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Recht des geistigen Eigentums

Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht

0813
2018
978-3-8385-4600-1
978-3-8252-4600-6
UTB 
Matthias Pierson
Thomas Ahrens
Karsten Fischer

Erfahrene Experten aus Wissenschaft und Praxis legen eine umfassende, praxisnahe und wissenschaftlich fundierte Gesamtdarstellung des Gewerblichen Rechtsschutzes (insbesondere Patente, Marken und Design), des Urheberrechts und des Wettbewerbsrechts (UWG) vor. Das Werk enthält zudem eine ausführliche Darstellung der Grundlagen des geistigen Eigentums sowie der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. Es erscheint in vierter Auflage und ist topaktuell.

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 0000 UTB (L) Impressum_18.indd 1 22.05.18 09: 19 u t b 4 6 0 0 Prof. Dr. iur. Matthias Pierson ist Inhaber einer Professur für Wirtschaftsprivatrecht, Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht an der Fakultät Recht / Brunswick European Law School ( BELS ) der Hochschule Braunschweig / Wolfenbüttel. Patentanwalt Dipl.-Phys. Thomas Ahrens, ehemals Leiter Patente, Marken, Lizenzen der Volkswagen AG , Wolfsburg, ist Patentanwalt und Mediator in Braunschweig. Patentanwalt Dipl.-Geol. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dr. Karsten R. Fischer ist Director IP Legal, Domains & Licenses der TUI AG. Matthias Pierson, Thomas Ahrens, Karsten R. Fischer Recht des geistigen Eigentums Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht 4. Auflage A. Francke Verlag Tübingen Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Leider kann keine Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Inhalte übernommen werden. Das Werk kann und will die rechtliche Beratung im Einzelfall nicht ersetzen. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Satz: pagina GmbH, Tübingen Printed in Germany utb-Nr. 4600 ISBN 978-3-8385-4600-1 5 Inhalt Inhalt Vorwort zur 4. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums . . . . . . . . . 37 § 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 I. Die beiden Hemisphären zum Schutz des geistigen Eigentums: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 II. Zum Begriff des Immaterialgüterrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 III. „Konjunktur“ und Herausforderung des geistigen Eigentums im Zeitalter der neuen Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 IV. Schutz geistigen Eigentums im Zeitalter der Globalisierung . . . . . . . . . . . . 41 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick . . . . . . . . 42 I. Der Schutz technischer Erfindungen: Patent- und Gebrauchsmusterrecht . 42 1. Patentrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Gebrauchsmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Der Schutz von Leistungen im Bereich des Designs: Designschutzrecht . . . 44 III. Der Schutz von Kennzeichen: Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 IV. Spezialmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes: Topographieschutz und Sortenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Halbleiterschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 V. Der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb: Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht i. e. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 VI. Der Schutz vertraulicher Informationen: Geschäftsgeheimnisse . . . . . . . . . 47 VII.Der Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst: Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Gesetzliche Grundlage und Werkbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Urheberrecht im Informationszeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 I. Ausgangspunkt: Das Streben nach technischem Fortschritt und Ausdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 II. Antike und Mittelalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 III. Privilegienwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 IV. Die Theorie vom geistigen Eigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert / Reichsgesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . 54 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 6 Inhalt I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 II. Beschränkter Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Staatsverträge zum Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 1. Pariser Verbandübereinkunft ( PVÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 2. Sonderabkommen zur PVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 4. WIPO -Konvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 5. TRIPS -Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 IV. Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 1. Rechtssetzungskompetenz der EU im Bereich des geistigen Eigentums . 64 2. Formen des Rechts der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 3. Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . 65 4. Einheitliche Gemeinschaftsschutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Zentrale Kategorien geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Entdeckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 2. Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. Entdeckung als Grundlage eines Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 4. Wissenschaftliche Theorien und Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 III. Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen . . . . . . . . . . . . . . . . 74 1. Technische Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 2. Nicht-technische Problemlösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 IV. Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen . . . . . . . . . . . 77 V. Kategoriale Erfassung der Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 VI. Ergebnisse geistigen Schaffens und normativ-rechtliche Ausgestaltung . . . 79 1. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . . . 84 I. Verfassungsrechtliche Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 II. Das Recht des geistigen Eigentums als Teil des Privatrechts . . . . . . . . . . . . . 85 1. Zuordnung zum Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 2. Nebengebiete des bürgerlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Kennzeichenschutz außerhalb des Markengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 4. Bezüge zum Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 III. Verwaltungsrechtliche Bezüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 IV. Straftat- und Bußgeldtatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 I. Allgemeine Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 II. Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 7 Inhalt 1. Technische Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Designrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3. Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 III. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 1. Die traditionelle Bedeutung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 2. Der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 1. Kapitel. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 2. Kapitel. Patentschutz in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . 97 I. Patentierbare Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 1. Technizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 2. Ausschluss von der Patentierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 3. Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden 101 4. Biotechnologische Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 II. Gewerbliche Anwendbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Stand der Technik (SdT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Vorveröffentlichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 2. Ältere Anmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 II. Durchschnittsfachmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 III. Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 IV. Erfinderische Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 § 10 Recht auf das Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 I. Erfinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II. Erfinderrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 IV. Berechtigter vor den Patentbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 1. Verfahren vor dem DPMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 2. Verfahren vor dem BP atG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 3. Verfahren vor dem BGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 II. Zur Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 III. Fristen, Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 1. Fristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 2. Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3. Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 IV. Sonstiges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 8 Inhalt 2. Gebühren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 3. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 4. Schriftlichkeit, Elektronische Dokumente und Elektronische Akte . . . 118 5. Patentregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 I. Patentanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 II. Anmeldetag und Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetags . . . . . . . . . 122 2. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 III. Teilanmeldung, Ausscheidung und Zusatzpatent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Teilanmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Ausscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Zusatzpatent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 IV. Erteilungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Offensichtlichkeitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Recherchebericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 4. Vollständige Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5. Patenterteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 § 13 Einspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 I. Erhebung des Einspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 II. Einspruchsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 III. Beitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 IV. Begründung des Einspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 § 14 Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 I. Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 II. Nichtigkeitsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Begründung der Nichtigkeitsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 § 15 Wirkungen des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 I. Räumliche Wirkung des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 II. Zeitliche Wirkung des Patents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 1. Verkürzung und Entfall der Patentdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Schutzdauerverlängerung durch ergänzendes Schutzzertifikat . . . . . . . 136 III. Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 1. Wortsinngemäßer Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Äquivalenter Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Konsequenzen für die Schutzbereichsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 16 Rechte aus dem Patent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 I. Rechte aus Erzeugnisansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 1. Herstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 2. Anbieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Inverkehrbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 4. Gebrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 5. Einführen und Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 9 Inhalt II. Rechte aus Verfahrensansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 1. Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 2. Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 3. Durch Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis . . . . . . . . . . . . . . 144 III. Rechte aus Verwendungsansprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 IV. Mittelbare Patentbenutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 I. Ausnahmen der Patentwirkung nach § 11 PatG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 II. Vorbenutzungs- und Weiterbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Vorbenutzungsrecht (vor Patentanmeldung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 2. Weiterbenutzungsrecht (nach Wiedereinsetzung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 III. Erschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 IV. Lizenzbereitschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 V. Weitere Rechtsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 1. Benutzungsanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 2. Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 § 18 Übertragung, Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 I. Übertragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 II. Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Kapitel. Besonderheiten bei europäischen Patenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 19 Europäische Patentanmeldungen bis zur Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . 158 § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung . . . . . . . . . . . . . 159 § 21 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 22 Nationale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) . . . . . . . . 161 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Wirkung des Einheitspatents . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 III. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 4. Kapitel. Der Patentzusammenarbeitsvertrag (PCT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 § 24 PCT Kapitel I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 § 25 PCT Kapitel II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 § 26 Nationale und regionale Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 5. Kapitel. Gebrauchsmusterrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt . . . 169 I. Gebrauchsmusterfähige Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 II. Neuheit und Stand der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 1. Stand der Technik (SdT) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 2. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 III. Erfinderischer Schritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Gebrauchsmusteranmeldung und Abzweigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 10 Inhalt II. Recherche, Prüfung und Veröffentlichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 III. Wirkungen des Gebrauchsmusters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 § 29 Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 § 30 Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 6. Kapitel. Arbeitnehmererfinderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 § 31 Anwendungsbereiche des Arb EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 I. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Erfindungen, Verbesserungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Diensterfindungen, freie Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung . . . . . . . . . . . 177 I. Erfindungsmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Inanspruchnahme und deren Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 2. Wirkung der Inanspruchnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 3. Freigewordene Diensterfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 III. Erfindervergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 § 33 Freie Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften . . . . . . 182 I. Schiedsverfahren und gerichtliche Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 II. Übergangsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 § 35 Halbleiterschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Einordnung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 II. