 2015, 1012 Rdn. 10 „Nivea-Blau“; Eu GH GRUR 2014, 776 Rdn. 38 „Oberbank / DSGV “. 93 BGH GRUR 2001, 2040, 2041 „Swiss Army“; BGH GRUR 1995, 408, 409 „Protech“; BGH GRUR 2001, 239 „Zahnpastastrang“; BGH GRUR 2013, 731, 732 Rdn. 11 „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“; BGH GRUR 2015, 1012 Rdn. 10 „Nivea-Blau“. 94 Eu GH GRUR 2003, 514 „Linde / Winward / Rado“. 255 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer gestellt werden. Insbesondere ist keine besondere Originalität erforderlich. 95 Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt also nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der sprachlichen oder künstlerischen Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der durch diese Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 96 Für die Verneinung der Unterscheidungskraft ist ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt erforderlich. Allerdings kann bei allgemein bekannten Begriffen insbesondere von Großereignissen ein mittelbar beschreibender Bezug ausreichen, um jegliche Unterscheidungskraft zu verneinen. 97 Inhaltliche Zuschreibungen, die der Verkehr von einer Romanfigur z. B. auf unter ihrem Namen angebotene Beherbergungsdienstleistungen übertragen mag, begründen allenfalls einen beschreibenden Anklang der Marke, beseitigen jedoch nicht ihre Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betroffenen Dienstleistung zu wirken. 98 In Bezug auf Slogans hat der Eu GH festgestellt, dass es für die Unterscheidungskraft kein Kriterium sei, ob ein Fantasieüberschuss gegeben ist. 99 Eine längere Wortfolge entbehrt jedoch jegliche Unterscheidungskraft, wenn wichtige Indizien wie Kürze, Originalität und Prägnanz fehlen. 100 Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 MarkenG, in dem es um die Frage der Markenfähigkeit eines Zeichens als solches geht, ist bei dem absoluten Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG immer der Bezug zu den einzelnen konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beachten. Einer Marke kann nämlich die Unterscheidungskraft in Bezug auf eine konkrete Ware fehlen, in Bezug auf eine andere kann die identische Marke jedoch unterscheidungskräftig sein. 101 Beispielsweise fehlt einer Marke „Hemd“ in Bezug auf Bekleidungsstücke jegliche Unterscheidungskraft, in Bezug auf „Christbaumschmuck“ ist die Bezeichnung jedoch geradezu fantasievoll, unterscheidungskräftig und somit herkunftshinweisend. Das absolute Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG- - das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft in Bezug auf konkrete Waren oder Dienstleistungen- - ist begrifflich vom Freihaltebedürfnis als absolutem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu unterscheiden. 102 Während das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus der Sicht des Verbrauchers, d. h. der beteiligten Verkehrskreise, zu beurteilen ist, richtet sich das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach den Interessen des Wettbewerbs, für den Zeichen, die beschreibend in Bezug auf die Eigenschaften der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen sind oder dazu dienen können, frei- 95 BGH GRUR 2000, 722, 723 „ LOGO “; BP atG GRUR 2002, 693, 694 „Bar jeder Vernunft“; BP atG GRUR 2002, 693, 694 „BerlinCard“. 96 Eu GH GRUR 2004, 943 „Sat.1 / HABM (Sat.2)“. 97 BGH GRUR Int. 2007, 76, 80 (Nr. 32 ff.) „ FUSSBALL WM 2006“. 98 BGH GRUR 2018, 301 „Pippi-Langstrumpf-Marke“. 99 Eu GH GRUR 2004, 1027 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 100 BGH GRUR 2010, 935 Rdn. 13 „Die Vision“. 101 BGH GRUR 2009, 949 ff. „My World“. 102 EuGH GRUR 2004, 674, 677 „Postkantoor“; EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 256 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer zuhalten sind. In der Praxis überschneiden sich häufig beide Eintragungshindernisse. 103 Ein Freihaltebedürfnis liegt dann vor, wenn im Interesse der Mitbewerber einer Monopolisierung des beanspruchten Zeichens entgegengetreten werden muss. 104 So kann eine Marke unterscheidungskräftig sein, an ihr aber gleichzeitig ein Freihaltebedürfnis bestehen. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn dem allgemeinen Verkehr die eigentlich beschreibende Angabe verborgen bleibt und sie als fantasievoll aufgefasst wird. 105 Allerdings ist auch der Fall denkbar, bei dem ein Freihaltebedürfnis der Wettbewerber nicht besteht, dem Zeichen jedoch jegliche Unterscheidungskraft fehlt, da es beispielsweise im Verkehr wegen seiner entsprechenden Verwendung in der Werbung nur als Schlagwort wahrgenommen wird. 106 Weitgehende Überschneidungen gibt es zwischen dem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und dem § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, das Zeichen von der Registrierung ausschließt, die üblich geworden sind, also als Gattungsbezeichnungen aufgefasst werden. Während bei ersterem eine Unterscheidungskraft von Hause aus fehlt, ist es in Fällen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zum Verlust der ursprünglich vorhandenen Unterscheidungskraft gekommen, da der Verbraucher in der Bezeichnung keinen Hinweis mehr auf einen Hersteller sieht. Als Beispiel sei hier der Begriff „Vaseline“ genannt. Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft auf den Gesamteindruck abzustellen, da der Verkehr im Allgemeinen eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Somit kann die Zusammensetzung beschreibender und damit nicht unterscheidungskräftiger Elemente eines Zeichens in ihrer Gesamtheit zu einer Herkunftskennzeichnung führen. 107 b) Beteiligte Verkehrskreise Die Beurteilung der Unterscheidungskraft richtet sich nach der Auffassung der zum Zeitpunkt der Anmeldung beteiligten inländischen Verkehrskreise. 108 Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören alle diejenigen, bei denen die in Rede stehende Marke Verwendung findet oder finden kann oder die mit der Marke in Berührung kommen. In den meisten Fällen dürfte es sich bei den Verkehrskreisen um die Verbraucher handeln, denen die Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Nach dem allgemein gültigen Verbraucherleitbild ist der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher derjenige, auf dessen Sicht es ankommt. 109 Nicht selten wird es zu einer geteilten Verkehrsauffassung kommen, wobei es notwendig ist, dass ein erheblicher Teil des Publikums, d. h. in der Regel weit mehr als 50 %, die Marke als betrieblichen Ursprungshinweis auffasst. 103 Eu GH GRUR 2004, 680 „Biomild“. 104 Vgl. BGH GRUR 1999, 988, 989 „House of Blues“; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar (2. Aufl.), § 8 Rdn. 122. 105 BGH GRUR 1993, 43 „Römigberg“. 106 BGH Bl. f. PMZ 1998, 248 „Today“. 107 Eu GH GRUR 2004, 943, 944 ff. „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“. 108 BGH GRUR 2009, 411, 412 (Nr. 14) „Streetball“. 109 Eu GH GRUR 2004, 943, 944 ff. „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“; Eu GH GRUR 2004, 1027, 1030 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 257 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer c) Markenformen unter dem Blickwinkel der Unterscheidungskraft Grundsätzlich kann eine Wortmarke dann eingetragen werden, wenn ihr kein für die relevanten Waren bzw. Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Publikum, sei es auch nur wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. 110 Nach dieser BGH -Definition sind Wortmarken dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie entweder glatt beschreibend sind oder es sich um ein vom Publikum regelmäßig verwendetes Wort handelt, das vom Verkehr immer in dieser Bedeutung in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen verstanden wird. Für die Eintragungsfähigkeit einer Wortmarke kann auch die Mehrdeutigkeit eines Begriffes sprechen, die zum Nachdenken anregt, ohne dass eine Bedeutung im Vordergrund steht. Als negatives Beispiel nennt Ingerl / Rohnke 111 das Wort „Bank“, welches für Finanzdienstleistungen angemeldet wird und für diese Dienstleistungen glatt beschreibend ist, da kaum jemand an ein Sitzmöbel denken wird. Daher ist das Wort in diesem Zusammenhang auch nicht mehrdeutig. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Mehrdeutigkeit des Zeichens nur ein diffuses Bild in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen vermittelt, so dass das Publikum zwar hiermit Waren oder Dienstleistungen assoziiert, diese jedoch nicht unmittelbar durch das Zeichen beschrieben werden. Das Publikum kann darin durchaus einen Herkunftshinweis erkennen. Diese sog. sprechenden Zeichen sind in der Regel besonders wertvoll, da sie in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen für sich sprechen. 112 Zu den nicht unterscheidungskräftigen beschreibenden Angaben gehören grundsätzlich alle geografischen Herkunftsangaben, sofern sie in den relevanten Verkehrskreisen als solche erkannt werden oder werden können. 113 Grundsätzlich gilt dies auch für Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortfolgen zusammengesetzt sind. Dabei spricht für die Unterscheidungskraft und damit für die Eintragungsfähigkeit, wenn die Zeichen einen Interpretationsbedarf oder eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen. Jedoch ist immer zu beachten, dass zur Begründung der Unterscheidungskraft kein Fantasieüberschuss gefordert wird. 114 Lässt sich ein beschreibender Gehalt einer Wortfolge nur in mehreren gedanklichen Schritten ermitteln, lässt dies nicht auf das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft schließen. 115 Eine bloße Assoziation, die dem Verkehr etwa durch ein sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die betriebliche 110 St. Rspr.; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 „Bar jeder Vernunft“; BGH GRUR 2002, 64, 65 „INDIVIDUELLE“; BGH GRUR 2001, 1043 „Reich und schön“. 111 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 131. 112 BGH GRUR 2002, 816 „Bonus II “; BGH GRUR 2002, 64, 65 „ INDIVIDUELLE “; BGH GRUR 2001, 1043 „Reich und schön“, BGH GRUR 2016, 934 „ OUI “; Eu GH GRUR Int. 2018, 369 „Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto“. 113 BP atG 2001, 741, 742 „Lichtenstein“; BP atG GRUR 2000, 1050, 1051 „Cloppenburg“. 114 Eu GH GRUR 2004, 1027, 1030 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 115 BGH GRUR 2012, 270 (Leitsatz) „Unterscheidungskraft für Wortfolge mit mehrdeutigem Begriffsinhalt-- Link economy“. 258 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Ware gibt, steht der Annahme einer Unterscheidungskraft nicht entgegen. 116 Gebräuchlichen Wörtern der Umgangssprache fehlt jegliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die für sie beanspruchten Waren oder Dienstleistungen, wenn sie vom Publikum ausschließlich in ihrer herkömmlichen Bedeutung verwendet werden. 117 Zu den gebräuchlichen Wörtern der Umgangssprache gehören beispielsweise Werbeschlagwörter, die vom Verkehr nur als solche und nicht als herkunftshinweisend verstanden werden. Allerdings muss an Werbeschlagwörter genauso wie an Werbeslogans der gleiche Maßstab der Beurteilung angelegt werden wie bei Wort-, Bild- oder sonstigen Markenformen. Alle Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, enthalten naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang eine Sachaussage, wobei ihnen nicht allein deswegen die Unterscheidungskraft fehlt. Soweit solche Marken nicht beschreibend sind, können sie eine (auch einfache) Sachaussage enthalten und dennoch geeignet sein, das Publikum bzw. den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen. 118 An Unterscheidungskraft fehlt es einem Slogan jedoch dann, wenn er ausschließlich als werbemäßiger Hinweis verstanden wird, und die erforderliche Herkunftsfunktion nicht mehr erfüllt wird. 119 Kombinationswortmarken, die neben schutzunfähigen zumindest einen schutzfähigen Bestandteil aufweisen, sind generell eintragungsfähig, sofern der schutzfähige Bestandteil derart hervortritt, dass er von dem Publikum noch als betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden kann. Kombinationsmarken, die als Wort-/ Bildzeichen angemeldet werden, sind ebenfalls eintragungsfähig, wenn der Verkehr aufgrund der bildlichen oder grafischen Ausgestaltung bei ansonsten glatt beschreibenden Wortbestandteilen einen eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis in dem Zeichen sieht. Einem Wort-/ Bildzeichen jedenfalls, das aus der Kombination einfacher grafischer Elemente und einem Wort besteht, das vom Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Zuruf, Ausruf oder Grußformel verstanden wird, fehlt die konkrete Unterscheidungskraft. 120 Buchstaben und Zahlen sind generell schutzfähig, da sie bereits in § 3 Abs. 1 MarkenG explizit als schutzfähige Zeichen aufgeführt sind. Wie bereits oben ausgeführt, sind auch hier die gleichen Grundsätze bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sowie des Freihaltebedürfnisses des Wettbewerbs anzulegen. Bei der Beurteilung ist jedoch immer auf die 116 BGH GRUR 2013, 731, 733 (Rdn. 22) „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“. 117 BGH GRUR 1999, 1093, 1094 „For You“; BGH GRUR 2009, 949 „My World“. 118 Eu GH , Urteil v. 21. 1. 2010, C-381 / 8 (Nr. 56, 57) GRUR 2010, 228 „Vorsprung durch Technik“. 119 Eu GH GRUR Int. 2011, 255 „Best Buy“. 120 BGH GRUR 2010, 640, 641 „hey! “. 259 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer branchenübliche Verwendung von Buchstaben oder Zahlen abzustellen, die beispielsweise als Typenbezeichnungen, Packungsgröße oder ähnliches verwendet werden. Bei aus einem einzelnen grafisch gestalteten Buchstaben bestehenden Zeichen haben in Bezug auf ein den gleichen Buchstaben aufweisenden Zeichen bildliche Unterschiede ein wesentlich größeres Gewicht als bei normalen Wortzeichen. 121 Dem Grunde nach sind auch Buchstabenkombinationen unterscheidungskräftig, sofern sie für die Verkehrskreise nicht allgemein verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben sind. Ähnliches gilt für Zahlen, die allerdings dann von der Eintragung ausgeschlossen sind, wenn sie vom Verkehr als Maß- oder Mengenangaben oder als sachbezogene Angabe verstanden werden und nicht als ein Hinweis auf den Ursprung der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Als Beispiel mag hier „24“ genannt sein, eine Zahl, die in vielen Branchen als Synonym für „Rund um die Uhr“ oder „24 Stunden lang“ benutzt wird (z. B. „Bank24“ u. a. für Internetbanking, „Alarm24“ für 24-stündige Alarmbereitschaft, „Travel24“ für Buchen rund um die Uhr, „Auskunft24“ etc.). Eingetragen werden können Zahlen also dann, wenn ihnen kein im Vordergrund stehender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden kann. 122 Auch die Kombination von Zahlen und Buchstaben ist-- wie jede andere Marke-- nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen. Liegt eine Kombination nahe, weil z. B. im technischen Bereich derartige Kombinationen üblich sind, so fehlt ihr in der Regel die Unterscheidungskraft. Zahlen / Buchstaben-Kombinationen sind im Übrigen oft auch freihaltebedürftig. 123 Sollte eine derartige Kombination von Buchstaben und Zahlen vom Publikum in irriger Weise als beschreibend aufgefasst werden, obwohl sie in dieser Kombination noch nicht in beschreibender Weise verwendet wird, dann hat im Falle einer Ablehnung die beurteilende Instanz zu begründen, weshalb die beanspruchte Marke den Beschreibungsgrundsätzen der jeweiligen Branche entspricht. 124 Auch bei reinen Bildmarken gelten die gleichen Grundsätze in Bezug auf die absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG-- fehlende Unterscheidungskraft-- und § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dem Freihaltebedürfnis. Wie bereits bei den Wortzeichen erwähnt, können Bilder, die aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise eine Herkunftsfunktion innehaben, eingetragen werden. Indiz für die Unterscheidungskraft kann beispielsweise sein, dass in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine Mehrdeutigkeit des Zeichens gegeben ist. Diese entfällt in der Regel bei einfachsten geometrischen Formen, da der Verkehr daran gewöhnt ist, dass diese Formen üblicherweise in der Werbung, als Produktverpackung oder auf Geschäftspapieren Verwendung finden. Ebenfalls schutzunfähig sind Linien oder grafische Gestaltungen, die vom Verkehr nicht als auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisend, sondern lediglich als Verzierung verstanden werden. Bei Bildzeichen, die nur aus üblichen dekorativen Elementen der beanspruchten Waren bestehen, wird der Verkehr diese-- auch wenn sich auf dem Markt noch keine mit dem angemeldeten Zeichen vollständig übereinstimmende Gestaltung findet- - nicht als Hinweis auf die betriebliche 121 BGH GRUR 2012, 930, 934 Rdn. 51 „Kriterien für Eintragungsfähigkeit von Einzelbuchstaben-- Bogner B / Barbie B“. 122 BGH GRUR 2000, 231, 232 „Fünfer“. 123 BGH GRUR 2002, 884 „B-2 alloy“. 124 BGH GRUR 2002, 884, 885 „B-2 alloy“. 260 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Herkunft auffassen. 125 Gleichwohl kann im Einzelfall die Kombination von verschiedenen einfachen grafischen Gestaltungselementen Unterscheidungskraft aufweisen. Auch die Abbildung von Waren oder Warenverpackungen kann eine Herkunftsfunktion erfüllen, sofern sie von der üblichen Waren- oder Verpackungsform, wie sie in der jeweiligen Branche verwendet wird, erheblich abweicht. 126 Dreidimensionale Marken unterliegen den gleichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Formen von Marken. 127 Die bloße Einfärbung von Waren oder Verpackungsformen ist in der Regel dann nicht unterscheidungskräftig, wenn die Farbgestaltung branchenüblich ist. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist auf ihren Gesamteindruck abzustellen. Die Frage, ob der Verkehr eine Warenform im Zeitpunkt der Markenanmeldung als branchenüblich ansieht, ist nach den gesamten Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments- - etwa den dort bestehenden Marktanteilen, den erzielten Umsätzen, der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vertriebs und sonstigen Vertriebsumständen-- zu beantworten. 128 Abstrakte Farbmarken sind, wie bereits oben ausgeführt, dem Grunde nach dem Markenschutz zugänglich, jedoch geht der Eu GH 129 davon aus, dass die abstrakten Farben aus Sicht der Verbraucher lediglich Gestaltungsmittel seien, die als Dekoration der Waren oder Verpackungen dienten und nicht als betriebliche Herkunftshinweise eingesetzt würden. Demzufolge besteht bei einer abstrakten Farbe nur in spezifischen Märkten unter außergewöhnlichen Umständen eine von Haus aus bestehende Unterscheidungskraft. 4. Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) a) Überblick Für das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hat sich der Begriff „Freihaltebedürfnis“ etabliert, ohne dass dieser in der europäischen Marken RL oder in der hiervon abgeleiteten UMV oder im MarkenG explizit genannt ist. Allerdings deutet sich eine Abkehr von diesem Begriff insbesondere durch den Eu GH an, sodass nun von einem „Allgemeininteresse an der Freihaltung“ gesprochen wird. 130 Nach Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV und wortgleich § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Durch die Formulierung des letzten Halbsatzes der gleichlautenden Vorschriften wird deutlich, dass der Katalog der konkreten Bezeichnungen nicht abschließend ist. Grundgedanke des Freihaltebedürfnisses 125 BGH GRUR 2011, 158 „Hefteinband“. 126 Eu GH GRUR 2004, 428, 431 „Henkel“; Eu GH GRUR Int 2005, 135, 137 „Maglite“. 127 Eu GH GRUR 2002, 804, 807 „Philips / Remington“. 128 BGH GRUR 2017, 1262 „Schokoladenstäbchen III “. 129 Eu GH GRUR 2003, 604, 608 „Libertel“. 130 v. Schultz in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 8 Rdn. 106; BPatG GRUR 2005, 677 „Newcastle“. 261 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer ist es, dass das Registrieren beschreibender Angaben ein Ausschließlichkeitsrecht für einen Markeninhaber begründen würde, das die Allgemeinheit, insbesondere die Wettbewerber, von der Verwendung waren- und / oder dienstleistungsbeschreibender Angaben ausschließt. Gleichwohl kann dieses absolute Schutzhindernis dann überwunden werden, wenn Kennzeichen gemäß Art. 7 Abs. 3 UMV bzw. § 8 Abs. 3 MarkenG für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden sind, in den beteiligten Verkehrskreisen infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben oder- - was gleichbedeutend ist- - sich im Verkehr durchgesetzt haben. Das absolute Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses korrespondiert mit Art. 14 lit. b UMV bzw. § 23 Nr. 2 MarkenG-- beschreibende Benutzung-- insoweit, als dass nach diesen Vorschriften eine Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht bzw. die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Vorschriften spielen bei der Prüfung der Anmeldung einer Marke im Eintragungsverfahren keine Rolle, ergänzen jedoch den Katalog der absoluten Schutzhindernisse insofern, als sie die Verwendung von beschreibenden Angaben unter den Voraussetzungen des § 23 MarkenG bzw. Art. 14 UMV von dem Monopol des Markeninhabers ausnimmt. Daher begründen Abwandlungen beschreibender Angaben, die als Marke geschützt sind, ebenso wenig ein Verbietungsrecht gegenüber der beschreibenden Benutzung im Rahmen dieser Vorschriften wie verkehrsdurchgesetzte Marken oder eingetragene Marken, die versehentlich oder unter anderen Voraussetzungen in das Register eingetragen wurden. Die Funktion des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es, das Risiko für die Benutzer beschreibender Angaben und das von einer eingetragenen Marke ausgehende Einschüchterungspotenzial in Grenzen zu halten. 131 Voraussetzungen des Freihaltebedürfnisses oder des allgemeinen Freihaltunginteresses sind, dass die in Rede stehende Marke ▶ nach der Verkehrsauffassung, ▶ ausschließlich, ▶ im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen einen beschreibenden Charakter hat und ▶ ein sich daraus ergebendes Freihaltebedürfnis aktuell oder auch zukünftig besteht. Das Freihaltebedürfnis bestimmt sich nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise im Inland. Als Verkehrskreise sind diejenigen inländischen Bevölkerungsteile anzusehen, die mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen in Kontakt kommen. Wie die Endverbraucher sind dies regelmäßig auch die Mitbewerber. Maßgeblich ist nicht die subjektive Beurteilung seitens der betroffenen Verkehrskreise, sondern die objektive Eignung eines 131 BGH GRUR 2000, 882, 883 „Bücher für eine bessere Welt“. 262 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Zeichens, als beschreibende Angabe angesehen zu werden. Hierauf beruht das Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit eines Begriffes als Fachangabe. Daher reicht das Freihaltebedürfnis eines kleinen Teils der Gesamtheit des Verkehrs bereits aus, um eine Markeneintragung auszuschließen. Nach Ströbele 132 kann die subjektive Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise lediglich für die Vorfrage von Bedeutung sein, ob der in Rede stehende Begriff aus der Sichtweise des Verkehrs als beschreibende Bezeichnung verständlich und daher im Verkehr zur Beschreibung der Waren und / oder Dienstleistungen geeignet ist. 133 Trotz der Überschneidungen der beiden absoluten Eintragungshindernisse einer Marke-- der fehlenden Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses-- ist nach st.Rspr. gleichwohl jedes der genannten Eintragungshindernisse unabhängig von den anderen getrennt zu prüfen. 134 Ein Freihaltebedürfnis lässt sich nur dann feststellen, wenn das jeweilige Gesamtzeichen ausschließlich aus freihaltebedürftigen Bestandteilen besteht. Dies gilt sowohl bei reinen Wortzeichen als auch bei Bildzeichen, Wort-/ Bildkombinationen oder Wortkombinationen. Ein Freihaltebedürfnis ist immer im Zusammenhang mit der für die Marke beanspruchten konkreten Ware oder Dienstleistung zu beurteilen. Somit kann im Einzelfall in Bezug auf bestimmte Waren ein Freihaltebedürfnis im Verkehr bestehen, in Bezug auf andere Waren oder Dienstleistungen jedoch nicht. 135 Nach v. Schultz 136 setzt die Feststellung eines aktuellen Freihaltebedürfnisses voraus, dass konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die inländischen Verkehrskreise das fragliche Zeichen gegenwärtig oder zukünftig zur Beschreibung oder Bestimmung der konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen benötigen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn das Zeichen bereits im beschreibenden Sinne verwendet wird oder wenn der ausschließlich beschreibende Sinngehalt des Zeichens offensichtlich ist. Für die Feststellung eines zukünftigen konkreten Freihaltebedürfnisses bedarf es einer gründlichen Prüfung, da die bloße hypothetische Möglichkeit nicht ausreicht, ein zukünftiges Freihaltebedürfnis zu bejahen. Ein zukünftiges Freihaltebedürfnis kann nur dann angenommen werden, wenn-- ausgehend von den konkreten Verhältnissen einer realistischen Prognose- - dieses im Bereich des Wahrscheinlichen liegt oder jedenfalls gut vorstellbar ist. 137 Ein künftiges konkretes Freihaltebedürfnis besteht nicht selten in Bezug auf geografische Herkunftsangaben. 138 b) Einzelne freizuhaltende Angaben Die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aufgeführten Bezeichnungen sind im Einzelnen im Folgenden erläutert: 132 Ströbele in Ströbele / Hacker, Markenrecht, Kommentar, § 8 Rdn. 371. 133 Eu GH GRUR 2004, 674, 676 „Postkantoor“. 134 Eu GH GRUR 2004, 1027 „ HABM / Erpo Möbelwerk“; Eu GH GRUR 2006, 233 „SiSi-Werke / HABM “; Eu GH GRUR 2008, 608, 610 (Nr. 54) „ EUROHYPO “. 135 BGH GRUR 2001, 1043 ff. „Gute Zeiten-Schlechte Zeiten“; BGH GRUR 2008, 900 ff. „ SPA II “. 136 In v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 8 Rdn. 119. 137 BP atG GRUR 2002, 741, 742 „Lichtenstein“; BGH GRUR 2001, 1043, 1043 „Reich und schön“. 138 BGH GRUR 2009, 491 ff. „Vierlinden“. 263 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Als Angaben zur Bezeichnung der Art sind beispielsweise Gattungsbegriffe wie Auto, Haus oder Abkürzungen wie IT oder EDV für elektronische Datenverarbeitung zu verstehen. Angaben zur Beschaffenheit einer Ware oder einer Dienstleistung beziehen sich auf jede Eigenschaft im weiteren Sinne derselben, ob dies die Qualität oder die Art der Herstellung oder des Geschäftsbetriebes ist, um nur einige zu nennen. Beispielhaft sei hier „Pure Cotton“ (für Bekleidung) oder „Post“ 139 genannt. Die Angaben zur Menge können entweder die Maßeinheit beschreiben, wie z. B. Hektar, aber auch eine bestimmte Stückzahl einer Ware, die je nach den Verkehrsgepflogenheiten auch ohne weitere Angaben verständlich ist. 140 Eine Bestimmungsangabe ist typischerweise die Beschreibung der Benutzung der Ware oder der Dienstleistung. 141 Grundsätzlich können auch Bildmarken freihaltebedürftig sein, wenn sie Angaben zur Bestimmung darstellen. Genannt seien hier Piktogramme oder übliche grafische Darstellungen in Gebrauchsanweisungen. Als Angabe des Wertes sind all die Bezeichnungen zu verstehen, die der Wertbestimmung der konkreten beanspruchten Waren und / oder Dienstleistungen dienen. Dies sind neben Währungsbezeichnungen wie z. B. Euro, DM vor allen Dingen qualitativ beschreibende Aussagen wie preiswert, exklusiv, teuer, werthaltig. Ein Sachbegriff wie der Begriff „Wert“ oder „Preis“ stellt selbst noch keine Angabe über den Wert dar, da dieser noch nicht qualitativ bezeichnet worden ist. Daher ist z. B. die Bezeichnung „Value“ nicht freihaltebedürftig. 142 Geografische Herkunftsangaben sind für den Verkehr häufig von erheblicher Bedeutung, da sie den Herkunftsort der Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. 143 Nicht selten wird mit der Herkunft aus einer bestimmten Lokalität bzw. Region oder mit der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Gebiet eine gesteigerte Qualitätserwartung verbunden. Durchbrochen wird dieses absolute Schutzhindernis durch Kollektivmarken, die erlauben, geografische Herkunftsangaben unter bestimmten Bedingungen zu monopolisieren. Eine Kollektivmarke steht allen Unternehmen zur Verfügung, die ihren Sitz in dem jeweiligen geografischen Gebiet haben. Kollektivmarken sind in den §§ 90 ff. MarkenG und in der UMV in Artikel 74 ff. geregelt. Ein Freihaltebedürfnis besteht auch in Bezug auf fremdsprachige Formen der geografischen Angabe, wie z. B. die in dem jeweiligen Land verwendete sprachliche Form (Great Britain / Großbritannien). Auch Abwandlungen unterliegen einem Freihaltebedürfnis, wenn die Abwandlung so geringfügig ist, dass sie vom Verbraucher nicht wahrgenommen wird. Als Beispiel sei hier die Entscheidung „Lichtenstein“ 144 genannt, in der der BGH konstatiert, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Unterschiede in der Schreibweise (Lichtenstein- Liechtenstein) regelmäßig oder sehr häufig nicht bemerken. 139 BGH GRUR 2009, 669 „ POST II “. 140 BGH GRUR 2000, 231, 232 „Fünfer“. 141 Z. B. BP atG GRUR 1997, 640 „Asthma-Brause“ für Arzneimittel. 142 BGH GRUR 1997, 730, 731 „Value“. 143 BGH GRUR 2012, 272, 274 „Beschreibende Angabe für Einkaufszentrum-- Rheinpark-Center Neuss“; BGH GRUR 2017, 183 „Stadtwerke Bremen“. 144 BP atG GRUR 2002, 741, 742 „Lichtenstein“. 264 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Angaben zur Herstellungszeit sind Jahreszahlen, Jahreszeiten, Monate, Wochen oder Feiertage, aber auch Hinweise auf saisonale Produkte wie z. B. „Spätherbst“ für Wein. Die Angaben über sonstige Merkmale sind als Auffangtatbestand für alle die Fälle anzusehen, die sich unter die o. g. Arten der vom Schutz ausgeschlossenen Angaben nicht subsumieren lassen. In der Praxis ist diese Fallgruppe ebenso wie die, die sich auf Zeitangaben bezieht, eher selten. 145 5. Übliche Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG-- wie auch Art. 7 Abs. 1 lit. d UMV -- schließt Marken von der Eintragung aus, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind. Hierunter sind in erster Linie Marken zu verstehen, die früher durchaus herkunftshinweisend gewesen sind, jedoch im Laufe der Zeit durch Benutzung auch von Wettbewerbern nicht mehr als zu einem Unternehmen zugehörig, sondern vom Verkehr als allgemeine Bezeichnung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aufgefasst werden. Als prominentes Beispiel sei hier die Bezeichnung „Walkman“ genannt, die in Österreich aufgrund ihrer Verwendung als Gattungsbezeichnung keinen Schutz als Marke mehr genießt. 146 Der BGH hat zur Eintragungsfähigkeit der Marke „Unter uns“ 147 ausgeführt, dass die nur generelle Eignung einer Wortfolge zur Werbung noch kein Eintragungsverbot nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG begründe. 6. Täuschungseignung Von der Eintragung ausgeschlossen sind auch Marken, die geeignet sind, das Publikum über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 Marken). Die Eignung einer Markenanmeldung zur Täuschung oder Irreführung muss ersichtlich sein, d. h. ohne weiteres für jeden nur möglichen Benutzungsfall aufgrund der üblichen und leicht zugänglichen Informationsquellen erkennbar sein und zwar immer im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen. 148 Umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen sind insofern ausgeschlossen. Eine Markenanmeldung kann gemäß § 37 Abs. 3 MarkenG nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Täuschungseignung ersichtlich ist. Im Unionsmarkenrecht entspricht § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG der Regelung in Art. 7 Abs. 1 lit. g UMV . Beide Regelungen setzen die Marken RL (Art. 4 Abs. 1 lit. g Marken RL ), die auf Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ basiert, um. 145 BGH GRUR 1997, 366, 368 „quattro II “. 146 Österreichisches OGH WRP 2002, 841, 842 ff. „Sony Walkman II “. 147 BGH GRUR 2000, 720 „Unter uns“. 148 v. Schultz in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 8 Rdn. 178. 265 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer 7. Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten Ausgeschlossen von der Eintragung sind Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der zur Zurückweisung der Markenanmeldung führt, liegt insbesondere und regelmäßig dann vor, wenn die Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gegen ein gesetzliches Verbot (in Deutschland) verstößt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt vor, wenn Marken geeignet sind, das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen. Dies gilt-- wie auch bei den anderen absoluten Schutzhindernissen-- immer in Bezug auf die konkreten Waren und Dienstleistungen. Die Sittenwidrigkeit kann begründet werden durch sittliche, politische oder religiöse Anstößigkeit. Beispiele hierfür sind die Bezeichnungen „Messias“ für Textilien, 149 CORAN für Arzneimittel oder „Schlüpferstürmer“ für alkoholische Getränke, „Headfuck“ für Druckereierzeugnisse, Bekleidung, Werbung sowie Telekommunikationsdienstleistungen, „ READY TO FUCK ! “ für Waren der Klassen 16 und 25 sowie Dienstleistungen der Klasse 41. 150 Maßstab für die Beurteilung ist weder eine besonders feinfühlige, noch übertriebene laxe Ansicht des angesprochenen Verkehrs. 151 Eine identische Regelung findet sich in Art. 7 Abs. 1 lit. f UMV . Irreführend können auch geografische Bezeichnungen sein, die die Marke selbst oder Teil der Marke sind, sofern die für sie beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht aus dem genannten Gebiet stammen und zumindest Teile des Verkehrs dieser geografischen Angabe eine wie auch immer geartete Bedeutung zuordnen. Eine Täuschungsgefahr können auch unrichtige Angaben in Bezug auf Prämierungen oder Qualitätssiegel darstellen. Ein weiteres Beispiel für ein irreführendes Zeichen ist-- bezogen auf die Waren und Dienstleistungen-- die Angabe eines unzutreffenden Alters oder einer Tradition, da der Verbraucher mit einer langjährigen Tradition eine besondere Wertschätzung verbindet. Dieses absolute Schutzhindernis entspricht Art. 7 Abs. 1 lit. g UMV und geht auf Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ zurück. 149 BP atG GRUR 1994, 377 „Messias“. 150 BP atG Mitt 1985, 215 „Schlüpferstürmer“; aber auch BGH GRUR 1995, 592, 595 „Busengrapscher“; BP atG BP at GE 28, 41, 43 „ CORAN “; BP atG GRUR - RR 2013, 253 „Headfuck“; BP atG GRUR 2013, 729 ff. „ READY TO FUCK ! “. 151 BP atG MarkenR 2011, 235, 236 „Arschlecken24“ für Waren der Klassen 14, 16, 21 und 25; EuG Beck RS 2013, 82 162, Urteil v. 14. 11. 2013 T-52 / 13 „ FICKEN “; EuG Beck RS 2013, 82 163; Urteil v.14. 11. 2013 T-54 / 13 „ FICKEN LIQURS “; A. A. Holzbach GRUR -Prax 2013, 535 „ FICKEN LIQURS verstößt gegen gute Sitten“; EuG Beck RS 2018, 267 „Fack Ju Göhte“; Douglas GRUR -Prax 2018, 71 „Fack Ju Göhte verstößt gegen die guten Sitten“. 266 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 8. Hoheitszeichen Nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sind diejenigen Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die Hoheitszeichen enthalten. Hoheitszeichen im Sinne dieser Vorschrift sind in- und ausländische Flaggen und Wappen von Gebietskörperschaften sowie sonstige Hoheitszeichen wie Orden, Münzen, Nationalhymnen und Siegel. Eine Übersicht über die Hinweise auf Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG i. V. m. Art. 6 ter Abs. 3 PVÜ wird regelmäßig vom DPMA im Bl. f. PMZ veröffentlicht. 152 9. Prüf- und Gewährzeichen § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG schließt amtliche Prüf- und Gewährzeichen als Marken von der Eintragung im Register aus. Amtliche Prüf- und Gewährzeichen sind ausschließlich diejenigen, die durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden sind. 153 10. Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen Ausgeschlossen sind auch Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisation (§ 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG), die vom Bundesministerium für Justiz ( BMJ ) im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht werden. 154 11. Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weine, garantiert traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen Mit Inkrafttreten des MaMoG ist § 8 Abs. 2 MarkenG um die Nummern 9 bis 12 erweitert worden, die die absoluten Schutzhindernisse um Tatbestände betreffend die Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, traditionelle Weine, garantiert, traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen ergänzen. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in Art. 7 Abs. 1 j-m UMV . 12. Entgegenstehende Gesetze als Schutzhindernisse Marken, deren Benutzung ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse untersagt werden können, sind ebenfalls von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG). Sonstige Vorschriften sind sowohl nationale wie auch bilaterale und europäische Vorschriften, die einen kennzeichenrechtlichen Inhalt aufweisen. Dazu zählen im Wesent- 152 Tabu DPMA Nr. 223. 153 Bekanntmachungen von amtlichen Prüf- und Gewährszeichen nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG, Tabu DPMA Nr. 218. 154 Bekanntmachungen von Wappen, Flaggen und anderen Kennzeichen, Siegeln oder Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG, Tabu DPMA Nr. 219. 267 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer lichen Vorschriften aus dem Bereich der Lebens- und Genussmittel, aber auch das deutsche Betäubungsmittelgesetz sowie die zweiseitigen Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, wie sie beispielsweise mit Kuba, Frankreich, Italien, Griechenland, der Schweiz und Spanien abgeschlossen worden sind. 155 Allerdings ist das Verbot der Eintragung auf ersichtliche Untersagungstatbestände beschränkt. 13. Bösgläubige Markenanmeldungen Nummer 14 der in § 8 Abs. 2 MarkenG aufgeführten Eintragungsausschlüsse betrifft Marken, die bösgläubig oder missbräuchlich angemeldet worden sind. Das absolute Schutzhindernis der bösgläubigen Anmeldung ist erst im Jahr 2004 in das MarkenG durch das Geschmacksmusterreformgesetz 156 aufgenommen worden. Das DPMA kann eine bösgläubig angemeldete Marke bei Vorliegen eindeutiger Indizien vor ihrer Eintragung zurückzuweisen. 157 Eine Zurückweisung einer bösgläubigen Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG ist nur möglich, wenn die Bösgläubigkeit ohne weiteres ersichtlich ist (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Eine bösgläubige Markenanmeldung kommt in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne hinreichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen einzutragen beantragt. Selbst wenn auf Seiten des Vorbenutzers ein schutzwürdiger Besitzstand im Inland noch nicht oder nicht mehr besteht, ist das Vorliegen einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht ausgeschlossen. Eine Bösgläubigkeit der Markenanmeldung kann sich daraus ergeben, dass der Anmelder ein Zeichen ohne eigene Benutzungsabsicht als Marke hat eintragen lassen, um den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern. 158 Ein weiterer Umstand kann darin liegen, dass der Anmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt. 159 Auch bei einer Markenanmeldung zu Spekulationszwecken ist von einer Bösgläubigkeit auszugehen. 160 155 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 830-902. 156 Bl. f. PMZ , 2004, 207, 218. 157 Begründung z. Entwurf des GeschmacksmusterreformG, Bl. f. PMZ , 2004, 222, 253; BGH GRUR 2009, 780 ff. „Ivadal“. 158 Vgl. Eu GH GRUR 2009, 763, 765 (Rdn. 34-45) „Lindt & Sprüngli / Franz Hauswirth“; BGH GRUR 2015, 1214 (Rdn. 57 ff.) „Goldbären“. 159 Vgl. BGH , GRUR 2009, 780 ff. (Rdn. 13) „Ivadal“; GRUR 2010, 1034 (Rdn. 13) „ LIMES LOGISTIK “; BGH GRUR 2012, 429, 430 „Simca“. 160 BGH GRUR 2001, 242 ff. „Classe E“. 268 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 14. Ausnahmen a) Berechtigung zum Führen bestimmter Zeichen § 8 Abs. 4 MarkenG bezieht sich auf die vorgenannten Nummern 6, 7 und 8 des Abs. 2 und enthält als Spezialregelung die Anwendung der genannten Tatbestände auf Nachahmungen eines der dort aufgeführten Zeichen wie auch die Nichtanwendung dieser Vorschriften, wenn der Anmelder befugt ist, in seiner Marke eines der dort aufgeführten Zeichen zu führen, selbst dann, wenn dieses mit einem anderen dort aufgeführten Zeichen verwechselt werden kann. Der Begriff der Nachahmung knüpft an den in Art. 6 ter Abs. 1 PVÜ enthaltenen Begriff „Nachahmung im heraldischen Sinn“ an. 161 In Bezug auf Prüf- oder Gewährzeichen ist das Verbot der Eintragung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG nicht anzuwenden, wenn die fragliche Marke für Waren oder Dienstleistungen angemeldet worden ist, die weder identisch noch ähnlich zu denen ist, für die das geschützte Prüf- oder Gewährzeichen eingeführt ist. Auch im Hinblick auf die Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisationen wird in § 8 Abs. 4 MarkenG der Ausnahmetatbestand formuliert. Das Verbot greift dann nicht, wenn die angemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen. § 8 Abs. 2 Nr. 6, 7 und 8 MarkenG und die Ausnahmen in Bezug auf diese absoluten Schutzhindernisse gem. § 8 Abs. 4 MarkenG setzen ähnlich wie Art. 7 Abs. 1 lit. h und i UMV die zwingenden Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 lit. h Marken RL um, der explizit Bezug auf Art. 6 ter PVÜ nimmt. b) Verkehrsdurchsetzung Eine Markeneintragung kann trotz der Ausschlussgründe der fehlenden Unterscheidungskraft, des Freihaltebedürfnisses und der üblich gewordenen Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG) erfolgen, wenn die angemeldete Marke diese Schutzhindernisse aufgrund ihrer Verkehrsdurchsetzung überwindet (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Dies entspricht Art. 4 Abs. 4 der Marken RL sowie Art. 7 Abs. 3 der UMV . Allerdings ist an die Stelle des in der Richtlinie und der UMV enthaltenen Begriffes „durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft“ im deutschen Markengesetz der lange Traditionen aufweisende und inhaltlich entsprechende Begriff der Verkehrsdurchsetzung gewählt worden. Diese Begriffswahl war im deutschen Recht erforderlich, da sonst der (falsche) Eindruck entstanden wäre, es reiche für die Eintragung aus, wenn die Marke unterscheidungskräftig sei. 162 Durch den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung für konkrete Waren und / oder Dienstleistungen überwindet der Anmelder einer Marke die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bzw. im Bereich der Europäischen Union Art. 7 Abs. 1 lit. b, c und d UMV . Für eine angemeldete Marke, die aufgrund ihrer Verkehrsdurchsetzung eingetragen werden soll, gilt, dass die Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Markenanmeldung nachgewiesen sein muss. Wird die Verkehrsdurchsetzung erst für einen späteren Zeitpunkt nachgewiesen, 161 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 162 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 269 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer so kann mit Einverständnis des Anmelders der Anmeldetag und somit der Zeitrang verschoben werden. Eine aufgrund der Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marke erwirbt einen Schutz wie jede andere eingetragene Marke. Auch Internationale Registrierungen ( IR -Marken), die auf Deutschland erstreckt worden sind, unterliegen den gleichen Bedingungen wie national angemeldete Marken nur mit dem Unterschied, dass deren Prioritätstag nicht auf den Tag verschoben werden kann, an dem die Verkehrsdurchsetzung nachgewiesen ist (§ 37 Abs. 2 MarkenG). Mittels der Verkehrsdurchsetzung können nur die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bzw. die entsprechenden Regelungen in der UMV überwunden werden, nicht jedoch das Fehlen der Markenfähigkeit gem. § 3 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 4 UMV . In der Entscheidung „Chiemsee“ 163 hat der Eu GH Grundsätze zur Verkehrsdurchsetzung-- hier in Bezug auf eine geografische Herkunftsangabe-- aufgestellt. Verkehrsdurchgesetzt im Sinne des Eu GH ist ein zunächst nicht eintragungsfähiges Zeichen dann, wenn dieses „eine neue Bedeutung erlangt, die nicht mehr nur beschreibend ist“. Hat eine Marke sich im Verkehr durchgesetzt (und somit in der Terminologie der UMV „in Folge der Benutzung Unterscheidungskraft erlangt“), dann ist die Unterscheidungskraft genauso zu bewerten, wie die Unterscheidungskraft, die Eintragungsvoraussetzung einer Marke ist. Die Marke muss also geeignet sein, die Ware (oder die Dienstleistung), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Ware (bzw. Dienstleistung) von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ob eine aus der Benutzung eines Zeichens erlangte Unterscheidungskraft gegeben ist, kann nur in Bezug auf die mit der Marke versehenen Waren oder Dienstleistungen festgestellt werden. 164 Die für die Feststellung zuständige Behörde hat sämtliche Gesichtspunkte zu prüfen, die qualitativ belegen können, dass die Marke diese Eignung erlangt hat. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke können der gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder von anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden. 165 Analog gelten diese Grundsätze auch für Dienstleistungen. Für eine Verkehrsdurchsetzung einer Marke in der Europäischen Union ist der Nachweis einer Unterscheidungskraft durch Benutzung für die gesamte Union erforderlich. 166 Die Verkehrsdurchsetzung muss in den beteiligten inländischen Verkehrskreisen erfolgt sein, wobei als maßgebliche Verkehrskreise all jene zu verstehen sind, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. 167 Dies bedeutet, dass nicht nur die 163 Eu GH GRUR 1999, 723 f. „Chiemsee“. 164 Eu GH GRUR 2001, 1148 „ BRAVO “. 165 Eu GH GRUR 1999, 723 f. „Chiemsee“. 166 Eu GH GRUR 2012, 925, 928 (Rdn. 63) „Fehlende Unterscheidungskraft des Schokoladen-Goldhasen-- Goldhase“. 167 BP atG GRUR 2004, 650, 685 „Lotto“. 270 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer einschlägigen Fachkreise als beteiligte Verkehrskreise in Frage kommen, sondern dass neben den Herstellern und Händlern auch die Abnehmer dazu zählen. Dabei sind nicht nur die aktuellen Abnehmer der mit der Marke gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen als Teil der Verkehrskreise anzusehen, sondern auch diejenigen, die hieran interessiert sein könnten. Dadurch wird bei Produkten des Massenkonsums regelmäßig die Gesamtbevölkerung zu den beteiligten Verkehrskreisen zählen, in denen die Durchsetzung einer von Hause aus beschreibenden, freihaltebedürftigen oder üblichen Bezeichnung nachgewiesen werden muss. Feste Prozentsätze für einen Durchsetzungsgrad gibt es jedoch nicht, da die Verkehrsdurchsetzung eine Frage des Einzelfalles ist. Jedoch gilt in der deutschen Rechtsprechung die Regel bezüglich der Quantität, dass ein Mindestdurchsetzungsgrad von 50 % bestehen muss. 168 Gemäß der alten aus dem Jahr 2005 stammenden Richtlinie zur Prüfung von Markenanmeldungen des DPMA 169 ist es zunächst erforderlich, dass der Anmelder, der sich auf die Verkehrsdurchsetzung seiner angemeldeten Marke beruft, die Möglichkeit der Verkehrsdurchsetzung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen glaubhaft macht. Anschließend ist ein Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zu erbringen, bei dem in der Regel-- sofern Endverbraucher zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören- - ein demoskopisches Gutachten erforderlich ist. Für die Anerkennung einer Verkehrsdurchsetzung ist es notwendig, dass die Benutzung der angemeldeten Marke als Marke erfolgt ist. Eine bloße allgemeine Bekanntheit reicht nicht aus. Dies ist insbesondere beachtlich, wenn es sich bei dem Anmelder um einen Monopolisten oder bei der beanspruchten Marke um eine Werbeaussage handelt. 170 Hat sich eine Kombination mehrerer Bestandteile einer Marke im Verkehr durchgesetzt, so erfüllt in der Regel nur die benutzte Kombination als Ganzes die betriebliche Herkunftsfunktion, wenn der Gesamteindruck von dieser Kombination beherrscht wird. Allerdings kann bei benutzten Wort-/ Bildkombinationen allein das Wort als einfachste Benennungsform verkehrsdurchgesetzt sein, sofern die bildliche Ausgestaltung den Gesamteindruck der benutzten Marke nicht mitbestimmt. 171 In eher seltenen Fällen kann die Unterscheidungskraft in Folge der Benutzung einer Marke als Teil oder in Verbindung mit einer eingetragenen Marke erlangt werden, die (Teil-)Marke also im Verkehr durchgesetzt sein. Als Beispiele seien hier der Bestandteil „Have a Break“ der Kombinationsmarke „Have a Break- - Have a Kitkat“ oder „Kinder“ in der Art einer Dach- oder Zweitmarke genannt. 172 168 BGH GRUR 2001, 1042, 1043 „Reich und schön“; BP atG GRUR 2005, 948, 955 „Fußball WM 2006“; BGH GRUR 2009, 954 ff. „Kinder III “ (zu Wort-/ Bildmarke); BGH NJW - RR 2008, 854 ff. „Milchschnitte“ (zu Formmarke); BGH GRUR 2010, 138 (Rdn. 41) „ ROCHER -Kugel“. 169 Vom 13. 6. 2005, Bl. f. PMZ , 2005, 245 ff., Nr. 5.17 (Verkehrsdurchsetzung). 170 Eu GH GRUR 2005, 763 „Nestle / Mars“; BGH GRUR 2010, 138 (Rdn. 41) „ ROCHER -Kugel“. 171 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 468. 172 Eu GH GRUR 2005, 763 „Nestle / Mars“; BGH GRUR 2009, 954, 956 (Rdn. 19) „Kinder III “. 271 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer III. Relative Schutzhindernisse 1. Überblick Relative Schutzhindernisse für eingetragene Marken stellen die in den §§ 9-13 MarkenG genannten älteren Rechte von Dritten dar, die zur Löschung einer eingetragenen Marke führen können. Basierend auf dem Grundprinzip der Priorität (§ 6 MarkenG) bestimmen die Kollisionstatbestände der §§ 9-13 MarkenG, welche Voraussetzungen für die Löschung einer eingetragenen Marke aufgrund eines älteren Rechtes gegeben sind. Die in der Praxis bedeutendste Bestimmung ist § 9 MarkenG, bei der das relative Schutzhindernis aus einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang besteht. Weitere kollidierende ältere Rechte sind die notorisch bekannte Marke (§ 10 MarkenG), die Marke kraft Verkehrsgeltung oder geschäftliche Bezeichnung (§ 12 MarkenG) bzw. sonstige ältere Rechte (§ 13 MarkenG). Aufgrund der Beziehung zwischen dem Inhaber der älteren bzw. jüngeren Marke stellt die sog. Agentenmarke in § 11 MarkenG eine Besonderheit dar. Alle diese besseren-- weil älteren-- Rechte können gegen angemeldete bzw. eingetragene jüngere Marken im Wege der zivilgerichtlichen Löschungsklage nach § 51 Abs. 1 MarkenG geltend gemacht werden. Die Anstrengung eines Widerspruchsverfahrens (§ 42 MarkenG) kommt aus angemeldeten oder eingetragenen Marken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 MarkenG und- - soweit sie die gleichen Voraussetzungen wie die eben genannten Marken und Markenanmeldungen aufweisen- - aus notorisch bekannten Marken sowie gegen die Agentenmarke, aus Benutzungsmarken gem. § 3 Nr. 2 MarkenG, aber auch geschäftlichen Bezeichnungen in Frage. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es auf die Auffassung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers des angesprochenen Verkehrskreises der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen an. 173 Die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung eines Verkehrskreises ist mit dem Begriff der Verwechslungsgefahr als Rechtsbegriff nicht zu vereinbaren. 174 Eine Ausnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die sich gegenüberstehenden Zeichen verschiedene Verkehrskreise ansprechen, die sich-- wie z. B. einerseits der allgemeine Verkehr und andererseits Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise- - objektiv voneinander abgrenzen lassen. 175 In einem solchen Fall reicht das Bestehen einer Verwechslungsgefahr in einem der angesprochenen Verkehrskreise aus. 176 173 Eu GH GRUR 2005, 1042 ff. „ THOMSON LIFE “; Eu GH GRUR 2011, 1124 (Rdn. 50) „Interflora“. 174 BGH GRUR 2007, 1079 (Rdn. 36) „Bundesdruckerei“. 175 BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “. 176 BGH GRUR 2004, 947, 948 „Gazoz“; EuGH GRUR Int. 2007, 718 „TRAVATAN / TRIVASTAN“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “; BGH GRUR 2013, 631, 637 (Rdn. 64) „ AMARULA / Marulablu“. 272 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 2. Angemeldete oder eingetragene Marken als relative Schutzhindernisse Eine eingetragene Marke kann gelöscht werden, wenn sie im Verhältnis zu einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang eine der folgenden Merkmale aufweist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1-3 MarkenG): ▶ Identität der Zeichen sowie Identität der Waren oder Dienstleistungen. ▶ Das Bestehen der Gefahr von Verwechslungen aufgrund der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen und der Identität oder Ähnlichkeit der von den kollidierenden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. ▶ Identität oder Ähnlichkeit zu einer im Inland bekannten Marke, obwohl die Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke unähnlich zu denen der bekannten Marke sind, und die Benutzung der eingetragenen jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Ältere Markenanmeldungen stellen jedoch nur dann ein Schutzhindernis dar, wenn sie auch eingetragen werden (§ 9 Abs. 2 MarkenG). Die drei Kollisionstatbestände des § 9 Abs. 1 MarkenG stimmen inhaltlich mit den drei Verletzungstatbeständen des § 14 Abs. 2 MarkenG weitgehend überein. Inhaltlich analoge Kollisionsregelungen im Unionsmarkenrecht finden sich in Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, b und Abs. 5 UMV . 3. Identische Marken Identität zwischen der jüngeren und der älteren Marke gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG hat in der Praxis vor allem im Rahmen der Markenpiraterie Bedeutung. Eine Identität ist nur gegeben, wenn die sich gegenüberstehenden Zeichen in jeder Hinsicht übereinstimmen. 177 Identität liegt in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen auch dann vor, wenn die Ware oder Dienstleistung der jüngeren Marke unter den Waren- oder Dienstleistungsoberbegriff der älteren Marke fällt. Beansprucht die jüngere Marke einen Oberbegriff einer Ware oder Dienstleistung der älteren Marke, so liegt lediglich Teilidentität vor, wobei sich ein Großteil der übrigen unter den Obergriff zu subsumierenden Waren und Dienstleistungen in der Regel im Ähnlichkeitsbereich der älteren Marke befinden dürften. Erforderlich ist eine Doppelidentität, nämlich einerseits in Bezug auf die Zeichen und andererseits auf die Waren oder Dienstleistungen, die sich gegenüberstehen. Im Falle einer alleinigen Identität, nämlich entweder der der Zeichen oder der der Waren oder Dienstleistungen, ist die Kollision unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr von Marken zu beurteilen. 177 Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 14 Rdn. 44. 273 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer 4. Verwechslungsgefahr von Marken a) Beurteilungsfaktoren und deren Wechselwirkung Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist es grundsätzlich erforderlich, alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. 178 Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage, die auf tatsächlichen Sachverhalten basiert. Aufgrund der sechzehnten Begründungserwägung der Marken RL ist es erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Folglich gibt es eine Wechselwirkung zwischen den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten Faktoren. Diese sind: ▶ Grad der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, ▶ Grad der Ähnlichkeit zwischen den Waren bzw. Dienstleistungen der sich gegenüberstehenden Marken sowie ▶ Grad der Ähnlichkeit der älteren Marke mit dem jüngeren Zeichen. 179 Aufgrund dieser Wechselwirkung kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen und / oder durch eine durch Bekanntheit gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden oder umgekehrt. Nur im Falle einer Warenunähnlichkeit oder Markenunähnlichkeit fehlt es an einem der Tatbestandsmerkmale, so dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist. Sofern jedoch ein nur geringer Grad der Ähnlichkeit zwischen zwei Zeichen vorhanden ist, kann eine Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn die Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bzw. Dienstleistungen groß und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sehr hoch ist. 180 b) Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und / oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören deren Art, Verwendungszweck und Nutzung, sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. 181 Ähnlichkeit zwischen zwei Waren bzw. Dienstleistungen ist also dann anzunehmen, wenn diese insbesondere nach ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft und ihren Vertriebssowie Erbringungsarten, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung sowie ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass zumindest ein beachtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnte, die beiderseitigen 178 Eu GH GRUR 1998, 387, 389 „Sabél / Puma“; Eu GH MarkenR 2005, 438, 440 „Thomson Life“; Ständige Rechtsprechung des Eu GH und BGH . 179 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 180 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 181 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 274 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Waren bzw. Dienstleistungen stammten aus dem selben oder möglicherweise wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. 182 Von einem Fehlen jeglicher Warenähnlichkeit (oder Dienstleistungsähnlichkeit) kann nur dann ausgegangen werden, wenn angesichts des Abstandes der Waren (oder der Dienstleistungen) voneinander trotz der Identität oder großen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und trotz besonders hoher Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Annahme einer Verwechslungsgefahr von vornherein ausgeschlossen ist. 183 Die einzelnen Kriterien haben unter Berücksichtigung der Umstände in jedem Einzelfall eine unterschiedliche Gewichtung, wobei aufgrund der dem Markenrecht zugrunde liegenden Herkunftsfunktion die betriebliche Herkunft der in der Prüfung stehenden Waren bzw. Dienstleistungen grundsätzlich eine hohe Bedeutung zukommt. Auf die Zugehörigkeit zu derselben Klasse der Nizza-Klassifikation kommt es nicht an. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen ist nicht auf die Verkehrsvorstellung über die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen abzustellen, sondern in erster Linie auf die Vorstellung des Verkehrs über Art und Zweck der Dienstleistung, d. h. den Nutzen für die Empfänger der Dienstleistung. 184 Ähnlichkeiten zwischen Waren und Dienstleistungen können nur dann festgestellt werden, wenn der Verkehr aus der Erfahrung annimmt, dass der Hersteller von Waren auch die fragliche Dienstleistung anbietet. 185 Beispielsweise ist dies bei der Ware „Cocktails“ oder „Wein“ und der Dienstleistung „Beherbergung und Verpflegung von Gästen“ 186 der Fall. Ausnahmsweise kann auch zwischen Rohstoffen und Halbfabrikaten auf der einen Seite und Fertigfabrikaten auf der anderen Seite eine Warenähnlichkeit bestehen. 187 Eine Sammlung der Spruchpraxis des Reichspatentamtes, des DPMA , des BP atG und des BGH aber auch des EUIPO , der Gerichte der Europäischen Union, nationaler Markenämter sowie der Instanzgerichte ist in dem Standardwerk Richter / Stoppel 188 veröffentlicht. c) Kennzeichnungskraft Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist unbedingt bei der Prüfung zwischen zwei Kennzeichen vorzunehmen. Eingetragene Marken verfügen in der Regel über eine normale Kennzeichnungskraft. Kennzeichnungsschwache Marken sind hingegen Marken, die sich am Rande der Eintragbarkeit aufgrund der Anlehnung an beschreibende Angaben befinden oder durch eine Vielzahl vorhandener Drittzeichen geschwächt wurden. Der Schutzbereich derart kennzeichnungsschwacher älterer Marken wird hierdurch stark eingeschränkt. Andererseits kann eine Marke auch eine erhöhte Kennzeichnungskraft und somit einen erweiterten Schutzumfang aufweisen, wenn ihr eine beträchtliche Bekanntheit 182 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“; BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“; BGH GRUR 2007, 321, 322 „Cohiba“; BGH GRUR 2009, 484, 486 „Metrobus“ m. w. Nachw.; BGH GRUR 2016, 382 „BioGourmet“. 183 BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 184 BGH GRUR 2001, 164 „Wintergarten“. 185 BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 186 BGH GRUR 1999, 586, 587„White Lion“; BGH GRUR 2000, 883, 884 „Papagallo“. 187 BGH GRUR 2000, 886 „Bayer / Bei CHEM “. 188 Richter / Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen (17. Aufl.) 2017. 275 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer zukommt. Diese kann durch eine intensive und langjährige Nutzung der mit ihr gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen erlangt werden. Die höchste Kennzeichnungskraft genießen berühmte Marken. Die gleichen Grundsätze gelten auch für Benutzungsmarken sowie geschäftliche Bezeichnungen. Die Kennzeichnungskraft muss immer in Bezug auf die konkrete Ware oder Dienstleistung der älteren Marke festgestellt werden. Die erhöhte Kennzeichnungskraft einer Marke kann für die eine Ware / Dienstleistung aufgrund ihrer hohen Bekanntheit gegeben sein, jedoch für eine andere Ware / Dienstleistung nicht, so dass der Marke in Bezug zu letzterer nur eine normale Kennzeichnungskraft zukommt. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft kann auch auf eng verwandte Waren bzw. Dienstleistungen ausstrahlen, wobei eine Benutzung für diese Waren bzw. Dienstleistungen nicht vorausgesetzt wird. 189 Die Schwächung durch Drittmarken ist differenziert zu betrachten. Die Schwächung der Kennzeichnungskraft wird nur durch eine beträchtliche Anzahl benutzter Drittmarken herbeigeführt, da der Verkehr dann auf etwaige Unterschiede mehr achtet und weniger Verwechslungen unterliegt und somit der Schutzumfang der geschwächten Marke eingeschränkt wird. Diese Drittmarken müssen allerdings im Wesentlichen für die gleichen Waren bzw. Dienstleistungen verwendet werden. Drittmarken, die zwar eingetragen sind, jedoch nicht benutzt werden bzw. deren Benutzung nicht liquide bzw. nachgewiesen ist, schwächen die Kennzeichnungskraft einer älteren Marke nicht unmittelbar, jedoch können sie als Indiz für eine von Haus aus schwache Kennzeichnungskraft und damit für einen verringerten Schutzumfang gelten. Nichts anderes gilt für die in der Praxis häufiger auftretende Beurteilung von Markenbestandteilen, die in einer Vielzahl von Marken enthalten sind und deshalb als verbraucht bzw. kennzeichnungsschwach zu qualifizieren sind. Die aus den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen folgende Koexistenz von Kennzeichen bewirkt keine Verringerung des Schutzes dieser Kennzeichen im Verhältnis zu Dritten. 190 d) Ähnlichkeit der Zeichen In der Entscheidung „Sabèl / Springende Raubkatze“ hat der Eu GH 1997 festgestellt, dass „bei der umfassenden Beurteilung hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“. Aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 lit. b Marken RL , wonach „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht“, ginge nämlich hervor, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankomme, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher für diese Art von Waren oder Dienstleistungen wirke. 191 Der Durchschnittsverbraucher nehme eine Marke normalerweise als Ganzes wahr 189 OLG Hamburg GRUR - RR 2010, 382 „iPod / eiPott“; BGH GRUR 2018, 79 „ OXFORD / Oxford Club“. 190 BGH GRUR 2010, 833, 834 (Rdn. 17) „Malteser Kreuz II “. 191 BGH GRUR 2017, 1104 „Medicon-Apotheke / MediCo Apotheke“. 276 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer und achte nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. 192 Erlangt eine an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnte Marke nur durch die von der beschreibenden Angabe abweichenden Elemente Unterscheidungskraft, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen nur auf diejenigen Merkmale abzustellen, die der älteren Marke Unterscheidungskraft verleihen. 193 Hinsichtlich der zu vergleichenden Zeichen kommt es im Widerspruchsbzw. Löschungsverfahren bei der älteren wie auch bei der jüngeren Marke maßgeblich auf ihre eingetragene bzw. angemeldete Form an. Im Verletzungsprozess ist die ältere Marke ausschließlich in der im Markenregister eingetragenen Form entscheidend. Bei nicht eingetragenen Marken ist der Beurteilung die Form zugrunde zu legen, in der sie die Verkehrsgeltung bzw. die Notorietät erlangt hat. Auf der Seite des Verletzers kommt es auf die konkrete Gestalt an, die das angegriffene Zeichen aufweist bzw. in der es benutzt worden ist. Für das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen zwei Zeichen reicht nach ständiger Rechtsprechung die hinreichende Ähnlichkeit in klanglicher, (schrift-) bildlicher oder begrifflicher Hinsicht aus. 194 Allerdings gibt es Fälle, in denen die Summe der verschiedenen Übereinstimmungen erst zur Verwechslungsgefahr führt (komplexe Verwechslungsgefahr), wie auch umgekehrt-- wenn auch weitaus seltener-- Unterschiede in einer Kategorie Übereinstimmungen in anderen Kategorien kompensieren und somit eine Verwechslungsgefahr ausschließen können. 195 Nach den Erfahrungsregeln des Eu GH und des BGH kommt es eher auf die Übereinstimmungen als auf die Unterschiede zwischen zwei sich gegenüberstehenden Zeichen an. Der Verbraucher neige nicht zu einer Analyse der möglichen Bestandteile und Begriffsbedeutungen. Er gewinne seine Auffassung nicht selten aufgrund eines undeutlichen Erinnerungseindrucks. Des Weiteren neige er bei einheitlichen Wörtern nicht zu Verkürzungen dieser, sondern lediglich dazu, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen, was insbesondere für mehrteilige oder Kombinationsmarken gilt. Bei Wortzeichen werden in der Regel die Wortanfänge stärker beachtet, was allerdings die Übereinstimmung der Wortenden zumindest dann nicht in den Hintergrund treten lässt, wenn der Wortanfang verbraucht bzw. wenig kennzeichnend wirkt. 196 Im Hinblick auf die schriftbildliche Ähnlichkeit kommt es zudem auf die Wortkontur- - bestimmt durch die Länge bzw. die Ober- und Unterlängen des Zeichens-- an. Klanglich sind die Übereinstimmungen in Bezug auf die Silbengliederung bzw. Silbenzahl, die Vokalfolge und die maßgebliche Aussprache relevant, wobei bei letzterem-- insbesondere bei fremdsprachigen Wörtern- - eine fehlerhafte Aussprache dann zu berücksichtigen ist, 192 Eu GH GRUR 1998, 387 „Sabèl / Springende Raubkatze“; Eu GH GRUR 2010, 933 „Barbara Becker“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “; BGH GRUR 2016, 283, Rdn. 36 ff. „BioGourmet“. 193 BGH GRUR 2012, 1040 (Leitsatz) „Begrenzung des Schutzumfangs einer Marke auf unterscheidungskräftige Merkmale-- pjur / pure“. 194 Eu GH GRUR Int 1999, 734 „Lloyd“. 195 Z. B. Eu GH GRUR 2006, 236, 237 „Picasso / Picaro“; BGH GRUR 2010, 235 „ AIDA / Aidu“. 196 Z. B. BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 277 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer wenn sie für den Durchschnittsverbraucher naheliegend ist. 197 Auch bei der klanglichen Ähnlichkeit kommt es meist auf die Anfangslaute und die Vokalfolge an, während die Schlusslaute vom Verkehr weniger stark wahrgenommen werden. Die begriffliche Ähnlichkeit setzt voraus, dass beide miteinander zu vergleichenden Marken einen für das Publikum erkennbaren Sinngehalt haben. Dies ist dann der Fall, wenn eine begriffliche Ähnlichkeit zu wörtlichen Übereinstimmungen hinzukommt. 198 Häufig besteht eine begriffliche Ähnlichkeit zwischen Wörtern verschiedener Sprachen mit gleichem Sinngehalt, sofern dieser im Inland einem erheblichen Teil des angesprochenen Publikums bekannt ist. 199 Dem Grunde nach besteht eine begriffliche Verwechslung zwischen zwei sich gegenüberstehenden Zeichen nicht, wenn sie verschiedenen Fremdsprachen entstammen und in ihrem Sinngehalt nicht völlig übereinstimmen. Das Publikum ist nicht geneigt, zweimal zu übersetzen, um dann eine Ähnlichkeit festzustellen. Fremdsprachige Schreibweisen (z. B. Chinesisch, Kyrillisch o. ä.), die der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht lesen kann, treten diesem regelmäßig als Bildmarke entgegen. In Einzelfällen tritt eine komplexe Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen auf. In diesen Fällen wird der-- um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen-- einzuhaltende Abstand zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen dem Gesamteindruck nach nicht eingehalten, obwohl die klanglichen, bildlichen oder begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen eine Verwechslung nicht begründen können. 200 Umgekehrt kann in äußerst seltenen Fällen eine Zeichenähnlichkeit durch einen Sinnunterschied kompensiert werden. 201 Mit der-- wenn auch in diesem Fall eine bekannte ältere Marke betreffend-- Entscheidung „Picasso / Picaro“ hat der Eu GH festgestellt: Wenn mindestens „eines der fraglichen Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung habe, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen könnten, [dann können] die vorhandenen Bedeutungsunterschiede zwischen den Zeichen deren optische und klanglichen Ähnlichkeiten neutralisieren“. 202 Bei reinen Bildzeichen gelten die genannten allgemeinen Grundsätze auch, wobei bei diesen die klangliche Ähnlichkeit in den Hintergrund tritt. Bei reinen Bildzeichen ist der Gesamteindruck der Zeichen zugrunde zu legen. 203 Beispiele für die rein visuelle Ähnlichkeit im Gesamteindruck sind die Drei-Streifen-Kennzeichnung eines bekannten Sportausrüsters 204 oder eine Rautendarstellung. 205 Weitaus häufiger ist eine begriffliche Ähnlichkeit festzustellen, wobei die bloße Möglichkeit, zwei unterschiedliche Bildzeichen mit dem gleichen Wort zu beschreiben, für eine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne noch nicht ausreicht. Inso- 197 BP atG GRUR 1996, 879, 880 „Patric Lion / Lions“. 198 Z. B. BGH Mitt. 1998, 196 „Jägerfürst / Jägermeister“. 199 Z. B. OLG München, MarkenR 2002, 199, 2001 „Falcon / Falke“. 200 GRUR 1994, 291, 292 „Calimbo / Calypso“. 201 BGH GRUR 2002, 1083, 1085 „1, 2, 3 im Sauseschritt“ (hier zu Titeln). 202 Eu GH GRUR Int, 2006, 229 „Picasso / Picaro“; Felchner, Armer PICASSO -- Die „Neutralisierungslehre“ des EuG, MarkenR 2005, 377-385. 203 Eu GH GRUR 1998, 387 „Sabèl / Springende Raubkatze“. 204 BGH GRUR 2001, 158, 160 „Drei-Streifen-Kennzeichnung“. 205 BGH GRUR 1998, 830, 834 „Les-Paul-Gitarren“. 278 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer weit gibt es einen „Motivschutz“ nach der früheren Spruchpraxis zum Warenzeichengesetz nicht mehr. Prüfschema Markenkollisionen 1. 2. 3. 3.1 3.2. 3.3 4. 5. 6. Ähnlichkeit der Waren / Dienstleistungen Kennzeichnungskraft der älteren Marke / Verkehrskreise Ähnlichkeit der Zeichen klanglich schriftbildlich begrifflich / konzeptionell Sonderfälle Gesamteindruck Wechselwirkung zwischen (i) Ähnlichkeit der Waren / Dienstleistungen (ii) Kennzeichnungskraft und (iii) Ähnlichkeit der Zeichen Allerdings gilt etwas anderes, wenn es sich bei dem älteren Zeichen um ein im Verkehr bekanntes Bildzeichen handelt. 206 Wird mit einem Bild ein Wortzeichen dargestellt, so liegt eine Verwechslungsgefahr und ggf. Verletzung der älteren Wortmarke dann vor, wenn das Wort die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Benennung des konkreten Bildes darstellt. 207 Die bereits mehrfach angesprochenen allgemeinen Grundsätze der Beurteilung von sich gegenüberstehenden Zeichen gelten auch für alle übrigen Markenformen wie insbesondere dreidimensionale Marken, Farbmarken und Hörmarken, wobei bei Letzteren die klangliche Ähnlichkeit von überragender Bedeutung ist. e) Zusammengesetzte Marken Komplex ist die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Marken, die aus mehreren Bestandteilen bestehen und bei denen nur einzelne Bestandteile zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen Gemeinsamkeiten aufweisen. Es soll hier betont werden, dass grundsätzlich die besonderen Umstände des Einzelfalls bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr Berücksichtigung finden müssen und immer von dem Gesamteindruck der Marke auszugehen ist. Dies schließt nicht aus, dass nur ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung hat, sofern er den Gesamteindruck des aus mehreren Bestandteilen bestehenden Zeichens prägt, er also in diesem eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist. 208 Diese sog. „Prägetheorie“ des BGH 209 hat in den vergangenen Jahren eine nicht unwesentliche Wandlung durch den BGH selbst erfahren. Im Gegensatz zu früheren Entscheidungen kann nunmehr eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einen einzelnen Bestandteil nur in dem Fall angenommen werden, in dem die übrigen Bestandteile 206 BGH GRUR 2004, 594, 597 ff. „Ferrari-Pferd“. 207 BGH GRUR 1971, 251, 252 „Oldtimer“. 208 BGH GRUR 1996, 198, 199 „Springende Raubkatze“; BGH GRUR 2012, 635 (Rdn. 22) „Metro / Metro´s Roller“. 209 S. a. BGH GRUR 2000, 233, 234 „Rausch / Elfi Rauch“; BGH GRUR 2002, 167, 169 „Bit / Bud“. 279 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer eines Zeichens aus Sicht des angesprochenen Verkehrs in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. 210 Demzufolge kommen zusammengesetzte Marken mit gleichgewichtigen Bestandteilen für die Prägung eines Bestandteiles nicht in Frage, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbstständig kennzeichnend anzusehen. 211 Ebenso wenig vermögen kennzeichnungsschwache Elemente und schon gar nicht rein beschreibende Elemente den Gesamteindruck einer Marke zu prägen. In der Entscheidung „Thomson Life“ 212 hat der Eu GH die Feststellung getroffen, dass eine Verwechslungsgefahr nur dann angenommen werden könne, wenn die von der jüngeren Kombination übernommene ältere Marke in dieser eine selbständig kennzeichnende, aber nicht (zwangsläufig) dominierende Stellung behalte, was voraussetze, dass sie eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist. Eine kennzeichnende Stellung innerhalb des Kombinationszeichens ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich bei dem weiteren Bestandteil um eine bekannte Marke oder ein Unternehmenskennzeichen handelt. In Kollisionsfällen, in denen die ältere Marke aus der Kombination eines Firmennamens und eines weiteren Bestandteils besteht, wird vom Verkehr im Allgemeinen dem weiteren Bestandteil eine größere Aufmerksamkeit gewidmet, an dem er sich bezüglich des mit dem Zeichen verbundenen konkreten Produktes oder Service orientiert. Die zusammengesetzte Marke erhält dann eine Prägung durch den weiteren Bestandteil. 213 Entsprechendes gilt auch für Bildmarken. 214 Die gleichen Grundsätze gelten auch für bekannte Stammbestandteile von Serienmarken 215 aber auch für die produktbezogenen Bestandteile einer Marke. 216 Eine Ausnahme gegenüber den dargestellten Regeln bilden Erfahrungssätze in bestimmten Branchen, in denen der Firmenname den Gesamteindruck von zusammengesetzten Marken wesentlich mitbestimmt. Dies gilt für die Branchen Bekleidung, Schuhe, Brauereien und Telekommunikation sowie bis zu der o. g. „Thomson Life“-Entscheidung für Unterhaltungselektronik. Den einschlägigen Kommentaren muss die Kommentierung einer Vielzahl von Einzelentscheidungen vorbehalten bleiben. 210 Z. B. BGH GRUR 2003, 880, 881 „City Plus“; GRUR 2007, 1071, 1073 (Nr. 34-38) „Kinder II “; BGH GRUR 2011, 824 (Rdn. 23) „Kappa“; BGH GRUR 2016, 283 (Rdn. 13) „ BSA / DAS Deutsche Sportmanagement Akademie“. 211 BGH GRUR 2013, 833, 837 (Rdn. 50) „Verwechslungsgefahr zwischen Unternehmenskennzeichen und Marken für Nahrungsmittel-- Culinaria / Villa Culinaria“. 212 Eu GH GRUR 2005, 1042, 1044 „Thomson Life“. 213 Z. B. BGH GRUR 2001, 164, 166 „Wintergarten“; BGH GRUR 1996, 404, 405 „Blendax Pep“; BGH GRUR 2010, 729 (Rdn. 44) „Mixi“; BGH GRUR 2015, 1201 (Rdn. 96) „Sparkassen-Rot / Santander-Rot“. 214 BGH GRUR 2006, 859 ff. „Malteser Kreuz“. 215 BGH GRUR 1996, 977, 978 „Drano / P3-drano“; BGH GRUR 2002, 542 „ BIG “. 216 BGH GRUR 2008 258 „ INTERCONNECT / T-InterConnect“. 280 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer f) Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung In § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG genauso wie in Art. 8 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz UMV wird eine Verwechslungsgefahr auch für den Fall angenommen, dass das Publikum die jüngere Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung bringt. Es handelt sich dabei um eine mittelbare Verwechslungsgefahr bzw. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. 217 Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennt, aber einen der in den sich gegenüberstehenden Zeichen übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stamm einer Markenserie des Inhabers der älteren Marke auffasst und die weiteren Bestandteile nur als Kennzeichen für spezielle Waren bzw. Dienstleistungen des Inhabers der älteren Marke ansieht. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen und bedarf einer konkreten Feststellung. 218 So ist es z. B. erforderlich, dass der Stammbestandteil nicht kennzeichnungsschwach, sondern im Gegenteil von dem Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist dann festzustellen, wenn das Publikum die Kennzeichen nicht verwechselt und die unterschiedliche betriebliche Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen erkennt, aber aufgrund besonderer Umstände dennoch annimmt, dass zwischen den beiden Unternehmen Beziehungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist, dass die ältere Marke zugleich Unternehmenskennzeichen ist. 219 Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann auch vorliegen, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender identischer oder ähnlicher aber unterscheidungskräftiger Bestandteil in ein zusammengesetztes Zeichen übernommen wird, in dem er neben einem Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält. 220 5. Schutz bekannter Marken Der Bekanntheitsschutz ergibt sich für das Löschungsverfahren aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG und gleichlautend aus Art. 8 Abs. 5 UMV , für das Verletzungsverfahren aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1 lit. c UMV . Dieser Schutz bekannter Marken geht auf Art. 10 Abs. 2 lit. c) Marken RL zurück, die den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, den Inhabern bekannter Marken einen Sonderschutz zu gewähren und andere Zeichen auszuschließen, wenn sie mit der angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen bzw. benutzt worden ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist, sofern es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte 217 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 218 BGH GRUR 2002, 542, 544 „ BIG “; Vgl. BGH GRUR 2013, 840, 842 (Rdn. 23) „Voraussetzungen einer rechtserhaltenden Benutzung von Zeichenserien-- PROTI II “. 219 Z. B. BGH GRUR 2004, 598 „Kleiner Feigling“. 220 BGH GRUR 2010, 646, 648 (Rdn. 16, 17) „Unterscheidungskraft eines Bestandteils eines zur Kennzeichnung einer Zeitschrift verwendeten Zeichens-- OFF ROAD “. 281 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Eine ähnliche Regelung findet sich übrigens in Art. 16 Abs. 3 TRIPS , der auf Art. 6 bis PVÜ Bezug nimmt, wobei durch die etwas unterschiedliche Formulierung eine Differenz zwischen der Regelung im MarkenG bzw. der in der UMV nicht ausgeschlossen ist. 221 Der Eu GH hat in der Entscheidung „Chevy“ ausgeführt, dass eine eingetragene Marke, um in den Genuss eines auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterten Schutzes zu kommen, einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt sein müsse, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen sei. Andererseits genüge es, dass die Marke nur in einem wesentlichen Teil des Inlandes bekannt ist. Bei der Prüfung der Voraussetzung für die Anwendung von Art. 16 Abs. 3 TRIPS seien alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die der Inhaber der bekannten Marke zu ihrer Förderung getätigt hat. 222 Eine Unionssmarke muss-- um in den Genuss des Schutzes einer bekannten Marke zu kommen- - bei einem wesentlichen Teil des betroffenen Publikums in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt sein, wobei das Gebiet eines (größeren) Mitgliedstaates als wesentlicher Teil des Unionsgebiets angesehen werden kann. 223 Die Reichweite des Schutzes bekannter Marken wird vom Eu GH anders beurteilt als vom BGH . Während der Eu GH den Begriff der „gedanklichen Verknüpfung“ bei den beteiligten Verkehrskreisen eingeführt hat, 224 hält der BGH an dem Begriff des „gedanklich in Verbindung Bringens“ fest und zeigt in der Entscheidung „Zwilling / Zwei Brüder“ die Grenzen der bekannten Marke auf. Demzufolge genügt es nicht, dass ein Zeichen geeignet ist, durch bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen Aufmerksamkeit zu erwecken oder die Wahl des jüngeren Zeichens nicht zufällig erscheint. 225 Der Bekanntheitsschutz einer Marke nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt nur in dem Gebiet der Europäischen Union in Betracht, in dem die Unionsmarke die Voraussetzungen der Bekanntheit erfüllt. 226 Voraussetzung für die Kollision mit einer bekannten Marke ist demnach: ▶ Eine im Inland-- zumindest in einem wesentlichen Teil-- bekannte Marke (in der EU in Bezug auf die UMV ), ▶ Zeichenähnlichkeit, ▶ Bekanntheit der Marke, 221 Kur GRUR 1999, 866 ff. „Die WIPO -Vorschläge zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken“. 222 Eu GH MarkenR 1999, 388 „Chevy“. 223 Eu GH GRUR Int. 2010, 134, 135 (Nr. 30) „ PAGO “. 224 Eu GH GRUR 2004, 58, 60 „Adidas / Fitnessworld“; bestätigt durch Eu GH GRUR 2008, 503 (Nr. 31) „Adidas / Marca Mode“; s. a. Eu GH GRUR Int. 2009, 319, 321 ff. „ INTEL “. 225 BGH GRUR 2004, 779 „Zwilling / Zwei Brüder“. 226 BGH GRUR 2013, 1239, 1244 (Rdn. 67) „Schutzumfang einer berühmten Marke-- VOLKSWAGEN / Volks. Inspektion“. 282 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft als Schutz vor Verwässerung der bekannten Marke und / oder Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung, d. h. die Beeinträchtigung des positiven Images der bekannten Marke durch Rufschädigung, wobei eine Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft bzw. der Wertschätzung besteht, 227 ▶ Unlauterkeit, die um so eher zu bejahen ist, je stärker die Bekanntheit der Marke, je höher ihre Originalität, ihr Werbewert und die Möglichkeit der Rufverwertung ist, ▶ die Benutzung ohne rechtfertigenden Grund, wie z. B. die Schaffung eines eigenen wertvollen Besitzstandes unabhängig von dem der bekannten Marke oder die Meinungsbzw. Kunstfreiheit nach Art. 5 GG , 228 und ▶ identische, ähnliche oder unähnliche Waren oder Dienstleistungen. Das Geltendmachen einer bekannten Marke ist im deutschen Widerspruchsverfahren gem. § 42 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG nunmehr möglich, ebenso wie im Widerspruchsverfahren vor dem EUIPO gemäß Art. 8 Abs. 5 UMV . 6. Notorisch bekannte Marke (Notorietätsmarke) Dieses relative Schutzhindernis geht auf Art. 6 bis PVÜ zurück, das die Verbandsstaaten verpflichtet, die Eintragung einer Marke abzulehnen bzw. für ungültig zu erklären, wenn sie mit einer notorischen Marke verwechslungsfähig ist. 229 Seit dem 1. 10. 2009 kann in Deutschland ein Widerspruch gegen eine jüngere Marke auf eine notorisch bekannte Marke gestützt werden (§ 42 Abs. 2 Nr. 2 mit Verweisung auf § 10 i. V. m. § 9 MarkenG). Auch Art. 5 Abs. 2 lit. d Marken RL definiert ältere Notorietätsmarken als relative Schutzhindernisse, was ebenso in Art. 8 Abs. 2 lit. c UMV Eingang gefunden hat. Eine notorische Bekanntheit muss jedoch im gesamten Hoheitsgebiet oder in einem wesentlichen Teil eines Mitgliedstaates der EU vorliegen. 230 Ein Notorietätsschutz auch für Dienstleistungsmarken ist in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 TRIPS kodifiziert. Bei Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sieht Art. 16 Abs. 3 TRIPS den Schutz einer notorisch bekannten Marke unter weiteren Voraussetzungen vor. 7. Agentenmarke § 11 MarkenG entspricht den Vorgaben des Art. 6 septis PVÜ . Die Regelung sieht vor, dass eine Marke, die ohne Zustimmung des Inhabers für dessen Agenten oder Vertreter eingetragen worden ist, gelöscht werden kann. Das gilt auch für i. S. des § 9 MarkenG ähnliche Agentenmarken. 231 Der nicht im MarkenG normierte Begriff des Agenten ist wirtschaftlich zu verstehen. Ausreichend, aber grundsätzlich auch erforderlich ist ein Vertragsverhältnis, das den 227 Eu GH GRUR Int. 2000, 73, 75 „Chevy“. 228 BGH GRUR 2005, 583, 584 „Lila-Postkarte“; AIPPI -Landesgruppenbericht, GRUR Int 2005, 413 ff. 229 S. a. Kur GRUR 1999, 866 ff. „Die WIPO -Vorschläge zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken“. 230 Eu GH GRUR 2008, 70 (Nr. 20) „Nuño / Franquet“. 231 BGH GRUR 2010, 828, 831 (Nr. 35) „Di SK “. 283 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Agenten zur Wahrnehmung der Interessen des Geschäftsherrn im geschäftlichen Verkehr verpflichtet, auch wenn dies nicht im Mittelpunkt der vertraglichen Beziehungen steht. 232 Die Anmeldung eines untreuen Agenten kann nicht nur im Löschungsverfahren, sondern auch im Widerspruchsverfahren gem. § 42 Abs. 2 Nr. 3 geltend gemacht werden. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 8 Abs. 3 UMV , die eine Übertragung vorsieht, wobei dort als weiteres Tatbestandsmerkmal (wie auch das MaMoG vorsieht) die mögliche Rechtfertigung des Agenten bzw. Vertreter für seine Handlungsweise hinzutritt. Im Übrigen hat der Markeninhaber gem. Art. 21 UMV bzw. der Inhaber einer deutschen Marke gem. § 17 Abs. 1 MarkenG das Recht, von dem Agenten die Übertragung der Marke (nach deutschem Recht auch der Markenanmeldung) zu verlangen. 8. Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen mit älterem Zeitrang Relative Schutzhindernisse stellen gem. § 12 MarkenG auch durch Benutzung erworbene Marken im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG oder Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG dar, sofern sie einen älteren Zeitrang aufweisen. Zudem muss der Inhaber des älteren Rechts einen Unterlassungsanspruch im gesamten Gebiet Deutschlands haben. Ein nur örtlich beschränktes Ausschließlichkeitsrecht kann nur zu einem Benutzungsverbot innerhalb des jeweiligen geografischen Gebietes führen, nicht jedoch zur Löschung einer jüngeren Marke. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 8 Abs. 4 UMV , in der jedoch vorausgesetzt wird, dass der nicht eingetragenen Marke oder dem sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichen mehr als nur örtliche Bedeutung zukommt. Gemäß Art. 46 Abs. 1 i. V. m. Art. 8 Abs. 4 UMV kann Widerspruch gegen Unionsmarkenanmeldungen aufgrund dieser Rechte erhoben werden. Die in § 12 MarkenG bezeichneten Rechte können auch im deutschen Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden. 9. Sonstige ältere Rechte Die Eintragung einer Marke kann gem. § 13 MarkenG gelöscht werden, wenn ein Anderer ein nicht in den §§ 9-12 MarkenG aufgeführtes Recht mit älterem Zeitrang erworben hat, welches ihn berechtigt, die Benutzung der jüngeren Marke auf dem gesamten Territorium Deutschlands zu untersagen. Die in Betracht kommenden, nicht abschließend in § 13 Abs. 2 MarkenG aufgeführten älteren Rechte sind Namensrechte (i. S. des § 12 BGB ), das Recht an der eigenen Abbildung, Urheberrechte, Sortenbezeichnungen, geografische Herkunftsangaben sowie sonstige gewerbliche Schutzrechte. Als sonstiges gewerbliches Schutzrecht kommt insbesondere ein prioritätsälteres Design bzw. Geschmacksmuster in Betracht, das einen Löschungsanspruch gegenüber jüngeren Bild- und / oder Formmarken begründet. Selbstverständlich kommen als ältere Rechte auch eingetragene oder nicht eingetragene europäische Unionsgeschmacksmuster in Betracht. Die sonstigen älteren Rechte sind im MarkenG 232 BGH GRUR 2009, 257, 259 (Nr. 20, 21) „Audison“. 284 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer verfahrensrechtlich als Nichtigkeitsgründe gem. § 51 MarkenG ausgestaltet und berechtigen nicht zum Widerspruch. Die Löschung einer jüngeren Unionsmarke auf der Basis sonstiger älterer Rechte kann gemäß Art. 60 Abs. 2 UMV auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren verlangt werden. § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen I. Überblick In Abschnitt 3 des MarkenG finden sich die Bestimmungen über die Ausschlussrechte und die zivilrechtlichen Ansprüche des Inhabers einer Marke oder von geschäftlichen Bezeichnungen. Während die §§ 14 und 15 MarkenG die ausschließlichen Rechte des Inhabers eines Zeichens sowie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche regeln und § 17 MarkenG die besonderen Ansprüche gegen Agenten oder Vertreter betrifft, wird in § 19 MarkenG der Schadensersatzforderungen meist vorausgehende Auskunftsanspruch kodifiziert. Die Ansprüche auf Vernichtung widerrechtlich gekennzeichneter Gegenstände finden sich in § 18 MarkenG. Den Anspruch gegenüber Verlegern von Nachschlagewerken, auf eine eingetragene Marke hinzuweisen, behandelt § 16 MarkenG. Im Unionsmarkenrecht werden die Ausschließlichkeitsrechte im zweiten Abschnitt „Wirkungen der Unionsmarke“ der UMV geregelt. Art. 9 Abs. 1, 2 UMV enthält Regelungen, die denen in § 14 Abs. 1-3 MarkenG entsprechen. Abweichend vom deutschen MarkenG sieht Art. 11 Abs. 2 UMV eine Entschädigung für Benutzungshandlungen unberechtigter Dritter zwischen der Veröffentlichung der Anmeldung und der Veröffentlichung der Eintragung einer Unionsmarke vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ein Widerspruchsverfahren der Eintragung einer Unionsmarke vorgeschaltet ist, während sich im deutschen Markenrecht-- im Gegensatz zum früheren Warenzeichenrecht-- das Widerspruchsverfahren dem Eintragungsverfahren anschließt. Die Rechte gegenüber einem Agenten oder Vertreter sind entsprechend dem deutschen MarkenG in den Art. 13 und 21 UMV in Bezug auf den Verbietungsanspruch bzw. Übertragungsanspruch niedergelegt. Art. 17 UMV sieht die ergänzende Anwendung des einzelstaatlichen Rechts bei Verletzungen außerhalb der Regelungen der UMV vor. Außer dem Unterlassungsanspruch des Markeninhabers sind alle weitergehenden Ansprüche durch den Verweis auf das Kapitel X der UMV -- „Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Unionsmarken betreffen“-- nur nach nationalem Recht des betroffenen Mitgliedsstaates geltend zu machen (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 129 UMV ). Die Anwendung der Vorschriften des MarkenG auf Unionsmarken sind in Teil 6 Abschnitt 3 „Gemeinschaftbzw. Unionsmarken“ (§§ 125 a-- 125 i), insbesondere in § 125 b MarkenG geregelt. 285 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer II. Ausschließlichkeitsrecht In Entsprechung des Art. 10 Abs. 1 der Marken RL wird in § 14 Abs. 1 MarkenG dem Inhaber einer Marke ein ausschließliches Recht an dieser zugestanden, sofern er einen Markenschutz gem. § 4 MarkenG erworben hat. Daher sind nicht nur die eingetragene Marke, sondern auch die durch Verkehrsgeltung erworbene sowie die notorisch bekannte Marke hiervon erfasst. Ansprüche aus in Benutzung genommenen oder angemeldeten Marken begründen noch kein ausschließliches Recht. Inhaber einer Marke ist immer der materiell-rechtliche Eigentümer. Der im Markenregister eingetragene Inhaber einer Marke gilt - widerlegbar - als auch materiellrechtlicher Inhaber (§ 28 Abs. 1 MarkenG). 1. Territoriale Reichweite Der Inhaber einer eingetragenen Marke hat ein Ausschließlichkeitsrecht im gesamten Gebiet Deutschlands. Bei durch Verkehrsgeltung erworbenen Markenrechten kommt es darauf an, ob die Verkehrsgeltung lediglich örtlich oder regional besteht. In letzteren Fällen umfasst das Ausschließlichkeitsrecht nur ein örtlich bzw. regional begrenztes Territorium, wobei bei der Abgrenzung des konkreten Schutzgebietes auch die natürliche künftige Ausdehnungstendenz der Benutzungsmarke ähnlich wie bei räumlich beschränkten Unternehmenskennzeichen zu berücksichtigen ist. Entsprechend ist der räumliche Geltungsbereich von notorisch bekannten Marken zu beurteilen, wobei eine räumlich beschränkte Bekanntheit eher die Ausnahme sein dürfte. Marken, die vor dem 1. 5. 1992 in der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik angemeldet oder eingetragen wurden, sind mit Wirkung vom 1. 5. 1992 auf das jeweils andere Teilgebiet des heutigen Deutschlands erstreckt worden (§§ 1, 4 ErstrG). Die Unionsmarke hat eine einheitliche Wirkung für die gesamte EU und kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen, übertragen oder Gegenstand eines Verzichts, einer Entscheidung über den Verfall, die Nichtigkeit oder einer Untersagung der Benutzung sein (Art. 1 UMV ). 2. Kollisionstatbestände § 14 Abs. 2 MarkenG regelt die Kollisionstatbestände in gleicher Weise wie § 9 MarkenG (relative Schutzhindernisse), sodass hierauf Bezug genommen wird (s. o. in § 47 III ). Als weitere Voraussetzung- - und insoweit ergänzend- - wird in § 14 Abs. 2 auf die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr abgestellt, wobei der Begriff weit auszulegen ist und jede Tätigkeit umfasst, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszweckes dient. 233 Weder ist eine Gewinnerzielungsabsicht noch eine Entgeltlichkeit erforderlich, sodass unter dieses Tatbestandsmerkmal auch das Handeln der öffentlichen Hand oder eines gemeinnützigen Vereins fällt. 233 EuGH GRUR 2003, 55, 57 Rdn. 40 „Arsenal FC“; EuGH GRUR 2010, 445, 447 Rdn. 50 „Google und Google France“; BGH GRUR 2004, 241, 242 „Ge DIOS “. 286 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist ein rein privates Handeln wie z. B. die Einführung einer widerrechtlich gekennzeichneten Ware aus dem Ausland, sofern es ausschließlich dem Eigengebrauch dient. Wird jedoch eine größere Stückzahl von Piraterieprodukten von Privatleuten eingeführt, so wird ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vermutet, ebenso wie bei Internetversteigerungen von Privatleuten, wobei es in der Regel auf die Art, den Umfang und die Dauer ankommt. Allerdings sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. 234 Betriebsinterne Handlungen fallen grundsätzlich nicht in den Bereich des geschäftlichen Verkehrs. Hierzu zählen auch konzerninterne Vorgänge, sofern sie den Umständen nach keine Handlungen darstellen, die auf ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorbereiten. Ähnliches gilt für politische Betätigungen. 235 Eine kollidierende Benutzung des Zeichens muss markenmäßig erfolgen, also zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens beitragen. 236 Eine markenmäßige zumindest verletzende Benutzung liegt dann vor, wenn die Benutzung des kollidierenden „Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Ware gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte“. 237 Eine markenmäßige Benutzung liegt nicht bei der Nutzung in rein beschreibender Weise vor, wobei sich die Abgrenzung nach der Verkehrsauffassung richtet. Bei nicht beschreibenden Angaben kann eine rechtsverletzende Benutzung fast immer angenommen werden. Dies gilt z. B. für die Aufnahme fremder Marken als Bestandteile eigener Marken wie vermittelnde Bezugnahmen durch Wörter wie „based on“, „für“ etc. 238 Eine Ausnahme liegt vor, wenn aufgrund der Doppelbedeutung einer Marke diese auf ihren Kern zurückgeführt oder innerhalb von Werbesprüchen verwendet wird. 239 Auch bei anderen Markenformen kommt es in besonderem Maße auf die Auffassung des Verkehrs an. Je bekannter dem Verkehr die Verwendung einer Form oder Farbe als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber ist, umso eher wird er eine kollidierende Kennzeichnung als herkunftshinweisend ansehen und der Gefahr von Verwechslungen ausgesetzt sein. 240 Die Markennennung eines Konkurrenten bei vergleichender Werbung stellt in der Regel keine Markenverletzung dar, 241 wenn die fremde Marke nicht markenmäßig benutzt oder ausschließlich auf Waren oder Dienstleistungen des Konkurrenten bezogen und keinesfalls in Bezug auf die eigenen Waren oder Dienstleistungen des Werbenden genutzt wird. 242 234 Z. B. BGH GRUR 2004, 860, 863 „Internetversteigerung“. 235 BGH GRUR 2004, 241, 242 „Ge DIOS “; BGH GRUR 2000, 1076, 1077 „Abgasemissionen“. 236 Eu GH GRUR Int 1999, 438, 444 „ BMW / Deenik“. 237 Eu GH GRUR 2003, 55 ff. „Arsenal“. 238 OLG Hamburg GRUR 2001, 749, 751 „based on STEINWAY “. 239 Z. B. „im Focus: Onkologie“, OLG Köln GRUR-RR 2002, 130, 132 „Focus“; BPatGE 9, 240, 243 „Stets mobil mit forbil / Mobil“. 240 Z. B. BGH GRUR 2005, 427, 429 „Lila Schokolade“; GRUR 2004, 151, 154 „Farbmarkenverletzung I“. 241 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 69. 242 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 14 Rdn. 202. 287 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer Demgegenüber vertreten z. B. Fezer und Schweyer 243 die Auffassung, dass grundsätzlich die Benutzung in der vergleichenden Werbung unter § 14 Abs. 2 MarkenG zu subsumieren sei, aber-- sofern wettbewerbsrechtlich zulässig-- nach § 23 Nr. 2 MarkenG privilegiert sei, da mit dem Werbevergleich Art und Beschaffenheit des beworbenen Produkts bezeichnet werden solle (Zu Einzelheiten zur Benutzung eines fremden Zeichens als Beschaffenheitsangabe für oder als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware oder Dienstleistung siehe hierzu § 49 III ). 3. Untersagungstatbestände § 14 Abs. 2, 3 und 4 MarkenG sind ähnlich den §§ 9 und 10 PatG als Untersagungstatbestände formuliert und unterstreichen das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers. Im Übrigen bieten sie einen Anknüpfungspunkt für die Strafvorschrift des § 143 MarkenG. Ohne Zustimmung des Markeninhabers ist es Dritten untersagt, im geschäftlichen Verkehr (§ 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG) ▶ ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, ▶ ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht einschließlich der Gefahr des gedanklich-in-Verbindung-Bringens oder ▶ ein mit der Marke identisches Zeichen oder ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Zu den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG wird auf die Ausführungen in § 47 III verwiesen. Die wesentlichen nicht abschließenden Untersagungstatbestände sind in § 14 Abs. 3 MarkenG aufgeführt. Dieser setzt nach Inkrafttreten des MaMoG fast wortgleich den Art. 10 Abs. 3 der Marken RL um. Demzufolge ist es Dritten untersagt: ▶ das Zeichen auf Waren, ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, ▶ unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und / oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen, ▶ unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen, ▶ das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen, 243 Fezer, MarkenR, Kommentar, § 14 Rdn. 961, § 23, Rdn. 86; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 14, Rdn. 12 ff. 288 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen, oder ▶ das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006 / 114/ EG 244 zuwiderlaufenden Weise zu benutzen. Die letzten beiden Unterlassungstatbestände sind durch das MaMoG infolge der Umsetzung der Modernisierung der Marken RL ins MarkenG aufgenommen worden. Die Benutzung einer geschützten Marke als Handelsname ist nunmehr-- wie auch in der UMV Art. 9 Abs. 3 lit. d)- - als Markenrechtsverletzung anzusehen, wenn der Handelsname (auch) für Waren und Dienstleistungen benutzt werde. Die Marken RL nimmt Bezug auf die Entscheidung „Céline“ 245 des Eu GH , in der er ausgeführt hatte, dass eine Benutzung einer Gesellschaftsbezeichnung, eines Handelsnamens oder eines Firmenzeichens „für Waren“ dann vorliegt, wenn ein Dritter das Zeichen, das seine Gesellschaftsbezeichnung, seinen Handelsnamen oder sein Firmenzeichen bildet, auf den Waren anbringt, die er vertreibt. Auch liege eine Benutzung „für Waren und Dienstleistungen“ ohne Anbringung vor, wenn der Dritte das Zeichen in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und den vom Dritten vertriebenen Waren oder den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt werde. Der Markeninhaber kann die Benutzung seiner Marke auch in vergleichender Werbung verbieten, wenn diese Werbung nicht den Anforderungen des Art. 4 der genannten Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung genügt. Die Vorschrift ist Art. 10 Abs. 3 lit. f) der Marken RL nachgebildet und findet sich auch in der UMV in Art. 9 Abs. 3 lit. f). Des Weiteren ist Dritten untersagt, Vorbereitungshandlungen im Sinne des § 14 Abs. 4 MarkenG vorzunehmen, in dem sie ein kollidierendes Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder anderen Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anbringen, diese anbieten, in den Verkehr bringen oder zu diesen Zwecken besitzen oder diese einführen oder ausführen, wenn die Gefahr besteht, dass diese Kennzeichnungsmittel mit Waren oder Dienstleistungen verbunden werden, so dass sie unter die Verbietungsrechte des § 14 Abs. 2 und 3 fallen würden. Eine entsprechende Vorschrift enthält Art. 10 UMV . Als Beispiel sei die-- in der Markenpiraterie häufig anzutreffende-- Herstellung von Etiketten und Stickern namhafter Bekleidungsmarken genannt, die erst nachträglich an einer bis dahin ungekennzeichneten Ware angebracht werden. 4. Einreden und Einwendungen Die Verbietungsrechte des Markeninhabers greifen dann nicht, wenn dieser seine Zustimmung für die Nutzung der Marke gegeben hat. Häufigstes Beispiel hierfür ist die Lizenz. Die bloß faktische Duldung ist nicht als Zustimmung zu qualifizieren, sondern hat die Verwirkung von Verletzungsansprüchen zur Folge. 244 Richtlinie 2006 / 114 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12. 12. 2006 über irreführende und vergleichende Werbung; AB l. EU L376 v. 26. 12. 2006, S. 21 ff. 245 Eu GH GRUR 2007, 971 „Céline“. 289 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer Das Ausschließlichkeitsrecht greift nicht in den Fällen, in denen ein Dritter aufgrund besserer oder zumindest gleichrangiger Rechte berechtigt ist, das identische Zeichen oder ein der Marke des Markeninhabers ähnliches Zeichen zu verwenden. Ein besseres Recht liegt immer dann vor, wenn der vermeintliche Verletzer ein prioritätsälteres Kennzeichnungsrecht vorweisen kann. Das Verbietungsrecht des Markeninhabers kann auch nicht durchgesetzt werden, wenn die kollidierenden Zeichen den gleichen Zeitrang aufweisen. Den gleichen Zeitrang weisen Marken dann auf, wenn sie am selben Tag angemeldet wurden oder ihnen per Gesetz ein gleicher Anmeldetag zufiel, wie dies bei Einführung der Eintragbarkeit von Dienstleistungsmarken am 1. 4. 1979 oder bei Einführung des MarkenG am 1. 1. 1995 der Fall war, da zu diesen Zeitpunkten ein bestehendes Eintragungshindernis entfiel (Eintragungsverbot von Dienstleistungen bzw. von ausschließlich aus Zahlen oder Buchstaben bestehenden Zeichen). Weitere Fälle der Koexistenz von Marken entstehen durch die Verwirkung von Ansprüchen (§ 21 MarkenG) oder durch die Entstehung eines Zwischenrechts aufgrund der Löschungsreife der älteren Marke (§ 22 MarkenG). Insoweit wird auf die entsprechenden Abschnitte in § 49 II verwiesen. Des Weiteren findet das Verbietungsrecht des Markeninhabers seine Grenzen dort, wo ein Dritter den eigenen Namen mit redlicher Absicht in Gebrauch nimmt (Schutzschranke des § 23 MarkenG, s. § 49 III ). 5. Haftung des Betriebsinhabers § 14 Abs. 7 MarkenG kodifiziert die Haftung des Geschäftsherrn bzw. Betriebsinhabers für von Beauftragten oder Angestellten begangene Verletzungshandlungen. Angestellte sind diejenigen, die in abhängiger Stellung beschäftigt sind. Beauftragte sind kraft eines Vertragsverhältnisses in eine Betriebsorganisation eingegliedert. Wenn der Erfolg der Handlungen der Beauftragten auch dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden Einfluss auf den Bereich hat, in dem die Verletzung erfolgt, haftet er für diese. 246 Als Beauftragte gelten auch selbständige Unternehmer wie Handelsvertreter oder Werbeagenturen. Der Geschäftsführer einer GmbH haftet regelmäßig für eine Markenverletzung auch persönlich, selbst wenn die Verletzung in der Firmierung der juristischen Person liegt. Gegebenenfalls hat er auf die Änderung der Firmierung durch Änderung des Gesellschaftsvertrags hinzuwirken. 247 Die Haftung ist in Bezug auf den Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig. Hinsichtlich des Schadensanspruches kommt es darauf an, ob die Angestellten bzw. Beauftragten schuldhaft gehandelt haben. Die Haftung gilt nur dort, wo Verletzungshandlungen im geschäftlichen Betrieb begangen worden sind. 246 BGH GRUR 1995, 605, 607 „Franchise-Nehmer“ (Entscheidung zum UWG ). 247 BGH GRUR 2012, 1145, 1148 (Rdn. 36) „Pelikan“. 290 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer III. Rechtsfolgen aus Markenverletzungen Gemäß §§ 14 Abs. 5 und 6, 18, 19 MarkenG kann derjenige, der unberechtigter Weise ein Zeichen gemäß § 14 Abs. 2-4 MarkenG benutzt, auf Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung der unrechtmäßig gekennzeichneten Produkte und Auskunft in Anspruch genommen werden. Aktivlegitimiert ist der materiell berechtigte Inhaber der verletzten Marke und ein Lizenznehmer, dem hierfür die Zustimmung des Markeninhabers (gem. § 30 Abs. 3 MarkenG) erteilt worden ist. Sofern ein Dritter ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung hat, kann dieser nach ausdrücklicher Ermächtigung des Markeninhabers Verletzungsansprüche im eigenen Namen geltend machen (gewillkürte Prozessstandschaft). Als Beispiel seien hier das Geltendmachen von Ansprüchen durch eine Konzernmutter für ihre Tochtergesellschaft oder eine inländische Vertriebsgesellschaft für die ausländische Markeninhaberin genannt. Passivlegitimiert und damit anspruchsverpflichtet ist derjenige, der die verletzende Marke benutzt, sowie Gehilfen, Mittäter und Anstifter im Sinne des § 830 BGB . Des Weiteren kommen auch diejenigen als Passivlegitimierte in Frage, die willentlich und adäquat kausal ihren Beitrag zu einer Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts eines Markeninhabers beigetragen haben („Störer“). 1. Unterlassung Der Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG ist wie bei allen gewerblichen Schutzrechten verschuldensunabhängig. Mit ihm sollen zukünftige Verletzungen unterbunden werden. Demzufolge ist Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ▶ eine Erstbegehungsgefahr oder ▶ eine Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr wird vermutet, wenn eine Markenverletzung vorlag. Diese Gefahr kann in der Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein gerichtliches Verbot (z. B. die Anerkennung eines im Wege einer einstweiligen Verfügung ausgesprochenen gerichtlichen Verbots als endgültige Regelung) oder ein gerichtliches Anerkenntnis (§ 307 ZPO ) beseitigt werden. Zu der Unterlassungserklärung und der meist ihr vorgeschalteten Abmahnung siehe 8. Abschnitt § 89 I und II sowie § 90 II . Ein Unterlassungsanspruch kann bereits durchgesetzt werden, wenn eine Markenverletzung zu befürchten ist, wobei das Verhalten des potenziellen Verletzers hierfür Veranlassung gibt. Als Beispiele sind die konkrete Ankündigung, ein neues Produkt unter einem verletzenden Zeichen auf den Markt zu bringen, die Einreichung einer Markenanmeldung oder die Registrierung eines markenverletzenden Domainnamens zu nennen. Eine Erstbegehungsgefahr kann in Bezug auf konkrete Ankündigungen durch eine ernstliche Erklärung, die angekündigte Handlung nicht mehr vorzunehmen, beseitigt werden. Einer Strafbewehrung bedarf es insoweit nicht. Bei der Anmeldung bzw. Eintragung einer rechtsverletzenden Marke entfällt die zunächst begründete Erstbegehungsgefahr durch die Rücknahme bzw. den Ver- 291 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer zicht auf die Marke. 248 Eine zusätzliche strafbewehrte Unterlassungserklärung kann i. d. R. nicht gefordert werden. 249 Ergänzt wird der Unterlassungsanspruch durch den verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch analog § 104 BGB . Dieser dient der Beendigung eines anhaltenden Störungszustandes, wie er beispielsweise bei fortbestehender Registrierung einer verletzenden Internetdomain bestehen kann. 2. Schadensersatz Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gem. § 14 Abs. 6 MarkenG ist die Vornahme einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzungshandlung. Vorsätzlich handelt der Verletzer, wenn er in Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere in Kenntnis der älteren Marke und der für sie geschützten Waren oder Dienstleistungen, ein Zeichen benutzt und ihm die rechtswidrige Benutzung bewusst ist. Dies trifft in der Regel auf Markenpiraten zu. Unterlässt ein Benutzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, so handelt er fahrlässig und ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Marken umfasst die Ausnutzung aller Recherchemöglichkeiten, um sich über bessere Kennzeichenrechte Dritter Kenntnis zu verschaffen. Eine Identitätsrecherche reicht nicht aus. Eine Ähnlichkeitsrecherche als solche reicht ebenfalls nicht aus, es sei denn, sie unterliegt einer markenrechtlichen Auswertung. Hinsichtlich der Schadensberechnung wird auf die Darstellung der drei Arten der Schadensberechnung (Ersatz des konkreten Schadens, der Herausgabe des Verletzergewinns oder des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie) im 8. Abschnitt § 87 II 2b) bb) verwiesen. 3. Auskunftsanspruch (§ 19 MarkenG) Der Auskunftsanspruch gem. § 19 MarkenG ist ebenso wie der Vernichtungsanspruch gem. § 18 MarkenG akzessorisch zu dem Unterlassungsbzw. Schadensersatzanspruch, wie sie sich aus den §§ 14, 15 und 17 MarkenG ergeben. Der Auskunftsanspruch richtet sich auf die unverzügliche Auskunft des Verletzers über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen, sofern dies nicht unverhältnismäßig ist (§ 19 Abs. 1 MarkenG). Was der zur Auskunft Verpflichtete anzugeben hat, ist in Abs. 2 der Vorschrift definiert. Den Auskunftsanspruch kann der berechtigte Zeicheninhaber in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen (§ 19 Abs. 3 MarkenG). Die Auskunft darf insbesondere auch in Strafverfahren gegen den zur Auskunft Verpflichteten sowie gegen einen in § 52 Abs. 1 der St PO bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden. Weitergehende Ansprüche auf Auskunft bleiben unberührt (§ 19 Abs. 5 MarkenG). 248 BGH GRUR 2008, 912, 914 (Nr. 30) „Metrosex“. 249 A. A. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, vor §§ 14-19, Rdn. 103; OLG Köln GRUR - RR 2009, 234, 237 „1 A Pharma / 1 Pharma“. 292 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Auskunftsanspruch soll die Schadensberechnung ermöglichen und darüber hinaus Quellen und Vertriebswege von schutzrechtsverletzenden Gegenständen aufdecken, um diese zu verschließen. Erfasst von dem Auskunftsanspruch sind sämtliche schutzrechtsverletzende Gegenstände, so dass auch eine die Markenverletzung vorbereitende Handlung (§ 14 Abs. 4 MarkenG) erfasst sind. Hierzu gehören auch parallel importierte Gegenstände soweit für diese keine Erschöpfung eingetreten ist. Hinsichtlich der Ausnahme der Unverhältnismäßigkeit in § 19 Abs. 1 MarkenG ist stets der Schuldner des Auskunftsanspruches darlegungs- und beweispflichtig. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im 8. Abschnitt § 1 II 2 cc und dd verwiesen. 4. Vernichtung (§ 18 MarkenG) Wie beim Auskunftsanspruch hat der Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung in Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG- - neben dem Sicherungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung- - Anspruch auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstände, es sei denn, dass die Vernichtung unverhältnismäßig ist und die Gegenstände auf andere Weise beseitigt werden können. § 18 Abs. 2 MarkenG erweitert den Vernichtungsanspruch auf Vorrichtungen, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur widerrechtlichen Kennzeichnung benutzt oder bestimmt sind. Absatz 3 stellt- - über das geltende Recht hinaus- - klar, dass weitergehende Ansprüche auf Beseitigung nach anderen Vorschriften unberührt bleiben. Die UMV enthält keine Vorschrift über die Verpflichtung zur Auskunft oder die Vernichtung von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen. IV. Eingetragene Marken in Nachschlagewerken (§ 16 MarkenG) Der Anspruch des Inhabers einer eingetragenen Marke gegenüber dem Verleger eines Wörterbuches, eines Lexikons oder einem ähnlichen Nachschlagewerk, die Wiedergabe seiner Marke mit einem Hinweis zu versehen, dass es sich bei dieser um eine eingetragene Marke handelt, dient der Verhinderung der Denaturierung der Marke zu einer Gattungsbezeichnung. Ein Anspruch besteht nur dann, wenn in dem Werk der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei der Marke um eine Gattungsbezeichnung für die Waren oder Dienstleistungen handelt, für die die Marke eingetragen ist. 250 Ist das Nachschlagewerk bereits erschienen, so beschränkt sich der Markenvermerkanspruch auf die Aufnahme bei einer Neuauflage des Werkes. Entsprechend ist die Norm anzuwenden, wenn das Nachschlagewerk in Form einer elektronischen Datenbank vertrieben wird oder Zugang zu einer elektronischen Datenbank, die ein Nachschlagewerk enthält, gewährt wird (§ 16 Abs. 3). Der gebräuchlichste Schutzrechtshinweis ist das ® aber auch die aus dem angelsächsischen Sprachraum kommenden Abkürzungen wie „ TM “ (für 250 OLG Frankfurt GRUR 2000, 1066, 1067 „Abkürzung ACC “. 293 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Trademark), „ SM “ (für Servicemark) oder der Hinweis „geschützte Marke“, „Schutzmarke“, „eingetragene Marke“ usw. Eine inhaltlich ähnliche Regelung zur Wiedergabe in einem Wörterbuch enthält Art. 12 UMV . § 49 Schranken des Schutzes I. Verjährung Auf die Verjährung aus Ansprüchen aufgrund von Rechtsverletzungen gemäß Abschnitt 3 des MarkenG, insbesondere Unterlassungs-, Schadensersatz-, Vernichtungs- und Auskunftsansprüche sowie Ansprüche gegen Agenten oder Vertreter finden gem. § 20 Satz 1 MarkenG die Vorschriften des Abschnittes 5 des Buches 1 des BGB entsprechende Anwendung. Nach § 20 Satz 2 MarkenG ist der Verletzte auch nach Eintritt der Verjährung nach den Vorschriften des § 852 BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet, all das herauszugeben, was er durch die Verletzungshandlung erlangt hat. Als Bereicherung kommt insbesondere die Einsparung einer angemessenen Lizenzgebühr in Frage. Dieser Anspruch verjährt erst nach 10 Jahren ab Entstehung (§ 852 Satz 2 BGB ). Gemäß § 195 BGB verjähren die Ansprüche regelmäßig nach 3 Jahren. Die kurze 6-monatige Verjährungsfrist nach § 11 Abs. 1 UWG ist, selbst wenn konkurrierende wettbewerbsrechtliche Ansprüche beständen, auf kennzeichenrechtliche Ansprüche nicht anzuwenden. Die 3-jährige Verjährung beginnt nach der Ultimaregel (§ 199 Abs. 1 BGB ) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen und der Person des Anspruchsschuldners, Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 BGB gilt die von den subjektiven Umständen unabhängige absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren ab Entstehung des Anspruchs. In Bezug auf Schadensersatzansprüche gilt darüber hinaus eine absolute 30-jährige Verjährungsfrist, gerechnet ab dem Tag, ab dem das den Schaden auslösenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB ) eingetreten ist. Für die beiden letztgenannten Verjährungsfristen gilt die Ultimaregelung nicht. Die Verjährung beginnt mit dem Abschluss der einzelnen Rechtsverletzung. Bei mehreren rechtsverletzenden Einzelhandlungen läuft für jede einzelne Handlung eine eigene Verjährungsfrist. Diese sind z. B. dann gegeben, wenn rechtsverletzend gekennzeichnete Gegenstände hintereinander an verschiedene Abnehmer ausgeliefert wurden. Für die Verjährung kommt es nicht auf den „Fortsetzungszusammenhang“ an. Der Schadensersatzanspruch entsteht mit jeder Handlung und in Bezug auf diese Handlung. Die Verjährung tritt demzufolge ebenso für jede einzelne Handlung ein. Das Gleiche gilt für den Auskunftsanspruch. In Bezug auf einen Unterlassungsanspruch kommt es auf den Zeitpunkt der letzten Verletzungshandlung an. Der Hinweisanspruch ebenso wie der Übertragungsanspruch gegen den untreuen Vertreter und der Vernichtungsanspruch richten sich jeweils auf die Beseitigung 294 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer des Rechtsverstoßes. Ist die Rechtsverletzung beseitigt, fehlt es an der materiellen Begründetheit der Ansprüche. 251 Ist die Rechtsverletzung eine Dauerhandlung z. B. durch das Anbringen einer rechtsverletzenden Kennzeichnung im Schaufenster, so tritt die Verjährung der Unterlassungsansprüche wie auch Beseitigungsansprüche solange nicht ein, wie die Rechtsverletzung andauert. Positive Kenntnis muss der Inhaber einer Marke, die verletzt wird, selbst haben. Bei juristischen Personen sind es die vertretungsberechtigten Organe. Der Markeninhaber muss sich nur dann die positive Kenntnis seiner Mitarbeiter zurechnen lassen, wenn der Mitarbeiter mit der Vorbereitung oder Durchsetzung dieser Ansprüche befasst war oder die Überwachung oder Verteidigung von kennzeichnenden Rechten zu seinen Obliegenheiten gehört. Eine grob fahrlässige Unkenntnis ist nur dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung zwar bekannt ist, allerdings leicht zu beschaffende weitere Informationen z. B. über die Person des Verletzers nicht eingeholt werden. Eine allgemeine Marktbeobachtungs- oder Überwachungspflicht von Markenanmeldungen ist hieraus nicht abzuleiten. Die Verjährungsfrist kann durch Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn verändert werden. Nach § 209 BGB wird der Zeitraum, in dem die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Als Tatbestand für eine Hemmung gilt die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem. Gehemmt wird eine Verjährungsfrist auch durch Rechtsverfolgung durch den Gläubiger (§ 204 Abs. 1 BGB ). Hierbei löst die Einreichung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Hemmung aus, wenn diese innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung dem Anspruchsschuldner zugestellt wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB ). Auch die Geltendmachung mittels einer Klage führt nicht zu einem Neubeginn, sondern lediglich zu einer Hemmung der Verjährung. Bei Eintritt der Volljährigkeit bzw. Nachlasseröffnung tritt eine Ablaufhemmung bis maximal 6 Monate nach Eintritt der Volljährigkeit bzw. Nachlasseröffnung für die Erben ein (§§ 210, 211 BGB ). Ein Neubeginn der Verjährung tritt dann ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird (§ 212 Abs. 1 BGB ). Die Verjährung verschafft einem Anspruchsschuldner nach den allgemeinen Regeln ein Leistungsverweigerungsrecht und gibt ihm die Möglichkeit, im Prozess die Einrede der Verjährung zu erheben. II. Verwirkung In § 21 MarkenG sind die Grundsätze der Verwirkung kodifiziert. Hiernach hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kein Recht, die Benutzung einer eingetragenen Marke mit jüngerem Zeitrang für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, bzw. die Benutzung eines anderen Kennzeichnungsrechtes mit jüngerem Zeitrang zu untersagen, soweit er die Benutzung dieses Rechtes während eines Zeitraumes von 5 aufeinander folgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat (§ 21 251 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 20 Rdn. 12. 295 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Abs. 1 und 2 MarkenG). Diese Regelung tritt bei bösgläubigen Markenrechtsinhabern nicht ein. Allerdings kann nach § 21 Abs. 3 MarkenG auch der Inhaber des jüngeren Rechtes die Benutzung des älteren Kennzeichnungsrechtes nicht untersagen. Abs. 4 der Regelung zur Verwirkung sieht vor, dass die Anwendung allgemeiner Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen durch diese Regelung unberührt bleibt. Die 5-jährige Frist beginnt mit der positiven Kenntnis des Rechteinhabers von der Benutzung des jüngeren Zeichens. Im Gegensatz zur Verjährung wird nicht die Kenntnis der Person des Verletzers gefordert. Auch eine fahrlässige Unkenntnis führt nicht zum Beginn der 5-jährigen Verwirkungsfrist. Eine Duldung liegt nicht vor, wenn es dem Inhaber des älteren Kennzeichnungsrechtes rechtlich unmöglich war, gegen den Anspruchsgegner vorzugehen oder wenn der Inhaber Maßnahmen ergriffen hat und konsequent gegen Verletzer vorgegangen ist. Die Verwirkungsfrist bezieht sich immer auf die konkreten Handlungen, so dass ein Wechsel in der Benutzungsform eine neue Verwirkungsfrist auslösen kann. Bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen entsteht daher für jede Verletzungshandlung ein neuer Unterlassungsanspruch 252 . Rechtsfolge der Verwirkung ist allein der Verlust der Durchsetzungsfähigkeit der Rechte des Markeninhabers im Hinblick auf bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen. 253 Der Inhaber eines jüngeren Rechts kann sich auf die Verwirkung nicht berufen, wenn er bei der Anmeldung bösgläubig war, wobei unter bösgläubig die über die bloße Kenntnis des Bestehens eines älteren Rechts hinausgehende Behinderungsabsicht des jüngeren Markeninhabers zu verstehen ist. § 21 Abs. 3 MarkenG stellt klar, dass der Inhaber der jüngeren Marke gegenüber dem Markeninhaber, dessen Ansprüche aus der älteren Marke verwirkt sind, nicht die Benutzung dieser Marke untersagen kann. Die UMV enthält entsprechende Verwirkungsregelungen im 3. Abschnitt-- Nichtigkeitsgründe-- in Art. 61 UMV . In der UMV fehlt jedoch die Regelung des § 21 Abs. 4 MarkenG, die darauf hinweist, dass von den übrigen Regelungen des § 21 MarkenG die Anwendung allgemeiner Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen unberührt bleibt (s. u. § 51 III . 6.). Die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung basieren auf § 242 BGB als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie sind bei allen kennzeichenrechtlichen Ansprüchen denkbar, wobei es bei unterschiedlichen Anspruchsarten hinsichtlich der Verwirkungsregeln zu Unterschieden kommen kann. So ist bei der Verwirkung von Unterlassungsansprüchen ein erworbener wertvoller Besitzstand Voraussetzung, hinsichtlich von Schadensersatzansprüchen muss ein Vertrauenstatbestand des Verletzers vorliegen, nicht mehr auf Zahlungen in Anspruch genommen zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH tritt Verwirkung dann ein, wenn durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen 252 BGH GRUR 2013, 1161 „Hard Rock Cafe“; BGH GRUR 2016, 705, 708 „ConText“. 253 BGH GRUR 2012, 928, 930 (Rdn. 22, 23) „Keine Verwirkung bei wiederholten gleichartigen Markenverletzungen mit zeitlicher Unterbrechung-- Honda-Grauimport“. 296 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat. 254 Alle genannten Tatbestandsmerkmale stehen in einer Wechselwirkung zueinander, so dass unter Umständen eine Kompensation möglich ist. Als Ausfluss des in § 242 BGB geregelten Prinzips von Treu und Glauben sind bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen die beiderseitigen Interessen abzuwägen. 255 Die Verwirkung findet da ihre Grenzen, wo ihr erhebliche öffentliche Interessen entgegenstehen. 256 Der Verwirkungseinwand, basierend auf einen im Vertrauen auf die Benutzungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand des Benutzers, führt nicht zu einer zusätzlichen Rechtsposition, da sonst die Rechte des nach Treu und Glauben nur ausnahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers hinaus erweitert werden würden. Selbst längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen begründet kein berechtigtes Vertrauen eines Nutzers, der Markeninhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen jeweils neue Rechtsverletzungen vorgehen. 257 Ergänzend soll hier noch auf den Ausschluss von Ansprüchen bei Bestandskraft der Eintragung einer Marke mit jüngerem Zeitrang hingewiesen werden. § 22 MarkenG kodifiziert eine Schutzschranke für den Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegenüber jüngeren eingetragenen Marken für den Fall, dass die ältere Marke oder geschäftliche Bezeichnung erst nach dem Zeitrang der jüngeren Marke Bekanntheit erlangt hat, die einen erweiterten Schutzumfang gewährt oder die ältere Marke am Tag der Veröffentlichung der jüngeren Marke wegen Verfalls oder absoluter Schutzhindernisse hätte gelöscht werden können. Eine entsprechende Regelung enthält die UMV nicht. Allerdings dürfte aufgrund allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze für Unionsmarken nichts anderes gelten. § 22 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG kann analog für Benutzungs- oder notorische Marken (§ 4 Nr. 2 und 3 MarkenG) oder eine geschäftliche Bezeichnung (§ 5 MarkenG) als jüngere Rechte Anwendung finden, 258 wobei der Zeitpunkt der Erlangung des Kennzeichenschutzes an die Stelle der Anmeldung tritt. § 22 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG stellt klar, dass sog. Zwischenrechte, die aufgrund der Nichtbenutzung von eingetragenen Marken oder wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse entstanden sind, von den Inhabern älterer Rechte nicht erfolgreich angegriffen werden können. Dem Grundprinzip des Markenrechts folgend, dass der Bezug zu den konkreten Waren oder Dienstleistungen hergestellt sein muss, kann ein älteres Zeichen aufgrund der Nichtbenutzung in Bezug auf eine Ware, die identisch mit der Ware des jüngeren Zeichens ist, löschungsreif geworden sein. Gleichwohl kann die Verwendung des jüngeren Zeichens für die in Rede stehenden Ware aufgrund einer ähnlichen mit dem älteren Zeichen gekennzeichneten und benutzten Ware verboten werden, da diese zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der jüngeren Marke nicht löschungsreif war. § 22 Abs. 2 MarkenG sichert wiederum die Koexistenz der kollidierenden Rechte. 254 BGH GRUR 2001, 1161, 1163 „CompuNet / ComNet“. 255 BGH GRUR 1966, 427, 428 „Prince Albert“. 256 BGH GRUR 1994, 844, 846 „Rotes Kreuz“. 257 Vgl. BGH GRUR 2008, 803, 805 „ HEITEC “; BGH GRUR 2013, 1161, 1162 (Rdn. 22 ff.) „Hard Rock Cafe“ auch zu lauterkeitsrechtlichem Schutz aus §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UWG . 258 BGH GRUR 2003, 428, 431 „Big Bertha“; Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 22 Rdn. 2. 297 § 49 Schranken des Schutzes Fischer III. Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben Die Schutzschranke des § 23 MarkenG, die im Übrigen der in Art. 14 UMV entspricht, stellt die Benutzung persönlicher Angaben, waren- und dienstleistungsbeschreibender Angaben sowie Bestimmungsangaben vom Ausschließlichkeitsrecht frei. Voraussetzung ist, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. 259 Die Schutzschranke der lauteren Benutzung von namensbeschreibenden Angaben und dem Ersatzteilgeschäft entspricht fast wörtlich Art. 14 Abs. 1 Marken RL , umfasst aber die Ansprüche der Inhaber von Benutzungs- und notorisch bekannten Marken (§ 4 Abs. 2 und 3 MarkenG). Gemäß der Nr. 1 dieser Regelung haben Dritte- - wenn es sich dabei um eine natürliche Person handelt- - das Recht, ihre Namen und ihre Anschrift im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, auch wenn diese mit einer prioritätsälteren Marke oder geschäftlichen Bezeichnung übereinstimmen. Das Recht erstreckte sich aufgrund der Eu GH Rechtsprechung 260 bisher auch auf Gesellschaftsbezeichnungen oder Handelsnamen, die mit Inkrafttretung der jüngsten Marken RL , der UMV und des MaMoG durch die Beschränkung auf natürliche Personen eingegrenzt wurde. Zur Anschrift gehört die Angabe der Straße, Hausnummer, Postleitzahl, des Ortes, der Telefon- und Telefaxnummer. Auch Domainnamen oder Emailadressen können dazugehören, jedoch obliegt dem Dritten regelmäßig die Verpflichtung zum Ausschluss, jedenfalls der Minderung der Verwechslungsgefahr. 261 Die Verwendung eines Zeichens, das mit einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung identisch oder dieser ähnlich ist, ist gem. Nr. 2 des § 23 MarkenG dann zulässig, wenn das Zeichen als eine beschreibende Angabe benutzt wird. 262 Der Eu GH hat hierzu festgestellt, 263 dass „die Benutzung einer Marke zu dem Zweck, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass der Werbende Markenwaren instand setzt und wartet, eine Benutzung als Hinweis auf die Bestimmung einer Dienstleistung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. c Marken RL [Art. 14 Marken RL n. F.] darstellt. Ebenso wie die Benutzung einer Marke als Hinweis auf Fahrzeuge, für die ein bestimmtes von Dritten stammendes Zubehör bestimmt ist, erfolgt die fragliche Benutzung, um die Waren zu bezeichnen, die Gegenstand des geleisteten Dienstes sind“. Allerdings darf die Marke von einem Dritten nicht wie eine eigene Marke benutzt werden. 264 Die Verwendung einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware ist nach § 23 Nr. 3 MarkenG also dann zulässig, wenn hierfür die Nennung der Marke oder Bezeichnung notwendig ist. Dies gilt für das Ersatzteil- oder Zubehörgeschäft, aber auch für Dienstleistungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen, für die das Kennzeichen unter Schutz gestellt worden ist. Ohne Zustimmung des Marken- 259 BGH GRUR 2009, 1162, 1164 „ DAX “. 260 Eu GH GRUR 2005 153 Rdn. 82 „Anheuser-Busch“; Eu GH GRUR 2007, 971 (Rdn. 31 ff.) „Céline“. 261 BGH GRUR 2008, 801, 802 „Hansen-Bau“; BGH GRUR 2010, 738, 741 ff. „Peek & Cloppenburg“; A. A. Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 23 Rdn. 8. 262 BGH GRUR 2009, 678 ff. „ POST / RegioPost“. 263 Eu GH GRUR Int. 1999, 438 „ BMW “. 264 BGH GRUR 2015, 1009, 1011 „ BMW -Emblem“. 298 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer inhabers zulässig ist auch das Aufbringen einer Marke auf einem verkleinerten Modell zu dem Zweck einer originalgetreuen Nachbildung. 265 Die Zulässigkeit der Benutzung einer Marke hängt, so der Eu GH , 266 davon ab, ob diese Benutzung notwendig sei, um auf die Bestimmung einer Ware hinzuweisen. Die Benutzung einer Ware durch einen Dritten, der nicht deren Inhaber sei, sei als Hinweis auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vertriebenen Ware notwendig, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel dafür darstelle, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware zu erhalten. Dabei sei nicht notwendig, dass derjenige, der die Marke benutzt, um auf die Bestimmung der von ihm vertriebenen Ware hinzuweisen, diese als eine Ware mit gleicher Qualität oder gleichen Eigenschaften herstelle, wie sie die mit der Marke gekennzeichnete Originalware aufweist. Allerdings ist immer zu beachten, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt oder, wie die Marken RL ausführt, den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht. Ein Beispiel für die Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG ist die Darstellung eines Sportwagens in Verbindung mit der Produktwerbung für Aluminiumräder: Der BGH 267 hat festgestellt, dass ein Hersteller von Aluminiumrädern, der in der Produktwerbung einen exklusiven Sportwagen abbilde, der mit seinen u. a. für diesen Fahrzeugtyp bestimmten Rädern ausgerüstet ist, die auf dem abgebildeten Fahrzeug angebrachte Marke des Sportwagenherstellers nicht verletze, wenn die Abbildung des Sportwagens den für den Verkehr erkennbaren Zweck habe, das Produkt in seiner bestimmungsmäßigen Verwendung zu zeigen. Die Freistellung der Verwendung eines Zeichens als beschreibende Angabe gilt für jede Angabe, die zur beschreibenden Verwendung geeignet ist. Dies gilt auch im Falle von fremdsprachlichen Angaben, sofern sie im Falle einer gespaltenen Verkehrsauffassung zumindest von einem Teil des Verkehrs als beschreibende Angabe verstanden wird. 268 Nicht freigestellt werden Abwandlungen beschreibender Angaben oder sog. sprechende Zeichen, die nicht glatt beschreibend sind und somit von dem Publikum zur Beschreibung ihrer Waren oder Dienstleistungen nicht benötigt werden. Rein beschreibende Angaben werden auch dann freigestellt, wenn sie herausgehoben verwendet werden. 269 Für alle drei Fallgruppen des § 23 ist gemeinsame Voraussetzung, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt, sondern im Einklang mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs steht bzw. den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel im Sinne der Marken RL (Art. 14 Abs. 2 Marken RL ) entspricht. Die Benutzung des Zeichens entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel aber nicht, wenn 265 Eu GH GRUR 2007, 318 (Nr. 38 ff.) „Adam Opel / Autec“; BGH , Urteil v. 14. 01. 2010-- I ZR 88 / 08 „Opel- Blitz II “. 266 Eu GH GRUR 2005, 509 „Gillette“; hier ging es um Ersatzklingen für Nassrasierer. 267 BGH GRUR 2005, 163 „Aluminiumräder“. 268 BGH GRUR 2004, 947 „Gazoz“. 269 BGH GRUR 2004, 600 „d-c-fix / CD - FIX “. 299 § 49 Schranken des Schutzes Fischer ▶ sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht, ▶ sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt, ▶ die Marke durch den Dritten herabgesetzt oder schlecht gemacht wird oder ▶ der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist. IV. Erschöpfung Eine weitere Schranke des Kennzeichnungsschutzes ist die Erschöpfung einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gem. § 24 MarkenG. Nach § 24 Abs. 1 MarkenG hat der Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Analog gilt dies auch für Warenproduktionen im Auftrag des Markeninhabers, der den Produzenten die Ware mit der Marke versehen und vertreiben lässt. Erschöpfung tritt nicht ein, wenn der Auftragsproduzent vorsätzlich die Ware vertragswidrig an Dritte veräußert. Die Erschöpfungsregelung des MarkenG entspricht Art. 15 der Marken RL , der jedoch nur eine EU -weite Erschöpfung vorsieht. Auch geht die Erschöpfungsvorschrift des MarkenG insoweit über die Marken RL hinaus, als nicht nur eingetragene Marken, sondern auch durch Verkehrsgeltung erworbene oder notorische Marken dem Erschöpfungsgrundsatz unterworfen werden. Fast wortgleich mit Art. 15 Marken RL definiert Art. 15 der UMV die Erschöpfung der Unionsmarke. Eine Erschöpfung im gesamten europäischen Wirtschaftsraum ( EWR ) ergibt sich auch aus Art. 65 Abs. 2 EWR -Abkommen i. V. m. Art. 2 Protokoll 28 zum EWR . Damit tritt auch eine Erschöpfung über die Staaten der Europäischen Union hinaus in den übrigen Staaten des EWR , nämlich Norwegen, Island und Liechtenstein ein. Grundsätzlich kann Erschöpfung nur bei Waren, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, nicht jedoch bei Dienstleistungen eintreten, da nur Waren in den Verkehr gebracht werden können. Die Erschöpfungswirkung tritt für jedes einzelne konkrete Stück (Ware) ein, dass vom Markeninhaber oder mit Zustimmung des Markeninhabers innerhalb des oben genannten Territoriums in den Verkehr gebracht worden ist. Erschöpfung tritt somit nicht für Waren ein, die vom Markeninhaber außerhalb des oben genannten Territoriums in den Verkehr gebracht worden sind und von Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers wieder in die Länder des EWR bzw. der EU eingeführt werden. Darauf, ob der Markeninhaber oder ein Dritter mit Zustimmung des Markeninhabers die gleichen Waren (aber andere Stücke) innerhalb der EU bzw. des EWR zeitgleich in den Verkehr gebracht hat, kommt es nicht an. In Verkehr gebracht ist eine Ware, wenn der Markeninhaber oder derjenige, der mit seiner Zustimmung handelt, die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die gekennzeichnete Ware innerhalb des EWR willentlich verloren hat, z. B. durch Veräußerung 300 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer oder Überlassung an einen unabhängigen Dritten. 270 Ein in Verkehr bringen liegt nicht bei rein innerbetrieblichen Waren und Bewegungen vor wie z. B. von der Produktionsstätte zu einem Vertriebslager. Innerhalb eines Konzerns tritt eine Erschöpfung dann nicht ein, wenn die Verfügungsgewalt an der Ware unverändert bei derselben Leitungsstelle verblieben ist. 271 Allein die Einfuhr einer konkreten Ware in den EWR durch den Markeninhaber stellt ebenso wenig wie das Anbieten gegenüber Dritten ein „in Verkehr bringen“ dar. 272 Auch die bloße Durchfuhr durch den europäischen Wirtschaftsraum war bis zum Inkrafttreten der UMV nicht als in Verkehr bringen zu bewerten, sofern es während der Durchfuhr nicht zu einem Wechsel der Verfügungsmacht kam 273 wie z. B. des Wechsels des Frachtführers oder Übertragung an einen Zwischenhändler. Art. 9 Abs. 4 UMV berechtigt nunmehr den Inhaber einer Unionsmarke, Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren in die Union zu verbringen ohne diese in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen, wenn die Waren, einschließlich ihrer Verpackung, aus Drittstaaten stammen und ohne Zustimmung eine Marke aufweisen, die mit der für derartige Waren eingetragenen Unionsmarke identisch ist oder in ihren wesentlichen Aspekten nicht von dieser Marke zu unterscheiden ist. Eine entsprechende Regelung sieht das MaMoG durch die Einführung des neuen § 14a ins MarkenG vor. Das Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers liegt im Zusammenhang mit Lizenzverträgen vor. Grundsätzlich muss die (vorherige) Einwilligung des Markeninhabers ausdrücklich erklärt werden. Eine (nachträgliche) Genehmigung reicht nicht aus. Eine konkludente Zustimmung kommt nur in Ausnahmefällen in Frage. Im Zweifel trägt der Markenbenutzer die Beweislast, dass er mit Zustimmung des Markeninhabers handelt. Hingewiesen werden soll noch auf den Sonderfall der Erschöpfung ohne Zustimmung des Markeninhabers, der eintritt, wenn der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Unionsrechts Vorrang vor dem Individualrecht genießt. Diese fiktive Erschöpfung an konkreten Gegenständen kann bei erwiesener künstlicher Abschottung der Märkte eintreten. 274 § 24 Abs. 2 MarkenG bestimmt als lex spezialis, dass Abs. 1 keine Anwendung findet, wenn sich der Inhaber der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere, wenn der Zustand der Ware nach ihrem Inverkehrbringen sich verändert oder verschlechtert hat. Hierdurch wird es dem Markeninhaber möglich, auch nach Inverkehrbringen der Ware unter bestimmten Umständen seine Rechte aus der Marke geltend zu machen. Im Unionsrecht findet sich für Marken eine entsprechende Regelung (Art. 15 Abs. 2 UMV ). Eine Veränderung oder Verschlechterung liegt z. B. vor, wenn ein Dritter wesentliche Sacheigenschaften oder die Eigenart der Ware verändert. Beispiele sind der Umbau eines 270 Eu GH GRUR 2005, 507, 509 „Peakholding / Axolin-Elinor“. 271 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 22; BGH GRUR 2007, 882 „Parfümtester“. 272 Eu GH GRUR 2005, 507, 509 „Peakholding / Axolin-Elinor“. 273 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 24 Rdn. 17 u. 18. 274 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 43; BGH GRUR 2012, 630, 632 (Rdn. 29-34) „Keine Beweislastumkehr bei Ausscheiden eines Zwischenhändlers aus der Lieferkette-- CONVERSE II “. 301 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Flügels unter Verwendung eines fremden Resonanzbodens und fremder Stimmstöcke (Steinway), Veränderung der Zifferblätter von Armbanduhren (Rolex) oder die Entfernung einer SIM -Lock-Sperre in Mobiltelefonen. 275 Eine umfangreiche Rechtsprechung hat sich in Bezug auf das Umpacken oder vergleichbare Veränderungen der Verpackungen von Arzneimitteln entwickelt, die jedoch nicht uneingeschränkt auf die Neuetikettierung anderer Erzeugnisse übertragbar ist. 276 Einen Überblick gibt Hacker. 277 Demzufolge dürfen umgepackte Arzneimittel vertrieben werden, wenn 1. die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führe, und 2. der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Arzneimittel durch das Umpacken nicht beeinträchtigt worden sei, sowie 3. auf der neuen Verpackung klar angegeben sei, von wem das Arzneimittel umgepackt worden sei und von welchem Hersteller es stamme. Des Weiteren dürfe 4. das umgepackte Arzneimittel nicht derart aufgemacht sein, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden könne. Insbesondere dürfe die Verpackung nicht schadhaft oder von schlechter Qualität sein oder einen unordentlichen Eindruck hervorrufen. 5. Schließlich ist der Vertreiber der umverpackten Medikamente verpflichtet, dem Markeninhaber vorab vom Anbieten der umverpackten Arzneimittel Kenntnis zu geben und ihm auf Verlangen ein Muster zur Verfügung zu stellen. V. Benutzungszwang Neben dem Territorialprinzip und der Herkunftsfunktion, die eine Marke innehat, ist der Benutzungszwang, dem der Markeninhaber oder Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung unterliegt, ein weiteres Grundprinzip des Kennzeichenrechtes. Da es sich bei Marken um Ausschließlichkeitsrechte handelt, die, sofern die regelmäßige Verlängerung vorgenommen wird, keiner Begrenzung der zeitlichen Dauer unterliegen, scheint es gerechtfertigt, von dem Rechteinhaber zu verlangen, dass er die Marken oder geschäftlichen Bezeichnungen benutzt. Benutzt er die Marke nicht oder nicht ernsthaft, so sind seine Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung und Auskunft gem. § 25 Abs. 1 MarkenG ausgeschlossen, sofern die Nichtbenutzung einen Zeitraum von 5 Jahren ab der Eintragung (sog. Benutzungsschonfrist) bzw. vor dem Zeitpunkt der Geltendmachung umfasst (§ 25 Abs. 1 MarkenG). Nach Inkrafttreten des MaMoG verschiebt sich der Beginn der fünfjährigen Benutzungsschonfrist auf den Zeitpunkt, an dem kein Widerspruch mehr gegen die Marke möglich ist. § 25 Abs. 2 MarkenG gestaltet die Verteidigung gegen Verletzungsklagen aus nicht oder nicht mehr be- 275 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 24 Rdn. 28 m. w. Nachw. 276 Z. B. sind die berechtigten Interessen des Markeninhabers bereits gewahrt, wenn ein Parallelimporteur den Markeninhaber vorab vom Verkauf in einer Art und Weise informiert, die ihn in die Lage versetzt, die Auswirkungen der Neuetikettierung zu beurteilen; BGH GRUR 2013, 739, 745 (Rdn. 51) „Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungspflichten-- Barilla“. 277 Hacker in Hacker / Ströbele, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 58 ff. 302 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nutzten Marken als Einrede. § 25 MarkenG entspricht Art. 17 Marken RL , der vorsieht, dass eine Marke in einem Verletzungsverfahren nicht wirksam geltend gemacht werden kann, wenn nicht im Wege der Einrede Nachweise der ernsthaften Benutzung erbracht werden und die Marke für verfallen erklärt werden könnte. § 25 MarkenG verweist hinsichtlich der Einzelheiten des Benutzungserfordernisses auf § 26 MarkenG. Auch Unionsmarken unterliegen einem Benutzungszwang mit 5-jähriger Benutzungsschonfrist (Art. 18 Abs. 1 UMV ). Die Marke muss für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von 5 Jahren ab dem Registereintragungstag in Benutzung genommen worden sein und die Benutzung darf nicht für mehr als 5 Jahre ununterbrochen ausgesetzt worden sein. Die Marke muss durch ihren Inhaber oder mit vorheriger Zustimmung des Inhabers in dem Gebiet, für das die Marke Schutz genießt, für jede beanspruchte Ware bzw. Dienstleistung ernsthaft als Marke benutzt werden. Eine unzureichende Benutzung kann in Verletzungs- oder Entschädigungsprozessen durch Widerklage gem. Art. 128 UMV , aber auch in Form der Einrede gem. Art. 127 Abs. 3 UMV geltend gemacht werden. VI. Benutzung der Marke (§ 26 MarkenG) Ein wichtiger Grundsatz des Markenrechts ist-- möchte der Markeninhaber Rechte aus seiner insbesondere registrierten Marke herleiten-- der Zwang zur Benutzung der Marke zur Kennzeichnung der für sie geschützten Waren und Dienstleistungen. § 26 MarkenG definiert die Benutzung einer Marke, auf die an verschiedenen Stellen des MarkenG Bezug genommen wird. Mangelnde Benutzung führt gem. § 25 MarkenG zum Ausschluss von Ansprüchen in Bezug auf Markenverletzungen (§§ 14, 18, 19 MarkenG). Auch im Widerspruchsverfahren ist die Einrede fehlender Benutzung gem. § 43 Abs. 1 MarkenG möglich. Eine nicht benutzte Marke kann auf Antrag eines Dritten gem. § 49 Abs. 1 MarkenG gelöscht werden. Auch die §§ 22 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 4 Nr. 1 und 55 Abs. 3 MarkenG beinhalten Regelungen über Marken im Löschungsverfahren, denen es an einer ernsthaften Benutzung mangelt. In Bezug auf Kollektivmarken ist § 100 Abs. 2 MarkenG ergänzend einschlägig. Entsprechende auf die Marken RL zurückgehende Vorschriften enthält die UMV in Art. 18 UMV mit der Definition für den Begriff der Benutzung, Art. 47 Abs. 2 und 3 UMV in Bezug auf das Widerspruchsverfahren, Art. 58 Abs. 1 lit. a sowie Art. 64 Abs. 2 UMV in Bezug auf das Löschungsverfahren infolge Nichtigkeit oder Verfalls. Art. 78 UMV ergänzt die Benutzungsvorschriften in Bezug auf die Kollektivmarken, Art. 87 UMV in Bezug auf die Unionsgewährleistungsmarken. Das Erfordernis der Benutzung ist auf die Hauptfunktion einer Marke, nämlich den Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter Schutz einer Marke gestellten Waren und Dienstleistungen, ausgerichtet. Gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG und Art. 18 Abs. 1 UMV muss eine Marke von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, ernsthaft im Inland (wobei bei der Unionsmarke gemäß Art. 1 UMV einheitlich die gesamte EU als Inland gilt) benutzt worden sein, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers gilt als Benutzung durch den Inhaber (§ 26 Abs. 2 MarkenG, Art. 18 Abs. 2 UMV ). 303 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Ein markenmäßiger Gebrauch liegt vor, wenn aus Sicht des Verkehrs das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen dient. Nicht markenmäßig ist die nur firmenmäßige Benutzung 278 , z. B. die alleinige Angabe der Firma des Unternehmens, wie sie auf geschäftlichen Briefbögen notwendig ist. Gleiches gilt für einen Domainnamen, der ausnahmsweise eine reine Adressfunktion hat oder vom Verkehr nur als beschreibende Angabe verstanden wird. 279 Allerdings kann eine firmenmäßige Benutzung gleichzeitig auch eine markenmäßige Benutzung darstellen, sofern das fragliche Zeichen selbst besonders herausgestellt wird und einen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweist. Dies wird in Fällen, in denen der Betrieb nur ein Produkt herstellt oder eine Dienstleistung erbringt, eher der Fall sein als bei großen Unternehmen mit einer vielfältigen Produktpalette. In Bezug auf die Benutzung der Marke für einzelne Waren oder Dienstleistungen kommt es in erster Linie auf die Sichtweise des angesprochenen Verkehrs, d. h. des durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen Verbrauchers bzw. der Branchenüblichkeit 280 an. Dabei sind gerade in den letzten 15 Jahren die sich verändernden Formen des Vertriebs und der Werbung-- z. B. durch das Internet-- zu berücksichtigen. 281 Zumindest gilt die nach früherem Warenzeichenrecht strikte Regel der körperlichen Anbringung der Marke auf der Ware oder deren enge räumliche Verbindung nicht mehr. Die Verwendung einer Marke im Internet kann nur dann als benutzungsrelevant angesehen werden, wenn die mit der Marke beworbene Ware (oder Dienstleistung) auf der unter der Domain abrufbaren Webseite angeboten wird 282 und ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug vorhanden ist. 283 Indiziell für den Inlandsbezug ist die Verwendung der deutschen Sprache sowie Preisangaben in inländischer Währung, inländische Vertriebsstätten oder sonstige im Zusammenhang mit den mit der Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stehende Angaben wie Kundendienst, Kontaktadressen oder Ähnliches. Als Ausnahme von dem Territorialprinzip gelten zwischenstaatliche Verträge, die eine entsprechende Gleichstellung von Inlandsund-- bezogen auf den Vertragsstaat-- Auslandsbenutzung vorsehen. Eine solche Regelung stellt Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. 4. 1892 dar. Hierbei geht es um die gegenseitige Anerkennung der Benutzung von Marken, wobei die Staatszugehörigkeit des Inhabers der Marke, sofern er einem der Verbandsländer der PVÜ angehört, irrelevant ist. Eine Benutzung in der Schweiz gilt aber nicht als rechtserhaltende Benutzung einer Unionsmarke, da die unionsrechtlichen Regelungen der Benutzung durch bilaterale Abkommen nicht zur Disposition stehen. 284 In einem europäischen Unionsmarkenverfahren gilt die ernsthafte Benutzung in der Schweiz auch nicht als rechtserhaltende Benutzung einer nationalen deutschen oder eines für Deutsch- 278 Eu GH GRUR 2005, 153 (Rdn. 64) „Anheuser-Busch / Budvar“; Eu GH GRUR 2007 971 (Rdn. 21) „Céline“. 279 BGH GRUR 2012, 832, 834 (Rdn. 19) „ ZAPPA “. 280 BGH GRUR 2014, 662, 664 ff. (Rdn. 12) „Probiotik“ m. w. Nachw. 281 BP atG BP at GE , 43, 77, 81 ff. „ VISION “. 282 EuG GRUR Int. 2013, 48 (Rdn. 62 ff.) „Fruit of the Loom“. 283 BGH GRUR 2005, 431, 432 ff. „Hotel Maritime“. 284 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 213. 304 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer land geschützten Anteils einer Internationalen Registrierung. 285 Benutzungshandlungen in der Schweiz, die für eine deutsche Marke reklamiert werden, werden ausschließlich nach deutschem Recht beurteilt. 286 Die Anforderungen für die rechtserhaltende Benutzung in der Schweiz durch die Benutzung einer Marke in Deutschland sind erheblich höher. 287 Für die Rechtserhaltung einer Marke ist eine ernsthafte Benutzung erforderlich. Eine rein innerbetriebliche Verwendung gilt als rechtserhaltende Benutzung, wenn die Waren ausschließlich für den Export bestimmt sind (§ 26 Abs. 4 MarkenG). Die rein innerbetriebliche Benutzung ohne den Exportbezug reicht nicht. Die Benutzung innerhalb eines Konzerns ist eine Frage des Einzelfalls und orientiert sich an den bereits genannten Anforderungen. Private oder amtlich hoheitliche Benutzungshandlungen gelten nicht als rechtserhaltend, weil ihnen der geschäftliche Bezug fehlt. Das Gleiche gilt für die Verwendung in Nachschlagewerken, Lehrbüchern u. ä. Für eine ernsthafte Benutzung lassen sich keine festen Grenzen definieren wie z. B. Mindestumsätze oder Stückzahlen. Letztendlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die branchenbezogenen Gegebenheiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Benutzers sowie die Art der Ware oder Dienstleistung, aber auch die Dauer und die Konstanz der Benutzung eine Ernsthaftigkeit begründen können. Bei sehr teuren Luxusgütern, die zwangsläufig nur einen begrenzten Abnehmerkreis haben, reicht eine geringe Anzahl für die Begründung einer Ernsthaftigkeit aus. 288 Bei Massenprodukten sind die Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung hinsichtlich der Anzahl der verkauften Produkte wesentlich höher. Weitere Indizien für eine ernsthafte Benutzung ist die Belieferung an viele Abnehmer oder eine lange Benutzungsdauer. 289 Bloße Scheinbenutzungen schließen eine ernsthafte Benutzung aus. Als nicht ernsthaft benutzt sollen auch Marken gelten, die Gegenstände markieren, die der Markeninhaber den Käufern seiner anderen Waren als Werbemittel mitgibt, da damit der Zweck einer Marke verfehlt wird, dass für diese als Werbemittel dienende Waren ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird. 290 Eine ernsthafte Benutzung liegt nicht vor, wenn die Marken im Vertrieb ohne Bezug zu den einzelnen Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Einzelhandelsunternehmen oder Versandhäuser. 291 Nicht ausreichend ist-- sofern kein erkennbarer Bezug zu den Waren besteht-- die alleinige Anbringung der Marke auf dem Versandmaterial. In Bezug auf Dienstleistungen muss ebenso wie für Warenmarken der Grundsatz gelten, dass die Marke beim Publikum ihre Herkunftsfunktion für die für die Marke beanspruchten Dienstleistungen ausübt. 292 Aufgrund der Unkörperlichkeit von Dienstleistungen muss auf 285 GRUR Int. 2013, 141 „ BASKAYA “; krit. Anm. Hertz-Eichenrode GRUR -Prax 2012, 375; Eu GH GRUR Int. 2014, 161, 163-164 (Rdn. 39, 52) „ BASKAYA “. 286 BGH GRUR 2000, 1035, 1037 „Playboy“. 287 Ebert-Weidenfeller, Noth GRUR-Prax 2013, 415 ff. „Benutzungsnachweis für Marken im deutsch-schweizerischen Verhältnis“. 288 BP atG GRUR 2001, 58, 59 „Kobra Cross“. 289 Eu GH GRUR 2003, 425, 428 „Ansul / Ajax“. 290 Eu GH GRUR 2009, 410, 411 (Rdn. 18-21) „Silberquelle / Marselli-Strickmode“. 291 BGH GRUR 2005, 1047, 1049 „Otto“; BGH GRUR 2006, 150, 151 ff. „Norma“. 292 BGH GRUR 2008, 616, 618 (Rdn. 16) „ AKZENTA “ (bei gleichzeitiger firmenmäßigen Benutzung). 305 § 49 Schranken des Schutzes Fischer andere Art die Verbindung zwischen der Dienstleistung und der Marke hergestellt werden. Dies wird in der Regel durch die Anbringung der Marke auf Geschäftsgebäuden, Berufskleidung bzw. Gegenständen, die in Verbindung mit der Dienstleistung stehen-- z. B. Hotelwäsche bei Hoteldienstleistungen-- und / oder während der Erbringung der Dienstleistung erfolgen. Des Weiteren kommen Kataloge, Prospekte, Rechnungen, Briefbögen sowie Werbemaßnahmen in Frage. 293 Gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Dies gilt auch dann, wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt wird, ebenfalls eingetragen ist. Die Benutzung einer Unionsmarke in der Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, gilt als Benutzung der eingetragenen Marke (Art. 18 Abs. 1 lit. a UMV ). Beide Regelungen stellen darauf ab, dass eine Marke in veränderter Form verwendet werden kann, soweit-- aus Sicht des Verbrauchers-- die Marke in veränderter Form in ihren charakteristischen Merkmalen der eingetragenen Marke entspricht, so dass der Gesamteindruck des Zeichens im Wesentlichen nicht verändert wird. Zusätzliche Elemente in einer Markenbenutzung sind im Einzelfall dann unschädlich, wenn sie eine untergeordnete Stellung im Gesamteindruck einnehmen, eine schwache Unterscheidungskraft aufweisen 294 und nicht mit dem eingetragenen Zeichen erkennbar verbunden sind. 295 Der Eu GH hatte im Zusammenhang mit der Rechtsfigur einer Markenserie bzw. Markenfamilie festgestellt, dass Art. 15 Abs. 1 lit. a GMVO (a. F., nunmehr Art. 18 UMV ) es nicht erlaube, den Nachweis der Benutzung einer eingetragenen Marke auf eine andere eingetragene Marke, deren Benutzung nicht nachgewiesen ist, mit der Begründung auszuweiten, das die andere Marke nur eine leichte Abwandlung der erstgenannten Marke darstelle. 296 Diese Rechtsprechung ist überholt. 297 Die Beurteilung, ob eine abweichende Benutzung den kennzeichnenden Charakter der Marke verändert, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, wobei auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist. 298 Dabei ist zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise auf diejenigen Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen-- ihrer gattungsmäßigen Art nach sowie nach ihren objektiven Merkmalen-- nachfragen. 299 In der Regel sind Modernisierungen der Schriftweise-- sofern sie die üblichen Schriftarten betreffen-- unkritisch, ebenso die Änderung von Größenverhältnissen sowie die Ergänzung von Wortmarken durch grafische Verzierungen oder die Ergänzung von Wortmarken durch 293 BGH GRUR 2008, 616, 617 (Rdn. 13) „ AKZENTA “; BGH GRUR 2010, 270, 271 (Rdn. 17) „Atoz III “. 294 EuG GRUR Int. 2011, 60, 62-63 (Rdn. 42) „ ATLAS TRANSPORT “. 295 BGH GRUR 2017, 1043 „Dorzo“. 296 Eu GH GRUR 2008, 343, 345 (Rdn. 86) „Bainbridge“. 297 Eu GH GRUR 2012, 1257 (Rdn. 30) „Voraussetzungen rechtserhaltender Benutzung von weiterentwickelten Markenformen-- Rintisch [ PROTI ]“. 298 Vgl. BGH GRUR Jahr 2002, 167, 168 „Bit / Bud“; BGH GRUR 2009, 772 (Rdn. 39 u. 44) „Augsburger Puppenkiste“; BGH GRUR 2013, 68 (Rdn. 14) „Castell / VIN CASTEL “; BGH GRUR 2010, 729 (Rdn. 17) „ MIXI “; BGH GRUR 2011, 623 (Rdn. 55) „Peek & Cloppenburg II “. 299 BGH GRUR 2008, 710 (Rdn. 32) „ VISAGE “; BGH GRUR 2013, 725, 728 (Rdn. 32) „Duff Beer“. 306 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer glatt beschreibende Zusätze. Allerdings reicht der Ersatz einer Wortmarke durch deren grafische Beschreibung für eine rechtserhaltende Benutzung nicht aus. 300 Auch bei anderen Markentypen-- seien es Hörmarken, abstrakte Farbmarken oder dreidimensionale Marken-- gelten die gleichen Grundsätze. So kann eine dreidimensionale Marke zweidimensional wiedergegeben werden, wenn ihre charakteristischen der dreidimensionalen Form geschuldeten Merkmale in der zweidimensionalen Wiedergabe dargestellt werden. Bei abstrakten Farbmarken dürfte eine ernsthafte Benutzung in der Regel auf die Farbidentität beschränkt sein. Bei der Mehrfachkennzeichnung-- z. B. durch eine Dachmarke und eine Produktmarke-- können beide Marken eine betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen, sofern der Verkehr diese als zwei Marken auffasst. Dies ist der Fall, wenn das angesprochene Publikum die eine Kennzeichnung als eine Art Unternehmenskennzeichen und als Stamm einer Serienmarke und das andere Zeichen als sog. „Subbrand“ oder als zwei jeweils mit dem Zusatz ® versehene und einem Pluszeichen i. S. v. einer Aufzählung verbundene Wortzeichen wahrnimmt. 301 Eine Marke muss für die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt werden. Die Benutzung für lediglich ähnliche Waren reicht für die Benutzung der eingetragenen Marken nicht aus. In Kollisionsfällen stellt sich häufig die Frage, für welche Waren bzw. Dienstleistungen die Benutzung rechtserhaltend ist, wenn in dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der fraglichen Marke weitergehende Begriffe- - insbesondere Oberbegriffe-- genannt sind. Zunächst wären die Waren bzw. Dienstleistungen, für die eine Benutzung vorliegt, unter den Waren bzw. Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, zu subsumieren (Subsumtion). Alsdann sei festzustellen, ob die Benutzung nur eine spezielle Ware oder Dienstleistung erfasst oder auch für die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vermerkten Oberbegriffe der speziellen Waren und Dienstleistungen als benutzt anerkannt werden könnten („Integrationsfrage“ nach Ströbele). 302 Das Bundespatentgericht hat hinsichtlich der Integrationsfrage das Institut der „erweiterten Minimallösung“ 303 entwickelt, wobei die vom BGH entwickelten Grundsätze 304 letztendlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Demzufolge würde zunächst von den konkret benutzten Waren und Dienstleistungen ausgegangen und dann-- unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit-- ein die konkrete Ware oder Dienstleistung umfassender Oberbegriff gewählt, der für die Anerkennung der Benutzung angemessen und gerechtfertigt erschiene. 305 Für den Inhaber einer Marke besteht gem. § 26 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG genauso wie nach Art. 18 Abs. 1 letzter Halbsatz UMV die Möglichkeit, berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke geltend zu machen. Dieser Ausnahmetatbestand ist beschränkt auf wenige Ausnahmefälle, in denen es dem Markeninhaber aufgrund von in unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke stehenden Umständen, die er selbst nicht zu verantworten 300 BP atG GRUR 1979, 244, 245 ff. „Herz-Kaffee“. 301 BGH GRUR 2005, 515 „Ferrosil“; BGH GRUR 2014, 662 „Probiotik“; BGH GRUR 2017, 1043 ff. „Dorzo“. 302 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 254-271; dort Angabe von Beispielen. 303 Z. B. BP atG GRUR 2004, 954, 955 ff. „Zynaretten / Circanetten“. 304 BGH GRUR 1990, 39, 40 ff. „Taurus“. 305 Eu GH GRUR Int. 2005, 914, 915 ff. „Aladin“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 10, 11) „Maalox / Melox- GRY “. 307 § 50 Marken als Vermögensgegenstand Fischer hat, nicht möglich oder unzumutbar war, die Marke ernsthaft zu benutzen. 306 Als berechtigte Gründe werden höhere Gewalt, staatliche Einfuhrverbote sowie der nicht rechtzeitige Abschluss von vorgeschriebenen behördlichen Zulassungsverfahren, insbesondere in der Pharmazie, anerkannt. 307 § 50 Marken als Vermögensgegenstand I. Rechtsübergang und dingliche Rechte Kennzeichen und Marken können erhebliche Werte darstellen, wie sich nicht zuletzt aus den in regelmäßigen Abständen publizierten Markenwerten berühmter Marken ergeben. Wenn auch die Bewertung von Marken zuweilen noch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt-- was zum Großteil mit den recht komplexen Zusammenhängen zusammenhängt, die in eine Markenbewertung Eingang finden,-- so besteht Konsens darüber, dass Marken einen sehr bedeutenden Anteil am Wert eines Unternehmens haben können. Die einer Markenbewertung zugrunde liegenden Kriterien und die von ihr zu erfüllende Mindestanforderungen sind in der Norm DIN ISO 10 668 niedergelegt und im Einzelnen von Fischer / Menninger und Fischer kommentiert. 