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 1. Materielle Schutzvoraussetzungen, Berechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 3. Schutzentstehung, Geltendmachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 III. Wirkungen des Halbleiterschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 1. Schutzgegenstand, Schutzumfang, Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Rechte des Schutzrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 3. Ansprüche des Schutzrechtsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 § 36 Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 I. Einordnung und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 III. Recht auf Sortenschutz, Rechtsnachfolge, Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 IV. Wirkungen des Sortenschutzes, Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 1. Alleiniges Vermehrungsrecht des Sortenschutzinhabers . . . . . . . . . . . . 194 2. Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 11 Inhalt 3. Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 V. Internationales und europäisches Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 1. Internationaler Schutz von Pflanzenzüchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 2. Gemeinschaftliches Sortenschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht . . . 197 § 37 Allgemeines zum Designschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 III. Wesen und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 IV. Bedeutung: Designschutzrecht in Zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 § 38 Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 I. Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 II. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Neuheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Eigenart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 3. Neuheitsschonfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 III. Schutzausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Technische Bedingtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Verbindungselemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 3. Sonstige Ausschlusstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 IV. Exkurs: Ersatzteilproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 1. Ausgangspunkt: Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Ausschluss sog. must-fit-Teile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Schutzbeschränkung auf sichtbare Bauelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Übergangsbestimmung zu Reparaturteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 5. Vorschlag der Kommission betreffend Ersatzteilmarkt . . . . . . . . . . . . . 212 V. Formelle Schutzvoraussetzungen, Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . 213 1. Anmeldeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 2. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 3. Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . 216 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 I. Berechtigte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 II. Entstehung und Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 III. Eingetragenes Design als Gegenstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 218 1. Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 2. Dingliche Rechte, Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren . . . . . . . . 219 3. Lizenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 IV. Nichtigkeit und Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Nichtigkeitsverfahren beim DPMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Absolute Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Relative Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 4. Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 12 Inhalt § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Schutzwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 1. Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 2. Rechte und Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 3. Beschränkungen, Vorbenutzungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 II. Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Beseitigung, Unterlassung, Schadenersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 2. Flankierende Ansprüche, Erschöpfung, Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Strafvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 I. Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Duales Schutzsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 1. Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster . . . . . . . . . . . . . . 228 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Kapitel. Allgemeines zum Kennzeichenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 42 Gegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 § 43 Schutzzweck und Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 2. Kapitel. Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 45 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 III. Markenformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Entstehung des Markenschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 1. Registermarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Benutzungsmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 3. Notorisch bekannte Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 § 46 Zeitrang und Vorrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Inhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 II. Absolute Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 2. Eintragungsausschluss (§ 8 Abs. 1 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 3. Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 4. Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 5. Übliche Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 6. Täuschungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 7. Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten . . . . . . . . 265 8. Hoheitszeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 13 Inhalt 9. Prüf- und Gewährzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 10. Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 11. Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weine, garantiert traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen . . . . . 266 12. Entgegenstehende Gesetze als Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 13. Bösgläubige Markenanmeldungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 14. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Relative Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 2. Angemeldete oder eingetragene Marken als relative Schutzhindernisse 272 3. Identische Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 4. Verwechslungsgefahr von Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 5. Schutz bekannter Marken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 6. Notorisch bekannte Marke (Notorietätsmarke) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 7. Agentenmarke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 8. Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen mit älterem Zeitrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 9. Sonstige ältere Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 II. Ausschließlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 1. Territoriale Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 2. Kollisionstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 3. Untersagungstatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 4. Einreden und Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 5. Haftung des Betriebsinhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 III. Rechtsfolgen aus Markenverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 1. Unterlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 2. Schadensersatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 3. Auskunftsanspruch (§ 19 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 4. Vernichtung (§ 18 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Eingetragene Marken in Nachschlagewerken (§ 16 MarkenG) . . . . . . . . . . 292 § 49 Schranken des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 I. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 II. Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 III. Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . 297 IV. Erschöpfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 V. Benutzungszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 VI. Benutzung der Marke (§ 26 MarkenG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 § 50 Marken als Vermögensgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 I. Rechtsübergang und dingliche Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 II. Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 14 Inhalt 1. Anmeldung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 2. Anmeldetag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 3. Priorität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 4. Prüfung des Patent- und Markenamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 5. Beschleunigte Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 6. Rücknahme, Beschränkung, Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 7. Eintragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 8. Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 II. Teilung, Schutzdauer und Verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 1. Teilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 2. Schutzdauer und Verlängerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 III. Verzicht, Verfall und Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 1. Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Verfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 3. Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 4. Nichtigkeit wegen Bestehens älterer Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 5. Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . 327 6. Wirkung der Löschung wegen Verfalls oder Nichtigkeit . . . . . . . . . . . . 328 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Allgemeine Vorschriften für das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt, Akteneinsicht, Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Akteneinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 2. Erinnerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 II. Beschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 2. Beschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 3. Durchgriffsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 III. Rechtsbeschwerde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 2. Rechtsbeschwerdeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 IV. Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung, Inlandsvertreter und sonstige Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 1. Wiedereinsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 2. Weiterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 3. Inlandsvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 4. Weitere Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 II. Eintragungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 1. Unterscheidungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 2. Inhaberschaft und Markensatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 3. Geltendmachung von Rechten und Schutzschranken . . . . . . . . . . . . . . . 343 4. Löschungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme . . . . . . . 345 15 Inhalt I. Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 II. Streitwertbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 III. Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 1. Strafbare Kennzeichenverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . 347 3. Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 IV. Beschlagnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 3. Kapitel. Geschäftliche Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 55 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 § 56 Unternehmenskennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 I. Name und Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 II. Geschäftsabzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 III. Verkehrsgeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 IV. Räumlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 V. Entstehen und Erlöschen von Unternehmenskennzeichen . . . . . . . . . . . . 352 VI. Übertragbarkeit und Lizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 VII.Verwechslungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 § 57 Titelschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 II. Schutzobjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 III. Entstehen und Erlöschen von Titelschutzrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 IV. Titelschutzanzeige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 V. Verwechslungsgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 1. Titelähnlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 2. Werknähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 3. Kennzeichnungskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 § 58 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 I. Ausschließliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 II. Bekannte geschäftliche Bezeichnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 4. Kapitel. Geografische Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 59 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 60 Schutz geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 I. Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 II. Schutzinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 1. Einfache geografische Herkunftsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 360 2. Qualifizierte geografische Herkunftsangabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 III. Geografische Herkunftsangabe mit besonderem Ruf . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 IV. Abwandlungen geografischer Herkunftsangaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 § 61 Schutz gem. VO ( EU ) Nr. 1151 / 2012 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 I. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 16 Inhalt II. Verfahren zur Eintragung einer geografischen Angabe oder Ursprungsbezeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 III. Einspruchs- und Löschungsverfahren, Überwachung, Verletzung . . . . . . 364 5. Kapitel. Exkurse Olympiaschutzgesetz und Domain-Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 § 62 Exkurs: Olympiaschutzgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 I. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 II. Gesetzesgegenstand und Inhaber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 III. Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Altrechte und Verfassungskonformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 § 63 Exkurs: Domain-Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 6. Kapitel. Internationale Registrierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 § 64 Internationale Registrierung ( IR ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371 I. Das Madrider System der Internationalen Registrierung von Marken . . . 371 II. Unterschiede zwischen MMA und PMMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 III. Eintragungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 IV. Schutzversagung und Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 V. Vorteile der Internationalen Registrierung von Marken . . . . . . . . . . . . . . . 376 § 65 Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 § 66 Nationale Vorschriften für IR - und Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 I. MMA und PMMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 II. Unionsmarken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Sechster Abschnitt: Urheberrecht und verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . 379 1. Kapitel. Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 § 67 Allgemeines Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Begriff und Wesen des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Europäisierung des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 § 68 Werkbegriff, Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 I. Materielle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 383 1. Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 2. Ergebnis persönlichen Schöpfens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 3. Geistiger Gehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 4. Sinnlich wahrnehmbare Formgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 5. Individualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 6. Kleine Münze, Gestaltungshöhe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 II. Formelle Schutzvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 1. Grundsatz der Formfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388 2. Bedeutung des Copyright-Vermerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 § 69 Die Werkarten im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 I. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme . . . . . . 390 17 Inhalt 1. Schriftwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 2. Reden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 3. Computerprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 II. Musikwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 III. Pantomimische Werke, Tanzkunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 IV. Werke der bildenden Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 1. Zweckfreie („reine“) Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Angewandte Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 3. Baukunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 V. Lichtbildwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 VI. Filmwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 VII. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art . . . . . . . . . . . . . . 400 VIII. Wissenschaftliche Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 IX. Umarbeitungen, Veränderungen eines Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 1. Bearbeitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 2. Systematik urheberrechtlich relevanter Umarbeitungen . . . . . . . . . . . . 402 3. Neugestaltung, freie Benutzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 X. Sammelwerke, Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 1. Sammelwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Datenbankwerke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 XI. Exkurs: Urheberrechtlicher Schutz spezieller Schutzobjekte . . . . . . . . . . . 407 1. Urheberrechtlicher Schutz einer Website . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 2. Urheberrechtlicher Schutz von Multimediawerken . . . . . . . . . . . . . . . . 408 § 70 Urheberschaft am Werk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 I. Urheber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 II. Miturheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 1. Begriff, Abgrenzung Sammelwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410 2. Schöpferischer Beitrag, Gesamthandgemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 III. Urheber verbundener Werke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 § 71 Inhalt des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 I. Urheberpersönlichkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 1. Grundlage des Urheberpersönlichkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 2. Veröffentlichungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 3. Anerkennung der Urheberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 4. Entstellung des Werkes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 5. Weitere persönlichkeitsrechtliche Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 II. Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 1. Systematik und Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 2. Ausgewählte Verwertungsrechte im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 3. Exkurs: Internettypische Benutzungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 III. Schutzgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 1. Mitteilungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 2. Individualität und geistiges Gemeingut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 3. Form und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 18 Inhalt IV. Schutzumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 V. Schutzdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 § 72 Schranken des Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 I. Allgemeines Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 II. Die urheberrechtlichen Schranken im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 III. Ausgewählte Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 1. Vorübergehende Vervielfältigungshandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 438 2. Zeitungsartikel und Rundfunkkommentare . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 3. Zitierfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 4. Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch . . . 443 5. Vergütungspflicht für Vervielfältigungen nach §§ 53, 60a bis 60f . . . . . 449 6. Besondere Schranken für Datenbankwerke, Datenbanken und Computerprogramme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 7. Bildnisse / Recht am eigenen Bild ( KUG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 8. Gesetzlich erlaubte Nutzungen für Unterricht, Wissenschaft und Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 § 73 Rechtsverkehr im Urheberrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 I. Vererbung, Grundsatz der mangelnden Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . 462 II. Urhebervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 1. Einräumung Nutzungsrecht und Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2. Einfache und ausschließliche Nutzungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 3. Übertragung von Nutzungsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 4. Beschränkungen des Nutzungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 5. Übertragungszweckgedanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 6. Unbekannte Nutzungsart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 7. Sicherstellung des Anspruchs auf angemessene Vergütung . . . . . . . . . . 470 8. Beiträge zu Sammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 III. Urheber in Arbeits- und Dienstverhältnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 1. Ausgangslage: Schöpferprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 3. Rechtserwerb vom Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 2. Kapitel. Verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 § 74 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 § 75 Ausgewählte verwandte Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 I. Schutz der Lichtbilder (Fotografien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 II. Schutz der ausübenden Künstler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 III. Schutz des Herstellers von Tonträgern, des Sendeunternehmens, des Presseverlegers und des Filmherstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 1. Hersteller eines Tonträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 2. Sendeunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 3. Schutz des Presseverlegers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 4. Schutz des Filmherstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 IV. Schutz der Datenbankhersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 19 Inhalt 1. Zweigliedriges Schutzkonzept für Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 2. Datenbank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 3. Datenbankhersteller (Begriff und Rechte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 3. Kapitel. Gemeinsame Bestimmungen für Urheberrecht und verwandte Schutzrechte . 487 § 76 Ergänzende Schutzbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 I. Schutz technischer Maßnahmen (§ 95a UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 1. Umgehungsverbot (§ 95a Abs. 1 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 2. Legaldefinition „Technische Maßnahme“ (§ 95a Abs. 2 UrhG) . . . . . . . 488 3. Vorbereitungshandlungen (§ 95a Abs. 3 UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 489 4. Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden (§ 95a Abs. 4 UrhG) . . . . . 489 II. Durchsetzung von Schrankenbestimmungen (§ 95b UrhG) . . . . . . . . . . . . 489 1. Verpflichtung gegenüber Schrankenbegünstigtem (§ 95b Abs. 1 UrhG) 489 2. Individueller Anspruch des Begünstigten (§ 95b Abs. 2 UrhG) . . . . . . . 490 3. Ausnahme zu Gunsten interaktiver Dienste (§ 95b Abs. 3 UrhG) . . . . . 491 III. Schutz der zur Rechtewahrnehmung erforderlichen Informationen (§ 95c UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 491 IV. Kennzeichnungspflichten (§ 95d UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 V. Ergänzende Straf- und Bußgeldvorschriften (§§ 108b, 111a UrhG) . . . . . . . 492 1. Strafrechtliche Sanktionen (§ 108b UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 2. Ordnungswidrigkeiten (§ 111a UrhG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 § 77 Rechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 I. Zivilrechtliche Ansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 II. Strafrechtliche Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 4. Kapitel. Internationaler Urheberrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 § 78 Anwendbarkeit deutschen Urheberrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 I. Persönlicher Anwendungsbereich (Fremdenrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 II. Räumlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 § 79 Internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 I. Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 II. Deliktischer Gerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 III. Veröffentlichungen im Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 500 § 80 Anwendbares Recht (Kollisionsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 I. Internationales Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 II. Schutzlandprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 III. Anwendbares Urheberrecht bei Verletzungshandlungen im Internet . . . . 504 § 81 Urheberrechtsschutz im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 I. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 II. TRIPS -Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 505 1. Grundprinzipen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 2. Die urheberrechtlichen Regelungen des TRIPS -Übereinkommens . . . . 506 III. WIPO -Urheberrechtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 20 Inhalt Siebter Abschnitt: Wettbewerbsrecht (Lauterkeitsrecht) . . . . . . . . . . . . . . . . . 509 § 82 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 I. Das Wettbewerbsrecht als Rechtsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511 II. Aufgabe und Bedeutung des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 III. Eingrenzung, Rechtsgrundlagen des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 513 IV. Einwirkungen des Europäischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 2. Primäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 3. Sekundäres Unionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 V. Stellung des Wettbewerbsrechts in der Gesamtrechtsordnung . . . . . . . . . . 519 1. Das Lauterkeitsrecht als Sonderprivatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 519 2. Das Lauterkeitsrecht als Teilgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes . . 520 § 83 Rechtsentwicklung: UWG -Reformen 2004 bis 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 I. UWG -Reform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 1. Aufhebung von Rabattgesetz und Zugabeverordnung 2001 . . . . . . . . . . 522 2. Unzureichende Liberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 3. Entstehungsgeschichte UWG -Reform 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 4. Die Struktur des UWG -Reformgesetzes 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 5. Im Rahmen der Reform 2004 neu in das Gesetz aufgenommene Reglungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 II. UWG -Reform 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 525 2. Überblick über die wesentlichen Neuerungen 2008 . . . . . . . . . . . . . . . . 526 III. Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung, Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 527 IV. UWG -Reform 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 2. Die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 3. Richtlinienkonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 4. Überblick über die wesentlichen Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 V. Fazit zur Entwicklung des Lauterkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 531 § 84 Die allgemeinen wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 I. Zweck des Gesetzes (§ 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 II. Definitionen (§ 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532 1. Geschäftliche Handlung (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 2. Marktteilnehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 3. Mitbewerber (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 4. Nachricht (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 5. Verhaltenskodex (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 6. Unternehmer (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 534 7. Unternehmerische Sorgfalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 7 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 535 8. Wesentliche Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 9. Geschäftliche Entscheidung (§ 2 Abs. 1 Nr. 9 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . 536 21 Inhalt III. Verbot unlauterer geschäftlicher Handlungen (§ 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . 537 1. Die sog. große Generalklausel (§ 3 Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537 2. Die sog. Verbrauchergeneralklausel (§ 3 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . 538 3. Gegenüber Verbrauchern stets unzulässige geschäftliche Handlungen (§ 3 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 539 4. Die sog. schwarze Liste (Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . 540 5. Durchschnittsverbraucher / durchschnittliches Mitglied einer Verbrauchergruppe (§ 3 Abs. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 547 6. Vorschlag für die Prüfung eines Wettbewerbsverstoßes . . . . . . . . . . . . . 547 IV. Rechtsbruch (§ 3a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 1. Verstoß gegen Marktverhaltensregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 549 2. Differenzierung bei Marktzutrittsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 3. Praktisch bedeutsame Marktverhaltensregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 550 V. Mitbewerberschutz (§ 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 1. Herabsetzung von Mitbewerbern (§ 4 Nr. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 551 2. Anschwärzung (§ 4 Nr. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553 3. Ergänzender Leistungsschutz (§ 4 Nr. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 554 4. Behinderung (§ 4 Nr. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 559 VI. Aggressive geschäftliche Handlungen(§ 4a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 1. Systematische Stellung und Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563 2. Tatbestand (§ 4a Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 3. Feststellung einer aggressiven geschäftlichen Handlung (§ 4a Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 568 4. Beispiele aggressiver geschäftlicher Handlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 569 VII.Irreführung (§§ 5, 5a UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 570 1. Irreführende geschäftliche Handlungen (§ 5 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . 570 2. Irreführung durch Unterlassen (§ 5a UWG UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . 575 VIII. Vergleichende Werbung (§ 6 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 582 1. Rechtsentwicklung, Umkehr des Regel-Ausnahme-Prinzips . . . . . . . . . 582 2. Begriff der vergleichenden Werbung (§ 6 Abs. 1 UWG ) . . . . . . . . . . . . . 583 3. Unzulässigkeit vergleichender Werbung (§ 6 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . 584 IX. Unzumutbare Belästigungen (§ 7 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 589 1. Generalklauselartige Umschreibung der Belästigung (§ 7 Abs. 1 UWG ) 589 2. Anwendungsfälle unzumutbarer Belästigungswerbung (§ 7 Abs. 2 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 3. Ausnahmsweise Zulässigkeit von E-Mail-Werbung (§ 7 Abs. 3 UWG ) . 595 4. Zusammenfassende Übersicht zur belästigenden Direkt-Werbung . . . 595 5. Alternative Regelungsmodelle: „opt-in“ oder „opt-out“? . . . . . . . . . . . . 