308 Wie auch andere immaterielle Vermögenswerte-- seien es technische Schutzrechte, Rechte am Design oder Urheberrechte-- gewinnen sie immer mehr an Bedeutung in einer globalisierten Wirtschaft. Eine Marke als freies Wirtschaftsgut ist seit dem 1. 5. 1992 (§ 47 Nr. 3 ErstrG) frei übertragbar, d. h. nicht mehr akzessorisch an den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens gebunden. Das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene MarkenG hat die Akzessorietät der Marke fast vollständig beseitigt. Somit ist bei der Markenanmeldung kein Geschäftsbetrieb mehr erforderlich. Reste der Akzessorietät finden sich in § 27 Abs. 2 MarkenG, wo im Zweifel die Marke gemeinsam mit dem Geschäftsbetrieb oder Teil des Geschäftsbetriebes, zu dem die Marke gehört, übergeht. Die freie Übertragbarkeit erfasst nicht nur die im Register eingetragene Marken, sondern auch die in § 4 Nr. 2 und 3 MarkenG genannten durch Verkehrsgeltung erworbenen Marken sowie notorische Marken (§ 27 Abs. 1 MarkenG). Im Gegensatz dazu sind geschäftliche Bezeichnungen an den Geschäftsbetrieb gebunden und können nur mit diesem übertragen werden. Allerdings können besondere Geschäftsbezeichnungen zusammen mit der Übertragung eines Teils des Geschäftsbetriebs, für den die Bezeichnung benutzt werden, übertragen werden. Anders als bei den Marken können an einem akzessorischen Unternehmenskennzeichen auch keine gesonderten dinglichen Rechte entstehen. Marken können im Gegensatz zu Unternehmenskennzeichen gepfändet oder zur Sicherung übertragen werden (§ 29 Abs. 1 MarkenG). 306 Eu GH GRUR 2007, 702, 705 (Nr. 45 ff.) „Armin Häuptl / Lidl“. 307 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 81-95. 308 Fischer / Menninger in Fezer 2016, Hdb. Markenpraxis II 2, 2471-2547 „Monetäre Markenbewertung“; Fischer in FS Fezer 2016, „Monetäre Markenbewertung in der Rechts- und Unternehmensberatung-- die DIN ISO 10 668“. 308 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Ob Titel ohne das zugrunde liegende Werk übertragen werden können, ist strittig. Ingerl / Rohnke 309 und Brandi-Dohrn 310 vertreten die Auffassung, dass aufgrund der Nähe zu den Marken auch Titel übertragbar seien. Dies sei wirtschaftlich sinnvoll, wenn ein Werk vergriffen, der Titel aber noch lebendig sei. Im Übrigen sei die Vergabe von Lizenzen an Titeln häufig. Demgegenüber vertritt Hacker 311 die Auffassung, dass dem Titelschutz die namensmäßige individualisierende Kennzeichnung einer geistigen Leistung zugrunde liege und damit Titel und Zeichnungsobjekt untrennbar miteinander verbunden sei. Vor dem 1. 5. 1992 erfolgte Warenzeichenübertragungen ohne gleichzeitige Übertragung des Geschäftsbetriebes, die aber im Register registriert werden konnten- - sog. „Leerübertragungen“-- sind-- unabhängig von den Übergangsregelungen des neuen Markengesetzes (§§ 27 Abs. 1 i. V. m. 152 MarkenG)-- unwirksam. Der Inhaber des Geschäftsbetriebes ist nach wie vor Inhaber der Marke. Der im Markenregister eingetragene vermeintliche Erwerber hat somit keine Verbietungsrechte aus der Marke. Auch IR -Marken als Bündel nationaler Marken (gem. Art. 4 Abs. 1 MMA , Art. 4 Abs. 1a Satz 2 PMMA , §§ 112, 124 MarkenG) können übertragen bzw. teilübertragen werden. Sollte eine Übertragung aus Deutschland (bzw. eines Verbandsmitglied) an ein Nichtverbandsmitglied erfolgen, so verbleibt der deutsche Markeninhaber im Register der IR , da der Erwerber aufgrund seiner fehlenden Verbandszugehörigkeit nicht registriert werden kann. Diskutiert wird noch, ob die Übertragung als solche unwirksam oder wirksam sei, aber Rechte daraus möglicherweise nicht durchsetzbar seien. 312 Die UMV verweist in ihrem Abschnitt über die Unionsmarke als Gegenstand des Vermögens auf das nationale Recht, soweit in der UMV nichts anderes bestimmt ist. Der Rechtsübergang ist in Art. 20 UMV kodifiziert, die dinglichen Rechte in Art. 22 UMV , die Zwangsvollstreckung und das Konkursverfahren in den Art. 23 und 24 UMV . Im Gegensatz zum deutschen Recht kann der Rechtsnachfolger seine Rechte aus der Unionsmarkenanmeldung oder -eintragung erst dann geltend machen, wenn der Rechtsübergang in das Unionsmarkenregister eingetragen worden ist (Art. 20 Abs. 11 UMV ). II. Lizenz Unter Lizenz wird die vertragliche oder dingliche Einräumung von Nutzungsrechten an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen Berechtigten an der Marke verstanden, wie z. B. ein Unterlizenzgeber oder Nießbraucher. Diese positiven Lizenzeinräumungen werden ergänzt durch die sog. „negative Lizenz“, bei der der Lizenzgeber sich lediglich schuldrechtlich verpflichtet, aus seinen Marken gegenüber dem Lizenznehmer nicht vorzugehen, d. h. die Nutzung lediglich duldet. Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung durch den Lizenznehmer im Falle einer negativen Lizenz ist jedoch fraglich. Gegenstand einer Lizenz kann jede der in § 4 MarkenG aufgeführten Marken sein, die für alle oder nur einen 309 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, vor §§ 27-31 Rdn. 7. 310 In v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, § 27 Rdn. 7. 311 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 27 Rdn. 74. 312 Brandi-Dohrn in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, § 27 Rdn. 20. 309 § 50 Marken als Vermögensgegenstand Fischer Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz genießt, in Form einer ausschließlichen oder einfachen Lizenz für das gesamte Gebiet Deutschlands oder nur Teile Deutschlands lizenziert werden kann. Bei Vorliegen entsprechender Rechte können Lizenzen auch an Internationalen Registrierungen, regionalen oder nationalen Kennzeichenrechten bzw. -anmeldungen vergeben werden. 313 Vertiefende Beispiele für die Ausgestaltung verschiedenartiger Lizenzen finden sich bei Fammler 314 und Niebel. 315 Eine ausschließliche (Exklusiv-)Lizenz liegt vor, wenn nur der Lizenznehmer die Marke für die lizenzierten Waren bzw. Dienstleistungen benutzen darf und ihm damit der vollständige wirtschaftliche Nutzen einer Marke zur Verfügung steht, während der Markeninhaber lediglich der formal Berechtigte bleibt. Die Vergabe weiterer Lizenzen für die bereits als ausschließliche Lizenz lizenzierten Waren und Dienstleistungen in einem identischen Gebiet sind nicht erlaubt. Auch der Lizenzgeber ist von der Nutzung der Marke ausgeschlossen. Eine Alleinlizenz liegt dann vor, wenn neben dem ausschließlichen Lizenznehmer auch der Lizenzgeber selbst die Marke für die Waren und Dienstleistungen in dem in Rede stehenden Territorium benutzen darf. Schließlich wird unter einer einfachen Lizenz ein Nutzungsrecht ohne Ausschluss von Dritten vereinbart, wobei dem Markeninhaber vorbehalten bleibt, weitere einfache Lizenzen zu vergeben und / oder die Marke selbst zu benutzen. Der Lizenznehmer erwirbt kein eigenes Recht durch die Benutzung der Lizenzmarke. 316 Im Gegensatz zu der ausschließlichen und Alleinlizenz, die dinglicher Natur sind 317 , stellt die einfache Lizenz nur eine schuldrechtliche Gestattung dar. Die gesetzliche Regelung gem. § 30 Abs. 3 MarkenG bestimmt, dass der Lizenznehmer Klage wegen Verletzung einer Marke nur mit Zustimmung ihres Inhabers erheben darf. S. 2 des Abs. 3 sieht vor, dass der Lizenznehmer jedoch eine solche Klage anhängig machen kann, wenn der Inhaber der Marke nach förmlicher Aufforderung nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist Verletzungsklage erhoben hat. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Art. 25 Abs. 3 S. 2 UMV . Auch besteht eine Beitrittsmöglichkeit des Lizenznehmers zu einer Markenverletzungsklage des Markeninhabers, um seinen eigenen Schadensersatz geltend zu machen (§ 30 Abs. 4 MarkenG). Eine Lizenz kann nicht für Marken erteilt werden, die der eingetragenen Marke verwechselbar ähnlich sind. 318 An den Nachweis eines Lizenz- oder Gestattungsvertrags, aus dem der Lizenzgeber einen Vorrang seines Kennzeichenrechts im Verhältnis zu einem Kennzeichenrecht des Lizenznehmers ableitet, sind regelmäßig keine geringen Anforderungen 313 Fischer / Menninger in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 2, Rdn. 158-181 „Monetäre Markenbewertung“. 314 Fammler, Der Markenlizenzvertrag, 3. Aufl. 2014; Fammler in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 B, Rdn. 56-165 „Ausschließlicher Lizenzvertrag über eine deutsche Marke“; Fammler in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 D, Rdn. 271-383 „Einfache Lizenz (mit Auslandsbezug) einschließlich Steuerproblematik“. 315 Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 C, Rdn. 176-266 „Lizenzvertrag über eine Gemeinschaftsmarke“; Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 E, Rdn. 384-411 „Nutzungsgestattung (begleitende Marke)“; Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 G, Rdn. 452-466 „Markenlizenzvertrag zur Beilegung einer markenrechtlichen Auseinandersetzung“. 316 BGH GRUR 2006, 56 „Boss-Club“. 317 A. A. Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 30 Rdn. 21-26. 318 BGH GRUR 2001, 54 „Subway / Subwear“. 310 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer zu stellen. 319 Von Wichtigkeit ist der Sukzessionsschutz gem. § 30 Abs. 5 MarkenG, der Lizenznehmern das Nutzungsrecht auch im Falle einer Markenübertragung im Verhältnis zum Rechtsnachfolger sichert. Der Rechtsnachfolger der Marken muss die mit den Lizenzen belasteten Marken akzeptieren. Grundsätzlich kann diese gesetzliche Regelung wie auch die nur mit Zustimmung des Markeninhabers mögliche Klagebefugnis vertraglich abbedungen werden. 320 Diskutiert werden im Zusammenhang mit dem Sukzessionsschutz die BGH -Entscheidungen „M2Trade“ und „Take Five“, nach denen eine Unterbrechung der Lizenzkette nicht automatisch zu einem Wegfall der Nutzungsrechte auf der nachgelagerten Lizenzstufe führen und dem Hauptlizenzgeber als Ausgleich für diese Duldungspflicht lediglich ein Bereicherungsanspruch zustehen soll und damit den Lizenznehmer-- mit dem keine Vertragsbeziehung besteht-- privilegiert. 321 Die gesetzlichen Regelungen zu Marken als Gegenstand des Vermögens gelten entsprechend auch für Markenanmeldungen (§ 31 MarkenG). Auch in der UMV wird die Lizenz in Art. 25 UMV und deren Wirkung in Art. 27 behandelt. Im Unterschied zum MarkenG ist der Sukzessionsschutz in der UMV nicht geregelt. Allerdings gilt aufgrund des Verweises auf das nationale Recht (Art. 19 UMV ) der Sukzessionsschutz für Unionsmarken über die jeweiligen nationalen Regelungen. Anders als nach dem MarkenG sieht Art. 25 Abs. 5 UMV die Registereintragung einer Erteilung oder eines Übergangs einer Lizenz an einer Unionsmarke sowie deren Veröffentlichung vor. Erst ab der Lizenzregistrierung wirkt die Lizenz gegenüber Dritten, sofern der Dritte nicht bereits vorher von deren Erteilung wusste (Art. 27 Abs. 1 UMV ). Im Gegensatz zum bisherigen § 30 Abs. 3 MarkenG hat der ausschließliche Lizenznehmer gemäß Art. 25 Abs. 3 S. 2 UMV ein eigenes Verletzungsklagerecht, sollte der Markeninhaber nach Aufforderung des Lizenznehmers nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist Verletzungsklage erheben. Diese Regelung ist durch das MaMoG dem modernisierten § 30 Abs. 3 MarkenG durch S. 2 hinzugefügt worden. Gem. Art. 25 Abs. 2 UMV kann der Markeninhaber die Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend machen, wenn dieser hinsichtlich der Dauer der Lizenz, der von der Eintragung erfassten Form, in der die Marke verwendet werden darf, der Art der Waren oder Dienstleistungen, für die die Lizenz erteilt wurde, des Gebietes, in dem die Marke angebracht werden darf, oder der Qualität der vom Lizenznehmer hergestellten Waren oder erbrachten Dienstleistungen gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstößt. Dieser Katalog ist abschließend. Beispielsweise kann der Verkauf von Prestigewaren durch den Lizenznehmer an Discounter, die nicht einem durch einen Lizenzvertrag errichteten selektiven Vertriebsnetz angehören, durch Schädigung der luxuriösen Ausstrahlung geeignet sein, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen. 322 319 BGH GRUR 2013, 1150, 1154 (Rdn. 51) „Kollision zwischen älterem Unternehmenskennzeichen und jüngerer Marke-- Baumann“. 320 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 30 Rdn. 94. 321 BGH GRUR 2012, 916 ff. „M2Trade“; BGH GRUR 2012, 914 „Take Five“; Die Diskussion im Einzelnen s. McGuire / Kunzmann GRUR 2014, 28 ff. „Sukzessionsschutz und Fortbestand der Unterlizenz nach „M2Trade“ und „Take Five“-- ein Lösungsvorschlag“. 322 Eu GH GRUR Int. 2009, 716, 718 (Nr. 25-27) „Copad / Dior“; bestätigend Eu GH Eu ZW 2018, 122, 123 (Nr. 24 ff.) „Plattformverbote im Internetvertrieb von Luxuswaren zulässig“. 311 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Nach Inkrafttreten des MaMoG können nunmehr Lizenzerteilungen gem. § 30 Abs. 6 MarkenG in das deutsche Register eingetragen werden. Damit wird Art. 25 Abs. 5 Marken RL umgesetzt. Das DPMA trägt auf Antrag des Inhabers der Marke oder des Lizenznehmers (gem. § 42a Abs. 2 MarkenV) die Erteilung einer Lizenz (S. 1) oder eine Änderung an dieser (S. 2) in das Register ein, wenn ihm die Zustimmung des anderen Teils nachgewiesen wird. Auf Antrag des Markeninhabers oder des Lizenznehmers wird die Eintragung der Lizenz gelöscht (S. 3 und 4), wobei der Löschungsantrag des Markeninhabers des Nachweises der Zustimmung des bei der Eintragung benannten Lizenznehmers oder seines Rechtsnachfolgers bedarf. Parallele Vorschriften finden sich in Art. 25 Abs. 5 und 6 der UMV . § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Das Eintragungs- und das Widerspruchsverfahren sowie die Berichtigung, Teilung, Schutzdauer, Verlängerung und die Regelungen über den Verzicht, den Verfall und die Nichtigkeit und das Löschungsverfahren sind im dritten Teil des MarkenG in §§ 32 bis 55 kodifiziert. Ergänzend dazu ist die MarkenV 323 erlassen worden, die neben zwingenden Erfordernissen auch eine Reihe von Soll-Vorschriften enthält, die der Effizienz und Vereinheitlichung des Verfahrens vor dem DPMA dienen. I. Eintragungsverfahren 1. Anmeldung Die Anmeldung zur Eintragung einer Marke muss unter Verwendung des vom DPMA herausgegebenen Formblattes erfolgen, wobei ▶ Angaben zum Anmelder, eine ▶ Angabe zur Form der Marke, eine ▶ Wiedergabe der Marke sowie ein ▶ Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen, die unter Schutz gestellt werden sollen, enthalten sein müssen. Um die Identität des Anmelders (§ 32 Abs. 2 MarkenG) festzustellen, wird in § 5 Abs. 1 MarkenV die Angabe des Vor- und Familiennamens bei natürlichen Personen oder-- falls die Eintragung unter der Firma des Anmelders erfolgen soll-- die Firma, wie sie im Handelsregister eingetragen ist, gefordert. Im Falle einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft ist der Name dieser Person bzw. Gesellschaft ggf. entsprechend der Registereintragung zu nennen. Des Weiteren ist die vollständige Anschrift des Anmelders anzugeben. Um das weitere Erfordernis der Wiedergabe der Marke zu erfüllen, ist diese hinsichtlich der Markenform zu qualifizieren. Als Wortmarken werden Marken bezeichnet, die aus Wörtern, Buchstaben, Zahlen oder sonstigen Schriftzeichen bestehen, die sich mit der 323 Verordnung zur Ausführung des MarkenG (MarkenV) vom 11. 5. 2004, Bl. f. PMZ , 2004, 301, geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 17. 12. 2004, Bl. f. PMZ , 2005, 45. 312 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer vom DPMA verwendeten üblichen Druckschrift darstellen lassen. Unter Bildmarken sind diejenigen Marken zu verstehen, die aus Bildern, Bildelementen oder Abbildungen ohne Wortbestandteile bestehen. Die Kombination von Wort- und Bildbestandteilen oder Wörter, die grafisch gestaltet sind, werden als Wort-/ Bildmarken bezeichnet. Diese Kombinationsmarken werden den Bildmarken zugeordnet. Dreidimensionale Marken sind dreidimensional gestaltete Zeichen. Akustische, hörbare Marken, die aus Tönen bestehen wie z. B. einer kurzen Melodie, werden als Hörmarken klassifiziert. Die eher untergeordnete Bedeutung aufweisenden Kennfadenmarken bestehen aus farbigen Streifen oder Fäden, die auf bestimmten Produkten wie Kabeln, Drähten oder Schläuchen angebracht sind. Alle übrigen Kennzeichen, die eine Herkunftsfunktion ausüben und keiner der soeben genannten Markenformen zuzuordnen sind, fallen unter die Kategorie „sonstige Markenform“. Als Beispiele hierfür seien Farbmarken, bestehend aus einer konturlosen Farbe oder der Kombination mehrerer Farben, genannt. Die Markenform ist in dem Antrag zwingend anzugeben. Die Marke selbst muss derart wiedergegeben werden, dass mit Bestimmtheit festgestellt werden kann, was genau unter Schutz gestellt werden soll. 324 Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, für das die Eintragung einer Marke beantragt wird, muss in gruppierter Form der Anmeldung beigefügt werden. Eine nachträgliche Einreichung oder Erweiterung des Verzeichnisses ist nicht möglich. Die Gruppierung der Waren- und Dienstleistungen, für die Schutz beantragt wird, ist seit der Neufassung der MarkenV vom 11. 5. 2004 verpflichtend. Diese Gruppierung geht-- wie auch andere Anmelderegularien-- auf den Markenrechtsvertrag ( TLT ) vom 27. 10. 1994 zurück. 325 Die einzelnen Waren und Dienstleistungen sind so zu bezeichnen, dass die Klassifikation jeder einzelnen Ware oder Dienstleistung in eine Klasse möglich ist (§ 20 Abs. 1 MarkenV). Grundlage für die Klasseneinteilung ist das Abkommen von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken ( NKA ). 326 In Art. 3 der NKA ist die Bildung eines Sachverständigenausschusses geregelt, in dem jedes Land der NKA vertreten ist. Dieser Ausschuss entscheidet über die Abänderungen der Klassifikation und erarbeitet u. a. Empfehlungen, um die Klassifikation zu erleichtern und ihre einheitliche Anwendung zu fördern (Art. 3 Abs. 3 NKA ). Der Sachverständigenausschuss hat die Klasseneinteilung der internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für Fabrik- und Handelsmarken gem. NKA durch die Bekanntmachung vom 20. 12. 2001 von 42 auf 45 Klassen erweitert, die zum 1. 1. 2002 in Kraft trat. Alle drei neuen Klassen enthalten Dienstleistungen, die vorher anderen Klassen-- insbesondere der alle sonstigen Dienstleistungen enthaltende Klasse 42-- zugeordnet waren. Seit der 10. Ausgabe der NKA gibt es jährliche „Versionen“, die neue Warenbzw Dienstleistungseinträge oder -streichungen bestehender Einträge vorsehen können. Größere strukturelle Änderungen (Klassenänderungen, Schaffung neuer Klassen, Streichung bestehender Klassen) bleiben den alle 5 Jahre erscheinenden „Ausgaben“ vor- 324 DPMA , Wie melde ich eine Marke an? Merkblatt, Ausgabe März 2017; https: / / www.dpma.de/ docs/ formulare/ marken/ w7731.pdf; Letzter Aufruf: 02-2018. 325 Markenrechtsvertrag, Genf vom 27. 10. 1994, Bl. f. PMZ 2004, Seite 385; Tabu DPMA , 657, April 2005. 326 Vom 15. 6. 1957, zuletzt revidiert in Genf am 13. 5. 1977, seit dem 12. 1. 1982 in Deutschland in Kraft; Bl. f. PMZ 1981, 303, geändert am 2. 10. 1979, Bl. f. PMZ 1984, 319; Tabu DPMA 655. 313 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer behalten. Im „Nizzaer Elektronischen Forum“ finden sich Informationen über die Aktivitäten und Dokumente des Nizzaer Verbandes. 327 Die durch die 10. Ausgabe notwendigen Änderungen sind vom DPMA bei Inkrafttreten am 1. 1. 2012 umgesetzt und publiziert worden. 328 Unter den Klasseneinteilungen sind sämtliche Waren und Dienstleistungen zu subsumieren, auch wenn diese nicht konkret in der Klassifikation angegeben sind. Im Gegensatz zu dem Erfordernis der Wiedergabe der Marke kann in Bezug auf die anzugebenden Waren und Dienstleistungen zunächst ein unkonkretisierter Umfang von Waren und Dienstleistungen beantragt werden, wie z. B. durch die Angabe der Klassenzahl 4 alle erdenklichen Waren, die zu dieser Klasse gehören. Sie müssen-- da dies einen Mangel darstellt-- innerhalb einer vom DPMA gesetzten Frist konkretisiert werden. Eine Erweiterung ist unzulässig. Weitere Anmeldeerfordernisse werden in der MarkenV in den §§ 2-16 und 20 MarkenV bestimmt. Sofern die Anforderungen des § 32 Abs. 2 MarkenG sowie die zwingenden Vorschriften der MarkenV vom Anmelder nicht erfüllt werden, hat dies die in § 36 Abs. 2 MarkenG festgelegten Rechtsfolgen. Sie bestehen entweder in der Fiktion der Zurücknahme der Anmeldung oder in der Zuerkennung desjenigen Tages als Anmeldetag, an dem die Mängel fristgerecht beseitigt worden sind. Zu beachten ist, dass sowohl das NKA als auch die deutsche Rechtsprechung von dem handelsrechtlichen Warenbegriff im Sinne beweglicher Sachen ausgeht, so dass für Immobilien eine Einordnung unter einer Warenklasse ausgeschlossen ist. 329 Nicht ausgeschlossen sind Dienstleistungen im Umfeld von Immobilien wie denen eines Immobilienmaklers. Zugelassen ist nunmehr auch die Ware „elektrische Energie“ in Klasse 4. Zulässig sind auch Dienstleistung eines Einzelhandels (in Klasse 35) wie z. B. „Großhandels- und Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel“, „Dienstleistungen des Einzel-/ Großhandels über das Internet“ oder „Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshoppingsendungen“ mit jeweils der konkreten Angabe von Waren oder Arten von Waren 330 . Der Eu GH hatte in seiner Entscheidung „Praktiker“ in Bezug auf die Definition des Begriffes „Dienstleistungen“ auf Art. 50 EG verwiesen, der Dienstleistungen als Leistungen beschreibe, die in der Regel gegen Entgelt erbracht würden. 331 In der Mitteilung Nr. 34 / 05 des Präsidenten des DPMA über die Zulässigkeit der Dienstleistungsbezeichnung „Einzelhandelsdienstleistungen“ wird auf diese Entscheidung Bezug genommen. Notwendig sind Angaben in Bezug auf die Waren oder die Arten der Waren, auf die sich die Dienstleistungen beziehen. Das EUIPO hat in Zusammenarbeit mit einer Reihe europäischer Markenämter die Datenbank „ TM class“ 332 entwickelt, in der interaktiv die Zuordnung von Waren und / oder 327 Abrufbar unter: https: / / www3.wipo.int/ nef/ public/ nice (letzter Abruf 02 / 2018). 328 Mitteilung der Präsidentin Nr. 5 / 16, vom 23. 11. 2016, „Über die 11. Ausgabe der Internationalen Klassifikation von Nizza-[…]“ abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ mitteilungen/ 2016/ mdp_05_2016.html (letzter Abruf: 02 / 2018). 329 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 9. 330 Mitteilung des Präsidenten Nr. 34 / 05, vom 22. 11. 2005, Bl. f. PMZ , 2005, 405; Tabu DPMA 499, Mitt. DPMA , 559. 331 Eu GH GRUR 2005, 764, 766 „Praktiker“. 332 Abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ ec2/ (letzter Abruf 02 / 2018). 314 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Dienstleistungen zu den jeweiligen Klassen ermittelt werden kann. Außerdem können Bezeichnungen von Waren und Dienstleistungen angezeigt werden, die von den an TM class teilnehmenden Ämtern anerkannt werden. Für Markenanmeldungen beim DPMA sind die in TM class hinterlegten Begriffe seit dem 12. 11. 2013 zugelassen. 333 2. Anmeldetag Als Anmeldetag einer Marke gilt der Tag, an dem die Unterlagen zumindest mit den Angaben nach § 32 Abs. 2 MarkenG (Identität des Anmelders, Wiedergabe der Marke, Verzeichnis der Waren und / oder Dienstleistungen) beim DPMA oder bei einem der Patentinformationszentren, die im Bundesgesetzblatt vom BMJ bekannt gemacht worden sind, 334 eingegangen sind (§ 33 Abs. 1 MarkenG). Für die Anmeldung ist auch eine Gebühr zu zahlen- - deren Zahlung jedoch nicht Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetages ist-- die mit Inkrafttreten des Kostenbereinigungsgesetzes vom 1. 1. 2002 im PatKostG 335 festgelegt ist, auf das § 64a MarkenG verweist. Die Gebühr wird mit der Einreichung der Markenanmeldung fällig und umfasst Klassengebühren für die ersten drei gebührenpflichtigen Klassen. Für jede weitere Klasse ist eine Klassengebühr zu entrichten, die ebenfalls mit der Einreichung der Markenanmeldung fällig wird. Die Zahlung der Anmelde- und ggf. gesonderter Klassengebühren muss innerhalb von 3 Monaten ab Fälligkeit erfolgen. Die UMV regelt unter dem Titel III die Anmeldung der Unionsmarke im ersten Abschnitt die Einreichung und Erfordernisse der Anmeldung. Hierbei sind die Erfordernisse dem des deutschen Rechtes gleich; allerdings wird einer europäischen Unionsmarkenanmeldung nur dann ein Anmeldetag zuerkannt, wenn die Anmeldegebühren innerhalb eines Monats nach Anmeldung gezahlt werden. Dieser Unterschied wirkt sich bei der Inanspruchnahme des Anmeldetages als Prioritätstag bei Anmeldungen in anderen Jurisdiktionen aus. Mit der Feststellung des Anmeldetages erhält der Anmelder einen Anspruch auf Eintragung der deutschen Marke, sofern alle Anmeldeerfordernisse erfüllt sind und kein absolutes Eintragungshindernis dem entgegensteht (§ 33 Abs. 2 MarkenG). Gleichzeitig kann die Markenanmeldung veröffentlicht werden, um-- im Gegensatz zu der Zeit vor dem 1. 7. 1998, als die Markenanmeldungen erst mit ihrer Eintragung veröffentlicht wurden-- die Allgemeinheit frühzeitig über neu entstehende Rechte zu informieren, um ggf. die eigenen Handlungen daran anzupassen (§ 33 Abs. 3 MarkenG i. V. m. § 23 MarkenV). Ein Recht auf Eintragung einer Markenanmeldung enthält die UMV nicht. 333 Mitteilung der Präsidentin Nr. 9 / 13 vom 1. 10. 2013, Bl. f. PMZ 2013, 361 „Über die europaweit harmonisierte Klassifikationspraxis der Markenabteilungen ab 12. November 2013“; Hinweis zur Mitteilung Nr. 9 / 13 der Präsidentin v. 1. 10. 2013 Bl. f. PMZ 2014, 33 „… über die international harmonisierte Klassifikationspraxis der Markenabteilungen“; siehe auch: „Nutzungsanleitung für die einheitliche Klassifikationsdatanbank“, Abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ docs/ marken/ nutzungsanleitung_ekdb. pdf (letzter Abruf 03 / 2018). 334 Tabu DPMA , Anhang V. 335 Patentkostengesetz, Tabu DPMA 340 vom 13. 12. 2001, Bl. f. PMZ , 2000, 14, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9. 12. 2004, Bl. f. PMZ 2005, 3. 315 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer 3. Priorität Bei einer früheren ausländischen Anmeldung kann deren Zeitrang (Priorität) in Anspruch genommen werden, wobei sich die Inanspruchnahme nach den Vorschriften der entsprechenden Staatsverträge sowie dem TRIPS -Abkommen 336 (Art. 2 Abs. 1 TRIPS ) richtet, in dem sich die Vertragspartner bzw. Mitglieder verpflichten, die einschlägigen Regelungen der PVÜ 337 anzuwenden. Gemäß Art. 4 A. Abs. 1-3 PVÜ genießt derjenige oder sein Rechtsnachfolger ein Prioritätsrecht, der nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine nationale Anmeldung hinterlegt hat, der ein Anmeldetag zuerkannt worden ist, wobei das spätere Schicksal dieser Anmeldung ohne Bedeutung ist. Artikel 4 C. PVÜ nennt als Prioritätsfrist 6 Monate für Fabrik- oder Handelsmarken, die im Zeitpunkt der Hinterlegung der ersten Anmeldung beginnt, wobei der Tag der Hinterlegung selbst nicht in die Frist eingerechnet wird. Die Prioritätsanmeldung sowie die Nachanmeldung müssen übereinstimmen, und zwar hinsichtlich der Zeichen als auch der Waren und Dienstleistungen. Zwar findet sich weder in § 34 MarkenG noch in der PVÜ hierzu eine Vorschrift, jedoch wird allgemein die Ansicht vertreten, dass ein Prioritätsrecht nur für ein nahezu identisches Zeichen in Anspruch genommen werden könne. 338 Begründet wird die Auffassung damit, dass für Telle-quelle- Marken nach Art. 6 quinquies C. Abs. 2 PVÜ geregelt sei, dass Fabrik- oder Handelsmarken nicht allein deshalb zurückgewiesen werden dürften, weil sie von den im Ursprungsland geschützten Marken nur in Bestandteilen abwichen, die gegenüber der im Ursprungsland eingetragenen Form die Unterscheidungskraft der Marken nicht beeinflussten und ihre Identität nicht berührten. Insoweit sind nur minimale Abweichungen in unwesentlichen Bestandteilen zulässig, da ansonsten die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wäre. Dies kann analog auf Zeichen angewendet werden, für die gemäß § 34 MarkenG eine frühere ausländische Priorität beansprucht wird. Der Eu GH legt das Kriterium der Identität von Zeichen und Marke restriktiv aus 339 . Ein Sonderfall der Priorität ist die Ausstellungspriorität, die denjenigen Anmeldern gewährt wird, die Waren und Dienstleistungen unter der angemeldeten Marke auf einer amtlichen oder amtlich anerkannten internationalen Ausstellung oder einer sonstigen inländischen oder ausländischen Ausstellung zur Schau gestellt haben. Sie können innerhalb von 6 Monaten seit der erstmaligen Zurschaustellung ein Prioritätsrecht in Anspruch nehmen (§ 35 Abs. 1 MarkenG). Die in Frage kommenden Ausstellungen werden vom BMJ im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. Allerdings verlängert die Ausstellungspriorität nicht die generelle Prioritätsfrist nach § 34 MarkenG (§ 35 Abs. 5 MarkenG). Prioritäten können auch nur teilweise in Anspruch genommen werden (Teilpriorität), z. B. in dem Fall, in dem die Voranmeldung weniger Waren oder Dienstleistungen enthält. Auch 336 Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights ( TRIPS ), Tabu DPMA 699a. 337 In Art. 4 PVÜ , der gem. § 34 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG auch für Dienstleistungen beansprucht werden kann. 338 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 34 Rdn. 5; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 34 Rdn. 14. 339 Eu GH GRUR 2003, 422, 423 (Nr. 16) „Arthur / Arthur et Félicie“. 316 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ist denkbar, aus mehreren ausländischen Markenanmeldungen die Priorität innerhalb der gesetzlichen Frist in Anspruch zu nehmen, z. B. wenn diese verschiedene Waren und / oder Dienstleistungen aufweisen. Nicht jedoch kann eine Priorität in Bezug auf zwei verschiedene Bestandteile eines Zeichens in Anspruch genommen werden wie beispielsweise einem Bild und / oder einem Wortbestandteil. Im Unionsmarkenrecht finden sich Regeln zum Prioritätsrecht in Art. 34 bis 37 UMV sowie insbesondere in Art. 4 der UMDV . Inhaltlich bestehen keine Abweichungen zum deutschen Recht. Allerdings gibt es Unterschiede in Bezug auf die für die Inanspruchnahme der Priorität zu erbringenden Nachweise und die Fristen (Art. 4 u. 5 UMDV ). In Bezug auf die Ausstellungspriorität entspricht die UMV den Regelungen im deutschen Recht. Jedoch kann die Ausstellungspriorität nur für Ausstellungen anerkannt werden, die eine amtliche anerkannte internationale Ausstellung i. S. des am 22. 11. 1928 in Paris unterzeichneten Übereinkommens über internationale Ausstellungen ist (Art. 38 UMV , Art. 7 UMDV ). An dieser Stelle soll auf eine Besonderheit des europäischen Unionsmarkenrechts hingewiesen werden, nämlich die Inanspruchnahme des Zeitranges (Seniorität) einer nationalen Marke (eines oder mehrerer Mitgliedstaaten der EU ), die in den Art. 39 und 40 der UMV und Art. 6 UMDV kodifiziert ist. Demzufolge erhält der Inhaber einer in einem Mitgliedsstaat oder einer mit Wirkung für einen Mitgliedsstaat registrierten älteren ( IR -) Marke, der eine identische Marke zur Eintragung als Unionsmarke für Waren und Dienstleistungen anmeldet, die mit denen identisch ist, für welche die ältere Marke eingetragen ist, die Möglichkeit, für die Unionsmarke den Zeitrang der älteren Marke in Bezug auf den Mitgliedsstaat in dem oder für den sie eingetragen ist, in Anspruch zu nehmen. Die als Seniorität bezeichnete Inanspruchnahme des Zeitranges eines älteren nationalen Rechts innerhalb der Europäischen Union verschafft dem Inhaber die Möglichkeit, dieselben Rechte aus diesen älteren Senioritätsmarken in Anspruch zu nehmen, selbst wenn er später auf diese verzichtet oder sie auslaufen lässt. Eine Inanspruchnahme der Seniorität ist auch nach Eintragung der Unionsmarke möglich (Art. 40 UMV ). 4. Prüfung des Patent- und Markenamtes Das DPMA prüft nach Eingang der Markenanmeldung, ob die Anmeldung der Marke den Erfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetages sowie den sonstigen Anmeldeerfordernissen entspricht, ob die Gebühren in ausreichender Höhe gezahlt worden sind und ob der Anmelder Inhaber einer Marke gemäß § 7 MarkenG sein kann. Das Prüfungsverfahren beim DPMA enthält eine Reihe an formellen und materiellen Prüfungsschritten der Markenanmeldung, die-- sofern keine Mängel vorhanden sind-- zur Eintragung der Marke führen. Sind jedoch Mängel vorhanden, wird der Anmelder in einem Beanstandungsbescheid aufgefordert, diese Mängel zu beheben. Sofern die Mängel nicht abgestellt werden, erfolgt ein Zurückweisungsbeschluss, der durch Rechtsbehelf- - sei es mittels Erinnerung beim DPMA oder Beschwerde beim Bundespatentgericht-- angegriffen 317 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer werden kann. Gegen den Beschluss des Bundespatentgerichtes kann ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH eingeleitet werden. Das DPMA prüft zunächst die Markenfähigkeit der angemeldeten Marke (bis zum Inkrafttreten des MaMoG auch die grafische Darstellbarkeit des Zeichens) und geht anschließend der Frage nach, ob der Markenanmeldung absolute Schutzhindernisse entgegenstehen. Sofern Mängel bestehen, teilt die für die Prüfung zuständige Markenstelle dem Anmelder die Mängel bei den Anmeldungserfordernissen und bestehenden Schutzhindernissen in einem Beanstandungsbescheid mit und gewährt ihm eine Frist zur Stellungnahme. Beseitigt der Anmelder die Mängel der Anmeldung und / oder räumt er die Bedenken gegen die Schutzfähigkeit der Marke aus, so wird die Marke eingetragen. Werden die Mängel nicht beseitigt, so weist die Markenstelle des DPMA die Anmeldung durch Beschluss zurück, wobei sie eine Entscheidung nur auf Umstände stützen darf, die dem Anmelder mit Gelegenheit zur Äußerung vorher mitgeteilt worden sind, so dass das rechtliche Gehör gewahrt ist. Der Zurückweisungsbeschluss muss im Einzelnen begründet werden (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Im Laufe des Anmeldeverfahrens können die Schutzhindernisse von § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 entfallen, sofern der Anmelder für die Marke Verkehrsdurchsetzung nachweisen kann. Sofern der Anmelder sein Einverständnis erklärt, dass der Tag, an dem die Schutzhindernisse entfallen sind, als Anmeldetag gilt und für die Bestimmung des Zeitranges i. S. des § 6 Abs. 2 MarkenG maßgeblich ist, kann die Eintragung mit einem späteren Zeitrang erfolgen. Selbstverständlich kann die Marke auch nur für einzelne Waren oder Dienstleistungen, denen eines der absoluten Schutzhindernisse entgegensteht, zurückgewiesen werden. Dritte können gem. § 37 Abs. 6 MarkenG schriftliche Bemerkungen mit Erläuterungen, weshalb die angemeldete Marken nicht einzutragen ist, beim DPMA einreichen. Sie sind jedoch nicht Verfahrensbeteiligte. Neben den Zurückweisungsgründen des § 37 Abs. 1 macht § 37 Abs. 3 MarkenG die Zurückweisung wegen Bösgläubigkeit oder wenn sie sich zur Täuschung eignet (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 und 4 MarkenG) zusätzlich von der Ersichtlichkeit der Bösgläubigkeit bzw. der Täuschungseignung abhängig, soweit sich dies aus den Anmeldeunterlagen ergibt. Der guten Ordnung halber soll noch erwähnt werden, dass auch Marken zurückgewiesen werden können, denen eine notorische Marke entgegensteht, die amtsbekannt ist (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 10 MarkenG). 5. Beschleunigte Prüfung Auf Antrag und gegen Zahlung einer zusätzlichen Gebühr von derzeit 200,00 € kann die beschleunigte Prüfung der Anmeldung beantragt werden (§ 38 MarkenG). Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass die Eintragung der Marke innerhalb von 6 Monaten nach dem Anmeldetag erfolgt, um den Zeitrang der nationalen Erstanmeldung für die Internationale Registrierung nur nach dem MMA zu gewährleisten, da das MMA eine eingetragene Marke als Basis vorsieht. Allerdings ist nicht sichergestellt, dass das DPMA die 6-Monats-Frist einhalten kann, insbesondere dann nicht, wenn ein oder mehrere Mängelbescheide ergehen. Eine Rückzahlungspflicht des DPMA für die Beschleunigungsgebühr bei Nichteinhaltung 318 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer der Frist gibt es nicht. Die beschleunigte Prüfung hat wesentlich an Bedeutung verloren, da im Rahmen der Internationalen Registrierung die Regelungen des PMMA Vorrang vor jenen des MMA haben und z. Z. kein Staat mehr nur dem MMA angehört. Eine Eintragung der Marke vor Ablauf der Prioritätsfrist ist somit nicht mehr erforderlich. 6. Rücknahme, Beschränkung, Berichtigung Während des Prüfungsverfahrens kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das vorgelegte Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen einschränken (§ 39 Abs. 1 MarkenG). Mit der Rücknahme ist das Anmeldeverfahren beendet. Eine Rücknahme kommt nur solange in Betracht, wie die Marke noch nicht eingetragen oder die Zurückweisung noch nicht rechtskräftig ist. Ist die Marke bereits eingetragen, kann der Markeninhaber nur noch den vollständigen oder teilweisen Verzicht erklären (§ 48 MarkenG), der zur (Teil-)Löschung-- ggf. erst nach Zustimmung des im Register vermerkten Inhabers, sofern sich dieser von dem materiell Berechtigten unterscheidet-- der Marke im Register führt. Auf Antrag des Inhabers kann die Anmeldung im Hinblick auf sprachliche Fehler, Schreibfehler oder sonstige offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (§ 39 Abs. 2 MarkenG). Eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der Anmeldung ist möglich, die- - sofern sie vorbehaltlos erfolgt- - als Verzicht auf die dem Verzeichnis entnommenen Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist. Ein Rückgriff auf diese Waren und Dienstleistungen ist nicht mehr zulässig. 340 Die Einschränkung wird in der Regel durch das Streichen von Begriffen aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis bewirkt oder-- sofern Oberbegriffe eingeschränkt werden-- durch das Wort „nämlich“, dem die konkreten Waren und Dienstleistungen, die in dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verbleiben sollen, folgen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass man hinter dem Oberbegriff mittels eines Disclaimers die Waren oder Dienstleistungen ausnimmt, die unter dem Oberbegriff nicht subsumiert werden sollen. Weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung stellt das Einfügen von konkreten vom Oberbegriff abgedeckten Waren und / oder Dienstleistungen dar, sofern sie mit der Voranstellung des Wortes „insbesondere“ eingefügt werden und beispielhafte Erläuterungen darstellen. 341 Nicht zulässig sind Erweiterungen des Verzeichnisses, wie sie z. B. nach österreichischem Recht bei Anmeldungen wie auch bei eingetragenen Marken möglich waren. Vorsicht ist auch bei dem Austausch von Begriffen geboten, da hier das Risiko von (ungewollten) Erweiterungen besteht. Eine Markenanmeldung kann jederzeit zurückgenommen werden (§ 39 Abs. 1 MarkenG). Die Zurücknahme der Anmeldung wirkt ex tunc, so dass zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen nicht rechtskräftig werden. Wird die Zurücknahme in der Rechtsmittelfrist ohne Einlegung des Rechtsmittels erklärt, bleibt die ergangene Entscheidung bestehen. 342 340 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 39 Rdn. 2; BP atG Mitt. 1994 137 „Biographie“. 341 BP atG Mitt. 1983, 195, 196 „Warenverzeichnis“. 342 BGH GRUR 1983, 342 „ BTR “; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 39 Rdn. 3. 319 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Nach der Markeneintragung kann eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nur durch einen Löschungs- oder Teillöschungsantrag gem. § 48 MarkenG (der einen Verzicht oder Teilverzicht beinhaltet) erfolgen, der ex nunc wirkt. Berichtigungen im Register und von Veröffentlichungen der eingetragenen Marken (§ 45 MarkenG) sind auf Antrag jederzeit möglich, müssen jedoch-- sofern die Berichtigung erfolgt-- zur Information der Allgemeinheit veröffentlicht werden. Im europäischen Unionsmarkenrecht sind die Zurücknahme, Änderung und Einschränkung von Anmeldungen in Art. 49 UMV und von Markenregistrierungen in Art. 54 UMV (Änderungen) bzw. 57 UMV (Verzicht) geregelt. Aufgrund des der Eintragung vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens werden Einschränkungen und Änderungen der Anmeldung nach Veröffentlichung der Anmeldung gesondert veröffentlicht. 7. Eintragung Entspricht die Markenanmeldung den Anmeldungserfordernissen und wird sie nicht aufgrund von absoluten Schutzhindernissen zurückgewiesen, so wird die angemeldete Marke in das- - elektronisch geführte- - Register eingetragen. Alle Angaben über eine Marke, die der Öffentlichkeit durch das Register zugänglich gemacht werden, sind in § 25 MarkenV angegeben. Die Eintragung der Marke im Register wird veröffentlicht (§ 41 Satz 2 MarkenG). Die Veröffentlichung mit Angaben über die eingetragene Marke erfolgt über das vom Deutschen Patent- und Markenamt herausgegebene Markenblatt. Die Veröffentlichung kann auch in elektronischer Form erfolgen (§ 27 MarkenV). Der Tag der Veröffentlichung der Eintragung einer Marke ist insofern von besonderer Bedeutung, da die dreimonatige Widerspruchsfrist am Tag nach der Veröffentlichung der Eintragung beginnt (§ 42 MarkenG). Die Eintragung einer Markenanmeldung im Register kann nur innerhalb eines Widerspruchsverfahrens (§ 42 MarkenG) oder eines Löschungsverfahrens (§§ 48 ff. MarkenG) rückgängig gemacht werden. Im Verletzungsprozess sind daher die Zivilgerichte an die Eintragung der Marke gebunden. Auch die europäische Unionsmarkenanmeldung wird gem. Art. 51 UMV eingetragen, wenn sie den Vorschriften entspricht und- - anders als im deutschen Recht- - kein Widerspruch erhoben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Da die Veröffentlichung der Unionsmarkenanmeldung wegen des der Eintragung vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens bereits mit den wesentlichen Angaben veröffentlicht worden ist (Art. 44 UMV ), werden nach der Eintragung nur die Veränderungen eingetragen, die sich im Vergleich zu der Veröffentlichung der Anmeldung ergeben haben. Auch das EUIPO unterhält eine elektronische Datenbank mit Angaben über die Anmeldungen von Gemeinschaftsmarken und -eintragungen in das Register. 320 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 8. Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke Das in § 42 MarkenG geregelte Widerspruchsverfahren folgt dem Markeneintragungsverfahren. Die Frist zur Erhebung des Widerspruches beträgt 3 Monate und beginnt mit der Veröffentlichung der Eintragung. Gem. § 42 Abs. 2 MarkenG sind unter den Nummern 1-4 die Widerspruchsgründe aufgeführt, auf die der Widerspruch gestützt werden kann, nämlich wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG, wegen einer notorisch bekannten Marke mit älterem Zeitrang nach § 10 i. V. m. § 9 MarkenG, wegen ihrer Eintragung für einen Agenten oder Vertreter des Markeninhabers gem. § 11 MarkenG oder wegen einer nicht eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 4 Nr. 2 MarkenG oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG. Innerhalb der Widerspruchsfrist ist eine Gebühr gem. § 64a MarkenG i. V. m. Nr. 331 600 GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG zu zahlen. Anders als in der UMV , muss für jeden Widerspruchsgrund-- also für jede einzelne Marke bzw. geschäftliche Bezeichnung-- ein Widerspruch eingelegt und eine Widerspruchsgebühr entrichtet werden. Der Widerspruch kann sich gegen alle Waren oder Dienstleistungen der jüngeren Marke, aber auch nur gegen einen Teil der Waren oder Dienstleistungen richten. Einzelheiten über die Form und den Inhalt des Widerspruchs sowie über eine gemeinsame Entscheidung über mehrere Widersprüche bzw. die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens sind in Teil IV , Abschnitt 1 (§§ 29-32) der MarkenV geregelt. Mit Inkrafttreten des MaMoG wird die sog. „Cooling-Off “-Periode-- in denen die Parteien eine gütliche Einigung verhandeln können und die es im Unionsmarkenrecht (Art. 47 Abs. 4 UMV ) seit Anbeginn gibt-- in § 42 Abs. 3 MarkenG eingeführt, wobei im MarkenG hierfür eine mindestens zweimonatige Frist vorgesehen ist. Erforderliche Angaben über Widerspruchskennzeichen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 2-4 MarkenG ▶ die Art des Kennzeichenrechts (z. B. Agentenmarke, Benutzungsmarke, geschäftliche Bezeichnung) ▶ die Wiedergabe des Kennzeichens ▶ die Form des Kennzeichens (§ 6 MarkenV) ▶ der Zeitrang des Kennzeichens ▶ der Gegenstand der Kennzeichnung, also die Waren und / oder Dienstleistungen bzw. der Geschäftsbereich, für die die Marke beziehungsweise das Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird ▶ der Inhaber des Kennzeichens Merke: Für den Nachweis des Bestehens eines Widerspruchskennzeichens bzw. der Bekanntheit einer Marke i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gilt der Strengbeweis (mit den in §§ 355 ff ZPO vorgesehenen Beweismitteln). In § 43 Abs. 1 MarkenG ist die Geltendmachung der mangelnden Benutzung im Widerspruchsverfahren geregelt. Auf die Einrede des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke hat der Widersprechende-- sofern sich die Widerspruchsmarke zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Benutzungsschonfrist (von 5 Jahren nach der Eintragung) befindet-- glaubhaft zu machen, dass die den Widerspruch begründende Marke innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke gem. § 26 MarkenG ernsthaft benutzt worden ist (s. a. § 49 V, VI ). Nach Inkrafttreten des MaMoG beginnt-- Marken RL -konform-- diese 5-jährige Frist bereits mit dem Anmelde- oder Priori- 321 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer tätstag der angegriffenen Marke, sofern zu diesem Zeitpunkt seit mindestens fünf Jahren kein Widerspruch mehr gegen die Widerspruchsmarke möglich war. Statt der Glaubhaftmachung der ernsthaften Benutzung ist nunmehr ein Vollbeweis i. S. des § 286 ZPO erforderlich. Endet der Fünf-Jahres-Zeitraum der Nichtbenutzung (Benutzungsschonfrist), so hat der Widersprechende, wenn der Gegner die Benutzung bestreitet, glaubhaft zu machen, dass die Marke innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch benutzt worden ist (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Der Zeitraum für diese zweite Einrede der Behauptung mangelnder Benutzung-- auch wandernder Benutzungszeitraum genannt-- lässt sich im Vorhinein nicht absehen, da er von der abschließenden Entscheidung, ggf. auch erst der Beschwerdeentscheidung, abhängig ist. Nach Inkrafttreten des MaMoG entfällt diese zweite Einrede. Nach Prüfung des Widerspruches kann die angegriffene Marke für alle oder nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen gelöscht werden. Soweit die Eintragung der Marke nicht gelöscht werden kann, wird der Widerspruch zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 MarkenG). Das Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde als ein summarisches Verfahren konzipiert, das auf die Erledigung einer großen Zahl von Fällen zugeschnitten ist und sich nicht eignet, komplizierte Sachverhalte zu klären. 343 Die Nichtbenutzungseinrede ist in Art. 47 Abs. 2 und 3 UMV geregelt. Ein Unterschied zum MarkenG lag bis zum Inkrafttreten des MaMoG darin, dass nur eine Nichtbenutzungseinrede erhoben werden kann, nämlich wenn die Fünf-Jahres-Benutzungsschonfrist der (älteren) Widerspruchsmarke-- die mit der Eintragung der älteren Unionsmarke beginnt-- schon zum Zeitpunkt des Anmeldebzw. Prioritätstages der Anmeldung der angegriffenen Marke abgelaufen war. Gem. Art. 47 Abs. 3 UMV ist Abs. 2 auch auf ältere nationale Marken analog anzuwenden, so dass an die Stelle der Benutzung in der Union die Benutzung in dem Mitgliedsstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist. Dies kann im Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Berechnung der Benutzungsschonfrist führen, da diese unter verschiedenen Konstellationen unterschiedlich beginnt und endet. Nach deutschem Recht nach Inkrafttreten des MaMoG jedenfalls beginnt die Benutzungsschonfrist erst an dem Zeitpunkt, an dem ein Widerspruch nicht mehr möglich war bzw. mit Abschluss eines gegen die Marke eingeleiteten Widerspruchverfahrens. II. Teilung, Schutzdauer und Verlängerung 1. Teilung Nach deutschem wie auch nach Unionsmarkenrecht können Anmeldungen durch die Erklärung des Anmelders, dass die in der Erklärung aufgeführten Waren und Dienstleistungen als abgetrennte Anmeldung weiter behandelt werden sollen, geteilt werden (§ 40 MarkenG, Art. 50 UMV ). Der Zeitrang der ursprünglichen Anmeldung bleibt für die abgetrennte Anmeldung erhalten. Eine Teilung ist nach dem MarkenG während der Widerspruchsfrist und wenn ein Widerspruch oder eine Löschungsklage gegen die Eintragung anhängig ist, der die abzuteilenden Waren oder Dienstleistungen betrifft, nicht möglich. 343 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 86. 322 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Nach der UMV ist eine Teilungserklärung ebenfalls unzulässig, wenn gegen die ursprüngliche Anmeldung Widerspruch eingelegt wurde und der Widerspruch sich gegen Waren und / oder Dienstleistungen richtet, für die die Teilung erklärt wurde (Art. 50 Abs. 2a UMV ). Das Gleiche gilt für die Zeit bis zur Zuerkennung eines Anmeldetages, innerhalb von 3 Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung sowie in der Frist zur Zahlung der Eintragungsgebühren (Art. 50 Abs. 2b UMV i. V. m. Art. 14 Abs. 3 UMDV ). Die Teilungserklärung muss so abgefasst sein, dass es zu keinen Überschneidungen mit der ursprünglichen (Stamm-)anmeldung sowie ggf. anderen Teilanmeldungen oder zu Erweiterungen durch die Teilanmeldung kommt. Gemäß § 40 Abs. 2 MarkenG sind für die abgetrennte Anmeldung die Unterlagen einzureichen, die auch für eine Markenanmeldung erforderlich sind (§ 32 MarkenG). Werden die notwendigen Unterlagen nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zugang der Teilungserklärung eingereicht oder wird die fällige Teilungsgebühr innerhalb derselben Frist nicht gezahlt, so gilt die abgetrennte Anmeldung als zurückgenommen. Die Stammanmeldung bleibt ohne den abgetrennten Teil in Kraft. Eine Eintragung kann mit einer Erklärung des Inhabers geteilt werden, in der eine Auflistung der abgetrennten Waren oder Dienstleistungen enthalten ist (§ 46 Abs. 1 MarkenG). Auch der Zeitrang bleibt für die Teileintragung erhalten. Ganz ähnlich ist die Teilung einer Eintragung in Art. 56 der UMV geregelt. Im Gegensatz zum deutschen Markenrecht, nach dem die Teilung rechtswirksam wird, wenn diese erklärt worden ist und anschließend auch nicht widerrufen werden kann (§ 40 Abs. 2 Satz 3 MarkenG), wird die Teilung einer europäischen Unionsmarke erst an dem Tag wirksam, an dem sie im Register eingetragen wird (Art. 56 Abs. 5 UMV ). 2. Schutzdauer und Verlängerung Die Schutzdauer einer eingetragenen Marke beginnt mit dem Anmeldetag gem. § 33 Abs. 1 MarkenG und endet nach 10 Jahren am letzten Tag des Monats, der durch seine Benennung dem Monat entspricht, in den der Anmeldetag fällt (§ 47 Abs. 1 MarkenG a. F.). Mit Inkrafttretung des MaMoG endet die Schutzdauer 10 Jahre nach dem Anmeldetag. Von dem Begriff Schutzdauer ist strikt der Begriff des Markenschutzes zu unterscheiden, da-- mit Ausnahme der Widerspruchsberechtigung-- Rechte aus der Marke erst nach ihrer Eintragung geltend gemacht werden können. Eine Marke kann beliebig häufig um jeweils 10 Jahre verlängert werden. Voraussetzung für eine Verlängerung ist die Zahlung der entsprechenden Verlängerungsgebühr und ggf. Klassengebühr (bei mehr als 3 Klassen) (§ 47 Abs. 2 u. 3 MarkenG). Ab Inkrafttreten des MaMoG ist es möglich, die Klassengebühr auch ab der 2. Klasse zu entrichten. Ein gesonderter Verlängerungsantrag ist nicht vorgeschrieben. Seit Einführung des Patentkostengesetzes sind die Verlängerungsgebühren bis zum Ablauf des zweiten Monats nach der Fälligkeit zu zahlen (§ 64a MarkenG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Mit Verspätungszuschlag können die Gebühren bis zum Ablauf des sechsten Monats nach der Fälligkeit nachgezahlt werden (§ 64a MarkenG i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 2 PatKostG). 323 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Möglich ist die Verlängerung einer Marke nur für einen Teil der eingetragenen Waren und Dienstleistungen (§ 47 Abs. 4 MarkenG). In diesem Fall reicht die Zahlung für die Anzahl der Klassen aus, für welche die Marke verlängert werden soll. Fehlt es an einer Erklärung des Markeninhabers, für welche Klassen die eingezahlten Gebühren gelten sollen, so werden die Gebühren zunächst für die Leitklasse und im Übrigen für die Klassen in der Reihenfolge der Klasseneinteilung berücksichtigt, solange die gezahlten Gebühren ausreichen (§ 47 Abs. 4 MarkenG). In § 38 MarkenV sind die erforderlichen Angaben, die bei einem Antrag anzugeben sind, aufgeführt. Die Verlängerung der Schutzdauer der Marke wird am Tag nach dem Ablauf der Schutzdauer wirksam (§ 47 Abs. 5 MarkenG). Die Verlängerung wird in das Register eingetragen und veröffentlicht. Wird die Schutzdauer nicht verlängert, so wird gem. § 47 Abs. 6 MarkenG die Eintragung der Marke mit Wirkung ab dem Ablauf der Schutzdauer gelöscht. Im Unionsmarkenrecht beträgt die Dauer der Eintragung der Unionsmarke ebenfalls 10 Jahre vom Tag der Anmeldung an gerechnet und kann ebenfalls immer wieder um jeweils 10 Jahre verlängert werden. Der Schutz der Marke endet taggenau mit dem gleichen Tag in dem Monat, in dem die Marke angemeldet worden ist. Im Gegensatz zur deutschen Verlängerungsregel ist bei der Verlängerung einer Unionsmarke gem. Art. 53 Abs. 1 UMV ein Antrag des Inhabers zu stellen und die Verlängerungsgebühr zu zahlen. Der Antrag auf Verlängerung und die Gebühren sind gem. Art. 53 Abs. 3 UMV innerhalb von 6 Monaten vor Ablauf des letztes Tages des Monats, in dem die Schutzdauer endet, zu entrichten. Eine Nachfrist von 6 Monaten wird ebenfalls gewährt, jedoch ist für die Nachfrist eine Zuschlagsgebühr zu entrichten (Art. 53 Abs. 3 UMV ). Wie im deutschen Recht ist eine Verlängerung auch nur für einen Teil der von der Marke geschützten Waren und Dienstleistungen möglich (Art. 53 Abs. 5 UMV ). Die Verlängerung wird gem. Art. 53 Abs. 6 UMV am Tag nach Ablauf der vorherigen Schutzdauer wirksam und auch veröffentlicht. III. Verzicht, Verfall und Nichtigkeit 1. Verzicht Eine Marke wird auf Antrag des Inhabers für alle oder für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Register gelöscht (Verzicht, § 48 MarkenG). Im Falle des Auseinanderfallens zwischen dem im Register eingetragenen Inhaber und eines Dritten, der berechtigterweise diesen Antrag aufgrund einer materiellen Berechtigung stellt, ist die Zustimmung des im Register eingetragenen Inhabers Voraussetzung für die Löschung. § 48 Abs. 2 MarkenG betrifft auch diejenigen, deren dingliche Rechte gem. § 29 MarkenG im Register eingetragen sind. Die näheren Voraussetzungen für die Verzichtserklärung bzw. die Zustimmung Dritter sind in § 39 bzw. § 40 MarkenV angegeben. Der Verzicht wirkt ex nunc unmittelbar mit der Abgabe der Erklärung. 344 Die Löschung im Register ist konstitutiv. Ein im Register eingetragener Lizenznehmer muss der Löschung zustimmen (§ 30 Abs. 6 MarkenG). 344 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 88. 324 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Das Unionsmarkenrecht sieht in Art. 57 Abs. 3 UMV ebenfalls das Institut des Verzichts für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor. Der Verzicht ist schriftlich dem EUIPO zu erklären, jedoch erst mit der Eintragung ins Register wirksam. Anders als im deutschen Recht muss der im Register eingetragene Lizenznehmer von dem Markeninhaber von seiner Verzichtsabsicht unterrichtet werden. Die Unterrichtung muss dem EUIPO gegenüber glaubhaft gemacht werden. 3 Monate nach diesem Tag wird der Verzicht im Register eingetragen. 2. Verfall In Übereinstimmung mit den bindenden Vorgaben des Art. 19 der Marken RL regelt § 49 MarkenG die nach der Eintragung eintretenden Gründe für den Verlust des Markenrechts durch Verfall. Auf Antrag kann die Marke wegen Verfalls gelöscht werden, wenn sie nicht innerhalb von 5 Jahren seit ihrer Eintragung gem. § 26 MarkenG bzw.-- nach Inkrafttreten des MaMoG-- seit dem Zeitpunkt, an dem ein Widerspruch nicht mehr möglich war, benutzt worden ist. Die fünfjährige Frist beginnt im Falle eines Widerspruchsverfahrens erst mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Die einmal eingetretene Löschungsreife kann durch die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme der Benutzung vor Stellung eines Löschungsantrages durch einen Dritten geheilt werden (§ 49 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Eine Benutzung, die innerhalb von 3 Monaten vor der Stellung des Löschungsantrages aufgenommen worden ist, bleibt in Bezug auf die Heilung der Löschungsreife dann unberücksichtigt, wenn die Vorbereitungen für die Benutzungsaufnahme erst stattgefunden haben, nachdem der Markeninhaber von einem möglichen Löschungsantrag Kenntnis erhalten hat (§ 49 Abs. 1 S. 3 MarkenG). Wenn der Inhaber der Marke dem beim DPMA eingereichten Löschungsantrag widerspricht und der Antragsteller nach Unterrichtung des DPMA innerhalb von 3 Monaten nach der Zustellung dieser Mitteilung vor den ordentlichen Gerichten sein Löschungsinteresse durch Klage geltend macht, bleibt für die Berechnung der dreimonatigen Frist der Löschungsantrag beim DPMA maßgeblich (§ 49 Abs. 1 S. 4 MarkenG). Die Erhebung einer Löschungsklage vor den Zivilgerichten ist nur erforderlich, wenn der vom DPMA unterrichtete Markeninhaber innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Löschungsbegehrens diesem widersprochen hat (§ 53 Abs. 2 u. 4 MarkenG). Widerspricht der Markeninhaber nicht, wird die Marke gelöscht (§ 53 Abs. 3 MarkenG). Mit diesem vereinfachten Löschungsverfahren ohne zivilgerichtliche Klage wird das Register auf einfache und kostengünstige Weise von löschungsreifen Marken befreit. Eine Löschungsklage kann auch ohne einen Löschungsantrag beim DPMA erhoben werden (§ 53 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 MarkenG). In § 49 Abs. 2 MarkenG werden drei weitere Gründe für den Verfall bzw. die Löschung einer Marke angegeben. Nr. 1 betrifft die Wandlung einer Marke nach ihrer Eintragung zur Gattungsbezeichnung. Die Entwicklung zur Gattungsbezeichnung erfolgt infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit des Markeninhabers, ohne dass es auf sein Verschulden ankommt. 345 Ein weiterer Löschungsgrund liegt vor, wenn eine Marke, die- - infolge ihrer 345 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 89. 325 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist-- geeignet ist, das Publikum zu täuschen (Nr. 2 des § 49 Abs. 2 MarkenG). Gelöscht werden kann eine eingetragene Marke, wenn der Inhaber nicht mehr die in § 7 MarkenG geforderten Voraussetzungen der Inhaberschaft erfüllt, der Inhaber z. B. seine Rechtsfähigkeit verliert (§ 49 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Liegt ein Verfallsgrund nur für einen Teil der für die Marke eingetragenen Waren oder Dienstleistungen vor, so wird die Marke für diesen Teil gelöscht (§ 49 Abs. 3 MarkenG). Die Verfallsgründe des § 49 MarkenG entsprechen im Unionsmarkenrecht inhaltlich den Verfallsgründen des Art. 58 UMV . 3. Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse § 50 MarkenG stellt ein Regulativ für Marken dar, die trotz Vorliegens absoluter Schutzhindernisse in das Register eingetragen worden sind. Dies betrifft nicht nur die in § 8 MarkenG kodifizierten absoluten Schutzhindernisse, sondern auch die des § 3 (fehlende Markenfähigkeit) und § 7 MarkenG (Fehlen der Voraussetzung für die Markeninhaberschaft). Gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG ist die Löschung wegen Nichtigkeit in Bezug auf die §§ 3, 7 und 8 Abs. 2 MarkenG nur dann möglich, wenn das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag besteht. Eine Marke, die entgegen den absoluten Schutzhindernissen gem. § 8 Abs. 2 S. 2 MarkenG eingetragen worden ist, kann nur dann gelöscht werden, wenn der Antrag innerhalb von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist. Mit Inkrafttreten des MaMoG entfällt diese zeitliche Einschränkung, wobei Marken, die bereits länger als 10 Jahre eingetragen sind, Bestandschutz genießen (Nr. 96 (§ 160 Abs. 3) MaMoG). Eine Eintragung einer Marke kann von Amts wegen gelöscht werden (§ 50 Abs. 3 MarkenG), sofern sie entgegen den absoluten Schutzhindernissen, wie sie in § 8 Abs. 2 Nr. 4-13 MarkenG aufgeführt sind, eingetragen worden ist. Allerdings kann dies nur dann erfolgen, wenn ▶ das Löschungsverfahren innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren seit dem Eintragungstag eingeleitet worden ist, ▶ das Schutzhindernis (mit Ausnahme der bösgläubigen Anmeldung) noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung besteht und ▶ die Eintragung ersichtlich entgegen den genannten Vorschriften vorgenommen worden ist. Die Nichtigkeit bezieht sich immer auf die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, so dass die Löschung nur für diese Waren in Frage kommt (§ 50 Abs. 4 MarkenG). Der Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse kann von jeder Person beim DPMA gestellt werden (§ 54 Abs. 1 MarkenG). Die Ausgestaltung als Popularantrag wird dem öffentlichen Interesse gerecht, das Markenregister von schutzunfähigen Marken freizuhalten. Das Löschungsverfahren ist kontradiktorisch ausgestaltet. 326 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Löschungsantrag ist schriftlich beim DPMA zu stellen. Im Löschungsantrag sind gem. §§ 41, 42 MarkenV anzugeben: ▶ Die Registernummer der Marke, deren Löschung begehrt wird, ▶ den Namen und die Anschrift des Antragstellers, ggf. seines Vertreters, ▶ die Angabe der Waren und Dienstleistungen, deren Löschung beantragt wird, sowie ▶ der Löschungsgrund. Darüber hinaus ist für den Löschungsantrag eine Gebühr zu zahlen, die innerhalb von 3 Monaten ab dem Fälligkeitstag, d. h. dem Tag der Einreichung des Löschungsantrages, zu erfolgen hat (§ 64a MarkenG i. V. m. § 2 Abs. 1 PatKostG, Nr. 333300 GebVerz). Gemäß § 54 Abs. 2 MarkenG wird der Inhaber der eingetragenen Marke vom DPMA über den Antrag auf Löschung bzw. über die Einleitung eines Löschungsverfahrens vom Amts wegen informiert. Widerspricht der Markeninhaber der Löschung nicht innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung der Mitteilung über das Löschungsverfahren, so wird die Marke im Register gelöscht. Widerspricht er der Löschung, so wird das Löschungsverfahren durchgeführt. Das Verfahren unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz, der in § 59 MarkenG kodifiziert ist. Das Verfahren wird nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften des Abschnittes 4 (§§ 56-65) des MarkenG durchgeführt. Gleichwohl hat der Antragsteller den Nachweis zu führen, dass relevante Eintragungshindernisse vorlagen bzw. vorliegen. Mit Inkrafttreten des MaMoG wird ein Verfahren zur Erklärung des Verfalls und der Nichtigkeit vor dem DPMA entsprechend der Vorgaben des Art. 45 Marken RL implementiert (Nr. 31-33 (§§ 51-53 MarkenG) MaMoG). Demzufolge kann ein Löschungsantrag beim DPMA wegen relativer Schutzhindernisse gestellt werden. Korrespondierende Regelungen für die gerichtlichen Verfahren finden sich in §§ 140a und 140b MarkenG. 4. Nichtigkeit wegen Bestehens älterer Rechte Gemäß § 51 Abs. 1 MarkenG kann eine Marke auf Klage wegen Nichtigkeit gelöscht werden, wenn ihr ein älteres Recht i. S. der §§ 9-13 MarkenG (s. § 47 III ) mit älterem Zeitrang entgegensteht. Diese relativen Nichtigkeitsgründe der §§ 9-13 MarkenG können gem. § 55 MarkenG bis zum Inkrafttreten des MaMoG nur vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Hiernach können Nichtigkeitsanträge beim DPMA gem. § 53 MarkenG gestellt werden. Die jüngere Eintragung wird nicht gelöscht, wenn der Inhaber der älteren Marke die jüngere Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, mindestens 5 Jahre in Kenntnis ihrer Benutzung geduldet hat, unabhängig davon, ob es sich bei dem älteren Recht um eine eingetragene, Benutzungs- oder notorisch bekannte Marke, eine geschäftliche Bezeichnung oder eine Sortenbezeichnung handelt. Neben diesem Verwirkungstatbestand gem. § 51 Abs. 2 S. 1 und 2 MarkenG kann die Marke auch nicht gelöscht werden, wenn der Inhaber des älteren Rechts der Eintragung der Marke vor der Löschungsantragsstellung zugestimmt hat. Weitere Einwendungen sind gem. § 51 Abs. 4 MarkenG erfolgreich, wenn die Eintragung der Marke mit älterem Zeitrang am Veröffentlichungstag (ab Inkrafttreten des MaMoG am 327 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Anmeldebzw. Prioritätstag) der Marke mit jüngerem Zeitrang entweder wegen Verfalls (nach § 49 MarkenG) oder wegen absoluter Schutzhindernisse (nach § 50 MarkenG) hätte gelöscht werden können. Als Einrede kann von dem Inhaber der jüngeren Marke geltend gemacht werden, dass die ins Feld geführte bekannte Marke oder bekannte geschäftliche Bezeichnung mit älterem Zeitrang an dem für den Zeitrang der jüngeren Marke maßgeblichen Tag noch nicht im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 2 Nr. 3 oder § 15 Abs. 3 MarkenG bekannt war (§ 51 Abs. 3 MarkenG). Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der erweiterte Schutzumfang einer bekannten Marke, die jedoch erst nach dem Zeitrang der jüngeren Marke diese Bekanntheit erlangt hat, die jüngere Marke nicht verdrängen kann. Aktivlegitimiert sind nach Inkrafttreten des MaMoG nach § 53 Abs. 2 und 3 MarkenG bei Anträgen auf Erkärung des Verfalls (§ 49) und der Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse (§ 50) und älterer Rechte (§ 51) beim DPMA ▶ wegen Verfalls und Nichtigkeit jede natürliche oder juristische Person sowie jeder Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmern, Händlern oder Verbrauchern, der am Verfahren beteiligt sein kann, ▶ wegen Nichtigkeit aufgrund des Bestehens älterer Rechte der jeweilige Inhaber dieser Rechte, sowie Personen, die berechtigt sind, Rechte aus einer geschützten geografischen Angabe oder geschützten Ursprungsbezeichnung geltend zu machen. Ist das durch die Eintragung der Marke begründete Recht auf einen anderen übertragen worden oder übergegangen (§ 53 Abs. 7 MarkenG), so ist die Entscheidung in der Sache auch gegen den Rechtsnachfolger wirksam und vollstreckbar. Für die Befugnis des Rechtsnachfolgers, in das Verfahren einzutreten, gelten die §§ 66-74 und 76 der ZPO entsprechend. 5. Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten Die Klage auf Löschung wegen Verfalls einer Marke (§ 49 MarkenG) oder wegen Bestehens älterer Rechte gem. § 51 MarkenG ist bis zum Inkrafttreten des MaMoG gegen den im Register eingetragenen Markeninhaber oder seinen Rechtsnachfolger zu richten (§ 55 Abs. 1 MarkenG). Hiernach entscheiden- - da mit dem § 53 MarkenG ein zentrales Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren beim DPMA installiert worden ist, das neben Verfallsgründen auch die Nichtigkeit wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse umfasst- - die ordentlichen Gerichte über den Verfall beziehungsweise die Nichtigkeit von Marken nur noch im Wege der Widerklage. Mit Inkrafttreten des MaMoG regelt § 55 MarkenG den Beitritt zum Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren. Ab Inkrafttreten des MaMoG kann sich eine Partei auf die fehlende Rechtsgültigkeit einer eingetragenen Marke nur durch Erhebung einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit oder durch Stellung eines Antrags nach § 53 MarkenG berufen, jedoch nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren (Nr. 90 (§ 140a) MaMoG). 328 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 6. Wirkung der Löschung wegen Verfalls oder Nichtigkeit Die Wirkungen der Eintragung einer Marke gelten mit der Löschung wegen Verfalls als von dem Zeitpunkt der Erhebung des Antrags auf Löschung als nicht eingetreten. Auf Antrag einer der beteiligten Parteien kann ein früherer Zeitpunkt, an dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden (§ 52 Abs. 1 MarkenG). Im Gegensatz hierzu gelten die Wirkungen einer Markeneintragung mit der Löschung der Marke aufgrund von Nichtigkeitsgründen ex tunc, also von Anfang an nicht eingetreten (§ 52 Abs. 2 MarkenG). § 52 Abs. 3 MarkenG sieht Schranken der Rückwirkung vor, da rechtskräftige Verletzungsverfahren (Nr. 1) oder die Rückabwicklung von Verträgen (Nr. 2) von der Löschung der eingetragenen Marke nicht berührt werden. Allerdings kann von dem Vertragspartner verlangt werden, in Erfüllung des Vertrages gezahlte Beträge aus Billigkeitsgründen zurückzuerstatten. Für diese Ausnahmeregelung kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Bei Lizenzverträgen als Risikogeschäften kommt ein Erstattungsanspruch regelmäßig nicht in Betracht, es sei denn, der Markeninhaber kannte die Löschungsreife oder hätte sie kennen müssen. 346 Im Unionsmarkenrecht sind die absoluten Nichtigkeitsgründe in Art. 59 UMV (Art. 52 a. F.) geregelt. Absatz 1 der genannten Vorschrift sieht vor, dass die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder im Wege der Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn sie den absoluten Schutzhindernissen (Art. 7 UMV ) zuwider eingetragen worden ist oder der Anmelder bei der Anmeldung der Unionsmarke bösgläubig war. Bösgläubige Markenanmeldungen sind in erster Linie solche, die in Behinderungsabsicht getätigt werden. 347 Der Begriff Bösgläubigkeit ist weder in der UMV noch in der UMDV wohl aber in der Marken RL definiert. Die Aufnahme des absoluten Schutzhindernisses „bösgläubige Markenanmeldung“ in den schon im Anmeldeverfahren zu prüfenden Katalog der absoluten Schutzhindernisse ist in der UMV nicht erfolgt. So bleibt einem interessierten Markenbenutzer nur der Weg über das Nichtigkeitsverfahren im Falle der bösgläubigen Anmeldung eines Dritten, um die ihn behindernde Unionsmarke wieder aus der Welt zu schaffen, wobei ihm der Beweis für die Bösgläubigkeit des Dritten obliegt. Eine Unionsmarke kann gem. Art. 59 Abs. 2 UMV nicht mehr gelöscht werden-- obwohl bei der Anmeldung die absoluten Schutzhindernisse fehlende Unterscheidungskraft, Freihaltebedürftigkeit und / oder beschreibende Angaben vorlagen-- wenn die Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat. Dies entspricht nach der deutschen Terminologie der Verkehrsdurchsetzung der Marke, die auch nach deutschem Recht zur Überwindung der absoluten Schutzhindernisse führt (s. § 47 II 13 b). Eine Unionsmarke kann aufgrund von relativen Nichtigkeitsgründen auf Antrag oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren nach Art. 60 Abs. 1 und 2 UMV für nichtig erklärt werden, wenn eine ältere Marke oder ein älteres Kennzeichen besteht und die Vorausset- 346 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 52 Rdn. 14. 347 Eisenführ in Eisenführ / Schennen, GMVO , Kommentar, Art. 52 Rdn. 4 u. 10 ff. 329 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer zungen des Art. 8 Abs. 2, 3 oder 4 UMV erfüllt sind. Darüber hinaus können Unionsmarken für nichtig erklärt werden, wenn ihre Benutzung aufgrund nationaler Rechtsvorschriften über den Schutz eines sonstigen älteren Rechtes, insbesondere eines Namensrechtes, eines Rechtes an der eigenen Abbildung, eines Urheberrechts oder eines anderen gewerblichen Schutzrechtes gemäß dem für dessen Schutz maßgeblichen nationalen Recht untersagt werden kann (Art. 60 Abs. 2 UMV ). Eine Nichtigerklärung der Unionsmarke erfolgt nicht, wenn der Inhaber eines relativen älteren Rechts nach Abs. 1 oder 2 des Art. 60 UMV der Eintragung der Unionsmarke ausdrücklich zugestimmt hat (Art. 60 Abs. 3 UMV ). Nicht zulässig ist ein Nichtigkeitsantrag oder eine Widerklage für einen Rechtsinhaber, wenn dieser bereits einen Antrag auf Nichtigerklärung gestellt oder im Verletzungsverfahren Widerklage erhoben hat, sofern er das weitere Recht zur Unterstützung seines ersten Begehrens hätte geltend machen können (Art. 60 Abs. 4 UMV ). Hat der Inhaber einer Unionsmarke oder eines älteren nationalen Kennzeichnungsrechts die Benutzung einer jüngeren Unionsmarke während eines Zeitraumes von fünf aufeinander folgenden Jahren in Kenntnis der Benutzung der jüngeren Marke geduldet, so hat er seinen Anspruch auf Nichtigerklärung dieser jüngeren Marke gem. Art. 61 UMV verwirkt. Ausgenommen hiervon sind lediglich jüngere Unionsmarken, deren Anmeldung bösgläubig vorgenommen worden sind. In Art. 61 Abs. 3 UMV wird klargestellt, dass-- im Falle der Verwirkung der Nichtigkeitsansprüche des Inhabers des älteren Rechts-- der Inhaber der jüngeren Unionsmarke die Benutzung des älteren Rechts dulden muss, obwohl dieses gegenüber der jüngeren Unionsmarke nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Verwirkung erstreckt sich nur auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die jüngere Marke benutzt und somit vom Inhaber der älteren Marke geduldet worden sind. Somit sind nicht die Unterlassungsansprüche des älteren Markeninhabers ausgeschlossen, die sich auf andere ähnliche Waren und Dienstleistungen beziehen, für die die ältere Marke Schutz genießt. Artikel 62 UMV entspricht weitgehend dem § 52 MarkenG. Die Art. 63 und 64 UMV enthalten die Regelungen zum Löschungsverfahren. Im Gegensatz zu den bisherigen Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten gem. § 55 MarkenG a. F. sind im Unionsmarkenrecht die Verfalls- und Nichtigerklärung einer Unionsmarke (Art. 58 und 60 UMV ) nur durch Antrag beim EUIPO zu erreichen. Davon ausgenommen ist die Möglichkeit der Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit aufgrund eines Verletzungsprozesses vor den Unionsmarkengerichten (Art. 124 lit. d, Art. 127 Abs. 1 und Art. 128 UMV ). Selbstverständlich ist die Einrede des Verfalls bzw. der Nichtigkeit der Unionsmarke gem. Art. 127 Abs. 3 UMV möglich. § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Im MarkenG sind die allgemeinen Verfahrensvorschriften bezüglich des DPMA -- die neben den speziellen Vorschriften des Anmelde-, Widerspruchs- oder Löschungsverfahren gelten-- innerhalb des dritten Teils in Abschnitt 4 in den §§ 56-65 MarkenG geregelt. Die allgemeinen Verfahrensvorschriften in Verfahren vor dem BP atG sind dem gleichen Teil in Abschnitt 5 330 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer (§§ 66-82) zu entnehmen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH ist in Abschnitt 6, den §§ 83 bis 90, kodifiziert. Gemeinsame Vorschriften für die Verfahren vor dem DPMA , dem BP atG sowie dem BGH finden sich in den §§ 91 bis 96 MarkenG des Abschnittes 7. Dort sind auch die Vorschriften zur Weiterbehandlung einer Anmeldung (§ 91a MarkenG) geregelt. In der „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ ( DPMAV ) vom 1. 4. 2004 348 sind alle allgemein gültigen Verfahrensregelungen für markenrechtliche, patent- oder gebrauchsmusterrechtliche Verfahren vor dem DPMA zusammengefasst worden. Aufgrund der justizförmigen Ausgestaltung des Verfahrens vor dem DPMA sind die entsprechenden Verfahrensbestimmungen der ZPO ergänzend anzuwenden, soweit sie nicht durch die speziellen Regelungen des patentamtlichen Verfahrens ausgeschlossen sind. Bezüglich der Verfahren vor dem BP atG können Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ( GVG ) entsprechend angewendet werden (§ 82 MarkenG). I. Allgemeine Vorschriften für das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt, Akteneinsicht, Erinnerung Die allgemeine Zuständigkeitsregelung für die patentamtlichen Verfahren, insbesondere die Aufgaben der Markenstellen und der Markenabteilungen, sind in § 56 MarkenG niedergelegt. In § 57 MarkenG sind die Regelungen für die Ausschließung und Ablehnung von Beamten oder Angestellten, die mit der Wahrnehmung von Angelegenheiten betraut sind, die den Markenstellen oder den Markenabteilungen obliegen, enthalten, wobei die einschlägigen Regelungen der ZPO analog anzuwenden sind. Über ein Ablehnungsgesuch entscheidet die Markenabteilung (§ 57 Abs. 2 MarkenG). In § 58 wird dem DPMA auferlegt, Gutachten zu erstellen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren mehrere voneinander abweichende Sachverständigengutachten vorliegen, was selten geschieht. Ohne Genehmigung des BMJ ist das DPMA nicht befugt, außerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereiches Gutachten abzugeben oder Beschlüsse zu fassen. In §§ 59 und 60 MarkenG sind die wesentlichen Verfahrensgrundsätze des DPMA wie die Sachverhaltsermittlung, die Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 59 MarkenG) sowie die Einzelheiten bei Ermittlungen, Anhörungen und einer Niederschrift enthalten (§ 60 MarkenG). Die Form der Beschlüsse sowie die damit verbundene notwendige Belehrung über mögliche Rechtsmittel sind in § 61 MarkenG kodifiziert, der im Übrigen fast wortgleich dem § 47 PatG entspricht. Verfahrenskosten werden in § 63 MarkenG geregelt, soweit sie mehrseitige Verfahren vor dem DPMA behandeln. Sie entsprechen weitgehend den Kostenregelungen im patentrechtlichen Einspruchsverfahren gem. § 62 PatG. Für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren gelten mit § 91 und § 90 MarkenG im Wesentlichen entsprechende Vorschriften. Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass jeder Beteiligte seine ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur zulässig, wenn dies der Billigkeit 348 Bl. f. PMZ , 2004, 296 ff.; Tabu DPMA Nr. 300. 331 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer entspricht. Dabei bedarf es besonderer Umstände, die darin liegen können, dass das Verhalten eines Beteiligten nicht der prozessualen Sorgfalt entsprach. Mit Inkrafttreten des KostenbereinigungsG zum 1. 1. 2002 ist eine grundsätzliche Neuregelung der zu entrichtenden Gebühren erfolgt. Die ursprüngliche Intention bei Verabschiedung des MarkenG, alle Regelungen des Markenrechts innerhalb eines Gesetzes zu vereinen, ist bedauerlicherweise wieder aufgegeben worden, indem gem. § 64a in Verfahren vor dem DPMA die Kosten des PatKostG gelten. Im PatKostG sind alle Kosten konzentriert worden, die in den einschlägigen Gesetzen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes anfallen. Die Einzelvorschriften zu den Kosten sind aus dem MarkenG gestrichen worden. Die einzelnen Gebührentatbestände finden sich im GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG. Auch die Zahlungsfristen und die Rechtsfolgen einer Teil- oder Nichtzahlung der entsprechenden Gebühren sind dem PatKostG zu entnehmen. § 65 MarkenG ist der Ermächtigungsparagraph für das BMJ durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für die in § 65 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 MarkenG aufgeführten Einzelheiten bestimmte Regelungen zu treffen. Die auf dieser Vorschrift beruhenden Ausführungsbestimmungen finden sich insbesondere in der MarkenV sowie der DPMAV . Gemäß § 65 Abs. 2 MarkenG kann das BMJ die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen ganz oder teilweise dem Präsidenten des DPMA übertragen. Die einzelnen Ermächtigungen sind in Kirschneck 349 aufgeführt. 1. Akteneinsicht In § 62 MarkenG ist sowohl die Akteneinsicht als auch die Einsicht in das Markenregister geregelt. Während die Einsicht in das Markenregister jeder Person freisteht, gewährt das DPMA Akteneinsicht in die Anmeldeakten nur demjenigen, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Ein berechtigtes Interesse ist in der Regel anzunehmen, wenn für das zukünftige Verhalten des Antragstellers bei der Wahrung oder Verteidigung von Rechten die Kenntnis der Akten bestimmend sein kann. 350 Genügend ist demzufolge ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse. Grundsätzlich ist immer eine Abwägung der Interessen des Antragstellers einerseits und des Anmelders andererseits erforderlich. Jedenfalls liegt ein berechtigtes Interesse in den Fällen vor, in denen Rechte aus der Anmeldung gegenüber dem Akteneinsichtsantragsteller geltend gemacht werden, z. B. durch die Erhebung von Widersprüchen oder Klagen sowie Verwarnungen oder Abmahnungen. Ein berechtigtes Interesse besteht für zurückgewiesene oder zurückgenommene Anmeldungen wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse, um Klarheit erlangen zu können, ob es sich bei der fraglichen Marke um eine nunmehr frei verwendbare beschreibende Angabe handelt. 351 Einzelheiten zum Akteneinsichtsverfahren finden sich in § 22 DPMAV . Teile der Akten können-- wenn ein 349 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 65 Rdn. 2-15. 350 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 62 Rdn. 2; BGH GRUR 2012, 317 „Umfang der Akteneinsicht Dritter in Markenangelegenheiten“. 351 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft), 1994, 45, 94. 332 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer besonderes schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung vorliegt-- von der Einsicht ausgeschlossen werden. 352 Im Unionsmarkenrecht ist die Akteneinsicht in Art. 108 UMV geregelt. 2. Erinnerung Eine Besonderheit des patentamtlichen Verfahrens ist das Institut der Erinnerung gem. § 64 MarkenG. Die Erinnerung ist gegen Beschlüsse der Markenstellen und der Markenabteilungen möglich, die von einem Beamten des gehobenen Dienstes oder einem vergleichbaren Angestellten erlassen worden sind. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des DPMA bei diesem einzulegen. Sofern der Beamte oder Angestellte, dessen Beschluss mittels der Erinnerung angefochten wird, die Erinnerung für begründet erachtet, so kann er ihr abhelfen. § 64 Abs. 3 Satz 2 MarkenG lässt den Rechtsbehelf ausschließlich für einseitige Verfahren zu. Für die Erinnerung ist eine Erinnerungsgebühr innerhalb der Erinnerungsfrist von einem Monat zu zahlen. Die Erinnerung hat Suspensiveffekt, d. h. aufschiebende Wirkung. Über die Erinnerung entscheidet ein rechtskundiger oder technischer Beamter des höheren Dienstes als Mitglied des DPMA (§ 64 Abs. 4 MarkenG). Seit 1. 10. 2009 kann anstelle der Erinnerung die Beschwerde eingelegt werden (§ 66 Abs. 6 MarkenG). Ist eine Beschwerde nach §§ 64 Abs. 6 oder 66 Abs. 3 MarkenG eingelegt worden, kann über eine Erinnerung nicht mehr entschieden werden. Sollte dies dennoch geschehen, so wird die erlassene Erinnerungsentscheidung gegenstandslos (§ 64 Abs. 7 MarkenG). II. Beschwerde 1. Überblick In Abschnitt 5 des MarkenG sind eigenständige Regelungen für das Beschwerdeverfahren vor dem BP atG in Markensachen enthalten, die inhaltlich weitgehend mit den §§ 73 ff. PatG übereinstimmen. Ähnlich wie bei den Verfahren vor dem DPMA enthalten zunächst die §§ 66 bis 72 MarkenG Regelungen in Bezug auf das BP atG, die §§ 73 bis 80 MarkenG enthalten Verfahrensvorschriften. § 81 MarkenG behandelt die Vertretung bzw. Bevollmächtigung. Eine Anfechtbarkeit von Entscheidungen des BP atG ist nach § 82 Abs. 2 MarkenG nur möglich, soweit sie vom MarkenG zugelassen ist. Anträge zur Akteneinsicht sind nach § 62 Abs. 1 und 2 MarkenG analog zu behandeln, über die Anträge entscheidet das BP atG. Des Weiteren finden sich- - neben der Generalverweisung in § 82 Abs. 1 MarkenG- - zahlreiche Verweise auf die ZPO bzw. das GVG , so in Bezug auf die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen (§ 72 MarkenG), das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 71 Abs. 5 MarkenG) und die Niederschrift von mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen (§ 77 MarkenG). 352 BGH GRUR 2007, 628, 629 (Nr. 14) „Moon“. 333 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer 2. Beschwerdeverfahren Gegen die Beschlüsse der Markenstellen und der Markenabteilungen findet die Beschwerde an das BP atG statt, soweit gegen diese Beschlüsse nicht die Erinnerung gegeben ist. Die Beschwerde steht allen am Verfahren vor dem DPMA Beteiligten zu und hat aufschiebende Wirkung (§ 66 Abs. 1 MarkenG). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA schriftlich einzulegen. Mit der Beschwerdeeinlegung wird eine Beschwerdegebühr gem. § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 1 PatKostG fällig, die innerhalb der Beschwerdefrist zu zahlen ist. Die Gebühr ist beim DPMA einzuzahlen. Wird die Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig eingezahlt, gilt die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG). Bei der Beschwerde handelt es sich-- im Gegensatz zur Erinnerung-- um ein echtes Rechtsmittel mit Suspensiveffekt und Devolutivwirkung (im höheren Rechtszug anhängig). Die Beteiligten können sich jederzeit durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, wobei die Vollmacht für den Vertreter schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist (§ 81 MarkenG). Hat einer der Beteiligten jedoch weder im Inland einen Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung, so kann er an dem Verfahren vor dem BP atG ebenso wie vor dem DPMA nur teilnehmen und / oder Rechte aus einer Marke geltend machen, wenn er im Inland einen Rechts- oder Patentanwalt als bevollmächtigten Vertreter bestellt hat (§ 81 Abs. 1 i. V. m. § 96 MarkenG). Weitere Regelungen zum Inlandsvertreter-- insbesondere für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union bzw. EWR -- finden sich in § 96 MarkenG. Verfahrensbeteiligte sind diejenigen, die im Verfahren vor dem DPMA Beteiligte waren. Nicht beteiligt ist-- sieht man von der Abhilfe nach § 66 Abs. 5 MarkenG und der Möglichkeit des Präsidenten des DPMA , an dem Beschwerdeverfahren teilzunehmen oder unter bestimmten Voraussetzungen (§ 68 MarkenG) beizutreten, ab-- das DPMA selbst. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Unionsmarkenrecht, da gegen Entscheidungen des EUIPO die Beschwerde zu den Beschwerdekammern gem. Art. 66 UMV vorgesehen ist, die Bestandteil des EUIPO gem. Art. 165 und 166 UMV sind. Weitere Voraussetzung für eine zulässige Beschwerde ist, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, d. h., dass seinem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist oder der Beschluss sich in anderer Weise auf ihn nachteilig auswirkt. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht notwendig, jedoch ratsam. Grundsätzlich gilt, dass bei mehreren Beschwerden für jede einzelne Beschwerde Gebühren zu zahlen sind, wobei unerheblich ist, ob in Widerspruchsverfahren die verschiedenen Widersprechenden von demselben Bevollmächtigten vertreten und / oder die Beschwerden in einem gemeinsamen Schriftsatz eingelegt wurden. Unerheblich ist auch, wenn aufgrund von mehreren Widersprüchen nur ein Beschluss vom DPMA ergangen ist. 353 Sind von einem Widersprechenden aus verschiedenen Marken Widersprüche erhoben worden (und für jeden einzelnen Widerspruch eine Gebühr gezahlt worden), die alle mit einem Beschluss des DPMA zurückgewiesen worden sind, so ist nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, da 353 Knoll in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 66 Rdn. 45. 334 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nur ein Beschluss von nur einem am Verfahren Beteiligten angefochten wird. 354 In Verfahren mit mehreren Beteiligten ist- - neben der selbständigen Beschwerde- - die unselbständige Anschlussbeschwerde (gestützt auf § 567 Abs. 3 ZPO ) gegeben. Die Anschlussbeschwerde ist von der Aufrechterhaltung und Zulässigkeit der selbständigen Beschwerde abhängig und nicht an eine Beschwerdefrist oder die Zahlung einer Beschwerdegebühr gebunden. Jedoch muss der Beschwerdeführer durch die Entscheidung beschwert sein. § 66 Abs. 4 MarkenG regelt die Anzahl der Abschriften und die Zustellung an die übrigen Beteiligten, während Abs. 5 im einseitigen Beschwerdeverfahren dem DPMA die Möglichkeit gibt, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es die Beschwerde für begründet erachtet. Die Abhilfe durch das DPMA ist jedoch nur innerhalb eines Monats nach Einlegung der Beschwerde möglich. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen oder gibt es einen weiteren Verfahrensbeteiligten, so hat das DPMA die Beschwerde unverzüglich dem BP atG vorzulegen (§ 66 Abs. 5 MarkenG). Die Verhandlung über Beschwerden einschließlich der Verkündung der Entscheidung sind öffentlich, wenn die Markeneintragung veröffentlicht worden ist (§ 67 Abs. 2 MarkenG) und sofern eine mündliche Verhandlung stattfindet. Die mündliche Verhandlung findet statt, wenn sie gem. § 69 MarkenG von einem der Beteiligten beantragt worden ist oder gem. § 74 Abs. 1 MarkenG Beweis erhoben wird oder das BP atG sie für sachdienlich erachtet. Über die Beschwerde wird durch Beschluss eines Beschwerdesenates-- besetzt mit drei rechtskundigen Mitgliedern (§ 67 Abs. 1 MarkenG)-- entschieden (§ 70 Abs. 1 u. 2 MarkenG). Alternativ dazu kann das BP atG die durch Beschwerde angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das DPMA noch nicht in der Sache entschieden hat, das Verfahren vor dem DPMA an einem wesentlichen Mangel gelitten hat oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind, die für die Entscheidung wesentlich sind (§ 70 Abs. 3 MarkenG). Die Sachverhaltsermittlung erfolgt durch das BP atG von Amts wegen. Insoweit ist es an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 73 Abs. 1 MarkenG). Eine Beweiserhebung durch das BP atG in der mündlichen Verhandlung erfolgt durch Inaugenscheinnahme, Zeugen-, Sachverständigen- und / oder Beteiligtenvernehmung sowie das Heranziehen von Urkunden, wobei alle am Verfahren Beteiligten der Beweisaufnahme beiwohnen und an Zeugen und Sachverständige sachdienliche Fragen richten können (§ 74 MarkenG). Selbstverständlich muss den Beteiligten vor einer Entscheidung rechtliches Gehör gewährt werden (§ 78 Abs. 2 MarkenG). Eine Besonderheit in Verfahren vor dem BP atG ist die Möglichkeit der Beteiligung des Präsidenten des DPMA (§ 68 MarkenG). Grundsätzlich kann der Präsident im Beschwerdeverfahren schriftlich dem BP atG gegenüber Erklärungen abgeben und in den Terminen seine Erklärungen ausführen. Wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, kann das BP atG dem Präsidenten des DPMA anheim geben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Erklärt infolge dessen der Präsident des DPMA seinen Beitritt, so hat er 354 Knoll in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 66 Rdn. 46. 335 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer im Verfahren die Stellung eines Beteiligten. Die Beteiligung des Präsidenten in Beschwerdeverfahren gem. § 68 MarkenG entspricht den §§ 76 und 77 PatG. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen in der Regel die Beteiligten selbst, da dies der Billigkeit entspricht (§ 71 MarkenG). In mehrseitigen Verfahren können die Kosten- - abweichend von der Grundregel-- einem der Beteiligten-- auch dem Präsidenten des DPMA als Beteiligtem-- nach pflichtgemäßem Ermessen des BP atG auferlegt werden. Eine Kostenauferlegung kann aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen, sittenwidrigen oder erkennbar erfolglosen Markenanmeldung bzw. Widerspruchseinlegung oder wenn ein Beteiligter die ihm obliegende prozessuale Sorgfaltspflicht in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigt, 355 erfolgen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr-- die das BP atG gem. § 71 Abs. 3 MarkenG anordnen kann-- kommt bei Verfahrensfehlern im Verfahren vor dem DPMA infrage, z. B. durch die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine Rückzahlung kann auch erfolgen, wenn die Beschwerde gegenstandslos wird, z. B. wenn ein unterlegener widersprechender Markeninhaber Beschwerde eingelegt hat und die angegriffene Marke aufgrund eines weiteren Widerspruchs gelöscht wird. In Widerspruchs- und Löschungs-Beschwerdeverfahren vor dem EUIPO trägt nach Art. 109 UMV generell die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. 3. Durchgriffsbeschwerde Eine besondere Art der Beschwerde ist die sog. Durchgriffsbeschwerde gem. § 66 Abs. 3 MarkenG. Sie ist statthaft, wenn das DPMA in einem Erinnerungsverfahren nicht binnen 6 Monaten nach Einlegung der Erinnerung über diese entschieden hat, um die Dauer der Verfahren vor dem DPMA nicht über Gebühr auszudehnen. In einseitigen Verfahren muss beim DPMA ein Antrag auf Entscheidung gestellt werden. Führt dieser nicht innerhalb von 2 Monaten zu einer Entscheidung, kann Beschwerde gegen den Beschluss des DPMA eingelegt werden. In kontradiktorischen-- also mehrseitigen Verfahren-- ist die Einlegung einer Durchgriffsbeschwerde gem. § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 MarkenG frühestens 10 Monate nach Einlegung der Erinnerung möglich. Auch hier muss ein Antrag auf Entscheidung gestellt werden und dieser nicht innerhalb von 2 Monaten zu einer Entscheidung geführt haben. Hat ein weiterer Verfahrensbeteiligter ebenfalls Erinnerung eingelegt, so bedarf die Durchgriffsbeschwerde der Einwilligung durch diesen Beteiligten, die dem Beschwerdeantrag beizufügen ist. Legt der einwilligende andere Beteiligte nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Beschwerde gem. § 66 Abs. 4 Satz 2 MarkenG ebenfalls Beschwerde ein, so gilt seine Erinnerung als zurückgenommen. Mit dieser Regelung wird verhindert, dass ein Rechtsstreit in mehreren Instanzen anhängig ist. Bei den Beteiligten muss es sich um den Markeninhaber und einen Widersprechenden handeln, da sich zwei Beteiligte, die beide Widerspruch gegen die Marke eines Dritten eingelegt haben, nicht gegenüberstehen. 355 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 71 Rdn. 17. 336 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer III. Rechtsbeschwerde 1. Überblick Das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH wird in den §§ 83-90 des Abschnittes 6 des MarkenG behandelt. Sie entsprechen fast immer wortwörtlich den entsprechenden Regelungen der §§ 100-109 PatG. Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des BP atG, durch die über eine Beschwerde gegen die Beschlüsse der Markenstellen oder der Markenabteilungen des DPMA (§ 66 MarkenG) entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den BGH statt, sofern der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluss zugelassen hat (§ 83 Abs. 1 MarkenG). Sie ist dann zuzulassen, wenn gem. § 83 Abs. 2 MarkenG ▶ eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder ▶ die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert. Eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zum BGH ist möglich, wenn gerügt wird, dass ▶ das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ▶ bei einem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, ▶ einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, ▶ ein Beteiligter am Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, ▶ der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrift über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden ist oder ▶ der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist (§ 83 Abs. 3 MarkenG). Die zugelassene Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1 u. 2 MarkenG dient dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Rechtsfortschreibung sowie der grundsätzlichen Klärung von Rechtsfragen sowie der Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Im Gegensatz hierzu verwirklicht die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde den individuellen Rechtsschutz insbesondere aufgrund von Verfahrensmängeln in der Vorinstanz. Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist mit dem Rechtsmittel der Revision vergleichbar, so dass auf die einschlägigen Vorschriften in der ZPO zurückgegriffen wird. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. Statthaft ist eine Anschlussrechtsbeschwerde durch den Rechtsbeschwerdegegner innerhalb eines Monats nach Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung. Sie muss analog der ZPO innerhalb dieser Frist begründet werden. 337 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer 2. Rechtsbeschwerdeverfahren Die Rechtsbeschwerde steht allen am Beschwerdeverfahren Beteiligten zu und kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss über die Beschwerde des BP atG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 84 MarkenG). Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim BGH schriftlich einzulegen und zu begründen. Die Begründungsfrist beträgt 1 Monat ab Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag verlängert werden (§ 85 Abs. 1 u. 3 MarkenG). Die Vertretung vor dem BGH muss durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten erfolgen. Auf Antrag eines Beteiligten ist seinem Patentanwalt das Wort zu gestatten (§ 85 Abs. 5 MarkenG). Von Amts wegen prüft der BGH gem. § 86 MarkenG die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde sowie die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist einschließlich des Vorliegens einer Begründung. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Sind an dem Rechtsbeschwerdeverfahren mehrere Personen beteiligt, so wird die Beschwerdeschrift sowie -begründung den anderen Beteiligten mit der Aufforderung zugestellt, innerhalb einer bestimmten Frist sich hierzu schriftlich zu erklären (§ 87 Abs. 1 MarkenG). Abs. 2 des § 87 MarkenG ermöglicht es dem Präsidenten des DPMA analog § 68 Abs. 1 MarkenG, Erklärungen zur Wahrung des öffentlichen Interesses abzugeben, an den Terminen teilzunehmen und in ihnen Ausführungen zu machen. Hat der Präsident des DPMA bereits in dem Beschwerdeverfahren gem. § 68 Abs. 2 MarkenG die Beteiligtenstellung erlangt, so ist er auch in der Rechtsbeschwerde Verfahrensbeteiligter. Als Nichtbeteiligter im Beschwerdeverfahren kann er die Beteiligtenstellung im Verfahren vor dem BGH nicht erlangen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss und kann auch ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 89 MarkenG), wobei der BGH bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluss getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind. Die Entscheidung ist zu begründen. Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, wobei das BP atG die rechtliche Beurteilung-- die der Aufhebung zugrunde liegt-- auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Hinsichtlich der Kosten sieht § 90 MarkenG vor, dass-- abweichend vom Beschwerdeverfahren vor dem BP atG-- der erfolglose Rechtsbeschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. IV. Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung, Inlandsvertreter und sonstige Vorschriften 1. Wiedereinsetzung Das Institut der Wiedereinsetzung wird in § 91 MarkenG, der weitgehend § 123 PatG entspricht, geregelt. Demzufolge ist der Antragsteller auf Antrag wieder in den vorherigen Verfahrensstand einzusetzen, sofern er ohne Verschulden verhindert war, gegenüber dem DPMA oder BP atG eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift 338 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Ausgeschlossen ist hiervon die Frist zur Erhebung des Widerspruchs sowie zur Zahlung der Widerspruchsgebühr. Zu dem Rechtsbegriff der Verhinderung ohne Verschulden gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. 356 Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe der die Verhinderung begründenden Tatsache beantragt und die Tatsache im Laufe des Verfahrens glaubhaft gemacht werden. Des Weiteren ist die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen, wobei die Wiedereinsetzung in diesem Fall auch ohne Antrag gewährt werden kann. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung besteht maximal 1 Jahr nach Ablauf der versäumten Frist. Über die Wiedereinsetzung selbst beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat. Abweichend von § 123 Abs. 1 Satz 2 PatG gilt der Ausschluss der Wiedereinsetzung nicht für die Frist zur Einlegung der Beschwerde eines Widersprechenden gegen die den Widerspruch zurückweisende Entscheidung. Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht möglich gegen die Versäumung der Frist gegen den Weiterbehandlungsantrag gem. § 91a Abs. 3 MarkenG sowie die Frist zum Einspruch gegen die Eintragung von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen in das von der EU -Kommission geführte Verzeichnis (gem. § 132 Abs. 2 MarkenG) einschließlich der Frist zur Zahlung der entsprechenden Einspruchsgebühr. 2. Weiterbehandlung Im Markenanmeldungsverfahren ist auch mit Inkrafttreten am 1. 1. 2005 die Weiterbehandlung einer Markenanmeldung möglich, die nach Versäumung einer vom DPMA bestimmten Frist zurückgewiesen worden ist. Der Antrag auf Weiterbehandlung ist innerhalb einer Frist von 1 Monat nach Zustellung der Entscheidung über die Zurückweisung der Markenanmeldung zu stellen und die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen. Eine Wiedereinsetzung ist in diese Fristen nicht möglich. Des Weiteren muss eine Weiterbehandlungsgebühr (§ 91a i. V. m. Nr. 333 050 GebVerz. zu § 2 Abs. 1 PatKostG) innerhalb der in § 91a Abs. 2 MarkenG vorgesehenen Frist eingezahlt werden. Über die Weiterbehandlung entscheidet-- wie auch bei dem Antrag auf Wiedereinsetzung-- die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat mit der Rechtsfolge, dass bei Stattgabe der Zurückweisungsbeschluss wirkungslos wird, ohne ausdrücklich aufgehoben zu werden. § 91a ist-- wie die Parallelvorschrift des § 123a PatG-- dem Art. 121 EPÜ nachgebildet. Die Weiterbehandlung ist in Art. 105 UMV vergleichbar enthalten. 356 Kommentiert u. a. in Kober-Dehm in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 91 Rdn. 10-19; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 91 Rdn. 10-25; Donle in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 91 Rdn. 6-8; Gruber in Kur / v.Bomhard / Albrecht (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 91 Rdn. 15-24. 339 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer 3. Inlandsvertreter Wer als natürliche Person weder Wohnsitz noch Niederlassung oder als juristische Person oder Personengesellschaft weder Sitz noch Niederlassung in Deutschland hat, benötigt einen Inlandsvertreter, um an einem Verfahren vor dem DPMA oder dem BP atG teilnehmen oder Rechte aus einer Marken geltend machen zu können (§ 96 MarkenG). Als Inlandsvertreter können Rechts- und Patentanwälte oder Vertreter aus anderen EU - oder EWR -Mitgliedsstaaten-- sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen und in Deutschland einen Rechts- oder Patentanwalt als Zustellungsbevollmächtigten bestellt haben-- bevollmächtigt werden. § 96 Abs. 3 MarkenG regelt, dass der Ort, an dem ein bestellter Vertreter seinen Geschäftsraum hat oder in Ermangelung eines Geschäftsraumes seinen Wohnsitz hat, i. S. des § 23 ZPO als der Ort gilt, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet. Hat auch der bestellte Vertreter weder Geschäftsraum noch Wohnsitz im Inland, so gilt der Sitz des DPMA als Ort, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet. Diese Regelung zum Inlandsvertreter entspricht dem § 25 PatG, der im Übrigen seine Entsprechung auch in Art. 119 Abs. 2 UMV hat, wobei dort die Vertretung auswärtiger juristischer Personen auch durch Angestellte eines verbundenen Unternehmens mit Sitz oder Niederlassung in der Union zulässig ist. 4. Weitere Vorschriften Der Abschnitt 7 des MarkenG über gemeinsame Vorschriften enthält weitere Vorschriften über die Wahrheitspflicht in amtlichen bzw. gerichtlichen Verfahren (§ 92 MarkenG), die deutsche Amts- und Gerichtssprache (§ 93 MarkenG) sowie über Zustellungen (§ 94 MarkenG), zu leistende Rechtshilfe (§ 95 MarkenG) sowie die Möglichkeit, elektronische Dokumente einzureichen (§ 95a MarkenG). § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken I. Überblick Kollektivmarken werden in Teil 4 des MarkenG in §§ 97-106 MarkenG behandelt. Unionskollektivmarken sind im Titel VIII , Art. 66-74 UMV geregelt. Die Vorschriften zu Kollektivmarken der UMV sowie des MarkenG gehen auf Art. 28 Abs. 1 der Marken RL zurück, die den Mitgliedsstaaten zugesteht, für Kollektiv-, Garantie- oder Gewährleistungsmarken weitere Schutzhindernisse vorzusehen. Nach Art. 28 Abs. 4 Marken RL können die Mitgliedsstaaten geografische Herkunftsangaben zur Eintragung als Kollektiv-, Gewährleistungs- oder Garantiemarke zulassen. 357 Alle Vorschriften des MarkenG finden gem. § 97 Abs. 2 Anwendung auch auf Kollektivmarken, sofern in Teil 4 MarkenG nichts anderes bestimmt ist. Neben der Ergänzung zur Markenfähigkeit werden die Regelungen in Bezug auf absolute Schutzhindernisse durch die §§ 97 Abs. 1 und 99 MarkenG (geografische Herkunftsangaben als Kollektivmarken) modifiziert. Restriktivere Voraussetzungen gelten für die Inhaberschaft von 357 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 102. 340 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kollektivmarken, sowie im Hinblick auf die amtlichen Gebühren, die für Kollektivmarken generell wesentlich höher ausfallen (§ 64a i. V. m. GebVerz. zu § 2 PatKostG). Als Kollektivmarken können als Marke schutzfähigen Zeichen im Sinne des § 3 MarkenG eingetragen werden, die-- im Unterschied zu allen anderen nach § 3 MarkenG schutzfähigen Zeichen- - geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geografischen Herkunft, ihrer Art, ihrer Qualität oder ihren sonstigen Eigenschaften zu unterscheiden. Kollektivmarken dienen in erster Linie dazu, einer Gruppe von Interessenten-- z. B. kleiner oder mittlerer Unternehmen oder Unternehmen einer bestimmten Region-- die Möglichkeit zu geben, ein Zeichen zu schaffen, das die Funktion hat, auf bestimmte Eigenschaften der mit der Kollektivmarke verbundenen Waren oder Dienstleistungen oder ihrer geografischen Herkunft hinzuweisen und nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb. Beispiele sind im Bereich der Möbel das Zeichen „ WKS “ oder im Lebensmittelbereich die bekannte Qualitätsmarke „Golden Toast“. Nicht selten werden Kollektivzeichen als Gütezeichen verwendet, welche bestimmte für die Güte der Waren oder Dienstleistungen wesentliche Eigenschaften erfüllen, die von neutralen, außerhalb des gewerblichen Gewinnstrebens stehenden zuständigen Stellen an objektiven Maßstäben überprüft worden sind. 358 Hierfür notwendig ist eine sog. „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ einer Prüfstelle wie z. B. dem „Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V.“ oder einer anderen neutralen Kontrollinstanz wie dem „Deutschen Institut für Normung“ ( DIN ) oder dem „Technischen Überwachungsverein“ ( TÜV ). Wie bereits die frühere Marken RL v. 22. 10. 2008 sieht auch die neugefasste Marken RL 2015 / 2436 optional die Einführung einer Gewährleistungsmarke als weitere Markenkategorie neben der Individual- und Kollektivmarke vor. Gem. Art. 28 Abs. 2 Marken RL ist eine Gewährleistungsmarke eine Marke, die bei der Anmeldung als solche benannt wird und geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die der Inhaber der Marke das Material, die Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, die Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften gewährleistet, von solchen zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. Gütesiegel oder Prüfzeichen neutraler Zertifizierungsunternehmen können somit markenrechtlichen Schutz erlangen. Die Unionsgewährleistungsmarke wurde mit der am 23. 10. 2016 in Kraft getretenen UMV zum 1. 10. 2017 eingeführt (Art. 83-93 UMV , Art. 17 UMDV ). Ab diesem Zeitpunkt können Unionsgewährleistungsmarken mit Wirkung für die gesamte europäische Union beim EUIPO angemeldet und als ältere Rechte gemäß §§ 9, 125b Nr. 1 MarkenG auch in deutschen Verfahren geltend gemacht werden. Mit Inkrafttreten des MaMoG kann auch in Deutschland eine nationale Gewährleistungsmarke angemeldet werden. Hierfür wurde ein neuer Teil 5 „Gewährleistungsmarken“ mit den §§ 106a-h ins MarkenG eingefügt (Nr. 66 MaMoG). 358 BP atG BP at GE , 28, 139 „Gütezeichenverband“. 341 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer Im Vergleich zur Individual- und Kollektivmarke steht bei der Gewährleistungsmarke nicht die Herkunftsfunktion, sondern die Garantiefunktion im Vordergrund. Der Markeninhaber übt selbst keine Tätigkeit aus, die die Produktion oder Verbreitung gekennzeichneter Produkte umfasst (sog. Neutralitätsgebot), sondern nur die Funktion des Zertifizierers. Gewährleistungsmarken dienen damit nicht als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen (oder Kollektiv) sondern unterscheiden Produkte einer bestimmten gewährleisteten Qualität von anderen Produkten ohne diese Gewährleistung. Im Gegensatz zu den Individual- und Kollektivmarken dient eine Gewährleistungsmarke nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft von Waren und / oder Dienstleistungen, sondern auf die Gewährleistung der Eigenschaften der geschützten Waren und / oder Dienstleistungen. II. Eintragungsvoraussetzungen 1. Unterscheidungskraft Nach § 97 Abs. 1 MarkenG genügt für die Unterscheidungskraft von Kollektivmarken, dass diese die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geografischen Herkunft, nach Art, ihrer Qualität oder sonstigen Eigenschaften unterscheiden können. Gem. § 106a MarkenG (n. F.) gewährleistet der Inhaber der Gewährleistungsmarke bei ihrer Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, mindestens eine der folgenden Eigenschaften: Material, Art und Weise der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen, Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften mit Ausnahme der geografischen Herkunft. Die Marke muss geeignet sein, Waren und Dienstleistungen, für die die Gewährleistung besteht, von solchen Marken zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. 2. Inhaberschaft und Markensatzung Die Inhaberschaft von Kollektivmarken können rechtsfähige Verbände innehaben (§ 98 MarkenG), denen juristische Personen des öffentlichen Rechts gleichgestellt sind. Auch rechtsfähige Dachverbände und Spitzenverbände, deren Mitglieder selbst Verbände sind, können Inhaber angemeldeter oder eingetragener Kollektivmarken sein. Die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft als auch die Bedingungen für die Benutzung der Kollektivmarke sind in einer Markensatzung zu regeln, die gem. § 102 Abs. 2 MarkenG mindestens enthalten muss: ▶ Name und Sitz des Verbandes, ▶ Zweck und Vertretung des Verbandes, ▶ Voraussetzung für die Mitgliedschaft, ▶ Angaben über den Kreis der zur Benutzung der Kollektivmarke befugten Personen, ▶ die Bedingung für die Benutzung der Kollektivmarke und 342 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ Angaben über die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Falle von Verletzungen der Kollektivmarke. Sofern die Kollektivmarke aus einer geografischen Herkunftsangabe besteht, muss in der Satzung gem. § 102 Abs. 3 MarkenG vorgesehen werden, dass jede Person- - deren Waren oder Dienstleistungen aus dem entsprechenden geografischen Gebiet stammen und den in der Markensatzung enthaltenen Bedingungen für die Benutzung der Kollektivmarke entsprechen- - Mitglied des Verbandes werden kann und in den Kreis der zur Benutzung der Kollektivmarken befugten Person aufzunehmen ist. Im Anmeldeverfahren einer Kollektivmarke werden zusätzlich die besonderen Voraussetzungen der §§ 97, 98 und 102 MarkenG geprüft. Die Markensatzung wird hinsichtlich eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten überprüft (§ 103 MarkenG). Jegliche spätere Änderung der Markensatzung ist gem. § 104 MarkenG dem DPMA zur Prüfung vorzulegen. Natürliche oder juristische Personen können eine Gewährleistungsmarke anmelden (§ 106b MarkenG (n. F.), sofern sie keine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung besteht, umfasst. Daher ist der Anmeldung-- wie auch bei der Unionsgewährleistungsmarke (Art. 84 UMV i. V. m. Art. 17 UMDV )-- eine Satzung beizufügen, die mindestens enthalten muss (§ 106b Abs.2 MarkenG n. F.): ▶ Name und Adresse des Inhabers der Gewährleistungsmarke, ▶ eine Erklärung des Inhabers der Gewährleistungsmarke, selbst keine Tätigkeit auszuüben, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung übernommen wird, umfasst, ▶ eine Wiedergabe der Gewährleistungsmarke, ▶ die Waren und Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung bestehen soll, ▶ Angaben darüber, welche Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen von der Gewährleistung umfasst werden, ▶ die Bedingungen für die Benutzung der Gewährleistungsmarke, ▶ Angaben über den Kreis der zur Benutzung der Gewährleistungsmarke befugten Personen, ▶ die Art und Weise, in der der Inhaber der Gewährleistungsmarke die von der Gewährleistung umfassten Eigenschaften zu prüfen und die Benutzung der Marke zu überwachen hat und ▶ Angaben über die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Falle von Verletzungen der Gewährleistungsmarke, insbesondere über Sanktionen. Die Anmeldung einer Gewährleistungsmarke wird vom DPMA geprüft (§ 106e MarkenG n. F.), ob absolute Schutzhindernisse bestehen, die Voraussetzungen der §§ 106a (Gewährleistung des Inhabers), 106b Abs. 1 (Inhaberschaft) oder § 106d (Satzung) erfüllt sind, die Markensatzung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt oder die Gefahr 343 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer der Irreführung besteht. Spätere Änderungen der Satzung sind dem DPMA mitzuteilen und werden erst nach Eintragung in das Register wirksam (§ 106f MarkenG n. F.). 3. Geltendmachung von Rechten und Schutzschranken Ein Mitglied des die Kollektivmarke innehabenden Verbandes kann nur mit dessen Zustimmung gem. § 101 MarkenG Verletzungsklage erheben, sofern in der Markensatzung nichts anderes bestimmt ist. Der Kollektivmarkeninhaber kann auch den Schaden geltend machen, der dem berechtigten Benutzer der Kollektivmarke durch die verletzende Benutzung der Kollektivmarke oder eines ähnlichen Zeichens entstanden ist. Im Hinblick auf den Benutzungszwang regelt § 100 Abs. 2 MarkenG, dass die rechtserhaltende Benutzung schon dann gegeben ist, wenn die Kollektivmarke durch mindestens eine hierzu befugte Person oder den Inhaber der Kollektivmarke erfolgt ist. Zusätzlich zu den Schutzschranken, die sich aus § 23 MarkenG (Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben) ergeben, gewährt die Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe als Kollektivmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, Dritten zu untersagen, Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den guten Sitten entspricht und nicht gegen den Schutz von geografischen Herkunftsangaben (gem. § 127 MarkenG) verstößt. Die ernsthafte Benutzung einer Gewährleistungsmarke durch mindestens eine befugte Person gilt als Benutzung i. S. des § 26 MarkenG (§ 106b Abs. 2 MarkenG). Eine entsprechende Vorschrift findet sich für Unionsgewährleistungsmarken in Art. 87 UMV. Wegen des Neutralitätsgrundsatzes ist eine solche klarstellende Vorschrift zwingend erforderlich, da der Inhaber einer Gewährleistungsmarke gerade nicht Hersteller bzw. Erbringer der von der Gewährleistung umfassten Waren bzw. Dienstleistungen sein darf und deshalb von der Benutzung der Marke selbst ausgeschlossen ist. § 106c MarkenG (n. F.) enthält Regelungen zur Klagebefugnis und zur Geltendmachung von Schadensersatz, die an die entsprechenden Normen für Kollektivmarken in § 101 MarkenG angelehnt sind. Gem. § 106c Abs. 1 MarkenG (n. F.) kann eine zur Benutzung der Gewährleistungsmarke berechtigte Person Klage wegen Verletzung der Gewährleistungsmarke nur mit Zustimmung ihres Inhabers erheben, soweit in der Markensatzung nichts anderes bestimmt ist. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen Art. 90 UMV , wonach nur der Inhaber einer Unionsgewährleistungsmarke oder eine speziell von ihm hierzu ermächtigte Person eine Verletzungsklage erheben kann. Nach § 106c Abs. 2 MarkenG (n. F.) kann der Inhaber einer Gewährleistungsmarke Schadensersatz verlangen, der den zur Benutzung der Gewährleistungsmarke berechtigten Personen aus der unbefugten Benutzung der Gewährleistungsmarke oder eines ähnlichen Zeichens entstanden ist. Eine parallele Vorschrift für Kollektivmarken ist in Art. 80 Abs. 2 UMV verankert. 344 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 4. Löschungsgründe Die Löschung einer Kollektivmarke wegen Verfalls bzw. wegen absoluter Schutzhindernisse wird in den §§ 105 und 106 MarkenG geregelt. Über die in § 49 MarkenG genannten Verfallsgründe kann eine Kollektivmarke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht werden, wenn ▶ der Inhaber der Kollektivmarke nicht mehr besteht, ▶ der Inhaber der Kollektivmarke keine geeigneten Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass die Kollektivmarke missbräuchlich in einer den Verbandszwecken oder der Markensatzung widersprechenden Weise benutzt wird oder ▶ eine Änderung der Markensatzung nicht mehr den Voraussetzungen entspricht, wie sie in §§ 102 und 103 MarkenG gefordert sind, es sei denn, dass die Markensatzung so geändert wird, dass der Löschungsgrund nicht mehr besteht. Der letzte Punkt trifft nur für ältere Satzungsänderungen zu, da jetzige Änderungen der Markensatzung nicht mehr ins Register eingetragen werden. Als eine missbräuchliche Benutzung ist anzusehen, wenn die Benutzung nicht befugter Personen geeignet ist, das Publikum zu täuschen (§ 105 Abs. 2 MarkenG). Der Inhaber der Kollektivmarke ist aufgefordert, Maßnahmen gegen eine missbräuchliche oder satzungswidrige Benutzung der Kollektivmarke einzuschreiten. Allerdings führt die bloße Untätigkeit des markeninnehabenden Verbandes nicht automatisch zu einer Löschung, sondern erst dann, wenn zuvor eine Aufforderung zum Einschreiten gegen die missbräuchliche oder satzungswidrige Benutzung erfolgt oder andere Umstände feststellbar sind, aus denen sich die Obliegenheit des Verbandes zum Tätigwerden eindeutig ergibt. 359 Das Löschungsverfahren wird nach § 105 Abs. 3 MarkenG durch den Verweis auf § 54 MarkenG ausschließlich vor dem DPMA durchgeführt, bei dem der Löschungsantrag zu stellen ist. Eine Kollektivmarke kann gem. § 106 MarkenG auf Antrag gelöscht werden, wenn eine der in § 50 MarkenG genannten Nichtigkeitsgründe besteht oder sie entgegen den Voraussetzungen der §§ 97, 98 und 102 MarkenG eingetragen worden ist. Betrifft der Nichtigkeitsgrund die Markensatzung, so wird die Kollektivmarke nur gelöscht, wenn der Kollektivmarkeninhaber die Markensatzung nicht so ändert, dass der Nichtigkeitsgrund nicht mehr besteht (§ 106 S. 2 MarkenG). Die Eintragung einer Gewährleistungsmarke wird gem. § 106g MarkenG (n. F.) außer aus den in § 49 MarkenG genannten Verfallsgründen auf Antrag beim DPMA auch in den folgenden Fällen für verfallen erklärt und gelöscht: ▶ wenn der Inhaber der Gewährleistungsmarke die Erfordernisse de Inhaberschaft nicht mehr erfüllt, und ▶ keine geeigneten Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass die Gewährleistungsmarke missbräuchlich in einer der Satzung widersprechenden Weise benutzt wird, insbesondere 359 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 104. 345 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer wenn die Nutzung durch andere als die zur Benutzung befugten Personen geeignet ist, das Publikum zu täuschen, ▶ wenn die Gewährleistungsmarke von berechtigten Personen so benutzt worden ist, dass die Gefahr besteht, dass das Publikum nach irregeführt wird, oder ▶ wenn eine Änderung der Gewährleistungsmarkensatzung entgegen § 106f Abs. 2 MarkenG (n. F.) in das Register eingetragen worden ist, es sei denn, dass der Inhaber der Gewährleistungsmarke die Gewährleistungsmarkensatzung erneut so ändert, dass der Löschungsgrund nicht mehr besteht. Das Löschungsverfahren richtet sich nach § 53 MarkenG. § 106h MarkenG (n. F.) regelt die Nichtigkeit von Gewährleistungsmarken wegen absoluter Schutzhindernisse. Nach S. 1 wird die Eintragung einer Gewährleistungsmarke außer aus den in § 50 MarkenG genannten Nichtigkeitsgründen auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen § 106e MarkenG (n. F.) eingetragen worden ist. Damit werden die zusätzlichen Eintragungshindernisse auch als zusätzliche Nichtigkeitsgründe berücksichtigt. Ist der Nichtigkeitsgrund in der Gewährleistungsmarkensatzung begründet, kann der Inhaber der Gewährleistungsmarke durch eine entsprechende Satzungsänderung die Löschung vermeiden. Eine Parallelvorschrift findet sich für Kollektivmarken in § 106 MarkenG. § 106h dient damit auch dem Regelungsgleichlauf von Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken. § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme I. Gerichtsstand Die Legaldefinition von Kennzeichenstreitsachen findet sich in § 140 Abs. 1 MarkenG. Danach sind alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem im MarkenG geregelten Rechtsverhältnis geltend gemacht wird, eine Kennzeichenstreitsache. Für diese sind ausschließlich die Landgerichte zuständig. Ausgenommen sind Verfahren der Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit, die gem. § 53 MarkenG nunmehr beim DPMA angesiedelt sind. Die ordentlichen Gerichte sind in diesen Fällen nur noch im Wege der Widerklage zuständig. In § 140 Abs. 2 MarkenG werden die Landesregierungen bzw. die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung oder Staatsvertrag die Zuständigkeit für Kennzeichenstreitsachen auf ein Landgericht zu konzentrieren. Von dieser Konzentrationsermächtigung haben die Landesregierungen Gebrauch gemacht, so dass-- wie auch in den anderen Schutzrechtsarten des gewerblichen Rechtsschutzes und dem UrhG-- bestimmte Landgerichte als Kennzeichenstreitgerichte festgelegt wurden. 360 Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Patentanwaltes, der in einer Kennzeichenstreitsache mitgewirkt hat, regelt § 140 Abs. 3 MarkenG. Der Verweis auf § 13 des RVG stellt sicher, dass die Gebühren eines Patentanwaltes grundsätzlich in gleicher Höhe erstattungs- und festsetzungsfähig wie die eines Rechtsanwaltes sind. 360 Eine Übersicht der Kennzeichenstreitgerichte findet sich im Tabu DPMA , Nr. 315. 346 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Im Falle einer Anspruchskonkurrenz zwischen Vorschriften des UWG und des MarkenG sieht § 141 MarkenG vor, dass Ansprüche auch an den Kennzeichenstreitgerichten geltend gemacht werden dürfen und nicht der Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach § 14 UWG folgen müssen. Fälle, in denen der Sachverhalt Tatbestände beider Gesetze erfüllt, treten beispielsweise in Fällen der Rufausbeutung oder der Bezug nehmenden Werbung auf. 361 II. Streitwertbegünstigung § 142 MarkenG regelt die Streitwertbegünstigung. Voraussetzung ist eine wirtschaftliche Lage des Antragstellers, die mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten nach dem vollen Streitwert erheblich gefährdet würde. Nach Antrag und Glaubhaftmachung des Vorliegens der Voraussetzungen kann das Gericht die Gerichtskosten der Wirtschaftslage des Antragstellers anpassen. Gemäß § 142 Abs. 2 MarkenG schuldet der Antragsteller dann auch seinem Anwalt sowie-- im Falle des Unterliegens-- auch dem gegnerischen Anwalt Honorar nur nach dem Teilstreitwert. Obsiegt der Antragsteller, so trägt der Gegner die Kosten aus dem vollen Streitwert. III. Straf- und Bußgeldvorschriften Im Teil 8 (ab Inkrafttreten des MaMoG: Teil 9) Abschnitt 1 MarkenG sind die Straf- und Bußgeldvorschriften bei Verletzung von deutschen oder europäischen Kennzeichen sowie strafbare Benutzungshandlungen geografischer Herkunftsangaben geregelt. 1. Strafbare Kennzeichenverletzung In § 143 Abs. 1 Nr. 1-5 MarkenG werden alle kennzeichenrechtlichen Verletzungstatbestände aufgeführt, die der Strafbarkeit unterliegen. Alle Straftatbestände setzen Vorsatz voraus, wobei § 143 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3b MarkenG erhöhte Anforderungen an den Vorsatz in Bezug auf bekannte Marken stellen. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe vor. Diese kann sich gem. Abs. 2 der gleichen Vorschrift-- wenn der Täter gewerbsmäßig handelt- - auf bis zu 5 Jahre Freiheitsentzug erhöhen. Strafbar ist nicht nur die vollendete Kennzeichenverletzung, sondern bereits der Versuch (§ 143 Abs. 3 MarkenG). Sofern eine gewerbsmäßige Kennzeichenverletzung vorliegt, wird die Verletzung von Amts wegen verfolgt, da i. d. R. ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben ist. Die rechtswidrig gekennzeichneten Waren können eingezogen werden. Durch Verweis auf die §§ 403 ff. St PO wird die Möglichkeit geschaffen, den Anspruch auf Vernichtung der rechtswidrig gekennzeichneten Waren nach § 18 MarkenG durchzusetzen. Auf Antrag und bei Nachweis eines berechtigten Interesses ist auch die Veröffentlichung der Verurteilung möglich (§ 143 Abs. 4-6 MarkenG). 361 v.Zumbusch in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 141, Rdn. 1. 347 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer Die strafbare Verletzung der Unionsmarke wird in § 143a MarkenG behandelt und ist § 143 MarkenG nachgebildet. Abs. 1 verweist auf Art. 9 Abs. 1 Satz 2 UMV und führt unter den Nummern 1-3 die Verletzungstatbestände dieser Vorschrift auf. Sind die Voraussetzungen erfüllt, drohen die gleichen o. g. Rechtsfolgen. 2. Strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben Die strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben gem. § 144 MarkenG ergänzt den zivilrechtlichen Schutz geografischer Herkunftsangaben sowie die EG -Rechtsvorschriften (s. 4. Kap.). Ebenso wie bei den strafbaren Kennzeichenverletzungen ist bereits der Versuch strafbar. § 144 Abs. 4 MarkenG sieht als Sanktionen die Beschlagnahme und Vernichtung vor. Ebenso ist bei öffentlichem Interesse die Verurteilung zu veröffentlichen. 3. Bußgeldvorschriften In § 145 MarkenG werden zwei unabhängige Bußgeldtatbestände geregelt. Nach Abs. 1 handelt ordnungswidrig, wer im geschäftlichen Verkehr bestimmte Zeichen in identischer oder nachgeahmter Form benutzt, die staatliche Hoheitszeichen, Prüf- oder Gewährszeichen oder ein Siegel oder andere Bezeichnungen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt, wobei auf die Definitionen in § 8 Abs. 2 Nr. 6-8 MarkenG verwiesen wird. Die zweite Gruppe von Ordnungswidrigkeitstatbeständen ist in Abs. 2 aufgeführt. Demzufolge handelt derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig als Betriebsinhaber oder Leiter die Mitwirkungs- und Duldungspflichten in Bezug auf die Überwachung der Einhaltung der EU -Verordnung Nr. 1151 / 2012 zum Schutz geografischer Herkunftsangaben behindert bzw. seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. § 145 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dient der Durchsetzung weiterer Tatbestände einer etwaigen nationalen Rechtsverordnung zur Durchführung der EU -Verordnung Nr. 1151 / 2012. Eine entsprechende Verordnung ist jedoch bislang nicht erlassen worden. 362 IV. Beschlagnahme Grenzbeschlagnahmemaßnahmen sind völkerrechtlich in Art. 51-60 TRIPS sowie in Art. 9 PVÜ geregelt. Die Voraussetzungen und das Verfahren der Grenzbeschlagnahme durch die Zollbehörden werden in den §§ 146-151 MarkenG geregelt. Vorrang gegenüber diesen nationalen Regelungen haben europäische Normen wie die EU Produktpiraterieverordnung (Pr PVO ) 363 (s. 8. Abschnitt § 87 II 2b) ff)). Die nationalen Beschlagnahmeregeln nach §§ 146-149 MarkenG sind entsprechend anzuwenden, wenn in der Pr PVO nichts anderes bestimmt ist. 362 v.Zumbusch in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 145 Rdn. 3. 363 Verordnung ( EU ) Nr. 608 / 2013 v. 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung ( EG ) Nr. 1383 / 2003 des Rates; AB l. EU 181 / 15 vom 29. 6. 2013. 348 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Beschlagnahme unterliegen widerrechtlich gekennzeichnete Waren, die mit einer geschützten Marke oder geschäftlichen Bezeichnung versehen sind. Die Beschlagnahme erfolgt auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung des Rechtsinhabers bei ihrer Einfuhr oder Ausfuhr durch die Zollbehörde, sofern es sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung handelt. Aufgrund des Vorrangs der Pr PVO ist das nationale Recht nur in Fällen nicht eingetragener Marken, geschäftlicher Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben, deren Beschlagnahme in § 151 MarkenG geregelt ist, anwendbar. Ordnet eine Zollbehörde die Beschlagnahme an, so unterrichtet sie unverzüglich den Antragsteller sowie den Verfügungsberechtigten. Das Post- und Briefgeheimnis (Art. 10 GG ) wird eingeschränkt, soweit dem Antragsteller Herkunft, Menge und Lagerort der Ware sowie Name und Anschrift des Verfügungsberechtigten mitgeteilt wird. Der Antragsteller kann die Ware besichtigen, soweit nicht in Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse eingegriffen wird. Wird der Beschlagnahme nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung der genannten Mitteilung der Zollbehörde widersprochen, wird die Einziehung der beschlagnahmten Waren angeordnet (§ 147 MarkenG). Widerspricht der Verfügungsberechtigte der Beschlagnahme, hat der Antragsteller nach der Unterrichtung durch die Zollbehörde unverzüglich zu erklären, ob er den Antrag auf Beschlagnahmung aufrechterhält. Nimmt der Antragsteller seinen Antrag zurück, wird die Beschlagnahme aufgehoben. Wird der Beschlagnahmungsantrag aufrechterhalten und legt der Antragsteller eine vollziehbare gerichtliche Entscheidung vor, die eine Verwahrung der beschlagnahmten Waren oder eine Verfügungsbeschränkung anordnet, so werden die erforderlichen Maßnahmen von den Zollbehörden durchgeführt. In § 148 MarkenG sind die Zuständigkeiten für den Antrag sowie die Rechtsmittel gegen die Beschlagnahme und die Einziehung von Waren geregelt. Erweist sich jedoch die Beschlagnahme als von Anfang an ungerechtfertigt und ist der Beschlagnahmungsantrag aufrechterhalten worden, so ist der Antragsteller schadensersatzpflichtig (§ 149 MarkenG). Zu weiteren Einzelheiten wird auf die aktuelle Kommentierung verwiesen. 364 364 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, §§ 146-151; Eble in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, §§ 146-151; Vohwinkel in Kur / v.Bomhard / Albrecht (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, §§ 146-151. 349 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer 3. Kapitel. Geschäftliche Bezeichnungen § 55 Überblick Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel gem. § 5 Abs. 1 MarkenG unter Schutz gestellt (s. a. Abb. 4, S. 155) 365 . Geschäftliche Bezeichnungen waren vor Einführung des MarkenG im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 16 UWG a. F.) geregelt. Mit der Übernahme in das neue MarkenG waren inhaltliche Änderungen nicht vorgesehen. 366 Auf die hierfür entwickelte Rechtsprechung kann größtenteils zurückgegriffen werden. Der Namensschutz nach § 12 BGB ist neben den §§ 5, 15 MarkenG nicht anwendbar. 367 Der bürgerlich-rechtliche Namensschutz ist auf die Fälle beschränkt, in denen kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt. 368 Unternehmenskennzeichen werden in § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG als Zeichen definiert, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes oder eines Unternehmens benutzt werden. In Satz 2 des genannten Absatzes werden darüber hinaus weitere Kennzeichen unter Schutz gestellt, sofern diese innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Kennzeichen des jeweiligen Geschäftsbetriebes Verkehrsgeltung erlangt haben. Hierzu zählen Geschäftsabzeichen oder sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebes von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen. Das materielle Firmenrecht des § 5 MarkenG ist unabhängig vom formellen Firmenrecht, wie es in den registerrechtlichen Regelungen des HGB (§§ 17 ff., 30, 37 HGB ) kodifiziert ist. Die Immaterialgüterrechte nach § 5 MarkenG entstehen außerhalb und unabhängig von der Handelsregistereintragung. 369 In § 5 Abs. 3 wird-- allerdings nicht abschließend-- aufgeführt, welche Werke unter dem Oberbegriff „Werktitel“ unter Schutz gestellt werden. Die europäische Marken RL ist ausdrücklich auf eingetragene Marken beschränkt (Art. 1 Marken RL ). Insoweit ist es systemkonform, dass sich in der UMV keine Regelungen in Bezug auf geschäftliche Bezeichnungen finden. Gleichwohl ist festzuhalten, dass aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten beim Schutz von eingetragenen Marken wie von geschäftlichen Bezeichnungen auch das Unionsmarkenrecht und insbesondere die markenrechtlichen Eu GH -Entscheidungen Einfluss auf firmenrechtliche Fragen haben. 370 Auch der BGH unterstützt die stärkere Vereinheitlichung und Konkordanz des Markenrechts mit dem der geschäftlichen Bezeichnungen. So wird z. B. auch nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen als 365 Eine sehr detailierte Darstellung gibt Goldmann „Unternehmenskennzeichen“, Carl Heymanns Verlag, 2018. 366 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 61. 367 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 3; BGH GRUR 2009, 685 „ahd.de“. 368 BGH GRUR 2002, 622, 624 „shell.de“. 369 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 5 Rdn. 5; BGH GRUR 1983, 182 „Concordia-Uhren“. 370 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 5. 350 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer geschäftlichen Bezeichnungen-- entgegen der früheren Rechtsprechung-- Schutz gewährt. 371 Jedenfalls ist die Benutzung eines Unternehmenskennzeichen auch zugleich eine Benutzung für Waren bzw. Dienstleistungen, wenn der Verkehr die Benutzung auch als produktbzw. dienstleistungsbezogenen Herkunftshinweis verstehen könnte oder wenn von dem Verkehr eine „Verbindung“ zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den von einem Dritten vertriebenen Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird. 372 § 56 Unternehmenskennzeichen I. Name und Firma Unter Schutz gestellt sind in § 5 Abs. 2 Satz 1 Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, die Namen von Unternehmen („Handelsnamen“), die Firma als der Name eines Kaufmannes, unter dem er seine Geschäfte betreibt (§ 17 HGB ), einzelne Bestandteile von Handelsnamen oder Firmen- - sofern diese unterscheidungskräftig sind- - sowie Firmenschlagwörter, aber auch bürgerliche Namen, Spitznamen sowie Künstlernamen. Ebenfalls Schutz genießen die Namen aller juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, Namen von Gewerkschaften und Parteien wie auch Gebietskörperschaften, Personengesellschaften sowie Gesellschaften bürgerlichen Rechts bis hin zu Gebäudenamen und Universitäten (s. a. Abb. 4, S. 155). Schutz genießen auch Teile von vollständigen im Handelsregister eingetragenen Firmen wie zum Beispiel „ GEFA “ aus „ GEFA Gesellschaft für Absatzfinanzierung mbH“. Sie genießen die Priorität der vollständigen Firma und sind selbständig kollisionsbegründend. 373 Voraussetzung für eine selbständige kollisionsbegründende Stellung eines Firmenschlagwortes bzw. Firmenbestandteiles ist es, dass dieser hinreichende Unterscheidungskraft aufweist und seiner Art nach im Vergleich zu allen übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Auf eine tatsächliche Benutzung des Bestandteils in Alleinstellung als Firmenschlagwort und erst recht auf eine Verkehrsgeltung kommt es daneben nicht an. 374 Firmenschlagwörter, die nicht Teil der Firma sind, jedoch vom Inhaber des Geschäftsbetriebes zu dessen Kennzeichnung herausgestellt verwendet werden, genießen als besondere Geschäftsbezeichnung-- sofern sie unterscheidungskräftig sind-- Schutz 375 . Als Beispiel mag das Schlagwort „ TUI “ als aus den Firmenbestandteilen „Touristik Union International“ gebildete Abkürzung gelten. Wird ein Firmenschlagwort vom Inhaber des Unternehmens nicht besonders herausgestellt, so ist für einen selbständigen Schutz die Verkehrsgeltung Voraus- 371 BGH GRUR 2001, 344, 345 „ DB Immobilienfonds“. 372 Eu GH GRUR 2007, 971 Rdn. 23 „Céline“. 373 BGH GRUR 1985, 461 „ GEFA / GEWA “ und Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 8, dort m. w. Nachw. 374 BGH GRUR 2005, 262, 263 „soco.de“ sowie Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 47; BGH GRUR 2009, 772, 778 (Nr. 75) „Augsburger Puppenkiste“. 375 BGH GRUR 2016, 705 Rdn. 19 „ConText“. 351 § 56 Unternehmenskennzeichen Fischer setzung. Der Zeitrang von Firmenschlagworten, die nicht Teil des Gesamtfirmennamens sind, richtet sich bei besonderer Herausstellung durch den Inhaber nach der Aufnahme der Benutzung und nicht nach dem Zeitrang der Gesamtfirma. Zu den besonderen Geschäftsbezeichnungen zählt auch die sog. „Etablissementbezeichnung“, die nach Art eines Namens individualisierend auf ein Objekt als organisatorische Einheit hinweist. Typisch sind derartige Etablissementbezeichnungen in der Gaststätten- und Hotelbranche. In diesem Fall sind auch an die notwendige Unterscheidungskraft nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen, da sie in der Regel nur in einem eng umgrenzten örtlichen Gebiet Schutz genießen. 376 Generell hat die besondere Geschäftsbezeichnung ihre Bedeutung für all diejenigen Gewerbetreibenden, die keine Firma im Sinne der §§ 17 ff. HGB führen. II. Geschäftsabzeichen Die unter § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG geschützten Geschäftsabzeichen sind als Unternehmenskennzeichen zu verstehen, die nicht zur namensmäßigen Kennzeichnung des Unternehmensinhabers, des Unternehmens bzw. einem Geschäftsbetrieb dienen, aber dennoch zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben beitragen, 377 weshalb für sie Verkehrsgeltung erforderlich ist, um gesetzlichen Schutz zu genießen. Als Geschäftsabzeichen kommen reine Bildelemente (Logos, Telefonnummern, Werbesprüche oder die charakteristische Architektur eines Geschäftslokales) wie auch sog. „Hausfarben“ in Frage, jedoch nur, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt haben. 378 III. Verkehrsgeltung Im Gegensatz zu Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, die unterscheidungskräftig sind, können Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen erst dann Schutz genießen, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt haben. Diese Verkehrsgeltung muss innerhalb der beteiligten Verkehrskreise erreicht worden sein, zu denen all diejenigen gehören, die mit dem Benutzer und / oder Inhaber des Zeichens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG in Konkurrenz oder geschäftlichen Verkehr stehen. Sind private Endverbraucher betroffen, gehören auch diese zu den Verkehrskreisen. Etwas anderes gilt, wenn das in Rede stehende Unternehmen ausschließlich im B2B-Bereich tätig ist. Nach überwiegender Kommentarmeinung reiche es für Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, jedoch ohne originäre Unterscheidungskraft, aus, Verkehrsgeltung zu erlangen, um Schutz zu genießen. 379 Dabei ist jene Verkehrsgeltung gemeint, die auch in § 4 Nr. 2 MarkenG für Benutzungsmarken erforderlich ist. Zu unterscheiden ist sie von der Verkehrsdurchsetzung, für deren Erlangung wesentlich höhere Hürden zu überwinden sind. 376 BGH GRUR 1995, 507, 508 „City-Hotel“; BGH GRUR 2003, 792, 793 „Festspielhaus II “. 377 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 11. 378 Entscheidungen hierzu siehe Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 31. 379 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 54; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 52; BGH GRUR 2004, 514, 515 „Telekom“. 352 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Dies wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Verkehrsdurchsetzung zur Überwindung des Freihaltebedürfnisses einen hohen Durchsetzungsgrad erfordert. 380 Letztendlich hängt der erforderliche Durchsetzungsgrad immer vom Einzelfall ab, wobei auch qualitative Kriterien wie Markenanteil, Werbeaufwendung und Verbreitungsgebiet eine wesentliche Rolle spielen. 381 Sofern ein hinreichend abgegrenzter Wirtschaftsraum vorhanden ist, wird in der Rechtsprechung eine regional oder örtlich bestehende Verkehrsgeltung für die Entstehung eines territorial entsprechend eingeschränkten Schutzes anerkannt. Typisch ist diese regionale oder örtlich begrenzte Verkehrsgeltung für Restaurants, Hotels, aber auch Brauereien, Friseure oder ähnliche Unternehmungen bzw. Etablissements. IV. Räumlicher Schutzbereich Das materielle Firmenrecht genießt Schutz im gesamten Gebiet Deutschlands, wenn die Benutzung praktisch im gesamten Bundesgebiet erfolgt. Bei Unternehmen, die regional oder nur lokal tätig sind, ist der territoriale Schutzbereich-- wie bereits oben ausgeführt-- beschränkt, wobei auch die natürliche künftige Ausdehnungstendenz in Bezug auf den territorialen Schutzumfang zu berücksichtigen ist. Typischerweise handelt es sich hier um sog. Platzgeschäfte, wie z. B. von Fahrschulen, Sprachschulen, Theatern, Stadtwerken 382 oder Krankenhäusern. Bei der Kollision von jüngeren bundesweit benutzen Kennzeichen im Verhältnis zu örtlich begrenzten Schutzrechten ist eine Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr vorzunehmen. 383 Auch die Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung im Internet bei ansonsten nur lokaler tatsächlicher Benutzung führt noch nicht zu einem bundesweiten wirksamen Schutzrecht. 384 V. Entstehen und Erlöschen von Unternehmenskennzeichen Der Schutz von Unternehmenskennzeichen entsteht durch die Benutzungsaufnahme von unterscheidungskräftigen Kennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG durch das Unternehmen bzw. die Person, die dieses Zeichen in Benutzung nimmt. Da materielles und formelles Firmenrecht voneinander unabhängig sind, kommt es auf die Eintragung der Firma im Handelsregister nicht an. Auch eine Vorgesellschaft kann einen Kennzeichenschutz durch die Benutzungsaufnahme begründen, sofern sich eine dauernde wirtschaftliche Betätigung anschließt, die nach außen in Erscheinung tritt. Eine allein markenmäßige Benutzung reicht für die Entstehung eines Unternehmenskennzeichenschutzes nicht aus. 380 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 22. 381 Eu GH GRUR 1999, 723, 727 „Chiemsee“. 382 OLG Hamburg GRUR - RR 2010, 208, 209 „Stadtwerke Uetersen“. 383 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 5 Rdn. 29. 384 BGH GRUR 2005, 262, 263 Rdn. 7 „soco.de“. 353 § 56 Unternehmenskennzeichen Fischer Ein Unternehmenskennzeichen erlischt, wenn die Benutzung dauerhaft eingestellt wird. Eine zeitweise Unterbrechung der Benutzung ist unbeachtlich, wenn nach der Verkehrsauffassung die Unterbrechung als nur vorübergehend angesehen wird. 385 Bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist sogar eine Unterbrechung, die über 50 Jahre andauert, unschädlich, die Kennzeichenrechte mit der ursprünglichen Priorität wieder aufleben zu lassen (wie im Falle eines altehrwürdigen, berühmten Hotels 386 in Berlin). Wird das Geschäft des Geschäftsbetriebes geändert, erlischt die Priorität des für die ursprünglichen Tätigkeiten erworbenen Schutzes. Für die neuen Tätigkeiten entsteht eine neue Priorität. Eine Änderung der Rechtsform wie auch die Verschmelzung von Unternehmen führt zu keiner Änderung der Priorität, solange der Rechtsnachfolger den Geschäftsbetrieb mit der Unternehmenskennzeichnung aufrechterhält. Bei Unternehmenskennzeichen, bei denen eine Verkehrsgeltung erforderlich ist, erlischt der Schutz mit dem Verlust der Verkehrsgeltung. Ein Verlust tritt auch ein, wenn die originäre Kennzeichnungskraft verloren geht. VI. Übertragbarkeit und Lizenz Die Firma im Sinne des § 17 HGB ist akzessorisch zu dem damit gekennzeichneten Handelsgeschäft, sie kann ohne dieses nicht veräußert werden (§ 23 HGB ). Eine Übertragung des Namensrechtes eines Unternehmens ohne dazugehörigen Geschäftsbetrieb ist nichtig. Eine Übertragung mit nur einem Teil des Geschäftsbetriebes ist möglich, solange es nicht zu einer Aufspaltung oder Vervielfältigung der Firma führt. 387 Anders als die freie Übertragbarkeit von Marken hat der BGH die Bindung des Unternehmenskennzeichens an den Geschäftsbetrieb ausdrücklich bestätigt. 388 Der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens kann einem Dritten eine Lizenz zur Benutzung des Kennzeichens einräumen. Diese schuldrechtliche Gestattung wird als Verzicht der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Unternehmenskennzeichen gewertet. Allerdings entsteht mit Aufnahme eines Geschäftsbetriebes unter dem gestatteten Kennzeichen ein neues Unternehmenskennzeichenrecht, wobei sich der Lizenznehmer gegenüber Dritten auf die Priorität der Firma des Gestattenden berufen kann. 389 VII. Verwechslungsgefahr Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Unternehmenskennzeichen sind hinsichtlich der Kennzeichnungskraft und der Ähnlichkeit der Zeichen die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei Marken (s. § 47 III ). Die Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und / oder Dienstleistungen wird in Bezug auf Unternehmenskennzeichen 385 BGH GRUR 2005, 871 „Seicom“. 386 BGH GRUR 2002, 967 „Hotel Adlon“. 387 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 43. 388 BGH GRUR 2002, 972, 975 „Frommia“. 389 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 44 m. w. Nachw.; BGH GRUR 1995, 117 f. „Neutrex“. 354 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer durch die Branchennähe der sich gegenüberstehenden Unternehmenskennzeichen ersetzt. Wie bei der Beurteilung von der Verwechslungsgefahr bei Marken besteht eine Wechselwirkung zwischen den genannten drei Faktoren, so dass z. B. bei bestehender Branchenidentität eine nur geringe Ähnlichkeit der zu vergleichenden Unternehmenskennzeichen eine Verwechslungsgefahr begründen kann. Auch kann ein erheblicher Branchenabstand durch eine hohe Kennzeichnungskraft bzw. einen hohen Ähnlichkeitsgrad der sich gegenüberstehenden Unternehmenskennzeichen ausgeglichen werden. Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zwischen jüngeren Domainnamen einerseits und Unternehmenskennzeichen andererseits gilt nichts anderes. Eine Sonderrechtsprechung zur Verwechslungsgefahr im Internet gibt es nicht. 390 Bei der Beurteilung der Branchennähe sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in den jeweiligen Branchen bestehenden Unterschiede nach der Verkehrsauffassung hinsichtlich Vertrieb, Arbeitsgebieten, Produktion, Verwendungszweck etc. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein, aber auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten. 391 Entscheidend für die Beurteilung der Branchennähe ist die wirtschaftliche Kerntätigkeit des älteren Unternehmens zum Zeitpunkt der Kollision, wobei zukünftige realistische Ausweitungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind (Branchennähe z. B. bei Hotel und Reisebüro, 392 Finanzdienstleistungen und Immobiliendatenbank 393 oder Fachhandel und Cash&Carry-Märkten 394 sowie Handels- und produzierenden Unternehmen). § 57 Titelschutz I. Überblick In § 5 Abs. 3 MarkenG sind Werktitel als Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken und sonstigen vergleichbaren Werken geschützt. Im Unterschied zu Marken dienen Werktitel nicht als Hinweis auf die Herkunft des Werkes, sondern zur Unterscheidung eines Werkes von anderen Werken. 395 Die Übertragbarkeit von Titelrechten ist umstritten. Fezer, Ingerl / Rohnke und Gruber 396 plädieren für die freie Übertragbarkeit von Titelrechten, Hacker 397 vertritt die Auffassung, dass diese 390 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 15, Rdn. 18 m. w. Nachw. 391 BGH GRUR 2011, 831 (Rdn. 23) „ BCC “ m. w. Nachw. 392 GRUR 1989, 449 „Hotel / Reisebüro“. 393 BGH WRP 2002, 537 „Finanzdienstleistungen / Immobiliendatenbank“. 394 BGH GRUR 2012, 635 (Rdn. 14, 16) „Branchennähe zwischen Fachhandel und Cash&Carry-Märkten-- Metro / ROLLER ´s Metro“. 395 BGH GRUR 2002, 1083 „1, 2, 3 im Sauseschritt“. 396 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 66. 397 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 27 Rdn. 74. 355 § 57 Titelschutz Fischer streng akzessorisch zu den titelgekennzeichneten Werken sind und nur mit diesen zusammen übertragen werden können. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht noch aus. 398 Titelrechtsinhaber ist zunächst einmal der Hersteller des Werkes, meist also der Autor. Die Titelrechte können an einen Verlag oder Herausgeber übertragen werden oder auch von ihm durch entsprechende zur Unterscheidungskraft führende Benutzungshandlungen erworben werden. II. Schutzobjekte Geschützt sind nicht nur einzelne Werke, sondern auch Seriensammelwerke, Werkteile, Beilagen zu Zeitungen und Zeitschriften, einzelne Kolumnen, sofern sich die erforderliche äußerliche Selbstständigkeit der Kolumne gegenüber dem übrigen Inhalt der Zeitschrift aus ihrer drucktechnischen Gestaltung ergibt, 399 oder Spalten in Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Untertitel. Gleiches gilt für Tonbzw. Filmwerke, die Rundfunk- und Fernsehsendungen bzw. -sendereihen beinhalten. Auch für weitere Werke kommt ein Titelschutz in Frage, wobei der Werkbegriff unter kennzeichenrechtlichen Aspekten zu definieren ist und sich von dem urheberrechtlichen Werkbegriff unterscheidet. Dem kennzeichenrechtlichen Werkschutz sind all jene Erzeugnisse zugänglich, die auf einer gedanklichen Leistung basieren und ein Kommunikationsmittel darstellen. 400 Eine besondere Gestaltungshöhe i. S. des Urheberrechts ist nicht Voraussetzung. So ist ein Warenkatalog werktitelschutzfähig, da die Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation der in ihm abgebildeten Waren regelmäßig eine geistige Leistung darstellt. 401 Titel von Computerprogrammen, 402 Datenbanken und Spielen, aber auch Mobilfunk Apps 403 und Websites als solche sind dem Titelschutz zugänglich. Die mit Letzteren verlinkten Domainnamen könnten in Ausnahmefällen als Werktitel geschützt sein, wenn die damit gekennzeichnete Website die erforderliche Werksqualität aufweist. 404 Schutz genießen auch Titelschlagwörter, sofern sie eine hinreichende Kennzeichnungskraft aufweisen. III. Entstehen und Erlöschen von Titelschutzrechten Der Titelschutz entsteht durch die Ingebrauchnahme des Titels, sofern der Titel in Bezug auf das gekennzeichnete Werk Unterscheidungskraft aufweist. An Unterscheidungskraft fehlt es bei glatt werkbeschreibenden Titeln, die freihaltebedürftig und somit einer Monopolisierung nicht zugänglich sind, so lange keine Verkehrsdurchsetzung vorliegt. Der urheberrechtliche 398 Zum Meinungsstand s. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 108. 399 BGH GRUR 2012, 1265, 1267 (Rdn. 15, 16) „Titelschutz für Kolumnenbezeichnung-- Stimmt's? “. 400 BGH GRUR 1993, 767, 768 „Zappel-Fisch“. 401 BGH GRUR 2005, 959 „ FACTS II “. 402 BGH GRUR 1998, 1010, 1011 „ WINCAD “. 403 BGH GRUR 2016, 939 Rdn. 17-- „wetter.de“. 404 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, Anhang zu § 5 Rdn. 5; BGH GRUR 2010, 156 „Eifel- Zeitung“. 356 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Werkbegriff schützt also das Produkt der schöpferischen Tätigkeit als solches, der titelschutzrechtliche ausschließlich seine Kennzeichnung. Ein kennzeichnender Titel kann gleichzeitig als Marke wie auch als Unternehmenskennzeichen, sogar-- wenn auch eher selten-- als Geschmacksmuster geschützt sein. Ein Titelschutzrecht erlischt, wenn der Gebrauch des dem Titel zugrunde liegenden Werkes endgültig aufgegeben wird. IV. Titelschutzanzeige Das Risiko einer Kollision zweier kurz hintereinander erscheinender Werke mit identischen oder ähnlichen Titel und insbesondere den damit einhergehenden Kosten für die Abänderung des jüngeren Titels hat zu dem rechtlich nicht kodifizierten aber gewohnheitsrechtlich anerkannten Institut der Titelschutzanzeige geführt. 405 Eine Titelschutzanzeige, d. h. die öffentliche Ankündigung eines Titels führt zu einer Sicherung des Zeitranges eines Titelschutzes bereits vor der Benutzungsaufnahme, sofern das angekündigte Werk innerhalb einer angemessenen Frist auf den Markt gebracht wird. Die Titelschutzanzeige muss in den branchenüblichen Veröffentlichungen erscheinen, sodass der Wettbewerb hiervon Kenntnis nehmen kann. 406 Als angemessene Frist gelten in der Judikatur etwa 6 Monate für Zeitschriften, bei Branchenverzeichnissen eher 12 Monate, bei der Onlineversion eines Branchenverzeichnisses nur 9 Monate. Die Titelschutzanzeige selbst stellt keine Benutzungshandlung dar. V. Verwechslungsgefahr Auch für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Werktiteln gelten die allgemeinen Grundsätze, wie sie bereits für Marken (s. § 47 III 4) sowie Unternehmenskennzeichen (s. § 56 VII ) genannt wurden. Allerdings ist-- neben der Ähnlichkeit / Identität der sich gegenüberstehenden Titel und der Kennzeichnungskraft des älteren Titels-- die Werknähe als drittes Kriterium einzubeziehen, das an die Stelle der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit (bei Marken) bzw. der Branchennähe (bei Unternehmenskennzeichen) tritt. Diese drei Kriterien stehen wie auch bei Marken und Unternehmenskennzeichen in Wechselwirkung. 407 Die Judikatur unterscheidet zwei Kategorien der Verwechslungsgefahr bei Titeln. Zum einen die unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne oder werkbezogene Verwechslungsgefahr, bei der es um die Verwechslung zweier Werke geht. Zum anderen die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der es sich um eine herkunftsbezogene Verwechslungsgefahr handelt. Letztere ist für bekannte, periodisch erscheinende Druckschriften, (Fernseh-)Serientitel oder Nachrichtensendungen anerkannt (sog. Serienverwechslungsgefahr). Voraussetzung für die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist eine besondere Kennzeichnungskraft des Titels, mit dem das Publikum eine bestimmte betriebliche Her- 405 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 114. 406 BGH GRUR 1989, 760 „Titelschutzanzeige“. 407 BGH GRUR 2002, 1083, 1084 „1, 2, 3 im Sauseschritt“. 357 § 57 Titelschutz Fischer kunftsvorstellung verbindet. Der Titel eines Einzelwerkes reicht nicht aus, um eine betriebliche Herkunftsvorstellung beim Publikum zu erzeugen, selbst wenn dieser eine hohe Bekanntheit aufweist. 408 Eine weitere Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne sind sachliche Berührungspunkte zwischen den Inhalten der kollidierenden Werke. 1. Titelähnlichkeit Bei der Titelähnlichkeit ist wie bei den übrigen Zeichen grundsätzlich vom Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Titel auszugehen, wobei das Publikum geneigt ist, längere Titel zu verkürzen. Des Weiteren genießen Titelschlagworte oder Titel, deren Untertitel vom Publikum weggelassen werden, Schutz. 2. Werknähe Die Werknähe zweier auf Verwechslungsgefahr zu prüfender Titel ist anhand der Werkkategorie zu beurteilen. 409 Bei dem Begriff der Werkkategorie kommt es nicht auf den Inhalt, sondern auf die Art des Werkes wie z. B. Buch, Fernseh-/ Rundfunksendung oder (Würfel-)Spiel usw. an. Eine unterschiedliche Werkart kann die Verwechslungsgefahr im Einzelfall selbst bei Titelidentität ausschließen. Bei der Verwendung eines Titels für ein anderes Werk einer ähnlichen Kategorie sind die Marktverhältnisse, die Aufmachung, die Erscheinungsweise sowie die Vertriebsform zu berücksichtigen. 410 Beispielsweise weisen ein Sachbuch und eine Broschüre über Telefontarife, die einer Zeitschrift beigefügt sind, keine hinreichende Werknähe auf. 411 Als unmittelbar benachbarte Werkkategorien können Zeitungen und Zeitschriften als Printmedien sowie Informationsplattformen im Internet angenommen werden, da Zeitschriften heute regelmäßig auch im Internet vertreten sind. 3. Kennzeichnungskraft Eine Besonderheit des Titelschutzes liegt darin, dass an die Unterscheidungskraft in bestimmten Werkkategorien wie z. B. Zeitungen oder Zeitschriften und Fachzeitschriften nur geringe Anforderungen gestellt werden. Dies wirkt sich in dem dann sehr geringen Schutzumfang eines Titels mit geringer originärer Kennzeichnungskraft aus. Bei den genannten Werkkategorien reichen schon geringfügige Abweichungen zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr aus. Eine weitere Besonderheit bei der Beurteilung der Kennzeichnungskraft von Titeln liegt darin, dass in der Regel das Bestehen von ähnlichen Titeln Dritter zu keiner nennenswerten Schwächung des älteren Titels führt. 412 408 BGH GRUR 2002, 1083, 1085 „1, 2, 3 im Sauseschritt“. 409 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 70. 410 BGH GRUR 2000, 504, 505 „Facts I“. 411 BGH GRUR 2005, 264, 266 „Das Telefon-Sparbuch“. 412 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 15, Rdn. 173. 358 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer § 58 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen I. Ausschließliches Recht Der Erwerb des Schutzes einer geschäftlichen Bezeichnung, die-- wie bereits oben gesagt-- Unternehmenskennzeichen und Titel einschließt, gewährt gem. § 15 Abs. 1 MarkenG dem Inhaber ein ausschließliches Recht zur Benutzung dieses Zeichens. Den Inhalt des Ausschlussrechts bestimmen § 15 Abs. 2 und 3 MarkenG, die in gleicher Weise und aus denselben Gründen wie § 14 Abs. 2-4 MarkenG in Bezug auf eingetragene Marken ausgestaltet sind. II. Bekannte geschäftliche Bezeichnungen Bei bekannten geschäftlichen Bezeichnungen erstreckt sich das Verbietungsrecht des Inhabers auf die Benutzung von geschäftlichen Bezeichnungen oder ähnlichen Zeichen Dritter im geschäftlichen Verkehr, selbst wenn keine Verwechslungsgefahr besteht, aber die Benutzung entweder die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der geschäftlichen Bezeichnung ohne rechtfertigenden Grund und in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Für die einzelnen Tatbestandsmerkmale sei auf § 47 III 5-- Schutz bekannter Marken-- verwiesen. Der Begriff der rechtsverletzenden Benutzung ist weit auszulegen und umfasst nicht nur die unternehmenskennzeichnende Verwendung, sondern auch beispielsweise die markenmäßige als betrieblichen Herkunftshinweis. Umstritten ist die Frage, ob eine titelmäßige Verwendung eine Benutzung i. S. d.§ 15 Abs. 2 MarkenG ist. In Bezug auf den Titelschutz ist in der Regel nur eine titelmäßige Verwendung rechtsverletzend. III. Rechtsfolgen Die Rechtsfolgen bei einer Verletzung von geschäftlichen Bezeichnungen sind in Bezug auf Unterlassung und Schadensersatz in § 15 Abs. 4 bzw. 5 MarkenG kodifiziert. Beide Ansprüche sind entsprechend dem § 14 Abs. 5 und 6 MarkenG ausgestaltet. Der Vernichtungsanspruch ist in § 18, der Auskunftsanspruch in § 19 MarkenG wie bei der Verletzung von Markenrechten geregelt. Hinsichtlich der Haftung des Geschäftsherrn wird direkt auf § 14 Abs. 7 MarkenG verwiesen. Insofern gelten hier ebenso wie hinsichtlich der Ansprüche auf Auskunft u. Vernichtung (§§ 19, 18 MarkenG) die Ausführungen zu Rechtsfolgen aus Markenverletzungen in § 48 III . 359 § 58 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer 4. Kapitel. Geografische Herkunftsangaben § 59 Überblick Geografische Herkunftsangaben kennzeichnen Waren oder Dienstleistungen nicht nach ihrer betrieblichen Herkunft, sondern nach ihrer geografischen Herkunft. Sie sind dennoch Kennzeichen und erfüllen damit eine vergleichbare Funktion wie Marken oder andere Kennzeichen, die im MarkenG behandelt werden. Bei geografischen Herkunftsangaben handelt es sich nicht um individuelle Schutzrechte, wie sie Marken oder z. B. Unternehmenskennzeichen darstellen; sie können von all jenen Unternehmen zur Kennzeichnung ihrer Waren und Dienstleistungen benutzt werden, die aus dem Ort oder Gebiet stammen, das mit der geografischen Angabe benannt wird. Geografische Herkunftsangaben verkörpern damit einen kollektiven Good Will, der allen berechtigten Unternehmen gemeinsam zusteht. 413 Seit Jahrhunderten werden Waren und Dienstleistungen mit geografischen Angaben gekennzeichnet, die eine hohe Wertschätzung und erhebliche wirtschaftliche Bedeutung erlangten. Beispiele hierfür sind chinesische Seide für Webstoffe, Champagner für das charakteristische alkoholische Getränk, Solingen für Messer und Besteck aus besonderem Stahl, aber auch „Made in Germany“ für eine Vielzahl von deutschen Exportgütern. Der Schutz von geografischen Herkunftsangaben stammt ursprünglich aus dem Wettbewerbsrecht (§ 3 a. F. UWG ) und ist mit der Zusammenfassung aller Kennzeichen betreffenden Regelungen in das MarkenG aufgenommen worden. Die §§ 126-129 MarkenG verdrängen als wettbewerbsrechtliches lex specialis die Vorschriften des UWG . 414 Gleichwohl bleibt jedoch das UWG anwendbar z. B. im Fall von irreführenden scheingeografischen Angaben. Geografische Herkunftsangaben werden bereits durch die Pariser Verbandsübereinkunft ( PVÜ ) von 1883, das Madrider Herkunftsabkommen ( MHA ) von 1891, das Lissabonner Ursprungsabkommen ( LUA ) von 1958 sowie durch das TRIPS -Abkommen und eine Reihe von bilateralen Staatsverträgen geschützt. Als bilaterale Herkunftsabkommen sind insbesondere jene mit Frankreich, Italien, Griechenland, der Schweiz und Spanien zu nennen. Weitere Staatsverträge zwischen Deutschland und Portugal bzw. Kuba enthalten Regelungen zu geografischen Herkunftsangaben. 