596 § 85 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 I. Beseitigung und Unterlassung (§ 8 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 1. Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch (§ 8 Abs. 1, 2 UWG ) . . . . . . . 598 2. Aktivlegitimation (§ 8 Abs. 3 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 598 3. Missbräuchliche Rechtsverfolgung (§ 8 Abs. 4 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . 599 II. Schadensersatz (§ 9 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 22 Inhalt III. Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600 IV. Verjährung (§ 11 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 § 86 Straf- und Bußgeldvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 601 I. Lauterkeitsrechtlichen Strafbestimmungen de lege lata / de lege ferenda . 601 II. Die Straf- und Bußgeldtatbestände des UWG im Überblick . . . . . . . . . . . . 602 1. Strafbare Werbung (§ 16 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602 2. Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen (§ 17 UWG ) . . . . . . . . 603 3. Verwertung von Vorlagen (§ 18 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 4. Verleiten und Erbieten zum Verrat (§ 19 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 5. Bußgeldvorschriften (§ 20 UWG ) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 607 Achter Abschnitt: Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 609 § 87 Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 I. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 611 II. Rechtsdurchsetzung im Bereich des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . 611 1. Die Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums . . 611 2. Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 614 § 88 Gläubiger und Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 621 I. Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 II. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 1. Täterschaft und Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 622 2. Störerhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624 § 89 Außergerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 I. Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 1. Einordnung, Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 627 2. Begriff, Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 3. Keine Pflicht zur Abmahnung, kostenrechtlicher Hintergrund . . . . . . . 629 4. Rechtsnatur, Vollmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 630 5. Form, Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 6. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 631 7. Entbehrlichkeit der Abmahnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 633 8. Wichtige begriffliche Differenzierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 9. Reaktion des Abgemahnten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 634 10. Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 635 11. Unbegründete Abmahnung, Gegenansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 12. Abgrenzung zur Berechtigungsanfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 639 II. Unterwerfungserklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 641 2. Rechtsnatur, Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 3. Zustandekommen des Unterlassungsvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 642 4. Bedeutung des Vertragsstrafeversprechens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 5. Höhe der Vertragsstrafe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 643 23 Inhalt 6. Erneute Zuwiderhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 7. Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 644 III. Verfahren vor der Einigungsstelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 1. Überblick, Einordnung, Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 2. Besetzung der Einigungsstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 3. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 647 4. Verfahren, Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 § 90 Gerichtliche Durchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 I. Allgemeine Zulässigkeitsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 1. Rechtsweg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 2. Sachliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 648 3. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 649 II. Einstweilige Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 1. Bedeutung, Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 650 2. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 651 3. Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 4. Schutzschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 652 5. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 6. Vollziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 654 7. Abschlussverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 III. Hauptsacheverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 655 Linkliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 657 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 661 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 667 25 Vorwort zur 4. Auflage Vorwort zur 4.Auflage Seit dem Erscheinen der dritten Auflage des vorliegenden Buchs sind vier Jahre vergangen. Von daher war es erneut erforderlich, das Werk mit Blick auf die in weiten Teilen des Rechts des geistigen Eigentums und des Lauterkeitsrechts fortschreitende Rechtsentwicklung zu überarbeiten und zu aktualisieren. Die neue Auflage berücksichtigt die aktuelle Rechtsprechung sowie insbesondere die folgenden Neuerungen: ▶ Richtlinie 2014 / 26 / EU v. 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt; ▶ Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb v. 2. 12. 2015 ( UWG -Reform 2015); ▶ Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken; ▶ Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes v. 4. 4. 2016; ▶ Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2014 / 26 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt sowie zur Änderung des Verfahrens betreffend die Geräte und Speichermedienvergütung ( VG -Richtlinie Umsetzungsgesetz) vom 24. 05. 2016; ▶ Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung; ▶ Vorschlag der EU für eine Richtlinie zum Urheberrecht im digitalen Umfeld vom 14. 09. 2016 COM (2016) 593 final; ▶ Vorschlag für eine Verordnung mit Vorschriften für die Wahrnehmung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Rundfunkveranstaltern und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen v. 14. 9. 2016 COM (2016) 594 final; ▶ Gesetz zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung und zur Regelung von Fragen der Verlegerbeteiligung v. 20. 12. 2016; ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung-= Zusammenfassung der Vorschriften der Verordnung ( EG ) Nr. 207 / 2009 über die Gemeinschaftsmarke und die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung ( EU ) Nr. 2015 / 2424 zur Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung in einer Verordnung-= sog. kodifizierte Fassung); ▶ Verordnung ( EU ) 2017 / 1128 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 14. 6. 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt; 26 Vorwort zur 4. Auflage ▶ Gesetz zur Angleichung des Urheberrechts an die aktuellen Erfordernisse der Wissensgesellschaft v. 1. 9. 2017 (Urheberrechts-Wissensgesellschaftsgesetz-- Urh RW issG); ▶ Verordnung ( EU ) 2017 / 1563 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 9. 2017 über den grenzüberschreitenden Austausch von Vervielfältigungsstücken bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände in einem barrierefreien Format zwischen der Union und Drittländern zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen (Marrakesch-Verordnung); ▶ Richtlinie ( EU ) 2017 / 1564 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 9. 2017 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung bestimmter urheberrechtlich oder durch verwandte Schutzrechte geschützter Werke und sonstiger Schutzgegenstände zugunsten blinder, sehbehinderter oder anderweitig lesebehinderter Personen und zur Änderung der Richtlinie 2001 / 29 / EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (Marrakesch-Richtlinie); ▶ Leitfaden der EU -Kommission v. 29. 11. 2017 COM (2017) 708 final zu bestimmten Aspekten der Richtlinie 2004 / 48 / EG ; ▶ Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung v. 19. 4. 2018 (Referentenentwurf); ▶ Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Marrakesch-Richtlinie über einen verbesserten Zugang zu urheberrechtlich geschützten Werken zugunsten von Menschen mit einer Seh- oder Lesebehinderung v. 25. 4. 2018 (Referentenentwurf). Die Autoren danken dem Verlag Narr Francke Attempto für die Aufnahme des Buchs in das UTB -Programm des Verlages und die gewährte Unterstützung seitens des Lektorats. Dank gebührt ferner den Herren Ben Peters LL . M. und David Schomburg LL . B. für redaktionelle Mithilfe bei den vom Autor Pierson bearbeiteten Abschnitten. Schließlich bedanken sich die Autoren für die positive Aufnahme, die das Buch auch in seiner dritten Auflage erfahren hat, und sind der Leserschaft weiterhin für konstruktive Kritik und Anregungen dankbar. Marburg und Wolfenbüttel Matthias Pierson Braunschweig Thomas Ahrens Barsinghausen und Hannover Karsten Fischer April 2018 27 Abkürzungsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Aa. A. anderer Ansicht aaO am angegebenen Ort AB l. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (Internet-Zugang über http: / / europa.eu.int/ eur-lex/ de/ ) AB l. EG / EU Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften / der Europäischen Union AB l. EPA Amtsblatt des Europäischen Patentamts Abs. Absatz ADR Alternative Dispute Resolution AG Aktiengesellschaft a. E. am Ende AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der EU a. F. alter Fassung AfP Archiv für Presserecht a. M. anderer Meinung Anm. Anmerkungen AOEPÜ Ausführungsordnung zum EPÜ AOEPÜ 2000 Ausführungsordnung zum EPÜ 2000 AOPCT Ausführungsordnung zum PCT Arb EG Arbeitnehmererfindergesetz Art. Artikel Aufl. Auflage Az. Aktenzeichen BB2B Business to Business B2C Business to Consumer BB Betriebsberater (Fachzeitschrift) Bd. Band Beck RS Beck (online) Rechtsprechung betr. betreffend BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGB -Info- VO Verordnung über Informationspflichten nach bürgerlichem Recht BGB l. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BIP Bruttoinlandsprodukt 28 Abkürzungsverzeichnis Bl. f. PMZ Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BMWA Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit BMW i Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie BO Berufsordnung BP atG Bundespatentgericht BP at GE Entscheidungen des Bundespatentgerichtes BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung BSA Bundessortenamt BSAV fV Verordnung über Verfahren vor dem Bundessortenamt BT -Drucks. Bundestags-Drucksache BR -Drucks. Bundesrats-Drucksache bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise Cca. circa cc carbon copy CD Compact Disc CD - ROM Compact Disc Read-Only Memory COM Dokumente der Europäischen Kommission CR Computer und Recht (Fachzeitschrift) Dd. h. das heißt DVUM Delegierte Unionsmarkenverordnung DENIC Deutsche Internet Network Information Center DesignG Designgesetz DesignV Designverordnung DPMA Deutsches Patent- und Markenamt DPMAV Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt DRM Digital Rights Management DSM Digital Single Market DSGVO Datenschutz-Grundverordnung dtv Deutscher Taschenbuch Verlag DuD Datenschutz und Datensicherheit (Fachzeitschrift) DVD Digital Video Disc E ECRL Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr EG Europäische Gemeinschaft oder Erwägungsgrund EGBGB Einführungsgesetz zum BGB 29 Abkürzungsverzeichnis EGG Gesetz zum elektronischen Geschäftsverkehr EGSVO Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz EGV Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einl. Einleitung EPA Europäisches Patentamt EPGÜ Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht EPÜ Europäisches Patentübereinkommen EPÜ 2000 Europäisches Patentübereinkommen 2000 etc. et cetera EU Europäische Union Eu GEI Europäisches Gericht erster Instanz Eu GH Europäischer Gerichtshof Eu GVVO EG -Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (auch Brüssel-I-Verordnung genannt) Eu GVÜ Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen EU IPO European Union Intellectual Property Office EUR Euro EUV EU -Vertrag Eu ZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWR Europäischer Wirtschaftsraum F FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung f. bzw. ff. Folgeseite(n) F&E Forschung und Entwicklung Fußn. Fußnote FS Festschrift G GATT General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll- und Handelsübereinkommen) GA usf OM- MA / PMMA Gemeinsame Ausführungsordnung zum MMA und PMMA GbR Gesellschaft bürgerlichen Rechts Gebr MG Gebrauchsmustergesetz GebVerz Gebührenverzeichnis GEMA Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (Verwertungsgesellschaft) 30 Abkürzungsverzeichnis GeschGehG Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (Referentenentwurf) Geschm MG Geschmacksmustergesetz Geschm MV Geschmacksmusterverordnung gem. gemäß ggf. gegebenenfalls GG Grundgesetz GGE Gesetz für Geistiges Eigentum (Modellgesetz) GGV / GGVO Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung GKG Gerichtskostengesetz GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gmb HG GmbH-Gesetz GMDVO Gemeinschaftsmarkendurchführungsverordnung GMVO Gemeinschaftsmarkenverordnung GoA Geschäftsführung ohne Auftrag GRC h Europäische Grundrechtecharta GRL Geschmacksmusterrichtlinie GRUR Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (Fachzeitschrift) GRUR Int. Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht international (Fachzeitschrift) GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen H HABM Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (umbenannt in EU IPO ) HGB Handelsgesetzbuch HLS chG Halbleiterschutzgesetz h.M. herrschende Meinung HMA Haager Musterschutzabkommen Hrsg. Herausgeber HWG Heilmittelwerbegesetz I ICANN Internet Corporation for the Assigned Numbers and Names i. d. F. in der Fassung i. e. S. im engeren Sinne InfoSoc-RiL Richtlinie 2001 / 29 / EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft InTeR Innovations- und Technikrecht (Fachzeitschrift) IntPat ÜG Gesetz über internationale Patentübereinkommen ITRB IT -Rechtsberater (Fachzeitschrift) IPR Internationales Privatrecht 31 Abkürzungsverzeichnis IR Internationale Registrierungen i. S. im Sinne i. S. v. im Sinne von IuK Informations- und Kommunikationstechnologie i. V. m. in Verbindung mit IZPR internationales Zivilprozessrecht JJur PC Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik KKap. Kapitel KG Kammergericht oder Kommanditgesellschaft Kommission Kommission der Europäischen Gemeinschaften KOM Dokumente der Europäischen Kommission KUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste und der Photographie LLadSchlG Ladenschlussgesetz lit. lat. littera (Buchstabe) LG Landgericht LUG Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst MMaMoG Markenmodernisierungsgesetz MarkenG Markengesetz MarkenR Markenrecht (Fachzeitschrift) Marken RL Markenrichtlinie MarkenV Markenverordnung MD Mini Disc MDS tV Mediendienstestaatsvertrag Mitt. Mitteilungen Deutscher Patentanwälte MMA Madrider Markenabkommen MMR MultiMediaRecht (Fachzeitschrift) Mon Monat MPI Max-Planck-Institut m. w. Nachw. mit weiteren Nachweisen Mrd. Milliarde(n) 32 Abkürzungsverzeichnis Nn. Chr. nach Christus n. F. neuer Fassung NJW Neue Juristische Wochenschrift (Fachzeitschrift) NKA Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken Oo. Ä. oder Ähnliches OHG Offene Handelsgesellschaft OHIM Office for Harmonisation in the Internal Market (umbenannt in EU IPO ) OLG Oberlandesgericht OlymiaSchG Gesetz zum Schutz des olympischen Emblems und der olympischen Bezeichnungen OMPI Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle (=- WIPO ) P PA ngV Preisangabenverordnung PatG Patentgesetz PatV Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt PatKostG Patentkostengesetz PC Personal Computer PCT Patent Cooperation Treaty Pfl ZÜ Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen PIZ Patentinformationszentrum p. m. a. post mortem auctoris PMMA Protokoll zum Madrider Markenabkommen Pr PVO Produktpiraterieverordnung Pr PDVO Produktpirateriedurchführungsverordnung PVÜ Pariser Verbandsübereinkunft R RBÜ Revidierte Berner Übereinkunft rd. rund Rdn. Randnummer RefE Referentenentwurf R, Rg. Regel RGB l Reichsgesetzblatt Rs. In der Rechtssache 33 Abkürzungsverzeichnis Rspr. Rechtsprechung RS tV Rundfunkstaatsvertrag Ss. siehe S. Satz S. Seite s. o. siehe oben SEK interne Arbeitsdokumente der Europäischen Kommission sog. sogenannte SortG Sortenschutzgesetz SdT Stand der Technik SLD Second-Level-Domain Slg. Sammlung der Rechtsprechung des Eu GH und des Eu GEI Sp. Spalte SSV Sommerschlussverkauf SZ Süddeutsche Zeitung st.Rspr. ständige Rechtsprechung St GB Strafgesetzbuch s. u. siehe unten TTabu Taschenbuch des gewerblichen Rechtschutzes TDDSG Teledienstedatenschutzgesetz TDG Teledienstegesetz TDM Text und Data Mining TKG Telekommunikationsgesetz TLD Top Level Domain TMG Telemediengesetz TRIPS Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights TSD Tausend Uu. und u. a. und andere oder unter anderem UFITA Archiv für Urheber-, Film-, Funk- und Theaterrecht UGP -Richtlinie Richtlinie 2005 / 29 / EG über unlautere Geschäftspraktiken UK United Kingdom UK laG Unterlassungsklagengesetz UMV Unionsmarkenverordnung UMDV Unionsmarkendurchführungsverordnung 34 Abkürzungsverzeichnis UPOV International Union for Protection of New Varieties of Plants UrhG Urheberrechtsgesetz Urh WG Urheberrechtswahrnehmungsgesetz UrhWissG Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetz URRL Urheberrechtsrichtlinie USA United States of America UWG Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Vv. von v. Chr. vor Christus VerlagsG Gesetz über das Verlagsrecht VG Verwertungsgesellschaft VGG Verwertungsgesellschaftengesetz vgl. vergleiche VO Verordnung VPP Vereinigung von Fachleuten des gewerblichen Rechtsschutzes W WBZ Wettbewerbszentrale WCT WIPO Copyright Treaty WIPO World Intellectual Property Organization (=- OMPI ) WPPT WIPO Performance and Phonograms Treaty WRP Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift) WSV Winterschlussverkauf WTO World Trade Organization WUA Welturheberrechtsabkommen www world wide web Zz. B. zum Beispiel ZGE Zeitschrift für Geistiges Eigentum ZPO Zivilprozessordnung ZPÜ Zentralstelle für private Überspielungsrechte ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht z. T. zum Teil z. Zt. zur Zeit 35 Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Überblick: Gewerblicher Rechtschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht 50 Abb. 2: Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (ausgewählte wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen) 70 Abb. 3: Übersicht DE -, EP -, PCT -Verfahren 184 Abb. 4: Übersicht über Kennzeichenarten im MarkenG 239 Abb. 5: Besondere urheberrechtliche Bestimmungen für Computerprogramme 394 Abb. 6: Umarbeitungen / Veränderungen eines Werks 404 Abb. 7: Urheberschaft am Werk 412 Abb. 8: Schutzdauer von Urheber- und Leistungsschutzrechten 432 Abb. 9: Schrankenbestimmungen und schrankenbezogene Rechte des Urhebers 437 Abb. 10: Wettbewerbsrecht i. w. S. 512 Abb. 11: Prüfungsschema Wettbewerbsverstoß UWG 548 Abb. 12: Rechtliche Einordnung belästigender Direkt-Werbung (§ 7 UWG ) 596 Abb. 13: Alternative Modelle zum Schutz des Adressaten vor belästigender Direktwerbung 597 Abb. 14: Anspruchsgrundlagen Gewerblicher Rechtsschutz / Urheberrecht 621 Abb. 15: Beispiel für eine Abmahnung 639 Abb. 17: Checkliste Abmahnung 644 Abb. 18: Checkliste für Überprüfung Abmahnung aus Sicht des Abgemahnten 645 Abbildungsverzeichnis Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson § 1 Einführung I. Die beiden Hemisphären zum Schutz des geistigen Eigentums: Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Der rechtliche Schutz des geistigen Eigentums wird durch zwei umfassende, einander ergänzende Rechtsgebiete gewährleistet: Zum einen durch die spezialgesetzlichen Bestimmungen des Gewerblichen Rechtsschutzes, die dem Schutz des geistigen Eigentums im gewerblichen Bereich dienen, zum anderen durch das vom Urheberrecht abgedeckte Gebiet des Schutzes von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Unter der Bezeichnung Gewerblicher Rechtsschutz werden dabei die folgenden jeweils sondergesetzlich geregelten Gebiete zusammengefasst: das Patent- und Gebrauchsmusterrecht, das Designrecht, das Markenrecht, die Spezialmaterien des Sortenschutzrechtes und des Halbleiterschutzrechtes sowie schließlich das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) geregelte Lauterkeitsrecht. Das Lauterkeitsrecht (auch als Wettbewerbsrecht i. e. S. bezeichnet), das im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes eine Sonderrolle einnimmt, lässt sich dabei unter rechtssystematischem Blickwinkel als Klammer zwischen den angrenzenden Rechtsgebieten des Gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts begreifen, da es einerseits dem Wettbewerbsrecht (Kartellrecht und Lauterkeitsrecht-= Wettbewerbsrecht i. w. S.) zuzuordnen ist, andererseits jedoch zugleich als ein Teilbereich des Gewerblichen Rechtsschutzes verstanden wird. 1 Kennzeichnend für die Schutzgegenstände der Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums ist ihr immaterieller Charakter. Das durch das Urheberrecht und den Gewerblichen Rechtsschutz gebildete Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums wird daher auch als Immaterialgüterrecht bezeichnet. Der in diesem Buch wegen seiner Anschaulichkeit bevorzugt verwendete Begriff des „geistigen Eigentums“ als Oberbegriff für die Rechtsmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts entspricht internationalem Sprachgebrauch, 2 er ist jedoch in Deutschland mit Blick auf rechtsdogmatische Bedenken- - die begriffliche Gleichsetzung mit dem Sacheigentum als Vermögensrecht und die begriffliche Vernachlässigung der persönlichkeitsrechtlichen Seite-- umstritten. 3 1 Näheres zur Einordnung des Lauterkeitsrechts als Teil des „gewerblichen Eigentums“ vgl. Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 3. 2 Vgl. z. B. die Verwendung des Begriffs „Intellectual Property“ im Rahmen von WIPO , TRIPS , Art. 8 Abs. 2 Rom II - VO , Art. 118 Abs. 1 AEUV . 3 Vgl. hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 1, S. 1, § 6, S. 73; Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 1; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 1, S. 22; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 50; kritisch Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 7, S. 44 f. Rdn. 137 ff.; näheres vgl. Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Band II , S. 3; ferner insbes. Rigamonti, Geistiges Eigentum als Begriff und Theorie des Urheberrechts, UFITA -Schriftenreihe, Bd. 194. 40 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Zum Begriff des Immaterialgüterrechts Immaterialgüterrechte sind Rechte an verselbständigten, verkehrsfähigen geistigen Gütern. Sie sind Vermögenswerte, weisen jedoch meist auch einen mehr oder weniger starken persönlichkeitsrechtlichen Gehalt auf. 4 Die geistige Natur (das geistige Sein) der Immaterialgüter, ihre Unabhängigkeit von körperlicher Fixierung, hat zur Folge, dass sie- - anders als körperliche Güter-- ohne Einbuße an Substanz und Qualität, zu beliebiger Zeit und an beliebigem Ort genutzt bzw. sinnlich wahrgenommen werden können. 5 So kann etwa eine Erfindung überall auf der Welt als Regel zur Lösung eines technischen Problems herangezogen werden so wie ein urheberrechtliches Werk-- etwa ein Roman, ein Film oder eine Komposition- - unabhängig von Ort und Zeit den menschlichen Sinnen mitgeteilt werden kann. Die zeitliche und örtliche Ungebundenheit geistiger Güter wird gemeinhin durch den Begriff der „Ubiquität (Allgegenwart) der Immaterialgüter“ gekennzeichnet. 6 Immaterielle Güter begründen jedoch nur dann Immaterialgüterrechte, wenn sie von der Rechtsordnung einem bestimmten Rechtssubjekt-- in der Regel demjenigen, der es geschaffen hat-- als Recht zugeordnet werden. 7 Das heißt, der Kreis der von der Rechtsordnung als Schutzgegenstände eines Immaterialgüterrechts anerkannten Leistungsergebnisse ist-- im Sinne eines numerus clausus der Rechte des geistigen Eigentums-- abschließend. Im Umkehrschluss folgt daraus der Grundsatz der Nachahmungsfreiheit, d. h. außerhalb des Schutzbereichs dieser Rechte sind Leistungsergebnisse grundsätzlich frei benutzbar und genießen keinen immaterialgüterrechtlichen Schutz. 8 Die rechtliche Zuordnung eines Immaterialgutes erfolgt jeweils durch die Gewährung subjektiver absoluter-- d. h. gegen jedermann wirkender-- Privatrechte, die das Immaterialgut der Herrschaft des Berechtigten unterstellen. Die Rechtsherrschaft des Rechtsinhabers äußert sich insbesondere in der ausschließlichen Befugnis, das Immaterialgut zu verwerten (sog. positives Nutzungsrecht) 9 sowie dem Recht, Dritte von einer Einwirkung auszuschließen (sog. negatives Verbietungsrecht). 10 Die Rechtsposition des Rechtsinhabers im Bereich des geistigen Eigentums-- etwa des Inhabers eines Patents, einer Marke oder die des Urhebers eines geschützten Werkes- - offenbart die Parallele zum Sacheigentum nach BGB : sie entspricht in ihrer Ausgestaltung der Rechtstellung des Sacheigentümers, der als Eigentümer, soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen, mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. 11 4 Schönherr, FS f. A. Troller, S. 57, 63. 5 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 55 ff. 6 Vgl. Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 1 S. 1 Rdn. 5; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39. 7 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I. S. 50 f.; Schönherr, FS f. A. Troller, S. 75, 62. 8 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 9 Vgl. z. B. §§ 15 UrhG; 9 S. 1 PatG; 11 Abs. 1 S. 1 Gebr MG ; 38 Abs. 1 S. 1 DesignG; 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 MarkenG. 10 Vgl. z. B. §§ 97 ff. UrhG; 9 S. 2 PatG; 11 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ; 38 Abs. 1 S. 1 DesignG; 14 Abs. 2, 15 Abs. 2 MarkenG. 11 Vgl. § 903 S. 1 BGB . 41 § 1 Einführung Pierson III. „Konjunktur“ und Herausforderung des geistigen Eigentums im Zeitalter der neuen Medien Das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums hat in den zurückliegenden Jahrzehnten weltweit einen erheblichen Bedeutungszuwachs erfahren. Rechtsfragen des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts treten im Informationszeitalter immer stärker in den Blickpunkt des wirtschaftlichen Interesses. Hintergrund der anhaltenden „Konjunktur“ des Immaterialgüterrechts ist der rasante technologische Fortschritt, insbesondere im Bereich der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK-Technologien), der durch die Entwicklung einer Vielzahl völlig neuartiger Schlüsseltechnologien und immaterieller Wirtschaftsgüter gekennzeichnet ist. Computerprogramme, mikroelektronische Halbleiterchips (Topographien), Datenbanken, Multimediawerke und Domain Namen, stehen-- um einige der wichtigsten Schutzgegenstände zu nennen-- beispielhaft für diese Entwicklung. Innerhalb der sich in den vergangenen Jahren neu herausgebildeten juristischen „Querschnittmaterie“ des Rechts der Informationstechnologie (kurz „ IT -Recht“) nehmen daher Rechtsfragen des „geistigen Eigentums“ einen besonders breiten Raum ein. 12 Die Bereitstellung eines angemessenen und mit Blick auf die jeweils betroffenen Allgemeininteressen ausgewogenen Schutzes neuartiger immaterieller Wirtschaftsgüter stellt das international etablierte System zum Schutz des geistigen Eigentums anhaltend vor große Herausforderungen. Die Herausforderung für die Rechtsordnung zum Schutz des geistigen Eigentums besteht dabei nicht allein darin, neuartige immaterielle Wirtschaftsgüter als neue Schutzgegenstände anzuerkennen und in geeigneter Weise in das durch unterschiedliche Sondergesetze geprägte System des Immaterialgüterrechts zu integrieren. Eine besondere Herausforderung ist vielmehr auch darin zu erblicken, dass sich in dem durch die weitgehende „Digitalisierung“ immaterieller Schutzgegenstände einerseits und eine „Vernetzung“ potentieller Nutzer andererseits gekennzeichneten Informationszeitalter die Bedingungen für deren „ubiquitäre“ Nutzung- - wie insbesondere im Bereich des urheberrechtlichen Werkschutzes deutlich wird-- grundlegend geändert haben. Eine weitere neue Herausforderung für den Schutz des geistigen Eigentums zeichnet sich durch die Fortschritte im Bereich sog. generativer Fertigungsverfahren (3D- Druck) ab. Maßgebliche Folge der 3D-Drucktechnik ist es, dass nicht nur Unternehmen, sondern auch der Endverbraucher zukünftig in die Lage versetzt wird, zum eigenständigen „Produzenten“ vormals ausschließlich industriell gefertigter physischer Erzeugnisse zu werden. 13 IV. Schutz geistigen Eigentums im Zeitalter der Globalisierung Der Fortschritt im Bereich der modernen IuK-Technologien ist jedoch nicht nur durch die Entwicklung einer Vielzahl neuartiger immaterieller Schutzgegenstände gekennzeichnet, sondern vor allem auch dadurch, dass mit der Entwicklung der neuen Kommunikationsmedi- 12 Vgl. hierzu u. a. Bröcker u. a., Praxishandbuch Geistiges Eigentum im Internet; Delp, Das Recht des geistigen Schaffens in der Informationsgesellschaft. 13 Großkopf, CR 2012, 618. 42 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson en-- vor allem der E-Mail-Kommunikation und dem World Wide Web (Internet)-- die maßgebliche technische Infrastruktur für eine immer schneller voranschreitende „Globalisierung“ geschaffen wurde. In einer zunehmend globalisierten und vernetzten Wirtschaft machen die Nutzung und Verwertung immaterieller Wirtschaftsgüter naturgemäß immer seltener an den nationalen Grenzen halt, vielmehr gehört der grenzüberschreitende Wirtschaftsverkehr heute selbst für viele kleine und mittelständische Unternehmen zum geschäftlichen Alltag. Der Druck auf eine weitere Harmonisierung der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums sowie einer internationalen Vereinheitlichung der rechtlichen Instrumente zur effektiven Rechtsverfolgung ist dadurch in den zurückliegenden Jahren erheblich gestiegen. Dieser durch den Fortschritt der modernen IuK-Technologien und die zunehmende Internationalisierung des Wirtschaftsverkehrs erzeugte Druck zur Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts spiegelt sich in einer Vielzahl von Maßnahmen und Regulierungsinitiativen des Gesetzgebers wider. 14 Die Vielzahl unterschiedlicher regulatorischer Initiativen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene sowie die Geschwindigkeit, in der sich die Fortentwicklung des rechtlichen Rahmens mitunter vollzieht-- exemplarisch zu nennen ist die Vielzahl der Novellen des Urheberrechts in den zurückliegenden Jahren- - stellen auch für den mit einschlägigen Fragen befassten Praktiker- - Richter, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Unternehmensjuristen-- eine Herausforderung dar. § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick I. Der Schutz technischer Erfindungen: Patent- und Gebrauchsmusterrecht 1. Patentrecht Gesetzliche Grundlage des deutschen Patentrechts ist das Patentgesetz (PatG). 15 Das Patentrecht regelt die Erteilung von Patenten, d. h. zeitlich begrenzten Ausschließlichkeitsrechten für Erfindungen, und die Durchsetzung der mit patentfähigen Erfindungen zusammenhängenden Rechten. Ein Patent kann nur erteilt werden, wenn mehrere formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sind. Seit dem 1. Januar 1978 sind die materiellen Erfordernisse der patentierbaren Erfindung nach deutschem und europäischem Patentrecht deckungsgleich. In Übereinstimmung mit Art. 52 des Europäischen Patentübereinkommens ( EPÜ ) werden nach § 1 Abs. 1 des deutschen Patentgesetzes Patente für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Die Erfordernisse der Neuheit, des Beruhens auf einer erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit sind in den §§ 3-5 PatG (Art. 54-57 EPÜ ) näher geregelt. Nach deutschem und europäischem Rechtsverständnis ist seit jeher anerkannt, dass die patentfähige Erfindung stets eine Schöpfung auf dem Gebiet der Technik, d. h. eine „Lehre 14 Vgl. z. B. den Maßnahmenkatalog im Anhang der Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums“, KOM (2011) 287 endgültig, S. 29 ff; ferner die „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ v. 6. 5. 2015, COM (2015) 192 final. 15 Vom 16. 12. 1980, BGB l. I, S. 1. 43 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson zum technischen Handeln“ voraussetzt. 16 Während die Beschränkung des Patentschutzes auf „technische“ Erfindungen in der Vergangenheit gewohnheitsrechtlich begründet wurde, 17 ist das Erfordernis der Technizität der Erfindung jetzt ausdrücklich gesetzlich in § 1 Abs. 1 PatG („Erfindungen auf allen Gebieten der Technik“) verankert. 