415 Einen Individualmarkenschutz erlangt eine geografische Herkunftsangabe allerdings ausschließlich durch Verkehrsdurchsetzung, sofern also beim Verkehr die geografische Angabe als Herkunftshinweis auf bestimmte Waren bzw. Dienstleistungen aus einem Betrieb aufgefasst wird. Dies setzt jedoch voraus, dass nur noch ein ganz unbeachtlicher Teil der 413 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 110. 414 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 126 Rdn. 10; BGH GRUR 2007, 884, 886 (Rdn. 31) „Cambridge Institute“. 415 Eine Übersicht gibt Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 126 Rdn. 18-34. 360 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer angesprochenen Verkehrskreise das Zeichen als Hinweis auf die geografische Herkunft des Produktes versteht. 416 Die Ausnahme im Kennzeichenrecht stellt die Ausgestaltung der Klagebefugnis als Verbandsklage unter Bezugnahme auf § 13 UWG dar, sofern diese auf einen Unterlassungsanspruch gerichtet ist (§ 128 Abs. 1 MarkenG). § 60 Schutz geografischer Herkunftsangaben I. Definition Als geografische Herkunftsangaben werden in § 126 Abs. 1 MarkenG alle Angaben oder Zeichen definiert, die im geschäftlichen Verkehr zur Kennzeichnung der geografischen Herkunft von Waren oder Dienstleistungen benutzt werden. Dies sind insbesondere Orte, Gegenden, Gebiete oder Länder. Grundsätzlich fallen auch ausländische geografische Herkunftsangaben unter die Definition des § 126 Abs. 1 MarkenG. Allerdings müssen sie ebenfalls die Voraussetzung der Benutzung im inländischen Geschäftsverkehr erfüllen. Ausgeschlossen vom Schutz als geografische Herkunftsangabe sind Gattungsbezeichnungen. Dies sind solche Bezeichnungen, die zwar eine Angabe über die geografische Herkunft enthalten oder von einer derartigen Angabe abgeleitet sind, jedoch ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben und als Namen für Waren oder Dienstleistungen oder als Bezeichnung oder Angabe sonstiger Eigenschaften oder Merkmale von Waren oder Dienstleistungen dienen (§ 126 Abs. 2 MarkenG). Vom Schutz ausgenommen sind auch solche Gattungsbezeichnungen, die nie eine geografische Angabe darstellten wie beispielsweise „Hamburger“, „Italienischer Salat“ oder „Wiener Würstchen“. Allerdings kommt es auch hier entscheidend auf die Verkehrsauffassung an. In der gesetzlichen Definition sind sowohl unmittelbare Herkunftsangaben wie Namen von Orten, Gegenden, Gebieten und Ländern als auch mittelbare Herkunftsangaben, die zwar keine geografischen Namen enthalten, gleichwohl aber von den beteiligten Verkehrskreisen mit einer Ware bzw. einer Dienstleistung gedanklich in Verbindung gebracht werden, erfasst. Beispiele für Letztere sind Nationalfarben, Wahrzeichen, aber auch Bezeichnungen von Weinbergslagen oder die Bocksbeutelflasche. 417 II. Schutzinhalt 1. Einfache geografische Herkunftsangabe Geografische Herkunftsangaben dürfen im geschäftlichen Verkehr nicht für Waren oder Dienstleistungen benutzt werden, die nicht aus dem maßgeblichen geografischen Gebiet stammen, sofern bei der Benutzung solcher geografischen Angaben für Waren oder Dienst- 416 BGH GRUR Int 1999, 70, 72 „Warsteiner I“; BGH , GRUR 1999, 252, 255 „Warsteiner II “. 417 BGH GRUR 1971, 313, 314 „Bocksbeutelflasche“. 361 § 60 Schutz geografischer Herkunftsangaben Fischer leistungen anderer Herkunft eine Gefahr der Irreführung über die geografische Herkunft besteht (§ 127 Abs. 1 MarkenG). Die widerrechtliche Verwendung geografischer Herkunftsangaben begründet Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche gem. § 128 MarkenG. Maßgeblich für die Beurteilung, wie das maßgebliche geografische Gebiet abzugrenzen ist oder welche Teile eines Produktes oder eines Produktionsprozesses in Bezug auf eine geografische Herkunftsangabe zutreffen, ist die Verkehrsauffassung. 418 Problematisch wird dieses Verbot der Nutzung einfacher geografischer Herkunftsangaben allerdings dann, wenn die geografische Herkunftsangabe eine Sekundärbedeutung als betrieblicher Herkunftshinweis in Form einer durchgesetzten Marke erhalten hat und der Markeninhaber Produkte, die unter dieser Marke auch an anderen Orten produziert worden sind, in den Markt bringen möchte. In diesen Fällen ist eine Interessenabwägung notwendig, die die Ausdehnung der geschäftlichen Tätigkeit des die Produkte herstellenden Unternehmens berücksichtigt. Zur Vermeidung der Irreführung sind daher in der Regel deutliche Zusätze zu der Kennzeichnung anzubringen, die für den Verkehr entlokalisierend wirken. Hierbei kommt es maßgeblich auf die situationsbezogene Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise an 419 sowie die Bedeutung der geografischen Herkunftsangabe für die Kaufentscheidung, wobei die genannten Faktoren zueinander in einem Wechselwirkungsverhältnis stehen. 420 2. Qualifizierte geografische Herkunftsangabe Qualifizierte Herkunftsangaben verfügen über die geografische Herkunft hinaus über einen besonderen Schutz in Bezug auf die besonderen Eigenschaften oder Qualitätsmerkmale der mit ihnen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen (§ 127 Abs. 2 MarkenG). Redlich ist ihre Verwendung nur dann, wenn die gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen-- neben der Voraussetzung, aus einem bestimmten Gebiet zu stammen-- tatsächlich den ihnen zugeordneten Eigenschaften oder Qualitäten entsprechen. Allerdings kommt es bei der Beurteilung der Qualitätsmerkmale oder besonderen Eigenschaften nicht auf die Vorstellungen der beteiligten Verkehrskreise an, sondern diese müssen objektiv vorliegen. 421 III. Geografische Herkunftsangabe mit besonderem Ruf Genießt eine geografische Herkunftsangabe einen besonderen Ruf, darf sie-- unabhängig von der Gefahr der Irreführung für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft- - von Dritten im geschäftlichen Verkehr nicht verwendet werden, wenn in ihrer Benutzung für die Waren oder Dienstleistungen die Gefahr besteht, den Ruf der geografischen Herkunftsangabe oder ihre Unterscheidungskraft ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise auszunutzen oder zu beeinträchtigen (§ 127 Abs. 3 MarkenG). 418 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 127 Rdn. 7. 419 BGH GRUR 2002, 160, 162 „Warsteiner III “. 420 BGH GRUR 2002, 1074, 1077 „Original Oettinger“. 421 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 127 Rdn. 11. 362 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Ein typischer Fall für die Ausbeutung des besonderen Rufes einer Herkunftsangabe ist die Assoziation der eigenen Waren oder Dienstleistungen mit der geschützten geografischen Herkunftsangabe. So wird beispielsweise hinsichtlich der Exklusivität der Ruf ausgebeutet, wenn das eigene Produkt als ähnlich exklusiv wie die Herkunftsangabe dargestellt wird. 422 Eine Beeinträchtigung des Rufes kann beispielsweise dann vorliegen, wenn negative Merkmale im Hinblick auf die geografische Herkunftsangabe genannt werden. IV. Abwandlungen geografischer Herkunftsangaben Geografische Herkunftsangaben werden für Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft häufig nicht in identischer Form, sondern mit Abwandlungen und / oder Zusätzen verwendet. Diese Abwandlungen oder Zusätze sind gem. § 127 Abs. 4 MarkenG dann nicht zulässig, wenn trotz der Abweichungen die übrigen Voraussetzungen der einfachen geografischen Herkunftsangabe oder der qualifizierten geografischen Herkunftsangabe erfüllt sind. Von diesen ähnlichen Zeichen werden auch Übersetzungen der geografischen Herkunftsangaben erfasst. 423 Wie bei den übrigen Verbotstatbeständen sind in diesem Falle alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, einschließlich der Kennzeichnungskraft von eventuellen Zusätzen, insbesondere, wenn sie entlokalisierend wirken. § 61 Schutz gem. VO ( EU ) Nr. 1151 / 2012 I. Grundsätze Mit der VO ( EWG ) Nr. 2081 / 92 vom 14. 7. 1992 424 wurde ein innerhalb der Europäischen Union einheitlicher Schutz von geografischen Herkunftsangaben geschaffen, der jedoch durch die VO ( EG ) Nr. 692 / 2003 vom 8. 4. 2003 425 wesentlich modifiziert wurde. Die VO 2081 / 92 diente vor allem der Absatzförderung für landwirtschaftliche Produkte und zur Stärkung ländlicher Regionen, wie dem zweiten Erwägungsgrund zu entnehmen ist. Die ursprüngliche VO 2081 / 92 ist mit Wirkung zum 31. 3. 2006 durch die VO ( EG ) Nr. 510 / 2006 ersetzt worden. 426 Diese ist zugunsten der VO ( EU ) Nr. 1151 / 2012 427 „ EU -Qualitätsregelungen- Verordnung“ mit Wirkung zum 3. 1. 2013 aufgehoben worden. Ziele, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen der nun in Kraft befindlichen VO sind unter dem Titel I bestimmt, Titel II befasst sich mit dem Schutz geschützter Ursprungsbezeichnungen und geografischer Angaben, Titel III enthält Regelungen zu garantiert traditionellen Spezialitäten, Titel IV zu 422 BGH GRUR 2002, 426, 427 „Champagner bekommen, Sekt bezahlen“. 423 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft), 1994, 45, 112. 424 AB l. EG Nr. L 208 vom 24. 7. 1992. 425 AB l. EG Nr. L 99 vom 17. 4. 2003. 426 ABl. EG Nr. L93 / 12 vom 20. 3. 2006; GRUR Int 2006, 923 ff.; Einen Überblick über die Änderungen durch die VO 510 / 2006 gibt Knaak GRUR Int 2006, 893 ff. 427 AB l. EU Nr. L 343 vom 14. 12. 2012 „Verordnung ( EU ) Nr. 1151 / 2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 über Qualitätsregelungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel“. 363 § 61 Schutz gem. VO (EU) Nr. 1151 / 2012 Fischer fakultativen Qualitätsangaben. Regelungen zum Antrags- und Eintragungsverfahren finden sich in Titel V, Kap. IV . 428 Die VO ( EU ) 1151 / 2012 bezieht sich in Titel II nur auf Agrarerzeugnisse und Lebensmittel. Ausgenommen sind Weinbauerzeugnisse und Spirituosen, da es hierfür besondere Regelungen auf europäischer Ebene gibt (Art. 2 VO ( EU ) 1151 / 2012). In Art. 5 werden Ursprungsbezeichnungen und geografische Angaben als schutzfähig erachtet. Als Ursprungsbezeichnung wird der Name einer Gegend, eines bestimmten Ortes oder in Ausnahmefällen eines Landes, der zur Bezeichnung des Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels dient, definiert. Neben der Gebietsherkunft muss beim Erzeugnis bzw. Lebensmittel seine Güte oder bestimmte Eigenschaften ganz überwiegend auf die geografischen Verhältnisse einschließlich der natürlichen und menschlichen Einflüsse zurückzuführen sein und in dem begrenzten geografischen Gebiet erzeugt und / oder verarbeitet bzw. hergestellt werden. Für die Eintragung einer Ursprungsangabe sind somit höhere Hürden zu überwinden. Keinen Schutz hingegen genießen Gattungsbezeichnungen gem. Art. 6 VO 1151 / 2012. Hierunter wird der Name eines Agrarerzeugnisses oder eines Lebensmittels definiert, der sich zwar ursprünglich auf einen Ort oder ein Gebiet bezog, in dem das betreffende Produkt hergestellt oder vermarktet wurde, jedoch dann zum üblichen Namen für das Agrarerzeugnis bzw. das Lebensmittel geworden ist. Bei der Feststellung, ob ein Name zur Gattungsbezeichnung geworden ist, sind alle Faktoren, insbesondere in Bezug auf den Mitgliedsstaat, aus dem der Name stammt, den Verbrauchsbzw. Vertriebsgebieten sowie die einschlägigen Unionswie auch die nationalen Gesetze zu berücksichtigen. Für die Feststellung einer (europäischen) Gattungsbezeichnung wird jedoch nicht gefordert, dass die Gattungsbezeichnung in allen Mitgliedsstaaten zu einer solchen geworden ist. Die Entwicklung zur Gattungsbezeichnung in den relevanten Mitgliedsstaaten reicht zur Feststellung aus. Einen vertiefenden Einblick in die Regelungen des Abschnittes 2 des Teils 6 (§§ 130-136) (nach Inkrafttreten des MaMoG Teil 7) MarkenG gibt die jüngere Kommentierung, insbesondere Gruber. 429 Im Anhang II der VO ( EU ) 1151 / 2012 ist eine Entsprechungstabelle gemäß Art. 58 Abs. 2 zu der VO ( EG ) 510 / 2006 (und VO ( EG ) 509 / 2006) abgedruckt. II. Verfahren zur Eintragung einer geografischen Angabe oder Ursprungsbezeichnung In § 130 MarkenG ist das Antragsverfahren vor dem DPMA geregelt, wobei Voraussetzung für die Eintragung eine Spezifikation ist, die neben dem Namen des Produktes und der Abgrenzung des geografischen Gebietes vor allem Angaben über die Eigenschaften des Produktes bzw. der eventuellen Ausgangsmaterialien, des Herstellungsverfahrens, der Verarbeitung etc. enthalten muss (§ 130 Abs. 1 i. V. m. § 47 Abs. 2 Nr. 4 MarkenV). Das Eintragungsverfahren in Bezug auf den deutschen Teil der VO ( EU ) 1151 / 2012 ist in § 130 MarkenG i. V. m. §§ 47-54 MarkenV geregelt. 428 Mitteilung der Präsidentin Nr. 5 / 13 vom 1. 2. 2013, Bl PMZ 2013, 37. 429 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, Vorbemerkung zu §§ 130-139 (noch zur VO ( EG ) Nr. 510 / 2006), Rdn. 1-31. 364 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer III. Einspruchs- und Löschungsverfahren, Überwachung, Verletzung Gegen die Eintragung in das Verzeichnis der geschützten geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen der EU oder gegen die Änderung der Spezifikation einer geografischen Angabe oder einer Ursprungsbezeichnung ist beim DPMA innerhalb von 4 Monaten ab der jeweiligen Veröffentlichung im Amtsblatt der EU Einspruch einzulegen (§ 131 Abs. 1 MarkenG i. V. m. §§ 50, 51 MarkenV). Des Weiteren ist nach Absatz 2 eine Einspruchsgebühr, deren Zahlungsfrist sich nach § 6 Abs. 1 S. 1 PatKostG richtet, zu zahlen. Das nationale Löschungsverfahren gem. § 132 Abs. 2 MarkenG für eingetragene geografische Angaben oder Ursprungsbezeichnungen gründet auf den beiden Löschungstatbeständen des Art. 54 Abs. 1 lit. a), b) der VO , nämlich das die Anforderungen der Spezifikation nach Art. 7 der VO nicht mehr erfüllt sind oder in den letzten 7 Jahren kein entsprechendes Erzeugnis in den Verkehr gebracht worden ist. Neben dem Amtslöschungsverfahren kann auch eine natürliche oder juristische Person, die ein berechtigtes Interesse an der Löschung der Eintragung hat, wobei hierfür Gründe anzugeben sind, (Art. 54 Abs. 1 S. 1) unter Zahlung einer Gebühr die Löschung beantragen. Anträge auf Änderung der Spezifikation einer geografischen Angabe oder einer Ursprungsbezeichnung können sowohl die Mitgliedsstaaten, aber auch die Vereinigung, die den Eintragungsantrag der geografischen Angabe oder Ursprungsbezeichnung gestellt hat, stellen (Art. 7 i. V. m. Art. 53 Abs. 1 VO ( EU ) 1151 / 2012, § 130 MarkenG, § 52 MarkenV). Die Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des DPMA gem. § 130 Abs. 5 S. 1 MarkenG stehen denen zu, die gem. § 130 Abs. 4 MarkenG fristgerecht zu dem Antrag auf Eintragung Stellung genommen haben und beschwert sind. Verfahrensrechtlich sind die Vorschriften über das Beschwerdeverfahren vor dem BP atG und über das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH entsprechend anzuwenden (§ 133 MarkenG). § 134 MarkenG enthält die Verpflichtung für die Mitgliedsstaaten der EU , geeignete Kontrolleinrichtungen einzurichten, die die Einhaltung der VO ( EU ) 1151 / 2012 gewährleisten, insbesondere in Bezug auf unbefugte und missbräuchliche Verwendung von geografischen Herkunftsangaben. Bei Verstößen gegen die gültige VO ( EU ) 1151 / 2012 können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden (§ 135 MarkenG i. V. m. Art. 13 Abs. 1 VO ( EU ) 1151 / 2012) u. a. wegen unzulässiger kommerzieller Verwendung 430 , Aneignung 431 , Nachahmung oder Anspielung 432 . Diese verjähren nach den Vorschriften des BGB (§ 136 MarkenG). 430 LG Berlin GRUR - RR 2005, 353 „mit Spreewälder Gurken“. 431 BGH GRUR 2016, 917 „Champagner Sorbet“. 432 EuG GRUR Int. 2016, 144 „Port Charlotte“; LG Mannheim GRUR Prax 2015, 485 „Deutscher Balsamico“. 365 § 61 Schutz gem. VO (EU) Nr. 1151 / 2012 Fischer 5. Kapitel. Exkurse Olympiaschutzgesetz und Domain-Namen § 62 Exkurs: Olympiaschutzgesetz I. Hintergrund Mit der Bewerbung Leipzigs als deutsche Ausrichterin für die Olympischen Spiele 2012 rückten auch die Anforderungen des Internationalen Olympischen Komitees ( IOC ) an die Vergabe der Spiele und insbesondere die Schutzrechtssituation für das olympische Symbol und die olympischen Bezeichnungen in den Fokus. Eine Monopolisierung der olympischen Kennzeichen und die anschließende Lizenzvergabe im Rahmen der Olympischen Spiele sollte insbesondere dem IOC eine Einnahmequelle in Milliardenhöhe sichern. 433 Ein Sonderschutz der olympischen Kennzeichen besteht in rund 50 Staaten der Welt durch den Vertrag von Nairobi über den Schutz des olympischen Symbols 434 vom 26. 9. 1981. In der EU haben diesen Vertrag nur Griechenland und Italien ratifiziert. Einen sondergesetzlichen nationalen Schutz genießen die olympischen Symbole in einer Reihe anderer Länder wie USA , Großbritannien, Frankreich, Luxemburg, Spanien oder Österreich. Diesem Weg ist auch Deutschland mit dem OlympSchG 435 gefolgt, das am 1. 7. 2004 in Kraft getreten ist. II. Gesetzesgegenstand und Inhaber Durch das Gesetz sind die fünf olympischen Ringe sowie die olympischen Bezeichnungen „Olympiade“, „Olympia“ und „olympisch“ in Alleinstellung oder in Zusammensetzung in jeglicher Sprache unter Schutz gestellt (§ 1 OlympSchG). Das ausschließliche Recht auf die Verwendung und Verwertung der olympischen Kennzeichen steht dem Nationalen Olympischen Komitee ( NOK ) sowie dem IOC zu (§ 2 OlympSchG). III. Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Das Gesetz verbietet in § 3 OlympSchG Dritten, im geschäftlichen Verkehr ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers das olympische Emblem bzw. die olympischen Bezeichnungen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen oder Werbung für diese oder als Firma, Geschäftsbezeichnung oder Bezeichnung einer (gewerbsmäßigen) Veranstaltung zu verwenden. Dies gilt auch für ähnliche Zeichen, wenn eine Verwechslungsgefahr, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit den olympischen Spielen oder der olympischen Bewegung 433 Knutsen, GRUR 2003, 750. 434 Nairobi Treaty on the Protection of the Olympic Symbol; abrufbar unter: http: / / www.wipo.int/ wipolex/ en/ treaties/ text.jsp? file_id=287413 (letzter Abruf 03 / 2018). 435 Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen, BGB l. I 2004, S. 479 ff. 366 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer gedanklich in Verbindung gebracht wird, besteht. Untersagt ist auch die Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Spiele oder der olympischen Bewegung ohne rechtfertigenden Grund und in unlauterer Weise durch die Verwendung von identischen oder ähnlichen Zeichen. Einen Überblick über die Rechtsprechung zu § 3 OlympSchG geben Röhl, Rieken sowie Heermann. 436 Freigestellt sind Kennzeichnungen von nach dem UrhG geschützten Werken sowie die Werbung hierfür, sofern sich das Werk mit den Olympischen Spielen oder der olympischen Bewegung befasst. Dem IOC bzw. NOK ist es versagt, Dritten im geschäftlichen Verkehr die Verwendung der lauteren Benutzung von dessen Namen oder Anschrift sowie die olympischen Bezeichnungen oder ähnliche Bezeichnungen als Angabe über Merkmale oder Eigenschaften von Waren, Dienstleistungen oder Personen zu verbieten. Dieser § 4 OlympSchG entspricht im Wesentlichen § 23 Nr. 1 und 2 MarkenG. Die Rechtsfolgen einer nicht legitimierten Nutzung sind Unterlassungsansprüche des IOC bzw. NOK gegen den Benutzer sowie Schadensersatzansprüche für den Fall vorsätzlicher bzw. fahrlässiger Verletzungshandlungen (§ 5 OlympSchG). Darüber hinaus bestehen zivilrechtliche Vernichtungsansprüche gem. § 6 OlympSchG. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt durch den Verweis auf die entsprechende Anwendung des BGB (§ 195 BGB ) 3 Jahre. IV. Altrechte und Verfassungskonformität In § 8 OlympSchG wird der Bestandsschutz älterer Rechte, die aufgrund gesetzlicher Bestimmungen oder vertraglicher Vereinbarungen am 13. 8. 2003 bereits bestanden, gewährleistet (§ 8 OlympSchG). Diesem die Grundsätze des Kennzeichenrechts durchbrechende Sondergesetz begegneten verfassungsrechtliche Bedenken, die bereits beim Zustandekommen des Gesetzes vorgetragen wurden. 437 Unterdessen wird von den Gerichten Verfassungskonformität angenommen. 438 § 63 Exkurs: Domain-Namen Streitigkeiten um Internetadressen haben aufgrund der zunehmenden Bedeutung des Internets z. B. als Handelsplattform an Bedeutung gewonnen. Eine Domain ist zunächst lediglich eine Adresse, unter der im Internet eine Information von einem Server abgerufen werden kann. Sie hat insofern eine technische Funktion. 439 Hinter der Domain steht die sog. 436 Röhl GRUR - RR 2012, 381 ff. „Werbung mit „Olympischen Preisen“ und „Olympia-Rabatt“ und der Schutz olympischer Bezeichnungen“; Rieken, MarkenR 2013, 334 ff. „Umfang und Grenzen des Schutzes olympischer Symbole“; Heermann GRUR 2014, 233 ff. „Wann verstößt die Verwendung olympischer Bezeichnungen gegen § 3 II OlympSchG? “. 437 Knutsen, GRUR 2003, 753; Höller Rechtsanwälte, 2005-2014, abrufbar unter: http: / / olympiagesetz.de/ kommentar, letzter Abruf: 03 / 2018; LG Darmstadt 14 O 744 / 04 v. 25. 11. 2005. 438 OLG Düsseldorf 2013, MarkenR 353, 354 ff. „Olympia 2010“; OLG Schleswig 2013, MarkenR 2013, 463 ff. „Werbung für Waren unter Verwendung der olympischen Bezeichnungen“; BGH GRUR 2014, 1215 Rdn. 11 ff. „Olympia-Rabatt“ und „Olympische Preise“. 439 Fezer, MarkenR, Kommentar, Einl G, Rdn. 24 ff. 367 § 63 Exkurs: Domain-Namen Fischer IP -Adresse, die aus 4 Zahlenblöcken besteht. Ursprünglich ist dieses sog. Domain-Name- System ( DNS ) entstanden, um die Merkbarkeit der Zahlenkombination zu erhöhen. Eine Domain ist daher nicht per se ein Immaterialgüterrecht wie eine Marke oder eine geschäftliche Bezeichnung, sondern kann nur infolge ihrer Benutzung zu einem Kennzeichenrecht werden. So können an Domains auch Werktitelrechte erworben werden, die mit der Aufnahme der Benutzung eines unterscheidungskräftigen Titels entstehen. 440 Grundsätzlich wird der Second-Level-Domain ( SLD , z. B. „shell“ oder „soco“), 441 nicht jedoch der Top-Level-Domain ( TLD , z. B. .de, .eu oder .com) kennzeichenrechtlicher Schutz zuerkannt, wobei Ausnahmen im Einzelfall-- zumindest wenn die TLD ’s zu der Verletzung eines älteren Rechts beitragen (z. B. „xtra.net“ gegenüber der Marke „Xtranet“)- - möglich sind. Dem MarkenG unterliegt nicht die Registrierung und Nutzung einer Domain zu privaten Zwecken. Lediglich in Ausnahmefällen kann- - wenn zumindest eine Partei nicht im geschäftlichen Verkehr handelt- - auf der Grundlage des § 12 BGB insbesondere wegen Namensanmaßung gegen die Nutzung einer Domain vorgegangen werden. 442 Gegen die unerlaubte Verwendung von Domains im geschäftlichen Verkehr finden vorrangig die Vorschriften des MarkenG, insbesondere die §§ 14 und 15 MarkenG Anwendung. Die Registrierung einer Domain bei der für die Vergabe von .de-Domains zuständigen DENIC stellt noch keine markenmäßige Benutzungshandlung dar. 443 Im Internet unter einer Domain angebotene Waren und Dienstleistungen werden ihrer betrieblichen Herkunft nach jedenfalls mittelbar gekennzeichnet, soweit es sich nicht um rein beschreibende Domainnamen handelt. In der Regel liegt mit der Inbenutzungnahme eine markenrechtlich relevante Handlung vor. Eine nach den allgemeinen Regeln zu beurteilende Frage der markenmäßigen Benutzung einer Domain ist auch eine Weiterleitung zu einer unter einer anderen Domain abrufbaren Internetseite, bei der der Name der ersten, als „Durchgangsstation“ verwendeten Domain, auf dem Bildschirm sichtbar ist. 444 In den Quellcode ( HTML -Code) von mit Domains verbundenen Webseiten werden in der Regel sog. „Metatags“ eingefügt, damit Suchmaschinen im Internet die Webseite auffinden und in der Trefferliste anzeigen. Als Metatags sind besonders Marken oder Unternehmenskennzeichen des Wettbewerbs geeignet, was regelmäßig als Kennzeichenverletzung zu qualifizieren ist, auch wenn die Metatags nicht unmittelbar wahrgenommen werden. 445 Nichts anderes gilt für die Verwendung von sog. „Weiß-auf-Weiß-Schrift“. 446 Umstritten ist die markenmäßige Benutzung von Schlüsselwörtern beim sog. „Keyword Advertising“, das in der Regel die Grundlage für den kommerziellen Erfolg von Suchmaschinen darstellt. Hierbei wird bei der Eingabe eines bestimmten Wortes oder einer bestimmten Marke in die Suchmaschine Werbung in mindestens einem Werbeblock neben und / oder 440 BGH GRUR 2009, 1055, 1058 (Nr. 41) „airdsl.de“. 441 BGH GRUR 2002, 622 „shell.de“; BGH GRUR 2005, 262 „soco.de“. 442 BGH GRUR 2002, 622 „shell.de“. 443 BGH GRUR 2008, 912, 913 (Nr. 16) „Metrosex“. 444 BGH GRUR 2009, 1055, 1059 (Nr. 60) „airdsl.de“; OLG Köln, GRUR - RR 2006, 370 „Ecolab“. 445 BGH GRUR 2007, 65, 66 (Nr. 17) „Impuls“. 446 BGH GRUR 2007, 784, 785 (Nr. 18) „ AIDOL “. 368 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer oberhalb sowie unterhalb der Trefferliste angezeigt. Der Suchmaschinenbetreiber sorgt aufgrund vertraglicher entgeltlicher Absprache mit dem das Schlüsselwort Buchenden dafür, dass seine Werbeanzeige bei entsprechender Suchanfrage eingeblendet wird. 447 Über eine Werbeanzeige gelangt der Suchende in der Regel mittels eines Links zur Webseite des Werbenden. Ein Teil der Rechtsprechung sieht-- wie bei den Metatags-- darin die ungerechtfertigte Ausnutzung der „Lotsenfunktion“ einer fremden Marke. 448 Dem gegenüber wird von einem anderen Teil der Rechtsprechung und auch in der Literatur keine Kennzeichenverletzung angenommen, da der durchschnittliche Internetnutzer zwischen den Treffern in der Ergebnisliste und jedenfalls den neben diesen erscheinenden Anzeigen zu unterscheiden wisse. 449 Ein Betreiber einer Suchmaschine (wie z. B. Google, Bing, Yahoo), der ein mit einer Marke identisches Zeichen als Schlüsselwort speichert und dafür sorgt, dass anhand dieses Schlüsselworts Anzeigen gezeigt werden, benutzt dieses Zeichen nicht i. S. von Art. 10 Abs. 2 Marken RL bzw. Art. 9 Abs. 1 lit. c UMV , da er gemäß Art. 14 der Richtlinie 2000 / 31 / EG über den elektronischen Geschäftsverkehr („E-Commerce Richtlinie“) nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Informationen zur Verantwortung zu ziehen ist, solange er keine aktive Rolle spielt, die ihm Kenntnis der gespeicherten Daten oder die Kontrolle über sie verschafft. Der Suchmaschinenbetreiber haftet aber jedenfalls, wenn er durch eine Information eines Geschädigten oder auf andere Weise von der Rechtswidrigkeit dieser Informationen oder Tätigkeiten des Nutzers Kenntnis erlangt und diese Informationen nicht unverzüglich entfernt oder den Zugang zu ihnen gesperrt hat. 450 Programmiert der Betreiber einer Verkaufsplattform die auf seiner Internetseite vorhandene interne Suchmaschine so, dass Suchanfragen der Nutzer automatisch in einer mit der Marke eines Dritten verwechselbaren Weise in den Quelltext der Internetseite aufgenommen werden, ist er als Störer wie auch als Täter durch aktives Tun dafür verantwortlich, dass eine Internetsuchmaschine aus der im Quelltext aufgefundenen Begriffskombination einen Treffereintrag generiert, der über einen elektronischen Verweis (Link) zur Internetplattform des Betreibers führt. 451 Der Betreiber einer Verkaufsplattform haftet auch dann, wenn er dem Internetnutzer den Eindruck vermittelt, er übernehme die inhaltliche Verantwortung für die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung eingestellten Verkaufsangebote. Dass der Betreiber sich bei der Erstellung der konkreten Produktpräsentation eines dritten Unternehmens-- z. B. ihrer Lieferantin-- bedient hat, ändert an seiner Täterschaft nichts. 452 Nach der Schlüsselwort-Rechtsprechung des Eu GH ist ein Zeichen mit einer Marke i. S. Art. 9 Abs. 1, lit. a UMV (bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) identisch, wenn es als Ganzes be- 447 Eu GH v. 23. 3. 2010, GRUR Int. 2010, 385 (Rdn. 23, 43 ff.) „Google“. 448 OLG Braunschweig WRP 2007, 435, 436 „Impuls“. 449 BGH Mitt. 2009 (zu Unternehmenskennzeichen), 184, 185 (Nr. 16) „Beta Layout“; Sosnitza, MarkenR 2009, 35, 37; Ohly GRUR 2009, 709 ff.; Knaak GRUR Int. 2009, 551 ff. 450 Eu GH GRUR 2010, 445, 451 (Rdn. 120) „Reichweite und Grenzen zulässiger Adword-Werbung-- Google und Google France“. 451 BGH GRUR 2015, 1223 (Rdn. 23 ff.) „Posterlounge“. 452 BGH GRUR 2016, 741 (Rdn. 39) „Himalaya Salz“. 369 § 63 Exkurs: Domain-Namen Fischer trachtet nur so geringfügige Unterschiede gegenüber der Marke aufweist, dass diese einem Durchschnittsverbraucher entgehen können. 453 Bei der Buchung von Keywords wird nicht danach unterschieden, ob das Schlüsselwort in Groß- oder in Kleinbuchstaben eingegeben wird. Eine Marke genießt auch im Zusammenhang mit dem Buchen von Schlüsselwörtern in Suchmaschinen durch einen Werbenden in Fällen der Doppelidentität wie auch der Verwechslungsgefahr Schutz vor Beeinträchtigung ihrer Herkunftsfunktion, wobei in beiden Fällen dieselben Grundsätze gelten. Die Prüfung der Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion einer Marke erfolgt in zwei Stufen: Zunächst ist festzustellen, ob bei einem Internetnutzer auf Grund der allgemein bekannten Marktmerkmale das Wissen zu unterstellen ist, dass der Werbende und der Markeninhaber wirtschaftlich nicht miteinander verbunden sind, sondern miteinander im Wettbewerb stehen. Fehlt ein solches allgemeines Wissen, ist zu prüfen, ob der Internetnutzer aus der Werbeanzeige erkennen kann, dass die vom Werbenden angebotenen Waren oder Dienstleistungen nicht vom Markeninhaber oder einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen. 454 Diese Beurteilung hängt insbesondere von der Gestaltung der Anzeige ab. Lässt sich aus der Anzeige nicht oder nur schwer zu erkennen, ob die dort beworbenen Waren oder Dienstleistungen vom Inhaber der Marke (oder von einem mit ihm wirtschaftlich verbundenen Unternehmen) oder von einem Dritten stammen, ist die herkunftshinweisende Funktion der Marke beeinträchtigt. Eine Beeinträchtigung ist anzunehmen, wenn die Anzeige des Dritten entweder suggeriert, dass zwischen ihm und dem Markeninhaber eine wirtschaftliche Verbindung besteht, oder hinsichtlich der Herkunft der fraglichen Ware oder Dienstleistung so vage gehalten ist, dass der Internetnutzer weder aus dem Werbelink und der ihn begleitenden Werbebotschaft erkennen kann, ob der Werbende mit dem Markeninhaber wirtschaftlich verbunden oder Dritter ist. 455 In aller Regel liegt keine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion der Marke vor, wenn die Werbeanzeige in einem von der Trefferliste eindeutig räumlich, farblich oder auf andere Weise getrennten und mit dem Begriff „Anzeigen“ gekennzeichneten Werbeblock erscheint. Die räumliche Trennung von der Trefferliste und die Kennzeichnung mit dem Wort „Anzeigen“ sind allein nicht ausreichend, um eine Verwechslungsgefahr zu vermeiden. Eine Herkunftsfunktionsverletzung liegt auch vor, wenn die Werbeanzeige einen Hinweis auf die Marke oder den Markeninhaber oder die unter der Marke des Markeninhabers oder mit 453 Vgl. EuGH GRUR 2003, 422 „Arthur / Arthur et Felicie“; EuGH GRUR 2010, 451 „BergSpechte / trekking. at Reisen“; Eu GH GRUR 2010, 841 „Portakabin / Primakabin“; In der Vergangenheit hatte der BGH zwischen der großgeschriebenen Wortmarke „ POWER BALL “ und dem kleingeschriebenen Zeichen „power ball“ lediglich eine hochgradige Zeichenähnlichkeit (also keine Identität) angenommen (vgl. BGH , GRUR 2010, 835 Rdn. 32 „ POWER BALL “ m. w. Nachw.). 454 Vgl. Eu GH GRUR 2011, 1124 „Interflora / M&S“. 455 Vgl. zum mit der Marke identischen Schlüsselwort Eu GH GRUR 2010, 445 (Rdn. 36, 40) „Google France und Google“; EuGH GRUR 2010, 451 (Rdn. 35-40) „BergSpechte / trekking.at Reisen“; EuGH GRUR 2010, 641 (Rdn. 26 ff.) „Eis.de / Bananabay“; EuGH GRUR 2010, 841 (Rdn. 34, 35, 53) „Portakabin / Primakabin“; EuGH GRUR 2011, 1124 (Rdn. 44, 45) „Interflora / M&S“; Zum der Marke ähnlichen Schlüsselwort EuGH GRUR 2010, 451 (Rdn. 38 ff.) „BergSpechte / trekking.at Reisen“; Eu GH GRUR 2010, 841 (Rdn. 35, 52, 53) „Portakabin / Primakabin“. 370 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer seiner Zustimmung angebotenen Waren oder Dienstleistungen enthält. 456 Bei Werbeanzeigen ober- oder unterhalb der Suchergebnisse sind besondere Anforderungen zu stellen, da diese eher als Bestandteil der Trefferliste erscheinen. Liegt für den angesprochenen Verkehr auf Grund eines ihm bekannten Vertriebssystems des Markeninhabers die Vermutung nahe, dass es sich bei dem Dritten um ein Partnerunternehmen des Markeninhabers handelt, ist die Herkunftsfunktion der Marke bereits dann beeinträchtigt, wenn nicht in der Werbeanzeige auf das Fehlen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen dem Markeninhaber und dem Dritten hingewiesen wird. 457 Eine Verletzung der bekannten Marke (i. S. Art. 9 Abs. 1, lit. c) UMV bzw. § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) liegt regelmäßig dann vor, wenn der Werbende Nachahmungen von Waren des Inhabers dieser Marke anbietet oder die mit der bekannten Marke versehenen Waren in einem negativen Licht darstellt. Bietet der Werbende eine Alternative zu den Waren oder Dienstleistungen des Inhabers der bekannten Marke, ohne eine der Funktionen der Marke zu beeinträchtigen, ist davon auszugehen, dass eine solche Benutzung grundsätzlich nicht „ohne rechtfertigenden Grund“ erfolgt. 458 Sobald sich der Werbende in den Bereich der Sogwirkung einer bekannten Marke begibt, um von ihrer Anziehungskraft, ihrem Ruf und ihrem Ansehen zu profitieren und um die wirtschaftlichen Anstrengungen des Markeninhabers zur Schaffung und Aufrechterhaltung des Images dieser Marke ohne jede finanzielle Gegenleistung und eigene Anstrengungen auszunutzen, ist diese Ausnutzung durch den Dritten als unlauter anzusehen. 459 Ob eine Beeinträchtigung der herkunftshinweisenden Funktion vorliegt, ist durch das nationale Gericht zu würdigen. In Kollisionsfällen- - insbesondere mit Bezug auf ausländische Domains und Domaininhaber- - wird zunehmend von den Schiedsverfahren z. B. beim WIPO Arbitration and Mediation Center 460 Gebrauch gemacht. Weitere Aspekte zu Domains sind den vorherigen Kapiteln und der einschlägigen Kommentierung zu entnehmen. 461 Eine umfassende internationale Übersicht gibt Bettinger. 462 456 BGH GRUR 2013, 290, (Rdn. 26-28) „ MOST -Pralinen“. 457 BGH GRUR 2014, 182 „Beeinträchtigung der Herkunftsfunktion beim Keyword-Advertising-- Fleurop“. 458 Eu GH GRUR 2011, 1124 (Rdn. 90 ff.) „Interflora“. 459 BGH GRUR 2013, 1044 (Rdn. 23) „Bekanntheitsvoraussetzungen einer Marke-- Beate Uhse“. 460 Informationen zu dem bei der WIPO angesiedelten Schiedsverfahren „Alternative Dispute Resolution“ ( ADR ) abrufbar unter: http: / / arbiter.wipo.int/ domains/ index.html, letzter Abruf: 03 / 2018; Informationen zum ADR -Schiedsverfahren für.eu- TLD beim Tschechischen Schiedsgericht siehe http: / / www.adr. eu/ index.php, letzter Abruf: 03 / 2018. 461 Zusammenfassend Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, Anhang zu § 5 Internet-Domains. 462 Bettinger, Handbuch des Domainrechts, Köln München, 2017. 371 § 63 Exkurs: Domain-Namen Fischer 6. Kapitel. Internationale Registrierung § 64 Internationale Registrierung ( IR ) I. Das Madrider System der Internationalen Registrierung von Marken Der Madrider Markenverband ist ein besonderer Verband mit einer Rechtspersönlichkeit und eigenen Organen im Sinne von Art. 19 der PVÜ und wird von den Mitgliedsstaaten des Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken ( MMA ) sowie des Protokoll zum Madrider Markenabkommen über die Internationale Registrierung ( IR ) von Marken ( PMMA ) gebildet. Der Madrider Markenverband wird vom Internationalen Büro der Weltorganisation für geistiges Eigentum ( OMPI / WIPO ) verwaltet. 463 Das MMA ist am 14. April 1891 in Kraft getreten und seitdem in regelmäßigen Abständen, zuerst 1900, dann 1911, 1925 sowie jeweils im Juni 1934 in der Londoner Fassung, 1957 in der Nizzaer Fassung und 1967 in der Stockholmer Fassung revidiert worden. In Deutschland ist das MMA am 22. 12. 1970 in Kraft getreten. Die Tatsache, dass Behörden einzelner Länder die Anmeldungen von Marken nicht nur nach absoluten Schutzhindernissen, sondern auch auf relative Schutzhindernisse prüften, war lange Zeit ein Hinderungsgrund, dem MMA beizutreten. Das PMMA , das am 27. Juni 1989 in Madrid angenommen wurde und in Deutschland am 20. 3. 1996 in Kraft trat, schuf Abhilfe. Die Annahme des PMMA führte zu einem Beitritt vieler weiterer Staaten zum Madrider Markenverband, in Europa vor allem Großbritanniens und die skandinavischen Länder. Auch die Europäische Union sowie die USA sind beigetreten. Der Madrider Markenverband bietet für den Markenanmelder ein Bündel national wirkender Markenrechte mittels nur eines Registrierungsverfahrens an. Hiermit sind ganz erhebliche Kosteneinsparungen verbunden, obwohl die Protokollländer eine zusätzliche individuelle Gebühr in sehr unterschiedlicher Höhe erheben. Das MMA sowie das PMMA sind internationale Verträge, die voneinander unabhängig sind. Beide Verträge verbindet jedoch die gemeinsame Ausführungsverordnung vom 18. Januar 1996 zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und zum Protokoll zu diesem Abkommen. Diese Ausführungsverordnung ( GA usf OMMA / PMMA ) wurde bereits mehrfach revidiert, derzeit gilt die Fassung vom 1. 4. 2016. 464 Weitere Ausführungsvorschriften sind in den Verwaltungsrichtlinien für die Ausführung des MMA und 463 Einen guten Überblick vermittelt der „Guide to the International Registration of Marks under the Madrid Agreement and the Madrid Protocol (Edition 2018), abrufbar unter http: / / www.wipo.int/ madrid/ en/ guide/ ; Letzter Abruf 03 / 2018 sowie Gaedertz / Grundmann in Fezer, Hdb. Markenpraxis I 3, 1113-1376 „ IR -Markenverfahren“. 464 Common Regulations under the Madrid Agreement Concerning the International Registration of Marks and the Protocol Relating to that Agreement; Abrufbar unter http: / / www.wipo.int/ wipolex/ en/ treaties/ text.jsp? file_id=397995; letzter Abruf: 03 / 2018. 372 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer des PMMA enthalten, 465 deren jüngste Fassung seit dem 1. 4. 2018 in Kraft ist. Im Einzelnen enthalten sie Definitionen und Abkürzungen, formale Regelungen für die Verwendung der Formulare für die einzelnen Verfahren, Regelungen für die Kommunikation mit dem Internationalen Büro, für die Angabe von Namen und Anschriften, die Benachrichtigung einer vorläufigen Schutzversagung, die Nummerierung Internationaler Registrierungen im Falle von Änderungen sowie für die Zahlung von Gebühren. Mitglied des MMA beziehungsweise des PMMA müssen der PVÜ angehören. Zwischenstaatliche Organisationen wie die Europäische Union können nur Mitglied des PMMA sein. In den §§ 107 bis 118 MarkenG (Teil 5 (Teil 6 n. F.), Abschnitt 1) finden sich Verweise für Internationale Registrierungen nach dem MMA , in den §§ 119 bis 125 (Abschnitt 2) die entsprechenden Vorschriften für Internationale Registrierungen gemäß dem PMMA . In der Nizza-Fassung von 1957 wurden entscheidende Änderungen des MMA beschlossen, wie z. B. die Beschränkung der Abhängigkeit der Internationalen Registrierung von der Basismarke auf fünf Jahre. Eine Basismarke ist eine nationale Eintragung in dem Land, in dem der Anmelder der IR -Marke seinen Wohnsitz oder zumindest- - sofern er außerhalb der MMA -Staaten seinen Sitz hat- - eine Niederlassung unterhält. Anstatt automatischer Schutzerstreckung wurde in dieser Fassung auch festgelegt, dass weitere Einzelstaaten einer konkreten Nennung bedürfen. Darüber hinaus wurde für jedes gewählte Land eine Gebühr erhoben. Das PMMA schuf die Möglichkeit der Verknüpfung der nationalen Schutzrechtssysteme, die lediglich eine Prüfung auf absolute Schutzhindernisse auf nationaler Ebene durchführten, mit jenen nationalen Schutzrechtssystemen, die von Amts wegen eine Prüfung auf relative Schutzhindernisse durchführten. Darüber hinaus wurde die Möglichkeit geschaffen, das europäische Unionsmarkensystem mit einzubinden. Derzeit hat der Madrider Markenverband 100 Mitglieder, die alle dem PMMA angehören, wobei 55 auch dem MMA angehören, einschließlich des gemeinsamen Markenamtes Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs (Benelux) sowie des European Union Intellectual Property Office ( EUIPO ) der Europäischen Union. 466 Somit kann in 116 Ländern Schutz durch die Internationale Registrierung nach dem PMMA / MMA erlangt werden. Bei dem Internationalen Büro der WIPO können auf Antrag auch Lizenzen in das Internationale Register eingetragen werden. Den Antrag kann nur der Markeninhaber oder-- wenn die Behörde der betroffenen Vertragspartei dies zulässt-- auch die Behörde der Vertragspartei des Inhabers oder die Behörde der Vertragspartei, auf welche sich die Lizenz bezieht, stellen (Rg. 20 bis GA usf OMMA / PMMA ). Allerdings können Vertragsparteien erklären, dass diese Lizenzen in dem Vertragsland unwirksam sind. Diesbezügliche Erklärungen waren z. B. von Deutschland, Australien und Neuseeland erfolgt, da das nationale Gesetz (noch) keine Lizenzregistrierung vorsieht. Der Antrag muss den territorialen Umfang und die Waren und 465 Administrative Instructions for the Application of the Madrid Agreement Concerning the International Registration of Marks and the Protocol Relating Thereto; Abrufbar unter http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ text.jsp? file_id=281226; letzter Abruf: 04 / 2018. 466 Liste der Mitgliedsstaaten des MMA / PMMA abrufbar unter http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ documents/ pdf/ madrid_marks.pdf; letzter Abruf: 03 / 2018. 373 § 63 Exkurs: Domain-Namen Fischer Dienstleistungen enthalten, für die die Lizenz gewährt wird. Auch die Art der Lizenz-- ausschließliche oder alleinige Lizenz-- können angegeben werden. II. Unterschiede zwischen MMA und PMMA Die wesentlichen Unterschiede zwischen MMA und PMMA bestehen darin, dass eine internationale Registrierung nach dem MMA ausschließlich auf nationale Basiseintragungen gestützt werden kann, während ein internationales Gesuch nach dem PMMA sowohl auf eine Basiseintragung wie auch auf eine Basisanmeldung gestützt werden konnte. Mit Wirkung vom 11. 10. 2016 ist Art. 14(1) und (2)(a) MMA - - die Beitrittsmöglichkeit zum MMA - - ausgesetzt worden, sodass u. a. keine IR -Anmeldungen mehr nach dem MMA möglich sind. 467 Darüber hinaus haben PMMA -Vertragsstaaten- - wenn sie nicht auch Mitglied des MMA sind-- die Möglichkeit, auf Antrag durch die jeweilige Behörde des Vertragsstaates die Frist für die Erklärung der Schutzversagung auf achtzehn Monate zu verlängern. Die Vertragsstaaten des PMMA können eine individuelle Gebühr zusätzlich zu der vom Internationalen Büro der WIPO erhobenen Gebühr verlangen, die für Kuba und Japan in zwei Teilen zu entrichten ist. Die Höhe der individuellen Gebühren ist sehr unterschiedlich. Nach dem MMA ist die Umwandlung einer Internationalen Registrierung in nationale Marken beziehungsweise Markenanmeldungen nicht möglich. Während bei der Einreichung von Anträgen auf Internationale Registrierungen nach dem MMA nach dem Kaskadenprinzip die Ursprungsbehörde bestimmt wurde, kann für Verbandsländer des PMMA die Ursprungsbehörde nach mehreren Kriterien frei gewählt werden. Des Weiteren ist neben Französisch auch Englisch und-- seit 2004-- auch Spanisch Amtssprache bei Internationalen Registrierungen nach dem PMMA . Auch können die Mitglieder des PMMA die in ihren nationalen Rechtssystemen erforderlichen Erklärungen, beispielsweise über die Absicht der Benutzung der Marken (Declaration of Use), verlangen. Dies ist erforderlich in Brunei, Indien, Irland, Großbritannien, Lesotho, Mosambik, Neuseeland, in den USA sowie in Singapur. Der Schutzgegenstand des Madrider Markenverbandes umfasst eine oder mehrere identische, für verschiedene Produkte und / oder Dienstleistungen im Ursprungsland eingetragene (bei MMA -Ländern) oder auch angemeldete (bei PMMA -Mitgliedern) Marken (Basismarken ( MMA )/ Basisgesuche ( PMMA ). Zugang zum System der Internationalen Registrierung haben natürliche oder juristische Personen mit tatsächlicher und nicht nur zum Schein bestehender gewerblicher Niederlassung oder Handelsniederlassung oder mit Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat des MMA oder PMMA , das dann als Ursprungsland bezeichnet wird. Darüber hinaus erhalten auch Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates des MMA oder PMMA Zugang zum Madrider Markenverband. Die Möglichkeit der Benennung der Vertragsstaaten des MMA beziehungsweise des PMMA richtet sich zunächst nach der Zugehörigkeit des Ursprungslandes zu einem oder beiden Verbänden sowie der Zugehörigkeit der zu benennenden Staaten zum MMA -Verband 467 http: / / www.wipo.int/ edocs/ madrdocs/ en/ 2016/ madrid_2016_34.pdf; Letzter Abruf: 03 / 2018. 374 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer und / oder PMMA -Verband. Ist das Ursprungsland nur Mitglied des MMA , so können nur die Länder benannt werden, die auch dem MMA angehören. Ist das Ursprungsland nur Mitglied im PMMA , können ebenfalls nur die Länder benannt werden, die dem PMMA angehören, nicht jedoch diejenigen, die ausschließlich dem MMA angehören. Für entsprechende Internationale Anmeldungen ist ausschließlich das PMMA anzuwenden. Ist das Ursprungsland Mitglied sowohl des MMA als auch des PMMA , können alle Vertragsparteien, die entweder dem MMA und / oder dem PMMA angehören, benannt werden. Allerdings genossen bis zum 1. 9. 2008 im Falle der Mitgliedschaft eines Staates in beiden Verbänden die Voraussetzungen und Regelungen des MMA Vorrang vor denen des Protokolls. Diese sog. Sicherungsklausel des Art. 9 sexies PMMA wurde mit Wirkung zum 1. 9. 2008 mit der Folge aufgehoben, dass zwischen Vertragsparteien des Madrider Systems, die sowohl dem MMA als auch dem PMMA angehören, das PMMA maßgebend ist. Da alle Vertragsparteien unterdessen dem PMMA angehören, wird das MMA nicht mehr angewendet. Bei Internationalen Gesuchen nach dem Protokoll zum MMA kann der Hinterleger die Länder als Ursprungsland wählen-- und damit die zuständige Behörde des Ursprungslandes-, in denen er eine Niederlassung besitzt oder seinen Wohnsitz hat oder Staatsangehöriger ist. III. Eintragungsverfahren Die Einreichung eines Internationalen Gesuches zwecks Internationaler Registrierung einer Marke erfolgt ausschließlich durch Vermittlung der für Markenrechte zuständigen Behörde des Ursprungslandes an das Internationale Büro der WIPO auf amtlichen Formblättern. Diese Ursprungsbehörde, im Falle eines Markeninhabers mit Sitz in Deutschland das DPMA , kontrolliert, bestätigt und bescheinigt die Legitimation als Ursprungsbehörde, das Eingangsdatum des Internationalen Gesuches, die Länderbenennung, die Eintragungsidentität des Anmelders und der in Anspruch genommenen Waren und Dienstleistungen sowie die Zahlung der nationalen Gebühren. Die Ursprungsbehörde ist verpflichtet, das Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach dem Eingang bei ihr an das Internationale Büro der WIPO weiterzuleiten. Das Datum des Eingangs des Gesuches bei der Ursprungsbehörde gilt im Falle des Eingangs beim Internationalen Büro innerhalb der zweimonatigen Frist als Tag der Eintragung. Nach Übermittlung des Gesuches an das Büro der WIPO in Genf prüft dieses gemäß den Vorschriften des PMMA sowie der gemeinsamen Ausführungsverordnung zum MMA und PMMA die Berechtigung des Anmelders / Hinterlegers, die Priorität, die Wiedergabe der Marke, die Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen, die Gebührenzahlung und gegebenenfalls weitere Erfordernisse wie zum Beispiel die Transliteration der Marke. Anschließend erfolgen die Registrierung sowie die Veröffentlichung der Registrierung in der wöchentlich erscheinenden (elektronischen) „Gazette OMPI des Marques Internationales / WIPO Gazette International Marks“ sowie im Ursprungsland. Darüber hinaus erfolgt eine Mitteilung der Internationalen Registrierung an die in dem Gesuch genannten Vertragsparteien. Die Verfahrenssprache für Internationale Registrierungen, bei denen ausschließlich Mitgliedsstaaten nach dem MMA benannt wurden, ist Französisch, in allen anderen Fällen 375 § 63 Exkurs: Domain-Namen Fischer Englisch, Spanisch oder Französisch. Beim DPMA können Internationale Gesuche nur noch nach dem PMMA in englischer oder französischer Sprache eingereicht werden (§ 119 Abs. 2 MarkenG). Internationalen Registrierungen können im Übrigen im Ganzen oder auch bezogen auf die benannten Vertragsstaaten und / oder in Bezug auf einzelne der geschützten Waren oder Dienstleistungen übertragen werden (Art. 9, Art. 9 bis PMMA , 9 bis , 9 ter MMA i. V. m. Rg. 25 GA usf OMMA / PMMA ). IV. Schutzversagung und Widerspruch Jeder Vertragsstaat des PMMA bzw. MMA hat gemäß Artikel 5 MMA sowie Artikel 5 PMMA i. V. m. Regel 17 GA usfO MMA / PMMA die Möglichkeit, den Schutz der Internationalen Registrierung auf ihrem Gebiet zu versagen, sofern fristgerecht die entsprechenden Schutzverweigerungsgründe dem Büro der WIPO bekannt gegeben worden sind. Gemäß Artikel 6 bis , 6 ter und 6 quinquies PVÜ ist dies nur unter den für nationale Marken anwendbaren Regeln oder Gründen-- die auch einer nationalen Anmeldung oder Eintragung entgegen gehalten werden können-- zulässig. Das DPMA prüft die Internationalen Registrierungen, in denen Deutschland benannt worden ist, gemäß den Vorschriften des bisherigen § 3 MarkenG (Markenfähigkeit), § 8 MarkenG (absolute Schutzhindernisse) und § 10 MarkenG (notorisch bekannte Marken) innerhalb der von Artikel 6 quinquies PVÜ festgelegten Grenzen. Eine zunächst vorläufige Schutzverweigerung (Avis de Refus Provisoire de Protection / Notice of Provisional Refusal of Protection) eines benannten Vertragsstaates muss die Rechtsmittel nennen, die in dem den Schutz verweigernden Staat gegen den als vorläufige Schutzverweigerung deklarierten Bescheid möglich sind. Grundsätzlich ist es für die nationalen Behörden der Vertragsparteien des PMMA möglich, innerhalb von zwölf Monaten nach der Mitteilung der WIPO über die Benennung des entsprechenden Staates den Schutz zu verweigern. Nach dem PMMA ist eine Verlängerung der Schutzverweigerungsfrist von zwölf auf achtzehn Monate möglich, sofern die Vertragspartei eine entsprechende Erklärung abgegeben hat. Die Schweiz hat hiervon Gebrauch gemacht, Deutschland hingegen nicht. Im Falle der Internationalen Registrierung ( IR ) kann in vielen Ländern Widerspruch gegen die Schutzgewährung in dem betreffenden Land erhoben werden. In Deutschland beginnt die dreimonatige Widerspruchsfrist mit dem ersten Tag des Monats, der dem Monat folgt, der als Ausgabedatum der die Veröffentlichung der jüngeren IR -Marke enthaltenen Ausgabe der Publikation „Gazette OMPI des Marques Internationales / WIPO Gazette International Marks“ angegeben ist. Eine Mitteilung über eine Schutzverweigerung (Art. 5 PMMA ) aufgrund eines Widerspruches von Dritten in den Ländern des PMMA nach Ablauf von achtzehn Monaten ist möglich, wenn die WIPO von der nationalen Behörde des Verbandslandes vor Ablauf der 18-Monats- Frist eine Mitteilung erhalten hat, dass ein Widerspruch nach Ablauf der 18-monatigen Frist möglich sowie über den Beginn und den Ablauf der Widerspruchsfrist in Kenntnis gesetzt worden ist. Darüber hinaus muss eine Mitteilung über die Schutzverweigerung in einem 376 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Vertragsstaat aufgrund eines Widerspruches innerhalb von sieben Monaten nach Beginn der Widerspruchsfrist oder-- falls die Widerspruchsfrist kürzer als sieben Monate ist-- innerhalb eines Monats nach Ablauf der Widerspruchsfrist erfolgen (Art. 5 Abs. 2 c) PMMA ). V. Vorteile der Internationalen Registrierung von Marken Die wesentlichen Vorteile des Madrider Markenverbandes für den Anmelder liegen auf der Hand: Mit nur einem Internationalen Antrag auf Registrierung, der nur bei einem Amt, in nur einer Sprache eingereicht wird und für den die Zahlung der entsprechenden amtlichen Gebühren in nur einer Währung auf ein Konto der WIPO erfolgen muss, ist der Verfahrensaufwand wesentlich geringer als eine Vielzahl nationaler Anmeldungen, aber auch im Hinblick auf die vergleichbar niedrigen Kosten sehr vorteilhaft. Darüber hinaus werden ganz erhebliche Kosten für die Übersetzung der obligatorischen Waren- und Dienstleistungsverzeichnisse in die entsprechenden Landessprachen vermieden. Dieses Verfahren mit der Bündelung von national wirkenden Markenrechten führt auch zu entsprechenden Vorteilen bei der Erneuerung des Schutzes sowie bei Änderungen, beispielsweise des Inhabers, seiner Adresse, einzelner Waren und / oder Dienstleistungen für einzelne oder mehrere Länder. § 65 Unionsmarken Die Regelungen der UMV werden im Vergleich zu den Regelungen des MarkenG in den einzelnen vorhergehenden Kapiteln insbesondere in Kap. 2 behandelt. § 66 Nationale Vorschriften für IR - und Unionsmarken I. MMA und PMMA Im 5. Teil (6. Teil n. F.) des MarkenG (§§ 107-125) sind Regelungen über Internationale Registrierungen ( IR ) enthalten. Die Grundnorm über die ergänzende Anwendbarkeit des MarkenG auf Internationale Registrierungen nach dem MMA enthält § 107, nach dem PMMA § 119 MarkenG. Während die §§ 108-111 MarkenG die Internationale Registrierung auf der Basis einer deutschen Marke nach dem MMA respektive §§ 120-123 MarkenG nach dem PMMA regeln, sind in den §§ 112-118 MarkenG Regelungen über in Deutschland wirksame IR Marken auf der Basis ausländischer Marken enthalten. Entsprechend gilt § 124 MarkenG für Erstreckungen aus dem PMMA . Die Umwandlung einer Internationalen Registrierung in eine nationale Markenanmeldung, die nur für Protokollmarken möglich ist (Art. 9 quinquies PMMA ), wird in § 125 MarkenG behandelt. 377 § 66 Nationale Vorschriften für IR- und Unionsmarken Fischer II. Unionsmarken Die §§ 125b-- 125 i MarkenG enthalten Regelungen, die die UMV und die UMDV ergänzen. In der Regel wird auf entsprechende Regelungen im nationalen Recht verwiesen. Besondere Beachtung verdient der § 125e MarkenG für die Zuständigkeit der nationalen Gerichte bei Kennzeichenverletzungsverfahren sowie die Umwandlung von Unionsmarken oder -anmeldungen gem. § 125d MarkenG. Mit Inkrafttreten des MaMoG wird § 125a MarkenG aufgehoben, nachdem es nicht mehr möglich ist, die Anmeldung von Unionsmarken beim DPMA einzureichen. Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Wie bereits eingangs skizziert, erschöpft sich das Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums nicht in den bislang behandelten Sondergesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes, vielmehr wird es durch das Urheberrecht als zweiter, zunehmend an Bedeutung gewinnender Hemisphäre des Immaterialgüterrechts ergänzt (s. o. § 1 I., § 2 VII ., § 7 III . 2.). Aus systematischer Sicht ist zu vergegenwärtigen, dass sich die im Urheberrechtsgesetz geregelte Rechtsmaterie nicht nur auf das im Vordergrund des Interesses stehende „Urheberrecht“ (Teil 1: §§ 1-69g UrhG-- nachfolgend 1. Kapitel) und den dort geregelten Schutz von „Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst“ beschränkt, sondern darüber hinaus auch auf den Bereich der sog. verwandten Schutzrechte erstreckt (Teil 2: §§ 70-87h UrhG- - nachfolgend 2. Kapitel). 381 § 66 Nationale Vorschriften für IR- und Unionsmarken Pierson 1. Kapitel. Urheberrecht § 67 Allgemeines Verständnis I. Begriff und Wesen des Urheberrechts Dem Begriff des „Urheberrechts kommt eine zweifache Bedeutung zu: zum einen meint „Urheberrecht“ das subjektive Recht, das die materiellen und ideellen Interessen des Urhebers an seinem Geisteswerk schützt, zum anderen-- in seiner objektiven Bedeutung-- beschreibt „Urheberrecht“ die Summe sämtlicher Rechtsnormen, die das Verhältnis des Urhebers und seiner Rechtsnachfolger zu dem geschützten Werk regeln. 1 Für die gebotene Einordnung des Urheberrechts in das übergeordnete System der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums ist es bedeutsam zu erkennen, dass sich die vom Urheberrecht erfassten Schutzobjekte-- die geschützten Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst-- in ihrem Wesen von den Schutzobjekten der Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes unterscheiden. So zielt das Urheberrecht traditionell auf den Schutz solcher Ergebnisse menschlicher Schaffenstätigkeit, die-- wie z. B. Romane, Musikwerke, Gemälde, Filmwerke-- dem Bereich des sog. Kulturschaffens zuzuordnen sind. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass sie der menschliche Geist aus sich selbst hervorgebracht hat, um dem individuellen menschlichen Geist durch eine zur Aufnahme durch die menschlichen Sinne geeigneten „Aussage“ Ausdruck zu verleihen. Anders etwa als eine technische Erfindung bringen sie damit nicht nur eine in der Natur bereits vorgegebene Gesetzmäßigkeit zur Anwendung. Auch ist ihnen-- zumindest soweit man den Bereich des traditionellen Urheberrechts ins Auge fasst- - in der Regel ein praktisches Zweckmoment fremd. Mit Blick auf diese wesensmäßigen Besonderheiten der vom Urheberrecht erfassten Schutzobjekte wird dem Urheberrecht auch die Funktion zugeschrieben, dem Schutz qualifizierter menschlicher Kommunikation zu dienen. 2 Wie bereits einleitend in der Betrachtung der Kategorien geistiger Schaffensergebnisse und der Systematik der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums erörtert, ist das Wesen der unterschiedlichen, immaterialgüterrechtlich geschützten Gegenstände nicht nur maßgeblich für die kategoriale Anknüpfung der einzelnen Sondergesetze, sondern insbesondere auch für deren normativrechtliche Ausgestaltung (s. o. § 5 V.). II. Europäisierung des Urheberrechts Ähnlich wie im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, ist auch bei der Anwendung des Urheberrechts zu beachten, dass seit Anfang der 1990er Jahre sukzessive weite Bereiche des Urheberrechts durch eine Vielzahl europäischer Richtlinien harmonisiert wurden (s. hierzu bereits § 4 IV . 3.). Besondere Bedeutung für die Europäisierung des Urheberrechts kommt 1 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, S. 2 Rdn. 2. 2 Schricker / Loewenheim, Einl. Rdn. 7 m. w. Nachw. 382 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson insoweit der bereichsübergreifenden InfoSoc- RL 2001 / 29 / EG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Eu GH zu, dessen richtlinienübergreifend einheitlicher Auslegung zentraler urheberrechtlicher Begriffe zu entnehmen ist, dass die Richtlinien zur Harmonisierung des Urheberrechts in der Summe „als Teile einer integralen europäischen Urheberrechtsordnung“ zu verstehen sind. 3 Maßgeblicher Schrittmacher für die europaweite Harmonisierung des Urheberrechts und die Herausbildung einer auf eine Vielzahl von Richtlinien gestützten europäischen Urheberrechtsordnung war und ist die Entwicklung der Digitaltechnik (vgl. hierzu bereits o. § 1 III ., IV .), die das Urheberrecht- - so wie bereits in den vergangenen Jahrzehnten-- auch zukünftig vor immer neue Herausforderungen stellen wird. Durch die Digitaltechnik bedingte Veränderungen bei der Schaffung, der Verbreitung und Verwertung von Werken und sonstigen durch Leistungsschutzrechte geschützten Schutzgegenständen sowie die Herausbildung neuer digitaler Geschäftsmodelle und neuer-- insbesondere auch grenzüberschreitender-- Nutzungsformen sind auch der Hintergrund für die jüngsten Initiativen für eine weitere europäische Harmonisierung des Urheberrechts. So bildet die Modernisierung des Urheberrechts einen der Eckpfeiler der breit angelegten „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“, 4 die- - gestützt auf ein umfassendes regulatorisches Maßnahmenpaket auch in weiteren Bereichen 5 -- auf die Errichtung eines digitalen Binnenmarktes abzielt. Übergeordnete Ziele der legislativen Maßnahmen im Bereich des Urheberrechts sind: (1) Die Gewährleistung eines umfassenden Online-Zugangs zu Inhalten in der EU und die Erschließung neuer Publikumsschichten, (2) die Anpassung bestimmter Ausnahmeregelungen an das digitale und grenzüberschreitende Umfeld und (3) die Förderung eines gut funktionierenden und fairen Marktes für das Urheberrecht. 6 Neben einer Vielzahl spezifischer Rechtsakte zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse eines digitalen Binnenmarktes 7 ist der themenübergreifende Vorschlag für eine „Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ (kurz „ DSM -UrhR- RL ) 8 hervorzuheben. Aufbauend auf der bereits existierenden unionsrechtlichen Urheberrechtsordnung zielt der Richtlinienvorschlag darauf ab, das Urheberrecht durch ein Bündel von Maßnahmen mit Blick auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen im digitalen Umfeld zu modernisieren. Das breite Spektrum des von dem Richtlinienvorschlag erfassten urheberrechtlichen Regelungskataloges erstreckt sich von Regelungen im Bereich der Schranken (Data Mining, Lehre, Kulturerbe), über den Abruf audiovisueller Werke auf Plattformen, der Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage, der Nutzung geschützter Inhalte durch Online-Dienste bis hin zur fairen Ausgestaltung des Urhebervertragsrechts. Eine Erörterung der im Einzelnen vorgeschlagenen Regelungen erfolgt nachfolgend im jeweils betroffenen urheberrechtlichen Regelungskontext, 3 Leistner, Eu ZW 2016, 166; ferner Beck OK UrhR / Stollwerck, Europäisches UrhR, Rdn. 101. 4 Vom 6. 5. 2015, COM (2015) 192 final. 5 Insbesondere: Datenschutzrecht, TK -Recht, Verbraucherschutz, Rechtsrahmen E-Commerce. 6 Mitteilung der EU -Kommission v. 14. 9. 2016 COM (2016) 592 final, S. 1. 7 Vgl. hierzu Mitteilung der EU -Kommission v. 14. 9. 2016 COM (2016) 592 final; ferner Brauneck, GRUR Int. 2015, 889 ff.; Stieper, GRUR 2015, 1145 ff.; Grünberger, ZUM 2017, 324 ff. 8 Vom 14. 9. 2016 COM (2016) 593 final; s. hierzu auch Standpunkt des Rates v. 25.05.2018, 2016 / 0280 ( COD ). 383 § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen Pierson ebenso wie die Skizzierung weiterer im Kontext der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vorgeschlagener spezifischer Rechtsakte. § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen I. Materielle Schutzvoraussetzungen Die Voraussetzungen, die vorliegen müssen, damit ein Schutzobjekt urheberrechtlichen Schutz genießt, ergeben sich aus dem urheberrechtlichen Werkbegriff. Dieser wird durch den Gesetzgeber für alle Werkarten gemeinsam definiert (§ 2 Abs. 2 UrhG): Werke im Sinne des Urheberrechts sind danach nur „persönlich geistige Schöpfungen“. Diese müssen-- so die Begründung 9 -- „durch ihren Inhalt oder durch ihre Form etwas Neues und Eigentümliches darstellen.“ Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber erstmals den Versuch unternommen, den von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Werkbegriff in einer gesetzlichen Begriffsbestimmung zum Ausdruck zu bringen. 10 Die allgemein als wenig aussagekräftig kritisierte Definition des Gesetzgebers bedarf allerdings einer Konkretisierung durch die Benennung konkreter Merkmale, anhand derer sich die Schutzfähigkeit von Schaffensergebnissen im Einzelfall überprüfen lässt. Maßgebliche Voraussetzungen für das Vorliegen eines schutzfähigen Werkes sind danach, dass dieses ▶ dem Bereich der Literatur, Wissenschaft und Kunst zugehört, ▶ das Ergebnis persönlichen Schöpfens ist, ▶ einen geistigen Gehalt zum Ausdruck bringt, ▶ eine konkrete, sinnlich wahrnehmbare Form gefunden hat und ▶ sich durch einen schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad (Individualität) auszeichnet. 11 Der bereits erwähnte Umstand (s. zuvor § 67 II .), dass weite Teile des Urheberrechts zunehmend „europarechtlich überformt“ sind, 12 ist auch für das Verständnis des urheberrechtlichen Werkbegriffs von Bedeutung (europäischer Werkbegriff). 13 Nach der Rechtsprechung des Eu GH kann das Urheberrecht (i. S. v. Art 2 lit a InfoSoc- RL ) nur in Bezug auf ein Werk (als Schutzobjekt) angewandt werden, bei dem es sich „um ein Original in dem Sinne handelt, dass es eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt.“ 14 Das Kriterium der Originalität ist erfüllt, wenn der Urheber „seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt“, in dem er „freie kreative Entscheidungen trifft“. Demgegenüber ist das Kriterium der Originalität nicht erfüllt, wenn das Schaffen „durch technische Erwägungen, 9 BT -Drucks. IV / 270, Amtl. Begr. zu § 2, S. 38. 10 Die beiden Vorläufergesetze des UrhG 1965, das „Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst“ vom 19. 6. 1901 ( LUG ) und das „Gesetz betr. das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste und der Photographie“ vom 9. 1. 1907 ( KUG ) enthielten keine Definition des urheberrechtlich schutzfähigen Werkes. 11 Vgl. u. a. Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 8 ff. 12 Leistner, Eu ZW 2016, 166. 13 Grundlegend hierzu Leistner, ZGE 2013, 4 ff.; ders. Eu ZW 2016, 166 ff. 14 Eu GH v. 16. 7. 2009, Rs. C-5 / 08 „Infopaq“. 384 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Regeln oder Zwänge bestimmt ist, die für künstlerische Freiheit keinen Raum lassen“. 15 Da der Eu GH werkartübergreifend zur Bestimmung eines urheberrechtlich schutzfähigen Werks im Kern auf das Vorliegen eines „Originals“ im Sinn einer „eigenen geistigen Schöpfung“ abstellt und angesichts der zur Bestimmung der Originalität der geistigen Schöpfung herangezogen Kriterien, markiert der europäische Werkbegriff keine grundlegende Abkehr vom Werkbegriff des deutschen Urheberrechts (§ 2 Abs. 2 UrhG). Vielmehr dürfte er sich mit diesem weitgehend als „kompatibel“ erweisen. 16 1. Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst Die Urheberrechtsschutzfähigkeit setzt zunächst ein Werk voraus, das sich den Werkkategorien der „Literatur, Wissenschaft oder Kunst“ zuordnen lässt (vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG). Mit dieser kategorialen Terminologie ist der deutsche Gesetzgeber den üblichen Umschreibungen des Schutzgegenstandes in den internationalen Abkommen auf dem Gebiet des Urheberrechts gefolgt (vgl. Art. 2 RBÜ , Art. I WUA ). Durch die Begriffe der Literatur, Wissenschaft und Kunst wird dabei der Gesamtbereich der Kategorien umrissen, dem sich urheberrechtlich schutzfähige Werke zumindest in einem weit verstandenen Sinne zuordnen lassen müssen. Sie werden durch die beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Werkarten, die „insbesondere“ zu den geschützten Werken gehören, ergänzt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1-7 UrhG-- zu den Werkarten im Einzelnen s. nachfolgend unter § 69). 2. Ergebnis persönlichen Schöpfens Durch das Merkmal des „persönlichen“ Schöpfens wird zum Ausdruck gebracht, dass das fragliche Schutzobjekt das Ergebnis eines persönlichen, d. h. eines menschlich-gestalterischen Schaffens sein muss. Durch dieses Merkmal werden vom urheberrechtlichen Werkschutz also etwa solche Produkte ausgeschlossen, die lediglich das Ergebnis des Einsatzes von Apparaten oder Maschinen sind 17 (z. B. Übersetzung durch Übersetzungscomputer; Bilder durch Malmaschine, die Farbkleckse auf Leinwand spritzt). Ebenso vom Schutz ausgeschlossen sind danach allein von der Natur hervorgebrachte Erscheinungen, wie z. B. die natürliche Musterung von Marmor, sowie nicht bewusst geschaffene bloße Zufallsergebnisse, etwa die Farbkleckse auf einer Malunterlage. 18 Andererseits steht es der Schutzfähigkeit zweifellos nicht entgegen, dass sich der Werkschaffende-- gewissermaßen als Werkzeug-- technischer Hilfsmittel bedient, um seine persönlichen Gedanken und Gefühle auszudrücken, sofern nur der menschliche Wille über die konkrete Festlegung des Schaffensergebnisses entscheidet (z. B. Einsatz von Zeichen- oder Malprogramm, elektronische Musik). 19 Das Erfordernis des persönlichen Werkschaffens erlangt aktuell Relevanz mit Blick auf den Bereich der sog. künstlichen Intel- 15 Eu GH v. 1. 3. 2012, Rs. C-604 / 10 „Football Dataco“; Eu GH v. 22. 12. 2010, Rs. C-393 / 09 „ BSA “. 16 Wandtke, MMR 2017, 367, 369; ferner Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 31. 17 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 38 f. 18 v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 2 Rdn. 12. 19 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 40; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 68 Rdn. 208. 385 § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen Pierson ligenz (K. I.), d. h. der Entwicklung intelligenter Computersysteme unterschiedlichster Art, die in der Lage sind, Aufgaben zu lösen, deren Lösung wegen der insoweit erforderlichen Intelligenz bislang dem Menschen vorbehalten war. Wenn durch den Einsatz eines K. I.-Systems ein Arbeitsergebnis entsteht, das- - wie z. B. ein Bild, ein längerer Text, eine Komposition oder ein Film-- bei Erschaffung durch einen Menschen, dem Urheberrecht zugänglich wäre, stellt sich die Frage, ob der Einsatz künstlicher Intelligenz der Urheberrechtsschutzfähigkeit des künstlich geschaffenen Schaffensergebnisses entgegensteht. Nach dem zuvor Gesagten hängt dies im konkreten Einzelfall davon ab, ob der Einsatz des K. I.-Systems mit Blick auf das erstellte Schaffensergebnis lediglich als technisches Hilfsmittel anzusehen ist, dessen sich der Entwickler des K. I.-Systems bei der Schaffung eines konkreten, nach seinen persönlichen Vorstellungen gestalteten Werkes bedient hat, oder aber, ob das fragliche, durch den Einsatz des K. I.-Systems geschaffene Arbeitsergebnis als ein reines Maschinenerzeugnis (z. B. das eines Roboters) zu qualifizieren ist, auf dessen konkrete Ausgestaltung keine natürliche Person Einfluss genommen hat. Im letztgenannten Fall käme ein urheberrechtlicher Schutz des künstlichen Schaffensergebnisses mangels persönlichen Werkschaffens nicht in Betracht. 20 3. Geistiger Gehalt Aus der gesetzlich vorausgesetzten „persönlich-geistigen“ Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) ergibt sich, dass sich das Werk durch einen geistigen Gehalt auszeichnen muss, d. h. erforderlich ist, dass der menschliche Geist durch die Mitteilung eines konkretisierten Gedanken- oder Gefühlsinhalts im Werk zum Ausdruck kommt. 21 Die immaterielle, von der Verkörperung des Werks im konkreten Werkstück (z. B. dem Buch, der CD od. DVD ) zu unterscheidende Natur des geistigen Gehalts ist Charakteristikum des Urheberrechts als Recht an einem Immaterialgut. Der erforderliche geistige Gehalt des Werks kommt bei den einzelnen vom Urheberrechtsschutz erfassten Werkarten naturgemäß in sehr unterschiedlicher Weise zum Ausdruck. Bei Werken der Literatur und Wissenschaft etwa, findet der geistige Gehalt seinen Niederschlag in der Gedankenformung und -führung des dargestellten Inhalts und / oder der besonders geistvollen Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs. 22 Demgegenüber wird durch Werke der bildenden Kunst eher ein ästhetischer Gedankeninhalt oder durch Werke der Musik ein Gefühlsinhalt zum Ausdruck gebracht werden. 4. Sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung Der Urheberschutz setzt ferner voraus, dass die Werkschöpfung eine für die menschlichen Sinne wahrnehmbare Form angenommen hat. Daraus folgt, dass der Schutz beginnt, sobald das Werk erkennbar ist, d. h. sobald das Werkschaffen soweit fortgeschritten ist, dass es den 20 Vertiefend zu den medien- und urheberrechtlichen Implikationen des Einsatzes von K. I. siehe Lewke, InTeR 2017, 207 ff. 21 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 45. 22 St. Rspr.-- vgl. u. a. BGH GRUR 1980, 227, 230 „Monumenta Germaniae Historica“. 386 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson individuellen geistigen Gehalt auszudrücken vermag. Das bedeutet, dass eine Werkvollendung für die Erlangung von Urheberrechtsschutz nicht erforderlich ist, d. h. auch ein Entwurf, ein Plan oder eine bloße Skizze können als Vorstufen eines Werks daher bereits Schutz genießen, sofern sie eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. 23 Gleichfalls nicht erforderlich ist, dass das Werk bereits eine körperliche oder dauerhafte Festlegung erfahren hat. Geschützt sein kann daher z. B. bereits auch eine nicht schriftlich fixierte Rede, ein Stegreifgedicht oder eine musikalische Improvisation. Für den Schutz unerheblich ist es schließlich, ob das Werk durch die menschlichen Sinne unmittelbar wahrgenommen werden kann oder ob es insoweit eines technischen Geräts bedarf. 24 Ausreichend für die Schutzentstehung ist also, dass das Werk so zum Ausdruck gebracht wurde, dass es im Grundsatz von Dritten durch Wiedergabe genutzt werden kann. Bei Fernseh- und Rundfunkübertragungen, auch bei Livesendungen, genügt für den Schutz daher die Ausstrahlung der Wellen, die erst durch ein Empfangsgerät sinnlich wahrnehmbar gemacht werden können. 25 5. Individualität Aus der Summe der vom Gesetzgeber zur Umschreibung der urheberrechtlich geschützten Werke verwandten Begriffsmerkmale „persönlich-geistige Schöpfungen“ wird schließlich abgeleitet, dass das persönliche Schaffensergebnis geistigen Inhalts vom individuellen Geist, der Persönlichkeit des Urhebers geprägt sein muss. Die wichtigste Voraussetzung und entscheidende Hürde des Urheberrechts ergibt sich folglich daraus, dass sich ein schutzfähiges Werk als das Ergebnis individueller geistiger Gestaltung darstellen muss, d. h. sich durch Individualität auszeichnen muss. 26 Durch das Erfordernis der Individualität wird die Selbständigkeit und Einmaligkeit eines urheberrechtlichen Werkes, seine Prägung durch den Urheber zum Ausdruck gebracht. 27 Die Individualität des Urhebers ist die Ursache für die Individualität des Werks und bewirkt dessen Eigenart. 28 Der Sache ist das Erfordernis der Individualität auch Bestandteil des europäischen Werkbegriffs, da auch dieser-- wie zuvor dargestellt (s. o. vor 1.)- - voraussetzt, dass der Urheber „seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt.“ Das Merkmal der Individualität grenzt zugleich die dem Urheberrechtsschutz zugänglichen Werke von den schutzlosen Gebilden ab. Schutz genießen nur Ergebnisse geistigen Schaffens, die sich von der Masse des Alltäglichen, üblicherweise hervorgebrachten, dem Banalen, kurz von dem, was jedermann in ähnlicher Weise erbracht hätte, abheben. Nicht von der erforderlichen Individualität geprägt und damit vom Urheberrechtsschutz ausgeschlossen sind daher alle Schaffensergebnisse, die lediglich 23 BGH v. 13. 11. 2013, I ZR 143 / 12, „Geburtstagszug“. 24 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 47 ff. 25 BGHZ 37, 1, 7-= GRUR 1962, 470 „ AKI “. 26 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 32 ff.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 73 Rdn. 220 f. 27 Knap, FS f. A. Troller, S. 17, 125. 28 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 361 f. 387 § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen Pierson auf handwerklicher, wenn auch durchaus fachmännisch erbrachter Leistung, auf Routine oder bloßer Schablone beruhen. 29 6. Kleine Münze, Gestaltungshöhe Die durch den Werkbegriff vorausgesetzte Individualität kann allerdings in sehr unterschiedlich starker Intensität in einem Werk zum Ausdruck kommen. a) Meisterwerke So werden bedeutende Meisterwerke, etwa der Literatur, der bildenden Kunst oder der Musik eine starke individuelle Prägung durch den Urheber aufweisen. Am stärksten ist die Individualität, wenn das Werk „den Stempel der Persönlichkeit des Urhebers“ trägt. 30 Zu denken ist an Werke bedeutender Autoren (z. B. Thomas Mann, Stefan Zweig, Ernest Hemingway), bedeutender Maler (z. B. Wassily Kandinsky, Ernst Ludwig Kirchner, Pablo Picasso, Edward Hopper) oder Komponisten (z. B. Gustav Mahler, Arnold Schönberg, John Cage). Ein derart hohes Maß an Individualität ist jedoch für die Anerkennung des Urheberrechtsschutzes keineswegs erforderlich. b) Einfache Werke, kleine Münze So ist allgemein anerkannt, dass auch einfache Werke von geringer schöpferischer Ausprägung, bei dem die Persönlichkeit stärker hinter dem Werk zurücktritt, dem Erfordernis der Individualität genügen, sofern trotz der Stoffgebundenheit hinreichender Spielraum für einen individuellen Ausdruck bleibt. 31 Es ist also keineswegs erforderlich, dass ein Werk-- sei es etwa ein Roman, ein Gemälde oder eine Komposition-- die „Handschrift“ eines großen „Meisters“ erkennen lässt. Die untere Grenze der Urheberrechtsschutzfähigkeit wird durch die sog. kleine Münze des Urheberrechts markiert. Man versteht darunter Werke, die wegen eines Minimums an Individualität im Grenzbereich des Urheberechts angesiedelt sind, die aber gerade noch als vom Schutz erfasst angesehen werden. 32 Beispiele für Fälle, in denen auch ein Schutz unter dem Gesichtspunkt der Schutzfähigkeit der „kleinen Münze“ anerkannt wurde, sind etwa Kataloge, Adressbücher, Formulare, Werbeprospekte und- - Slogans, einfache Schlager und Potpourris. 33 29 BGHZ 94, 276, 287-= GRUR 1985, 1041, 1047 „Inkasso-Programm“; BGH GRUR 1986, 739, 741 „Anwaltsschriftsatz“. 30 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 124. 31 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 124, 127. 32 Vgl. vor allem Schraube, UFITA , Bd. 61 (1971), S. 127, 128; Schulze, Die kleine Münze, S. 1 ff.; Thoms, der urheberrechtliche Schutz der kleinen Münze, S. 37 ff. 33 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 61; ferner Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, S. 157 Rdn. 294. 388 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson c) Gestaltungshöhe Obgleich danach grundsätzlich bescheidene Anforderungen an das Maß individueller Gestaltung gestellt werden, wird als Voraussetzung des Urheberrechtsschutzes regelmäßig ein gewisses Schaffensniveau verlangt, meist als sog. Gestaltungshöhe bezeichnet. 34 Dies legt die Frage nahe, ob das Vorliegen einer „persönlich-geistigen Schöpfung“ über das Erfordernis der Werkindividualität hinaus- - gewissermaßen analog der im Patentrecht erforderlichen „Erfindungshöhe“- - ein weiteres, qualitatives Moment, ein Schaffen bestimmter Qualität voraussetzt. Diese Frage ist jedoch zu verneinen, da es nach allgemeiner Auffassung für die Bejahung des Urheberrechtsschutzes auf eine besondere literarische, wissenschaftliche oder künstlerische Qualität nicht ankommt. 35 Nicht nur die Durchschnittsleistung, sondern sogar der schlechte Roman, das kitschige Bild, die schlechte Komposition oder die wissenschaftlich angreifbare Untersuchung genießen daher Schutz. Nach richtiger Auffassung handelt es sich bei der Gestaltungshöhe also um kein Kriterium der Werkqualität, vielmehr gibt sie an, in welchem Maß das Werk durch Individualität geprägt ist. Das heißt, bei der Gestaltungshöhe handelt es sich nicht um eine zusätzliche materielle Schutzvoraussetzung, sondern um einen quantitativen Aspekt der Individualität. 36 Was die konkreten Anforderungen an die Gestaltungshöhe angeht, war die höchstrichterliche Rechtsprechung der vergangenen Jahrzehnte uneinheitlich und hat keine einheitlichen Anforderungen an die Gestaltungshöhe für alle Werkarten gestellt. Als eigentliche Schwierigkeit erweist sich daher in diesem Zusammenhang die Abgrenzung des Werkbegriffs „nach unten“, d. h. die Bestimmung der Schutzuntergrenze, unterhalb derer eine „persönlich-geistige Schöpfung“ mangels hinreichender Individualität ausscheidet. 37 Insbesondere die im juristischen Schrifttum bereits seit jeher umstrittene sehr großzügige Anerkennung des urheberrechtlichen Schutzes von „simplen Alltagserzeugnissen“ unter dem Gesichtspunkt der kleinen Münze begegnet dabei-- vor allem mit Blick auf die alternativen Schutzmöglichkeiten des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes- - zunehmend der Kritik. 38 II. Formelle Schutzvoraussetzungen 1. Grundsatz der Formfreiheit Der urheberrechtliche Werkschutz ist unabhängig von der Erfüllung formeller Schutzvoraussetzungen. Es gilt der Grundsatz der Formfreiheit des Urheberrechtsschutzes, d. h. eine Hinterlegung, eine Registrierung, ein Vorbehalt der Rechte oder dergleichen sind für den urheberrechtlichen Schutz nicht erforderlich. Der Schutz knüpft vielmehr unmittelbar an den Schöpfungsakt an, d. h. das absolute Urheberrecht entsteht kraft Gesetzes mit der Werk- 34 Vgl. BGH GRUR 1983, 377 „Brombeer-Muster“; GRUR 1982, 305, 306 „Büromöbelprogramm“; OLG Düsseldorf GRUR 1971, 415 „Studio 2000“. 35 Vgl. BGH GRUR 1959, 289, 290 „Rosenthal-Vase“; GRUR 1981, 267, 268 „Dirlada“. 36 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 51; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 72 f. Rdn. 217 f. 37 Fromm / Nordemann, Urheberrecht, § 2 Rdn. 30 ff. m. Darstellung der Rspr. zu den einzelnen Werkarten. 38 Vgl. insbesondere Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, S. 157 ff. Rdn. 295 ff.; ferner Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 74 Rdn. 223. 389 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson vollendung (zum Grundsatz der automatischen Schutzentstehung nach Art. 5 Abs. 2 RBÜ vgl. bereits § 4 III . 3.). Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zum Bereich der gewerblichen Schutzrechte, deren Erlangung in der Regel-- sieht man von der Verkehrsgeltungsmarke, der notorisch bekannten Marke und dem nicht registrierten Gemeinschaftsgeschmacksmuster ab- - ein formelles Erteilungsverfahren, d. h. eine Schutzrechtsanmeldung bei der für die Erteilung zuständigen Behörde (z. B. Deutsches Patent- und Markenamt [ DPMA ], Bundessortenamt [ BSA ], Europäisches Amt für geistiges Eigentum [ EU IPO ]) voraussetzen. Auch bei der fakultativ möglichen Eintragung in die beim DPMA geführte Urheberrolle (§ 138 UrhG) handelt es sich nicht um eine formelle Schutzvoraussetzung, vielmehr hat diese lediglich Bedeutung für die Schutzdauer von anonymen oder pseudonymen Werken (§ 66 Abs. 2 S. 2 UrhG). 39 2. Bedeutung des Copyright-Vermerk Die Entstehung des Urheberrechtsschutzes setzt insbesondere auch nicht die Anbringung eines Urhebervermerks bzw. eines sog. Copyright-Vermerks voraus. Die weit verbreitete Praxis der Anbringung eines Copyright-Vermerks, bestehend aus dem Copyright-Kennzeichen-- ©-- in Verbindung mit dem Namen des Inhabers des Urheberrechts und der Jahreszahl der ersten Veröffentlichung (z. B. © Max Meyer 2018), erklärt sich vielmehr aus inzwischen weitgehend entfallenen Anforderungen des internationalen Urheberrechtsschutzes. So war die Anbringung eines Copyright-Vermerks nach Maßgabe des WUA in früheren Jahren erforderlich, um auch in den USA Urheberrechtsschutz zu erlangen. Nachdem die USA im Jahre 1989 der RBÜ beigetreten sind, die-- anders als das WUA -- keine entsprechenden Förmlichkeiten voraussetzt, ist diese Bedeutung entfallen. Allerdings ist die Anbringung des Copyright-Vermerks für die Rechtsverfolgung in den USA nach wie vor von Vorteil. Eine gewisse Bedeutung und ein Vorteil der Anbringung des Copyright-Vermerks ergeben sich allerdings auch im deutschen Urheberrecht. So wird derjenige, der auf einem Werkstück als Urheber bezeichnet ist, bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werks angesehen (Urhebervermutung, § 10 Abs. 1 UrhG). Zwar ist für diese Kennzeichnung nicht die Form des Copyright-Vermerks erforderlich, sie bietet sich wegen ihrer Einfachheit und Klarheit jedoch an und ist zudem international eingeführt. 40 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Das Gesetz enthält neben der Definition des urheberrechtlich geschützten Werkes (§ 2 Abs. 2 UrhG) darüber hinaus einen Katalog der wichtigsten Werkarten, die „insbesondere“ zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 UrhG-- s. bereits § 2 VI . 1.). Durch die Beschränkung auf einen nicht abschließenden Beispielskatalog hat der Gesetzgeber bewusst Raum gelassen für die Einbeziehung neuer, sich 39 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 81 Rdn. 242. 40 Harke, S. 44; näheres zu den Anforderungen der WUA vgl. Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 43 ff., 47. 390 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson im Laufe der Zeit erst herausbildender Werkarten, die somit ohne weiteres vom Schutz erfasst werden können. Er hat damit den Schwierigkeiten Rechnung getragen, zu denen die gesetzlichen Vorläuferregelungen, die eine abschließende Aufzählung der geschützten Werkarten enthielten, geführt hatten. So bedurfte es etwa bei Aufkommen des Films einer gesonderten Gesetzesnovelle zwecks Klarstellung, dass auch Filmwerke urheberrechtlichen Schutz genießen (vgl. § 15a KUG ). 41 I. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme Unter dem Oberbegriff des Sprachwerks fasst das Urheberrechtsgesetz den Schutz aller Werke zusammen, die sich der Sprache, sei es in schriftlicher oder mündlicher Form, als Ausdrucksmittel bedienen. Dabei kommt es für den Sprachwerksschutz nicht auf die Art der Sprache an, d. h. auch Fremdsprachen, tote Sprachen, Kunstsprachen wie Esperanto oder Programmiersprachen, kommen als taugliche Ausdrucksmittel in Betracht. 42 Gleichgültig für die Qualifikation als Sprachwerk ist ferner, welchem Sachgebiet der Inhalt des Werkes zuzurechnen ist, d. h. ob es sich um einen wissenschaftlichen oder schöngeistigen, um einen theoretischen oder praktischen Inhalt handelt. Entscheidend ist allein, dass ein begrifflicher Inhalt durch die Sprache ausgedrückt wird. 1. Schriftwerke Schriftwerksschutz genießen alle Sprachwerke, bei denen der sprachliche Gedankeninhalt durch Schriftzeichen oder andere Zeichen äußerlich erkennbar gemacht wird. Geschützt sind insoweit vor allem literarische Werke, wie Romane, Dramen, Erzählungen, Gedichte, Libretti, Hörspiele (etc.), aber auch Zeitschriftenaufsätze und -artikel sowie wissenschaftliche Werke. Der BGH 43 hat entschieden, dass bei Sprachwerken neben der Fabel, dem Handlungs- und Beziehungsgeflecht der Charaktere eines Romans auch einzelne Charaktere eines Sprachwerks (im konkreten Fall die literarische Kunstfigur Pippi Langstrumpf) selbständigen Urheberrechtsschutz genießen kann, vorausgesetzt, dass der Autor dieser Kunstfigur „durch die Kombination von ausgeprägten Charaktereigenschaften und besonderen äußeren Merkmalen eine unverwechselbare Persönlichkeit verleiht.“ Ausnahmsweise wird auch profanen Druckerzeugnissen des praktischen und geschäftlichen Alltags (Adressbüchern, Kochbüchern, Rechentabellen, Katalogen, geschäftlichen Musterblättern, Formularen etc.), soweit sie sich durch ein Mindestmaß an individueller sprachlicher Gestaltung auszeichnen, Schriftwerkschutz als sog. kleine Münze zuerkannt (s. zuvor § 68 I. 6. b.). 44 41 Vgl. BT -Drucks. IV / 270, Amtl. Begr., S. 37. 42 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 82. Rdn. 248. 43 BGH v. 17. 7. 2013, Az. I ZR 52 / 12 „Pippi-Langstrumpf-Kostüm“. 44 Vgl. Übersicht und Kritik am Schutz der kleinen Münze bei Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 84 f. Rdn. 253 f. 391 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson 2. Reden Als weitere Unterart der Sprachwerke nennt das Gesetz „Reden“. Sie unterscheiden sich von einem Schriftwerk dadurch, dass der sprachliche Gedankeninhalt nicht durch Zeichen, sondern mündlich zum Ausdruck gebracht wird. Bei hinreichender Individualität sind also auch Vorträge, Vorlesungen, Predigten, Interviews, Reportagen, Stegreifgedichte (etc.) vom urheberrechtlichen Schutz erfasst. 45 3. Computerprogramme a) Einordnung, Begriff Auch Computerprogramme sind im Katalog der geschützten Werkarten des Urheberrechts als Unterart der Sprachwerke aufgeführt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG). Computerprogramme haben sich spätestens mit der Verbreitung der Personal Computer ( PC ) Anfang der 1980er Jahre neben Film und Musik zu den wichtigsten immateriellen Wirtschaftsgütern entwickelt. Ihre Schutzbedürftigkeit ist ähnlich motiviert wie die von Datenbankwerken. Die Entwicklung von Computerprogrammen ist in der Regel mit ganz erheblichen wirtschaftlichen Investitionen verbunden, während das fertige Programm ohne nennenswerten Aufwand kopiert und in unbegrenzter Stückzahl vertrieben werden kann. Auch bei den Computerprogrammen ist daher die Amortisation durch die leichte Kopierbarkeit gefährdet. Früh stellte sich daher die Frage nach einem geeigneten immaterialgüterrechtlichen Schutz von Computerprogrammen. Kaum eine andere Frage in der Geschichte des Immaterialgüterrechts wurde ähnlich kontrovers diskutiert. Schließlich wurde der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen international als die geeignetste Schutzmöglichkeit für Computerprogramme favorisiert. Die Einordnung der Computerprogramme als Sprachwerke mag überraschen, da es sich bei Computerprogrammen im Kern um auf den Einsatz der Technik gestützte Problemlösungen handelt. 46 Sie lässt sich jedoch damit erklären, dass Computerprogramme in einer Programmiersprache „geschrieben“ werden. Die Einordnung der Computerprogramme als Werke der „Literatur, Wissenschaft und Kunst“ entspricht also einer „linguistischen“ Betrachtungsweise dieses besonderen Schutzobjektes. Zugleich markiert die Aufnahme der Computerprogramme in das Urheberrecht einen Meilenstein, der-- ergänzt durch die spätere Integration des Datenbank(werk)schutzes (§§ 4 Abs. 2, 87a ff. UrhG)-- zu einem erheblichen Bedeutungszuwachs des Urheberrechts geführt hat (s. o. § 7 III . 2. a). Was unter einem Computerprogramm zu verstehen ist, wurde im Gesetz im Hinblick auf mögliche technische Weiterentwicklungen bewusst nicht definiert. Allgemein versteht man unter einem Computerprogramm „eine Folge von Befehlen, die nach Aufnahme in einen maschinenlesbaren Träger fähig sind, zu bewirken, dass eine Maschine mit informationsverarbeitenden 45 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 101. 46 Vgl. Pierson, Der Schutz der Programme für die Datenverarbeitung, S. 80 ff., 154 f. 392 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Fähigkeiten eine bestimmte Funktion oder Aufgabe oder ein bestimmtes Ergebnis anzeigt, ausführt oder erzielt“. 47 b) Schutzgegenstand Schutzgegenstand des urheberrechtlichen Schutzes sind nach dem Willen des Gesetzgebers „Programme in jeder Gestalt, einschließlich des Entwurfsmaterials“ (§ 69a Abs. 1 UrhG). Klargestellt werden sollte damit, dass es für den Schutz nicht darauf ankommt, in welcher Form ein Computerprogramm festgelegt ist. Nicht erforderlich ist danach, dass es bereits auf einer Diskette, einer CD , einer Festplatte oder einem Band gespeichert oder als sog. Firmware in die Hardware integriert ist. 48 Vielmehr hat der Gesetzgeber zum Schutzgegenstand des Programmschutzes klargestellt, dass der Schutz „für alle Ausdrucksformen eines Computerprogramms“ gilt, wobei aber die „Ideen und Grundsätze, die einem Element eines Computerprogramms zugrunde liegen, einschließlich der den Schnittstellen zugrundeliegenden Ideen und Grundsätze“, nicht geschützt sind (§ 69a Abs. 2 UrhG). Dem Schutz unterliegen damit als Ausdrucksformen des Computerprogramms insbesondere der Quellcode-- das ist das in der Programmiersprache niedergeschriebene Programm- - und der maschinenlesbare Objektcode, ebenso wie alle im Rahmen der Programmentwicklung als Vorstufen entstandenen Ausdrucksformen (nach traditioneller Programmiertechnik also: Problemanalysen, Datenfluss-, Programmablaufpläne etc.). Ausgeschlossen bleibt mit den zugrunde liegenden „Ideen und Grundsätzen“ hingegen das geistige Allgemeingut, das als geistiges Gut im Interesse der Allgemeinheit einer Monopolisierung zugunsten eines Urhebers entzogen ist. Das heißt, der prinzipielle Weg zur Lösung eines technischen, organisatorischen oder mathematischen Problems, z. B. der Weg zur Lösung eines mathematischen Problems mit Hilfe einer bestimmten mathematischen Formel, ist urheberrechtlich nicht geschützt. c) Schutzvoraussetzungen Was die Schutzvoraussetzungen für Computerprogramme angeht, haben diese im Rahmen der besonderen Bestimmungen für die Computerprogramme, die im Rahmen der Umsetzung der EG -Richtlinie zum Schutz von Computerprogrammen in das Urheberrechtsgesetz eingefügt wurden, eine gesonderte Regelung erfahren. Danach werden Computerprogramme geschützt, „wenn sie individuelle Werke in dem Sinne darstellen, dass sie das Ergebnis der eigenen geistigen Schöpfung ihres Urhebers sind“ (§ 69a Abs. 3 UrhG). Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen nicht von einer besonderen Gestaltungshöhe abhängig gemacht werden darf, ebenso wenig wie der Urheberrechtsschutz von Datenbankwerken und Lichtbildwerken, für die die gleichen harmonisierten Schutzvoraussetzungen gelten. 49 Entscheidend für die Handhabung in der Praxis ist, dass allgemein davon ausgegangen wird, dass der Urheberrechtsschutz von Computerprogrammen 47 So bereits § 1(i) der von der WIPO entwickelten „Mustervorschriften für den Schutz von Computerprogrammen ( MV )“ aus dem Jahre 1977-- abgedruckt in GRUR Int. 1978, 286. 48 Schricker / Loewenheim / Spindler, § 69a Rdn. 4 f. 49 BGH v. 13. 11. 2013, I ZR 143 / 12, „Geburtstagszug“ zum Einfluss des europäisch harmonisierten Urheberrechts auf den Werkbegriff. 393 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson die absolute Regel ist und dass die Verneinung von Urheberrechtsschutz mangels erforderlicher Individualität des Programms nur bei völlig banalen Programmen anzunehmen sein wird. 50 Bei Programmen, die von (kommerziellem) Interesse sind, steht der Urheberrechtsschutz daher praktisch außer Frage. Besondere urheberrechtliche Bestimmungen für Computerprogramme 51 (§§ 69a - 69g UrhG) § 69a Abs. 1 Schutzgegenstand: Klarstellung, dass sich Schutz auf „Programme in jeder Gestalt“ erstreckt (schriftlich, maschinenlesbar), einschließlich Entwurfsmaterial (u. a. Problemanalyse, Flussdiagramme etc.). § 69a Abs. 2 Positive und negative Abgrenzung zum Schutzgegenstand: ▶ Schutz gilt für alle Ausdrucksformen (insbes. Programmcode: Quellcode, Objektcode). ▶ Zugrundeliegende „Ideen und Grundsätze“ bleiben frei. ▶ Hintergrund: Form und Inhalt; Gemeinfreiheit wiss.-technischer Inhalte, Algorithmen. § 69a Abs. 3 Schutzvoraussetzungen: ▶ Individualität i. S. v. Ergebnis eigener geistiger Schöpfung. ▶ Formel: „Programm ist nicht ganz trivial, banal und nicht abgekupfert“. § 69a Abs. 4 Verhältnis zum allgemeinen Urheberrecht: Anwendung der für Sprachwerke geltenden Bestimmungen, soweit nichts anderes bestimmt ist. § 69b Sonderregelung für Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen: ▶ Automatischer Übergang der vermögensrechtlichen Befugnisse auf den Arbeitgeber, sofern nichts anderes vereinbart ist (abweichend von allgemeiner Regelung § 43 UrhG). ▶ Wird ein Computerprogramm von einem Arbeitnehmer in Wahrnehmung seiner betrieblichen Aufgaben geschaffen, kommt ein Anspruch auf Arbeitnehmervergütung grundsätzlich nicht in Betracht. 52 § 69c Zustimmungsbedürftige Handlungen (Verwertungsrechte): ▶ Nr. 1: Vervielfältigung (S. 1: softwarespezifische Erweiterungen; S. 2 technisch bedingte Vervielfältigungen). ▶ Nr. 2: Übersetzung, Bearbeitung, Arrangement und andere Umarbeitungen (vgl. bereits § 3 UrhG; im übrigen Erweiterung gegenüber § 23 UrhG → bereits Erstellung erfasst; Abgrenzung freie Benutzung § 24 UrhG). ▶ Nr. 3 S. 1: Verbreitung, einschließlich Vermietung (Sonderregelung zu §§ 17, 27 UrhG). ▶ Nr. 3 S. 2: Erschöpfung des Verbreitungsrechts (= Schranke des Verwertungsrechts; Anwendbarkeit der Grundsätze zu § 17 Abs. 2 UrhG). 53 50 BGH v. 3. 3. 2005, Az. I ZR 111 / 02 „Fash 2000“; Schricker / Loewenheim / Spindler, § 69a Rdn. 19 f. 51 Umsetzung der EG -Richtlinie über den Rechtsschutz von Computerprogrammen v. 14. 5. 1991, AB l. EG Nr. L 122 / 42 ff; inzwischen ersetzt durch Richtlinie 2009 / 24 / EG v. 23. 4. 2009 (kodifizierte Fassung); näheres zum Softwareurheberrecht s. Imhof, in Bisges, Handbuch Urheberrecht, Kap. 5. S. 455 ff. 52 BGH v. 24. 10. 2000, Az. X ZR 72 / 98 „Wetterführungspläne“; s. ferner BGH v. 23. 10. 2011, Az. X ZR 72 / 98 „Wetterführungspläne II “. 53 Zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts bei Computerprogrammen s. u. unter § 71 II . 2. b) bb). 394 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Besondere urheberrechtliche Bestimmungen für Computerprogramme 51 (§§ 69a - 69g UrhG) § 69d Ausnahmen von den zustimmungsbedürftigen Handlungen (Schranken): ▶ Abs. 1: zustimmungsfreie Handlungen, wenn „für bestimmungsgemäße Benutzung des Computerprogramms einschließlich Fehlerbeseitigung durch Berechtigten notwendig“, soweit keine besonderen vertraglichen Bestimmungen vorliegen (Berechtigter: jeder der zur Verwendung eines Vervielfältigungsstücks berechtigt ist, i. d. R. Lizenznehmer; Grenzen der Vertragsfreiheit: entsprechend Zweckübertragungsgrundsatz enthält § 69d Abs. 1 UrhG einen gewissen „zwingenden Kern“). ▶ Abs. 2: Privilegierung der Sicherungskopie (ausgeschlossen bei Mitlieferung durch Händler). ▶ Abs. 3: Programmtestläufe zulässig (Hintergrund: Freiheit der „Ideen und Grundsätze“ - s. o.). § 69e Dekompilierung zwecks Herstellung Interoperabilität: ▶ Dekompilierung: Rückübersetzung des maschinenlesbaren Objektcodes in Quellcode. ▶ Interoperabilität: Fähigkeit eines Programms zum Austausch von Informationen und zur wechselseitigen Verwendung der ausgetauschten Informationen (also: Kommunikation mit Hardware und anderer Software = Schnittstellen). ▶ Hintergrund: Schutz des Wettbewerbs und Fortschritts durch Ausschluss der Monopolisierung von Schnittstellen. § 69f Rechtsverletzungen ▶ Abs. 1: Vernichtungs- und andere Ansprüche (i. V. m. § 98 Abs. 3 und 4 UrhG). ▶ Abs. 2: gilt entsprechend für Mittel zur Umgehung (Kopierprogramme zum Ausschluss von Sicherheitsmechanismen). § 69g Anwendung sonstiger Rechtsvorschriften / Vertragsrecht ▶ Schutz nach PatG, HLS chG, MarkenG, UWG etc. bleibt unberührt. ▶ Unabdingbarkeit der Mindestrechte nach § 69d Abs. 2, 3 UrhG und § 69e UrhG (Nichtigkeit). Abb. 5: Besondere urheberrechtliche Bestimmungen für Computerprogramme II. Musikwerke Im Anschluss an die Sprachwerke sind die Werke der Musik im Katalog der urheberrechtlich geschützten Werke genannt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UrhG). Vom Schutz erfasst sind alle Arten von Kompositionen, d. h. Werke der sog. Unterhaltungsmusik (Schlager, Musicals etc.) ebenso wie Werke der sog. ernsten Musik (Opern, Symphonien, Oratorien etc.). Für den urheberrechtlichen Schutz- - die sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung des Werks (s. o. § 68 I. 4.)- - ist es nicht erforderlich, dass ein Musikwerk in Noten niedergeschrieben ist, so dass auch Improvisationen schutzfähig sind. 54 Auch der Einsatz technischer Hilfsmittel (Computerprogramme, Sound-Sampling etc.) steht dem Schutz nicht entgegen, solange die Komposition das Ergebnis einer vom Urheber gesteuerten, persönlich-schöpferischen Tätigkeit und nicht bloß das Ergebnis des Einsatzes eines Zufallsgenerators ist 55 (s. bereits o. § 68 I. 2.). Die schöpferische Eigentümlichkeit liegt bei Musikwerken in ihrer individuellen ästhetischen Ausdruckskraft. Für die Ausdruckskraft können Rhythmus und Aufbau der Tonfolgen als 54 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 88 Rdn. 266 f. 55 Hertin, Urheberrecht, S. 28 Rdn. 88. 395 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson Elemente der Tongestaltung bedeutsam sein, vor allem aber die Melodie (die einen gegenüber anderen Werkarten erweiterten Schutzumfang der Musikwerke begründet, vgl. § 24 Abs. 2 UrhG). Allerdings kann sich, wie der BGH 56 festgestellt hat, die individuelle schutzfähige Leistung bei einem Musikstück „nicht nur aus der Melodie und dem Einsatz der musikalischen Ausdrucksmittel der Rhythmik, des Tempos, der Harmonik und des Arrangements ergeben, sondern auch aus der Art und Weise des Einsatzes der einzelnen Instrumente, also der Durchführung der Instrumentierung und Orchestrierung.“ Entscheidend für die Frage der Schutzfähigkeit ist, ob der auf dem Zusammenspiel all dieser Elemente beruhende Gesamteindruck den erforderlichen Eigentümlichkeitsgrad ergibt. Die Beurteilung bemisst sich dabei nach der Auffassung der mit musikalischen Fragen einigermaßen vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Verkehrskreise. 57 Die formgebende Leistung einer musikalischen Darbietung wird schutzfähig, wenn sie über die handwerksmäßige Anwendung musikalischer Lehren hinausgeht, d. h. das „rein handwerkliche Schaffen unter Verwendung formaler Gestaltungselemente, die auf den Lehren von Harmonik, Rhythmik und Melodik beruhen oder die-- wie Tonfolgen einfachster Art oder bekannte rhythmische Strukturen-- sonst zum musikalischen Allgemeingut gehören“ sind dem Urheberrechtsschutz nicht zugänglich. 58 An den individuellen ästhetischen Gehalt werden von der Rechtsprechung allerdings keine zu hohen Anforderungen gestellt. Vielmehr soll es ausreichen, dass die formgebende Tätigkeit des Komponisten-- wie es regelmäßig bei der Schlagermusik der Fall ist-- nur einen geringen Schöpfungsgrad aufweist, wobei es auf den künstlerischen Wert nicht ankommt. Im Urheberrecht ist seit langem anerkannt, dass es auch im Bereich der Musik die sog. kleine Münze gibt, d. h. einfache, aber gerade noch geschützte geistige Schöpfungen 59 (s. bereits o. § 68 I. 6.). III. Pantomimische Werke, Tanzkunst Zu den geschützten Werken gehören auch pantomimische Werke einschließlich Werke der Tanzkunst (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UrhG). Das Gesetz verwendet den Begriff „pantomimische Werke“ als Oberbegriff, zu denen auch „Werke der Tanzkunst“ (choreografische Werke) zählen sollen („einschließlich“). In Wahrheit stehen beide Ausdrucksformen jedoch eher nebeneinander. 60 Bei der Pantomime (i. e. S.) herrscht stummes Gebärden- und Mienenspiel als Ausdrucksmittel vor, durch das eine Szene, ein Vorgang oder eine Empfindung wiedergegeben werden soll. 61 Bei einem Werk der Tanzkunst handelt es sich vor allem um die sinnfällige Darstellung eines bewegten Geschehensablaufs, wobei Ausdrucksmittel die Bewegung ist und wobei der 56 BGH v. 16. 4. 2015, Az. I ZR 225 / 12 „Goldrapper“. 57 BGH GRUR 1981, 267, 268 „Dirlada“. 58 BGH v. 16. 4. 2015, Az. I ZR 225 / 12 „Goldrapper“. 59 BGH GRUR 1968, 321, 324 „Haselnuß“; GRUR 1981, 267, 268 „Dirlada“; GRUR 1988, 812, 814 „Ein bisschen Frieden“. 60 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 90 Rdn. 272. 61 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 153. 396 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Sinn und geistige Inhalt durch Körperbewegungen und Gebärden, insbesondere durch Tanz, ausgedrückt wird. 62 IV. Werke der bildenden Kunst Als weitere bedeutende Werkart sind vom Urheberrechtsschutz die Werke der bildenden Kunst erfasst, einschließlich den Werken der Baukunst, den Werken der angewandten Kunst und den Entwürfen solcher Werke (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG). 1. Zweckfreie („reine“) Kunst Vom Begriff der bildenden Kunst (abgeleitet von „abbilden“) sind insbesondere die Malerei, die Bildhauerei und die Graphik erfasst (Gemälde, Zeichnungen, Wandmalereien, Plastiken, Statuen, Holzschnitte, Stiche, Lithographien etc.). Nach der Rechtsprechung des BGH kommt es „für die Kunstwerkeigenschaft darauf an, ob es sich nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise um eine künstlerische Leistung“ handelt, wobei es dabei auf den geistig-ästhetischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung ankomme. 63 Diese Begriffsbestimmung ist- - soweit sie auf das erforderliche Vorliegen einer „künstlerischen Leistung“ abstellt-- zu Recht als unbefriedigend kritisiert worden, da sie insoweit auf eine Tautologie hinauslaufe. Entscheidend für die Qualifikation als Kunstwerk sei vielmehr, „ob die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft des Urhebers auf ästhetischem Gebiet Ausdruck gefunden“ habe, da hierin das Wesen künstlerischen Schaffens liege. 64 Während der Urheberrechtschutz bei Werken der höheren sog. reinen Kunst regelmäßig außer Frage steht, ergeben sich Zweifel an der Schutzfähigkeit mitunter im Bereich der modernen Kunst. Unter urheberrechtlichem Blickwinkel als problematisch erweisen sich hier insbesondere Kunstrichtungen, bei denen keine Werkgestaltung des Künstlers vorliegt, sondern das vermeintlich Schöpferische darin liegt, dass „fertige Gegenstände“ als Kunstwerke präsentiert werden (sog. ready-mades-- z. B. Suppendose von Andy Warhol), ferner Werke bei denen die Gestaltung auf ein Minimum reduziert ist (sog. Minimal Art- - z. B. schwarzes Quadrat auf weißem Grund, ganzflächig monochrome Bilder) bzw. bei denen der Zufall als Gestaltungsmittel eingesetzt wird (sog. aleatorische Kunstrichtungen). 65 62 LG München I, GRUR 1979, 852, 853 „Godspell“. 63 Vgl. u. a. BGH GRUR 1988, 690, 692 „Kristallfiguren“. 64 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 92 Rdn. 279. 65 Näheres Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 173; kritisch Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 93 Rdn. 281. 397 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson 2. Angewandte Kunst Zweifellos vom Urheberrechtsschutz erfasst und ausdrücklich im Gesetz genannt sind demgegenüber die Werke der angewandten Kunst. Sie dienen einem Gebrauchszweck und sind daher von den Werken der zweckfreien („reinen“) Kunst zu unterscheiden. 66 Das heißt, es handelt sich um Bedarfs- und Gebrauchsgegenstände mit künstlerischer Formgebung (Kunstgewerbe jeglicher Art, Gegenstände industrieller Formgebung, Gebrauchsgrafik, Möbel etc.). 67 Da dieser Bereich praktischer, industrieller, kunstgewerblicher Formgestaltung früher vom urheberrechtlich geprägten Geschmacksmusterschutz als tauglichem gewerblichem Schutzrecht „unterbaut“ war, war die Rechtsprechung bei Gebrauchsgegenständen in der Gewährung des Urheberrechtsschutzes traditionell sehr zurückhaltend und legte einen vergleichsweise strengen Maßstab an. So sei für die Frage, ob eine Gestaltung als Werk der angewandten Kunst (i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG) anzusehen ist, „davon auszugehen, dass hierunter eine eigenpersönliche Schöpfung zu verstehen ist, die mit den Darstellungsmitteln der Kunst durch formgebende Tätigkeit hervorgebracht und vorzugsweise für die Anregung des Gefühls durch Anschauung bestimmt ist. Der ästhetische Gehalt des Werkes“ müsse „einen solchen Grad erreichen, dass nach Auffassung der für Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise von einer künstlerischen Leistung gesprochen werden kann. Der hiernach erforderliche Grad ästhetischen Gehalts“ sei „ein höherer, als er bei nur geschmacksmusterfähigen Gegenständen verlangt“ werde. Die zwischen urheberrechtlichem Schutz und Geschmacksmusterschutz bestehende Grenze dürfe nicht zu niedrig abgesteckt werden. 68 Der Schutz der sog. kleinen Münze war nach dieser hergebrachten Rechtsprechung im Bereich der angewandten Kunst ausgeschlossen. Der BGH hat seine hergebrachte strenge Rechtsprechung im Bereich der Werke der angewandten Kunst, nach der ein urheberrechtlicher Schutz ein „deutliches Überragen der Durchschnittsleistung“ voraussetze, jedoch in seiner viel beachteten Entscheidung „Geburtstagszug“ 69 mit Blick auf die Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Geschmacksmusterreformgesetz v. 12. 3. 2004 (inzwischen umbenannt in Designgesetz) aufgegeben. Nach der Neugestaltung des Geschmacksmusterrechts durch das Reformgesetz 2004 (vgl. hierzu § 37 III .) bestehe „zwischen dem Geschmackmusterrecht und dem Urheberrecht kein Stufenverhältnis mehr in dem Sinne, dass das Geschmacksmusterrecht den Unterbau eines wesensgleichen Urheberrechts“ bilde, so dass die erhöhten Anforderungen an einen urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst mit einem derartigen Stufenverhältnis nicht mehr begründet werden könne. An den Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst seien daher „grundsätzlich keine anderen Anforderungen zu stellen als an den Urheberrechtsschutz von Werken der zweckfreien bildenden Kunst oder des literarischen und musikalischen Schaffens.“ Es genüge daher, „dass sie eine Gestaltungshöhe erreichen, die es nach Auffassung der 66 BGH v. 13. 11. 2013, I ZR 143 / 12 „Geburtstagszug“. 67 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 181. 68 BGH GRUR 1979, 332, 336 „Brombeerleuchte“ im Anschluss an BGH GRUR 1969, 38,39 „Vasenleuchte“; BGH GRUR 1995, 581 „Silberdistel“. 69 BGH v. 13. 11. 2013, I ZR 143 / 12 „Geburtstagszug“. 398 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson für die Kunst empfänglichen und mit Kunstanschauungen einigermaßen vertrauten Kreise rechtfertigt, von einer ‚künstlerischen Leistung’ zu sprechen“. Insbesondere mit Blick auf die lange urheberrechtliche Schutzfrist von siebzig Jahren p. m. a. (s. u. § 71 V.), sei es allerdings generell geboten, „für den urheberrechtlichen Schutz eine nicht zu geringe Gestaltungshöhe zu fordern“. Mit der Aufgabe des Erfordernisses einer besonderen Gestaltungshöhe für die Gewährung von Urheberrechtsschutz im Bereich der angewandten Kunst in seiner Geburtstagszug-Entscheidung geht der BGH nunmehr zurecht und in Übereinstimmung mit den Anforderungen nach dem werkartübergreifenden europäischen Werkbegriff von einer grundsätzlich einheitlichen Schutzuntergrenze für sämtliche Werkarten aus. 70 Zu beachten ist schließlich, dass bei Gebrauchsgegenständen „nur solche Merkmale Urheberrechtsschutz als Werk der angewandten Kunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG begründen, die nicht allein technisch bedingt, sondern auch künstlerisch gestaltet sind“. Das heißt, ein Urheberrechtsschutz scheidet für eine Gestaltung aus, „wenn sie allein aus zwar frei wählbaren oder austauschbaren, aber technisch bedingten Merkmalen besteht und keine künstlerische Leistung erkennen lässt.“ 71 3. Baukunst Schließlich sind unter dem Sammelbegriff der bildenden Kunst-- wie im Gesetz ausdrücklich erwähnt-- vom Urheberrechtsschutz auch die Werke der Baukunst erfasst. Als solche kommen Bauten jeglicher Art in Betracht, sofern die erforderlichen urheberrechtlichen Schutzvoraussetzungen erfüllt sind (Wohnhäuser, Geschäftshäuser, Schulen, Museen, Kirchen, Verwaltungsgebäude etc.). 72 Nach der Rechtsprechung ist auch bei Bauwerken wie bei anderen Kunstwerken maßgeblich, „ob und inwieweit künstlerisches Schaffen Verwirklichung gefunden hat.“ Der Gebrauchszweck eines Bauwerks steht dem Kunstschutz nicht entgegen. Auch ist ein Überwiegen des ästhetischen Gehaltes über den Gebrauchszweck bei Bauwerken ebenso wenig erforderlich wie bei kunstgewerblichen Erzeugnissen. 73 Urheberrechtlich schutzfähig sind anerkanntermaßen auch einzelne Teile eines Bauwerkes, auch die Fassadengestaltung. 74 V. Lichtbildwerke Im Zusammenhang mit dem Schutz von Fotografien ist auf die Unterscheidung des Urheberrechtsgesetzes zwischen den „Lichtbildwerken“ (§ 2 Abs. 1 Nr. 5) und den „Lichtbildern“ (§ 72 UrhG) hinzuweisen. Während das Gesetz an Lichtbildwerken ein Urheberrecht gewährt, erkennt es den Lichtbildern lediglich ein sog. Leistungsschutzrecht im Rahmen der verwandten Schutzrechte zu (s. nachfolgend § 75 I.). Einen Schutz als Lichtbildwerke (i. S. v. 70 Leistner, Eu ZW 2016, 166 f. 71 BGH v. 12. 5. 2011, Az. I ZR 53 / 10 „Seilzirkus“. 72 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 174. 73 BGH GRUR 1957, 391, 392 „Ledigenheim“. 74 BGH GRUR 1973, 663, 664 „Wählamt“. 399 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson § 2 Abs. 1 Nr. 5) sollen nach dieser Unterscheidung nur solche Fotografien genießen, die die künstlerische Auffassung und Gestaltungskraft des Urhebers / Fotografen zum Ausdruck bringen, etwa durch Motiv, Licht, Perspektive, Ausdruck etc., und deshalb die Anforderungen an eine „persönlich-geistige Schöpfung“ erfüllen. Demgegenüber wurden zu den einfachen Lichtbildern (i. S. v. § 72 UrhG) alle nichtschöpferischen, insbesondere gewerbsmäßig-routinemäßig hergestellten Fotografien gezählt, die die urheberrechtlichen Werkvoraussetzungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) mangels hinreichender Individualität nicht erfüllen. Da auch auf den Schutz von Lichtbildern gemäß § 72 Abs. 1 UrhG die für Lichtbildwerke geltenden urheberrechtlichen Vorschriften entsprechend anwendbar sind (mit Ausnahme der Regelungen über die Schutzdauer, § 72 Abs. 3 UrhG) und zudem im Zuge der Umsetzung der sog. EG -Schutzdauer-Richtlinie 75 die materiellen Anforderungen an den Schutz von Lichtbildwerken abgesenkt wurden-- es genügt Individualität, eine besondere Gestaltungshöhe ist nicht mehr erforderlich (s. hierzu o. I. 3. c)-- hat die Unterscheidung zwischen sog. Lichtbildwerken und einfachen Lichtbildern in der Praxis stark an Bedeutung verloren. VI. Filmwerke Als weitere besondere Werkart sind Filmwerke, einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, vom Urheberrechtsschutz erfasst (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG). Ausdrucksmittel des Films ist das bewegte Bild, das durch die gestalterische Aneinanderreihung von Bildern und ggf. durch die Verschmelzung von Bild und Ton gegenüber dem einzelnen Bild erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten eröffnet. Nach dem Inhalt lassen sich vielfältige Arten unterscheiden: Spielfilme, Lehrfilme, Dokumentarfilme, Kulturfilme, Werbefilme, Zeichentrickfilme, Videofilme etc. 76 Vergleichbar der Unterscheidung zwischen Lichtbildwerk und Lichtbild bei der Fotografie (s. zuvor V.) unterscheidet das Gesetz im Bereich des Films zwischen dem urheberrechtlichen Schutz des Filmwerks (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG) und dem bloßen Leistungsschutz der „Laufbilder“ (§ 95 UrhG). Als Oberbegriff verwendet das Gesetz dabei den Begriff des „Films“ (vgl. Überschrift des „Dritten Teils“, vor §§ 88 UrhG). Für die Abgrenzung zwischen urheberrechtlichem Werkschutz und bloßem Leistungsschutz ist maßgeblich, dass ein Filmwerk-- anders als die „Laufbilder“-- das Vorliegen einer persönlich-geistigen Schöpfung, d. h. Werkqualität voraussetzt. So setzt die für die Annahme eines Filmwerks erforderliche persönliche geistige Schöpfung (§ 2 Abs. 2 UrhG) nach der Rechtsprechung voraus, dass sich der Film nicht in der bloß schematischen Aneinanderreihung von Lichtbildern erschöpft, sondern sich durch die Auswahl, Anordnung und Sammlung des Stoffes sowie durch die Art der Zusammenstellung der einzelnen Bildfolgen als das Ergebnis individuellen Schaffens darstellt. 77 Werkqualität zu verneinen ist danach in der Regel u. a. bei alltäglichen Aufnahmen von Amateuren, bei mit der Schmalfilm- oder Videokamera gedrehten Familien- und Urlaubsfilmen oder bei Tagesberichten für das Fernsehen, die sich 75 Richtlinie 93 / 98 / EWG zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte v. 29. 10. 1993. 76 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 98 f. Rdn. 299 f. 77 BGH GRUR 1953, 299, 301 f. „Lied der Wildbahn I“; BGH GRUR 1984, 730, 732 „Filmregisseur“. 400 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson ohne individuelle Prägung lediglich als gefilmte Ausschnitte eines tatsächlichen Geschehens darstellen. Insoweit kommt nur ein Leistungsschutz (§ 95 UrhG) in Betracht. 78 Durch die gesetzliche Regelung, nach der auch Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden, vom Schutz erfasst sind, ist klargestellt, dass es auf das Aufnahmeverfahren oder das Trägermaterial nicht ankommt, so dass auch Fernsehfilme und Live-Sendungen, bei denen keine vorherige körperliche Fixierung auf einem Filmband stattfindet, vom Schutz erfasst sind. 79 VII. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art Zu den im Gesetz genannten Werkarten gehören schließlich auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG). Aus den im Gesetz genannten Beispielen möglicher Darstellungen-- Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen-- ergibt sich, dass sowohl zweidimensionale als auch dreidimensionale Darstellungen vom Schutz erfasst sind. Als Flächendarstellungen kommen z. B. geografische, topografische und astronomische Karten, Konstruktionszeichnungen sowie grafische Darstellungen aus dem Bereich der Medizin, der Naturwissenschaft, der Technik und der Mathematik in Betracht. Beispiele für plastische Darstellungen (Raumform) sind Reliefkarten sowie Modelle von Bauten, Maschinen, technischen Anlagen etc. Ausdrucksmittel der insoweit geschützten Werke ist danach nicht die Sprache, sondern eine grafische Darstellung bzw. Raumform. Die Begriffe Wissenschaft und Technik sind dabei nach allgemeiner Auffassung weit auszulegen, d. h., es genügt, wenn die Darstellung geeignet ist, über wissenschaftliche oder technische Gegenstände im weiteren Sinne zu belehren bzw. zu unterrichten. 80 Urheberrechtlichen Schutz genießt bei Darstellungen technischer Art allein die Form der Darstellung, nicht dagegen der Inhalt, d. h. § 3 Abs. 1 Nr. 7 UrhG „gewährt Schutz allein gegen die Verwertung der Darstellung, nicht aber gegen die Verwertung des Dargestellten“. 81 Was den Schutzgegenstand angeht, wird also durch den urheberrechtlichen Schutz einer technischen Zeichnung (z. B. einer Maschine), der sich allein auf die Art und Weise der zeichnerischen Darstellung erstreckt, niemand gehindert, den Gegenstand der Darstellung (z. B. eine Maschine) nachzubauen, soweit dem Nachbau kein anderer Schutz (z. B. Patent- oder Gebrauchsmusterschutz) entgegensteht. 82 VIII. Wissenschaftliche Werke Wie erwähnt, erkennt das Urheberrecht Werke der Wissenschaft neben den Werken der Literatur und Kunst als selbständige Werkkategorie an (vgl. §§ 1, 2 Abs. 1 UrhG-- s. bereits o. § 2 I. 1.). Da sich die Wissenschaft weitgehend derselben Mitteilungsmedien bedient wie die Werke der Literatur und Kunst, kommt es allerdings zu Überschneidungen mit anderen 78 Hertin, Urheberrecht, S. 32 Rdn. 100. 79 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 209. 80 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 138; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 95 f. Rdn. 288 f. 81 BGH v. 13. 11. 2013, I ZR 143 / 12 „Geburtstagszug“. 82 Dreier / Schulze, § 2 Rdn. 223. 401 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson Werkkategorien. So sind z. B. wissenschaftliche Sprachwerke sowohl Werke der Literatur als auch solche der Wissenschaft; auch ein wissenschaftlicher Film kann sowohl der (Film-) Kunst als auch der Wissenschaft zugeordnet werden. Die Grenzen zwischen den einzelnen Werkkategorien lassen sich folglich nicht immer exakt festlegen. 83 Da wissenschaftliche Werke, was ihre Mitteilungsmittel angeht, gegenüber anderen urheberrechtlichen Werken danach keine Besonderheiten aufweisen, kann das für ihr Wesen bestimmende Element, das zur Ausprägung besonderer, für sie allein geltender Grundsätze geführt hat, folglich nur in ihrem Gegenstand, ihrem wissenschaftlichen Gehalt zu erblicken sein. 84 Seiner sprachlichen Bedeutung nach ist Wissenschaft Wissen hervorbringende forschende Tätigkeit in einem bestimmten Erkenntnisbereich. 85 Wissenschaft hat danach immer mit einem Erkennen, mit einem Erfassen objektiver Wahrheit zu tun und kann als Gefüge von logisch geordneten, gesicherten Erkenntnissen (objektiven Sätzen) über einen bestimmten Gegenstand verstanden werden. Das Werk der Wissenschaft, das wissenschaftliche Buch, die wissenschaftliche Graphik, der wissenschaftliche Film etc., beschäftigt sich folglich mit Erkenntnissen über einen bestimmten (Wissens-)Gegenstand und mit deren systematischer Darstellung. 86 Bestimmend für das Wesen des wissenschaftlichen Werkes ist die in Sprache, Symbolen oder Bildern objektivierte Mitteilung wissenschaftlicher Erkenntnisse. 87 Den Besonderheiten des wissenschaftlichen Werkes ist auch bei der Bestimmung seines Schutzgegenstandes Rechnung zu tragen (hierzu s. u. § 71 III . 3. b.). IX. Umarbeitungen, Veränderungen eines Werkes 1. Bearbeitungen Eine schöpferische Werkleistung kann sich nicht nur in einem Originalwerk, sondern auch in der Bearbeitung eines bereits vorhandenen Werkes niederschlagen. Daher werden auch Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönlich geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt (§ 3 S. 1 UrhG). Dabei ist unter einer Bearbeitung die Umgestaltung eines vorhanden Werkes zu verstehen, die den Zweck verfolgt, das Originalwerk unter Beibehaltung seiner wesentlichen individuellen Züge bestimmten Verhältnissen anzupassen, um so seine Verwertungsmöglichkeiten zu erweitern. Eine nur unwesentliche Veränderung der Vorlage ist allerdings lediglich als Vervielfältigung (§ 16 UrhG) zu qualifizieren, d. h. eine Bearbeitung oder andere Umgestaltung i. S. v. § 23 Abs. 1 UrhG setzt eine wesentliche Veränderung der benutzten Vorlage voraus. 88 Beispiele sind die Übersetzung eines Sprachwerks in eine andere Sprache, die Dramatisierung einer Romanvorlage oder die Neubearbeitung eines wissen- 83 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 2. 84 Troller, FS f. Roeber II , S. 413, 416; ders., Immaterialgüterrecht, Bd. I., S. 354 f. 85 Duden, Band 10, Das Bedeutungswörterbuch, S. 1055. 86 Trüeb, Schw. Mitt. 1958 / 59, 58, 62. 87 Troller, CR 1987, 213, 216. 88 BGH v. 16. 5. 2013, Az. I ZR 28 / 12 „Beuys-Aktion“. 402 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson schaftlichen Werkes. 89 Der Schutz der Bearbeitung ist unabhängig von einem bestehenden Urheberrechtsschutz des bearbeiteten Werks, d. h. der Gegenstand der Bearbeitung kann auch ein bereits gemeinfreies Werk (hierzu s. u. § 71 III . 2.) oder ein, als amtliches Werk vom Schutz ausgeschlossenes Werk (vgl. § 5 UrhG) sein. 90 Jedoch handelt es sich nicht bei jeder möglichen Veränderung bzw. Umarbeitung eines Werks um eine Bearbeitung (i. S. v. § 3 S. 1 UrhG). So handelt es sich bei einer Abbildung, „die ein Werk zwar verkleinert darstellt, aber in seinen wesentlichen Zügen genauso gut erkennen lässt wie das Original um keine Umgestaltung i. S. v. § 23 UrhG“. 91 Außerdem ist die Grenze der Entstellung, § 14 UrhG, zu beachten. 2. Systematik urheberrechtlich relevanter Umarbeitungen Die Systematik der aus urheberrechtlicher Sicht zu unterscheidenden Formen von Umarbeitungen eines Werkes erschließt sich aus einer Zusammenschau verschiedener Normen (§ 3 i. V. m. §§ 23, 24 UrhG). Danach ist zu unterscheiden zwischen der Umgestaltung, die im Gesetz als Obergriff der Bearbeitung verstanden wird (vgl. § 23: „Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen…“) und der Neugestaltung, die in freier Benutzung eines anderen Werkes geschaffen wird (§ 24 UrhG). Von der Bearbeitung als einer möglichen Form der Umgestaltung eines Werkes zu unterscheiden sind danach also die „anderen Umgestaltungen“, die-- anders als die Bearbeitung-- nicht dazu bestimmt sind, dem Werk zu dienen und es einem anderen Zweck anzupassen. 92 Eine andere Umgestaltung liegt nach der Gesetzesbegründung vielmehr vor, wenn ein Nachschöpfer zwar wesentliche Züge des Originalwerks übernimmt, wenn er jedoch „nicht das Originalwerk zur Geltung bringen, sondern das Ergebnis seiner Arbeit als eigenes Werk ausgeben will (Plagiat) oder bei dem Versuch, das fremde Werk zu einer neuen selbständigen Schöpfung frei zu benutzen, scheitert, weil er sich von seinem Vorbild nicht genügend freimachen kann“. 93 Bei der anderen Umgestaltung kann es sich um eine persönlich-geistige Schöpfung handeln (z. B. bei einer unbewussten Entlehnung), möglich ist aber auch, dass es sich lediglich um eine nicht-schöpferische Umgestaltung handelt (z. B. bei der Vornahme von Streichungen und Kürzungen eines Werkes). Sowohl im Fall der Bearbeitung als auch- - sofern es sich um eine persönlich-geistige Schöpfung handelt- - im Falle der anderen Umgestaltung entsteht in der Person des Schaffenden ein eigenes „Bearbeiterurheberrecht“ (§ 3 S. 1 UrhG). Im Falle von Musikwerken ist zu beachten, dass die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten (gemeinfreien) Werkes der Musik nicht als selbständiges Werk geschützt ist (§ 3 S. 2 UrhG). Hintergrund ist, dass die Pflege der Volksmusik, nicht durch die Anerkennung einer „kleinen Münze“ bei der Bearbeitung gemeinfreier Volkmusik behindert werden soll. 94 Das Bearbeiterurheberrecht ist jedoch 89 BT -Drucks. IV / 270, Amtl. Begr., S. 51; ferner Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 265 f. 90 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 102 Rdn. 314. 91 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08 „Vorschaubilder“. 92 Zur Abgrenzung von Bearbeitung und „anderer Umgestaltung“ in diesem Sinne vgl. Schricker / Loewenheim, § 23 Rdn. 3 ff., 12. 93 BT -Drucks. IV / 270, S. 51. 94 Schricker / Loewenheim, § 3 Rdn. 28; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 104 Rdn. 321. 403 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson vom Urheberrecht des Originals abhängig (§ 23 UrhG), sofern dieses (noch) geschützt ist. Abhängig bedeutet, dass der Urheber der Bearbeitung diese nur mit Zustimmung des Rechteinhabers des Ausgangswerkes veröffentlichen oder verwerten darf (§ 23 S. 1 UrhG). In einigen Ausnahmefällen (u. a. Verfilmung eines Werkes, Ausführung von Plänen und Entwürfen eines Werkes der bildenden Künste, Nachbau eines Werkes der Baukunst) ist bereits die Herstellung der Bearbeitung von der Einwilligung des Urhebers abhängig (§ 23 S. 2 UrhG), weil sich in den fraglichen Fällen bereits mit der Herstellung der Bearbeitung die Absicht der gewerblichen Verwertung stärker manifestiert. 95 Im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetzes wurde § 23 UrhG um die Klarstellung ergänzt, dass technisch bedingte Änderungen eines Werks im Rahmen des Text und Data Mining (§ 60d Abs. 1 UrhG) und formatumwandelnde Änderungen bei der Langzeitarchivierung (§§ 60e, 60 f UrhG) nicht als abhängige Bearbeitungen i. S. v. § 23 S. 1 und 2 UrhG anzusehen sind (§ 23 S. 3 UrhG). 96 3. Neugestaltung, freie Benutzung Von den Formen der abhängigen Umgestaltung ist, wie bereits erwähnt, die in freier Benutzung eines anderen Werkes geschaffene Neugestaltung zu unterscheiden. Eine freie Benutzung liegt vor, wenn sie sich von der Vorlage so weit gelöst hat, dass sie als vollständige Neuschöpfung anzusehen ist, die vom Urheberrecht am Originalwerk unabhängig ist (§ 24 UrhG). 97 Dies ist der Fall, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werks die entlehnten eigenpersönlichen, charakteristischen Züge der geschützten Vorlage „verblassen“. 98 Maßgeblich für die Unterscheidung von abhängiger Nachschöpfung (i. S. v. § 23 UrhG) und freier Benutzung (i. S. v. § 24 UrhG) ist danach der „Abstand“ vom benutzten Original 99 oder dessen antithematische Behandlung (Satire). 100 Für die Beurteilung des Abstandes der sich gegenüberstehenden Werke (benutztes Original und neues Werk) kommt es auf die Übereinstimmung im Bereich der objektiven Merkmale an, durch die die schöpferische Eigentümlichkeit des Originals bestimmt wird, weshalb durch Vergleich zu ermitteln ist, ob und ggf. in welchem Umfang diese übernommen wurden. 101 95 Sinngemäß BT -Drucks. IV / 270, S. 51; Schulze / Dreier, § 23 Rdn. 19. 96 Vgl. BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 31. 97 BT -Drucks. IV / 270, S. 51. 98 st. Rspr. BGH -- vgl. u. a. BGH GRUR 1981, 267, 269 „Dirlada“; BGH GRUR 1982, 37, 39 „ WK -Dokumentation“; BGH v. 16. 5. 2013, Az. I ZR 28 / 12 „Beuys-Aktion“. 99 v. Gamm, Urheberrechtsgesetz, § 24 Rdn. 2. 100 BGH GRUR 2003, 959 „Gies-Adler“. 101 BGH v. 17. 7. 2013, Az. I ZR 52 / 12 „Pippi-Langstrumpf-Kostüm“; zur Abgrenzung abhängige Bearbeitung / freie Benutzung bei Zusammenfassungen / Rezensionen von Schriftwerken s. BGH v. 1. 12. 2010, Az. I ZR 12 / 08 „Perlentaucher“. 404 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Umarbeitungen / Veränderungen eines Werks (§§ 3 i. V. m. 23, 24 UrhG) Umgestaltungen (Oberbegriff vgl. § 23 S. 1 UrhG) Neugestaltungen („freie Benutzung“ - § 24 UrhG) „andere Umgestaltungen“ Bearbeitungen Keine Anpassung des Originalwerks an anderen Zweck, d. h. - anders als Bearbeitung - keine „dienende“ Funktion Dem Originalwerk durch eine Erweiterung seiner Verwertungsmöglichkeiten „dienend“ (z. B. Übersetzung, Neubearbeitung) Die eigenpersönlichen Züge der Vorlage „verblassen“ (Prüfungsmaßstab: „Abstand“ vom benutzten Original, Übernahme objektiver Merkmale) Keine persönlich geistige Schöpfung (z. B. bloße Kürzungen, Streichungen) Persönlich geistige Schöpfung (z. B. bei einer unbewussten Entlehnung) Persönlich geistige Schöpfung in Bezug auf (Werk-)„Zutaten“ („Werk zweiter Hand“) Persönlich geistige Schöpfung (eigenständiges Werk) (z. B. Collage aus Fotografien) Kein Urheberrechtsschutz Vom Urheberschutz am Original abhängiges Bearbeiterurheberrecht (§§ 3 S. 1, 23 UrhG) Vom Urheberschutz der benutzten Originalvorlage unabhängiges Urheberrecht (§ 24 UrhG) Innerhalb des Schutzumfangs des Originals Außerhalb des Schutzumfangs des Originals Abb. 6: Umarbeitungen / Veränderungen eines Werks X. Sammelwerke, Datenbankwerke Als weitere bedeutende Werkkategorie sind „Sammelwerke und Datenbankwerke“ (vgl. § 4 UrhG) vom Urheberrechtsschutz erfasst. Bei dem im Zeitalter der elektronischen Medien im Vordergrund des Interesses stehenden Datenbankwerk handelt es sich um eine spezielle Form eines Sammelwerks. Der Begriff des „Sammelwerks“ ist mithin-- was in der amtlichen Überschrift von § 4 UrhG nicht zum Ausdruck kommt-- der Oberbegriff, der insbesondere auch die Datenbankwerke als wirtschaftlich zunehmend bedeutsame Sammelwerke einschließt. 1. Sammelwerke a) Begriff Sammelwerke sind nach der Legaldefinition definiert als „Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönlich-geistige Schöpfung sind“; sie werden „unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts, wie selbständige Werke geschützt“ (§ 4 Abs. 1 UrhG). Ähnlich wie bei der Bearbeitung 405 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson entsteht auch beim Sammelwerk ein eigenständiges Urheberrecht, das kein Originalwerk zum Gegenstand hat. Während jedoch das Bearbeiterurheberrecht, wie gesehen, durch eine persönlich-schöpferische Umgestaltung eines Originalwerks entsteht, liegt beim Sammelwerk der schöpferische Beitrag nicht in der Veränderung eines Originalwerks, sondern in der-- aufgrund Auswahl und Anordnung-- schöpferischen Sammlung von „unabhängigen Elementen“. Wie sich aus der Legaldefinition ergibt („… unbeschadet eines an den einzelnen Elementen gegebenenfalls bestehenden Urheberrechts oder verwandten Schutzrechts- …“), können die einzelnen Elemente des Sammelwerks urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich geschützt sein, sie müssen es jedoch nicht. b) Beispiele Um ein aus urheberrechtlich geschützten Elementen bestehendes Sammelwerk handelt es sich z. B. bei einer wissenschaftlichen Festschrift oder einem Bildband mit Abbildungen repräsentativer bildender Kunst des 20. Jahrhunderts. Ein aus leistungsschutzrechtlich geschützten Elementen bestehendes Sammelwerk liegt im Hinblick auf die Rechte der ausübenden Künstler (§§ 73 ff. UrhG) z. B. bei einer Sammlung von Darbietungen klassischer Musik vor. Als Beispiel für ein aus nicht geschützten Elementen bestehendes Sammelwerk lässt sich eine Sammlung gemeinfreier Volkslieder anführen. Weitere Beispiele für Sammelwerke sind: Lexika, Enzyklopädien, Anthologien, Dokumentationen, Konversationslexika, Wörterbücher, Zeitungen, Zeitschriften. 102 c) Schutzvoraussetzungen Ein Sammelwerk ist jedoch nur dann urheberrechtlich geschützt, wenn tatsächlich „aufgrund der Auswahl und Anordnung der Elemente eine persönlich-geistige Schöpfung“ vorliegt. Voraussetzung ist danach, dass in der Auswahl, Einteilung und Anordnung des Materials eine hinreichende individuelle, eigenschöpferische Formgebung zum Ausdruck kommt. Die rein handwerksmäßige, mechanisch-technische Aneinanderreihung, die schematische Anordnung von Material liegt mangels hinreichender Gestaltungshöhe außerhalb jeder Schutzfähigkeit als Sammelwerk. An der Eigentümlichkeit einer Sammlung kann es daher insbesondere dann fehlen, wenn praktisch kein individueller Gestaltungsspielraum verbleibt, das heißt, wenn die Auswahl und Anordnung des dargebotenen Stoffes durch zwingende Kriterien- - z. B. eindeutige praktische Bedürfnisse- - weitgehend vorgezeichnet ist. 103 Bei Adress-, Fernsprechbüchern, Branchenverzeichnissen etc. scheidet ein urheberrechtlicher Schutz als Sammelwerk mangels hinreichendem Gestaltungsspielraum daher regelmäßig aus, in Betracht kommt insoweit jedoch ein Leistungsschutzrecht des Datenbankherstellers (§ 87a UrhG). 104 102 Schricker / Leistner, § 4 Rdn. 27. 103 BGH GRUR 1987, 704, 706 „Warenzeichenlexika“; ferner BGH GRUR 1990, 669, 673 „Bibelreproduktion“. 104 Hertin, Urheberrecht, S. 35 Rdn. 108. 406 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson 2. Datenbankwerke a) Hintergrund Bis 1997 kam für (elektronische) Datenbanken lediglich ein immaterialgüterrechtlicher Schutz als Sammelwerk nach § 4 UrhG in Betracht. Voraussetzung war nach dem zuvor Gesagten also, dass die Auswahl und Anordnung der Datenbankinhalte über das durchschnittliche Maß einer Datenbank hinausging (Gestaltungshöhe) und, dass sich die Anordnung nicht bereits aus der Sache ergab, sondern individuell oder originell war. Diesen strengen Anforderungen genügten nicht alle Datenbanken, so dass die z. T. erheblichen Investitionen in Datenbanken rechtlich nur unzureichend geschützt waren. Es ist kein Zufall, dass der Schutz von Datenbanken gerade in dem durch die weltweite Vernetzung von Rechnern gekennzeichneten Zeitalter des Internets in den Blickpunkt des Interesses geraten ist. Die damit eröffnete weltweite Online-Zugriffsmöglichkeit auf räumlich weit entfernte Datenbanken hat den Ruf nach einem besseren rechtlichen Schutz der in der Entwicklung von Datenbanken steckenden geistigen Leistungen und der erheblichen Investitionen der Datenbankhersteller verstärkt. Um die Investitionen in Datenbanken als für die Wirtschaft und den Wettbewerb wichtige Informationsquellen zu fördern und zu schützen, wurde daher 1996 eine EG -Richtlinie über den rechtlichen Schutz der Datenbanken erlassen. 105 b) Zweispuriges Schutzkonzept für Datenbanken Nach Umsetzung in deutsches Recht ist für den auf der Grundlage der Datenbankrichtlinie bestehenden Schutz von Datenbanken- - ähnlich wie bei Fotografien- - ein zweispuriges Schutzkonzept kennzeichnend. 106 Datenbanken können danach einen verstärkten urheberrechtlichen Schutz als sog. Datenbankwerke genießen (§ 4 Abs. 2 UrhG), daneben ist ein Leistungsschutzrecht für den Hersteller der Datenbank getreten (§§ 87 a- - 87 e UrhG). Eine Datenbank kann danach als sog. Datenbankwerk urheberrechtlichen Schutz genießen, wenn es sich bei dieser um ein „Sammelwerk“ handelt, „dessen Elemente systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind“ (§ 4 Abs. 2 UrhG). Da es sich bei dem Datenbankwerk um ein Sammelwerk handeln muss, ist Voraussetzung, dass sie „aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönlich-geistige Schöpfung“ darstellt. Dies ist der Fall, „wenn ihr Urheber über die Auswahl oder Anordnung der in ihr enthaltenen Daten seine schöpferischen Fähigkeiten in eigenständiger Weise zum Ausdruck bringt, indem er freie und kreative Entscheidungen trifft; “ dagegen scheidet ein urheberrechtlicher Werkschutz mangels Originalität aus, „wenn die Erstellung der Datenbank durch technische Erwägungen, Regeln oder Zwänge bestimmt wird, die für künstlerische Freiheit keinen Raum lassen.“ 107 Leistungsschutz als sog. Datenbank genießt hingegen jede „Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und deren Beschaffung, Überprüfung oder 105 Richtlinie 96 / 9 / EG über den rechtlichen Schutz von Datenbanken v. 11. 3. 1996. 106 Vgl. Berger, GRUR 1997, 169 ff. 107 Eu GH v. 1. 3. 2012, Rs. C- 604 / 10 „Football Dataco“. 407 § 69 Die Werkarten im Einzelnen Pierson Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert“ (§ 87a Abs. 1 S. 1 UrhG). Im Gegensatz zum Schutz als sog. Datenbankwerk, der-- wie der Schutz aller urheberrechtlichen Werke-- das Vorliegen einer persönlich-geistigen Schöpfung, also einer über das Alltägliche, Durchschnittliche hinausgehenden individuellen Leistung erfordert, setzt der Leistungsschutz (§§ 87 a ff. UrhG) unabhängig vom Niveau der Leistung also lediglich das Vorliegen einer wesentlichen Investition an Zeit, Geld oder Arbeit voraus (hierzu § 75 IV .). c) Schutzgegenstand Schutzgegenstand des Urheberrechts am Datenbankwerk ist die Struktur der Datenbank, hinsichtlich der Auslese und Anordnung des Stoffs, die das Sammelwerk als eine persönliche geistige Schöpfung ausweisen, nicht der Inhalt der Datenbank. 108 Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechts an der Datenbank sind auch nicht die einzelnen aufgenommenen Informationen in Form von Werken, Daten und anderen Elementen, sondern die Datenbank als Gesamtheit des unter wesentlichem Investitionsaufwand gesammelten, geordneten und einzeln zugänglich gemachten Inhalts als immaterielles Gut. 109 Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen und des unterschiedlichen Schutzgegenstandes ist es möglich, dass eine Datenbank sowohl urheberrechtlichen Schutz als Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG) als auch Leistungsschutz (§§ 87a ff. UrhG) genießt. 110 Die Aufnahme von urheberrechtlich geschützten Inhalten, z. B. Texten, Musikstücken oder sonstigen Werken in ein Datenbankwerk lässt deren Schutz unberührt und stellt eine zustimmungsbedürftige Vervielfältigung oder je nach Nutzung der Datenbank auch eine unzulässige Verbreitung oder Veröffentlichung dar. XI. Exkurs: Urheberrechtlicher Schutz spezieller Schutzobjekte 1. Urheberrechtlicher Schutz einer Website a) Ausgangspunkt Was die urheberrechtliche Beurteilung von typischerweise im Internet dargebotenen Inhalten-- dem sog. Content-- angeht, gilt ähnliches wie bei der urheberrechtlichen Beurteilung von „Material“ außerhalb des Internets. Zunächst stellt sich die Frage, in welche Kategorie der urheberrechtlich geschützten Werke der fragliche Content fallen könnte und, ob die Schutzvoraussetzungen des Urheberrechts- - insbesondere mit Blick auf die erforderliche Individualität und Gestaltungshöhe-- erfüllt sind. Das heißt, auch im Internet gilt, dass nicht jeder beliebige, alltägliche Inhalt-- sei es der kurze Text einer Produktbeschreibung auf einer Website, der einfache Mitteilungstext einer E-Mail oder eines Newsgroup-Beitrages-- Schutz genießt. Erforderlich ist vielmehr, dass sich dieser durch einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad auszeichnet, d. h. die für die Zuerkennung urheberrechtlichen Schutzes erforderliche Individualität aufweist. 108 BGH v. 27. 3. 2013, Az. I ZR 9 / 12 „ SUMO “. 109 Schricker / Leistner, § 4 Rdn. 59; Schricker / Vogel, Vor §§ 87a ff. Rdn. 29, § 87a Rdn. 32. 110 Schricker / Loewenheim, § 4 Rdn. 32; BGH v. 24. 5. 2007, Az. I ZR 130 / 04 „Gedichttitelliste I“. 408 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson b) Mögliche Schutzobjekte einer Website Die Frage, welchen Schutz eine Website als solche bzw. deren Inhalte genießen, lässt sich nach dem zuvor Gesagten also nicht allgemein feststellen, sondern nur für den konkreten Einzelfall beurteilen. So werden sich möglicherweise bei einem ganz einfachen „Allerweltsauftritt“, der nur aus einer oder wenigen Seiten besteht und dessen „Content“ sich-- ohne Ergänzung durch individuelle Gestaltungselemente-- lediglich auf die textliche Präsentation sachlicher Angaben zum Seitenbetreiber und seinem Angebot beschränkt, überhaupt keine Ansatzpunkte für eine Schutzfähigkeit ergeben. Dieser Fall wird jedoch eher die Ausnahme sein. Auch wenn es nicht „die typische Website“ gibt, so sind doch die meisten Betreiber darum bemüht, die Attraktivität „ihres Auftritts“ sowohl durch eine unverwechselbare, individuelle Gestaltung als auch durch möglichst „einzigartigen“ Content sicherzustellen. In vielen Fällen bieten sich daher hinreichende Ansatzpunkte für einen Schutz des Content einer Website unter urheberrechtlichem und / oder leistungsschutzrechtlichem Blickwinkel. Als Schutzobjekte kommen dabei primär in Betracht: ▶ Texte, die Sprachwerkschutz genießen (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG-- z. B. umfangreiches individuell gestaltetes Marketing- oder Informationsmaterial); ▶ Musik (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 85 UrhG); ▶ Fotografien (§§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 72 UrhG); ▶ Filme, Videos (§§ 2 Abs. 1 Nr. 6, 94, 95 UrhG); ▶ Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Tabellen etc. (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG); ▶ Computerprogramme (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a ff. UrhG); ▶ Multimediawerke (Verschmelzung verschiedener Gestaltungselemente- - der Schutz bestimmt sich dabei nach den Maßstäben aller in Betracht kommender Werkarten); ▶ Datenbanken (§§ 4 Abs. 2, 87a ff. UrhG). Hierbei ist es, je nach Gestaltung des konkreten Internet-Angebots, möglich, dass das Informationsangebot als ganzes urheberrechtlichen Schutz genießt (z. B. als Schriftwerk), möglich ist es aber auch, dass nur einzelne Bestandteile (z. B. Fotos, Filmausschnitte, Tonfolgen, Grafiken o. ä.) eines im Übrigen nicht urheberrechtlich geschützten Angebots urheberrechtlichen Schutz genießen. 111 2. Urheberrechtlicher Schutz von Multimediawerken Typisch für die erweiterten Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten im Zeitalter der digitalen Medien sind sog. Multimediawerke. 111 Vgl. im Einzelnen Bechtold, ZUM 1997, 427, 428 ff.; Schöttle in Auer-Reinsdorff / Conrad, § 25 Rdn. 9 ff.; Schricker/ Loewenheim, § 2 Rdn. 138, 203, 246. 409 § 70 Urheberschaft am Werk Pierson a) Wesen, Begriff Hierbei handelt es sich um Werke, die aus einer Integration und Kombination vielfältiger herkömmlicher Werkarten bzw. Gestaltungselemente (Sprache, Text, Musik, Fotografien, Bildfolgen, Film) bestehen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass alle Bestandteile im gleichen digitalen Dateiformat festgelegt sind (bzw. zumindest unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche nutzbar sind), häufig ergänzt durch Funktionen zur interaktiven Nutzung (z. B. Computerspiele, Website-Gestaltungen). Als Medien zur Speicherung und Verbreitung sog. Multimediawerke kommen zum einen Trägermedien in Betracht, auf denen multimediale Werke körperlich fixiert und verbreitet werden (sog. offline-Medien, wie CD , CD - ROM , DVD , MD etc.), zum anderen insbesondere das Internet, über das die fraglichen Werke online zum Abruf bereitgestellt werden können. So gesehen ist der Begriff „Multimediawerke“ irreführend und missglückt, denn kennzeichnend für diese Werke ist nicht eine Vielzahl von „Medien“ (i. S. v. „Mitteln“ zur Informationsvermittlung), sondern im Wesentlichen stehen nur die beiden zuvor genannten Wege der Werkvermittlung (offline / online) zur Verfügung. Kennzeichnend für diese Form „digitaler Gesamt(kunst)werke“ ist vielmehr die durch die Digitaltechnik eröffnete Möglichkeit, Werke ausnahmslos aller Werkgattungen, für deren Vermittlung früher völlig unterschiedliche Medien (Buch, Schallplatte, Tonband, Zelluloid, Fotopapier etc.) erforderlich waren, auf ein und demselben Träger zu fixieren und verbunden zu einem „Gesamtkunstwerk“ zu vermitteln. 112 b) Einordnung Da der Katalog der geschützten Werkarten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1-7 UrhG), wie erörtert, nur exemplarisch, d. h. nicht abschließend ist, sondern für weitere neuartige Werkarten offen steht, hängt die Urheberrechtsschutzfähigkeit neuer Werkformen nicht von der klaren Zuordnung zu einer der ausdrücklich im gesetzlichen Katalog definierten Werkarten ab. Die Besonderheiten der für die digitalen Medien typischen sog. multimedialen Werke stehen ihrer Erfassung durch den traditionellen urheberrechtlichen Werkbegriff daher nicht entgegen. 113 Vielmehr können die in einem Multimediawerk enthaltenen einzelnen Werke oder, wenn in der Anordnung, Abfolge oder Zusammenstellung der Einzelelemente selbst eine persönlich-geistige Schöpfung liegt, auch das Multimediawerk als solches Urheberrechtsschutz genießen. 114 § 70 Urheberschaft am Werk I. Urheber Nach dem Gesetz ist Urheber der Schöpfer des Werks (§ 7 UrhG). Die Regelung ist Ausdruck des Schöpferprinzips, nach dem die Rechte, die das Urheberrecht dem Urheber zuweist, in der Person desjenigen entstehen, der das Werk- - die persönlich-geistige Schöpfung- - erschaffen hat. Als Schöpfer kommen daher nach deutschem Urheberrecht nur natürliche Per- 112 Näheres vgl. Gahrau in Hoeren / Sieber, Handbuch Multimedia Recht, Kap. 7.1 Rdn. 1 f. 113 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 94 ff. 114 Wandtke / Bullinger, UrhR, § 2 Rdn. 152. 410 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson sonen in Betracht, da nur diese schöpferisch tätig werden können. Demgegenüber scheidet eine Urheberschaft juristischer Personen sowie von Personengesellschaften aus. 115 Deren urheberrechtliche Nutzungsrechte ergeben sich daher stets aus einem Vertragsverhältnis mit dem Urheber, sei es, dass dieser solche Nutzungsrechte tatsächlich im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, aufgrund eines Werkvertrages mit lizenzrechtlichen Elementen, eines Auftrages oder eines sonstigen Vertrages einräumt, sei es, dass diese Rechtseinräumung (wie bei von ihm im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses geschaffenen Computerprogrammen, s. § 69b UrhG) mangels anderweitiger Abrede fingiert wird. Juristische Personen und Personengesellschaften können jedoch Inhaber von Leistungsschutzrechten sein (vgl. z. B. §§ 85, 87b UrhG).-- Der Urheber erwirbt das Urheberrecht originär durch den Schöpfungsakt. Das heißt-- anders als im Bereich der gewerblichen Schutzrechte, deren Entstehung regelmäßig einen staatlichen Verleihungsakt voraussetzt-- handelt es sich um einen originären Rechtserwerb, der unmittelbar an den Realakt der Schöpfung anknüpft (vgl. bereits o. § 68 II . 1.). Ein auf den Rechtserwerb gerichteter (rechtsgeschäftlicher) Wille des Urhebers ist nicht erforderlich, so dass auch Minderjährige und Geisteskranke ohne weiteres als Schöpfer und Urheber in Betracht kommen. 116 II. Miturheberschaft 1. Begriff, Abgrenzung Sammelwerk Häufig werden urheberrechtliche Werke nicht nur von einem einzelnen Schöpfer geschaffen, sondern sind- - wie z. B. oft bei wissenschaftlichen Werken, Computerprogrammen, Bauwerken-- das Ergebnis gemeinsamer schöpferischer Tätigkeit. Nach dem Gesetz gilt für diesen Fall, dass mehrere ein Werk gemeinsam geschaffen haben, ohne dass sich ihre Anteile gesondert verwerten lassen, dass sie Miturheber des Werkes sind (§ 8 Abs. 1 UrhG). Wie der BGH festgestellt hat, setzt die Annahme einer Miturheberschaft danach rechtlich ein gemeinsames Schaffen der Beteiligten voraus, bei dem jeder einen schöpferischen Beitrag leistet, der in das gemeinsame Werk einfließt. Erforderlich ist dabei, dass jeder seinen schöpferischen Beitrag in Unterordnung unter die gemeinsame Gesamtidee erbringt und dadurch ein einheitliches Werk entsteht, dessen Teile sich nicht gesondert verwerten lassen. 117 Kennzeichnend für die Miturheberschaft ist also, dass nur ein Werk vorliegt, dessen von unterschiedlichen Schöpfern erbrachte Teile sich nicht einzeln verwerten lassen. Hierdurch unterscheidet sich das von mehreren Miturhebern geschaffene „Gruppenwerk“, das als solches nicht gesetzlich geregelt ist, vom Sammelwerk (s. o. § 69 X. I.). Als Beispiel für die Miturheberschaft lässt sich ein von mehreren Autoren verfasstes, auf einem einheitlichen, gemeinsam entwickelten fachlichen und didaktischen Konzept erstelltes Studienbuch nennen, dessen einzelne Kapitel dergestalt aufeinander aufbauen und miteinander verzahnt sind, dass eine gesonderte Verwertung aus- 115 Schricker / Loewenheim / Peifer, § 7 Rdn. 2. 116 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 112 Rdn. 348 f. 117 BGH GRUR 1994, 39, 40 „Buchhaltungsprogamm“; BGH GRUR 2003, 231, 234 „Staatsbibliothek“; ferner BGH v. 26. 2. 2009, Az. I ZR 142 / 06 „Kranhäuser“. 411 § 70 Urheberschaft am Werk Pierson scheidet. Demgegenüber lassen sich die Einzelteile eines Sammelwerks- - z. B. die Aufsätze einer wissenschaftlichen Festschrift-- gesondert (z. B. in Fachzeitschriften) verwerten. Anders als beim Studienbuch sind die Autoren der Festschrift folglich keine Miturheber der Festschrift, sondern jeweils nur Urheber ihres Beitrages. 2. Schöpferischer Beitrag, Gesamthandgemeinschaft Was den von den einzelnen Miturhebern beizusteuernden schöpferischen Beitrag angeht, ist zu vergegenwärtigen, dass Miturheber nur derjenige ist, der das Werk als persönliche geistige Schöpfung mitgeschaffen hat. Das heißt bloße Ideen, die noch nicht Gestalt angenommen haben, oder bloße Anregungen zu einem Werk genügen für die Annahme von Miturheberschaft nicht. 118 Anders natürlich, wenn der „Ideenlieferant“ als Vorlage-- z. B. für einen Film-- eine Vorlage liefert, die ihrerseits bereits Schutz genießt. Anerkannt ist ferner der Rechtsgrundsatz, dass nicht (Mit-)Urheber ist, wer nur als Gehilfe bei der Entstehung des Werks mitgewirkt hat, ohne einen eigenen schöpferischen Beitrag zu leisten 119 (z. B. als technischer Zeichner bei einem Bauwerk, der nur eine Reinzeichnung nach Vorlage erstellt; Drucker, der eine Graphik nach Druckvorlage druckt; Metallgießer, der eine Plastik nach einer Form des Künstlers gießt etc.). Das durch die gemeinsame Werkschöpfung begründete einheitliche Recht steht den Miturhebern zur gesamten Hand zu (§ 8 Abs. 2 S. 1 UrhG). Für Rechtsverhältnisse innerhalb der Gesamthandsgemeinschaft, die sich nach dem Wortlaut des Gesetzes nur auf das Recht zur Veröffentlichung und Verwertung- - d. h. nicht auf die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse-- bezieht, gelten ergänzend die Vorschriften über die BGB -Gesellschaft (§§ 705 ff. BGB ), soweit sie interessengerecht sind und keine urheberrechtliche Sonderbestimmung existiert. 120 Die Erträgnisse aus der Nutzung des Werkes gebühren den Miturhebern nach dem Umfang ihrer Mitwirkung an der Schöpfung des Werkes, wenn nichts anderes vereinbart ist (§ 8 Abs. 3 UrhG). III. Urheber verbundener Werke Von der Miturheberschaft abzugrenzen ist schließlich der Fall der Werkverbindung, bei dem mehrere Urheber ihre Werke zur gemeinsamen Verwertung miteinander verbunden haben (§ 9 UrhG). Wichtigstes Beispiel ist die Verbindung von Text und Musik (z. B. Oper, Operette etc.). Bei der Werkverbindung entsteht- - anders als bei der Miturheberschaft- - kein Miturheberrecht. Kennzeichnend ist die selbständige Verwertbarkeit der verbundenen Werke, an denen jeder Urheber sein jeweiliges Recht behält. Vom Sammelwerk unterscheidet sich die Werkverbindung dadurch, dass die Verbindung der einzelnen Werke als solche keine persönlich-geistige Schöpfung darstellt und daher kein eigenständiges Urheberrecht begründet. 118 BGH GRUR 1995, 47, 48 „Rosaroter Elefant“. 119 BGH GRUR 2003, 231, 233 „Staatsbibliothek“. 120 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 116 Rdn. 364. 412 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Urheberschaft am Werk Urheberschaft (§ 7 UrhG) ▶ Schöpferprinzip. ▶ Urheber kann nur natürliche Person sein (nicht jur. Person od. Personengesellschaft). ▶ originärer Rechtserwerb durch Realakt. Miturheberschaft (§ 8 UrhG) ▶ Gemeinsame Werkschöpfung („Gruppenwerk“). ▶ Teile nicht gesondert verwertbar. ▶ Es besteht nur ein Werk und nur ein Recht. ▶ Beispiel: Studienbuch (mehrerer Autoren). ▶ Abgrenzung zur bloßen Idee, zur Anregung, zur Gehilfenschaft, zum Sammelwerk (§ 4 UrhG). ▶ Rechtswirkung: Gesamthand (§ 8 Abs. 2 UrhG). Werkverbindung (§ 9 UrhG) ▶ Verbindung von Werken zur gemeinsamen Verwertung. ▶ Beispiel: Text und Ton (z. B. Oper). ▶ Selbständige Verwertbarkeit der verbundenen Werke. ▶ Abgrenzung zur Miturheberschaft, zum Sammelwerk (§ 4 UrhG). Abb. 7: Urheberschaft am Werk § 71 Inhalt des Urheberrechts Während in den vorangegangenen Paragrafen die Frage im Vordergrund stand, unter welchen Voraussetzungen das Urheberrecht welche Arten von Werken erfasst, bleibt der wichtigen Frage nachzugehen, welche konkreten Rechte damit für den Inhaber des Urheberrechts verbunden sind. Bei den Rechten, die das Urheberrecht dem Urheber zuerkennt, lassen sich zwei Bereiche unterscheiden: Das Gesetz schützt den Urheber zum einen in seinen geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk, zum anderen in der Nutzung des Werks (§ 11 UrhG). Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass das Urheberrecht sowohl dem Schutz der „ideellen“ als auch den „materiellen“ Interessen des Urhebers dient. 121 Diesen beiden wesentlichen Aspekten des Urheberrechtsschutzes trägt das Gesetz durch die Gewährung einzelner Urheberpersönlichkeitsrechte und wirtschaftlicher Verwertungsrechte Rechnung. I. Urheberpersönlichkeitsrecht 1. Grundlage des Urheberpersönlichkeitsrechts Verfassungsrechtliche Grundlage des Urheberpersönlichkeitsrechts ist, wie die des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG . 122 Während jedoch das allgemeine Persönlichkeitsrecht an die Person- - die Freiheit, ihre Intim- und Geheimnissphäre, ihre seelische und körperliche Integrität, ihren Bezug zur Umwelt durch Name, Ehre, Ruf und Ansehen-- anknüpft, ist das Urheberpersönlichkeitsrecht durch den Bezug auf ein bestimmtes, vom Urheber geschaffenes Werk charakterisiert. Hintergrund des starken persönlichkeitsrechtlichen Urheberrechtsschutzes ist, dass sich urheberrechtlich geschützte Werke, 121 BT -Drucks. IV / 270, Amtl. Begr., S. 43. 122 BGHZ 13, 334, 338 f.-= GRUR 1955, 197, 198 „Schacht-Briefe“. 413 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson wie dargelegt, ja gerade durch ihre Individualität, d. h. die individuelle Prägung durch den Urheber auszeichnen, die den Urheber-- wie man sagt-- als „geistiges Band“ mit „seinem Werk“ verbindet. 123 Die Werkbezogenheit des Urheberpersönlichkeitsrechts bedingt eine enge Verknüpfung von persönlichkeitsrechtlichem und vermögensrechtlichem Schutz, die in der Einheitlichkeit des Urheberrechts zum Ausdruck kommt. Dieser Zusammenhang mag sich bei den „klassischen“ Werken des Urheberrechts im Bereich von „Literatur, Wissenschaft und Kunst“ leichter nachempfinden lassen, als bei den „modernen“ Werken, wie bei den Computerprogrammen und Datenbankwerken, die erst in jüngerer Zeit Eingang in den Kreis der urheberrechtlich geschützten Werke bzw. der verwandten Schutzrechte (Datenbanken) gefunden haben und bei denen es sich eher um „industrielle“ Produkte des Informationszeitalters zu handeln scheint. Gleichwohl sind, sofern sich nicht aus dem Gesetz selbst eine Einschränkung ergibt, auch bei diesen die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse in gleichem Maße zu beachten. Ausdrückliche Anerkennung findet das Urheberpersönlichkeitsrecht (im engeren Sinne) insbesondere ▶ im Veröffentlichungsrecht (§ 12 UrhG), ▶ dem Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG) und ▶ dem Schutz vor Entstellung des Werkes (§ 14 UrhG). 2. Veröffentlichungsrecht Das Veröffentlichungsrecht des Urhebers ist das Recht zu bestimmen, ob und wie sein Werk zu veröffentlichen ist; dem Urheber ist es vorbehalten, den Inhalt seines Werkes öffentlich zu beschreiben oder mitzuteilen, solange weder das Werk noch der wesentliche Inhalt veröffentlicht ist (§ 12 UrhG). Ihm bleibt es vorbehalten zu entscheiden, ob sein Werk schon fertig und veröffentlichungsreif ist, indem er es zur Veröffentlichung freigibt. Das Veröffentlichungsrecht meint das Erstveröffentlichungsrecht, 124 d. h. wenn ein Werk bereits in anderen Medien mit Zustimmung des Urhebers veröffentlicht worden ist, stellt die Veröffentlichung im Internet, d. h. z. B. auf Webseiten, keine weitere Veröffentlichung dar. Das (Erst-)Veröffentlichungsrecht ist erschöpft. Auch ein Werk, das erstmalig erlaubt auf einer Webseite bereitgestellt wird, ist als veröffentlicht anzusehen, so dass eine weitere Veröffentlichung in einem anderen Medium zumindest unter dem Gesichtspunkt der Veröffentlichung nicht mehr dem Verbotsrecht des Urhebers unterliegt. Das Recht zur Veröffentlichung kann jedoch z. B. einem Verleger oder-- etwa beim Auftrag zur Erstellung einer Website-- dem Auftraggeber überlassen werden. 125 123 Krüger-Nieland, in FS f. Fritz Hauß, S. 215, 219 f. 124 Schricker / Dietz / Peukert, § 12 Rdn. 7 f. 125 Freitag in Kröger / Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 349 f. 414 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson 3. Anerkennung der Urheberschaft Das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft bedeutet, dass der Urheber bestimmen kann, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§ 13 UrhG). Diesem zentralen Urheberpersönlichkeitsrecht kommt auch wirtschaftliche Bedeutung zu, weil derjenige der auf Vervielfältigungsstücken eines erschienen Werkes als Urheber bezeichnet ist, bis zum Beweis des Gegenteils als Urheber des Werks angesehen wird (§ 10 Abs. 1 UrhG), 126 und, weil der Urhebervermerk natürlich einen Werbeeffekt hat. Die durch die Urheberbezeichnung begründete Rechtsvermutung erleichtert die Verfolgung sämtlicher dem Urheber nach dem Gesetz zustehenden Rechte, insbesondere also auch die Geltendmachung wirtschaftlicher Interessen. Wird das Recht des Urhebers auf Anerkennung der Urheberschaft dadurch verletzt, dass das Werk nicht mit einer Urheberbezeichnung versehen wird, kann dies einen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG begründen, der sowohl auf den Ersatz materiellen Schadens als auch auf den Ersatz immateriellen Schadens gerichtet sein kann. 127 Der Urheber kann sein gesetzliches Recht zur Entscheidung über die Anbringung einer Urheberbezeichnung auch „negativ“ ausüben, dahingehend, dass diese unterbleiben soll. Darüber hinaus kann er auch-- z. B. gegenüber einem Auftraggeber-- auf die Anbringung der Urheberbezeichnung vertraglich bindend verzichten. 128 Der Unterschied besteht darin, dass er im erstgenannten Falle-- anders als im zuletzt genannten-- nicht gehindert wäre, es sich für spätere Verwertungshandlungen (z. B. eine weitere Auflage) anders zu überlegen und für die Zukunft auf einer Nennung zu bestehen. Neue Fragestellungen ergeben sich insoweit im Zusammenhang mit der Werknutzung im Internet. So stellt sich die Frage, welche Konsequenzen sich mit Blick auf das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft hieraus für die Gestaltung einer Website ergeben. Vor allem bei aufwendig gestalteten Websites, die aus einer Vielzahl von Werken unterschiedlicher Urheber bestehen können, kann es schwierig sein, alle Urheber zu benennen. Rechtlich anerkannt ist, dass es in bestimmten Bereichen, wie etwa dem Kunstgewerbe, in der Werbung, bei Gebäuden oder bei serienmäßig hergestellten Gebrauchsgütern, bei denen die Anbringung der Urheberbezeichnung schon aus technischen Gründen erschwert oder unmöglich ist, ein stillschweigender Verzicht des Urhebers auf die Anbringung der Urheberbezeichnung anzunehmen sein kann. 129 Das heißt, auch bei Aufträgen zur Erstellung von schutzfähigen Elementen für die Gestaltung von Websites mag im Einzelfall von einem stillschweigenden Verzicht des Urhebers auf die Anbringung der Urheberbezeichnung auszugehen sein. In der Praxis sollte man sich hierauf jedoch nicht verlassen, zumal die Anbringung in vielen Fällen gerade auf Webseiten in technischer Hinsicht problemlos möglich sein dürfte und z. B. im Bereich der Fotografie, der Gebrauchsgraphik und des Design auch üblich ist. Für die Praxis empfiehlt es sich daher, sicherheitshalber mit dem jeweiligen Urheber in dem Vertrag, in dem auch die Frage der 126 BGH v. 26. 2. 2009, Az. I ZR 142 / 06 „Kranhäuser“. 127 BGH v. 15. 1. 2015, Az. I ZR 148 / 13 „Motorradteile“. 128 Schricker / Dietz / Peukert, § 13 Rdn. 26. 129 Schricker / Dietz / Peukert, § 13 Rdn. 28 ff. 415 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson Nutzungsrechte geregelt ist, festzuhalten, ob und, wenn ja, welche Urheberbezeichnung wie anzubringen ist oder ob hierauf seitens des Urhebers verzichtet wird. 130 4. Entstellung des Werkes Als drittes ausdrücklich als Einzelbefugnis ausgestaltetes Urheberpersönlichkeitsrecht hat der Urheber schließlich das Recht, eine Entstellung oder andere Beeinträchtigung seines Werkes zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten Interessen zu gefährden (§ 14 UrhG). Das Entstellungsverbot gehört zu einem Gesamtkomplex verschiedener änderungsrelevanter Vorschriften des Urheberrechts, die darauf abzielen das Interesse des Urhebers am Bestand und der Unversehrtheit seines Werks (sog. Werkintegrität) zu schützen. 131 Insbesondere im Zusammenhang mit der elektronischen Nutzung digitalisierter Werke ist die Werkintegrität in besonderem Maße gefährdet, da in digitaler Form vorliegende Werke nahezu ohne Kosten und dennoch in hoher Qualität beliebig verändert und manipuliert werden können. 