18 2. Gebrauchsmusterrecht Das dem Laien meist weniger geläufige Gebrauchsmusterrecht ist im Gebrauchsmustergesetz (Gebr MG ) 19 geregelt. Es dient neben dem Patentrecht dem Schutz des geistigen Schaffens, soweit sich dieses in einer technischen Erfindung niederschlägt. Allerdings kommt dem Patentrecht als dem unter verschiedenen Gesichtspunkten weiter reichenden Schutzinstrumentarium die zentrale Bedeutung im Bereich des Schutzes technischer Erfindungen zu (näheres zu den wesentlichen Unterschieden zwischen Patent- und Gebrauchsmusterschutz s. u. 2. Abschnitt, insbes. 5. Kapitel). Ebenso wie das Patent setzt auch das Gebrauchsmuster eine technische Erfindung voraus. Nach traditionellem Verständnis ging man früher stets davon aus, dass die Anforderungen an die erfinderische Leistung-- § 1 Gebr MG spricht von einem „erfinderischen Schritt“-- geringer sind als bei einem Patent. 20 Das Gebrauchsmusterrecht wolle auf diese Weise auch kleineren Erfindungen und technischen Gestaltungen, für die ein Patent mangels ausreichender Erfinderleistung nicht in Frage kommt oder für die der Zeitaufwand des Patenterteilungsverfahrens und die höheren Gebühren der Patente nicht lohnen, Schutz gewähren. Demgegenüber hat jedoch der BGH in einer jüngeren Entscheidung festgestellt, dass für eine entsprechende Differenzierung auf der Grundlage der heute maßgeblichen, herabgesetzten gesetzlichen Anforderungen an die Schutzfähigkeit im Patentrecht kein Raum (mehr) sei, so dass für die Beurteilung des „erfinderischen Schritts“ (i. S. v. § 1 Abs. 1 Gebr MG ) auf die im Patentrecht zur Beurteilung der „erfinderischen Tätigkeit“ (i. S. v. § 1 Abs. 1 PatG) entwickelten Grundsätze zurückzugreifen sei. 21 Das Gebrauchsmuster hat in der Praxis jedoch nicht nur für kleinere Erfindungen, für die es ursprünglich gedacht war, große Bedeutung. Insbesondere bei technischen Neuerungen, die sowohl dem Patentals auch dem Gebrauchsmusterschutz zugänglich sind, sichert die Eintragung des Gebrauchsmusters- - die anders als die Erteilung eines Patents keine materielle Prüfung voraussetzt- - dem Anmelder einen schnellen und gebührengünstigen Schutz, vor allem in der patentrechtlich nicht geschützten Zeitspanne zwischen Offenlegung der Patentanmeldung und Patenterteilung. 16 Vgl. Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 42 ff. 17 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 2. 18 Änderung § 1 Abs. 1 PatG durch das Gesetz v. 24. 8. 2007 zur Umsetzung der Akte vom 29. 11. 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente ( BGB l. I, S. 2166). 19 In der Fassung vom 28. 8. 1986, BGB l. I, S. 1455. 20 Vgl. Benkhard / Bruchhausen, Gebr MG , 9. Aufl. 1993, § 1 Rdn. 25. 21 BGH GRUR 2006, 842, 844 f. „Demonstrationsschrank“. 44 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Der Schutz von Leistungen im Bereich des Designs: Designschutzrecht Im Gegensatz zu den vorerwähnten technischen Schutzrechten zielt der Schutz des Designschutzrechts nicht auf den Schutz technischer Erfindungen, sondern- - wie der Name des modernisierten Gesetzes jetzt erkennen lässt-- auf den Schutz des Designs ab. Angesprochen sind damit Ergebnisse geistig-kreativer Schaffenstätigkeit aus dem Bereich des Designs, nämlich zwei- oder dreidimensionale Erscheinungsformen beliebiger Erzeugnisse, wie etwa die äußere Erscheinungsform von Möbeln, Autos, Computern, Smartphones, Stoffen, Lampen Büroartikeln, Haushaltsgeräten etc. Rechtsgrundlage des Designschutzrechts ist das Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (DesignG) vom 10. 10. 2013. 22 Mit diesem Gesetz hat der Gesetzgeber das Designschutzrecht, das zuletzt durch das Gesetz über den Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz-- Geschm MG ) 23 vom 12. 3. 2004 einer grundlegenden Reform unterzogen worden war, erneut modernisiert-- im Wesentlichen in zweierlei Hinsicht: Neu eingeführt wurde, vergleichbar den Verfahren im Marken-, Patent- und Gebrauchsmusterrecht, ein Nichtigkeitsverfahren vor dem DPMA . Ferner hat sich der Gesetzgeber nunmehr auch dazu entschieden, die bereits im Rahmen der Reform 2004 erwogene, aber damals noch nicht umgesetzte Modernisierung des Gesetzes in sprachlicher Hinsicht zu vollziehen und den antiquiert anmutenden bzw. missverständlichen Begriff des „Geschmacksmusters“ dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend in „eingetragenes Design“ zu ändern. 24 Diese in sprachlicher Hinsicht bedeutsame und alle maßgeblichen Regelungen des Gesetzes erfassende Änderung, die das Designschutzrecht durch das Modernisierungsgesetz 2013 erfahren hat, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass der materielle Gehalt des Modernisierungsgesetzes 2013, der sich im Wesentlichen in der erwähnten Einführung eines amtlichen Nichtigkeitsverfahrens erschöpft, gemessen an der grundlegenden Reform 2004 bescheiden ausfällt. Bei dem Geschmacksmusterreformgesetz 2004 handelte es sich um eine Jahrhundertreform, durch das die EG -Richtlinie vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen, 25 die auf eine Angleichung der Kernelemente des Geschmacksmusterrechts innerhalb der Gemeinschaft abzielt, umgesetzt und das alte deutsche Geschmacksmustergesetz vom 11. 1. 1876 nach einer Geltungsdauer von mehr als 125 Jahren abgelöst wurde. Der deutsche Gesetzgeber hatte die im Zuge der gemeinschaftsweiten Harmonisierung der Regelungen zum Schutz industrieller Formgestaltungen notwendig gewordene Novellierung 2004 zum Anlass genommen, das Designschutzrecht (seiner Zeit noch als „Geschmacksmusterrecht“ bezeichnet) grundlegend zu modernisieren und neu zu strukturieren. Das Designschutzrecht hat durch die umfassende Novellierung 2004 gegenüber der alten Gesetzeslage eine Vielzahl bedeutender Änderungen im Bereich des materiellen und formellen Rechts erfahren (im Einzelnen hierzu s. u. Vierter Abschnitt). Hervorzuheben ist, dass das Designschutzrecht als gewerbliches Schutzrecht mit dem 2004 reformierten Recht eine wesentliche Stärkung erfahren hat. Während das früher so bezeichnete Geschmacks- 22 BGB l. Teil I Nr. 62 v. 16. 10. 2013, S. 3799 ff. 23 BGB l. Teil I v. 18. 3. 2004, S. 390 ff. 24 Vgl. hierzu im Einzelnen BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 21 ff. 25 Richtlinie 98 / 71 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 13. 10. 1998. 45 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson musterrecht dem Rechtsinhaber lediglich die Möglichkeit gab, gegen eine unautorisierte Nachbildung seines geschützten Geschmacksmusters und dessen Verbreitung vorzugehen (vgl. § 5 Geschm MG a. F.), zeichnet sich das modernisierte Designschutzrecht durch eine sog. Sperrwirkung aus. Das bedeutet, nach dem 2004 grundlegend reformierten Recht kommt es für die Zuwiderhandlung nicht mehr auf die Kenntnis des Verletzers von dem geschützten Design an. Vielmehr gewährt das Designrecht dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, es zu benutzen und Dritten-- unabhängig von deren Kenntnis seines eingetragenen Designs-- zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen (§ 38 Abs. 1 S. 1 DesignG). III. Der Schutz von Kennzeichen: Markenrecht Gesetzliche Grundlage des Markenrechts ist das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen“ (Markengesetz-- MarkenG), 26 durch das eine Umsetzung der europäischen Markenrechtsrichtlinie 27 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken erfolgte. Das Markengesetz ist an die Stelle des früheren Warenzeichengesetzes über den Schutz von Warenzeichen (heute „Marken“) getreten und ist darüber hinaus die wichtigste Kodifikation des Kennzeichenrechts. Im Gegensatz zu den zuvor dargestellten Schutzrechten des gewerblichen Rechtsschutzes auf technischem und ästhetischem Gebiet knüpft das Markenrecht nicht unmittelbar am Gegenstand, sondern an einem Kennzeichen als dem Symbol des geistig-gewerblichen Schaffens an. Das im Markengesetz geregelte Kennzeichenrecht 28 enthält Bestimmungen über den Schutz von Marken, geschäftlichen Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben (vgl. § 1 MarkenG). Im Vordergrund steht dabei der Schutz der Marken. Dies sind alle Zeichen-- Wörter, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen und eine Vielzahl weiterer Markenformen--, die geeignet sind, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. § 3 MarkenG). Bei der Marke handelt sich gewissermaßen um die „Visitenkarte“ eines Unternehmens, mit der Produkte und Dienstleistungen im Wettbewerb auftreten. Seit jeher haben Gewerbetreibende ihre Waren mit besonderen Kennzeichen versehen, um sie auf diese Weise von gleichartigen oder ähnlichen Produkten anderer Anbieter zu unterscheiden. Traditionell wird dem Markenschutz eine dreifache Funktion zugemessen, durch die sich seine Bedeutung im Wirtschaftsleben veranschaulichen lässt: Er kennzeichnet die Herkunft einer Ware oder Dienstleistung aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb, um sie von den Produkten und Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden (sog. Herkunftsfunktion), er weist eine bestimmte Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung nach (sog. Garantie- oder Vertrauensfunktion) und besitzt schließlich 26 Vom 25. 10. 1994, BGB l. I, S. 3082, BGB l. 1995 I, S. 156. 27 Richtlinie 89 / 104 / EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken. 28 Zum Kennzeichenrecht i. w. S. gehören auch Bestimmungen außerhalb des Markengesetzes wie z. B. insbes. das Namensrecht, § 12 BGB , oder das Firmenrecht, §§ 17 ff. HGB . 46 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson die Eigenschaft eines Werbeträgers für den Zeicheninhaber und sein Produkt (sog. Werbe- oder Kommunikationsfunktion). 29 IV. Spezialmaterien des gewerblichen Rechtsschutzes: Topographieschutz und Sortenschutz Ein Überblick über das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums verdeutlicht, dass von der Rechtsordnung nur einzelne genau bestimmte Kategorien geistiger Schaffensergebnisse als Rechtsobjekte anerkannt und einem Schutz zugunsten des jeweiligen „Eigentümers“ unterstellt sind. Ähnlich wie im Sachenrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches ( BGB ) besteht auch im Bereich des geistigen Eigentums ein numerus clausus geschützter Güter (s. bereits zuvor § 1 II .), 30 dessen Umfang durch die in diesem Abschnitt überblicksartig vorgestellten Schutzrechte beschrieben wird und der als solcher im Großen und Ganzen weltweit übereinstimmend anerkannt ist. Gleichwohl unterliegt das Recht des geistigen Eigentums, wie bereits in anderem Zusammenhang angesprochen, dem zivilisatorischen Wandel und damit dem Zwang, die bestehenden Schutzinstrumentarien den durch Fortschritt in Wissenschaft und Technik veränderten Lebensbedingungen fortlaufend anzupassen bzw. diese zu ergänzen. Die Anerkennung neuer Immaterialgüter als Rechtsubjekte durch die Rechtsordnung ist dabei jederzeit Ausdruck des Bemühens der Gesellschaft, zur Lösung neu auftretender Schutzdefizite, zu deren Bewältigung sich bereits bestehende rechtliche Instrumentarien als untauglich erwiesen haben, neue Instrumentarien zu schaffen. 31 1. Halbleiterschutzrecht Gemessen an der langen Geschichte der übrigen gewerblichen Schutzrechte und des Urheberrechts ist der jüngste Beleg für die Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts durch die Schaffung neuer Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums der Erlass des Gesetzes über den Schutz der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Halbleiterschutzgesetz) vom 22. 11. 1987. 32 Das Halbleiterschutzrecht befasst sich mit dem Schutz von Mikrochip-Strukturen- - das Gesetz spricht von dreidimensionalen Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen, kurz „Topographien“ genannt (vgl. § 1 Abs. 1 HLS chG). Die in halbleitendem Material enthaltenen Schaltkreise sind u. a. im Bereich der IT - Industrie von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung. Die Entwicklung und Herstellung einer integrierten Schaltung stellt sich als ein mehrstufiger komplexer Produktionsprozess dar, der über zahlreiche, jeweils verfeinernde Zwischenschritte schließlich zum gewünschten Endprodukt, dem fertigen Halbleiterchip führt. Das Erfordernis des rechtlichen Schutzes von Topographien ergab sich aus der Sorge, dass diese vermeintlich mit einem Bruchteil 29 Vgl. u. a. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, S. 53 f.; näheres zur Funktionenlehre vgl. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 72 f. 30 Vgl. Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 59; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 31 Knap, FS f. A. Troller, S. 119. 32 HLS chG ( BGB l. I, S. 2294). 47 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson des Kostenaufwandes, der für ihre Entwicklung erforderlich ist, kopiert werden könnten (Investitionsschutz). 2. Sortenschutzrecht Als weiteres Beispiel für die Fortentwicklung des Immaterialgüterrechts durch die Anerkennung spezieller gewerblicher Schutzrechte ist die Gesetzgebung im Bereich des Sortenschutzes zu nennen, durch die-- lange nach Anerkennung der technischen Erfindungsleistungen durch die Patentgesetzgebung- - dem Schutzbedürfnis gewerblicher Leistungen im Bereich der Pflanzenzüchtungen Rechnung getragen wurde. Rechtsgrundlage des Sortenschutzrechts ist das Sortenschutzgesetz. 33 Das Sortenschutzrecht hat sich aus anfänglichen Schutzversuchen der züchterischen Leistung vor allem über das Patent- und Kennzeichenrecht zu einem besonderen Pflanzenschutzrecht entwickelt, das zwar methodisch und dogmatisch stark an die Regelungen des Patentrechts angelehnt ist, das aber gerade auch den Besonderheiten der lebenden pflanzlichen Materie Rechnung tragen will und einen eigenständigen Charakter besitzt. 34 V. Der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb: Lauterkeitsrecht (Wettbewerbsrecht i. e. S.) Das im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) 35 geregelte Wettbewerbsrecht zielt allgemein auf die „Lauterkeit“ des Wettbewerbs durch einen umfassenden Schutz vor unlauterem Wettbewerbsverhalten (z. B. durch irreführende Werbung, Behinderung der Wettbewerber, Ausbeutung fremder Leistung). Es wird in Abgrenzung zum ebenfalls als Wettbewerbsrecht bezeichneten Kartellrecht auch als „Lauterkeitsrecht“ bzw. als „Wettbewerbsrecht im engeren Sinne“ bezeichnet. Anders als bei den vorgenannten Gebieten des Gewerblichen Rechtsschutzes gewährt das UWG allerdings kein „geistiges Eigentum“ an einem immateriellen Wirtschaftsgut. Gleichwohl ist das Lauterkeitsrecht mit Blick auf seine rechtssystematische Zugehörigkeit zum Gewerblichen Rechtsschutz (näheres hierzu s. u. § 82 V. 2.) und seine erhebliche praktische Bedeutung in die vorliegende Darstellung zum „Recht des geistigen Eigentums“ mit einzubeziehen. VI. Der Schutz vertraulicher Informationen: Geschäftsgeheimnisse Der Schutz von vertraulichem Know how und vertraulichen Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnissen) ist für Unternehmen und Forschungseinrichtungen von erheblichem wirtschaftlichem Interesse. 36 Allerdings unterscheidet sich der rechtliche Schutz der Geschäftsgeheimnisse von dem Schutz der anderen Schutzgegenstände im Bereich des gewerb- 33 Vom 11. 12. 1985, BGB l. I, S. 2170; grundlegend geändert durch Gesetz v. 17. 7. 1997 ( BGB l. I, S. 1854). 34 Leßmann, GRUR 1986, 279. 35 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb ( UWG ) v. 3. Juli 2004, BGB l. I, S. 1414. 36 Näheres hierzu vgl. u. a. die Studie im Auftrag der EU „Study on Trade Secrets and Confidential Business Information in the Internal Market“, April 2013. 48 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson lichen Rechtsschutzes. Anders als bei diesen ist der rechtliche Schutz der Geschäftsgeheimnisse lediglich von der tatsächlichen Geheimhaltung der vertraulichen Informationen abhängig. Das heißt, der Schutz als Geschäftsgeheimnis erfordert weder die Erbringung einer an spezifischen materiellen Schutzvoraussetzungen zu bemessenden besonderen gewerblichen Leistung, die sodann-- wie etwa im Bereich des Patent- oder Gebrauchsmusterrechts-- durch die Gewährung eines zeitlich begrenzten technischen Schutzrechts belohnt wird, noch etwa die Erfüllung gesetzlicher formeller Voraussetzungen (Anmeldung, amtliche Registrierung, Zahlung von Amtsgebühren etc.). So gesehen begründet die faktische Geheimhaltung von Informationen (Schutz als Geschäftsgeheimnis) kein Recht an einem geistigen Eigentum, sondern stellt sich als alternatives Mittel der Aneignung einer Innovation bzw. sonstiger wirtschaftlich bedeutsamer Informationen dar. 37 Trotz dieser Besonderheiten, die die Stellung der Geschäftsgeheimnisse im System des Immaterialgüterrechts kennzeichnen, 38 ist ihr Schutz tatsächlich und rechtlich mit dem Rechtsgebiet des geistigen Eigentums eng verbunden. Das zunehmende Bewusstsein für die besondere Bedeutung, die einem wirksamen zivilrechtlichen Schutz der Geschäftsgeheimnisse zukommt, spiegelt sich in der einschlägigen Richtlinie der EU (2016 / 943) und dem zwecks Umsetzung der Richtlinie seitens des BMJV vorgelegten Entwurf 39 für eine sondergesetzliche Regelung des Geheimnisschutzes- - ein Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG-E)-- wider (näheres hierzu s. u. § 86 II .). VII. Der Schutz von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst: Urheberrecht 1. Gesetzliche Grundlage und Werkbegriff Gesetzliche Grundlage des deutschen Urheberrechts ist das „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“ vom 9. 