132 Zudem sind bei der Zugänglichmachung eines Werks auf Webseiten Veränderungen zum Teil auch technisch bedingt (z. B. Änderungen des Bildausschnitts oder der Auflösung). 133 Eine Verletzung des Entstellungsverbots kann sich zum einen aus einer Veränderung des Werks (z. B. Änderung der Farben, Verzerrung der Perspektive, Verstümmelung durch Ausschnitte, Ergänzungen durch fremde Teile) oder aber auch dadurch ergeben, dass das unveränderte Werk in einen für den Urheber unzumutbaren Kontext gestellt wird, durch den sich der Urheber in ein „falsches Licht gestellt“ und seine Reputation gefährdet sieht. So hat sich eine Musikgruppe erfolgreich dagegen gewehrt, dass ihre Musik auf einem Sampler mit Stücken von ansonsten neo-nazistischen Bands vermarktet wurde. 134 Für die heute in der Praxis immer bedeutsamere Nutzung von urheberrechtlich geschütztem „Material“ im Rahmen der Gestaltung von Websites folgt daraus, dass bei der Verwendung von „Content“ nicht nur an die nutzungsrechtlichen, sondern im Hinblick auf die Vornahme von Veränderungen an geschütztem Content und die Wahl des Darstellungskontextes auch die persönlichkeitsrechtlichen Aspekte zu bedenken sind. Da ein pauschaler vertraglicher Verzicht auf die Rechte des Urhebers nicht zulässig ist, empfiehlt es sich, beabsichtigte Änderungen bzw. ggfs. einen kritischen Darstellungskontext vertraglich möglichst exakt festzulegen. 135 130 Freitag in Kröger / Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 350 f.; Loewenheim in Loewenheim / Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 292. 131 Schricker / Dietz / Peukert, § 14 Rdn. 1 ff., 5. 132 Decker in Hoeren / Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Teil 7.6 Rdn. 5; Loewenheim in Loewenheim / Koch, Praxis des Online-Rechts, S. 292. 133 Decker in Hoeren / Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Teil 7.6 Rdn. 55, 65 ff. 134 Freitag in Kröger / Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 350 f.; Decker in Hoeren / Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Teil 7.6 Rdn. 67; ferner BGH v. 11. 5. 2017, Az. I ZR 147 / 16 (Höhner). 135 Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 147. 416 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson 5. Weitere persönlichkeitsrechtliche Normen Der persönlichkeitsrechtliche Schutz des Urhebers kommt darüber hinaus in einer Vielzahl weiter urheberrechtlicher Bestimmungen zum Ausdruck: ▶ dem Recht auf Zugang zu den Werkstücken (§ 25 UrhG), ▶ der-- außer im Erbfall-- Unübertragbarkeit des Urheberrechts selbst (§ 29 UrhG), ▶ der Zustimmungsbedürftigkeit der Übertragung von Nutzungsrechten (§ 34 UrhG), ▶ dem Verbot von Änderungen bei Einräumung von Nutzungsrechten (§ 39 UrhG), ▶ dem Rückrufsrecht wegen gewandelter Überzeugung (§ 42 UrhG), ▶ dem Änderungsverbot bei zulässiger Werknutzung (§ 62 UrhG), ▶ der Pflicht zur Quellenangabe (§ 63 UrhG), ▶ Einschränkung der Zwangsvollstreckung in das Urheberrecht (§§ 123 ff. UrhG). II. Verwertungsrechte Noch stärker im Vordergrund des praktischen Interesses als die Persönlichkeitsrechte stehen die Rechte, die dem Urheber den wirtschaftlichen Wert des geschützten Werks zuordnen. Hierbei wird nicht verkannt, dass die Grenzen zwischen ideellen und materiellen Interessen, d. h. persönlichkeitsrechtlichen und vermögensrechtlichen Positionen fließend sind. 136 Die dem Urheberrecht unterliegenden Werke sind „immaterielle“ Güter, deren Inhalt sich technisch in unterschiedlicher Weise vermitteln lässt. Der Urheberrechtsschutz hat also sicherzustellen, dass dem Urheber die „Früchte“ aller möglichen Formen der Werkvermittlung rechtlich zugeordnet werden. 1. Systematik und Überblick Dem Wesen der vom Urheberrecht erfassten Werke entsprechend, das vor allem durch die Vermittlung des Werkgenusses, die Wirkung auf die menschlichen Sinne gekennzeichnet ist (s. o. § 1), knüpft das urheberrechtliche Verwertungssystem-- anders als das Patent- und Gebrauchsmusterrecht-- nicht an eine „Benutzung“, „Anwendung“ oder einen „Gebrauch“ des Werkes an, sondern an Verwertungsformen, durch die sich die „Mitteilung“ des Werkes, sei es körperlich oder unkörperlich- - den menschlichen Sinnen mitteilt. Konkret erfolgt die rechtliche Zuordnung des Werkes durch die Zuerkennung eines weit gefassten allgemeinen Verwertungsrechts (§ 15 Abs. 1 UrhG), das dem Urheber alle Verwertungsarten, auch etwaige zukünftige, durch die Technik sich erst ergebende, ausschließlich vorbehält. Räumt der Urheber einem Dritten von seinen Verwertungsrechten abgespaltene Rechte zur Werknutzung ein, so heißen die dem anderen eingeräumten Rechte, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen, Nutzungsrechte (vgl. § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG). Neben dem allgemeinen Verwertungsrecht enthält § 15 UrhG eine beispielhafte Aufzählung einzelner, absolut wirkender Verwertungsbefugnisse. Die Systematik der dem Urheber danach ins- 136 Zur diesbezüglichen Verklammerung der Interessen vgl. Schricker / Dietz / Peukert, Vor §§ 12 ff. Rdn. 7 ff. 417 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson besondere vorbehaltenen besonderen Verwertungsrechte erschließt sich durch die Unterscheidung zwischen der Verwertung des Werkes in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 UrhG) und der Verwertung in unkörperlicher Form (§ 15 Abs. 2 UrhG). Das Recht zur Verwertung in körperlicher Form betrifft alle Verwertungsformen, die unmittelbar das Original oder (körperliche) Vervielfältigungsstücke des Originals (sog. Werkstücke) zum Gegenstand haben. Es umfasst insbesondere (vgl. § 15 Abs. 1 UrhG): ▶ das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG), ▶ das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) und ▶ das Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG). Das Recht zur Verwertung in unkörperlicher Form ist das Recht der öffentlichen Wiedergabe des Werks nach § 15 Abs. 2 UrhG. Es enthält keine abschließende, sondern eine beispielhafte („insbesondere“) Aufzählung der dem Urheber vorbehaltenen Verwertungsrechte: 137 ▶ das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG), ▶ das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG), ▶ das Senderecht (§ 20 UrhG), ▶ das Recht der Wiedergabe durch Bild-- und Tonträger (§ 21 UrhG) und ▶ das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und von öffentlicher Zugänglichmachung (§ 22 UrhG). 2. Ausgewählte Verwertungsrechte im Einzelnen a) Vervielfältigungsrecht aa) Begriff Das Vervielfältigungsrecht-- eines der wichtigsten Verwertungsrechte des Urheberrechts-- ist das Recht, Vervielfältigungstücke des Werkes herzustellen, gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft, in welchem Verfahren und in welcher Zahl (§ 16 Abs. 1 UrhG). Die herausragende wirtschaftliche Bedeutung des Vervielfältigungsrechts wird insbesondere durch die Klarstellung deutlich, wonach auch die Übertragung von Werken auf Vorrichtungen zur wiederholbaren Wiedergabe von Bild- und Tonfolgen (Bild- oder Tonträger)-- also auf Speichermedien wie Ton- oder Videobänder, CD , DVD , MD , Festplatten, Server etc.-- Vervielfältigung ist (§ 16 Abs. 2 UrhG). 138 Zu beachten ist, dass ein Eingriff in die entsprechenden Rechte des Urhebers nicht nur bei vollständiger Übernahme, sondern auch bereits bei der Übernahme von Werkteilen, d. h. von wesentlichen Teilen eines fremden geschützten Werks (z. B. beim sog. Sampling von Musik, Sound oder Composing von Bildern) in Betracht kommt. Entscheidend ist hier, ob der konkret übernommene Werkteil bereits als solcher selbständig schutzfähig ist. Dies wird bei einzelnen Tönen oder Sounds vielfach zu verneinen sein, bei Einzelbildern, Filmbildern und erkennbaren Melodien wird jedoch regelmäßig ein selb- 137 BGH v. 21. 9. 2017, Az. I ZR 11 / 16 „Vorschaubilder III “. 138 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08 „Vorschaubilder“. 418 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson ständiger Schutz zu bejahen sein, mit der Folge, dass eine Nutzung nur mit Einwilligung des Urhebers zulässig ist. 139 Auch werden vom Vervielfältigungsrecht solche Werkumgestaltungen erfasst, die-- wie die gegenüber der Originalabbildung verkleinerten Vorschaubilder in einer Bildersuchmaschine (sog. Thumbnails)-- „über keine eigene schöpferische Ausdruckskraft verfügen und sich daher trotz einer vorgenommenen Umgestaltung noch im Schutzbereich des Originals befinden, weil dessen Eigenart in der Nachbildung erhalten bleibt und ein übereinstimmender Gesamteindruck besteht“. 140 bb) Flüchtige Vervielfältigungen Die Einordnung bestimmter neuer informations- und kommunikationstechnischer Formen der Werknutzung in das bestehende System der urheberrechtlichen Verwertungsrechte erwies sich in der Vergangenheit als schwierig. Betroffen von diesen Schwierigkeiten war auch das Vervielfältigungsrecht, bei dem es sich, wie erwähnt, traditionell um eines der wichtigsten Verwertungsrechte des Urhebers handelt. Hintergrund war, dass das Vervielfältigungsrecht nach alter Rechtslage im deutschen Urheberrecht definiert wurde als das Recht des Urhebers, Vervielfältigungsstücke des Werkes herzustellen, gleichviel in welchem Verfahren und in welcher Zahl (§ 16 Abs. 1 UrhG a. F.). Unter Vervielfältigung wurde dabei jede körperliche Festlegung eines Werkes verstanden, die geeignet ist das Werk den menschlichen Sinnen auf irgendeine Art mittelbar oder unmittelbar wahrnehmbar zu machen. 141 Unproblematisch und unbestritten war insoweit die Beurteilung, dass eine nicht nur vorübergehende Speicherung eines Werkes auf einem Datenträger eine Vervielfältigung darstellt, wie etwa die Speicherung auf einer Diskette, einer CD , der Festplatte eines PC oder einem anderen Datenträger zur Speicherung von digitalisierten Daten. Denn es handelt sich hierbei- - entsprechend dem dahingehenden begrifflichen Verständnis- - jeweils um körperliche Festlegungen des Werkes, die dazu geeignet sind, das Werk den menschlichen Sinnen wahrnehmbar zu machen und zwar mittelbar durch den Einsatz eines dem entsprechenden Speichermedium entsprechenden Ausgabegerätes. Im Hinblick auf das Erfordernis der körperlichen Festlegung als problematisch und umstritten erwies sich demgegenüber die Frage, ob auch bereits die flüchtige Einspeisung digitalisierter Daten in den Arbeitsspeicher eines Computers-- etwa beim „Surfen“ durch Online-Angebote im Internet-- als Vervielfältigung und damit als eine grundsätzlich von der Einwilligung des Urhebers abhängige Verwertungshandlung anzusehen ist. 142 Die diesbezüglichen Rechtsunsicherheiten wurden jedoch durch die sog. InfoSoc-Richtlinie 143 beseitigt, die u. a. eine breite umfassende Definition des Vervielfältigungsrechts vorschreibt, die alle relevanten Verwertungshandlungen erfasst. Auf eine körperliche Fest- 139 Näheres zur Beurteilung des Sampling vgl. Kreuzer in Schwerdtfeger u. a., Cyberlaw, 5.3.2. S. 246; allgemein zur Vervielfältigung von Werkteilen Schricker / Loewenheim, § 16 Rdn. 14. 140 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08 „Vorschaubilder“. 141 BGHZ 17, 266, 269 f.= GRUR 1955, 492, 494 „Grundig-Reporter“; Amtl. Begr. BT -Drucks. IV / 270, S. 47. 142 Näheres zum diesbezüglichen Streit vgl. Loewenheim in Loewenheim / Koch, Praxis des Online-Rechts, Kapitel 7, S. 269, 293 f., 297 ff. m. w. Nachw. 143 Richtlinie 2001 / 29 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft. 419 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson legung des Werkes kommt es danach nicht mehr an, so dass grundsätzlich auch flüchtige Vervielfältigungen erfasst sind, die etwa beim Laden in den Arbeitsspeicher eines Computers oder bei Zwischenspeicherungen im Netz (z. B. auf Proxy-Servern) erfolgen. 144 Die Vorgaben der InfoSoc-Richtlinie wurden im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 in das deutsche Urheberrecht umgesetzt. 145 Die Novelle 2003 zielte darauf ab, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK), insbesondere der digitalen Technologie, anzupassen. Entsprechend der dahingehenden Vorgabe der Richtlinie (Art. 2) wurde durch eine Einfügung in die Definition des Vervielfältigungsrechtes (§ 16 Abs. 1 UrhG: „… gleichviel ob vorübergehend oder dauerhaft,-…“) klargestellt, dass auch lediglich vorübergehende Vervielfältigungshandlungen dem Vervielfältigungsrecht unterfallen. Auch beim Streaming, bei dem die Daten paketweise übertragen und beim Nutzer regelmäßig nicht auf der Festplatte, sondern lediglich in sog. Buffern zwischengespeichert werden, handelt es sich demnach um eine Vervielfältigung i. S. v. § 16 UrhG. 146 Dem weiten Vervielfältigungsbegriff wurde durch eine neue Schrankenregelung für bestimmte, technisch bedingte vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, denen keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung zukommt, entsprochen (§ 44a UrhG-- hierzu s. u. § 72 III . 1.). Um keine Vervielfältigung handelt es sich jedoch beim Setzen eines Hyperlinks auf ein geschütztes Werk. Durch einen Hyperlink wird das Werk nicht i. S. v. § 16 UrhG vervielfältigt, vielmehr stellt der Link lediglich eine elektronische Verknüpfung zu einer anderen in das Internet eingestellten Datei her. 147 Demgegenüber stellt es eine eigene urheberrechtliche Nutzungshandlung dar- - in Form der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 15 Abs. 2, 19a UrhG)-- wenn der Betreiber einer Internetseite deren Nutzern über einen Link urheberrechtliche geschützte Inhalte Dritter zugänglich macht, die er in einem eigenen Download-Center abgelegt hat. 148 b) Verbreitungsrecht aa) Begriff Das Verbreitungsrecht ist das Recht, das Original oder Vervielfältigungstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen (§ 17 Abs. 1 UrhG). Durch die Einordnung des Verbreitungsrechts als Verwertung in körperlicher Form (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UrhG) und die entsprechende Begrenzung auf die Verbreitung von Werkstücken ist klargestellt, dass der Verbreitung nur körperliche Gegenstände (Druckwerke, Ton- und Bildträger etc.) zugänglich sind. 149 Das Verbreitungsrecht ist nicht auf eine gewerbsmäßige Verbreitung beschränkt, entscheidend ist allein, dass die Verbreitung öffentlich erfolgt. In der Praxis wird der Urheber den wirtschaftlichen Wert des Werkes, die Vermittlung des Werkgenusses, häufig 144 Vgl. Thomaschki, DuD 1998, 265, 266; Kröger, CR 2001, 316, 317; Freitag in Kröger / Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 353 f. 145 Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 10. 9. 2003. 146 Schricker / Loewenheim, § 16 Rdn. 21 f. m. zahlr. w. Nachw. 147 BGH v. 17. 7. 2003, I ZR 259 / 00, „Paperboy“. 148 BGH v. 4. 7. 2013, Az. I ZR 39 / 12 „Terminhinweis mit Kartenausschnitt“. 149 Vgl. Hertin, Urheberrecht, S. 54 Rdn. 179. 420 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson schon über das Vervielfältigungsrecht realisieren können. Werden etwa Werkstücke ohne Zustimmung des Urhebers hergestellt und in den Handel gebracht, liegt bereits in der unrechtmäßigen Vervielfältigung eine Urheberrechtsverletzung. Die Verbreitung kann jedoch trotz rechtmäßiger Vervielfältigung widerrechtlich sein. Zu denken ist hier an den Fall, dass der Urheber dem Verleger das Vervielfältigungs- und Verbreitungsrecht nur für ein bestimmtes Land eingeräumt hat (geteiltes Verlagsrecht). Die Verbreitung der rechtmäßig hergestellten Bücher außerhalb des fraglichen Gebietes ist dann unrechtmäßig und kann vom Urheber dem Verleger untersagt werden, nicht aber dem Erwerber der durch den Verleger rechtmäßig in Verkehr gebrachten Werkexemplare, da sich das Verbreitungsrecht für diese Werkexemplare durch das rechtmäßige Inverkehrbringen unionsweit erschöpft hat. Ferner ist zu denken an die Verbreitung von in zulässiger Weise zum privaten oder sonstigen eigenen Gebrauch hergestellten Vervielfältigungstücken (§ 53 Abs. 6 S. 1 UrhG) oder an die Verbreitung im Inland rechtmäßig hergestellter Werkstücke im Ausland, wenn dort der Schutz abgelaufen ist. 150 Dem Verbreitungsrecht kommt somit gegenüber dem Vervielfältigungsrecht eigenständige Bedeutung zu. Da es sich bei dem Verbreitungsrecht um harmonisiertes Recht handelt (Art. 4 Abs. 1 InfoSco- RL ), ist § 17 UrhG richtlinienkonform auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Eu GH 151 liegt eine Verbreitung des Originals eines Werks oder eines Vervielfältigungsstücks im unionsrechtlichen Sinne (Art. 4 Abs. 1 InfoSoc- RL ) und im Einklang mit den einschlägigen völkerrechtlichen Bestimmungen (Art. 6 Abs. 1 WCT -Vertrag) nur bei einer Übertragung des Eigentums an diesem Gegenstand vor, wobei Angebote zum Erwerb oder gezielte Werbung in Bezug auf das Original oder Vervielfältigungsstücke vom Verbietungsrecht erfasst werden. 152 Für die Annahme einer Verbreitungshandlung reicht es nicht, dass der Öffentlichkeit lediglich der Gebrauch des urheberrechtlich geschützten Gegenstands ermöglicht wird (im streitgegenständlichen Fall, der Gebrauch urheberrechtlich geschützter Möbel in einer P&C-Filiale), vielmehr muss die Verbreitungshandlung auf eine Eigentumsübertragung gerichtet sein. Auch folgt allein aus der „Präsentation eines Produkts auf einer Messe im Inland-… nicht ohne weiteres, dass der Aussteller das Produkt damit gezielt bewirbt, um die Messebesucher zu dessen (späteren) Erwerb im Inland anzuregen.“ 153 bb) Erschöpfung des Verbreitungsrechts Obgleich das Gesetz im Grundsatz also jede Verbreitungshandlung dem Recht des Urhebers unterstellt, kann es nicht Sinn des Verbreitungsrechts sein, dem Urheber eine bleibende ausschließliche Befugnis zum Handel mit rechtmäßig in Verkehr gebrachten Werkstücken seines Werkes zu gewähren. Den Interessen des Urhebers ist vielmehr in der Regel bereits Genüge getan, wenn er bei der ersten Verbreitungshandlung die Möglichkeit gehabt hat, seine Zustimmung von Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen. 154 Entsprechend der sog. Erschöpfungslehre bestimmt daher das Gesetz für den Fall, dass das Original oder 150 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 142 f. Rdn. 455 f. 151 Eu GH v. 17. 4. 2008, Rs. C-456 / 08 „Le Corbusier-Möbel“. 152 Eu GH v. 13. 5. 2015, Rs. C-516 / 13 „Dimensione und Labianca / Knoll“; BGH v. 5. 11. 2015, Az. I ZR 91 / 11 „Marcel-Breuer-Möbel II “. 153 BGH v. 23. 2. 2017, Az. I ZR 92 / 16 „Mart-Stam-Stuhl“. 154 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 143 Rdn. 456. 421 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson Vervielfältigungsstücke des Werkes mit Zustimmung des zur Verbreitung Berechtigten im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht worden ist, die Weiterverbreitung mit Ausnahme der Vermietung zulässig ist (§ 17 Abs. 2 UrhG). Der Grundsatz der Erschöpfung des Verbreitungsrechts ist, ähnlich wie die Erschöpfung des Patentrechts hinsichtlich des in Verkehr gebrachten Erzeugnisses, Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens. Im Urheberrecht beruht er-- so der BGH -- „auf der Erwägung, dass der Urheber mit der Veräußerung die Herrschaft über das Werkexemplar aufgibt, so dass dieses damit für jede Weiterverwertung frei wird. Seinem verwertungsrechtlichen Interesse [Belohnungsinteresse] ist in der Regel genügt, wenn er bei der ersten Verbreitungshandlung die Möglichkeit gehabt hat, seine Zustimmung von der Zahlung eines Entgelts abhängig zu machen. Eine spätere Benutzung des Werkstücks soll grundsätzlich frei sein. Diese Freigabe dient dem Interesse der Verwerter und der Allgemeinheit, die in Verkehr gebrachten Werkstücke verkehrsfähig zu halten [Verkehrssicherungsinteresse]. Könnte der Rechtsinhaber, wenn er das Werkstück verkauft oder seine Zustimmung zur Veräußerung gegeben hat, noch in den weiteren Vertrieb des Werkstücks eingreifen, so wäre dadurch der freie Warenverkehr in unerträglicher Weise behindert“. 155 Im Fall der sog. Mauer-Künstler, die noch zu DDR -Zeiten Teile der Berliner Mauer großflächig mit Bildern bemalt hatten, hat der BGH festgestellt, dass diese an dem Erlös aus der späteren Versteigerung von Teilen der Berliner Mauer, die von ihnen bemalt worden sind, angemessen zu beteiligen seien. Die Veräußerung der bemalten Mauerteile stelle einen Eingriff in das bei den Künstlern verbliebene urheberrechtliche Verbreitungsrecht (§ 17 Abs. 1 UrhG) dar. Die öffentliche Zurschaustellung der Mauer-Bilder stelle entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht keine Veräußerung i. S. v. § 17 Abs. 2 UrhG dar, so dass das Verbreitungsrecht der Künstler nicht erschöpft sei. 156 Ferner ist das Verbreitungsrecht nicht erschöpft, wenn in der EU mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers in Verkehr gebrachte Reproduktionen geschützter Kunstwerke (Poster berühmter Maler) durch Übertragung der Reproduktionen von einem Papierposter auf eine Leinwand grundlegend verändert und in dieser neuen Form als neuer Gegenstand erneut in Verkehr gebracht werden. 157 In der Praxis werden urheberrechtlich geschützte Werke (Musik, eBooks, Hörbücher, Filme, Software etc.) zunehmend nicht mehr als körperliche Werkstücke, sondern als digitale Güter vertrieben. Von daher rückt die Frage, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch auf den Online-Vertrieb digitaler Güter anwendbar ist, im stärker in den Blickpunkt des Interesses. Diese Frage ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil von ihrer Beantwortung auch die Frage abhängt, ob die Anbieter digitaler Güter durch die vertragliche Ausgestaltung der Nutzungsvereinbarungen eine Weiterverbreitung der vom Nutzer regelmäßig durch Download erworbenen digitalen Kopie untersagen können. Da es sich, wie dargestellt (zuvor aa), bei dem Verbreitungsrecht nach der Systematik der Verwertungsrechte um ein Recht der Verwertung des Werks in körperlicher Form (Original oder Vervielfältigungsstück) handelt, scheidet eine direkte Anwendung des Erschöpfungsgrundsatzes grundsätzlich 155 BGH GRUR 1995, 673, 676 „Mauer-Bilder“. 156 BGH GRUR 1995, 673, 676 „Mauer-Bilder“. 157 Eu GH 22. 01. 2015, Rs. C-419 / 13 „Art & Allposters International BV / Stichting Pictoright“. 422 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson aus. Gleichwohl hat der Eu GH 158 in seiner UsedSoft-Entscheidung die Anwendbarkeit des Erschöpfungsgrundsatzes im Falle des Weitervertriebs „gebrauchter“ Software bejaht, sofern der Ersterwerber das Computerprogramm gegen Entgelt durch Download erworben hat, mit der Folge, dass sich die weiteren Erwerber der Software auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts des Urhebers (Softwareanbieters) berufen können. 159 Allerdings hat sich der Eu GH in seiner UsedSoft-Entscheidung auf die Auslegung einer Spezialvorschrift zur Erschöpfung in der Computerprogramm-Richtlinie (Art. 4 Abs. 1 lit. c, Abs. 2) gestützt. Eine verallgemeinernde Übertragung der Entscheidung auf die Erschöpfung digitaler Güter nach Maßgabe des allgemeinen Urheberrechts (insbesondere Art. 6 Abs. 2 WCT -Vertrag, Art. 4 Abs. 2 InfoSoc- RL , § 17 Abs. 2 UrhG) ist daher nicht ohne weiteres möglich. 160 Im Falle von Streaming sollte es keine Erschöpfung von Rechten geben. 161 c) Öffentliche Zugänglichmachung Im Rahmen des eingangs bereits skizzierten Kataloges der dem Urheber insbesondere vorbehaltenen Rechte, sein Werk in unkörperlicher Form zu verwerten, ist das im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 neu in das Gesetz aufgenommene Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG) besonders hervorzuheben. Die Regelung erfolgte in Systematik und Wortwahl in enger Anlehnung an die entsprechende Vorgabe der InfoSoc-Richtlinie (Art. 3), die ihrerseits auf dem WIPO -Vertrag WCT beruht. Das seiner Zeit neu aufgenommene Verwertungsrecht (right of making available) dient insbesondere der Einbeziehung der Verwertung von urheberrechtlich geschützten Werken durch deren Bereithalten im Internet zum elektronischen Abruf (on demand). Ähnlich wie bei den erwähnten Rechtsunsicherheiten im Zusammenhang mit dem Vervielfältigungsrecht (s. zuvor a)) stellte sich auch bei dieser neuen und wirtschaftlich bedeutsamen internettypischen Verwertungsart- - der Bereitstellung von Werken im Netz- - aus urheberrechtlicher Sicht das Problem, dass sich diese nicht ohne weiteres in das bestehende System der gesetzlich vorgesehenen Verwertungsrechte einordnen ließ. 162 Durch die Aufnahme des sog. Online-Verwertungsrechts in den nicht abschließenden Katalog der Rechte des Urhebers (§ 15 Abs. 2 Nr. 2 UrhG) wurde klargestellt, dass das in § 15 Abs. 2 S. 1 UrhG legal definierte Recht der öffentlichen Wiedergabe-- das ausschließliche Recht des Urhebers, sein Werk in unkörperlicher Form öffentlich wiederzugeben-- auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung einschließt. Dieses wird in dem 2003 neu eingefügten § 19a UrhG definiert als 158 Eu GH v. 3. 7. 2012, Rs. C-128 / 11 „UsedSoft“. 159 Zur Erschöpfung des Verbreitungsrechts beim Vertrieb von Computerprogrammen s. ferner BGH v. 6. 7. 2000, Az. I ZR 244 / 97 „ OEM -Version“; BGH v. 17. 7. 2013, I ZR 129 / 08 „UsedSoft II “; BGH v. 11. 12. 2014, I ZR 8 / 13 „UsedSoft III “. 160 Vertiefend zur Erschöpfung digitaler Güter s. Marly / Wirz, Eu ZW 2017, 16; ferner Leistner, Eu ZW 2016, 166, 169. 161 Vgl. AIPPI -Entschließung v. 17. 9. 2014 (Toronto) zu Fragen der Erschöpfung im Urheberrecht (Frage Q240), dort Beschluss 3. 162 Vgl. hierzu BGH v. 17. 7. 2003, I ZR 259 / 00, „Paperboy“; Thomaschki, DuD 1998, 265, 268; Freitag in Kröger / Gimmy, Handbuch zum Internetrecht, S. 356 f.; Loewenheim in Loewenheim / Koch, Praxis des Online-Rechts, Kapitel 7, S. 269, 295 f., 303 f. 423 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson „das Recht, das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.“ Relevante Verwertungshandlung ist nicht erst die jeweilige Übertragung des Werkes oder dessen Abruf, diese liegt vielmehr bereits in der vorangehenden Handlung des Zugänglichmachens (Upload einer Datei auf einen Webserver) oder Anbietens von Werken und Leistungen über das Internet. Zugänglichmachen i. S. v. § 19a UrhG bedeutet danach, „dass Dritten der Zugriff auf das sich in der Zugriffssphäre des Vorhaltenden befindende geschützte Werk eröffnet wird“. 163 Mit der Regelung des „Online-Rechts“ als Verwertungsrecht wurde der Stand der internationalen Rechtsvereinheitlichung (nach Maßgabe der Art. 8 WCT ; Art. 10, 14 WPPT ; Art. 3 InfoSoc-Richtlinie) auch im deutschen Urheberrechtsgesetz nachvollzogen. Durch das Setzen eines Hyperlinks auf eine öffentlich zugänglich gemachte Website mit einem urheberrechtlich geschützten Werk wird das geschützte Werk- - so der BGH 164 - - nicht öffentlich zugänglich gemacht, sondern lediglich der bereits eröffnete Zugang zu dem Werk erleichtert. Auch die „Einbettung eines auf einer Internetseite mit Zustimmung des Urheberrechtsinhabers für alle Internetnutzer frei zugänglichen Werkes in eine eigene Internetseite im Wege des ‚Framing‘ stellt grundsätzlich keine öffentliche Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG“ bzw. Art. 3 Abs. 1 InfoSoc- RL dar. 165 Allerdings hat der E u GH 166 klargestellt, dass die Bereitstellung von anklickbaren Links zu geschützten Werken durchaus als „Zugänglichmachung“ und „Handlung der Wiedergabe“ i. S. v. Art. 3 der Richtlinie 2011 / 29 / EG einzustufen sei, allerdings falle diese nur dann unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“, wenn „sie sich an ein neues Publikum“ richte, „d. h. an ein Publikum, das die Inhaber des Urheberrechts nicht hatten erfassen wollen, als sie die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubten“. Ferner liege ein Eingriff in das Urheberrecht durch öffentliche Wiedergabe vor, wenn ein Hyperlink auf geschützte Werke verlinkt, die auf einer anderen Website ohne Erlaubnis des Urhebers frei zugänglich sind, zumindest wenn die Verlinkung mit Gewinnabzielungsabsicht erfolgt. 167 Durch diese Entscheidungen wird im Ergebnis also bestätigt, dass auch ohne Einwilligung des Urheberrechtsinhabers über Hyperlinks auf geschützte Werke verwiesen werden darf, sofern diese dort frei und mit Einwilligung des Urhebers zugänglich sind. Demgegenüber liegt ein zustimmungsbedürftiges öffentliches Zugänglichmachen i. S. v. § 19a UrhG vor, wenn Nutzer Musikdateien auf den Server eines Host-Providers („File-Hosting-Dienst“) hochladen und dort über von diesen gleichfalls eingestellte Linksammlungen (Download-Links) für Dritte auffindbar machen. 168 Auch beim Streaming liegt eine Nutzungshandlung i. S. v. § 19a UrhG vor, wenn der Nutzer das geschützte Werk „von Orten und zu Zeiten seiner Wahl“ nur anhören bzw. anschauen, 163 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08, „Vorschaubilder“. 164 BGH v. 17. 7. 2003, I ZR 259 / 00, „Paperboy“; ferner BGH v. 17. 9. 2017, Az. I ZR 11 / 16 „Vorschaubilder III “; anders beim Setzen eines Hyperlinks unter Umgehung technischer Schutzmaßnahmen-- BGH v. 29. 04. 2010, Az. I ZR 39 / 08 „Session- ID “. 165 BGH v. 9. 7. 2015, Az. I ZR 46 / 12 „Die Realität II “; ferner Eu GH v. 2. 10. 2014, Rs. C-348 / 13 „Bestwater“. 166 Eu GH v. 13. 2. 2014, Rs. C-466 / 12, „Svensson u. a./ Retriever Sverige AB “. 167 Eu GH v. 8. 9. 2016, Rs. C-160 / 15 „ GS Media BV “. 168 BGH v. 15. 8. 2013, I ZR 80 / 12, „File-Hosting-Dienst“; zur öffentlichen Wiedergabe auf Filesharing-Plattformen ferner Eu GH v. 14. 6. 2017, Rs. C-610 / 15 „Stichting Brein / Ziggo BV “ . 424 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson jedoch nicht herunterladen kann („On-Demand-Streaming“). Demgegenüber soll das Live- Streaming, bei dem der Zeitpunkt der Übertragung und die Reihenfolge der übermittelten Inhalte vorgegeben sind, dem Senderecht i. S. v. § 20 UrhG unterfallen. 169 d) Öffentlichkeit der Wiedergabe Im Zusammenhang mit dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG) als exemplarischem Fall eines Rechts der öffentlichen Werkwiedergabe ist ferner die im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 neu gefasste Definition der Öffentlichkeit (§ 15 Abs. 3 UrhG) von Bedeutung. Sie entspricht inhaltlich im Wesentlichen dem zuvor geltenden Recht, sie ist jedoch ausführlicher und um eine klarere Formulierung bemüht. 170 Die Wiedergabe ist danach „… öffentlich, wenn sie für eine Mehrzahl von Mitgliedern der Öffentlichkeit bestimmt ist. Zur Öffentlichkeit gehört jeder, der nicht mit demjenigen, der das Werk verwertet, oder mit den anderen Personen, denen das Werk in unkörperlicher Form wahrnehmbar oder zugänglich gemacht wird, durch persönliche Beziehungen verbunden ist.“ Nach dem Verständnis des Gesetzgebers können Beziehungen, die im Wesentlichen nur in einer technischen Verbindung zu einer Werknutzung liegen, etwa im Rahmen sog. Filesharing-Systeme, in der Regel für sich allein genommen keine persönliche Verbundenheit begründen. Vielmehr müsse eine persönliche Verbundenheit unabhängig von dieser rein technischen Verbindung bestehen, um eine Öffentlichkeit auszuschließen. 171 Mit anderen Worten: All die im Zusammenhang mit dem kostenlosen online-Zugriff auf Musik bekannt gewordenen Formen der Musikpiraterie, wie „Napster“, „Midi-Files“ oder kommerzielle Formen der peer-to-peer-Vermittlung, wie die Musikbörse „Kazaa“, finden nicht unter Ausschluss einer (im urheberrechtlichen Sinne definierten) Öffentlichkeit statt, sondern greifen in das seit der Novelle 2003 ausdrücklich anerkannte Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung ein. Dieses Verständnis steht im Einklang mit der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Eu GH , 172 nach der der Begriff der „Öffentlichkeit“ eine unbestimmte Anzahl möglicher Adressaten der Wiedergabe umfasst und zudem recht viele Personen voraussetzt, wobei durch das Attribut der „Unbestimmtheit“ der adressierten Öffentlichkeit klargestellt sei, dass es um die Zugänglichmachung eines Werks für „Personen allgemein“ gehe und nicht um die Wiedergabe für besondere Personen, die einer privaten Gruppe angehören. Die sich nach alter Rechtslage im Zusammenhang mit der Einordnung von Online-Verwertungshandlungen mit Blick auf den Öffentlichkeitsbegriff ergebenden Unsicherheiten wurden durch dessen Neufassung beseitigt. Begründungsprobleme ergaben sich insoweit nach alter Rechtslage daraus, dass eine öffentliche Werkwiedergabe nach herkömmlichem Verständnis voraussetzte, dass die Adressaten der Werkvermittlung gleichzeitig erreicht werden. Durch die Kennzeichnung des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung als eines Rechtes, das Werk „in einer Weise zugänglich zu machen, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist“, ist durch die Neufassung klargestellt, dass ein zu unterschiedlichen Zeiten erfolgender 169 Dreier / Schulze, § 19a Rdn. 6; § 20 Rdn. 13 ff., 16. 170 BT -Drucks. 15 / 38, S. 17. 171 Vgl. BT -Drucks. 15 / 38, S. 17. 172 Eu GH v. 3. 5. 2016, Rs. C-117 / 15 „Reha Training Gesellschaft“. 425 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson Zugriff einzelner Nutzer auf das Werk ausreicht, und, dass es auf eine gleichzeitige Öffentlichkeit nicht ankommt. 173 3. Exkurs: Internettypische Benutzungshandlungen Die Frage nach der urheberrechtlichen Relevanz von Benutzungshandlungen von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet, stellt sich sowohl für Benutzungshandlungen desjenigen, der das Internet als einfacher Nutzer durch Zugriff auf im Internet verbreiteter Informationsangebote Dritter nutzt, als auch insbesondere für den Anbieter, der selbst Informationen im Internet präsentiert. 174 Im vorstehenden Zusammenhang soll die Betrachtung auf die wirtschaftlich bedeutsamere Einordnung von Benutzungshandlungen aus der Perspektive des Betreibers eines Web-Auftritts beschränkt werden. Hierbei ist vor dem Hintergrund der weitgehenden urheberrechtlichen Schutzfähigkeit des üblicherweise eingesetzten Content zu beachten, dass jeder, der einen Internet-Auftritt betreibt und bei der Realisierung nicht ausschließlich selbst erstelltes Material verwendet, sondern auf solches Dritter zurückgreift, zu prüfen hat, ob dieses Material (Texte, Fotos, Videos, Musik etc.) urheberrechtlichem Schutz unterliegt und ggf., welche Nutzungsrechte er für die Realisierung seines Internet-Auftritts benötigt. Naheliegend bei der Verwendung urheberrechtlich geschützten Materials Dritter ist stets, dass die Verwendung einen Eingriff in das Vervielfältigungsrecht des Urhebers darstellt. Hierunter fallen insbesondere folgende typische Benutzungshandlungen: ▶ die Speicherung auf einem Datenträger (Diskette, CD , Festplatte oder einem anderen Datenträger zur Speicherung digitalisierter Daten); ▶ Digitalisierung eines Werks (z. B. Einscannen eines Textes, Fotografieren eines Bildes mit Digitalkamera; Digitalaufnahme von Musik etc.); ▶ das Uploading der Daten auf den Server des Webhost und ▶ das Downloading von Daten auf die Festplatte des eigenen Computers. Wer als Betreiber für die Gestaltung seines Web-Auftrittes urheberrechtlich geschützte Werke Dritter verwendet, bedarf hierzu also-- sofern nicht ausnahmsweise zu seinen Gunsten eine urheberrechtliche Schrankenbestimmung eingreift (hierzu nachfolgend § 72)-- grundsätzlich bereits unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das ausschließliche Vervielfältigungsrecht der Zustimmung des jeweiligen Urhebers bzw. des jeweiligen Leistungsschutzberechtigten (z. B. Datenbankherstellers, Film- oder Tonträgerhersteller), da bereits mit der Erstellung des Web-Auftritts typischerweise Benutzungshandlungen verbunden sind, die als Vervielfältigungen zu qualifizieren sind (i. S. v. § 16 UrhG). Vor allem jedoch erfolgt mit der Bereitstellung der Website zum elektronischen Abruf im Internet darüber hinaus ein zustimmungspflichtiger Eingriff in das „Online-Verwertungsrecht“ der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG). 173 Lehmann, CR 2003, 553, 555; BT -Drucks. 15 / 38, S. 17. 174 Zur diesbezüglichen Differenzierung vgl. u. a. Bechtold, ZUM 1997, 427 ff. 426 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson III. Schutzgegenstand Der Schutz des Urheberrechts knüpft, wie das Immaterialgüterrecht allgemein, nicht am geistigen Schaffensprozess an sich, sondern an dessen Ergebnis-- dem Werk-- an (vgl. bereits o. § 5 I.). Erst dadurch, dass der durch die schöpferische Tätigkeit des Urhebers zum Ausdruck gebrachte geistige Gehalt in eine bestimmte Form gebracht wird, entsteht ein hinreichend abgegrenzter geistiger Gegenstand, der als taugliches Rechtsobjekt in Betracht kommt und geeignet ist, den Wert der Schaffenstätigkeit zu vermitteln. 1. Mitteilungsform Der Wert, die Bereicherung des Werks liegt, entsprechend seinem Wesen, meist in der Vermittlung des Werkgenusses, d. h. in der durch Einwirkung auf die menschlichen Sinne bedingten Eignung im Bewusstsein des aufnehmenden Geistes Gedanken, Eindrücke, Empfindungen, Gefühle etc. zu bewirken und damit der „Befriedigung eines geistigen Bedürfnisses“ zu dienen. 175 Kennzeichnend für die Werke als Schutzgegenstand des Urheberrechts ist daher traditionell ihre Mitteilungsform, die den individuellen Schöpfungsgedanken in einer zur Aufnahme durch die menschlichen Sinne-- im Wesentlichen durch die Augen und das Gehör-- geeigneten Form zum Ausdruck bringt (z. B. Lesen eines Romans, Hören eines Konzerts, Betrachten eines Gemäldes, Anschauen eines Films etc.). Hierin unterscheidet sich das Urheberrecht vom Schutz der technischen Erfindungen, bei denen es sich im Kern um technische, einem Gebrauchszweck dienende Problemlösungen handelt. Der Patent- und Gebrauchsmusterschutz knüpft daher auch nicht etwa an die Mitteilungsform der Erfindung (z. B. die visuelle Wirkung einer Maschine auf die menschlichen Sinne), sondern an deren Ausführungsform an, in der der Erfindungsgedanke seine technische Wirkung, gewerbliche Verwertbarkeit und seinen wirtschaftlichen Wert entfaltet (z. B. an die Lehre zur Konstruktion einer Maschine, vermittels derer die Benutzung der technischen Problemlösung ermöglicht wird). Das Anknüpfen des urheberrechtlichen Schutzes an die Mitteilungsform entspricht der Funktion des Urheberrechts, dem „Schutz qualifizierter menschlicher Kommunikation“ zu dienen (vgl. hierzu bereits o. § 67). 2. Individualität und geistiges Gemeingut Die Individualität des Werkes ist nicht nur materielle Schutzvoraussetzung (s. o. § 68 I. 5.), sie begründet auch die Schutzwürdigkeit des Werks und ist damit maßgeblich für die Bestimmung des Schutzgegenstandes und des Schutzumfanges des Urheberrechtsschutzes. 176 Nur soweit das Werk durch die Individualität geprägt ist, ist es gerechtfertigt, dieses in rechtlicher Hinsicht dem Urheber als Schutzgegenstand ausschließlich zuzuordnen. Die Individualität ist, wie man sagt, „das Band“, das die Person des Urhebers mit dem Werk verbindet. Eine Verletzung des Urheberrechts- - sei es durch schlichte Kopie oder durch (abhängige) 175 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 31 Rdn. 93. 176 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 34; Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 52. 427 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson Benutzung oder Bearbeitung-- setzt daher stets voraus, dass das Werk vom Verletzer gerade in seinen individuellen Zügen übernommen wird. Von diesen unterschieden werden üblicherweise diejenigen, nicht individuellen Werkelemente, die den allgemein zugänglichen Quellen geistigen Schaffens, dem sog. geistigen Gemeingut, zugehören. 177 Zum frei benutzbaren, vom Urheberrechtsschutz nicht erfassten Gemeingut gehören zunächst alle Werkelemente, mit denen der Urheber bei seinem Werkschaffen auf vorgegebene, von ihm vorgefundene geistige und materielle Gegenstände zurückgreift. Zum Gemeingut zählt somit vor allem all das, was dem Schaffenden durch Natur, Geschichte und Gesellschaft vorgegeben ist. Daher ist etwa die in einem Gemälde dargestellte Landschaft (z. B. das Matterhorn) oder ein literarisch beschriebenes, historisches Ereignis (z. B. der Sturm auf die Bastille) jederzeit frei, erneut Gegenstand künstlerisch-literarischen Schaffens zu sein. 178 Vom Urheberrechtsschutz erfasst ist hingegen, was der Werkschöpfer aus sich selbst heraus, aus seinen individuellen Anlagen und Fähigkeiten den freien Quellen hinzufügt. 179 Zu denken ist z. B. bei einem Gemälde an Bildaufbau, Linienführung, Farbkomposition und Verfremdungen, beim literarischen Werk an den individuellen Satzbau, die Ausdrucksweise, die phantasievolle Verfremdung einer historischen Vorlage etc. Vorgegeben und daher frei benutzbares Gemeingut sind ferner auch Werkelemente, die aus sog. freien Werken übernommen wurden. Ein freies Werk, das keinem Urheberrechtsschutz unterliegt, kann vorliegen, weil es an einer „persönlich-geistigen Schöpfung“ fehlt oder, weil zum Zeitpunkt der Werkschöpfung Urheberrechtsschutz noch nicht bestand (z. B. bei Gemälden alter Meister) oder bei vom Urheberrechtsschutz ursprünglich erfassten Werken, weil die Schutzfrist inzwischen abgelaufen ist. Dementsprechend hat der BGH festgestellt, dass die Nachbildung eines aus dem 15. Jahrhundert stammenden Werks der bildenden Kunst aus urheberrechtlichen Gründen niemandem verwehrt werden kann. 180 3. Form und Inhalt a) Werke der Literatur und Kunst Eine immer wieder im Zusammenhang mit der Bestimmung des urheberrechtlichen Schutzgegenstandes aufgeworfene Frage ist, ob eine Trennung der gemeinfreien Teile eines Werkes von denjenigen, die vom Urheberrechtsschutz erfasst werden, allgemein durch die Unterscheidung von Form und Inhalt vorgenommen werden kann. Konkret geht es um die Frage, ob Gegenstand des Urheberschutzes nur die Form des Werkes oder auch dessen Inhalt sein kann. Das Vorliegen eines Werkes setzt, wie erläutert (s. o. § 68 I. 4.), voraus, dass ein „Schöpfungsgedanke“ (geistiger Gehalt) des Urhebers eine sinnlich wahrnehmbare Form gefunden hat. Das Schöpferische des Werkes kann daher sowohl im Inhalt, etwa der Handlung eines Romans, sowie in der sog. inneren Form, etwa der Szenenfolge eines Dramas, der Anordnung und Gliederung des dargestellten Stoffes, als schließlich auch in der sog. äußeren Form des Werks, etwa dem Satzbau, der Ausdrucksweise eines Sprachwerks, der Linienführung eines 177 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 119; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 27 f. Rdn. 80. 178 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 119, 275. 179 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 27 Rdn. 78. 180 BGHZ 44, 288, 289-= GRUR 1966, 503, 505 „Apfel-Madonna“. 428 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Gemäldes, Gestalt gewinnen. 181 Während man früher überwiegend davon ausging, dass Werke der Literatur und Kunst im Hinblick auf die Freiheit der Gedanken nur in ihrer Form, nicht aber in ihrem Inhalt geschützt sind, ist heute allgemein anerkannt, dass grundsätzlich auch inhaltliche Werkelemente vom Urheberrechtsschutz erfasst werden können. 182 b) Wissenschaftliche Werke Die allseits anerkannte Möglichkeit, auch inhaltliche Werkelemente als individualitäts-, d. h. schutzbegründend und damit als vom Schutz erfasst bei der urheberrechtlichen Beurteilung zu berücksichtigen, erfährt jedoch eine bedeutsame Einschränkung beim wissenschaftlichen Werk. Insoweit erweitert sich mit Rücksicht auf die Freiheit der geistigen Auseinandersetzung der Kreis des literarischen Gemeinguts, was dazu führt, dass der Inhalt von Gedanken, Lehren und Theorien aus dem Urheberschutz ausscheidet. 183 Der Inhalt wissenschaftlicher Werke-- wissenschaftliche Systeme, Lehren und Theorien, das wissenschaftliche Ergebnis- - ist daher nach h.M. urheberrechtlich frei und jedermann zugänglich. 184 Die Freiheit des Inhalts wissenschaftlicher Werke, auch und gerade sofern es sich dabei um neue erstmals offenbarte Gedanken, Theorien und Erkenntnisse handelt, ist im Interesse von Forschung und Lehre und des darauf beruhenden Fortschritts unverzichtbar. 185 Für den Bereich wissenschaftlichtechnischer Werke folgt der Ausschluss des Inhalts, der technischen Lehre als solcher vom Urheberrechtsschutz, darüber hinaus aus der gebotenen Abgrenzung des Urheberrechts gegenüber den technischen Schutzrechten. 186 Da der Sinngehalt wissenschaftlicher Lehren und Theorien danach als Gegenstand des Urheberrechtsschutzes nicht in Betracht kommt, findet die Urheberrechtsschutzfähigkeit bei Werken wissenschaftlichen und technischen Inhalts (Sprachwerken nach § 2 Abs. Nr. 1 UrhG und Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 UrhG) ihre Grundlage allein in der individuellen Form der konkreten Gestaltung und Darstellung, in der die Lehre bzw. der Gedankeninhalt dargestellt wird. 187 Voraussetzung für die Schutzfähigkeit ist insoweit, dass die fragliche Darstellung und Gestaltung nicht aus wissenschaftlichen Gründen in der konkreten Form notwendig und üblich ist, da ansonsten das Vorliegen der für einen Schutz erforderlichen Individualität zu verneinen ist. 188 181 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 28 Rdn. 84 ff. 182 Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 76 ff., 78 m. w. Nachw. 183 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 120, 123. 184 Vgl. hierzu Schricker / Loewenheim, § 2 Rdn. 82 ff. m. w. Nachw. 185 Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, S. 275. 186 BGH GRUR 1979, 464, 465 „Flughafenpläne“; BGH GRUR 1984, 659, 660 „Ausschreibungsunterlagen“. 187 BGH GRUR 1981, 520, 522 „Fragensammlung“; GRUR 1984, 659, 660 „Ausschreibungsunterlagen“; GRUR 1986, 1939, 1940 „Anwaltsschriftsatz“. 188 BGH GRUR 1981, 352, 353 „Staatsexamensarbeit“; BGH GRUR 1985, 1041, 1047 „Inkasso-Programm“. 429 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson IV. Schutzumfang Der Schutz des Urheberrechts wäre stark entwertet, würde er sich nur auf die eine Konkretisierung des Schöpfungsgedankens erstrecken, wie sie gerade im Werk zum Ausdruck kommt. Jedem Dritten wäre es möglich, die Wirkungen des Urheberrechtsschutzes bei der Übernahme des Werkes durch geringfügige Änderungen zu umgehen. Auch im Urheberrecht ist daher, wie bei den gewerblichen Schutzrechten, zwischen dem Schutzgegenstand und dem Schutzumfang zu unterscheiden. Als Schutzgegenstand des Urheberrechts sind, wie zuvor gesehen ( III . 2.), die dem Urheber zugeordneten individuellen Werkelemente anzusehen. Darüber hinaus erstreckt sich der Schutzumfang des Urheberrechts auf sämtliche Umgestaltungen des Werkes, die-- sei es als Bearbeitung oder andere Umgestaltung (§ 23 UrhG)-- aufgrund ihres geringen Abstandes von der umgestalteten Vorlage vom Urheberrecht am Original abhängig sind. Außerhalb des Schutzumfangs liegen demgegenüber erst solche Schaffensergebnisse, die sich als freie Benutzung (§ 24 UrhG) so weit von der Vorlage gelöst haben, dass sie als selbständige, vom Urheberrecht an der Vorlage völlig unabhängige Neuschöpfung anzusehen sind. Entscheidend für die Bestimmung des Schutzumfangs ist, wie bereits im Zusammenhang mit der Erörterung des Bearbeiterurheberrechts (§ 3 UrhG) erörtert (vgl. § 69 IX .), mithin der Abstand einer Umarbeitung vom Original. V. Schutzdauer Als zeitliche Dimension des Schutzumfangs lässt sich die Schutzdauer begreifen, die sich regelmäßig auf eine Zeitspanne von siebzig Jahren nach dem Tode des Urhebers (lat.: post mortem auctoris) beläuft (§ 64 UrhG). Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern zu (§ 8 UrhG), so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tod des längstlebenden Miturhebers (§ 65 Abs. 1 UrhG). Bei Filmwerken erlischt das Urheberrecht gemäß § 65 Abs. 2 UrhG siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden von vier Filmschaffenden (Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik). Die Schutzdauer einer Musikkomposition mit Text erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Verfasser des Textes, Komponist der Musikkomposition, sofern beide Beiträge eigens für die betreffende Musikkomposition mit Text geschaffen wurden. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Personen als Miturheber ausgewiesen sind (§ 65 Abs. 3 UrhG). 189 Für die Fristberechnung gilt, dass die fraglichen Fristen mit dem Ablauf des Kalenderjahres beginnen, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis-- der Tod der Urhebers, des längstlebenden Miturhebers, des längstlebenden Filmschaffenden-- eingetreten ist (§ 69 UrhG). Nach Ablauf der Schutzfrist wird das Werk gemeinfrei. 189 § 65 Abs. 3 UrhG neu eingefügt durch Neuntes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 2. 7. 2013. 430 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten Schutzrecht Schutzdauer Gesetzliche Regelung (Urh RG ) Urheberrechte Teil 1 Abschnitt 7 Werkschutz allgemein 70 Jahre p. m. a. § 64 Miturheber (i. S. v. § 8 UrhG) 70 Jahre nach dem Tode des Längstlebenden. § 65 Abs. 1 Filmwerke und ähnliche Werke 70 Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik. § 65 Abs. 2 Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten Schutzrecht Schutzdauer Gesetzliche Regelung (Urh RG ) Musikkomposition mit Text 70 Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Verfasser des Textes, Komponist der Musikkomposition, sofern beide Beiträge eigens für die betreffende Musikkomposition mit Text geschaffen wurden. Dies gilt unabhängig davon, ob diese Personen als Miturheber ausgewiesen sind. § 65 Abs. 3 Anonyme und pseudonyme Werke 70 Jahre nach der Veröffentlichung. Es erlischt jedoch bereits siebzig Jahre nach der Schaffung des Werkes, wenn das Werk innerhalb dieser Frist nicht veröffentlicht worden ist. § 66 Abs. 1 (Bei Offenbarung der Identität vgl. § 66 Abs. 2, 3) Lieferungswerke Bei Werken, die in inhaltlich nicht abgeschlossenen Teilen (Lieferungen) veröffentlicht werden, berechnet sich im Falle des § 66 Abs. 1 Satz 1 die Schutzfrist einer jeden Lieferung gesondert ab dem Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung. § 67 Fristberechnung Die Fristen des Siebten Abschnitts (§§ 64 ff. UrhG) beginnen mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das für den Beginn der Frist maßgebende Ereignis eingetreten ist. § 69 Leistungsschutzrechte Teil 2 Wissenschaftliche Ausgaben Das Recht erlischt 25 Jahre nach dem Erscheinen der Ausgabe, jedoch bereits 25 Jahre nach der Herstellung, wenn die Ausgabe innerhalb dieser Frist nicht erschienen ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 70 Abs. 3 Nachgelassene Werke Das Recht erlischt 25 Jahre nach dem Erscheinen des Werkes oder, wenn seine erste öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 71 Abs. 3 Lichtbilder Das Recht des Lichtbildners nach § 72 Absatz 1 erlischt 50 Jahre nach dem Erscheinen des Lichtbildes oder, wenn seine erste erlaubte öffentliche Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits fünfzig Jahre nach der Herstellung, wenn das Lichtbild innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise öffentlich wiedergegeben worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 72 Abs. 3 431 § 71 Inhalt des Urheberrechts Pierson Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten Schutzrecht Schutzdauer Gesetzliche Regelung (Urh RG ) Rechte des ausübenden Künstlers Persönlichkeitsrechte: Die in den §§ 74 und 75 bezeichneten Rechte erlöschen mit dem Tode des ausübenden Künstlers, jedoch erst 50 Jahre nach der Darbietung, wenn der ausübende Künstler vor Ablauf dieser Frist verstorben ist, sowie nicht vor Ablauf der für die Verwertungsrechte nach § 82 geltenden Frist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. Verwertungsrechte: Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers auf einem Tonträger aufgezeichnet worden, so erlöschen die in den §§ 77 und 78 bezeichneten Rechte des ausübenden Künstlers 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers, oder wenn dessen erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 70 Jahre nach dieser. Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers nicht auf einem Tonträger aufgezeichnet worden, so erlöschen die in den §§ 77 und 78 bezeichneten Rechte des ausübenden Künstlers 50 Jahre nach dem Erscheinen der Aufzeichnung, oder wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 50 Jahre nach dieser. Die Rechte des ausübenden Künstlers erlöschen jedoch bereits 50 Jahre nach der Darbietung, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. Die Fristen sind nach § 69 zu berechnen. § 76 § 82 Abs. 1 § 85 Abs. 3 Rechte des Veranstalters 25 Jahre nach Erscheinen einer Aufzeichnung der Darbietung eines ausübenden Künstlers, oder wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 25 Jahre nach dieser. Die Rechte erlöschen bereits 25 Jahre nach der Darbietung, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. Die Fristen sind nach § 69 zu berechnen. § 82 Abs. 2 § 85 Abs. 3 Recht des Tonträgerherstellers 70 Jahre nach dem Erscheinen des Tonträgers. Ist der Tonträger innerhalb von 50 Jahren nach der Herstellung nicht erschienen, aber erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 70 Jahre nach dieser. Ist der Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden, so erlischt das Recht 50 Jahre nach der Herstellung des Tonträgers. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 85 Abs. 3 432 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten Schutzrecht Schutzdauer Gesetzliche Regelung (Urh RG ) Recht des Sendeunternehmens Das Recht erlischt 50 Jahre nach der ersten Funksendung. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 87 Abs. 3 Rechte des Datenbankherstellers Die Rechte des Datenbankherstellers erlöschen 15 Jahre nach der Veröffentlichung der Datenbank, jedoch bereits 15 Jahre nach der Herstellung, wenn die Datenbank innerhalb dieser Frist nicht veröffentlicht worden ist. Die Frist ist nach § 69 zu berechnen. § 87d Recht des Presseverlegers Das Recht erlischt ein Jahr nach der Veröffentlichung des Presseerzeugnisses. § 87g Abs. 2 Recht des Filmherstellers Das Recht erlischt 50 Jahre nach dem Erscheinen des Bildträgers oder Bild- und Tonträgers oder, wenn seine erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, nach dieser, jedoch bereits 50 Jahre nach der Herstellung, wenn der Bildträger oder Bild- und Tonträger innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist. § 94 Abs. 3, § 95 Abb. 8: Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten § 72 Schranken des Urheberrechts I. Allgemeines Verständnis In unmittelbarem Zusammenhang mit den umfassenden Rechten, die das Gesetz dem Urheber an seinem Werk einräumt (s. § 71 II .), sind die „Schranken des Urheberrechts“ zu sehen, denen im Urheberrechtsgesetz ein ganzer Abschnitt gewidmet ist (6. Abschnitt: §§ 44a ff.). Aus der Sicht des Urhebers, dessen ausschließliche Rechte durch diese Regelungen beschnitten werden, spricht man von Schranken; aus Sicht der Nutzer, denen bestimmte Nutzungshandlungen gestattet werden, stellen sich diese Schranken als Privilegien dar, man spricht daher insoweit auch von privilegierten Nutzungshandlungen. Wie bereits eingangs dargestellt (§ 6 I.), unterfällt das Urheberrecht mit seinen vermögenswerten Bestandteilen der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 GG ) und unterliegt als „geistiges Eigentum“-- ebenso wie das Sacheigentum-- im Interesse der Allgemeinheit der Sozialbindung. Das dem Urheber durch das Urheberrecht vermittelte „Herrschaftsrecht“ über das Werk steht diesem daher nicht „schrankenlos“ zu. Vielmehr zielt das Urheberrecht auf einen fairen Interessenausgleich und eine ausgewogene Balance zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Urheber einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Werknutzung andererseits. Das Eingreifen einer Schranke hat zur Folge, dass hinsichtlich des durch die jeweilige Schrankenbestimmung privilegierten Tatbestandes ein Verbotsrecht des Urhebers nicht besteht. Bei der Ausgestaltung der Schranken hat der nationale Gesetzgeber den völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Rechtsrahmen zu beachten. Grundlegende Bedeutung kommt insoweit 433 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson dem sowohl in den einschlägigen völkerrechtlichen Übereinkommen 190 als auch im Unionsrecht 191 verankerten Dreistufentest zu. Nach diesem dürfen Ausnahmen und Beschränkungen von Rechten (1) nur in bestimmten Sonderfällen angewandt werden, in denen (2) die normale Verwertung des Werks oder des sonstigen Schutzgegenstands nicht beeinträchtigt wird und (3) die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden. II. Die urheberrechtlichen Schranken im Überblick In der Vergangenheit gestaltete sich der Zugang zu einem Verständnis der urheberrechtlichen Schrankenregelungen mangels einer gesetzlichen Systematik des fraglichen Regelungsabschnitts (Teil 1, 6. Abschnitt, §§ 44a ff.) und einer Vielzahl z. T. sehr kleinteiliger spezieller Schrankentatbestände als äußerst schwierig. Im Rahmen des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz v. 1. 9. 2017 hat sich der Gesetzgeber insoweit um Abhilfe bemüht. So hat er die nach altem Recht auf eine Vielzahl von Vorschriften verteilten Schrankenbestimmungen zugunsten von Unterricht, Wissenschaft und besonderer Einrichtungen (Bibliotheken, Museen, Archive etc.) gebündelt und in einem eigenen Unterabschnitt (Unterabschnitt 4, §§ 60a bis 60h) zusammengefasst. Zudem hat er die Reform genutzt, um die Schrankenbestimmungen des gesamten-- jetzt in sechs Unterabschnitte unterteilten-- 6. Abschnitts neu zu ordnen, um dem Gesetzesanwender die Orientierung in der komplexen Materie der urheberrechtlichen Schranken zu erleichtern. 192 Auch der von der EU -Kommission im Kontext ihrer Strategie für einen digitalen Binnenmarkt („Digital Single Market“) vorgelegte Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt 193 (kurz „ DSM -UrhR- RL ) sieht neue Erlaubnistatbestände (Art. 3 bis 5) vor. Der deutsche Gesetzgeber hat sich jedoch dagegen entschieden, den Ausgang dieses Reformprozesses abzuwarten und die Vorschriften über gesetzliche Erlaubnisse (Schranken) auf der Grundlage des geltenden Unionsrechts ausgestaltet und dabei späteren Anpassungsbedarf in Kauf genommen. 194 Was die Ausgestaltung urheberrechtlicher Schrankenbestimmungen angeht, sind zwei Arten von Schranken zu unterscheiden: die gesetzliche Lizenz (nachfolgend kurz „ GL “), bei der bestimmte Nutzungen ohne Einwilligung des Urhebers zulässig sind, bei der aber ein Anspruch des Urhebers auf eine angemessene Vergütung besteht, und die Freistellung (nachfolgend kurz „ FS “), bei der die Nutzung nicht nur erlaubnisfrei, sondern auch vergütungsfrei zugelassen ist. Im Falle der gesetzlichen Lizenz werden die Ansprüche des Urhebers auf eine angemessene Vergütung, auf die der Urheber im Voraus nicht verzichten kann (§ 63a S. 1), in der Praxis durchweg von Verwertungsgesellschaften wahrgenommen. 195 Das Recht der Verwertungsgesellschaften ist im Verwertungsgesellschaftengesetz ( VGG ) 196 geregelt, das der 190 Art. 9 Abs. 2 RBÜ , Art. 10 WCT , Art. 16 Abs. 2 WPPT , Art. 13 TRIPS . 191 Art. 5 Abs. 5 Info-Soc- RL 2001 / 29 / EG , Art. 6 Abs. 3 Datenbank- RL 96 / 9 / EG ; Art. 6 Abs. 3 Computerprogramm- RL 2009 / 24 / EG . 192 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 21. 193 Vom 14. 9. 2016, COM (2016) 593 final. 194 Vgl. BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 26; zustimmend de la Durantaye, GRUR 2017, 558, 561. 195 Rehbinder / Peukert, S. 186 ff., Rdn. 594 ff. 196 Gesetz über die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten durch Verwertungsgesellschaften v. 24. 5. 2016 (Verwertungsgesellschaftengesetz-- VGG ). 434 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Umsetzung entsprechender unionsrechtlicher Vorgaben 197 dient und das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz abgelöst hat. Bei einer Verwertungsgesellschaft handelt es sich nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung (§ 2 Abs. 1 VGG ) „um eine Organisation, die gesetzlich oder auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher Zweck es ist, für Rechnung mehrerer Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte zu deren kollektiven Nutzen wahrzunehmen, gleichviel, ob im eigenen oder fremden Namen.“ In der überwiegenden Anzahl der Fälle beruht die Wahrnehmung der gesetzlichen Vergütungsansprüche durch eine Verwertungsgesellschaft auf einer entsprechenden Anordnung des Gesetzgebers (sog. Verwertungsgesellschaftenpflichtigkeit- - nachfolgend kurz „ VG pflichtig“). Die nachfolgende Übersicht (Abb. 9) gibt einen Überblick über sämtliche Schrankenbestimmungen des 6. Abschnitts und skizziert deren wesentlichen Regelungsgehalt. Eine ausführlichere Erläuterung einer Auswahl bedeutender Schranken bleibt dem nachfolgenden Abschnitt (s. u. III .) vorbehalten. Urheberrechtsgesetz Teil 1 Abschnitt 6 Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen (§§ 44a - 63a UrhG) (Art der Schranke: FS = Freistellung; GL = gesetzliche Lizenz) Unterabschnitt 1: Gesetzlich erlaubte Nutzungen (§§ 44a - 53a) § 44a Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 1. FS § 45 Rechtspflege und öffentliche Sicherheit: Erlaubnisfreie und vergütungsfreie Vervielfältigung von Werken zur Verwendung in Verfahren vor einem Gericht, einem Schiedsgericht oder einer Behörde (Absatz 1), für Zwecke der Rechtspflege und öffentlichen Sicherheit auch Vervielfältigung von Bildnissen durch Gerichte und Behörden (Absatz 2). Unter den gleichen Voraussetzungen wie die Vervielfältigung privilegiert ferner die Verbreitung, öffentliche Ausstellung und öffentliche Wiedergabe der Werke (Absatz 3). FS § 45a Behinderte Menschen: 198 Erlaubnisfreie, nicht Erwerbszwecken dienende Vervielfältigung und Verbreitung von Werken zugunsten Behinderter, soweit diesen Zugang zum Werk andernfalls nicht möglich oder erheblich erschwert ist. Beispiel: Tonaufnahme von Literatur für Blinde. GL VG -pflichtig 197 Richtlinie 2014 / 26 / EU v. 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online- Nutzung im Binnenmarkt. 198 Zur aktuellen Rechtsentwicklung im Bereich dieser Schranke vgl. das WIPO -Übereinkommen von Marrakesch v. 27. 6. 2013 zur Erleichterung des Zugangs zu veröffentlichten Werken für blinde, sehbehinderte oder anderweitig lesebehinderte Menschen sowie die zur Umsetzung des Übereinkommens seitens der EU unterbreitete Verordnung ( EU ) 2017 / 1563 (Marrakesch- VO ) und die Richtlinie ( EU ) 2017 / 1564 (Marrakesch- RL ), jeweils v. 13. 9. 2017; ferner den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie v. 25. 4. 2018 (Referentenentwurf), der vorsieht, die bereits bestehende gesetzliche Erlaubnis für den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu urheberrechtlich geschützten Inhalten in § 45a des Urheberrechtsgesetzes (UrhG) durch neue Regelungen (§§ 45b bis 45d UrhG-E) zu ergänzen. 435 § 72 Schranken des Urheberrechts Urheberrechtsgesetz Teil 1 Abschnitt 6 Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen (§§ 44a - 63a UrhG) (Art der Schranke: FS = Freistellung; GL = gesetzliche Lizenz) § 46 Sammlungen für den religiösen Gebrauch: Erlaubnisfreie, aber vergütungspflichtige Verwertung von Werksammlungen nur für den Gebrauch während religiöser Feierlichkeiten, die durch eine deutliche Angabe als solche gekennzeichnet sind. Die nach alter Rechtslage den „Kirchengebrauch“ betreffende Schranke wurde im Zuge des UrhWissG religionsneutral gefasst, ferner wurde die vormals gleichfalls in § 46 geregelte Schranke für die Erstellung von Sammlungen für den Unterrichtsgebrauch in § 60b ausgegliedert. GL § 47 Schulfunksendungen: Erlaubnisfreie Herstellung von Vervielfältigungstücken von Schulfunksendungen für die Verwendung im Unterricht an Schulen und Einrichtungen der Lehrerbildung und -fortbildung. Vergütungsfreiheit zeitlich befristet (vgl. § 47 Abs. 2 S. 2 UrhG). FS § 48 Öffentliche Reden: Erlaubnis- und vergütungsfreie Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe von bei öffentlichen Versammlungen gehaltenen oder durch öffentliche Wiedergabe i. S. v. §§ 19a, 20 veröffentlichten Reden über Tagesfragen (§ 48 Abs. 1 Ziff. 1) sowie von Reden, die bei öffentlichen Verhandlungen vor staatlichen, kommunalen oder kirchlichen Organen gehalten werden (§ 48 Abs. 1 Ziff. 2). Beispiele: Parlamentsreden von Politikern, Plädoyers vor Gericht. Ausnahme: Reden i. S. v. Abs.1 Ziff. 2 in Form einer Sammlung, die überwiegend Reden eines Urhebers enthält (§ 48 Abs. 2). FS § 49 Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare: Beschränkung des Urheberrechts an Zeitungsartikeln und Rundfunkberichten. → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 2. GL VG -pflichtig (§ 49 Abs. 1) FS (§ 49 Abs. 2) § 50 Berichterstattung über Tagesereignisse: Zur Berichterstattung über Tagesereignisse durch Medien beliebiger Art erlaubnis- und vergütungsfreie Nutzung von Werken, die im Verlauf dieser Ereignisse wahrnehmbar werden, in einem durch den Zweck gebotenen Umfang. Beispiele: Berichterstattung über Opernpremiere, Eröffnung einer Gemäldeausstellung, Filmpremiere (o. ä.). FS § 51 Zitate: Wichtige Schranke der sog. Zitierfreiheit → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 3. FS § 52 Öffentliche Wiedergabe: Erlaubnisfreie, aber vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes, wenn (1) die Wiedergabe keinem Erwerbszweck des Veranstalters dient, (2) die Teilnehmer ohne Entgelt zugelassen werden und (3) keiner der ausübenden Künstler eine Vergütung erhält (§ 52 Abs. 1 S. 1, 2). Bei Vorliegen dieser drei Voraussetzungen ist die öffentliche Wiedergabe genehmigungsfrei. Beispiel: Staatliche Gedenkfeierlichkeiten. Vergütungspflicht entfällt bei bestimmten Veranstaltungen, die im Hinblick auf soziale Zwecke (Jugendhilfe, Sozialhilfe, Alten- und Wohlfahrtspflege, Gefangenenbetreuung) privilegiert sind (§ 52 Abs. 1 S. 3). Nach alter Rechtslage bezog sich die Privilegierung gemäß § 52 Abs. 1 S. 3 auch auf Schulveranstaltungen, die jetzt in § 60a geregelt sind. Erlaubnisfreie, aber vergütungspflichtige öffentliche Wiedergabe auch bei Gottesdienst oder kirchlicher Feier (§ 52 Abs. 2). Ausnahmen: Keine Privilegierung für öffentliche bühnenmäßige Darstellungen, öffentliche Zugänglichmachungen und Funksendungen, Vorführungen eines Filmwerks (vgl. § 52 Abs. 3). grds. GL (§ 52 Abs. 1 S. 2, Abs. 2) ausnahmsweise FS (§ 52 Abs. 1 S. 3) § 52a Weggefallen (jetzt in überarbeiteter Fassung in §§ 60a und 60 c geregelt) § 52b Weggefallen (jetzt in veränderter Form in § 60e Abs. 4 geregelt) § 53 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch: Enthält insbesondere das Privileg der Privatkopie (§ 53 Abs. 1) sowie privilegierte Tatbestände des sonstigen eigenen Gebrauchs, nämlich der Aufnahme in eigenes Archiv, der eigenen Unterrichtung über Tagesfragen sowie des sonstigen eigenen Gebrauchs (§ 53 Abs. 2). → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 4. FS / GL 436 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Urheberrechtsgesetz Teil 1 Abschnitt 6 Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen (§§ 44a - 63a UrhG) (Art der Schranke: FS = Freistellung; GL = gesetzliche Lizenz) § 53a Weggefallen (jetzt in veränderter Form in § 60e Abs. 5 geregelt) Unterabschnitt 2: Vergütung der nach den §§ 53, 60a bis 60f erlaubten Vervielfältigungen §§ 54- 54h Vergütungspflicht der Hersteller von Geräten und Speichermedien für nach § 53 Abs. 1 oder 2 oder den §§ 60a bis 60f erlaubte Vervielfältigungen → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 5. GL VG -pflichtig Unterabschnitt 3: Weitere gesetzlich erlaubte Nutzungen § 55 Vervielfältigung durch Sendeunternehmen: Recht des zur Funksendung eines Werkes berechtigten Sendeunternehmens zu sog. ephemeren, d. h. nicht auf Dauer bestimmten Vervielfältigungen, die aus technischen Gründen bei Sendung über mehrere Sender erforderlich sind. FS § 55a Benutzung eines Datenbankwerkes → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 6. FS § 56 Vervielfältigung und öffentliche Wiedergabe in Geschäftsbetrieben: Im Interesse des Elektrohandels erlaubnis- und vergütungsfreies Nutzungsrecht von Geschäftsbetrieben, in denen Geräte zur Herstellung oder zur Wiedergabe von Bild- oder Tonträgern, zum Empfang von Funksendungen oder zur EDV vertrieben oder instand gesetzt werden [= Mediamärkte], soweit dies zur Vorführung oder Instandsetzung notwendig ist (sog. Ladenklausel). FS § 57 Unwesentliches Beiwerk: Erlaubnis- und vergütungsfreie Nutzung von Werken, die als unwesentliches Beiwerk neben dem eigentlichen Gegenstand der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe anzusehen sind. Beispiel: Filminterview im Büro eines Politikers, dabei zufällige Aufnahme des hinter dem Schreibtisch hängenden Gemäldes. FS § 58 Werbung für die Ausstellung und den öffentlichen Verkauf von Werken: Erlaubnis- und vergütungsfreie Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung von Werken der bildenden Kunst, von Lichtbildwerken und Filmwerken zugunsten des Veranstalters von Ausstellungen oder öffentlichen Verkaufsveranstaltungen zu Werbezwecken (sog. Katalogbildfreiheit). Die nach altem Recht in § 58 Abs. 2 enthaltene Privilegierung zur Erstellung von Verzeichnissen (Katalogen) zugunsten von Bibliotheken, Museen etc. ist jetzt in §§ 60e Abs. 3, 60 f Abs. 1 geregelt. FS § 59 Werke an öffentlichen Plätzen: Erlaubnisfreies und vergütungsfreies Recht, Werke, die sich bleibend an öffentlichen Wegen, Straßen oder Plätzen befinden, mit Mitteln der Malerei oder Graphik, durch Lichtbild oder durch Film zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben. Bei Bauwerken nur die äußere Ansicht von öffentlich zugänglicher Stelle aus (sog. Panoramafreiheit). Beispiel: Fotografie einer geschützten, auf einem öffentlichen Platz aufgestellten Skulptur. - Aber: Werke müssen vom öffentlichen Raum aus frei sichtbar sein, d. h. Luftaufnahmen, Leiter zur Überwindung einer Mauer etc. sind nicht freigestellt. FS § 60 Bildnisse: Einschränkung des Urheberrechts an einem auf Bestellung geschaffenen Bildnis (Personendarstellung - z. B. Porträtfotos). Zulässigkeit der Vervielfältigung sowie der unentgeltlichen und nicht zu gewerblichen Zwecken vorgenommenen Verbreitung, aber nicht der Online-Zugänglichmachung durch den Besteller des Bildnisses bzw. seinen Rechtsnachfolger oder durch den Abgebildeten oder nach dessen Tod durch Angehörige. 199 → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 7. FS 199 BGH , Urteil v. 5. 6. 2003, I ZR 192 / 00, GRUR 2003, 1035; NJW 2004, 594, LKM 3 / 2004, 51 mit Anm. Loewenheim. 437 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson Urheberrechtsgesetz Teil 1 Abschnitt 6 Schranken des Urheberrechts durch gesetzlich erlaubte Nutzungen (§§ 44a - 63a UrhG) (Art der Schranke: FS = Freistellung; GL = gesetzliche Lizenz) Unterabschnitt 4: Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen §§ 60a - 60h Erlaubte Nutzungen für Unterrecht, wissenschaftliche Forschung, Text und Data Mining, Bibliotheken, Archive, Museen und Bildungseinrichtungen: Durch das Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz v. 1. 9. 2017 neu aufgenommene Regelungen. → siehe im Einzelnen die Erläuterung nachfolgend III . 8. grds. GL ausnahmsweise FS (§ 60h Abs. 2) VG -pflichtig Unterabschnitt 5: Besondere gesetzlich erlaubte Nutzungen verwaister Werke §§ 61- 61c Verwaiste Werke: Die in Umsetzung der Richtlinie 2012 / 28 / EU v. aufgenommene Schrankenregelung 200 dient der Bewahrung des kulturellen Erbes. Sie zielt darauf ab, das Urheberrecht für die Nutzung von verwaisten Werken den Bedürfnissen der Informationsgesellschaft entsprechend im Interesse des Gemeinwohls fortzuentwickeln. 201 Erlaubnisfrei zulässig ist die Vervielfältigung und öffentliche Zugänglichmachung verwaister Werke (§ 61 Abs. 1). Hierbei handelt es sich um Werke aus Sammlungen (Bestandsinhalte) von öffentlich zugänglichen Bibliotheken, Bildungseinrichtungen, Museen, Archiven (u. a.), wenn die Bestandsinhalte bereits veröffentlicht worden sind, deren Rechtsinhaber auch durch eine sorgfältige Suche (hierzu § 61a) nicht festgestellt oder ausfindig gemacht werden konnte (§ 61 Abs. 2). grds. FS / ausnahmsweise GL (§ 61b S. 2) Unterabschnitt 6: Gemeinsame Vorschriften für gesetzlich erlaubte Nutzungen § 62 Änderungsverbot: Auch für die in den Schrankenregelungen des 6. Abschnitts (§§ 44a ff.) zugelassenen freien Werknutzungen, gilt der Grundsatz, dass Änderungen an dem Werk nicht vorgenommen werden dürfen (§ 62 Abs. 1 S. 1). Durch Verweisung ist klargestellt, dass jedoch auch insoweit der Grundsatz von Treu und Glauben gilt (§ 62 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 39 Abs. 2). Ausnahmeregelungen für Übersetzungen, Auszüge, Übertragungen in eine andere Tonart oder Stimmlage (§ 62 Abs. 2), für Werke der bildenden Künste und Lichtbildwerke (§ 62 Abs. 3) und Sammlungen i. S. v. § 46 UrhG, bei Nutzungen für Unterricht und Lehre i. S. v. § 60a und bei Unterrichts- und Lehrmedien i. S. v. § 60b (§ 62 Abs. 4). § 63 Quellenangabe: Der durch die Schrankenregelungen privilegierte Werknutzer ist in den allermeisten Fällen der zulässigen Vervielfältigung oder Verbreitung (§ 63 Abs. 1) bzw. öffentlichen Wiedergabe eines Werkes (§ 63 Abs. 2) verpflichtet, die Quelle deutlich anzugeben. § 63 ist Ausdruck des im Rahmen der ausdrücklich geregelten Urheberpersönlichkeitsrechte verankerten Rechts auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13). § 63a Gesetzliche Vergütungsansprüche: Auf die gesetzlichen Vergütungsansprüche, die dem Urheber nach dem 6. Abschnitt zustehen, kann der Urheber im Voraus nicht verzichten (§ 63a S. 1). Sie können im Voraus lediglich an eine Verwertungsgesellschaft oder zusammen mit der Einräumung des Verlagsrechts dem Verleger abgetreten werden, wenn dieser sie durch eine Verwertungsgesellschaft wahrnehmen lässt, die Rechte von Verlegern und Urhebern gemeinsam wahrnimmt (§ 63a S. 2). Aus § 63a folgt, dass der Urheber auch dann Inhaber der gesetzlichen Vergütungsansprüche bleibt, wenn er einem Werknutzer ein ausschließliches Nutzungsrecht eingeräumt hat. Abb. 9: Schrankenbestimmungen und schrankenbezogene Rechte des Urhebers 200 Eingeführt durch Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 1. 10. 2013. 201 Vgl. BT -Drucks. 17 / 423, S. 13. 438 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson III. Ausgewählte Schranken Im Hinblick auf die Vielzahl der zum Teil sehr speziellen Schrankenbestimmungen kann im Rahmen dieser Darstellung nur auf eine Auswahl besonders wichtiger Schranken näher eingegangen werden. Hierbei soll den Schrankenbestimmungen, die für Benutzungshandlungen im Zusammenhang mit den neuen Medien von Bedeutung sind, ein besonderes Augenmerk gelten. 1. Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen Mit der Neufassung der Definition des Vervielfältigungsrechts im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 (s. zuvor § 71 II . 2. a.) korrespondiert die seiner Zeit neu geschaffene Schrankenregelung betreffend „Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen“ (§ 44a UrhG), durch die die entsprechende Vorgabe der InfoSoc-Richtlinie (Art. 5 Abs. 1) nahezu wörtlich umgesetzt wurde. Zulässig sind danach „vorübergehende Vervielfältigungshandlungen, die flüchtig oder begleitend sind und einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellen und deren alleiniger Zweck es ist, 1. eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder 2. eine rechtmäßige Nutzung eines Werkes oder sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen, und die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung haben.“ Das Eingreifen der Schrankenbestimmung ist damit an das Vorliegen der folgenden fünf kumulativen Tatbestandsvoraussetzungen geknüpft: 202 (1) Vorliegen einer vorübergehenden Vervielfältigungshandlung, (2) die flüchtig und begleitend ist, (3) einen integralen und wesentlichen Teil eines technischen Verfahrens darstellt, (4) deren alleiniger Zweck darin besteht, eine Übertragung in einem Netz zwischen Dritten durch einen Vermittler oder eine rechtmäßige Nutzung eines Werks oder sonstigen Schutzgegenstandes zu ermöglichen und (5) die keine eigenständige wirtschaftliche Bedeutung hat. Nach den der entsprechenden Vorgabe der InfoSoc-Richtlinie zugrunde liegenden Erwägungen, erfasst diese Schranke auch Handlungen, die das „Browsing“ und „Caching“ ermöglichen und schließt Handlungen ein, die das effiziente Funktionieren der Übertragungssysteme ermöglichen. 203 Die Schrankenregelung des § 44a UrhG korrespondiert, wie sich aus ihrer redaktionellen Überschrift und ihrem Tatbestand ergibt, mit dem körperlichen Verwertungsrecht der Vervielfältigung (§§ 15 Abs. 1, 16 Abs. 1 und 2 UrhG) und kann daher nur bei diesem eingreifen. Eine entsprechende Anwendung von § 44a UrhG als Schranke für andere Verwertungsrechte-- wie das der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 19a UrhG)-- scheidet aus, „weil die gesetzlichen Schrankenbestimmungen das Ergebnis einer vom Gesetzgeber vorgenommenen grund- 202 Eu GH v. 16. 7. 2009, Rs. C-5 / 08 „Infopaq“; Eu GH v. 17. 01. 2012, Rs. C-302 / 10 „Infopaq“; Eu GH v. 4. 10. 2011, Rs. C-403 / 08 u. C-429 / 08 „Murphy“. 203 Erwägungsgrund 33 der Urheberrechtsrichtlinie 2001 / 29 / EG . 439 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson sätzlich abschließenden Güterabwägung darstellen“. 204 Die unionsweite Harmonisierung einer Schranke wie § 44a UrhG ist insbesondere im Sinne eines Ausgleichs zwischen den Interessen der Rechtsinhaber und den Interessen der Vermittler (Internet-Dienstleister) von großer Bedeutung. Die oft grenzüberschreitende Übermittlung eines Online-Angebots erfordert eine Vielzahl derartiger technisch bedingter Speicherhandlungen, die ohne eine entsprechende Ausnahmeregelung jeweils als unberechtigte Verwertungshandlungen dem Verbotsrecht des jeweiligen Rechtsinhabers unterfielen. 205 Die Schrankenregelung steht zudem in Zusammenhang mit den in der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr 206 getroffenen Regelungen zur Verantwortlichkeit im E-Commerce (Art. 12-15 ECRL ). Diese wurden in Deutschland durch eine entsprechende Neufassung der Regelungen über die Verantwortlichkeit der Provider umgesetzt (vormals §§ 8-11 TDG , §§ 6-9 MDS tV, jetzt §§ 7-10 TMG ). Durch die neu geschaffene urheberrechtliche Schrankenregelung des § 44a UrhG werden die Regelungen über die Verantwortlichkeit der Provider in sinnvoller Weise ergänzt, denn ohne eine entsprechende Schrankenregelung wären die fraglichen Vervielfältigungshandlungen angesichts des nunmehr erweiterten Vervielfältigungsbegriffes (§ 16 Abs. 1 UrhG) als Eingriff in das ausschließliche Verwertungsrecht des Urhebers zu qualifizieren. Das heißt, die Durchführung der fraglichen Dienstleistungen der Provider als Vermittler (privilegierter Zweck nach Nr. 1) wäre-- trotz der auf eine Haftungsprivilegierung der technischen Dienstleister abzielenden Regelungen der E-Commerce-Richtlinie bzw. des TMG -- mit Blick auf das Risiko einer urheberrechtlichen Verantwortlichkeit nur eingeschränkt oder überhaupt nicht möglich. 207 Zweiter nach § 44a UrhG privilegierter Zweck ist nach Nr. 2 die Ermöglichung einer „rechtmäßigen Nutzung eines Werks oder eines sonstigen Schutzgegenstandes“. Eine Nutzung gilt nach der InfoSoc-Richtlinie (Erwägungsgrund 33) als rechtmäßig, „soweit sie vom Rechtsinhaber zugelassen bzw. nicht durch Gesetze beschränkt ist“. Das heißt, dass sich derjenige, der ein fremdes urheberrechtlich geschütztes Werk durch Vervielfältigung nutzt, „ohne hierzu vertraglich oder im Rahmen einer Schrankenbestimmung berechtigt zu sein, nicht auf § 44a UrhG berufen kann“, so dass es „beim weitreichenden Verbotsrecht des Urhebers bzw. Rechteinhabers nach § 16 Abs. 1 UrhG bleibt“. 208 Im Zusammenhang mit der Nutzung von Videostream-Portalen hatte sich in jüngerer Zeit die Frage gestellt, ob mit Blick auf die mit der Nutzung von Streamingangeboten einhergehenden flüchtigen Vervielfältigungen (s. o. § 71 II . 2. a) bb) zugunsten der Nutzer die Schrankenregelung des § 44a UrhG eingreift. 209 Die Frage wurde inzwischen vom Eu GH 210 dahingehend entschieden, „dass die Handlungen der vorübergehenden Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke-… 204 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08 „Vorschaubilder“. 205 Thomaschki, DuD 1998, 265, 266; Kröger, CR 2001, 316, 319. 206 Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr“-- kurz „ ECRL “). 207 BT -Drucks. 15 / 38, S. 18. 208 Dreier / Schulze, § 44a Rdn. 8. 209 Vgl. hierzu u. a. die Antwort der Bundesregierung v. 30. 12. 2013 auf eine kleine Anfrage zur Abmahnwelle im Fall „Redtube.com“, BT -Drucks. 18 / 195 v. 17. 12. 2013; ferner Ensthaler, NJW 2014, 1553 ff. 210 Eu GH v. 24. 4. 2017, Rs. C-527 / 15 „Stichting Brein“. 440 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson durch Streaming von Websites Dritter, die diese Werke ohne Erlaubnis der Urheberrechtsinhaber anbieten, die normale Verwertung solcher Werke grundsätzlich beeinträchtigen und die berechtigten Interessen der Rechtsinhaber ungebührlich verletzen können.“ Art. 5 Abs. 1 und 5 der InfoSoc-Richtlinie-- in Deutschland umgesetzt in § 44a-- sei daher dahin auszulegen, dass entsprechende Nutzungshandlungen durch Streaming nicht die in dieser Vorschrift festgelegten Voraussetzungen erfüllen. Die Nutzer von unautorisiert im Internet angeboten Streamingangeboten können sich daher nicht auf die Schranke des § 44a UrhG berufen. 2. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare a) Das sog. Pressespiegelprivileg Von Interesse im Hinblick auf den Einsatz neuer elektronischer Medien hat sich auch eine Schranke erwiesen, die den freien Zugang zu Informationen regelt, die aus Zeitungsartikeln und Rundfunkkommentaren zu entnehmen sind (sog. Pressespiegelprivileg, § 49 UrhG). Die Bestimmung regelt die Voraussetzungen, unter denen bestimmte als Werke geschützte Informationen-- ohne Zustimmung des Urhebers-- aus bestimmten Medien entnommen und in anderen bestimmten Medien in welcher Weise genutzt werden dürfen. Konkret wird für zulässig erklärt (§ 49 Abs. 1 UrhG): die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe einzelner Rundfunkkommentare und einzelner Artikel aus Zeitungen und lediglich Tagesinteressen dienenden Informationsblättern, wenn sie politische, wirtschaftliche und religiöse Tagesfragen betreffen und nicht mit einem Vorbehalt der Rechte versehen sind. Für die freigestellten Nutzungshandlungen ist dem Urheber eine angemessene Vergütung zu zahlen, es sei denn, es werden lediglich kurze Auszüge aus mehreren Kommentaren oder Artikeln in Form einer Übersicht übernommen (§ 49 Abs. 1 S. 2 UrhG, gemeint sind die üblichen Presseübersichten). Der Vergütungsanspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden (§ 49 Abs. 1 S. 3 UrhG). Im Hinblick auf den Einsatz elektronischer Medien stellt sich die Frage, ob als Ausgangsmaterial auch Online-Zeitungen in Betracht kommen, so dass entsprechende geschützte Informationen nicht nur aus Printmedien, sondern auch aus einer entsprechenden via Internet vertriebenen Publikation entnommen werden dürfen. Da es auf das Trägermaterial nicht ankommen könne, wird dies in der Rechtswissenschaft im Sinne einer sachgerechten Interpretation überwiegend bejaht. 211 b) Elektronischer Pressespiegel Eine weitere, zunächst umstrittene Frage betrifft die zulässige Form der Verwertung entnommener Informationen, konkret die Zulässigkeit von Pressespiegeln, die heute zunehmend von Unternehmen und Behörden statt in Papierform in elektronischer Form erstellt werden (sog. elektronischer Pressespiegel). 212 Inzwischen hat der BGH entschieden, dass auch elektronische Pressespiegel grundsätzlich-- zumindest in grafischer Form-- unter die für herkömmliche Pressespiegel geltende Regelung fallen und damit ohne Zustimmung des Urhebers, aber 211 Vgl. Dreier / Schulze, § 49 Rdn. 7 m. w. Nachw. 212 Zum Meinungsstand vgl. Schricker / Melichar, § 49 Rdn. 37 ff; Dreier / Schulze, § 49 Rdn. 20. 441 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson gegen Vergütung an die VG Wort, erstellt und verbreitet werden können. Der elektronische Pressespiegel unterscheide sich nicht wesentlich vom Pressespiegel in Papierform und falle unter das Pressespiegelprivileg, solange die Pressespiegel nicht als Text-, sondern als grafische Datei-- etwa im pdf- oder gif-Format-- übermittelt würden. Außerdem müsse der Kreis der Bezieher überschaubar sein, so dass eine elektronische Übermittlung nur für betriebs- und behördeninterne Pressespiegel in Betracht komme, nicht dagegen für kommerzielle Dienste. 213 Unternehmen können nun mit der VG Wort einen Vertrag über die Lizenzierung elektronischer Pressespiegel schließen. 214 3. Zitierfreiheit Eine der wichtigsten Schranken des Urheberrechts neben der Privatkopierschranke ist die sog. Zitierfreiheit (§ 51 UrhG). Sie dient dem Allgemeininteresse an freier geistiger Auseinandersetzung. 215 Die Bedeutung der Zitierfreiheit liegt allgemein darin, dass bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ganze Werke bzw. einzelne Stellen von geschützten Werken als „Zitate“ auch ohne Einwilligung des Urhebers vervielfältigt, verbreitet und öffentlich wiedergegeben werden dürfen. Im Zuge der Urheberrechtsnovelle 2008 („Zweiter Korb“) wurde die Zitierfreiheit in § 51 S. 1 UrhG im Sinne der InfoSoc-Richtlinie (Art. 5 Abs. 3 Buchstabe d) als Generalklausel formuliert: „Zulässig ist die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats, sofern die Nutzung in ihrem Umfang durch den besonderen Zweck geboten ist.“ Hiermit wurde die Zitierfreiheit mit Blick auf weitere Werkarten vorsichtig erweitert. In § 51 S. 2 UrhG wurde als bespielhafte Aufzählung („insbesondere“) von Fällen einer zulässigen Nutzung der bisherige Wortlaut beibehalten. 216 Danach werden beispielhaft drei Fälle zulässiger Zitate unterschieden: ▶ das sog. wissenschaftliche Großzitat; ▶ das literarische Kleinzitat und ▶ das Musikzitat. Als wissenschaftliches Großzitat ist es zulässig, einzelne Werke nach dem Erscheinen in ein selbständiges wissenschaftliches Werk zur Erläuterung des Inhalts aufzunehmen (§ 51 Nr. 1 UrhG). Der Begriff der Wissenschaft ist dabei nicht eng auszulegen, sondern erfasst z. B. auch populärwissenschaftliche Abhandlungen. Das sog. literarische Kleinzitat betrifft die Zulässigkeit, Stellen eines Werkes nach der Veröffentlichung in einem selbständigen Sprachwerk anzuführen (§ 51 Nr. 2 UrhG). Anerkannt ist, dass die Zulässigkeit von Kleinzitaten nicht nur beim Zitieren von Sprachwerken gilt, sondern auch z. B. bei Filmen, wissenschaftlich- 213 BGH v. 11. 7. 2002, I ZR 255 / 00 „Elektronischer Pressespiegel“. 214 Näheres hierzu s. Merkblatt der VG Wort und der PMG Presse-Monitor GmbH abrufbar unter: https: / / www.pressemonitor.de/ leistungen/ pressespiegel/ vg-wort/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 215 Schricker / Spindler, § 51 Rdn. 6. 216 Vgl. BT -Drucks. 16 / 1828, S. 25. 442 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson technischen Zeichnungen und Multimediawerken, d. h. bei allen Werkgattungen, bei denen ein Zitat der Natur der Werkgattung nach möglich ist, 217 wobei sich die Zulässigkeit insoweit nunmehr bereits aus § 51 S. 1 UrhG (Generalklausel) ergibt. Nach der Zitierfreiheit in der Form des Musikzitats ist es schließlich zulässig, einzelne Stellen eines erschienenen Werkes der Musik in einem selbständigen Werk der Musik anzuführen (§ 51 Nr. 3 UrhG). Im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetzes vom 01. 09. 2017 wurde § 51 dahingehend ergänzt, dass von der Zitierbefugnis nach den Sätzen 1 und 2 auch „die Nutzung einer Abbildung oder sonstigen Vervielfältigung des zitierten Werks“ umfasst ist, „auch wenn diese selbst durch ein Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht geschützt ist“ (§ 51 S. 3 UrhG). Durch diese Ergänzung sollte klargestellt werden, dass z. B. für das Zitat eines Gemäldes (etwa in einer kunsthistorischen Abhandlung) auch ein Lichtbild oder Lichtwerk, das dieses Gemälde zeigt, verwendet werden darf. 218 Als entscheidende gemeinsame Voraussetzung für das Eingreifen der Zitierfreiheit ist stets zu beachten, dass das Zitierrecht nicht jede Übernahme rechtfertigt, sondern stets einen bestimmten Zitatzweck voraussetzt und dass die Übernahme des fremden Werkes bzw. Werkteiles auch nur in dem durch den Zitatzweck gebotenen Umfang zulässig ist. Als zulässiger Zitatzweck wird es angesehen, wenn eine „innere Verbindung“ zwischen dem eigenen und dem fremden Werk hergestellt wird. Mit anderen Worten: Ein zulässiger Zitatzweck ist insbesondere dann gegeben, wenn das fremde Werk als Beleg oder Erörterungsgrundlage dient, wenn es also zur Unterstützung der eigenen Ausführungen oder zum Zwecke der Auseinandersetzung mit fremden Gedanken dient. Kein zulässiger Zweck für ein Zitat liegt dagegen vor, wenn die Übernahme nur um ihrer selbst Willen erfolgt, d. h. wenn ein fremdes Werk bzw. ein Werkteil übernommen wird, um dieses dem Endnutzer leichter zugänglich zu machen, sich eigene Ausführungen bzw. eigenes Werkschaffen zu ersparen oder nur auszuschmücken. 219 So war etwa die Wiedergabe einer Vielzahl von Fotos des Starfotografen Helmut Newton in einem Artikel von Alice Schwarzer in der Zeitschrift EMMA nicht mehr vom Zitatzweck gedeckt. 220 Wichtig ist schließlich, dass beim Zitat, sofern möglich, eine deutliche Quellenangabe zu erfolgen hat (§ 63 UrhG) und dass das zitierte Werk grundsätzlich nicht verändert werden darf (§ 62 UrhG). Ein Zitat im Sinne der Zitierfreiheit (§ 51 UrhG) liegt nur vor, wenn das fremde Werk insgesamt oder in Teilen wiedergegeben wird, nicht jedoch, wenn auf das fremde Werk nur hingewiesen wird. 221 Durch das Setzen eines Links, der sich in einem neuen Browserfenster und nicht in einem Frame öffnet, wird-- sofern die Verlinkung überhaupt mit einem geschützten Werk erfolgt-- das fremde Werk nicht wiedergegeben, sondern lediglich auf dieses verwiesen. Bei einem solchen einfachen Link (sog. Surface Link) handelt es sich also um kein Zitat, so dass die Zulässigkeit eines Links nicht den strengen Voraussetzungen der Zitierfreiheit unterliegt. 222 217 Schricker / Spindler, § 51 Rdn. 41. 218 BT -Drucksache 18 / 12 329, S. 32. 219 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08, „Vorschaubilder“; Schricker / Spindler, § 51 Rdn. 14 ff.; ferner Rehbinder / Peukert, S. 198 f. Rdn. 630. 220 LG München I, Urteil vom 27. 7. 1994, 21 O 22 343 / 93, AfP 1994, 326. 221 Schricker / Spindler, § 51 Rdn. 7. 222 So auch Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 164. 443 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson 4. Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch Eine der wichtigsten Schranken regelt die Frage der Zulässigkeit der Vornahme von Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch (§ 53 UrhG). Trotz moderater Verschlankung im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes handelt es sich immer noch um eine der „kleinteiligsten“ und daher schwer verständlichen Schrankenbestimmungen. Wichtig für das Verständnis der im Einzelnen freigestellten Tatbestände ist zunächst die Unterscheidung zwischen privatem und sonstigem eigenen Gebrauch. a) Vervielfältigung zum „privaten Gebrauch“ So erklärt es das Gesetz ausdrücklich für zulässig, einzelne Vervielfältigungsstücke eines Werkes zum privaten Gebrauch herzustellen (§ 53 Abs. 1 UrhG). Die wichtige Schranke zugunsten der Privatkopie wurde durch die Urheberrechtsnovelle 2003 im Wortlaut an die Formulierung der InfoSoc-Richtlinie (Art. 5 Abs. 2 lit. b) angepasst und im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2008 ergänzt. Zulässig sind danach: „… einzelne Vervielfältigungen eines Werkes durch eine natürliche Person zum privaten Gebrauch auf beliebigen Trägern, sofern sie weder unmittelbar noch mittelbar Erwerbszwecken dienen, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.“ (§ 53 Abs. 1 S. 1 UrhG) aa) Natürliche Personen Die Regelung stellt- - wie die Richtlinie (vgl. Art. 5 Abs. 2 lit. b)- - ausdrücklich auf eine „natürliche Person“ ab, ferner werden zu „Erwerbszwecken“ dienende Vervielfältigungshandlungen ausdrücklich von der Privilegierung ausgeschlossen. Beide seit der Novelle 2003 ausdrücklich geregelten Merkmale der privilegierten Privatkopie entsprechen jedoch dem Verständnis nach alter Rechtslage, nach der auch unter privatem Gebrauch nur der Gebrauch in der Privatsphäre zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse verstanden wurde, mit dem ein beruflicher und erwerbswirtschaftlicher Zweck unvereinbar ist. Daraus folgt zugleich, dass nur natürliche Personen, nicht jedoch Handelsgesellschaften, juristische Personen etc., privaten Gebrauch ausüben können. 223 bb) Analog und digital Ferner stellt die Regelung- - wortgleich wie die Richtlinie- - klar, dass als Zielmedium der Kopie „ein beliebiger Träger“ in Betracht kommt, so dass es auf eine Differenzierung nach der verwendeten Technik (analog oder digital) nicht ankommt. 224 Die seiner Zeit im Vorfeld der Reform 2003 von Verwerterseite erhobene Forderung nach einer Beschränkung des privaten Kopierprivilegs auf die analoge Kopie konnte sich mithin nicht durchsetzen. 225 223 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 22 f. 224 BT -Drucks. 15 / 38, S. 20. 225 Hierzu vgl. Mayer, CR 2003, 274, 276. 444 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson cc) Einzelne Vervielfältigungsstücke Durch die Beschränkung der Zulässigkeit auf einzelne Vervielfältigungsstücke wird zum Ausdruck gebracht, dass nur einige wenige Exemplare hergestellt werden dürfen. Als Obergrenze genannt wird insoweit meist eine Anzahl von bis zu 7 Exemplaren, wobei diese Grenze nicht starr zu verstehen ist. Maßgeblich ist, wie viele Vervielfältigungsstücke im konkreten Einzelfall zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse tatsächlich erforderlich sind. 226 dd) Internetnutzung Für die Internetnutzung folgt aus alledem, dass rein private Vervielfältigungshandlungen, wie etwa das Herunterladen von geschütztem, vom Rechtsinhaber bereitgestelltem Content (Texte, Musik, Bildmaterial etc.) aus dem Internet zwecks Abspeichern auf dem eigenen Rechner grundsätzlich zulässig sind, ebenso wie das Kopieren auf einen sonstigen „beliebigen Träger“, z. B. das Abspeichern auf einem Smartphone. 227 Von der weitgehenden Freistellung der Privatkopie sind allerdings Computerprogramme und Datenbanken durch spezielle Schrankenregelungen (§§ 69d, 87c UrhG) ausgenommen (s. u. 6.). ee) Offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage Durch eine im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zur Urheberrechtsreform 2003 auf Initiative des Bundesrates und nach Anrufung des Vermittlungsausschusses 228 erfolgte Ergänzung („… soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird“, § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG 2003) wurde klargestellt, dass die nach § 53 Abs. 1 UrhG privilegierten Privatkopien nur zulässig sind, wenn nicht eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage als Ausgangsmaterial der Vervielfältigung verwendet wird. Das heißt, die Vervielfältigung von unautorisierten Vorlagen ist- - zumindest, wenn die Eigenschaft als solche offensichtlich ist- - auch dann rechtlich unzulässig, wenn sie lediglich zum privaten Gebrauch erfolgt. Fraglich ist, wann das Vorliegen einer rechtswidrig hergestellten Vorlage „offensichtlich“ ist. Nach überzeugender Auffassung sprechen Genese sowie Sinn und Zweck des Gesetzes für eine weite Auslegung, bei der insoweit unabhängig von Kenntnis und Kennenmüssen des Betroffenen allein auf objektive Merkmale (wie z. B. auffallend günstige Angebote ohne Originallogos der Rechteinhaber, komplizierte Anmeldeprozeduren mit anderweitig zu beschaffenden Freischaltcodes, kostenlose Download-Links zu neueren Filmen) abzustellen ist. 229 Das heißt, Offensichtlichkeit ist dann anzunehmen, wenn ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, dass die Vorlage rechtwidrig hergestellt wurde, wenn dies klar zutage tritt bzw. wenn sich dies geradezu aufdrängt, also für jedermann auf der Hand liegt. 230 Ob das Privileg der Privatkopie auch bei illegalen Quellen anwendbar ist, war zuvor angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts von § 53 Abs. 1 S. 1 UrhG (a. F.) umstritten. 231 Der 226 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 25 f. 227 Lehmann, CR 2003, 553, 554. 228 Anrufung des Vermittlungsausschusses, BT -Drucks. 15 / 1066 v. 27. 5. 2003; Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, BT -Drucks. 15 / 1353 v. 2. 7. 2003. 229 Czychowski, NJW 2003, 2409, 2411. 230 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 20 m. w. Nachw. 231 Zum Streitstand vgl. BT -Drucks. 15 / 1066, S. 2. 445 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson Gesetzgeber hat die mit Urheberrechtsnovelle 2003 begonnene Anpassung des deutschen Urheberrechts an die Entwicklungen der IuK-Technologie in der Urheberrechtsnovelle 2008 fortgesetzt und diese für eine erneute Klarstellung der Regelung des privaten Kopierprivilegs genutzt. Hintergrund war, dass der Gesetzgeber inzwischen erkannt hatte, dass die im Zuge der Reform 2003 gewählte Formulierung, die allein auf die „rechtswidrig hergestellte Vorlage“ abstellte, beim Download von Werken (z. B. beim Filesharing in Peer-to-Peer-Tauschbörsen) zu kurz greift. Denn dort werden die Dateien zwar als zulässige Privatkopien hergestellt (z. B. von einer Musik- CD ), die Urheberrechtsverletzung liegt jedoch in der unautorisierten und damit rechtswidrigen öffentlichen Zugänglichmachung im Internet (§§ 15 Abs. 2 Nr. 2, 19a UrhG). Im Zuge der Reform 2008 erfolgte daher zum Schutz der Urheber und Rechtsinhaber vor rechtswidrigen Nutzungenhandlungen im Rahmen von File-Sharing-Systemen die klarstellende Ergänzung, wonach die privilegierte Privatkopie nur zulässig ist, „soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte oder öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wird.“ 232 Im Sinne einer klaren Regelung wäre jedoch eine Formulierung wünschenswert gewesen, die eindeutig zum Ausdruck bringt, dass sich das Tatbestandsmerkmal „offensichtlich rechtswidrig“ auch auf den ergänzend aufgenommenen Fall der öffentlichen Zugänglichmachung bezieht, wie dies der Intention des Gesetzgebers entspricht. 233 Die Rechtswidrigkeit der öffentlichen Zugänglichmachung ist offensichtlich, wenn ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, dass der Berechtigte eine Einwilligung zur öffentlichen Zugänglichmachung nicht erteilt hat. 234 ff) Vervielfältigung durch Dritte Für die Freistellung der Vervielfältigungshandlungen zum privaten Gebrauch gilt ferner, dass der zur Vervielfältigung Befugte (also die Privatperson) die Vervielfältigungsstücke auch durch einen anderen herstellen lassen kann, „sofern dies unentgeltlich geschieht oder es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einem ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt“ (§ 53 Abs. 1 S. 2). Im Ursprung beruht die-- auch in den Fällen des Absatz 2 geltende-- Gestattung, Vervielfältigungsstücke auch durch Dritte herstellen zu lassen, auf der Erwägung des Gesetzgebers, dass andernfalls diejenigen benachteiligt wären, die sich keine eigenen Vervielfältigungsgeräte (Kopiergeräte) leisten können. 235 Bei der Vervielfältigung zum privaten Gebrauch nach Absatz 1 ist-- anders als in den Fällen des Absatz 2-- zwischen solchen Vervielfältigungen durch Dritte zu unterscheiden, die nur unentgeltlich zulässig sind und solchen, die- - wie in den Fällen des Absatz 2-- zulässig sind, gleichgültig, ob die Herstellung durch den Dritten entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Unabhängig von der Frage der Entgeltlichkeit zulässig sind für den privaten Gebrauch nach Absatz 1 Satz 2 Vervielfältigungen auf Papier oder 232 Vgl. BT -Drucks. 16 / 1828, S. 26. 233 Vgl. BT -Drucks. 16 / 1828, S. 26. 234 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 21. 235 BT -Drucks. IV / 270, S. 74. 446 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson einem ähnlichen Träger mittels photomechanischer Verfahren oder Verfahren ähnlicher Wirkung. Hierunter sind bei gebotener unionsrechtlicher Auslegung (Art. 5 Abs. 2 lit a InfoSoc RL ) sämtliche Verfahren zu verstehen, bei denen analoge Vervielfältigungsstücke entstehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein analoges oder ein digitales Werkstück als Vervielfältigungsvorlage dient. 236 Im Umkehrschluss ist das Herstellenlassen durch Dritte bei allen anderen Vervielfältigungsverfahren nur unentgeltlich zulässig. Das heißt, Unentgeltlichkeit ist Voraussetzung, sofern es sich um eine Vervielfältigung handelt, bei der kein analoges Vervielfältigungsstück, sondern eine digitale Vervielfältigung entsteht (z. B. digitale Kopie auf Datenträger). Das Erfordernis der Unentgeltlichkeit von Vervielfältigungshandlungen durch Dritte wurde im Rahmen der Reform 2003 über den bereits früher betroffenen Bereich der Übertragung auf Bild- und Tonträger und von Werken der bildenden Kunst hinaus verallgemeinert. Die damit einhergehende Verschärfung erschien dem Gesetzgeber „im Hinblick auf die Gefahr von Missbrauch und zur Betonung des privaten Charakters“ der durch Absatz 1 privilegierten Vervielfältigungen notwendig. 237 b) Vervielfältigung zum „sonstigen eigenen Gebrauch“ Für nicht private, d. h. berufliche bzw. gewerbliche Nutzungshandlungen kommt eine Zulässigkeit allenfalls in Betracht, wenn die Voraussetzungen einer der nachfolgend dargestellten Regelungen des „sonstigen eigenen Gebrauchs“ vorliegen. Vom privaten Gebrauch sind nämlich die gesetzlich freigestellten Fälle des sonstigen eigenen Gebrauchs zu unterscheiden, wobei sich aus der Bezeichnung „sonstiger“ eigener Gebrauch bereits ergibt, dass der eigene Gebrauch als Oberbegriff auch den privaten Gebrauch umfasst. Unter eigenem Gebrauch versteht man die Fälle, in denen jemand einzelne Vervielfältigungsstücke zur eigenen Verwendung und nicht zur Weitergabe an Dritte herstellt bzw. herstellen lässt. Im Gegensatz zu dem engeren Begriff des privaten Gebrauchs kann der sonstige eigene Gebrauch aber auch beruflichen und erwerbswirtschaftlichen Zwecken dienen und durch Behörden, Handelsgesellschaften und juristische Personen ausgeübt werden. 238 Die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum eigenen Gebrauch ist nur zulässig, wenn einer der folgenden, gesetzlich im Einzelnen genau bezeichneten Gebrauchszwecke vorliegt (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2-4 UrhG), nämlich eine Herstellung: ▶ zur Aufnahme in ein eigenes Archiv, wenn und soweit die Vervielfältigung zu diesem Zweck geboten ist und als Vorlage für die Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt wird (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG); ▶ zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen, wenn es sich um ein durch Funk gesendetes Werk handelt (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG); ▶ zum sonstigen eigenen Gebrauch, wenn es sich um kleine Teile eines erschienenen Werkes oder um einzelne Beiträge handelt, die in Zeitungen oder Zeitschriften erschienen 236 Eu GH v. 27. 6. 2013, Rs. C 457 / 11 „ VG Wort / Kyocera“; BGH v. 3. 7. 2014, I ZR 28 / 11 „Drucker und Plotter III “. 237 BT -Drucks. 15 / 38, S. 20; ferner Mayer, CR 2003, 274, 276. 238 Vgl. Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 37. 447 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson sind (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4a UrhG) oder um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4b UrhG). Wie bereits eingangs erwähnt, hat § 53 im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes eine moderate Verschlankung erfahren. So wurde die ursprünglich auch in § 53 als Fall des eigenen Gebrauchs geregelte Freistellung zum wissenschaftlichen Gebrauch (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 a. F.) aus § 53 ausgegliedert und in die neue Erlaubnisnorm § 60c überführt. Ebenso ausgegliedert wurden die Befugnisse der Archive, die zu nicht kommerziellen Zwecken handeln (§ 53 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 a. F., jetzt § 60f) sowie die Vervielfältigungen zur Veranschaulichung des Unterrichts (§ 53 Abs. 3 a. F., jetzt § 60a). aa) Aufnahme in eigenes Archiv Bei der Archivierung ist die praktische Bedeutung des Freistellungstatbestandes (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG) aus betrieblicher Sicht durch die engen gesetzlichen Grenzen sehr eingeschränkt. Zum einen muss als Vorlage der Vervielfältigung ein eigenes Werkstück benutzt werden. Zum anderen zielt die Regelung nach der Intention des Gesetzgebers nur auf die Freistellung solcher Tatbestände, in denen es durch die Archivierung zu keiner zusätzlichen Verwertung des Werkes kommt. Der Aufbau eines betriebsinternen elektronischen Archivs mag daher beispielsweise durch Raum- und Sicherheitsgründe sowie Ordnungs-, Systematisierungs- und Recherchemöglichkeiten gerechtfertigt sein. Alle technischen Lösungen, durch die-- wie etwa bei Bereitstellung in einer über das Intranet des Unternehmens zugänglichen Inhouse-Datenbank-- intensivere Werknutzungsmöglichkeiten eröffnet werden, die den Erwerb weiterer Werkexemplare erübrigen, sind von der Freistellung nicht erfasst und unterliegen folglich dem Verbotsrecht des Rechtsinhabers. 239 Im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 wurde die Archivierungsschranke zwecks richtlinienkonformer Ausgestaltung an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft. Danach ist die Vervielfältigung zu Archivierungszwecken zudem nur zulässig in Fällen reprografischer Vervielfältigung oder wenn eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet (z. B. Mikroverfilmung-- § 53 Abs. 2 S. 2 UrhG). bb) Unterrichtung über Tagesfragen Die Freistellung zur eigenen Unterrichtung über Tagesfragen (§ 53 Abs. 2 Nr. 3 UrhG) hat im Zusammenhang mit der Internetnutzung bzw. dem Einsatz neuer Medien keine Bedeutung, weil als Vervielfältigungsobjekte nur über Funk gesendete Werke in Betracht kommen und weil diese auch hier lediglich zum eigenen Gebrauch hergestellt werden dürfen, so dass eine Zugänglichmachung über elektronische Datenbanken oder gar das Internet ausscheidet (§ 53 Abs. 6 UrhG). cc) Kleine Teile und einzelne Beiträge Was schließlich die Freistellungstatbestände zur Vervielfältigung kleiner Teile eines erschienenen Werks oder einzelner Beiträge aus Zeitungen oder Zeitschriften angeht (§ 53 Abs. 2 Nr. 4a UrhG), besteht deren Besonderheit darin, dass es in diesen Fällen-- anders als in den zuvor Genannten-- auf keinen besonderen Gebrauchszweck (wie Archivierung, Unter- 239 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 47. 448 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson richtung über Tagesfragen) ankommt. Der Tatbestand, der eine Arbeitserleichterung in Fällen schaffen sollte, in denen nicht das ganze Werk, sondern nur ein kleiner Teil benötigt wird und es untunlich erscheint, den Betreffenden zum Erwerb des ganzen Werks zu nötigen, 240 ist für die tägliche Arbeitspraxis (im Betrieb, in Behörden, in Kanzleien etc.) von erheblicher Bedeutung. Unter „kleinen Teilen“ eines erschienen Werkes versteht man dabei einen Umfang, der im Verhältnis zum Gesamtwerk noch als „klein“ anzusehen ist, in der Regel 10 %, unter „einzelnen Beiträgen“ einige wenige Beiträge, die auch nur einen „kleinen Teil“ der fraglichen Zeitung oder Zeitschrift darstellen. 241 Wie bei der Archivierungsschranke ist auch das Eingreifen der Schranken gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG (Unterrichtung über Tagesfragen) und § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG (kleine Teile und einzelne Beiträge, vergriffene Werke) an das Vorliegen zusätzlicher Voraussetzungen geknüpft. Eine Vervielfältigung ist danach nur zulässig in Fällen reprografischer Vervielfältigung oder wenn eine analoge Nutzung stattfindet (§ 53 Abs. 2 S. 2 UrhG). c) Rückausnahmen Der Gesetzgeber hat die zuvor dargestellten Freistellungstatbestände zur Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch allerdings für bestimmte Fälle wieder eingeschränkt. Danach sind eine Vervielfältigung von grafischen Aufzeichnungen von Werken der Musik (Notenmaterial) und eine im wesentlichen vollständige Vervielfältigung von Büchern oder Zeitschriften, soweit sie nicht durch Abschreiben vorgenommen wird, stets nur mit Einwilligung des Berechtigten zulässig oder zu eigenen Archivierungszwecken oder dann, wenn es sich um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt (§ 53 Abs. 4 UrhG). Es handelt sich um „Rückausnahmen“ von der zuvor nach den Absätzen 1 und 2 gewährten Vervielfältigungsfreiheit im Interesse der Musik- und Buchverleger, deren wirtschaftliche Interessen durch die Entwicklung der Kopiertechnik und eine Vervielfältigung (Notenmaterial) bzw. im wesentlichen vollständige Vervielfältigungen (Bücher, Zeitschriften) andernfalls in besonderem Maße gefährdet wären. 242 Die quantitativ zu bemessende Grenze für eine im Wesentlichen vollständige Vervielfältigung von Büchern oder Zeitschriften wird im Allgemeinen bei ca. 90 % gesehen. 243 Neben der Vervielfältigung zur Aufnahme in ein eigenes Archiv (unter den Voraussetzungen des Abs. 2 Nr. 2) und der Vervielfältigung eines seit mindestens zwei Jahren vergriffenen Werks ist das Vervielfältigen durch Abschreiben von den Rückausnahmen ausgenommen (Rückausnahmen der Rückausnahmen) und damit zustimmungsfrei zulässig. „Abschreiben“ erfordert kein handschriftliches Abschreiben, sondern erfasst jede nicht unmittelbar maschinelle oder digitale Übertragung, das heißt z. B. auch die manuelle Eingabe in den Computer. 244 240 BT -Drucks. IV / 270, S. 73. 241 Im Einzelnen s. Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 54 ff.; Dreier / Schulze, § 53 Rdn. 32 ff. 242 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 72, 75. 243 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 77. 244 Schricker / Loewenheim, § 53 Rdn. 78; ähnlich Dreier / Schulze, § 53 Rdn. 46. 449 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson 5. Vergütungspflicht für Vervielfältigungen nach §§ 53, 60a bis 60f a) Geräte-, Leermedien-und Betreiberabgabe Wie zuvor (unter 4.) dargestellt, ist die Vornahme von Vervielfältigungshandlungen zum eigenen Gebrauch in einer Vielzahl von Fällen freigestellt, ebenso wie in den Fällen der erlaubten Nutzungen für Unterricht und Wissenschaft (§§ 60a bis 60f-- hierzu nachfolgend unter 8.). Andererseits soll der Urheber diese Einschränkungen seiner Rechte nicht vergütungsfrei hinnehmen müssen. Die Vergütung kann jedoch aus naheliegenden praktischen und auch aus rechtlichen Gründen nicht von dem einzelnen erlangt werden, der die Vervielfältigungshandlung im Einzelfall vorgenommen hat. Der Vergütungsanspruch des Urhebers richtet sich daher nach den gesetzlichen Bestimmungen (§§ 54-54 h UrhG) 245 gegen diejenigen, die die technischen Möglichkeiten für die fraglichen Vervielfältigungen bereitstellen, nämlich gegen ▶ die Hersteller von Vervielfältigungsgeräten (Geräteabgabe), ▶ gegen die Hersteller von Speichermedien (Leermedienabgabe) sowie ▶ die Betreiber von Kopiergeräten, also Schulen, Hochschulen, Einrichtungen der Berufsbildung oder sonstigen Weiterbildung, öffentliche Bibliotheken, nicht-kommerzielle Archive und Museen, Kopierläden etc. (Betreiberabgabe). Hierbei geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese den Vergütungsanspruch über den Preis auf den Kunden abwälzen. 246 Die entsprechenden Vergütungsansprüche können nur durch eine Verwertungsgesellschaft (wie z. B. GEMA , VG Bild-Kunst und VG Wort-- zusammengeschlossen in der ZPÜ ) geltend gemacht werden (§ 54h UrhG). Die Vergütungen, die von Verwertungsgesellschaften in Form von Geräte-, Leermedien- und Betreiberabgabe eingezogen und an die Rechteinhaber verteilt werden, geben den Inhabern von Urheber- und Leistungsschutzrechten also einen finanziellen Ausgleich dafür, dass Vervielfältigungen für den privaten und sonstigen eigenen Gebrauch sowie die erlaubten Nutzungen im Bereich Unterricht und Wissenschaft (§§ 60a bis 60f) in weitem Umfang auch ohne ihre Genehmigung zulässig sind. b) Pauschale Urhebervergütung versus DRM Im Zuge Novellierung des Urheberrechts 2008 („Zweiter Korb)“ hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung zutragen, dass sich die technischen Rahmenbedingungen seit Einführung der Regelungen über die pauschale Urhebervergütung für Leerträger im Jahre 1985 grundlegend geändert haben. Zu nennen sind zum einen die rasante Entwicklung und Verbreitung neuer, zur Vervielfältigung geeigneter Geräte (z. B. Scanner, Brenner, leistungsfähigere Drucker, PC s mit Internet-Anschluss), die Art und Umfang der Werknutzung maßgeblich beeinflusst haben. Zum anderen sind die Rechtsinhaber durch den Einsatz technischer Maßnahmen zunehmend dazu in der Lage, die Vervielfältigung ihrer Inhalte im digitalen Bereich zu verhindern und zu steuern (Stichwort: digital rights management, 245 Zur Gesetzessystematik der §§ 54 ff. siehe Dreier / Schulze, § 54 Rdn. 3. 246 Näheres vgl. Schricker / Loewenheim, § 54 Rdn. 1 ff. 450 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson kurz „ DRM “). 247 Insbesondere im Hinblick auf den sich abzeichnenden vermehrten Einsatz von DRM -Technologie, die es den Rechtsinhabern zunehmend ermöglicht, ihre ausschließlichen Verwertungsrechte auch im privaten Bereich selbst zu schützen, durchzusetzen bzw. individuell gegen Entgelt zu gestatten, sah sich der Gesetzgeber vor die Frage gestellt, ob die Beibehaltung des Regelungsmodells der pauschalen Urhebervergütung noch gerechtfertigt ist und, wenn ja, ob und ggf. welche regelungstechnischen Modifikationen im Hinblick auf die Möglichkeit individueller Lizenzierung im Wege des DRM angezeigt sind, insbesondere um den Verbraucher vor einer Doppelbelastung-- pauschale Entrichtung einer Gerätebzw. Leermedienvergütung bei gleichzeitiger Zunahme mit Kopierschutz versehener Werkstücke-- zu schützen. 248 Der Gesetzgeber hat sich-- entgegen der teilweise erhobenen Forderung, das pauschale Vergütungssystem im Hinblick auf den möglichen Einsatz von DRM -Systemen vollständig entfallen zu lassen-- für ein Nebeneinander von pauschaler Urhebervergütung und individueller Abrechnung mittels DRM -Systemen entschieden. Hierbei wird eine Doppelbelastung des Verbrauchers dadurch vermieden, dass bei der Höhe der Pauschalvergütung berücksichtigt wird, in welchem Umfang tatsächlich Kopierschutzmaßnahmen verwendet werden: „Je mehr Kopierschutz, desto weniger Gerätevergütung“. 249 Regelungstechnisch wurde dieses Ziel durch zwei wesentliche Neuerungen erreicht: Anders als nach alter Rechtslage kommt es für die Vergütungspflicht von Geräten und Leerträgern nicht mehr darauf an, ob diese zur Vervielfältigung „bestimmt sind“ (§ 54 Abs. 1 UrhG a. F.), sondern darauf, ob der fragliche Typ eines Gerätes oder Speichmediums zur Vervielfältigung tatsächlich in nennenswertem Umfang „benutzt wird“ (§ 54 Abs. 1 UrhG). Zudem sieht das Gesetz-- anders als zuvor- - die Festschreibung verbindlicher Kriterien vor, nach denen die Höhe der „angemessenen Vergütung“ zu bestimmen ist. Maßgebend für die Vergütungshöhe ist danach, in welchem Maße die Geräte und Speichermedien als Typ tatsächlich für Vervielfältigungen genutzt werden, wobei zu berücksichtigen ist, inwieweit technische Schutzmaßnahmen auf die betreffenden Werke und Schutzgegenstände angewendet werden (§ 54a Abs. 1 UrhG). Die Vergütung ist so zu gestalten, dass sie auch mit Blick auf die Vergütungspflicht, für die in den fraglichen Geräten enthaltener Speichermedien oder mit diesen funktionell zusammenwirkenden Geräten oder Speichermedien insgesamt angemessen ist (§ 54a Abs. 2 UrhG). Ferner sind bei der Höhe der Vergütung auch die nutzungsrelevanten Eigenschaften der Geräte und Speichermedien, insbesondere die Leistungsfähigkeit von Geräten sowie die Speicherkapazität und Mehrfachbeschreibbarkeit von Speichermedien zu berücksichtigen (§ 54a Abs. 3 UrhG). Schließlich soll die Vergütung so bemessen sein, dass sie in einem angemessenen wirtschaftlichen Verhältnis zum Preisniveau des Gerätes oder des Speichermediums steht und deren Absatz nicht unzumutbar beeinträchtigt. Die ursprünglich von der Bundesregierung 247 Umfassend zu Begriff, Funktion und rechtlichen Rahmenbedingungen von DRM -Systemen vgl. Arlt, GRUR 2004, 548 ff.; ferner Imhof, in Bisges, Handbuch Urheberrecht, Kap. 5. F., S. 507 ff. 248 Ausführlich zu den diesbezüglichen Erwägungen vgl. Begründung des Reg.-Entwurfs, BT -Drucks. 16 / 1828, S. 14-18; ferner Geerlings, GRUR 2004, 207 ff. 249 Eckpunktepapier des BMJ zu den wesentlichen Regelungen des Zweiten Korbes „Urheberrecht in der Wissensgesellschaft- - ein gerechter Ausgleich zwischen Kreativen, Wirtschaft und Verbrauchern“ v. 9. 9. 2004, unter Ziff. 3, S. 3. 451 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson geplante Deckelung, nach der die die Summe der Vergütungsansprüche aller Berechtigten für einen Gerätetyp 5 % des Verkaufspreises nicht übersteigen durfte (§ 54a Abs. 4 UrhG-RegE), ist entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wieder entfallen. 250 6. Besondere Schranken für Datenbankwerke, Datenbanken und Computerprogramme Für elektronisch zugängliche Datenbankwerke (i. S. v. § 4 Abs. 2 UrhG) gelten die Freistellungstatbestände, die in der allgemeinen Schrankenbestimmung betreffend Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch festgelegt sind (§ 53 UrhG-- s. zuvor 4.), im Wesentlichen nicht. Elektronisch zugängliche Datenbankwerke dürfen weder zum privaten Gebrauch noch zum sonstigen eigenen Gebrauch vervielfältigt werden (§ 53 Abs. 5 UrhG). Aus der weitgehenden Nichtanwendbarkeit der allgemeinen Freistellungstatbestände auf Datenbankwerke folgt, dass die entsprechenden Verwertungshandlungen dem Verbotsrecht des Rechtsinhabers unterliegen und nur mit dessen Einwilligung zulässig sind. Durch eine spezielle Schrankenbestimmung ist jedoch zugunsten der Nutzungsberechtigten von Datenbankwerken sichergestellt, dass die Bearbeitung und Vervielfältigung eines Datenbankwerkes, wenn und soweit diese für dessen übliche Benutzung erforderlich ist, zulässig ist (§ 55a UrhG). Wie das Urheberrecht an Datenbankwerken unterliegt auch das Leistungsschutzrecht des Herstellers einer Datenbank (§§ 87a ff. UrhG) bestimmten Schranken, die in einer gesonderten, im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes neu gefassten Schrankenregelung (§ 87c UrhG) abschließend geregelt sind. Danach ist die Vervielfältigung eines nach Art und Umfang wesentlichen Teils einer Datenbank nur zulässig (vgl. § 87 c Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UrhG): ▶ „zum privaten Gebrauch; dies gilt nicht für eine Datenbank, deren Elemente einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel zugänglich sind, ▶ zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung gemäß den §§ 60c und 60d, ▶ zu Zwecken der Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre gemäß den §§ 60a und 60b.“ In den beiden letztgenannten Fällen ist die Quelle deutlich anzugeben und gilt § 60g entsprechend (§ 87 c Abs. 1. S. 2 UrhG). Zu beachten ist also, dass das Vervielfältigen von Datenbanken zum privaten Gebrauch nur insoweit vom Verbotsrecht des Datenbankherstellers ausgenommen, d. h. erlaubt ist, soweit es sich um nicht mit Hilfe elektronischer Mittel zugängliche Datenbanken, d. h. nicht auf digitaler Technik beruhende Datenbanken handelt (z. B. herkömmlicher Karteikasten). Damit trägt das Gesetz dem Umstand Rechnung, dass die Amortisation in elektronischer Form zugänglicher Datenbanken wegen der einfachen Kopiermöglichkeit besonders gefährdet ist. 251 Für den wichtigen Bereich der elektronisch zugänglichen Datenbanken (online via Internet / Intranet oder offline z. B. über CD - ROM )-- andere Datenbanken dürften heute in der Regel kaum noch von Interesse sein- - gibt es keine Privilegierung der Vervielfältigung zum privaten Gebrauchs. Sofern ein technischer 250 Vgl. BT -Drucks. 16 / 5939, S. 9, 40. 251 Schricker / Vogel, § 87c Rdn. 13. 452 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Kopierschutz besteht, ergibt sich das Vervielfältigungsverbot auch aus dem Verbot der Umgehung der technischen Schutzmaßnahme, § 95a ff UrhG. Die gleichen Erwägungen wie bei den Datenbanken-- Gewährung eines verstärkten Schutzes wegen besonderer Gefährdung durch einfaches Kopieren-- waren für die Entscheidung des Gesetzgebers maßgeblich, auch keine Privilegierung des privaten Kopierens von Computerprogrammen vorzusehen, d. h., das private Kopieren nicht vom Verbotsrecht des Rechtsinhabers auszuschließen (vgl. § 69d UrhG). Es ist also stets zu beachten, dass beim Zugriff auf fremde Datenbanken und bei der Verwertung von Computerprogrammen strengere Schrankenregelungen zu beachten sind, als bei sonstigen urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich geschützten Gegenständen. 7. Bildnisse / Recht am eigenen Bild ( KUG ) a) Einordnung, Bedeutung Wie aus der tabellarischen Übersicht der urheberrechtlichen Schranken (s. zuvor Abb. 9) ersichtlich, enthält das Urheberrechtsgesetz in § 60 (Bildnisse) auch einen Schrankentatbestand, der die Rechte des Urhebers an den von ihm gefertigten Bildnissen Dritter zu Gunsten der genannten Personen (Besteller, Rechtsnachfolger, Abgebildeter und dessen Angehörige, im Auftrag handelnder Dritter) einschränkt. Unter einem Bildnis versteht man die Darstellung der Person in ihrer wirklichen, dem Leben entsprechenden Erscheinung. In Betracht kommen alle erdenklichen Arten der Darstellung, d. h. insbesondere Fotos und Filmaufnahmen. Maßgeblich ist die Erkennbarkeit des einzelnen Abgebildeten, die in der Regel von ihren Gesichtszügen bestimmt wird. Ob die Erkennbarkeit des Abgebildeten vom Abbildenden tatsächlich beabsichtigt war, ist dabei unbeachtlich. 252 In der Praxis sind von dieser Schrankenbestimmung vor allem Fotografen betroffen, die danach-- vorbehaltlich vertraglicher Abbedingung-- nicht verhindern können, dass der privilegierte Personenkreis die freigestellten Nutzungshandlungen- - insbesondere Nachbestellungen (sog. Bild-vom-Bild) bei anderen Fotografen, Fotolabors etc.-- vornehmen (lassen) kann. 253 In engem sachlichen Zusammenhang mit dem in § 60 UrhG geregelten Bildnisschutz steht das in den §§ 22 ff. KUG 254 geregelte Recht am eigenen Bild. Während sich jedoch die in § 60 UrhG geregelte Schrankenbestimmung auf das Recht des Urhebers (meist des Fotografen) an dem von ihm geschaffenen Bildnis und die von ihm hinzunehmenden Nutzungshandlungen des privilegierten Personenkreises bezieht, ist Gegenstand des im KUG geregelten Rechtes am eigenen Bild der Schutz des Abgebildeten davor, dass Bildnisse ohne seine Einwilligung verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. 255 Bei dem KUG von 1907 handelt es sich um eines der beider Vorläufergesetze des geltenden Urheberrechtsgesetzes von 1965. Es wurde aus Anlass des Inkrafttretens des aktuellen Urheberrechtsgesetzes aufgehoben, soweit es nicht den Schutz von Bildnissen betrifft (vgl. § 141 Nr. 5 UrhG), d. h. bei dem KUG handelt es sich also um einen aus nur wenigen fortgeltenden Bestimmungen bestehenden (Gesetzes-)„Torso“. Das Recht 252 Näheres Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 1, 3; § 60 Rdn. 4. 253 Dreier / Schulze, § 60 Rdn. 1, 2. 254 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie v. 9. 1. 1907. 255 Schricker / Götting, Vorbemerkung vor § 22 KUG . 453 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson am eigenen Bild ist nach dem zuvor Gesagten kein urheberrechtlicher Schutz an einem Werk (i. S. v. § 2 UrhG) und auch kein Leitungsschutzrecht (i. S. der §§ 70 ff. UrhG). Vielmehr ist es seiner Rechtsnatur nach ein besonderes Persönlichkeitsrecht, d. h. eine sondergesetzliche Normierung des aus Art. 1, 2 GG abgeleiteten und als sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB anerkannten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 256 Eine andere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist das im Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 1, 2 GG abgeleitete Datenschutzrecht, inzwischen auch in Art. 8 der EU -Grundrechtscharta verankert. Konnte man bislang mit § 1 Abs. 3 BDSG a. F. argumentieren, 257 dass bzgl. der in einem Bildnis erfassten personenbezogenen Daten die Regelungen der §§ 22, 23 KUG als lex spezialis Vorrang haben und das BDSG subsidiär ist, hat sich dies durch den Anwendungsvorrang der DSGVO 258 geändert, mit der Folge, dass das vorkonstitutionelle Recht des KUG im Lichte der DSGVO anzuwenden und auszulegen ist. 259 Nach Auffassung der Bundesregierung enthält das Kunsturhebergesetz ( KUG ) für die Veröffentlichung von Fotografien ergänzende Regelungen, die auch unter der DSGVO fortbestehen. Das KUG lasse sich auf Artikel 85 Absatz 1 DSGVO stützen, der den Mitgliedstaaten nationale Gestaltungsspielräume bei dem Ausgleich zwischen Datenschutz und der Meinungs- und Informationsfreiheit eröffnet. Es stehe nicht im Widerspruch zur DSGVO , sondern füge sich als Teil der deutschen Anpassungsgesetzgebung in das System der DSGVO ein. 260 Mit Blick auf die zuvor erwähnte sachliche Nähe zum urheberrechtlichen Bildnisschutz und auch auf die erhebliche praktische Bedeutung, die dem Recht am eigenen Bild im Zeitalter der digitalen Fotografie und des Internet in jüngerer Zeit zugewachsen ist, erscheint eine Darstellung in diesem urheberrechtlichen Abschnitt gleichwohl systematisch gerechtfertigt und sachlich geboten. Hierbei bietet sich die Erörterung des KUG im Kontext der Schrankenbestimmungen nicht nur wegen der Sachnähe zu § 60 UrhG, sondern auch mit Rücksicht darauf an, dass der Bildnisschutz historisch als Einschränkung des Vervielfältigungsrechtes des Bildnisurhebers gegenüber den Persönlichkeitsinteressen des Abgebildeten verstanden wurde und als solcher Aufnahme im KUG von 1907 gefunden hat. 261 b) Einwilligungserfordernis Gemäß § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse grundsätzlich nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden, d. h. der Einzelne bestimmt, ob und wie sein Bildnis verbreitet bzw. öffentlich zur Schau gestellt wird. Die bloße Herstellung eines Bildnisses (z. B. Fotoportraitaufnahme einer Person) ist danach nicht vom Einwilligungserfordernis nach § 22 S. 1 KUG erfasst, sie kann jedoch, sofern die Aufnahme heimlich oder gegen den erklärten Willen des Abgebildeten erfolgt, gegen das allgemeine Persönlichkeits- 256 Dreier / Schulze, Vor §§ 22 ff. KUG Rdn. 3; vertiefend ferner Schricker / Götting, § 22 KUG Rdn. 7-9. 257 Lorenz, ZD 2012, 367. 258 Verordnung (EU) 2016 / 679 v. 27. 4. 2016-- Datenschutz-Grundverordnung (anwendbar seit 25. 05. 2018). 259 Vertiefend zum Verhältnis zwischen KUG und DSGVO vgl. Klein, Personenbilder, S. 137 ff.; ferner Remmertz, GRUR -Prax 2018, 254, 256. 260 Vgl. BMI „ FAQ s zur Datenschutz-Grundverordnung“ (Stand: 05. 04. 2018), abrufbar unter https: / / www.bmi.bund.de/ SharedDocs/ kurzmeldungen/ DE/ 2018/ 04/ faqs-datenschutz-grundverordnung.html (letzter Abruf: 06 / 2018). 261 Vgl. Dreier / Schulze, Vor §§ 22 ff. KUG Rdn. 2. 454 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson recht, speziell gegen das Datenschutzrecht oder auch gegen § 201a St GB verstoßen. 262 Wie sich aus der gesetzlichen Vermutung nach § 22 S. 2 KUG ergibt, gilt die Einwilligung im Zweifel als (stillschweigend) erteilt, wenn der Abgebildete dafür, dass er sich abbilden ließ, eine Entlohnung erhielt. Grundsätzlich kann die nach § 22 S. 1 KUG erforderliche Einwilligung nicht nur ausdrücklich, sondern auch stillschweigend erteilt werden. Allerdings kann eine stillschweigende Einwilligung nur angenommen werden, wenn durch das Schweigen die Einwilligung aus Sicht des Empfängers eindeutig zum Ausdruck gebracht wird. 263 Die Anforderungen an die Wirksamkeit einer stillschweigenden Einwilligung sind streng. Die Einwilligung muss die Kenntnis der Art und Weise der Veröffentlichung und deren genauen Umstände umfassen. 264 Das heißt, eine Einwilligung ist unwirksam, wenn dem Einwilligenden Zweck, Art und Umfang der geplanten Verwendung des Bildnisses nicht bekannt war. 265 Die Beweislast für das Vorliegen der wirksamen Einwilligung trägt derjenige, der die Abbildung verbreitet, so dass die Einholung einer schriftlichen Einwilligung- - trotz fehlendem Formerfordernisses- - in der Praxis zum Zwecke des späteren Beweises stets anzuraten ist. 266 Auch die Frage, ob im Rahmen von Interviews entstandene Bild- und Tonaufnahmen von einer stillschweigenden Einwilligung gedeckt sind, bemisst sich nach den vorstehend skizzierten strengen Maßstäben. Die Rechtsprechung zum Vorliegen einer wirksamen Einwilligung bei Interviews im Bereich Fernsehen und Presse ist- - den unterschiedlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalls entsprechend-- uneinheitlich. Angesichts der strengen, an eine wirksame Einwilligung anzulegenden Maßstäbe kann jedenfalls aus der spontanen Bereitschaft, vor laufender Kamera Fragen zu beantworten, nicht auf das Vorliegen einer stillschweigenden Einwilligung in die spätere Verbreitung bzw. Zurschaustellung des Filmmaterials geschlossen werden. 267 Bei der Produktion von Werbefilmen-- anders als bei Veröffentlichungen in Fernsehen und Presse-- wird die Annahme einer stillschweigenden Einwilligung noch zurückhaltender beurteilt, da sich der Hersteller des Bilderzeugnisses nicht nur von einer generellen Einwilligung zur Verwendung des Bilderzeugnisses, sondern auch von der Verwendung für den speziellen Werbezweck zu überzeugen habe. 268 Im Arbeitsverhältnis muss die Einwilligung schriftlich eingeholt werden. 269 Soweit es sich bei den abgelichteten Personen um Kinder und Jugendliche handelt, ist schließlich zu berücksichtigen, dass bei Geschäftsunfähigen die Einwilligung vom gesetzlichen Vertreter zu erteilen oder zu verweigern ist. Beschränkt Geschäftsfähige (§§ 106 ff. BGB ), insbesondere Minderjährige (von der Vollendung des 7. Lebensjahres bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, § 106 i. V. m. § 2 BGB ), bedürfen zur Gültigkeit ihrer eigenen Willenserklärung der Einwilligung ihres gesetzlichen Vertreters, d. h. regelmäßig der Eltern. 270 Angesichts der persönlichkeitsrechtlichen Komponente der Einwilligung i. S. v. § 22 KUG soll 262 Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht S. 26 f. Rdn. 51. 263 Dreier / Schulze, § 22 Rdn. 18 f; Schricker/ Götting, § 22 KUG Rdn. 43 ff. 264 Hoene / Runkel, S. 705 f. Rdn. 9 f. 265 Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 18. 266 Hoene / Runkel, S. 706 Rdn. 9; Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 18. 267 Vgl. die Nachweise bei Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 18. 268 So Schricker / Götting, § 22 KUG Rdn. 43. 269 BAG v. 11. 12. 2014, Az. 8 AZR 1010 / 13, hierzu: Seiler, PHOTO Presse PP 11-2015, S. 20. 270 Schricker / Götting, § 22 KUG Rdn. 42. 455 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson der Gedanke des Schutzes des Minderjährigen nach h.M. im Schrifttum dazu führen, dass die Eltern-- anders als nach dem Modell der gesetzlichen Vertretung nach §§ 107 ff. BGB -- die Einwilligung nicht allein erteilen können, wenn der Minderjährige widerspricht, was de facto zu einer Doppelzuständigkeit führe. Der Minderjährige soll die Einwilligung nicht gegen den Willen seines gesetzlichen Vertreters erteilen können, umgekehrt soll auch dieser sie nicht gegen den Willen des einsichtsfähigen Minderjährigen erklären können. 271 Diese sog. Doppelzuständigkeit ist bei der Ausgestaltung einer entsprechenden Einwilligungserklärung zu berücksichtigen. Unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzes sind auch Art. 7 und 8 DSGVO zu berücksichtigen. c) Schutzfrist Wie in § 22 S. 3 KUG geregelt, bedarf es nach dem Tod des Abgebildeten bis zum Ablaufe von 10 Jahren der Einwilligung der Angehörigen des Abgebildeten (postmortaler Bildnisschutz), d. h. die Schutzfrist des Rechts am eigenen Bild beträgt 10 Jahre nach dem Tode des Abgebildeten. 272 Ausweislich § 22 S. 4 KUG sind Angehörige der überlebende Ehegatte oder Lebenspartner und die Kinder des Abgebildeten, und wenn weder ein Ehegatte oder Lebenspartner noch Kinder vorhanden sind, die Eltern des Abgebildeten. Der Umstand, dass die Einwilligung von allen genannten Angehörigen erklärt werden muss und bereits die Verweigerung eines einzelnen Angehörigen der Veröffentlichung des Bildnisses entgegensteht, kann in der Praxis für die Presse-- namentlich bei knapper Zeit-- zu der Schwierigkeit führen, rechtzeitig die nach dem Gesetz erforderlichen Einwilligungen sämtlicher genannter Angehöriger zu erlangen. 273 Vom postmortalen Bildnisschutz zu unterscheiden ist der unter dem Gesichtspunkt der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG ) als Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannte postmortale Achtungsanspruch gegen schwerwiegende Herabsetzungen des Ansehens des Verstorbenen und gegen Entstellungen von dessen Lebensbild, der nicht durch eine 10-jährige Schutzfrist begrenzt ist. 274 d) Ausnahmen vom Einwilligungserfordernis Das Vorliegen einer der nachfolgenden Tatbestände führt gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KUG dazu, dass die Verbreitung und Zurschaustellung eines Bildnisses ausnahmsweise auch ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung zulässig ist: 1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; 2. Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen; 3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; 271 Vgl. Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 24 ff, 26; Schricker / Götting, § 22 KUG Rdn. 42, jeweils m. w. Nachw. 272 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 170 Rdn. 542. 273 Hoene / Runkel, S. 706 Rdn. 12. 274 Dreier / Schulze, § 22 KUG Rdn. 29 f. 456 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson 4. Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient. Das Recht am eigenen Bild wird durch diese Ausnahmetatbestände nach § 23 Abs. 1 KUG begrenzt. Als Grenzen dienen sie dem Interesse der Öffentlichkeit an einer sachgerechten und umfassenden freien Presseberichterstattung in Wort und Bild. 275 Ohne Einwilligung des Abgebildeten können danach in den in § 23 Abs. 1 KUG geregelten Fällen Bildnisse bzw. Bilder im Interesse der Informations-, Abbildungs-, Meinungs- und Kunstfreiheit veröffentlicht werden. 276 Die Ausnahmetatbestände werden allerdings ihrerseits gem. § 23 Abs. 2 KUG im Wege einer Rückausnahme begrenzt. Danach erstreckt sich die Befugnis zur erlaubnisfreien Abbildung nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird. Die Bestimmung der exakten Grenzen des Rechts am eigenen Bild setzt danach stets die Vornahme einer sorgfältigen Interessenabwägung voraus, bei der das verfassungsrechtlich garantierte Freiheitsinteresse des Abgebildeten bzw. seiner Angehörigen an der Geheimhaltung bzw. Anonymität (Art. 1, 2 Abs. GG ) gegen das Informationsinteresse der Presse und der Allgemeinheit (Art. 5 GG ) abzuwägen ist. 277 e) Rechtsverletzungen Bei Verletzung des Rechts am eigenen Bild drohen zivilrechtliche Ansprüche, ferner strafrechtliche Sanktionen. Das Recht am eigenen Bild ist wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB sowie nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG geschützt. Das heißt, der Verletze kann in analoger Anwendung von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB und § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG zunächst Unterlassung verlangen, sofern Wiederholungsgefahr besteht, wobei die Wiederholungsgefahr bei erfolgter Verletzung regelmäßig vermutet wird. 278 Darüber hinaus kann der in seinem Recht am eigenen Bild Verletzte gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB , 97 Abs. 1 S. 1 UrhG analog die Beseitigung der Störungsfolgen verlangen, die auch nach Beendigung der rechtsverletzenden Handlung noch fortwirken, wobei kein Verschulden vorausgesetzt ist (z. B. Entfernung von Plakaten, Schwärzen verletzender Vervielfältigungsstücke, Anspruch auf Rückruf bereits ausgelieferter persönlichkeitsrechtsverletzender [Presse-])Erzeugnisse). Für die Verletzung des Rechts am eigenen Bild wird der allgemeine Beseitigungsanspruch ergänzt durch sondergesetzliche Ansprüche auf Vernichtung (§ 37 KUG ) und Übernahme (§ 38 KUG ) der widerrechtlich hergestellten Exemplare und näher bestimmten Vorrichtungen. 279 Schließlich kann der Verletzte bei unautorisierter Bildnisveröffentlichung gemäß §§ 823 Abs. 1 bzw. 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 22, 23 Abs. 2 KUG Schadensersatz verlangen. Der Anspruch setzt-- wie allgemein im Zivilrecht-- Verschulden voraus, wobei insoweit von der Rechtsprechung ein strenger Sorgfaltsmaßstab 275 Schricker / Götting, § 23 KUG Rdn. 1; Hoene / Runkel, S. 707 Rdn. 13. 276 Dreier / Schulze, § 23 KUG Rdn. 1. 277 Dreier / Schulze, § 23 KUG Rdn. 1; Schricker / Götting, § 23 KUG Rdn. 3. 278 Dreier / Schulze, §§ 33 ff. KUG Rdn. 6. 279 Dreier / Schulze, §§ 33 ff. KUG Rdn. 9, 10; ferner Hoene / Runkel, S. 710 Rdn. 26. 457 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson angelegt wird. Insbesondere bei der Verwendung von Bildnissen zu Werbezwecken obliegt es dem Verwender das Vorliegen seiner Befugnis zur Verwertung besonders gründlich zu prüfen. 280 Der Schadensersatzanspruch erstreckt sich dabei nicht allein auf die ideellen Interessen, sondern auch auf die Entschädigung für eine Verletzung der vermögenswerten Bestandteile des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. 281 Neben dem auf Naturalrestitution abzielenden Schadensersatzanspruch gemäß §§ 249 ff. BGB (z. B. durch Herausgabe von Negativen und Abzügen, Wiedergutmachung durch Widerruf), steht bei der kommerziellen Verwertung fremder Bildnisse der Gelderersatz im Vordergrund. Wie bei der Verletzung von Urheberrechten und sonstigen Immaterialgüterrechten (vgl. hierzu § 87 II . 2. b) bb)) kann der Verletzte auch bei Verletzungen des Rechts am eigenen Bild den ihm entstanden Schaden auf dreifache Weise berechnen. Das heißt, der Geschädigte kann den konkret entstanden Schaden ersetzt verlangen, einschließlich entgangenem Gewinn (§§ 249, 252 BGB ), er kann Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr im Wege der Lizenzanalogie oder Herausgabe des Verletzergewinns verlangen. Auch bei der Bildnisverletzung steht in der Praxis-- wie im Immaterialgüterrecht allgemein-- die fiktive Lizenzgebühr im Vordergrund des Interesses. Für die Höhe des Schadens ist danach darauf abzustellen, welches Entgelt vernünftige Vertragspartner in Kenntnis und unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Falles (Bekanntheit des Abgebildeten, die Art der Verwertung, Auflage und Verbreitung etc.) als angemessenes Honorar für die betreffende Verwertung ausgehandelt hätten. 282 Aus strafrechtlicher Sicht ist zu beachten, dass die vorsätzliche (§ 15 St GB ) rechtswidrige Bildnisverbreitung bzw. Zurschaustellung nach § 33 Abs. 1 KUG strafbar ist (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe), wobei die Tat nur auf Antrag verfolgt wird (§ 33 Abs. 2 KUG ). Zudem besteht eine Strafbarkeit nach § 201a St GB bei der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Stellt die Bildnisrechtsverletzung zugleich eine Datenschutzverletzung dar, kommen noch die Sanktionen des Art. 83 DSGVO (Bußgeld bis 20 Mio. Euro oder 4 % des Jahresgesamtumsatzes) sowie materieller und immaterieller Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO und Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren nach § 42 BDSG n. F. in Betracht. 8. Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen Die nachfolgend dargestellten Schrankenregelungen (§§ 60a bis 60h UrhG) wurden durch das am 1. 3. 2018 in Kraft getretene Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz neu eingefügt, durch das die gesetzlich erlaubten Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft sowie Bildungs- und Gedächtnisinstitutionen (Bibliotheken, Ariche, Museen etc.) grundlegend reformiert wurden. Die Reform zielt darauf ab, für jede Nutzergruppe (Lehrende, Forschende, Bibliotheksnutzer etc.) eine Vorschrift bereitzustellen, die den Umfang der erlaubten Nutzungen nach Art und Umfang möglichst präzise beschreibt. Auf das Konzept einer Generalklausel-- oder von um Regelbeispiele ergänzten generalklauselartigen Erlaubnistatbeständen- - hat 280 Dreier / Schulze, §§ 33 ff. KUG Rdn. 16. 281 Hoene in Hoene / Runkel, S. 710 f. Rdn. 28 unter Berufung auf BGH GRUR 2000, 709 „Marlene Dietrich“´. 282 Dreier / Schulze, §§ 33 ff. KUG Rdn. 18. 458 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson der Gesetzgeber bewusst verzichtet und den damit zwangsläufig einhergehenden Mangel an Flexibilität bewusst in Kauf genommen. 283 Über die Praxistauglichkeit der Reform soll dem Bundestag vier Jahre nach Inkrafttreten durch die Bundesregierung Bericht erstattet werden (§ 142 Abs. 1 UrhG), ihre Gültigkeit ist daher (vorerst) auf einen Zeitraum von fünf Jahren befristet (§ 142 Abs. 2 UrhG). 284 a) Unterricht und Lehre (§ 60a UrhG) Die Schranke regelt die nach altem Recht verstreut in einer Vielzahl unterschiedlicher Bestimmungen geregelten erlaubten Nutzungen im Zusammenhang mit Unterricht und Lehre. In seiner durch erlaubten Umfang, Zweck und privilegierten Nutzerkreis (Bildungseinrichtungen) gekennzeichneten Ausgestaltung dürfte § 60a UrhG als Unterrichts-/ Lehrschranke den sich insoweit abzeichnenden unionsrechtlichen Vorgaben 285 entsprechen. Nach dem Erlaubnistatbestand in Absatz 1 dürfen zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen zu nicht kommerziellen Zwecken bis zu 15 Prozent eines veröffentlichten Werkes für einen berechtigten Personenkreis (insbesondere Lehrende, Teilnehmer der Kurse, Prüfer) vervielfältigt, verbreitet, öffentlich zugänglich gemacht oder in sonstiger Weise öffentlich wiedergegeben werden. Als Bildungseinrichtungen legal definiert sind frühkindliche Bildungseinrichtungen, Schulen, Hochschulen sowie Einrichtungen der Berufsbildung oder der sonstigen Aus- und Weiterbildung (Absatz 4). Vom Begriff der Lehre sind Lehrveranstaltungen an Universitäten, Fachhochschulen und sonstigen Hochschulen erfasst, wie z. B. Vorlesungen und Seminare, einschließlich E-Learning und Fernunterricht über das Internet (sog. Distance-Learning). 286 Absatz 2 erweitert den Umfang der zulässigen Werknutzung dahingehend, dass Abbildungen (insbesondere auch Fotographien), einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke abweichend von Absatz 1 vollständig genutzt werden dürfen. Durch die Beschränkung der zulässigen Nutzung auf einzelne Beiträge aus „Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Zeitschriften“ ist die Nutzung von nicht-wissenschaftlichen Zeitungen und Publikumszeitschriften ausgeschlossen, was als Rückschritt gegenüber der alten Rechtslage und mit Blick auf Bedeutung tagesaktueller Medienbeiträge für Unterricht und Lehre zur recht auf Kritik gestoßen ist. 287 Zur Frage, wann ein „Werk geringen Umfangs“ vorliegt, soll auf die bereits bisher in Gesamtverträgen zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern vorgenommenen Konkretisierungen zurückgegriffen werden können (für Druckwerke: 25 Seiten; für Noten: 6 Seiten; für Filme: 5 Minuten; für Musik: 5 Minuten). 288 Absatz 3 enthält drei Bereichsausnahmen, für die die gesetzliche Erlaubnis nach den Absätzen 1 und 2 nicht gilt. Beispiel: Lehrer erstellt in dem privilegierten 283 Vgl. BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 21; kritisch hierzu de la Durantaye, GRUR 2017, 558, 560 f., Schack, ZUM 2017, 802, 804. 284 Kritisch zur Befristung vgl. Schack, ZUM 2017, 802, 803. 285 Vgl. EG 4 bis 17, Art. 4 Vorschlag DSM -UrhR- RL . 286 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 36. 287 Vgl. Schack, ZUM 2017, 802, 804. 288 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 35. 459 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson Umfang Kopien für sich und seine Schüler oder Hochschullehrer stellt digitalisiertes Material in dem privilegierten Umfang über das Intranet der Hochschule den Teilnehmern seines Seminars zur Verfügung. b) Unterrichts- und Lehrmedien (§ 60b UrhG) Auch diese, nach altem Recht z. T. von § 46 UrhG erfasste Schranke bezieht sich mittelbar auf Unterricht und Lehre. Sie privilegiert die Herstellung von Unterrichts- und Lehrmedien. Hierbei handelt es sich nach der Legaldefinition um „Sammlungen, die Werke einer größeren Anzahl von Urhebern vereinigen und ausschließlich zur Veranschaulichung des Unterrichts und der Lehre an Bildungseinrichtungen (§ 60a) zu nicht kommerziellen Zwecken geeignet, bestimmt und entsprechend gekennzeichnet sind“ (Absatz 3). Nach dem Erlaubnistatbestand in Absatz 1 dürfen Hersteller von Unterrichts- und Lehrmedien (z. B. von Schulbüchern) für solche Sammlungen bis zu 10 Prozent eines veröffentlichten Werkes vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen. Die Regelungen zur Erweiterung des zulässigen Umfangs der Nutzung und den Bereichsausnahmen nach § 60a Abs. 2 und 3 UrhG gelten entsprechend (Absatz 2). c) Wissenschaftliche Forschung (§ 60c UrhG) Die Schranke vereinigt die nach altem Recht in § 52a Abs. 1 Nr. 2 und § 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 geregelten Befugnisse im Zusammenhang mit der wissenschaftlichen Forschung und zeichnet sich durch eine im Wesentlichen gleiche Systematik wie § 60a UrhG aus. Sie gilt für alle wissenschaftlich Forschenden, z. B. für unabhängige Forscher, solche an Forschungsinstituten, für Professoren und wiss. Mitarbeiter im Rahmen ihrer Forschung sowie für Studenten bei ihrer wiss. Arbeit und auch für Privatgelehrte. 289 Nach dem gesetzlichen Erlaubnistatbestand in Absatz 1 dürfen zum Zwecke der nicht kommerziellen Forschung bis zu 15 Prozent eines Werkes für den privilegierten Personenkreis (s. Abs. 1 Nr. 1 und 2) vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden. Vom Anwendungsbereich der Regelung kann auch durch private Drittmittel finanzierte, nicht kommerzielle Forschung erfasst sein, da es auf die Finanzierungsquelle der Forschung nicht ankommt. Auch die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse in einem Verlag führt nicht dazu, dass die zugrundeliegende Forschung als kommerziell zu qualifizieren ist, unabhängig davon, ob der Forscher für die Veröffentlichung ein Honorar erhält oder nicht. Auf von Unternehmen zum Zwecke der Entwicklung von Waren oder Dienstleistungen betriebene Forschung ist § 60c UrhG demgegenüber nicht anwendbar, da diese Forschung kommerziellen Zwecken dient. Anders als nach § 60a UrhG dürfen für die wiss. Forschung auch unveröffentlichte Werke genutzt werden, was die Erforschung von Nachlässen erleichtern soll. 290 Nach Absatz 2 wird der Umfang der erlaubten Nutzung dahingehend erweitert, dass für die eigene wissenschaftliche Forschung bis zu 75 Prozent eines Werks vervielfältigt werden dürfen. Anders als nach alter Rechtslage (§ 53 Abs. 2 S. 1 Nr. 1) kommt es nicht mehr darauf an, ob die Vervielfältigung zu diesem „geboten“ ist, z. B. weil das 289 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 39. 290 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 39. 460 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson fragliche Werk in einer Bibliothek nicht mehr ausleihbar ist. Die Erweiterung der erlaubten Werknutzung in Absatz 3 (Befugnis zur vollständigen Nutzung von Abbildungen, einzelne Beiträge aus derselben Fachzeitschrift oder wissenschaftlichen Zeitschrift, sonstige Werke geringen Umfangs und vergriffene Werke) entspricht der Erweiterung in § 60a Absatz 2 UrhG (s. zuvor a). Nach der Bereichsausnahme in Absatz 4 ist die Aufnahme und spätere öffentliche Zugänglichmachung öffentlicher Vorträge, Aufführungen oder Vorführungen eines Werks nicht erlaubt (Verbot der Aufnahme von Live-Veranstaltungen vor Ort, z. B. im Rahmen einer wiss. Tagung). 291 Beispiel: Hochschullehrer stellt Material in dem privilegierten Umfang den Mitarbeitern seines Forschungsteams über Hochschulintranet zur Verfügung oder den Gutachtern im Zusammenhang mit einem Antrag auf Forschungsförderung. d) Text und Data Mining (§ 60d UrhG) Die Regelung hat erstmals im deutschen Recht eine gesetzliche Schranke für die Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte zum Zwecke des Text und Data Mining ( TDM ) geschaffen. Beim TDM werden in einem mehrstufigen Prozess große Text- und Datenmengen (Ursprungsmaterial) in digitaler Form gesammelt und technisch so aufbereitet, dass ein sog. Korpus entsteht, der sodann für eine softwarebasierte Datenanalyse (die Extraktion von Aussagen, Fakten, Korrelationen, Mustern etc.) zur Verfügung steht. 292 Angesichts immer größerer Datenmengen, die mit herkömmlichen Methoden nicht mehr auswertbar sind (Big Data), kommt Analyseverfahren wie TDM in der Wissenschaft eine immer größere Bedeutung zu. 293 Nach Absatz 1 ist es erlaubt, eine Vielzahl von Werken (Ursprungsmaterial) für die wissenschaftliche Forschung im Rahmen des TDM zu vervielfältigen und den Korpus (nicht das Ursprungsmaterial) einem-- ähnlich wie in § 60c Abs. 1 Nr. 1 und 2-- gesetzlich umrissenen Personenkreis zur Verfügung zu stellen. Die Erlaubnis ist in Übereinstimmung mit Art. 5 Abs. 3 lit. a InfoSoc- RL auf wissenschaftliche Forschung zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke beschränkt (Absatz 1 S. 2). Die Beschränkung auf Forschung zu nicht kommerziellen Zwecken wird mit Blick auf die große praktische Bedeutung und das Innovationspotential der privatwirtschaftlichen Forschung als verfehlt angesehen, 294 ist allerdings gleichfalls- - wenn auch in abgeschwächter Form- - im Vorschlag der DSM -Urheberrechts-Richtlinie vorgesehen. 295 Durch die gesetzlichen Fiktionen in Absatz 2 ist sichergestellt, dass auch Ursprungsmaterial aus Datenbankwerken und Datenbanken genutzt werden kann. Gemäß Absatz 3 sind Korpus und Vervielfältigungen des Ursprungsmaterials nach Abschluss der Forschungsarbeiten mit Rücksicht auf die Interessen der Wissenschaftsverlage (keine parallelen Artikeldatenbanken) zu löschen, sie können jedoch einer der in §§ 60e und 60f genannten Institutionen (z. B. Bibliothek oder Archiv) zur dauerhaften Aufbewahrung übermittelt werden. 291 Ungeachtet der urheberrechtlichen Bereichsausnahme sind das Hausrecht des Veranstalters und die Persönlichkeitsrechte der Vortragenden zu beachten. 292 Zur Begriffsbestimmung vgl. ferner Art. 2 Abs. 2 Vorschlag DSM -UrhR- RL . 293 Vgl. Raue, GRUR 2017, 11, 12; ferner EG 8 Vorschlag DSM -UrhR- RL . 294 Vgl. de la Durantaye, GRUR 2017, 558, 561; Raue, GRUR 2017, 11, 15; Schack, ZUM 2017, 802, 806. 295 Vgl. EG 10, 11, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Vorschlag DSM -UrhR- RL . 461 § 72 Schranken des Urheberrechts Pierson e) Bibliotheken (§ 60e UrhG) Die Schranke regelt-- unter Zusammenfassung der nach altem Recht verstreut in unterschiedlichen Bestimmungen normierten Befugnisse-- die erlaubten Nutzungen durch Bibliotheken. Nach der Legaldefinition in Absatz 1 sind diese definiert als „öffentlich zugängliche Bibliotheken, die keine unmittelbaren oder mittelbaren kommerziellen Zwecke verfolgen“. Die Struktur der Vorschrift orientiert sich an den erlaubten Nutzungshandlungen. 296 Absatz 1 regelt ausschließlich die Erlaubnis zur Vornahme von Vervielfältigungen von Werken aus dem Bestand oder ihrer Ausstellung als solche, nämlich für Zwecke der Zugänglichmachung, Indexierung, Katalogisierung, Erhaltung und Restaurierung. Mit Ausnahme der Vervielfältigung für Zwecke der Zugänglichmachung sind diese als bibliotheksinterne Nutzungen vergütungsfrei (§ 60h Abs. 2 Nr. 2). Wofür die nach Absatz 1 hergestellten Vervielfältigungen eingesetzt werden dürfen, bestimmt sich nach den Absätzen 2 bis 5. Die Absätze 2 (insbes. Weitergabe von Vervielfältigungen zum Zwecke der Restaurierung, Verleih von restaurierten Werken) und 3 (Vervielfältigungen im Zusammenhang mit der Ausstellung oder Dokumentation der Bestände) regeln erlaubte Verbreitungen, Absatz 4 die Zugänglichmachung an Terminals und Absatz 5 den Kopienversand auf Bestellung (Fernleihe). f) Archive, Museen und Bildungseinrichtungen (§ 60f UrhG) Für Archive, Einrichtungen im Bereich des Film- und Tonerbes sowie öffentlich zugängliche Museen und Bildungseinrichtungen verweist die Vorschrift weitgehend auf die entsprechende Geltung von § 60e, so dass sich für die Mehrzahl der erlaubten Nutzungen eine Abgrenzung zwischen Bibliotheken einerseits und den in § 60f geregelten Einrichtungen andererseits erübrigt. 297 Durch die Schrankenregelungen nach §§ 60e und 60f UrhG entspricht das deutsche Gesetz bereits den sich abzeichnenden unionsrechtlichen Vorgaben betreffend eine Schrankenregelung zugunsten von Einrichtungen des Kulturerbes, denen es nach Maßgabe des DSM -Urheberrechts-Richtlinienvorschlages (Art. 5) zu ermöglichen ist, dauerhaft in ihren Sammlungen befindliche Werke und sonstige Schutzgegenstände für den alleinigen Zweck des Erhalts im notwenigen Umfang zu vervielfältigen. g) Gesetzlich erlaubte Nutzung und vertragliche Nutzungsbefugnis (§ 60g UrhG) Die Vorschrift regelt ausschließlich das Verhältnis von vertraglichen Vereinbarungen über Nutzungsbefugnisse zu den erlaubten Nutzungen nach §§ 60a bis 60f UrhG, die Frage des Verhältnisses von vertraglichen Vereinbarungen zu anderen gesetzlichen Schrankenbestimmungen bleibt von § 60g UrhG unberührt. Nach der Grundregel des Absatz 1 kann sich der Rechtsinhaber nicht auf Vereinbarungen berufen, die erlaubte Nutzungen zum Nachteil des Nutzungsberechtigten beschränken oder untersagen. Gemäß Absatz 2 gehen allerdings Vereinbarungen, die ausschließlich die Zugänglichmachung an Terminals nach §§ 60e Abs. 4 und 60f Abs. 1 UrhG oder den Versand auf Bestellung nach § 60e Abs. 5 UrhG betreffen abweichend von Absatz 1 der gesetzlichen Erlaubnis vor. Das heißt, in diesen beiden Aus- 296 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 42. 297 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 42. 462 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson nahmefällen hat ein Vertrag Vorrang vor der gesetzlichen Erlaubnis, allerdings nur wenn er sich ausschließlich auf die fraglichen Nutzungen (Zugänglichmachung am Terminal, Kopienversand auf Bestellung) bezieht. 298 Beispiel: Ein Hochschullehrer, der beabsichtigt, den Teilnehmern seiner Vorlesung in dem erlaubten Umfang (vgl.§ 60a UrhG) digitale Kopien von urheberrechtlich geschütztem Material über die Lernplattform der Hochschule zur Verfügung zu stellen, muss nicht überprüfen, ob in Bezug auf das fragliche Material ein Nutzungsvertrag zwischen der Hochschule und dem Rechtsinhaber besteht oder nicht, da er in jedem Fall zur Nutzung in dem gesetzlich erlaubten Umfang berechtigt ist. h) Angemessene Vergütung der gesetzlich erlaubten Nutzung (§ 60h UrhG) Die Vorschrift regelt die Frage der Vergütung als Ausgleich für die in Unterabschnitt 4 geregelten gesetzlichen Erlaubnisse. Nach dem in Absatz 1 geregelten Grundsatz sind Nutzungen für Unterricht, Forschung (§§ 60a bis 60d UrhG) und durch die in den §§ 60e und 60f UrhG begünstigten Institutionen, wie überwiegend bereits bislang, vergütungspflichtig. Hierbei wird die Vergütung für Vervielfältigungen über das bereits bestehende, in den §§ 54 bis 54c UrhG geregelte System (pauschale Geräte-, Speichermedien- und Gerätebetreibervergütung) abgerechnet (Absatz 1 S. 2), die insoweit als Sonderregelungen § 60h UrhG vorgehen (Absatz 5 S. 2). In Absatz 2 sind die Fälle geregelt, in denen eine Nutzung ausnahmsweise vergütungsfrei erlaubt ist (Nr. 1 öffentliche Wiedergaben im Rahmen von Schulveranstaltungen; Nr. 2 Vervielfältigungen für interne Zwecke durch Bibliotheken, Archive etc. nach §§ 60e Abs. 1, 60f Abs. 1 UrhG). Die Frage, wie die Höhe der angemessenen Vergütung zu ermitteln ist, regelt Absatz 3 dahingehend, dass im Grundsatz eine Vergütung auf der Basis von Pauschalen oder Stichproben zulässig ist (Gesamt- und Rahmenverträge zwischen Verwertungsgesellschaften und Nutzern), während in den Fällen der Nutzungen nach § 60b UrhG (Herstellung von Unterrichts- und Lehrmedien) und § 60e Abs. 5 UrhG (Kopienversand auf Bestellung) ausnahmsweise eine Einzelabrechnung erfolgen muss. 299 Die Geltendmachung sämtlicher Vergütungsansprüche nach Unterabschnitt 4 ist den Verwertungsgesellschaften vorbehalten (Absatz 4). Schuldner des Vergütungsanspruchs ist nicht der in einer Einrichtung tätige Nutzer, sondern die jeweilige Einrichtung, also die fragliche Hochschule, Bibliothek etc. (Absatz 5). § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht I. Vererbung, Grundsatz der mangelnden Übertragbarkeit Das Urheberrecht ist vererblich (§ 28 Abs. 1 UrhG). Nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung ist das Urheberrecht mit Rücksicht auf seine starke persönlichkeitsrechtliche Prägung, die enge Verbindung zwischen dem Urheber und seinem Werk, in seiner Gesamtheit jedoch-- außer im Wege der Erbfolge (§§ 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 UrhG)-- als Vollrecht nicht übertragbar 298 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 46. 299 Näheres hierzu vgl. de la Durantaye, GRUR 2017, 558, 565 ff.; Schack, ZUM 2017, 802, 806 f. 463 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson (§ 29 Abs. 1 UrhG). Hierin unterscheidet sich das Urheberrecht von vermögensrechtlichen Leistungsschutzrechten ohne persönlichkeitsrechtlichen Inhalt 300 und den gewerblichen Schutzrechten, bei denen eine Übertragung des gesamten „Monopolrechts“, also etwa eines Patents (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 PatG), einer Marke (vgl. § 27 Abs. 1 MarkenG) oder eines eingetragenen Designs (vgl. § 29 Abs. 1 DesignG), von der Firma X auf die Firma Y rechtlich durchaus möglich ist. II. Urhebervertragsrecht Der Umstand, dass das Urheberrecht, wie zuvor gesehen, als Vollrecht nicht übertragbar ist, steht seiner wirtschaftlichen Verwertung jedoch nicht im Wege. Denn im Urheberrecht ist es zulässig, dass der Urheber einem Anderen sog. Nutzungsrechte einräumt (§ 29 Abs. 2 UrhG). Insoweit ist zu vergegenwärtigen, dass die wirtschaftlich bedeutsamen Verwertungsrechte eines urheberrechtlich geschützten Werkes, z. B. eines Textes, einer Komposition, einer Photographie oder Films, dem Urheber als Schöpfer des Werks zustehen (s. o. § 72 II .). In aller Regel sind die Urheber eines geschützten Werkes-- insbesondere im Bereich der sog. Kulturwirtschaft-- bei der Verwertung ihres Werks allerdings auf einen Verwerter (z. B. Buch-, Zeitungs-, Musikverlag, Produzenten) angewiesen, der die Produktion und den Vertrieb des Werks an die Endkunden bzw. Endnutzer übernimmt, häufig unter Einschaltung sog. Intermediäre (z. B. Buchhandel, Verleih, Internet-Plattformen). Voraussetzung für die wirtschaftliche Verwertung eines Werks ist daher regelmäßig, dass der Urheber als Rechtsinhaber dem Verwerter die für die geplante Art der Verwertung erforderlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte einräumt (z. B. das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung eines Videoclips). Die vertragliche Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten ist jedoch keineswegs nur im Verhältnis von sog. Kreativen und Verwertern von Bedeutung, sondern überall dort, wo sich-- wie z. B. in der Werbebranche und der gesamten Software- und Games-Industrie-- die vertragliche geschuldete Leistung auf urheberrechtlich geschützte Werke oder durch ein Leistungsschutzrecht erfasste Gegenstände bezieht. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die in all diesen Verträgen wirtschaftlich höchst bedeutsame Einräumung von Nutzungsrechten sind im Urhebervertragsrecht (§§ 28 ff. UrhG) geregelt. 1. Einräumung Nutzungsrecht und Nutzungsart a) Einräumung Nutzungsrecht Nach der Legaldefinition ist das Nutzungsrecht das vom Urheber eingeräumte Recht, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen (§ 31 Abs. 1 S. 1 UrhG). Die Nutzungsrechte, die der Urheber von seinem Urheberrecht in weitgehend beliebigem Umfang „abspalten“ und einem Dritten als „Tochterrechte“ einräumen kann, leiten sich inhaltlich von seinen eigenen vermögensrechtlichen Verwertungsrechten ab, die ihm das Gesetz, wie erläutert (s. o. unter § 71 II .), ausschließlich zuordnet. Das Nutzungsrecht ist jedoch gegenüber dem 300 Vgl. §§ 71 Abs. 2, 79 Abs. 1 S. 1, 85 Abs. 2 S. 1, 87 Abs. 2 S. 1, 87g Abs. 1 S. 1, 94 Abs. 2 S. 1 UrhG. 464 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Urheberrecht ein neues Recht, das als eine Art „Belastung“ des Urheberrechts verstanden werden kann. 301 In der Praxis wird die vertragliche Einräumung von urheberrechtlichen Nutzungsrechten zur eigennützigen Nutzung des Werks-- in Anlehnung an die entsprechende Terminologie bei den gewerblichen Schutzrechten (z. B. Patentlizenz, Gebrauchsmusterlizenz, Markenlizenz)- - häufig auch als „Lizenz“ bezeichnet. Die Nutzungsrechtseinräumung, d. h. das Recht, ein urheberrechtlich geschütztes Werk auf eine bestimmte Art zu nutzen, kann ausdrücklich oder konkludent erfolgen. Die (ausdrückliche oder konkludente) Einräumung eines (ausschließlichen oder einfachen) urheberrechtlichen Nutzungsrechts hat dinglichen Charakter und muss daher den Anforderungen an (dingliche) Verfügungen über Rechte genügen, d. h. die „betreffende Willenserklärung setzt demnach insbesondere voraus, dass unter Berücksichtigung der gesamten Begleitumstände nach dem objektiven Inhalt der Erklärung unzweideutig zum Ausdruck gekommen ist“, dass der Erklärende über sein Urheberrecht in der Weise verfügen will, „dass er einem Dritten ein bestimmtes Nutzungsrecht“ einräumt. 302 Von der dinglichen Rechtseinräumung ist die (bloße) schuldrechtliche Gestattung zu unterscheiden, die gleichfalls den Abschluss eines Rechtsgeschäfts voraussetzt, dass dem Beklagten jedoch lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch auf Vornahme der entsprechenden Nutzungshandlung vermittelt. Von der dinglichen Übertragung von Nutzungsrechten und der bloßen schuldrechtlichen Gestattung ist schließlich die schlichte Einwilligung in eine Urheberrechtsverletzung zu unterscheiden, die zwar die Rechtswidrigkeit der Nutzungshandlung entfallen lässt, durch die der Einwilligungsempfänger aber weder ein dingliches Recht noch einen schuldrechtlichen Anspruch oder ein sonstiges gegen den Willen des Rechtsinhabers durchsetzbares Recht erwirbt. 303 b) Nutzungsart Die Frage, wie weit sich das Urheberrecht in einzelne lizenzierbare Rechte „aufspalten“ lässt, beantwortet sich danach, wann im Hinblick auf eine Nutzung des Werkes noch von einer „einzelnen Nutzungsart“ (i. S. v. § 31 Abs. 1 S. 1 UrhG) gesprochen werden kann. Das Gesetz selbst enthält weder eine Definition der Nutzungsart noch gar eine Aufzählung möglicher Nutzungsarten. Letzteres wäre im Hinblick auf den rasanten technischen Fortschritt und die Entwicklung immer neuer Möglichkeiten der Werknutzung auch wenig sinnvoll. Nach der Rechtsprechung des BGH erweist sich die Nutzungsart als ein Begriff zur Kennzeichnung der konkreten wirtschaftlich und technischen Verwendungsform eines Werkes, die dem Verwertungsrecht unterliegen soll. Maßgeblich für das Vorliegen einer selbständig lizenzierbaren Nutzungsart ist danach, „ob es sich um eine nach der Verkehrsauffassung als solche hinreichend klar abgrenzbare, wirtschaftlich-technisch als einheitlich und selbständig erscheinende Nutzungsart handelt.“ 304 Als Beispiele für Werknutzungen, die nach diesem Maßstab als selbständig lizenzierbare Nutzungsarten anerkannt sind, lassen sich nennen im Verlagsbereich 301 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 271 Rdn. 878; S. 277 Rdn. 897. 302 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08, „Vorschaubilder“. 303 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08, „Vorschaubilder“. 304 BGH GRUR 1992, 310, 311 „Taschenbuch-Lizenz“; BGH v. 10. 6. 2009, Az. I ZR 226 / 06 „Nutzung von Musik für Werbezwecke“. 465 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson u. a. die Einzelausgabe, die Gesamtausgabe, die Hardcoverausgabe, die Taschenbuchausgabe, im Filmbereich die Kinoauswertung, die Fernsehauswertung, die Videoauswertung, im TV - Bereich das Pay- TV oder Video-on-Demand, im Musikbereich die Vervielfältigung auf CD , die Musiknutzung in einer Werbesendung, die Bereitstellung zum Download im Internet. 305 2. Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte Die Nutzungsrechte können, wie bereits erwähnt (s. o. 1. a), als einfache oder ausschließliche Nutzungsrechte eingeräumt werden (§ 31 Abs. 1 S. 2 UrhG). Das einfache Nutzungsrecht berechtigt den Inhaber, das Werk auf die ihm erlaubte Art zu nutzen, ohne dass eine Nutzung durch andere-- den Urheber oder andere Berechtigte-- ausgeschlossen ist (§ 31 Abs. 2 UrhG). Demgegenüber berechtigt das ausschließliche Nutzungsrecht den Inhaber, das Werk unter Ausschluss aller anderen Personen einschließlich des Urhebers auf die ihm erlaubte Art zu nutzen und einfache Nutzungsrechte („Unterlizenzen“) einzuräumen (§ 31 Abs. 3 S. 1 UrhG). Es kann allerdings- - wie durch die Urhebervertragsrechtsnovelle 2002 ausdrücklich klargestellt wurde-- bestimmt werden, dass die Nutzung durch den Urheber vorbehalten bleibt (§ 31 Abs. 3 S. 2 UrhG- - sog. eingeschränkte Ausschließlichkeit), etwa wenn der Fotograf seine Bilder aus einer Auftragsproduktion zur Eigenwerbung in einer Mappe oder auf seiner Homepage nutzen will. Der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts kann-- sofern ihm das ausschließliche Nutzungsrecht nicht nur zur Wahrnehmung der Belange des Urhebers eingeräumt ist- - weitere Nutzungsrechte jedoch nur mit Zustimmung des Urhebers einräumen (§§ 31 Abs. 3 S. 3, 35 Abs. 1 UrhG). Allerdings darf der Urheber die Zustimmung nicht wider Treu und Glauben verweigern (§§ 35 Abs. 2, 34 Abs. 1 S. 2 UrhG). 3. Übertragung von Nutzungsrechten Während das Urheberrecht als Vollrecht, wie dargelegt (s. o. I.), nicht übertragbar ist, können einfache und ausschließliche Nutzungsrechte übertragen werden. Da durch eine Weiter- Übertragung eines Nutzungsrechtes (Unterlizenzierung) die Interessen des Urhebers berührt sein können, kann diese nur mit Zustimmung des Urhebers erfolgen (§ 34 Abs. 1 S. 1 UrhG). Der Urheber hat dadurch die Möglichkeit, auf die Auswahl des Erwerbers Einfluss zu nehmen und kann seine Zustimmung, die er allerdings nicht wider Treu und Glauben verweigern darf (§ 34 Abs. 1 S. 2 UrhG), von Bedingungen abhängig machen. 306 Die Übertragung kann ausnahmsweise ohne Zustimmung des Urhebers erfolgen, wenn die Übertragung im Rahmen der Gesamtveräußerung eines Unternehmens oder der Veräußerung von Teilen eines Unternehmens geschieht (§ 34 Abs. 3 S. 1 UrhG). Gerade bei Unternehmen, die eine Vielzahl von Nutzungsrechten besitzen, wäre es diesen unzumutbar, aus Anlass der Unternehmenstransaktion die Zustimmung sämtlicher Urheberrechtsinhaber einzuholen. Wird also z. B. eine Werbeagentur veräußert, bedarf es zur Übertragung der im Besitz der Agentur befindlichen 305 Näheres hierzu vgl. u. a. Schricker / Ohly, § 31 Rdn. 36, 68 ff.; Fromm / Nordemann, Urheberrecht, § 31 Rdn. 10 ff., 65 ff. 306 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 301 Rdn. 974. 466 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Nutzungsrechte an Film-, Foto-, Text- und Musikmaterial keiner Zustimmung der jeweiligen Urheberrechtsinhaber. Allerdings kann der Urheber das Nutzungsrecht zurückrufen, wenn ihm die Ausübung des Nutzungsrechts durch den Erwerber nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (§ 34 Abs. 3 S. 2 UrhG). Eine derartige Unzumutbarkeit wird z. B. dann angenommen, wenn sich die Ausrichtung des nutzungsberechtigten Unternehmens durch den Inhaberwechsel grundlegend ändert (rechtsradikaler Verleger übernimmt linke Tageszeitung). 307 4. Beschränkungen des Nutzungsrechts a) Allgemeine Beschränkungsmöglichkeiten Ausweislich der gesetzlichen Regelung zu den Nutzungsrechten können diese räumlich, zeitlich und inhaltlich beschränkt eingeräumt werden (§ 31 Abs. 1 S. 2 UrhG). Was die Frage der inhaltlichen Beschränkungsmöglichkeiten bei der Einräumung von Nutzungsrechten betrifft, geht es um die- - letztlich bereits aus der Begriffsbestimmung des Nutzungsrechts folgende-- Möglichkeit des Rechtsinhabers, die Rechtseinräumung auf einzelne, unter wirtschaftlich-technischen Gesichtspunkten hinreichend abgrenzte, selbständige Verwendungsformen des Werkes, d. h. auf einzelne Nutzungsarten zu beschränken (s. zuvor unter 2.). 308 Die Möglichkeit, das Nutzungsrecht räumlich zu beschränken, bedeutet, dass das Nutzungsrecht auch örtlich beschränkt für einzelne Länder, Sprachräume oder Orte eingeräumt werden kann (z. B. räumliche Beschränkung des Aufführungsrechts im Bühnen- und Konzertbereich auf einzelne Spielorte). Besonderheiten gelten bei der räumlichen Beschränkungsmöglichkeit jedoch, sofern es um den Vertrieb von Werkstücken geht. Hier ist eine räumliche Aufspaltung des Verbreitungsrechts (Verlagsbereich) im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit innerhalb eines Rechts- und Staatsgebietes (einheitliches Wirtschaftsgebiet) nicht zuzulassen. 309 Unproblematisch möglich ist schließlich eine zeitliche Beschränkung des Nutzungsrechts (z. B. Beschränkung des Aufführungsrechts eines Bühnenwerkes auf eine Spielzeit). b) Grenzüberschreitende Nutzung digitaler Inhalte im Binnenmarkt aa) Problemstellung Wie dargestellt (zuvor a), besteht die Möglichkeit, dass Rechteinhaber von durch Urheberrechte oder Leistungsschutzrechte geschützten Inhalten, wie z. B. audiovisuellen Werken (Musik, Filmen, Videoclips, Spielen etc.), den Verwertern lediglich räumlich auf bestimmte Gebiete (z. B. einzelne EU -Mitgliedsstaaten) beschränkte Lizenzen (Gebietslizenzen) einräumen. Im Zusammenhang mit der Verwertung von urheberrechtlich geschütztem Content ist die Vergabe von Gebietslizenzen weit verbreitete Praxis. Diese erweist sich zunehmend als Hindernis, da digitale Technologien die grenzüberschreitende Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken oder durch Leistungsschutzrechte geschützten Schutzgegen- 307 Vgl. Wandtke / Bullinger-Wandtke / Grunert, UrhG, § 34 Rdn. 25. 308 Schricker / Ohly, § 31 Rdn. 6 ff. 309 Schricker / Ohly, § 31 Rdn. 35; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 281 Rdn. 912 ff. 467 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson ständen erleichtern, ebenso wie deren grenzüberschreitende Nutzung durch den Online- Zugriff auf entsprechende Angebote. Die sich aus Gebietslizenzen ergebenden territorialen Beschränken führen häufig dazu, dass die Anbieter von Online-Angeboten gehalten sind, technische Maßnahmen zu treffen, um die Nutzung des Online-Angebots durch den Zugriff aus Gebieten, die sich außerhalb des lizenzierten Gebietes befinden (z. B. einem anderen EU -Mitgliedsstaat), zu unterbinden (Geoblocking). Betroffen sind nicht nur Anbieter von Online-Inhaltediensten (Musik, Filme, Sportberichte etc.), sondern auch Rundfunkanstalten und Weiterverbreitungsdienste, die zunehmend in die Entwicklung von Online-Angeboten zur Verbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen investieren (Live-Stream / Simulcasting- oder Nachhol-/ Catch-up-Dienste, Podcasts etc.). Hierbei erweisen sich insbesondere mit Blick auf die grenzüberschreitende Verbreitung geschützter Inhalte der Lizenzierungsprozess bzw. die Klärung der für die entsprechenden Angebote erforderlichen Rechte als schwierig. 310 Soweit der Zugang zu Online-Diensten innerhalb der EU in Rede steht, ist zudem zu beachten, dass der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, der u. a. auf den Grundsätzen der Freizügigkeit und des freien Dienstleistungsverkehrs beruht und daher die Beseitigung von Hindernissen für das Funktionieren des Binnenmarktes gebietet. bb) Regulatorische Lösungsansätze Im Interesse eines funktionierenden Binnenmarktes hat die EU mit Blick auf die skizzierte Problemstellung (zuvor aa) im Kontext ihrer „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ (s. hierzu bereits o. § 67 II .) eine „Verordnung zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt“ erlassen. 311 Bei dieser seit dem 20. 3. 2018 geltenden Verordnung (Art. 11 Abs. 2) handelt es sich um die erste und bis dato einzige Verordnung auf dem Gebiet des bislang aus einer Vielzahl von Richtlinien bestehenden europäischen Urheberrechts. 312 Ziel der Verordnung ist es, den Abonnenten portabler Online-Inhaltedienste (Musik, Filme, Sportberichte etc.) den Zugriff auf diese Dienste auch dann zu ermöglichen, wenn sie sich vorübergehend- - z. B. im Rahmen einer Urlaubs- oder Geschäftsreise oder eines Praktikums-- in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedsstaat aufhalten. Zur Gewährleistung der grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltedienste werden deren Anbieter dazu verpflichtet, ihren Abonnenten den Zugriff im vertraglich vereinbarten Funktionsumfang auch dann zu ermöglichen, wenn sie sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedsstaat aufhalten (vgl. Art.3). Damit Anbieter von Online-Diensten dieser Verpflichtung nachkommen können, ohne in anderen Mitgliedsstaaten die entsprechenden Rechte erwerben zu müssen, sieht die Verordnung einen besonderen Regelungsmechanismus vor. Sowohl die mit der Bereitstellung der Online-Dienste einhergehenden Nutzungshandlungen der Vervielfältigung, öffentlichen Wiedergabe und öffentlichen Zugänglichmachung durch die Anbieter als auch die seitens der Abonnenten im Rahmen der Nutzung durch Zugriff aus einem anderen Mitgliedsstaat vorgenommenen 310 Verordnungsvorschlag EU -Kommission v. 14. 9. 2016, COM (2016) 594 final, S. 1. 311 VO (EU) 2017 / 1128 v. 14. 6. 2017; ausführlich hierzu s. Stieper, GRUR 2015, 1145 ff.; Ranke / Glöckler, MMR 2017, 378 ff.; ferner Beck OK UrhR / Stollwerck, Europäisches Urheberrecht, Rdn. 3-28. 312 Zu den Erwägungen für die Wahl einer VO siehe EG 35. 468 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Nutzungen, wie etwa die Vervielfältigung durch Download, gelten ausschließlich als in dem Wohnsitzland des Abonnenten erfolgt (Art. 4). Das heißt, mit Rücksicht auf mögliche lizenzvertragliche Beschränkungen im Verhältnis zwischen Diensteanbietern und Rechteinhabern werden alle einschlägigen Nutzungshandlungen unabdingbar (Art. 7) und mit Geltung für Altverträge (Art. 9) sachrechtlich im Wohnsitzmitgliedsstaat des Abonnenten lokalisiert. 313 Die durch lizenzvertragliche Gebietsbeschränkungen einerseits und die grenzüberschreitende Verfügbarkeit von Online-Angeboten andererseits bedingte Lizenzierungsproblematik stellt sich in gleicher Weise auch im Bereich des Rundfunks. Für den Satellitenrundfunk wurden Klärung und Erwerb der Rechte bereits 1993 durch das in der Satelliten- und Kabel-Richtlinie (93 / 83 / EWG ) verankerte Ursprungslandprinzip (bzw. Sendelandprinzip) erleichtert. Danach findet die öffentliche Wiedergabe über Satellit „nur in dem Mitgliedstaat statt, in dem die programmtragenden Signale unter der Kontrolle des Sendeunternehmens und auf dessen Verantwortung in eine ununterbrochene Kommunikationskette eingegeben werden…“ (Art. 2 Abs. 2 lit. b). Das heißt, der Rundfunkveranstalter muss die erforderlichen Rechte nur für den Mitgliedsstaat erwerben, aus dem er sendet. Da die Satelliten- und Kabel-Richtlinie für Online-Dienste der Rundfunkveranstalter nicht gilt, hat die Kommission-- im Kontext ihrer Strategie für den digitalen Binnenmarkt-- auch einen Verordnungsvorschlag für die Online- Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen unterbreitet. 314 Anknüpfend an das Regelungsmodell der Satelliten- und Kabel-Richtlinie sieht der Vorschlag auch für den Bereich der grenzüberschreitenden Bereitstellung von Online-Diensten, welche das Fernseh- und Hörfunkprogramm ergänzen (Live-Streams, temporäre Bereitstellung in Mediatheken etc.), die Einführung des Ursprungslandprinzips vor (Art. 2 Abs. 1 VO -Vorschlag). 315 5. Übertragungszweckgedanke Bei der Rechtseinräumung handelt es sich in der Regel um die zentrale Regelung eines jeden urheberrechtlichen Lizenzvertrages. Sie begründet die Pflicht des Rechtsinhabers, dem Erwerber die Nutzungsrechte in dem für seine Zwecke erforderlichen Umfang einzuräumen. In diesem Zusammenhang ist die folgende Regelung des gesetzlichen Urhebervertragsrechts für die Vertragspraxis von großer Bedeutung. Sind bei der Einräumung des Nutzungsrechts die Nutzungsarten, auf die sich das Recht erstrecken soll, nicht ausdrücklich einzeln bezeichnet (Spezifizierungspflicht), so bestimmt sich nach dem von beiden Partnern zugrunde gelegten Vertragszweck, auf welche Nutzungsarten sich das Nutzungsrecht erstreckt (§ 31 Abs. 5 S. 1 UrhG). Der damit vom Gesetz zum Ausdruck gebrachte sog. Übertragungszweckgedanke (früher sprachlich missglückt: „allgemeine Zweckübertragungslehre“) besagt, dass die sich aus dem Urheberrecht ergebenden vermögensrechtlichen Verwertungsbefugnisse zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Urhebers die Tendenz haben, soweit wie möglich beim Urheber zu verbleiben. Das heißt, sie gehen im Zweifel gerade nur in dem Umfang auf den 313 Grünberger, ZUM 2017, 324, 325. 314 Vorschlag für eine Verordnung v. 14. 9. 2016, COM (2016) 594 final. 315 Näheres zum Verordnungsvorschlag s. Grünberger, ZUM 2017, 324, 326 f. 469 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson Vertragspartner über, soweit dies zur Erreichung des zweifelsfrei gemeinsam verfolgten Vertragszweckes erforderlich ist. 316 Für den Erwerber von urheberrechtlichen Nutzungsrechten folgt daraus, dass er bei einer lediglich pauschal formulierten Vertragsklausel (z. B. „inkl. aller Nutzungsrechte“) über die Rechtseinräumung das Risiko läuft, Nutzungsrechte nur in unzureichendem Umfang zu erwerben. Insbesondere im Interesse des Rechterwerbers liegt daher stets eine genaue Bezeichnung der eingeräumten Nutzungsrechte im Vertrag. 6. Unbekannte Nutzungsart Im Zusammenhang mit dem Erwerb von Nutzungsrechten war nach alter Rechtslage (bis zur Urheberrechts-Reform 2008) noch eine weitere wichtige Schutzvorschrift zu Gunsten des Urhebers zu beachten. So waren nach dem Gesetz die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten sowie hierauf bezogene schuldrechtliche Verpflichtungen unwirksam (§ 31 Abs. 4 UrhG a. F.). Der Urheber sollte durch diese Regelung vor pauschalen Verfügungen geschützt werden, deren wirtschaftliche Tragweite er zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht überblicken konnte. Das heißt, dem Urheber sollte, wenn neue Nutzungsarten entwickelt wurden, die Entscheidung darüber vorbehalten bleiben, ob und zu welchen Konditionen er sich mit der neuartigen Nutzung seines Werkes einverstanden erklärt. Die als Schutzregelung zugunsten des Urhebers vorgesehene urhebervertragsrechtliche Beschränkung betreffend die Lizenzierung unbekannter Nutzungsarten hatte sich mit Blick auf die rasante technische Entwicklung-- gerade auch die durch das Internet eröffneten Online-Nutzungsmöglichkeiten-- jedoch als hinderlich erweisen und wurde-- auch aus Sicht des Urhebers-- als nicht mehr interessengerecht bewertet. Der Verwerter, der ein Werk auf eine vormals unbekannte Nutzungsart auswerten möchte, musste die entsprechenden Rechte einzelvertraglich nacherwerben, was in vielen Fällen mit erheblichen Transaktionskosten verbunden war. Folge der Regelung war, dass neue Technologien-- auch zu Lasten der Allgemeinheit-- deutlich verspätet oder sogar überhaupt nicht zum Einsatz gelangen. Im Zuge der Urheberrechtsnovelle 2008 („Zweiter Korb“) wurde die Regelung des § 31 Abs. 4 UrhG (Unwirksamkeit der Einräumung von Nutzungsrechten für unbekannte Nutzungsarten) daher aufgehoben. An die Stelle des § 31 Abs. 4 UrhG ist eine Regelung getreten, die nach dem Willen des Gesetzgebers die Interessen aller Beteiligten-- d. h. der Urheber ebenso wie der Verwerter und der Allgemeinheit- - ausgewogen berücksichtigt. 317 Der Urheber kann seither auch über seine Verwertungsrechte für noch unbekannte Nutzungsarten verfügen (§ 31a UrhG). Der Vertrag über die Rechtseinräumung oder Verpflichtung hierzu bedarf der Schriftform (§ 31a Abs. 1 S. 1 UrhG), es sei denn der Urheber räumt unentgeltlich ein Nutzungsrecht für jedermann ein (§ 31a Abs. 1 S. 2 UrhG). Durch den Verzicht auf das sonst erforderliche Schriftformerfordernis gemäß § 31a Abs. 1 S. 2 UrhG soll den Besonderheiten von Open-Source-Software und anderem vergleichbaren Open Content Rechnung getragen 316 BGH v. 22. 04. 2004, Az. I ZR 174 / 01 „Comic-Übersetzungen III “; BGH v. 10. 6. 2009, Az. I ZR 226 / 06 „Nutzung von Musik für Werbezwecke“. 317 Vgl. BT -Drucks. 16 / 1828, S. 22. 470 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson werden, die in der Regel nicht auf der Grundlage schriftlicher Verträge lizenziert werden. 318 Zum Schutz des Urhebers vor der regelmäßigen Übermacht der Verwerter erhält er neben dem obligatorischen Vergütungsanspruch (vgl. im Einzelnen § 32c UrhG) das Recht, eine entsprechende Verfügung oder Verpflichtung hierzu zu widerrufen (§ 31a Abs. 1 S. 3 UrhG). Das Widerrufsrecht erlischt nach Ablauf von drei Monaten, nachdem der andere die Mitteilung über die beabsichtigte Aufnahme der neuen Art der Werknutzung an den Urheber unter der ihm zuletzt bekannten Anschrift abgesendet hat (§ 31a Abs. 1 S. 4 UrhG). 319 7. Sicherstellung des Anspruchs auf angemessene Vergütung a) Ausgangspunkt Der sog. Kultur- und Kreativwirtschaft kommt nicht nur eine große gesellschaftspolitische (Stichwort: demokratische Meinungsbildung), sondern auch eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Das Urheberrecht als zentrale rechtliche Grundlage dieses wichtigen Wirtschaftszweigs beruht auf dem Leitgedanken, dass Urheber und ausübende Künstler angemessen an dem wirtschaftlichen Nutzen zu beteiligen sind, der aus der Verwertung ihres Werks bzw. ihrer Darbietung gezogen wird. 320 Ausgehend hiervon und dem Befund, dass die im Rahmen der Vertragsfreiheit vorausgesetzte Vertragsparität im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft-- insbesondere zwischen freiberuflich tätigen Kreativen und wirtschaftlich überlegenen Verwertern-- erheblich gestört ist, hat der Gesetzgeber das Urhebervertragsrecht reformiert und neue gesetzliche Instrumente geschaffen. Diese zielen darauf ab, die vertragliche Stellung des Urhebers und der ausübenden Künstler zu stärken (Reform 2002) 321 bzw. die Durchsetzung des Anspruchs auf eine angemessene Vergütung weiter zu verbessern (Reform 2016) 322 . Auch die europäische Kommission hat in ihrem Richtlinienvorschlag für das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt Vorschläge für eine fairere Ausgestaltung der Verträge zwischen Urhebern und ausübenden Künstlern einerseits und Verwertern andererseits unterbreitet (Art. 14 bis 16 DSM -UrhR- RL ). Die sich insoweit abzeichnenden unionsrechtlichen Vorgaben dürften durch die nachfolgend skizzierte Ausgestaltung des reformierten deutschen Urhebervertragsrechts im Wesentlichen bereits erfüllt sein. b) Gesetzliche Instrumente im Interesse der Vertragsparität Wesentliche Eckpunkte des im Interesse der Vertragsparität zwischen Kreativen und Verwertern reformierten Urhebervertragsrechts sind: 318 Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT -Drucks. 16 / 5939, zu § 31a, S. 44. 319 Das Widerrufsrecht wurde entsprechend einer Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zugunsten der Urheber modifiziert-- vgl. BT -Drucks. 16 / 5939, S. 31 f., 44. 320 BGH v. 6. 11. 1953, Az. I ZR 97 / 52, BGH Z, 11, 135 ff. 321 Gesetz zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern v. 22. 3. 2002; näheres hierzu Erdmann, GRUR 2002, 923 ff.; kritisch Wandtke, MMR 2017, 367, 370. 322 Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung und zur Regelung von Fragen der Verlegerbeteiligung v. 22. 12. 2016; näheres hierzu Lucas-Schloetter, GRUR 2017, 235 ff. 471 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson ▶ Angemessene Vergütung: Urhebern und ausübenden Künstlern steht für die Einräumung von Nutzungsrechten und die Erlaubnis zur Werknutzung ein gesetzlicher Anspruch auf eine angemessene Vergütung zu (§§ 32, 79 UrhG). Eine Vergütung ist angemessen, „wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses dem entspricht, was im Geschäftsverkehr nach Art und Umfang der eingeräumten Nutzungsmöglichkeit, insbesondere nach Dauer, Häufigkeit, Ausmaß und Zeitpunkt der Nutzung, unter Berücksichtigung aller Umstände üblicher- und redlicherweise zu leisten ist.“ (§ 32 Abs. 2 S. 2 UrhG). ▶ Gemeinsame Vergütungsregeln: Zur Bestimmung der Angemessenheit von Vergütungen nach § 32 stellen die Verbände der betroffenen Kreativen („Vereinigungen von Urhebern“) mit den Verbänden der primären Vertragspartner auf der Verwerterseite („Vereinigungen von Werknutzern“) oder einzelnen Werknutzern gemeinsame Vergütungsregeln auf (§ 36 UrhG). Eine nach einer gemeinsamen Vergütungsregelung ermittelte Vergütung ist angemessen (§ 32 Abs. 2 S. 1 UrhG). Gemeinsame Vergütungsregeln können auch für Verträge herangezogen werden, die vor deren zeitlichem Anwendungsbereich abgeschlossen wurden (§ 32 Absatz 2a UrhG). Das Verfahren zur Aufstellung gemeinsamer Vergütungsregeln findet im Rahmen eines Schlichtungsverfahrens vor einer Schlichtungsstelle statt, wenn die Parteien dies vereinbaren oder-- im Falle des Scheiterns oder Nichtzustandekommens von Verhandlungen- - auf Antrag einer Partei (§§ 36 Abs. 3 u. 4, 36a UrhG). Das der Sicherung einer angemessenen Vergütung dienende Instrument der „gemeinsamen Vergütungsregeln“ (i. S. v. § 36 UrhG) wird durch Regeln zum Schutz gegen Verstöße flankiert. So kann derjenige, der gegen gemeinsame Vergütungsregeln verstößt, im Weg der Verbandsklage auf Unterlassung genommen werden (§ 36b UrhG) und sich auf der individualvertraglichen Ebene nicht auf Bestimmungen berufen, die zum Nachteil des Urhebers von gemeinsamen Vergütungsregeln abweichen (§ 36c UrhG). ▶ Weitere Beteiligung („Bestsellerparagraph“): Stellt sich im Nachhinein nach Abschluss des Vertrages heraus, dass zwischen der vereinbarten vertraglichen Vergütung und dem Verwertungserfolg, d. h. den Erträgen und Vorteilen aus der Nutzung des Werks, ein Missverhältnis besteht, kann der Urheber-- im Sinne eines Fairnessausgleichs-- einen Anspruch auf Anpassung des Vertrages und eine den Umständen nach „weitere angemessene Beteiligung“ geltend machen (§ 32a UrhG). ▶ Gesonderte Vergütung bei neuer Art der Werknutzung: Ferner hat der Urheber einen „Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung, wenn der Vertragspartner eine neue Art der Werknutzung nach § 31a UrhG aufnimmt die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbart, aber noch unbekannt war“ (§ 32c UrhG-- zur vormals unbekannten Nutzungsart s. bereits zuvor u. 6. b). Ein entsprechender Anspruch steht auch ausübenden Künstlern zu (§ 79b UrhG). ▶ Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft: Bei „entgeltlicher Einräumung oder Übertragung eines Nutzungsrechts“ steht dem Urheber einmal jährlich ein Anspruch auf Auskunft und Rechenschaft über die durch die Nutzung seines Werkes erzielten Erlöse zu (§ 32d Abs. 1 UrhG). Der Anspruch, der nur durch eine gemeinsame Vergütungsregel i. S. v. § 36 UrhG oder einen Tarifvertrag abbedungen werden kann (§ 32d Abs. 3 UrhG), 472 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson ist ausgeschlossen, soweit der Urheber lediglich einen „nachrangigen Beitrag“ geleistet hat oder die Inanspruchnahme es Vertragspartners aus anderen Gründen „unverhältnismäßig“ ist (§ 32d Abs. 2 UrhG). Hat der Vertragspartner das Nutzungsrecht übertragen oder weitere Nutzungsrechte eingeräumt, besteht der entsprechende Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch des Urhebers auch gegenüber den fraglichen Dritten (Anspruch in der Lizenzkette, § 32e UrhG). ▶ Recht zur anderweitigen Verwertung: Der Urheber, der ein ausschließliches Nutzungsrecht gegen eine pauschale Vergütung eingeräumt hat, ist berechtigt, das Werk nach Ablauf von zehn Jahren anderweitig zu verwerten. Dem Vertragspartner des Urhebers verbleibt in Fällen einer exklusiven Vereinbarung über mehr als zehn Jahr nach Ablauf der Frist für die verbleibende Dauer ein einfaches Nutzungsrecht (§ 40a Abs. 1 UrhG). Frühestens nach Ablauf von 5 Jahren können die Vertragspartner einvernehmlich die Fortdauer der Exklusivität vereinbaren (§ 40a Abs. 2 UrhG). Zudem kommt in einigen besonderen Fallkonstellationen-- abweichend von § 40a Abs. 1 UrhG-- die Einräumung eines unbeschränkten ausschließlichen Nutzungsrechts in Betracht (§ 40a Abs. 3 UrhG). Im Übrigen kann das Recht zur anderweitigen Verwertung nur branchenspezifisch durch gemeinsame Vergütungsregeln oder Tarifverträge zum Nachteil des Urhebers ausgeschlossen werden (§ 40a Abs. 4 UrhG). 8. Beiträge zu Sammlungen a) Auslegungsregel § 38 Abs. 1 UrhG enthält eine Auslegungsregel zum Erwerb von Nutzungsrechten bei der Aufnahme eines Werkes in eine periodisch erscheinende Sammlung. Zu den periodisch erscheinenden Sammlungen zählen Zeitungen, Zeitschriften, Kalender, Almanache etc. 323 Während sich die Auslegungsregel nach alter Rechtslage nur auf die Verwertung des Werks in körperlicher Form (Vervielfältigung, Verbreitung) beschränkte, wurde die Auslegungsregelung mit Blick auf die zunehmende Bedeutung der Verbreitung über das Internet zwischenzeitlich vom Gesetzgeber ergänzt und die Vermutung dahingehend erweitert, dass der Urheber dem Verleger oder Herausgeber im Zweifel nicht nur ein ausschließliches Nutzungsrecht zur Vervielfältigung und Verbreitung einräumt, sondern auch das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung (§ 38 Abs. 1 S. 1 UrhG). Dieser Änderung entsprechend wurde auch die korrespondierende Auslegungsregel zugunsten des Urhebers dahingehend ergänzt, dass dieser nach Ablauf eines Jahres seit Erscheinen des Werkes das Recht hat, das Werk anderweit zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen, wenn nichts anderes vereinbart ist (§ 38 Abs. 1 S. 2 UrhG). 324 Diese Auslegungsregel zugunsten des Urhebers gilt auch für einen Beitrag zu einer nicht periodisch erscheinenden Sammlung-- hierzu zählen 323 Dreier / Schulze, § 38 Rdn. 1, 8. 324 Änderung durch Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 1. 10. 2013. 473 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson Festschriften, Handbücher, Enzyklopädien etc. 325 -- für dessen Überlassung dem Urheber kein Anspruch auf Vergütung zusteht (§ 38 Abs. 2 UrhG). b) unabdingbares Zweitverwertungsrecht Im Zuge der zuvor skizzierten gesetzlichen Anpassung der Auslegungsregel nach § 38 Abs. 1 UrhG an die technische Entwicklung hat der Gesetzgeber darüber hinaus in § 38 Abs. 4 UrhG ein unabdingbares Zweitverwertungsrecht für Autoren von wissenschaftlichen Beiträgen in Periodika eingeführt, die überwiegend mit öffentlichen Mitteln gefördert wurden. Der Urheber (Autor) eines wissenschaftlichen Beitrags, der im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit entstanden ist, erhält danach das unabdingbare Recht, den Beitrag nach Ablauf von zwölf Monaten seit der Erstveröffentlichung in der akzeptierten Manuskriptfassung öffentlich zugänglich zu machen, soweit dies keinem gewerblichen Zweck dient (§ 38 Abs. 4 UrhG). Die gesetzliche Regelung geht davon aus, dass ein möglichst ungehinderter Wissensfluss Grundvoraussetzung für innovative Forschung und für den Transfer der Ergebnisse in Produkte und Dienstleistungen ist. Sie zielt darauf ab, die Potenziale des Internet für die digitale Wissensgesellschaft weiter zu erschließen und die Innovationsfreundlichkeit des Urheberrechts dadurch zu erhöhen, dass wissenschaftliche Autoren in einem durch die Dominanz und Marktmacht weniger großer Wissenschaftsverlage geprägten Umfeld Rechtssicherheit erhalten, um ihre Publikationen im Wege des Open Access (zweit) zu veröffentlichen. 326 Der Anwendungsbereich des Zweitverwertungsrechts ist, wie sich aus § 38 Abs. 4 UrhG ergibt, auf wissenschaftliche Beiträge beschränkt, die im Rahmen von mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderter Forschungstätigkeit entstanden sind. Hiervon erfasst ist Forschungstätigkeit, die im Rahmen der öffentlichen Projektförderung oder an einer institutionell geförderten außeruniversitären Forschungseinrichtung durchgeführt wurde, nicht jedoch die rein universitäre Forschung. 327 III. Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen 1. Ausgangslage: Schöpferprinzip Urheberrechtlich geschützte Werke und dem Leistungsschutz unterliegende Schutzgegenstände werden heute in sehr vielen Fällen nicht von selbständigen Künstlern bzw. Kreativen, sondern von abhängig Beschäftigten geschaffen. Von daher stellt sich die Frage, wie es um die Urheberrechte an von Arbeitnehmern erstellten Werken bestellt ist, da die Urheberrechte anders als im angloamerikanischen Copyrightsystem nicht in der juristischen Person entstehen können, sondern immer in der natürlichen Person. Werden in einem Betrieb von den Arbeitnehmern Waren, also körperliche Sachen produziert, z. B. Spezialwerkzeuge aus Metall, so erwirbt der Arbeitgeber als Hersteller bereits kraft Gesetzes unmittelbar das sog. originäre Eigentum an den hergestellten Sachen (§ 950 BGB ). Bei der Produktion von körperlichen 325 Dreier / Schulze, § 38 Rdn. 17. 326 Vgl. Näheres BT -Drucks. 11 / 13 423, S. 11 ff. 327 BT -Drucks. 11 / 13 423, Amtl. Begr., S. 11. 474 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Sachen kommt es also nicht darauf an, wer die Tätigkeit konkret ausführt, sondern darauf in wessen Namen, Interesse und unternehmerischem Risiko die Verarbeitung / Herstellung erfolgt. Bei der Herstellung des Werkzeugs durch die Arbeitnehmer handelt es sich daher um eine sog. fremdwirkende Herstellung. 328 Ganz anders verhält es sich rechtlich demgegenüber, wenn die Arbeit nicht in der Herstellung von dem Sacheigentum unterliegenden körperlichen Gegenständen besteht, sondern, wenn es sich bei den Arbeitsergebnissen um dem geistigen Eigentum- - konkret dem Urheberrechtschutz- - unterliegende immaterielle Gegenstände handelt, wie z. B. bei den von einem Mitarbeiter der Marketing-Abteilung aufgenommenen Fotos oder der von einem Angestellten einer Agentur erstellten Multimediaproduktion. Ausgangspunkt für die urheberrechtliche Beurteilung ist die Geltung des sog. Schöpferprinzips, wonach der Urheber immer der Schöpfer des Werks ist (§ 7 UrhG-- s. hierzu o. § 70 I.). Da das Urheberrecht also stets in der (natürlichen) Person des Schöpfers entsteht und, da das Gesetz insoweit auch keine Ausnahme für den Fall vorsieht, dass Werke in abhängiger Beschäftigung erstellt werden, ist Inhaber des Urheberrechts stets der Arbeitnehmer, der das fragliche Werk geschaffen hat. Die Rechtslage in Bezug auf in abhängiger Tätigkeit entstandene Werke ist damit anders als in vielen anderen Ländern des Auslands, wie z. B. in den USA , Kanada, Großbritannien oder Japan, wo das Copyrightrecht originär dem Arbeitgeber zusteht (sog. work made for hire-doktrine). 329 Will der Arbeitgeber in Deutschland die von seinen Arbeitnehmern geschaffenen Werke verwerten, muss er sich hingegen die hierfür erforderlichen Nutzungsrechte vom Arbeitnehmer einräumen lassen. Eine Übertragung des Urheberrechts insgesamt ist nach deutschem Urheberrecht aus den bereits erörterten Gründen (s. zuvor I.) dagegen rechtlich nicht möglich. 2. Ausnahmen Eine Spezialbestimmung und Ausnahme vom Erfordernis der Rechtseinräumung ist in Bezug auf Computerprogramme zu beachten. Zwar entsteht auch bei der Entwicklung von Computerprogrammen durch angestellte Programmierer das Urheberrecht in der Person des Mitarbeiters, das Gesetz ordnet hier jedoch ausdrücklich zugunsten des Arbeitgebers an, dass diesem die vermögensrechtlichen Befugnisse an dem Computerprogramm ausschließlich zustehen (§ 69b UrhG). Kein Rechtserwerb vom Arbeitnehmer erforderlich ist ferner auch bei solchen Leistungsschutzrechten, die als sog. Unternehmerschutzrechte bereits kraft Gesetzes dem Hersteller zustehen, wie z. B. das Leistungsschutzrecht des Tonträgerherstellers (§ 85 UrhG), des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG) oder des Datenbankherstellers (§ 87b UrhG). 328 Vgl. Palandt / Bassenge, BGB , § 950 Rdn. 6. 329 Schricker / Rojahn, § 43 Rdn. 3. 475 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson 3. Rechtserwerb vom Arbeitnehmer Abgesehen von diesen wenigen Ausnahmen- - Computerprogramme und Unternehmerschutzrechte-- ist im Übrigen stets ein Erwerb der Rechte vom Arbeitnehmer erforderlich. Einzelheiten dazu, wie sich der Rechtserwerb, also der Erwerb der Nutzungsrechte an den geschützten Werken durch den Arbeitgeber vom Arbeitnehmer vollzieht und, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer überhaupt dazu verpflichtet ist, dem Arbeitgeber Nutzungsrechte einzuräumen, sind im Urheberrecht nicht geregelt. Das Gesetz enthält lediglich eine recht unvollständige Regelung, aus der sich ergibt, dass die urheberrechtlichen Regelungen über die Einräumung von Nutzungsrechten (§§ 31 ff. UrhG) auch anzuwenden sind auf Werke, die von einem Urheber „in Erfüllung seiner Verpflichtungen aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen wurden, soweit sich aus dem Inhalt oder dem Wesen des Arbeits- oder Dienstverhältnisses nicht anderes ergibt“ (§ 43 UrhG). Anknüpfend an diese gesetzliche Regelung wird zwischen sog. Pflichtwerken und sog. freien Werken unterschieden. Diese Unterscheidung ist für die rechtliche Beurteilung von entscheidender Bedeutung. a) Pflichtwerke Um Pflichtwerke handelt es sich bei Werken, die in Erfüllung der Verpflichtungen aus einem Arbeits- oder Dienstverhältnis geschaffen werden. Für die Bestimmung der im Einzelfall geschuldeten Pflichten sind dabei allgemeine arbeitsrechtliche Bestimmungen, tarifvertragliche Regelungen sowie individualvertragliche Vereinbarungen heranzuziehen, ferner ist auf das Berufsbild und die Verwendbarkeit des Werkes für den Arbeitgeber abzustellen. 330 Pflichtwerke sind danach also z. B. die von einem angestellten Redakteur verfassten Artikel für eine Zeitung, ebenso wie die Fotos, Filme oder Werbetexte des angestellten Mitarbeiters einer Agentur. Für Pflichtwerke besteht entsprechend dem allgemeinen Grundsatz, dass das Arbeitsergebnis dem Arbeitgeber zusteht, eine grundsätzliche Verpflichtung des Arbeitnehmers, dem Arbeitgeber die Nutzungsrechte einzuräumen, wobei die Rechtseinräumung mit dem Gehalt abgegolten ist. 331 Sofern der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung über die Rechtseinräumung an den Arbeitsergebnissen vorsieht und insoweit auch keine tarifvertragliche Regelung eingreift, wird in der Regel von einer stillschweigenden Rechtseinräumung auszugehen sein. 332 b) Freie Werke Nicht um Pflichtwerke, sondern um sog. freie Werke handelt es sich demgegenüber bei Werken, die der Arbeitnehmer außerhalb seiner arbeitsbzw. dienstvertraglichen Pflichten-- sei es auf Anregung des Arbeitgebers hin oder aus eigenem Antrieb- - geschaffen hat. Die Fallkonstellationen, in denen es zur Entstehung freier Werke kommen kann, sind vielgestaltig. Um ein freies Werk handelt es sich z. B. bei einem speziellen Computerprogramm, das ein engagierter kaufmännischer Angestellter außerhalb seines eigenen Pflichtenkreises unter Ein- 330 Schricker / Rojahn, § 43 Rdn. 22 f. 331 Kritisch hierzu Wandtke, ZUM 2017, 367, 371. 332 Schricker / Rojahn, § 43 Rdn. 37 ff., 40; ferner Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 311 Rdn. 1006. 476 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson satz freier Zeit entwickelt hat, um einen besonderen betrieblichen Geschäftsprozess Intranetbasiert zu optimieren. Bei dem freien Werk handelt es sich im Gegensatz zum Pflichtwerk nicht um ein Arbeitsergebnis, das entsprechend dem auf dem Austauschprinzip beruhenden Grundsatz „Arbeitsergebnis gegen Lohn“ ohne weiteres dem Arbeitgeber zusteht. Ob und in welchem Umfang den Arbeitnehmer dennoch die Pflicht trifft, dem Arbeitgeber Rechte zur Nutzung des freien Werks anzubieten ist umstritten. Ganz überwiegend wird eine Anbietungspflicht des Arbeitnehmers bejaht, zumindest sofern die Nutzung des freien Werks in den Arbeitsbereich des Arbeitgebers fällt. Die Rechtseinräumung ist in diesem Fall dann als Sonderleistung angemessen zu vergüten, § 32 UrhG. 333 c) Umfang des Rechtserwerbs Was die Frage des Umfangs der Rechtseinräumung angeht, ist zu beachten, dass die zuvor (unter II .) dargestellten allgemeinen Grundsätze des Urhebervertragsrechts auch auf die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitnehmer-Urheber und dem Arbeitgeber anzuwenden sind. Das heißt, dass insbesondere in Fällen, in denen die den Gegenstand der Rechtseinräumung-- an Pflichtwerken oder feien Werken-- bildenden Nutzungsrechte nicht im einzelnen vertraglich geregelt sind, sondern die Rechtseinräumung auf stillschweigender Einräumung beruht, der Umfang der Rechtseinräumung grundsätzlich auch nach dem Übertragungszweckgedanken (§ 31 Abs. 5 UrhG-- s. o. II . 5.) zu klären ist. 334 Mit anderen Worten: Für die Bestimmung des Umfangs der übertragenen Nutzungsrechte kommt es dann darauf an, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Nutzungsrechte für betriebliche Zwecke benötigt. Für die betriebliche Praxis ist zu beachten, dass die Frage des Erwerbs der erforderlichen Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschütztem Material nicht nur im Verhältnis zu externen Auftragnehmern, sondern auch zu den eigenen Mitarbeitern von Bedeutung ist. Obgleich bei Pflichtwerken, wie dargestellt, meist von einer stillschweigenden Rechtseinräumung auszugehen sein wird, sind aus Arbeitgebersicht eindeutige arbeitsvertragliche Regelungen der Nutzungsrechte dringend zu empfehlen. Nur auf diese Weise lassen sich die skizzierten Unsicherheiten, die sich im Hinblick auf die Bestimmung des Umfangs der eingeräumten Nutzungsrechte andernfalls ergeben, vermeiden und die betrieblichen Verwertungsinteressen optimal absichern. 333 Vgl. zum Meinungsstand Schricker / Rojahn, § 43 Rdn. 100 ff.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 313 Rdn. 1012. 334 Schricker / Rojahn, § 43 Rdn. 48 ff.; ferner Götz von Olenhusen / Ernst in Hoeren / Sieber, Handbuch MultimediaRecht, Teil 7.3 Rdn. 94 ff. 477 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht Pierson 2. Kapitel. Verwandte Schutzrechte § 74 Überblick Neben dem Schutz der urheberrechtlichen Werke enthält das Urheberrechtsgesetz in Teil 2 (§§ 70-87h UrhG) Bestimmungen zu den verwandten Schutzrechten, die auch als sog. Leistungsschutzrechte bezeichnet werden. Hierbei handelt es sich um eine Reihe von Rechten, durch die ganz unterschiedliche Leistungen geschützt werden sollen, die zwar nicht als „Schöpfungen“ im Sinne des dargestellten urheberrechtlichen Werkbegriffs (§ 2 Abs. 2 UrhG) anzusehen sind, die aber der schöpferischen Leistung des Urhebers ähnlich sind oder aber zumindest im Zusammenhang mit Werken der Urheber erbracht werden. 335 Im Einzelnen handelt es sich um Leistungen, deren „verwandtschaftliche Beziehung“ zum Urheberrecht unterschiedlicher Natur ist. So handelt es sich teilweise um Leistungen, die der schöpferischen Leistung des Urheberrechts durchaus ähnlich, die aber nicht in gleichem Maße persönlichschöpferisch geprägt sind und daher gewissermaßen unterhalb des urheberrechtlich geforderten Gestaltungsniveaus rangieren. Zum anderen handelt es sich um wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistungen, die im Zusammenhang mit der Produktion urheberrechtlicher Werke oder Werkwiedergaben erbracht werden. 336 Im Gegensatz zu dem ausdrücklich nicht abschließend gefassten Katalog der dem Urheberrechtsschutz zugänglichen Werkarten (§ 2 Abs. 1 UrhG-- hierzu s. o. § 69), ist der Katalog der im Folgenden dargestellten Leistungsschutzrechte grundsätzlich abschließend, er kann jedoch- - wie zuletzt durch die Schaffung eines neuen Leistungsschutzrechts für Presseverleger 337 - - durch den Gesetzgeber ergänzt werden. Der Katalog der verwandten Schutzrechte umfasst: ▶ Schutz wissenschaftlicher Ausgaben und Ausgaben nachgelassener Werke (§§ 70, 71 UrhG); ▶ Schutz der Lichtbilder (§ 72 UrhG); ▶ Schutz des ausübenden Künstlers (§ 73-83 UrhG); ▶ Schutz des Herstellers von Tonträgern (§§ 85, 86 UrhG); ▶ Schutz des Sendeunternehmens (§ 87 UrhG); ▶ Schutz der Datenbankhersteller (§§ 87a bis 87e UrhG); ▶ Schutz des Presseverlegers (§§ 87 f bis 87h UrhG); ▶ Schutz des Herstellers von Filmwerken und Laufbildern (§§ 94, 95 UrhG). Der Schutzinhalt der Leistungsschutzrechte ist zum Teil speziell geregelt, teilweise wird auch auf die entsprechende Geltung urheberrechtlicher Bestimmungen verwiesen. Gewährt werden dem Inhaber des Leistungsschutzrechts, ähnlich wie dem Urheber eines urheber- 335 Vgl. BT -Drucks. IV / 270, S. 86. 336 Loewenheim in Loewenheim / Koch, Praxis des Online-Rechts, S 279; eingehend zur Systematik der Leistungsschutzrechte vgl. Schmieder, UFITA Bd. 73 (1975), S. 65 ff. 337 Eingeführt durch das Achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 7. 5. 2013. 478 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson rechtlich geschützten Werks, ausschließliche Verwertungsrechte, die zum Teil durch gesetzliche Vergütungsansprüche ergänzt werden. Die für die einzelnen Leistungsschutzrechte gewährte Schutzfrist ist allerdings-- zum Teil erheblich-- kürzer als die des Urheberrechts und beläuft sich-- je nach Leistungsschutzrecht-- auf eine Frist zwischen einem und 70 Jahren ab Erscheinen bzw. Herstellung, statt ab dem Tode des Rechtsinhabers (s. o. Abb. 8). Aus der Anerkennung der Leistungsschutzrechte, folgt für die Praxis, dass bei der Verwendung von fremdem Text-, Bild- und Tonmaterial-- sei es z. B. zur Gestaltung einer eigenen Website oder in sonstiger Weise zur Realisierung eines Geschäftsmodells-- nicht nur das Vorliegen eines möglichen urheberrechtlichen Werkschutzes, sondern stets auch das mögliche Bestehen von Leistungsschutzrechten Dritter in Betracht zu ziehen ist. Bestehen an dem zur Nutzung ausgewählten Material Leistungsschutzrechte Dritter, müssen die erforderlichen Nutzungsrechte vom Inhaber des Leistungsschutzrechtes erworben werden. § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Im Hinblick auf die wirtschaftliche Bedeutung, die den verwandten Schutzrechten zukommt, soll im Folgenden zumindest eine Auswahl praktisch bedeutsamer Leistungsrechte knapp skizziert werden. I. Schutz der Lichtbilder (Fotografien) Nicht zuletzt im Hinblick auf die häufige Verwendung von Fotografien im Internet ist der Lichtbildschutz zu erwähnen. Wie bereits im Zusammenhang mit der Erörterung der Lichtbildwerke dargestellt (s. o. § 69 V.), ist die Unterscheidung des Urheberrechtsgesetzes zwischen dem urheberrechtlichen Werkschutz der Lichtbildwerke (§ 2 Abs. 1 Ziff. 5 UrhG) und dem Leistungsschutzrecht an sog. Lichtbildern (§ 72 UrhG) in der Praxis jedoch von untergeordneter Bedeutung, da auch für den Schutz von Lichtbildern die für Lichtbildwerke geltenden Bestimmungen entsprechend anwendbar sind (§ 72 Abs. 1 UrhG). Allerdings beläuft sich die Schutzdauer für den Lichtbildschutz nicht- - wie beim Lichtbildwerk- - auf 70 Jahre post mortem auctoris („p. m. a.“), sondern „nur“ auf eine Frist von 50 Jahren, regelmäßig ab Erscheinen des Lichtbildes (§ 72 Abs. 3 UrhG). Ungeachtet der im Übrigen eher zu vernachlässigenden Unterscheidung des Schutzes von Lichtbildwerken und Lichtbildern ist aus praktischer Sicht bedeutsam, dass angesichts der geschilderten Rechtslage bei Fotografien grundsätzlich von ausschließlichen Verwertungsrechten des Fotografen-- sei es unter dem Gesichtspunkt des urheberrechtlichen Werkschutzes oder des Leistungsschutzes-- auszugehen ist. Sofern es sich um fremdes Material handelt, keine der urheberrechtlichen Schranken einschlägig und die Schutzfrist noch nicht abgelaufen ist, ist daher eine Nutzung stets nur mit Einwilligung des Fotografen bzw. des Rechteinhabers zulässig. 479 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson II. Schutz der ausübenden Künstler Ausübender Künstler ist nach der gesetzlichen Definition, wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt (§ 73 UrhG). Als ausübende Künstler sind danach zum einen diejenigen anzusehen, die unmittelbar bei dem Vortrag oder der Aufführung mitwirken, wie etwa Musiker, Sänger, Schauspieler, Tänzer, ferner die mittelbar künstlerisch Mitwirkenden, wie Dirigent, Bühnenregisseur und Tonregisseur. Gegenstand des Vortrags oder der Aufführung muss ein Werk sein. Auf den tatsächlich (noch) bestehenden Urheberrechtsschutz kommt es jedoch nicht an, so dass z. B. auch der Vortrag oder die Aufführung eines gemeinfreien Werkes, dessen Schutzfrist bereits abgelaufen ist, genügt. 338 Die ausübenden Künstler erbringen zwar keine mit der Schöpfungsleistung des Urhebers (Komponisten, Autors, Dramatikers) vergleichbare eigene schöpferische Leistung, aber eine schutzwürdige künstlerische Leistung. Moderne Reproduktionstechniken haben es ermöglicht, einmal erbrachte künstlerische Leistungen aufzuzeichnen und beliebig zu wiederholen. Das Leistungsschutzrecht soll daher den angemessenen Lohn des ausübenden Künstlers an der wiederholten Verwertung seiner Leistung sichern. 339 Das Gesetz schützt die Interessen des ausübenden Künstlers an der unmittelbaren Darbietung durch die Gewährung verschiedener Verwertungsrechte. So hat der ausübende Künstler das ausschließliche Recht, seine Darbietung auf Bild- oder Tonträger aufzunehmen (§ 77 Abs. 1 UrhG) und das ausschließliche Recht, den Bild- oder Tonträger, auf den seine Darbietung aufgenommen worden ist, zu vervielfältigen und zu verbreiten (§ 77 Abs. 2 UrhG). Hierdurch ist der ausübende Künstler zum einen in seinen ideellen Interessen- - der Entscheidung über eine Aufnahme seiner Darbietung-- und in seinen materiellen Interessen-- der Möglichkeit, die Einwilligung zu einer Aufnahme von einer Vergütung abhängig zu machen- - geschützt. 340 Darüber hinaus hat der ausübende Künstler auch das ausschließliche Recht an einer unkörperlichen Verwertung seiner Darbietung durch öffentliche Wiedergabe, sei es durch öffentliche Zugänglichmachung, durch Funksendung oder durch öffentliche Übertragung außerhalb des Raumes, in dem die Darbietung stattfindet, durch Bildschirm, Lautsprecher oder ähnliche technische Einrichtungen (§ 78 Abs. 1 Nr. 1-3 UrhG). Wird die Darbietung des ausübenden Künstlers von einem Unternehmen veranstaltet (z. B. einem Konzertveranstalter), so bedarf es in den vorgenannten Fällen neben der Einwilligung des ausübenden Künstlers auch der Einwilligung des Veranstalters (§ 81 UrhG). Darüber hinaus sind die wirtschaftlichen Interessen des ausübenden Künstlers an einer mittelbaren Verwertung durch die Gewährung gesetzlicher Vergütungsansprüche gesichert (§ 78 Abs. 2 UrhG). Der ausübende Künstler kann seine ihm als vermögensrechtliche Befugnisse zustehenden Verwertungsrechte (§§ 77, 78 UrhG) und die ihm insoweit zustehenden Ansprüche gänzlich übertragen (§ 79 Abs. 1 UrhG), ferner hat er aber auch die Möglichkeit, Dritten einfache und ausschließliche Nutzungsrechte einzuräumen (§ 79 Abs. 2 UrhG). Die Schutzdauer des Leis- 338 Schricker / Grünberger, § 73 Rdn. 13. 339 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 240 Rdn. 780. 340 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 241 Rdn. 785. 480 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson tungsschutzrechts des ausübenden Künstlers beläuft sich auf einen Zeitraum von 70 Jahren, wenn die Darbietung des ausübenden Künstlers auf einem Tonträger aufgezeichnet worden ist, gerechnet ab Erscheinen des Tonträgers bzw. dessen erster Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe (§ 82 Abs. 1 S. 1 UrhG). 341 Um sicherzustellen, dass die ausübenden Künstler, die ihre ausschließlichen Rechte an den Tonträgerhersteller übertragen oder abgetreten haben, von der Verlängerung der Schutzdauer von vormals 50 auf nunmehr 70 Jahre profitieren, wurden die Rechte des ausübenden Künstlers im Zusammenhang mit der Schutzdauerverlängerung durch ein Kündigungsrecht von Übertragungsverträgen (§ 79 Abs. 3 UrhG) und einen Anspruch auf zusätzliche Vergütung gegenüber dem Tonträgerhersteller (§ 79a UrhG) gestärkt. 342 Ist die Darbietung des ausübenden Künstlers nicht auf einem Tonträger aufgezeichnet worden, so erlöschen die in den §§ 77 und 78 bezeichneten Rechte des ausübenden Künstlers 50 Jahre nach dem Erscheinen der Aufzeichnung, oder wenn deren erste erlaubte Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe früher erfolgt ist, 50 Jahre nach dieser (§ 82 Abs. 1 S. 2 UrhG). Die Rechte des ausübenden Künstlers erlöschen jedoch bereits 50 Jahre nach der Darbietung, wenn eine Aufzeichnung innerhalb dieser Frist nicht erschienen oder nicht erlaubterweise zur öffentlichen Wiedergabe benutzt worden ist (§ 82 Abs. 1 S. 3 UrhG). Die in § 81 bezeichneten Rechte des Veranstalters erlöschen bereits nach 25 Jahren (näheres vgl. § 82 Abs. 3 UrhG). Die persönlichkeitsrechtlichen Befugnisse der ausübenden Künstler, die nach alter Rechtslage lediglich in Bezug auf den Integritätsschutz (Schutz gegen Entstellung) geregelt waren (§ 83 UrhG a. F.), wurden im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 inhaltlich erweitert und an den Beginn des Regelungsabschnitts gestellt (vgl. §§ 74-76 UrhG). 343 In der Praxis sind die Rechte der ausübenden Künstler zu beachten bzw. zu erwerben, z. B. wenn eine Agentur Musikdarbietungen ausübender Künstler im Rahmen einer Multimediaproduktion verwenden möchte oder, wenn ein Unternehmen entsprechende Darbietungen über seine Webseite etwa zum Download oder als Streaming-Angebot zugänglich machen will. III. Schutz des Herstellers von Tonträgern, des Sendeunternehmens, des Presseverlegers und des Filmherstellers Als weitere verwandte Schutzrechte sind die Rechte der Hersteller von Tonträgern, der Sendeunternehmen, der Presseverleger und der Filmhersteller zu nennen, die im Hinblick auf die von ihnen erbrachten technisch-organisatorischen bzw. wirtschaftlichen Leistungen gleichfalls zum Kreis der Leistungsschutzberechtigten gehören. 341 Schutzdauerverlängerung ausschließlich für auf Tonträgern aufgezeichnete Darbietungen in Umsetzung der Richtlinie 2011 / 77 / EU v. 27. 9. 2011 (Schutzdauerrichtlinie) geregelt durch Neuntes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 2. 7. 2013. 342 Vgl. hierzu im Einzelnen die Erwägungsgründe 8 ff. der Schutzdauerrichtlinie 2011 / 77 / EU v. 27. 9. 2011. 343 BT -Drucks. 15 / 38, S. 22. 481 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson 1. Hersteller eines Tonträgers So gewährt das Gesetz dem Hersteller eines Tonträgers das ausschließliche Recht, den Tonträger zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich zugänglich zu machen (§ 85 Abs. 1 UrhG). Zu beachten ist, dass dieses Recht nicht voraussetzt, dass eine schutzfähige Darbietung aufgenommen wird. Vom Leistungsschutz erfasst ist vielmehr jede Art der Tonträgeraufnahme, also nicht etwa nur die Aufnahme von Musik oder Sprachwerken, sondern auch die Aufnahme von Naturgeräuschen, Glockengeläut, Tierlauten, Hintergrundgeräuschen etc. (sog. Geräuschbändern), die häufig bei der Herstellung von Filmen und Hörspielen Verwendung finden. 344 Die Schutzdauer des Leistungsschutzrechts des Tonträgerherstellers beträgt 70 Jahre ab Erscheinen bzw. der ersten öffentlichen Wiedergabe (§ 85 Abs. 3 UrhG). 345 Wer also z. B. seine Webseite mit akustischen Elementen gestalten will oder gar Musik, z. B. im mp3-Format zum Download anbieten möchte, benötigt hierzu (ungeachtet des urheberrechtlichen Werkschutzes der Musik) die Einwilligung des Herstellers des Tonträgers als dem Inhaber des fraglichen Leistungsschutzrechts. 2. Sendeunternehmen Dem Sendeunternehmen gewährt das Gesetz für seine Leistung, die Durchführung von Sendungen im Hörfunk oder Fernsehen, das ausschließliche Recht der Weitersendung seiner Funksendung (auch durch Kabel oder über Satellit) und der öffentlichen Zugänglichmachung sowie das ausschließliche Recht, die Funksendung auf Bild- und Tonträger aufzunehmen, Lichtbilder von seiner Funksendung (sog. Screenshots) herzustellen sowie Bild- oder Tonträger oder Lichtbilder zu vervielfältigen und zu verbreiten, ferner das Recht der öffentlichen Wiedergabe an Stellen (z. B. Kinos), die der Öffentlichkeit nur gegen Zahlung eines Eintrittsgeldes zugänglich sind (§ 87 Abs. 1 UrhG). Das Recht des Sendeunternehmens erlischt 50 Jahre nach der ersten Funksendung (§ 87 Abs. 3 UrhG). Die Verwertung eines Mitschnitts einer Rundfunksendung, z. B. des von einem Sendeunternehmen gesendeten Interviews mit einem bekannten Sportler, ist daher nur mit Einwilligung des Sendeunternehmens zulässig. 346 3. Schutz des Presseverlegers Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage (§§ 87f-h UrhG) ist das jüngste-- und wohl umstrittenste 347 -- vom Gesetzgeber in den Kreis der verwandten Schutzrechte aufgenommenen Ausschließlichkeitsrechte. 348 Durch die Einführung des Leistungsschutzrechts für Presse- 344 Schricker / Vogel, § 85 Rdn. 21; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 250 Rdn. 815. 345 Verlängerung der Schutzdauer von 50 auf 70 Jahre durch Neuntes Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 2. 7. 2013. 346 Zu beachten wäre in diesem Beispielsfall zudem das Persönlichkeitsrecht des Sportlers, das die Entscheidung über das ob und wie der Veröffentlichung seines gesprochenen Wortes und (ggf.) des eigenen Bildnisses einschließt. 347 Vgl. hierzu Peifer, GRUR -Prax 2013, 149 ff. m. w. Nachw. 348 Eingeführt durch das Achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes v. 7. 5. 2013. 482 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson verlage soll einerseits „gewährleistet werden, dass Presse-Verlage im Online-Bereich nicht schlechter gestellt sind als andere Werkvermittler“, andererseits soll eine Verbesserung des Schutzes von Presseerzeugnissen im Internet erreicht werden. 349 Das Gesetz gewährt „dem Hersteller eines Presseerzeugnisses (Presseverleger) das ausschließliche Recht, das Presseerzeugnis oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sein denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ (§ 87f Abs. 1 S. 1 UrhG). Als Rechtsinhaber des Leistungsschutzrechtes ist damit der Presseverleger bestimmt, der die für die Publikation eines Presseerzeugnisses erforderliche wirtschaftlich-organisatorische Leistung erbringt. 350 Erklärtes Ziel des Gesetzgebers ist es, den Presseverlagen ein vom Umfang her begrenztes, zum Schutz deren berechtigter Interessen erforderliches Leistungsschutzrecht zu gewähren, dass diese gezielt nur vor „systematischen Zugriffen auf die verlegerische Leistung durch die gewerblichen Anbieter von Suchmaschinen und gewerbliche Anbieter von solchen Diensten im Netz“ schützt, „die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten“ (Aggregatoren). 351 Rechttechnisch wird das Leistungsschutzrecht dem Presseverleger daher nur im Rahmen einer entsprechend dieser Zielsetzung ausgestalteten Schrankenregelung gewährt (vgl. § 87g Abs. 4 UrhG). Die erst auf Empfehlung des Rechtsausschusses aufgenommene Ergänzung in § 87f Abs. 1 S. 1 letzter Hs. UrhG, wonach „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ vom Schutz ausgenommen sind, „soll sicherstellen, dass Suchmaschinen und Aggregatoren ihre Suchergebnisse kurz bezeichnen können“, ohne das Leistungsschutzrecht des Presseverlegers zu verletzen. 352 Durch die Begriffsbestimmung in § 87f Abs. 2 UrhG, wonach es sich bei einem Presseerzeugnis um eine „auf einem beliebigen Träger“ veröffentlichte periodische Sammlung handelt, ist zum Ausdruck gebracht, dass es für den Bestand des Leistungsschutzrechtes nicht auf die Art und Weise der Veröffentlichung ankommt, d. h. vom Schutz erfasst sind sowohl Print-Erzeugnisse („offline“), als auch elektronische („online“) oder kombinierte offline / online-Presseerzeugnisse. 353 Der Schutz des Leistungsschutzrechts des Presseverlegers erstreckt sich nur auf das Presseerzeugnis in seiner konkreten Festlegung, nicht dagegen auf die im Presseerzeugnis enthaltenen Inhalte (Texte, Graphiken, Lichtbilder etc.), für die ein eigenständiger Schutz als Werk oder als Gegenstand eines Leistungsschutzrechtes in Betracht kommt (vgl. hierzu § 87g Abs. 3 UrhG). Auch der Richtlinienvorschlag für das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt (s. o. § 76 II .) sieht die Einführung eines Leistungsschutzrechtes für Presseverlage vor. Der Vorschlag wird mit der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Qualitätsjournalismus, einer freien und pluralistischen Presse für das Funktionieren einer demokratischen Gesellschaft und den für Presseverlage schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im digitalen Umfeld begründet. 354 In seiner Ausgestaltung geht der Richtlinienvorschlag sowohl hinsichtlich der vorgeschlagenen Schutzdauer des Leistungsschutzrechts von 20 Jahren (Art. 11 Abs. 4) als auch hinsichtlich 349 BT -Drucks. 17 / 11 470, Amtl. Begr., A. I. 350 BT -Drucks. 17 / 11 470, Amtl. Begr. zu § 87 f. 351 BT -Drucks. 17 / 11 470, Amtl. Begr., A. II . 352 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT -Drucks. 17 / 12 534, S. 6. 353 BT -Drucks. 17 / 11 470, Amtl. Begr. zu § 87f Abs. 2. 354 EG 31 ff. DSM -UrhR- RL . 483 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson des Umfangs der den Presseverlagen vorbehaltenen Nutzungen (Art. 11 Abs. 1) deutlich über das existierende deutsche Leistungsschutzrecht hinaus. Nicht zuletzt mit Blick auf diese Ausgestaltung stößt der Vorschlag auf erhebliche Kritik. 355 4. Schutz des Filmherstellers Ähnlich motiviert wie die vorerwähnten Leistungsschutzrechte der Tonträgerhersteller und Sendeunternehmen ist schließlich das Leistungsschutzrecht der Filmhersteller, das ebenfalls einen besonderen unternehmerischen Aufwand sichert. 356 Es beinhaltet das ausschließliche Recht des Filmherstellers, den Bildträger oder Bild- und Tonträger, auf den das Filmwerk aufgenommen ist, zu vervielfältigen, zu verbreiten und zur öffentlichen Vorführung, Funksendung oder öffentlichen Zugänglichmachung zu benutzen (§ 94 Abs. 1 UrhG). Es erlischt 50 Jahre nach dem Erscheinen bzw. der ersten erlaubten Benutzung zur öffentlichen Wiedergabe des Filmträgers (§ 94 Abs. 3 UrhG). IV. Schutz der Datenbankhersteller 1. Zweigliedriges Schutzkonzept für Datenbanken Auf die erhebliche Bedeutung, die einem angemessenen Schutz der Datenbanken sowohl im Hinblick auf die geistige Leistung der Entwicklung als auch insbesondere im Hinblick auf die meist erforderlichen erheblichen wirtschaftlichen Investitionen zukommt, wurde bereits im Rahmen der Erörterung des Schutzes der Datenbankwerke eingegangen (s. o. § 69 X. 2.). Dort wurde auch bereits dargestellt, dass der Datenbankschutz nach den entsprechenden Vorgaben der EG -Datenbankschutzrichtlinie durch ein sog. zweigliedriges Schutzkonzept gewährleistet wird. In Betracht kommt danach für Datenbanken ▶ ein urheberrechtlicher Schutz als Datenbankwerk. Das sind solche Datenbanken, bei denen Auswahl oder Anordnung der in ihnen enthaltenen Elemente auf einer persönlich-schöpferischen Leistung beruhen (§ 4 UrhG); ferner ▶ ein Leistungsschutzrecht nach den §§ 87a ff. UrhG für solche Datenbanken, die zwar keine schöpferische Leistung aufweisen, deren Erstellung jedoch eine wesentliche Investition erfordert hat. 357 2. Datenbank Eine dem Leistungsschutz unterliegende Datenbank ist nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung definiert als (87a Abs. 1 S. 1 UrhG): 355 Vgl. hierzu BeckOK UrhR / Stollwerck, Europäisches UrhR, Rdn. 105; Stellungnahme GRUR v. 28. 10. 2016 zu den Vorschlägen der EU zur Reform des Urheberrechts, S. 10 f. 356 Schricker / Katzenberger / N.Reber, § 94 Rdn. 5. 357 Schricker / Loewenheim, Urheberrecht, § 4 Rdn. 32. 484 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson ▶ eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, ▶ die systematisch oder methodisch angeordnet und ▶ einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind und ▶ deren Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition erfordert. a) Schutzgegenstand Schutzgegenstand des Urheberrechts am Datenbankwerk (i. S. v. § 4 Abs. 2 UrhG) ist die Struktur der Datenbank, nicht der Inhalt der Datenbank. Schutzgegenstand des Leistungsschutzrechts an der Datenbank (i. S. v. § 87a Abs. 1 S. 1 UrhG) sind auch nicht die einzelnen aufgenommenen Informationen in Form von Werken, Daten und anderen Elementen, sondern die Datenbank als Gesamtheit des unter wesentlichem Investitionsaufwand gesammelten, geordneten und einzeln zugänglich gemachten Inhalts als immaterielles Gut. 358 Angesichts der unterschiedlichen Voraussetzungen und des unterschiedlichen Schutzgegenstandes ist es möglich, dass eine Datenbank sowohl urheberrechtlichen Schutz als Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG) als auch Leistungsschutz (§§ 87a ff. UrhG) genießt. 359 Die Aufnahme von urheberrechtlich geschützten Inhalten, z. B. Texten oder Musikstücken, in ein Datenbankwerk lässt deren Schutz unberührt und stellt eine zustimmungsbedürftige Vervielfältigung, Verbreitung etc. dar. b) Schutzvoraussetzungen Da Datenbanken aus voneinander „unabhängigen Elementen“ bestehen müssen, kommen z. B. in Betracht Sammlungen von Werken aller Art (z. B. Schrift- oder Musikwerke), aber auch Sammlungen von nicht geschützten Tonfolgen oder Texten (z. B. Geräuscharten, Abstracts von Nachrichten) oder von Daten (z. B. Messdaten, Wirtschaftsdaten etc.). Verbreitete „systematische oder methodische“ Ordnungsprinzipien sind z. B. alphabetische, numerische oder chronologische Anordnungen. Aus dem Erfordernis der systematischen oder methodischen Anordnung folgt, dass bloße Anhäufungen ungeordneter Datenhaufen oder Rohdaten jedenfalls nicht schutzwürdig sind. Aus dem Begriffsmerkmal „mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise“ ist zu entnehmen, dass nicht nur elektronische, sondern auch herkömmliche Datenbanken (z. B. Karteikarten, Mikrofiche) Schutz genießen. Als Investitionen sind der Art nach sämtliche wirtschaftliche Aufwendungen zu berücksichtigen, die für den Aufbau, die Darstellung oder die auswählende und aktualisierende Überprüfung einer Datenbank erforderlich sind. Darunter fallen insbesondere die Kosten für die Beschaffung des Datenbankinhalts, für die Datenaufbereitung und für die Bereitstellung der Datenbank. Für den Umfang der Investitionen sind die aufgewandten finanziellen Mittel, Zeit, Arbeit und Energie maßgeblich. 360 358 Schricker / Leistner, § 4 Rdn. 34; Schricker / Vogel, Vor §§ 87a ff. Rdn. 29. 359 Schricker / Leistner, § 4 Rdn. 40 f.; Schricker / Vogel, § 87a Rdn. 28. 360 Schricker / Vogel, § 87a Rdn. 40 ff. 485 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson 3. Datenbankhersteller (Begriff und Rechte) Datenbankhersteller und damit Inhaber des Leistungsschutzrechts ist derjenige, der die Investitionen vorgenommen hat (§ 87 a Abs. 2 UrhG). Die in der Praxis vorkommenden Beispiele für Datenbanken lassen sich nach vielfältigen Gesichtspunkten unterscheiden, u. a. nach ▶ dem Inhalt (z. B. Musik- oder Bilddatenbank), ▶ nach dem Speicher- oder Trägermedium (z. B. Bibliotheken, Bücher [Lexika], Karteien, CD - ROM , Online-Datenbanken), ▶ nach der Form der elektronischen Verfügbarkeit (Online- und Offline-Datenbanken). Das Gesetz gewährt dem Datenbankhersteller das ausschließliche Recht, die Datenbank insgesamt oder einen nach Art und Umfang wesentlichen Teil der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten und öffentlich wiederzugeben (§ 87 b Abs. 1 S. 1 UrhG). Die dem Datenbankhersteller danach ausschließlich zugewiesenen Verwertungsrechte der Vervielfältigung, Verbreitung und öffentlichen Wiedergabe sind also beschränkt auf Nutzungen der Datenbank insgesamt oder eines wesentlichen Teils. Unwesentliche Teile sind im Interesse des freien Zugangs zu Informationen nicht vom Verbotsrecht erfasst. Allerdings steht der Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentlichen Wiedergabe eines nach Art und Umfang wesentlichen Teils der Datenbank die wiederholte und systematische Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Wiedergabe von nach Art und Umfang unwesentlichen Teilen der Datenbank gleich, sofern diese Handlungen einer normalen Auswertung der Datenbank zuwiderlaufen oder die berechtigten Interessen des Datenbankherstellers unzumutbar beeinträchtigen (§ 87 b Abs. 1 S. 2 UrhG). Durch diese Einschränkung soll einem Missbrauch der grundsätzlichen Freistellung der Nutzung unwesentlicher Datenbankteile durch eine systematische und planmäßige Ausbeutung vorgebeugt werden. 361 Der Schutz des Datenbankherstellers lässt sich bildhaft wie folgt veranschaulichen: Der Datenbankhersteller soll davor geschützt werden, dass jemand den Inhalt eines fremden „Datenfasses“ einfach insgesamt oder in wesentlichen Teilen in ein eigenes Fass umschüttet. Erlaubt soll es hingegen sein, dem Datenfass unwesentliche Mengen mit einer „Schöpfkelle“ zu entnehmen, um den eigenen „Wissensdurst“ im Hinblick auf einzelne Informationen zu löschen. Verboten ist es jedoch, diese Freiheit dadurch zu missbrauchen, dass man systematisch mit der Schöpfkelle so lange Daten herausfischt und in ein eigenes Fass zu schüttet, bis das eigene Fass insgesamt oder im Wesentlichen mit dem gleichen Inhalt gefüllt ist, wie das des Datenbankherstellers. Eine dem Datenbankhersteller vorbehaltene Vervielfältigungshandlung liegt u. a. in folgenden Fällen vor: 362 ▶ Festlegung der Datenbank auf einem digitalen Datenträger ( CD - ROM , Diskette, Festplatte also inkl. Uploading auf Webserver u. a.); ▶ Überspielung von einem auf einen anderen Datenträger; ▶ Ausdruck wesentlicher Teile der Datenbank; 361 Schricker / Vogel, § 87b Rdn. 3, 60 ff. 362 Schricker / Vogel, § 87b Rdn. 42. 486 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson ▶ Digitalisieren und Einscannen wesentlicher Teile einer Datenbank; ▶ Vorübergehende Festlegungen im Arbeits- oder Zwischenspeicher; ▶ Downloading eines wesentlichen Teils der Datenbank vom Serverrechner in den Arbeitsspeicher; ▶ Uploading eines wesentlichen Teils der Datenbank vom eigenen Rechner auf den Serverrechner. Ein Fall der öffentlichen Wiedergabe liegt insbesondere vor, wenn wesentliche Teile der Datenbank zum Abruf in das Internet gestellt werden. Das Setzen eines Hyperlinks auf die im Internet öffentlich zugänglich gemachten Inhalte einer Datenbank stellt aus den bereits dargestellten Gründen (s. o. § 71 2. a), c) keine urheberrechtliche Nutzungshandlung dar. 363 Was die Schutzdauer angeht, erlöschen die Rechte des Datenbankherstellers 15 Jahre nach der Veröffentlichung der Datenbank bzw.-- bei Nichtveröffentlichung-- nach der Herstellung (§ 87d UrhG). Eine ihrem Inhalt nach Art und Umfang wesentlich geänderte Datenbank gilt als neue Datenbank, sofern die Änderung eine nach Art und Umfang wesentliche Investition erfordert (§ 87a Abs. 1 S. 2 UrhG). Die Schutzfrist beginnt für die neue Datenbank dann erneut zu laufen. 364 Die laufende Pflege einer Datenbank kann daher zu einer ständigen Schutzfristerneuerung führen. 363 BGH v. 17. 7. 2003, I ZR 259 / 00, „Paperboy“. 364 Schricker / Vogel, Urheberrecht, § 87d Rdn. 3. 487 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson 3. Kapitel. Gemeinsame Bestimmungen für Urheberrecht und verwandte Schutzrechte § 76 Ergänzende Schutzbestimmungen Die „Ergänzenden Schutzbestimmungen“ (§§ 95a- - 95d UrhG) wurden im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2003 („Erster Korb“) neu in das Gesetz aufgenommenen. Sie zielen in Umsetzung entsprechender Vorgaben der InfoSoc-Richtlinie (Art. 6, Art. 7) und der WIPO -Verträge auf einen Schutz technischer Kopierschutzvorrichtungen (sog. wirksamer technischer Maßnahmen, §§ 95a, 95b) sowie einen Schutz von Digital Rights-Management-Systemen (durch den Schutz sog. Informationen zur Rechtewahrnehmung, § 95c) bzw. stehen- - wie die Kennzeichnungspflichten (§ 95d)- - mit diesen Schutzbestimmungen in Zusammenhang. Als im deutschen Urheberrecht neuartige Schutzbestimmungen sollten sie der erleichterten Kopierbarkeit digital verfügbarer Werke bzw. durch Leistungsschutzrechte geschützter Gegenstände / Erzeugnisse Rechnung tragen und dem Rechteinhaber die Möglichkeit eröffnen, Verletzungen technischer Schutzsysteme wirksam zu verfolgen. Für die nicht zuletzt durch die zunehmende Verbreitung von Tauschbörsen im Internet und die massenhafte Verbreitung von CD -Brennern betroffene Medienindustrie verband sich seiner Zeit mit dem neuen Regelwerk die Hoffnung, der massenhaften Verbreitung von Technik zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen Einhalt gebieten zu können. 365 I. Schutz technischer Maßnahmen (§ 95a UrhG) § 95a UrhG ist die zentrale Vorschrift zum Schutz technischer Maßnahmen, der durch zwei wesentliche Verbote gewährleistet werden soll: Zum einen durch das Verbot der Umgehung wirksamer technischer Schutzmaßnahmen (§ 95a Abs. 1 UrhG), zum anderen durch das Verbot zur Vornahme bestimmter Vorbereitungshandlungen, durch die eine Umgehung technischer Schutzmaßnahmen ermöglicht wird (§ 95a Abs. 3 UrhG). 1. Umgehungsverbot (§ 95a Abs. 1 UrhG) Gemäß § 95a Abs. 1 UrhG dürfen „wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes-… ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen“ 365 Czychowski, NJW 2003, 2409, 2411. 488 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Durch diese Formulierung ist klargestellt, dass sich das Umgehungsverbot entsprechend dem Schutzzweck der InfoSoc-Richtlinie (Art. 6) nur auf den Schutz technischer Maßnahmen bezieht, soweit diese dem Schutz urheberrechtlich geschützter Werke oder anderer durch das Urheberrecht geschützter Schutzgegenstände-- das sind die durch ein Leistungsschutzrecht nach §§ 70 ff. geschützten Gegenstände (s. zuvor 2. Kapitel)-- dienen. Nicht vom Umgehungsverbot erfasst sind demzufolge technische Maßnahmen zum Schutz von nicht (mehr) durch das Urheberrechtsgesetz geschützten Gegenständen, wie etwa gemeinfrei gewordene Werke oder Gegenstände, für die ein Urheberrechtsschutz mangels Vorliegens der erforderlichen Schutzvoraussetzungen nicht in Betracht kommt. 366 2. Legaldefinition „Technische Maßnahme“ (§ 95a Abs. 2 UrhG) § 95a Abs. 2 UrhG enthält eine Legaldefinition der „technischen Maßnahmen“, deren Umgehung nach Absatz 1 verboten ist. „Technische Maßnahmen“ im Sinne des Gesetzes sind danach „Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.“ Der Umstand, dass sich das Umgehungsverbot nach Abs. 1 nur auf den Schutz „wirksamer“ technischer Schutzmaßnahmen bezieht und, dass als wirksame Schutzmaßnahmen nach Abs. 2 S. 2 nur solche zu verstehen sind, die vom Rechtsinhaber „unter Kontrolle gehalten“ werden, könnte zu der-- irrigen-- Annahme verleiten, dass das Umgehungsverbot nur greift, sofern der technische Schutzmechanismus nicht umgangen werden kann. Ein derartiges Verständnis käme jedoch einem Zirkelschluss gleich, denn die Schutzbedürftigkeit des Rechtsinhabers besteht ja gerade in den Fällen, in denen der technische Schutzmechanismus umgangen werden kann. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist der Vorschrift des § 95a UrhG folglich „immanent“, dass eine technische Maßnahme grundsätzlich auch dann „wirksam“ ist, wenn sie umgangen werden kann, da ein Umgehungsverbot andernfalls obsolet wäre. 367 366 Vgl. BT -Drucks. 15 / 38, S. 26. 367 Vgl. BT -Drucks. 15 / 38, S. 26. 489 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson 3. Vorbereitungshandlungen (§ 95a Abs. 3 UrhG) Während sich das Verbot nach § 95a Absatz 1, wie gesehen, auf tatsächliche Umgehungshandlungen bezieht, werden durch das in § 95a Absatz 3 geregelte weitere Verbot im Einzelnen näher bestimmte Vorbereitungshandlungen erfasst. 4. Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden (§ 95a Abs. 4 UrhG) Schließlich enthält § 95a Absatz 4 UrhG eine Regelung, durch die klargestellt wird, dass die Aufgaben und Befugnisse der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden durch die Verbote nach § 95a Abs. 1 bis 3 nicht tangiert werden. Strafverfolgungsbehörden dürfen daher bei der Suche nach Informationen z. B. Verschlüsselungssysteme umgehen, auch wenn sich die gesuchten Informationen in urheberrechtlich geschützten Werken befinden, etwa in Texten mit der erforderlichen Schöpfungshöhe. 368 II. Durchsetzung von Schrankenbestimmungen (§ 95b UrhG) § 95b UrhG trägt der den Mitgliedsstaaten nach Maßgabe der InfoSoc-Richtlinie auferlegten Verpflichtung Rechnung, geeignete Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Rechteinhaber dem durch bestimmte urheberrechtliche Schrankenbestimmung Begünstigen die Mittel zur Nutzung der betreffenden Schranken in dem hierzu erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen haben (Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 1). Die Regelung soll also sicherstellen, dass die durch bestimmte urheberrechtliche Schrankenbestimmung Begünstigten ungeachtet des Rechts des Rechtsinhabers, sich durch Einsatz technischer Schutzmaßnahmen gegen unberechtigte Nutzungshandlungen zu schützen, die Möglichkeit haben, die ihnen durch die jeweilige Schrankenbestimmung eröffnete Nutzungsmöglichkeit auch tatsächlich wahrzunehmen. 1. Verpflichtung gegenüber Schrankenbegünstigtem (§ 95b Abs. 1 UrhG) Im 2003 novellierten Urheberrecht ist diesem Nutzungsinteresse der Schrankenbegünstigten in § 95b Abs. 1 UrhG in Bezug auf einen Katalog bestimmter Schranken entsprochen worden. Die Liste der gesetzlich erlaubten Nutzungen, die danach gegen technischen Schutzmaßnahmen durchsetzungsstark sind, war im Zuge des Urheberrechts-Wissensgesellschafts- Gesetz mit Blick auf die Neustrukturierung der Schranken zu überarbeiten und zu ergänzen (§ 95b Abs. 1 Nr. 1 bis 13). 369 Durch die Formulierung in § 95b Abs. 1 S. 2 UrhG, wonach Vereinbarungen zum Ausschluss der entsprechenden Verpflichtungen nach Satz 1 unwirksam sind, ist dabei sichergestellt, dass die den Rechtsinhabern auferlegten Verpflichtungen nach Satz 1 nicht durch eine vertragliche Ausschlussregelung umgangen werden können. 370 Was 368 Schmid / Wirth, Urheberrechtsgesetz, § 95a Rdn. 13. 369 BT -Drucks. 18 / 12 329, S. 48. 370 BT -Drucks. 15 / 38, S. 27. 490 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson die im Vordergrund des allgemeinen Interesses stehende Schranke zu Gunsten des privaten Gebrauchs angeht (§ 53 Abs. 1 UrhG, Privatkopieschranke), ist hervorzuheben, dass der deutsche Gesetzgeber den ihm durch die Richtlinie insoweit-- anders als bei einer Vielzahl anderer Schranken-- eröffneten Gestaltungsspielraum 371 nur begrenzt genutzt hat und ausweislich § 95b Abs. 1 Nr. 6 lit. a UrhG die Privatkopie des nach § 53 Abs. 1 Begünstigten nur sicherstellt, „soweit es sich um Vervielfältigungen auf Papier oder einen ähnlichen Träger mittels beliebiger photomechanischer Verfahren oder anderer Verfahren mit ähnlicher Wirkung handelt.“ Wie bereits an anderer Stelle dargelegt (s. o. § 72 III . 4. a) ff), sind hierunter sämtliche Verfahren zu verstehen, bei denen analoge Vervielfältigungsstücke entstehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob ein analoges oder ein digitales Werkstück als Vervielfältigungsvorlage dient. 372 Der deutsche Gesetzgeber hat damit von seinem ihm eröffneten Gestaltungsraum, eine darüber hinausgehende Regelung zur Sicherstellung der Privatkopie auch durch andere, insbesondere digitale Trägermedien, zu schaffen, bewusst verzichtet. 373 Im Hinblick auf die knappe Umsetzungsfrist der Richtlinie und der WIPO -Verträge, so die Gesetzesbegründung zur Novelle 2003, 374 habe man sich auf die zwingend umzusetzenden Reglungsbereiche beschränkt und auf eine Regelung zur Ausfüllung der Kann-Vorschriften (u. a.) zur Privatkopie verzichtet, da diese der weiteren intensiven Prüfung und Diskussion bedürfe. Da die Regelung des § 95 b Abs. 1 Nr. 6 UrhG im Zuge der Novelle 2008 beibehalten wurde, bedeutet dies, dass nach derzeitiger Rechtslage jedermann z. B. bei einer Musik- CD , die nicht durch eine Kopierschutzmaßnahme gesichert ist, das Recht hat, diese zu Privatzwecken- - auch digital- - zu kopieren, soweit nicht zur Vervielfältigung eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte Vorlage verwendet wird (§ 53 Abs. 1 UrhG). Demgegenüber hätte er bei einer kopiergeschützten CD weder das Recht, den Kopierschutz zu „knacken“ (§ 95a Abs. 1 UrhG) noch sind ihm vom Rechtsinhaber geeignete Mittel zur Umgehung des Kopierschutzes zwecks Anfertigung einer Kopie zu Privatzwecken zur Verfügung zu stellen. 375 2. Individueller Anspruch des Begünstigten (§ 95b Abs. 2 UrhG) Die Regelung des § 95b Abs. 2 UrhG zielt darauf ab, das Recht der Begünstigten auf Nutzung im Rahmen der Schranken sicherzustellen. Sie begründet einen individuellen zivilrechtlichen Anspruch des Begünstigten gegen den Rechteinhaber auf Zurverfügungstellung der für die Schrankennutzung erforderlichen Mittel. Da die- - im deutschen Urheberrecht erstmalige-- Gewährung eines Individualanspruchs des Begünstigten zur Sicherstellung der Schrankennutzung im Hinblick auf das allgemeine Prozessrisiko und den mit der Rechts- 371 Vgl. Art. 6 Absatz 4 Unterabsatz 2 i. V. m. Art. 5 Absatz 2 lit. b) InfoSoc- RL . 372 Eu GH v. 27. 6. 2013, Rs. C 457 / 11 „ VG Wort / Kyocera“; BGH v. 3. 7. 2014, I ZR 28 / 11 „Drucker und Plotter III “. 373 Mayer, CR 2003, 274, 276. 374 Vgl. BT -Drucks. 15 / 38, S. 27 i. V. m. der Begründung unter A. Allgemeiner Teil I. S. 15. 375 So Mayer, CR 2003, 274, 276; ferner Ory, Jur PC Web-Dok. 126 / 2002, Abs. 16. 491 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte Pierson durchsetzung verbundenen erheblichen Aufwand nicht genügt, war nach Einschätzung des Gesetzgebers zudem eine Änderung des Unterlassungsklagengesetzes ( UK laG) geboten. 376 Hierdurch wurde die Möglichkeit eröffnet, die Durchsetzung der sich für die aus § 95b Abs. 1 UrhG ergebenden Verpflichtungen auch im Wege der Verbandsklage zu verfolgen. 3. Ausnahme zu Gunsten interaktiver Dienste (§ 95b Abs. 3 UrhG) Eine für den Online-Vertrieb äußerst bedeutsame Einschränkung der Verpflichtung des Rechteinhabers nach § 95b Abs. 1 UrhG sowie des korrespondierenden Individualanspruchs des durch eine Schranke Begünstigten nach § 95b Abs. 2 UrhG ergibt sich aus der Regelung in § 95b Abs. 3 UrhG. Diese nimmt nämlich wirksame technische Maßnahmen, die im Rahmen des interaktiven Zurverfügungstellens auf der Grundlage vertraglicher Vereinbarung angewandt werden, von der Durchsetzung der Schrankenregelungen aus. Diese in enger Anlehnung an den Wortlaut der Richtlinie (Art. 6 Abs. 4 Unterabsatz 4 InfoSoc- RL ) formulierte Regelung bezweckt, dass vertragliche Vereinbarungen im Online-Bereich den Schranken des Urheberrechts vorgehen, um ein sicheres Umfeld für die Erbringung interaktiver Dienste- - nur für diese soll die Regelung gelten 377 - - auf Abruf zu gewährleisten. Unter interaktiven Diensten werden all diejenigen Dienste verstanden, bei denen dem Nutzer die individuelle Wahl des Zeitpunktes und des Ortes („…von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl-…“) der Übertragung überlassen bleibt. Es geht hierbei also insbesondere um kostenpflichtige Internetangebote, deren Nutzung auf individualvertraglicher Grundlage erfolgt. 378 Kennzeichnend für die betroffenen interaktiven Dienste ist, dass eine Punkt-zu- Punkt-Kommunikation stattfindet, so dass Sendungen (einschließlich pay- TV , pay-per-view, near-video-on-demand, webcasting) ausgeschlossen sind, während Online-Abrufdienste erfasst sind. 379 Für den Rechteinhaber bedeutet dies, dass er beim Online-Vertrieb über das Internet-- anders als bei herkömmlichen Vertriebsformen-- die Möglichkeit hat, die Rechte der durch Schrankenbestimmungen Begünstigten nach § 95b Abs. 1 und 2 UrhG durch die Vertragsgestaltung auszuschließen. III. Schutz der zur Rechtewahrnehmung erforderlichen Informationen (§ 95c UrhG) Die gleichfalls eng am Wortlaut der InfoSoc-Richtlinie (Art. 7) orientierte Regelung des § 95c UrhG dient dem Schutz von Informationen, die zur Rechtewahrnehmung erforderlich sind. Sie sind eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung sog. Digital-Rights-Management-Systeme ( DRM -Systeme) und sollen insbesondere die Abrechnung-- das „billing“-- im Netz erleichtern. 380 § 95c Abs. 1 UrhG enthält das Verbot der Entfernung oder Änderung 376 Vgl. Neueinfügung der §§ 2a, 3a UK laG durch Art. 3 Nr. 1 und Nr. 2 des Urheberrechtsreformgesetzes. 377 Erwägungsgrund 53 Satz 3 der InfoSoc-Richtlinie 2001 / 29 / EG . 378 Schmid / Wirth, Urheberrechtsgesetz, § 95b Rdn. 6. 379 Im Einzelnen hierzu vgl. Mayer, CR 2003, 274, 280 m. w. Nachw. 380 Näheres hierzu vgl. Lehmann, CR 2003, 553, 556 f. 492 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson elektronischer Informationen zur Rechtewahrnehmung. Gemäß § 95c Absatz 2 UrhG sind Informationen für die Rechtewahrnehmung „Informationen, die Werke oder andere Schutzgegenstände, den Urheber oder jeden anderen Rechteinhaber identifizieren, Informationen über die Modalitäten und Bedingungen für die Nutzung der Werke oder Schutzgegenstände sowie die Zahlen und Codes, durch die derartige Informationen ausgedrückt werden.“ Wie sich aus § 95c Abs. 3 UrhG ergibt, ist der Schutz der Informationen für die Rechtewahrnehmung nicht nur auf das Verbot von deren Entfernung oder Änderung beschränkt, sondern erstreckt sich darüber hinaus auch auf das Verbot jeglicher Nutzungen von Werken oder Schutzgegenständen, bei denen elektronische Informationen zur Rechtewahrnehmung unbefugt entfernt oder geändert wurden. 381 IV. Kennzeichnungspflichten (§ 95d UrhG) Der Abschnitt der 2003 neu in das Urheberrecht aufgenommenen ergänzenden Schutzbestimmungen wird komplettiert durch die dem Rechteinhaber auferlegten Kennzeichnungspflichten (§ 95d UrhG). Hierbei dient die dem Rechteinhaber auferlegte Pflicht, seine Werke bzw. Schutzgegenstände mit Angaben über die Eigenschaften der von ihm verwendeten technischen Schutzmaßnahmen zu kennzeichnen (§ 95d Abs. 1 UrhG), dem Verbraucherschutz und der Lauterkeit des Wettbewerbs. 382 Demgegenüber dient die dem Rechteinhaber auferlegte weitere Kennzeichnungspflicht (§ 95d Abs. 2), nach der mit technischen Maßnahmen geschützte Werke und andere Schutzgegenstände zur Ermöglichung der Geltendmachung von Ansprüchen nach § 95b Abs. 2 mit Namen oder Firma und zustellungsfähiger Anschrift zu kennzeichnen sind, als flankierende Schutzvorschrift der prozessualen Durchsetzung der Ansprüche der durch Schrankenbestimmungen Begünstigten nach § 95b Abs. 2 UrhG. V. Ergänzende Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 108b, 111a UrhG) Die zuvor dargestellten ergänzenden Schutzbestimmungen werden durch die gleichfalls 2003 neu in das Urheberrechtsgesetz aufgenommenen Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 108b, 111a UrhG) flankiert, indem die Verstöße gegen die §§ 95a bis 95d UrhG strafrechtlich durch Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bzw. als Ordnungswidrigkeit durch eine Geldbuße sanktioniert werden. 381 BT -Drucks. 15 / 38, S. 28. 382 BT -Drucks. 15 / 38, S. 28. 493 § 77 Rechtsverletzungen Pierson 1. Strafrechtliche Sanktionen (§ 108b UrhG) So drohen strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen das Verbot der Umgehung technischer Schutzmaßnahmen (§ 108b Abs. 1 Nr. 1 UrhG), bei Verstößen gegen die Vorschriften zum Schutz der Informationen für die Rechtewahrnehmung (§ 108b Abs. 1 Nr. 2 UrhG) sowie bei zu gewerblichen Zwecken begangenen Verstößen gegen das Verbot der in § 95a Abs. 3 UrhG bezeichneten Vorbereitungshandlungen (§ 108 Abs. 2 UrhG). 2. Ordnungswidrigkeiten (§ 111a UrhG) Als Ordnungswidrigkeiten sanktioniert werden im Einzelnen näher bestimmte Verstöße gegen das Verbot zur Vornahme von Vorbereitungshandlungen nach § 95a Abs. 3 UrhG (§ 111a Abs. 1 Nr. 1 UrhG), Verstöße des Rechteinhabers gegen seine Verpflichtung nach § 95b Abs. 1 S. 1 UrhG betreffend die Bereitstellung notwendiger Mittel (§ 111a Abs. 1 Nr. 2 UrhG) sowie ferner Verstöße des Rechteinhabers gegen seine Kennzeichnungspflicht nach § 95d Abs. 2 S. 1 UrhG (§ 111a Abs. 1 Nr. 3 UrhG). § 77 Rechtsverletzungen Wie bereits einleitend dargestellt (§ 1 II .), ist es für das Immaterialgüterrecht kennzeichnend, dass dem Rechteinhaber durch die dem Schutz des geistigen Eigentums dienenden Sonderschutzgesetze jeweils das ausschließliche Recht (Ausschließlichkeitsrecht) zugeordnet wird, sein immaterielles, geistiges Eigentum zu nutzen (positives Benutzungsrecht) und alle anderen von der Nutzung auszuschließen (negatives Verbietungsrecht). Im Bereich des Urheberrechts sind die ausschließlichen Benutzungsbefugnisse des Urhebers, wie dargelegt (s. o. § 71 II .), in den ihm zugewiesenen Verwertungsrechten zu erblicken. Ferner wurde dargestellt, dass das Gesetz entsprechende Ausschließlichkeitsrechte in einer Vielzahl sog. verwandter Schutzrechte für die Leistungsschutzberechtigten vorsieht (s. zuvor 2. Kapitel). Zu erörtern bleibt allerdings, wie sich der Urheber, der Rechteinhaber bzw. der Leistungsschutzberechtigte dagegen wehren kann, dass sich jemand über sein Recht hinwegsetzt und sein geistiges Eigentum verletzt, d. h. dieses nutzt, obwohl er hierzu als Rechteinhaber nicht eingewilligt hat und, obwohl auch keine der vorerwähnten Schrankenbestimmungen (s. o. § 72) zu Gunsten des Verletzers eingreift. Wie im gesamten übrigen Immaterialgüterrecht sind auch im Falle des Urheberrechts bzw. Leistungsschutzrechts stets zwei unterschiedliche Rechtsfolgen der Verletzung zu unterscheiden: die zivilrechtlichen Ansprüche des Rechteinhabers sowie die strafrechtlichen Sanktionen durch die Strafgerichte, also den Staat. I. Zivilrechtliche Ansprüche Was die zivilrechtlichen Ansprüche des Rechteinhabers angeht, so kann derjenige, der das Urheberrecht oder ein Leistungsschutzrecht verletzt, vom Urheber oder dem Leistungsschutzberechtigten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Un- 494 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson terlassung und, bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit, auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§ 97 UrhG). Zu beachten ist, dass der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben soll, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen (§ 97a UrhG-- näheres zur Abmahnung als Instrument der außergerichtlichen Streitbeilegung s. u. § 89 I.). Darüber hinaus kann der Verletzte verlangen, dass alle rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Vervielfältigungsstücke, die im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, vernichtet werden (§ 98 Abs. 1 UrhG-- Vernichtungsanspruch) oder dass ihm diese stattdessen gegen eine angemessene Vergütung, die die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, überlassen werden (§ 98 Abs. 3 BGB -- Überlassungsanspruch). Der Vernichtungsanspruch steht dem Verletzten auch in Bezug auf die im Eigentum des Verletzers stehenden Vorrichtungen, die vorwiegend zur Herstellung dieser Vervielfältigungsstücke gedient haben, zu (§ 98 Abs. 1 S. 2 UrhG). Aus betrieblicher Sicht wichtig ist schließlich, dass der Inhaber eines Unternehmens für durch seine Arbeitnehmer oder Beauftragten widerrechtlich begangenen Rechtsverletzungen haftet (§ 99 UrhG-- Haftung des Inhabers). Die Regelung soll verhindern, dass sich der Inhaber eines Unternehmens bei ihm zugute kommenden Rechtsverletzungen hinter seinen Angestellten oder Beauftragten „verstecken“ kann. Er haftet als Verletzer auch, wenn die Rechtsverletzungen ohne sein Wissen und selbst gegen seinen Willen begangen worden sind. 383 Schließlich können Dritte, die im geschäftlichen Verkehr durch die Herstellung oder Verbreitung von Vervielfältigungsstücken das Urheberrecht oder ein Leistungsschutzrecht verletzt haben, vom Verletzten auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg dieser Vervielfältigungsstücke in Anspruch genommen werden (§ 101 UrhG-- Anspruch auf Auskunft). Hinsichtlich der Verjährung der Ansprüche wegen Verletzung des Urheberrechts oder eines Leistungsschutzrechts verweist das Gesetz (§ 102 S. 1 UrhG) auf die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB (§§ 194 bis 218 BGB ). Damit sind insbesondere die regelmäßige Verjährung von drei Jahren gemäß § 195 BGB und der Beginn der Verjährung gemäß § 199 BGB maßgeblich. 384 In Fällen der ungerechtfertigten Bereicherung des Verletzers auf Kosten des Berechtigten findet § 852 BGB entsprechend Anwendung (§ 102 S. 2 UrhG), d. h. der Anspruch verjährt regelmäßig in zehn Jahren von seiner Entstehung an (§ 852 S. 2 BGB ). Eine Stärkung der Rechte des Urhebers, die auch mit einer geringfügigen Änderung der urheberrechtlichen Anspruchssystematik einhergegangen ist, ergibt sich aus dem Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums 385 (Näheres hierzu s. u. § 87 II . 2.). 383 Schricker / Leistner, § 99 Rdn. 1. 384 Wandtke / Bullinger-Bohne, UrhG, § 102 Rdn. 1. 385 Gesetz v. 7. 7. 2008 ( BGB l. I, S. 1191). 495 § 77 Rechtsverletzungen Pierson II. Strafrechtliche Rechtsfolgen Neben den zivilrechtlichen Konsequenzen drohen dem Verletzer von Urheber- und Leistungsschutzrechten auch strafrechtliche Sanktionen, nämlich bei einfacher Verletzung eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe (§§ 106-108 UrhG), bei gewerbsmäßiger Verletzung drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe (§ 108a UrhG). Im Regelfall, d. h. sofern nicht die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält, werden die Taten nur auf Antrag verfolgt (§ 109 UrhG). Der Schutz gegen eine Verletzung von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten lässt sich jedoch nicht allein durch die Zuerkennung urheberrechtlicher Verbietungsrechte und die Androhung empfindlicher strafrechtlicher Sanktionen gewährleisten. Da sich in der Praxis, namentlich im Bereich digitalisierter Werke, die Beweisführung bei Urheberrechtsverletzungen als schwierig erweist, sind darüber hinaus vielmehr wirksame technische Schutzmaßnahmen erforderlich, an deren Fortentwicklung intensiv gearbeitet wird und deren wirkungsvoller Einsatz, wie dargelegt, durch spezielle „ergänzende Schutzbestimmungen“ rechtlich flankiert wird (s. zuvor § 76). 386 386 Vertiefend hierzu Wand, Technische Schutzmaßnahmen, passim. 497 § 78 Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts Pierson 4. Kapitel. Internationaler Urheberrechtsschutz Bei der bisherigen Darstellung des Urheberrechts und Leistungsschutzes wurde stets das Vorliegen rein inländischer Sachverhalte und folglich die Anwendbarkeit deutschen Rechts, insbesondere deutschen Urheberrechts unterstellt. Noch nicht beantwortet ist damit die Frage, wie es bei Tatbeständen mit Auslandsberührung um den internationalen Schutz der vom Urheberrechtsgesetz erfassten Schutzgegenstände bestellt ist. Auf die zunehmende Bedeutung eines internationalen Schutzes und auf die Herausforderungen, vor die das System zum Schutz des geistigen Eigentums insoweit gerade im Bereich des Urheberrechts als Folge der rasanten Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie-- insbesondere die Satellitentechnik und das Internet-- gestellt wird, wurde bereits in anderen Zusammenhängen hingewiesen (vgl. o. § 1 III ., IV .; § 2 VI . 2.; § 4 I.). Zugespitzt lässt sich sagen, dass das seit jeher bestehende (theoretische) Potential einer weltweiten Verwertbarkeit des geistigen Eigentums- - seine „Ubiquität“- - erst durch die Entwicklung und den Einsatz der neuen Medien Realität geworden ist. Im Zusammenhang mit dem internationalen Urheberrechtsschutz sind verschiedene Fragenkreise zu unterscheiden, insbesondere ▶ die Frage nach dem Anwendungsbereich des deutschen Urheberrechts, und zwar in persönlicher (fremdenrechtlicher) und räumlicher Hinsicht (nachfolgend § 78); ▶ die Frage nach der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte (nachfolgend § 79); ▶ die Frage nach dem auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung anwendbaren Recht (nachfolgend § 80) sowie hiermit zusammenhängend ▶ die Frage nach im Ausland auf der Grundlage der Staatsverträge anwendbaren Urheberrecht (nachfolgend § 81). § 78 Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts Bei der Beantwortung der Frage der Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts ist zunächst-- wie im Immaterialgüterrecht allgemein (s. hierzu o. § 4 II .)-- zwischen dem persönlichen und dem räumlichen Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes zu unterscheiden. 387 I. Persönlicher Anwendungsbereich (Fremdenrecht) Was den persönlichen Anwendungsbereich angeht, gilt das Urheberrechtsgesetz im Grundsatz nur für deutsche Staatsangehörige und zwar für alle ihre Werke, unabhängig davon, ob und wo die Werke erschienen sind (§ 120 Abs. 1 UrhG). Anknüpfungspunkt für den urheberrechtlichen Schutz eines Werks ist dabei die Staatsangehörigkeit des Urhebers, nicht die Staatsangehörigkeit desjenigen, der Nutzungsrechte von ihm ableitet. 388 Bei von Miturhebern 387 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 407 ff. Rdn. 1326 ff. 388 BGH v. 21. 9. 2017, Az. I ZR 11 / 16 „Vorschaubilder III “. 498 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson geschaffenen Werken (§ 8-- s. o. § 70 II .) genügt es, wenn ein Miturheber deutscher Staatsangehöriger ist (§ 120 Abs. 1 S. 2 UrhG). Deutschen Staatsangehörigen gleichgestellt sind allerdings alle Staatsangehörigen von EU -Staaten oder solchen des Europäischen Wirtschaftsraumes ( EWR 389 -- § 120 Abs. 2 Nr. 2 UrhG), ferner Staatenlose (§ 122 Abs. 1 UrhG) und ausländische Flüchtlinge (§ 123 UrhG). Sonstige Ausländer aus Drittstaaten, also Staatsangehörige von Staaten, die nicht Mitgliedsstaaten der EU oder des EWR -Abkommens sind, genießen nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen den Schutz des Urheberrechtsgesetzes. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ihre Werke erstmals im Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes erschienen sind (§ 121 Abs. 1 UrhG). Im Übrigen genießen Ausländer aus Drittstaaten den urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe der einschlägigen Staatsverträge (§ 121 Abs. 4 UrhG). Im Bereich des Urheberrechts existiert, wie bereits dargestellt (vgl. § 4 III . 3.), auf der Grundlage der RBÜ (ersatzweise des WUA ) ein gut ausgebautes System zur Gewährleistung internationalen Urheberrechtsschutzes, das insbesondere darauf beruht, dass sich die Angehörigen der fraglichen Konventionssysteme gegenseitig Inländerbehandlung gewähren. Da es nur wenige Staaten gibt, die den vorgenannten Abkommen nicht angehören, bedeutet dies im Ergebnis, dass die meisten ausländischen Staatsangehörigen für ihre Werke in der Bundesrepublik Deutschland Schutz nach dem hiesigen Urheberrechtsgesetz genießen. 390 Wie im Bereich des Urheberrechts (§§ 120-123 UrhG) regeln entsprechende fremdenrechtliche Bestimmungen die Anwendbarkeit des Urheberrechtsgesetzes im Bereich der Leistungsschutzrechte (vgl. §§ 125-128 UrhG). II. Räumlicher Anwendungsbereich Auch der räumliche Anwendungsbereich des Urheberrechts ist begrenzt und zwar auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Die territoriale Begrenzung des Urheberrechts auf die Staatsgrenzen, das sog. Territorialitätsprinzip, gilt aber nicht nur im deutschen Urheberrecht, sondern auch in allen ausländischen Rechtsordnungen. Beim Territorialitätsprinzip handelt es sich- - wie bereits in anderem Zusammenhang erörtert (s. o. § 4 II . 2.)- - um einen allgemein anerkannten Grundsatz des internationalen Immaterialgüterrechts. 391 Demzufolge wird der urheberrechtliche Schutz eines Werkes nach dem deutschen Urheberrecht nur innerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland gewährt, d. h., dass dem Urheber gewährte Verbotsrecht richtet sich nur an Personen im Inland. Umgekehrt ist der im Ausland nach dem dortigen Urheberecht gewährte Schutz auch nur auf das jeweilige Staatsgebiet begrenzt. Die mangelnde Anerkennung ausländischer subjektiver Urheberrechte durch das Territorialitätsprinzip hat zur Folge, dass der Urheber kein einheitliches und weltweit gültiges, sondern lediglich ein territorial begrenztes Urheberrecht besitzt. Die interna- 389 Die EU -Staaten haben mit Island, Liechtenstein und Norwegen den EWR -Vertrag geschlossen und bilden mit diesen räumlich einen gemeinsamen Binnenmarkt. 390 Hertin, Urheberrecht, S. 236 Rdn. 787. 391 BGH GRUR 2005, 431, 432 „Hotel Maritime“; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 407 Rdn. 1326; Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 109 ff.; Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 24 GGE , S. 86. 499 § 79 Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte Pierson tionalen Abkommen auf dem Gebiet des Urheberrechts dienen dazu, die Schwierigkeiten, die sich aus dem Territorialitätsprinzip ergeben, zu überwinden, sie bewirken jedoch lediglich eine gewisse Harmonisierung der nationalen Urheberrechte in den Mitgliedsstaaten, ersetzen diese jedoch nicht durch ein einheitliches Urheberrecht. 392 Der Urheber besitzt folglich kein einheitliches, weltweit gültiges Urheberrecht, sondern, wie man sagt, ein „Bündel“ von nationalen Urheberrechten (sog. Bündeltheorie). 393 Das Territorialitätsprinzip zwingt also den Rechtsinhaber sein Recht in der jeweiligen Rechtsordnung des Schutzlandes zu suchen („Schutzlandprinzip“). § 79 Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte Von der Frage des Anwendungsbereichs des deutschen Urheberrechtsgesetzes ist die Frage zu unterscheiden, unter welchen Voraussetzungen in Fällen der Verletzung von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten bei Auslandsberührung die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben ist. 394 Diese Frage ist aus Sicht des deutschen Rechteinhabers insbesondere deshalb von Bedeutung, weil die Bemühung von ausländischen Gerichten in der Regel mit größeren praktischen Schwierigkeiten und wirtschaftlichen Risiken verbunden ist. Sie beantwortet sich nach den Bestimmungen des deutschen internationalen Zivilprozessrechts ( IZPR ). Sofern keine vorrangige internationale Regelung (wie z. B. die Eu GVVO ) eingreift, sind dies die Regeln der ZPO , die analog auch zur Klärung der internationalen Zuständigkeit herangezogen werden, insbesondere auch die des Tatortprinzips nach § 32 ZPO . In der EU (mit Ausnahme Dänemarks) richtet sich die internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über Sachverhalte, die Berührungspunkte zu einem anderen Vertragsstaat aufweisen, nach der am 10. 1. 2015 in Kraft getretenen Eu GVVO 395 (auch Brüssel Ia-Verordnung genannt), im Verhältnis zu den ehemaligen EFTA -Staaten 396 nach dem parallelen Lugano- Abkommen. 397 Die Zuständigkeit der deutschen Gerichte, d. h. ein deutscher Gerichtsstand, kann danach durch unterschiedliche Tatbestände begründet werden. I. Wohnsitz So ist die Zuständigkeit der deutschen Gerichte insbesondere stets dann begründet, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz in Deutschland hat. Nach dem allgemeinen Gerichtsstand können Personen, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates haben, ohne Rücksicht 392 Junker, Anwendbares Recht, S. 171 ff. 393 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 110; Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 28. 394 Übergreifend zur internationalen Zuständigkeit im Bereich des geistigen Eigentums s. Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, §§ 29-32 GGE , S. 100 ff.; ferner Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 168 ff. 395 Verordnung ( EG ) Nr. 1215 / 2012 v. 12. 12. 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; sie löst die bis dahin geltende Verordnung Nr. 44 / 2001 (Brüssel I- VO ) ab. 396 Island, Norwegen, Schweiz. 397 Dreier / Schulze, Vor §§ 120 Rdn. 58; Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 480. 500 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Mitgliedsstaates verklagt werden (Art. 4 Abs. 1 Eu GVVO ). Gesellschaften und juristische Personen können an dem-- dem Wohnsitz gleichgestellten-- Ort, an dem sich ihr satzungsgemäßer Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung befindet, verklagt werden (Art. 63 Abs. 1 Eu GVVO ). II. Deliktischer Gerichtsstand Größere Bedeutung für urheberrechtliche Verletzungsklagen mit Auslandsbezug hat jedoch als besonderer Gerichtsstand der sog. deliktische Gerichtsstand, der für Klagen wegen begangener unerlaubter Handlungen die Zuständigkeit des Gerichts des Begehungsortes (Tatortes) begründet. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaates hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht (§ 32 ZPO , Art. 7 Nr. 2 Eu GVVO ). III. Veröffentlichungen im Internet Die Frage der internationalen Zuständigkeit stellt sich insbesondere auch für mögliche Rechtsverletzungen durch Veröffentlichungen im Internet. Bekanntlich lässt sich der in irgendeinem beliebigen Land der Welt auf einem Server zum Abruf bereitgestellte Inhalt weltweit von jedem Rechner mit Internetzugang abrufen. Im Falle von internetbezogenen Rechtsstreitigkeiten zwischen Parteien mit Sitz in verschiedenen Staaten erweist sich die Bestimmung des international zuständigen Gerichts als schwierig, weil sich mit dem Standort des Servers, dem Ort des Uploads und den beliebigen Orten eines weltweit möglichen Abrufs eine Vielzahl unterschiedlicher Anknüpfungspunkte für eine Lokalisierung der Rechtsverletzung bieten. Als Tatort im Sinne des deliktischen Gerichtsstandes (§ 32 ZPO , Art. 7 Nr. 2 Eu GVVO , Art. 5 Abs. 3 Lugano-Übereinkommen) kommen sowohl der Handlungsort als auch der Erfolgsort, d. h. der Ort an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, in Betracht. 398 Die potentielle internationale Gerichtszuständigkeit reicht daher bei internetbezogenen Rechtsstreitigkeiten vom Gericht am Standort des Servers, dem Ort des Uploads bis zu dem Gericht an einem beliebigen Abrufort. 399 Aus der Umschreibung des Tatorts in Art. 7 Nr. 2 Eu GVVO folgt, das für dessen Bestimmung auf das Schutzlandprinzip abzustellen ist (s. o. § 4 II . 2., ferner u. § 80 II .). Das heißt, als Tatort kommt nur ein Ort in Betracht, an dem nach dem dort geltenden Recht eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden hat. 400 Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte hängt allerdings nicht davon ab, dass eine Rechtsverletzung tatsächlich erfolgt ist, vielmehr reicht es, dass diese behauptet wird und nicht von vornherein aus- 398 BGH GRUR 2006, 513, 515 „Arzneimittelwerbung im Internet“; BGH v. 15. 8. 2013, I ZR 80 / 12 „File- Hosting-Dienst“. 399 Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 477. 400 Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 61. 501 § 79 Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte Pierson geschlossen ist. 401 Fraglich ist, ob die bloße Abrufbarkeit urheberrechtlich geschützter Inhalte in Deutschland als zuständigkeitsbegründende Tathandlung in Betracht kommt. Bei Wettbewerbsverletzungen im Internet geht der BGH davon aus, dass der Erfolgsort im Inland belegen ist, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. 402 Nach Auffassung des BGH spricht angesichts der ansonsten gegebenen Vielzahl von Gerichtsständen auch bei Kennzeichenverletzungen viel für eine Begrenzung auf die Gerichtsstände, in denen eine Interessenkollision tatsächlich eingetreten ist. 403 Auf ähnliche Kriterien hat der BGH in einem Fall wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Blog-Eintrag im Internet abgestellt. Die deutschen Gerichte seien danach zuständig, „wenn die als rechtsverletzend beanstandeten Inhalte objektiv einen deutlichen Bezug zum Inland in dem Sinne aufweisen, dass eine Kollision der widerstreitenden Interessen nach den Umständen des konkreten Falls im Inland tatsächlich eingetreten sein kann oder eintreten kann“. 404 Ob die vorgenannten Kriterien der „bestimmungsgemäßen Auswirkung“ bzw. des „Inlandsbezugs wegen einer Interessenkollision im Inland“ auch für die Bestimmung des international zuständigen Gerichts in Fällen von Urheberrechtsverletzungen im Internet heranzuziehen sind, ist umstritten. 405 Primärer Anknüpfungspunkt für diese Frage ist im Urheberrecht das dem Urheber ausdrücklich vorbehaltene Online-Verwertungsrecht der öffentlichen Zugänglichmachung (Art. 8 WCT , Art. 3 InfoSoc- RL , § 19a UrhG). Für die Bestimmung des Erfolgsorts stellt sich danach die Frage, in welchen Ländern die öffentliche Zugänglichmachung in Rechte eingreift, d. h. ob die öffentliche Zugänglichmachung als isolierter Akt nur das Recht in einem Land (z. B. dem Land des Uploads), das Recht in allen Ländern (Abrufmöglichkeit) oder nur in bestimmten Ländern (bestimmungsgemäßer Abruf) berührt. Ähnlich wie im Wettbewerbs- und Kennzeichenrecht liegt es auch im Urheberrecht im Sinne einer Einschränkung eines uferlosen, an jedem Ort der bloßen technischen Abrufbarkeit begründeten Gerichtsstands nahe, die internationale Zuständigkeit durch geeignete Kriterien auf den „relevanten Markt“ eines „bestimmungsgemäßen Abrufs“ zu beschränken. 406 In diesem Sinne hat inzwischen auch der BGH entschieden: Sind Abbildungen von Kunstwerken als sog. Vorschaubilder in einer Suchmaschine, die durch Speicherung auf Servern in den USA vorgehalten werden, bestimmungsgemäß (auch) in Deutschland zu sehen, und werden insoweit Verletzungshandlungen an von im Inland bestehenden Urheberrechten geltend gemacht, ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben. 407 Eine noch großzügigere Linie im Sinne einer noch weitreichenderen Anwendung des besonderen Deliktsgerichtsstandes (Art. 7 Nr. 2 Brüssel Ia- VO ; Art. 5 Nr. 3 Brüssel I- VO ) zeichnet sich in der Rechtsprechung des Eu GH ab, der es in zwei Fällen für die Zuständigkeit der Gerichte in einem Mitgliedsstaat 401 BGH GRUR 2005, 431, 432 „Hotel Maritime“; BGH GRUR 2006, 513, 515 „Arzneimittelwerbung im Internet“. 402 BGH GRUR 2006, 513, 515 „Arzneimittelwerbung im Internet“. 403 BGH GRUR 2005, 431, 432 „Hotel Maritime“. 404 BGH GRUR 2012, 311, 312 „Blog-Eintrag“. 405 Vgl. Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 64, 40 ff. m. w. Nachw.; ferner Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 171; Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 481 f. 406 Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 42, 61. 407 BGH v. 29. 4. 2010, I ZR 69 / 08, „Vorschaubilder“. 502 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson genügen ließ, dass der jeweils streitgegenständliche urheberrechtlich geschützte Content (Tonträger bzw. Fotografien) in dem fraglichen Mitgliedsstaat über das Internet abrufbar war, ohne dass es insoweit auf eine entsprechende bestimmungsgemäße Ausrichtung der Website ankomme. 408 Ungeachtet der Frage der Reichweite der öffentlichen Zugänglichmachung wird eine internationale Zuständigkeit in vielen Fällen auch durch im Abrufland vorgenommene Vervielfältigungshandlungen (Kopie in Arbeitsspeicher, Download) begründet sein. Bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen ist zu beachten, dass die deutschen Gerichte nur für den Teil des Schadens zuständig sind, der im Inland entstanden ist, d. h. der Gesamtschaden unter Einbeziehung des ggf. im Ausland entstandenen Schadens wäre nur am Sitz des Verletzers einklagbar. 409 In dem Rechtsstreit zur Erlangung eines Titels ist der Einwand des Beklagten, dass die fragliche Nutzungshandlung nach seinem Heimatrecht zulässig wäre, zwar unbeachtlich. Zu Schwierigkeiten kann es allerdings bei der Vollstreckung eines im Inland erstrittenen Unterlassungsurteils gegen einen ausländischen Betreiber einer Website kommen, wenn das Urteil dem Beklagten eine nach deutschem Urheberrecht unzulässige Nutzungshandlung untersagt, die jedoch nach dem nationalen Urheberrecht am Sitz des Beklagten zulässig ist. 410 § 80 Anwendbares Recht (Kollisionsrecht) Die zuvor erörterte vorgreifliche Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist von der Frage abzugrenzen, welches Recht auf Urheberverletzungen anwendbar ist. I. Internationales Privatrecht Bei der Frage, nach welcher Rechtsordnung Urheberrechtsschutz bei Sachverhalten mit Auslandsberührung gewährt wird, handelt es sich um eine kollisionsrechtliche Frage, die sich nach den Regeln des Internationalen Privatrechts ( IPR ) beantwortet. Das IPR als Kollisionsrecht bestimmt, das Recht welches Staates auf einen Sachverhalt mit Auslandsberührung Anwendung findet. Trotz inhaltlicher Angleichungen in Teilbereichen aufgrund von Staatsverträgen gibt es kein einheitliches internationales Einheitskollisionsrecht, so dass das jeweils nationale IPR maßgeblich ist. 411 Die internationale Zuständigkeit eines deutschen Gerichts unterstellt, bestimmt sich die Frage des anwendbaren Urheberrechts daher nach den Regelungen des deutschen IPR , das in Deutschland hauptsächlich in den Art. 3-46 EGBGB geregelt und vom Richter von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Es besteht aus Kollisionsnormen, die mit Hilfe bestimmter Anknüpfungspunkte das in der Sache anzuwendende Recht bezeichnen. Die 408 Eu GH v. 3. 10. 2013, Rs. C-170 / 12 „Pinckney“; Eu GH v. 22. 1. 2015, Rs. C-441 / 13 „Hejduk“. 409 EuGH v. 3. 10. 2013, Rs. C-170 / 12 „Pinckney“; EuGH v. 22. 1. 2015, Rs. C-441 / 13 „Hejduk“; Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 61. 410 Thum, GRUR Int. 2001, 26. 411 Junker, Anwendbares Recht, S. 166. 503 § 80 Anwendbares Recht (Kollisionsrecht) Pierson durch eine Kollisionsnorm auf einen bestimmten Fragenkomplex zur Anwendung berufenen Sachnormen bilden das sog. Sachstatut (z. B. Schuldstatut, Deliktsstatut, Erbstatut). 412 II. Schutzlandprinzip Das deutsche IPR enthält- - wie die Rechtsordnungen vieler anderer Länder auch- - keine besondere Regelung für Immaterialgüterrechtsverletzungen. Der Gesetzgeber hielt die Aufnahme einer entsprechenden Sondernorm im Rahmen der EGBGB -Novelle 1999 im Hinblick auf die allgemeine Geltung des Schutzlandprinzips für entbehrlich. 413 Nach dem Schutzlandprinzip ist bei Urheberrechtsverletzungen, wie bereits dargestellt (s. o. § 79 III .), das Recht desjenigen Staates anwendbar, für dessen Gebiet Schutz in Anspruch genommen wird (sog. lex loci protectionis). 414 Inzwischen ist die Maßgeblichkeit des Schutzlandprinzips bei der Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums für das Gebiet der EU in Art. 8 Abs. 1 der Rom II -Verordnung über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht verankert (s. hierzu bereits o. § 4 II . 2.). Bei dem Schutzlandprinzip handelt es sich nach verbreiteter Ansicht um die kollisionsrechtliche Entsprechung des sachrechtlichen Territorialitätsprinzips 415 (s. zuvor § 78 II . a. E.). Mittelbar wirkt es sich auch auf die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit aus, da sich die Frage, ob eine zuständigkeitsbegründende Tathandlung i. S. d.deliktischen Gerichtsstandsregelung vorliegt, wie gesehen (s. o. § 79 III .), von dem angerufenen Gericht nach dem Recht bestimmt wird, das nach dem IPR des Forumstaates-- bei Immaterialgüterrechten also dem Schutzlandprinzip-- anwendbar ist. 416 In Deutschland unterstellt die überwiegende Ansicht das Urheberrecht insgesamt dem Schutzlandprinzip. Das heißt, auch die kollisionsrechtlichen Vorfragen, wie die Entstehung des Urheberrechts, die erste Inhaberschaft am Urheberrecht und die Übertragbarkeit der urheberrechtlichen Befugnisse richten sich ebenso wie die Frage der Verletzung des Urheberrechts nach dem Recht des Schutzlandes. 417 Die sich bei der Anwendung des Schutzlandprinzips stellende Frage nach der Lokalisierung einer Urheberrechtsverletzung in einem bestimmten Schutzland ist in der Regel unproblematisch, sofern es sich um körperliche Verwertungshandlungen, wie z. B. die Vervielfältigung eines Buches handelt, da es sich hierbei im Normalfall um sog. Platzdelikte handelt. Schwieriger gestaltet sich die Zuordnung einer in Rede stehenden Verwertungshandlung zu einem Schutzland jedoch, wenn diese-- wie insbesondere bei der öffentlichen Zugänglichmachung von geschützten Inhalten im Internet-- nicht nur in einem, sondern in vielen Ländern erfolgt (s. zuvor § 79 III .). 412 Palandt / Heldrich, BGB , Einl. vor Art. 3 EGBGB Rdn. 2. 413 Ausführlich hierzu Junker, Anwendbares Recht, S. 178 ff. 414 BGH v. 24. 5. 2007, Az. I ZR 42 / 04 „Staatsgeschenk“; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 429 f Rdn. 1389 f; Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 28. 415 Vgl. die Nachw. bei Junker, Anwendbares Recht, S. 175; Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 24 GGE , S, 86 f. 416 Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 481 f. 417 Ausführlich Junker, Anwendbares Recht, S. 182 ff.; ferner Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 24 GGE , S. 87 f.; BGH v. 21. 9. 2017, Az I ZR 11 / 16 „Vorschaubilder III “; kritisch Schmid / Wirth, Urheberrechtsgesetz, Vorbem. zu §§ 120 ff. Rdn. 6 ff. 504 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson III. Anwendbares Urheberrecht bei Verletzungshandlungen im Internet Fraglich ist, welches der zahlreichen durch eine Werkpräsenz im Internet berührten nationalen Urheberrechte über die Rechtsmäßigkeit der Verwertung entscheiden können soll. Die Bedeutung dieser Frage lässt sich anhand eines Beispiels 418 veranschaulichen, bei dem es darum ging, dass der ursprünglich in schwarz-weiß gedrehte Film „Der General“ von Buster Keaton in kolorierter Fassung über einen On-Demand-Dienst weltweit im Internet vertrieben wurde. Während die Filme von Buster Keaton in USA wegen Ablauf der Schutzfrist bereits gemeinfrei waren, lief der Schutz noch in Deutschland. 419 In Frankreich waren die Verwertungsrechte bereits erloschen, die Verbreitung kolorierter Fassungen stellt sich dort jedoch als Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts des Regisseurs dar. In solchen Fällen stellt sich also die Frage, welches nationale Urheberrecht- - US -amerikanisches, deutsches und / oder französisches- - zur Beurteilung der Verwertungshandlung via Internet heranzuziehen ist. In Europa beurteilt sich die Frage der Rechtsmäßigkeit einer Nutzungshandlung, wie erörtert, nach dem Schutzlandprinzip, d. h. jede der berührten nationalen Rechtsordnungen entscheidet darüber, ob die Nutzung nach ihrem Urheberrecht erlaubt ist oder nicht (sog. Mosaikbetrachtung). Dies hat für die Verwertung im Internet also zur Folge, dass die weltweite Zugänglichmachung von Werken im Internet nur dann zulässig ist, wenn diese Verwertungshandlung nach den berührten Rechtsordnungen an sämtlichen Abruforten zulässig ist, z. B. weil das Werk überall gemeinfrei ist oder weil nach allen Rechtsordnungen Schrankenbestimmungen zugunsten des Verwerters eingreifen. 420 § 81 Urheberrechtsschutz im Ausland Angesichts der jeweiligen territorialen Begrenzung der nationalen Schutzgesetze kommt im Bereich des geistigen Eigentums den Staatsverträgen zum gegenseitigen Schutz maßgebliche Bedeutung zu. Im Bereich des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte existieren eine Vielzahl mehrseitiger und zweiseitiger internationaler Verträge, deren Darstellung den Rahmen dieses Buches jedoch sprengen würde. 421 Der nachfolgende Überblick beschränkt sich daher auf die großen Konventionen, die für die Urheberrechtsbeziehungen der Bundesrepublik zu ausländischen Staaten im Vordergrund stehen. 418 Geller in Hugenholtz (Hrsg.), The future of Copyright in a digital Environment, 1996, S. 27-- zitiert nach Thum, GRUR Int. 2001, 20. 419 Hintergrund hierfür ist, dass in den USA bis vor wenigen Jahren kürzere Schutzfristen galten als in Deutschland, nämlich 28 Jahre nach dem Copyright Act von 1909 bzw. 50 Jahre nach Copyright Act von 1976. Die Schutzfrist wurde erst 1998 auf 70 Jahre verlängert-- vgl. Schricker / Katzenberger / Metzger, § 64 Rdn. 12. 420 Thum, GRUR Int. 2001, 20. 421 Gute Übersichten bieten u. a. Schricker / Katzenberger / Metzger, Urheberrecht, Vor §§ 120 ff. Rdn. 14 ff.; Dreier / Schulze, Vor §§ 120 ff. Rdn. 14 ff.; Möhring / Nicolini / Hartmann, UrhG, Vor §§ 120 ff. Rdn. 56-158; zu den von der WIPO verwalteten Verträgen vgl. ferner http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 505 § 81 Urheberrechtsschutz im Ausland Pierson I. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) Auf dem Gebiet des Urheberrechts ist die RBÜ der bedeutendste und älteste völkerrechtliche Vertrag. Wie bereits im Rahmen des einleitenden Überblicks zum internationalen Schutz des geistigen Eigentums dargestellt (s. o. § 4 III . 3.), ist der durch die RBÜ gewährleistete Schutz durch zwei zentrale Schutzprinzipien gekennzeichnet, nämlich den Grundsatz der Inländerbehandlung und die den konventionsgeschützten Urhebern nach Maßgabe der RBÜ in anderen als dem Ursprungsland gewährten sog. Mindestrechte. Die Mindestrechte stehen den Urhebern unmittelbar Kraft der Übereinkunft zu (sog. ius conventionis), d. h., zum einen können sich die Urheber unmittelbar auf sie berufen, zum anderen bestehen die Mindestrechte ohne Rücksicht darauf, ob der Verbandsstaat, in dem die Mindestrechte in Anspruch genommen werden, diese auch nach seinem nationalen Recht als Inländerrecht gewährt. Zu den durch die RBÜ gewährten Mindestrechten gehören: 422 ▶ das Urheberpersönlichkeitsrecht (Anerkennung der Urheberschaft und Entstellungsschutz, Art. 6 bis ), ▶ das Übersetzungsrecht (Art. 8), ▶ das Vervielfältigungsrecht (Art. 9, 13), ▶ das Vortragsrecht und das Recht zur Übertragung des Vortrags (Art. 11 ter ), ▶ das Aufführungsrecht und Übertragungsrechte bei musikalischen und dramatischmusikalischen Werken (Art. 11), ▶ das Senderecht und das Recht der öffentlichen Wiedergabe gesendeter Werke (Art. 11 bis ), ▶ das Bearbeitungsrecht (Art. 12), ▶ das Verfilmungsrecht (Art. 14, 14 bis ). Durch die in allen Verbandsstaaten außer dem Ursprungsland (Land der ersten Veröffentlichung) gewährten Mindestrechte soll ein gewisses internationales Mindestschutzniveau sichergestellt werden. Die Regelung, dass der Mindestschutz dem Urheber im Ursprungsland nicht zusteht (Art. 5 Abs. 1 RBÜ ), befördert dieses Ziel. Denn jeder Verbandsstaat, der seine eigenen Angehörigen nicht schlechter stellen will als Ausländer, wird folglich bemüht sein, sein internes Recht zumindest am Schutzniveau der RBÜ zu orientieren. 423 II. TRIPS -Übereinkommen Wie bereits im einleitenden Überblick zum internationalen Schutz des geistigen Eigentums dargestellt (s. o. § 4 III . 5.), wurde im Zuge der Errichtung der Welthandelsorganisation ( WTO ) im Jahre 1994 das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (das sog. TRIPS -Übereinkommen) geschlossen, bei dem es sich um eines der bedeutendsten internationalen Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums handelt. Die Bedeutung des TRIPS -Übereinkommens ist auch dadurch begründet, dass es-- anders als die spezielleren Staatsverträge im Bereich des geistigen Eigentums-- nicht nur auf eine einzelne 422 Möhring / Nicolini / Hartmann, UrhG, Vor §§ 120 ff. Rdn. 64 f. 423 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, S. 407, 411 Rdn. 1327, 1338 f. 506 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson Kategorie geistiger Schaffensergebnisse abzielt, sondern übergreifend auf den Schutz und die Durchsetzung des geistigen Eigentums insgesamt, also sowohl auf den Schutz durch die verschiedenen gewerblichen Schutzrechte als auch auf den Schutz durch das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte. 1. Grundprinzipen Was den Inhalt des TRIPS -Übereinkommens angeht, das neben seiner Präambel aus insgesamt sieben Teilen besteht, sind zunächst die im ersten Teil geregelten allgemeinen Bestimmungen und Grundprinzipien (Art. 1-8) hervorzuheben. Der durch das TRIPS -Übereinkommen gewährte Schutz ist danach im Wesentlichen durch die folgenden, für den Schutz sämtlicher Immaterialgüter gleichermaßen maßgeblichen Grundprinzipen gekennzeichnet (siehe bereits o. § 4 III . 5.): 424 ▶ den Inländerbehandlungsgrundsatz (Art. 3 TRIPS ), bei dem es sich um eine Konkretisierung der zentralen völkerrechtlichen Prinzipien der Gleichstellung und Nichtdiskriminierung handelt und gleichzeitig um den bedeutendsten Grundsatz des TRIPS - Übereinkommens und aller anderen internationalen Verträge zum Schutz des geistigen Eigentums (vgl. bereits o. § 4 III . 1. [ PVÜ ], 3. [ RBÜ ], 5. [ TRIPS ]); ▶ den Mindestschutzgrundsatz (Art. 1 Abs. 1 S. 2 TRIPS ), der darauf abzielt, ein ausgeglichenes Schutzniveau in allen dem Übereinkommen beigetretenen Staaten herzustellen und unangemessene Ergebnisse, die durch den Inländerbehandlungsgrundsatz entstehen können, zu vermeiden; ▶ den Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. 4 TRIPS ), der auf eine Gleichstellung eines jeden Urhebers mit den meistbegünstigten Ausländern abzielt, um eine willkürliche Diskriminierung eines Urhebers aus einem bestimmten des Auslands gegenüber einem aus einem anderen Staat des Auslands stammenden Urheber zu vermeiden. 2. Die urheberrechtlichen Regelungen des TRIPS -Übereinkommens Das TRIPS -Übereinkommen enthält in seinem zweiten Teil (Art. 9-40) grundlegende Regelungen zu den einzelnen Teilgebieten des Immaterialgüterrechts. Spezielle Vorschriften zum Urheberrecht und den verwandten Schutzrechten finden sich im ersten Unterabschnitt (Art. 9-14). Wie bereits in anderem Zusammenhang (s. o. § 4 III . 5.) ausgeführt, baut das TRIPS -Übereinkommen auf den bestehenden wichtigen völkerrechtlichen Verträgen im Bereich des geistigen Eigentums auf und erklärt deren Regelungen für seine Mitglieder als Mindestschutzstandards für verbindlich (Art. 2, 9 Abs. 1). Maßgebliche Vorschrift für den Bereich des Urheberrechts ist insoweit Art. 9 Abs. 1, durch den das TRIPS -Übereinkommen seine Mitglieder zur Anwendung der Art. 1-21 RBÜ (Pariser Fassung 1971) verpflichtet, allerdings mit Ausnahme der Regelungen über das Urheberpersönlichkeitsrecht (Art. 9 Abs. 1 424 Näheres vgl. Duggal, TRIPS -Übereinkommen, S. S. 65 ff.; ferner Möhring / Nicolini / Hartmann, UrhG, Vor §§ 120 ff. Rdn. 106; Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 f. Rdn. 14 ff. 507 § 81 Urheberrechtsschutz im Ausland Pierson S. 2). 425 Die Schutzprinzipien der RBÜ , also insbesondere deren Mindestrechte, finden danach im Verhältnis der TRIPS -Mitgliedsstaaten zueinander Anwendung. 426 Zum Schutzgegenstand und Schutzumfang bestimmt Art. 9 Abs. 2, dass sich der urheberrechtliche Schutz „auf Ausdrucksformen und nicht auf Ideen, Verfahren, Arbeitsweisen oder mathematische Konzepte als solche“ erstreckt. Dies entspricht dem Verständnis nach deutschem Urheberrecht (s. o. § 69 I. 3. ausdrücklich zum Schutzgegenstand bei Computerprogrammen, § 69a UrhG; ferner allgemein § 71 III .). Die für den urheberrechtlichen Schutz nach dem TRIPS -Übereinkommen grundlegende Vorschrift des Art. 9 Abs. 1 ist Ausdruck des sog. Bern-Plus-Ansatzes. Danach soll das hohe Schutzniveau der bestehenden Konventionen beibehalten und nur soweit wie erforderlich vereinzelt durch neue, weiterreichende Regelungen ergänzt werden, die über das Schutzniveau der RBÜ hinausreichen (sog. Bern-Plus-Elemente). 427 Der im Bereich des Urheberrechts verfolgte Bern-Plus-Ansatz des TRIPS -Übereinkommens hat sich im Wesentlichen in den folgenden Regelungen niedergeschlagen: ▶ Klarstellung, dass Computerprogramme, gleichviel ob sie im Quellcode oder im Maschinenprogrammcode ausgedrückt sind, als Werke der Literatur nach der RBÜ (1971) geschützt werden (Art. 10 Abs. 1); ▶ Klarstellung des urheberrechtlichen Schutzes von Datenbanken, allerdings nur, soweit diese „aufgrund der Auswahl oder Anordnung ihres Inhalts geistige Schöpfungen bilden“ (Art. 10 Abs. 2). Der Schutz von Datenbanken nach dem TRIPS -Übereinkommen ist damit enger als der auf der Grundlage der europäischen Datenbankrichtlinie gewährte zweigliedrige Schutz (s. hierzu o. § 69 X. 2.; § 75 IV . 1.) und sieht anders als dieser keinen Schutz nichtschöpferischer Datensammlungen vor; 428 ▶ Vermietrecht für Computerprogramme und Filmwerke (Art. 11), das durch das TRIPS - Übereinkommen erstmals in einem internationalen Urheberrechtsabkommen aufgenommen wurde; 429 ▶ Präzisierung der Berechnung der Schutzdauer in Fällen, in denen das Urheberrecht nicht nach der Lebensdauer einer natürlichen Person zu berechnen ist (Art. 12). Angesichts der auch in der RBÜ (Art. 7 Abs. 1) vorgesehenen Mindestschutzdauer von 50 Jahren ist die Regelung praktisch allerdings von untergeordneter Bedeutung; 430 ▶ Bestimmung, dass die Mitglieder Beschränkungen und Ausnahmen von ausschließlichen Rechten auf bestimmte Sonderfälle begrenzen, die weder die normale Auswertung des Werkes beeinträchtigen noch die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers unzumutbar verletzen (Art. 13- - sog. Dreistufentest). Die Regelung schützt den Urheber vor einer wirtschaftlichen Aushöhlung seiner Rechte durch zu weitreichende Schrankenbestimmungen (siehe hierzu bereits o. § 72 I.). Sie ist angelehnt an die ähnlich lautende Bestimmung in Art. 9 Abs. 2 RBÜ , die sich allerdings nur auf das Vervielfältigungs- 425 Zur Bedeutung der Einschränkungen vgl. Duggal, TRIPS -Übereinkommen, S. 68 f. 426 Möhring / Nicolini / Hartmann, UrhG, Vor §§ 120 ff. Rdn. 109. 427 Duggal, TRIPS -Übereinkommen, S. 68. 428 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 21. 429 Näheres vgl. Duggal, TRIPS -Übereinkommen, S. 71 ff. 430 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 22. 508 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte Pierson recht bezieht, während Art. 13 TRIPS weiter greift und alle ausschließlichen Rechte des Urheberrechts betrifft. 431 III. WIPO -Urheberrechtsvertrag Erwähnung verdient schließlich der WIPO -Urheberrechtsvertrag ( WIPO Copyright Treaty, kurz „ WCT “), der auf einer diplomatischen Konferenz unter der Schirmherrschaft der Weltorganisation für geistiges Eigentum ( WIPO ) am 20. 12. 1996 geschlossen wurde. 432 Beim WIPO -Urheberrechtsvertrag handelt es sich um ein Sonderabkommen zur RBÜ (Art. 1 Abs. 1 WCT i. V. m. Art. 20 RBÜ ), das in Ergänzung zur RBÜ anwendbar ist und darauf abzielt, den internationalen Schutz des Urheberrechts auf der Grundlage der seit 1971 nicht mehr revidierten RBÜ insbesondere auch in Bezug auf die Herausforderungen durch die Digitaltechnik zu modernisieren. Ähnlich wie das TRIPS -Übereinkommen enthält auch der WIPO -Urheberrechtsvertrag Klarstellungen zum Schutzumfang des urheberrechtlichen Werkschutzes (Art. 2 WCT ), zum Schutz von Computerprogrammen (Art. 4 WCT ) sowie von Datenbanken (Art. 5 WCT ). Mit Blick auf die Herausforderungen durch Informationstechnologie ist das im TRIPS -Übereinkommen noch nicht vorgesehene Recht der öffentlichen Wiedergabe in unkörperlicher Form („mit oder ohne Draht“) einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung („right of making available“-- sog. Onlinerecht) hervorzuheben, ferner die Verpflichtungen der Vertragsstaaten in Bezug auf die Unterbindung der Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen (Art. 11 WCT ) sowie im Hinblick auf die Verhinderung der unbefugten Entfernung oder Änderung elektronischer Informationen über die Rechtverwaltung (Art. 12 WCT -- sog. digital rights management). 433 Die zuletzt genannten Vorgaben des WIPO -Urheberrechtsvertrages wurden, wie bereits erörtert (s. o. § 71 II . 2. c.; § 76), auf Unionsebene durch die InfoSoc-Richtlinie und auf nationaler Ebene durch die Urheberrechtsnovelle 2003 umgesetzt. 431 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 22. 432 Abrufbar unter: http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 433 Näheres zum WCT Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 ff. Rdn. 36 ff. Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) 511 § 82 Einleitung Pierson § 82 Einleitung I. Das Wettbewerbsrecht als Rechtsgebiet Das Rechtsgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes erschöpft sich- - wie bereits einführend erwähnt (s. o. § 1 I.)- - nicht in den vielfältigen immaterialgüterrechtlichen Sondergesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums (PatG, Gebr MG , DesignG, MarkenG, HLS chG, SortG), vielmehr wird es durch das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) geregelte Lauterkeitsrecht ergänzt. Das Lauterkeitsrecht (auch „Wettbewerbsrecht i. e. S.“ oder mitunter auch „Werbe- oder Marketingrecht“ genannt), nimmt dabei allerdings, worauf noch einzugehen sein wird, im Rahmen des gewerblichen Rechtsschutzes eine Sonderrolle ein. Unter rechtssystematischem Blickwinkel kann es als Klammer verstanden werden zwischen den angrenzenden Rechtsgebieten des Immaterialgüterrechts (konkret des gewerblichen Rechtsschutzes) einerseits und des Wettbewerbsrechts in weiterem Sinne andererseits (s. o. Abb. 1). Das Wettbewerbsrecht (i. w. S.) schützt und regelt den wirtschaftlichen Wettbewerb. 1 Als heterogenes Rechtsgebiet umfasst das Wettbewerbsrecht (i. w. S.) zwei unterschiedliche, sich ergänzende Rechtsmaterien, nämlich ▶ das im UWG geregelte sog. Lauterkeitsrecht und ▶ das im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ( GWB ) geregelte Kartellrecht. Der Wettbewerb ist mithin der gemeinsame Regelungsgegenstand, dessen Schutz das Lauterkeitsrecht und das Kartellrecht als komplementäre Rechtskreise dienen. Die jeweiligen rechtlichen Ansatzpunkte sind dabei unterschiedlich: Das Kartellrecht schützt die Freiheit des Wettbewerbs vor Beschränkungen, d. h. es sichert Verhaltensspielräume, in denen sich wirtschaftlicher Wettbewerb entfalten kann. Demgegenüber zielt das Lauterkeitsrecht auf einen Schutz vor unlauterem Wettbewerbsverhalten einzelner Marktteilnehmer, d. h. davor, dass die durch das Kartellrecht gesicherte Freiheit des Wettbewerbs und die damit für wirtschaftliches Wettbewerbsverhalten eröffneten Verhaltensspielräume in unlauterer Weise ausgenutzt werden. Das Zusammenspiel kartellrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Regelungen zum Schutz des Wettbewerbs lässt sich in Anlehnung an die Regelungen, die jedem Mannschaftssport im Sinne eines „fairen Wettbewerbs sportlicher Kräfte“ zugrunde liegen, veranschaulichen: 2 So weist etwa das Reglement für das Fußballspiel eine Vielzahl von-- im übertragenen Sinne- - „kartellrechtlichen“ Regelungen auf, die notwendig sind, damit sich überhaupt ein spannender sportlicher Wettbewerb zwischen den Mannschaften entfalten kann (Größe des Spielfeldes, Größe der Tore, Spieldauer, Anzahl der Mannschaften / Spieler, Abseitsregelung, Eckstöße, Austausch von Spielern etc.). Sie werden ergänzt durch- - im übertragenen Sinne-- „lauterkeitsrechtliche“ Regelungen, die speziell vor unfairem Spiel der eingesetzten Spieler („Foulspiel“) schützen sollen. 1 Rittner / Dreher / Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Einl., Rdn. 1 ff. 2 Zum gebräuchlichen Bild des Sports zur Veranschaulichung der unterschiedlichen Zielsetzungen von GWB und UWG vgl. auch Fezer / Fezer, UWG , Einl. Rdn. 40. 512 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson II. Aufgabe und Bedeutung des Wettbewerbsrechts Die Aufgabe des Wettbewerbsrechts (i. w. S.) lässt sich nach dem zuvor Gesagten durch eine doppelte Zielsetzung beschreiben. Es dient: ▶ dem „Qualitätsschutz“ des Wettbewerbs durch das Lauterkeitsrecht ( UWG ), d. h., der freie Wettbewerb bedarf der Zügelung durch das Recht, damit er nicht infolge „unlauterer“ Wettbewerbshandlungen missbraucht wird; ferner ▶ dem „Existenzschutz“ (Bestandsschutz) durch das Kartellrecht ( GWB ), das auf die Erhaltung der wirtschaftlichen Freiheit aller Wettbewerber abzielt und die Einhaltung bestimmter Mindestregeln zum Schutz vor wettbewerbsbeschränkendem Verhalten vorschreibt. Dabei können kartellrechtswidrige Handlungen im Einzelfall gleichzeitig das Lauterkeitsrecht verletzen und umgekehrt (s. u. § 84 IV . 10. c). Aus der Aufgabe des Wettbewerbsrechts, seiner Zielsetzung, den „Wettbewerb“ zu schützen, erschließt sich zugleich die erhebliche Bedeutung des Wettbewerbsrechts. Der Gesetzgeber hat es vermieden den zentralen Begriff des „Wettbewerbs“, bei dem es sich um einen äußerst komplexen Sachverhalt handelt, als Schutzgegenstand des GWB bzw. des UWG zu definieren. 3 Gleichwohl steht die Bedeutung des Wettbewerbs als unverzichtbare Grundlage unserer freiheitlichen Wirtschaftsordnung einer sozialen Marktwirtschaft außer Frage. Diese beruht darauf, dass selbständige Wirtschaftssubjekte vorhanden sind, die freien Zugang zum Markt haben und sich als Anbieter und Nachfrager im Markt wirtschaftlich frei betätigen können. Hierbei erfolgt die Steuerung des Ausgleichs zwischen Angebot und Nachfrage durch den Wettbewerb, ohne den eine Marktwirtschaft nicht funktionieren kann. 4 In einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung ist es also das Wettbewerbsrecht, das die wirtschaftliche Handlungsfreiheit der Marktteilnehmer- - die Angebotsfreiheit der Wettbewerber und die Wahl- und Entscheidungsfreiheit der Verbraucher-- gewährleistet. 5 Wettbewerbsrecht i. w. S. Schutz des Wettbewerbs als unverzichtbarer Grundlage einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung Lauterkeitsrecht ( UWG ) (auch „Wettbewerbsrecht i. e. S.“, „Werbe-“ oder- „Marketingrecht“ genannt) Kartellrecht ( GWB bzw. Art. 101 ff. AEUV ) Schützt den Wettbewerb vor unlauterem Wettbewerbsverhalten („Qualitätsschutz“) Schützt die Freiheit des Wettbewerbs vor Beschränkungen („Existenzschutz“) Abb. 10: Wettbewerbsrecht i. w. S. 3 Näheres zum Begriff des „Wettbewerbs“ vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl., 1. Kap., 1. Abschnitt; ferner Rittner / Dreher / Kulka, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Einl. Rdn. 3 ff.; Bunte / Stancke, Kartellrecht, § 1 S. 4 ff. 4 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 1.46; näheres zu den Wettbewerbsfunktionen s. Bunte / Stancke, Kartellrecht, § 1 S. 8 ff. 5 Fezer / Fezer, UWG , Einl. Rdn. 39; ferner BT -Drucks. 15 / 1487, S. 13. 513 § 82 Einleitung Pierson III. Eingrenzung, Rechtsgrundlagen des Lauterkeitsrechts Das Lauterkeitsrecht und das Kartellrecht sind nach dem zuvor Gesagten als zwei sich einander ergänzende und sich teilweise überschneidende Rechtsmaterien zu verstehen, zwischen denen vielfältige inhaltliche Wechselwirkungen bestehen 6 und die sich zu dem als Wettbewerbsrecht i. w. S. bezeichneten Rechtsgebiet zusammenfügen. Gleichwohl beschränkt sich die nachfolgende Erörterung des Wettbewerbsrechts auf das Lauterkeitsrecht, da nur dieses, wie bereits erwähnt, dem Rechtsgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes und damit dem Gegenstand der vorliegenden Darstellung zuzurechnen ist. Rechtsgrundlage des Lauterkeitsrechts ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) vom 3. Juli 2004. 7 Ergänzt wird das UWG durch eine Vielzahl von Nebengesetzen, die zum einen gleichfalls eine im Wesentlichen marktverhaltensregelnde Funktion haben, wie die Preisangabenverordnung ( PA ngV) oder Landesgesetze, wie z. B. das niedersächsische Gesetz über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten, zum anderen durch Nebengesetze, die neben anderen Bestimmungen auch wettbewerbsrechtliche Vorschriften enthalten, wie z. B. das Heilmittelwerbegesetz ( HWG ) oder das Telemediengesetz ( TMG ). 8 IV. Einwirkungen des Europäischen Rechts 1. Allgemeines Weite Teile der nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedsstaaten, namentlich im Bereich des Wirtschaftsrechts, sind bereits heute durch europarechtliche Vorgaben geprägt. Nicht zuletzt das in der Einheitlichen Europäischen Akte vom 1. 7. 1987 festgelegte Ziel der schrittweisen Verwirklichung eines „Raumes ohne Binnengrenzen“ (Binnenmarkt) hat in der Folge zu weitreichenden, nahezu alle Bereiche unserer Rechtsordnung betreffenden Harmonisierungsinitiativen geführt (vgl. bereits o. 1. Abschnitt, § 4 IV . vor 1.). Auch im Bereich des Lauterkeitsrechts hat der Einfluss des EU -Rechts zunehmend an Bedeutung gewonnen, worauf auch im weiteren Verlauf der Darstellung im jeweils von europarechtlichen Vorgaben betroffenen konkreten Regelungskontext zurückzukommen sein wird. Im Bereich des Kartellrechts enthielt das EU -Recht bereits seit dem EGV von 1957 mit den Artikeln 85, 86 EGV ein „Europäisches Kartellrecht“, d. h. unmittelbar geltende wettbewerbsrechtliche Bestimmungen zum Schutz des Handels innerhalb des Gemeinsamen Marktes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (jetzt Art. 101 ff. AEUV ). Anders als das Kartellrecht, das damit bereits seit Beginn der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ( EWG ) durch ein Nebeneinander von Europäischem Kartellrecht (Wettbewerbsbeschränkungen mit Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten) und nationalem Kartellrecht (Wettbewerbsbeschränkungen ohne Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedsstaaten) gekennzeichnet ist, gibt es im Bereich des Lauterkeitsrechts mangels entsprechender ausdrücklich dem Lauterkeitsrecht gewidmeter Regelungen im AEUV kein primäres „Europäisches Lauterkeitsrecht“. Allerdings werden hier- 6 Hierzu Fezer / Fezer, UWG , Einl. Rdn. 41. 7 Zuletzt geändert durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. 2. 2016 ( BGB l. I S. 233). 8 Tews / Bokel, S. 17; ferner Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. A. Rdn. 7. 514 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson durch vielfältige Einwirkungen des EU -Rechts auf das nationale Lauterkeitsrecht keinesfalls ausgeschlossen. Vielmehr vollziehen sich diese auf zwei Wegen: ▶ zum einen über die Rechtsprechung des Eu GH , insbesondere zur Waren- und Dienstleistungsfreiheit (primäres Unionsrecht, Art. 34 ff., 56 ff. AEUV ), ▶ zum anderen über eine Vielzahl von Verordnungen und Richtlinien (sekundäres Unionsrecht). 9 Die Bestrebungen der EU -Kommission, das Lauterkeitsrecht umfassender durch eine unionsweite Angleichung der Wettbewerbsgesetze der Mitgliedsstaaten zu harmonisieren, reichen bereits in die 1960er Jahre zurück, sie waren jedoch immer wieder gescheitert, nicht zuletzt auch durch den Widerstand der beiden der Gemeinschaft 1972 beigetretenen common-law- Staaten Großbritannien und Irland, die beide keine Wettbewerbsgesetze kennen. 10 2. Primäres Unionsrecht Einwirkungen des primären Gemeinschaftsrechts auf das nationale Lauterkeitsrecht ergeben sich insbesondere über ▶ über die Vorschriften zum Schutz des freien Warenverkehrs (Art. 34 ff. AEUV ) und des freien Dienstleistungsverkehrs (Art. 56 ff. AEUV ), ferner ▶ über das Diskriminierungsverbot (Art. 18 AEUV ). 11 Hervorzuheben ist insbesondere der Einfluss der Art. 34, 35 AEUV , durch welche mengenmäßige Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkungen „sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung“ zwischen den Mitgliedsstaaten verboten sind. Die Bestimmungen dienen der Durchsetzung des freien Warenverkehrs im gemeinsamen Markt. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht hat sich insbesondere die Frage gestellt, ob und unter welchen Voraussetzungen nationale lauterkeitsrechtliche Vorschriften als „Maßnahmen gleicher Wirkung“ zu beurteilen sind. 12 Der Eu GH hat in vier Grundsatzentscheidungen (Dassonville, Cassis de Dijon, Keck, DocMorris) die Leitlinien zur Beurteilung nationaler wettbewerbsrechtlicher Vorschriften, die sich im Handel zwischen den Mitgliedsstaaten als Hindernis erweisen können, entwickelt. 13 Nach der Entscheidung des Eu GH in der Rechtssache Dassonville ist jede Handelsregelung, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen grenzüberschreitenden Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als Maßnahme gleicher Wirkung anzusehen 14 (sog. Dassonville-Formel). Zusammengefasst ist nach den einschlägigen Entscheidungen des Eu GH die Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit „stets dann anwendbar, wenn mit- 9 Zur Unterscheidung der Formen des primären und sekundären Unionsrechts s. o. Erster Abschnitt, § 4 IV . 2. 10 Harte / Henning / Glöckner, UWG , Einl. B Rdn. 8 f.; Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rdn. 22 ff. 11 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.14; ferner Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. C. Rdn. 9 ff. 12 Peifer, Lauterkeitsrecht, § 3, S. 66 ff. 13 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.17 ff. 14 Eu GH GRUR Int. 1974, 467 „Dassonville“. 515 § 82 Einleitung Pierson gliedsstaatliche Regelungen sich nicht marktneutral auswirken, d. h. für den grenzüberschreitenden Handel bzw. für grenzüberschreitende Dienstleistungen den Marktzutritt versperren oder weitergehend behindern als sie dies für einheimische Waren und Dienstleistungen tun“. 15 Auch im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten 16 kann jedoch eine Rechtfertigung nach der vom Eu GH in der Rechtssache Cassis de Dijon 17 entwickelten Formel gegeben sein, wonach aus unterschiedlichen nationalen Regelungen folgende Hemmnisse zulässig sein können, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes. Wie Glöckner anschaulich formuliert, hat der Eu GH in der Rechtssache Dassonville die Regelungen des nationalen Lauterkeitsrechts auf den Prüfstand gestellt und in der Rechtssache Cassis de Dijon den Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs als grundsätzlich zu berücksichtigendes zwingendes Erfordernis anerkannt. 18 3. Sekundäres Unionsrecht Wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt (s. o. § 4 IV . 2.) kommen als Formen des sekundären Unionsrecht insbesondere Verordnungen und Richtlinien in Betracht. a) Verordnungen Obgleich die EU -Verordnung den Vorteil hat, dass sie allgemeine Geltung hat und- - ohne das Erfordernis eines nationalen Umsetzungsaktes-- unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV ), wurde im Bereich des Wettbewerbsrechts von diesem Instrument in der Vergangenheit wenig und nur in Randbereichen des Lauterkeitsrechts Gebrauch gemacht. 19 Ein Beispiel dafür, dass die EU -Kommission bei der Harmonisierung zentraler wettbewerbsrechtlicher Themen auch auf das Instrument der Verordnung setzen wollte, ist der Vorschlag für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt. 20 Der Vorschlag, der jedoch von der Kommission wieder zurückgezogen wurde, 21 zielte auf eine Harmonisierung des Rechts sog. verkaufsfördernder Aktionen (vgl. Art. 1), worunter definitionsgemäß Rabatte, unentgeltliche Zuwendungen, Zugaben, Preisausschreiben und Gewinnspiele verstanden werden (Art. 2 (b)). Nach Auffassung der Kommission wird der Schutz vor unfairen 15 Harte / Henning / Glöckner, UWG ,Einl B Rdn. 44. 16 Zu den sog. Europäischen Grundfreiheiten zählen neben der Warenverkehrs- und Dienstleistungsfreiheit (Art. 34 ff., 56 ff. AEUV ), ferner die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV ), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV ) und die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV ). 17 Eu GH GRUR Int. 1979, 468 „Cassis de Dijon“. 18 Vgl. Harte / Henning / Glöckner, UWG , Einl. B Rdn. 31, 46. 19 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.37; Klippel in HK -WettbR, E 3 Rdn. 8 m. Nachw. einschlägiger Verordnungen. 20 Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt v. 2. 10. 2001 KOM (2001) 546 endg.; geänderte Fassung v. 25. 10. 2002 KOM (2002) 585 endg. 21 Vgl. Mitteilung der Kommission v. 27. 9. 2005 KOM (2005) 462 endgültig, S. 10. 516 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Praktiken im Bereich der Verkaufsförderung zwischenzeitlich durch das Zusammenspiel verschiedener Regelungen der UGP -Richtlinie (hierzu nachfolgend b) sichergestellt. 22 b) Richtlinien Das „klassische“ Rechtsinstrument zur gemeinschaftsweiten Harmonisierung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen ist die Richtlinie. 23 Nach dem frühen Scheitern einer gesamthaften Harmonisierung des Lauterkeitsrechts (s. o. unter 1.), ist die Kommission bereits früh dazu übergegangen, einzelne Aspekte der Materie im Rahmen spezieller Richtlinien-- meist unter Verbraucherschutzgesichtspunkten- - aufzugreifen. Angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen, sich zudem häufig auch noch überschneidenden gemeinschaftsrechtlichen Rechtsakte ergibt sich im Ergebnis-- wie die Kommission selbst einräumt 24 -- das Bild eines „komplizierten und schwer verständlichen Regelungsrahmens“, zutreffend auch als „heillose Rechtszersplitterung“ bezeichnet. 25 Im Rahmen eines summarischen Überblicks hervorzuheben sind im Wesentlichen die folgenden Richtlinien: ▶ Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (Richtlinie 84 / 450 / EWG , geändert durch die Richtlinie 97 / 55 / EG ). Letztere umgesetzt durch das Gesetz zur vergleichenden Werbung vom 1. 9. 2000 in den §§ 2, 3 S. 2 UWG 1909. Die mehrfach und in wesentlichen Punkten geänderte Richtlinie 84 / 450 / EWG wurde inzwischen außer Kraft gesetzt und aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit durch die Richtlinie 2006 / 14 / EG über irreführende und vergleichende Werbung (kodifizierte Fassung) ersetzt. 26 ▶ Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (Richtlinie 2010 / 13 / EU ) befasst sich u. a. mit allgemeinen Regelungen für die Fernsehwerbung und das Teleshopping. Die Vorgängerregelung ist die Fernsehrichtlinie (Richtlinie 89 / 552 / EWG , u. a., geändert durch die Richtlinie 2007 / 65 / EG ), die seinerzeit in Deutschland umgesetzt wurde im Rundfunkstaatsvertrag ( RS tV), Mediendienstestaatsvertrag ( MDS tV) 27 und im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ( JMS tV). Wettbewerbsrechtliche Bedeutung erlangen diese Regelungen über den Rechtsbruchtatbestand, § 3a UWG . 28 ▶ Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (sog. E-Commerce-Richtlinie- - 2000 / 31 / EG ), mit Rahmenregelungen für den elektronischen Geschäftsverkehr. Geregelt sind u. a.: Herkunftslandprinzip (Art. 3): Garantiert die gegenseitige Anerkennung 22 Erster Bericht der Kommission über die Anwendung der UGP -Richtlinie v. 14. 3. 2013, COM (2013) 139 final, S. 12 f.; zur Anwendung der UGP -Richtlinie bei Maßnahmen zur Verkaufsförderung vgl. Eu GH v. 23. 4. 2009, Rs. C-261 / 07 „Total Belgien“; v. 14. 1. 2010, Rs. C-304 / 08 „Plus Warenhandelsgesellschaft“; v. 9. 11. 2010, Rs. C-540 / 08 „Mediaprint“; v. 11. 03. 2010, Rs. C-522 / 08 „Telecom POLSKA “. 23 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.39; ferner Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. C. Rdn. 26 ff. 24 Grünbuch zum Verbraucherschutz v. 2. 10. 2001, KOM (2001), 351 endg., S. 5. 25 So Emmerich, Unlauterer Wettbewerb, § 1, Rnd. 23. 26 Richtlinie v. 12. 12. 2006-- AB l. EG Nr. L 376, S. 21. 27 Der MDS tV ist inzwischen außer Kraft getreten und wurde durch Regelungen im Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien ( RS tV, §§ 54 ff.) und im Telemediengesetz ( TMG ) v. 26. 2. 2007 abgelöst. 28 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.53. 517 § 82 Einleitung Pierson der für Netzdienste geltenden einzelstaatlichen Regelungen. Um den freien Dienstleistungsverkehr und die Rechtssicherheit für Anbieter und Nutzer wirksam zu gewährleisten, sollen die Dienste grundsätzlich dem Rechtssystem desjenigen Mitgliedsstaates unterworfen werden, in dem der Anbieter niedergelassen ist. 29 Allgemeine Informationspflichten (Art. 5): Festlegung allgemeiner Informationspflichten, die den Anbietern von Diensten gegenüber Nutzern und Behörden durch entsprechende nationale Gesetze der Mitgliedsstaaten aufzuerlegen sind. Kommerzielle Kommunikation (Art. 6-7): Für die verschiedenen Formen der sog. kommerziellen Kommunikation, 30 wie insbesondere Werbung und Direktmarketing, die Kernbestandteil der meisten Dienste des E-Commerce sind, gibt die Richtlinie klare Regeln vor, die durch die Mitgliedsstaaten sicherzustellen sind (z. B. Kennzeichnung als kommerzielle Kommunikation, Identifizierbarkeit des Diensteanbieters, Kennzeichnung sog. unerbetener kommerzieller Kommunikation etc.). Die Umsetzung ist in Deutschland im Wesentlichen durch das Gesetz über rechtliche Rahmenbedingungen für den elektronischen Geschäftsverkehr vom 14. 12. 2001 (kurz „ EGG “) unter Änderung des Teledienstgesetzes ( TDG ) und des Mediendienstestaatsvertrages ( MDS tV) erfolgt. TDG und MDS tV sind inzwischen außer Kraft getreten und wurden durch das Telemediengesetz ( TMG ) abgelöst. Wettbewerbsrechtliche Bedeutung erlangen diese Regelungen über den Rechtsbruchtatbestand, § 3a UWG . 31 ▶ Richtlinie über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucher (98 / 27 / EG ). Ziel der Richtlinie ist die Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Unterlassungsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher, die unter die im Anhang angeführten Richtlinien fallen (Art. 1 Abs. 1). Zu diesem Zweck ordnet die Richtlinie an, dass in den Mitgliedsstaaten die erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um „qualifizierten Einrichtungen“ (vgl. Art. 3) die grenzüberschreitende Verfolgung von Verstößen gegen einschlägige verbraucherschützende Bestimmungen zu ermöglichen (Art. 4). Gemäß dem Anhang zur Richtlinie sind von ihrem Anwendungsbereich auch die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung (84 / 450 / EWG ) sowie die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (2005 / 29 / EG ; nachträglich eingefügt durch deren Art. 16) erfasst. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht wurde den Anforderungen der Unterlassungsklagenrichtlinie durch die Regelung der Anspruchsberechtigung der Verbraucherverbände (§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG ) Rechnung getragen. Die Richtlinie 98 / 27 / EG wurde mehrfach und erheblich geändert und zwischenzeitig aus Klarheits- und Übersichtlichkeitsgründen durch die Richtlinie 2009 / 22 / EG (kodifizierte Fassung) ersetzt. 29 Vgl. Erwägungsgrund 22; kritisch zum viel diskutierten Herkunftslandprinzip vgl. u. a. Lehmann, EuZW 2000, 517, 518; eingehend zum Verständnis ferner Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. C Rdn. 65 ff. 30 Kommerzielle Kommunikation ist gemäß Art. 2 lit. f. der Richtlinie definiert als „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen oder des Erscheinungsbildes eines Unternehmens, einer Organisation oder einer natürlichen Person dienen, die eine Tätigkeit in Handel, Gewerbe oder Handwerk oder einen reglementierten Beruf ausübt“. 31 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 3.50. 518 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson ▶ Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (2002 / 58 / EG -- sog. Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation). 32 Die Richtlinie zielt allgemein insbesondere auf einen Schutz des Rechts auf Privatsphäre in Bezug auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Bereich der elektronischen Kommunikation ab (vgl. Art. 1 Abs. 1). Im vorstehenden Zusammenhang von Bedeutung ist Art. 13 (Unerbetene Nachrichten), der speziell den Schutz der Privatsphäre der Betroffenen vor unverlangt auf elektronischem Wege versandter Werbung bezweckt. Die Umsetzung von Art. 13 erfolgte im Rahmen der UWG -Reform 2004 in § 7 UWG (Näheres s. u. § 84 IX .). Die Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation 2002 / 58 / EG soll durch die geplante Verordnung über Privatsphäre und elektronische Kommunikation (sog. ePrivacy-Verordnung), 33 die sich noch im Gesetzgebungsverfahren befindet, 34 ersetzt werden. Die in Deutschland in § 7 Abs. 2, 3 UWG umgesetzte Regelung gemäß Art. 13 der Richtlinie 2002 / 58 / EG (unerbetene Nachrichten) würde dann durch Art. 16 der ePrivacy-Verordnung (unerbetene Kommunikation) ersetzt. Bei Inkrafttreten der ePrivacy-Verordnung hat Art. 16 als unionsrechtliche Regelung Vorrang vor § 7 Abs. 2, 3 UWG . 35 ▶ Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (2005 / 29 / EG -- sog. UGP -Richtlinie). Während die vorerwähnten Richtlinien jeweils nur eine Harmonisierung von Teilbereichen des Lauterkeitsrechts zum Gegenstand hatten, zielt die UGP -Richtlinie auf eine vollständige Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken. Der UGP -Richtlinie kommt daher für das Lauterkeitsrecht eine herausragende Bedeutung zu. Die Kommission hat mit ihr den Versuch unternommen, den durch unterschiedliche Rechtsvorschriften im Bereich des Lauterkeitsrechts bedingten erheblichen Verzerrungen des Wettbewerbs und Hemmnissen für das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarktes zu begegnen (vgl. Erwägungsgrund 3). Der Anwendungsbereich der UGP -Richtlinie ist allerdings auf den Bereich unlauterer Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern- - also den sog. B2C-Bereich beschränkt, während unlautere Geschäftspraktiken, die lediglich die wirtschaftlichen Interessen von Mitbewerbern schädigen oder sich auf ein Rechtsgeschäft zwischen Gewerbetreibenden beziehen (sog. B2B-Bereich), ausdrücklich nicht erfasst sind (vgl. Art. 3 Abs. 1, Erwägungsgrund 6). Forderungen nach einer Ausweitung des Anwendungsbereichs der UGP -Richtlinie (auf den B2B-, C2B- und C2C-Bereich), die zwischenzeitlich von verschiedenen Interessenvertretern erhobenen wurden, steht die Kommission ablehnend gegenüber. 36 Kernstück 32 v. 12. 7. 2002, AB l. EG Nr. L 201 / 37; geändert durch die Richtlinien 2006 / 24 / EG v. 15. 3. 2006 und 2009 / 136 / EG v. 25. 11. 2009. 33 Vorschlag der Kommission v. 10. 1. 2017 COM (2017) 10 final. 34 Zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens der ePrivay-Verordnung vgl. die Synopse des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, abrufbar unter https: / / www.lda.bayern.de/ media/ eprivacy_synopse. pdf (letzter Abruf: 06 / 2018). 35 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 7 Rdn. 9a. 36 Erster Bericht der Kommission über die Anwendung der UGP -Richtlinie v. 14. 3. 2013, COM (2013) 139 final, S. 10 ff. 519 § 82 Einleitung Pierson der UGP -Richtlinie ist eine Generalklausel zum Verbot unlauterer Geschäftspraktiken (Art. 5 Abs. 1), die durch zwei Beispieltatbestände unlauterer Geschäftspraktiken, nämlich die irreführenden (Art. 5 Abs. 4 lit. a i. V. m. Art. 6 und 7) und aggressiven Geschäftspraktiken (Art. 5 Abs. 4 lit. b i. V. m. Art. 8 und 9) konkretisiert wird. Diese zentralen Regelungen werden ergänzt durch eine im Anhang I der Richtlinie angeführte Liste solcher Geschäftspraktiken, „die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind“ (Art. 5 Abs. 5 i. V. m. Anhang I; sog. schwarze Liste). Die UGP -Richtlinie, die bereits bis zum 12. 6. 2007 umzusetzen war (Art. 19), wurde in Deutschland verspätet durch das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. 12. 2008 ( UWG -Reform 2008) und das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 2. 12. 2015 ( UWG -Reform 2015) umgesetzt (s. u. § 83 II .). Im Dezember 2009 haben die Kommissionsdienststellen erstmals Leitlinien zur Anwendung der UGP -Richtlinie herausgegeben, 37 um ein einheitliches Verständnis der Richtlinie und eine Konvergenz der Praktiken herbeizuführen. Sie wurden inzwischen durch die Leitlinien vom 25. 5. 2016 ersetzt. 38 Zudem wurde im Juli 2011 von der Kommission eine Online- Rechtsdatenbank ( UGPRL -Datenbank) eingerichtet, 39 die gleichfalls auf eine einheitliche Anwendung und verbesserte Durchsetzung der Richtlinie innerhalb der Union abzielt. 40 V. Stellung des Wettbewerbsrechts in der Gesamtrechtsordnung 1. Das Lauterkeitsrecht als Sonderprivatrecht Der Gesetzgeber hat das UWG -- sieht man von den wenigen strafrechtlichen Bestimmungen (§§ 16-19 UWG ) ab-- im Wesentlichen privatrechtlich ausgestaltet. Das UWG steht gewissermaßen neben den privatrechtlichen Kodifikationen des BGB und HGB und ist unabhängig von diesen entstanden. Das Verhältnis des UWG zum BGB (und HGB ) ist gesetzlich nicht geregelt. Das Lauterkeitsrecht ist als Sonderprivatrecht zu qualifizieren, konkret als Sonderdeliktsrecht, auf das ergänzend die Bestimmungen des allgemeinen Deliktsrechts (z. B. §§ 827-829, §§ 830, 831, 840 BGB ) Anwendung finden, sofern das UWG keine Spezialregelungen enthält. 41 Da der gleiche Sachverhalt sowohl die tatbestandlichen Voraussetzungen einer wettbewerbsrechtlichen Anspruchsnorm als auch die eines allgemeinen deliktsrechtlichen Anspruchs (z. B. gemäß § 823 Abs. 1 BGB ) erfüllen kann, besteht Anspruchskonkurrenz zwischen lauterkeitsrechtlichen und deliktsrechtlichen Ansprüchen. Anders als in den Fällen einer Verletzung der Gesundheit, der Freiheit, des Eigentums oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts greift 37 Leitlinien zur Anwendung / Umsetzung der Richtlinie 2005 / 29 / EG über unlautere Geschäftspraktiken ( SEK (2009) 1666) v. 3. 12. 2009. 38 Leitlinien zur Umsetzung / Anwendung der Richtlinie 2005 / 29 / EG über unlautere Geschäftspraktiken SWD (2016) 163 final v. 25. 5. 2016. 39 Die UGPRL-Datenbank ist abrufbar unter: https: / / webgate.ec.europa.eu/ ucp/ public/ index.cfm? event=public.home.show (letzter Abruf: 01 / 2018). 40 Erster Bericht der Kommission über die Anwendung der UGP -Richtlinie v. 14. 3. 2013, COM (2013) 139 final, S. 9. 41 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 7.1 f.; Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. A. Rdn. 5. 