9. 1965 (das sog. Urheberrechtsgesetz, kurz „UrhG“). 40 Urheberrechtsschutz genießen danach Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst für ihre Werke (§ 1 UrhG). Gegenstand des Urheberrechtsschutzes ist dabei nicht ein körperlicher Gegenstand (z. B. das Buch, die CD , die DVD ), sondern das immaterielle, geistige Werk, das durch beliebige Wiedergabe genutzt werden kann. Zentrale Bedeutung für die Erfassung der Schutzobjekte des Urheberrechts kommt dem urheberrechtlichen Werkbegriff zu, der die materiellen Voraussetzungen, den Gegenstand und den Umfang des Urheberschutzes festlegt. Nach der Definition des urheberrechtlich schutzfähigen Werkes durch den Gesetzgeber sind Werke im Sinne des UrhG nur „persönlich geistige Schöpfungen“ (§ 2 Abs. 2 UrhG). Zudem enthält das Gesetz einen nicht abschließenden Katalog von urheberrechtlich geschützten Werkarten (§ 2 Abs. 1 UrhG). Zu den geschützten Werken gehören danach insbesondere 37 In diesem Sinne vgl. Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz von Geschäftsgeheimnissen, EG 1. 38 Grundlegend hierzu McGuire, GRUR 2016, 1000 ff. 39 Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG-- Art. 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie ( EU ) 2016 / 943; Referentenentwurf v. 19. 04. 2018). 40 BGB l. I, S. 1273. 49 § 2 Die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Überblick Pierson ▶ Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme; ▶ Werke der Musik; ▶ pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst; ▶ Werke der bildenden Künste, einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke; ▶ Lichtbildwerke (d. h. Fotografien), einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden; ▶ Filmwerke, einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden; ▶ Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen (vgl. § 2 Abs. 1 Ziff. 1-7 UrhG), ferner ▶ Datenbankwerke (§ 4 Abs. 2 UrhG). 2. Urheberrecht im Informationszeitalter Die vom Urheberrechtschutz erfassten Werke-- wie z. B. Musik, Filme, Fotografien und Texte, aber auch Software und Datenbanken-- sind als immaterielle geistige Güter, in dem durch immer leistungsstärkere digitale Reproduktionstechniken und weltweit vernetzte Computer gekennzeichneten Informationszeitalter dem unberechtigten Zugriff und der Manipulation durch Dritte stärker ausgesetzt als je zuvor. Das Internet eröffnet ein außergewöhnliches Nutzungs-, damit aber gleichermaßen auch ein erhebliches Verletzungspotential. Zwar haben die im Laufe der Jahrzehnte immer weiter entwickelten Reproduktionstechnologien den Gesetzgeber bereits in der Vergangenheit immer wieder vor die Bewältigung neuer urheberrechtlicher Herausforderungen gestellt. Die durch Internet und Digitalisierung eröffneten Möglichkeiten haben jedoch die Nutzung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Werke in einer Weise revolutioniert, die den Gesetzgeber in dem Bemühen um eine angemessene Austarierung der Interessen von Rechteinhabern (Kreative, digitale Wirtschaft) einerseits und der Allgemeinheit (Verbraucher, Bildung, Wissenschaft) andererseits vor besondere Herausforderungen stellt. 41 Das Urheberrecht und seine Anpassung an die Erfordernisse des Informationszeitalters stehen daher seit vielen Jahren mehr als die anderen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums im Zentrum internationaler, europäischer und nationaler Regulierungsinitiativen (vgl. bereits o. § 1 III ., IV .). 41 In diesem Sinne vgl. BT -Drucks. 17 / 13 423, S. 11; BT -Drucks. 17 / 14 194, S. 5. 50 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Überblick: Gewerblicher Rechtsschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht Wettbewerbsrecht i.w.S. Geistiges Eigentum (Immaterialgüterrecht) Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Kartellrecht Lauterkeitsrecht UWG Ausschließlichkeitsrechte PatG GebrMG HLSchG SortG DesignG MarkenG UrhRG GWB Art. 101 ff. AEUV, EU-Verordnungen GeschGehG-E Abb. 1: Überblick: Gewerblicher Rechtschutz, Urheberrecht und Wettbewerbsrecht § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Eine differenzierte, die Entstehung aller unterschiedlichen Schutzrechtskategorien des Immaterialgüterrechts nachvollziehende Darstellung der Geschichte des geistigen Eigentums würde den Rahmen der vorliegenden Abhandlung sprengen. Gleichwohl gilt auch für das Rechtsgebiet des geistigen Eigentums, das was ganz allgemein für nahezu alle Erkenntnisgegenstände-- also nicht nur die Rechtswissenschaft-- gilt: Die gegenwärtige Beschaffenheit eines Gegenstandes lässt sich umfassend nur vor dem Hintergrund seiner geschichtlichen Entwicklung verstehen. Mehr noch: Da die gegenwärtige Beschaffenheit eines sich beständig fortentwickelnden Gegenstandes immer nur eine Momentaufnahme ist, lassen sich Fragen, die auf die zukünftige Entwicklung eines Gegenstandes gerichtet sind und die darum rankenden gesellschaftlichen Diskussionen, nur aus dem Verständnis der geschichtlichen Entwicklung heraus verstehen und beantworten. Zumindest eine knappe Skizzierung einiger wesentlicher geschichtlicher Entwicklungslinien des geistigen Eigentums erscheint daher im Sinne eines tiefergehenden Verständnisses des Rechts des geistigen Eigentums und seiner gegenwärtigen Herausforderungen von Nutzen. 42 42 Ausführlichere Darstellungen vgl. Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 13 ff.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 8 ff.; umfassend vgl. Wadle, Geistiges Eigentum, Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bände I (1996) und II (2003). 51 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Pierson I. Ausgangspunkt: Das Streben nach technischem Fortschritt und Ausdruck Die Geschichte der Menschheit ist seit ihren archaischen Ursprüngen gekennzeichnet durch das stete Bestreben, sich die Kräfte der Natur durch deren Beherrschung-- etwa durch die Kontrolle des Feuers oder die Formung des Steins zu einem Keil-- im Überlebenskampf in immer vollkommenerer Weise zunutze zu machen. Unsere Geschichte ist mithin zugleich eine Geschichte der Technik-- der Suche nach dem gezielten Einsatz von Naturkräften zur Lösung von Problemen-- und des menschlichen Bestrebens nach einer stetigen, auf dem Wissen vorangegangener Generationen aufbauenden Fortentwicklung der Technik. Das menschliche Streben nach technischem Fortschritt lässt sich als ein-- vielleicht sogar das wichtigste-- Kontinuum unserer Zivilisation begreifen. Aber die Geschichte des geistigen Schaffens ist nicht allein gekennzeichnet durch das Streben nach einer immer vollkommeneren Beherrschung der Naturkräfte. Auch das Bedürfnis des Menschen, seinen Lebensumständen, Gedanken und Empfindungen in persönlich-schöpferischer, zur bloßen Aufnahme durch die menschlichen Sinne geeigneten Weise Ausdruck zu verleihen, lassen sich bis in die frühgeschichtlichen Epochen der Menschheitsgeschichte verfolgen. Die in weiten Teilen Europas, Afrikas und auf anderen Kontinenten in der Steinzeit (ca. 31 500-15 000 v. Chr.) entstandenen Höhlen-Felsmalereien belegen dies exemplarisch in eindrucksvoller Weise (Altamira, Lascaux). Gemessen an der zeitlichen Ausdehnung der bekannten Menschheitsgeschichte ist die Herausbildung des „Rechts“ als Instrument menschlicher Ordnung eine vergleichsweise moderne Entwicklung. Sie setzt ein mit der Entwicklung der Hochkulturen, die im 4. vorchristlichen Jahrtausend zunächst in Ägypten und Mesopotamien, im 3. vorchristlichen Jahrtausend dann auch auf der Insel Kreta (Minoische Kultur) entstehen. Die Entwicklung des Rechts folgte dabei stets der zivilisatorischen Entwicklung nach-- als Versuch einer Antwort auf die Anforderungen an die Ordnung der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einer sich immer differenzierter entwickelnden Kultur. Obgleich die Entwicklung der menschlichen Gesellschaft- - von den vorgeschichtlichen Anfängen, über die Antike, das Mittelalter und die Neuzeit-- seit jeher von herausragenden Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit des Menschen-- erfinderischen Leistungen auf dem Gebiet der Technik, kreativen Leistungen im Bereich von Kunst und Kultur- - getragen wurde, war der Gedanke eines Schutzes der geistigen Leistung als solcher, gar der Gedanke eines individuellen geistigen Eigentums dem sich entwickelnden Recht über die längste Zeit bis hinein in die Anfänge der Neuzeit weitgehend fremd. II. Antike und Mittelalter Die Wirtschaft der Antike war agrarisch, d. h. durch Ackerbau und Viehzucht sowie durch Handel und durch Handwerk geprägt. Die natürlichen Ressourcen waren noch nicht annähernd erkannt oder gar erschöpft und zur Verrichtung schwerer körperlicher Arbeiten standen nicht nur Lasttiere, sondern vielfach Sklaven zur Verfügung. Es bestand mithin noch keine Notwendigkeit, die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz durch die gezielte Erforschung der Naturkräfte und die Entwicklung immer neuer Technologien zu gewähr- 52 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson leisten. Vielmehr beschränkte sich der Einsatz der Technik überwiegend auf einfache, leicht beherrschbare Naturkräfte, deren Nutzung-- wie etwa die des Windes, des Wassers oder der Schwerkraft-- nicht als erfinderische Leistung eines Einzelnen hervortrat. Unter derartigen gesellschaftlichen Umständen war für die Frage nach einem Schutz technischer Erfindungen noch kein Raum.-- Auch die Idee eines Rechtes an einem geistig-schöpferischen Werk und ein Recht des Urhebers ist zu dieser Zeit völlig unbekannt. Gleichwohl existiert bereits in der Antike ein Bewusstsein für „geistiges Eigentums“. Der römische Dichter Marcus Valerius Martialis (42 bis 104 n. Chr.) verglich seine Gedichte mit freigelassenen Sklaven und bezeichnete einen anderen Dichter, der seine Gedichte als eigene ausgab, scherzhaft als Menschenräuber (lat. plagiarius)-- was zugleich den Ursprung des Wortes „Plagiat“ (franz. plagiaire) erklärt, das bis heute für die Kennzeichnung auf geistigem Diebstahl beruhender Werke geläufig ist. 43 Derjenige, der den „Diebstahl“ begeht, ist mithin der Plagiator! 44 Ein Autorenrecht, das dem Bestohlenen ein Klagerecht gegen den Plagiator gegeben hätte, war im Altertum jedoch noch nicht bekannt. Ein ähnlicher Befund wie für die Antike, ergibt sich auch für das Mittelalter. Denn auch der durch die strengen Ordnungen der Zünfte und Gilden geprägten mittelalterlichen Wirtschaft war die Idee eines Schutzes individueller technischer Erfinderleistungen noch fremd. In einer durch fehlende Gewerbefreiheit, geringen Wettbewerb und starke Reglementierungen durch Zunftordnungen und Zunftzwang geprägten Wirtschaftsordnung- - die entwickelte Technik ist Gemeingut der Zunft- - ergeben sich weder nennenswerte Anreize für den individuellen Erfindergeist noch die Notwendigkeit, den Erfindergeist durch ein Verwertungs- Monopol zu stimulieren und zu belohnen. 45 Auch im Bereich des religiös motivierten Kulturschaffens ist die materielle Existenz des Schaffenden durch die Zugehörigkeit zu einem Orden, einer Korporation oder durch adelige Herkunft gesichert. Für die Frage nach einem Schutz der geistig-schöpferischen Leistung des individuellen Urhebers, der-- verstanden als bloßer Mittler zwischen Gott und Mensch- - zudem häufig anonym bleibt, existiert noch keine Bewusstseinslage. 46 III. Privilegienwesen Erste Ansätze eines Erfinderschutzes brachte das sog. Privilegienwesen an der durch eine Vielzahl bedeutender Entdeckungen und Erfindungen gekennzeichneten Wende zur Neuzeit (ab dem 15. Jahrhundert). Die sich in unterschiedlicher Ausgestaltung entwickelnden Privilegien bestanden in einem vom jeweiligen Territorialherren gewährten, regelmäßig befristeten Monopolrecht, durch das im Interesse der Allgemeinheit der Unternehmer- und Erfindergeist gefördert und die Einführung eines neuen Gewerbes (Gewerbeprivilegien) 43 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 8 f. Rdn. 23; ferner Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 108. 44 Die Bezeichnung „Plagiarius“ wurde daher auch sinnfälligerweise als Name eines Negativpreises gewählt, der jährlich im Rahmen einer Design-Messe dem dreistesten Nachahmer verliehen wird-- mehr hierzu vgl. http: / / www.plagiarius.com (letzter Abruf: 03 / 2018). 45 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 14 f. 46 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 9 Rdn. 25. 53 § 3 Geschichte des geistigen Eigentums Pierson bzw. die erfinderische Leistung (Erfinderprivilegien) belohnt werden sollte. Die Erteilung des Privilegs erfolgte durch eine landesherrliche Urkunde in Form von offenen Schutzbriefen (lat.: litterae patentes), durch die-- im Falle des Erfinderprivilegs-- der Erfinder vom Zunftzwang befreit, zur alleinigen gewerblichen Nutzung berechtigt und vor Nachahmung geschützt wurde. Auf die Erteilung eines Privilegs, dessen Gewährung Gnadensache des jeweiligen Landesherrn war, bestand kein Rechtsanspruch. Gleichwohl entwickelte sich aus den Privilegien im Laufe der Zeit eine feste Rechtspraxis, aus der heraus sich die wesentlichen Grundlagen des heutigen Patentrechts entwickelt haben. 47 Nicht nur im Bereich der technischen Erfindungen, auch im Bereich der Geisteswerke entwickelte sich im ausgehenden 15. Jahrhundert das Privilegienwesen, als dessen Ausgangspunkt die Erfindung des Buchdrucks (um 1450) und das damit entstandene Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz gegen Nachdruck gesehen wird. 48 Im Laufe der langen Geschichte des Privilegienwesens bildeten sich unterschiedliche Privilegientypen heraus, die-- je nach Sachlage und gesellschaftlicher Situation- - der Gewerbeförderung (sog. Druckprivilegien zugunsten der Drucker), dem Investitionsschutz (sog. Bücherprivilegien zugunsten der Drucker / Verleger), dem Leistungsanreiz (sog. Territorialprivilegien - territorial begrenzte Nachdruckverbote zugunsten der Verleger) oder der Belohnung der geistigen Schöpfung (sog. Autorenprivilegien) dienten. Obgleich die zuletzt genannten Autorenprivilegien die ideellen Interessen der Autoren schützten und bereits Ansätze enthielten, die Autoren materiell zu belohnen, sind auch diese noch nicht als Beginn des Urheberrechts im heutigen Sinne zu verstehen, da sie das Geisteswerk allenfalls mittelbar schützen und primär am Druck des privilegienwürdigen Werkes anknüpfen. 49 In England führten sachfremde Auswüchse der Privilegienerteilung auf Waren des täglichen Bedarfs in einer Gegenbewegung schließlich zum Erlass einer einschränkenden gesetzlichen Regelung durch das Antimonopolstatut von 1624 (Statute of Monopolies- - einem Vorläufer der europäischen Patentgesetzgebung), durch das Monopole als Eingriffe in die Gewerbefreiheit grundsätzlich für unzulässig erklärt und im Interesse der Allgemeinheit nur wirklichen neuen Gewerbeerzeugnissen und Verfahren vorbehalten wurden (sog. Monopoltheorie). 50 IV. Die Theorie vom geistigen Eigentum Ein völlig neues Verständnis in der Beurteilung der Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit konnte sich erst auf der Grundlage der Philosophie der Aufklärung (ab dem 17. Jahrhundert) entwickeln, also jener Geistesströmung, die sich im Denken und Handeln auf die Vernunft beruft und sich als Selbstbefreiung von aller Bevormundung durch Tradition und kirchliche Autorität versteht. Nach der in dieser Zeit zur Blüte gelangenden Naturrechtslehre ist das Naturrecht das Recht, das sich aus der menschlichen Natur ableitet und das demgemäß aus 47 Ausführlich Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 16 ff.; ferner Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. II . Rdn. 5 ff. 48 Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 90; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 9 f. Rdn. 26. 