520 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson der Schutz des „Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs“ (als subjektivem sonstigem Recht i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB ) allerdings nur subsidiär ein, weil der Schutz lediglich eine lückenausfüllende Funktion hat. Das Problem der Anspruchskonkurrenz stellt sich im Übrigen nur mit Blick auf den Personenkreis, der zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche berechtigt ist (vgl. § 8 Abs. 3 UWG ), während zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche nicht legitimierte Verbraucher sowie nicht in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zum Verletzer stehende Unternehmer allein auf deliktsrechtliche Ansprüche verwiesen sind, sofern sie durch eine wettbewerbswidrige Maßnahme in ihrem Eigentum oder-- im Falle der Verbraucher-- ihren Persönlichkeitsrechten verletzt sind. Das Vorliegen einer Anspruchskonkurrenz ist insbesondere wegen der Verjährungsfrage von praktischer Relevanz, da die wettbewerbsrechtlichen Ansprüche grundsätzlich der kurzen sechsmonatigen Verjährung unterliegen (§ 11 Abs. 1 UWG ), die bürgerlichrechtlichen Ansprüche hingegen der längeren regelmäßigen Verjährungsfrist von 3 Jahren (§ 195 BGB ). 42 Die Frage, ob die für die bürgerrechtlichen Ansprüche geltende Verjährungsregelung in Fällen der Anspruchskonkurrenz durch die Verjährungsregelung des UWG verdrängt wird, ist nicht generell, sondern differenziert für die jeweils einschlägigen Anspruchsnormen beantwortet worden. So wurde insbesondere in den Fällen einer Anspruchskonkurrenz zu den bürgerlichrechtlichen Ansprüchen wegen Kreditgefährdung (§ 824 BGB ) und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB ) ein Vorrang der kurzen wettbewerbsrechtlichen Verjährung (§ 11 Abs. 1 UWG ) gegenüber der längeren regelmäßigen Verjährung (§ 195 BGB ) verneint, da der Verletzer haftungsrechtlich nicht dadurch privilegiert werden dürfe, dass sein deliktisches Verhalten zusätzlich wettbewerbswidrig sei. 43 2. Das Lauterkeitsrecht als Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes a) Gemeinsamkeiten, Unterschiede Die üblicherweise-- auch international 44 -- vorgenommene Zuordnung des Lauterkeitsrechts zum Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt, dass auch das UWG -Recht, wie die anderen Materien des Gewerblichen Rechtsschutzes auch, dem Schutz des gewerblichen Schaffens dient. Trotz dieser Gemeinsamkeit darf jedoch nicht übersehen werden, dass der durch die speziellen gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht-- das Recht des geistigen Eigentums-- gewährleistete sondergesetzliche Schutz einerseits und der wettbewerbsrechtliche Schutz des UWG andererseits unterschiedlicher Natur sind. 45 Dies wird vor allem deutlich, wenn man sich die unterschiedlichen Schutzgegenstände vergegenwärtigt. Das Lauterkeitsrecht gewährt-- anders als die immaterialgüterrechtlichen Sondergesetze-- keine subjektiven Ausschließlichkeitsrechte zum Schutz konkreten geistigen Eigentums des jeweiligen Rechtsinhabers. Vielmehr zielt es durch die Aufstellung einer Vielzahl objektiver Verhaltensnormen auf den Schutz des Wettbewerbs ab. Diese Verhaltens- 42 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Einl. Rdn. 7.3; Götting / Kaiser, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht, § 1. Grundlagen, Rdn. 56. 43 Harte / Henning / Ahrens, UWG , Einl. G Rdn. 131 f. 44 Hierzu Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 3. 45 Näheres hierzu s. Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. A. Rdn. 3, Kap. D. Rdn. 77 ff. 521 § 82 Einleitung Pierson normen sollen den lauteren Wettbewerb im Interesse der Mitbewerber, der Verbraucher und der übrigen Marktteilnehmer sowie der Allgemeinheit schützen (vgl. § 1 UWG ). Mehr noch: Die Gemeinsamkeiten, die eine Zuordnung des Lauterkeitsrechts zum Gewerblichen Rechtsschutz unter dem allgemeinen Aspekt „Schutz gewerblicher Leistung“ rechtfertigen, sind in weiten Teilen des UWG -Rechts recht dürftig. Das UWG -Recht als Ordnung des Wettbewerbsverhaltens-- häufig untechnisch auch als „Werberecht“ oder „Marketingrecht“ verstanden-- weist daher in der Praxis mit der Mehrzahl seiner Regelungen bzw. der aus diesen abgeleiteten Verhaltensnormen kaum Berührungspunkte zu den übrigen sondergesetzlich geregelten Bereichen des gewerblichen Rechtsschutzes auf. Mit anderen Worten: Das „verwandtschaftliche“ Verhältnis zwischen den sondergesetzlich geregelten Materien des geistigen Eigentums (Patent- und Gebrauchsmusterrecht, Designrecht, Markenrecht, Urheberrecht etc.) und dem Lauterkeitsrecht des UWG erscheint als ein eher „entferntes“. Dies mag auch der Grund dafür sein, dass das UWG -Recht im überwiegenden juristischen Schrifttum- - entsprechend seiner originären Zugehörigkeit-- meist eigenständig als „Wettbewerbsrecht“ (i. e. S.) und seltener als Teilmaterie des „Gewerblichen Rechtsschutzes“ behandelt wird. b) Die „Nahtstelle“ des Lauterkeitsrechts zum Immaterialgüterrecht Eine Ausnahme hiervon bildet allerdings in gewisser Weise der sog. ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz (früher als Unterfallgruppe der Fallgruppe „Ausbeutung“, jetzt § 4 Nr. 3 UWG ), bei dem es-- wie bei den anderen Materien des Gewerblichen Rechtsschutzes auch-- unmittelbar um den Schutz der Ergebnisse gewerblicher Leistungen vor dem unberechtigten Zugriff Dritter geht. So gesehen lässt sich die Zuordnung des Lauterkeitsrechtes zum Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes am anschaulichsten mit Blick auf den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz erklären, der gewissermaßen an der „Nahtstelle“ zu den Sondergesetzen des Immaterialgüterrechts angesiedelt ist. 46 So kann etwa ein Unterlassungsanspruch wegen der Übernahme bzw. Nachahmung eines fremden Leistungsergebnisses rechtlich sowohl unter dem Gesichtspunkt der Verletzung fremden geistigen Eigentums, d. h. der Verletzung eines gewerblichen Schutzrechtes oder Urheberrechts, begründet sein, ebenso wie unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes. Trotz der übereinstimmenden Rechtsfolge- - jeweils Gewährung eines zivilrechtlichen Anspruchs auf Unterlassung und ggf. Schadensersatz wegen Übernahme eines fremden Leistungsergebnisses-- darf jedoch nicht verkannt werden, dass auch insoweit der eingangs gemachte Hinweis auf die unterschiedliche Rechtsnatur von Immaterialgüterrechten einerseits und Wettbewerbsrecht andererseits volle Gültigkeit hat (s. zuvor a). Die Sondergesetze des Gewerblichen Rechtsschutzes gewähren dem Erbringer bestimmter Leistungen, an deren Schutzfähigkeit besondere Anforderungen gestellt werden, gleichsam als Belohnung für die schutzwürdige Leistung und Ansporn für die Erbringung weiterer Leistungen einen zeitlich begrenzten Ausschließlichkeitsschutz durch die Zuerkennung absoluter subjektiver Rechte. Diese Zuerkennung der absoluten Rechte des geistigen Eigentums dient auf diese Weise der 46 Hierzu und zu weiteren Überschneidungsbereichen s. Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 3; Ohly / Sosnitza, UWG , Einf. Kap. D. 78. 522 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Förderung des Innovationswettbewerbs (s. o. § 7 I.). 47 Demgegenüber knüpfen die Regelungen zum ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz als Marktverhaltensregeln nicht an die Leistung als solche an, sondern beschränken sich auf die Unterbindung einer unlauteren Art und Weise ihrer Ausnutzung durch Nachahmung (Imitationswettbewerb). Schutzgegenstand des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes ist also nicht, wie beim immaterialgüterrechtlichen Sonderrechtsschutz, das fremde Leistungsergebnis als solches, sondern die Art und Weise, wie eine fremde Arbeitsleistung von einem Mitbewerber durch Nachahmung ausgenutzt wird. Die Regelung des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes (§ 4 Nr. 3 UWG ) ist damit zugleich eine indirekte Bestätigung des Grundsatzes der Nachahmungsfreiheit (s. o. § 1 II .), weil sich aus ihr ergibt, dass Nachahmungen „außerhalb der von den Immaterialgüterrechten gewährten Schutzbereiche grundsätzlich nur dann rechtswidrig sind, wenn zur Nachahmung besondere Umstände hinzutreten“ 48 (Näheres s. u. § 84 V. 3.). § 83 Rechtsentwicklung: UWG -Reformen 2004 bis 2015 Das Lauterkeitsrecht ist im Zuge einer zunehmenden Liberalisierung und Europäisierung in den zurückliegenden Jahren Gegenstand grundlegender Reformen gewesen. I. UWG -Reform 2004 Eine erste grundlegende Reform des Lauterkeitsrechts erfolgte durch das am 08. Juli 2004 neu in Kraft getretene Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ), 49 durch das am gleichen Tage das alte UWG aus dem Jahre 1909 nach dessen fast 100-jähriger Geltungsdauer abgelöst wurde (vgl. § 22 S. 2 UWG 2004). Bei dem UWG 2004 handelte es sich-- anders als bei den zahlreichen Änderungen, die das UWG in den vorangegangenen Jahren und Jahrzehnten erfahren hat-- nicht nur um eine Novelle, sondern um eine umfassende Reform, durch die das deutsche, als nicht mehr zeitgemäß und im internationalen Vergleich besonders restriktiv geltende Lauterkeitsrecht grundlegend modernisiert und insgesamt neu gefasst wurde. 50 1. Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung 2001 Als maßgebliche Stichworte, die sich mit den Reformen des UWG verbinden, sind die „Liberalisierung“ und die „Europäisierung“ des Lauterkeitsrechts zu nennen. Der erste wesentliche Schritt auf dem Weg zu einer spürbaren Liberalisierung des Wettbewerbsrechts wurde von der Bundesregierung bereits mit der Aufhebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung mit Wirkung zum 01. August 2001 vollzogen. 51 Einer der maßgeblichen 47 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 9, S. 44. 48 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 9, S. 44. 49 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) vom 3. 7. 2004-- BGB l. I, S. 1414-1421. 50 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 12. 51 Gesetz zur Aufhebung des Rabattgesetzes und zur Aufhebung anderer Rechtsvorschriften vom 23. 7. 2001 und Gesetz zur Aufhebung der Zugabeverordnung und zur Anpassung weiterer Rechtsvorschriften vom 523 § 83 Rechtsentwicklung: UWG-Reformen 2004 bis 2015 Pierson Gründe für die erfolgte Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung war das durch die E-Commerce-Richtlinie vorgegebene und durch die Umsetzung in § 4 TDG (jetzt § 3 TMG ) auch in Deutschland gültige Herkunftslandprinzip (s. o. § 82 IV . 3. b). Da die Bestimmungen des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung im Vergleich zu den Regelungen in anderen Mitgliedsstaaten sehr restriktiv waren, drohte die Einführung des Herkunftslandsprinzips zu einer spürbaren Benachteiligung deutscher Unternehmen im elektronischen Geschäftsverkehr zu führen (Inländerdiskriminierung). 2. Unzureichende Liberalisierung Da jedoch ein Großteil der zwischenzeitlich als zu restriktiv und überholt erkannten Regelungen im alten UWG 1909 selbst verankert waren, erwies sich die mit der Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung eingeleitete Liberalisierung als unzureichend. Besonders augenfällig wurde dies durch den medienwirksam ausgetragenen Streit um die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit der Rabattaktion von C&A aus Anlass der Euro-Einführung: C&A hatte zur Einführung des Euro bundesweit in großformatigen Zeitungsanzeigen damit geworben, sie werde in der Zeit vom 2. bis 5. Januar 2002 bei Zahlung mit EC - oder Kreditkarte einen Rabatt von 20 % gewähren. Die Verkaufsaktion wurde vom LG Düsseldorf als unzulässige Sonderveranstaltung (§ 7 UWG 1909) per einstweiliger Verfügung untersagt. 52 Der Gesetzgeber sah sich daher zu weiteren grundlegenden Reformschritten veranlasst. 53 Bestärkt wurde er hierin durch die jüngeren Initiativen der Europäischen Kommission zur Harmonisierung des Lauterkeitsrechts auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft (s. zuvor unter § 82 IV . 3.). 3. Entstehungsgeschichte UWG -Reform 2004 Dem seiner Zeit von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf 54 lagen zwei vom Bundesjustizministerium ( BMJ ) in Auftrag gegebenen Gutachten 55 sowie ein von Mitgliedern der vom BMJ eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform des UWG erstellter Gesetzentwurf 56 zugrunde. Der UWG -Reformentwurf war bis zum Schluss heftig umstritten. Es ist der seinerzeitigen Opposition jedoch nicht gelungen, mit ihren zentrale Regelungen betreffende Änderungsanträgen durchzudringen. Der deutsche Bundestag hat den Gesetzentwurf der Bundesregierung in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses 57 in seiner Sitzung vom 01. April 2004 abschließend beraten und mit den Stimmen der damaligen Koalition gegen die Stimmen 23. 7. 2001, BGB l. I, S. 1663. 52 Die Rechtsbeschwerde der C&A Mode AG gegen den Ordnungsgeldbeschluss des OLG Düsseldorf i. H. v. EUR 200 000,wegen der Durchführung der Rabattaktion wurde vom BGH zurückgewiesen (Beschluss des BGH v. 23. 10. 2003-- I Z. B. 45 / 02). 53 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 12 unter A. I. 54 Gesetzentwurf der Bundesregierung BT -Drucks. 15 / 1487 v. 22. 8. 2003. 55 Gutachten Prof. Karl-Heinz Fezer v. 15. Juni 2001, WRP 2001, 989 ff.; Gutachten Prof. Gerhard Schricker u. Dr. Frauke Henning-Bodewig, WRP 2001, 1367 ff. 56 Köhler / Bornkamm / Henning-Bodewig, WRP 2002, 1317 ff. 57 Vgl. BT -Drucks. 15 / 2795 vom 24. März 2004. 524 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson der Opposition angenommen. 58 Nach Anrufung des Vermittlungsausschusses, Scheitern der Vermittlungsgespräche 59 und Einlegung eines Einspruchs gegen das UWG -Reformgesetz 2004 durch die Mehrheit der unionsregierten Bundesländer im Bundesrat, 60 hat der Bundestag den Einspruch des Bundesrates in seiner Sitzung vom 16. 6. 2004 in namentlicher Abstimmung mit der sog. Kanzlermehrheit zurückgewiesen, 61 wodurch das Gesetz zustande kam. 4. Die Struktur des UWG -Reformgesetzes 2004 Positiv hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber die Reform 2004 zum Anlass nahm, das UWG grundlegend neu zu strukturieren. So ist das Gesetz durch die Streichung einer Vielzahl überflüssig gewordener Regelungen seither nicht nur schlanker geworden; durch die Unterteilung des Gesetzes in 4 Kapitel und die Neustrukturierung einzelner Normengruppen zeichnet sich das UWG seit der Reform 2004 durch eine klare Systematik aus. Hierdurch wird das Auffinden der einschlägigen Vorschriften erheblich erleichtert und die Verständlichkeit des Gesetzes insgesamt deutlich verbessert: Die wichtigen materiell-rechtlichen Lauterkeitsregeln finden sich in Kapitel 1 (Allgemeine Bestimmungen §§ 1-7); die jetzt klar strukturierten wettbewerbsrechtlichen Anspruchsgrundlagen sind in Kapitel 2 zusammengefasst (Rechtsfolgen §§ 8-11); die „Verfahrensvorschriften“ sind in Kapitel 3 (§§ 12-15) und die „Straf- und Bußgeldvorschriften“ in Kapitel 4 (§§ 16-20) 62 geregelt. 5. Im Rahmen der Reform 2004 neu in das Gesetz aufgenommene Reglungen Neben der angestrebten Liberalisierung zielte die Reform des UWG 2004 auch auf eine größere Transparenz des Lauterkeitsrechts sowie eine Stärkung des Verbraucherschutzes ab. 63 Der Verfolgung dieser Ziele wurde vom Gesetzgeber durch die Aufnahme einer Reihe neuer Vorschriften Rechnung getragen: ▶ § 1 UWG -- Zweck des Gesetzes: Es handelt sich hierbei um klarstellende und präzisierende 64 Regelung der bereits zuvor von der Rechtsprechung 65 anerkannten sog. Schutzzwecktrias (Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit). ▶ § 2 UWG - - Definitionen: Entsprechend der bislang insbesondere aus europäischen Rechtsakten bekannten Gesetzgebungstechnik erfolgte erstmals eine Definition zentraler Begriffe des reformierten Wettbewerbsrechts. 58 Vgl. Plenarprotokoll 15 / 102, TOP 12; BR -Drucksache 288 / 04 v. 23. 4. 2004. 59 Vgl. BR -Drucks. 453 / 04 v. 28. 5. 2004. 60 Vgl. BT -Drucks. 15 / 3295 v. 15. 6. 2004. 61 Vgl. Plenarprotokoll 15 / 113. 62 Die Überschrift von Kapitel 4 wurde durch Art. 2 Ziff. 2 des am 4. 8. 2009 in Kraft getretenen „Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen“ mit Blick auf die neu aufgenommenen Bußgeldvorschriften neu gefasst. 63 Köhler, NJW 2004, 2121. 64 hierzu Köhler, NJW 2004, 2121. 65 Vgl. BGHZ 140, 134 ff., 138; BGH NJW, 2000, 864, 865; BVerfG WRP 2001, 1160 ff.; BVerfG GRUR 2002, 455. 525 § 83 Rechtsentwicklung: UWG-Reformen 2004 bis 2015 Pierson ▶ § 4 UWG -- Beispiele unlauteren Handelns: Der 2004 neu aufgenommene aus insgesamt 11 Tatbeständen bestehende Beispielkatalog enthielt erstmals-- zwecks Präzisierung der Generalklausel (§ 3 UWG ) und größerer Transparenz- - eine nicht abschließende Aufzählung typischer Unlauterkeitshandlungen (zu den Beispieltatbeständen im Einzelnen s. u. § 84 II .). Durch die im Reformgesetz 2004 noch enthaltene ausdrückliche Bezugnahme auf § 3 UWG wurde zwar deutlich, dass auch das UWG 2004 an dem bewährten Prinzip, unlauteres Verhalten durch eine Generalklausel zu untersagen, festhielt; 66 gleichwohl waren der neu aufgenommene § 4 UWG und die weiteren gesonderten Beispieltatbestände unlauteren Verhaltens Ausdruck einer stärkeren Kodifizierung des zuvor weitgehend nur durch „Fallgruppen“ systematisierten deutschen Lauterkeitsrechts. ▶ § 10 UWG - - Gewinnabschöpfung: Durch die im Rahmen der Rechtsfolgen neu aufgenommene Regelung eines- - heftig umstrittenen 67 - - Gewinnabschöpfungsanspruchs wurden die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen im Rahmen der Reform 2004 erweitert (näheres hierzu s. u. § 85 III .). II. UWG -Reform 2008 1. Hintergrund Bereits am 30. 12. 2008 ist das Erste Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in Kraft getreten, 68 das der Umsetzung der Richtlinie 2005 / 29 / EG vom 11. 5. 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, nachfolgend „ UGP -Richtlinie“) diente, 69 die bis zum 12. 6. 2007 umzusetzen war (s. o. § 82 IV 3. b). 70 Damit wurde das deutsche Lauterkeitsrecht, das erst im Jahre 2004 im Rahmen einer „Jahrhundertreform“ neu gefasst wurde, nach nur viereinhalb Jahren erneut zum Gegenstand einer bedeutsamen Reform. Der deutsche Gesetzgeber hatte im Rahmen der UWG -Reform 2004 die sich damals bereits abzeichnende Rechtsentwicklung auf europäischer Ebene zwar, soweit als möglich, „als Richtschnur“ berücksichtigt. Mit Blick auf die seiner Zeit zu attestierenden Unwägbarkeiten, „wie und vor allem in welchem Zeitrahmen sich dieses Projekt“ (des Entwurfs einer europäischen Rahmenrichtlinie zum Lauterkeitsrecht) entwickelt, entschied sich der deutsche Gesetzgeber seiner Zeit jedoch dazu, mit der Reform des UWG 2004 nicht auf den „Ausgang der Brüsseler Vorhaben“ 71 zu warten. 72 Folge dieser Entscheidung war, dass das 66 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 13, unter Ziff. 3. 67 Hierzu vgl. u. a. Sack, WRP 2003, 546 ff.; Wimmer-Leonhardt, GRUR 2004, 12 ff.- = Jur PC Web-Dok. 219 / 2003; ferner den auf eine Streichung von § 10 gerichteten Änderungsantrag der FDP -Fraktion, BT - Drucks. 15 / 2854 v. 31. 3. 2004. 68 BGB l. I, S. 2949. 69 AB l. der EU L 149 / 22-39 v. 11. 6. 2005. 70 Vgl. Art. 19 der Richtlinie. 71 Außer der sich abzeichnenden Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken lag der-- später nicht weiter verfolgte-- Vorschlag für eine Verordnung über Verkaufsförderung im Binnenmarkt vor. 72 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 12. 526 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson im Jahre 2004 reformierte UWG mit Blick auf die nur ein knappes Jahr später verabschiedete Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nach kurzer Zeit in nicht unerheblichem Maße erneut reformiert werden musste. Und da sich die Reform zudem als unzureichend erwies, bedurfte es zur Umsetzung der UGP -Richtlinie bereits 2015 eines weiteren Anlaufs (s. hierzu nachfolgend IV .). 2. Überblick über die wesentlichen Neuerungen 2008 Obgleich das UWG 2004 in seiner Grundkonzeption-- dem gleichrangigen Schutz von Mitbewerbern, Verbrauchern und sonstigen Marktteilnehmern-- erhalten blieb, erfuhr es durch die Reform 2008 wesentliche und tiefgreifende Änderungen, 73 die die terminologische und systematische Komplexität des UWG nicht unwesentlich erhöhten. 74 Im Einzelnen wurden seiner Zeit geändert: ▶ Die Ersetzung des zentralen Begriffs der „Wettbewerbshandlung“ durch den neuen Begriff der „geschäftlichen Handlung“, durch den (u. a.)-- im Sinne einer bedeutsamen zeitlichen Funktionserweiterung des UWG - - seither auch das unternehmerische Verhalten bei und nach Vertragsschluss erfasst wurde; 75 ▶ die Ausweitung des bisherigen Definitionenkatalogs (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7 UWG ), insbesondere unter Einbeziehung einer neuen, selbständigen und erweiterten Definition des „Unternehmers“; ▶ die umfassende inhaltliche und systematische Neuregelung der Generalklausel (§ 3 UWG ), die statt einem einheitlichen allgemeinen Verbotstatbestand drei Verbotstatbestände umfasste; ▶ im Zusammenhang mit der Neuregelung der Generalklausel die Ergänzung des UWG um einen Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ), der einen separaten Verbotskatalog (sog. schwarze Liste) mit 30 Einzeltatbeständen enthält, die bei Vornahme gegenüber einem Verbraucher stets, d. h. ohne Prüfung der Umstände des Einzelfalls unzulässig sind (Verbote ohne Wertungsvorbehalt); ▶ die Aufteilung der bisherigen Regelung der „Irreführenden Werbung“ (§ 5 UWG 2004) in zwei separate Regelungen über „Irreführende geschäftliche Handlungen“ (§ 5 UWG ) und „Irreführung durch Unterlassen“ (§ 5a UWG ), wobei die Komplexität dieser Irreführungs-Regelungen nicht nur durch eine-- umsetzungsbedingt-- erhebliche Ausweitung der Bezugspunkte irreführender geschäftlicher Handlungen, sondern insbesondere auch durch die sehr umfassende und detaillierte Regelung der-- vormals eher beiläufig geregelten (§ 5 Abs. 2 S. 2 UWG 2004)-- „Irreführung durch Unterlassen“ seither erheblich zugenommen hat; ▶ die Ausgestaltung der Regelung zu den „Unzumutbaren Belästigungen“ (§ 7 UWG ) zu einem eigenständigen, d. h. von § 3 UWG abgekoppelten Verbotstatbestand. 73 Köhler, WRP 2009, 109. 74 Kulka, Der Betrieb 2008, 1548, 1556. 75 Köhler, WRP 2009, 109 f. 527 § 83 Rechtsentwicklung: UWG-Reformen 2004 bis 2015 Pierson III. Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken Eine weitere Änderung hat das UWG durch das am 4. 8. 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen erfahren. 76 Das Gesetz trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die Belästigung von Verbrauchern durch unerwünschte Telefonwerbung in den vorangegangenen Jahren zu einem erheblichen Problem entwickelt hatte. Eine Umfrage aus dieser Zeit hatte ergeben, dass bereits 89 % der Bevölkerung von einem Call-Center oder Unternehmen angerufen worden sind, 83 % bereits mehrfach. Der weit überwiegende Teil der Angerufenen (82 %) fühlte sich durch Telefonwerbung belästigt. 77 Die bereits im Rahmen der UWG -Reform 2004 in Umsetzung von Art. 13 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation 78 aufgenommenen Regelungen zur Belästigungswerbung durch unerbetene Telefonwerbung 79 hatten sich in der Praxis demnach offenbar als nicht hinreichend wirkungsvoll erwiesen. Ziel des Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung ist es, diesem Zustand durch eine Verschärfung der einschlägigen Regelungen entgegenzuwirken. 80 Zu diesem Zweck bestimmt das Gesetz, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher getätigt wird, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung vorliegt (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ). Ferner kann unerlaubte Telefonwerbung danach erstmals-- zusätzlich zu den fortbestehenden zivilrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten-- auch mit einer von der Bundesnetzagentur zu verhängenden Geldbuße geahndet werden (vgl. § 20 UWG ). Da sich die Durchsetzung der lauterkeitsrechtlichen Regelungen zur unerlaubten Telefonwerbung in der Vergangenheit als besonderes Problem erwiesen hatte, sieht das Gesetz im Sinne einer besseren Bekämpfung der unerlaubten Telefonwerbung ferner vor, dass die Möglichkeit der Rufnummernunterdrückung bei Werbung mit einem Telefonanruf ausgeschlossen ist (§ 102 Abs. 2 TKG n. F.). Verstöße hiergegen können mit einer Geldbuße bis zu EUR 10 000 geahndet werden (§ 149 Nr. 17 c TKG n. F.). 81 Eine vom BMJ durchgeführte Evaluation des Gesetzes zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung (Untersuchungszeitraum September 2009 bis Juni 2010) ergab, „dass das Gesetz im Sinne einer Verbesserung des Verbraucherschutzes gegriffen hat“. 82 Gleichwohl hat der Gesetzgeber das Problem der unerlaubten Telefonwerbung im Rahmen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken 83 erneut aufgegriffen und auch die einschlägigen lauterkeitsrechtlichen Bestimmungen 76 Gesetz v. 29. 7. 2009, BGB l. I, S. 2413. 77 Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach, Quelle: FAS v. 9. 8. 2009, S. 27. 78 Richtlinie 2002 / 58 / EG vom 12. 7. 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation), AB l. EG v. 31. 7. 2002 L 201 / 37; nach Inkrafttreten der noch im Gesetzgebungsverfahren befindlichen ePrivacy-Verordnung (siehe hierzu o. § 82 IV . 3.b.) dort geregelt in Art. 16. 79 Vgl. hierzu Pierson, Kommentierung zu § 7 Abs. 2 Nr. 2, Jur PC Web-Dok. 249 / 2004. 80 BT -Drucks. 16 / 10 734, S. 7. 81 Näheres hierzu vgl. BT -Drucks. 16 / 10 734, S. 14 ff. 82 Bericht BMJ „Zusammenfassung der Umfrageergebnisse zur Belästigung durch Werbeanrufe“. 83 v. 1. 10. 2013, BGB l. 2013 I Nr. 59 v. 8. 10. 2013. 528 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson nochmals verschärft. Mit einer Geldbuße geahndet werden können danach nicht nur-- wie bisher-- unerlaubte Werbeanrufe einer natürlichen Person, sondern auch solche unerlaubten Werbeanrufe, die unter Einsatz einer automatischen Anrufmaschine durchgeführt werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 UWG ). Zudem wurde die fragliche Bußgeldgrenze von bisher EUR 50 000 auf EUR 300 000 erhöht (§ 20 Abs. 2 UWG -- s. hierzu u. § 84 IX . 2. b), § 86 II . 5.). Da ausweislich jüngster Erhebungen der Verbraucherzentralen sämtliche bisherigen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung immer noch zu keiner signifikanten Verbesserung geführt haben, 84 haben vier Bundesländer erneut die Initiative ergriffen und einen Gesetzentwurf zur Stärkung des Verbraucherschutzes bei Telefonwerbung eingebracht. 85 Der Gesetzentwurf knüpft allerdings nicht an das Lauterkeitsrecht, sondern das Verbraucherschutzrecht des BGB an, konkret bei der Wirksamkeit auf der Grundlage unerwünschter Telefonwerbung geschlossener Folgeverträge (Einfügung eines neuen § 312c 1 BGB ). So sieht der Gesetzentwurf vor, dass „auf Werbeanrufen basierende Verträge zwischen Verbrauchern und Unternehmen nur dann wirksam werden, wenn der Unternehmer sein telefonisches Angebot gegenüber dem Verbraucher anschließend auf einem dauerhaften Datenträger - beispielsweise per Post, E-Mail, Fax oder SMS - bestätigt und der Verbraucher sich mit dem Angebot in Textform einverstanden erklärt, wobei auch hier eine Übermittlung per Post, E-Mail, SMS , Fax oder auf sonstigem Wege ausreichen soll“ (sog. Bestätigungslösung). 86 IV. UWG -Reform 2015 1. Hintergrund Den vorläufigen Schlusspunkt der durch eine Vielzahl von Gesetzesänderungen gekennzeichneten Rechtsentwicklung des Lauterkeitsrechts markiert die UWG -Reform 2015. Sie wurde erforderlich, weil es dem Gesetzgeber „im ersten Anlauf “- - mit der UWG -Reform 2008- - nicht gelungen war, das deutsche UWG in genügender Weise an die Vorgaben der UGP -Richtlinie anzupassen. So hat das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb durch die UWG -Reform 2015 nach einer- - gemessen an der fast einhundertjährigen Geltungsdauer des UWG 1909- - kurzen Zeitspanne von nur sieben Jahren neuerlich nicht unerhebliche strukturelle und redaktionelle Änderungen erfahren. Am 5. 11. 2015 hat der Bundestag den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur zweiten Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) 87 in der Fassung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses 88 angenommen. Das Gesetz vom 02. 12. 2015 ist am 10. 12. 2015 in Kraft getreten. 89 Während der deutsche Gesetzgeber mit der UWG -Reform 2008 noch den (untauglichen) Versuch unternommen hatte, das deutsche Lauterkeitsrecht unter weitgehender Beibehaltung der Gesetzessystematik seines Jahrhundertreformgesetzes 2004-- gewissermaßen „minimal- 84 Vgl. hierzu BR -Drucks. 181 / 17 v. 23.02.2017, S. 1 f. 85 BR -Drucks. 181 / 17 v. 23. 02. 2017; BR -Drucks. 121 / 18 v. 18. 04. 2018. 86 BR -Drucks. 181 / 17 v. 23. 02. 2017, S. 2. 87 BT -Drucks. 18 / 4535. 88 BT -Drucks. 18 / 6571. 89 BGB l. 2015 I Nr. 49 v. 9. 12. 2015, 2158 ff. 529 § 83 Rechtsentwicklung: UWG-Reformen 2004 bis 2015 Pierson invasiv“ 90 -- an die Vorgaben der UGP -Richtlinie anzupassen, zielt er mit dem UWG -Reformgesetz 2015 durch eine Vielzahl gesetzessystematischer Klarstellungen darauf ab, das Gesetz nun auch bereits im Wortlaut richtlinienkonform auszugestalten. Das Gesetz trägt damit einer Forderung der Rechtsprechung des Eu GH 91 Rechnung, nach der es für eine Rechtsanpassung-- gerade im Bereich des Verbraucherschutzes-- mit Blick auf die im Interesse der Rechtssicherheit gebotene Klarheit und Bestimmtheit nicht genügt, innerstaatliche Regelungen allein durch die Rechtsprechung richtlinienkonform auszulegen. 92 Für die Praxis, die innerhalb von nur (gut) zehn Jahren mit der dritten UWG -Reform konfrontiert wurde, mag es tröstlich sein, dass der Gesetzgeber trotz der nicht unerheblichen gesetzessystematischen Änderungen, die das UWG durch die Reform 2015 erfahren hat, keine Änderungen in der Rechtsanwendung erwartet, da das UWG auch bereits bisher durch die Gerichte richtlinienkonform ausgelegt worden sei. 93 2. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken Hervorzuheben ist, dass der Anwendungsbereich der UGP -Richtlinie, wie bereits dargestellt (s. o. § 82 IV . 3. b), auf unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern (B2C) beschränkt ist, wobei Handlungen während und nach Abschluss eines Vertrages ausdrücklich einbezogen werden (Art. 3 Abs. 1). 94 Zweck der UGP -Richtlinie ist es, durch „Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen“ (Art. 1). Sie schützt damit auch mittelbar „rechtmäßig handelnde Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich nicht an die Regeln halten“ (Erwägungsgrund 8). Die UGP -Richtlinie zielt innerhalb ihres Anwendungsbereichs nicht nur auf eine Mindestharmonisierung, sondern auf eine vollständige Rechtsangleichung (sog. Vollharmonisierung). Das heißt, die Mitgliedsstaaten dürfen den von der Richtlinie vorgegebenen Schutzstandard weder überschreiten noch unterschreiten. 95 Die Richtlinie zwingt daher den Gesetzgeber im harmonisierten Bereich nicht nur zu Anpassungen dort, wo das Verbrauchschutzniveau des nationalen Lauterkeitsrechts hinter der Richtlinie zurückbleibt, sondern auch dort, wo es über die Richtlinie hinausgeht. 96 Durch die vollständige Angleichung des Lauterkeitsrechts, soweit Verbraucherinteressen berührt sind, bezweckt die Richtlinie, dass sich Unternehmer und Verbraucher darauf verlassen können sollen, dass überall in der Gemeinschaft die gleichen lauterkeitsrechtlichen Regeln gelten. 97 Wichtige 90 Ohly, GRUR 2016, 3. 91 Eu GH v. 10. 5. 2001, Rs. C-144 / 99, „Kommission der Europäischen Gemeinschaften / Königreich der Niederlande“. 92 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 1. 93 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 8.; bestätigt durch Büscher, GRUR 2017, 105. 94 Köhler, NJW 2008, 3032. 95 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 10; Eu GH v. 10. 07. 2014, Rs. C-421 / 12 „Europäische Kommission / Königreich Belgien“. 96 Kulka, Der Betrieb 2008, 1548, 1549. 97 Köhler, NJW 2008, 3032. 530 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Instrumente zur einheitlichen Anwendung der UGP -Richtlinie und zu ihrer verbesserten Durchsetzung innerhalb der Union sind, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s. o. § 82 IV . 3. b), die von den Dienststellen der Kommission herausgegebenen Leitlinien sowie die von der Kommission im Juli 2011 eingerichtete UGPRL -Datenbank. Ausweislich einer Evaluation der UGP -Richtlinie durch die Kommission hat diese in den zurückliegenden Jahren ihrer Anwendung dazu beigetragen, den Verbraucherschutz in den Mitgliedsstaaten zu stärken, rechtmäßig handelnde Unternehmen vor wettbewerbswidrig handelnden Mitbewerbern zu schützen, Hindernisse für den grenzüberschreitenden Handel zu beseitigen und den Rechtsrahmen zu vereinfachen. 98 3. Richtlinienkonforme Auslegung Zu beachten ist, dass das Lauterkeitsrecht infolge der UGP -Richtlinie, d. h. soweit es den Verbraucherschutz bezweckt, unionsrechtlicher Natur ist, hinter der nationale wettbewerbsrechtliche Traditionen im Interesse der angestrebten, unionsweiten Rechtsangleichung zurückzutreten haben. Das heißt, soweit das reformierte UWG auf der Richtlinie beruht, gilt das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung. 99 Köhler mahnte daher bereits früh vor der Gefahr, in die Richtlinie unbesehen das hineinzulesen, was der deutschen, bis zur Reform 2008 als bewährt empfundenen Rechtsprechung entspricht und damit gewissermaßen die Richtlinie UWG -konform auszulegen statt umgekehrt, wie geboten, das UWG richtlinienkonform auszulegen. Zugleich verwies er darauf, dass die Wertungen der Richtlinie weitgehend mit denen des bisherigen UWG übereinstimmen, sodass es den Gerichten nicht verwehrt sein könne, in ihren Entscheidungen auf den reichhaltigen Erfahrungsschatz der in langen Jahren intensiver, analytischer Auseinandersetzung mit den einschlägigen Sachproblemen angesammelten deutschen Rechtsprechung zurückzugreifen-- zumindest soweit „diese Rechtsprechung mit der Richtlinie und ihren Wertungen in Einklang steht“ und es an Vorgaben durch den Eu GH fehle. 100 4. Überblick über die wesentlichen Änderungen Der Umstand, dass mit der UWG -Reform 2015 nach dem zuvor Gesagten keine nennenswerten materiellen Änderungen des Lauterkeitsrechts einhergehen (sollen) sowie die Formulierung in der Gesetzesbegründung, dass trotz der erst wenige Jahre zuvor verabschiedeten UWG -Reform 2008 im Sinne einer vollständigen Rechtsangleichung an die Vorgaben der UGP -Richtlinie „bei einzelnen Punkten noch Klarstellungsbedarf gesetzessystematischer Art“ bestehe, 101 dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Systematik und Regelungsmechanik des UWG 2015 im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens gegenüber der des UWG 2008 recht grundlegend verändert haben. 98 Erfahrungsbericht der Kommission v. 14. 3. 2013, COM (2103) 139 final, S. 32 f. 99 Köhler, GRUR 2008, 841 f.; ders, WRP 2009, 109; Eu GH v. 26. 10. 2016, Rs. C-611 / 14 „Canal Digital“. 100 Köhler, GRUR 2008, 841; ders., NJW 2008, 3032, 3033. 101 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 1. 531 § 83 Rechtsentwicklung: UWG-Reformen 2004 bis 2015 Pierson Ohne der späteren Erläuterung vorzugreifen, sollen die wichtigsten Änderungen bereits hier überblicksartig skizziert werden: ▶ § 2 UWG -- Definitionen: Terminologische Änderungen (§ 2 Nr. 7 UWG ) bzw. ergänzend neue Definitionen (§ 2 Nr. 8 und 9 UWG ). ▶ § 3 UWG - - Generalklausel: Grundlegende Neufassung. § 3 Abs. 1 UWG wird im Geltungsbereich der UGP -Richtlinie (B2C) zur (bloßen) Rechtsfolgenregelung, an die die nachfolgenden Unlauterkeitstatbestände anknüpfen; außerhalb von UGP - und Irreführungs-Richtlinie wird Absatz 1 zum Auffangtatbestand für von den weiteren Unlauterkeitstatbeständen nicht erfasste geschäftliche Handlungen mit vergleichbarem Unrechtsgehalt. Stärkere Anpassung der Verbrauchergeneralklausel in § 3 Abs. 2 UWG an die UGP -Richtlinie. Beurteilungsmaßstab des durchschnittlichen Verbrauchers (vormals § 3 Abs. 2 S. 2 UWG ) jetzt eigener Absatz (§ 3 Abs. 4 UWG ). ▶ § 3a UWG - - Rechtsbruch: Einführung eines selbstständigen Rechtsbruchtatbestands (vormals § 4 Nr. 11 UWG ). ▶ § 4 UWG - - Mitbewerberschutz: Weitgehende Auflösung des alten Beispielkatalogs (§ 4 Nr. 1 bis 11 UWG ) und Reduktion auf vier Tatbestände des Mitbewerberschutzes (§ 4 Nr. 1 bis 4 UWG , vormals § 4 Nr. 7 bis 10 UWG ). Die bisherigen Beispieltatbestände der § 4 Nr. 1 bis 6 UWG finden sich-- soweit sie nicht entfallen sind (wie § 4 Nr. 6 UWG a. F.)-- in anderen Paragraphen wieder (z. B. §§ 3a, 4a). ▶ § 4a UWG - - Aggressive geschäftliche Handlungen: Entsprechend den Vorgaben der UGP -Richtlinie erstmals eigenständige Regelung aggressiver geschäftlicher Handlungen, die bislang lediglich über die allgemeinen Beispieltatbestände erfasst wurden. Der Anwendungsbereich des neuen Tatbestands wurde im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens über den von der UGP -Richtlinie erfassten B2C-Bereich auf den B2B-Bereich erstreckt. ▶ § 5 UWG -- Irreführende geschäftliche Handlungen / § 5a UWG -- Irreführung durch Unterlassen: Stärkere Anpassung an die terminologischen und tatbestandlichen Vorgaben der UGP -Richtlinie. V. Fazit zur Entwicklung des Lauterkeitsrechts Der Gesetzgeber hatte sich im Rahmen der-- zumindest aus nationaler Sicht-- als gelungen zu bewertenden, durch eine klare Systematik und vergleichsweise schlanke Regelungen auszeichnenden Jahrhundert-Reform 2004 weitgehend darauf beschränkt, die von der Rechtsprechung auf der Grundlage von § 1 UWG 1909 entwickelten Fallgruppen zu kodifizieren sowie überholt-restriktive Tatbestände aufzuheben. Auf diese Weise wurde für den Anwender die Orientierung und der Einstieg in die Unlauterkeitsprüfung erheblich erleichtert. 102 Aus Sicht der Praxis, der gerade einmal vier Jahre vergönnt waren, um sich mit Terminologie, Systematik und Regelwerk des seiner Zeit „neuen UWG 2004“ vertraut zu machen, war es daher um so problematischer, dass das UWG bereits 2008 nach kurzer Zeit erneut Gegenstand einer für die Rechtsanwendung bedeutsamen Reform wurde; einer Reform, die sich zudem-- ge- 102 Steinbeck, GRUR 2008, 848, 854. 532 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson messen am angestrebten Ziel einer Umsetzung der UGP -Richtlinie-- als unzulänglich erwies und deren Umsetzungsdefizite bereits 2015 eine weitere bedeutsame Reform erforderlich machten. Dieser für die Rechtsanwendung herausfordernde Mangel an Kontinuität ist zu Recht auf Kritik gestoßen. 103 Aber letztlich ist er dem herausfordernden und langwierigen Prozess der Harmonisierung des Rechts in der EU geschuldet. Vergegenwärtigt man sich den Ressourceneinsatz, der erforderlich ist, um sich innerhalb von kurzer Zeit mit grundlegend geänderten Regelwerken vertraut zu machen, mag man geneigt sein, den Preis, der von der Praxis im Zuge dieses durch asynchrone Regelungsinitiativen des nationalen Gesetzgebers und des europäischen Richtliniengebers gekennzeichneten Rechtsanpassungsprozesses- - im Lauterkeitsrecht wie in anderen Bereichen des Wirtschaftsrechts-- zu entrichten ist, als zu hoch zu beklagen. Andererseits darf nicht verkannt werden, dass der voranschreitende Harmonisierungsprozess auf längere Sicht durch ein einheitliches europäisches Recht entschädigt, das den Unternehmen auch im Bereich des Lauterkeitsrechts mit Blick auf den unionsweit einheitlichen Rechtsrahmen Rechtsberatungskosten erspart und den europaweiten Marktzutritt erleichtert. § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen I. Zweck des Gesetzes (§ 1 UWG ) Die erstmalige Aufnahme einer gesetzlichen Regelung zum Zweck des Gesetzes erfolgte bereits im Rahmen der UWG -Reform 2004. Bei § 1 UWG handelt es sich eine klarstellende Regelung der bereits nach alter Rechtslage (auf der Grundlage des UWG 1909) von der Rechtsprechung 104 anerkannten sog. Schutzzwecktrias (Schutz der Mitbewerber, der Verbraucher und der Allgemeinheit). 105 Die Schutzzweckbestimmung bezieht den Schutz der Verbraucher in richtlinienkonformer Weise ausdrücklich ein (vgl. Art. 1 der Richtlinie, s. o. § 83 II . 1.), so dass hinsichtlich der Schutzzweckbestimmung im Rahmen der Umsetzung der UGP -Richtlinie-- abgesehen von der terminologischen Anpassung an den neu eingeführten Begriff der „geschäftlichen Handlung“-- kein Anpassungsbedarf bestand. II. Definitionen (§ 2 UWG ) Bereits seit der UWG -Reform 2004 enthält das Gesetz eine Regelung mit Definitionen wichtiger Begriffe. Der Katalog der definierten Begriffe wurde im Rahmen der nachfolgenden Reformen an die UGP -Richtlinie angepasst und jeweils um weitere Definitionen ergänzt ( UWG -Reform 2008: § 2 Abs. 1 Nr. 5 bis 7; UWG -Reform 2015: § 2 Abs. 1 Nr. 8 und 9). 103 Vgl. Kulka, Der Betrieb 2008, 1548 f.; Sosnitza, WRP 2008, 1014 ff. 104 Vgl. BGHZ 140, 134 ff., 138; BGH NJW , 2000, 864; BV erfG WRP 2001, 1160 ff.; BV erfG GRUR 2002, 455. 105 Zum Wandel des Schutzzwecks des UWG nach bisherigem Recht vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 1 Rdn. 4. 533 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson 1. Geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ) In Anlehnung an Art. 2 lit. d der UGP -Richtlinie erfolgt in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG die Definition des zentralen Begriffs der „geschäftlichen Handlung“, der bereits 2008 den Begriff der „Wettbewerbshandlung“ ersetzt. Der Begriff der „geschäftlichen Handlung“ dient dazu, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts gegenüber dem allgemeinen Deliktsrecht abzugrenzen. 106 Durch die Verwendung des Oberbegriffs „Verhalten“ bringt die Definition zum Ausdruck, dass als geschäftliche Handlung nicht nur ein positives Tun, sondern auch ein Unterlassen in Betracht kommt. Das ursprünglich für die Wettbewerbshandlung maßgebliche subjektive Merkmal der „Wettbewerbsförderungsabsicht“ ist entfallen und wurde in Einklang mit Art. 2 lit. d der UGP -Richtlinie durch das Merkmal eines objektiven Zusammenhangs mit der Absatzbzw. Bezugsförderung ersetzt. Das heißt, das Erfordernis eines finalen Zurechnungszusammenhangs zwischen Handlung und Absatzbzw. Bezugsförderung besteht nicht mehr. 107 Vielmehr ist das Merkmal des „objektiven Zusammenhangs funktional zu verstehen und setzt voraus, dass die Handlung bei objektiver Betrachtung darauf gerichtet ist, durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung der Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer den Absatz oder Bezug von Waren des eigenen oder fremden Unternehmens zu fördern“. 108 Ferner stellt die Definition in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie klar, dass geschäftliche Handlungen „vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss“ in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen. Dies ist zugleich der Grund dafür, dass die Definition nicht nur den Abschluss, sondern auch die „Durchführung eines Vertrages“ erwähnt. Die frühere Rechtsprechung, wonach eine Wettbewerbshandlung im Regelfall mit dem Vertragsabschluss beendet ist und nur ausnahmsweise auch Handlungen nach Vertragsabschluss erfasst, ist mit Blick auf die neue Begrifflichkeit der geschäftlichen Handlung damit überholt. 109 2. Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ) Als „Marktteilnehmer“ definiert § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG „neben Mitbewerbern und Verbrauchern alle Personen, die als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen tätig sind“. Die Definition des „Marktteilnehmers“ erfasst also als Oberbegriff Mitbewerber, Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer. 3. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ist der „Mitbewerber“ definiert als „jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren anderen Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht“. Die Klarstellung, dass die 106 BGH v. 10. 1. 2013, I ZR 190 / 11, „Standardisierte Mandatsbearbeitung“. 107 Näheres hierzu vgl. Köhler, WRP 2009, 109 ff. zu § 2 Abs. 1 Nr. 1. 108 BGH v. 10. 1. 2013, I ZR 190 / 11, „Standardisierte Mandatsbearbeitung“; zur weiten Auslegung in diesem Sinne vgl. ferner Eu GH v. 16. 4. 2015, Rs. C-388 / 13 „ UPC “. 109 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 12, 20 f.; ferner Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT - Drucks. 16 / 11 070, S. 3, 5. 534 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Mitbewerbereigenschaft i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG stets ein konkretes Wettbewerbsverhältnis voraussetzt, erfolgte im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Reform 2004 durch eine Änderung entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtausschusses. 110 Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis liegt nach Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Definition vor, wenn zwischen den Vorteilen, die jemand durch eine Maßnahme für sein Unternehmen oder das eines Dritten zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die ein anderer dadurch erleidet, eine Wechselbeziehung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann. 111 4. Nachricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ) Die im Rahmen der UWG -Reform 2004 aufgenommene Definition der „Nachricht“ setzt Art. 2 Buchstabe d) der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (s. o. § 82 IV . 3. b) um. Die Definition ist von Bedeutung im Hinblick die Umsetzung von Art. 13 der Datenschutzrichtlinie („Unerbetene Nachrichten“) in § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG (s. u. VII . 2. d). 5. Verhaltenskodex (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG ) Die im Rahmen der UWG -Reform 2008 neu aufgenommene Definition des „Verhaltenskodex“ lehnt sich an Art. 2 f.) der UGP -Richtlinie an und findet Verwendung in Nr. 1 und Nr. 3 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG sowie in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 UWG (Irreführung über die Einhaltung). Nach den Erwägungen der UGP -Richtlinie ist es zweckmäßig, die Möglichkeit von Verhaltenskodizes vorzusehen, die es den Gewerbetreibenden ermöglichen, die Grundsätze der Richtlinie in spezifischen Wirtschaftsbranchen wirksam anzuwenden, etwa durch die Konkretisierung der „Anforderungen an die berufliche Sorgfalt“. 112 6. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ) Die gleichfalls im Rahmen der UWG -Reform 2008 neu aufgenommene Definition des „Unternehmers“ in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG übernimmt der Sache nach die Definition des „Gewerbetreibenden“ gemäß Art. 2 b) der UGP -Richtlinie. Der Begriff „Gewerbetreibender“ wird jedoch-- weil nicht hinreichend exakt-- nicht übernommen, da die Definition der UGP - Richtlinie nicht nur gewerbliche, sondern auch handwerkliche und berufliche Tätigkeiten umfasst. Der bereits bislang im UWG verwendete Begriff des „Unternehmers“ konnte allerdings nicht mehr, wie bisher, durch Verweisung auf § 14 BGB bestimmt werden (§ 2 Abs. 2 UWG 2004), sondern war in Anlehnung an die UGP -Richtlinie zu definieren, da diese- - anders als § 14 BGB - auch unselbständige berufliche Tätigkeiten und Personen erfasst, die 110 Vgl. BT -Drucks. 15 / 2795, S. 43. 111 Vgl. BT-Drucks. 15 / 1487, S. 16; BGH, GRUR 2015, 607 „Uhrenankauf im Internet“; BGH, GRUR 2015, 1129 „Hotelbewertungsportal“; näheres hierzu Köhler / Bornkamm UWG Einl. Rdn. 1.9. 112 Vgl. Richtlinie 2005 / 29 / EG -- Erwägungsgrund 20. 535 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson im Namen oder Auftrag des Gewerbetreibenden handeln. 113 Im Rahmen eines Rechtsstreits wegen Angaben auf der Internetseite einer gesetzlichen Krankenkasse ging es um die Frage, ob diese als Körperschaft des öffentlichen Rechts als Gewerbetreibende gehandelt hat. Der BGH , der im konkreten Fall einen Verstoß bejahen wollte, hat die Frage, ob die UGP -Richtlinie „dahin auszulegen ist, dass eine sich als Geschäftspraxis eines Unternehmens gegenüber Verbrauchern darstellende Handlung eines Gewerbetreibenden auch darin liegen kann, dass eine gesetzliche Krankenkasse gegenüber ihren Mitgliedern (irreführende) Angaben darüber macht, welche Nachteile den Mitgliedern im Falles eines Wechsels zu einer anderen gesetzlichen Krankenkasse entstehen“, dem Eu GH zur Entscheidung vorgelegt. 114 Der Eu GH hat sich der Auffassung des BGH angeschlossen und festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber den Begriff des „Gewerbetreibenden“ besonders weit konzipiert habe, so dass auch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die mit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe betraut sei, in den Anwendungsbereich der UGP -Richtlinie falle. 115 7. Unternehmerische Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ) Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ist der Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ definiert als „der Standard an Fachkenntnissen und Sorgfalt, von dem billigerweise angenommen werden kann, dass ein Unternehmer ihn in seinem Tätigkeitsbereich gegenüber Verbrauchern nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der anständigen Marktgepflogenheiten einhält“. Durch den Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ wurde im Zuge der UWG -Reform 2015 der Begriff der „fachlichen Sorgfalt“ ersetzt, um zu verdeutlichen, dass die entsprechende Sorgfaltspflicht den „Unternehmer“ adressiert. 116 Gleichfalls im Rahmen der UWG -Reform 2015 wurde der Begriff der „Marktgepflogenheiten“ richtlinienkonform durch den Begriff der „anständigen Marktgepflogenheiten“ ersetzt. Die Definition der „unternehmerischen Sorgfalt“ setzt die Definition der „beruflichen Sorgfalt“ gemäß Art. 2 h) der UGP -Richtlinie um. Durch die Verwendung des Begriffs der „unternehmerischen Sorgfalt“ wird-- anders als bei dem von der Richtlinie verwendeten Begriff der „beruflichen Sorgfalt“-- deutlich, dass die Sorgfaltspflichten der Richtlinie nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen treffen, die nach deutschem Recht-- anders als natürliche Personen-- als solche keinen Beruf ausüben können. 117 Die Definition der „unternehmerischen Sorgfalt“ ist erforderlich, weil diese nach der UGP -Richtlinie eine der beiden Voraussetzungen bildet, nach denen sich die Unlauterkeit von geschäftlichen Handlungen bestimmt (Art. 5 Abs. 2 a UGP -Richtlinie, umgesetzt in § 3 Abs. 2 UWG ). 118 113 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 12, 21. 114 BGH v. 18. 1. 2012, I ZR 170 / 10, „Betriebskrankenkasse“. 115 Eu GH v. 3. 10. 2013, Rs. C-59 / 12 „ BKK Mobil Oil / Wettbewerbszentrale“; BGH , GRUR 2014, 1120, „Betriebskrankenkasse II “. 116 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 13. 117 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 21. 118 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 12. 536 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson 8. Wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG ) Die im Rahmen der UWG -Reform 2015 neu aufgenommene Definition in § 2 Abs. Nr. 8 UWG definiert die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ als „die Vornahme einer geschäftlichen Handlung, um die Fähigkeit des Verbrauchers, eine informierte Entscheidung zu treffen, spürbar zu beeinträchtigen und damit den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte“. Die Definition übernimmt die entsprechende Definition der UGP -Richtlinie (Art. 2 lit. e), verwendet jedoch zur Wahrung der einheitlichen Terminologie des UWG anstelle des Begriffs „Geschäftspraxis“ den Begriff der „geschäftlichen Handlung“, ohne dass hiermit eine inhaltliche Abweichung von der Richtlinie verbunden ist. 119 Die Definition ist bedeutsam, da die „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ im Anwendungsbereich der Richtlinie eine der Voraussetzungen für die Unlauterkeit einer geschäftlichen Handlung ist (Art. 5 Abs. 2 b UGP -Richtlinie, umgesetzt in § 3 Abs. 2 UWG ). 9. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG ) Die gleichfalls im Rahmen der UWG -Reform 2015 neu aufgenommene Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG definiert den Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ als „jede Entscheidung eines Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er ein Geschäft abschließen, eine Zahlung leisten, eine Ware oder Dienstleistung behalten oder abgeben oder ein vertragliches Recht im Zusammenhang mit einer Ware oder Dienstleistung ausüben will, unabhängig davon, ob der Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer sich entschließt, tätig zu werden“. Die Definition entspricht abgesehen von geringfügigen terminologischen Modifikationen der entsprechenden Definition der Richtlinie (Art. 2 lit. k). Der Begriff der „geschäftlichen Entscheidung“ ist im UWG von zentraler Bedeutung, da er in allen auf die UGP -Richtlinie zurückgehenden Unlauterkeitstatbeständen als Tatbestandsmerkmal-- mittelbar (§ 3 Abs. 2 UWG , über die Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG ) oder ausdrücklich (§§ 4a Abs.1, 5 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG )-- enthalten ist. Wie der Eu GH 120 festgestellt hat, ist der Begriff weit auszulegen und erfasst nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch unmittelbar damit zusammenhängende Entscheidungen wie etwa das Betreten eines Geschäfts. Hervorzuheben ist, dass der Anwendungsbereich der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG -- insoweit über Art. 2 lit.k UGP -Richtlinie hinausgehend-- auf geschäftliche Entscheidungen von „sonstigen Marktteilnehmern“ erstreckt wurde, so dass die Definition auch im B2B-Bereich von Bedeutung ist (ausdrücklich für §§ 4a und 5 UWG , mittelbar auch für § 3a UWG ). 121 119 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 9 f. 120 Eu GH v. 19. 12. 2013, Rs. C-281 / 12 „Trento Sviluppo“. 121 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 2 Rdn. 148. 537 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson III. Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen (§ 3 UWG ) Bereits seit der großen UWG -Reform 2004 stellt § 3 UWG die Zentralnorm des UWG dar. 122 Ihr fällt-- anders als der auf den B2C-Bereich beschränkten UGP -Richtlinie-- die Aufgabe zu, nicht nur unlautere Handlungen gegenüber Verbrauchern, sondern auch gegenüber Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern (B2B-Bereich) zu regeln. 123 Die Schwierigkeit dieser doppelten Regelungsaufgabe des deutschen Lauterkeitsrechts wird dadurch offenbar, dass zum Zweck der Umsetzung der UGP -Richtlinie im Rahmen der UWG -Reformen 2008 und 2015 jeweils grundlegend in die Regelungsmechanik von § 3 UWG eingegriffen wurde. Die aktuelle, im Zuge der UWG -Reform 2015 verabschiedete Fassung von § 3 UWG erfolgte mit dem Ziel einer systematisch eindeutigeren Trennung der Anwendungsbereiche der Vorschrift hinsichtlich geschäftlicher Handlungen im B2C-Bereich auf der einen und geschäftlichen Handlungen im B2B-Bereich auf der anderen Seite. Der Regierungsentwurf sah in diesem Sinne noch zwei getrennte Generalklauseln für den B2C- (§ 3 Abs. 2 UWG -E) und den B2B-Bereich (§ 3 Abs. 3 UWG -E) vor. 124 Auf Vorschlag des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz (nachfolgend „Ausschuss“) wurde auf die Aufnahme einer speziellen Generalklausel für den B2B-Bereich jedoch verzichtet, 125 so dass § 3 Abs. 1 UWG weiterhin eine Doppelfunktion als bloßer Rechtsfolgenregelung (im B2C-Bereich) und zudem als Auffangtatbestand (im B2B-Bereich) zukommt (siehe hierzu nachfolgend unter 1.). An die Stelle des bisherigen § 3 UWG mit drei Verbotstatbeständen ( UWG 2008) ist nun eine Regelung mit vier Absätzen getreten. Während der erste Absatz für alle geschäftlichen Handlungen (B2C und B2B) gilt, ist die Anwendung der Absätze 2 bis 4 auf geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern (B2C) beschränkt: ▶ § 3 Abs. 1 UWG -- sog. große Generalklausel, ▶ § 3 Abs. 2 UWG -- Verbrauchergeneralklausel, ▶ § 3 Abs. 3 UWG i. V. m. dem Anhang (sog. schwarze Liste) und ▶ § 3 Abs. 4 UWG -- Beurteilungsmaßstab: Durchschnittsverbraucher / durchschnittliches Mitglied einer Verbrauchergruppe 1. Die sog. große Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG ) Gemäß § 3 Abs. 1 UWG gilt: „Unlautere geschäftliche Handlungen sind unzulässig“. Mit dem Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen stellt § 3 Abs. 1 UWG die Grundnorm des UWG dar. 126 Bereits seit der UWG -Reform 2008 stellt die zentrale lauterkeitsrechtliche Verbotsnorm nicht mehr auf „Wettbewerbshandlungen“, sondern in Anlehnung an die Terminologie der UGP -Richtlinie auf den in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG definierten Begriff der „geschäftlichen 122 Zur Entwicklung der lauterkeitsrechtlichen Generalklausel siehe Henning-Bodewig, GRUR Int. 2015, 529 ff. 123 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 1.1. 124 Kritisch hierzu Henning-Bodewig, GRUR Int. 2015, 529 ff. 125 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 14. 126 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 1.9. 538 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Handlung“ ab. Der zentrale Begriff der „Unlauterkeit“ wurde bereits im Rahmen der UWG - Reform 2004 in Anlehnung an die internationale und europäische Terminologie („unlauter“ = „unfair“) eingeführt und hat den bis dato ( UWG 1909) verwendeten, inzwischen als antiquiert anmutenden Begriff der „guten Sitten“ ersetzt. 127 Absatz 1 als Grundnorm des neu gefassten § 3 UWG kommen verschiedene Regelungsfunktionen zu: 128 ▶ Durch die Anknüpfung an den Begriff der „geschäftlichen Handlungen“ ist es möglich, den Anwendungsbereich des Lauterkeitsrechts von dem des allgemeinen Deliktsrechts abzugrenzen (Abgrenzungsfunktion). ▶ Eine weitere Funktion des § 3 Abs. 1 UWG besteht in einer Rechtsfolgenregelung, die darin zum Ausdruck kommt, dass unlautere geschäftliche Handlungen nach dem Vorbild von Art. 5 Abs. 1 UGP -Richtlinie für unzulässig erklärt werden (Verbotsfunktion). Das heißt, bei Feststellung der Unlauterkeit ergibt sich aus § 3 Abs. 1 UWG zwingend die Rechtsfolge der Unzulässigkeit. 129 ▶ Außerhalb des Anwendungsbereichs der UGP -Richtlinie und der Irreführungs-Richtlinie (2006 / 114 / EG ) dient Absatz 1 als Auffangtatbestand für solche geschäftliche Handlungen, die von den gesetzlichen Spezialtatbeständen der Unlauterkeit (§§ 3a bis 7 UWG ) nicht erfasst werden, aber einen vergleichbaren Unlauterkeitsgehalt aufweisen (Auffangfunktion) 130 . Insoweit kommt § 3 Abs. 1 UWG auch die Funktion einer Generalklausel zu. 131 2. Die sog. Verbrauchergeneralklausel (§ 3 Abs. 2 UWG ) Gemäß § 3 Abs. 2 UWG gilt, dass „geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, unlauter sind, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen“. Die bereits im Rahmen der UWG -Reform 2008 neu eingefügte sog. Verbrauchergeneralklausel erfasst Fälle, in denen eine geschäftliche Handlung gegenüber Verbrauchern vorliegt. Sie dient der Umsetzung der Art. 5 Abs. 2 a) und b) der UGP -Richtlinie, wonach eine geschäftliche Handlung unlauter ist, wenn sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt widerspricht und das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen. Soweit an die Stelle des „Spürbarkeitsschwelle“ nach § 3 UWG 2008 damit die Schwelle der „Wesentlichkeit“ getreten ist, ist hiermit keine inhaltliche Änderung verbunden, da sich beide entsprechen. 132 Mit der Formulierung „geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen“ lehnt sich 127 Vgl. Köhler, NJW 2004, 2121, 2122. 128 Im Einzelnen Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 2.1-2.4. 129 Scherer, GRUR 2016, 233, 234. 130 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 13 f.; im Einzelnen Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 2.21 ff. 131 Scherer, GRUR 2016, 233, 234. 132 Büscher, GRUR 2016, 113, 115. 539 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson die 2015 neu gefasste Verbrauchergeneralklausel (B2C) noch enger an die Terminologie der UGP -Richtlinie (Art. 5 Abs. 2 lit. b) an. Durch die Streichung der in § 3 Abs. 2 UWG 2008 enthaltenen Worte „jedenfalls dann“ wird die Eigenständigkeit der Regelung klargestellt, d. h. dass es sich bei Absatz 2 nicht um einen Unterfall von Absatz 1 handelt. Der auf Empfehlung des Ausschusses 133 an die Stelle der „fachlichen Sorgfalt“ (§ 3 Abs. 2 UWG 2008) getretene Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ ist in § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG definiert. Die Verwendung der Formulierung das „Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen“ entspricht Art. 5 Abs. 2 lit. b UGP -Richtlinie. Zum Verständnis der Begrifflichkeit ist auf die neu aufgenommene Definition „wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers“ in § 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG zurückzugreifen. Der Regelungsgehalt der bisherigen Sätze 2 und 3 findet sich nun im Absatz 4 wieder (siehe hierzu nachfolgend 5.). 3. Gegenüber Verbrauchern stets unzulässige geschäftliche Handlungen (§ 3 Abs. 3 UWG ) Gemäß § 3 Abs. 3 UWG gilt: „Die im Anhang dieses Gesetzes aufgeführten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern sind stets unzulässig.“ Durch diese Regelung erfolgte bereits im Rahmen der UWG -Reform 2008 eine Umsetzung von Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie, der auf den Anhang I der UGP -Richtlinie verweist, der eine Liste jener Geschäftspraktiken (geschäftlichen Handlungen) enthält, „die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind.“ Aufgeführt werden diejenigen irreführenden (Nr. 1 bis 24) und aggressiven (Nr. 25 bis 30) geschäftlichen Handlungen, die-- soweit sie sich unmittelbar an Verbraucher richten-- unter allen Umständen unlauter und stets unzulässig sind. Der Regelungskatalog dient nach den Erwägungen der Richtlinie der leichteren Identifikation von Verhaltensweisen, die unter allen Umständen als unlauter einzustufen sind, und damit der Erhöhung der Rechtssicherheit (Erwägungsgrund 17). Das heißt der Regelungskatalog der sog. schwarzen Liste wurde erstellt, um Durchsetzungsbehörden, Gewerbetreibende, Angehörige der Werbebranche sowie Kunden in die Lage zu versetzen, solche Praktiken, die als unlauter gelten, eigenständig zu identifizieren. 134 Da das UWG bis zur Reform 2008 keinen vergleichbaren Verbotskatalog enthielt, wurde das Gesetz durch einen entsprechenden Anhang ergänzt (sog. schwarze Liste). 135 Es handelt sich um eine Liste von Tatbeständen, die gegenüber Verbrauchern stets unzulässig sind (Verbote ohne Wertungsvorbehalt). Aus der Regelungssystematik der zugrunde liegenden UGP -Richtlinie folgt, dass nur die im Anhang geregelten Tatbestände ohne eine Beurteilung des Einzelfalls nach den Lauterkeitskriterien der UGP -Richtlinie (Art. 5 bis 9) als unlauter gelten können und im Umkehrschluss, dass von der schwarzen Liste nicht 133 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 14. 134 Hierzu und zu den Ziffern der schwarzen Liste, die nach den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre am häufigsten angewendet wurden, vgl. Erster Bericht der Kommission über die Anwendung der UGP - Richtlinie v. 14. 3. 2013, COM(2013) 139 final, S. 21 f; ferner Leitlinien der Kommission zur UGP-Richtlinie SWD (2016) 163 final v. 25. 5. 2016, S. 98 ff. 135 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 16. 540 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson erfasste Geschäftspraktiken nur aufgrund einer Prüfung des konkreten Einzelfalls im Lichte der Lauterkeitskriterien der UGP -Richtlinie als unlauter bewertet werden können. 136 4. Die sog. schwarze Liste (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG ) Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 Unzulässige geschäftliche Handlungen im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG sind 1. die unwahre Angabe eines Unternehmers, zu den Unterzeichnern eines Verhaltenskodexes zu gehören; [Unterzeichnereigenschaft Verhaltenskodex] Die ausdrückliche Behauptung, die in dem Verhaltenskodex verankerten Standards würden auch eingehalten, ist nicht erforderlich, da der Verkehr dies bereits auf Grund der bloßen Bezugnahme auf die Unterzeichnereigenschaft erwartet. 138 2. die Verwendung von Gütezeichen, Qualitätskennzeichen oder Ähnlichem ohne die erforderliche Genehmigung; [Zeichenverwendung ohne Genehmigung] Für die Tatbestandsmäßigkeit kommt es nicht darauf an, ob die angebotenen Waren oder Dienstleistungen die durch das Zeichen verbürgte Qualität aufweisen, sondern allein auf die Behauptung, zu den autorisierten Zeichenverwendern zu gehören. 139 Die Verwendung erfundener Qualitätszeichen ist nicht erfasst, da die Zeichenverwendung genehmigungsfähig sein muss. 140 3. die unwahre Angabe, ein Verhaltenskodex sei von einer öffentlichen oder anderen Stelle gebilligt; [Nicht autorisierter Verhaltenskodex] Die Unlauterkeit folgt daraus, dass über eine wesentliche Eigenschaft einer von der Wirtschaft eingegangenen Selbstverpflichtung getäuscht wird. 141 4. die unwahre Angabe, ein Unternehmer, eine von ihm vorgenommene geschäftliche Handlung oder eine Ware oder Dienstleistung sei von einer öffentlichen oder privaten Stelle bestätigt, gebilligt oder genehmigt worden, oder die unwahre Angabe, den Bedingungen für die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung werde entsprochen; [Nicht autorisierte Handlung oder Leistung] Hintergrund der Regelung ist, dass derartige Angaben für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers einen besonderen Stellenwert haben, da sie eine besondere Güte des Unternehmens oder des Waren- oder Dienstleistungsangebotes vermuten lassen. 142 Nicht erfasst sind Fälle, in denen die Bestätigung, Billigung oder Genehmigung durch die autorisierende Stelle zu Unrecht erfolgt ist. 143 136 Eu GH v. 14. 1. 2010 Rs. C-304 / 08 „Plus Warenhandelsgesellschaft“. 137 Hierzu und zu den Ziffern der schwarzen Liste, die nach den Erfahrungen der zurückliegenden Jahre am häufigsten angewendet wurden, vgl. Erster Bericht der Kommission über die Anwendung der UGP- Richtlinie v. 14.3.2013, COM(2013) 139 final, S. 21 f; ferner Leitlinien der Kommission zur UGP-Richtlinie SWD(2016) 163 final v. 25.5.2016, S. 98 ff. 138 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31. 139 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31. 140 Scherer, NJW 2009, 324, 326. 141 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31. 142 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31. 143 Scherer, NJW 2009, 324, 326. 541 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 5. Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG zu einem bestimmten Preis, wenn der Unternehmer nicht darüber aufklärt, dass er hinreichende Gründe für die Annahme hat, er werde nicht in der Lage sein, diese oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen für einen angemessenen Zeitraum in angemessener Menge zum genannten Preis bereitzustellen oder bereitstellen zu lassen (Lockangebote). Ist die Bevorratung kürzer als zwei Tage, obliegt es dem Unternehmer, die Angemessenheit nachzuweisen; [Unzureichende Bevorratung] Die Regelung betrifft die früher in § 5 Abs. 5 UWG 2004 geregelten sog. Lockvogelangebote. Nach Nr. 5 ist nicht die unzulängliche Bevorratung der beworbenen Ware, sondern die unzureichende Aufklärung über eine unzulängliche Bevorratung unlauter. Die im Sinne der Abgrenzung zu Nr. 6 eng auszulegende Gleichartigkeit der Waren und Dienstleistungen liegt nur vor, wenn diese nicht nur tatsächlich gleichwertig, sondern auch aus Sicht des Verbrauchers austauschbar sind. 144 Satz 2 regelt unter Übernahme des in § 5 Abs. 5 UWG 2004 vorgesehenen Bevorratungszeitraumes von zwei Tagen die Darlegungs- und Beweislastverteilung hinsichtlich der Angemessenheit des maßgeblichen Zeitraumes. 145 6. Waren- oder Dienstleistungsangebote im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG zu einem bestimmten Preis, wenn der Unternehmer sodann in der Absicht, stattdessen eine andere Ware oder Dienstleistung abzusetzen, eine fehlerhafte Ausführung der Ware oder Dienstleistung vorführt oder sich weigert zu zeigen, was er beworben hat, oder sich weigert, Bestellungen dafür anzunehmen oder die beworbene Leistung innerhalb einer vertretbaren Zeit zu erbringen; [Lockvogelangebote / „bait and switch“] Die Regelung betrifft Lockvogelangebote, die darauf abzielen, andere als die beworbenen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen, wobei es - anders als nach Nr. 5 - nicht darauf ankommt, welche Vorstellungen sich der Unternehmer von der Verfügbarkeit der beworbenen Waren oder Dienstleistungen gemacht hat oder hätte machen müssen. Bei dieser sog. bait-and-switch-Technik wird das beworbene Angebot nur als Köder genutzt. 146 Die Unlauterkeit folgt daraus, dass es der Unternehmer von vornherein darauf abgesehen hat, andere als die beworbenen Leistungen zu erbringen. 147 7. die unwahre Angabe, bestimmte Waren oder Dienstleistungen seien allgemein oder zu bestimmten Bedingungen nur für einen sehr begrenzten Zeitraum verfügbar, um den Verbraucher zu einer sofortigen geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, ohne dass dieser Zeit und Gelegenheit hat, sich auf Grund von Informationen zu entscheiden; [Übertriebenes Anlocken durch Zeitdruck] Die Regelung betrifft nach der amtlichen Begründung die Fälle der Ausübung psychologischen Kaufzwangs durch übertriebenes Anlocken, bei denen dem Verbraucher wegen des vermeintlichen, objektiv jedoch nicht bestehenden Zeitdruckes die Möglichkeit genommen wird, auf Grund einer zutreffenden Information zu entscheiden. 148 8. Kundendienstleistungen in einer anderen Sprache als derjenigen, in der die Verhandlungen vor dem Abschluss des Geschäfts geführt worden sind, wenn die ursprünglich verwendete Sprache nicht Amtssprache des Mitgliedstaats ist, in dem der Unternehmer niedergelassen ist; dies gilt nicht, soweit Verbraucher vor dem Abschluss des Geschäfts darüber aufgeklärt werden, dass diese Leistungen in einer anderen als der ursprünglich verwendeten Sprache erbracht werden; [Fremdsprachiger Kundendienst] Die Irreführung besteht in der enttäuschten Erwartung des Verbrauchers, auch die Kundendienstleistungen würden in der von der Landessprache des Unternehmers abweichenden, vor dem Abschluss des Geschäfts verwendeten Sprache erbracht. 149 Das bedeutet: Führt ein in Deutschland niedergelassener Unternehmer, die Vertragsverhandlungen mit einem spanischen Verbraucher auf Spanisch, erbringt die Kundendienstleistungen dann aber auf Deutsch, ist dies unzulässig, es sei denn er weist den Kunden vor Vertragsabschluss darauf hin, dass die Kundendienstleistung nicht auf Spanisch erbracht werden. 144 BGH v. 10.2.2011, I ZR 183 / 09, „Irische Butter“. 145 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31; näheres Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III, Rdn. 5.5 ff. 146 Scherer, NJW 2009, 326. 147 BT-Drucks, 16 / 10145, S.- 31; vgl. hierzu und zu Ziff. 5 auch den Erfahrungsbericht der Kommission v. 14.3.2013, COM(2103) 139 final, S. 21. 148 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-31; a.-A. Scherer, NJW 2009, 324, 327, die einen Fall des „psychologischen Kaufzwangs durch übertriebenes Anlocken“ verneint. 149 BT -Drucks, 16 / 10 145, S. 32. 542 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 9. die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, eine Ware oder Dienstleistung sei verkehrsfähig; [Verkehrsfähigkeit von Waren und Dienstleistungen] Die Regelung betrifft ausweislich der Gesetzesbegründung vor allem Waren und Dienstleistungen, deren Besitz, bestimmungsgemäße Benutzung oder Entgegennahme gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, wie dies z. B. beim Fehlen einer technischen Betriebserlaubnis für ein technisches Gerät der Fall ist. 150 10. die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar; [Hervorhebung bestehender Rechte] Die besondere Hervorhebung bestehender Rechte ist dazu geeignet, den Verbraucher darüber zu täuschen, dass die Rechte (etwa ein Widerrufs- oder Rücktrittsrecht) nach der Gesetzeslage ohnehin bestehen. Es handelt sich also einen klassischen Fall der Werbung mit Selbstverständlichkeiten. 151 11. der vom Unternehmer finanzierte Einsatz redaktioneller Inhalte zu Zwecken der Verkaufsförderung, ohne dass sich dieser Zusammenhang aus dem Inhalt oder aus der Art der optischen oder akustischen Darstellung eindeutig ergibt (als Information getarnte Werbung); [Als Information getarnte Werbung] Die Regelung betrifft die Fälle von als Information getarnter Werbung und entspricht dem presserechtlichen Gebot der Trennung von Werbung und redaktionellem Teil. Sie gilt nicht nur für Printmedien, sondern auch für alle elektronischen Medien (Hörfunk, TV , Telemedien, Internet u. a.). Von der Regelung erfasst wird auch das sog. Product Placement 152 (s. hierzu u. IX . 2. e). Die Regelung tritt damit als Spezialtatbestand neben § 5a VI (vormals § 4 Nr. 3 UWG ), der jedoch weiter gefasst ist und sich nicht nur auf finanzierte redaktionelle Inhalte und Schleichwerbung, sondern auf alle Fälle verschleierter Werbung erstreckt 153 . 12. unwahre Angaben über Art und Ausmaß einer Gefahr für die persönliche Sicherheit des Verbrauchers oder seiner Familie für den Fall, dass er die angebotene Ware nicht erwirbt oder die angebotene Dienstleistung nicht in Anspruch nimmt; [Irreführung über Gefahr für persönliche Sicherheit] Die Regelung betrifft Fälle, in denen dem Verbraucher für den Fall des Nichterwerbs der angebotenen Waren oder der Nichtinanspruchnahme der Dienstleistung eine Gefahr für die persönliche Sicherheit vorgetäuscht wird (z. B. Sicherheitslücken beim Schutz gegen Einbrüche, Unfälle etc.). Ausweislich der amtlichen Begründung soll es sich um geschäftliche Handlungen handeln, bei denen das Gefühl der Angst ausgenutzt wird. 154 Nach wohl zutreffender Auffassung handelt es sich jedoch nicht um einen Fall unlauterer „Angstwerbung“, bei der die Nachfrageentscheidung durch Angst beeinträchtigt wird, sondern um einen qualifizierten Fall der Irreführung, die es dem Verbraucher unmöglich macht, in dem für ihn sehr wichtigen Fall der persönlichen Sicherheit eine informierte Entscheidung zu treffen. 155 150 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-32. 151 Scherer, NJW 2009, 324, 327; ferner Erfahrungsbericht der Kommission v. 14.3.2013, COM(2103) 139 final, S. 21. 152 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-32. 153 Vgl. zu den erfassten Fallgruppen Köhler / Bornkamm / Feddersen, §-5a Rdn. 7.29 ff. 154 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-32. 155 Scherer, NJW 2009, 324, 327; Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 Rdn. 12.1. 543 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 13. Werbung für eine Ware oder Dienstleistung, die der Ware oder Dienstleistung eines bestimmten Herstellers ähnlich ist, wenn dies in der Absicht geschieht, über die betriebliche Herkunft der beworbenen Ware oder Dienstleistung zu täuschen; [Täuschung über betriebliche Herkunft] Nr. 13 wurde im Rahmen der Reform 2015 stärker an den Wortlaut des entsprechenden Tatbestands der UGP -Richtlinie angepasst. Anknüpfungspunkt für die Irreführung bei dieser Regelung, die neben den Tatbeständen nach § 4 Nr. 3 lit.a, § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 UWG und § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG steht, ist ausschließlich die Ähnlichkeit der Ware oder Dienstleistung, die in der Absicht beworben wird, über die betriebliche Herkunft zu täuschen. 156 Erforderlich ist also eine Produktähnlichkeit (nicht Zeichenähnlichkeit), wobei sich die Täuschung auf das Produkt eines bestimmten Herstellers beziehen muss. 157 14. die Einführung, der Betrieb oder die Förderung eines Systems zur Verkaufsförderung, bei dem vom Verbraucher ein finanzieller Beitrag für die Möglichkeit verlangt wird, allein oder hauptsächlich durch die Einführung weiterer Teilnehmer in das System eine Vergütung zu erlangen (Schneeball- oder Pyramidensystem); [Schneeball- und Pyramidensytem] Die Regelung, die im Rahmen der Reform 2015 stärker an den Wortlaut des entsprechenden Tatbestands der UGP -Richtlinie angepasst wurde, betrifft die Unzulässigkeit der Einführung, des Betriebs und der Förderung sog. Schneeball- und Pyramidensysteme. Der Gesetzgeber ging 2008 davon aus, dass diese Systeme bereits nach der allgemeinen Vorschrift des § 4 Nr. 2 UWG 2008 (jetzt § 4a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 UWG ) unlauter seien, weil die Chancen, neue Kunden zu werben, wegen des progressiven Charakters des Systems sinken, was von unerfahrenen oder leichtfertigen Verbrauchern nicht erkannt werde. 158 Ferner kommt bei derartigen Verkaufsförderungsmaßnahmen eine Strafbarkeit nach § 16 Abs. 2 UWG in Betracht. 159 15. die unwahre Angabe, der Unternehmer werde demnächst sein Geschäft aufgeben oder seine Geschäftsräume verlegen; [Geschäftsaufgabe / -verlegung] Der Tatbestand der Nr. 15 betrifft einen Fall des sog. Scheinräumungsverkaufs 160 Die Unlauterkeit besteht in diesen Fällen in der Herbeiführung der irrigen Vorstellung, der Unternehmer werde seine Waren aus Anlass der Geschäftsaufgabe oder Geschäftsverlegung zu besonders günstigen Konditionen abgeben. 161 16. die Angabe, durch eine bestimmte Ware oder Dienstleistung ließen sich die Gewinnchancen bei einem Glücksspiel erhöhen; [Erhöhung Gewinnchancen] Der Begriff des Glücksspiels ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Erfasst werden Spiele, bei denen der Gewinn vom Zufall abhängt und die Aussicht auf einen Gewinn - anders als z. B. bei Preisausschreiben - einen geldwerten Einsatz voraussetzt. Von Nr. 16 erfasst werden sollen z. B. Computerprogramme zur „astrologischen Berechnung der persönlichen Lotto-Gewinntage“ oder Programme zur Ermittlung der „richtigen“ Lotto-Zahlen. 162 156 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-32. 157 BGH v. 27.3.2013, I ZR 100 / 11, „AMARULA / Marulablu“. 158 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-32 f.; zu den Anforderungen von Nr. 14 vgl. ferner EuGH v. 3.4.2014, Rs. C-515 / 12 „4finance“. 159 Hierzu Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 14.1 ff., § 16 Rdn. 31 ff. 160 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. § 3 III Rdn. 15.1 161 Scherer, NJW 2009, 324, 328. 162 Scherer, NJW 2009, 324, 328. 544 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 17. die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Verbraucher habe bereits einen Preis gewonnen oder werde ihn gewinnen oder werde durch eine bestimmte Handlung einen Preis gewinnen oder einen sonstigen Vorteil erlangen, wenn es einen solchen Preis oder Vorteil tatsächlich nicht gibt, oder wenn jedenfalls die Möglichkeit, einen Preis oder sonstigen Vorteil zu erlangen, von der Zahlung eines Geldbetrags oder der Übernahme von Kosten abhängig gemacht wird; [Täuschung über Gewinn] Durch die Regelung soll verhindert werden, dass der Verbraucher zur Teilnahme an Wettbewerben oder Preisausschreiben veranlasst wird, bei denen entweder die beschriebenen Preise von vornherein nicht gewonnen werden können, weil sie nicht vergeben werden, oder bei denen der Preis oder Vorteil jedenfalls von einer Geldzahlung oder einer Kostenübernahme abhängt. Anders als in den ähnlichen Fällen der Nr. 20, bei denen dem Verbraucher eine tatsächlich nicht bestehende Gewinnchance vorgetäuscht wird, wird dem Verbraucher in den Fällen der Nr. 17 der Eindruck vermittelt, dass ihm der Preis oder sonstige Vorteil bereits sicher sei. Die Regelung ergänzt das lauterkeitsrechtliche Transparenzgebot (jetzt §§ 5 Abs. 1, 5a Abs. 2 UWG ; vormals § 4 Nr. 4, 5 UWG ). 163 Entgegen der rechtssystematischen Einordnung durch den deutschen Gesetzgeber unter die irreführenden Geschäftspraktiken des Anhangs (s. zuvor unter 3.), soll es sich bei der Regelung der Nr. 17, die der Nr. 31 des Anhangs zur UGP -Richtlinie entspricht, nach der Auffassung des Eu GH um eine aggressive Praktik handeln, so dass ein irreführender Charakter der Geschäftspraktik irrelevant sei. 164 18. die unwahre Angabe, eine Ware oder Dienstleistung könne Krankheiten, Funktionsstörungen oder Missbildungen heilen; [Irreführung über Heilungsmöglichkeiten] Das fragliche Verhalten fällt zugleich unter den Tatbestand des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG , wonach u. a. unwahre Angaben über die Zwecktauglichkeit einer Ware oder Dienstleistung irreführend ist. 19. eine unwahre Angabe über die Marktbedingungen oder Bezugsquellen, um den Verbraucher dazu zu bewegen, eine Ware oder Dienstleistung zu weniger günstigen Bedingungen als den allgemeinen Marktbedingungen abzunehmen oder in Anspruch zu nehmen; [Irreführung über Marktbedingungen] Nach diesem Tatbestand, der einen Sonderfall der Irreführung über die Preiswürdigkeit eines Angebots regelt, sind unwahre Angaben unzulässig, mit denen über Marktbedingungen und Bezugsmöglichkeiten getäuscht wird, um die angebotenen Waren und Dienstleistungen zu Marktbedingungen abzusetzen, die für den Unternehmer günstiger als die allgemein üblichen sind. 20. das Angebot eines Wettbewerbs oder Preisausschreibens, wenn weder die in Aussicht gestellten Preise noch ein angemessenes Äquivalent vergeben werden; [Irreführung über Preisvergabe] Nach dieser Regelung ist es verboten, ein Gewinnspiel oder Preisausschreiben überhaupt anzubieten, wenn dahinter nicht auch die Absicht steht, einen Preis oder ein angemessenes Äquivalent zu vergeben. Derartige Verhaltensweisen verstoßen zugleich gegen das allgemeine Irreführungsverbot (§§ 5, 5a UWG ). 163 Scherer, NJW 2009, 324, 329; s. hierzu auch Erfahrungsbericht der Kommission v. 14.3.2013, COM(2103) 139 final, S. 21 f. 164 EuGH v. 18.10.2012 Rs. C-428 / 11 „Purely Creative“; kritisch Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 17.1. 545 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 21. das Angebot einer Ware oder Dienstleistung als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder dergleichen, wenn hierfür gleichwohl Kosten zu tragen sind; dies gilt nicht für Kosten, die im Zusammenhang mit dem Eingehen auf das Waren- oder Dienstleistungsangebot oder für die Abholung oder Lieferung der Ware oder die Inanspruchnahme der Dienstleistung unvermeidbar sind; [Irreführung über Kosten] Die Regelung betrifft einen Sonderfall der Irreführung über die Berechnung des Preises im Sinne des § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG . Die Bestimmung untersagt es Gewerbetreibenden, ein Produkt als „gratis“, „umsonst“, „kostenfrei“ oder ähnlich zu beschreiben, wenn dies nicht zutrifft (z. B. vermeintliches Gratis-Angebot von Handy-Klingeltönen auf Websites, während in Wirklichkeit ein Abonnement abgeschlossen wird). 165 22. die Übermittlung von Werbematerial unter Beifügung einer Zahlungsaufforderung, wenn damit der unzutreffende Eindruck vermittelt wird, die beworbene Ware oder Dienstleistung sei bereits bestellt; [Irreführung über Vertragsverhältnis] Regelung betrifft Fälle des Vortäuschens eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses und einer daraus resultierenden Zahlungspflicht. In Fällen, in denen dem Verbraucher lediglich eine Rechnung oder ähnliche Zahlungsaufforderung ohne jegliches Werbematerial übersandt wird, greift der Tatbestand der Nr. 22 nicht, so dass ein Rückgriff auf den allgemeinen Irreführungstatbestand (§ 5 UWG ) erforderlich ist. 166 23. die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, der Unternehmer sei Verbraucher oder nicht für Zwecke seines Geschäfts, Handels, Gewerbes oder Berufs tätig; [Verschleierung unternehmerischen Handelns] Nr. 23 betrifft unwahre Angaben zur Verschleierung unternehmerischen Handelns, wie dies z. B. bei der wahrheitswidrigen Behauptung der Fall ist, der Vertrieb einer Ware diene sozialen oder humanitären Zwecken oder der Bezug erfolge von privater Hand. Die Regelung betrifft daher einen klassischen Fall des allgemeinen Irreführungsverbots (Irreführung über den gewerblichen Charakter eines Angebots) und tritt daher neben § 5 UWG . 167 24. die unwahre Angabe oder das Erwecken des unzutreffenden Eindrucks, es sei im Zusammenhang mit Waren oder Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als dem des Warenverkaufs oder der Dienstleistung ein Kundendienst verfügbar; [Irreführung über Verfügbarkeit Kundendienst] Die Regelung betrifft wahrheitswidrige Angaben über die Verfügbarkeit eines Kundendienstes in anderen Mitgliedsstaaten der EU und damit vor allem Irreführungen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr. 25. das Erwecken des Eindrucks, der Verbraucher könne bestimmte Räumlichkeiten nicht ohne vorherigen Vertragsabschluss verlassen; [Verlassen von Räumlichkeiten] Durch diese aggressive Geschäftspraktik wird der Verbraucher dadurch unter Druck gesetzt, dass ihm der Eindruck vermittelt wird, er könne bestimmte Räumlichkeiten erst verlassen, wenn er sich auf einen Geschäftsabschluss einlässt. Der Tatbestand, der regelmäßig zugleich eine strafbare Nötigung darstellt (§ 240 St GB ), tritt neben den allgemeinen Unlauterkeitstatbestand des § 4a UWG . 26. bei persönlichem Aufsuchen in der Wohnung die Nichtbeachtung einer Aufforderung des Besuchten, diese zu verlassen oder nicht zu ihr zurückzukehren, es sein denn, der Besuch ist zur rechtmäßigen Durchsetzung einer vertraglichen Verpflichtung gerechtfertigt; [Aufsuchen in der Wohnung] Diese aggressive Geschäftspraktik stellt regelmäßig auch eine Nötigung i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG dar und kann als Hausfriedensbruch (§ 123 St GB ) oder Nötigung (§ 240 St GB ) strafbar sein, wobei es - wie bei Nr. 25 - für die lauterkeitsrechtliche Beurteilung nicht darauf ankommt, ob die Schwelle zur Strafbarkeit erreicht ist. 168 165 Erfahrungsbericht der Kommission v. 14.3.2013, COM(2103) 139 final, S. 21. 166 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 22.2. 167 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 23.1. 168 Scherer, NJW 2009, 324, 330. 546 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 27. Maßnahmen, durch die der Verbraucher von der Durchsetzung seiner vertraglichen Rechte aus einem Versicherungsverhältnis dadurch abgehalten werden soll, dass von ihm bei der Geltendmachung seines Anspruchs die Vorlage von Unterlagen verlangt wird, die zum Nachweis dieses Anspruchs nicht erforderlich sind, oder dass Schreiben zur Geltendmachung eines solchen Anspruchs systematisch nicht beantwortet werden; [Behinderung der Durchsetzung versicherungsvertraglicher Ansprüche] Die Regelung betrifft Fälle unzulässiger Leistungsverweigerungen. Diese Fälle waren nach altem Recht nicht im UWG geregelt, da eine Leistungsverweigerung als nachvertragliches Verhalten von der früher für Wettbewerbsverstöße maßgeblichen Definition der Wettbewerbshandlung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG 2004 nicht erfasst wurde. Demgegenüber wird von der jetzt maßgeblichen, weiter gefassten Definition der geschäftlichen Handlung in § 2 Abs. Nr. 1 UWG nachvertragliches Verhalten ausdrücklich erfasst. 169 Bei dem Tatbestand der Nr. 27 handelt es sich um eine spezielle Erscheinungsform der „unzulässigen Beeinflussung“ i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG . 170 28. die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen; [Werbung gegenüber Kindern] Als aggressive Geschäftspraktik sind danach Werbeangebote unzulässig, durch die Kinder unmittelbar zum Erwerb von Waren oder zur Inanspruchnahme von Dienstleistungen aufgefordert werden (sog. Selbsterwerb). Unzulässig ist ferner die Aufforderung, Kinder mögen ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu veranlassen, die Leistungen für Kinder zu beziehen. Der Begriff „Kind“ ist gemeinschaftsrechtlich auszulegen. Der Tatbestand der Nr. 28 ist strenger als der allgemeine Unlauterkeitstatbestand des § 4a UWG , da er nicht erfordert, dass die Werbemaßnahme geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit der Kinder oder Eltern durch Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung zu beeinträchtigen (§ 4a Abs. 1 UWG ) oder die geschäftliche Unerfahrenheit oder Leichtgläubigkeit von Kindern auszunutzen (§ 4a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UWG ). 171 29. die Aufforderung zur Bezahlung nicht bestellter, aber gelieferter Waren oder erbrachter Dienstleistungen oder eine Aufforderung zur Rücksendung oder Aufbewahrung nicht bestellter Sachen, und [Nicht bestellte Waren / Dienstleistungen] Nr. 29 wurde im Rahmen der Reform 2015 stärker an den Wortlaut des entsprechenden Tatbestands der UGP - Richtlinie angepasst. Die Regelung stellt eine lauterkeitsrechtliche Ergänzung zu § 241a BGB dar. 172 Die Unlauterkeit dieser aggressiven Geschäftspraktik ergibt sich daraus, dass der unzutreffende Eindruck erweckt wird, es bestünden bereits vertragliche Beziehungen. Zudem wird durch die fraglichen geschäftlichen Handlungen der Umstand ausgenutzt, dass es Verbrauchern häufig lästig sein wird, eine einmal erhaltene Sendung zurückzusenden. Erfasst ist „auch die Ankündigung einer fortlaufenden Lieferung von Waren, bei der eine unbestellte, aber als bestellt dargestellte Ware zugesandt und, falls der Verbraucher nicht binnen einer Frist widerspricht, deren Zusendung gegen Entgelt fortgesetzt wird“. 173 Da es sich bei Nr. 29 um einen Tatbestand einer aggressiven geschäftlichen Handlung handelt, kommt ergänzend auch § 4a UWG in Betracht, ferner der Tatbestand der Irreführung (Nr. 22 und § 5 Abs. 1 UWG ) sowie der Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks i. S. v. § 5a VI UWG . 174 169 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-34. 170 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 27.1. m.-w.-Nachw. 171 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 28.3. 172 BT-Drucks, 16 / 10145, S.-34 f. 173 BGH v. 17.8.2011, I ZR 134 / 10, „Auftragsbestätigung“. 174 Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 29.3 m. w. Nachw. 547 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen 5. Durchschnittsverbraucher / durchschnittliches Mitglied einer Verbrauchergruppe (§ 3 Abs. 4 UWG ) Bei der Regelung nach § 3 Abs. 4 S. 1 UWG (vormals § 3 Abs. 2 S. 2 UWG ) handelt es sich um die Umsetzung von Art. 5 b) der UGP -Richtlinie, wonach auf das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist, den die fragliche Geschäftspraxis erreicht oder an den sie sich richtet oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern richtet. In Übereinstimmung mit der vom Eu GH entwickelten-- und vom BGH in ständiger Rechtsprechung verwendeten-- Verbraucherleitbild nimmt die UGP -Richtlinie den Durchschnittsverbraucher zum Maßstab, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist 176 (Leitbild des informierten, verständigen und angemessen aufmerksamen Durchschnittsverbrauchers). 177 Die Regelung des § 3 Abs. 4 S. 2 UWG (vormals § 3 Abs. 2 S. 3 UWG ) stellt in Umsetzung von Art. 5 Abs. 3 der UGP -Richtlinie klar, dass bei vorhersehbarer Beeinflussung einer Gruppe besonders schutzbedürftiger Verbraucher auf ein Durchschnittsmitglied dieser Gruppe abzustellen ist. 178 6. Vorschlag für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes Bereits seit der UWG -Reform 2004 wird das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit durch den Beispielkatalog in § 4 UWG sowie weitere gesetzliche Beispieltatbestände präzisiert. Zu beachten ist insoweit, dass als weitere, eine Unlauterkeit i. S. v. § 3 Abs. 1 UWG begründende Tatbestände nach der UWG -Reform 2015 nunmehr die §§ 3a, 4, 4a, 5, 5a und 6 UWG heranzuziehen sind, während § 7 UWG bereits seit der UWG -Reform 2008 als selbständiger, also von § 3 Abs. 1 UWG unabhängiger Verbotstatbestand ausgestaltet ist (s. bereits o. § 83 II . 3.). Abgeleitet aus dem Tatbestand der Generalklausel und der neuen gesetzlichen Regelungssystematik ergibt sich der in der nachfolgenden Übersicht unterbreitete Vorschlag für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes: 179 175 Scherer, NJW 2009, 324, 331; Köhler / Bornkamm / Feddersen, Anh. zu § 3 III Rdn. 30.1. 176 Vgl. Richtlinie 2005 / 29 / EG -- Erwägungsgrund 18. 177 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 22. 178 Vgl. hierzu auch den Erwägungsgrund 19 der Richtlinie. 179 Zur Prüfung vgl. ferner das Flussdiagramm in den Leitlinien der Kommission zur UGP -Richtlinie SWD (2016) 163 final v. 25. 5. 2016, S. 61. Anhang (zu § 3 Abs. 3 UWG ) Erläuterung 137 30. die ausdrückliche Angabe, dass der Arbeitsplatz oder Lebensunterhalt des Unternehmers gefährdet sei, wenn der Verbraucher die Ware oder Dienstleistung nicht abnehme. [Gefährdung Arbeitsplatz / Lebensunterhalt] Das Verhalten ist wegen der Ausübung unzulässigen moralischen Drucks auch nach § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG unlauter, da sich der Verbraucher in den fraglichen Fällen mit dem moralischen Vorwurf mangelnder Hilfsbereitschaft oder fehlender Solidarität konfrontiert sieht. 175 548 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Prüfungsschema UWG - Vorschlag für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes nach dem UWG 2015 - Eine geschäftliche Handlung ist unzulässig, wenn sie unlauter ist (§ 3 Abs. 1 UWG = Vorliegen eines Wettbewerbsverstoßes) Schritt 1: Vorliegen einer geschäftlichen Handlung i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1? … „geschäftliche Handlung“ jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt; als Waren gelten auch Grundstücke, als Dienstleistungen auch Rechte und Verpflichtungen; Schritt 2: Vorliegen einer geschäftlichen Handlung im „B2B“ oder im „B2C“? B2B (= geschäftliche Handlung, die sich weder an Verbraucher richtet noch diese erreicht) B2C (= geschäftliche Handlung, die sich an Verbraucher richtet oder diese erreicht) Schritt 3: Eingreifen der „schwarzen Liste“? Vorliegen einer stets unzulässigen geschäftlichen Handlung gegenüber Verbraucher (§ 3 Abs. 3 i. V. m. dem Anhang Nr. 1 bis 30)? Schritt 4: Unlauterkeit der geschäftlichen Handlung? Schritt 4.1: Wegen Eingreifens eines der lauterkeitsrechtlichen Spezialtatbestände? 180 § 3a - Rechtsbruch § 4 - Mitbewerberschutz § 4a - Aggressive geschäftliche Handlungen § 5 - Irreführende geschäftliche Handlungen § 5a - Irreführung durch Unterlassen § 6 - Vergleichende Werbung § 7 - Unzumutbare Belästigungen Schritt 4.2: Unlauterkeit unter Rückgriff auf Generalklausel? § 3 Abs. 2 - sog. Verbrauchergeneralklausel 181 § 3 Abs. 1 - „große“ Generalklausel § 3 Abs. 1 - „große“ Generalklausel (nur in Sonderfällen) 182 Abb. 11: Prüfungsschema Wettbewerbsverstoß UWG 180 Die nachfolgenden Spezialtatbestände gehen im B2C der Verbrauchergeneralklausel § 3 Abs. 2 UWG vor-- im Einzelnen siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 3.2 ff. 181 Zur Funktion von § 3 Abs. 2 UWG als Auffangtatbestand zu § 3 Abs. 3 UWG i. V. m. Anhang und den §§ 4a, 5, 5a UWG vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 3.5. 182 Zur Funktion von § 3 Abs. 1 UWG als Auffangtatbestand vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 2.21 ff.; mit Fallgruppen Rdn. 2.32 ff. 549 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson IV. Rechtsbruch (§ 3a UWG ) Gemäß § 3a UWG handelt unlauter, „wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen“. Die auf Vorschlag des Ausschusses neu aufgenommene Regelung entspricht der bisherigen Regelung des § 4 Nr. 11 UWG 2008. 183 1. Verstoß gegen Marktverhaltensregel Der jetzt als eigenständige Regelung ausgestaltete Unlauterkeitstatbestand betrifft die Fallgruppe der Wettbewerbsverstöße durch Rechtsbruch, deren große praktische Bedeutung durch die Vielzahl der zu ihr ergangenen Entscheidungen belegt ist. 184 Entsprechend der noch auf der Grundlage von § 1 UWG 1909 ergangenen späteren Rechtsprechung zur Fallgruppe des Rechtsbruchs ist es nicht Aufgabe des Wettbewerbsrechts, Gesetzesverstöße generell zu sanktionieren, vielmehr muss der verletzten Norm zumindest eine sekundäre Schutzfunktion zu Gunsten des Wettbewerbs zukommen. 185 In Übereinstimmung hiermit werden von § 3a UWG im Sinne einer Beschränkung nur Verstöße gegen solche Normen erfasst, die zumindest auch das Marktverhalten im Interesse der Marktbeteiligten regeln. 186 Der Tatbestand ist daher so gefasst, dass nicht jede Wettbewerbshandlung, die gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt und Auswirkungen auf den Wettbewerb hat, unlauter ist. Vielmehr bezieht sich § 3a UWG ausschließlich auf das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer regelnde Normen, d. h. auf sog. Marktverhaltensregelungen. Hintergrund ist, dass das Marktverhalten von Unternehmen nicht nur durch die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensanforderungen des UWG (§§ 3 bis 7), sondern auch durch eine Vielzahl außerwettbewerbsrechtlicher gesetzlicher Bestimmungen geregelt ist. Zweck des Rechtsbruchstatbestandes (§ 3a UWG ) ist es daher, auch Verstöße gegen solche außerwettbewerbsrechtlichen Marktverhaltensregelungen wettbewerbsrechtlich zu sanktionieren. 187 Die Frage, ob eine Regelung-- zumindest „auch“-- dazu bestimmt ist, das Marktverhalten zu regeln, ist nicht immer einfach zu beantworten und im Einzelfall im Wege der Auslegung zu ermitteln. Unter Marktverhalten werden dabei alle Tätigkeiten eines Unternehmens auf einem Markt verstanden, die unmittelbar oder mittelbar der Förderung des Absatzes oder des Bezugs dienen. Sie sind abzugrenzen von unternehmerischen Tätigkeiten, die im Gegensatz hierzu-- wie z. B. reine Tätigkeiten im Bereich von Produktion oder Forschung und Entwicklung (F&E)-- keinerlei Außenwirkung auf einem Markt entfalten. Ausgehend hiervon lassen sich Regelungen ohne jeglichen Marktbezug ohne 183 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 14. 184 Vgl. Büscher, GRUR 2016, 113, 115 ff.; ders., GRUR 2017, 105, 107 ff. 185 Zur Entwicklung der Fallgruppe Rechtsbruch vgl. Doepner, GRUR 2003, 825 ff.; ferner Köhler, NJW 2002, 2761; ders., GRUR 2004, 381 ff.; ders., NJW 2004, 2121, 2124. 186 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 19. 187 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3a Rdn. 1.6; Köhler, GRUR 2004, 381, 382. 550 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson weiteres vom Anwendungsbereich des § 3a UWG ausgrenzen (z. B. reine Produktionsvorschriften, Arbeitnehmerschutzvorschriften, Steuervorschriften, Straßenverkehrsvorschriften etc.). 188 2. Differenzierung bei Marktzutrittsregelungen Bei Marktzutrittsregelungen ist zu differenzieren. Während reine Marktzutrittsregelungen, die nicht das Marktverhalten der betroffenen Person regeln bzw. nichts mit der Art und Weise deren Agierens am Markt zu tun haben, nicht von § 3a UWG erfasst werden, kommt bei Marktzutrittsregelungen, die zugleich „auch“-- etwa im Interesse der Qualität, Sicherheit oder Unbedenklichkeit einer Ware oder Dienstleistung- - das Marktverhalten regeln (Vorschrift mit „Doppelfunktion“), ein Eingreifen des Rechtsbruchstatbestandes durchaus in Betracht kommt. 189 3. Praktisch bedeutsame Marktverhaltensregelungen Als praktische bedeutsame Marktverhaltensregeln, bei denen ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG in Betracht kommt, lassen sich beispielhaft die folgenden Regelwerke nennen: 190 die Preisangabenverordnung (z. B. fehlende Endpreisangabe oder fehlerhafte Grundpreisangabe), die verschiedenen Landesgesetze über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (z. B. Verkauf außerhalb der gesetzlich zulässigen Öffnungszeiten), das Telemediengesetz (teilweise, z. B. Verstoß gegen die Allgemeinen oder Besonderen Informationspflichten), das BGB i. V. m. Art. 246 ff. EGBGB od. der BGB -Info- VO (z. B. Verstöße gegen Informationspflichten, fehlender Hinweis auf Widerrufs- / Rücktrittsrecht), Berufsrecht (z. B. Werbebeschränkungen für Rechtsanwälte nach der BRAO bzw. für Ärzte nach der BO ), das Heilmittelwerberecht (z. B. Verstoß gegen das Irreführungsverbot), Jugendschutzrecht (z. B. Verstoß gegen Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien). Neben den klassischen UWG -Verstößen (wie beispielsweise der Irreführung) gewinnen Verstöße gegen Marktverhaltensregeln und Spezialgesetze in der Wettbewerbspraxis in jüngerer Zeit mit Blick auf die Vielzahl branchenspezifischer Regeln mehr und mehr an Bedeutung. 191 Beispiele: Nach der Rechtsprechung des BGH 192 wird gegen die Preisangabenverordnung (§ 1 Abs. 2 und 6 PA ngV) bei Internetangeboten „nicht bereits dann verstoßen, wenn auf einer Internetseite neben der Abbildung der Ware nur der Preis genannt wird und nicht schon auf derselben Internetseite darauf hingewiesen“ werde, „dass der Preis die Umsatzsteuer enthält und zusätzlich zu dem Preis Liefer- und Versandkosten anfallen“. Den Verbrauchern sei bekannt, „dass im Versandhandel neben dem Endpreis üblicherweise Liefer- und Versandkosten anfallen.“ Etwas 188 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3a Rdn. 1.68 ff. 189 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3a Rdn. 1.76 ff., 1.82 ff.; ferner Tews / Bokel, S. 94. 190 Vgl. die Übersicht bei Tews / Bokel, S. 94 ff. 191 Wettbewerbszentrale, Jahresbericht 2012, S. 96 f.; Büscher, GRUR 2013, 969, 974. 192 BGH v. 4. 10. 2007, I ZR 143 / 04, „Versandkosten“. 551 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson anderes gilt nach Auffassung des BGH 193 allerdings bei Preisvergleichslisten in Preissuchmaschinen, bei denen sich der Verbraucher einen schnellen Überblick darüber verschaffen wolle, was er letztendlich zu zahlen habe. Bei einer Werbung in Preisvergleichslisten einer Preissuchmaschine dürften daher „die zum Kaufpreis hinzukommenden Versandkosten nicht erst auf der eigenen Internetseite des Werbenden genannt werden, die mit dem Anklicken Warenabbildung oder des Produktnamens erreicht werden“. V. Mitbewerberschutz (§ 4 UWG ) Bei der Neufassung von § 4 UWG handelt es sich-- im Zusammenspiel mit dem neu eingefügten § 4a UWG (s. nachfolgend VI .)- - um die bedeutendste rechtssystematische Änderung, die das UWG im Zuge der Reform 2015 erfahren hat. Während noch der Regierungsentwurf vorsah, den mit der UWG -Reform 2004 begründeten Charakter der Vorschrift als Katalog von Beispieltatbeständen im Wesentlichen unverändert beizubehalten, 194 enthält § 4 UWG entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses nunmehr-- wie in der Überschrift zum Ausdruck gebracht-- ausschließlich eine Regelung zum Mitbewerberschutz. Die neu gefasste, auf vier Tatbestände reduzierte Vorschrift entspricht den Regelungen der bisherigen § 4 Nr. 7 bis 10 UWG . Als Regelung zum reinen Mitbewerberschutz fällt sie nicht in den Anwendungsbereich der UGP -Richtlinie, wie sich aus deren Erwägungsgrund 6 ergibt. 195 Die vormaligen Beispieltatbestände § 4 Nr. 1 bis 6 UWG a. F. sind entfallen. Ihr Regelungsgehalt wird jetzt durch andere Vorschriften abgedeckt (s. u. §§ 4a, 5, 5a UWG ), mit Ausnahme von § 4 Nr. 6 UWG 2008 (Kopplung des Absatzes von Waren / Dienstleistungen mit Preisausschreiben oder Gewinnspielen), der-- zumindest in seiner Auslegung als per-se-Verbotwegen Unvereinbarkeit mit der UGP -Richtlinie ersatzlos gestrichen wurde. 196 1. Herabsetzung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 1 UWG ) Unlauter handelt, wer „die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft“ (§ 4 Nr. 1 UWG ). Der Tatbestand (vormals § 4 Nr. 7 UWG 2008) betrifft die Fälle der Geschäftsehrverletzungen. Im Unterschied zum Tatbestand des § 4 Nr. 2 UWG (Anschwärzung) geht es nicht um geschäftsschädigende unwahre Tatsachenbehauptungen, sondern (primär) um Meinungsäußerungen, bei deren Beurteilung-- so die Gesetzesbegründung-- stets das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG ) zu beachten ist. Vom Tatbestand erfasst sind daher vor allem auch „Fälle der Schmähkritik, in denen der Mitbewerber pauschal und ohne erkenn- 193 BGH v. 16. 7. 2009, I ZR 140 / 07, „Versandkosten bei Froogle“. 194 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 13 f. 195 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 14. 196 Hierzu Eu GH v. 14. 1. 2010, Rs. C-304 / 08 „Plus Warenhandelsgesellschaft“; Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 3 Rdn. 8.19. 552 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson baren sachlichen Bezug abgewertet wird“. 197 Vom Tatbestand erfasst sind nur geschäftliche Handlungen gegenüber Mitbewerbern (i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ), d. h. zwischen dem Unternehmen, von dem die fragliche Äußerung ausgeht, und dem dadurch herabgesetzten oder verunglimpften Unternehmen muss ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bestehen. § 4 Nr. 1 UWG zielt darauf ab, den Mitbewerber davor zu schützen, durch herabsetzende oder verunglimpfende Äußerungen eine Geschäftsschädigung durch Ansehensminderung zu erleiden und dadurch in seinen Wettbewerbschancen beeinträchtigt zu werden. 198 Unter „Herabsetzung“ ist die sachlich nicht gerechtfertigte Verringerung der Wertschätzung des Mitbewerbers durch ein abträgliches Werturteil oder eine abträgliche wahre oder unwahre Tatsachenbehauptung zu verstehen, unter „Verunglimpfung“ eine gesteigerte Form der Herabsetzung, die darin besteht, den Mitbewerber ohne sachliche Grundlage verächtlich zu machen. 199 Von § 4 Nr. 1 UWG können auch Tatsachenbehauptungen erfasst sein, soweit diese geeignet sind, einen Mitbewerber herabzusetzen oder gar zu verunglimpfen. Insbesondere in Fällen herabsetzender wahrer Tatsachenbehauptungen, an denen kein sachliches Informationsinteresse der angesprochenen Verkehrskreise besteht und für deren Verbreitung kein hinreichender Anlass besteht, wird insoweit der auf unwahre bzw. nicht erweislich wahre Tatsachenbehauptungen beschränkte Schutz nach § 4 Nr. 2 UWG durch § 4 Nr. 1 UWG ergänzt. 200 Beispiele: Vom LG Köln wurde die von einer Billigfluggesellschaft in einem Interview auf einen großen deutschen Luftfahrtkonzern bezogene Aussage als herabsetzend untersagt: „Jeder, der in diesen Zeiten eine Catering-Firma kauft, sollte dringend zum Arzt und sich den Kopf untersuchen lassen gehen“. 201 Demgegenüber hat der BGH festgestellt, dass eine Postkarte mit violetter Grundfarbe und mit dem Wortlaut „Über allen Wipfeln ist Ruh, irgendwo blökt eine Kuh. Muh! “, unterzeichnet mit „Rainer Maria Milka“, keine Verunglimpfung der Marke „Milka“ darstelle. Werde eine bekannte Marke bei der Aufmachung eines Produkts in witziger und humorvoller Weise verwandt (hier: Wiedergabe auf einer Postkarte), könne die Unlauterkeit der Ausnutzung der Unterscheidungskraft (Aufmerksamkeitsausbeutung) der Klagemarke aufgrund der Kunstfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 GG ausgeschlossen sein. 202 In einem anderen vom BGH 203 zu entscheidenden Fall hatte der beklagte Mitbewerber die klagenden Betroffenen in einem Newsletter unter Einbeziehung mit diesem verlinkter Artikel unter der Überschrift „Scharlatane auf dem Coaching-Markt“ als Anbieter bezeichnet, die sich „mystischer Coaching-Methoden“ bedienten und eine „sektenähnliche Organisation“ unterhielten, die jeden der sich auf sie einlasse, ins Verderben führe. Der BGH hat die dem Beklagten zur Last gelegten Äußerungen als im Schwerpunkt wertende Aussagen eingestuft, die derart substanzarm seien, dass der tatsächliche Gehalt gegenüber der damit verbunde- 197 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 18. 198 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 1.2. 199 BGH v. 31. 3. 2016, Az. I ZR 160 / 14, „Im Immobiliensumpf “. 200 Zur Abgrenzung zu § 4 Nr. 2 im Einzelnen vgl. Fezer / Nordemann, UWG , § 4-7, Rdn. 6; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 1.5; 2.6. 201 LG Köln, Beschluss v. 6. 9. 2005, 84 O 84 / 05 (nicht veröffentlicht), zitiert nach Wettbewerbszentrale, Rückblick auf die Arbeit 2005, S. 28; weitere Praxisbeispiele vgl. Tews / Bokel, S. 84. 202 BGH v. 3. 2. 2005, I ZR 159 / 04, „Lila-Postkarte“. 203 BGH v. 19. 5. 2011, I ZR 147 / 09, „Coaching-Newsletter“. 553 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson nen Wertung zurücktrete. Zur Beantwortung der Frage, ob die beanstandeten Äußerungen des Beklagten als unzulässige Herabsetzung i. S. v. § 4 Nr. 1 UWG einzustufen sind, sei eine Gesamtwürdigung erforderlich, bei der alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und die Interessen der Parteien und der Allgemeinheit im Licht der Bedeutung des Grundrechts (Art. 5 Abs. 1, Art. 12 GG ) unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegeneinander abzuwägen seien. Im konkreten Fall hat der BGH eine unzulässige Herabsetzung der klagenden Betroffenen im Ergebnis bejaht, da es ich bei den fraglichen Aussagen um eine pauschal abwertende Darstellung der Tätigkeit eines Mitbewerbers handele, ohne dass konkrete Umstände genannt seien, die den Vorwurf der Scharlatanerie belegen könnten. 2. Anschwärzung (§ 4 Nr. 2 UWG ) Der Vorwurf unlauteren Handelns trifft auch denjenigen, der „über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden“ (§ 4 Nr. 2 UWG ). Der Tatbestand (vormals § 4 Nr. 8 UWG 2008) betrifft in Abgrenzung zu Nr. 2 Fälle der Geschäftsehrverletzung durch die Behauptung oder Verbreitung geschäfts- oder kreditschädigender unwahrer Tatsachen (entspricht § 14 UWG 1909, Anschwärzung). „Tatsachen sind“-- so der BGH 204 -- „Vorgänge oder Zustände, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen dem Wahrheitsbeweis zugänglich ist. Werturteile sind demgegenüber durch das Element des Wertens, insbesondere der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnet. Die Beurteilung, ob eine Äußerung als eine Tatsachenbehauptung oder als Werturteil anzusehen ist, bestimmt sich danach, wie die angesprochenen Verkehrskreise sie nach Form und Inhalt in dem Gesamtzusammenhang, in den sie gestellt ist, verstehen“. Wie § 4 Nr. 1 UWG zielt auch § 4 Nr. 2 UWG nur auf den Schutz der Mitbewerber (i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ). Die behaupteten oder verbreiteten Tatsachen müssen objektiv geeignet sein, „den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen“. Darauf, ob hiermit auch eine Herabsetzung verbunden ist, kommt es nicht an, vielmehr genügt es, dass hiermit Nachteile für die Erwerbstätigkeit des Mitbewerbers verbunden sein können, was sich nach der Wirkung der Äußerung auf die angesprochenen Verkehrskreise beurteilt, wobei vom Maßstab eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsangehörigen dieser Gruppe auszugehen ist. 205 Aus dem Wortlaut von § 4 Nr. 2 UWG „sofern die Tatsachen nicht 204 BGH v. 14. 5. 2009, I ZR 82 / 07, „Mecklenburger Obstbrände“. 205 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 2.19. 554 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson ersichtlich wahr sind“ folgt, dass nicht der Verletzte die Unwahrheit der Tatsachen, sondern der Verletzer die Wahrheit seiner Tatsachenbehauptung zu beweisen hat. 206 3. Ergänzender Leistungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG ) Ein weiterer Tatbestand im Interesse des Mitbewerberschutzes regelt die wichtige Fallgruppe des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes („Ausbeutung“). Unlauter handelt danach, „wer Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a) eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt, b) die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oder c) die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat“ (§ 4 Nr. 3 UWG ). a) Grundsatz der Nachahmungsfreiheit und Tatbestand Der in § 4 Nr. 3 UWG (vormals § 4 Nr. 9 UWG 2008) geregelte ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz zielt in erster Linie auf einen Schutz der Mitbewerber vor unlauterer Ausbeutung der von diesen geschaffenen Leistungsergebnisse. Was das Verhältnis des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zu dem sondergesetzlich gewährleisteten Schutz geistiger Schaffensergebnisse durch gewerbliche Schutzrechte und das Urheberrecht angeht (vgl. hierzu bereits o. § 82 V. 2. b), so ist der Gesetzgeber mit dem Tatbestand des § 4 Nr. 3 UWG dem bereits von der Rechtsprechung zu § 1 UWG 1909 entwickelten Regelungskonzept gefolgt. 207 Danach bleibt der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit durch die Regelung unberührt. Das heißt, das bloße Nachahmen eines sondergesetzlich nicht (mehr) geschützten Schaffensergebnisses ist grundsätzlich erlaubt und nur bei Vorliegen besonderer, die Wettbewerbswidrigkeit begründender Umstände wettbewerbswidrig. 208 Der Tatbestand des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes nach § 4 Nr. 3 UWG ist erfüllt, wenn a) ein Unternehmer das Leistungsergebnis (Ware od. Dienstleistung) eines Mitbewerbers nachahmt und anbietet, das b) keinen sondergesetzlichen Schutz (mehr) genießt, sich aber durch sog. wettbewerbliche Eigenart auszeichnet und, wenn c) besondere Umstände vorliegen, die das Verhalten des nachahmenden Unternehmers als unlauter erscheinen lassen. 209 206 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 2.20; BGH v. 14. 5. 2009, I ZR 82 / 07, „Mecklenburger Obstbrände“. 207 Grundlegend BGH v. 8. 11. 1984, I ZR 128 / 82 „Tchibo / Rolex“. 208 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 18. 209 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 3.17. 555 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson b) Formen der Nachahmung Der Grad der im Gesetz nicht näher bestimmten Nachahmung eines vorbestehenden Leistungsergebnisses kann von unterschiedlicher Intensität sein. Anknüpfend an die frühere Rechtsprechung lassen sich drei Abstufungen unterscheiden: 210 ▶ Die unmittelbare Leistungsübernahme, bei der das fremde Leistungsergebnis unverändert übernommen wird (in der Regel mittels technischer Reproduktionstechniken wie Kopieren, Nachdrucken, Einscannen etc.); ferner ▶ die nahezu identische Leistungsübernahme, die vorliegt, wenn sich bei einem Vergleich von Original und Nachahmung im Gesamteindruck nur kleinere, geringfügige Abweichungen ergeben, 211 und ▶ die sog. nachschaffende Leistungsübernahme, bei der die fremde Leistung nicht unmittelbar oder (fast) identisch übernommen wird, sondern lediglich als Vorbild benutzt und nachschaffend unter Einsatz eigener Leistung wiederholt wird. 212 Die vorstehend vorgenommene Differenzierung, d. h. die Frage nach der Intensität der Übernahme des fremden Leistungsergebnisses, ist für die Beurteilung eines Wettbewerbsverstoßes unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes (i. S. v. § 4 Nr. 3 UWG ) durchaus von Bedeutung, „weil bei der unmittelbaren Leistungsübernahme an das Vorliegen besonderer Umstände, die das Vorgehen wettbewerbswidrig machen, geringere, bei einer nachschaffenden Übernahme, die unter Einsatz einer eigenen Leistung einen weiteren Abstand vom übernommenen Leistungsergebnis einhält, aber höhere Anforderungen zu stellen sind“. 213 Wie der BGH festgestellt hat, setzt eine Nachahmung i. S. des § 4 Nr. 3 lit. a UWG voraus, dass dem Hersteller im Zeitpunkt der Schaffung des beanstandeten Produkts das Vorbild bekannt ist und es sich nicht um eine selbstständige Zweitentwicklung handelt. Einen Unternehmer, der unabhängig von einem fremden Erzeugnis ein eigenes Produkt entwickelt hat, trifft jedoch keine generelle Pflicht zur Wahrung eines Abstandes zu einem identischen oder ähnlichen Erzeugnis, das ein Mitbewerber bereits auf den Markt gebracht hat. 214 Gegenstand des lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutzes i. S. v. § 4 Nr. 3 UWG können Leistungs- und Arbeitsergebnisse jeglicher Art sein. Hierzu können, wie der BGH festgestellt hat, auch fiktive Figuren gehören, die im Wege des „character merchandising“ wirtschaftlich verwertet werden. 215 Instruktiv zu der Frage des Vorliegens einer lauterkeitsrechtlich relevanten Nachahmungshandlung ist auch die Entscheidung des BGH in Sachen „Hartplatzhelden“. In der Entscheidung ging es um ein von der Beklagten unter der Adresse www.hartplatzhelden.de betriebenes werbefinanziertes Internetportal, in das von jedermann nach vorheriger Anmeldung Ausschnitte von Filmaufnahmen von Fußballspielen eingestellt werden konnten, die von jedem Internetnutzer kostenlos abgerufen und angesehen werden 210 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 3.34 ff. 211 BGH GRUR 2000, 521, 524 „Modulgerüst“. 212 BGH GRUR 1992, 523, 524 „Bausteinelemente“. 213 BGH GRUR 1992, 523, 524 „Bausteinelemente“. 214 BGH v. 26. 6. 2008, I ZR 170 / 05 „ ICON “. 215 BGH v. 19. 11. 2015, I ZR 149 / 14 „Pippi-Langstrumpf-Kostüm II “. 556 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson konnten. Der Kläger, der Württembergische Fußballverband e. V., sah sich durch dieses Angebot in seinem ausschließlichen Recht der gewerblichen Verwertung dieser Spiele verletzt und nahm die Beklagte daher u. a. unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme in Anspruch. Anders als das Berufungsgericht hat der BGH in diesem Falle eine unlautere Nachahmungshandlung verneint. Die Filmaufzeichnung eines (Teils eines) Fußballspiels sei „keine Nachahmung einer in dem Fußballspiel selbst oder in dessen Veranstaltung oder Durchführung bestehenden Leistung“ im Sinne von § 4 Nr. 3 UWG ; sie stelle „vielmehr lediglich eine daran anknüpfende Leistung dar“. 216 Die Frage, ob- - wie vereinzelt gefordert 217 - - über den Anwendungsbereich von § 4 Nr. 3 UWG hinaus, Raum für die richterliche Schaffung eines (neuen) unmittelbaren wettbewerblichen Leistungsschutzes auf der Grundlage der Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG ) als Auffangtatbestand besteht, der dem Schutz der Verwertbarkeit einer fiktiven Figur außerhalb der vom Urheberrecht erfassten Nutzungen sowie dem Schutz der vom Rechtsinhaber im Bereich der wirtschaftlichen Verwertung erbrachten Investitionen dient, hat der BGH bislang nicht abschließend entschieden. 218 c) Wettbewerbliche Eigenart Bei der wettbewerblichen Eigenart des nachgeahmten Leistungsergebnisses handelt es sich um ein von Rechtsprechung nach früherer Rechtslage entwickeltes Erfordernis, das in § 4 Nr. 3 UWG (leider) keine ausdrückliche Erwähnung gefunden hat, das jedoch ausweislich der Gesetzesbegründung auch nach neuer Rechtslage unverändert von Bedeutung ist. 219 Es ist daher als ungeschriebenes Tatbestandmerkmal zu beachten. Wettbewerbliche Eigenart eines Leistungsergebnisses setzt voraus, dass die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen. 220 Bei der Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart eines Erzeugnisses können-- so der BGH 221 -- auch Besonderheiten zu berücksichtigen sein, die dieses im Gebrauch aufweist, auch wenn sie nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Das Erfordernis der wettbewerblichen Eigenart bezieht sich auf die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses, die diesem aus der Sicht der Abnehmer zukommen. Es genügt für die Annahme wettbewerblicher Eigenart, dass der angesprochenen Verkehr aufgrund der Ausgestaltung oder der Merkmale des Erzeugnisses die Vorstellung hat, es könne wohl nur von einem bestimmten Anbieter oder einem mit diesem verbundenen Unternehmen stammen. Auch insoweit ist zu vergegenwärtigen, dass zwischen den für das Vorliegen des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes maß- 216 BGH v. 28. 10. 2010, I ZR 60 / 09 „Hartplatzhelden“; zustimmend Hoeren / Schröder, MMR 2011, 381 ff., bestätigt in BGH v. 19. 11. 2015, I ZR 149 / 14 „Pippi-Langstrumpf-Kostüm II “. 217 Kur, GRUR 1990, 1, 10 ff. 218 Vgl. BGH v. 19. 11. 2015, I ZR 149 / 14 „Pippi-Langstrumpf-Kostüm II “. 219 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 18; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 3.24. 220 St. Rspr.-- u. a. BGH GRUR 2003, 359, 360 „Pflegebett“; BGH GRUR 2003, 973, 974 „Tupperwareparty“, BGH v. 22. 3. 2012, I ZR 21 / 11 „Sandmalkasten“; BGH v. 19. 11. 2015, I ZR 149 / 14 „Pippi-Langstrumpf- Kostüm II “; BGH v. 2. 12. 2015, Az I ZR 176 / 14 „Herrnhuter Stern“. 221 BGH v. 24. 5. 2007, I ZR 104 / 04 „Gartenliege“. 557 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson geblichen Tatbestandmerkmalen eine Wechselwirkung besteht: „Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme ist, desto geringer sind die Anforderungen an die besonderen Umstände, die die Wettbewerbswidrigkeit begründen“. 222 Wie der BGH 223 entschieden hat, setzt die wettbewerbliche Eigenart eines Produkts nicht voraus, dass die zur Gestaltung verwendeten Einzelmerkmale originell sind. Auch ein zurückhaltendes, puristisches Design könne-- so der BGH -- geeignet sein, „die Aufmerksamkeit des Verkehrs zu erwecken und sich als Hinweis auf die betriebliche Herkunft des Produkts einzuprägen“. Soweit hier auf das Design eines Produkts abgestellt wird, ist jedoch zu vergegenwärtigen, dass das Tatbestandsmerkmal der wettbewerblichen „Eigenart“ nicht deckungsgleich mit der designrechtlichen Schutzvoraussetzung der „Eigenart“ (§ 2 Abs. 3 DesignG, Art. 6 Abs. 1 GGV ) ist. Maßstab für die wettbewerbsrechtliche Eigenart ist, wie erwähnt, dass die konkrete Ausgestaltung bzw. die Merkmale eines Erzeugnisses geeignet sind, auf eine betriebliche Herkunft hinzuweisen. Demgegenüber knüpft das designrechtliche Erfordernis der Eigenart an den durch bestimmte gestalterische Merkmale des Designs beim informierten Benutzer hervorgerufenen Gesamteindruck und damit an ein bestimmtes Leistungsergebnis an. 224 Beim wettbewerbsrechtlichen Lauterkeitsschutz nach § 4 Nr. 3 UWG geht es jedoch nicht um die Schutzwürdigkeit der Leistung als solcher, sondern um „ein Element im Rahmen einer lauterkeitsrechtlichen Beurteilung eines Marktverhaltens“ 225 zur Abwehr von Verhaltensunrecht. 226 Da sich die Voraussetzungen der designrechtlichen Eigenart einerseits und der wettbewerbsrechtlichen Eigenart andererseits nicht decken, lassen sich-- so der BGH 227 -- auch keine allgemeinen Aussagen zu einem Rangverhältnis zwischen designrechtlicher und lauterkeitsrechtlicher Eigenart treffen. d) Besondere Umstände Der Gesetzgeber hat in § 4 Nr. 3 lit. a-- c UWG die wichtigsten Fallgruppen für das Vorliegen besonderer, für das Eingreifen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes erforderlicher Umstände benannt. Hierbei handelt es sich um eine nicht abschließende Aufzählung. 228 Im Einzelnen sind in § 4 Nr. 3 UWG geregelt: ▶ lit. a) betrifft die Fälle der vermeidbaren Herkunftstäuschung. Wettbewerbswidrig handelt danach, wer ein fremdes Erzeugnis durch Übernahme von Merkmalen, mit denen der Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung verbindet, nachahmt, wenn er nicht im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles Erforderliche getan hat, um eine Irrführung des Verkehrs möglichst auszuschließen. Nach der Rechtsprechung des BGH hat der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen eine vermeid- 222 St. Rspr.-- u. a. BGH GRUR 2003, 359, 360 „Pflegebett“; BGH v. 9. 10. 2008, I ZR 126 / 06 „Gebäckpresse“, BGH v. 22. 3. 2012, I ZR 21 / 11 „Sandmalkasten“; BGH v. 2. 12. 2015, Az I ZR 176 / 14 „Herrnhuter Stern“. 223 BGH v. 22. 3. 2012, I ZR 21 / 11 „Sandmalkasten“. 224 BGH v. 9. 10. 2008, I ZR 126 / 06 „Gebäckpresse“. 225 Ohly, GRUR Int. 2015, 693, 700. 226 BGH v. 2. 12. 2015, Az I ZR 176 / 14 „Herrnhuter Stern“. 227 BGH v. 18. 10. 2011, I ZR 109 / 10 „Elektrische Gebäckpresse“. 228 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 18. 558 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson bare Herkunftstäuschung nicht nur zur Voraussetzung, dass das nachgeahmte Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart besitzt. Erforderlich ist grundsätzlich auch, dass das Erzeugnis bei den maßgeblichen Verkehrskreisen eine gewisse Bekanntheit erreicht hat, da eine Herkunftstäuschung in aller Regel bereits begrifflich nicht möglich ist, wenn dem Verkehr nicht bekannt ist, dass es ein Original gibt. 229 Für die Feststellung einer gewissen Bekanntheit des nachgeahmten Produkts bei der Beurteilung der vermeidbaren Herkunftstäuschung ist- - so der BGH 230 - - auf die Bekanntheit des Erzeugnisses bei den angesprochenen Verkehrskreisen abzustellen; nicht erforderlich ist, dass der Verkehr das nachgeahmte Produkt einem namentlich bestimmten Unternehmen zuordnen kann. Die für die Gefahr einer Herkunftstäuschung regelmäßig erforderliche Bekanntheit des nachgeahmten Produkts muss auf dem inländischen Markt vorliegen; die ausschließliche Bekanntheit des nachgeahmten Produkts im Ausland reicht grundsätzlich nicht aus. 231 ▶ lit. b) betrifft die Fälle der Rufausbeutung und Rufbeeinträchtigung. Erfasst werden hierdurch die Fälle, in denen der Verkehr mit der nachgeahmten Leistung bestimmte Herkunfts- und Gütevorstellungen verbindet (Wertschätzung) und in denen dieser „gute Ruf “ ausgenutzt, d. h. auf das Produkt des Nachahmers übertragen (Imagetransfer), oder beeinträchtigt wird (z. B. bei qualitativ minderwertiger Nachahmung). 232 Ansprüche aus ergänzendem wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen unangemessener Ausnutzung der Wertschätzung eines nachgeahmten Produkts können bestehen, wenn die Gefahr einer Täuschung über die Herkunft beim allgemeinen Publikum eintritt, das bei den Käufern die Nachahmungen sieht und zu irrigen Vorstellungen über die Echtheit der Nachahmungen verleitet wird. 233 Wie der BGH 234 entschieden hat, liegt in Fällen, in denen „ein Dritter ein mit einer Marke identisches Zeichen ohne Zustimmung des Markeninhabers einem Suchmaschinenbetreiber gegenüber als Schlüsselwort angibt, damit bei Eingabe des mit der Marke identischen Zeichens als Suchwort in die Suchmaschine ein absatzfördernder elektronischer Verweis (Link) zur Website des Dritten als Werbung für der Gattung nach identische Waren oder Dienstleistungen in einem von der Trefferliste räumlich getrennten, entsprechend gekennzeichneten Werbeblock erscheint (Adwords-Werbung)“, kein Wettbewerbsverstoß i. S. v. § 4 Nr. 3 UWG vor. Für einen entsprechenden Unterlassungsanspruch fehle es bereits an Anhaltspunkten dafür, „dass die (mit dem Keyword werbende) Beklagte Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistung der Klägerin (Markeninhaberin) sind“. ▶ lit. c) betrifft die Fälle der unredlichen Kenntniserlangung durch Erschleichung eines fremden Betriebsgeheimnisses oder durch Vertrauensbruch. Vom Tatbestand der unredlichen Kenntniserlangung erfasst sind alle Formen der strafbaren Erlangung von 229 BGH v. 24. 3. 2005, I ZR 131 / 02 „Handtuchklemmen“. 230 BGH v. 15. 9. 2005, I ZR 151 / 02 „Jeans“; BGH v. 24. 5. 2007, I ZR 104 / 04 „Gartenliege“. 231 BGH v. 9. 10. 2008, I ZR 126 / 06 „Gebäckpresse“. 232 Zur Rufausnutzung u. a. BGH v. 28. 10. 2010, I ZR 60 / 09 „Hartplatzhelden“; insgesamt vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 3.51 ff. 233 BGH v. 11. 1. 2007, I ZR 198 / 04 „Handtaschen“. 234 BGH v. 13. 1. 2011, I ZR 125 / 07 „Bananabay II “. 559 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Kenntnissen und Unterlagen (z. B. Verstoß gegen §§ 17, 18 UWG ), ferner Fälle, in denen die Mitteilung oder Weitergabe von Kenntnissen und Unterlagen durch Täuschung bewirkt wurde oder solche, in denen die Kenntnisse und Unterlagen zwar zunächst im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses (z. B. auf der Grundlage einer Vertraulichkeitsvereinbarung) redlich erlangt wurden, dann aber unter Vertrauensbruch und damit missbräuchlich zur Nachahmung ausgenutzt werden. 235 4. Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG ) Unlauter handelt gemäß § 4 UWG ferner, wer „Mitbewerber gezielt behindert“ (§ 4 Nr. 4 UWG ). a) Tatbestand, Anwendungsbereich Der Tatbestand regelt die individuelle Mitbewerberbehinderung. Durch die generalklauselartige Fassung soll ausweislich der Gesetzesbegründung 236 sichergestellt werden, „dass alle Erscheinungsformen des Behinderungswettbewerbs erfasst werden, einschließlich des Boykotts, des Vernichtungswettbewerbs, aber auch z. B. des Missbrauchs von Nachfragemacht zur Ausschaltung von Mitbewerbern“. Durch das Tatbestandmerkmal einer „gezielten“ Behinderung wurde klargestellt, dass eine Behinderung als bloße Folge des Wettbewerbs für eine Tatbestandverwirklichung nicht ausreicht. § 4 Nr. 4 UWG erfasst, wie erwähnt, nur die sog. individuelle Behinderung, d. h. solche geschäftlichen Handlungen, die sich gezielt gegen einen oder mehrere Mitbewerber richten. Demgegenüber unterliegen die Fälle der allgemeinen Marktbehinderung (=-Marktstörung) unmittelbar der Beurteilung nach Maßgabe der Generalklausel des § 3 UWG . 237 b) Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung, Fallgruppen Es ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Regelung des § 4 Nr. 4 UWG (vormals § 4 Nr. 10 UWG 2008)-- im Sinne einer Kontinuität-- an die von der Rechtsprechung nach alter Rechtslage auf der Grundlage des UWG 1909 entwickelten Kategorien des individuellen Behinderungswettbewerbs anknüpfen wollte. 238 Voraussetzung für die Annahme eines Behinderungswettbewerbs ist danach auch nach heutigem Recht stets eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten der Mitbewerber. Da eine solche Beeinträchtigung jedem Wettbewerb zu eigen sei, müsse freilich-- so die ständige Rechtsprechung des BGH - - noch ein weiteres Merkmal hinzutreten, damit von einer wettbewerbswidrigen Beeinträchtigung und von einer unzulässigen individuellen Behinderung gesprochen werden könne: „Wettbewerbswidrig ist die Beeinträchtigung im Allgemeinen dann, wenn gezielt der Zweck verfolgt wird, den Mitbewerber an seiner Entfaltung zu hindern und ihn dadurch zu verdrängen [gezielte Behinderung]. Ist eine solche Zweckrichtung nicht festzustellen, muss 235 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 3.61 f. 236 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 19. 237 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 19; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 4.2. 238 Omsels, WRP 2004, 136, 137 f. 560 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson die Behinderung doch derart sein, dass der beeinträchtigte Mitbewerber seine Leistung am Markt durch eigene Anstrengung nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann [sonstige unlautere Behinderung].“ 239 Dies lasse sich nur auf Grund einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Wettbewerber beurteilen, wobei sich die Bewertung an den von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen orientieren müsse. 240 Da der Tatbestand des Behinderungswettbewerbs sehr weit gefasst ist und, wie dargelegt, in der Begriffsbestimmung durch die Rechtsprechung ganz allgemein an die „wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten“ der Mitbewerber anknüpft, können von einer diese Entfaltungsmöglichkeiten beeinträchtigenden Wettbewerbshandlung potentiell alle für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens und seine Behauptung im Wettbewerb maßgeblichen Wettbewerbsparameter betroffen sein. Dieser Umstand spiegelt sich in der Vielfalt der von der Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen zum Behinderungswettbewerb wider, insbesondere: 241 ▶ Absatzbehinderung (durch Abfangen oder Abwerben von Kunden, durch produkt- oder vertriebsbezogene Behinderung); ▶ Nachfragebehinderung; ▶ Werbebehinderung (Beeinträchtigung, Nachahmen oder Ausnutzen fremder Werbung, Gegenwerbung); ▶ Behinderung durch Kennzeichenverwendung (Anmeldung und Eintragung von Sperrzeichen, Domains u. a.); ▶ Behinderung durch Mitarbeiterabwerbung; ▶ Boykott; ▶ Missbrauch der Nachfragemacht; ▶ Betriebsstörung (physische und psychische Einwirkungen, Betriebsspionage u. a.); ▶ Preisunterbietung (in Verdrängungsabsicht, mit unlauteren Mitteln, durch Rechts- oder Vertragsbruch). b) Beispiele ▶ In einem Fall, in dem es auch um die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des Suchwort- Marketings ging (s. bereits o. unter 3. d) zu § 4 Nr. 3 lit. b UWG ) hat der BGH 242 festgestellt, dass eine unlautere Behinderung i. S. v. §§ 3, 4 Nr. 4 UWG unter dem Gesichtspunkt des Kundenfangs voraussetzt, „dass auf Kunden, die bereits dem Mitbewerber zuzurechnen sind, in unangemessener Weise eingewirkt wird, um sie als Kunden zu gewinnen.“ Eine solche Einwirkung werde „insbesondere dann angenommen, wenn sich der Abfangende gewissermaßen zwischen den Mitbewerber und dessen Kunden stellt, um diesem eine 239 BGH GRUR 2001, 1061, 1062 „Mitwohnzentrale“; BGH GRUR 2002, 902, 905 „Vanity-Nummern“ 240 BGH GRUR 2001, 1061, 1062 „Mitwohnzentrale“; BGH GRUR 2002, 902, 905 „Vanity-Nummern“; BGH v. 7. 10. 2009, I ZR 150 / 07 „Rufumleitung“. 241 Vgl. hierzu die Fallgruppen zu § 4 Nr. 4 in der Kommentierung bei Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 4.24 ff.; ferner Tews / Bokel, S. 91 f. 242 BGH v. 13. 1. 2011, I ZR 125 / 07 „Bananabay II “. 561 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Änderung des Kaufentschlusses aufzudrängen. In dem Umstand, dass bei der Eingabe einer fremden Marke als Suchwort auch eine Anzeige eines Mitbewerbers erscheint, liege „noch keine unangemessene Beeinflussung potentieller Kunden.“ ▶ Eine kundenbezogene gezielte Behinderung hat der BGH 243 demgegenüber in dem Angebot der Deutschen Telekom erblickt, dass diese ihren Festnetzkunden unterbreitet hatte. Durch die Rufumleitung wurden Anrufe aus dem Festnetz nicht zu der gewählten Mobilfunknummer des Kunden, sondern unmittelbar zu dessen Festnetzanschluss geschaltet. Darin liege „eine gezielte Behinderung des Mobilfunkunternehmens“ i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG , „wenn dem Anrufer das erhöhte Verbindungsentgelt für den-- tatsächlich nicht getätigten- - Anruf in das Mobilfunknetz in Rechnung gestellt“ werde „und das Mobilfunkunternehmen kein Entgelt für die Bereitstellung des Mobilfunknetzes“ erhalte. ▶ Unter dem Aspekt der unlautereren Mitbewerberbehinderung stellt es eine unlautere Behinderung i. S. v. § 4 Nr. 4 UWG dar, wenn der Markeninhaber die Verwendung der Marke in Adwords-Anzeigen durch die Einlegung einer Markenbeschwerde bei Google unterbindet und sodann die Zustimmung zu der Adwords-Werbung eines Mitbewerbers nicht erteilt, obwohl die beabsichtigte Werbung (Anzeigentext bei Google) das Markenrecht-- im konkreten Fall wegen Erschöpfung des Markenrechts-- nicht verletzt. 244 ▶ Wie der BGH 245 entscheiden hat, ist das Angebot eines Werbeblockerprogramms, mit dem Werbung auf Internetseiten unterdrückt werden kann, nicht unter dem Gesichtspunkt der Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG ) wettbewerbswidrig, wenn das Angebot nicht unmittelbar auf die von einem Verlag angebotenen werbefinanzierten redaktionellen Inhalt einwirkt, sondern der Einsatz des Werbeblockerprogramms in der autonomen Entscheidung des Internetnutzers liegt. Die mittelbare Beeinträchtigung des Verlagsangebots sei nicht unlauter. Das streitgegenständliche Werbeblockerprogramm unterlaufe keine gegen Werbeblocker gerichtete Schutzvorkehrungen des klagenden Verlages. ▶ Anerkannt ist, dass eine wettbewerbswidrige Behinderung grundsätzlich auch durch die bösgläubige Anmeldung und Eintragung einer Marke erfolgen kann. 246 Da die Anmeldung eines Zeichens als Marke im Inland, das im Ausland bereits für gleichartige oder sogar identische Waren als Marke benutzt wird, mit Blick auf den Territorialitätsgrundsatz im Allgemeinen unbedenklich ist, kommt eine wettbewerbswidrige Behinderung allerdings nur bei Vorliegen besonderer Umstände in Betracht. Diese können darin zu erblicken sein, „dass der Zeicheninhaber in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstandes des Vorbenutzers ohne sachlichen Grund für gleiche oder gleichartige Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen hat eintragen lassen oder dass der Zeichenanmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und an sich wettbewerbsrechtlich unbedenkliche Sperrwirkung zweckent- 243 BGH v. 7. 10. 2009, I ZR 150 / 07 „Rufumleitung“. 244 BGH v. 12. 3. 2015, Az. I ZR 188 / 13 „Uhrenverkauf im Internet“. 245 BGH v. 19. 4. 2018, Az. I ZR 154 / 16 (Pressemitteilung BGH Nr. 78 / 2018 v. 19. 04. 2018). 246 BGH v. 23. 09. 2015, Az. I ZR 105 / 14 „Goldbären“. 562 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson fremdend als Mittel des Wettbewerbskampfs einsetzt“. 247 Im letztgenannten Sinne kann die Anmeldung einer Marke auch dann als wettbewerbswidrig zu beurteilen sein, „wenn der Anmelder weiß, dass ein identisches oder verwechslungsfähig ähnliches Zeichen im Ausland bereits für zumindest geleichartige Waren benutzt wird, das ausländische Unternehmen die Absicht hat, das Zeichen in absehbarer Zeit auch im Inland zu benutzen, und sich dem Anmelder diese Absicht zumindest aufdrängen musste“. 248 ▶ Zur Fallgruppe der „Behinderung durch Mitarbeiterabwerbung“ hat der BGH 249 entschieden, dass eine erste telefonische Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz zwecks kurzer Beschreibung einer neuen Stelle nicht wettbewerbswidrig sei, dass eine unlautere Störung des Betriebsfriedens allerdings vorliege, „wenn sich der im Auftrag eines Wettbewerbers anrufende Personalberater bei einem solchen Gespräch darüber hinwegsetzt, dass der Arbeitnehmer daran kein Interesse“ habe, „oder das Gespräch über eine knappe Stellenbeschreibung hinaus“ ausdehne. Bei Anrufen zu Abwerbungszwecken, bei denen dienstliche Telefoneinrichtungen benutzt werden, komme es auf eine Unterscheidung zwischen der Nutzung von Festnetz- oder Mobilfunktelefon nicht an. 250 Wettbewerbswidrig handele auch ein Personalberater, der dem angerufenen Arbeitnehmer eines Mitbewerbers seines Auftraggebers beim ersten Telefongespräch Daten zu dessen Lebenslauf und bisherigen Tätigkeiten vorhalte. 251 d) Verhältnis zum Kartellrecht Bei den Fallgruppen des lauterkeitsrechtlichen Behinderungswettbewerbs ergeben sich eine Vielzahl von Berührungspunkten und Überschneidungen zum Kartellrecht. 252 So unterliegen wirtschaftliche Behinderungen im Sinne einer Doppelkontrolle sowohl der Kontrolle des Lauterkeitsrechts (§§ 3 i. V. m. 4 Nr. 4 UWG ) als auch der des Kartellrechts (Art. 102 AEUV ; §§ 19 Abs. 4 Nr. 1, 20 Abs. 1-4 GWB ). 253 Ausweislich der Gesetzesbegründung ist der Rechtsprechung dabei auch in Zukunft die Aufgabe zugewiesen, die Abgrenzung des lauterkeitsrechtlichen Behinderungstatbestandes von den kartellrechtlichen Behinderungstatbeständen vorzunehmen. 254 Nach dem kartellrechtlichen Behinderungsverbot dürfen marktbeherrschende Unternehmen und Vereinigungen von im Wettbewerb stehenden Unternehmen ein anderes Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen üblicherweise zugänglich ist, weder unmittelbar noch mittelbar unbillig behindern (§ 20 Abs. 1 GWB ). Die erforderliche Abgrenzung des gleichermaßen weit gefassten Begriffs der unbilligen Behinderung (i. S. d. GWB ) von der unlauteren Behinderung (i. S. d. UWG ) leitet sich aus der 247 BGH v. 10. 1. 2008, I ZR 38 / 05 „ AKADEMIKS “; ferner bereits BGH v. 3. 2. 2005, I ZR 45 / 03 „Russisches Schaumgebäck“. 248 BGH v. 10. 1. 2008, I ZR 38 / 05 „ AKADEMIKS “. 249 BGH v. 4. 3. 2004, I ZR 221 / 01 „Direktansprache am Arbeitsplatz I“. 250 BGH v. 9. 2. 2006, I ZR 73 / 02 „Direktansprache am Arbeitsplatz II “. 251 BGH v. 22. 11. 2007, I ZR 183 / 04 „Direktansprache am Arbeitsplatz III “. 252 Götting / Kaiser, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht, § 9. Mitbewerberschutz (§ 4 UWG ), Rdn. 87. 253 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 4.18. 254 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 19. 563 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson unterschiedlichen Zielsetzung der beiden „Wettbewerbsgesetze“ ab, was nicht ausschließt, dass sich die Vorschriften in Teilbereichen decken und ihre Anwendung im Einzelfall zu identischen Ergebnissen führt. Während das UWG der Lauterkeit des Wettbewerbs („Qualitätsschutz“) dient, schützt das Kartellrecht die Freiheit des Wettbewerbs („Existenz- / Bestandsschutz“) durch eine Struktur-, Verhaltens- und Ergebniskontrolle 255 (s. bereits o. § 82 I., II .). Gleichwohl ergibt sich aus dem Funktionszusammenhang zwischen UWG und GWB (dem Schutz des Wettbewerbs durch zwei komplementäre Rechtskreise), dass bei der Beurteilung von „Unlauterkeit“ und „Unbilligkeit“ weitgehend gleiche Beurteilungskriterien maßgeblich sind. 256 VI. Aggressive geschäftliche Handlungen (§ 4a UWG ) Für die Systematik der UGP -Richtlinie grundlegend ist, dass diese zur Bestimmung der Unlauterkeit zwischen irreführenden (Art. 6 und 7) und aggressiven Geschäftspraktiken (Art. 8 und 9) unterscheidet. Das UWG enthielt in seiner alten Fassung ( UWG 2008) lediglich explizite Bestimmungen zu irreführenden geschäftlichen Handlungen (§§ 5, 5a UWG ), während die Fälle der aggressiven geschäftlichen Handlungen lediglich als Unterfälle der allgemeinen Unlauterkeitstatbestände erfasst waren (insbesondere § 4 Nr. 1 und 2 UWG a. F.). Mit dem im Zuge der UWG -Reform 2015 neu aufgenommenen Unlauterkeitstatbestand des § 4a UWG erfolgt erstmals eine eigenständige explizite Regelung aggressiver geschäftlicher Handlungen, die auf die Umsetzung der Vorgaben der Art. 8 und 9 UGP -Richtlinie und damit eine weitere Annäherung an deren Systematik abzielt. 257 1. Systematische Stellung und Einordnung § 4a Abs. 1 UWG setzt Art. 8 UGP -Richtlinie um, der eine allgemeine Begriffsbestimmung aggressiver Geschäftspraktiken enthält. 258 Entsprechend dem Vorschlag des Ausschusses wurde der Anwendungsbereich von § 4a UWG über den B2C-Bereich hinaus auf sonstige Marktteilnehmer erstreckt 259 und ist somit auch im B2B-Bereich anwendbar. Mit § 4a Abs. 2 UWG erfolgt eine wortgetreue Umsetzung von Art. 9 UGP -Richtlinie (Satz 1), ergänzt durch eine Konkretisierung von Umständen gesteigerter Schutzbedürftigkeit der Verbraucher (Satz 2). a) Zusammenwirken mit § 3 UWG Anders als im Rahmen der Verbrauchergeneralklausel (§ 3 Abs. 2 UWG ) ist ein Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfalt bei aggressiven geschäftlichen Handlungen nicht zu prüfen. Wie in der UGP -Richtlinie (Art. 5 Abs. 4 lit. b i. V. m. Art. 8 und 9) wird angenommen, dass 255 Omsels, WRP 2004, 136, 139. 256 Näheres Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4 Rdn. 4.18 ff.; Götting / Kaiser, Wettbewerbsrecht und Wettbewerbsprozessrecht, § 9. Mitbewerberschutz (§ 4 UWG ), Rdn. 90. 257 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 13 f. 258 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 14. 259 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 15. 564 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson die von der Regelung erfassten aggressiven geschäftlichen Handlungen stets unlauter und unzulässig sind, wenn sie geeignet sind, eine geschäftliche Handlung zu beeinflussen. 260 Das heißt, bei Feststellung der Unlauterkeit gemäß § 4a UWG ergibt sich sowohl im B2C als auch im B2B zwingend die Rechtsfolge der Unzulässigkeit aus § 3 Abs. 1 UWG . Darüber hinaus kann § 3 Abs. 1 UWG im nicht vom Anwendungsbereich der UGP -Richtlinie erfassten B2B- Bereich als Auffangtatbestand zur Anwendung kommen, wenn eine geschäftliche Handlung zwar nicht den Tatbestand des § 4a UWG - - und auch keines anderen speziellen Unlauterkeitstatbestandes-- erfüllt, aber einen Unlauterkeitsgehalt aufweist, der diesem vergleichbar ist (s. bereits o. unter III . 1.). 261 b) Verhältnis zu § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG 2008 Bei den beiden im Zuge der Reform 2015 entfallenen Beispieltatbeständen § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG 2008 handelte es sich um eine Umsetzung der Art. 8 und 9 der UGP -Richtlinie, ebenso wie bei § 4a UWG , der sich allerdings sehr viel enger an den Wortlaut der Richtlinie anlehnt. Von daher stellt § 4a UWG gewissermaßen eine Nachfolgeregelung zu den beiden vorgenannten Beispieltatbeständen des UWG 2008 dar, die sich tatbestandlich vollständig mit § 4a UWG überschneiden. 262 Dies wirft die Frage auf, inwieweit bei der Anwendung von § 4a UWG auf die BGH -Rechtsprechung zu § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG a. F. zurückgegriffen werden kann. Dies ist jedenfalls bei Entscheidungen möglich, in denen die Rechtsprechung die §§ 4 Nr. 1 und 2 UWG a. F. richtlinienkonform nach Maßgabe der Art. 8 und 9 UGP -Richtlinie ausgelegt hat. 263 Soweit jedoch insbesondere unter § 4 Nr. 1 UWG a. F. auch Fallgruppen subsumiert wurden, die tatbestandlich keine Anwendung einer aggressiven Geschäftspraktik (i. S. v. Art. 8 UGP -Richtlinie, § 4a UWG ) darstellen, ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese von anderen Unlauterkeitstatbeständen erfasst werden (§§ 3 Abs. 2, 3a, 5, 5a UWG ). 264 c) Verhältnis zu § 7 UWG Soweit in § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG die „Belästigung“ in Übereinstimmung mit Art. 8 der UGP -Richtlinie als eines der Mittel aggressiver Beeinflussung normiert ist, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis zu den „unzumutbaren Belästigungen“, die in § 7 UWG als selbständiger Verbotstatbestand geregelt sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der von Reform 2015 unberührte Belästigungstatbestand nach § 7 UWG und der Aggressionstatbestand der Belästigung i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen. Während § 7 UWG die Privatsphäre oder geschäftliche Sphäre der Marktteilnehmer (das Recht, nicht mit Werbebotschaften behelligt zu werden) schützen soll, schützt § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG die freie und durch Belästigung unbeeinflusste geschäftliche Entscheidung und damit das wirtschaftliche Interesse. 265 Bei § 7 UWG besteht die Belästigung darin, dass geschäftliche 260 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 14. 261 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.7; Scherer, GRUR 2016, 233, 234. 262 Hierzu Scherer, GRUR 2016, 233, 234 f. 263 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.6. 264 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.6; ferner Scherer, GRUR 2016, 233, 235. 265 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 14; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.38. 565 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Handlungen dem Empfänger aufgedrängt werden. Er betrifft daher die Art und Weise der als belästigend empfundenen Kontaktaufnahme, aber nicht-- wie im Falle von § 4a UWG -- die Frage der Einwirkung auf die geschäftliche Entscheidung. 266 2. Tatbestand (§ 4a Abs. 1 UWG ) Gemäß § 4a Abs. 1 UWG handelt unlauter, „wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen durch 1. Belästigung, 2. Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt oder 3. unzulässige Beeinflussung.“ Das Eingreifen des Unlauterkeitstatbestands nach § 4a S. 1 und 2 UWG setzt demnach die Verwirklichung der folgenden Tatbestandsmerkmale voraus: ▶ Vorliegen einer geschäftlichen Handlung, ▶ Einsatz unlauterer Mittel: Belästigung, Nötigung oder unzulässige Beeinflussung (Ausübungsmittel), ▶ Eignung zur erheblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers (Einwirkungskriterium), ▶ Eignung zur Veranlassung zu einer andernfalls nicht getroffenen Entscheidung (Auswirkungsbzw. Relevanzkriterium). a) Geschäftliche Handlung, geschützter Personenkreis Das Vorliegen einer geschäftlichen Handlung beurteilt sich nach der Definition in § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG . Wie erwähnt werden vom Tatbestand sowohl geschäftliche Handlungen gegenüber Verbrauchern als auch gegenüber sonstigen Marktteilnehmern erfasst. Die Verbrauchereigenschaft beurteilt sich nach § 2 Abs. 2 UWG i. V. m § 13 BGB , die des sonstigen Marktteilnehmers nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG . b) Einsatz unlauterer Mittel Voraussetzung für das Eingreifen von § 4a UWG ist ferner, dass als Mittel der Beeinflussung eine Belästigung, eine Nötigung oder eine unzulässige Beeinflussung eingesetzt werden (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 UWG ). Für die Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung als in diesem Sinne aggressiv anzusehen ist, ist auf die in § 4a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 UWG geregelten Beurteilungskriterien abzustellen. 266 Scherer, GRUR 2016, 233, 235. 566 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson ▶ Unter einer Belästigung i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG ist ein störender Eingriff in die Privatsphäre des Verbrauchers oder in die betriebliche Sphäre eines sonstigen Marktteilnehmers zu verstehen, wobei es nicht darauf ankommt, wie dieser Eingriff erfolgt (ob z. B. durch Aufsuchen eines Verbrauchers in seiner Wohnung oder durch Anrufen, Ansprechen oder schriftliche Mitteilungen). 267 Zu berücksichtigen ist ferner, dass es dem Wesen einer geschäftlichen Handlung entspricht, auf eine geschäftliche Entscheidung des Adressaten hinzuwirken, so dass nicht jede Form der Einwirkung als aggressiv belästigend angesehen werden kann. Voraussetzung für das Vorliegen einer Belästigung i. S. v. § 4a UWG ist folglich vielmehr, dass sich diese durch eine erhebliche Intensität auszeichnet und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der in § 4a Abs. 2 Nr. 1 bis 5 UWG normierten Beurteilungskriterien, nach dem Empfinden des Adressaten die Grenzen des sozial adäquaten Umgangs überschreitet. 268 Als Beispiel für eine aggressive Belästigung in diesem Sinne lässt sich der in Anhang Nr. 29 zu § 3 Abs. 3 UWG geregelte Tatbestand (nicht bestellte Waren / Dienstleistungen) anführen, in dem der adressierte Verbraucher in aggressiver Weise bedrängt wird. 269 ▶ Bei der in § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG in wortgleicher Übereinstimmung mit Art. 8 UGP - Richtlinie geregelten „Nötigung einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt“ handelt es sich um das massivste Mittel aggressiver Einflussnahme. Der aus der Richtlinie übernommene, in dieser jedoch nicht definierte Begriff der Nötigung ist richtlinienkonform und autonom auszulegen. Auf das Begriffsverständnis der Nötigung im deutschen Strafrecht (§ 240 St GB ) kann insoweit folglich nicht zurückgegriffen werden. Aus der Formulierung „einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt“ folgt im Umkehrschluss, dass die Anwendung psychischen Zwangs gleichfalls als Nötigung anzusehen ist. Als Nötigung i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG kann danach die Anwendung körperlicher Gewalt oder psychischen Zwangs als Mittel einer aggressiven Einflussnahme verstanden werden, was das Androhen empfindlicher Übel einschließt. Als Beispiele für eine Nötigung lassen sich die Tatbestände der Nr. 25 und 26 des Anh. zu § 3 Abs. 3 UWG (Nichtverlassen von Räumlichkeiten bzw. Aufsuchen in der Wohnung) anführen, deren Verwirklichung nicht nur im B2C, sondern auch im B2B als Nötigung zu qualifizieren ist. 270 Mit Blick auf die einschneidenden Folgen, die ein Schufa-Eintrag hat, kann als Nötigung i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG auch ein Mahnschreiben eines Inkassoinstituts zu beurteilen sein, wenn dies beim Adressaten der Eindruck erweckt, er müsse mit der Übersendung seiner Daten an die Schufa rechnen, wenn er die geltend gemachte Forderung nicht fristgerecht erfüllt, obwohl die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen für eine Übermittlung der Daten an die Auskunftei (seinerzeit § 28a BDSG , seit 25. 05. 2018 Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f, Abs. 4 DSGVO 271 ) nicht vorliegen. 272 267 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.40. 268 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.40. 269 Scherer, GRUR 2016, 233 238. 270 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.48 ff.; Scherer, GRUR 2016, 233, 238. 271 Krämer, NJW 2018, 347, 348. 272 BGH v. 19. 3. 2015, Az. I ZR 157 / 13 „Schufa-Hinweis“. 567 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson ▶ Als drittes und letztes Mittel aggressiver Einflussnahme ist in § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG die „unzulässige Beeinflussung“ geregelt. Diese liegt nach der an die entsprechende Definition der UGP -Richtlinie (Art. 2 lit. j) angelehnten Begriffsbestimmung in § 4a Abs. 1 S. 3 UWG vor, „wenn der Unternehmer eine Machtposition gegenüber dem Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zur Ausübung von Druck, auch ohne Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise ausnutzt, die die Fähigkeit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt.“ Charakteristisch für eine „unzulässige Beeinflussung“ als Mittel aggressiven Verhaltens ist danach das Vorliegen einer Machtposition und deren Ausnutzung von Druck gegenüber dem Adressaten. Die Ausnutzung einer Machtposition zur Druckausübung ist dann gegeben, wenn der Adressat „den Eindruck gewinnt, er müsse mit irgendwelchen Nachteilen außerhalb des angestrebten Geschäfts rechnen, falls er die von ihm erwartete geschäftliche Entscheidung nicht trifft.“ 273 c) Eignung zur Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit Für die Verwirklichung des Tatbestands von § 4a UWG reicht es, wie dargestellt, nicht aus, dass eines der zuvor erläuteren unlauteren Mittel zur Einflussnahme eingesetzt wurde, vielmehr ist ferner erforderlich, dass-- im Sinne eines Einwirkungskriteriums-- das eingesetzte Mittel „im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände geeignet ist, die Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers erheblich zu beeinträchtigen“ (§ 4a Abs. 1 S. 2 UWG ). Die Prüfung der Eignung des eingesetzten Mittels zur erheblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Adressaten ist unter Rückgriff auf die in § 4a Abs. 2 UWG geregelten Beurteilungskriterien vorzunehmen. Sie ist-- nach der Prüfung des Einsatzes eines Mittels i. S. v. § 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 3 UWG -- die zweite Stufe zur Bestimmung einer geschäftlichen Handlung als „aggressiv“ i. S. v. § 4a UWG . 274 Von einer erheblichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Adressaten ist auszugehen, wenn sich dieser der durch das eingesetzte Mittel bewirkten Druckausübung nicht entziehen kann oder im Interesse der Abwendung von Nachteilen zumindest in Erwägung zieht, die von ihm erwartete geschäftliche Entscheidung zu treffen. 275 d) Veranlassung zu andernfalls nicht getroffener Entscheidung Als letztes Merkmal des Tatbestands von § 4a UWG zu nennen ist schließlich die Eignung der aggressiven geschäftlichen Handlung, den Adressaten „zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die dieser andernfalls nicht getroffen hätte“ (als Kriterium der Auswirkung bzw. der geschäftlichen Relevanz-- § 4a Abs. 1 S. 1 UWG a. E.). Bei richtlinienkonformer Auslegung folgt aus der einschlägigen Formulierung in Art. 8 der UGP -Richtlinie („… und dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird…“), dass die Eignung der geschäftlichen 273 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.59. 274 Ohly, GRUR 2016, 3, 5. 275 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.34. 568 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Handlung zur Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit für die Eignung zur Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung ursächlich sein muss, wobei für die Annahme der Ursächlichkeit mit Rücksicht auf Lebenserfahrung eine widerlegliche Vermutung besteht. 276 3. Feststellung einer aggressiven geschäftlichen Handlung (§ 4a Abs. 2 UWG ) § 4a Abs. 2 S. 1 UWG enthält in Umsetzung von Art. 9 UGP -Richtlinie einen Katalog von Umständen, die bei der Feststellung, ob eine geschäftliche Handlung aggressiv i. S. v. Absatz 1 S. 2 UWG ist, heranzuziehen sind: 277 „1. Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer der Handlung; 2. die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen; 3. die bewusste Ausnutzung von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers beeinträchtigen, um dessen Entscheidung zu beeinflussen; 4. belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Unternehmer den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht, wozu auch das Recht gehört, den Vertrag zu kündigen oder zu einer anderen Ware oder Dienstleistung oder einem anderen Unternehmer zu wechseln; 5. Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen.“ Gemäß § 4a Abs. 2 S. 2 UWG zählen „zu den Umständen, die nach [Satz 1] Nummer 3 zu berücksichtigen sind,-… insbesondere geistige und körperliche Beeinträchtigungen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst und die Zwangslage von Verbrauchern.“ Die Regelung wurde erst aufgrund der Empfehlung des Ausschusses ergänzend aufgenommen, um der Kritik von Verbraucherverbänden am Wegfall von § 4 Nr. 2 UWG 2008 Rechnung zu tragen. Durch sie sollte klargestellt werden, „dass die bisher in § 4 Nr. 2 [ UWG 2008] gesondert geschützten besonders verletzbaren Verbraucher auch nach § 4a UWG angemessen vor aggressiven geschäftlichen Handlungen geschützt sind.“ 278 Der im Zuge der Reform 2015 weggefallene § 4 Nr. 2 UWG enthielt einen selbständigen Beispieltatbestand, der die Ausnutzung der entsprechenden Defizite bei Verbrauchern (geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage) als unlauter erklärte. Diese Defizite zählen gemäß § 4a Abs. 2 S. 2 UWG jetzt zu den zu berücksichtigenden Umständen, deren Ausnutzung zu einer Beeinträchtigung des Urteilsvermögens des Verbrauchers führen kann. Mit Blick auf den Schutz, den besonders 276 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.36. 277 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 14; zu den Beurteilungskriterien im Einzelnen siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 4a Rdn. 1.85 ff.; ferner Scherer, GRUR 2016, 233, 239 f. 278 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 15. 569 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson schutzbedürftige Verbraucher bereits nach § 3 Abs. 4 S. 2 UWG genießen, wird die Regelung nach § 4a Abs. 2 S. 2 UWG allerdings zu Recht als überflüssige „Doppelregelung“ kritisiert. 279 4. Beispiele aggressiver geschäftlicher Handlungen Obgleich es sich bei § 4a UWG gewissermaßen um eine Nachfolgeregelung zu den im Rahmen der UWG -Reform entfallenen Beispieltatbeständen § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG 2008 handelt, kann die zu diesen ergangene Rechtsprechung, wie dargestellt (s. zuvor 1. b), nicht ohne Weiteres bei der Anwendung von § 4a UWG herangezogen werden. Vielmehr ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer aggressiven geschäftlichen Handlung i. S. v. § 4a UWG erfüllt sind oder ob die fragliche Handlung ggf. von einem anderen Unlauterkeitstatbestand erfasst wird. Mit Blick auf die umfassende von der Rechtsprechung, insbesondere zu § 4 Nr. 1 UWG 2008, entwickelte Fallgruppensystematik 280 gebietet die nachfolgende Übersicht eine Beschränkung auf eine stichwortartige Darstellung von Beispielfällen, in denen vom Vorliegen einer aggressiven Handlung i. S. v. § 4a UWG ausgegangen werden kann: 281 ▶ Einsatz physischer Zwangsmittel, wie Schläge, Hausfriedensbruch, ist (offensichtlich) „aggressiv“ (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG ); ▶ unerbetenes Aufsuchen des Verbrauchers in seiner Wohnung bei Einsatz physischer Gewalt (Aufdrücken der Tür, Fuß in die Tür stellen o. ä.) ist (offensichtlich) aggressiv (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG ); ▶ Androhung von Tätlichkeiten zur Forderungsdurchsetzung („Besuch unseres Inkasso- Teams“) ist aggressiv (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG ); ▶ Drohung bei „Kaffeefahrten“ mit rechtswidrigen Mitteln („es wird nicht eher zurückgefahren, bis alle gekauft haben“) ist aggressiv (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 2, Abs. 2 S. 1 Nr. 5 UWG ); ▶ Anwendung psychischer Gewalt kann aggressiv sein, z. B. in der Weise, dass Markteilnehmer aufgrund einer Behinderung als „minderwertig“ angesprochen werden und wenn Ihnen für den Fall des Produkterwerbs „Gleichwertigkeit“ in Aussicht gestellt wird (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG ); ▶ Einsatz moralischen Drucks kann in extremen Fällen dann aggressiv sein, wenn der Verbraucher so massiv unter Druck gesetzt wird, dass seine Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt ist (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UWG ); ▶ Erzeugung von Gruppendruck kann aggressiv sein, wenn durch Ausnutzung der Solidarität innerhalb einer bestimmten Gruppe massiver Druck erzeugt wird (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UWG ); 279 Köhler, NJW 2016, 593, 596; Ohly, GRUR 2016, 3, 5. 280 Vgl. z. B. die Übersicht zu § 4 Nr. 1 UWG 2008, Köhler / Bornkamm, 13. Auflage, S. 292 ff. 281 Angelehnt an Scherer, GRUR 2016, 233, 240 f.; weitere Beispiele s. Leitlinien der Kommission zur UGP - Richtlinie SWD (2016) 163 final v. 25. 5. 2016, S. 95 ff. 570 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson ▶ Geschäftliche Handlung durch Ansprechen von Unfallopfern am Unfallort ist aggressiv, da diese auf Grund der Traumatisierung durch das Unfallgeschehen in ihrem Urteilsvermögen beeinträchtigt sind (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UWG ); ▶ Persönliche geschäftliche Ansprache von Hinterbliebenen betreffend die Ausrichtung der Bestattung oder Gestaltung des Grabmals in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Todesfall ist aggressiv wegen Beeinträchtigung des Urteilsvermögens in psychischer Ausnahmesituation (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UWG ); ▶ Anspruchsstellung bei Zusendung unbestellter Waren ist wegen damit eingehender bedrängender Belästigung aggressiv (§ 4a Abs. 1 S. 2 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UWG ). VII. Irreführung (§§ 5, 5a UWG ) Ein zentrales Anliegen des Lauterkeitsrechts ist es seit jeher, irreführendes wettbewerbliches Verhalten zu unterbinden. Die Regelung des irreführenden Verhaltens, der in der Rechtspraxis erhebliche Bedeutung zukommt, hat im Zuge der UWG -Reform 2008 bedeutsame Änderungen erfahren. Während die Irreführung nach früherer Gesetzeslage jeweils Gegenstand einer einzigen Vorschrift war (§ 3 UWG 1909, § 5 UWG 2004), unterscheidet das Gesetz seit der Reform 2008 in Übereinstimmung mit der UGP -Richtlinie (Art. 6 und 7) zwischen der in § 5 UWG geregelten Irreführung durch aktives Tun und der in § 5a UWG detailliert geregelten Irreführung durch Unterlassen. 1. Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG ) Mit der gleichfalls bereits im Zuge der UWG -Reform 2008 erfolgten Anpassung der Überschrift von § 5 UWG an die Einführung des Begriffs der geschäftlichen Handlung (i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ) war eine Erweiterung gegenüber § 5 UWG 2004 („Irreführende Werbung“) verbunden, weil die Vorschrift seither auch geschäftliche Handlungen erfasst, bei denen es sich nicht um Werbung handelt (z. B. irreführende Angaben über das Bestehen oder die Höhe einer Forderung). 282 Im Zuge der UWG -Reform 2015 wurde § 5 UWG nur marginal geändert. 283 a) Allgemeines Irreführungsverbot (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG ) Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 UWG handelt unlauter, „wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ Die im Rahmen der UWG -Reform 2015 erfolgte Ergänzung in § 5 Abs. 1 S. 1 UWG um ein Relevanzerfordernis, wonach irreführende geschäftliche Handlungen nur dann unlauter und damit unzulässig nach § 3 Abs. 1 UWG sind, wenn sie geeignet sind, die Entscheidungsfähig- 282 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 16, 23. 283 Köhler, NJW 2016, 593, 596. 571 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson keit von Verbrauchern oder sonstigen Marktteilnehmern zu beeinträchtigen, entspricht der Vorgabe nach Art. 6 UGP -Richtlinie. Wie der Eu GH festgestellt hat, kommen als relevante Irreführung in diesem Sinne auch fehlerhafte Informationen in Vertragsbestimmungen 284 oder die Erteilung einer einzigen falschen Auskunft in Betracht. 285 Durch die Formulierung „oder sonstigen Marktteilnehmer“ ist jetzt klargestellt, dass der Tatbestand des § 5 UWG nicht nur Verbraucher, sondern auch weiterhin sonstige Markteilnehmer in den Schutzbereich mit einbezieht. Während das nach alter Rechtslage in § 3 Abs. 1 UWG 2008 enthaltene Spürbarkeitserfordernis entfallen ist, ist die Eignung der irreführenden Handlung, die geschäftliche Handlung des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers zu beeinflussen (Relevanzerfordernis), bei der Anwendung von § 5 Abs. 1 UWG jetzt zusätzlich zu prüfen. 286 Wie bei § 4a UWG (s. zuvor VI . 1. a) ist jedoch auch für irreführende Handlungen-- anders als im Rahmen von § 3 Abs. 2 UWG - - ein Verstoß gegen die „unternehmerische Sorgfalt“ nicht zu prüfen. Vielmehr wird-- wie in der UGP -Richtlinie (Art. 5 Abs. 4 lit. a i. V. m. Art. 6)-- angenommen, dass irreführende geschäftliche Handlung stets unzulässig sind, wenn sie geeignet sind, eine geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen. 287 Die Reichweite des allgemeinen Irreführungsverbotes hängt von dem zu Grunde gelegten Verbraucherleitbild ab. Maßgeblich ist nach dem Willen des Gesetzgebers das vom BGH 288 in Anlehnung an die Rechtsprechung des Eu GH entwickelte Verbraucherleitbild eines durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers, der das Werbeverhalten mit einer der Situation angemessenen Aufmerksamkeit verfolgt. Beispiele: ▶ Sofern ein „formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, das nach seiner Gestaltung und seinem Inhalt darauf angelegt ist, bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorzurufen, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens werde lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses vorgenommen“, liegt nach Auffassung des BGH 289 hierin nicht nur ein Verstoß gegen das Verschleierungsverbot (§ 4 Nr. 3 UWG 2008, jetzt § 5a Abs. 6 UWG ), sondern auch gegen das Irreführungsverbot nach § 5 Abs. 1 UWG . ▶ Wird „der Preis eines Produkts in mehrere Bestandteile aufgeteilt, von denen einer in der Vermarktung besonders herausgestellt wird, während der andere, bei dem es sich dennoch um einen unvermeidbaren und vorhersehbaren Bestandteil des Preises handelt, ganz vorenthalten oder in weniger sichtbarer Weise dargestellt wird“, kann dies-- so der Eu GH 290 -- irreführend sein, „wenn beim Durchschnittsverbraucher infolge der fälsch- 284 Eu GH v. 15. 3. 2012, Rs. C-453 / 10 „Pereničová und Perenič“. 285 Eu GH v. 16. 4. 2015, in der Rs. C-388 / 13 „ UPC “. 286 Köhler, NJW 2016, 593, 596. 287 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 14; Eu GH v. 19. 9. 2013, Rs. C-435 / 11 „ CHS Tour Services“. 288 BGH GRUR 2000, 619, 621 „Orient-Teppichmuster“; BGH GRUR 2000, 820, 821 „Space Fidelity Peep- Show“; BGH GRUR 2001, 1061, 1063 „Mitwohnzentrale“. 289 BGH v. 30. 6. 2011, I ZR 157 / 10 „Branchenbuch Berg“. 290 Eu GH v. 26. 10. 2016, Rs. C-611 / 14 „Canal Digital“. 572 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson lichen Annahme, er müsse nur den hervorgehobenen Preisbestandteil entrichten, der fehlerhafte Eindruck entstehen könnte, ihm werde ein besonders vorteilhafter Preis angeboten.“ Soweit die Irreführung geeignet sein muss, den Durchschnittsverbraucher tatsächlich oder voraussichtlich „zu einer geschäftlichen Entscheidung“ zu veranlassen, die er ansonsten nicht getroffen hätte, sei zu berücksichtigen, „dass der Preis für den Durchschnittsverbraucher grundsätzlich ein bestimmender Faktor ist, wenn er geschäftliche Entscheidungen zu treffen hat.“ b) Irreführende Angaben und deren Bezugspunkte (§ 5 Abs. 1 S. 2 UWG ) In § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ist in Übereinstimmung mit der UGP -Richtlinie (Art. 6 Abs. 1) geregelt, dass eine geschäftliche Handlung irreführend ist, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Durch die in § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 UWG im Einzelnen geregelten, bei der Beurteilung des Vorliegens einer Irreführung zu berücksichtigenden Bezugspunkte der Irreführung erfolgt die Umsetzung der Tatbestände der UGP -Richtlinie (Art. 6 Abs. 1 lit. a bis g und Abs. 2 lit. b). Bei Vorliegen einer unwahren oder zur Täuschung geeigneten Angabe ist von einer Irreführung auszugehen, das allgemeine Relevanzerfordernis (§ 5 Abs. 1 S. 1 UWG ), d. h. die Eignung der Handlung, die geschäftliche Entscheidung zu beeinflussen, bleibt jedoch unberührt. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG : Bezugspunkt der Irreführung sind Merkmale der Ware oder Dienstleistung. Die Regelung enthält entsprechend Art. 6 Abs. 1 lit. b der UGP -Richtlinie einen klarstellenden Hinweis, dass als Bezugspunkt der Irreführung nur Angaben über „wesentliche“ Merkmale in Betracht kommen. Ferner wurden nach Vorgabe der Richtlinie ergänzend zur früheren Regelung die weiteren Merkmale „Vorteile“, „Risiken“, „Zubehör“, „Lieferung“, „Kundendienst und Beschwerdeverfahren“ übernommen. In Abgrenzung zu den in § 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG geregelten Garantie- und Gewährleistungsrechten sollen durch die Merkmale „Kundendienst“ und „Beschwerdeverfahren“ neben Angaben des Unternehmers zum klassischen Kundendienst (z. B. Vorortservice) auch die anderen nachvertraglichen Serviceleistungen (z. B. Hotline bei IT -Produkten) erfasst werden. 291 Beispiel: Wie der BGH 292 entschieden hat, ist die Angabe „Original Druckerpatronen innerhalb von 24 Stunden“ in einer Adwords-Anzeige „im Hinblick auf die zutreffenden näheren Informationen, auf die die Anzeige verweist, nicht irreführend, wenn die Einschränkungen Lieferung am Folgetag nur bei Bestellung bis 16.45 Uhr, keine Auslieferung am Sonntag sich in dem Rahmen bewegen, mit dem der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Verbraucher ohnehin rechnet“. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 UWG : Bezugspunkt der Irreführung ist der Anlass des Verkaufs. Die Regelung wurde entsprechend Art. 6 Abs. 1 lit. d der UGP -Richtlinie durch das Merkmal „Vorhandensein eines besonderen Preisvorteils“ als weiteren Bezugspunkt einer irreführenden Angabe ergänzt. Beispiel: Der BGH 293 hat entscheiden, dass sich ein Reise- 291 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 24. 292 BGH v. 12. 5. 2011, I ZR 119 / 10 „Innerhalb 24 Stunden“. 293 BGH v. 7. 7. 2011, I ZR 181 / 10 „Frühlings-Special“. 573 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson veranstalter, der mit einem zeitlich befristeten Frühbucherrabatt werbe, grundsätzlich an die gesetzte Frist halten müsse, sofern er sich nicht dem Vorwurf einer Irreführung aussetzen wolle. Andererseits rechne der Verkehr damit, dass es für die Verlängerung einer solchen Rabattfrist vernünftige Gründe geben könne, wie etwa eine schleppende Nachfrage. In einem derartigen Fall erweise sich die ursprüngliche Ankündigung trotz Verlängerung nicht als irreführend. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UWG : Bei der Regelung geht es um zur Irreführung geeignete Angaben betreffend die Person und die geschäftlichen Verhältnisse des Unternehmers. Die Regelung wurde im Wesentlichen angelehnt an die Formulierung in Art. 6 Abs. 1 lit. f der UGP -Richtlinie gefasst, ergänzt durch eine Übernahme einzelner Merkmale aus Art. 6 Abs. 1 lit. c („Umfang der Verpflichtungen“, „Beweggründe für die geschäftliche Handlung“, „Art des Vertriebs“). Beispiel: Bei einem Unternehmen, in dessen Firma der Bestandteil „Stadtwerke“ enthalten ist, werde-- so der BGH 294 -- der durchschnittlich informierte Verbraucher regelmäßig annehmen, dass dieses „zumindest mehrheitlich in kommunaler Hand ist, sofern dem entgegenstehende Hinweise in der Unternehmensbezeichnung fehlen“. Vom Verkehr als Phantasiebezeichnungen aufgefasste Ergänzungen der geschäftlichen Bezeichnung, denen auch keine Hinweise auf weitere Gesellschafter zu entnehmen seien, reichten zum Ausschluss einer Irreführung insoweit nicht aus. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UWG : Nach der 2008 neu aufgenommenen Regelung sind entsprechend Art. 6 Abs. 1 lit. c der UGP -Richtlinie auch „Aussagen oder Symbole, die im Zusammenhang mit direktem oder indirektem Sponsoring stehen oder sich auf eine Zulassung des Unternehmers oder“ seiner „Waren und Dienstleistungen beziehen“, als Bezugspunkte der Irreführung ausdrücklich geregelt. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 UWG : Bezugspunkt der Irreführung ist die Notwendigkeit einer Leistung, eines Ersatzteils, eines Austauschs oder einer Reparatur. Die 2008 neu aufgenommene Regelung übernimmt wörtlich Art. 6 Abs. 1 lit. e der UGP -Richtlinie. Beispiel: „Die wegen einer defekten Scheinwerferbirne aufgesuchte Werkstatt ersetzt den gesamten Scheinwerfer mit der unzutreffenden Erklärung, eine einzelne Birne sei nicht lieferbar.“ 295 ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 UWG : In Übereinstimmung mit Art. 6 Abs. 2 lit. b der UGP -Richtlinie werden auch unwahre oder zur Täuschung geeignete Aussagen über die Einhaltung eines Verhaltenskodex i. S. v. § 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG als Bezugspunkt der Irreführung erfasst. ▶ § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG : Die Regelung setzt Art. 6 Abs. 1 lit. g der UGP -Richtlinie um und betrifft irreführende Angaben über die Rechte des Verbrauchers, insbesondere auf Grund von Garantieversprechen oder über Gewährleistungsrechte bei Leistungsstörungen. Beispiel: Wenn ein Verbraucher einen Sachmangel geltend macht und Ersatzlieferung verlangt, der Unternehmer ihm aber die objektiv unrichtige Auskunft gibt, 294 BGH v. 13. 6. 2012, I ZR 228 / 10 „Stadtwerke Wolfsburg“. 295 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5 Rdn. 6.2. 574 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Gewährleistungsansprüche seien bereits verjährt, so erfüllt dies den Tatbestand der Irreführung nach § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 UWG . 296 c) Hervorrufung einer Verwechslungsgefahr (§ 5 Abs. 2 UWG ) Die Regelung dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 lit. a UGP -Richtlinie. Danach gilt jegliche Vermarktung eines Produktes, einschließlich vergleichender Werbung, als irreführend, wenn durch diese eine Verwechslungsgefahr mit einem anderen Produkt, Warenzeichen, Warennamen oder anderen Kennzeichen eines Mitbewerbers begründet wird. Die Regelung weist Berührungspunkte zu § 4 Nr. 3 a) UWG und § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG auf. Lauterkeitsrechtlicher Anknüpfungspunkt im Falle von § 4 Nr. 3 a) UWG ist jedoch- - anders als in Art. 6 Abs. 2 der UGP -Richtlinie- - nicht die Irreführung, sondern der Leistungsschutz, konkret die Ausbeutung des guten Rufs. Der Regelungsgehalt von § 4 Nr. 3 UWG wird daher durch Art. 6 Abs. 2 der UGP -Richtlinie nicht berührt. 297 § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG betrifft irreführende Angaben über Merkmale von Waren und Dienstleistungen, wozu u. a. die „betriebliche Herkunft“ zählt, d. h. die Regelung steht damit in einem Konkurrenzverhältnis zum kennzeichenrechtlichen Schutz nach Maßgabe des Markengesetzes, das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Grundsatz zugunsten eines Vorrangs des Markenrechts verstanden wurde. Was die Frage des Anwendungsbereichs und des Verhältnisses von § 5 Abs. 2 UWG zu § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UWG sowie des Verhältnisses zwischen kennzeichenrechtlichem Schutz und lauterkeitsrechtlichen Ansprüchen angeht, spricht der Umstand, dass sich § 5 Abs. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG in ihrem Anwendungsbereich überschneiden, dafür, dass diese grundsätzlich nebeneinander anwendbar sind. 298 Beispiel: Wie der BGH in der Entscheidung „Bananabay II “ 299 zum Suchwort-Marketing entschieden hat, stellt die Benutzung eines mit einer Marke identischen Schlüsselworts keine irreführende geschäftliche Handlung i. S. v. § 5 Abs. 2 UWG dar. „Die bei Eingabe des dem Schlüsselwort entsprechenden Suchworts erscheinende Anzeige“ rufe-- so der BGH -- „keine Verwechslungsgefahr mit der Klagemarke hervor.“ Sie lasse „bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen Internetnutzer nicht den Eindruck entstehen, dass die dort beworbenen Produkte von der Klägerin [Markeninhaberin] oder einem mit ihr wirtschaftlich verbundenen Unternehmen stammen“. d) Weitere zur Irreführung geeignete Angaben (§ 5 Abs. 3 UWG ) Als irreführende Angaben (i. S. v. § 5 Abs. 1 S. 2 UWG ) kommen auch Angaben im Rahmen der vergleichenden Werbung sowie bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen in Betracht, die darauf zielen und geeignet sind, solche Angaben zu ersetzen (§ 5 Abs. 3 UWG ). Als Beispiel für eine irreführende Angabe im Rahmen vergleichender Werbung lässt sich ein Werbevergleich mit nicht mehr aktuellen Preisen eines Mitbewerbers anführen. In diesem 296 Köhler, WRP 2009, 109 ff. zu irreführenden geschäftlichen Handlungen bei und nach Vertragsschluss. 297 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 16 f.; näheres hierzu vgl. Köhler, WRP 2009, 109 ff. zu § 4 Nr. 9 lit. a UWG . 298 Köhler, WRP 2009, 109 ff. zu § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1. 299 BGH v. 13. 1. 2011, I ZR 125 / 07 „Bananabay II “. 575 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Fall ist der Grundsatz der Preiswahrheit verletzt, woraus sich eine Irreführung des Verbrauchers, der von einem Vergleich mit aktuellen Preisen ausgeht, ergibt. 300 e) Werbung mit sog. Mondpreisen (§ 5 Abs. 4 UWG ) Bereits im Zuge der UWG -Reform 2004 ist im Zusammenhang mit der Aufhebung des Verbots der Sonderveranstaltungen (§ 7 Abs. 1 UWG 1909) eine Präzisierung des Irreführungsverbotes für die Fallgruppe der Werbung mit einer Preissenkung („Mondpreise“) erfolgt. Danach „wird vermutet, dass es irreführend ist, mit der Herabsetzung eines Preises zu werben, sofern der Preis nur für eine unangemessen kurze Zeit gefordert worden ist“ (§ 5 Abs. 4 S. 1 UWG ). Die ergänzend getroffene Regelung der Beweislastumkehr, wonach im Streitfalle darüber, ob und in welchem Zeitraum der Preis gefordert worden ist, die Beweislast denjenigen trifft, der mit der Preisherabsetzung geworben hat (§ 5 Abs. 4 S. 2 UWG ), dient der besseren Durchsetzung. 301 f) Aufhebung der Regelung zur Irreführung über den Warenvorrat (§ 5 Abs. 5 UWG 2004) Eine weitere im Zuge der Reform des UWG 2004 erfolgte Präzisierung des allgemeinen Irreführungsverbots betraf die Fälle der Bewerbung von Waren bei unangemessener Bevorratung (Vorratsmenge). Danach war es „irreführend, für eine Ware zu werben, die unter Berücksichtigung der Art der Ware sowie der Gestaltung und Verbreitung der Werbung nicht in angemessener Menge zur Befriedigung der zu erwartenden Nachfrage vorgehalten ist“ (§ 5 Abs. 5 S. 1 UWG 2004). Diese Regelung der irreführenden Vorratswerbung war bereits im Zuge der UWG -Reform 2008 aufzuheben, da sich ihr Anwendungsbereich mit Nummer 5 des Anhanges I der UGP -Richtlinie („Lockangebote“; Nr. 5 des Anhanges zu § 3 Abs. 3 UWG ) überschnitt. Eine Beibehaltung der Regelung hätte dem Richtliniengebot der Vollharmonisierung widersprochen, da die im Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG geregelten geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern „stets“, d. h. ohne Rücksicht auf das Vorliegen weiterer Voraussetzungen, unzulässig sind (s. zuvor unter III . 3.). Die Streichung war nach Auffassung des Gesetzgebers zudem geboten, da eine „Doppelreglung“ zu Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit führe. 302 2. Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG UWG ) Die 2008 neu aufgenommene Vorschrift „Irreführung durch Unterlassen“ dient der Umsetzung von Art. 7 der UGP -Richtlinie und wurde im Zuge der UWG -Reform 2015 stärker an dessen Wortlaut angepasst und um zwei Absätze (§ 5a Abs. 5 und 6 UWG ) ergänzt. Was die Frage des Anwendungsbereichs von § 5a UWG angeht (B2C und / oder B2B), ist zu berücksichtigen, dass die Vorgaben nach Art. 7 der UGP -Richtlinie vollständig in den dem Schutz der 300 OLG Zweibrücken v. 26. 1. 2006, 4 U 233 / 04. 301 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 20; skeptisch bzgl. Durchsetzbarkeit gleichwohl Köhler, NJW 2004, 2121, 2125. 302 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 24 f. 576 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Verbraucher dienenden Absätzen § 5a Abs. 2 bis 6 UWG (B2C) umgesetzt wurden, so dass § 5a Abs. 1 UWG selbständige Bedeutung nur für sonstige Marktteilnehmer (B2B) haben kann. 303 Die Struktur der umfassenden Regelung ist für die Anwendung im B2C-Bereich unverändert dadurch gekennzeichnet, dass das Vorenthalten einer wesentlichen Information die Unlauterkeit der Irreführung durch Unterlassen begründet (§ 5a Abs. 2 UWG ) und dass die Wesentlichkeit der Informationen nach Art einer „Stufenleiter“ (§ 5a Abs. 2 bis 4 UWG ) bestimmt wird. 304 Wesentlich sind danach Informationen, die dem Verbraucher im Falle eines Angebots zur Verfügung zu stellen sind (§ 5a Abs. 3 Nr. 1 bis 5 UWG ), Informationen, die dem Verbraucher nach Unionsrecht nicht vorenthalten werden dürfen (§ 5a Abs. 4 UWG ) und solche, die nach Maßgabe der „kleinen Generalklausel“ (§ 5a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 UWG ) als wesentlich gelten. a) Verschweigen einer Tatsache (§ 5a Abs. 1 UWG ) „Bei der Beurteilung, ob das Verschweigen einer Tatsache irreführend ist, sind insbesondere deren Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung nach der Verkehrsauffassung sowie die Eignung des Verschweigens zur Beeinflussung der Entscheidung zu berücksichtigen“ (§ 5a Abs. 1 UWG ). Das frühere Merkmal „Bedeutung für die Entscheidung zum Vertragsschluss“ ( UWG 2004) wurde bereits 2008 durch das Merkmal „Bedeutung für die geschäftliche Entscheidung“ ersetzt, um deutlich zu machen, dass auch nachvertragliche geschäftliche Handlungen erfasst sind. Beispiel: Der BGH 305 hat entschieden, dass eine „Werbung mit hervorgehobenen Einführungspreisen, denen durchgestrichene (höhere) Normalpreise gegenübergestellt werden“, irreführend ist, „wenn sich aus ihr nicht eindeutig ergibt, ab welchem Zeitpunkt die Normalpreise verlangt werden.“ b) Vorenthaltung wesentlicher Informationen (§ 5a Abs. 2 UWG ) Gemäß § 5a Abs. 2 UWG handelt unlauter, „wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, 1. die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und 2. deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Als Vorenthalten gilt auch 303 Köhler, NJW 2016, 593, 596; ebenso Ohly, GRUR 2016, 3,5; zum Streitstand bezüglich § 5a Abs. 1 siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 2.1 ff. 304 Ohly, GRUR 2016, 3, 5. 305 BGH v. 17. 3. 2011, I ZR 81 / 09 „Original Kanchipur“. 577 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson 1. das Verheimlichen wesentlicher Informationen, 2. die Bereitstellung wesentlicher Informationen in unklarer, unverständlicher oder zweideutiger Weise. 3. die nicht rechtzeitige Bereitstellung wesentlicher Informationen.“. Bei § 5a Abs. 2 UWG handelt es sich um einen Unlauterkeitstatbestand, durch den das Tatbestandsmerkmal der Unlauterkeit im Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 UWG konkretisiert wird. 306 Er wurde im Zuge der UWG -Reform 2015 grundlegend geändert. Die Neufassung zielt auf eine stärkere Anpassung an die Vorgaben nach Art. 7 UGP -Richtlinie. Die Verwirklichung des Tatbestands erfordert, dass dem Verbraucher (1) wesentliche Informationen (2) vorenthalten werden, die (3) er benötigt, um eine informierte Entscheidung zu treffen und (4) das Vorenthalten muss geeignet sein, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (geschäftliche Relevanz). 307 Das Erfordernis der geschäftlichen Relevanz (Satz 1 Nr. 2) orientiert sich an Art. 7 Abs. 1 UGP -Richtlinie und entspricht den in § 4a UWG für die aggressiven und in § 5 UWG für die irreführenden geschäftlichen Handlungen geregelten Anforderungen. Durch die Verwendung des Begriffs „unlauter“ wird deutlich, dass die tatbestandsmäßigen irreführenden Unterlassungen ohne Prüfung weiterer Umstände nach § 3 Abs. 1 UWG unzulässig sind. Satz 2 stellt entsprechend den Vorgaben von Art. 7 Abs. 2 UGP -Richtlinie ergänzend klar, welche Fälle einem Vorenthalten wesentlicher Informationen gleichstehen. 308 Die Vorschrift „begründet keine generelle Informationspflicht, sondern verpflichtet allein zur Offenlegung solcher Informationen, die für die geschäftliche Entscheidung erhebliches Gewicht haben und deren Angabe unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann“. 309 Beispiele: ▶ Wenn das Angebot von Telefondienstleistungen nicht auch die Möglichkeit der fallweisen Betreiberauswahl („Call-by-Call“) erfasst, muss-- so der BGH 310 -- hierauf in der Werbung hingewiesen werden; dies gelte „auch dann, wenn für Gespräche ins deutsche Festnetz ein Pauschaltarif („Flatrate“) angeboten“ werde. ▶ Im Sinne des von der UGP -Richtlinie geforderten hohen Verbrauchschutzniveaus bezieht sich § 5a Abs. 2 UWG nicht nur auf Informationen, die sich bereits im Besitz des Unternehmers befinden. Vielmehr enthält der Unternehmer, wie der BGH 311 festgestellt hat, dem Verbraucher eine Information (im konkreten Fall die Kriterien für die Vergabe in der Werbung verwendeter Prüfzeichen) auch dann vor, wenn er sie sich diese mit zumutbarem Aufwand beschaffen könne und der Verbraucher sie nicht oder nicht so erhalte, dass er sie bei seiner geschäftlichen Entscheidung berücksichtigen könne. Bei 306 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 3.5. 307 Zu den Tatbestandsvoraussetzungen im Einzelnen siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 3. 6 ff. 308 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 15; BT -Drucks. 18 / 6571, S. 15. 309 BGH v. 16. 5. 2012, I ZR 74 / 11 „Zweigstellenbriefbogen“. 310 BGH v. 9. 2. 2012, I ZR 178 / 10 „Call-by-Call“. 311 BGH v. 21. 7. 2016, Az. I ZR 26 / 15 „ LGA tested“. 578 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Prüfzeichen bestehe-- ähnlich wie bei Warentests-- regelmäßig ein erhebliches Interesse des Verbrauchers zu erfahren, anhand welcher Kriterien diese Prüfung erfolgt ist. c) Wesentliche Informationen (§ 5a Abs. 3, Abs. 4 UWG ) Die Regelung des § 5a Abs. 3 UWG enthält in Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der UGP -Richtlinie eine nicht abschließende Liste von Informationen, die im Sinne von Absatz 2 als wesentlich anzusehen sind. Das heißt, der Unternehmer muss diese Informationen dem Verbraucher von sich aus und nicht erst auf Nachfrage zur Verfügung stellen. Eine Vorenthaltung dieser Informationen stellt in aller Regel eine Irreführung dar. Für das Vorliegen eines Waren- oder Dienstleistungsangebotes im Sinne von Abs. 3 kommt es darauf an, ob der Verbraucher aufgrund der mitgeteilten Angaben (Preis, Waren- und Dienstleistungsmerkmale) die Möglichkeit hat, eine auf den Erwerb der Ware oder die Inanspruchnahme der Dienstleistung gerichtete Willenserklärung abzugeben (invitatio ad offerendum, rechtlich bindendes Vertragsangebot oder sonstige Erklärung des Unternehmers, auf Grund derer sich der Verbraucher zur Abgabe einer Willenserklärung entschließen kann). Kein entsprechendes Angebot, das den Unternehmer zur Bereitstellung wesentlicher Informationen verpflichtet, wird im Allgemeinen bei bloßer Aufmerksamkeitswerbung vorliegen. 312 Folgende Informationen gelten als wesentlich im Sinne des Absatzes 2, sofern sie sich nicht unmittelbar aus den Umständen ergeben: ▶ § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG : „alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang“. Durch die Formulierung, dass die Informationen (nur) „in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang“ bereit gestellt werden müssen, soll erreicht werden, dass die Informationsanforderungen insbesondere bei geringwertigen Gegenständen des täglichen Bedarfs auf ein angemessenes Maß beschränkt werden. 313 ▶ § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG : „die Identität und Anschrift des Unternehmers, gegebenenfalls die Identität und Anschrift des Unternehmers, für den er handelt“. Ähnliche Informationspflichten ergeben sich bereits aus den Fernabsatzregeln des BGB (§§ 312c, 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a Abs. 1 Nr. 2 EGBGB ). Obgleich der Verstoß gegen die vorgenannten Informationspflichten bereits als Rechtsbruch lauterkeitsrechtlich durch § 3a UWG erfasst wird, erschien dem Gesetzgeber die ergänzende Regelung in § 5a Abs. 3 Nr. 2 UWG notwendig, da der Anwendungsbereich der vorgenannten Regeln im Fernabsatzrecht enger ist. 314 ▶ § 5a Abs. 3 Nr. 3 UWG : „der Gesamtpreis oder in Fällen, in denen ein solcher Preis auf Grund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- und Zustellkosten oder in Fällen, in denen diese Kosten nicht im Voraus berechnet werden 312 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 25. 313 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 26; allgemein zum Umfang der bereit zu stellenden Informationen vgl. Eu GH v. 12. 5. 2011, Rs. C-122 / 10 „Ving Sverige“. 314 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 26. 579 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson können, die Tatsache, dass solche zusätzlichen Kosten anfallen können“. Auch insoweit dürften die Verstöße gegen die entsprechenden Informationspflichten als Verstöße gegen die Bestimmungen der PA ngV als Rechtsbruch lauterkeitsrechtlich durch § 3a UWG erfasst werden. Dem Gesetzgeber erschien die ergänzende Regelung jedoch geboten, um die Bedeutung vorenthaltener Preisangaben für das Lauterkeitsrecht zu betonen. 315 ▶ § 5a Abs. 3 Nr. 4 UWG : „Zahlungs-, Liefer- und Leistungsbedingungen sowie Verfahren zum Umgang mit Beschwerden, soweit sie von Erfordernissen der unternehmerischen Sorgfalt abweichen“. Bei der 2015 erfolgten Ersetzung des Begriffs der „fachlichen Sorgfalt“ durch den Begriff der „unternehmerischen Sorgfalt“ handelt es sich um eine Folgeänderung zu der Änderung der Definition gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG . 316 ▶ § 5a Abs. 3 Nr. 5 UWG : „das Bestehen eines Rechts zum Rücktritt oder Widerruf“. Die Regelung hat im Wesentlichen nur klarstellende Bedeutung, da Verpflichtungen zur Belehrung über das Bestehen eines Widerrufsrechts bereits in den einschlägigen Verbraucherschutzbestimmungen enthalten sind (vgl. z. B. §§ 312g, 312d Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 246a Abs. 3 EGBGB ) und Verstöße bereits bislang lauterkeitsrechtlich als Rechtsbruch gemäß § 3a UWG erfasst werden. ▶ § 5a Abs. 4 UWG : „Als wesentlich im Sinne des Absatzes 2 gelten auch Informationen, die dem Verbraucher auf Grund unionsrechtlicher Verordnungen oder nach Rechtsvorschriften zur Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien für kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing nicht vorenthalten werden dürfen.“ Als wesentlich i. S. v. Absatz 2 werden auch alle Informationspflichten angesehen, die sich aus europäischen Rechtsvorschriften betreffend kommerzielle Kommunikation einschließlich Werbung und Marketing ergeben. Angesprochen sind damit insbesondere Informationsanforderungen, die sich aus Rechtsvorschriften zur Umsetzung der im Anhang II zur UGP - Richtlinie aufgeführten, nicht erschöpfenden Liste von 14 Richtlinien ergeben. Anders als in Absatz 3 besteht die Informationspflicht nach Absatz 4 nicht nur für Waren- und Dienstleistungsangebote, sondern für alle geschäftlichen Handlungen gegenüber Verbrauchern. 317 d) Beurteilung des Vorenthaltens von Informationen (§ 5a Abs. 5 UWG ) Gemäß § 5a Abs. 5 UWG sind bei „der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, … zu berücksichtigen: 1. räumliche oder zeitliche Beschränkungen durch das für die geschäftliche Handlung gewählte Kommunikationsmittel sowie 2. alle Maßnahmen des Unternehmers, um dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise als durch das Kommunikationsmittel nach Nummer 1 zur Verfügung zu stellen.“ 315 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 26. 316 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 15. 317 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 26 f. 580 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Absatz 5 wurde im Rahmen der UWG -Reform 2015 ergänzt und greift das ehemals in Absatz 2 enthaltene Kriterium der „Beschränkung des Kommunikationsmittels“ auf und ergänzt dieses um weitere Aspekte entsprechend den Vorgaben nach Art. 7 Abs. 3 UGP -Richtlinie, die bei der Beurteilung, ob Informationen vorenthalten wurden, zu berücksichtigen sind. Die Regelung ist z. B. in Fällen relevant, wenn Werbeanzeigen / Werbezettel nicht über ausreichenden Platz verfügen, um alle nach Absatz 3 und 4 wesentlichen Informationen bereitzustellen, wenn jedoch in deutlicher Weise auf die Bereitstellung entsprechender Informationen auf einer Internetseite verwiesen wird. 318 e) Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks (§ 5a Abs. 6 UWG ) Gemäß § 5a Abs. 6 UWG handelt unlauter, „wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“ aa) Einordnung § 5a Absatz 6 UWG wurde im Rahmen der UWG -Reform 2015 als eigener Absatz angefügt und ist als selbständiger Unlauterkeisttatbestand konzipiert. 319 Er regelt der Sache nach das Verbot der getarnten Werbung (auch Schleichwerbung genannt) und tritt, beschränkt auf den Schutz der Verbraucher, an die Stelle des bisher in § 4 Nr. 3 UWG 2008 gereglten Beispieltatbestands. Die getarnte Werbung ist damit systematisch richtig als Fall der Irreführung durch Unterlassung verortet. 320 Aus § 5 Abs. 6 UWG folgt, dass eine Informationspflicht dann besteht, wenn der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht erkennbar ist und sich insbesondere nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt. Im Zuge der Neuverortung der Regelung in 2015 als § 5a Abs. 6 UWG wurde ihr Anwendungsbereich auf den Schutz der Verbraucher (B2C-Bereich) beschränkt und auf eine spezielle, § 4 Nr. 3 UWG 2008 entsprechende Regelung zum Schutz der insoweit gleichfalls schutzbedürftigen sonstigen Marktteilnehmer verzichtet. Der Gesetzgeber ging offenbar davon aus, dass deren Schutz „durch den Regelungsgehalt in § 5a UWG “ gewährleistet ist, 321 was sich für den B2B-Bereich nur auf Absatz 1 beziehen kann. Mit Blick auf den „schwammigen Charakter“ von § 5 Abs. 1 UWG wird es jedoch überzeugend als vorzugswürdig angesehen, die präziese Regelung in § 5a Abs. 6 UWG analog auch im B2B-Bereich anzuwenden. 322 bb) Schleichwerbung, Product Placement, Trennungsgebot Wie bereits erwähnt, ist § 5a Abs. 6 UWG an die Stelle von § 4 Nr. 3 UWG 2008 getreten. Dieser diente der Umsetzung von Art. 7 Abs. 2 der UGP -Richtlinie und hat nach dem Willen des Gesetzgebers das medienrechtliche Schleichwerbungsverbot (vgl. §§ 7 Abs. 7, 58 Abs. 1 RS tV, 318 BT -Drucks. 18 / 4535, S. 15. 319 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 7.10. 320 Ohly, GRUR 2016, 3, 6. 321 BT -Drucks. 18 / 6571, S. 14. 322 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 2.16, 7.9. 581 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson § 6 TMG ) auf alle Formen der Werbung ausgedehnt. Von der unzulässigen Schleichwerbung (zum Begriff vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 8 RS tV) ist im Bereich des Rundfunks und der Telemedien die Produktplatzierung (sog. Product Placement) zu unterscheiden (vgl. Begriff § 2 Abs. 2 Nr. 11 RS tV), die unter den im Rundfunkstaatsvertrag geregelten Voraussetzungen ausnahmsweise zulässig ist (§§ 7, 58 Abs. 3 i. V. m. 15, 44 RS tV). 323 Von § 4 Nr. 3 UWG 2008 (jetzt 5a Abs. 6) erfasst werden sollte auch die Tarnung sonstiger Wettbewerbshandlungen, wie beispielsweise die Gewinnung von Adressen unter Verschweigen einer kommerziellen Absicht. 324 § 5a Abs. 6 UWG ist als Nachfolgeregelung von § 4 Nr. 3 UWG 2008 auch die gesetzliche Grundlage des früher richterrechtlich aus §§ 1, 3 UWG 1909 abgeleiteten sog. Trennungsgebots. Nach dem Trennungsgebot- - auch Verbot der redaktionellen Werbung genannt- - müssen Werbung und redaktioneller Text stets klar voneinander getrennt sein, d. h. wettbewerbsrelevante geschäftliche Handlungen müssen ihren werbenden Charakter eindeutig erkennen lassen. 325 Eine Verschleierung liegt stets vor, wenn das äußere Erscheinungsbild einer geschäftlichen Handlung so gestaltet ist, dass die Marktteilnehmer den geschäftlichen Charakter nicht klar und eindeutig erkennen können. 326 Hintergrund der Regelung ist, dass Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer kommerziellen Äußerungen meist eher kritisch und skeptisch begegnen, während sie typischerweise geneigt sind, neutralen, d. h. nicht von gewerblichen Interessen geleiteten Handlungen und Äußerungen eher Vertrauen entgegen zu bringen. Dieses Vertrauen soll durch das Verbot der Verschleierung des Werbecharakters von geschäftlichen Handlungen vor Missbrauch geschützt werden. 327 cc) Beispiele ▶ Wie der BGH 328 entschieden hat, verstößt ein „formularmäßig aufgemachtes Angebotsschreiben für einen Eintrag in ein Branchenverzeichnis, das nach seiner Gestaltung und seinem Inhalt darauf angelegt ist, bei einem flüchtigen Leser den Eindruck hervorzurufen, mit der Unterzeichnung und Rücksendung des Schreibens werde lediglich eine Aktualisierung von Eintragungsdaten im Rahmen eines bereits bestehenden Vertragsverhältnisses vorgenommen, gegen das Verschleierungsverbot des § 4 Nr. 3 [ UWG 2008-- jetzt § 5a Abs. 6 UWG ] sowie gegen das Irreführungsverbot des § 5 Abs. 1 UWG “. ▶ Auch ein in einer Zeitschrift abgedruckter Beitrag, der mit „Preisrätsel“ überschrieben ist und sowohl redaktionelle als auch werbliche Elemente enthält, verstößt- - so der BGH 329 -- gegen das Verschleierungsverbot, „wenn der werbliche Charakter der Veröffentlichung für einen durchschnittlich informierten und situationsadäquat aufmerksamen 323 Eingehend hierzu Schwartmann / Hahn / Lamprecht-Weißenborn, Kap. 6, Rdn. 34 ff.; ferner Schwartmann / Depprich, Kap. 31, Rdn. 98 ff. 324 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 17. 325 Fezer / Hoeren, UWG , § 4, S. 3, Rn. 20. 326 BGH v. 30. 6. 2011, I ZR 157 / 10 „Branchenbuch Berg“. 327 BGH v. 1. 7. 2010, I ZR 161 / 09 „Flappe“; Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 5a Rdn. 7.4. 328 BGH v. 30. 6. 2011, I ZR 157 / 10 „Branchenbuch Berg“. 329 BGH v. 31. 10. 2012, I ZR 205 / 11 „Preisrätselgewinnauslobung V“. 582 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Leser nicht bereits auf den ersten Blick, sondern erst nach einer analysierenden Lektüre des Beitrags erkennbar ist“. ▶ Demgegenüber liegt eine Verschleierung des Werbecharakters i. S. v. § 5a Abs. 6 UWG „bei einer mehrseitigen Zeitschriftenwerbung nicht vor, wenn der Werbecharakter nach dem Inhalt der gesamten Werbung unverkennbar ist und bei einer Kenntnisnahme nur der ersten Seite deren isolierter Inhalt keine Verkaufsförderung bewirkt“ (im konkreten Fall war dies ein halbseitiges Vorschaltblatt über der Titelseite eines Wirtschaftsmagazins, im Branchenjargon „Flappe“ genannt). 330 Schleichwerbung Produktplazierung („Product Placement“) Medienrechtliche Begriffsbestimmung § 2 Abs. 2 Nr. 8 RS tV Medienrechtliche Begriffsbestimmung § 2 Abs. 2 Nr. 11 RS tV Grundsätzlich unzulässig § 5a Abs. 6 UWG , § 7 Abs. 7 S. 1 RS tV Keine Ausnahme vom Verbot Ausnahmsweise zulässig §§ 7 Abs. 7 S. 2, 58 Abs. 3 i. V. m. 15, 44 RS tV VIII. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG ) Die Regelung der vergleichenden Werbung hat weder im Zuge der UWG -Reform 2004 noch im Zuge der UWG -Reformen 2008 und 2015 eine materielle Änderung erfahren. Die Vorschrift des § 6 UWG zur vergleichenden Werbung entspricht im Wesentlichen der alten Regelung in § 2 UWG 1909. 1. Rechtsentwicklung, Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips Mit Blick auf die vergleichende Werbung ergab sich für den Gesetzgeber im Zuge der verschiedenen UWG -Reformen kein neuerlicher Handlungsbedarf, da das Recht der vergleichenden Werbung bereits durch das Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften vom 1. 9. 2000 331 an einschlägige europäische Vorgaben angepasst wurde. Konkret diente das Änderungsgesetz der Umsetzung der Richtlinie 97 / 55 / EG zur Änderung der Irreführungsrichtlinie (84 / 450 / EWG ) zwecks Einbeziehung der vergleichenden Werbung (s. o. § 82 IV 3. b). Diese Richtlinie zielte auf eine Harmonisierung der rechtlichen Bedingungen der vergleichenden Werbung in den Mitgliedsstaaten. Sie bewertet vergleichende Werbung im Grundsatz wettbewerbs- und verbraucherpolitisch als positiv und sieht Chancen darin, dass die Vorteile von Erzeugnissen objektiv herausgestellt werden können, ferner darin, dass durch vergleichende Werbung der Wettbewerb zwischen Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher gefördert wird (Erwägungsgrund 2). Bereits das vorerwähnte Änderungsgesetz aus dem Jahre 2000, durch das die vergleichende Werbung in enger Anlehnung an die Vorgaben der Irreführungsricht- 330 BGH v. 1. 7. 2010, I ZR 161 / 09 „Flappe“. 331 BGB l. I 2000, S. 1374. 583 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson linie erstmals eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfuhr (in § 2 UWG 1909), hatte dazu geführt, dass das Recht der vergleichenden Werbung erheblich liberalisiert wurde. Bis zum Inkrafttreten der vorerwähnten Richtlinie (97 / 55 / EG ) war die Rechtsprechung in Deutschland jahrzehntelang davon ausgegangen, dass vergleichende Werbung grundsätzlich wettbewerbsrechtlich unzulässig und nur ausnahmsweise bei Vorliegen besonderer Umstände unbedenklich sei. Dem lag die Erwägung zu Grunde, dass es mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren sei, wenn der Werbende sein Produkt mit anderen vergleichen müsse, um den Verbraucher von den Vorteilen seines Produktes zu überzeugen. Die „Krücke“ des Produktvergleichs stehe in Widerspruch zum Leitbild des Leistungswettbewerbs. 332 Diese kritische Beurteilung der vergleichenden Werbung auf der Grundlage des Regel-Ausnahme-Prinzips (Grundsätzliche Unzulässigkeit- - ausnahmsweise Zulässigkeit) wurde vom BGH erst nach In-Kraft-Treten der Irreführungsrichtlinie aufgegeben. Auf der Grundlage der Richtlinie bzw. der in Umsetzung der Richtlinie erfolgten gesetzlichen Regelung (in § 2 UWG 1909) hat die wettbewerbsrechtliche Beurteilung der vergleichenden Werbung eine grundlegende Änderung erfahren, mit der eine Umkehrung des alten Regel-Ausnahme-Verhältnisses einherging. Vergleichende Werbung ist danach im Grundsatz seither zulässig und nur ausnahmsweise bei Verstoß gegen die in der Irreführungsrichtlinie (vgl. Art. 3a) bzw. im UWG (früher § 2 Abs. 2 1909, jetzt § 6 Abs. 2 UWG ) festgelegten Bedingungen für die Zulässigkeit vergleichender Werbung unzulässig. 2. Begriff der vergleichenden Werbung (§ 6 Abs. 1 UWG ) Vergleichende Werbung ist gesetzlich definiert als „jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht“ (§ 6 Abs. 1 UWG ). Die Begriffsbestimmung der vergleichenden Werbung ist von Bedeutung, da sich die gesetzlichen Zulässigkeitsanforderungen nur auf Werbemaßnahmen beziehen, die unter den Begriff der vergleichenden Werbung (i. S. v. § 6 Abs. 1 UWG ) fallen, während für alle anderen Formen der Werbung, auf die dies nicht zutrifft, lediglich die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen zur Anwendung kommen. 333 a) Erfordernis eines Vergleichs Eine gewisse Unschärfe ergibt sich daraus, dass die Begriffsbestimmung nach § 6 Abs. 1 UWG -- ebenso wie die entsprechende Definition der Irreführungsrichtlinie (Art. 2 Nr. 2a)-- vom Wortlaut her auch Werbeformen erfasst, die zwar einen Mitbewerber erkennen lassen, bei denen es aber an einem Vergleich von Waren oder Dienstleistungen fehlt. Dennoch ist die Begriffsbestimmung richtigerweise einschränkend dahingehend auszulegen, dass nur Werbeformen erfasst sind, die den Werbenden oder seine Produkte im Sinne eines Vergleichs 332 Nordmann, GRUR Int. 2002, 297. 333 Plaß, NJW 2000, 3161, 3162. 584 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson in Beziehung zu einem oder mehreren Wettbewerbern oder den von diesen angebotenen Produkten setzen. Das heißt, aus der Werbung muss sich ergeben, „dass sich unterschiedliche, aber hinreichend austauschbare Produkte des Werbenden und des Mitbewerbers gegenüberstehen“. 334 Für ein derartiges Begriffsverständnis spricht zum einen bereits der Begriff „vergleichende Werbung“, zum anderen der Umstand, dass mit der Regelung, wie sich aus § 6 Abs. 2 UWG (bzw. Art. 3a Abs. 1 der Irreführungsrichtlinie) ergibt, offensichtlich ja gerade eine Sonderregelung für die Fälle des „Vergleichs“ von Produkten getroffen werden sollte. 335 Voraussetzung für die Beurteilung vergleichender Werbung nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 UWG ist also stets, dass überhaupt ein Vergleich vorgenommen wird. Eine vergleichende Werbung liegt daher nicht vor, wenn „in der Werbung für ein Produkt ein fremdes Produkt eingesetzt wird, ohne dass das eine dem anderen Produkt als Kaufalternative gegenübergestellt wird“. 336 b) Erkennbarkeit eines Mitbewerbers Entscheidend für das Vorliegen einer vergleichenden Werbung ist, wie sich aus der Begriffsbestimmung des § 6 Abs. 1 UWG ergibt, dass die Werbung einen Mitbewerber-- unmittelbar oder mittelbar- - erkennbar macht, was aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise zu beurteilen ist. Während ein Fall der unmittelbaren Erkennbarkeit nur gegeben ist, wenn der Mitbewerber und / oder seine Produkte im Vergleich namentlich benannt oder bildlich wiedergegeben oder sonst eindeutig identifizierbar sind, reicht es für eine mittelbare Erkennbarkeit aus, dass der in Bezug genommene Mitbewerber und / oder seine Produkte ohne Nennung des Namens unter Hinzuziehung sonstiger Umstände erkennbar gemacht sind (z. B. durch die Anknüpfung an dessen Werbung oder an sonstige Verhältnisse des Mitbewerbers, wie z. B. dessen Herstellungs- oder Verkaufsort). Ausreichend für eine mittelbare Erkennbarkeit ist auch, wenn eine Werbemaßnahme zwar auf mehrere Mitbewerber gemünzt ist, sofern die einzelnen in Bezug genommenen gruppenangehörigen Unternehmen aber noch identifizierbar sind. 337 3. Unzulässigkeit vergleichender Werbung (§ 6 Abs. 2 UWG ) Die Beantwortung der in der Praxis bedeutsamen Frage, welche rechtlichen Grenzen bei der Gestaltung der grundsätzlich als zulässig erachteten vergleichenden Werbung vom Werbenden zu beachten sind, ergibt sich aus § 6 Abs. 2 UWG . In Umsetzung der durch die Irreführungsrichtlinie vorgegebenen Zulässigkeitskriterien (Art. 3a Abs. 1) enthält § 6 Abs. 2 UWG einen abschließenden Katalog von Verbotstatbeständen, aus dem sich ergibt, unter welchen Voraussetzungen vergleichende Werbung als unlauter i. S. v. § 3 Abs. 1 UWG anzusehen ist. 334 BGH v. 19. 5. 2011, I ZR 147 / 09 „Coaching Newsletter“. 335 Vgl. BT -Drucks. 14 / 2959, S. 10. 336 BGH v. 15. 7. 2004, I ZR 37 / 01 „Aluminiumräder“. 337 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 6 Rdn. 79 ff. 585 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson a) Vergleichbarkeit nach Bedarf und Zweckbestimmung (§ 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG ) Vergleichende Werbung ist nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 UWG unlauter, „wenn der Vergleich sich nicht auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung bezieht.“ Aus der Regelung folgt zunächst, dass sich die vergleichende Werbung stets auf einen Vergleich von Waren oder Dienstleistungen beschränken muss. Sind demgegenüber Gegenstand des Vergleichs nicht Waren oder Dienstleistungen, sondern die persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse des Werbenden oder seines Mitbewerbers (sog. unternehmensbezogener Vergleich), führt dies zur Unzulässigkeit des Vergleichs. 338 Durch das weitere Erfordernis, dass sich die verglichenen Waren oder Dienstleistungen auf den „gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung“ beziehen müssen, soll ausgeschlossen werden, dass gewissermaßen „Äpfel mit Birnen“ verglichen werden. Anerkannt ist, dass die verglichenen Waren oder Dienstleistungen zwar nicht völlig identisch sein müssen, sie müssen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise jedoch austauschbar (substituierbar) sein. 339 b) Voraussetzungen des Eigenschaftsvergleichs (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ) Vergleichende Werbung ist gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG ferner unlauter, „wenn der Vergleich nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist.“ Aus der Vorschrift folgt zunächst, dass nur „Eigenschaften“ von Waren oder Dienstleistungen verglichen werden dürfen. Als Eigenschaften sollen neben den auf der natürlichen Beschaffenheit des Produkts oder der Leistung beruhenden Merkmalen auch deren tatsächliche oder rechtliche Verhältnisse und Beziehungen zur Umwelt gelten, soweit sie nach der Verkehrsanschauung für die Wertschätzung oder Verwendbarkeit von Bedeutung sind, 340 generell also alle Faktoren, die für die Nachfragentscheidung aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise eine Rolle spielen. Als Eigenschaften in diesem weit gefassten Sinne zu qualifizieren sind daher z. B. auch die Art und Weise der Herstellung einer Ware, ihre Produktion im Inland oder Ausland, die Verletzung von Umwelt-, Steuer- oder Personenschutzvorschriften im Rahmen der Produktion, die Lieferbarkeit bzw. Erhältlichkeit (etc.). Auch Umsatzzuwächse von Produkten können bei einer an Fachverkäufer gerichteten Werbung Eigenschaften dieser Waren i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG sein. 341 Gleichwohl sah sich der Gesetzgeber zu der Klarstellung veranlasst, dass zu den Eigenschaften auch der Preis als relevante Bezugsgröße eines Vergleichs gehört, da der Preis nach deutschem Zivilrechtsverständnis nicht zu den Eigenschaften einer Sache zählt. 342 Durch das Erfordernis der Objektivität, das vom Gesetz- 338 Plaß, NJW 2000, 3161, 3164. 339 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 6 Rdn. 51 f. 340 Plaß, NJW 2000, 3161, 3164. 341 BGH v. 7. 12. 2006, I Zr 166 / 03 „Umsatzzuwachs“. 342 Vgl. BT -Drucks. 14 / 2959, S. 11. 586 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson geber im Sinne eines „Sachlichkeitsgebotes“ verstanden wird, 343 sowie die Beschränkung des Vergleichs auf „wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften“ sind pauschale, unsubstantiierte Vergleiche als unzulässig ausgeschlossen. Der Verbraucher soll davor geschützt werden, durch den Vergleich unmaßgeblicher Eigenschaften irregeführt zu werden. Er soll vielmehr die Möglichkeit haben, die verglichenen Produkte oder Dienstleistungen in den maßgeblichen Punkten, auf die sich der Vergleich bezieht, auch zu überprüfen. Beispiel: Wie der BGH 344 entscheiden hat, kann ein im Rahmen einer vergleichender Werbung vorgenommener Preisvergleich irreführend sein, „wenn sich die Grundlagen für die Preisbemessung nicht unwesentlich unterscheiden“. Im konkreten Fall waren Grundlage für die Preisbemessung der Beförderung von Paketen und Päckchen einerseits deren Abmessungen, andererseits deren Gewicht. c) Ausschluss von Verwechslungen (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG ) Unlauter ist ein Vergleich nach § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG auch dann, „wenn der Vergleich im geschäftlichen Verkehr zu einer Gefahr von Verwechslungen zwischen dem Werbenden und einem Mitbewerber oder zwischen den von diesen angebotenen Waren oder Dienstleistungen oder den von ihnen verwendeten Kennzeichen führt.“ Der Verbotstatbestand richtet sich also gegen die Begründung der Gefahr von Verwechslungen in Bezug auf die Person des Werbenden, seine Waren oder Dienstleistungen oder seine Kennzeichen. Eine unlautere Begründung einer Verwechslung liegt vor, wenn der durchschnittlich informierte und verständige, situationsangemessen aufmerksame Umworbene annimmt, die Mitbewerber seien identische oder zumindest wirtschaftlich verbundene Unternehmen, oder glaubt, die Waren, Dienstleistungen oder Unterscheidungszeichen stammten aus demselben oder jedenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen. 345 Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass die Benutzung fremder Kennzeichen im Rahmen der vergleichenden Werbung in der Regel nicht kennzeichenmäßig, also zur Kennzeichnung der eigenen Waren oder Dienstleistungen, sondern rein bezugnehmend erfolgt. Das Kennzeichenrecht gewährt dem Kennzeicheninhaber aber nur Schutz bei einer Verwechslungsgefahr, die durch eine zeichenmäßige Benutzung des geschützten Kennzeichens begründet wird, so dass die Verwendung des Kennzeichens eines Mitbewerbers im Rahmen der vergleichenden Werbung in der Regel mangels kennzeichenmäßigen Gebrauchs keine Kennzeichenverletzung darstellt. Um diese, sich für den Bereich der anlehnenden Werbung im Verhältnis zum Kennzeichenrecht ergebende Schutzlücke zu schließen, bedurfte es eines ergänzenden Schutzes des Mitbewerbers davor, dass Wettbewerber ihre Produkte durch die Gestaltung einer vergleichenden Werbung so stark in die Nähe ihrer Produkte oder Dienstleistungen rücken, dass der Verkehr sie verwechselt. 346 Beispiel: Der BGH hatte über einen 343 Vgl. BT -Drucks. 14 / 2959, S. 11. 344 BGH v. 19. 11. 2009, I ZR 141 / 07 „Paketpreisvergleich“. 345 Plaß in HK -WettbR, § 6 Rdn. 98. 346 Plaß, NJW 2000, 3161, 3165; Plaß in HK -WettbR, § 6 Rdn. 101; ferner Eu GH v. 12. 6. 2008, Rs. C-533 / 06 „O2 Holdings Limited / Hutchison 3G UK Limited“. 587 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Fall aus dem Bereich des Suchwort-Marketings zu entscheiden, in dem ein Unternehmen in einer bestimmten Zeile seiner Internetseite, von der es wusste, dass die Internetsuchmaschine Google auf die hier angegebenen Wörter zugreift, zusammen mit seiner Produktbezeichnung die Bezeichnung „power ball“ eingegeben, wobei die Marke „ POWER BALL “ als Marke für die gleichen Produkte eines Wettbewerbes geschützt war. Da zwischen den Kollisionszeichen Verwechslungsgefahr i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG bestehe, scheide eine zulässige vergleichende Werbung aus, wobei offen bleiben könne, ob im konkreten Fall überhaupt eine vergleichende Werbung i. S. v. § 6 Abs. 1 UWG vorliege. 347 d) Rufausnutzung und Rufbeeinträchtigung (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ) Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ist vergleichende Werbung ferner unlauter, „wenn der Vergleich den Ruf des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauter Weise ausnutzt oder beeinträchtigt“. Hintergrund des Rufausbeutungsverbotes ist-- ähnlich wie beim Verwechslungsschutz (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG )-- eine Schutzlücke für den Bereich der vergleichenden Werbung im Kennzeichenrecht. Da die fremden Kennzeichen im Rahmen vergleichender Werbung in der Regel nicht kennzeichenmäßig verwendet werden, bietet das Kennzeichenrecht keinen ausreichenden Schutz vor einer fremde Kennzeichen lediglich in Bezug nehmenden Werbung, sodass es des zusätzlichen Schutzes nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG bedurfte. 348 Voraussetzung für dessen Eingreifen ist, dass die Rufausbeutung des Zeichens gerade durch einen Vergleich erfolgt. Nicht erfasst wird die Ausbeutung des guten Rufs einer Ware oder Dienstleistung außerhalb eines Vergleichs, die sich nach § 4 Nr. 3 lit. b UWG beurteilt. Als Beispiel für die unlautere Rufausbeutung eines Kennzeichens lässt sich der Vergleich eines besonders bekannten Markenproduktes mit einem no-name-Produkt anführen, sofern es an jeglicher Vergleichsbasis fehlt und der Vergleich erkennbar nur vorgenommen wird, um das no-name-Produkt in den Augen der Verbraucher in die Nähe des Markenproduktes zu rücken. 349 Andererseits stellt eine tabellenartige Gegenüberstellung der unter einer Hausmarke vertriebenen Produkte eines Werbenden mit den Markenprodukten der Marktführer in einem Preisvergleich regelmäßig keine unlautere Ausnutzung der Wertschätzung der Kennzeichen i. S. von § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG dar. 350 Eine Beeinträchtigung eines fremden Zeichens, d. h. eine Herabsetzung oder Verunglimpfung, liegt vor, wenn der Vergleich in einer über die mit jedem kritischen Vergleich zwangsläufig einhergehende Beeinträchtigung hinausgehend abfällig, abwertend oder unsachlich ist. 351 Wie der BGH 352 klargestellt hat, setzt der Tatbestand des § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG eine herabsetzende oder verunglimpfende Beeinträchtigung des Rufs des betroffenen Kennzeichens voraus, eine bloße Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft steht dem nicht gleich. 347 BGH v. 4. 2. 2010, I ZR 51 / 08 „ POWER BALL “. 348 Plaß in HK -WettbR, § 6 Rdn. 105. 349 Beispiel nach Plaß, NJW 2000, 3161, 3166. 350 BGH v. 21. 3. 2007, I ZR 184 / 03 „Eigenpreisvergleich“. 351 Plaß in HK -WettbR, § 6 Rdn. 105. 352 BGH v. 28. 9. 2011, I ZR 48 / 10 „Teddybär“. 588 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson e) Herabsetzung und Verunglimpfung (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ) Unlauter ist ein Vergleich auch dann, wenn „die Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabgesetzt oder verunglimpft werden“ (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG ). Klargestellt ist damit, dass im Rahmen der vergleichenden Werbung nicht nur die Beeinträchtigung fremder Kennzeichen (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ), sondern auf Mitbewerber gemünzte Herabsetzungen und Verunglimpfungen generell unzulässig sind. Was die Kriterien für die Annahme einer Herabsetzung oder Verunglimpfung angeht, gilt das zur Beeinträchtigung i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG Gesagte entsprechend (s. zuvor unter d). Ob in einem Werbevergleich enthaltene Aussagen eine pauschale Abwertung des fremden Erzeugnisses enthalten, ist nicht anhand einer isolierten Betrachtung der einzelnen Erklärungen, sondern aufgrund des Gesamtzusammenhangs der Angaben zu beurteilen. 353 Der Gesetzgeber hat die Regelung seinerzeit als eine Ergänzung zur „Anschwärzung“ (§ 14 UWG 1909, jetzt § 4 Nr. 2 UWG ) verstanden, da alle herabsetzenden Äußerungen erfasst würden, unabhängig davon, ob sie erweislich wahr sind oder nicht. 354 Näher liegt aus heutiger Sicht sicherlich die Einordnung als Sonderregelung zum Tatbestand des § 4 Nr. 1 UWG , der das herabsetzende und verunglimpfende Wettbewerbsverhalten, das § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG für den speziellen Fall der vergleichenden Werbung verbietet, jetzt auch außerhalb der vergleichenden Werbung generell für unlauter erklärt. Beispiel: In einem Rechtsstreit zwischen dem Springer-Verlag und dem Verlag der „ TAZ “ hatte der BGH 355 über einen im Trinkhallen-Milieu angesiedelten Kino- Werbespot der TAZ zu entscheiden, durch den der Springer-Verlag die BILD -Zeitung und deren Leser herabgesetzt sah. Der BGH hat das Vorliegen einer unlauteren vergleichenden Werbung i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG anders als das Berufungsgericht jedoch verneint, da „eine humorvolle oder ironische Anspielung auf einen Mitbewerber oder dessen Produkte in einem Werbevergleich, die weder den Mitbewerber dem Spott oder der Lächerlichkeit“ preisgebe „noch von den Adressaten der Werbung wörtlich und damit ernst genommen und daher nicht als Abwertung verstanden“ werde, keine unlautere Herabsetzung darstelle. f) Darstellung als Imitation oder Nachahmung (§ 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG ) Schließlich ist es gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG auch unlauter, „wenn der Vergleich eine Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware darstellt.“ Die Regelung kann als besonderer Fall der Rufausbeutung (i. S. v. § 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG ) verstanden werden. Sie erfasst Fälle vergleichender Werbung, in denen der Werbende den guten Ruf einer Konkurrenzware dadurch ausbeutet, dass er seine eigenen Produkte in der Werbung als Imitation oder Nachahmung der unter einem geschützten Zeichen vertriebenen Konkur- 353 BGH v. 20. 9. 2007, I ZR 171 / 04 „Saugeinlagen“. 354 BT -Drucks. 14 / 2959, S. 12. 355 BGH v. 1. 10. 2009, I ZR 134 / 07 „Gib mal Zeitung“. 589 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson renzware herausstellt. 356 Die Regelung zielt auf den Schutz der Hersteller von Originalmarkenware (insbesondere von Medikamenten, Parfüms, Zubehör, Ersatzteilen), die sich-- z. B. wegen Ablauf des Patentschutzes-- gegen die Imitation der Ware als solche nicht (mehr) zur Wehr setzen können. 357 Nach der Rechtsprechung des BGH erfordert die Darstellung einer Ware oder Dienstleistung als Imitation oder Nachahmung einer unter einem geschützten Kennzeichen vertriebenen Ware oder Dienstleistung i. S. von § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG , dass die Ware oder Dienstleistung mit einem besonderen Grad an Deutlichkeit, der über ein bloßes Erkennbarmachen i. S. von § 6 Abs. 1 UWG hinausgeht, als eine Imitation oder Nachahmung des Produkts eines Mitbewerbers beworben wird. 358 Für eine derartige deutliche Imitationsbehauptung reiche es nicht aus, „wenn das beworbene Produkt erst aufgrund zu ermittelnder weiterer Umstände als Imitat erkennbar wird, die außerhalb der Gesamtdarstellung der Werbung und des präsenten Wissens der durch sie angesprochenen Adressaten liegen“. 359 IX. Unzumutbare Belästigungen (§ 7 UWG ) Die lauterkeitsrechtlichen Regelungen zur Belästigungswerbung sind in den vergangenen Jahren immer stärker in den Blickpunkt des allgemeinen Interesses gelangt. Nach ihnen beurteilt sich nicht zuletzt, ob und unter welchen Voraussetzungen Fernkommunikationstechnologien (Telefon, Fax, E-Mail, SMS u. a.) für Werbezwecke, insbesondere im Bereich des Direktmarketings, eingesetzt werden dürfen. Die Regelungen zur Belästigungswerbung sind daher für die Wirtschaftspraxis von erheblicher Bedeutung. Während noch der Referentenentwurf zur UWG -Reform 2004 vorsah, die Belästigungswerbung als einen Beispieltatbestand in den Katalog des § 4 UWG zu integrieren, 360 hat sich der Gesetzgeber im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zur UWG -Reform 2004 dazu entschieden, die Belästigungswerbung in einer separaten Vorschrift (§ 7 UWG ) als einen eigenständigen Tatbestand zu regeln. Dies ist sowohl im Hinblick auf den Regelungsumfang als auch im Hinblick auf die herausragende Bedeutung des Regelungsgegenstandes zu begrüßen. 1. Generalklauselartige Umschreibung der Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG ) Die Vorschrift enthält zunächst eine generalklauselartige Umschreibung der unzumutbaren Belästigung als unzulässige geschäftliche Handlung (§ 7 Abs. 1 S. 1 UWG ). Sie knüpft damit an die von der Rechtsprechung nach altem Recht (§ 1 UWG 1909) entwickelte Fallgruppe der „Belästigung“ an. 361 Der Tatbestand des § 7 Abs. 1 S. 1 UWG ist-- anders als die Regelungen in Abs. 1 S. 2 und den Absätzen 2 und 3 UWG -- nicht auf Werbung beschränkt. Die gesetzliche Formulierung in § 7 Abs. 1 S. 1 UWG „Eine geschäftliche Handlung, durch die ein Marktteilneh- 356 Plaß in HK -WettbR, § 6 Rdn. 132. 357 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 6 Rdn. 182. 358 BGH v. 6. 12. 2007, I ZR 169 / 04 „Imitationswerbung“. 359 BGH v. 5. 5. 2011, I ZR 157 / 09 „Creation Lamis“. 360 Vgl. Ref.-Entwurf (Stand: 23. 1. 2003), § 4 Nr. 3 UWG -E. 361 Zur Fallgruppe der Belästigung vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 7 Rdn. 1. 590 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson mer in unzumutbarer Weise belästigt wird, ist unzulässig“ geht bereits auf die UWG -Reform 2008 zurück. Sie diente der Klarstellung, dass die Bagatellklausel des § 3 Abs. 1 UWG 2008 (Spürbarkeit der Beeinträchtigung) nicht neben § 7 UWG anwendbar ist. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass das Merkmal der Unzumutbarkeit („in unzumutbarer Weise“) eine spezielle Bagatellschwelle darstellt, die bereits eine umfassende Wertung ermögliche und erfordere. Eine Doppelregelung durch eine nachgeschaltete Prüfung nach Maßgabe der allgemeinen Erheblichkeitsschwelle des § 3 Abs. 1 UWG 2008 sei daher nicht sinnvoll. 362 Bereits seit der UWG -Reform 2008 handelt es sich bei § 7 UWG also um einen eigenständigen von der Generalklausel des § 3 UWG abgekoppelten Belästigungstatbestandes. 363 Die Regelung in § 7 Abs. 1 S. 2 UWG stellt klar, dass eine unzulässige Belästigungswerbung i. S. v. § 7 Abs. 1 S. 1 UWG insbesondere dann vorliegt, wenn erkennbar ist, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese nicht wünscht. Beispiele: Wie der BGH 364 entschieden hat, stellt „das Zusenden unbestellter Waren regelmäßig ebenso wie die entsprechende Ankündigung eine unzumutbare Belästigung dar.“ Insoweit werde- - so der BGH - - das generelle Verbot unzumutbarer Belästigungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 UWG durch die speziellere Regelung in Nr. 29 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG in deren Anwendungsbereich nicht verdrängt, sondern ergänze diese. Ferner stellt auch die gezielte Ansprache von Passanten an öffentlichen Plätzen zu Werbezwecken grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung dar, wenn der Werbende für den Angesprochenen nicht als solcher eindeutig zu erkennen ist. 365 2. Anwendungsfälle unzumutbarer Belästigungswerbung (§ 7 Abs. 2 UWG ) § 7 Abs. 2 UWG enthält Anwendungsfälle der unzumutbaren Belästigung. Durch die Verwendung des Wortes „stets“ hat der Gesetzgeber klargestellt, dass in den Fällen des § 7 Abs. 2 UWG ohne Wertungsmöglichkeit von einer unzumutbaren Belästigung und damit Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung auszugehen ist. 366 Die in § 7 Abs. 1 S. 1 UWG enthaltene Bagatellschwelle der „Unzumutbarkeit“ ist auf die Sachverhalte des § 7 Abs. 2 UWG folglich nicht anwendbar. 367 Durch die in § 7 Absatz 2 Nr. 2-4 UWG geregelten Fallgruppen wurde Art. 13 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation (s. hierzu o. § 82 IV 3. b) umgesetzt. a) Traditionelle Werbung im Fernabsatz (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG ) Der Anwendungsfall nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG betrifft nur Werbung mit solchen für den Fernabsatz geeigneten Mitteln der Kommunikation, die nicht von den beiden nachfolgenden Nummern 2 und 3 des § 7 Abs. 2 UWG erfasst werden. Das heißt, Fernkommunikationsmittel 362 Vgl. BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 28. 363 Sosnitza, WRP 2008, 1014; Köhler, WRP 2009, 109 ff. zu § 7; Schöttle, GRUR 2009. 546, 547 f.; Lettl, GRUR - RR 2009, 41, 44. 364 BGH v. 17. 8. 2011, I ZR 134 / 10 „Auftragsbestätigung“. 365 BGH v. 9. 9. 2004, I ZR 93 / 02 „Ansprechen in der Öffentlichkeit“. 366 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 29. 367 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 7 Rdn. 96. 591 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson i. S. v. Nummer 1 sind weder Telefon, Telefax noch elektronische Post, sondern insbesondere Briefe, Prospekte und Kataloge. Die im Zuge der UWG -Reform 2008 erfolgte Regelung zielt auf eine Umsetzung von Nr. 26 des Anhangs I zur UGP -Richtlinie, der vom deutschen Gesetzgeber-- als einziger Tatbestand der Liste „schwarzer Klauseln“-- nicht in den Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG , sondern als Tatbestand in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG integriert wurde. Dabei wurde der Anwendungsbereich allerdings beschränkt, da ein Teil der von Nr. 26 Anhang I UGP -Richtlinie erfassten Kommunikationsmittel (Telefon, Fax, E-Mail) bereits in Umsetzung der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation gesondert in § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG geregelt war. 368 b) Telefonwerbung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ) Die gesetzliche Regelung der individuellen Telefonwerbung (§ 7 Absatz 2 Nr. 2 UWG ) erfolgte im Rahmen der UWG -Reform 2004 unter Ausnutzung des durch Art. 13 Abs. 3 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation eröffneten Spielraums. 369 Entsprechend der Rechtsprechung nach altem Recht (§ 1 UWG 1909) ist Werbung mit Telefonanrufen gegenüber Verbrauchern ohne deren-- vorherige ausdrückliche-- Einwilligung wettbewerbswidrig (sog. opt-in-Lösung); gegenüber sonstigen Marktteilnehmern ist in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung 370 zumindest deren mutmaßliche Einwilligung erforderlich. 371 Zur Beantwortung der Frage, ob „von einer mutmaßlichen Einwilligung auszugegangen werden kann, ist auf die Umstände vor dem Anruf sowie auf die Art und den Inhalt der Werbung abzustellen“. 372 Der im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur UWG -Reform 2004 gestellte Änderungsantrag der FDP -Fraktion zu § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG , 373 die von der damaligen Bundesregierung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung vorgesehenen „opt-in“-Regelung durch eine vermeintlich „liberalere und wirtschaftsfreundlichere optout-Regelung“ zu ersetzen (s. u. Abb. 12), wurde seinerzeit mit den Stimmen der Koalition abgelehnt. Im Zuge der UWG -Reform 2008 wurde die bisherige Pluralform („Werbung mit Telefonanrufen“) durch die Singularform („Werbung mit einem Telefonanruf “) ersetzt (ebenso wie in Nr. 3 und 4), um klarzustellen, dass bereits eine einzige Handlung eine unzumutbare Belästigung darstellen und zur Unzulässigkeit der Werbung führen kann, ohne dass hiermit eine Änderung gegenüber dem bisherigen Rechtszustand verbunden wäre. 374 Durch das am 368 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 29; näheres hierzu siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 7 Rdn. 97 f. 369 Ob ein entsprechender Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers auch nach Inkrafttreten der geplanten ePrivacy-Verordnung (siehe hierzu o. § 82 IV. 3. b.) fortbesteht, bleibt angesichts der bislang im Gesetzgebungsverfahren unterbreiteten unterschiedlichen Positionen von EU -Kommission (Vorschlag Art. 16 Abs. 4: opt-out-Regelung bei Werbeanrufen im B2C optional) und EU -Parlament (Vorschlag Art. 16 Abs. 4: opt-out-Regelung bei Werbeanrufen zwingend) abzuwarten. Zum Gesetzgebungsstand vgl. die Synopse des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht, abrufbar unter https: / / www.lda. bayern.de/ media/ eprivacy_synopse.pdf (letzter Abruf: 06 / 2018). 370 Vgl. BGH NJW 2004, 1655, 1656 „Newsletter“. 371 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 21. 372 BGH v. 16. 11. 2006, I ZR 191 / 03 „Telefonwerbung für Individualverträge“. 373 BT -Drucks. 15 / 2853 v. 31. 3. 2004. 374 BT -Drucks. 16 / 10 145, S. 29. 592 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson 4. 8. 2009 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung (s. o. § 83 III .) 375 wurde zur besseren Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung ausdrücklich bestimmt, dass ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, wenn ein Werbeanruf gegenüber einem Verbraucher getätigt wird, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung in diesen Anruf vorliegt. Damit wurde klargestellt, dass eine konkludente Einwilligung nicht ausreichend ist. 376 Für den Nachweis des Einverständnisses ist es, wie der BGH 377 festgestellt hat, erforderlich, „dass der Werbende die konkrete Einverständniserklärung jedes einzelnen Verbrauchers vollständig dokumentiert, was im Fall einer elektronisch übermittelten Einverständniserklärung deren Speicherung und die jederzeitige Möglichkeit eines Ausdrucks“ voraussetze. Trotz der verschärften gesetzlichen Regulierung zur Telefonwerbung gehen bei der Bundesnetzagentur immer noch viele Beschwerden ein. So erreichten die Bundesnetzagentur bis Ende November 2017 in jenem Jahr 52 000 schriftliche Beschwerden im Bereich der Telefonwerbung und im Jahr 2017 wurden Bußgelder in Höhe von kanpp 1,2 Mio. Euro verhängt. 378 Beispiele: ▶ In einem vom BGH 379 zu entscheidenden Fall hatte ein Unternehmen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, sich kostenlos in das Unternehmensverzeichnis einer Internetsuchmaschine einzutragen. In der Folgezeit erhielt der Geschäftsführer des Unternehmens unaufgefordert einen Anruf eines Mitarbeiters des Internetsuchmaschinenbetreibers, bei dem es jedenfalls auch darum ging, den kostenlosen Eintrag in einen erweiterten, aber entgeltlichen Eintrag umzuwandeln. Der BGH hat entschieden, dass der kostenlos erfolgte Eintrag des Gewerbetreibenden nicht die Annahme rechtfertige, dass dieser auch mit einem Anruf einverstanden sei, in dem es zumindest auch um die Unterbreitung eines entgeltlichen Angebotes gehe. ▶ Unerbetene auf einen Vertragsabschluss abzielende Telefonanrufe („Kaltaquise“) sind von § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfasst. Der Schaden, der durch die Belastung mit einer Zahlungsverbindlichkeit als Folge einer unerwünschten Telefonaquise entsteht, ist jedoch-- so der BGH 380 -- nicht vom Schutzbereich des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG erfasst, da sich dieser nur auf den Schutz vor dem Eindringen des Werbenden in die Privatsphäre des Verbrauchers und die geschäftliche Sphäre, insbesondere die Ungestörtheit der Betriebsabläufe eines des sonstigen Marktteilnehmers, bezieht, nicht jedoch auf den Schutz der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers oder sonstigen Marktteilnehmers. Letztere wird durch § 4a UWG erfasst. 375 Gesetz v. 29. 7. 2009, BGB l. I, S. 2413. 376 BT -Drucks. 16 / 10 734, S. 12 f. 377 BGH v. 10. 2. 2011, I ZR 164 / 09 „Double-opt-in-Verfahren“. 378 Bundesnetzagentur, Rund 290 000 Verbraucheranfragen und -beschwerden zu Telekommunikationsfragen, https: / / www.bundesnetzagentur.de/ SharedDocs/ Pressemitteilungen/ DE/ 2017/ 28122017_Telekommunikation.html (letzter Abruf: 01 / 2018) 379 BGH v. 20. 9. 2007, I ZR 88 / 05 „Suchmaschineneintrag“. 380 BGH v. 21. 4. 2016, Az. I ZR 276 / 14 „Lebens-Kost“. 593 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson c) Automatische Anrufmaschinen, Fax, E-Mail (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ) aa) Einwilligungserfordernis ohne Differenzierung nach Adressaten Nach der in Anlehnung an Art. 13 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation geregelten Fallgruppe § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist Werbung unter Verwendung von automatischen Anrufmaschinen (automatische Anrufsysteme ohne menschlichen Eingriff), Faxgeräten oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt, grundsätzlich wettbewerbswidrig („opt-in-Lösung“). Von der nach Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie eröffneten Möglichkeit einer nach dem Adressatenkreis differenzierenden Regelung hat der deutsche Gesetzgeber bewusst keinen Gebrauch gemacht, d. h. die Regelung gilt auch bei Verwendung der fraglichen Werbeformen im geschäftlichen Bereich 381 und stellt insoweit eine Verschärfung gegenüber der früheren Rechtslage nach Maßgabe der Rechtsprechung zu § 1 UWG 1909 dar. 382 Der Umstand, dass unaufgeforderte Telefonwerbung gegenüber einem sonstigen Marktteilnehmer bereits bei Vorliegen einer mutmaßlichen Einwilligung erlaubt ist (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG ), d. h. wenn sie „im konkreten Interessenbereich“ des Umworbenen liegt, während unaufgeforderte E-Mail-Werbung-- anders als nach der früheren Rechtsprechung des BGH vor der UWG -Reform 2004-- als „weniger invasiver Eingriff in den Betriebsablauf “ nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG grundsätzlich eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten voraussetzt, ist in der Literatur als „inkohärentes Rechtsregime des Direktmarketings“ auf Kritik gestoßen. 383 Während vom Tatbestand nach Nr. 2 nur die Sprachtelefonie erfasst wird, unterfallen SMS und MMS dem Tatbestand der Nr. 3. Durch die im Rahmen der UWG -Reform 2008 erfolgte Präzisierung, dass es einer „vorherigen ausdrücklichen“ Einwilligung des Adressaten bedarf, ist klargestellt, dass für ein aus einem sonstigen Verhalten des Adressaten abgeleitetes stillschweigendes Einverständnis kein Raum ist. Die vom BGH 384 auf der Grundlage der alten Rechtslage verneinte Frage, ob die Angabe einer E-Mail-Adresse auf der Website eines Sportvereins als konkludente Einwilligung zu verstehen ist, gewerbliche Anfragen-- wie die zur Platzierung von Bannerwerbung-- mittels E-Mail zu empfangen, stellt sich nach erfolgter Klarstellung durch den Gesetzgeber nicht mehr. Eine im Rahmen des BMJV durchgeführte Untersuchung hat ergeben, dass unerwünschte E-Mail- Werbung trotz des gesetzlichen Verbots nach wie vor ein großes Problem für Verbraucher und Unternehmen darstellt, durch das erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden entsteht. Das Aufkommen unerwünschter E-Mail-Webrung am gesamten E-Mail-Aufkommen weltweit wird danach auf über 50 % geschätzt. 385 381 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 21; bei Inkrafttreten der geplanten ePrivacy-Verordnung (siehe hierzu o. § 82 IV . 3. b.) folgt ein entsprechender Gestaltungsspielraum des nationalen Gesetzgebers mutmaßlich aus Art. 16 Abs. 5 ePrivacy- VO . 382 Köhler, NJW 2004, 2121, 2125; zur bisherigen Rechtslage vgl. BGH NJW 2004, 1655, 1656 „Newsletter“ m. zahlr. weiteren Rspr.-Nachw. 383 Brömmelmeyer, GRUR 2006, 285, 290. 384 BGH v. 17. 7. 2007, I ZR 197 / 05 „ FC Troschenreuth“. 385 Vgl. Schulte-Nölke / Henning-Bodewig / Podszun, Evaluierung Gesetz gegen unseriöse GP , S. 3, 25 ff. 594 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Beispiel: In der BGH -Entscheidung „Freunde-Finden“ 386 ging es um die Ausgestaltung der von Facebook seinen Nutzern bereit gestellten Funktion „Freunde finden“, mit der Nutzer veranlasst wurden, ihre E-Mail-Adressdateien in den Datenbestand von „Facebook“ zu importieren. Der BGH hat festgestellt, dass „Einladungs-E-Mails, die der Anbieter eines sozialen Netzwerks im Internet an Empfänger sendet, die nicht Mitglieder des sozialen Netzwerks sind und in den Erhalt der E-Mails nicht ausdrücklich eingewilligt haben, eine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG “ darstellen. bb) Außerwettbewerbsrechtliche Ansprüche Die Berechtigung zur Geltendmachung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche ist- - abgesehen von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG aktivlegitimierten Institutionen-- auf Mitbewerber beschränkt (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG ), d. h. auf Unternehmen, die mit dem in Anspruch genommenen Unternehmen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ). Die nach dem UWG nicht aktivlegitimierten Verbraucher können daher als Empfänger unerbetener Werbe-E-Mails ebenso wie Unternehmen außerhalb eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses allenfalls zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gegen den Werbenden geltend machen. In Betracht kommen Ansprüche gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB wegen der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, konkret der Verletzung der Privatsphäre (im Falle von Verbrauchern) oder im Falle von Unternehmen, sofern es sich im Einzelfall um eine empfindliche Beeinträchtigung handelt, wegen eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. 387 d) Nachrichten mit verschleierter oder verheimlichter Identität (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG ) Das in Anlehnung an Art. 13 Abs. 4 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation geregelte Transparenzgebot (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG ), nach dem Werbung mit Nachrichten bei verschleierter oder verheimlichter Identität des Absenders oder ohne gültige Adresse wettbewerbswidrig ist, dient der Erleichterung der Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Werbenden. 388 Die Vorschrift wurde im Zuge des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (s. o. § 83 III .) redaktionell neu gefasst und dahingehend ergänzt, dass eine unzumutbare Belästigung auch bei einer Werbung mit einer Nachricht vorliegt, „bei der gegen § 6 Abs. 1 des Telemediengesetzes verstoßen wird oder in der der Empfänger aufgefordert wird, eine Website aufzurufen, die gegen diese Vorschrift verstößt“ (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 b UWG ). 389 Gemäß § 6 Abs. 1 TMG obliegen Diensteanbietern bei kommerziellen Kommunikationen, die Telemedien oder Bestandteile von Telemedien sind, besondere Informationspflichten. 386 BGH v. 14. 1. 2016, Az. I ZR 65 / 14 „Freunde finden“. 387 Im Einzelnen hierzu BGH v. 20. 05. 2009, AZ I ZR 218 / 07 „E-Mail-Werbung II “; BGH v. 14. 1. 2016, Az. I ZR 65 / 14 „Freunde finden“; Baetge, NJW 2006, 1037, 1038 ff.; Brömmelmeyer, GRUR 2006, 285, 289 f. 388 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 21 ; bei Inkrafttreten der ePrivacy VO (siehe hierzu o. § 82 IV . 3. b.) ergeben sich entsprechende Transparenzgebote mutmaßlich unmittelbar aus deren Art. 16. 389 Die Ergänzung geht auf eine Änderung von Art. 13 Abs. 4 der Richtlinie 2002 / 58 / EG durch Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2009 / 136 / EG zurück-- vgl. BT -Drucks. 17 / 3057, S. 29. 595 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson 3. Ausnahmsweise Zulässigkeit von E-Mail-Werbung (§ 7 Abs. 3 UWG ) Für die rechtskonforme Ausgestaltung des Direktmarketings im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen im E-Commerce ist die durch § 7 Abs. 3 UWG eröffnete Gestaltungsmöglichkeit von zentraler Bedeutung. Er regelt in Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation die Voraussetzungen, unter denen Werbung mittels elektronischer Post ausnahmsweise ohne Einwilligung zulässig ist und damit einen Ausnahmetatbestand zum Grundsatz nach Abs. 2 Nr. 3. 390 So dürfen die von einem Unternehmer im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung erlangten E-Mail-Adressen der Kunden zur Direktwerbung nur „für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen“ verwendet werden (§ 7 Abs. 3 Nr. 2 UWG ). 391 Die Erlaubnis zur Verwendung der E-Mail-Adressen der Kunden ist daher auf eigene Angebote des Unternehmers (eigene Produktion, eigenes Sortiment, eigenes Dienstleistungsangebot) beschränkt. Soweit die Verwendung nach der gesetzlichen Ausnahmeregelung auf die Bewerbung von „ähnlichen“ Produkten beschränkt ist, werden hiervon bei interessengerechter Auslegung nicht nur austauschbare, sondern auch komplementäre Produktangebote erfasst. 392 Die Regelung ist im Rahmen der UWG -Reformen 2008 und 2015 unverändert geblieben. 4. Zusammenfassende Übersicht zur belästigenden Direkt-Werbung Rechtliche Einordnung belästigender Direkt-Werbung (§ 7 UWG ) 393 Werbeform Einordnung nach Adressaten Regelung Verbraucher sonstige Marktteilnehmer Potentiell belästigende Werbung durch Direktansprache (auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln etc.) Grundsätzlich zulässig, es sei denn der Werbende gibt sich nicht als solcher zu erkennen oder es ist erkennbar, dass der angesprochene Marktteilnehmer diese Werbung nicht wünscht. § 7 Abs. 1 UWG 390 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 21 f.; bei Inkrafttreten der ePrivacy VO (siehe hierzu o. § 82 IV . 3. b.) folgt der entsprechende Ausnahmetatbestand mutmaßlich unmittelbar aus deren Art. 16 Abs. 2. 391 Nach dem Vorschlag des EU-Parlaments zu Art. 16 Abs. 2 ePrivacy-VO soll E-Mail-Werbung im Rahmen einer bestehenden Kundenbeziehung nicht nur - wie bislang in Art. 13 Abs. 2 der Datenschutzrichtlinie 2002 / 58 / EG vorgesehen - für eigene ähnliche Produkte und Dienstleistungen, sondern generell für eigene Produkte und Dienstleistungen möglich sein. 392 Hierzu und den weiteren Voraussetzungen im Einzelnen vgl. Brömmelmeyer, GRUR 2006, 285, 288 f. 393 Je nach Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens kann es bei Inkrafttreten der ePrivacy- VO (siehe hierzu o. § 82 IV . 3. b.) zu einer Modifikation der nachfolgend skizzierten, bislang in § 7 Abs. 2 Nr. 2, 3, Abs. 3 UWG normierten Regelungen betreffend das Direktmarketing unter Nutzung elektronischer Kommunikationsdienste kommen (vgl. hierzu die Anmerkungen zuvor unter 2. b., c., 3.). 596 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson Rechtliche Einordnung belästigender Direkt-Werbung (§ 7 UWG ) 393 Werbeform Einordnung nach Adressaten Regelung Verbraucher sonstige Marktteilnehmer Für den Fernabsatz geeignete Werbeformen, soweit nicht von Nr. 2 oder Nr. 3 erfasst (Briefe, Prospekte, Kataloge u. a.) Grundsätzlich zulässig, es sei denn, hartnäckige Ansprache des Verbrauchers, die dieser erkennbar nicht wünscht. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG Telefon Ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung unzulässig. Ohne deren zumindest mutmaßliche Einwilligung unzulässig. § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG Automatische Anrufmaschine, Fax, E-Mail, SMS Ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich unzulässig, d. h. keine Differenzierung nach Adressaten! § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG Im Rahmen bestehender Kundenbeziehungen unter den gesetzlich bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise Zulässigkeit der E-Mail-Werbung. § 7 Abs. 3 UWG Abb. 12: Rechtliche Einordnung belästigender Direkt-Werbung (§ 7 UWG ) 5. Alternative Regelungsmodelle: „opt-in“ oder „opt-out“? Was die Ausgestaltung rechtlicher Regelungen zum Schutz der Adressaten belästigender Direktwerbung angeht, kommen aus Sicht des Gesetzgebers, wie bereits erläutert, mit der sog. opt-in- und der sog. opt-out-Lösung zwei alternative Lösungsmodelle in Betracht, deren Bedeutung in der nachfolgenden Übersicht noch einmal zusammenfassend veranschaulicht wird. Alternative Modelle zum Schutz des Adressaten vor belästigender Direktwerbung Modelle 394 Bedeutung / Ausgestaltung Gesetzeskonformität opt-in-Modell Adressat (User) muss konkret in den Erhalt der Werbung einwilligen. Ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung ist Werbung grundsätzlich unzulässig. Modell liegt der Datenschutzrichtlinie 2002 / 58 / EG für bestimmte Formen elektronischer Direkt- Werbung (automatische Anrufsysteme, Fax, Mail) gegenüber natürlichen Personen zugrunde (Art. 13 Abs. 1, 5). Der deutsche Gesetzgeber hat sich für den Bereich der Werbung mittels elektronischer Kommunikation generell für das opt-in-Modell entschieden (§ 7 Abs. 2, 3 UWG ). 394 In Anlehnung an Keber, Jur PC Web-Dok. 218 / 2004, Abs. 25 ff. 597 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen Pierson Alternative Modelle zum Schutz des Adressaten vor belästigender Direktwerbung Modelle 394 Bedeutung / Ausgestaltung Gesetzeskonformität opt-out-Modell Grundsätzlich ist Werbung erlaubt. Adressat (User) muss seinen entgegenstehenden Willen in geeigneter Weise (Eintrag in Liste, Aufkleber auf Briefkasten) zum Ausdruck bringen. Die Datenschutzrichtlinie 2002 / 58 / EG setzt dieses Modell voraus und lässt den Mitgliedstaaten für Telefon-Werbung generell und für sonstige elektronische Werbeformen (automatischer Anruf, Fax, Mail, SMS ), sofern der Einsatz nicht gegenüber natürlichen Personen erfolgt, einen Spielraum für dieses Modell (Art. 13 Abs. 1, 3, 5). 395 Der deutsche Gesetzgeber hat für elektronische Kommunikation diesen Spielraum nicht genutzt (s. o.). Geltung nur für traditionelle Werbeformen (Art. 7 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 Nr. 1 UWG ). double-opt-in Im Zusammenhang mit E-Mail- Werbung / Versand von Newslettern: Werbe-Mail / Newsletter wird nicht bereits nach erster Registrierung verschickt, sondern erst nach erneuter Zustimmung. Erneute Zustimmung erfolgt nach Erhalt einer Bestätigungsmail des Absenders (Werbenden), in der der Adressat aufgefordert wird, zur (verbindlichen) Anforderung des Newsletters (der Werbemails) den Anmeldevorgang durch Anklicken eines Links endgültig abzuschließen. Entsprechende über das einfache opt-in-Modell hinausgehende Differenzierungen sind weder in der Richtlinie noch im UWG vorgesehen. Die Ausgestaltung des Einwilligungsprozesses durch ein Doubleopt-in-Verfahren soll der Möglichkeit vorbeugen, dass das Anmeldeformular auch durch unautorisierte Dritte im Namen des Adressaten ausgefüllt werden kann. Hat der Verbraucher nach Erhalt einer Bestätigungsmail des Werbenden durch „Setzen eines Häkchens in dem Teilnahmeformular bestätigt, dass er mit der Übersendung von Werbung einverstanden ist“, sei - so der BGH 396 - „grundsätzlich hinreichend dokumentiert, dass er in die E-Mail-Werbung an die E-Mail-Adresse ausdrücklich eingewilligt hat“. Dies schließe allerdings nicht aus, „dass sich der Verbraucher auch nach Bestätigung seiner E-Mail-Adresse im Double-opt-in-Verfahren“ darauf berufen könne, dass „er die unter dieser Adresse abgesandte Einwilligung in E-Mail-Werbung nicht abgegeben“ habe, wofür er allerdings die Beweislast trage. Beim bloßen confirmed-opt-in- Verfahren fehlt es einer ausdrücklichen Bestätigung durch den Verbraucher, dass er in die Versendung von Werbe-E-Mails an die angegebene E-Mail-Adresse einwilligt, sodass die erforderliche Einwilligung des Verbrauchers vom Werbenden nicht hinreichend dokumentiert werden kann. Zudem ist nicht ausreichend sichergestellt, dass es nicht aufgrund von Falscheingaben zur Versendung von unerwünschter E-Mail-Werbung kommt. confirmed-opt-in Adressat (User) erhält nach seiner Anmeldung nicht direkt Werbe-Mail, sondern zunächst eine Art Willkommensmail, die ihn noch einmal darauf hinweist, dass er sich angemeldet hat und in Kürze weitere Mails (Newsletter) erhält. Im Unterschied zum double-opt-in jedoch keine Aufforderung zu erneuter Zustimmung durch Aktivierung eines vorgegebenen Links. Abb. 13: Alternative Modelle zum Schutz des Adressaten vor belästigender Direktwerbung 395 Auch im Vorschlag für eine ePrivacyVO (siehe hierzu o. § 82 IV. 3. b.) findet für den Bereich persönlicher Direktwerbeanrufe das opt out-Modell Anwendung (s. hierzu Fußn. 369); auch das am 1. 1. 2004 in Kraft getretene US -amerikanische Gesetz betreffend E-Mail-Werbung ( CAN - SPAM Act 2003) folgt dem optout-Prinzip-- vgl. hierzu Wendtlandt, MMR 2004, 365, 367 ff. 396 BGH v. 10. 2. 2011, I ZR 164 / 09 „Double-opt-in-Verfahren“. 598 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson § 85 Rechtsfolgen I. Beseitigung und Unterlassung (§ 8 UWG ) 1. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1, 2 UWG ) Gemäß § 8 Abs. 1 UWG kann, „wer eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, auf Beseitigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Der Anspruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenn eine derartige Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 droht.“ Die Regelung knüpft an das bewährte System der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts mittels zivilrechtlicher Ansprüche an. Die Bezugnahme auf das Verbot unzulässiger geschäftlicher Handlungen trägt der Neufassung der Generalklausel nach § 3 UWG Rechnung. Die gesonderte Verweisung auf § 7 UWG wurde im Zuge Reform 2008 erforderlich, weil dieser-- anders als zuvor-- seither tatbestandsmäßig unabhängig von der Generalklausel des § 3 UWG ist (s. o. § 83 II . 3., § 84 V. 1.). § 8 Abs. 1 UWG regelt neben der Anspruchsgrundlage für den zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch klarstellend auch den Beseitigungsanspruch, der bis zur UWG -Reform 2004 gesetzlich nicht geregelt war, aber von der Rechtsprechung gewohnheitsrechtlich anerkannt war. Absatz 1 Satz 2 stellt klar, dass Unterlassungsanspruch auch bei Erstbegehungsgefahr gegeben sein kann. 397 Zuwiderhandlungen von Mitarbeitern und Beauftragten werden dem Inhaber zugerechnet (§ 8 Abs. 2 UWG ). Die Regelung gilt allerdings nur für die Zurechnung bei Ansprüchen nach § 8 UWG , für Ansprüche nach den §§ 9 f. UWG gelten die allgemeinen Bestimmungen, insbesondere die §§ 31, 831 BGB . 398 2. Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 UWG ) Die Frage der Aktivlegitimation, d. h. die Frage der Rechtszuständigkeit für Geltendmachung von Wettbewerbsverstößen, ist in § 8 Abs. 3 UWG geregelt. Wer als Berechtigter zur Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche in Betracht kommt, ergibt sich aus Abs. 3 Nr. 1-4: ▶ Nr. 1: Regelt ausdrücklich die Anspruchsberechtigung des in § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG definierten Mitbewerbers im Sinne der früheren Rechtsprechung zum unmittelbar Verletzten. Die früher einmal nach alter Rechtslage (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG 1909) gegebene Anspruchsberechtigung des nur abstrakt betroffenen Mitbewerbers ist bereits im Zuge der Reform 2004 mangels schutzwürdigen Eigeninteresses entfallen, ihm verbleibt die Möglichkeit einen anspruchsberechtigten Wirtschaftsod. Verbraucherverband einzuschalten. 399 ▶ Nr. 2: Regelt entsprechend die Anspruchsberechtigung der Wirtschaftsverbände. Der früher (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG 1909) verwendete Begriff der „Gewerbetreibenden“ wurde-- wie auch in § 8 Abs. 2 UWG -- durch den Begriff des „Unternehmers“ (jetzt definiert 397 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 22. 398 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 22. 399 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 22. 599 § 85 Rechtsfolgen Pierson in § 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ) ersetzt, ohne dass damit eine inhaltliche Änderung verbunden wäre. Die bedeutendste Institution i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e.V. (Wettbewerbszentrale, kurz „ WBZ “) mit Sitz in Bad Homburg v. d. Höhe. 400 ▶ Nr. 3: Regelt die Anspruchsberechtigung der Verbraucherverbände. ▶ Nr. 4: Regelt die Anspruchsberechtigung der Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern. 3. Missbräuchliche Rechtsverfolgung (§ 8 Abs. 4 UWG ) § 8 Abs. 4 UWG regelt die missbräuchliche Geltendmachung des wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsbzw. Beseitigungsanspruches. Danach ist die „Geltendmachung der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.“ Nach der Rechtsprechung des BGH 401 ist von einem Missbrauch i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Diese müssten allerdings nicht das alleinige Motiv des Gläubigers sein. Ausreichend sei, dass die sachfremden Ziele überwiegen. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten könnten sich u. a. daraus ergeben, dass ein Gläubiger bei einem einheitlichen Wettbewerbsverstoß gegen mehrere Unterlassungsschuldner getrennte Verfahren anstrengt und dadurch die Kostenlast erheblich erhöht, obwohl die streitgenössische Inanspruchnahme auf der Passivseite mit keinerlei Nachteilen verbunden wäre. Der fraglichen Entscheidung des BGH lag eine Klage gegen drei Fachmärkte für elektrische und elektronische Geräte desselben Konzerns zugrunde, die in verschiedenen Zeitungen gemeinschaftliche Werbeanzeigen geschaltet hatten. Wie der BGH weiter feststellte, stehe einem Missbrauch i. S. v. § 8 Abs. 4 UWG auch nicht entgegen, dass die höhere Kostenbelastung durch drei getrennte Verfahren nicht geeignet sei, einen Konzernverbund von der fraglichen Größe zu behindern. Ansonsten würden allein die Größe und finanzielle Leistungsfähigkeit des Schuldners den Gläubiger von jedem Missbrauchsvorwurf entlasten. 402 Im Zuge des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken v. 1. 10. 2013 wurde die Regelung des § 8 Abs. 4 UWG zugunsten des missbräuchlich Abgemahnten durch die Schaffung eines gesetzlichen Anspruchs auf Ersatz der für seine Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen ergänzt (§ 8 Abs. 4 S. 2, 3 UWG -- näheres s. u. § 89 I. 11. c.). 400 Ausführliche Informationen zur WBZ siehe deren Website (www.wettbewerbszentrale.de). 401 BGH v 17. 11. 2005, I ZR 300 / 02 „ MEGA SALE “. 402 BGH v 17. 11. 2005, I ZR 300 / 02 „ MEGA SALE “. 600 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson II. Schadensersatz (§ 9 UWG ) Gemäß § 9 S. 1 UWG ist, wer „vorsätzlich oder fahrlässig eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, den Mitbewerbern zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“ Die Regelung ist die einheitliche Anspruchsgrundlage für die Schadensersatzansprüche der Mitbewerber. Klargestellt ist, dass der Schadensersatzanspruch Verschulden voraussetzt. Das heißt, der Verletzer haftet, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, für Vorsatz und Fahrlässigkeit (§§ 9 S. 1 UWG , § 276 BGB ). Der Anspruch auf Schadensersatz kann gegen verantwortliche Personen von periodischen Druckschriften nur bei einer vorsätzlichen Zuwiderhandlung geltend gemacht werden (§ 9 S. 2 UWG ). Dieses sog. Presseprivileg war nach früherem Recht auf Verstöße gegen das Irreführungsverbot beschränkt (§ 13 Abs. 6 Nr. 1 Satz 2 UWG 1909), eine Ausdehnung auf Zuwiderhandlungen gegen andere Vorschriften des UWG war streitig. Satz 2 hat diese Beschränkung des Haftungsprivilegs-- im Geist der Pressegesetzgebung-- beseitigt. 403 Im Hinblick auf die praktischen Schwierigkeiten beim Schadensnachweis und bei der Schadensbezifferung tritt die Bedeutung von Schadensersatzansprüchen in wettbewerbsrechtlichen Prozessen hinter der Geltendmachung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen deutlich zurück. 404 III. Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG ) Wie bereits im Rahmen des Überblicks über die wesentlichen im Zuge der UWG -Reform 2004 erfolgten Neuerungen erwähnt (s. o. § 83 I. 4.), wurden die zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen um einen unter bestimmten Voraussetzungen gegebenen Anspruch auf Herausgabe des Gewinns erweitert. So kann, „wer vorsätzlich eine nach § 3 oder § 7 unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn erzielt, von den gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten auf Herausgabe dieses Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden“ (§ 10 Abs. 1 UWG ). Dieser sog. Gewinnabschöpfungsanspruch zielt darauf ab, Durchsetzungsdefizite des Lauterkeitsrechts bei sog. Streuschäden zu beseitigen. Angesprochen sind damit Fallkonstellationen, in denen durch wettbewerbswidriges Verhalten eine Vielzahl von Abnehmern geschädigt wird, die Schadenshöhe im Einzelnen jedoch gering ist. Typische Fallgruppen sind: Einziehung geringer Beträge ohne Rechtsgrund, Vertragsschlüsse auf Grund irreführender Werbung, gefälschte Produkte, Mogelpackungen. Es handelt sich also um Fälle, in denen die Geschädigten die ihnen zustehenden Rechte (z. B. Rücktritt, Minderung) nicht geltend machen, weil sie von dem Wettbewerbsverstoß gar keine Kenntnis nehmen oder weil sich ein Rechtsstreit wegen Geringfügigkeit nicht lohnt. 405 Der Gewinnabschöpfungsanspruch setzt, wie aus Absatz 1 ersichtlich, eine vorsätzliche Zuwiderhandlung gegen § 3 oder § 7 UWG sowie eine Gewinnerzielung zu Lasten einer Vielzahl von 403 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 23. 404 Plaß in HK -WettbR, § 9 Rdn. 2. 405 Köhler, NJW 2004, 2121, 2125 f., der allerdings Zweifel äußert, ob sich der Gewinn, der auf dem Wettbewerbsverstoß beruht-- von einfachen Sachverhalten abgesehen-- zuverlässig ermitteln lässt. 601 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften Pierson Abnehmern voraus. Im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch dient der Gewinnabschöpfungsanspruch, der nur von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2-4 UWG Aktivlegitimierten geltend gemacht werden kann, nicht dem individuellen Schadensausgleich als vielmehr einer wirksamen Abschreckung. 406 § 10 Abs. 2 UWG regelt das Verhältnis des Gewinnabschöpfungsanspruchs zu den individuellen Ersatzansprüchen, die vorrangig zu befriedigen sind, sowie zu den Zahlungen aufgrund staatlicher Sanktionen, z. B. Geldstrafen. 407 Danach sind auf den Gewinn die Leistungen anzurechnen, die der Schuldner auf Grund der Zuwiderhandlung an Dritte oder an den Staat erbracht hat. IV. Verjährung (§ 11 UWG ) Gemäß § 11 Abs. 1 UWG verjähren die Ansprüche aus §§ 8, 9 und 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in sechs Monaten. Die kurze Verjährungsfrist gilt, wie aus der mangelnden Bezugnahme auf § 10 UWG ersichtlich, nicht für den Gewinnabschöpfungsanspruch. Maßgebliche Erwägung ist insoweit, dass es für die Gläubiger zum Teil außerordentlich schwierig wäre, die für die Geltendmachung des Anspruchs notwendigen Tatsachen innerhalb der kurzen Frist von sechs Monaten zu ermitteln. Demgegenüber wurde die kurze Verjährungsfrist auch auf den Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Abmahnung (seit 2004 gesetzlich geregelt in § 12 Abs. 1 S. 2 UWG ) erstreckt. Was den Beginn der Verjährung angeht, beginnt diese, „wenn 1. der Anspruch entstanden ist und 2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste“ (§ 11 Abs. 2 UWG ). Ein auf Wiederholungsgefahr nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG gestützter Unterlassungsanspruch entsteht mit der die Wiederholungsgefahr begründenden Verletzungshandlung. 408 Die Regelung nach § 11 Abs. 2 UWG wurde insoweit ebenso wie hinsichtlich der absoluten Verjährungsfrist (Abs. 3 und 4) den allgemeinen Reglungen des BGB (§ 199 BGB ) angepasst. 409 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften I. Lauterkeitsrechtlichen Strafbestimmungen de lege lata / de lege ferenda Die Straf- und Bußgeldtatbestände sind im UWG nach geltendem Recht in einem eigenen Kapitel (Kapitel 4; §§ 16-20 UWG ) zusammengefasst. Sie stellen eine Ausnahme von der grundsätzlich deliktsrechtlichen Ausgestaltung des Lauterkeitsrechts dar (s. o. § 82 V. 1.). 410 Ihnen kommt im Vergleich zu den durch Wettbewerbsverstöße ausgelösten zivilrechtlichen Ansprüchen in der Praxis nur eine ungleich geringere Bedeutung zu. Gründe hierfür werden 406 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 23; näheres zur Rechtsnatur von § 10 siehe Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 10 Rdn. 5. 407 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 24; BT -Drucks. 15 / 2795, S. 44. 408 Vgl. hierzu BGH v. 14. 5. 2009, I ZR 82 / 07 „Mecklenburger Obstbrände“. 409 BT -Drucks. 15 / 2795, S. 46. 410 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 26; ferner Ohly / Sosnitza, UWG , § 16 Rdn. 2. 602 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson zum einen darin gesehen, dass die Staatsanwaltschaft als zuständige Ermittlungsbehörde mit der Überwachung des Wettbewerbs organisatorisch und personell überfordert ist, zum anderen darin, dass es für die Klageberechtigten meistens einfacher ist, einen festgestellten Wettbewerbsverstoß selbst durch eine Abmahnung oder erforderlichenfalls durch Einleitung eines zivilgerichtlichen Verfahrens zu ahnden anstatt die Staatsanwaltschaft einzuschalten und den ungewissen Ausgang eines Ermittlungsverfahrens abzuwarten. 411 Obgleich sich die im Vordergrund stehende zivilrechtliche Verfolgung von Wettbewerbsverstößen in der Praxis als effektiv bewährt hat, hält der Gesetzgeber jedoch nicht zuletzt aus Gründen der Spezial- und Generalprävention eine strafrechtliche Sanktion besonders gefährlicher Verhaltensweisen für erforderlich. 412 Im Zuge der Umsetzung der EU -Richtlinie 2016 / 943 über der Schutz von Geschäftsgeheimnissen plant der deutsche Gesetzgeber die bislang in den §§ 17 bis 19 UWG enthaltenen Strafvorschriften zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen in modernisierter Form in ein neues Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 22 GeschGehG-E) aufzunehmen (vgl. hierzu u. II . 2. a.). II. Die Straf- und Bußgeldtatbestände des UWG im Überblick 1. Strafbare Werbung (§ 16 UWG ) Die strafbare Werbung nach § 16 UWG betrifft besonders gefährliche Formen der Werbung, da von diesen jeweils eine Vielzahl von Abnehmern betroffen ist. 413 Der Tatbestand unterscheidet sich darin von den weiteren Straftatbeständen des UWG (§§ 17-19 UWG ), dass er anders als diese nicht auf den Schutz von Unternehmen vor geschäftsschädigendem Verhalten ihrer Mitarbeiter und Mitbewerber abzielt, sondern auf den Schutz der Marktgegenseite, insbesondere der Verbraucher. 414 a) Strafbare irreführende Werbung (§ 16 Abs. 1 UWG ) Gemäß § 16 Abs. 1 UWG wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe bestraft, „wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unwahre Angaben irreführend wirbt.“ Der Tatbestand der strafbaren irreführenden Werbung korrespondiert mit dem Beispieltatbestand der unlauteren irreführenden Werbung nach § 5 UWG , d. h. Grundvoraussetzung für seine Erfüllung ist stets das Vorliegen einer Irreführung i. S. v. § 5 UWG , wobei nur Fälle der Irreführung durch unwahre Angaben erfasst werden. Diese müssen als Werbung in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, veröffentlicht worden sein. 415 Verkürzt gesagt schützt der Tatbestand der strafbaren irreführenden 411 Vgl. Alexander, WRP 2004, 407 ff. 412 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 26. 413 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 26. 414 Alexander, WRP 2004, 407 ff. 415 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 26. 603 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften Pierson Werbung nach § 16 Abs. 1 UWG vor dem Lügen im Wettbewerb, also vor bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen. 416 Als typisches Beispiel für strafbare Werbung i. S. v. § 16 Abs. 1 UWG lässt sich das Anlocken mit falschen Versprechungen zu „Kaffeefahrten“ anführen. 417 In jüngerer Zeit ist der Tatbestand durch den sog. Abgasskandal-- die Abgasmanipulationen in der Automobilindustrie- - in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt, da die Staatsanwaltschaften in diesem Zusammenhang auch wegen strafbarer Werbung i. S. v. § 16 Abs. 1 UWG ermitteln. 418 Durch strafbare Werbung veranlasste Kaufpreiszahlungen der getäuschten Kunden unterliegen- - unbeschadet der vorrangigen Schadensersatzansprüche der Verletzten-- dem Verfall (§ 73 St GB ). 419 b) Progressive Kundenwerbung (§ 16 Abs. 2 UWG ) Der Tatbestand des § 16 Abs. 2 UWG entspricht im Wesentlichen § 6c UWG 1909, wobei er als geschützten Personenkreis nicht mehr alle „Nichtkaufleute“ umfasst, sondern auf Verbraucher beschränkt ist. Erfasst werden Systeme der sog. progressiven Kundenwerbung, die sämtlich auf dem Einsatz von Kunden als Werbemedium basieren. Sie sind typischerweise dadurch gekennzeichnet, dass ein Unternehmen für die Werbung und den Vertrieb Laien einsetzt, die zur Abnahme von Waren durch das Versprechen besonderer Vorteile für den Fall veranlasst werden, dass sie weitere Abnehmer für den Abschluss gleichartiger Geschäfte gewinnen, denen ihrerseits derartige Vorteile für eine entsprechende Werbung weiterer Abnehmer versprochen werden. 420 Im Wesentlichen werden zwei Arten progressiver Vertriebssysteme unterschieden: Beim sog. Schneeballsystem werden Kunden durch andere Kunden zum Abschluss eines Vertrages mit dem veranstaltenden Unternehmer selbst geworden, wobei den Werbern für die jeweils abgeschlossenen Geschäfte geldwerte Vorteile in Form von Provisionen zufließen. Bei dem sog. Pyramidensystem- - einer Abwandlung des einfachen Schneeballsystems- - kommt es zu Vertragsschlüssen zwischen den Werbern und Geworbenen, wobei wirtschaftliche Vorteile, die den Teilnehmern auf einer höheren Stufe der Pyramide zufließen, durch die inflationäre Anwerbung neuer Mitglieder entstehen sollen. 421 2. Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG ) a) Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen de lege ferenda Dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen kommt in der Praxis eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung zu. Die EU -Kommission hat daher bereits im Rahmen ihrer Gesamtstrategie für die Errichtung eines Binnenmarktes für geistiges Eigentum auch Initiativen zur Harmonisierung der Vorschriften zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen angekündigt. 422 Entsprechend 416 Alexander, WRP 2004, 407 ff. 417 BGH v. 15. 8. 2002, 3 StR 11 / 02 (strafbare Werbung). 418 Brand / Hotz, NZG 2017, 976 ff. 419 BGH v. 30. 5. 2008, 1 StR 166 / 07 „Strafbarkeit irreführender Werbung“. 420 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 16 Rdn. 35. 421 Näheres vgl. Alexander, WRP 2004, 407 ff. 422 Mitteilung der Kommission v. 24. 5. 2011, KOM (2001) 287 endgültig. 604 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson dieser Zielsetzung wurde am 8. 6. 2016 die EU -Richtlinie 2016 / 943 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) 423 erlassen, die am 5. 7. 2016 in Kraft getreten ist. Nach dem Begriffsverständnis der Richtlinie Art. 2 Ziff. 1) handelt es bei einem „Geschäftsgeheimnis“ um Informationen, wenn sie alle nachstehenden Kriterien erfüllen: „a) Sie sind in dem Sinne geheim, dass sie weder in ihrer Gesamtheit noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne weiteres zugänglich sind; b) sie sind von kommerziellem Wert, weil sie geheim sind; c) sie sind Gegenstand von den Umständen entsprechenden angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch die Person, die die rechtmäßige Kontrolle über die Informationen besitzt“. 424 Die Richtlinie trägt der erheblichen Bedeutung Rechnung, die Geschäftsgeheimnissen für die Wettbewerbsfähigkeit und den Markterfolg von Unternehmen zukommt, die in den Erwerb, die Entwicklung und die Anwendung von Know-how und Informationen investieren. 425 Sie zielt darauf ab, auf Unionsebene die Vorschriften der Mitgliedsstaaten zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen anzunähern, um im gesamten Binnenmarkt einen kohärenten zivilrechtlichen Schutz zu gewährleisten. 426 Geschützt werden damit wertvolle immaterielle Vermögenswerte eines Unternehmens (Technologien, Geschäfts- oder Marketingstrategien, Datensammlungen, Rezepturen u. a.), die aber nicht Gegenstand eines eigenständigen Immaterialgüterrechts sind. Der Schutz der Geschäftsgeheimnisse als Kategorie des geistigen Eigentums ist, wie aus Art. 39 des TRIPS -Abkommens (Schutz nicht offenbarter Informationen) ersichtlich, auch international anerkannt. Gleichwohl ist der Schutz der Geschäftsgeheimnisse als nicht sondergesetzlich geschützte Immaterialgüter rechtssystematisch-- ähnlich wie der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz- - im Grenzbereich zum Recht des geistigen Eigentums angesiedelt. 427 Die Richtlinie 2016 / 943 der EU hat den Schutz der Geschäftsgeheimnisse dem Schutz des geistigen Eigentums zwar angenähert, sie setzt ihn aber ausdrücklich nicht gleich. Wie in Erwägungsgrund 16 festgestellt wird, sollen durch die Bestimmungen der Richtlinie „keine Exklusivrechte an als Geschäftsgeheimnis geschütztem Know-how oder als solchem geschützten Informationen“ begründet werden. Trotz der erheblichen und zunehmenden Bedeutung, die dem Geheimnisschutz im Zeitalter von digitalem Datenaustausch und Internet durch Spionageangriffe von außen und innerbetrieblich zukommt, fehlt es in Deutschland bislang an einer speziellen zivilrechtlichen Rechtsgrundlage zum Schutz von Geschäftsgehemnissen. 428 Bis zur Umsetzung der Richtlinie durch den deutschen Gesetzgeber, muss zum zivilrechtlichen Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Falle der Verletzung 423 Richtlinie EU 2016 / 943 v. 8. 6. 2016, AB l. d. EU v. 15. 6. 2016 L 157. 424 Zur Umsetzung vgl. die Definition in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG-E. 425 Richtlinie EU 2016 / 943 v. 8. 6. 2016, EG 1. 426 Richtlinie EU 2016 / 943 v. 8. 6. 2016, EG 10. 427 Hierzu Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 10, S. 51; zur Einordnung ferner Enders, GRUR 2012, 25, 26 f. 428 Vgl. hierzu daher den Vorschlag einer gesetzlichen Regelung bei Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 10, S. 50 ff. 605 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften Pierson der lauterkeitsrechtlichen Strafvorschiften (§§ 17 bis 19 UWG -- siehe hierzu die nachfolgende Darstellung) daher auf §§ 3, 3a UWG bzw. §§ 823, 826 BGB ggf. in Verbindung mit § 1004 BGB analog zurückgegriffen werden. 429 Da der deutsche Gesetzgeber die bestehenden Regelungen zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen als unzureichend erachtet, um den Vorgaben der Richtlinie 2016 / 943 zu entsprechen, hat er sich zu einer grundlegenden Reform entschlossen und plant ein neues Spezialgesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen. 430 Das nach dem Entwurf in vier Abschnitte gegliederte Gesetz sieht in Abschnitt 1 (§§ 1 bis 4 GeschGehG-E) allgemeine Regelungen vor, wie insbesondere eine Begriffsbestimmung des Geschäftsgeheimnisses (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG-E), ferner Handlungsverbote zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen, bei deren Missachtung eine rechtswidrige Erlangung bzw. eine rechtswidrige Nutzung oder Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses vorliegt. Abschnitt 2 (§§ 5 bis 13 GeschGehG-E) enthält Ansprüche des Rechtsinhabers (vgl. Definition § 1 Abs. 1 Nr. 2 GeschGehG-E) bei Rechtsverletzungen, insbesondere auf Beseitigung und Unterlassung (§ 5 GeschGehG-E), Vernichtung, Herausgabe und Rückruf (§ 6 Gesch- GehG-E), Auskunft (§ 7 GeschGehG-E) und Schadensersatz (§ 9 GeschGehG-E). Hierdurch würde der zivilrechtliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen an die immaterialgüterrechtliche Anspruchsgrundlagensystematik angenähert (hierzu vgl. Abschnitt 8, § 87). Abschnitt 3 (§§ 14 bis 21 GeschGehG-E) enthält Regelungen zum zivilgerichtlichen Verfahren bei der Verletzung von Geschäftsgeheimnissen, die insbesondere auf eine Verbesserung des Rechtsschutzes der Betroffenen durch Regelungen zur Geheimhaltung im gerichtlichen Verfahren abzielen (§§ 15 bsi 18 GeschGehG-E). Der nur aus einem Paragraphen (§ 22 GeschGehG-E) bestehende Abschnitt 4 enthält, wie bereits erwähnt (s. o. unter I.) in modernisierter Form die nach geltendem Recht in §§ 17 bis 19 UWG enthaltenen Strafvorschriften. Was die rechtssystematische Einordnung des gebotenen Geheimnisschutzes angeht, unterscheidet sich dieser vom Immaterialgüterrechtsschutz dadurch, dass der Schutz von Geschäftsgeheimnissen von der tatsächlichen Geheimhaltung der Information abhängt und-- abgesehen von ihrem definitionsgemäß erforderlichen „wirtschaftlichem Wert“-- keine besondere Qualität der Information für den rechtlichen Schutz erfordert. 431 b) Strafrechtsschutz (§ 17 UWG ) Der Tatbestand des § 17 UWG , der, wie dargestellt-- ebenso wie die §§ 18 und 19 UWG -- nach Maßgabe des Referentenentwurfs in modifizierter Form in das neue Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen überführt werden soll (vgl. §§ 22 GeschGehG-E), regelt den strafrechtlichen Geheimnisschutz im UWG , der den Unternehmer vor einer Verletzung seiner Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse schützen soll. Unter einem Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis war nach Maßgabe der Rechtsprechung des BGH bislang jede im Zusammenhang mit einem Betrieb stehende Tatsache zu verstehen, die nicht offenkundig, sondern nur einem 429 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 10, S. 50 f.; Enders, GRUR 2012, 25, 28 f.; grundlegend zu den Defiziten der geltenden Rechtslage ferner McGuire, GRUR 2016, 1000 ff. 430 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG-- Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2016 / 943; Referentenentwurf v. 19. 04. 2018). 431 Referentenentwurf v. 19. 04. 2018, Begründung, S. 18. 606 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson eng begrenzten Personenkreis bekannt ist und nach dem bekundeten Willen des Betriebsinhabers, der auf einem ausreichenden wirtschaftlichen Interesse beruht, geheim gehalten werden soll. 432 Während nach bisherigem Verständnis für das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses also der bekundete, auf wirtschaftlichem Interesse beruhende Wille zur Geheimhaltung nicht offenkundiger Tatsachen ausreichte, stellt die Begriffsbestimmung in Art. 2 Ziff. 1 der Richtlinie 2016 / 943-- ebenso wie die Definition in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GeschGehG-E-- an das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses deutlich strengere Anforderungen, insbesondere ist erforderlich, dass die fraglichen Informationen Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen seites des Inhabers sind (s. zuvor a). Hierauf haben sich Unternehmen zukünftig beim Umgang mit ihren Geschäftsgeheimnissen einzustellen. 433 Die begriffliche Unterscheidung in § 17 UWG zwischen Geschäftsgeheimnissen, die sich auf den kaufmännischen Geschäftsverkehr (z. B. Kundenadressen, Lieferantendaten, Absatz- und Werbemethoden) und Betriebsgeheimnissen, die sich auf den technischen Betriebsablauf beziehen (z. B. Konstruktionszeichnungen, Herstellungsverfahren und Fertigungsmethoden), ist angesichts ihrer Gleichbehandlung im Lauterkeitsrecht bedeutungslos, 434 und ist im Entwurf des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (vgl. § 22 GeschGehG-E) entfallen. Eine Liste mit Kundendaten kann ein Geschäftsgeheimnis i. S. von § 17 Abs. 1 UWG darstellen, wenn ihr ein bestimmter Vermögenswert zukommt. 435 ▶ Als Täter des sog. Geheimnisverrats (§ 17 Abs. 1 UWG ) kommt nur eine bei einem Unternehmen beschäftigte Person, die das Geheimnis unbefugt einem Dritten mitteilt, in Betracht. ▶ Demgegenüber kommt als Täter der Betriebsspionage (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 UWG ), bei der sich der Täter das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis unter Anwendung bestimmter Mittel (vgl. § 17 Abs. 2 Nr. 1 lit. a bis c UWG ) unbefugt verschafft oder sichert, jedermann-- auch ein Beschäftigter-- in Betracht. ▶ Letzteres gilt auch für den Tatbestand der Geheimnisverwertung (§ 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG ), bei der die Tathandlung darin besteht, dass der Täter das Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das er durch Geheimnisverrat eines Dritten oder eigene oder fremde Betriebsspionage erlangt oder sich sonst unbefugt verschafft oder gesichert hat, verwertet oder jemandem mitteilt. Wie der BGH festgestellt hat, verschafft sich ein ausgeschiedener Mitarbeiter, der ein Geschäftsgeheimnis seines früheren Arbeitsgebers schriftlichen Unterlagen entnimmt, die er während des früheren Dienstverhältnisses zusammengestellt und im Rahmen seiner früheren Tätigkeit befugtermaßen bei seinen privaten Unterlagen-- etwa in einem privaten Adressbuch oder auf einem privaten PC -- aufbewahrt hat, damit dieses Geschäftsgeheimnis unbefugt i. S. von § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG . 436 432 St. Rspr. BGH , zuletzt BGH GRUR 2003, 356, 358 „Präzisionsmessgeräte“. 433 Im Einzelnen hierzu Redeker / Pres, WRP 2015, 681 ff.; 812 ff. 434 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 17 Rdn. 4. 435 BGH v. 8. 5. 2008, I ZR 83 / 06 „Abmahnkostenersatz“. 436 BGH v. 8. 5. 2008, I ZR 83 / 06 „Abmahnkostenersatz“; vgl. ferner BGH v. 26. 2. 2009, I ZR 28 / 06 „Versicherungsvertreter“; BGH v. 23. 2. 2012, I ZR 136 / 10 „ MOVICOL -Zulassungsantrag“. 607 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften Pierson Als Strafrahmen sieht § 17 UWG (s. auch § 22 Abs. 1 GeschGehG-E) für sämtliche der vorgenannten Tatbestände, die bereits als Versuch strafbar sind (§ 17 Abs. 3 UWG ), Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor, wobei in besonders schweren Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe droht (§ 17 Abs. 4 UWG , s. auch § 22 Abs. 4 GeschGehG-E). 3. Verwertung von Vorlagen (§ 18 UWG ) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird ferner bestraft, „wer die ihm im geschäftlichen Verkehr anvertrauten Vorlagen oder Vorschriften technischer Art, insbesondere Zeichnungen, Modelle, Schablonen, Schnitte, Rezepte, zu Zwecken des Wettbewerbs oder aus Eigennutz unbefugt verwertet oder jemandem mitteilt“ (§ 18 Abs. 1 UWG ). Die Strafbestimmung, die nach Maßgabe des Referentenentwurfs in modifizierter Form in das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (§ 22 Abs. 3 GeschGehG-E) überführt werden soll, ergänzt den Geheimnisschutz nach § 17 UWG . Sie erlangt eigenständige Bedeutung in Fällen, in denen die Vorlage oder Vorschrift technischer Art nicht die Anforderungen an ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis erfüllt, andernfalls wird regelmäßig Tateinheit mit § 17 Abs. 2 Nr. 2 3. Alt. UWG vorliegen. 437 4. Verleiten und Erbieten zum Verrat (§ 19 UWG ) Schließlich werden durch die wettbewerbsrechtliche Strafbestimmung nach § 19 UWG bestimmte Vorbereitungshandlungen zu den Straftaten nach §§ 17 oder 18 UWG , nämlich das Verleiten und Erbieten zum Verrat, unter Strafe gestellt. In Fällen, in denen es zu einer Straftat nach § 17 oder § 18 UWG kommt, tritt § 19 UWG hinter der Bestrafung wegen der Beteiligung (§§ 25 Abs. 2, 26, 27 St GB ) an diesen Taten zurück. 438 Nach Maßgabe des Referentenentwurfs soll 19 UWG -- ebenso wie die §§ 17 und 18 UWG -- in modifizierter Form in das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen überführt werden. 5. Bußgeldvorschriften (§ 20 UWG ) Die Bußgeldvorschriften (§ 20 UWG ) wurden durch das Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung vom 29. 7. 2009 neu in das Gesetz aufgenommen und durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken vom 1. 10. 2013 verschärft (s. o. § 83 III .). Unerbetene Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern und unerlaubte Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine kann danach-- zusätzlich zu der fortbestehenden zivilrechtlichen Sanktionierung als Lauterkeitsverstoß- - auch mit einer von der Bundesnetzagentur zu verhängenden Geldbuße bis zu EUR 300 000 geahndet werden. Im Jahre 2016 wurden von der Bundesnetzagentur Bußgelder wegen unerlaubter Telefonwerbung i. H. v. insgesamt EUR 895 000 verhängt, in 2017 wurde der Bußgeldrahmen in einem Fall (Telefonwerbung 437 Kotthoff / Gabel in HK -WettbR, § 18 Rdn. 1. 438 Kotthoff / Gabel in HK -WettbR, § 19 Rdn. 1. 608 Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) Pierson für Energielieferverträge) mit der Verhängung eines Bußgeldes i. H. v. EUR 300 000 erstmals voll ausgeschöpt. 439 Die Formulierung von § 20 UWG berücksichtigt die im Rahmen der UWG -Reform 2008 erfolgte Ausgestaltung des § 7 UWG als eigenständiger Vorschrift, die sich-- anders als nach alter Rechtslage auf der Grundlage des UWG 2004-- nicht mehr auf § 3 UWG bezieht. Sofern die geplante ePrivacy-Verordnung (siehe hierzu o. § 82 IV . 3. b.), in der vorgeschlagenen Fassung in Kraft tritt, erhöhen sich die Geldbußen erheblich. Wegen des Vorrangs des Unionsrechts würde § 20 UWG durch die Bußgeldregelung der ePricay VO verdrängt. 440 Nach Art. 23 Abs. 2 lit. d) des Vorschlages für die ePrivacy VO können bei Verstößen gegen Art. 16 der Verordnung (unerbetene Kommunikation) Bußgelder in Höhe von bis zu 10 Mio. Euro oder 2% des weltweiten Konzernumsatzes verhängt werden, je nachdem welcher der Beträge höher ist. 439 Bundesnetzagentur, Rund 290 000 Verbraucheranfragen und -beschwerden zu Telekommunikationsfragen, https: / / www.bundesnetzagentur.de/ SharedDocs/ Pressemitteilungen/ DE/ 2017/ 28122017_Telekommunikation.html (letzter Abruf: 01 / 2018). 440 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 20 Rdn. 12. Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung 611 § 87 Anspruchsgrundlagen Pierson § 87 Anspruchsgrundlagen I. Ausgangspunkt Die bisherige Darstellung der Rechtsgebiete des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts beschränkte sich im Wesentlichen auf eine Erörterung der materiellen Rechtslage, die sich nach Maßgabe der jeweiligen Sondergesetze in Bezug auf die Schutzgegenstände des Immaterialgüterrechts bzw. die Verhaltensregeln des Lauterkeitsrechts ergibt. Von zentraler Bedeutung für einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums vor Verletzungen durch Dritte ebenso wie für einen Schutz vor wettbewerbswidrigem Verhalten einzelner Marktteilnehmer ist jedoch, dass die Rechtsordnung auch geeignete rechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums sowie für die Abwehr von Wettbewerbsverstößen bereithält. Mit anderen Worten: Auch im Bereich des Immaterialgüterrechts und des Lauterkeitsrechts gilt der allgemeine Grundsatz, dass es nicht nur darum geht, Recht „zu haben“, sondern auch darum, Recht „zu bekommen“. Obgleich bei der Frage der wirksamen Rechtsdurchsetzung verfahrensrechtliche Fragen im Vordergrund stehen, stellt sich zunächst stets die Frage, auf welche materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage sich das Recht, dessen Durchsetzung in Rede steht, stützen lässt. Die wichtigsten materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen, die sich nach Maßgabe der Sondergesetze bei Verletzungen von Immaterialgüterrechten bzw. im Falle von Wettbewerbsverstößen ergeben, wurden bereits jeweils im Rahmen der Erläuterung der einzelnen Rechtsgebiete vorgestellt. Die nachfolgende übergreifende Darstellung beschränkt sich daher auf eine Skizzierung regulatorischer Initiativen zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung im Bereich des geistigen Eigentums sowie auf einen Überblick über das System der Anspruchsgrundlagen zum verbesserten Schutz des geistigen Eigentums. II. Rechtsdurchsetzung im Bereich des geistigen Eigentums 1. Die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums a) Einordnung Wie bereits im Rahmen der Darstellung der Grundlagen (s. o. § 4 IV .) und auch im Rahmen der Erläuterung der einzelnen Spezialgebiete im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts deutlich geworden ist, hat sich der Europäische Gesetzgeber in der Vergangenheit als steter Schrittmacher zur Harmonisierung und Fortentwicklung des in den Mitgliedsstaaten geltenden Immaterialgüterrechts und auch des Lauterkeitsrecht erwiesen. Während sich diese Maßnahmen der Europäischen Union jedoch im Wesentlichen auf die Harmonisierung der materiellen Bestimmungen zum Schutz des geistigen Eigentums beschränkten, zielt die am 29. 4. 2004 verabschiedete sog. Durchsetzungs-Richtlinie 1 auf die Schaffung gleicher Bedingungen bei der Anwendung der Rechte an geistigem Eigentum und 1 Richtlinie 2004 / 48 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, AB l. EG L 195 / 16-25 v. 2. 6. 2004. 612 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum Schutz im Sinne einer gesicherten Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. b) Hintergrund und sachlicher Anwendungsbereich Auslöser der Initiative war die Beobachtung des europäischen Gesetzgebers, dass sich Nachahmung, Produktpiraterie und allgemein die Verletzung geistigen Eigentums zu einem Phänomen entwickelt hat, das internationale Maßstäbe erreicht hat und eine ernsthafte Bedrohung für die nationalen Volkswirtschaften darstellt. Im europäischen Binnenmarkt gedeihe dieses Phänomen vor allem deshalb- - so die Erwägungen der Kommission- - weil die Möglichkeiten zum Schutz des geistigen Eigentums von Land zu Land unterschiedlich seien. Produktpiraterie finde daher in den Ländern statt, in denen diese weniger wirksam verfolgt werde. 2 Die in der Richtlinie vorgesehen Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums finden auf jede Verletzung geistigen Eigentums, die im Unionsrecht oder dem Recht eines Mitgliedsstaates vorgesehen sind, Anwendung (Art. 2 Abs. 1), wobei vom Begriff des „geistigen Eigentums“ nach Maßgabe ausdrücklicher Klarstellung (vgl. Art. 1 S. 2) auch die gewerblichen Schutzrechte erfasst sind. Entgegen ursprünglich geplanter vereinzelter Beschränkungen ist der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie damit denkbar weit und erfasst alle Immaterialgüterrechte, d. h. insbesondere das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte (einschließlich des sui-generis Datenbankschutzes), das Markenrecht, das Patent- und Gebrauchsmusterrecht, das Designrecht und den Halbleiterschutz. 3 Im Übrigen bleiben spezielle unionsrechtliche Bestimmungen zur Durchsetzung geistigen Eigentums (Art. 2 Abs. 2) und die allgemeinen unionsrechtlichen Bestimmungen zum materiellen Recht des geistigen Eigentums (Art. 2 Abs. 3 a) von der Anwendung der Richtlinie unberührt, ebenso wie die Verpflichtungen, die sich für die Mitgliedsstaaten aus internationalen Abkommen ergeben, insbesondere aus dem TRIPS -Übereinkommen (Art. 2 Abs. 3b). Die Europäische Union gehört-- neben allen EU -Mitgliedsstaaten-- auch selbst zu den Vertragsmitgliedern des TRIPS -Abkommens, das von dieser mit der Durchsetzungs-Richtlinie umgesetzt wird. In einigen Fällen geht die Richtlinie mit Ihren Vorgaben jedoch deutlich über das TRIPS -Abkommen hinaus (sog. TRIPS - PLUS -Bestimmungen). 4 c) Gegenstand Gegenstand der Richtlinie sind die Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen (Art. 1 S. 1). Hiermit korrespondierend begründet die Richtlinie in einem ersten Abschnitt zunächst eine „Allgemeine Verpflichtung“ (Art. 3), nach der die Mitgliedsstaaten entsprechende rechtliche Instrumente-- Maßnahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe-- vorzusehen haben. Diese sollen 2 EU -Information zum Vorschlag der Durchsetzungs-Richtlinie „Schutz der Rechte an geistigem Eigentum“ (Stand: 13. 5. 2003). 3 Runge, Newsletter- CIP 02 / 2004, S. 12 f. 4 Vgl. die vergleichende tabellarische Übersicht zu den Bestimmungen der Richtlinie und des TRIPS bei Runge, Newsletter- CIP 02 / 2004, S. 12 f.; Knaak, GRUR Int. 2004, 745, 747; ferner eingehend Patnaik, GRUR 2004, 191 ff. 613 § 87 Anspruchsgrundlagen Pierson fair und gerecht, nicht unnötig kompliziert oder kostspielig sein und keine unangemessenen Fristen oder ungerechtfertigten Verzögerungen mit sich bringen (Art. 3 Abs. 1 S. 2); zudem sollen sie wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein (Art. 3 Abs. 2). Die Anwendung der fraglichen Maßnahmen zum Schutz des geistigen Eigentums kann von den Inhabern der Rechte, allen anderen Personen, die zur Nutzung solcher Rechte befugt sind, insbesondere Lizenznehmern, Verwertungsgesellschaften und zur Vertretung von Rechtsinhabern befugten Berufsorganisationen beantragt werden (Art. 4). Für die Antragsbefugnis von Urhebern-- und entsprechend für die Inhaber von Leistungsschutzrechten- - begründet die Namensangabe auf dem Werkstück die Urheber- oder Inhabervermutung (Art. 5). d) Maßnahmen und Verfahren im Einzelnen Im Einzelnen sieht die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte bei Verletzung geistigen Eigentums die folgenden Maßnahmen und Verfahren vor: 5 ▶ Maßnahmen der Beweissicherung (Art. 6, 7); ▶ Recht auf Auskunft (Art. 8); ▶ Einstweilige Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen (Art. 9); ▶ Abhilfemaßnahmen: Rückruf und Entfernen aus Vertriebswegen, Vernichtung (Art. 10); ▶ Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche (Art. 11, 13); ▶ Ersatzmaßnahmen: Zahlung von Abfindung an geschädigte Partei (Art. 12); ▶ Prozesskosten: Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei (Art. 14); ▶ Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen (Art. 15). e) Evaluation der Durchsetzungs-Richtlinie, Leitfaden der EU -Kommission Ausweislich eines von der Kommission nach Maßgabe von Art. 18 der Richtlinie vorgelegten ersten Berichts zu deren Bewertung 6 hat die Richtlinie „wesentliche und positive Auswirkungen“ auf den zivilrechtlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in Europa bewirkt. Zugleich werden in diesem Bericht „Volumen und finanzieller Wert“ der Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums weiterhin als „alarmierend“ bezeichnet, was insbesondere auf das „beispiellose“ Verletzungspotential des Internets zurückgeführt wird. Die sich insoweit ergebenden Herausforderungen seien bei der Konzeption der Richtlinie, wie sich herausgestellt habe, nicht berücksichtigt worden. Mit Blick auf die spezifischen Herausforderungen des Internets sowie eine Reihe weiterer Themen zum verbesserten Schutz des geistigen Eigentums (u. a. der Einsatz von einstweiligen Maßnahmen und Sicherungsmaßnahmen, die Präzisierung der Bedeutung von verschiedenen Abhilfemaßnahmen) hat die Kommission einen Konsultationsprozess über zukünftig zu ergreifende Maßnahmen durchgeführt. 7 Auf der Grundlage der durchgeführten Konsultationen hat die EU -Kommission Ende 2017 im Interesse einer verbesserten zivilrechtlichen Rechtsdurchsetzung einen 5 Vgl. Knaak, GRUR Int. 2004, 745 ff.; Jaeschke, Jur PC Web-Dok. 258 / 2004, Abs. 1-9. 6 Bericht v. 22. 12. 2010, KOM (2010) 779 endgültig. 7 Nähere Informationen der Kommission hierzu sind abrufbar unter http: / / ec.europa.eu/ internal_market/ iprenforcement/ directive/ index_de.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 614 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson Leitfaden zur Interpretation der Durchsetzungs-Richtlinie veröffentlicht, der darauf abzielt, den Gerichten und Verfahrensbeteiligten Hilfestellung bei der Interpetation und Anwendung der Richtlinie zu leisten. 8 2. Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten geistigen Eigentums a) Regelungsstruktur Die meisten der in Durchsetzungs-Richtlinie vorgegebenen Maßnahmen und Verfahren waren dem deutschen Immaterialgüterrecht bereits bekannt. Wie das deutsche Umsetzungsgesetz- - das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums 9 - - gezeigt hat, ergab sich gleichwohl auch aus deutscher Sicht bedeutsamer Umsetzungsbedarf. Diesem war teils durch die Anpassung bereits bestehender, teils durch die Einführung völlig neuer Rechtsinstrumente Rechnung zu tragen. Hierbei hatte der deutsche Gesetzgeber mit Blick auf den „horizontalen Charakter“ der Richtlinie-- die durch die Richtlinie vorgegebenen Instrumente betreffen gleichermaßen alle Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums- - erwogen, einen für alle Rechte geistigen Eigentums geltenden „Allgemeinen Teil“ zu schaffen. Im Ergebnis hat er sich jedoch für eine Beibehaltung der bisherigen Regelungsstruktur entschieden, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sämtliche mit dem einzelnen Recht des geistigen Eigentums zusammenhängenden Fragen jeweils in einem Sondergesetz und damit für den Rechtsanwender übersichtlich geregelt sind. 10 Die Umsetzung der Richtlinie erfolgte daher durch eine parallele, weitgehend wortgleiche Änderung bzw. Ergänzung der einzelnen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes sowie des Urheberrechts. Diese Art und Weise der Umsetzung der Durchsetzungs-Richtlinie war einer der Anstöße für die Arbeiten des GRUR -Forschungsprojekts zum „Modellgesetz für Geistiges Eigentum“, 11 das das heute in Deutschland geltende Recht des Geistigen Eigentums modellhaft in einem Gesetzbuch zusammenfasst und u. a. die Regeln der Durchsetzsetzungs- Richtlinie in einem „Allgemeinen Teil“ wiedergibt. 12 b) Schwerpunkte der verbesserten Rechtsdurchsetzung aa) Unterlassungsanspruch Dem Unterlassungsanspruch, der darauf abzielt, ein bestimmtes zukünftiges Verhalten des Rechtsverletzers zu unterbinden, kommt im Bereich des Immaterialgüterrechts und im Wettbewerbsrecht die größte praktische Bedeutung zu. Entsprechende Anspruchsgrundlagen sind 8 Leitfaden der EU -Kommission zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004 / 48 / EG v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final. 9 Gesetz v. 7. 7. 2008, BGB l. I, S. 1191-1211. 10 Reg.-Entwurf v. 24. 1. 2007, Begründung, Allg. Teil, S. 57 f. 11 Das Forschungsprojekt wurde von Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens und Prof. Dr. Mary Rose McGuire durchgeführt und mit dem von diesen vorgelegten „Modellgesetz für Geistiges Eigentum, Normtext und Begründung“ erfolgreich abgeschlossen. 12 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, Einl. S. 4; Tilmann, Ein Modellgesetz für Geistiges Eigentum-- Ergebnis eines GRUR -Forschungsprojekts, GRUR 2012, 961, 962. 615 § 87 Anspruchsgrundlagen Pierson daher-- wie im Rahmen der vorangegangenen Abschnitte zu den einzelnen Rechtsgebieten dargestellt- - in allen Sondergesetzen zum Schutz des geistigen Eigentums und im Lauterkeitsrecht geregelt. Voraussetzung für das Eingreifen eines Unterlassungsanspruchs ist stets das Vorliegen eines tatbestandsmäßigen und rechtswidrigen Eingriffs in ein geschütztes Ausschließlichkeitsrecht bzw.-- im Falle des Lauterkeitsrechts-- ein Verstoß gegen eine wettbewerbsrechtliche Verhaltensnorm. Darüber hinaus setzt ein Unterlassungsanspruch-- als immanentes Tatbestandsmerkmal-- stets das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr voraus. Diese besteht, wenn künftig dieselbe oder eine im Kern gleichartige Verletzungshandlung objektiv möglich und ernsthaft und greifbar zu besorgen ist. 13 Die Wiederholungsgefahr ist in der Regel zu bejahen, wenn die konkrete Rechtsverletzung schon einmal begangen wurde, d. h. grundsätzlich wird die Wiederholungsgefahr durch eine Rechtsverletzung indiziert. 14 Da die Wiederholungsgefahr im Immaterialgüterrecht früher nur vereinzelt als ausdrückliches Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs geregelt war (§§ 42 Abs. 1 Geschm MG a. F., 97 Abs. 1 UrhG a. F.), hat der Gesetzgeber die Umsetzung der Durchsetzungs-Richtlinie (Art. 11) zum Anlass genommen, um entsprechende Klarstellungen in allen sondergesetzlichen Unterlassungstatbeständen aufzunehmen. Klarstellend geregelt wird ferner, dass für das Eingreifen eines Unterlassungsanspruchs entsprechend gefestigter Rechtsprechung bereits das Vorliegen der sog. Erstbegehungsgefahr ausreicht, d. h., dass eine Zuwiderhandlung droht (sog. vorbeugender Unterlassungsanspruch). Das Tatbestandsmerkmal der Wiederholungsgefahr wird beim vorbeugenden Unterlassungsanspruch also durch das Merkmal der konkreten Erstbegehungsgefahr ersetzt (Oberbegriff: Begehungsgefahr). Typische Fälle sind die Vornahme von Vorbereitungshandlungen für eine Rechtsverletzung sowie die sog. Berühmung, in denen sich der potentielle Rechtsverletzer des Rechts zur Vornahme bestimmter Handlungen berühmt. 15 Wie der BGH festgestellt hat, setzt die Annahme einer Erstbegehungsgefahr allerdings „ernsthafte und greifbare Anhaltspunkte dafür voraus, dass sich der Anspruchsgegner in naher Zukunft rechtswidrig verhalten wird“, wobei sich „die Erstbegehungsgefahr auf eine konkrete Verletzungshandlung beziehen“ muss. Die drohende Verletzungshandlung muss sich so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandmerkmale deren Verwirklichung bereits zuverlässig beurteilen lässt. 16 Mangels abweichender Anhaltspunkte ist die Verpflichtung zur Unterlassung einer Handlung, durch die ein fortdauernder Störungszustand geschaffen wurde, nach der Rechtsprechung des BGH 17 dahin auszulegen, dass sie sich nicht nur auf die Unterlassung der rechtsverletzenden Handlung, sondern auch „auf die Vornahme möglicher und zumutbarer Handlungen zur Beseitigung des Störungszustands“ erstreckt. Bei einem Vertriebsverbot (z. B. wegen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 13 Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 10. 14 Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 97 Rdn. 216 m. zahlr. Rspr.-Nachw. 15 Reg.-Entwurf v. 24. 1. 2007, Begründung, Bes. Teil, S. 87; ferner Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 97 Rdn. 224 f. 16 St. Rspr.-- BGH v. 23. 10. 2014, Az. I ZR 133 / 13 „Keksstangen“; BGH v. 4. 5. 2016, Az. I ZR 58 / 14 „Segmentstruktur“. 17 St. Rspr.-- BGH v. 19. 11. 2015, Az. I ZR 109 / 14 „Hot Sox“. 616 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson UWG ) schließt dies die Verpflichtung zum Rückruf rechtsverletzender Produkte aus der Vertriebskette mit ein. bb) Schadensersatzanspruch Sämtliche deutschen Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums sahen in Fällen von Rechtsverletzungen, soweit diese verschuldet sind, bereits nach alter Rechtlage Schadensersatzansprüche vor, wobei diese Vorschriften nur vereinzelt (vgl. §§ 97 Abs. 1 UrhG a. F., 42 Abs. 2 Geschm MG a. F.) auch Aspekte der Höhe des zu ersetzenden Schadens regelten. Von der Rechtsprechung waren jedoch, wie bereits in anderem Zusammenhang dargestellt (vgl. z. B. 4. Abschnitt, § 4 II . 1.), für den Bereich des Immaterialgüterrechts seit vielen Jahren die drei Methoden der Schadensberechnung gewohnheitsrechtlich anerkannt. 18 Danach konnte der Geschädigte bereits nach alter Rechtslage statt Ersatz des ihm tatsächlich entstandenen Schadens (einschließlich des entgangenen Gewinns, §§ 249, 252 BGB ), auch Zahlung einer im Wege der Lizenzanalogie zu bemessenden Lizenzgebühr oder die Herausgabe des Verletzergewinns 19 verlangen. Das Durchsetzungsgesetz hat daher die entsprechenden Vorgaben der Richtlinie zur Schadensberechnung (Art. 13 Abs. 1) 20 aus Gründen der Rechtsklarheit zum Anlass genommen, das in Deutschland bestehende Richterrecht durch Ergänzungen der einschlägigen Schadensersatzvorschriften (§ 97 Abs. 2 Urh RG ; § 42 Abs. 2, 3 DesignG; § 139 Abs. 2, 3 PatG; § 24 Abs. 2, 3 Gebr MG ; §§ 14 Abs. 6, 15 Abs. 5 MarkenG; § 37 Abs. 2,3 SortG; § 9 Abs. HLS chG) zu kodifizieren. Obgleich Gegenstand und Anwendungsbereich der Duchsetzungs-Richtlinie auf die verbesserte Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums beschränkt sind (Art. 1, 2), strahlen die Grundsätze der zur dreifachen Schadensersatzberechnung teilweise auf die Schadensersatzberechung im Bürgerlichen Recht und Lauterkeitsrecht aus. So ist die dreifache Schadensersatzberechung von der Rechtsprechung für bürgerlichrechtliche Schadensersatzansprüche anerkannt bei der Verletzung des Persönlichkeitsrechts sowie von Namensrechten, im Bereich des Lauterkeitsrechts bei Verletzung der nach §§ 3 Abs. 1, 4 Nr. 3 UWG geschützten Leistungen (sog. ergänzender wettberbsrechtlicher Leistungsschutz) sowie der nach den §§ 17 ff. UWG geschützen Geschäftsgeheimnisse und Vorlagen. 21 Nach Maßgabe der Durchsetzungs-Richtlinie (Art. 13 Abs. 1 lit. a) haben die Gerichte bei der Schadensersatzberechung in geeigneten Fällen auch „andere als die wirtschaftlichen Faktoren, wie den immateriellen Schaden für den Rechtsinhaber“ zu berücksichtigen. Als Beispiel für einen immateriellen Schaden kommt z. B. die Rufschädigung in Betracht. Soweit der immaterielle Schaden in der Richtlinie ausdrücklich nur in Art. 13 lit. a), nicht jedoch doch auch in Art. 13 Abs. 1 lit. b) (Regelung zur Lizenzanalogie) erwähnt ist, hat der Eu GH 22 festgestellt, dass die Richtlinie dahgehend auszulegen sei, dass der durch die Verletzung seines geistigen Eigentums Geschädigte, der den Ersatz seines auf der Grundlage der hypothetischen 18 Näheres hierzu vgl. u. a. Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 97 Rdn. 243 ff., 259 ff. 19 Zur Berechnung s. BGH v. 21. 9. 2006, I ZR 6 / 04 „Steckverbindergehäuse“. 20 Zu dessen Interpretation vgl. Leitfaden der EU -Kommission v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final, S. 3 ff. 21 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 9 Rdn. 1.36 bis 1.36b. 22 Eu GH v. 17. 3. 2016, Rs. C-99 / 15 „Liffers“. 617 § 87 Anspruchsgrundlagen Pierson Gebühr berechneten materiellen Schadens verlangt (Art. 13 Abs. 1 lit. b), zusätzlich auch den Ersatz seines immateriellen Schadens (Art. 13 Abs. 1 lit. b) verlangen kann. cc) Auskunftsanspruch, Drittauskunft Die Sondergesetze im Bereich des Immaterialgüterrechts sahen für den Fall von Rechtsverletzungen bereits nach alter Rechtslage zivilrechtliche Auskunftsansprüche vor. Mit Blick auf die Vorgaben der Durchsetzungs-Richtlinie (Art. 8) waren diese Auskunftsansprüche hinsichtlich des Umfangs der Auskunftserteilung um Angaben des Auskunftsverpflichteten über die für die Piraterieware gezahlten Preise zu ergänzen. Hervorzuheben ist jedoch insbesondere, dass die Auskunftsansprüche darüber hinaus auch in Bezug auf die Passivlegitimation anzupassen waren, nämlich dahingehend, dass der Rechtsinhaber unter den in der Richtlinie bestimmten Voraussetzungen (Art. 8 Abs. 1 lit. a bis d) auch einen Auskunftsanspruch gegen Dritte erhalten hat, die selbst nicht Rechtsverletzer sind. Die damit ermöglichte Durchsetzung von Drittauskünften ist insbesondere für Rechtsverletzungen im Internet von Bedeutung, da die dortige Möglichkeit zu weitgehend anonymer Kommunikation häufig für Rechtsverletzungen, insbesondere solche des Urheberrechts, genutzt wird (Stichwort u. a. „Tauschbörsen“). 23 Soweit die Erteilung der begehrten Auskünfte durch den Dritten (z. B. Internet- Provider) nur unter Verwendung sog. Verkehrsdaten i. S. v. § 3 Nr. 30 TKG (darunter fallen insbesondere zeitliche Umstände einer bestimmten Datenverbindung und deren Zuordnung zu einem Telefonanschluss) möglich ist, ist für die Erteilung der Auskunft mit Rücksicht auf das Fernmeldegeheimnis (§ 88 TKG , Art. 10 Abs. 1 GG ) eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich, die vom Verletzten zu beantragen ist (vgl. z. B. für das Urheberrecht § 101 Abs. 9 UrhG). Wie der Eu GH festgestellt hat, steht eine gesetzliche Verpflichtung zur Weitergabe personenbezogener Daten an Privatpersonen, um die Verfolgung von Urheberrechtsverstößen vor den Zivilgerichten zu ermöglichen, im Einklang mit den Vorgaben der Durchsetzungs-Richtlinie (Art. 8 Abs. 3) und der Datenschutzrichtlinie für die elektronische Kommunikation (Art. 15 Abs. 1). 24 dd) Anspruch auf Vorlage, Besichtigung von Sachen Eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums hat sich im Zuge der Umsetzung der Durchsetzungs-Richtlinie jedoch nicht nur durch die Anpassung bereits bestehender Ansprüche, sondern darüber hinaus durch die nach Maßgabe der Richtlinie erforderliche Einführung neuer Rechtsinstrumente ergeben. Neu aufgenommen wurde, entsprechend den Vorgaben der Richtlinie (Art. 6 Abs. 1) bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Schutzrechtsverletzung ein Anspruch des Rechtsinhabers oder von anderen Berechtigten auf Vorlage einer Urkunde oder Besichtigung einer Sache, die sich in der Verfügungsgewalt des Verletzers befindet, wenn dies zur Begründung von Ansprüchen erforderlich ist. Bei hinreichender Wahrscheinlichkeit einer im gewerblichen Ausmaß begangenen Rechtsverletzung erstreckt sich der Anspruch nach Vorgabe der Richtlinie (Art. 6 Abs. 2) auch auf die Vorlage von Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen. Die fraglichen An- 23 Reg.-Entwurf v. 24. 1. 2007, Begründung, Besonderer Teil, S. 93. 24 Eu GH v. 29. 1. 2008, Rs. C-275 / 06 „Promusicae“; Eu GH v. 19. 4. 2012 Rs. C-461 / 10 „Bonnier“. 618 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson sprüche dienen der Gewinnung von Beweismitteln. Entsprechend der Vorgaben der Richtlinie (Art. 7) ist geregelt, dass sie auch im Wege der einstweiligen Verfügung nach §§ 935-945 ZPO verfolgt werden können. Hierdurch wird klargestellt, dass der Erlass einer einstweiligen Verfügung insoweit entgegen der Grundsätze des vorläufigen Rechtsschutzes nicht an der Vorwegnahme der Hauptsache scheitert 25 (vgl. §§ 140c PatG; 24c Gebr MG ; 46a DesignG; 19a MarkenG; 101a UrhG). Bei einer in gewerblichem Ausmaß begangenen Rechtsverletzung ist darüber hinaus ein Anspruch gegen den Verletzer auf Vorlage solcher Bank-, Finanz- und Handelsunterlagen vorgesehen, die für die Durchsetzung eines Schadensersatzanspruchs erforderlich sind, wenn ohne die Vorlage die Erfüllung des Schadensersatzanspruchs fraglich ist (vgl. §§ 140d PatG; 24d Gebr MG ; 46b DesignG; 19b MarkenG; 101b UrhG). Nach dem Begriffsverständis der Durchsetzungs-Richtlinie (Erwägungsgrund 14 S. 3) zeichnen sich in gewerblichem Ausmaß vorgenommene Rechtsverletzungen dadurch aus, „dass sie zwecks Erlangung eines unmittelbaren oder mittelbaren wirtschaftlichen oder kommerziellen Vorteils vorgenommen werden; dies schließt in der Regel Handlungen aus, die in gutem Glauben von Endverbrauchern vorgenommen werden.“ Nach ständiger Rechtsprechung des Eu GH 26 sind unionsrechtliche Begriffe autonom und einheitlich auszulegen. Bei der Interpretation und Anwendung des Begriffs „in gewerblichem Ausmaß“ (i. S. v. Art. 6 Abs. 2, 8 Abs. 1 lit.a, 9 Abs. 2) sollten nach Auffassung der EU -Kommission-- angelehnt an das Begriffsvertändnis von Art. 61 TRIPS („on a commercial scale“)-- nicht nur „qualitative Aspekte, beispielsweise der bei den betreffenden Rechtsverletzungen möglicherweise verfolgte wirtschaftliche oder kommerzielle Zweck,“ sondern auch „quantitative Aspekte, wie die Anzahl und der Umfang der für den gegebenen Fall relevanten Verletzungen berücksichtigt werden.“ 27 ee) Urteilsveröffentlichung Entsprechend der Vorgabe der Durchsetzungs-Richtlinie (Art. 15) sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, Regelungen vorzusehen, nach denen die Gerichte bei Verfahren wegen Verletzung des geistigen Eigentums befugt sind, die Veröffentlichung der Entscheidung auf Antrag anzuordnen. Entsprechende Vorschriften, nach denen der obsiegenden Partei bei berechtigtem Interesse im Urteil die Befugnis zugesprochen werden kann, das Urteil auf Kosten der unterliegenden Partei zu veröffentlichen, waren nach alter Rechtslage nur in den §§ 47 Geschm MG a. F., 103 UrhG a. F. enthalten (im Lauterkeitsrecht vgl. ferner § 12 Abs. 3 UWG ). Für die anderen Gesetze ist die Einfügung entsprechender Reglungen erstmals im Zuge des Umsetzungsgesetzes erfolgt (vgl. §§ 140e PatG; 24e Gebr MG ; 19c, 128, 135 MarkenG; 9 HLS chG; 37e SortG). Die Feststellung, ob die antragstellende Partei ein „berechtigtes Interesse“ an der Urteilsveröffentlichung hat, macht eine sorgfältige Interessenabwägung erforderlich. Die Bekanntmachung des Urteils muss zur Aufklärung des betroffenen Publikums notwendig und als Mittel angemessen sein. 28 So kann z. B. ein Urheber ein schutzwürdiges Interesse daran haben, der Öffentlichkeit anzuzeigen, dass seine Werkschöpfung von anderen 25 Reg.-Entwurf v. 24. 1. 2007, Begründung, Allg. Teil, S. 63, Bes. Teil, S. 97. 26 Eu GH v. 3. 9. 2014, Rs. C-201 / 13 „Johan Deckmyn,Vrijheidsfonds VZW “. 27 Vgl. Leitfaden der EU -Kommission v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final, S. 10 f. 28 Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 103 Rdn. 6 f. 619 § 87 Anspruchsgrundlagen Pierson kopiert oder zu Unrecht ausgenutzt wurde oder dass ein gegen ihn erhobener Plagiatsvorwurf unbegründet ist. 29 ff) Grenzbeschlagnahme Marken- und Produktpiraterie sind ein schwerwiegendes weltweites Problem, das die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften, soweit diese auf Kreativität und Innovation beruhen, stark gefährdet. Das erhebliche Ausmaß der durch Fälschungen und Produktpiarterie verursachten volkswirtschaftlichen Schäden wird eindrucksvoll durch eine im Auftrag der EU Kommission von der OECD gemeinsam mit der Beobachtungsstelle des EU IPO durchgeführte Studie belegt. 30 Danach belief sich der Anteil von Fälschungen und Piraterieware am Welthandel auf 2,5 %, was einem Betrag i. H. v. 461 Mrd. US Dollar entspricht. Noch drastischer sind die in der Studie allein für die EU ausgewiesenen Zahlen, wonach 5 % der Importe auf Fälschungen und Piraterieware entfielen, was einem Betrag i. H. v. 85 Mrd. EUR entspricht. Ferner belegt die Studie, dass die bereits seit vielen Jahren bestehenden Probleme infolge der unzureichenden Beachtung des geistigen Eigentums in China anhalten. Ausweislich der Studie stammten auch in jüngeren Jahren Zeit immer noch über 80 % der in die EU importierten Fälschungen bzw. Piraterieware aus China. Einen Überblick über weitere Länder, die wegen unzureichender Beachtung der Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums erhebliche Probleme bereiten, bietet ferner eine von der EU Kommission ( DG Trade) mit Unterstützung des EU IPO durchgeführte Untersuchung. 31 Einer stetigen Verbesserung der Vorschriften zur Grenzbeschlagnahme kommt im Interesse einer wirksamen Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums eine zentrale Bedeutung zu. Das Gesetz zur Umsetzung der Durchsetzungs-Richtlinie aus dem Jahre 2008 diente zugleich auch der Anpassung des innerstaatlichen deutschen Rechts an die am 1. 7. 2004 in Kraft getretene Grenzbeschlagnahmeverordnung, 32 die inzwischen durch die seit dem 1. 1. 2014 gültige Verordnung Nr. 608 / 2013 v. 12. 6. 2013 33 abgelöst wurde. Die Grenzbeschlagnahmeverordnung regelt das Verfahren der Zollbehörden, wenn Waren im Verdacht stehen, Rechte des geistigen Eigentums zu verletzen. Sie ist von der Erwägung getragen, dass „das Inverkehrbringen von Waren, die Rechte geistigen Eigentums verletzen, Rechtsinhabern, Rechtenutzern oder Gruppen von Erzeugern und gesetzestreuen Herstellern und Händlern erheblichen Schaden“ zufügt und dass ein derartiges Inverkehrbringen Verbraucher täuscht und diese mitunter Gefahren für ihre Gesundheit und Sicherheit aussetzt (vgl. Erwägungsgrund 2). Die Verordnung soll verhindern, dass rechtsverletzende Waren in die Gemeinschaft eingeführt oder aus dem 29 Im Einzelnen vgl. Dreier / Schulze, UrhG, § 103 Rdn. 1. 30 OECD / EU IPO (2016), Trade in Counterfeit and Pirated goods: Mapping the Economic Impact, OECD Publishing, Paris, abrufbar unter: http: / / dx.doi.org/ 10.1787/ 9789264252653-en (letzter Abruf: 04 / 2018). 31 COMMISSION STAFF WORKING DOCUMENT: Report on the protection and enforcemet of intellectual property rights in third countries, Brussels, 21. 2. 2018, SWD (2018) 47 final. 32 Verordnung ( EG ) Nr. 1383 v. 22. 7. 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, AB l. EG L 196, S. 7 ff. 33 Verordnung (EU) Nr. 608 / 2013 v. 12. 6. 2013 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung ( EG ) Nr. 1383 / 2003, AB l. EG L 181, S. 15 ff. 620 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson Zollgebiet der Union ausgeführt werden. Zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung wurde der Anwendungsbereich der Grenzbeschlagnahmeverordnung Nr. 608 / 2013 gegenüber der Vorgängerverordnung Nr. 1383 / 2003 erweitert. Erfasst werden nunmehr- - über die bereits bislang erfassten Rechte hinaus- - auch Handelsnamen, sofern sie nach nationalen Rechtsvorschriften als ausschließliche Rechte geistigen Eigentums geschützt sind, Topographien von Halbleitererzeugnissen sowie Gebrauchsmuster und Vorrichtungen, die hauptsächlich entworfen, hergestellt oder angepasst wurden, um die Umgehung technischer Maßnahmen zu ermöglichen (vgl. Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2, Erwägungsgrund 5). Durch die Grenzbeschlagnahmeverordnung werden jedoch nicht alle Fälle des Vorgehens der Zollbehörden gegen Produktpiraterie erfasst. So sind vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen (vgl. Art. 1 Abs. 5, Erwägungsgrund 6): ▶ „Waren die mit Zustimmung des Rechtsinhabers hergestellt wurden, aber im Europäischen Wirtschaftsraum erstmals ohne Zustimmung des Rechtsinhabers in Verkehr gebracht wurden“ (sog. Parallelbzw. Grauimporte), ▶ „Waren, die durch Mengenüberschreitungen hergestellt wurden, also Waren, die von einer vom Rechtsinhaber zur Herstellung einer bestimmten Menge von Waren ordnungsgemäß ermächtigen Person in Überschreitung der zwischen dieser Person und dem Rechtsinhaber vereinbarten Mengen hergestellt wurden“ (sog. Overruns), ferner ▶ Kontrollen an den EU -Binnengrenzen. Entsprechend dem Vorrang des europäischen Rechts ist der Anwendungsbereich der einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften (vgl. §§ 142a, 142b PatG; § 25a Gebr MG ; 146 ff. MarkenG; 40a, 40b SortG; 55, 57, 57a DesignG; 111b, 111c UrhG) auf Sachverhalte beschränkt, die-- wie Parallelbzw. Grauimporte, Overruns und Kontrollen an den EU -Binnengrenzen-- nicht vom Anwendungsbereich der Grenzbeschlagnahmeverordnung erfasst werden. Grenzbeschlagnahmen werden von den Zollbehörden in der Regel nur auf Antrag vorgenommen (vgl. Art. 3 ff. VO Nr. 608 / 2013 bzw. die nationalen Vorschriften). Mit Blick auf das Nebeneinander von europäischer Grenzbeschlagnahme an den Außengrenzen der EU und der nationalen Grenzbeschlagnahme an den Binnengrenzen ist insoweit zwischen Anträgen auf Grenzbeschlagnahme nach Gemeinschaftsrecht und Anträgen auf Grenzbeschlagnahme nach nationalen Rechtsvorschriften zu unterscheiden. 34 Auf europäischer Ebene wurden vom Zoll im Jahre 2016 ca. 41 Millionen Artikel zurückgehalten, wobei sich der Schätzwert der entsprechenden echten Produkte auf kanpp 673 Mio. EUR belief. 35 Vom deutschen Zoll wurden in 2016 ca. 3,6 Mio. Artikel angehalten, deren Gesamtwert sich auf ca. 180 Mio. EUR belief. 36 34 Vgl. hierzu die umfassenden Informationen des Zoll unter: http: / / www.zoll.de/ DE/ Fachthemen/ Verbote-Beschraenkungen/ Gewerblicher-Rechtsschutz/ Marken-und-Produktpiraterie/ Antrag/ antrag_node. html (letzter Abruf: 03 / 2018). 35 Bericht der EU -Kommission über die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums v. 20. 07. 2017. 36 Generalzolldirektion: Jahresstatistik 2016, S. 12. 621 § 88 Gläubiger und Schuldner Pierson Anspruchsgrundlagen Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht (§§) 37 PatG Gebr MG DesignG MarkenG UrhG UWG Unterlassung 139 I 24 I 42 I 14 V, 15 IV , 128 I 97 I 8 Schadensersatz 139 II 24 II 42 II 14 VI , 15 V, 128 II 97 II 9 Gewinnabschöpfung 10 Vernichtung 140a I, II 24a I 43 I 18 I 98 I Rückrufu. Entfernung 140a III 24a II 43 II 18 II 98 II Auskunft 140b 24b 46 19 101 Drittauskunft 140b II 24b II 46 II 19 II 101 II Vorlage von Urkunden / Besichtigung 140c 24c 46a 19a 101a Vorlage Geschäftsunterlagen 140d 24d 46b 19b 101b Veröffentlichung Urteil 140e 24e 47 19c 103 12 III Grenzbeschlagnahme 142a, 142b 25a, 25b 55-57a 146-151 111b, 111c Abb. 14: Anspruchsgrundlagen Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht § 88 Gläubiger und Schuldner Im Falle der Verletzung von Schutzrechten ebenso wie im Falle von Wettbewerbsverstößen ist nur derjenige zur Verfolgung der vorstehend skizzierten Ansprüche berechtigt, dem die Rechtszuständigkeit hierfür zusteht, d. h. nur derjenige, dem die fraglichen Ansprüche auch rechtlich zustehen. Diese Anspruchsberechtigung bezeichnet man als Sachbefugnis oder-- gebräuchlicher-- auch als Aktivlegitimation. Hiermit korrespondierend muss derjenige, der in Anspruch genommen wird, auch der „richtige“ Anspruchsgegner sein, d. h. er muss Schuldner des geltend gemachten Anspruchs sein. Insoweit spricht man von Passivlegitimation. 37 An die immaterialgüterrechtliche Anspruchsgrundlagensystematik angenähert werden soll auch der Schutz der Geschäftsgeheimnisse nach §§ 5 bis 13 GeschGehG-E (Referentenentwurf v. 19. 04. 2018). 622 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson I. Aktivlegitimation Die Aktivlegitimation steht stets dem unmittelbar Verletzten zu, d. h. demjenigen, in dessen geschützte Rechtsposition die Verletzungshandlung eingreift bzw.- - im Falle des vorbeugenden Unterlassungsanspruchs- - einzugreifen droht. Im Falle von Rechten des geistigen Eigentums sind dies stets die Rechtsinhaber, ihre Rechtsnachfolger und- - im Falle des Patent- und Urheberrechts- - auch diejenigen, denen ein ausschließliches Nutzungsrecht (ausschließliche Lizenz) zusteht. 38 Neben dem Inhaber der ausschließlichen Lizenz bleibt der Rechtsinhaber als Lizenzgeber aktivlegitimiert, soweit er durch die Rechtsverletzung-- z. B. wegen einer Minderung der Lizenzeinnahmen-- betroffen ist. 39 Anders als der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz ist der Inhaber einer einfachen Lizenz nicht aus eigenem Recht aktivlegitimiert, da ihm mangels dinglicher Rechtseinräumung kein Verbotsrecht zusteht. Im Verletzungsfalle ist hier nur sein Lizenzgeber zur Rechtsverfolgung berechtigt und meist lizenzvertraglich auch verpflichtet. Der Inhaber der einfachen Lizenz wird regelmäßig nur im Wege der sog. gewillkürten Prozessstandschaft, d. h. mit Zustimmung des Rechtsinhabers zur Rechtsverfolgung im eigenen Namen, gegen den Verletzer vorgehen können. 40 Zu beachten ist jedoch insoweit, dass abweichend von dem Zuvorgesagten im Bereich des Markenrechts und des Designrechts der Lizenznehmer eine Verletzungsklage stets nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers erheben kann, gleichviel ob es sich um eine ausschließliche oder einfache Lizenz handelt (§§ 30 Abs. 3 MarkenG; 31 Abs. 3 DesignG). Die Aktivlegitimation steht im Falle von Wettbewerbsverstößen den nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis 4 UWG Berechtigten zu (vgl. hierzu § 85 I 2.). Allerdings fehlt einem Wirtschaftsverband i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG -- so der BGH 41 - - die Klagebefugnis zur Geltendmachung einer gezielten Mitbewerberbehinderung i. S. v. § 4 Abs. 4 UWG , da diese den einzelnen, von einer möglichen Behinderung betroffenen Mitbewerbern i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG vorbehalten ist, denen es überlassen bleibe, ob sie die Behinderung hinnehmen wollen oder nicht. Dieser vom BGH aufgestellte Grundsatz wird als verallgemeinerungsfähig in dem Sinne angesehen, dass er auf sämtliche in § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 angeführten Vereinigungen und alle Tatbestände des Mitbewerberschutzes (§ 4 Nr. 1 bis 4 UWG ) übertragbar sei. 42 II. Passivlegitimation 1. Täterschaft und Teilnahme Verletzungen von gewerblichen Schutzrechten, von Urheberrechten und Leistungsschutzrechten sind ebenso wie Wettbewerbsverstöße als Verletzungen eines absoluten „sonstigen Rechts“ i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB und damit als unerlaubte Handlungen i. S. v. §§ 823 ff. BGB zu qualifizieren, wobei das allgemeine Deliktsrecht im Hinblick auf die sondergesetzlichen 38 Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 16. 39 Benkard / Grabinski / Zülch, PatG, § 139 Rdn. 17; Möhring / Nicolini / Lütje, UrhG, § 97 Rdn. 82. 40 Möhring / Nicolini / Lütje, UrhG, § 97 Rdn. 79. 41 BGH v. 23. 6. 2016, Az. I ZR 137 / 15 „Fremdcoupon-Einlösung“. 42 Büscher, GRUR 2017, 105, 119. 623 § 88 Gläubiger und Schuldner Pierson Anspruchstatbestände auf eine subsidiäre ergänzende Rolle beschränkt ist (s. bereits § 6 II . 2.; § 82 V. 1.). Als Passivlegitimierter in Anspruch genommen werden kann jeder, der die Rechtsverletzung als Täter oder Mittäter (§ 830 Abs. 1 BGB ) begeht oder der als Anstifter oder Gehilfe (§ 830 Abs. 2 BGB ) an der Rechtsverletzung teilnimmt, daneben ferner derjenige, dem das Verhalten des Handelnden zuzurechnen ist 43 (wie z. B. dem Inhaber des Unternehmens nach § 99 UrhG oder § 8 Abs. 2 UWG ). Täter ist, wer die Zuwiderhandlung selbst oder in mittelbarer Täterschaft begeht (§ 25 Abs. 1 St GB ), Mittäterschaft (vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB ) erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken. 44 Anstiftung und Beihilfe-- die Begriffe sind ebenso wie der der Mittäterschaft im strafrechtlichen Sinne zu verstehen 45 -- setzen tatbestandlich Vorsatz voraus, wobei bedingter Vorsatz genügt. 46 Die Teilnehmerhaftung setzt also die Kenntnis von einer konkret drohenden Haupttat voraus. 47 Mehrere Verletzer- - Mittäter oder Teilnehmer- - haften als Gesamtschuldner (§§ 830, 840 i. V. m. §§ 421 ff. BGB ). Beispiele: In einem die Haftung eines Host-Providers betreffenden Fall hatte der BGH darüber zu entscheiden, ob ein Internet- Aktionshaus lauterkeitsrechtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden kann, wenn auf seiner Plattform jugendgefährdende Medien angeboten werden. Während die Vorinstanzen die Klage abgewiesen hatten, hat der BGH 48 eine Haftung des Internet-Auktionshauses wegen Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht in Betracht gezogen, auch wenn es selbst nicht Anbieter der jugendgefährdenden Schriften sei. Wer durch sein Handeln im geschäftlichen Verkehr die ernsthafte Gefahr begründe, „dass Dritte durch das Wettbewerbsrecht geschützte Interessen von Marktteilnehmern verletzen“, sei „aufgrund einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht dazu verpflichtet, diese Gefahr im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren zu begrenzen“ und hafte im Falle eines Verstoßes gegen diese wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht als Täter. Gleichfalls als Täter haftet ein Händler, der bei Amazon ein Verkaufsangebot einstellt, wenn das Angebot seitens Amazon als Plattformbetreiber durch die Angabe einer nicht mehr gültigen unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers in irreführender Weise ergänzt wird. Denn der Händler, der Amazon die Möglichkeit der entsprechenden Einflussnahme auf sein Angebot (Ergänzung durch Herstellerpreisempfehlung) einräumt, ohne sich vertragliche Entscheidungs- oder Kontrollrechte vorzubehalten, übernimmt die Gewähr für die Richtigkeit der Angaben und haftet als Täter für den irreführenden Inhalt des Angebots. 49 Auch derjenige, der über eine Internetplattform eigene Angebote abgibt, ist für damit einhergehende Rechtsverletzungen (z. B. Urheberrechtsverletzungen) auch dann als Täter verantwortlich, wenn er die Angebote von Dritten erstellen lässt und ihren Inhalt nicht zur Kenntnis nimmt und keiner Kontrolle unterzieht. 50 43 BGH GRUR 2002, 616, 619 „Meißner Dekor“. 44 BGH v. 14. 1. 2016, Az. I ZR 65 / 14 „Freunde finden“. 45 BGH v. 22. 7. 2010, Az I ZR 139 / 08 „Kinderhochstühle im Internet“. 46 Palandt / Sprau, BGB , § 830 Rdn. 4. 47 BGH v. 15. 8. 2013, I ZR 80 / 12, „File-Hosting-Dienst“. 48 BGH v. 12. 7. 2007, I ZR 18 / 04, „Jugendgefährdende Medien bei eBay“. 49 BGH v. 3. 3. 2016, Az. I ZR 110 / 15 „Herstellerpreisempfehlung bei Amazon“. 50 BGH v. 5. 11. 2015, Az. I ZR 88 / 13 „Al Di Meola“. 624 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson 2. Störerhaftung a) Begründung, Einordnung Im Interesse eines umfassenden Rechtsschutzes hat die Rechtsprechung die Haftung für rechtwidrige Verletzungshandlungen über die Haftung als Täter oder Teilnehmer hinaus durch die sog. Störerhaftung ausgedehnt. 51 Die Störerhaftung eröffnet die Möglichkeit, auch denjenigen in Anspruch zu nehmen, der-- ohne Täter oder Teilnehmer zu sein-- in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes (insbesondere Rechten des geistigen Eigentums) beigetragen hat. Die Verantwortlichkeit als Täter oder Teilnehmer (s. zuvor a) ist gegenüber der Störerhaftung grundsätzlich vorrangig. 52 Die Störerhaftung wird zwar in der Urheberrechts-Richtlinie 2001 / 29 / EG (Art. 8 Abs. 3) und der Durchsetzungs- Richtlinie 2004 / 48 / EG (Art. 9 Abs. 1 lit. a) als die von den Mitgliedsstaaten sicherzustellende Möglichkeit der Inanspruchnahme von „Vermittlern“ bzw. „Mittelspersonen“ angesprochen, sie ist jedoch gesetzlich nicht geregelt. 53 Sie stützt sich nicht auf das Deliktsrecht, sondern hat ihre Grundlage in den Regelungen über die Besitz- und die Eigentumsstörung (§§ 862, 1004 BGB ) und vermittelt daher keinen Schadensersatzanspruch, sondern nur Abwehransprüche (Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche). 54 Als eine die Störerhaftung begründende Mitwirkung an einer rechtswidrigen Beeinträchtigung kann nach ständiger Rechtsprechung auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Beispiel: Wie der BGH 55 in einem Fall, bei dem es um eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch einen Blog-Eintrag ging, entschieden hat, trägt ein Host-Provider, der eine Plattform betreibt und „dabei den Speicherplatz für die von den Nutzern eingerichteten Webseiten bereitstellt und den Abruf dieser Webseiten über das Internet ermöglicht, willentlich und adäquat kausal zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen“. b) Verletzung von Prüfungspflichten Weil die Störerhaftung aber-- so der BGH -- nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. Dies richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat. 56 Einem Host-Provider, der durch 51 Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 20. 52 BGH v. 15. 8. 2013, I ZR 80 / 12 „File-Hosting-Dienst“. 53 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 58, S. 166, mit Vorschlag zur gesetzlichen Regelung. 54 BGH GRUR 2002, 616, 619 „Meißner Dekor“. 55 BGH v. 25. 10. 2011, VI ZR 93 / 10 „Blog-Eintrag“. 56 St. Rspr.-- BGH GRUR 2001, 1039 „ambiente.de“; BGH GRUR 2003, 969, 970 „Ausschreibung von Vermessungsleistungen“; BGH v. 25. 10. 2011, VI ZR 93 / 10 „Blog-Eintrag“. 625 § 88 Gläubiger und Schuldner Pierson eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung seines Dienstes (File- Hosting-Dienst, insbesondere für Musikwerke) fördert, obliegen im Rahmen der Störerhaftung grundsätzlich weitergehende Prüfungspflichten. 57 Im Fall der Inanspruchnahme eines Host-Providers unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung für das Persönlichkeitsrecht verletzende Blogs hat der BGH 58 in dem vorwähnten Fall (s. zuvor a)-- im Einklang mit der Rechtsprechung des Eu GH 59 und des BGH 60 zur Verantwortlichkeit von Betreibern eines Internet-Marktplatzes für Markenverletzungen-- entschieden, dass der Host-Provider nicht verpflichtet sei, „die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen“. Er sei aber „verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung“ erlange und könne nach einem entsprechenden Hinweis durch einen Betroffenen verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Für die Frage der Haftung der Betreiber von Online-Plattformen mit nutzergeneriertem Content (Youtube, Facebook, Instagram etc.) für Urheberrechtsverletzungen zeichnet sich für die Zukunft eine haftungsverschärfende Spezialregelung ab. So sieht der Vorschlag für eine Richtlinie im digitalen Binnenmarkt ( DSM -UrhR- RL - s. hierzu o. § 67 II .) in Artikel 13 eine Regelung vor, nach der Betreiber von Online-Plattformen von den Mitgliedsstaaten zu verpflichten sind, nachzuweisen, dass sie bei fehlender Genehmigung der Rechteinhaber wirksame und angemessene Maßnahmen (hierzu Art. 13 Abs. 5) ergriffen haben, um Inhalte bereits vor dem Hochladen auf vermeintliche Urheberrechtsverletzungen hin zu überprüfen und zu blockieren (sog. Upload-Filter); ferner, dass sie auf einen entsprechenden Hinweis des Rechteinhabers hin die fraglichen Inhalte unverzüglich gelöscht und den Zugang zu diesen für Zukunft durch wirksame und angemessene Maßnahmen verhindert haben (Art. 13 Abs. 4). Insbesondere mit Blick auf das erhöhte Risiko fälschlicher Upload-Verbote (sog. Overblocking), die eine unverhältnismäßige Einschränkung von Verbraucherrechten und eine Bedrohung der Vielfalt und Innovation im Internet darstellten, ist die geplante Upload- Filter-Regelung bei einem breiten Bündnis aus Internetwirtschaft und zivilgesellschaftlichen Organisationen auf erhebliche Kritik gestoßen. 61 Der von der Rechtsprechung entwickelten Störerhaftung kommt nach dem zuvor Gesagten die Funktion zu, auch solche Beteiligte für eine Rechtsverletzung haftbar zu machen, die weder Täter noch Teilnehmer sind, die jedoch eine Prüfungspflicht verletzt haben. Die Störerhaftung ist als selbständiger Haftungstatbestand jedoch nicht unumstritten. Nachhafte Stimmen im Schrifttum gehen davon aus, dass sich die fraglichen Fälle sachgerechter als mittelbare Rechtsverletzungen kraft Verkehrspflichtverletzung mit den Kategorien der Täterschaft und Teilnahme erfassen lassen. 62 57 BGH v. 15. 8. 2013, I ZR 80 / 12 „File-Hosting-Dienst“. 58 BGH v. 25. 10. 2011, VI ZR 93 / 10 „Blog-Eintrag“. 59 Eu GH v. 12. 7. 2011, Rs. C-324 / 09 „L’Oréal / eBay“. 60 BGH v. 17. 8. 2011, I ZR 57 / 09 „Stiftparfüm“. 61 Vgl. hierzu den Offenen Brief „ Europäische Upload-Filter-Regelung verhindern“ v. 27. 02. 2018, abrufbar u.a. unter https: / / www.bitkom.org/ Presse/ Presseinformation/ Breites-Buendnis-zwischen-Internetwirtschaft-und-zivilgesellschaftlichen-Organisationen-gegen-europaeische-Upload-Filter-Regelung.html (letzter Abruf: 06 / 2018). 62 Vgl. Köhler/ Bornkamm/ Feddersen, § 8 Rdn. 2.2d m. zahlr. w. Nachw. 626 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson c) Störerhaftung der WLAN-Betreiber Besondere öffentliche Aufmerksamkeit hat die Störerhaftung im Zusammenhang mit der Haftung von Betreibern drahtloser lokaler Netzwerke (Wireless Local Area Network - WLAN ) erlangt. Nachdem der erste Anlauf des Gesetzgebers, den WLAN -Betreibern als Zugangsanbietern (Access-Providern) durch eine Änderung des Telemediengesetzes ( TMG ) 63 Rechtssicherheit in Haftungsfragen durch einen Ausschluss der Störerhaftung zu verschaffen, 64 gescheitert war, hat der Gesetzgeber nur ein Jahr später mit dem Dritten Gesetz zu Änderung des TMG 65 einen erneuten Versuch unternommen, zugunsten der Betreiber drahtloser lokaler Netzwerke ( WLAN ) die Störerhaftung abzuschaffen. 66 Kernpunkte der neuerlichen Änderung durch das Dritte TMG -Änderungsgesetz sind die Abschaffung der Störerhaftung für Access- Provider (§ 8 Abs. 1 S. 2 TMG ) sowie die ersatzweise Einführung eines Anspruchs auf Netzsperre. Danach kann der Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums unter bestimmten Voraussetzungen vom WLAN -Betreiber (Diensteanbieter i.S.v. § 8 Abs. 3 TMG ) die Sperrung der Nutzung von Informationen verlangen kann, um die Wiederholung der Rechtsverletzung zu verhindern (§ 7 Abs. 4 TMG ). Die erneute Änderung des TMG ist auf erhebliche Kritik gestoßen. 67 So richtet sich der Anspruch auf Netzsperren nach § 7 Abs. 4 TMG nur gegen WLAN - Betreiber, nicht jedoch gegen sonstige Access-Provider, was als europarechtswidrig erachtet wird. Ferner führe die Beschränkung des Anspruchs auf Netzsperre auf Fälle der Verletzung des Rechts am geistigen Eigentums (§ 7 Abs. 4 TMG ) in Verbindung mit dem generellen Ausschluss der Störungshaftung für Access-Provider (§ 8 Abs. 1 S. 2 TMG ) dazu, dass damit für andere Rechtsverletzungen (wie z.B. Verletzungen von Persönlichkeitsrechten) keinerlei Rechtsschutz bestehe, was verfassungsrechtlichen Bedenken begegne. 68 Insbesondere die Neufassung von § 7 Abs. 3 TMG , die als Bestandteil der „Allgemeinen Grundsätze“ (§ 7 TMG ) für alle Diensteanbieter nach §§ 8 bis 10 TMG - also nicht nur für Access-Provider - gilt, hat zu erheblichen Irritationen geführt. Nach § 7 Abs. 3 TMG in seiner reformierten Fassung bleiben Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung von Informationen der Dienstanbieter im Falle der Nichtverantwortlichkeit nach §§ 8 bis 10 TMG nach den allgemeinen Gesetzen (nur) „aufgrund von gerichtlichen oder behördlichen Anordnungen“ unberührt. Zudem sollen Verpflichtungen zur Entfernung oder Sperrung von Informationen ausweislich der Erläuterung von § 7 Abs. 3 TMG in der Gesetzesbegründung nur zulässig sein, wenn sie „klar gesetzlich geregelt sind und aufgrund einer gerichtlichen Anordnung oder behördlichen Anordnung erfolgen“. 69 Da der Haftungstatbestand der Störerhaftung als materielle Anspruchsgrundlage nach bisherigem Verständnis weder eine gerichtliche Anordnung voraussetzt noch als von der Rechtsprechung entwickeltes Instrument auf einer „klaren gesetzlichen Regelung“ beruht, hat die neugefasste Regelung des § 7 Abs. 3 TMG - zumal nach Maßgabe der Erläuterung in der 63 Zweites Gesetz zur Änderung des TMG v. 21. 07. 2016, in Kraft getreten am 27. 07. 2016. 64 Zur Zielsetzung des Gesetzes vgl. BT -Drucks. 18 / 6745, S. 1, 7 f. 65 Drittes Gesetz zur Änderung des TMG v. 28. 09. 2017, in Kraft getreten am 13. 10. 2017. 66 Zur Zielsetzung des Gesetzes vgl. BT -Drucks. 18 / 12202, S. 1, 9. 67 Vgl. u.a. Grisse, GRUR 2017, 1073 ff.; Spindler, NJW 2017, 2305 ff.; Sesing / Bauman, MMR 2017, 583 ff. 68 Spindler, NJW 2017, 2305, 2306; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 8 Rdn. 2.29 f. 69 Vgl. BT -Drucks. 18 / 12202, S. 11. 627 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson Gesetzesbegründung - die Frage nach einer möglicherweise vom Gesetzgeber intendierten generellen Abschaffung der Störerhaftung aufgeworfen. 70 Nach überzeugender Auffassung ist jedoch nicht davon auszugehen, dass es die Intention des Gesetzgebers war, mit dem missverständlichen Regelwerk die Störerhaftung generell abzuschaffen, zumal er mit der Aufhebung der Störerhaftung für die Access-Provider (§ 8 Abs. 1 S. 2 TMG ) implizit anerkannt hat, dass es für die übrigen Dienstanbieter im Sinne der §§ 9 bis 10 TMG bei der Anwendung der Störerhaftung auf Internetsachverhalte bleibt. 71 d) Keine Störerhaftung im Berich des Lauterkeitsrechts Für den Bereich des Wettbewerbsrechts führte die Anwendung der Störerhaftung dazu, dass auch Personen für einen Wettbewerbsverstoß haften, die mangels Wettbewerbsförderungsabsicht keine geschäftliche Handlung begehen und von daher nicht Normadressat des UWG sind. Die früher auch von der Rechtsprechung vertetene Lehre von der wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung, die im Gesetz keine Stütze findet, wurde daher kritisiert. Sie führe zu einer gesetzlich nicht gedeckten Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Wettbewerbsrechts, anders als im Bereich des Immaterialgüterrechts, wo jedermann Täter einer Rechtsverletzung sein kann und wo die Lehre von der Störerhaftung über das Erfordernis bestehender Prüfungspflichten zu einer Einschränkung der Jedermann-Haftung führe. 72 Unter dem Eindruck dieser Kritik hat der BGH seine Rechtsprechung zur wettbewerbsrechtlichen Störerhaftung aufgegeben und klargestellt, dass die Störerhaftung auf die Fälle der Verletzung absoluter Rechte-- also insbesondere Rechte des geistigen Eigentums-- beschränkt ist. Demgegenüber könne bei Fällen des sog. Verhaltensunrechts, um die es bei Wettbewerbsverstößen gehe und in denen keine Verletzung eines absoluten Rechts in Rede stehe, die Passivlegitimation „allein nach den deliktsrechtlichen Kategorien der Täterschaft und Teilnahme begründet werden“. 73 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung I. Abmahnung 1. Einordnung, Bedeutung Auseinandersetzungen über Wettbewerbsverstöße sowie über Schutzrechtsverletzungen beginnen regelmäßig mit einer Abmahnung, also damit, dass der Rechtsverletzter von einem Berechtigten abgemahnt wird. Die Abmahnung ist ein Mittel zur außergerichtlichen Streitbeilegung, das sich in der Praxis seit den 1960er-Jahren entwickelt hat, und durch das heute der größte Teil der Wettbewerbstreitigkeiten erledigt wird. 74 Die Abmahnung hat im Rahmen 70 Näheres Grisse, GRUR 2017, 1073, 1074 ff. 71 Spindler, NJW 2017, 2305, 2309; ferner Grisse, GRUR 2017, 1073, 1075. 72 Vgl. im Einzelnen Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 8 Rdn. 2.2 ff. 73 BGH v. 22. 7. 2010, Az. I ZR 139 / 08 „Kinderhochstühle im Internet“; BGH v. 18. 6. 2014, Az. I ZR 242 / 12 „Geschäftsführerhaftung“; BGH v. 12. 3. 2015, Az. I ZR 84 / 14 „ TV -Wartezimmer“. 74 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 25. 628 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson der UWG -Reform 2004 erstmals eine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren. 75 Danach sollen die zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigten den Schuldner vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen (§ 12 Abs. 1 S. 1 UWG ). Das in der Praxis entwickelte und durch Richterrecht geformte effektive System, zivilrechtliche Streitigkeiten über Unterlassungspflichten nach erfolgten Verletzungshandlungen auch ohne Prozess durch Abmahnung und strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung zu regeln, 76 ist jedoch nicht nur für das Wettbewerbsrecht, sondern in gleicher Weise für den gesamten Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts von Bedeutung. 77 Eine § 12 Abs. 1 UWG entsprechende Regelung der Abmahnung ist daher im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums in § 97a UrhG für das Urheberrecht erfolgt. Die Praktikabilität der Abmahnung als bewährtem Instrument außergerichtlicher Streitbeilegung wird jedoch-- nicht erst in jüngerer Zeit-- durch deren sachfremden Gebrauch überschattet. Bereits lange bevor das sog. Abmahnungswesen durch das Phänomen von Massenabmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen (Stichwort „Filesharing“ u. a.) in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gelangt ist, 78 sahen sich Rechtsprechung und Gesetzgeber im Bereich des Lauterkeitsrechts mit dem Problem der sog. Abmahnvereine konfrontiert. Gestützt auf die von der Rechtsprechung 79 unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der GoA anerkannte Erstattungsfähigkeit der Abmahnkosten (Näheres zum Aufwendungsersatzanspruch vgl. nachfolgend Ziff. 10) entwickelte sich hier die Abmahnung mit der allein auf den Kostenerstattungsanspruch abzielenden Verfolgung von Wettbewerbsverstößen erstmals zu einem Geschäftsmodell. 80 Während sich das sog. Abmahnunwesen im vordigitalen „Offline-Zeitalter“ im Wesentlichen auf den Bereich des Lauterkeitsrechts, also die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen beschränkte, sind im Internet-Zeitalter darüber hinaus insbesondere auch Abmahnungen nach dem Unterlassungsklagengesetz wegen Verstößen gegen verbraucherschutzrechtliche Bestimmungen und urheberrechtliche Abmahnungen betroffen. Ein Beleg für die Bemühungen des Gesetzgebers, dem Problem unseriöser (Massen-)Abmahnungen Einhalt zu gebieten, ist das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken. 81 Es zielt auf die Beseitigung von Missständen im Bereich wettbewerbsrechtlicher und urheberrechtlicher Abmahnungen ab, die geeignet sind, das „bewährte und effektive Institut der Abmahnung in Misskredit“ zu bringen. 82 75 Zur Abmahnung wegen Patentverletzung vgl. ferner § 59 Abs. 2 S. 2 PatG. 76 Vgl. BGH GRUR 2002, 357, 358 „Missbräuchliche Mehrfachabmahnung“. 77 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.1. 78 Vgl. hierzu u. a. „Interessengemeinschaft gegen den AbmahnWahn“, abrufbar unter: http: / / www.iggdaw. de/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 79 Erstmals BGH v. 15. 10. 1969, AZ . I ZR 3 / 38 „Fotowettbewerb“, BGH Z 52, 393-= BGH GRUR 1970, 189. 80 Im Einzelnen vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 8 Rdn. 4.1. 81 Vom 1. 10. 2013-- BGB l. I, S. 3714-3718. 82 BT -Drucks. 17 / 13 057, S. 11 ff. 629 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson 2. Begriff, Zweck Bei der Abmahnung handelt es sich um die Mitteilung eines Anspruchsberechtigten an den Verletzer, dass er durch eine in der Mitteilung genau bezeichnete Handlung einen Wettbewerbsverstoß bzw.-- im Falle der Schutzrechtsabmahnung-- eine Schutzrechtsverletzung begangen habe, verbunden mit der Aufforderung, dieses Verhalten in der Zukunft zu unterlassen und binnen einer bestimmten Frist eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. 83 Kommt der Abgemahnte der Aufforderung nach, so hat sich der Streit außergerichtlich erledigt, da bei Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung die Begehungsgefahr (Wiederholungsgefahr bzw. Erstbegehungsgefahr) als Anspruchsvoraussetzung des Unterlassungsanspruchs entfällt. Der Anspruchsberechtigte ist durch die Strafbewehrung vor weiteren Verstößen geschützt. Die Abmahnung hat primär den Zweck, den Verletzer auf den von ihm begangenen Rechtsverstoß aufmerksam zu machen (Warnfunktion) und ihn für die Zukunft zu verpflichten, den bereits begangenen oder drohenden Verstoß zu unterlassen. 84 Sie dient dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, denn sie gibt dem Gläubiger ein taugliches Instrument in die Hand, durch das sich Rechtsverstöße effektiv unterbinden lassen. Insbesondere jedoch liegt die Abmahnung auch im Interesse des Schuldners, der den Gläubiger durch die Abgabe der Unterlassungserklärung klaglos stellen und auf diese Weise die Kosten eines gerichtlichen Verfahrens vermeiden kann (Kostenvermeidungsfunktion). 85 3. Keine Pflicht zur Abmahnung, kostenrechtlicher Hintergrund Wie durch die gesetzliche Formulierung in den §§ 12 Abs. 1 S. 1 UWG , 97a UrhG (die Berechtigten sollen „abmahnen“) klargestellt ist, besteht keine Rechtspflicht zur Abmahnung. Bei der Abmahnung handelt es sich demnach auch nicht um eine Zulässigkeitsvoraussetzung für ein gerichtliches Eil- oder Hauptssacheverfahren, vielmehr lässt sich insoweit von einer Obliegenheit sprechen. 86 Denn die Vorschaltung der Abmahnung vor Einleitung gerichtlicher Schritte hat- - außer den bereits zuvor dargestellten Funktionen- - den Zweck, eine für den Anspruchsberechtigten-- bei Verzicht auf eine Abmahnung-- drohende nachteilige Kostenfolge zu vermeiden. 87 Wird nämlich vom Berechtigten eine mögliche und zumutbare Abmahnung unterlassen, riskiert dieser im Falle gerichtlicher Durchsetzung, dass er die Kosten zu tragen hat, wenn der Verletzer den Anspruch sofort anerkennt (vgl. zur Kostentragung bei sofortigem Anerkenntnis § 93 ZPO ). 88 83 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1487, S. 25. 84 Hoene / Runkel, S. 4 Rdn. 2. 85 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.5. 86 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.5. 87 BGH v. 15. 7. 2005, GSZ 1 / 04 (unbegründete Schutzrechtsverwarnung). 88 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 25. 630 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson 4. Rechtsnatur, Vollmacht Was die Frage der Rechtsnatur der Abmahnung angeht, ist angesichts der verschiedenen Funktionen, die ihr zukommen, zu differenzieren. So ist die Abmahnung in ihrer Hauptfunktion, den Verletzer zu verwarnen und zur künftigen Unterlassung zu veranlassen, vergleichbar einer Mahnung auf Leistung i. S. v. § 286 Abs. 1 S. 1 BGB , keine Willenserklärung, sondern eine geschäftsähnliche Handlung, auf die jedoch die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind. Darüber hinaus enthält die Abmahnung regelmäßig zugleich ein Angebot zum Abschluss eines-- meist bereits vorformulierten-- Unterlassungsvertrages. Insoweit ist die Abmahnung ein Vertragsangebot und als Willenserklärung zu qualifizieren. Schließlich wird durch die Abmahnung- - insoweit kommt ihr eine weitere Funktion zu- - zwischen dem Abmahner und dem Abgemahnten ein besonderes gesetzliches Schuldverhältnis (das sog. Abmahnverhältnis) begründet, aus dem heraus sich für den Abgemahnten verschiedene Aufklärungs- und Antwortpflichten ergeben. 89 Die Frage der Rechtsnatur der Abmahnung war insbesondere für die lange Zeit umstrittene Frage von Bedeutung, ob der durch einen Vertreter ausgesprochenen Abmahnung gemäß § 174 BGB als Wirksamkeitserfordernis eine Vollmachtsurkunde beizufügen ist, was von einigen Obergerichten bejaht, von der überwiegenden Auffassung jedoch verneint wurde. 90 Inzwischen hat der BGH die Frage entschieden und sich der Auffassung angeschlossen, wonach § 174 S. 1 BGB auf die mit einer Unterwerfungserklärung verbundene Abmahnung nicht anwendbar ist. 91 § 174 S. 1 BGB finde nur bei einseitigen Rechtsgeschäften Anwendung, bei denen die ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung des Vertreters nach § 180 S. 1 BGB unwirksam sei. Dem trage § 174 S. 1 BGB „dadurch Rechnung, dass der Erklärungsempfänger die Ungewissheit über die Wirksamkeit eines von einem Vertreter ohne Vollmachtsvorlage vorgenommenen einseitigen Rechtsgeschäfts durch dessen Zurückweisung beseitigen“ könne. „Eine vergleichbare Interessenlage“-- so der BGH -- bestehe „im Falle eines mit einer Abmahnung verbundenen Angebots zum Abschluss eines Unterwerfungsvertrages nicht“. Vielmehr könne der Schuldner bei der Abmahnung in Fällen, in denen er Zweifel an der Vertretungsmacht des Vertreters habe, die Abgabe der Unterwerfungserklärung von der Vorlage einer Vollmachtsurkunde abhängig machen (§ 177 Abs. 2 S. 1 BGB ). 92 Die im Regierungsentwurf zum Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken „im Interesse der Transparenz“ aufgenommene Regelung, die für die (urheberrechtliche) Abmahnung eine entsprechende Anwendung von § 174 BGB vorsah (§ 97a Abs. 1 S. 2 UrhG-E), 93 wurde entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses wieder gestrichen. Für das Erfordernis der Vorlage einer Originalvollmacht-- so die lapidare Begründung-- bestehe „keine praktische Notwendigkeit“. 94 Obgleich ein Vollmachtsnachweis 89 Harte / Henning / Brüning, UWG , § 12 Rdn. 4 f.; Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.10 f. 90 Zum Streitstand vgl. Harte / Henning / Brüning, UWG , § 12 Rdn. 31 f.; Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.30 ff. 91 BGH v. 19. 5. 2010, I ZR 140 / 08 „Vollmachtsnachweis“. 92 BGH v. 19. 5. 2010, I ZR 140 / 08 „Vollmachtsnachweise“. 93 Vgl. BT -Drucks. 17 / 13 057 v. 15. 4. 2013, S. 15, 34. 94 Vgl. Beschlussempfehlung BT -Drucks. 17 / 14 192, S. 20, und Bericht BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 9, jeweils v. 26. 6. 2013. 631 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson danach kein Wirksamkeitserfordernis der Abmahnung ist, erscheint dieser aus praktischer Sicht gleichwohl empfehlenswert, um Zweifel an der Vertretungsmacht auszuräumen. 5. Form, Zugang Für die Abmahnung besteht kein Formzwang, d. h. sie kann in jeder Form, insbesondere per Brief, Fax, E-Mail, Telefon und sogar mündlich-- z. B. auf einer Messe-- erfolgen. Mit Blick auf die drohende nachteilige Kostenfolge bei sofortigem Anerkenntnis (§ 93 ZPO ) empfiehlt es sich jedoch für den Abmahnenden aus Beweisgründen den Verletzer schriftlich abzumahnen (per Einschreiben mit Rückschein), bei Eilbedürftigkeit per Fax oder E-Mail vorab. Was den Zugang angeht, so handelt es sich bei der Abmahnung in ihrer Funktion als Verwarnung, wie dargelegt, um eine geschäftsähnliche Handlung, auf die die Regeln für empfangsbedürftige Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind. Die Abmahnung wird daher in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie dem Empfänger zugeht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB ). 95 6. Inhalt Bezüglich des Inhalts einer Abmahnung ergeben sich entsprechend ihrem Sinn und Zweck als Wirksamkeitsvoraussetzung gewisse Mindestanforderungen. Zu beachten ist zudem, dass der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken erstmals auch inhaltliche Anforderungen für (urheberrechtliche) Abmahnungen festgelegt hat (vgl. § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 UrhG), bei deren Nichtbeachtung die Abmahnung unwirksam ist (§ 97a Abs. 2 S. 2 UrhG). 96 a) Aktivlegitimation, Name oder Firma Zunächst ist der Abmahnende gehalten, seine Sachbefugnis, d. h. sein Recht zur Geltendmachung des in Rede stehenden Anspruchs, darzulegen. Bei einer Schutzrechtsverwarnung ist die Rechtsinhaberschaft oder sonstige Berechtigtigung zur Verfolgung der Rechtsverletzung darzutun. Bei einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung hängt der Umfang der insoweit erforderlichen Darlegungen von den Umständen des Einzelfalls ab. Während sich die Aktivlegitimation bei einem Mitbewerber bereits aus den Umständen ergibt oder bei bedeutenden Verbänden, wie z. B. der Wettbewerbszentrale, als bekannt vorausgesetzt werden kann und von daher keiner ausführlichen Erörterung bedarf, kann sich bei weniger bekannten Verbänden bzw. Einrichtungen erhöhter Darlegungsbedarf ergeben, um die Aktivlegitimation i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 oder Nr. 3 UWG zu begründen. 97 Dass in einer Abmahnung der Name oder die Firma des Verletzten anzugeben ist, wenn die Abmahnung nicht durch den Verletzten selbst, sondern durch einen Vertreter erfolgt, dürfte in der Regel selbstverständlich 95 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.37. 96 Die im Regierungsentwurf vorgesehene Regelung, nach der auch die aufgrund einer solchen unwirksamen Abmahnung abgegebene Unterlassungserklärung unwirksam sein sollte, ist auf Empfehlung des Rechtsausschusses entfallen-- vgl. BT -Drucks. 17 / 14 192, S. 21; BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 9. 97 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.13. 632 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson sein. Gleichwohl hat der Gesetzgeber diese inhaltliche Anforderung für die urheberrechtliche Abmahnung jetzt ausdrücklich geregelt (vgl. § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG). b) Gerügtes Verhalten, Aufforderung zur Unterwerfung, Zahlungsansprüche Dem Zweck der Abmahnung folgend, den in Anspruch Genommenen zu verwarnen, ist es erforderlich, dass der Verletzer das beanstandete Verhalten erkennen kann. Hierfür reicht es nicht aus, den Abgemahnten lediglich mit pauschal gehaltenen Vorwürfen zu konfrontieren. Voraussetzung ist vielmehr, dass ihm der Sachverhalt, aus dem sich aus Sicht des Abmahnenden die Schutzrechtsverletzung bzw. der Wettbewerbsverstoß ergibt, unter Benennung der konkreten Verletzungshandlung und der daraus abgeleiteten rechtlichen Vorwürfe vorgehalten wird. Dem Abmahnenden obliegt es dabei nicht, den Sachverhalt umfassend und rechtlich einwandfrei zu würdigen. Ausreichend und in der Praxis üblich ist vielmehr eine knappe rechtliche Würdigung des Sachverhalts, die geeignet ist, den Unterlassungsschuldner von der Begründetheit des ihm zur Last gelegten Rechtsverstoßes zu überzeugen. Hintergrund für die genannten Anforderungen an die hinreichende Konkretheit des abgemahnten Sachverhalts sowie die rechtliche Begründetheit ist, dass der Abgemahnte in die Lage zu versetzen ist, den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu überprüfen. Diese bereits aus dem Zweck der Abmahnung abzuleitenden allgemeinen Voraussetzungen einer Abmahnung dürften sich im Wesentlichen mit der inhaltlichen Anforderung decken, die der Gesetzgeber für die urheberrechtliche Abmahnung dahingehend geregelt hat, dass die Abmahnung „die Rechtsverletzung genau zu bezeichnen“ hat (vgl. § 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG). Darüber hinaus muss die Abmahnung die an den Abgemahnten gerichtete Aufforderung enthalten, eine Unterlassungserklärung nebst Vertragsstrafeversprechen (sog. strafbewehrte Unterlassungserklärung) abzugeben. Nicht erforderlich, aber in der Praxis üblich ist, dass dem Abmahnschreiben eine bereits vom Abmahner vorformulierte strafbewehrte Unterwerfungserklärung beigefügt ist. 98 Für den Bereich der urheberrechtlichen Abmahnung ist insoweit die gesetzliche Vorgabe zu beachten, nach der in der Abmahnung anzugeben ist, „inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht“ (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG). Ferner sind bei der urheberrechtlichen Abmahnung geltend gemachte Zahlungsansprüche als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufzuschlüsseln (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG). 99 c) Fristsetzung, Androhung gerichtlicher Schritte Das Setzen einer Frist, innerhalb der sich der Abgemahnte zur Abmahnung zu erklären hat, ist kein zwingendes Wirksamkeitserfordernis. Üblicher- und sinnvollerweise enthält eine Abmahnung jedoch eine Frist. Was die Angemessenheit der dem Verletzer einzuräumenden Erklärungsfrist angeht, so bestimmt sich diese nach den Umständen des konkreten Einzelfalls. Ein wesentlicher Maßstab für die Bemessung einer angemessenen Frist ist die Zeit- 98 Im Einzelnen siehe Harte / Henning / Brüning, UWG , § 12 Rdn. 39 ff.; Hoene / Runkel, S. 23 f. Rdn. 55 ff. 99 Näheres zu Erfordernissen der urheberrechtlichen Abmahnung s. Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 97a Rdn. 14 ff, 19 ff. 633 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson spanne, die der Abgemahnte mutmaßlich benötigt, um den ihm zur Last gelegten Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht zu prüfen und erforderlichenfalls unter Hinzuziehung anwaltlicher Hilfe rechtlich zu würdigen. Es liegt auf der Hand, dass die dem Verletzer zu gewährende Erklärungsfrist bei der Verwarnung wegen eines komplexen Schutzrechtsverstoßes (z. B. Vorwurf einer Patentrechtsverletzung mit Auslandsberührung) länger zu bemessen ist als bei einem einfach gelagerten Wettbewerbsverstoß. Ungeachtet der maßgeblichen Umstände des Einzelfalls wird man in vielen Fällen eine Frist von ca. 1 Woche unter Berücksichtigung des Prüfungsbedarfs beim Schuldner als angemessen ansehen können. In besonders eilbedürftigen Fällen kann jedoch auch eine erheblich kürzere Frist, unter Umständen sogar von nur wenigen Stunden angemessen sein (z. B. bei drohendem erstmaligem oder wiederholtem Wettbewerbsverstoß durch eine TV -Werbung). Hat der Abmahnende (versehentlich) keine Frist gesetzt oder ist diese zu kurz bemessen, wird durch die Abmahnung automatisch eine angemessene Frist in Gang gesetzt. 100 Erforderlich ist schließlich, dass der Abmahner dem Verletzer für den Fall des fruchtlosen Fristablaufs gerichtliche Schritte androht. Ein entsprechender ausdrücklicher Hinweis soll entbehrlich sein, wenn sich der Wille, notfalls gerichtlich gegen die Verletzung vorzugehen, bereits aus den Umständen (z. B. Abmahnung durch einen Rechtsanwalt) ergebe. 101 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung Wie dargestellt (s. o. 3.), hat die Abmahnung den kostenrechtlichen Hintergrund, dass der Abmahnende bei Verzicht auf eine Abmahnung im Falle gerichtlicher Durchsetzung riskiert, dass er bei sofortigem Anerkenntnis des Verletzers mit den Prozesskosten belastet wird, weil der Verletzer keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat (§ 93 ZPO ). In bestimmten, eng umrissenen Ausnahmefällen ist jedoch anerkannt, dass der Verletzte auch ohne vorangegangene Abmahnung Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat. Eine Abmahnung ist danach ausnahmsweise in allen Fällen entbehrlich, in denen dem Gläubiger eine Abmahnung unzumutbar ist, insbesondere weil 102 ▶ wegen besonderer Dringlichkeit eine Rechtsverletzung nur noch durch eine sofortige einstweilige Verfügung verhindert werden kann; wobei diese Fallgruppe im Zeitalter elektronischer Kommunikationstechniken (Fax, E-Mail) nur noch äußerst selten anwendbar sein dürfte; ▶ durch die mit der Abmahnung zwangsläufig einhergehende „Vorwarnung“ des Verletzers der im Wege einer einstweiligen Verfügung gleichzeitig begehrte weitergehende Rechtsschutz (z. B. die Sicherstellung von Piraterieware beim Schuldner) vereitelt würde; 100 Hoene / Runkel, S. 16 Rdn. 37. 101 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.23. 102 Im Einzelnen zu den Fallgruppen der Entbehrlichkeit vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.56 ff. 634 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson ▶ angesichts des vom Schuldner an den Tag gelegten Verhaltens (z. B. krasse Fälle fortgesetzt rechtswidrigen Verhaltens, Berühmung der Berechtigung) eine Abmahnung offensichtlich nutzlos ist; ▶ der Schuldner wegen des fraglichen Rechtsverstoßes bereits von einem Dritten abgemahnt wurde und diesem gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass er sich nicht unterwerfen werde (sofern sich der Schuldner dem Dritten gegenüber unterworfen hat, liegt kein Fall der Entbehrlichkeit wegen „Unzumutbarkeit“ vor, vielmehr scheidet eine Abmahnung dann bereits aus, weil die Wiederholungsgefahr durch die Unterwerfung beseitigt und damit der Unterlassungsanspruch entfallen ist). 8. Wichtige begriffliche Differenzierungen Für die rechtliche Beurteilung sind im Zusammenhang mit der Abmahnung unter verschiedenen Blickwinkeln die folgenden Begrifflichkeiten zu unterscheiden: ▶ So ist eine Abmahnung unwirksam, wenn sie den sich aus Sinn und Zweck der Abmahnung oder Gesetz (§ 97a Abs. 2 S. 1 UrhG) abzuleitenden inhaltlichen Voraussetzungen nicht entspricht (für die urheberrechtliche Abmahnung vgl. § 97a Abs. 2 S. 2 UrhG). ▶ Demgegenüber ist eine Abmahnung unbegründet, wenn der gegen den Abgemahnten erhobene Vorwurf (sachlich) nicht zutrifft und / oder das ihm zur Last gelegte Verhalten keinen Rechtsverstoß begründet. ▶ Eine an sich begründete Abmahnung kann jedoch unbefugt sein, weil dem Abmahnenden mangels Aktivlegitimation ein Anspruch nicht zusteht. ▶ Ferner kann sich eine an sich begründete und befugte Abmahnung als missbräuchliche Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs darstellen (§ 8 Abs. 4 S. 1 UWG ). ▶ Schließlich kennt das Gesetz die berechtigte Abmahnung (§§ 12 Abs. 1 S. 2 UWG , 97a Abs. 3 S. 1 UrhG), die für den Abmahnenden einen Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen begründet, bzw. die hiermit begrifflich korrespondierende unberechtigte Abmahnung (§ 97a Abs. 4 S. 1 UrhG), durch die ein Anspruch des zu Unrecht Abgemahnten auf Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen begründet wird. Berechtigt kann nur eine wirksame, begründete, befugte und nicht missbräuchliche Abmahnung sein. 103 9. Reaktion des Abgemahnten a) Reaktion bei berechtigter Abmahnung Sofern der Abgemahnte die geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung fristgerecht abgibt, hat sich die Angelegenheit außergerichtlich erledigt und für den Gläubiger besteht keine Veranlassung zur Klageerhebung (i. S. v. § 93 ZPO ). Kommt der Abgemahnte demgegenüber einer berechtigten Abmahnung nicht innerhalb der gesetzten, angemessenen Frist nach, so gibt er dem Abmahner dadurch Anlass zur Klageerhebung. 103 Zu den Begrifflichkeiten im vorstehenden Sinne vgl. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.83. 635 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson b) Reaktionspflicht bei Drittunterwerfung Bei Wettbewerbsverstößen kann es vorkommen, dass sich der Abgemahnte zum Zeitpunkt der Abmahnung wegen des fraglichen Wettbewerbsverstoßes bereits einem Dritten gegenüber durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung unterworfen hat (Drittunterwerfung), mit der Folge, dass auch die Wiederholungsgefahr im Verhältnis zum Abmahner entfällt (s. bereits zuvor unter 7.). In diesen Fällen ist der Abgemahnte gleichwohl nicht berechtigt, die Abmahnung einfach zu ignorieren. Vielmehr ist er aufgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses, das durch die Abmahnung des Wettbewerbsverstoßes zwischen ihm und dem Abmahnenden konkretisiert wird (sog. Abmahnverhältnis, s. o. unter 4.), nach Treu und Glauben dazu verpflichtet, den Abmahnenden zur Vermeidung eines überflüssigen und aussichtslosen Prozesses darüber aufzuklären, dass er wegen derselben Verletzungshandlung bereits einem Dritten gegenüber eine Unterwerfungserklärung abgegeben hat. 104 c) Keine Reaktionspflicht bei unberechtigter Abmahnung Die Frage, ob auch der Empfänger einer unberechtigten Abmahnung verpflichtet sein kann, den Abmahnenden darüber aufzuklären, dass er für die beanstandete wettbewerbswidrige Handlung nicht verantwortlich gemacht werden kann, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur lange umstritten. Wie der BGH jedoch entschieden hat, besteht eine entsprechende Aufklärungspflicht nicht, sofern die wettbewerbsrechtliche Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist, denn in diesem Fall fehlt es mangels eines Wettbewerbsverstoßes an einer Sonderrechtsbeziehung, die Grundlage für eine entsprechende Aufklärungspflicht sein könnte. 105 10. Kosten a) Anspruchsgrundlage für Aufwendungsersatz aa) UWG Im Zuge der UWG -Reform 2004 hat auch die Frage, wer die Kosten einer Abmahnung zu tragen hat, erstmals eine gesetzliche Regelung erfahren. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Durch diese Normierung der Kostentragungspflicht des Zuwiderhandelnden hat der Gesetzgeber die Rechtsprechung nachvollzogen, die einen Aufwendungsersatzanspruch des Abmahnenden in der Vergangenheit über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA, §§ 677, 683, 670 BGB ) hergeleitet hat. Ferner ist klargestellt, dass ein Aufwendungsersatz nur bei einer berechtigten Abmahnung besteht. 106 Zu beachten ist allerdings, dass § 12 Abs. 1 S. 2 UWG unmittelbare Geltung nur für die Fälle einer wettbewerbsrechtlichen 104 BGH GRUR 1990, 381, 382 „Antwortpflicht des Abgemahnten“; BGH GRUR 1995, 167, 168 „Kosten bei unbegründeter Abmahnung“. 105 BGH GRUR 1995, 167, 169 „Kosten bei unbegründeter Abmahnung“; Näheres zur Reaktionspflicht s. Hoene / Runkel, S. 22 f., Rdn. 52 ff. 106 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 25. 636 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson Abmahnung beanspruchen kann. Aus dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und Zweck von § 12 Abs. 1 S. 2 UWG folgt, dass Aufwendungsersatz nicht für Abmahnungen beansprucht werden kann, die erst nach der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens wegen desselben Wettbewerbsverstoßes ausgesprochen wurden. 107 Auch kann ein Wettbewerbsverband, der einen Schuldner nach einer selbst ausgesprochenen, ohne Reaktion gebliebenen ersten Abmahnung ein zweites Mal anwaltlich abmahnen lässt, die Kosten der zweiten Abmahnung nicht erstattet verlangen. Denn- - so der BGH 108 - - berechtigt i. S. v. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG sei in diesem Falle nur die erste Abmahnung gewesen, da der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG anspruchsberechtigter Wettbewerbsverband in der Lage sein müsse, durchschnittlich schwierige Abmahnungen selbst auszusprechen. bb) Urheberrecht, gewerblicher Rechtsschutz Im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums wurde für das Urheberrecht 2008 erstmals eine § 12 Abs. 1 S. 2 UWG entsprechende gesetzliche Regelung des Aufwendungsersatzanspruchs aufgenommen (§ 97a Abs. 1 S. 2 UrhG 2008, jetzt § 97a Abs. 3 S. 1 UrhG). Zur Begründung des Aufwendungsersatzanspruches in Fällen berechtigter Abmahnungen wegen der Verletzung gewerblicher Schutzrechte muss jedoch de lege lata mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung auf die herkömmlichen Anspruchsgrundlagen, d. h. die GoA, zurückgegriffen werden. 109 b) Höhe des Aufwendungsersatzes Der Aufwendungsersatzanspruch umfasst nur die erforderlichen Aufwendungen, wobei die Kosten für die Beauftragung eines Rechtsanwaltes nicht in allen Fällen ohne Weiteres als erforderlich angesehen werden. So geht die Gesetzesbegründung zum Aufwendungsersatzanspruch bei der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung davon aus, dass gerade bei den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG zur Verfolgung von Unterlassungsansprüchen aktivlegitimierten Verbänden und Einrichtungen regelmäßig von einer Personal- und Sachausstattung auszugehen sei, die es diesen ermögliche, bei Fällen mittleren Schwierigkeitsgrades ohne einen Rechtsanwalt die Ansprüche außergerichtlich geltend zu machen. 110 Fraglich ist, ob diese Erwägungen auf Großunternehmen mit eigener Rechtsabteilung zu übertragen sind. Der BGH hat diese Frage verneint. Ein Unternehmen mit eigener Rechtsabteilung sei nicht gehalten, die eigenen Juristen zur Überprüfung von Wettbewerbshandlungen der Mitbewerber einzusetzen und ggf. Abmahnungen auszusprechen. Die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen gehöre nicht zu den originären Aufgaben eines gewerblichen Unternehmens. Deswegen sei nicht zu beanstanden, wenn ein Unternehmen sich für wettbewerbsrechtliche Abmahnungen der Anwälte bediene, mit denen es auch sonst in derartigen Angelegenheiten zusammenarbeite. 111 Im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums 107 BGH v. 7. 10. 2009, I ZR 216 / 07 „Schubladenverfügung“. 108 BGH v. 21. 1. 2010, I ZR 47 / 09 „Kräutertee“. 109 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.98, 1.106. 110 BT -Drucks. 15 / 1487, S. 25. 111 BGH v 8. 5. 2008, I ZR 83 / 06 „Abmahnkostenersatz“. 637 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson vom 7. Juli 2008 wurde der Aufwendungsersatzanspruch in Urheberrechtssachen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erste Abmahnung in „Bagatellfällen“, d. h. einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs, auf 100 EUR beschränkt (§ 97a Abs. 2 UrhG 2008). Der vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte Zweck, den Verletzer von Urheberrechten in bestimmten Bagatellfällen bei ersten Abmahnungen vor überzogenen Anwaltshonoraren zu schützen, wurde jedoch nicht erreicht. Die neu geschaffene Regelung des § 97a Abs. 2 UrhG 2008 erwies sich insbesondere wegen der darin enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffe in der Praxis als untauglich. 112 Der Gesetzgeber hat daher mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken einen zweiten Anlauf unternommen, um dem Problem der Massenabmahnungen durch eine Begrenzung der Anwaltshonorare zu begegnen. Während der Regierungsentwurf vorsah, eine neue Wertvorschrift für bestimmte Urheberrechtsstreitsachen mit klar bestimmten Tatbestandsmerkmalen im GKG einzuführen, wurde eine entsprechende Regelung auf Empfehlung des Rechtsausschusses nicht im GKG , sondern in UrhG selbst (vgl. § 97a Abs. 3 S. 2) verortet. Auf diese Weise sollte eine Differenzierung zwischen dem gerichtlichen und außergerichtlichen Bereich geschaffen werden. Während es für urheberrechtliche gerichtliche Streitigkeiten damit bei dem Grundsatz des § 3 ZPO bleibt, wonach der Wert vom Gericht nach freiem Ermessen festgesetzt wird, gilt mit der neu geschaffenen Regelung für den vorgerichtlichen Bereich in den geregelten Fällen eine Begrenzung des anwaltlichen Erstattungsanspruchs bei urheberrechtlichen Abmahnungen (Beschränkung des Aufwendungsersatzes auf Gebühren nach einem Gegenstandswert von EUR 1000). 113 11. Unbegründete Abmahnung, Gegenansprüche Eine Abmahnung ist, wie gesehen (s. o. Ziff. 8) unbegründet, wenn der gegen den Abgemahnten erhobene Vorwurf nicht zutrifft und / oder durch das dem Abgemahnten zur Last gelegte Verhalten-- anders als vom Abmahner geltend gemacht-- keine Schutzrechtsverletzung bzw. kein Wettbewerbsverstoß begründet wird. Da sich eine unbegründete Abmahnung für den Abgemahnten als eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung seiner unternehmerischen Aktivitäten darstellen kann, stellt sich die Frage nach möglichen Gegenansprüchen gegen den Abmahner. Insoweit ist zwischen einer Schutzrechtsverwarnung aus einem gewerblichen Schutzrecht, der urheberrechtlichen Abmahnung und der Abmahnung wegen eines vermeintlichen Wettbewerbsverstoßes zu differenzieren. a) Unbegründete Schutzrechtsverwarnung Was die unberechtigte Schutzrechtsverwarnung angeht, entspricht es ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass diese einen zum Schadensersatz verpflichtenden rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB ) des Verwarnten darstellen kann. Der Große Senat des Bundesgerichtshofs hat 112 Im Einzelnen hierzu BT -Drucks. 17 / 13 057, S. 12; ferner Schricker / Loewenheim / Wimmers, § 97a Rdn. 41 f. 113 Vgl. den Bericht des Rechtsausschusses, BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 9. 638 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson diese Rechtsprechung ausdrücklich bestätigt. 114 Als nach wie vor gültigen und entscheidenden Gesichtspunkt hat der BGH herausgestellt, dass das dem Schutzrechtsinhaber verliehene Ausschließlichkeitsrecht jeden Wettbewerber von der Benutzung des nach Maßgabe der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften definierten Schutzgegenstandes ausschließe. Diese einschneidende, die Freiheit des Wettbewerbs begrenzende Wirkung des Ausschließlichkeitsrechts verlange nach einem Korrelat, welches sicherstellt, dass der Wettbewerb nicht über die objektiven Grenzen hinaus eingeschränkt werde, durch die das Gesetz den für schutzfähig erachteten Gegenstand und seinen Schutzbereich bestimme. Ohne das von der Rechtsprechung entwickelte Institut der unberechtigten Schutzrechtsverwarnung-- so der BGH weiter-- ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in seine Kundenbeziehungen durch die unberechtigte Geltendmachung von Ausschließlichkeitsrechten gegenüber seinen Abnehmern entgegenzutreten. b) Unberechtigte oder unwirksame urheberrechtliche Abmahnung Für den Bereich der urheberrechtlichen Abmahnung hat der Gesetzgeber im Zuge des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (s. o. Ziff. 1) einen gesetzlichen Gegenanspruch des Abgemahnten eingeführt. „Soweit die Abmahnung unberechtigt oder unwirksam ist, kann der Abgemahnte“ danach „Ersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war“ (§ 97a Abs. 4 S. 1 UrhG). Nach dem Willen des Gesetzgebers trägt die neue Regelung dem Umstand Rechnung, dass diese Aufwendungen des Abgemahnten bis dato „nur als Schadensersatz nach allgemeinem Deliktsrecht mit entsprechend schwieriger Beweisführung und erheblichem Prozessrisiko geltend gemacht werden“ konnten und zielt darauf ab, „Waffengleichheit zwischen dem Abmahnenden und dem Abgemahnten“ herzustellen. 115 Die Einschränkung, wonach der Anspruch nicht besteht, wenn die mangelnde Berechtigung für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar war (§ 97a Abs. 4 S. 1, letzter Halbsatz UrhG), wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses ergänzt. 116 Erfasst werden sollen damit solche Fälle, „in denen der jeweils zutreffend ermittelte Anschlussinhaber abgemahnt wird, sich sodann jedoch herausstellt, dass dieser nicht der Verletzter ist“, wobei die Beweislast für diese Ausnahme beim Abmahnenden liegt. 117 c) Unbegründete bzw. missbräuchliche wettbewerbsrechtliche Abmahnung Anders als bei der unbegründeten Schutzrechtsverwarnung ist im Falle einer unbegründeten Abmahnung eines Wettbewerbsverstoßes anerkannt, dass allein durch die objektiv unbegründete Abmahnung keine Ansprüche des Abgemahnten unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (§ 823 Abs. 1 BGB ) 114 BGH v. 15. 7. 2005, Az. GSZ 1 / 04 „Unbegründete Schutzrechtsverwarnung“; bestätigt in BGH v. 12. 7. 2011, Az. X ZR 56 / 09 „Besonderer Mechanismus“. 115 BT -Drucks. 17 / 13 057, S. 34. 116 Vgl. Beschlussempfehlung, BT -Drucks. 17 / 14 192, S. 22. 117 Bericht Rechtsausschuss, BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 9. 639 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson begründet werden. Maßgeblich für diese unterschiedliche Bewertung ist, dass eine Schutzrechtsverwarnung für den Verwarnten im Hinblick auf mögliche betriebliche Konsequenzen (u. U. Produktionsstopp u. ä.) ungleich belastender sei als eine bloße wettbewerbsrechtliche Abmahnung, von der meist lediglich eine Werbemaßnahme betroffen sei. Der Gegner einer unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung könne diese- - so der BGH 118 - - „ohne größere Risiken unbeachtet lassen, weil mit der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung die mit der Schutzrechtsverwarnung typischerweise verbundenen weitreichenden Beinnträchtigungen regelmäßig nicht einhergehen.“ Allerdings wurde im Zuge des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken zugunsten des missbräuchlich Abgemahnten ein gesetzlicher Anspruch auf Ersatz der für seine Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen eingeführt (§ 8 Abs. 4 S. 2 UWG ). Er entspricht dem Umfang nach dem Aufwendungsersatzanspruch des berechtigt Abmahnenden nach § 12 Abs. 1 S. 2 UWG und zieltähnlich wie der neu eingeführte Aufwendungsersatzanspruch nach § 97a Abs. 4 UrhG- - darauf ab „mehr Waffengleichheit zwischen Abmahnendem und Abgemahntem“ herzustellen. 119 12. Abgrenzung zur Berechtigungsanfrage Wie zuvor (unter 11. a.) gesehen, läuft der Abmahnende bei einer Schutzrechtsverwarnung, d. h. einer Abmahnung wegen einer vermeintlichen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts, Gefahr, dass er seinerseits vom Abmahnenden auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, sofern sich der dem Abmahnenden zur Last gelegte Vorwurf einer Schutzrechtsverletzung als unbegründet herausstellt. Um diesem Risiko zu begegnen, ist dem Schutzrechtsinhaber in Fällen, in denen die tatsächlichen Umstände und die Rechtslage im Einzelfall noch nicht hinreichend aufgeklärt sind, dringend zu empfehlen, von einer Abmahnung Abstand zu nehmen. Stattdessen kann der Rechtsinhaber in diesen Fällen zunächst eine sog. Berechtigungsanfrage (auch Schutzrechtshinweis oder Hinweisschreiben genannt) an den vermeintlichen Verletzer richten, die lediglich darauf abzielt, einen die Tatsachen- und Rechtslage aufklärenden Meinungsaustausch zu eröffnen. 120 Die Berechtigungsanfrage liegt damit unterhalb der Angriffsschwelle einer Abmahnung. Auch ist die Berechtigungsanfrage kein Ersatz für eine Abmahnung, sodass diese noch zu erfolgen hat, bevor Anlass zur Klageerhebung gegeben ist. Der Absender einer bloßen Berechtigungsanfrage, dem objektiv keine Ansprüche wegen einer Verletzung zustehen, ist grundsätzlich nicht zur Erstattung der Kosten verpflichtet, die der Empfänger der Anfrage zu ihrer Beantwortung aufwendet. 121 118 BGH v. 22. 7. 2010, Az. I ZR 139 / 08 „Kinderhochstühle im Internet“; ferner Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.70. 119 BT -Drucks. 17 / 13 057, S. 30. 120 Mes, PatG, § 139 Rdn. 263 f.; zur Abgrenzung zur Schutzrechtsverwarnung s. BGH v. 10. 7. 1997, Az. I ZR 42 / 95 „Mecki Igel III “. 121 So das OLG Düsseldorf, GRUR 1990, 548, für eine auf ein Patent gestützte Berechtigungsanfrage. 640 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung <Briefkopf Abmahnender> Vorab per Telefax / E-Mail: … Per Einschreiben mit Rückschein XY -GmbH Geschäftsführer Max Mustermann Musterstadt Wettbewerbsverstoß durch irreführende geschäftliche Handlung (§§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3 UWG) Sehr geehrter Herr Mustermann, bekanntlich betreiben wir seit vielen Jahren eine Kette von Drogeriemärkten in Mittelhessen. Als einer Ihrer Mitbewerber sind wir zur Geltendmachung lauterkeitsrechtlicher Ansprüche berechtigt (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG). Am 13. 3. 2018 schalteten Sie in der Wochenendausgabe des Mittelhessischen Anzeigers eine ganzseitige Werbeanzeige. Darin warben Sie unter anderem mit der Aussage, Sie hätten das dichteste Filialnetz von Drogeriemärkten in Mittelhessen und betrieben dort insgesamt 26 Filialen. Wie Ihnen bekannt sein dürfte, sind diese Aussagen unwahr. Die von Ihnen angegebene Anzahl von Filialen ist unzutreffend. Tatsächlich betreiben Sie in Mittelhessen lediglich 21 Drogeriemärkte, während von uns in der gleichen Region 37 Drogeriemärkte betrieben werden. Nicht Ihr Unternehmen, sondern wir verfügen daher über das dichteste Filialnetz in Mittelhessen. Durch die fragliche Werbung führen Sie daher das Publikum über Ihre geschäftlichen Verhältnisse in die Irre, da Sie eine tatsächlich nicht gegebene Größe und Bedeutung Ihres Unternehmens vortäuschen. Diese Werbung stellt eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von §§ 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 3 UWG dar. … … Wir haben Sie daher aufzufordern, den zuvor dargestellten Wettbewerbsverstoß unverzüglich zu unterlassen und zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr und Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung die anliegend beigefügte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung bis zum <Wochentag>, den <Datum> (bei uns eingehend) abzugeben. Für den Fall, dass innerhalb der vorgenannten Frist keine die Wiederholungsgefahr vollständig ausräumende Erklärung bei uns eingeht, werden wir unverzüglich gerichtliche Schritte einleiten. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift) Anlage Abb. 15: Beispiel für eine Abmahnung 122 122 In Anlehnung an Hoene / Runkel, S. 20 Rdn. 48; Tews / Bokel, S. 208. 641 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson II. Unterwerfungserklärung 1. Zweck Wie bereits dargestellt (s. o. § 87 II . 2. b. aa.), setzt ein Unterlassungsanspruch stets das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr voraus, die im Falle von Schutzrechtsverletzungen grundsätzlich durch die Rechtsverletzung indiziert und im Falle von Wettbewerbsverstößen vermutet wird. Wesentlicher Bestandteil des rechtlichen Instrumentariums zur außergerichtlichen Beilegung wettbewerbsrechtlicher und immaterialgüterrechtlicher Streitigkeiten ist daher, wie gesehen, die strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung (sog. Unterwerfung), durch die allein die Wiederholungsgefahr ausgeräumt werden kann. Eine solche Unterwerfungserklärung muss den für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr maßgeblichen Schuldnerwillen zur künftigen Unterlassung des in Frage stehenden rechtsverletzenden Verhaltens unzweideutig zum Ausdruck bringen. 123 Wie der BGH festgestellt hat 124 , setzt eine Unterwerfungserklärung allerdings nicht nur voraus, dass sie „eindeutig, hinreichend bestimmt und durch ein Vertragsstrafeversprechen gesichert“ ist. Vielmehr lässt sie die Wiederholungsgefahr nur dann entfallen, wenn sie „den gesetzlichen Unterlassungsanspruch nach Inhalt und Umfang vollständig abdeckt.“ Da eine Verletzungshandlung nicht nur die Vermutung der Wiederholungsgefahr für „die identische Verletzungsform“ (im entschiedenen Fall die unlautere Werbung für ein konkretes Smartphone-Modell), sondern „für alle im Kern gleichartigen Verletzungshandlungen“ begründet, „in denen das Charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt“ (die entsprechende Werbung für ein anderes Smartphone-Modell), ist es erforderlich, dass die Unterwerfungserklärung auch diese abdeckt. Der rechtliche Grund für die Abgabe der Unterwerfungserklärung ist regelmäßig der von den Parteien verfolgte Zweck, einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch-- dieser entfällt bei Wegfall der Wiederholungsgefahr-- durch einen vereinfacht durchsetzbaren und strafbewehrten vertraglichen Anspruch zu ersetzen. 125 Allerdings lässt „die vom Schuldner abgegebene einseitige strafbewehrte Unterlassungserklärung, wenn sie ernsthaft ist und inhaltlich den an eine solche Erklärung zu stellenden Anforderungen entspricht, die Wiederholungsgefahr unabhängig von einer Annahmeerklärung des Gläubigers und daher gegebenenfalls auch schon vor einer solchen entfallen“. 126 Anders als durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung lässt sich die Wiederholungsgefahr nicht bereits durch eine vom Schuldner abgegebene notarielle Unterlassungserklärung (vollstreckbare Ausfertigung, §§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795, 724 ZPO ) als solche ausräumen, da der Gläubiger bis zur Zustellung eines-- von ihm zu beantragenden-- Androhungsbeschlusses nach § 890 Abs. 2 ZPO zwischenzeitlich begangene weitere Verstöße des Schuldners gegen seine Unterlassungspflicht nicht ahnden kann. 127 123 BGH GRUR 1993, 677, 679 „Bedingte Unterwerfung“. 124 BGH v. 17. 9. 2015, Az. I ZR 92 / 14 „Smartphone-Werbung“. 125 BGH GRUR 1998, 953, 954 „Altunterwerfung III “. 126 BGH v. 18. 5. 2006, I ZR 32 / 03, „Vertragsstrafevereinbarung“. 127 BGH v. 21. 4. 2016, Az. I ZR 100 / 15 „Notarielle Unterlassungserklärung“; zum Meinungsstand s. Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.163. 642 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson 2. Rechtsnatur, Form Durch den Unterlassungsvertrag wird ein auf die Unterlassung einer bestimmten, konkret bezeichneten Verletzungsform gerichtetes Dauerschuldverhältnis begründet. 128 Dessen konkrete Rechtsnatur ist umstritten, zumal sie mit Blick auf den Grundsatz der Vertragsfreiheit nicht generell und einheitlich bestimmt werden kann, sondern maßgeblich vom Inhalt der getroffenen Vereinbarung abhängt. In Fällen, in denen die Unterlassungserklärung eine zur Beseitigung der Wiederholungsgefahr geeignete Vertragsstrafebewehrung einschließt-- wie dies bei Unterwerfungen regelmäßig der Fall ist- - geht der BGH angesichts des dadurch bewirkten Untergangs des gesetzlichen Unterlassungsanspruchs als Folge des Fortfalls der Wiederholungsgefahr vom Vorliegen einer Novation (sog. Schuldersetzung) in der Form eines abstrakten Schuldanerkenntnisses aus. 129 Als solches unterliegt dieses grundsätzlich dem Schriftformerfordernis (vgl. § 781 BGB ), das allerdings entfällt, wenn der Schuldner-- wie im Regelfall-- Kaufmann ist (§§ 350, 343 HGB ). 130 Obgleich danach in den meisten Fällen kein gesetzliches Formerfordernis eingreift, hat der Gläubiger gegen den Schuldner einen aus Sinn und Zweck der Unterlassungserklärung abgeleiteten Anspruch darauf, dass dieser ihm eine ohne Beachtung der Schriftform (z. B. per Fax, per Mail oder gar nur mündlich) erklärte Unterlassungsverpflichtung in zu Beweiszwecken geeigneter schriftlicher Form bestätigt. 131 3. Zustandekommen des Unterlassungsvertrages In der Praxis ist es, wie dargestellt (s. o. I. 6. b.), üblich, dass der Abmahnung eine bereits vom Gläubiger vorformulierte Unterlassungserklärung beigefügt ist. Für den Bereich der urheberrechtlichen Abmahnung ist zu beachten, dass der Abmahner bereits in der Abmahnung anzugeben hat, „inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungserklärung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht“ (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG; s. zuvor I. 6 b). In diesen Fällen geht das Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrages also vom Abmahner aus. Der Unterlassungsvertrag kommt zustande, wenn der Abgemahnte die geforderte Unterlassungserklärung abgibt (Annahme). Nicht selten kommt es jedoch vor, dass der Abgemahnte die Erklärung nicht in der geforderten Ausgestaltung, sondern nur in modifizierter Form abgibt (z. B. Herabsetzung der Vertragsstrafe; engere Fassung der Unterlassungserklärung). In diesen Fällen geht das Angebot zum Abschluss des Unterlassungsvertrages vom Schuldner aus (§ 150 Abs. 2 BGB ), ebenso wie in den Fällen, in denen der Abmahnung ausnahmsweise keine vorformulierte Erklärung beigefügt war. Kommt der Unterlassungsvertrag zustande, so entfällt wegen Fortfalls der Wiederholungsgefahr der gesetzliche Unterlassungsanspruch, an dessen Stelle der durch eine Vertragsstrafe gesicherte vertragliche Anspruch tritt. 128 BGH GRUR 1995, 678, 680 „Kurze Verjährungsfrist“. 129 BGH GRUR 1995, 678, 679 „Kurze Verjährungsfrist“; BGH GRUR 1998, 953, 954 „Altunterwerfung III “. 130 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.144 131 BGH GRUR 1990, 530, 532 „Unterwerfung durch Fernschreiben“. 643 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson 4. Bedeutung des Vertragsstrafeversprechens Das zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr erforderliche Vertragsstrafeversprechen ergänzt das Unterlassungsversprechen. Anders als ein nach § 890 ZPO im Rahmen der Vollstreckung eines Unterlassungstitels verhängtes Ordnungsmittel, das eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellt, ist die Vertragsstrafe (i. S. v. § 339 BGB ) eine schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und erspart dem Gläubiger den Schadensbeweis. Das heißt, sie dient entsprechend doppelter Zwecksetzung als Druckmittel dem Schutz des Gläubigers vor Zuwiderhandlungen und kann darüber hinaus auch den Zweck haben, diesem im Verletzungsfall eine einfache Möglichkeit zu eröffnen, Schadensersatz zu erhalten. 132 Sofern der Schuldner nach Abgabe einer modifizierten Unterwerfungserklärung (s. zuvor 3.) und vor Annahme dieses neuen Angebots durch den Gläubiger erneut eine Verletzungshandlung begeht, ist noch keine Vertragsstrafe verwirkt, da die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe nicht schon durch die einseitige Erklärung des Schuldners begründet wird, sondern das Zustandekommen eines Unterlassungsvertrages zwischen Gläubiger und Schuldner voraussetzt. 133 5. Höhe der Vertragsstrafe Die Vertragsstrafe wird in der Regel als fester Betrag (Fixum) vereinbart. Maßgeblich für die Höhe der Vertragsstrafe sind Art und Größe des Unternehmens des Verletzers, Umsatz und möglicher Gewinn sowie Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung. 134 Die Vertragsstrafe muss nicht fix vereinbart sein, sie kann gemäß § 315 Abs. 1 BGB auch in der Form getroffen werden, dass für den Fall einer künftigen Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht dem Gläubiger die Bestimmung der Vertragsstrafehöhe nach seinem billigen Ermessen überlassen bleibt. Obgleich die Vertragsstrafe von ihrem Charakter her, wie zuvor dargelegt, nicht ohne Weiteres mit einem Ordnungsmittel i. S. v. § 890 ZPO gleichgesetzt werden kann, kommt es für die Angemessenheit einer Vertragsstrafe in erster Linie auf den Sanktionscharakter der Vertragsstrafe und auf ihre Funktion der Vermeidung weiterer Zuwiderhandlungen an. Es kommt also-- insoweit ähnlich wie bei der Festsetzung angemessener Ordnungsmittel im Sinne des § 890 ZPO -- auf die Beurteilung der Schwere und des Ausmaßes der begangenen Zuwiderhandlung, auf deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers und auf dessen-- zu beseitigendes-- Interesse an weiteren gleichartigen Begehungshandlungen an. 135 Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt Verschulden voraus, wobei der Schuldner nicht nur für eigenes Verschulden, sondern auch das seiner Hilfspersonen (§ 278 BGB ) einzustehen hat. 136 132 BGH GRUR 2001, 758, 760 „Trainingsvertrag“. 133 BGH v. 18. 5. 2006, I ZR 32 / 03 „Vertragsstrafevereinbarung“. 134 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 1.205. 135 BGH GRUR 1994, 146, 148 „Vertragsstrafebemessung“. 136 Palandt / Grüneberg, BGB , § 278 Rdn. 7. 644 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung 126 XY -GmbH <Anschrift Abgemahnter> verpflichtet sich gegenüber <Firma / Anschrift Abmahnender> 1. es ab sofort zu unterlassen, mit dem Ziel, zugunsten des eigenen Unternehmens den Absatz von Waren zu fördern, sich in einer Zeitungsanzeige oder sonstigen öffentlichen Mitteilungen wie nachstehend zu äußern / und oder solche Äußerungen verbreiten zu lassen: „Wir verfügen über das dichteste Filialnetz von Drogeriemärkten in Mittelhessen. Insgesamt betreiben wir dort 26 Drogeriemärkte“; 2. für jeden Fall zukünftiger Zuwiderhandlung gegen die in unter Ziffer 1 aufgeführte Verpflichtung unter Ausschluss der Einrede des einheitlichen Tathergangs an <Firma Abmahnender> eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 5.100 zu zahlen. Musterstadt, den … (Firmenstempel und rechtsverbindliche Unterschrift) Abb. 16: Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung 6. Erneute Zuwiderhandlung Wenn der Verletzte nach Zustandekommen des Unterlassungsvertrages durch die Begehung einer neuerlichen Rechtsverletzung gegen die strafbewehrte Unterwerfungserklärung schuldhaft verstößt, ist die Vertragsstrafe verwirkt. Durch die neue-- auch unverschuldete-- Verletzungshandlung wird die Wiederholungsgefahr regelmäßig erneut begründet, d. h. es entsteht ein neuerlicher gesetzlicher Unterlassungsanspruch. Die Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich nur durch eine weitere Unterwerfungserklärung mit einer gegenüber der ersten erheblich höheren Strafbewehrung ausgeräumt werden. 138 Das Rechtsschutzbedürfnis für die Verfolgung des neuerlichen Rechtsverstoßes im Wege der Unterlassungsklage wird durch das Bestehen des vertraglichen Anspruchs auf die Vertragsstrafe nicht berührt. 139 7. Kündigung Wie alle Dauerschuldverhältnisse kann auch der Unterlassungsvertrag aus wichtigem Grund bzw. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 S. 2 BGB ) gekündigt werden. Als Gründe kommen insoweit-- insbesondere im Wettbewerbsrecht-- eine Änderung der Rechtsprechung oder eine Gesetzesänderung in Betracht, die dazu führt, dass das fragliche Ver- 137 In Anlehnung an Hoene / Runkel, S. 31 Rdn. 85. 138 BGH GRUR 1980, 241, 242 „Rechtsschutzbedürfnis“; BGH GRUR 1990, 534 „Abruf-Coupon“. 139 BGH GRUR 1980, 241, 242 „Rechtsschutzbedürfnis“. 645 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson halten, zu dessen Unterlassen sich der Schuldner bei Meidung einer Vertragsstrafe verpflichtet hat, nach geänderter Rechtslage keinen Rechtsverstoß mehr begründet. In bestimmten Fallkonstellationen kann die Bindungswirkung einer Unterwerfungserklärung Checkliste Abmahnung ▶ Angabe Name oder Firma des Verletzten, wenn der Verletzte nicht selbst, sondern ein Vertreter abmahnt (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UrhG); ▶ Darlegung der Aktivlegitimation / Sachbefugnis (soweit diese nicht als bekannt vorausgesetzt werden darf); ▶ Darstellung des dem Abgemahnten konkret zur Last gelegten Verhaltens; ▶ knappe rechtliche Würdigung (Subsumtion) bzw. ▶ genaue Bezeichnung der Rechtsverletzung (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 UrhG); ▶ Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung; ▶ Beifügung einer vorformulierten Unterlassungserklärung (fakultativ); ▶ Angabe, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 UrhG); ▶ Bei Geltendmachung von Zahlungsansprüchen Aufschlüsselung als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche (§ 97a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UrhG); ▶ Setzung einer angemessenen Frist; ▶ Androhung gerichtlicher Schritte; ▶ Aufforderung zur Erstattung der Kosten der Abmahnung (fakultativ); ▶ Form: Grundsätzlich formfrei - aus Beweisgründen Schriftform mit Zugangsnachweis (Einschreiben mit Rückschein). Abb. 17: Checkliste Abmahnung 140 140 Soweit bei einzelnen der aufgeführten Punkte in der Klammer auf § 97a Abs. 2 S. 1 UrhG verwiesen wird, handelt es sich um inhaltliche Anforderungen, die der Gesetzgeber für die urheberrechtliche Abmahnung durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken festgelegt hat. 646 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson Checkliste für Überprüfung Abmahnung aus Sicht des Abgemahnten ▶ Im Vordergrund der Prüfung steht die Frage: Ist ein Abmahngrund gegeben (materielle Prüfung Wettbewerbsverstoß, Schutzrechtsverletzung)? ▶ Berechtigung des Abmahnenden (Aktivlegitimation, z. B. bei Wettbewerbsverstößen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1-4 UWG )? ▶ Wirksamkeit einer urheberrechtlichen Abmahnung (§ 97a Abs. 2 UrhG)? ▶ Überprüfung der geforderten Unterwerfungserklärung, u. a.: ▷ Ist diese hinreichend konkret und nicht zu weit gefasst? ▷ Angemessenheit der Vertragsstrafe (Maßstab hiefür: Art, Gefährlichkeit und Bedeutung des Verstoßes, Finanzkraft des Verletzers sowie dessen mutmaßliches wirtschaftliches Interesse an Wiederholung)? ▷ Kein missbräuchliches Unterlassungsbegehren, insbesondere lediglich, um Anspruch auf Kostenerstattung zu generieren (vgl. § 8 Abs. 4 UWG - z. B. bei Mehrfachabmahnung durch im Konzernverbund stehende Unternehmen)? ▶ Reaktionsmöglichkeiten des Abgemahnten: ▷ Abgabe der Unterwerfungserklärung, wie gefordert; ▷ Abgabe einer eingeschränkten bzw. modifizierten Unterwerfungserklärung, ggf. mit Reduktion einer zu hoch angesetzten Vertragsstrafe bzw. eines überhöhten Streitwertes; ▷ Begehren einer Fristverlängerung, insbes. bei unangemessen kurzer Frist; ▷ Aufnahme von Verhandlungen mit dem Abmahnenden (z. B. in Kennzeichensachen zwecks Abschluss einer Abgrenzungsvereinbarung); ▷ Abmahnung zurückweisen (z. B. mangels Abmahngrund, wegen fehlender Aktivod. Passivlegitimation; wegen Rechtsmissbrauchs); ▷ Gegenanspruch bei unbegründeter Schutzrechtsverwarnung, unberechtigter oder unwirksamer urheberrechtlicher Abmahnung oder missbräuchlicher wettbewerbsrechtlicher Abmahnung; ▷ Hinterlegung einer Schutzschrift (siehe hierzu a. § 90 II . 4). Abb. 18: Checkliste für Überprüfung Abmahnung aus Sicht des Abgemahnten darüber hinaus auch ungeachtet der rechtzeitigen Aussprache einer Kündigung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) entfallen. Wie der BGH in einem Fall, in dem die Verbandsklagebefugnis des Gläubigers durch eine Gesetzesänderung entfallen war, entschieden hat, beruht der Wegfall der Bindungswirkung in solchen Fallkonstellationen im Wesentlichen auf der Überlegung, dass dem Gläubiger das Vorgehen aus einem nicht rechtzeitig gekündigten Vertragsstrafeversprechen dann verwehrt sein müsse, wenn ihm der durch die Unterwerfungserklärung gesicherte Anspruch eindeutig nicht mehr zusteht. 141 141 BGH GRUR 2001, 85, 86 „Altunterwerfung IV “. 647 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung Pierson III. Verfahren vor der Einigungsstelle 1. Überblick, Einordnung, Bedeutung Für den Bereich des Wettbewerbsrechts ist als besondere Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung das Einigungsstellenverfahren zu erwähnen, das in § 15 UWG geregelt ist. Wird nach einer wettbewerbsrechtlichen Abmahnung eine Unterwerfungserklärung nicht abgegeben, kann es sich in rechtlich unklaren Fällen und solchen, in denen trotz klarer Rechtslage (z. B. wegen beiderseitiger Verletzungshandlungen) eine Aussicht auf eine außergerichtliche Einigung besteht, empfehlen, eine Einigungsstelle anzurufen. 142 Das Einigungsstellenverfahren, das von den Landesregierungen bei den Industrie- und Handelskammern eingerichtet ist (§ 15 Abs. 1 UWG ), zielt in Wettbewerbsstreitigkeiten auf einen gütlichen Ausgleich zwischen den Streitparteien ab (§ 15 Abs. 6 S. 1 UWG ). Es eröffnet den Parteien die Möglichkeit einer einfachen und kostengünstigen Streitbeilegung. Das Einigungsstellenverfahren wird insbesondere von der Wettbewerbszentrale stark genutzt, 143 im Übrigen hat es in der Praxis aber eher geringe Resonanz gefunden. 144 2. Besetzung der Einigungsstellen Die Einigungsstellen sind mit einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt hat und auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts erfahren ist, und Beisitzern besetzt (§ 15 Abs. 2 S. 1, 3 UWG ). Die Einzelheiten der Besetzung sind in § 15 Abs. 2 UWG geregelt. 3. Zuständigkeit Die sachliche Zuständigkeit der Einigungsstellen ist für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten gegeben, in denen ein Anspruch nach dem UWG geltend gemacht wird. Angesprochen sind damit die zivilrechtlichen Ansprüche, die sich nach dem Lauterkeitsrecht bei einem Verstoß gegen § 3 oder § 7 UWG ergeben. Soweit eine Wettbewerbshandlung gegenüber Verbrauchern betroffen ist, kann die Einigungsstelle von beiden Parteien angerufen werden. In sonstigen Fällen, d. h. in Fällen, in denen eine vorgeschaltete Wirtschaftsstufe betroffen ist, kann die Einigungsstelle nur mit Zustimmung des Gegners angerufen werden (§ 15 Abs. 3 UWG ). Für die örtliche Zuständigkeit ist § 14 UWG entsprechend anzuwenden (§ 15 Abs. 4 UWG ). 142 Tews / Bokel, S. 144. 143 Ausweislich der WBZ -Publikation „Jahresbericht 2016“, S. 44, wurden von der Zentrale im Jahr 2016 über 400 Einigungsstellenverfahren geführt. 144 Vgl. so die Einschätzung von Hoene / Runkel, S. 168 Rdn. 1, mit Erläuterung der Vor- und Nachteile des Einigungsstellenverfahrens aus praktischer Sicht. 648 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson 4. Verfahren, Vergleich Das Verfahren vor den Einigungsstellen ist in § 15 Abs. 5-10 UWG sowie ergänzend in den von den Landesregierungen auf der Grundlage von § 15 Abs. 11 UWG erlassenen, sachlich weitgehend übereinstimmenden Durchführungsverordnungen geregelt. 145 Hervorzuheben ist, dass die Einigungsstelle den Parteien im Sinne des gütlichen Ausgleichs einen schriftlichen, mit Gründen versehenen Einigungsvorschlag machen kann (§ 15 Abs. 6 S. 2 UWG ). Kommt ein Vergleich zustande, so wird dieser in einer Urkunde niedergelegt, aus der die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 15 Abs. 7 UWG ). § 90 Gerichtliche Durchsetzung In Fällen, in denen eine außergerichtliche Streitbeilegung scheitert-- sei es, weil sich der Abgemahnte nicht unterwirft oder, weil es in einem wettbewerbsrechtlichen Einigungsstellenverfahren zu keiner Einigung kommt-- ist eine gerichtliche Anspruchsdurchsetzung erforderlich. I. Allgemeine Zulässigkeitsfragen 1. Rechtsweg Für alle Rechtsstreitigkeiten, in denen Ansprüche wegen der Verletzung eines gewerblichen Schutzrechtes oder eines Urheber- oder Leistungsschutzrechtes geltend gemacht werden, sowie für die Verfolgung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche ist der ordentliche Rechtsweg zu den Zivilgerichten gegeben (§§ 13 GVG , 104 UrhG). 2. Sachliche Zuständigkeit Sachlich ausschließlich zuständig für Klagen wegen der Verletzung eines gewerblichen Schutzrechtes sowie wegen Wettbewerbsverstößen sind die Landgerichte ohne Rücksicht auf den Streitwert (§§ 143 Abs. 1 PatG, 27 Abs. 1 Gebr MG , 140 Abs. 1 MarkenG, 52 Abs. 1 DesignG, 13 Abs. 1 UWG ). Demgegenüber kommt in Urheberrechtsstreitsachen abhängig vom Streitwert auch eine sachliche Zuständigkeit der Amtsgerichte in Betracht (§§ 105 Abs. 2 UrhG, 23 Nr. 1 GVG ). Sämtliche Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes, das Urheberrechtsgesetz und das UWG enthalten im Wesentlichen gleichlautende sog. Konzentrationsermächtigungen, durch die die Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die fraglichen Streitsachen für die Bezirke mehrerer Landgerichte bzw. in Urheberrechtsstreitsachen auch mehrerer Amtsgerichte einem von ihnen zuzuweisen (§§ 143 Abs. 2 PatG, 27 Abs. 2 Gebr MG , 140 Abs. 2 MarkenG, 52 Abs. 2 DesignG, 13 Abs. 2 145 Vgl. hierzu die bei Köhler / Bornkamm / Feddersen als Muster im Anhang zu § 15 abgedruckte Bayerische Einigungsstellenverordnung sowie den Überblick über die entsprechenden Rechtsvorschriften der Länder. 649 § 90 Gerichtliche Durchsetzung Pierson UWG , 105 UrhG). 146 Die Regelungen betreffend die Konzentrationsermächtigung der Länder tragen dem Umstand Rechnung, dass die Zuständigkeit eines Gerichts für die einschlägigen Rechtsstreitigkeiten besondere Kenntnisse und Erfahrungen in rechtlichen Spezialmaterien voraussetzt, die nicht bei allen Gerichten vorgehalten bzw. mangels ausreichender Fallzahlen gesammelt werden können. 3. Örtliche Zuständigkeit a) Allgemeine Zuständigkeitsregeln ZPO Die örtliche Zuständigkeit richtet sich für Verletzungsklagen im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts, sofern keine spezialgesetzlichen Regelungen eingreifen, nach den allgemeinen Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 12 ff. ZPO ). Örtlich zuständig ist danach-- nach Wahl des Klägers (§ 35 ZPO )-- das Gericht, bei dem der Beklagte seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (§§ 12, 13, 17 ZPO ) oder ein anderes Gericht, bei dem einer der sog. besonderen Gerichtsstände begründet ist (z. B. besonderer Gerichtsstand der Niederlassung, § 21 ZPO ). In der Praxis des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts spielt der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO ) eine besonders große Rolle, der die Rechtsverfolgung von Verletzungshandlungen überall dort zulässt, wo sie begangen wurde. Damit können mehrere Gerichtsstände eröffnet sein, unter denen der Verletzte die Wahl hat (sog. fliegender Gerichtsstand). b) Sonderregelung UWG Für Klagen wegen Wettbewerbsverstößen findet sich eine Sonderregelung zur örtlichen Zuständigkeit in § 14 UWG . Danach ist für Klagen aufgrund des UWG das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat (§ 14 Abs. 1 S. 1 UWG ). Außerdem ist nur das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen wurde (§ 14 Abs. 2 S. 1 UWG ). Je nach Art des Wettbewerbsverstoßes kommen eine Vielzahl von Begehungsorten als Anknüpfung für den Gerichtsstand in Betracht, z. B. bei Wettbewerbsverstößen in Druckschriften (Zeitungen, Zeitschriften, Katalogen etc.) nicht nur der Erscheinungsort, sondern grundsätzlich auch jeder Ort der Verbreitung, bei Verstößen im Internet jeder Ort, an dem die Information dritten Personen bestimmungsgemäß zur Kenntnis gebracht wird (sog. fliegender Gerichtsstand). 147 Der Kläger kann zwischen den beiden nach § 14 eröffneten Gerichtsständen wählen (§ 35 ZPO ). Der Gerichtsstand des Begehungsortes nach § 14 Abs. 2 S. 1 UWG steht jedoch, wie sich aus einem Umkehrschluss aus § 14 Abs. 2 S. 2 UWG ergibt, nur dem nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimierten Mitbewerber uneingeschränkt zur Verfügung, während er für Klagen, die von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG klagebefugten Verbänden und Einrichtungen erhoben werden, nur dann greift, wenn der Beklagte im Inland 146 Eine Übersicht über die danach in den Ländern zuständigen Gerichte findet sich auf der Website der Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht e. V. (GRUR), abrufbar unter: http: / / www. grur.org/ de/ grur-atlas/ gerichte/ gerichtszustaendigkeiten.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 147 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 14 Rdn. 15 ff. 650 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat. Da sich der sog. fliegende Gerichtsstand in der Praxis zum Regelfall entwickelt hat und dem Kläger verschiedene, für den Beklagten nachteilige prozessuale Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet, droht sich-- so die Befürchtung des Gesetzgebers-- die von der ZPO grundsätzlich vorgesehene Waffengleichheit zwischen den Parteien zu Gunsten des Klägers zu verschieben. Im Regierungsentwurf des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken war daher vorgesehen, den „fliegenden Gerichtsstand“ nach § 14 Abs. 2 UWG auf den Ausnahmefall zu beschränken, dass der Beklagte im Inland weder eine gewerbliche oder selbständige berufliche Niederlassung noch einen Wohnsitz hat. 148 Auf die geplante Regelung wurde jedoch entsprechend der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses-- zumindest vorerst-- verzichtet. Die Frage der Sinnhaftigkeit einer möglichen Beschränkung des fliegenden Gerichtsstandes stelle sich nicht nur im Lauterkeitsrecht, sondern insbesondere auch im Presserecht und im gewerblichen Rechtsschutz insgesamt. Eine gesetzliche Regelung dürfe daher nicht nur isoliert für das UWG erfolgen, sondern stehe unter dem Vorbehalt einer sorgfältigen Prüfung und Bewertung der zu berücksichtigenden Interessen für alle betroffenen Rechtsgebiete. 149 c) Sonderregelung Urheberrecht Wie zuvor (b.) dargestellt, hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken auf die geplante Einschränkung des sog. fliegenden Gerichtstandes im Lauterkeitsrecht verzichtet. Demgegenüber hat er-- gleichfalls einer Empfehlung des Rechtsausschusses folgend- - in § 104a UrhG eine Gerichtsstandsregelung eingeführt, durch die der Gerichtsstand am Begehungsort (§ 32 ZPO ) im Interesse des Verbraucherschutzes eingeschränkt wird. Die im Regierungsentwurf noch nicht vorgesehene Regelung zielt darauf ab, der besonderen Schutzbedürftigkeit der Verbraucher als Beklagten in urheberrechtlichen Verletzungsverfahren Rechung zu tragen. 150 Danach ist „für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die“ nach dem Urheberrechtsgesetz „geschützte Werke oder andere“ danach „geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat“ (§ 104a Abs. 1 S. 1 UrhG). II. Einstweilige Verfügung 1. Bedeutung, Zuständigkeit In Wettbewerbssachen und in Fällen der Verletzung von gewerblichen Schutzrechten und Urheberrechten ist der Anspruchsteller häufig darauf angewiesen, möglichst schnell gerichtliche Hilfe zu erlangen. Daher kommt dem einstweiligen Verfügungsverfahren in der einschlägigen Praxis erhebliche Bedeutung zu. Bei dem Verfahren der einstweiligen Verfügung 148 Vgl. Reg.-Entwurf, BT -Drucks. 17 / 13 057, S. 31. 149 Vgl. Bericht des Rechtsausschusses, BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 8. 150 Bericht des Rechtsausschusses, BT -Drucks. 17 / 14 216, S. 9. 651 § 90 Gerichtliche Durchsetzung Pierson (§§ 935, 936 ZPO ) handelt es sich um ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, das der Sicherung eines Individualanspruchs und der einstweiligen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses dient. Insbesondere in Wettbewerbssachen und bei Kennzeichenstreitigkeiten führt das als Instrument des vorläufigen Rechtsschutzes konzipierte einstweilige Verfügungsverfahren gleichwohl häufig zu einer endgültigen Erledigung des Rechtsstreits, so dass sich die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens erübrigt. Für den Erlass einstweiliger Verfügungen ist das Gericht der Hauptsache örtlich und sachlich ausschließlich zuständig (§§ 937, 943, 802 ZPO ). Für die Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung besteht kein Anwaltszwang (§§ 936, 920, 294 ZPO ). Gleichwohl empfiehlt sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts, da in dem hier regelmäßig in die Zuständigkeit der Landgerichte fallenden Verfahren spätestens bei Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich ist (§ 78 Abs. 1 ZPO ). Durch die Zustellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird die Verjährung gehemmt (§§ 204 Nr. 9, 209 BGB ). 2. Voraussetzungen a) Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Verfügung ist grundsätzlich, dass der Antragsteller einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund glaubhaft macht (§§ 936, 920 Abs. 2 ZPO ). Da das einstweilige Verfügungsverfahren nur auf eine vorläufige Sicherung der Rechte des Verletzten abzielt, kommen als Verfügungsanspruch nur solche Ansprüche in Betracht, die-- wie insbesondere Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche-- einer vorläufigen Regelung oder Befriedigung zugänglich sind. Demgegenüber scheiden Ansprüche-- wie insbesondere Schadensersatzansprüche-- aus, deren Verfolgung im Ergebnis eine Vorwegnahme der Hauptsache darstellen würde. 151 Der Verfügungsgrund besteht in der objektiv begründeten Besorgnis, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts des Gläubigers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Eilbedürftigkeit bzw. „Dringlichkeit“). b) Glaubhaftmachung, Dringlichkeitsvermutung Grundsätzlich hat der Gläubiger die Umstände, aus denen sich die Dringlichkeit ergibt, darzulegen und die dazu behaupteten Tatsachen glaubhaft zu machen. 152 Als Mittel der Glaubhaftmachung kommen alle präsenten Beweismittel (Augenschein, Vorlage von Urkunden, Stellen von Zeugen im Termin) einschließlich der Versicherung an Eides statt in Betracht (§ 294 ZPO ). In Wettbewerbssachen wird die Dringlichkeit allerdings kraft gesetzlicher Regelung (§ 12 Abs. 2 UWG ) vermutet. Der unmittelbare Anwendungsbereich von § 12 Abs. 2 UWG ist auf Ansprüche aus dem UWG beschränkt. Die Frage, ob der Anwendungsbereich der gesetzlichen Dringlichkeitsvermutung nach § 12 Abs. 2 UWG im Wege der Rechtsanalogie 151 Hoene / Runkel, S. 44 Rdn. 6. 152 Zöller / Vollkommer, ZPO , § 935 Rdn. 10 ff. 652 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson auf Unterlassungsansprüche aus den Sondergesetzen des Immaterialgüterrechts ausgedehnt werden kann, ist umstritten. Sie wurde früher verbreitet für den Bereich des Markenrechts bejaht, nach der jetzt h.M. für das Markenrecht ebenso wie für die übrigen Gesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und das Urheberrecht jedoch verneint. 153 Das Vorliegen der Dringlichkeit ist von Amts wegen zu prüfen. Die in Wettbewerbssachen bestehende Dringlichkeitsvermutung kann jedoch durch Umstände entfallen, die sich aus dem Verhalten des Antragstellers ergeben. 154 Sie gilt als widerlegt, wenn dieser trotz Kenntnis der maßgeblichen Umstände und der ihm drohenden Nachteile längere Zeit untätig geblieben ist. Die Frage, welcher Zeitraum zwischen Kenntnisnahme und Einleitung gerichtlicher Schritte maximal verstreichen darf, ohne die Dringlichkeitsvermutung zu widerlegen, lässt sich nicht pauschal beantworten, weil sie von den Umständen des Einzelfalls (und der Bewertung durch das Gericht) abhängt. Als Untergrenze wird im Bereich des Wettbewerbsrechts eine Frist von vier Wochen ab Kenntnis vom Wettbewerbsverstoß genannt. 155 3. Entscheidung des Gerichts In dringenden Fällen, d. h. in Fällen, in denen die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung den Antragszweck gefährden würde, kann das Gericht über den Antrag durch stattgebenden Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden; auch in Fällen, in denen der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen ist, kann die Entscheidung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung ergehen (§ 937 Abs. 2 ZPO ). In anderen Fällen ergeht die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage mündlicher Verhandlung durch Endurteil (§§ 936, 922 Abs. 1 S. 1 ZPO ). 4. Schutzschrift a) Begriff, Bedeutung Um dem Risiko zu begegnen, dass das Gericht ohne mündliche Verhandlung eine Beschlussverfügung erlässt, kann derjenige, der-- insbesondere nach einer Abmahnung-- eine einstweilige Verfügung befürchtet, eine sog. Schutzschrift bei Gericht hinterlegen. Bei der Schutzschrift handelt es sich um ein von der Rechtspraxis entwickeltes vorbeugendes Rechtsschutzmittel, das auf die Zurückweisung eines drohenden Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung oder zumindest die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung abzielt. Die lange Zeit gesetzlich nicht geregelte Schutzschrift hat im Zuge des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs 156 erstmals eine gesetzliche Regelung und Begriffsbestimmung erfahren. Schutzschriften sind danach „vorbeugende Verteidigungsschriftsätze gegen erwartete Anträge auf Arrest oder einstweilige Verfügung“ 153 Vgl. im Einzelnen Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 3.14. 154 Vgl. u. a. OLG Köln, GRUR 1994, 138, 140. 155 Hoene / Runkel, S. 44 f. Rdn. 9; Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 34. 156 Vom 10. 10. 2013-- BGB l. Teil I Nr. 62 v. 16. 10. 2013. 653 § 90 Gerichtliche Durchsetzung Pierson (§ 945a Abs. 1 S. 2 ZPO ). Der Hauptzweck der Schutzschrift, die auch in anderen Mitgliedsländern der EU (Belgien, Niederlande, Frankreich, Spanien) angewendet wird und in der Verfahrensordnung des einheitlichen Patentgerichts (Nr. 207-- „Protective letter“) 157 vorgesehen ist, besteht darin, dem Gericht bereits möglichst viele relavante Informationen zur Verfügung zu stellen, damit diese im Falle einer Antragstellung auch ohne Anhörung des Antragsgegners seitens des Gerichts berücksichtigt werden können. 158 Die Schutzschrift unterliegt keinen speziellen Formerfordernissen. Mangels gesetzlicher Vorgaben orientiert sich ihr Aufbau an der Gestaltung einer Antragserwiderungsschrift, in der die Sach- und Rechtslage in einer zur Verteidigung gegen die drohende Antragsschrift geeigneten Weise ausführlich dargelegt und glaubhaft gemacht wird. 159 Die Kosten der Schutzschrift sind Teil eines anschließend in Gang gekommenen Verfahrens und vom Antragsteller im Fall der Zurückweisung oder Rücknahme des Verfügungsantrages zu erstatten. 160 b) Hinterlegung, Zentrales Schutzschriftenregister Mit Blick auf den besonderen Gerichtsstand des Begehungsortes (s. o. I. 3.) ist die Schutzschrift bei allen Gerichten zu hinterlegen, bei denen mit einem Verfügungsantrag gerechnet werden kann. Angesichts der Existenz von bundesweit 115 Landgerichten (Stand: 15. Mai 2017) 161 hat sich schon die Auswahl der Gerichte, bei denen die Hinterlegung einer Schutzschrift ratsam erscheint, traditionell als schwierig erwiesen. Hinzu kommt der Büroaufwand, der mit der Erstellung und Vervielfältigung der Schutzschrift nebst Anlagen und dem Versand an eine Vielzahl von Gerichten verbunden ist. Eine erhebliche Erleichterung gegenüber dem aufwendigen Verfahren der traditionellen Schutzschriftenhinterlegung eröffnet das zentrale länderübergreifende elektronische Register für Schutzschriften (Schutzschriftenregister), das von der Landesjustizverwaltung Hessen geführt wird (§ 945a S. 1 ZPO). Im Zentralen Schutzschriftenregister können Schutzschriften schnell und bequem elektronisch hinterlegt und von den Gerichten online abgefragt werden. 162 Es erstreckt sich nur auf den Bereich der ordentlichen Gerichtsbarkeit und dient der Vereinfachung der Verfahrensabläufe für Rechtsanwälte und Justiz. 163 Eine Schutzschrift gilt dann „als bei allen ordentlichen Gerichten der Länder eingereicht, sobald sie in das Schutzschriftenregister eingestellt ist“ (§ 945a Abs. 2 S. 1 ZPO ). 157 Vorläufige Bestimmungen der Verfahrensordnung des einheitlichen Patentgerichts (18. Entwurf), abrufbar unter: https: / / www.unified-patent-court.org/ documents (letzter Abruf: 03 / 2018). 158 Leitfaden der EU -Kommission zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004 / 48 / EG v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final, S. 19. 159 Hoene / Runkel, S. 32 Rdn. 89; ferner Zöller / Vollkommer, ZPO , § 937 Rdn. 4. 160 BGH , Beschluss v. 13. 2. 2003, I ZB 23 / 02; Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 35. 161 Vgl. Übersicht des BMJV über die Anzahl der Gerichte des Bundes und der Länder, abrufbar unter http: / / www.bmjv.de/ SharedDocs/ Downloads/ DE/ PDF/ Anzahl_der_Gerichte_des_Bundes_und_der_ Laender.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 162 Nähere Informationen zum Zentralen Schutzschriftenregister finden sich im Internet unter https: / / schutzschriftenregister.hessen.de/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 163 Im Einzelnen hierzu vgl. BT -Drucks. 1 712 634, S. 21, 35. 654 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson 5. Rechtsbehelfe Gegen einen Beschluss, durch den der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückgewiesen wird, steht dem Antragsteller die sofortige Beschwerde zu (§ 567 Abs. 1 ZPO ). Wird dem Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hingegen entsprochen, kann der Antragsgegner gegen die Beschlussverfügung Widerspruch einlegen (§§ 936, 924 I ZPO ). Der Widerspruch ist unbefristet, möglich ist aber eine Verwirkung des Widerspruchs bei zu langem Zuwarten des Schuldners. 164 Das Gericht entscheidet über den Widerspruch auf der Grundlage eines Termins zur mündlichen Verhandlung (§ 924 Abs. 2 ZPO ). Ergeht im einstweiligen Verfügungsverfahren die Entscheidung des Gerichts durch Urteil, kann die beschwerte Partei Berufung einlegen (§ 511 ZPO ). Eine Revision ist im einstweiligen Verfügungsverfahren jedoch ausgeschlossen (§ 542 Abs. 2 ZPO ). Der Antragsgegner kann sich gegen eine einstweilige Verfügung jedoch nicht nur durch Widerspruch bzw. Berufung zur Wehr setzen. Wahlweise kann er auch beantragen, dass dem Antragsteller vom Gericht eine Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage gesetzt wird (§ 926 Abs. 1 ZPO ), d. h. der Schuldner hat auf diese Weise die Möglichkeit, den Fortbestand der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidung von der Durchführung des Hauptsacheverfahrens abhängig zu machen. Kommt der Antragsteller der vom Gericht gesetzten Frist zur Erhebung der Hauptsacheklage nicht nach, wird die einstweilige Verfügung auf Antrag des Schuldners aufgehoben (§ 926 Abs. 2 ZPO ). Ein Antrag nach § 926 Abs. 1 ZPO , durch den der Antragsgegner den Antragsteller zur Erhebung der Hauptsacheklage zwingt, ist insbesondere in all den Fällen sinnvoll, in denen eine erfolgreiche Rechtsverteidigung zwar nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren, aber im Hauptsacheverfahren möglich erscheint, z. B. durch den Einsatz nicht-präsenter Beweismittel. 165 Einen weiteren Rechtsbehelf des Schuldners eröffnet das Aufhebungsverfahren nach § 927 ZPO , durch das die Aufhebung einer einstweiligen Verfügung wegen nach ihrem Erlass eingetretener, veränderter Umstände betrieben werden kann. Als veränderte Umstände, auf die ein entsprechender Antrag gestützt werden kann, kommen z. B. in Betracht der Wegfall des Verfügungsanspruchs wegen nachträglicher Abgabe einer strafbewehrten Unterwerfungserklärung, die Abweisung der Klage im Hauptsacheverfahren oder die Änderung der Rechtslage. 166 6. Vollziehung Der Gläubiger erlangt die erstrebte Sicherung seines Anspruchs erst durch die Vollziehung der einstweiligen Verfügung. Im Sprachgebrauch der ZPO ist die Vollziehung (§§ 928-934 ZPO ) die gesetzestechnische Bezeichnung für die Zwangsvollstreckung von Arrest und einstweiliger Verfügung. Auf die Vollziehung sind daher die Vorschriften über die Zwangsvollstreckung entsprechend anwendbar, soweit nicht die §§ 929 bis 934 ZPO abweichende 164 Zöller / Vollkommer, ZPO , § 924 Rdn. 10. 165 Näheres vgl. Hoene / Runkel, S. 83 f. Rdn. 126. 166 Haberstumpf / Husemann, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, S. 35. 655 § 90 Gerichtliche Durchsetzung Pierson Vorschriften enthalten. 167 Die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung erfolgt im Regelfall durch Zustellung im Parteibetrieb, die binnen einer Frist von einem Monat ab Verkündung bzw. Zustellung an den Gläubiger zu erfolgen hat (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO ); eine amtswegige Zustellung gemäß § 317 ZPO reicht nicht aus. 168 Nach Ablauf der Monatsfrist ist die Vollziehung unstatthaft und der Schuldner kann die Aufhebung der einstweiligen Verfügung gemäß § 927 ZPO beantragen. 169 7. Abschlussverfahren Als eine im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes erlangte gerichtliche Entscheidung stellt eine einstweilige Verfügung lediglich eine vorläufige Regelung dar. Um der einstweiligen Verfügung den Charakter der Vorläufigkeit zu nehmen und sie zu einer einem Hauptsachetitel vergleichbaren dauerhaften Regelung zu machen, wurde in der Praxis das sog. Abschlussverfahren entwickelt. Das Abschlussverfahren besteht aus einer sog. Abschlusserklärung des Schuldners, der häufig ein sog. Abschlussschreiben des Gläubigers vorausgeht. Durch das Abschlussverfahren erlangt der Gläubiger Aufschluss darüber, ob er noch Veranlassung dazu hat, das Hauptsacheverfahren durchzuführen. Zugleich eröffnet es dem Schuldner die Möglichkeit, durch die fristgerechte Abgabe der Abschlusserklärung den Rechtsstreit endgültig zu beenden. 170 Mit dem Abschlussschreiben fordert der Gläubiger, der eine einstweilige Verfügung erwirkt hat, den Schuldner unter Androhung der Erhebung der Hauptsacheklage zur Abgabe der Abschlusserklärung auf. Durch die Abgabe der Abschlusserklärung erkennt der Schuldner die einstweilige Verfügung als endgültig an und verzichtet auf seine möglichen Rechtsbehelfe gegen die einstweilige Verfügung, die ihm nach den §§ 924, 926, 927 ZPO zustehen, sowie auf die Einrede der Verjährung. Mit Abgabe der Abschlusserklärung entfällt, sofern diese dem Inhalt der einstweiligen Verfügung entspricht, 171 der vorläufige Charakter der einstweiligen Verfügung, zugleich erlischt das Rechtsschutzinteresse des Gläubigers für die Erhebung der Hauptsacheklage. Das Abschlussschreiben des Gläubigers ist zwar nicht Voraussetzung für die Erhebung der Hauptsacheklage, jedoch trägt der Gläubiger bei Verzicht auf ein Abschlussschreiben das Risiko der nachteiligen Kostenfolge nach § 93 ZPO , wenn der Schuldner den Anspruch im Hauptsacheverfahren sofort anerkennt. Das Abschlussschreiben kann daher auch als „Abmahnung der Hauptsacheklage“ verstanden werden. III. Hauptsacheverfahren Wie bereits dargestellt, kommt dem einstweiligen Rechtsschutz für immaterialgüterrechtliche und wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten besondere Bedeutung zu- - allerdings in unterschiedlichem Maße. So ist das lediglich summarische einstweilige Verfügungsver- 167 Zöller / Vollkommer, ZPO , § 928 Rdn. 1, 4. 168 Mes, PatG, § 139 Rdn. 557 m. w. Nachw. 169 Zöller / Vollkommer, ZPO , § 929 Rdn. 4. 170 Köhler / Bornkamm / Feddersen, § 12 Rdn. 3.70. 171 BGH v. 4. 5. 2005, I ZR 127 / 02, „,statt‘-Preis“. 656 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung Pierson fahren insbesondere in Fällen patent- und urheberrechtlicher Streitigkeiten in der Regel aus tatsächlichen Gründen ein weniger taugliches Instrument, da sich komplexe Sachverhalte und daraus abgeleitete Verletzungstatbestände im kursorischen Verfügungsverfahren nur schwer hinreichend glaubhaft machen lassen. 172 Demgegenüber werden wettbewerbsrechtliche, aber auch markenrechtliche Streitigkeiten, in denen sich der Sachverhalt regelmäßig ohne Weiteres glaubhaft machen lässt, vom vorläufigen Rechtsschutz dominiert, sodass dem Hauptsacheverfahren dort eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt. Insbesondere in Fällen, in denen der Schuldner keine Abschlusserklärung abgibt oder in denen es an der für das Verfügungsverfahren vorausgesetzten Dringlichkeit fehlt, ist jedoch auch in Wettbewerbssachen die Erhebung der Hauptsacheklage geboten. Das Hauptssacheverfahren bietet gegenüber Verfügungsverfahren zudem den Vorteil, dass neben dem Unterlassungsanspruch auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche verfolgt werden können. Darüber hinaus sind im Hauptsacheverfahren nicht nur präsente Beweismittel, sondern auch Sachverständigengutachten, insbesondere auch in der Form der Meinungsforschungsumfrage möglich. 173 Für die Verfolgung von immaterialgüterrechtlichen und wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen im Klageverfahren gelten im Wesentlichen die allgemeinen prozessrechtlichen Grundsätze, so dass insoweit auf die einschlägige verfahrensrechtliche Literatur verwiesen werden kann. 174 172 Für den Bereich des Patentrechts vgl. Benkard / Grabinski / Zülch, PatG, § 139 Rdn. 151. 173 Hoene / Runkel, S. 101 Rdn. 18. 174 Zu den speziellen zivilprozessualen Fragen aus der Perspektive des Gewerblichen Rechtsschutzes vgl. Cepl / Voß, Prozesskommentar zum Gewerblichen Rechtsschutz. 657 Linkliste Linkliste Stand: 04. 05. 2018 Auswahl wichtiger Links zum Recht des geistigen Eigentums Gesetze / Materialien www.bmjv.de Website des BMJV , u. a. mit wichtigen Informationen zu aktuellen Gesetzgebungsvorhaben („Themen“, aufbereitet nach Rechtsgebieten), ferner Online-Bereitstellung des gesamten Bundesrechts sowie Anschriften aller deutschen Gerichte und Staatsanwaltschaften („Services“). www.gesetze-im-internet.de Das BMJV stellt gemeinsam mit der juris GmbH nahezu das gesamte aktuelle Bundesrecht kostenlos im Internet bereit. www.eur-lex.europa.eu/ de/ index.htm EUR -Lex bietet einen unmittelbaren und kostenlosen Zugang zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union. Über das System können das Amtsblatt der Europäischen Union sowie insbesondere die Verträge, die Rechtsetzungsakte, die Rechtsprechung und die vorbereitenden Rechtsakte konsultiert werden. www.iprhelpdesk.eu IPR -Helpdesk soll Teilnehmern an EU -geförderten F&E-Projekten bei allen Fragen zum Thema „Geistiges Eigentum“ Unterstützung bieten. Berät zu den einschlägigen EU -Vorschriften sowie zu anderen Themen, die mit geistigem Eigentum in internationalen F&E-Projekten in Zusammenhang stehen. Enthält u. a. umfassende Informationen zu allen IP -Rechten (Leitfäden, Materialien etc.), eine Vielzahl weiterführender Links (u. a. zu Behörden, Institutionen, IP -Recherchemöglichkeiten, IP -Plattformen, Fachzeitschriften, Forschungseinrichtungen etc.) und ein Glossar. Rechtsprechung www.bundesgerichtshof.de Website des BGH , u. a. mit Entscheidungen seit 2000 im Volltext, Pressemitteilungen, Übersicht über Richter und Zuständigkeit der Senate. www.bpatg.de Website des Bundespatentgerichts ( BP atG) mit allen richterlichen Entscheidungen ab Januar 2006. Ämter / Institutionen www.dpma.de Website des DPMA , München, mit umfassenden Informationen zu sämtlichen gewerblichen Schutzrechten, einschließlich Formularen, Mustern, Jahresberichten und weiteren Links. www.epo.org Website des EPA , u. a. mit Allgemeinen Informationen über das EPA (Mitgliedsstaaten, Erteilungsverfahren etc.), Patentinformation und umfassenden Links zu IP -verwandten Seiten (u. a. Patentbehörden weltweit). www.euipo.europa.eu Website des Amtes der Europäischen Union für Geistiges Eigentum ( EU IPO ), Alicante, mit umfassendem Informationsangebot zu den Unionsmarken und zum Geschmacksmusterschutz in der EU . Ferner Informationen der beim EU IPO angesiedelten Europäischen Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums. www.bundessortenamt.de Website des BSA , Hannover, mit umfassenden Informationen rund um den Sortenschutz. 658 Linkliste Auswahl wichtiger Links zum Recht des geistigen Eigentums www.wto.org Website der WTO . U. a. Bereitstellung des WTO -Vertrages nebst Anhängen (u. a. Annex 1 C TRIPS -Abkommen), ferner Dokumente zu Vielzahl handelsbezogener Themen (u. a. IP ). www.wipo.int Website der WIPO mit umfassenden Informationen rund um den internationalen Schutz des Geistigen Eigentums, u. a. mit Veröffentlichung sämtlicher von der WIPO verwalteter internationaler Verträge. www.ec.europa.eu/ internal_market/ iprenforcement/ observatory/ index_de.htm Website der Europäischen Beobachtungsstelle für Marken- und Produktpiraterie mit Informationen zu Aufgaben und Arbeitsweise der Behörde. Enthält ebenso News zu aktueller EU -Gesetzgebung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Weitere interessante Adressen www.grur.org Website der Vereinigung für Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht ( GRUR ), Köln. Enthält u. a.: Überblick über die von der Vereinigung herausgegebenen Zeitschriften ( GRUR , GRUR Int.), weiterführenden Links zu internationalen verbundenen Organisationen und internationalen und nationalen Institutionen im Bereich IP , Landgerichtszuständigkeiten im Bereich gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht, Wettbewerbsrecht. www.aippi.org Website der Internationalen Vereinigung für den Schutz des Geistigen Eigentums ( AIPPI ) mit einer Vielzahl von Informationen zu den Aktivitäten der AIPPI (internationale Kongresse, Veröffentlichungen etc.) und weiterführenden Links zu staatlichen Institutionen und NGO s im IP -Bereich. www.urheberrecht.org Website des Instituts für Urheber- und Medienrecht e. V., München. Stellt u. a. übersichtlich aufbereitete Materialien zu Gesetzesvorhaben im Bereich des Urheberrechts bereit; ferner Übersicht über die herausgegebenen Zeitschriften (u. a. ZUM ), Mitglieder und Vielzahl weiterführender Links. www.wettbewerbszentrale.de Website der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (Wettbewerbszentrale), Bad Homburg, mit vielfältigen Informationen rund um das Lauterkeitsrecht, u. a. aktuelle News und einschlägige Gesetze. www.vzbv.de Website der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) trägt Sorge für die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie stellen u. a. Informationen über aktuelle Geschehnisse sowie Urteile zum Verbraucherrecht bereit. www.transpatent.com Von Rechtsanwalt Dr. Krieger, Düsseldorf, herausgegebene Website der Transpatent GmbH mit umfassendem Informationsangebot rund um den Gewerblichen Rechtsschutz, u. a. Nachweis sämtlicher Materialien (Gesetze im Volltext), jeweils ergänzt um umfassende Literaturangaben. http: / / rechtsinformatik.jura.uni-saarland. de/ Website des Institut für Rechtsinformatik der Uni Saarbrücken mit vielfältigen Informationen zum Multimediarecht, u. a. Grundwissen Urheberrecht und Bibliothek mit Vielzahl von Web-Dokumenten, Bücherliste und Linksammlung. www.jurpc.de Von Prof. Dr. Maximilian Herberger, Institut für Rechtsinformatik der Uni Saarbrücken, herausgegebene Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik und Informationsrecht (Jur PC ) mit IP - und IT -bezogenen Aufsätzen und Rechtsprechung. 659 Linkliste Auswahl wichtiger Links zum Recht des geistigen Eigentums www.patentanwalt.de Website der Patentanwaltskammer. Enthält u. a. Informationen zur Ausbildung als Patentanwalt, zur Erfinderberatung, Patentanwaltsverzeichnis usw. www.brak.de/ die-brak/ organisation/ ausschuesse/ ausschuss-gewerblicher-rechtsschutz/ Website der Bunderechtsanwaltskammer (brak) zum Ausschuss Gewerblicher Rechtsschutz. Auffindbar ist u. a. eine Mitgliederliste sowie aktuelle Stellungnahmen zum Gewerblichen Rechtsschutz. www.les-germany.org Licensing Executives Society Germany ( LES Deutschland); Schwerpunkt liegt bei der Verwertung von gewerblichen Schutzrechten. Enthält Informationsbriefe, Seminare usw. www.vpp-patent.de VPP Vereinigung von Fachleuten des Gewerblichen Rechtsschutzes. Enthält u. a. Informationen zu Berufsbildern, Merkblätter zur Vorbereitung verschiedener Prüfungen, Hinweise auf Seminare usw. www.markenverband.de Der Markenverband vertritt die Interessen der markenorientierten Wirtschaft in Deutschland. Auf seiner Internetseite informiert er umfassend über seine Aufgaben und Tätigkeiten. www.zoll.de/ DE/ Fachthemen/ Verbote- Beschraenkungen/ Gewerblicher-Rechtsschutz/ gewerblicher-rechtsschutz_node. html Der deutsche Zoll informiert auf seiner Internetseite insbesondere über Marken- und Produktpiraterie. www.blog.beck.de/ category/ gewerblicher-rechtsschutz-und-urheberrecht Blog des Beck-Verlags zu aktuellen Themen und Entscheidungen im gewerblichen Rechtsschutz. Kommentierte Linkliste Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht 661 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Ahlberg / Götting (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Urheberrecht, 18. Edition Stand: 1. 11. 2017 (zit.: Beck OK UrhR / Bearbeiter, §-… Rdn.-…) Ahrens / McGuire, Modellgesetz für Geistiges Eigentum, Normtext und Begründung, München 2012 (zit.: Ahrens / McGuire, Modellgesetz) Auer-Reinsdorff / Conrad, Handbuch IT - und Datenschutzrecht, 2. 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Auflage, Köln 2018 (zit.: Zöller / Bearbeiter, ZPO , §-… Rdn.-…) 667 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis Abfindung 613 Abgasskandal 603 Abhilfe 334, 613 Abmahnung 601, 627 Abmahnungswesen 628 Abmahnverein 628 Abmahnverhältnis 630, 635 Abschluss -erklärung 655 -schreiben 655 -verfahren 655 absolutes Recht 95 absolut subjektives Privatrecht 85 Abzweigung 171 Access-Provider 626 Agentenmarke 271, 282 aggressive Geschäftspraktik 545 Akteneinsicht 189, 331 f. Aktivlegitimation 598 f., 621 f., 631, 646 Akzessorietät 249 akzessorisch 291, 353 Amtsermittlungsgrundsatz 129, 133, 326 Amtssprache 118, 158 f., 166, 373 Anbieten 142 eines Verfahrens zur Anwendung 144 Anbietungspflicht 179, 182, 476 Änderungsverbot 416 Anerkennung der Urheberschaft 413 f., 505 angewandte Kunst 49, 92, 396 f. Anmeldegebühr 120, 215, 248, 314 Anmeldetag 105 f., 122, 124, 135, 172, 215, 218, 224, 248, 269, 289, 313 f., 316, 322 Anmeldung 68, 82 ältere 106 f., 170 Basis- 373 bösgläubige Marken- 267, 328 Design 213 Eintragungsverfahren Marken- 311 EPÜ 157 erfinderische Tätigkeit 109 Gebrauchsmuster- 171 Gebühr 117 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 227 gewerbliches Schutzrecht 87 Halbleiterschutz 188 internationale 96 Lizenz 152, 154 mangelhafte 126 MMA 371 Offenlegung 127 Patent- 106, 119 Patent- Weiterbehandlung 116 Patent- Wiedereinsetzung 116 PCT 165 Prüfung 127 PVÜ 58 räumliche Wirkung der Patent- 134 Rechtsnachfolger bei Unionsmarken- 308 Register 119 Schutzbereich der Patent- 137 Schutzrechts- 179, 389 -spriorität 123 -stag 122 Teil- 124 Teilmarke- 321 Umwandlung 376 Ursprungsland 242 Verkehrsdurchsetzung bei 268 Verzögerungsvermeidung 112 vor Patent- 148 Weiterbehandlung Marken- 330, 338 Zeitrang 105, 248 Anrufmaschine 593 Anschlussbeschwerde 334 Anschwärzung 551 Ergänzung 588 Ansporn 89, 199, 521 -ungstheorie 89 Anspruch 56, 98, 121, 143, 225, 290, 490, 505, 611, 621, 635 älterer 153 Arbeitnehmer 179 Aufwendungsersatz 635 Auskunft 195, 284, 290 f., 358, 617 Begünstigter 490 Berechtigter 225 668 Stichwortverzeichnis Berechtigung 621 Beseitigung 225, 291, 624, 651 Denaturierung 292 Eintragung 314 Entschädigung 134, 167, 172, 244 Ersatz 601 Erteilung 111, 193 Gewinn 225 Gewinnabschöpfung 525, 600 Grundlage 240, 524, 611, 621 Herausgabe 225, 600 individueller zivilrechtlicher 490 Inländer 56 Konkurrenz 346 Kostenerstattung 646 Löschung 170, 173, 283 Markenvermerk 292 Mindestrechte 505 Nichtigerklärung 329 Patent 73, 98, 139, 154 Priorität 171, 203, 248, 315 Schadensersatz 129, 190, 225, 291, 494, 600, 616, 624 Schutzrecht 217 Seniorität 316 Tatbestand 623 Überlassung 494 Übertragung 284 Unterlassung 194, 225, 283 f., 290, 360, 521, 614, 622, 634, 641, 651 UWG 647 Verbietung 284 Verfahren 143, 170 Verfügung 651 Vergütung 153, 179 f., 449 Verjährung 293, 494 Vernichtung 194, 292, 346, 494 Verwendung 145 Voraussetzung 629 Vorlage 617 Wegfall 127 zivilrechtlicher 493 Anstifter 290, 623 Anteilsfaktor 180 Antike 51 Antimonopolstatut 53 Antipatentbewegung 54 Anweisung an den menschlichen Geist 75 f., 100 Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts 497 gewerbliche 42, 82, 97, 103 f., 165, 169 Anwendungspatent 145 Apotheke 148 Äquivalenz 138 -bereich 139 Arbeitnehmer 175, 217 -erfinder 87 -erfindergesetz 87 -erfinderrecht 175 Haftung 494 Rechtserwerb 475 -schutzvorschrift 550 Urheberrecht 473 Arbeitsrecht 87, 175 Arbeitsspeicher 418, 486 Arbeitsverfahren 143, 169 Arbeitsverhältnis 175, 188, 217 Archivierung 447 -sschranke 447 Arzneimittel 148 Gebrauchsmuster 170 -rechtliche Genehmigung 148 Veränderung Verpackung 301 Assimilationsprinzip 58, 61 Ästhetik 199, 203 Aufgabe Lösung 97 -Lösungs-Ansatz 110 WIPO 62 Aufhebungsverfahren 654 Aufklärung 53 -spflicht 630 Aufwendungsersatzanspruch 635 Ausbeutung 362, 521, 554 Ruf- 587 Ausführbarkeit 105 Ausführungsform 139, 426 Auskunft 153, 195, 226, 290, 494, 613 ausgeschlossen 301 -sanspruch 284, 291, 293, 358, 617, 656 Auslandspriorität 123, 171 Ausscheidung 125 669 Stichwortverzeichnis -serklärung 125 Ausschließlichkeitsrecht 40, 45, 81, 85, 89, 152, 155, 188, 193 ff., 207, 212, 219 f., 222, 225, 228, 261, 284 f., 297, 301, 358, 373, 422, 425, 432, 439, 465, 478 f., 481, 483, 485, 493, 520, 615, 622 Datenbankhersteller 485 ewiges 238 Filmhersteller 483 Lizenz 152, 219 f., 225, 309, 373, 622 Nutzung 193, 465 olympisches Kennzeichen 365 örtlich beschränktes 283 Sendeunternehmen 481 Tonträgerhersteller 481 Vervielfältigung 425 Verwertung 439, 450, 478 Ausstellung 106, 215 amtlich anerkannte 106 -spriorität 171, 215, 315 -srecht 417 -sschutz 106, 170 ausübender Künstler 479 automatischer Schutz 61, 372 BBaukunst 396, 398 Bearbeiterurheberrecht 402 Bearbeitung 401, 404, 427, 429, 451 Datenbankwerk 451 Sammelwerke 404 Schutzumfang 429 -srecht 505 unwesentliche 402 Begehungsgefahr 615, 629 Erst- 225, 290, 598, 615 Behandlung 100 chirurgische 100 therapeutische 100 behinderter Mensch 434 Behinderung gezielte 559 Markt- 559 sonstige unlautere 560 -swettbewerb 559 unbillige 562 Behörde 95, 158, 371, 374 Ermittlungs- 602 nationale 95, 158 Patent- 112, 168 Prüfungs- 167 Recherche- 166 Sicherheits- 489 Strafverfolgungs- 489 Ursprungs- 373 Verwaltungs- 87 Zoll- 347 Beispielkatalog 525, 549, 551, 563 unlauterer Wettbewerbshandlung 549, 551, 563 Beitritt 130 Belästigungswerbung 589 elektronische Kommunikation 590 Belohnungstheorie 89 Benutzung 139 f., 234, 241, 243, 270, 301 f., 367, 416, 451 äquivalente 140 Auslands- 303 beschreibende 261 durch-- erworbene Unterscheidungskraft 268 Erfordernis 302 ernsthafte 304 freie 402 f., 429 Geltendmachung mangelnder 320 identische 139 inländischer Geschäftsverkehr 360 internettypische -shandlung 425 lautere 297 Marke 302 missbräuchliche 344 Nicht- 296 ohne rechtfertigenden Grund 282 positives -srecht 493 rechtserhaltende 343 rechtsverletzende 358 -sanordnung 147, 153 -sarten 156 -saufnahme 352 -sbefugnis 222, 493 Schein- 304 -sduldung 294, 326 -sform 145 -smarke 244, 275, 283 -srecht 194 670 Stichwortverzeichnis -sschonfrist 301, 321 strafbare-- geografischer Herkunftsangabe 347 -szeitraum 321 -szwang 301, 343 unberechtigte 225 unmittelbare 140 verletzende 286 zeitweise Unterbrechung 353 Benutzungsmarke 245 Benutzungsschonfrist 320 Berechtigter vor der Patentbehörde 112 Berechtigungsanfrage 639 Berufung 116, 654 -sverfahren 114 Berühmung 615 Beschlagnahme 347 Grenz- 619 Beschluss 114, 127, 129 f., 171, 652 Beschwerde- 114 negativer 128 Zurückweisungs- 316 beschränkte Inanspruchnahme 183 Beschränkung des Patents 133 Beschwerde 114, 116, 128, 130, 160, 173, 216, 316, 332, 338 Anschluss- 334 -beschluss 114 -frist 333 -gebühr 333 -kammer 160, 333 Rechts- 216, 336 -senat 128 sofortige 654 -verfahren 115, 330, 334, 364 Beseitigung 225 rückwirkende 129 -sanspruch 225, 291 f., 493, 624, 651 UWG 598 Wiederholungsgefahr 642 Besitz 143, 150, 465 Topographie 190 Bestimmungsstaat 59, 96, 166 Bestsellerparagraph 471 beteiligter Verkehrskreis 245, 256, 269 Betreiberabgabe 449 Betriebsgeheimnis 348, 603 fremdes 558 Betriebsinhaber 289, 347, 606 Haftung 289 Betriebsspionage 606 BGH 72, 74 ff., 88, 98, 101, 113, 139, 171, 239, 254, 257, 274, 276, 278, 281, 295, 306, 317, 330, 336, 353, 364, 396, 410, 421, 427, 440, 464, 559, 571, 583, 593, 599, 624, 627, 635, 638, 642, 646 Rechtsbeschwerde 128 Verfahren 114 Bibliothek 461 bildende Kunst 49, 396 Bildungseinrichtung 461 bösgläubig 251 BPatG 101, 113, 115, 118, 125, 128 f., 131, 173, 216, 274, 329, 332, 334, 337, 364 Verfahren 114 Branchenüblichkeit 303 Brexit 162 Browsing 438 Bruchteilsgemeinschaft 112 Bündelpatent 157 Bündeltheorie 499 Bundesgerichtshof 72, 216 großer Senat 637 Rechtsbeschwerde an 216 Bundespatentgericht 88, 153, 216, 316 Beschwerde 216, 316 Bundessortenamt 87, 192 f., 389 Sortenschutzantrag 193 Bußgeld 195 -tatbestand 88, 347 -vorschrift 347, 492 CCaching 438 Charakter horizontaler 614 kennzeichnender 305 Lizenzbereitschaftserklärung 152 Sanktions- 643 technischer 98, 102, 169 China 619 Composing 417 Computerprogramm 49, 66, 92, 101, 202, 391, 408, 444 671 Stichwortverzeichnis Miturheberschaft 410 Schranke 451 Schutzvoraussetzung 392 Urheberrechtsschutz 391, 474, 507 Copyright Kennzeichen 389 -system 473 DDarstellung wissenschaftlicher oder technischer Art 49, 400, 408, 428 Dassonville-Formel 514 Data Mining 382 Datenbank 92, 404, 444, 507 -hersteller 451, 483 Kennzeichen 355 Richtlinie 66 Schranke 451 -schutz 612 urheberrechtlicher Schutz 507 -werk 404 zweigliedriges Schutzkonzept 483 Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 518 deklaratorische Wirkung 119 Design 44, 90, 197, 202, 239 -bewusstsein 223 -blatt 216 -erleistung 205 -schutz 197 -stelle 215 Designgesetz 199 Designrecht 229 -Rechtsnachfolge 218 Designs 44 Designschutz 199 Ausstellungspriorität 215 Designdichte 205 Eigenart 202 Eintragungshindernisse 216 Flächenform 199 komplexes Erzeugnis 209 Offenbarung 203 Raumform 199 -recht 201 Sammelanmeldung 201, 214 technische Bedingtheit 207 Teileschutz 210 Deutsches Patent und Markenamt Fristen 115 Diagnostizierverfahren 100 Diensterfindung 176 Auskunftspflicht 181 freigewordene 179 Meldung 177 Mitteilungspflicht 182 Rechnungslegung 181 Übertragung 155 Vergütung 179 Dienstleistung 233, 241 f., 269, 272, 281, 297, 302, 304, 309, 353 ähnliche 273, 356 Einzelhandel 313 Klassifikation 312 Klassifizierung 374 Nachahmung 554 -sfreiheit 514 -svergleich 585 -sverkehr 514 -sverzeichnis 312 unähnliche 282 digitale Reproduktionstechnik 49 Digitalisierung 243 digital rights management 449, 508 DIN ISO 10. Siehe-Markenbewertung Disclaimer 318 Marke 318 Diskriminierungsverbot 514 Domain 238, 290, 354 f., 365 Doppel -erfinder 83 -erfindung 112 -natur 111 Doppelschutzverbot 191 Downloading 425, 445, 486 DPMA 59, 95, 107, 113, 117, 326 Verfahren 87, 113 Verwaltungsakt 88 Verwaltungsbehörde 87 Dreistufentest 433 Dringlichkeitsvermutung 651 Drittunterwerfung 635 Reaktionspflicht 635 672 Stichwortverzeichnis DRM 449, 491 -Technologie 450 DSGVO 453 DSM-UrhR-RL 382 duales System 227 Durchschnittsfachmann 80, 105, 108 Durchsetzung Anspruch 609 Lauterkeitsrecht 598 prozessuale 492 Recht des geistigen Eigentums 66 Schrankenbestimmung Urheberrecht 489 -sgrad 352 -s-Richtlinie 68 Verkehrs- 268, 317, 359 EE-Commerce-Richtlinie 516 Eigenart 187, 202, 204, 223 Gestaltungsfreiheit 205 wettbewerbliche 554, 556 Eigentumsgarantie 85 verfassungsrechtliche 432 Einführen 143, 150 eingetragenes Design 202 Einheitliches Patentgericht 68, 162 Einheitlichkeit 120 Einheitspatent 68, 161 Einigungsstelle 647 -nverfahren 647 f. Einrede 288, 302, 320, 327, 329 Verjährung 294, 655 Einspruch 112, 128, 159, 338 -sfrist 128, 159 -sgründe 159 -sverfahren 114, 128, 130, 138, 171, 330, 364 Einspruchsverfahren Begründung 129 Zulässigkeit 129 einstweilige Maßnahme 613 einstweilige Verfügung 114, 290 f., 618, 633, 650 Dringlichkeitsvermutung 651 Glaubhaftmachung 651 Verfügungsanspruch 651 Verfügungsgrund 651 Eintragungsausschluss 251 Einwilligung -ausdrücklich 454 -serfordernis 453 Einzelhandel 313 Einzelhandelsdienstleistungen 313 Elektronischer Pressespiegel 440 Elektronische Schutzrechtsakte 235 elektronisches Register 253 E-Mail-Werbung 593, 595 Embryo 104 Entdecker 193 Entdeckung 72, 99 Entstellungsverbot 415 EPA 95, 110, 131, 158, 166 f., 171 EPGÜ 162 EPO 95 ePrivacy-Verordnung 518, 527, 591, 593 ff., 608 EPÜ 42, 95, 103, 157 Erfinder 111 -geist 52, 82 -privileg 53 -schutz 52 -vereinigung 54 -vergütung 177 Erfinderbennennung 120 erfinderischer Schritt 171 Erfinderpersönlichkeitsrecht 111 Erfinderrechte 111 Erfindervergütung Richtlinien 179 Erfindung 42, 80, 97, 99, 104, 111, 119, 147, 169, 176 ArbEG 176 biotechnologische 66, 103 computerimplementierte 90, 101 Dienst- 176 f. Doppel- 112 freie 176 f., 181 Parallel- 112 patentierbare 97 -sbegriff 95 Schutz technischer 42 -shöhe 80, 188, 388 -smeldung 177 -swert 180 Verfahrens- 145 Verlautbarung 111 673 Stichwortverzeichnis Verwendungs- 141, 145 Erfindungsmeldung Textform 177 ergänzend Bußgeldvorschrift 492 Kennzeichenschutz 238 Schutzbestimmung 487 Schutzzertifikat 131, 136 Strafvorschrift 492 wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz 521 erheblich Branchenabstand 354 Handelsverzerrungen 212 öffentliches Interesse 296 Erklärung Abschluss- 655 Ausscheidungs- 125 Frist 632 Lizenzbereitschafts- 147 Nichtigkeits- 131, 136, 161 strafbewehrte Unterlassungs- 632, 646 Teilungs- 322 Unterlassungs- 629 Unterwerfungs- 641, 647 Verzichts- 323 Willens- 630 Ermächtigung 290, 331 Konzentrations- 345, 648 Ersatzteil 209 Geschäft 297 Markt 212 problematik 209 Erschöpfung 151, 299, 420 Erst -anmelderprinzip 112 -begehungsgefahr 225, 290, 598, 615 Erstreckungsgesetz 134, 249 EUIPO 227, 274, 282, 319, 328, 333, 335, 340, 372 EU-Patent 68 EU-Patentgericht 68 EU-Patentverordnung 67 europäisch Anmeldung 97, 113, 124, 138, 152, 158 Binnenmarkt 64 Datenbankrichtlinie 507 Designrecht 227 Fachkreis 203 Gemeinschaftsmarke 234 Gemeinschaftsrecht 64 GMVO 238, 248 Kartellrecht 513 Kennzeichen 346 Lauterkeitsrecht 513 Markenrichtlinie 45, 233 f., 252, 349 Patent 97, 134, 141, 157, 159 Patentgesetzgebung 53 Patentübereinkommen 95, 157 Recht 513, 620 Rechtsakt 65 Rechtsgrundlagen 68 Richtlinie 65 Sortenschutz 195 Unionsgeschmacksmuster 283 Unionsmarke 244, 249, 264, 272, 302, 305, 308, 310, 314, 316, 319, 321 f., 324, 328, 347, 372, 376 Wirtschaftsraum 299 f., 421, 498 EWR 151, 299, 339, 498 FFachliche Sorgfalt 535 Fachmann 73 f., 98, 105, 138 Durchschnitts- 80, 105, 108 Felsmalerei 51 Filesharing 424, 445 Film 408, 425 -bereich 465 -bild 417 -gesellschaft 253 -hersteller 477, 480, 483 Pay-TV 465 -schaffender 429 -werk 49, 77, 354, 381, 399, 429, 507 Firmenrecht 87, 349, 352 Flagship-Stores 253 fliegender Gerichtsstand 649 Form 210, 305, 427 angemeldete 276 ästhetisch 99 Ausdrucks- 77, 395 Ausführung 138 Benutzungs- 145 eingetragene 276 674 Stichwortverzeichnis Erfordernis 172 Erscheinungs- 44, 170, 202, 204, 222, 252 Fehler 130 Freiheit 388 Gebung 143, 205, 397 Gemeinschaftsrecht 65 -gestaltung 44 Gestaltung 385 körperliche 417, 419 Marken- 45, 243, 251, 254, 257, 278, 286, 312 Raum- 400 Sinn 199 Verwertungs- 416, 466 Vorschrift 129 wahrnehmbare 383 Werk- 409 Zeichen- 233, 241 Formstein-Einwand 140 Foto 49, 398, 406, 408, 475, 478 Neuheitsbegriff 204 FRAND 154 freeze plus-Lösung 211 freie Benutzung 402 f., 429 Dienstleistung 514 Einsicht 127 Erfindung 176, 179, 181 Ersatzteilherstellung 209 geistige Auseinandersetzung 441 Mitarbeiter 176 Quelle 427 Stand der Technik 140 Teile 427 Übertragbarkeit 218, 307, 353 f. Zeit 476 freier Dienstleistungsverkehr 64, 517 Warenverkehr 64, 300, 421, 514 Welthandel 63 Wettbewerb 512 Zugang 485, 512 freies Werk 427, 475 f. Wirtschaftsgut 307 freigewordene Diensterfindung 179 Freihaltebedürfnis 260, 352 aktuelles 261 f. konkretes 262 Mitbewerber 245 Schutzhindernis 255 Voraussetzung 261 Wettbewerber 258 zukünftiges 262 Freiheitsstrafe 226, 346, 492, 495, 602, 607 Freistellung 177, 298, 433, 444 f., 447, 485 Frist 106, 115, 117, 122, 126, 181, 220, 295, 313, 317, 323 f., 335, 337, 356, 478, 632 Antrags- 117 Begründungs- 337 Benutzungsschon- 301, 321 Berechnung 429 Beschwerde- 160, 333 Einspruch 128, 159, 161 Erinnerungs- 332 Klageerhebung 654 Nach- 117 Nachmeldung 124 Neuheitsschon- 106, 206 Prioritäts- 315 Prioritätsrecht 58 Rechtsbehelf 654 Rechtsmittel- 318 Schutz- 62, 83, 427, 486 Schutzverweigerungs- 375 Stellungnahme 317 Umsetzungs- 211, 490 Verjährungs- 293, 366, 520, 601 Verwirkungs- 295 Widerspruchs- 319 f., 375 Zahlungs- 331, 364 GGarantie 90 Eigentums- 85, 432 -funktion 45, 238, 254, 341 Gattungsbezeichnung 246, 256, 264, 292, 324, 360, 363 Gebietslizenz 466 Gebrauch 142 markenmäßiger 303 Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen 443 Gebrauchsmuster 43, 95, 166, 169 675 Stichwortverzeichnis -anmeldung 123, 171 -gesetz 43, 80 -recht 42 f., 169 -schutz 74 Gebühr 43, 97, 117, 159, 316, 322, 331, 333, 340, 345, 373 f., 376 -enverzeichnis 117 gedankliche Tätigkeit 75, 100 Geheimnis -schutz 605 -verrat 606 Gehilfe 290, 411, 623 geistige -s Band 413 Geldbuße 527, 607 Geldstrafe 226, 346, 492, 495, 602, 607 GEMA 449 gemeinfrei 152, 402, 427, 429, 504 Gemeingut 83, 426 All- 392 gemeinschaftlicher Sortenschutz 67, 69, 195 Gemeinschafts -marke 234 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 67, 227, 389 duales System 227 nicht eingetragenes 228 -verordnung 202, 212 Generalklausel -artige Umschreibung der Belästigung 589 Marke 241 Wettbewerbsrecht 519, 525, 537, 559 Geoblocking 467 geografische Angaben 266 geografische Herkunftsangabe 45, 234, 238 f., 262 f., 269, 342 f., 347, 359 Abwandlung 362 besonderer Ruf 361 einfache 360 mittelbare 360 qualifizierte 361 unmittelbare 360 Geräteabgabe 449 Gerichtssprache 118, 339 Gerichtsstand 345, 500, 649 f. deliktischer 500 fliegender 649 Gesamteindruck 204 f., 223, 256, 260, 275, 278 f., 305, 357, 396, 555 Gesamthandsgemeinschaft 217, 411 geschäftliche Bezeichnung 234, 238, 248, 271, 283, 307, 349, 358 Tätigkeit 75, 100 Geschäftliche Handlung 533 Geschäftsaufgabe 543 Geschäftsbetrieb 238, 307, 350, 353 Geschäftsehrverletzung 551, 553 Geschäftsführung ohne Auftrag 635 Geschäftsherr 289 -n Haftung 358 Geschichte des geistigen Eigentums 50 Geschmacksmuster 58, 202, 239, 283 -gesetz 44, 55 -recht 39, 44, 60, 69, 90, 622 -richtlinie 211 gesetzliche Lizenz 433 Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung 527 Gestaltungshöhe 204, 388, 399, 405 ff. getarnte Werbung 542 Gewährleistungsmarke 250, 339-345 Gewerbefreiheit 52 Gewerbeprivileg 52 gewerbliche Anwendbarkeit 82, 97, 103 f., 172 Gewerblicher Rechtsschutz 39, 89 Anspruchsgrundlage 621 internationale Grundlagen 68 gewerbliche Verwertbarkeit 82, 426 Gewinn 544 -abschöpfung 525, 600 -abschöpfungsanspruch 525, 600 Globalisierung 41 GMVO 238, 248, 260 Goodwill 90, 359 Google Suchmaschine 368 grafische Darstellbarkeit 243 Grauimport 620 Grenzbeschlagnahme 620 Grenzbeschlagnahmeverordnung 619 grenzüberschreitend 466 Große Beschwerdekammer 160 676 Stichwortverzeichnis gute Sitte 100, 208, 261, 265, 297 HHaager Abkommen 60, 227 Haager Musterschutzabkommen 60 HABM 389 Halbleiterschutz 74, 187 -gesetz 187 -recht 46, 190 Handelsname 288 Haupt -anspruch 121 -sacheklage 654, 656 Heilmittelwerberecht 550 Hemmung 294 Herausgabe des Gewinns 225, 600 Herkunft -sfunktion 45, 242, 254, 259, 312, 341 -shinweis 237, 252, 254, 257 f., 286, 359, 361 -slandprinzip 516, 523 -stäuschung 557 Hersteller eines Tonträgers 481 Herstellung 141 -sverfahren 143 Hochschule 176 Hoheitszeichen 251, 266, 347 Hyperlink 419, 423 IIdentität 213, 272, 311, 356, 594 genetische 104 neuheitsschädliche 204 Immaterialgüter 40 -recht 39 f., 79, 83, 190, 349, 367, 426, 493, 497, 511, 616 -rechtlicher Schutz 57, 71, 74, 391, 406 -recht zum Lauterkeitsrecht 521 Individualität 81 f., 84, 383, 386, 426 Informationszeitalter 41, 49, 413 Inhaber 248, 316, 340, 365 Anmeldergemeinschaft 249 juristische Person 248 natürliche Person 248 Personengesellschaft 249 Inländer 56 -behandlung 58, 61, 63, 249, 498, 505 -behandlungsgrundsatz 506 -diskriminierung 523 Inlandsvertreter 333, 339 Insolvenz 183 -verfahren 219 interaktiver Dienst 491 internationale Anmeldung 59, 96, 135, 166 Büro 165 Registrierung 61, 269, 317, 371, 375 Zuständigkeit 499 Internet 42, 303, 352, 414, 425, 500, 617 -adresse 366 -Dienstleister 439 -domain 291, 366 -nutzung 444 Provider 617 Verletzungshandlung 504 Interoperabilität 207 Inverkehrbringen 142, 150 f. IPR 502 IR-Marken 250, 308 Irreführungsverbot 570 JJahresgebühr 117, 152 -Zahlung 122 KKartellrecht 39, 47, 511, 513, 562 europäisches 513 Karten 49, 400 kategoriale Anknüpfung 79, 381 Kategorie geistiger Schaffensergebnisse 46, 71, 74, 79, 381, 506 Kennzeichen 274 Agentenmarke 271 älteres 328 andere 87 Benutzungsmarke 283, 285 Copyright 389 Domain-Name 367 ergänzender Schutz 238 Gattungsbezeichnung 246, 256, 292, 324, 360, 363 Gewährleistungsmarke 339 f. IR-Marken 250, 308 Kollektivmarke 263, 302, 339 Leerübertragung 308 Marke 45 677 Stichwortverzeichnis Notorietätsmarke 247 f., 282 olympisches 365 Recht Dritter 291 Schranke 248 strafbare Verletzung 346 Streitsache 345 Titelschutz 354 UMV 261 Unionskollektivmarken 250, 339 Unternehmens- 238, 279, 349 f. Vermögensgegenstand 307 Werkbegriff 355 zwischenstaatliche Organisation 266 kennzeichnender Teil 121 Kennzeichnungskraft 273 f., 279, 353 f., 356 f. ältere Marke 274 Verwechslungsgefahr 353 Keyword. Siehe-Schlüsselwort Klage 112, 130, 133, 284, 294, 309, 324, 648 Frist 654 Hauptsach- 656 Löschungs- 271, 321, 324, 327 Markenverletzungs- 309 Nichtigkeits- 131, 136, 326 Unterlassungs- 644 Unterlassungsklagenrichtlinie 517 UWG 649 Verbands- 360, 491 Verletzungs- 301, 343, 500, 649 Vindikations- 112 Wettbewerbsverstoß 649 Wider- 302, 328 kleine Münze 387, 390, 395 Klonen 104 Kollektivmarke 249, 263, 302, 339, 344 Gütezeichen 340 Inhaber 343 Unbedenklichkeitsbescheinigung 340 Unions- 250 Kollisionsrecht 502 kommerzielle Kommunikation 517 Kommunikationsfunktion 46 Konzentrationsermächtigung 345, 648 Kopierschutz 450, 452, 487, 490 Vorrichtung 487 Körper 97, 100 Bewegung 396 lebender 100 menschlicher 104 tierischer 100 körperlich Anbringung 303 Arbeiten 51 Festlegung 418 Fixierung 40, 400 Form 417, 419 Gegenstand 48, 419 Gut 40, 74 Integrität 412 Sache 473 Verwertung 503 Wiedergabe 80, 111 Kosten 47, 76, 107, 133, 179, 228, 337, 356, 376, 415, 484, 629, 635, 639 Beschwerdeverfahren 335 Einsparung 371 Ersparnis 206 Festsetzungsverfahren 332 Folge 629, 631, 655 Herstellungs- 226, 494 Investitions- 188 Prozess- 346, 613, 633 Rechtsverfolgung 599 Regelung 234 Schutzschrift 653 Transaktions- 469 Verfahrens- 330 Vermeidungsfunktion 629 KUG 452 Kultur 51 Film 399 Schaffen 77, 91, 381 Wirtschaft 91 f. Kultur- und Kreativwirtschaft 470 Kundendienst 541, 545 LLaden 419 Herunter- 444 Schutzgesetz 513 Landgericht 113, 345, 648, 651, 658 Laufbild 399, 477 Lauterkeitsrecht 39, 47, 509, 611, 615, 618, 647 678 Stichwortverzeichnis Leerkassettenabgabe 449 Leerübertragung 308 Lego-Klausel 207 Lehre 73, 76, 80, 97, 139, 155, 224, 383, 395, 426, 428 beherrschbare Naturkraft 74 Erschöpfungs- 420 Freihandels- 54 Naturrechts- 53 technisches Handeln 42, 72, 74, 79, 103, 143 wettbewerbsrechtliche Störhaftung 627 Leistungsschutz 70, 388, 398 ff., 405 ff., 410, 425, 449, 451, 474, 477, 479, 481, 483, 493, 495, 499, 521, 613, 622 Lichtbild 478 Schutzinhalt 477 lex loci protectionis 503 Lichtbild 49, 399, 477 f. Werk 398 Link 442, 597 Lizenz 151, 155, 193, 219, 308, 353, 372, 464 Allein- 309 -analogie 180, 457, 616 ausschließliche 152, 155, 219, 309, 622 -bereitschaft 152 -bereitschaftserklärung 147 einfache 155, 309, 622 Exklusiv- 309 Gebiets- 156 gesetzliche 433 -ierung 86 negative 308 -nehmer 219, 309 nicht ausschließliche 155 Sukzessionsschutz 156, 310 Unter- 156, 465 -vertrag 300 Zeit- 156 Zwangs- 114, 147, 153 Lizenzkette 472 lizenzvertragliche Gebietsbeschränkung 468 Lockvogelangebote 541 Löschung 170, 173, 219, 221, 289, 311, 318, 344, 364 -sanspruch 170, 173, 283 -santrag 324, 326 -severfahren 329 -sgrund 344 -sklage 271, 321, 324 -sreife 289, 324 -sverfahren 173, 324, 326 f., 344, 364 Wirkung 328 Luft- oder Landfahrzeug 148 MMadrider Abkommen 61, 371 MaMoG 236, 250 f., 253, 266, 287 f., 297, 300 f., 310 f., 317, 320, 326 f., 340, 377 Marke 45, 63, 65, 68, 90, 233, 238, 241, 243, 247, 270, 292 absolutes Schutzhindernis 250 abstrakte Farb- 252 Agenten- 282 Akzessorität 249 amtsbekannt 317 Ausnahmetatbestand 251 Ausschließlichkeitsrecht 284 Basis- 61 bekannte 247 Benutzungs- 244, 248, 283, 285, 302 Benutzungsschonfrist 301, 321 Benutzungszwang 301 Berichtigung 318 berühmte 247 Beschlagnahme 347 beschleunigte Prüfung 317 Beschränkung 318 beschreibende Benutzung 261 Beschwerde 332 Bewegungs- 253 Bild- 243, 251, 259, 312 Buchstabenkombination 259 Buchstabe und Zahl 258 Dienstleistungs- 58, 242 Doppelbedeutung 286 Doppelidentität 272 dreidimensionale 243, 251, 312 Duldung 288, 326, 329 Durchschnittsverbraucher 256 eingetragene 285, 292 f. Einrede 288, 302, 320, 327, 329 Eintragung 311, 319 Eintragungsausschluss 251 679 Stichwortverzeichnis Einwendung 288, 326 -enrechtsrichtlinie 45 Ermächtigungsparagraph 331 Erschöpfung 299 -fähigkeit 317 Farb- 243, 312 Formzeichen 241 Freihaltebedürfnis 255, 260, 262 Freistellung 298 Garantie- 233 Garantiefunktion 238, 254 Gattungsbezeichnung 264 Gemeinschafts- 234, 321 Gerichtsstand 345 Geruchs- 252 Gesamteindruck 256 geschäftliche Bezeichnung 248, 349 geschäftlicher Verkehr 285 Geschmacks- 253 geschützte 293 Gewährleistungs-- 233, 339 f. Gewährzeichen 266 grafische Darstellbarkeit 242, 251, 317 gute Sitte 265 Handels- 58 Herkunftsfunktion 242, 254 Hoheitszeichen 251, 266 Hologramm 253 Hör- 243, 251, 253 Identität 272 Individual- 233 Internet 303 Irreführung 265 Kennfaden- 243, 251 Kollektiv- 233, 249, 263, 302, 339 Kombinationswort- 258 Lizenz 308 Löschung 271, 311 Löschungsantrag 326 Löschungsreife 289 Löschungsverfahren 327, 329 mangelnde Benutzung 320 markenmäßiger Gebrauch 303 Motivschutz 278 -nanmeldung 245 nationale 61 -nfähigkeit 244 -nform 45, 243, 251, 254, 257, 278, 286 -nfunktion 254 -ngesetz 45, 233 Nichtbenutzung 296 Nichtbenutzungseinrede 321 Nichtigkeit 325 Nichtigkeitsklage 326 -nnennung 286 -nnutzung 247 Notorietäts- 248, 282 notorische 246, 271, 282, 285, 317, 320 -npiraterie 272 -nregister 241 -nregistrierung 247 -nrichtlinie 233 f., 349 -nschutz 247 -nschutzgesetz 55 -nverletzung 290 öffentliche Ordnung 265 Originalität 255 Positions- 253 Prägetheorie 278 Priorität 247, 315 Prüfzeichen 266 Qualitätsfunktion 254 Rechtsbeschwerde 336 Rechtsfolge 284 Rechtsverletzung 284 Registrierung 244 relatives Schutzhindernis 271 Rücknahme 318 Schranke 293 Schutz- 293 Schutzdauer 322 Schutzhindernis 248, 250 Schutzvoraussetzung 248 Seniorität 316 Serien 279 Slogan 255 sonstige Markenform 312 sprechendes Zeichen 257 Straf- und Bußgeldvorschrift 346 Streitwertbegünstigung 346 Sukzessionsschutz 310 summatisches Verfahren 321 680 Stichwortverzeichnis Tast- 253 Täuschungseignung 264 Täuschungsgefahr 265 Teilidentität 272 Teilung 321 Telle-quelle- 315 territoriale Reichweite 285 übliche Zeichen 264 UMV 281, 292, 295, 306, 308, 310, 314, 339 Unions- 227, 244, 248 f., 264, 299, 302, 305, 308, 310, 314, 316, 319, 328 Unionskollektiv- 250, 339 Untersagungstatbestand 287 Unterscheidung 242 Unterscheidungskraft 254 Ursprungs- 61 Verbraucherleitbild 256 Verfahrensvorschrift 329 Verfall 324 Verjährung 293 Verkehrsauffassung 286 Verkehrsdurchsetzung 268, 317 Verkehrsgeltung 241, 244, 285 Verkehrskreis 269 Verlängerung 322 Vermögensgegenstand 307 Verwechslungsgefahr 273 Verwirkung 294 Verwirkungstatbestand 326 Verzicht 323 Vorbereitungshandlung 288 Werbefunktion 254 Wert 247 Widerklage 329 Widerspruch 320 Wiedereinsetzung 337 Wiedergabe 311 Wirkung der Löschung 328 Wirtschaftsgut 307 Wort- 243, 251, 257, 311 Wortfolge 257 Zahl 258 Zeitrang 247 zusammengesetzte 278 Zwischenrecht 296 Markenbewertung 307 Markenrechtsmodernisierungsgesetz 236 MarkenRL 297, 302, 320, 326 Marketingrecht 511, 521 Marktstörung 559 Marktteilnehmer 533 Marktverhaltensregelung 549 f. praktisch bedeutsame 550 materiellrechtliche Bedingung 97 -s Geschäft 155 mathematische Methode 73, 99 Medienzeitalter 92 Meistbegünstigung 63 -sgrundsatz 506 Meisterwerk 387 menschliche Verstandestätigkeit 76, 98 Methode 73 mathematische 73, 99 Schadensberechnung 616 wissenschaftliche 73 Mindesterfordernis Anmeldetag 122 Mindestrecht 62, 505 Mindestschutz 63 -niveau 62, 505 Mining Text und Data 460 Miterfinderanteil 178 Mittäter 290, 623 Mitteilungsform 426 pflicht 179, 182 Mittelalter 51 mittelbare Patentbenutzung 146 Miturheberschaft 410 MMA 61, 317, 371, 373, 376 -Vorrang 374 Modell 64, 120 Mondpreis 575 Monopolstellung 89 Monopoltheorie 53 Mosaikbetrachtung 504 Multimediawerk 408 Musik 49 -werk 394 Muster 64 Muster und Modell 44, 60 681 Stichwortverzeichnis must-fit- Klausel 207 Teile 207, 209 must-match-Teile 210 NNachahmung 229, 555 -sfreiheit 554 Nachbau 194 Namensrecht 87, 239, 283, 329, 353 nationale Behörde 95, 168 Gericht 113 Marke 61 Phase 165 Verfahren 161, 168 Natur 103, 384 Naturkraft 74, 76, 98 beherrschbare 74, 98 natürliche Person 297 248 Naturrecht 53 -slehre 53 -stheorie 89 Nebenanspruch 121 negatives Verbietungsrecht 40, 194, 493 Neuheit 42, 81, 103, 172, 192 fotografischer Neuheitsbegriff 204 gebrauchsmusterfähige 170 geschmacksmusterfähige 202 -sschädliche Identität 204 -sschonfrist 170, 193, 206 technische 108 Neuzeit 51 f. Nichtigkeit 131, 222, 325 f., 328, 345 -serklärung 136 -sgrund 134, 284, 326, 328 -sklage 131, 326 -sverfahren 113 f., 131 f., 134, 220 Nizza-Klassifikation 274 Notorietätsmarke 247 f., 282 numerus clausus 46 Nutzungsart 464 unbekannte 469 Nutzungsrecht 193, 463 ausschließliches 465 Beschränkung 466 einfaches 465 eingeschränktes 465 positives 40 Übertragung 465 Unterlizenz 465 Unterlizenzierung 465 Zweckübertragungsgrundsatz 468 OOberbegriff 121, 272, 318, 390 Oberlandesgericht 113 Offenbarung 89, 103, 120, 130, 203 -sgehalt 107 Offenlegung 127 Offensichtlichkeitsprüfung 113, 126 öffentliche Ordnung 100, 208, 265, 342 Rede 435 Wiedergabe 435, 440 Zugänglichmachung 422, 479 Öffentlichkeit 106, 228, 419, 424 Olympiaschutzgesetz 365 opt-in- Lösung 591 Modell 596 opt-out- Lösung 596 Modell 597 Regelung 591 Ordnungswidrigkeit 347, 492 f. ordre public 100 Organ juristischer Person 176 Original 417, 429 -ware 298 -werk 401 originärer Rechtserwerb 412 Overblocking 625 Overruns 620 Ppantomimisches Werk 49, 395 Parallelerfindung 112, 149 Parallelimport 620 Passivlegitimation 621 f. Patent 95 -abteilung 114 -anmeldung 106, 109, 116, 119 -anspruch 105 682 Stichwortverzeichnis Antipatentbewegung 54 Anwendungs- 145 -behörde 108 -bewegung 54 Bundespatentgericht 88 Erfindungsbegriff 95 -erteilung 117, 128 -erteilungsverfahren 126 europäisches 157 europäisches Patentübereinkommen 42 -fähigkeit 99, 105 Grundlage 73 -ierbare Erfindung 97 -ierbarkeit 103 -ierung 100 -inhaber 89, 119, 129 ff., 135 f., 140, 143, 145, 147, 153, 155 inländisches national 119 -kostengesetz 117 -recht 42, 68, 83, 95 Recht auf 110 Recht aus 111, 140 -rechtstheorie 89 -register 113, 119 -rolle 155 -schutz 74, 97 Schutzbereich 137 Schutzdauer 83, 135 -streitsache 113 -tierungsvoraussetzung 103, 126 -unfährigkeit 73 -verfahren 113 Verfahrens- 144 Wirkung 134 Zusatz- 126 Patentanspruch Merkmale 121 Patentanwalt 114 Patentdauer 135 ex nunc 136 ex tunc 135 Patenterteilungsverfahren Mindesterfordernisse 122 Offenbarung 124 Rechtsschutzbedürfnis 129 Teilanmeldung 124 Patentinformationszentren 119 PatG 42, 89, 95, 97, 108, 113 PCT 59, 97, 107, 135, 165, 171 Kapitel I 166 Kapitel II 167 peer-to-peer 424, 445 Pensionär 176 Perpetuum mobile 98 Person 111, 248, 350, 373, 409, 474 -engesellschaft 249, 410 juristische 248, 373, 410, 446 natürliche 111, 248, 373, 409, 443 persönlich -er Anwendungsbereich 56, 175, 497 geistige Schöpfung 405 -keitsrechtliche Befugnis 411, 413, 480 -keitsrechtliches Schutzelement 84 Pflanzensorte 104, 192 Beständigkeit 192 Bundessortenamt 193 Homogenität 192 Sortenbezeichnung 193 Unterscheidbarkeit 192 Pflanzenzüchtung 47, 191, 195 Pflichtwerk 475 Piraterieware 89 plagiarius 52 Plagiat 52 -or 52 Plan 49, 75, 100, 400 plastische Darstellung 49, 400 Platzdelikte 503 PMMA 318, 371, 373, 376 Portabilität von Online-Inhaltediensten 467 positives Benutzungsrecht 194, 493 postmortaler Bildnisschutz 455 Preisangabenverordnung 513, 550 Preisausschreiben 515 Presseerzeugnis 482 Presseprivileg 600 Pressespiegelprivileg 440 Presseverlage 481 Presseverleger 482 Priorität 58, 123, 166, 171, 203, 215, 247, 315, 350, 374 Auslands- 123, 171, 248 683 Stichwortverzeichnis Ausstellungs- 215, 248, 315 innere 123 -sdatum 167 -sfrist 59, 315 -srecht 58, 166, 195, 315 -stag 105, 149, 203 Teil- 315 Unions- 58, 124 Zeitrang 105, 247 Privat -bereich 147 -kopie 443, 445 -kopieschranke 441, 490 Privatrecht 40, 85 internationales 502 Privilegienwesen 52, 54 Autorenprivileg 53 Bücherprivileg 53 Druckprivileg 53 Territorialprivileg 53 Probe 120 Produktpiraterie 612, 619 f. -verordnung 347 Programm für Datenverarbeitungsanlage 100 Provider 439 Prozesskosten 346, 613, 633 Prüfung 126, 172, 193, 316 f. -behörde 167 beschleunigte 317 DPMA 316 Eingangs- 158 Formal- 158, 188 Offensichtlichkeits- 113, 126 Sach- 159 -santrag 122, 126, 159 -santragsfrist 115 -sbescheid 127 -sgebühr 127, 159 -spflicht 624 -sstelle 114 -sverfahren 169 vollständige 113, 127 PVÜ 57, 62, 124, 166, 250, 268, 303, 315, 359 Pyramidensystem 603 QQualitätsmarke 340 Quellenangabe 416, 442 RRabatt 515 -gesetz 522 Raumform 199, 400 RBÜ 61, 63, 389, 498, 505 Mindestrecht 62, 505 Recherche 113, 166, 172 -antrag 126 -behörde 166 -bericht 126, 158, 166 -möglichkeit 291 Recht aus Erzeugnisanspruch 141 aus Verfahrensanspruch 143 aus Verwendungsanspruch 145 -liches Gehör 117, 330, 334 -sbehelf 58, 115, 316, 332, 612, 654 Recht am eigenen Bild 452 Recht auf das Patent 110, 154, 175 Recht aus dem Patent Übertragung 155, 163 Rechtewahrnehmung 491 Rechtsanwalt 114 Rechtsbeschwerde Ausschlus- 336 -verfahren 115, 336 f. zugelassene 336 zulassungsfreie 336 Rechtsbruch -tatbestand 516 f., 549 Rechtsdurchsetzung 614 Rechtserwerb 217, 475 originärer 410 Umfang 476 vom Arbeitnehmer 475 rechtsfähige Verbände 249 Rechtsnachfolger 58, 110 ff., 120, 154, 170, 206, 622 Geltungsmachung der Rechte 308 Rechtsschutzbedürfnis 129 Rechtsverletzung Aktivlegitimation 622 außergerichtliche Durchsetzung 627 Design 220, 225 geschäftliche Bezeichnung 358 684 Stichwortverzeichnis Geschmacksmuster 222 Internet 617 Marke 284 Olympiaschutz 365 Passivlegitimation 623 Recht am eigenen Bild 456 Sortenschutz 194 Urheberrecht 493 Verjährung 293 Rede 386, 391 öffentliche 435 Reform 2008 522 regionales Verfahren 168 Register 311 Registrierung 60 f., 82, 188, 374 amtliche 82 DPMA 244 internationale 60 f., 242, 317, 371, 376 Reichsgesetzgebung 54 Richtlinie 65, 514, 516, 582 ArbEG 175 biotechnologische Erfindung 103 computerimplementierte Erfindung 101 Computerprogramm 392 Datenbank 406, 483, 507 Datenschutz 590 f. DPMA 270 Durchsetzungs- 611 EG- 65 EG-Schutzdauer- 399 Geschmacksmuster- 211 Info- 418, 487 InfoSoc- 419, 438 Marken- 233, 245, 252, 349 Multimedia- 418 Richtlinie 2006/ 114/ EG 288 Rom II-Verordnung 57, 503 Rücknahmefiktion 123, 131 Rückruf 613 -srecht 416 Rufausbeutung 558, 587 ausbeutungsverbot 587 ausnutzung 587 beeinträchtigung 558, 587 Rufnummernunterdrückung 527 Rundfunkkommentar 440 SSach -statut 503 Sachen -recht 46 Sammelwerk 404 Abgrenzung 410 Seriensammelwerk 355 Sammelwerke -Schutzvoraussetzung 405 Sampling 394, 417 Satellitenrundfunk 468 Satire 403 Satzung 342 Schadensberechnung 291, 616 Schadensersatz 85, 129, 190, 194, 225, 284, 290 f., 343, 358, 600, 616, 621, 637, 651, 656 -anspruch 284, 291, 293, 295, 361, 364, 502, 601, 613, 616, 618, 624, 651, 656 Kennzeichen 291, 301 -pflicht 348 Urheberrecht 494 UWG 600 Verjährung 293 Schieds -stelle 182 -verfahren 182 Schiff 148 Schleichwerbung 580 Schlüsselwort Suchmaschine 368 Schmähkritik 551 Schneeballsystem 603 Schneeball- und Pyramidensystem 543 Schöpferprinzip 409, 473 Schöpfung 77, 477 -gedanke 429 -sakt 82, 111, 388, 410 -sgedanke 426 f. -shöhe 489 -sleistung 479 Schranke 448 Datenbank 451 Designschutz 224 Durchsetzung 489 685 Stichwortverzeichnis Markenrecht 233 f., 289, 293, 296, 343 Urheberrecht 419, 432 Schriftform 183 Schriftlichkeit 118, 129 Schriftwerk 49, 54, 390 -schutz 390 Schul -funksendung 435 Schuldanerkenntnis 642 abstraktes 642 Schutzbereich 156, 161, 172, 274 äquivalenter 139 -erweiterung 134 Konsequenzen der Schutzbereichsbestimmung 140 Patentanmeldung 121 privater Bereich 147 räumlicher 352 sachlicher 156 Versuchszwecke 147 wortsinngemäßer 139 Schutzbestimmung 487 Schutzdauer 83, 189, 195, 429 Datenbank 486 Designrecht 218 Gebrauchsmusterrecht 169, 172 geistiges Eigentum 83 Leistungsschutz 479, 481 Lichtbildschutz 478 Lichtbildwerk 399 Markenrecht 321 f. Patentrecht 135 RBÜ 62 Urheberrecht 429, 507 Schutzfrist 478, 486 -envergleich 62 gesetzliche 83 Schutzgegenstand 84, 138, 188, 507, 638 Computerprogramm 507 Datenbankwerk 407 Design 199, 202 Geschmacksmuster 222 GWB 512 Halbleiterschutz 189 immaterieller 79 internationales Abkommen 384 Leistungsschutz 522 Madrider Markenverband 373 technische Maßnahme 487 Topographie 188 Urheberrecht 426 urheberrechtlicher Schutz 392 wissenschaftliches Werk 401 Schutzgesetz 57, 64, 175 Ausland 504 Halbleiter- 46, 187 Marken- 55 Olympia- 365 Sonder- 493 Sorten- 47, 191 Schutzhindernis 233, 259, 266, 268, 296, 372 absolutes 242, 250 Agentenmarke 282 Anmeldeverfahren 317 Beanstandungsbescheid 317 Benutzungsmarke 283 bösgläubige Markenanmeldung 328 Darstellbarkeit 252 Freihaltebedürfnis 255, 260, 328 Gewährleistungsmarke 339 internationale Registrierung 371 Kollektivmarke 263 Markenanmeldung 317 Markenfähigkeit 255 Markengesetz 244, 248, 255, 260, 271 Nichtigkeit 325 notorisch bekannte Marke 282 relatives 244, 271 UMV 265 Unionsmarke 328 Unterscheidungskraft 328 Verkehrsdurchsetzung 269, 328 Schutzlandprinzip 57, 499, 503 f. Schutzrecht 45, 54, 65, 80, 83, 169, 190 Abmahnung 629 Anmeldung 179 Anspruch 217 Ansprüche des Inhabers 190 ausländisches 57 Auslands- 179 Eintragung 218 Erteilung 165 686 Stichwortverzeichnis Film 483 Gemeinschafts- 66 Gemeinschaftsgeschmacksmuster 227 Geschmacksmuster 283 gewerbliches 44, 56, 59, 63, 82, 86 f., 176, 188, 200 Halbleiter- 39, 46 Halbleiterschutz 189 Hinweis 639 Immaterialgut 190 Inhaber 190 intermationale Marke 371 Kategorie 50 Kollision 221 Leistungs- 477 Lichtbild 478 Lizenz 155 Marke 238, 242 nationales 60 Neuheit 81 Nichtigkeit 131 Olympia 365 Parallelpatent 151 PCT 166 Sorten- 39, 47, 69, 154, 191 Sperrwirkung 222 technisches 44, 89 f., 203 Titel 355 Tonträger 480 traditionelles 189 unbegründete Verwarnung 637 Urheberrecht 379 verletzende Handlung 148 Verletzung 220 Verstoß 633 Verwarnung 631 Voraussetzung 192 Schutzschrift 646, 652 Schutzstaat 58 Schutzumfang Design 222 erweiterter Marken 296 Halbleiter 189 Marke 233, 274 f., 327 Musikwerk 395 Patent 105, 120, 138, 144 Titel 357 TRIPS 507 Unternehmenskennzeichen 352 Urheberrecht 426, 429 zeitlicher 83 schwarze Liste 519, 526, 540 Sendeunternehmen 474, 477, 480 Sinngehalt 138 Patentanspruch 138 f. wissenschaftliche Lehre und Theorie 428 Zeichen 262, 277 Skizze 49, 386, 400 Slogan 255, 258, 387 Software 49, 394 Patent 90 Programm 176 Sonderveranstaltung 523, 575 Sortenbezeichnungen 266 Sortenschutz 39, 46 f., 67, 69, 154, 191 Antrag 193 europäischer 195 internationaler 195 Lizenz 193 Rechtsnachfolge 193 Rolle 193 Wirkung 194 Sozialbindung 432 Sperrwirkung 45, 83, 200, 222 ff., 228 f. spezielles Deliktsrecht 86 Spiel 75, 100, 147, 355, 357, 365 Computer- 409 Dauer 511 Feld 511 Film 399 Fußball- 511 Gewinn- 515 Hör- 390, 481 olympisch 365 Ort 466 Raum 84, 387, 591 Regel 75 Schau- 479 Zeit 466 Sprache 59, 107, 118, 135, 159, 167, 303, 365, 376, 390, 401, 409 Amts- 159, 339 687 Stichwortverzeichnis Aus- 276, 646 Fremd- 257, 277, 390 Gerichts- 339 Kunst- 390 Landes- 376 Programmier- 390 f. Umgangs- 258 Verfahrens- 138, 159, 161, 374 Veröffentlichungs- 166 Sprachenverordnung 67 Sprachwerk 390, 441 -sschutz 390, 408 sprechendes Zeichen 298 Staatsvertrag 57, 248, 315, 359, 497, 502, 504 f. Stand der Technik 80, 105, 109, 140, 170, 203 Gebrauchsmuster 170 stillschweigende Ausnahme 454 f. Störerhaftung 624 wettbewerbsrechtliche 627 strafbare Werbung 602 Strafbarkeit 346 strafbewehrte Unterlassungserklärung 290, 629, 632, 634 strafrechtliche Sanktion 195, 226, 493, 495, 602 Straftatbestand 88, 346, 601 f. Streaming 419, 423, 440 Streamingangebote 439 Streitwertbegünstigung 346 Streuschaden 600 Suchmaschine 368, 482 Herkunftsfunktion 369 Sukzessionsschutz 156, 220, 310 supranationales Verfahren 95 TTabelle 49, 75, 400 Rechen- 390 Tanzkunst 395 Täter 346, 606, 623 -schaft 622 Tätigkeit erfinderische 42 f., 73, 103, 109, 167 gedankliche 75 geistige 76 geschäftliche 75 schöpferische 356, 394, 426 Tatort 500 Tauschbörse 445, 487, 617 Technik 42, 89, 98, 400 -begriff 76, 101 technische Erfindung 43, 89, 99, 104 Maßnahme 487 f. -r Charakter 75, 77, 98, 100, 102, 169 Schutzmaßnahme 450, 495 Technizität 98, 101, 169, 176 mangelnde 76 Teilanmeldung 124, 322 Teilung 321 Telefax 118 Telefonwerbung 591 Telemediengesetz 517 Telle-quelle -Marke 315 -Schutz 242, 250 territoriale Begrenzung 498 Reichweite 285 -r Schutzbereich 352 Territorialitätsprinzip 56, 134 f., 498, 503 Theorie vom geistigen Eigentum 53 wissenschaftliche 73, 99, 428 Tierrasse 104 Titel 308, 358 -ähnlichkeit 357 -schlagwort 355 -schutz 308, 354, 358 -schutzanzeige 356 TMG 626 Topographie 41, 46, 64, 68, 187, 189 -schutz 46 traditionelle Spezialitäten 266 traditionelle Weine 266 Trägermedium 409 Transparenzgebot 594 Trennungsgebot 581 Treu und Glaube 295, 465, 635, 646 TRIPS 63, 85, 359, 505, 612 Grundprinzip 506 -PLUS-Bestimmung 612 Urheberrecht 506 U 688 Stichwortverzeichnis Übersetzung 118, 120, 401 Übertragung 86, 154, 218, 283, 423 Leer- 308 Nutzungsrecht 465 -sanspruch 284, 293 Teil- 307 Zweckübertragungsgrundsatz 468 Übertriebenes Anlocken 541 Ubiquität 40, 55, 497 UGP-Richtlinie 518, 529 Umarbeitung 401 urheberrechtliche relevante 402 Umgehungsverbot 487 f. Umgestaltung 402, 429 Umschreibung 219, 386 UMV 236 f., 266, 268 f., 281, 284, 288, 292, 295, 300, 306, 308 f., 311, 314, 316, 322, 338 ff., 343, 349, 376 Seniorität 316 Unbedenklichkeitsbescheinigung 340 unbekannte Nutzungsart 469 unbeschränkte Inanspruchnahme 183 Unionsgeschmacksmuster 283 Unionsgewährleistungsmarke 302, 340, 343 Unionskollektivmarke 250 Unionsmarke 227, 236, 244, 249, 264, 272, 284, 299, 302, 305, 308, 310, 314, 316, 319, 322 f., 325, 328 f., 333, 347, 349, 372, 376 Unionsmarkenverordnung 236 Unionspriorität 58, 124, 215 unlautere Geschäftspraktik Richtlinie 517 unmittelbar hergestelltes Erzeugnis 144 unseriöse Geschäftspraktiken 527, 599, 628 Unteranspruch 121 Unterbrechung 149, 353 vorübergehende 149 zeitweise Unterbrechung der Benutzung 353 Unterlassung 85, 190, 225, 290, 358, 493, 517, 598 -sklagengesetz 491 -sschuldner 632 -statbestand 615 -svertrag 630, 642 Unterlassungsanspruch 194, 225, 283 f., 289 f., 360, 364, 366, 521, 594, 598, 613 f., 622, 624, 634, 641, 651 Erstbegehungsgefahr 290 gesetzlicher 641 Verjährung 293 vorbeugender 615, 622 Wiederholungsgefahr 290 Unterlizenz 156, 465 Unternehmensakzessorietät 218 Unternehmensbezeichnung 288 Unternehmenskennzeichen 238, 279, 285, 349 f. besondere Geschäftsbezeichnung 350 Branchennähe 354 entstehen 352 erlöschen 352 Etablissementbezeichnung 351 Geschäftsabzeichen 351 Handelsname 350 Lizenz 353 mit Namensfunktion 238, 351 ohne Namensfunktion 238 Übertragbarkeit 353 Verwechslungsgefahr 353 Unternehmerschutzrecht 474 Unterricht und Lehre 458 Unterscheidungskraft 242, 256 Design 221 Marke 244, 254, 257, 268 f., 282, 328, 341, 357 f. Unterschrift 118 unterstützende Leistungen 111 Untersuchungsgrundsatz 133 Unterwerfung 632, 641 Aufforderung 632 Dritt- 635 -serklärung 632, 641, 647 unzulässige Erweiterung 130 Upload-Filter 625 Uploading 425 UPOV 195 Urheber -rolle 389 -vermutung 389 -vertragsrecht 86, 463, 468, 476 -vertragsrechtsnovelle 2002 465 Urheberbezeichnung 414 f. Urheberpersönlichkeitsrecht 84, 412, 504 ff. Urheberrecht 39, 48, 63, 71, 80, 83, 91, 221, 239, 283, 379, 478, 504, 622, 628, 649 689 Stichwortverzeichnis Arbeitsverhältnis 473 Ausland 504 Bearbeiter- 402 Bedeutung 91 Datenbank 483 Dienstverhältnis 473 ergänzende Schutzbestimmung 487 Geltungsbereich 92 Gestaltungshöhe 388 im Informationszeitalter 49 Inhalt 412 internationales 497 IPR 502 Rechtsverletzung 493 Schöpferprinzip 409 Schranke 432 Schutzdauer 429 Schutzumfang 429 -sgesetz 48 -ssache 637 -sschutz 48, 80 -sschutzfähigkeit 387 -s-Wissenschaftsgesetz 457 TRIPS 506 Unübertragbarkeit 416, 462 Urheberschaft 409 Werkbegriff 383 WIPO 508 Urheberrechtsnovelle 2003 419, 422, 424, 438, 443, 445, 447 f., 480, 487, 508 Urheberrechtsnovelle Korb 2 469 Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz 443 Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes 451 Ursprungsbezeichnungen 266 Ursprungsland 373, 505 Behörde 61, 374 Ursprungslandprinzip 468 Ursprungszüchter 193 Urteil 114, 133, 502, 618, 654 UsedSoft 422 UWG 39, 47, 511, 513, 519, 522 Beispielkatalog 549, 551, 563 Beseitigungsanspruch 598 Generalklausel 537 Mondpreis 575 Pyramidensystem 603 Reform 2004 522, 628 Reformgesetz 522 Regel-Ausnahme-Prinzip 583 Rufausbeutung 587 Schneeballsystem 603 Strafvorschrift 601 Unterlassungsanspruch 598 Verbraucherleitbild 571 UWG Reform 2004 522, 628 UWG-Reform 2008 519 UWG-Reform 2015 519 VVeranstaltung 149 Vorbenutzung 149 Weiterbenutzung 150 verbandseigenes Werk 62 Verbandsklage 360, 491 -befugnis 646 Verbot des Doppelschutzes 136, 161, 170 Verbraucher -schutz 492 -verband 517, 599 Verbrauchergeneralklausel 538 Verbreitungsrecht 419, 466 Verfahren 113, 363, 648 Abschluss- 655 Anmelde- 342 BGH 114 BPatG 114 diagnostisches 100 DPMA 113, 215, 311, 330 Durchsetzungsrichtlinie 612 Einigungsstelle 647 Einspruchs- 128 Eintragungs- 374 EPÜ 157 Erteilungs- 119 EURO-PCT 168 gerichtliches 182 Hauptsache- 655 Insolvenz- 219 kosmetisches 101 Löschungs- 329, 344 mikrobiologisches 104 nationales 161 690 Stichwortverzeichnis Nichtigkeits- 131 f., 134, 161 PCT 165 regionales 168 -sanspruch 170 -sbeteiligter 114, 333 -serfindung 145 -skosten 330 -spatent 144 -srecht 113, 364 -ssprache 138, 158 summarisches 321 -svorschrift 329 Verwaltungs- 87 Widerspruchs- 271 Verfall 296, 311, 324, 326, 328, 344 f. Verfügungsgrundsatz 133 vergleichende Werbung 288, 582 Gesetz 582 Richtlinie 516 Vergütung erlaubte Nutzung 462 Vergütungsanspruch 175, 449 des Urhebers 449 gesetzlicher 470, 478 f. -VG Wort 441 vergütungsfrei 462 Verhaltenskodex 534, 540 Verjährung 651 Design 226 Einrede 655 Marke 293 Ultimaregel 293 Urheberrecht 494 UWG 520, 601 Verkaufsaktion 523 Verkaufsförderung Binnenmarkt 515 Verkaufsplattform 368 Verkehrsdaten 617 Verkehrsdurchsetzung 268, 317, 328, 359 demoskopisches Gutachten 270 Durchsetzungsgrad 270, 352 Verkehrsgeltung 241, 244 f., 349-352 Marke kraft Verkehrsgeltung 271 Nachweis 245 örtlich bestehende 352 regional bestehende 352 Verlust 353 Verkehrskreis 238, 245, 261, 269 beteiligter 243, 245, 256, 261, 269, 351 Durchschnittsverbraucher 256 Durchsetzung 251 Verbraucherleitbild 256 Verkehrsauffassung 286, 361 Verkehrspflichtverletzung 625 verlängerte Werkbank 150 Verletzungsklage 309 Vermehrungsmaterial 192, 194 Vermögensrecht 112 Vernichtung 86, 290 ff., 301, 346, 613 Anspruch 194, 225, 284, 292 f., 346, 366, 494 -swettbewerb 559 Veröffentlichung Gerichtsentscheidung 613 -srecht 413 -ssprache 166 Versuchszweck 147, 194, 224 Vertragsparität 470 Vertragsstaat 158, 165 f., 373, 375 Vertragsstrafe 628, 643 Höhe 643 -versprechen 632, 643 Vertrauensbruch 558 Vertrauensfunktion 45 Vertraulichkeitsvereinbarung 106 Vertretung 114, 332 Verunglimpfung 588 Vervielfältigung flüchtige 418 Vervielfältigung durch Dritte 445 Vervielfältigungsrecht 417, 425, 505 Verwaiste Werke 66, 437 Verwaltungsakt 82, 88, 95 formeller 82 rechtgestaltender 88, 95 Verwaltungsrat 95 Verwaltungsverfahren 117, 154, 193 förmliches 193 verwandtes Schutzrecht 477 ausgewähltes 478 ergänzende Bestimmung 487 Verwechslungsgefahr 273, 280, 353, 356 691 Stichwortverzeichnis im weiteren Sinne 280, 356 komplexe 276 mittelbare 280 Serien- 356 unmittelbare 356 werkbezogene 356 Verwendung 170, 246 neue 109 -sanspruch 145 -serfindung 141 -spatent 145 -szweck 273 Verwertungsart 416 Verwertungsgesellschaft 434, 449 Verwertungsrecht 416, 439, 463, 479 allgemeines 416 ausgewähltes 417 besonderes 417 Online- 422, 425 Verwirkung 289, 294, 329, 643 Grundsatz 295 -sfrist 295 -statbestand 326 Verzicht 222, 318 f., 323 VG Wort 449 Videostream 439 Vindikationsklage 112 Vollmacht 333 -urkunde 630 Vollziehung 654 Vorbenutzungsrecht 147 ff., 200, 223 Vorbereitungshandlung 288, 489, 607, 615 vorläufige internationale Prüfung 165, 167 Vorrichtung 141, 292 -sanspruch 141 Vorübergehende Vervielfältigungshandlung 438 Vorveröffentlichung 106 WWare 237, 242, 263, 273 f., 281 f., 287, 299, 303, 306, 348, 360, 374, 585, 595 Beschaffenheit 263 Identität 272 -nbegriff 313 -nverzeichnis 312 -nvorrat 575 WCT 508 Website 355, 407, 414 Schutzobjekt 408 urheberrechtlicher Schutz 407 Weiterbehandlung 116, 330, 338 Weiterbenutzungsrecht 116, 147 f., 150 Werbeanzeige Suchmaschine 369 Werbefunktion 238, 254 Werberecht 521 Werbung gegenüber Kindern 546 Werk 48 -art 389 audiovisuell 382 digitalisiert 415 -integrität 415 -qualität 388 -stück 385, 417, 447 -titel 238, 349, 354, 356 -verbindung 411 Werkbegriff 48, 355 geistiges Gehalt 383 Individualität 383 persönlich geistige Schöpfung 383 Schutzvoraussetzung 383 wahrnehmbare Form 383 Wert -schätzung 205, 281 f., 358, 366, 558 wettbewerbliche Eigenart 554 Wettbewerbsrecht 47, 509, 521 Generalklausel 537 Richtlinie 516 Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes 520 Verordnung 515 wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz 521, 554 f. Wettbewerbszentrale 599, 631, 647 Aktivlegitimation 631 Einigungsstellenverfahren 647 Widerklage 302, 327 ff., 345 widerrechtliche Entnahme 112, 130 Widerspruch 320, 335, 375, 654 Benutzungsschonfrist 321 -sfrist 319, 375 -sgrund 130 -sverfahren 271, 320, 329 692 Stichwortverzeichnis Wiedereinsetzung 115 f., 337 in den vorherigen Stand 150 Weiterbenutzung 150 Wiedergabe von Information 100 Wiederholungsgefahr 290, 615, 629, 641, 644 WIPO 60, 165, 247, 371, 374, 422, 487 -Konvention 62 -Urheberrecht 508 Wirkung des Patents 134 f. Arzneimittel 148 Ausnahme 147 räumliche 134 zeitliche 135 wirtschaftliche Verwertbarkeit 180 Wirtschaftsverband Anspruchsberechtigung 598 Wissenschaft 48, 78, 82, 384, 401, 441 Wissenschaftliche Forschung 459 wissenschaftliches Werk 400, 428 WLAN 626 Wortmarke 251, 254, 257, 311 Kombinations- 258 Wortsinn 138 WTO 63, 505 ZZeichnung 49, 252 Zeitrang 105, 107, 122, 124, 215, 247, 289 älterer 283 Priorität 247 späterer 317 Verschiebung 269 Zeitungsartikel 440 Zitat 435, 441 Großzitat 441 Kleinzitat 441 Musikzitat 441 -zweck 442 Zitierfreiheit 441 bespielhafte Aufzählung 441 Zollbehörde 347, 619 Züchterprivileg 194 Zufallsergebnis 384 Zugabe 515 -verordnung 522 Zusammenfassung 120 Zusatz 306 Zusatzpatent 124, 126 Zwangslizenz 114, 147, 153 kartellrechtliche Vorschriften 154 Zwangsvollstreckung 219, 416, 648 Urheberrecht 416 UWG 648 Zweckübertragungsgrundsatz 468 zweispuriges Schutzkonzept 406 Zweitverwertungsrecht 473 Zwischenspeicherung 419