49 Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 90 ff., 94; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3, S. 10 f. Rdn. 27 ff. 50 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 18 f. 54 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson der reinen Vernunft, die allen Menschen eigen ist, erkennbar ist. 51 Die Naturrechtslehre führte zu der Überzeugung, dass der geistig Schaffende auf das Ergebnis seiner Schaffenstätigkeit ein natürliches, nicht von einem fürstlichen Gnadenakt abhängiges Anrecht habe, das ähnlich wie das Sacheigentum ohne weiteres anzuerkennen sei. Zur vollen Geltung kam die damit begründete Theorie vom geistigen Eigentum in der Französischen Revolution, in deren Zuge mit der Anerkennung der Menschenrechte auch die Anerkennung des geistigen Eigentums (propriété industrielle und propriété littéraire et artistique) erfolgte. 52 V. Die Entwicklung im 19. Jahrhundert / Reichsgesetzgebung Anders als in Frankreich und England-- und den von diesen beiden Ländern beeinflussten Vereinigten Staaten von Amerika ( USA )-- konnte sich die Idee vom geistigen Eigentum in Deutschland, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch durch eine starke territoriale Zersplitterung und eine dadurch gehemmte industrielle Entwicklung gekennzeichnet ist, nur verzögert durchsetzen. So herrscht zu dieser Zeit in den deutschen Territorialstaaten-- mit Ausnahme der linksrheinischen Gebiete, in denen französisches Recht gilt- - allerorten weiterhin das Privilegienwesen. 53 Um die Mitte des 19. Jahrhundert setzt zudem eine heftige Debatte ein, in deren Verlauf gewerbliche Schutzrechte wegen der damit vermeintlich einhergehenden Beschränkungen der Handels- und Gewerbefreiheit als schädliche Überreste eines überholten Zunft- und Privilegienwesens generell in Frage gestellt werden (von der Freihandelslehre beeinflusste sog. Antipatentbewegung). Erst die intensiven Bestrebungen einer sich zunehmend entwickelnden Industrie sowie neu gebildeter Erfindervereinigungen (sog. Patentbewegung) führen dazu, dass sich-- unter Hinweis auf den Gedanken des geistigen Eigentums, die Patentgesetzgebung anderer Länder und das öffentliche Interesse-- allmählich auch in Deutschland die Überzeugung von der Notwendigkeit eines Schutzes der geistigen Leistung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts durchzusetzen vermag. 54 So kam es nach der Gründung des Deutschen Reiches 1871-- gestützt auf die Reichsverfassung von 1871, die die Gesetzgebungskompetenz für Erfindungspatente und den Schutz des geistigen Eigentums dem Reich zuwies-- zu einer für alle deutschen Länder einheitlichen Reichsgesetzgebung: ▶ Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken v. 1871, 55 das durch die Gesetze betreffend das Urheberrecht an Werken der Bildenden Künste v. 9. 1. 1876 und betreffend den Urheberrechtsschutz an Werken der Photographie v. 10. 1. 1876 ergänzt wurde. 51 Creifelds, Rechtswörterbuch, „Naturrecht“ S. 902. 52 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 20 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3 S. 12 ff. Rdn. 33 ff.; ferner Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 117 ff. 53 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 23 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 3 S. 12 ff. Rdn. 33 ff. 54 Im Einzelnen hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 2, S. 25 f. 55 Hierbei handelte es sich um ein bereits vom Norddeutschen Bund am 11. 6. 1870 verkündetes Gesetz, das nachdem die Gesetzgebungskompetenz auf das Reich übergegangen war, von diesem als Reichsgesetz übernommen wurde-- vgl. Schricker / Vogel, Einl. IV . Rdn. 131. 55 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson ▶ Markenschutzgesetz von 30. 11. 1874, das durch das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen v. 12. 5. 1894 abgelöst wurde. ▶ Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen v. 11. 1. 1876 (Geschmacksmustergesetz), das sich als das mit Abstand langlebigste Gesetz im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes erweisen sollte und erst durch das Gesetz zur Reform des Geschmacksmustergesetzes v. 12. 3. 2004 grundlegend neu gefasst wurde. ▶ Reichs-Patentgesetz v. 25. 4. 1877, das nach auftretenden Mängeln in der Organisation und im Verfahren des Patentamtes durch ein neues Patentgesetz v. 7. 4. 1891 abgelöst wurde, das gleichzeitig mit dem ersten Gebrauchsmustergesetz v. 1. 6. 1891 am 1. 10. 1891 in Kraft trat. 56 ▶ Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 27. 5. 1896. Das auf Einzelfälle zugeschnittene und daher wenig taugliche Gesetz wurde alsbald durch das (zweite) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. 6. 1909 ersetzt, das den Mangel des ersten Gesetzes durch die „berühmte Generalklausel“ (§ 1) überwand und dem-- bis zum Inkrafttreten des UWG -Reformgesetzes 2004-- eine fast 100-jährige Geltungsdauer beschieden war. § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Die Frage des internationalen Rechtsschutzes ist im Bereich des Schutzes von geistigem Eigentum seit jeher von besonderer Bedeutung, weil sich die Schutzgegenstände des geistigen Eigentums aufgrund ihres immateriellen Charakters beliebig vervielfältigen und sich technisch ohne nennenswerten Aufwand über Landesgrenzen hinweg weltweit verbreiten lassen. I. Ausgangspunkt Wie bereits einführend dargestellt (s. o. § 1 II .), ist ein wesentliches Charakteristikum der vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände- - sowohl im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes als auch im Bereich des urheberrechtlichen Werkschutzes-- ihre sog. Ubiquität. Sie ermöglicht, dass das betreffende geistige Gut-- sofern es erst einmal öffentlich zugänglich, bekanntgemacht bzw. veröffentlicht wurde-- weltweit genutzt und verwertet werden kann. Bereits seit jeher stellt sich daher für den Gewerbetreibenden, der nicht nur auf dem nationalen Heimatmarkt, sondern auch grenzüberschreitend tätig ist, die Frage nach dem internationalen Schutz seiner gewerblichen Leistungen, d. h. danach, wie es etwa um den Schutz seiner technischen Erfindungen, seiner Leistungen im Bereich des Designs oder seiner Kennzeichen im Ausland bestellt ist. Die Frage nach einem internationalen Schutz des geistigen Eigentums stellt sich in jüngerer Zeit umso drängender, da mit der Entwicklung der modernen IuK-Technologien die Infrastruktur für eine globalisierte, vernetzte Wirtschaft bereit gestellt wurde, durch die sich die Bedingungen für eine weltweite („ubiquitäre“) Nutzung und Verwertung geistiger Güter ganz entscheidend verändert haben (vgl. bereits o. § 1 III ., IV ; § 2 VI . 2.). 56 Näheres Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. II . Rdn. 16. 56 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson II. Beschränkter Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums Voraussetzung für das Verständnis der Notwendigkeit eines internationalen rechtlichen Systems zur Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Schutzes im Bereich des geistigen Eigentums ist es, sich zu vergegenwärtigen, dass der Anwendungsbereich der nationalen Sondergesetze zum Teil in persönlicher und insbesondere durchgängig in räumlicher Hinsicht beschränkt ist. 1. Persönlicher Anwendungsbereich Hintergrund für den in vielen Rechtsordnungen noch auf Inländer beschränkten persönlichen Anwendungsbereich der Sondergesetze zum Schutz gewerblicher Leistungen ist der Umstand, dass der jeweilige Staat in der Regel nur das inländische Gewerbe schützen und fördern will. Auf die mit der Erteilung eines gewerblichen Schutzrechtes verbundene „Rechtswohltat“ soll daher-- so die Erwägung-- im Grundsatz nur der Inländer einen Anspruch haben, während diese Ausländern versagt wird oder zumindest von der Verbürgung der Gegenseitigkeit- - d. h. der Gewährung eines gleichwertigen Schutzes für die eigenen Staatsbürger in dem fraglichen Ursprungsland- - abhängig gemacht wird. Auch die Konzeption der deutschen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechts beruhte zunächst auf entsprechenden Erwägungen. Im Zuge der Rechtsentwicklung wurde die Zurücksetzung von Ausländern im deutschen gewerblichen Rechtsschutz jedoch weitgehend abgebaut. 57 Im Urheberrechtsgesetz ist ein auf Inländer beschränkter persönlicher Anwendungsbereich für das Urheberrecht nach wie vor verankert (s. u. § 78 I.). 2. Räumlicher Anwendungsbereich Mehr noch als der Beschränkung des Anwendungsbereichs in persönlicher Hinsicht kommt der Beschränkung des Anwendungsbereichs in räumlicher Hinsicht entscheidende Bedeutung für das Verständnis der Notwendigkeit eines internationalen Schutzsystems zu. Der räumliche Anwendungsbereich der deutschen Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes sowie des Urheberrechtsgesetzes ist begrenzt, und zwar auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Diese territoriale Begrenzung der Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums auf die Staatsgrenzen wird als sog. Territorialitätsprinzip bezeichnet. 58 Es gilt aber nicht nur im deutschen Immaterialgüterrecht, sondern auch in allen ausländischen Rechtsordnungen. Beim Territorialitätsprinzip handelt es sich also um einen allgemein anerkannten Grundsatz des internationalen Immaterialgüterrechts. 59 Entsprechend dem Territorialitätsprinzip wird 57 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39; § 7, S. 90 f. 58 Hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 3, S. 39, § 7, S. 91 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 56, S. 407 Rdn. 1326; Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 109 ff; Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 6 ff. 59 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 24, S. 86. 57 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson der jeweilige immaterialgüterrechtliche Schutz nur innerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland gewährt, d. h., das dem Rechtsinhaber gewährte Verbotsrecht richtet sich nur an Personen im Inland und gilt nur für Tatbestände im Inland. Umgekehrt ist der im Ausland nach dem dortigen Immaterialgüterrecht gewährte Schutz auch nur auf das jeweilige ausländische Staatsgebiet beschränkt, so dass ausländischen Schutzrechten-- etwa einem in Frankreich erteilten Patent oder einer in Großbritannien eingetragenen Marke-- in Deutschland keine Wirkung zukommt. Das Territorialitätsprinzip zwingt also den Rechtsinhaber sein Recht in der jeweiligen Rechtsordnung des Schutzlandes zu suchen („Schutzlandprinzip“). „Das Schutzlandprinzip trägt den Territorialitätsgedanken in sich“. 60 Für das Gebiet der EU ist das Schutzlandprinzip nunmehr in Art. 8 Abs. 1 der Rom II -Verordnung 61 verankert, wonach auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden ist, für den der Schutz beansprucht wird. 62 Der Inhaber eines Immaterialgüterrechts besitzt folglich kein einheitliches, weltweit gültiges Recht, sondern im Grundsatz 63 -- die entsprechende Erlangung von Schutz im Ausland unterstellt-- nur ein „Bündel“ von nationalen Immaterialgüterrechten. 64 III. Staatsverträge zum Schutz des geistigen Eigentums Angesichts der jeweiligen territorialen Begrenzung der nationalen Schutzgesetze kommt im Bereich des geistigen Eigentums den Staatsverträgen zum gegenseitigen Schutz maßgebliche Bedeutung zu. Die ersten internationalen Übereinkommen zum Schutz des geistigen Eigentums wurden bereits fast zeitgleich zur nationalen Gesetzgebung in Deutschland (s. zuvor § 3 V.) im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts abgeschlossen. 65 1. Pariser Verbandübereinkunft ( PVÜ ) a) Einordnung Die Pariser Verbandsübereinkunft ( PVÜ ) zum Schutz des gewerblichen Eigentums vom 20. 3. 1883 66 ist der älteste völkerrechtliche Vertrag des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes und noch heute von grundlegender Bedeutung. Die Mitgliedsländer der PVÜ 67 60 Hoeren, Online-Skript „Internetrecht“, S. 569. 61 Verordnung ( EG ) Nr. 864 / 2007 v. 11. 7. 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II “). 62 BGH GRUR 2012, 1253, 1257 „Gartenpavillon“. 63 Sofern man hier von der Möglichkeit der Erlangung eines supranationalen Unionsschutzrechts auf der Grundlage der entsprechenden unionsrechtlichen Regelungen absieht (s. u. IV . 4.). 64 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 110; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 91 f. 65 Guter Gesamtüberblick: Holeweg, GRUR Int. 2001, 141; ferner Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 29 ff.; Gruber / von Zumbusch / Haberl / Oldekop, S. 1 ff. Rdn. 1.01. 66 Abrufbar wie alle von der WIPO verwalteten internationalen Verträge über deren Website unter: http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 67 Mitgliedsländer: 177 (Stand: 03 / 2018); aktualisierte Listen der Mitgliedsländer der von der WIPO verwalteten internationalen Verträge sind über deren Website abrufbar. 58 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson bilden einen Verband zum Schutz des gewerblichen Eigentums (Art. 1 Abs. 1 PVÜ ). Das heißt, zwischen den Mitgliedsstaaten bestehen nicht nur vertragliche Beziehungen, sondern ein körperschaftlich organisierter Verband, 68 der überwiegend als juristische Person angesehen wird und dessen Aufgabe es ist, das gesamte „gewerbliche Eigentum“ einer möglichst einheitlichen Regelung durch die Gesetzgebung der Verbandsländer zuzuführen. 69 Die PVÜ erstreckt sich auf den Schutz des „gewerblichen Eigentums“ in der weitesten Bedeutung (Art. 1 Abs. 3). Als Gegenstände erfasst werden die wichtigen Schutzobjekte des gewerblichen Rechtsschutzes, nämlich Erfindungspatente, Gebrauchsmuster, gewerbliche Muster oder Modelle (ehm. Geschmacksmuster, heute Designs), Fabrik- und Handelsmarken, Dienstleistungsmarken, Handelsnamen und Herkunftsangaben oder Ursprungsbezeichnungen sowie die Unterdrückung des unlauteren Wettbewerbs (Art. 1 Abs. 2 PVÜ ). Die PVÜ und die auf ihrer Grundlage geschlossenen Sonderabkommen (hierzu nachfolgend 2.) haben kein einheitliches, gleichlautendes Recht für alle Verbandsangehörigen geschaffen und auch keine transnationalen Immaterialgüterrechte entstehen lassen. b) Inländerbehandlung, Unionspriorität Wichtigster Grundsatz zur Verwirklichung der Ziele der PVÜ ist vielmehr der Grundsatz der Inländerbehandlung (Assimilationsprinzip). 70 Dieser besagt, dass alle Staatsangehörigen der Verbandländer in allen übrigen Ländern des Verbandes in Bezug auf den Schutz des gewerblichen Eigentums die Vorteile genießen, welche die betreffenden Gesetze den eigenen Staatsangehörigen gegenwärtig gewähren oder in Zukunft gewähren werden (Art. 2 Abs. 1 S. 1 PVÜ ). Sie haben demgemäß den gleichen Schutz wie diese und die gleichen Rechtsbehelfe gegen jeden Eingriff in ihre Rechte, vorbehaltlich der Erfüllung der Bedingungen und Förmlichkeiten, die den eigenen Staatsangehörigen auferlegt werden (Art. 2 Abs. 1 S. 2 PVÜ ). Als Folge dieser Gleichstellung steht jeder Verbandsangehörige für den Schutz seines gewerblichen Eigentums den Angehörigen des Verbandsstaates gleich, dessen Schutz er beansprucht (Schutzstaat), d. h. er steht nicht schlechter da als der Inländer. 71 Entscheidende Wirkung der PVÜ ist ferner die Unionspriorität. Jeder, der in einem der Verbandsländer die Anmeldung für ein Erfindungspatent, ein Gebrauchsmuster, ein gewerbliches Muster oder Modell, eine Fabrik- oder Handelsmarke vorschriftsmäßig hinterlegt hat, oder sein Rechtsnachfolger genießt für die Hinterlegung in den anderen Ländern-- also für Folgeanmeldungen-- während der bestimmten Fristen ein Prioritätsrecht (Art. 4 A Abs. 1 PVÜ ). Das Prioritätsrecht bedeutet, dass derjenige, der als erster die schutzwürdige Leistung erbracht hat und die Schutzvoraussetzungen erfüllt hat, innerhalb der maßgeblichen Prioritätsfrist gegenüber späteren Anmel- 68 Organe sind: die Verbandsversammlung (Art. 13), der Exekutivausschuss der Versammlung (Art. 14), das internationale Büro (Art. 15), die Revisionskonferenzen (Art. 18 Abs. 2), der internationale Gerichtshof (Art. 28). 69 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Art. 1 PVÜ Rdn. 1 m. w. Nachw. 70 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 93. 71 Baumbach / Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., Art. 2 PVÜ Rdn. 1. 59 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson dungen den absoluten Vorrang (die Priorität) genießt. 72 Die Prioritätsfristen betragen zwölf Monate für Erfindungspatente und Gebrauchsmuster und sechs Monate für die gewerblichen Muster oder Modelle und für die Fabrik- oder Handelsmarken (Art. 4 C Abs. 1 PVÜ ). Jedes Verbandsland ist verpflichtet, ein besonderes Amt für gewerbliches Eigentum und eine Zentralhinterlegungsstelle einzurichten, um die gewerblichen Schutzrechte der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen (Art. 12 Abs. 1 PVÜ ). Die in Art. 12 festgelegten Aufgaben sind in der Bundesrepublik Deutschland dem Deutschen Patent- und Markenamt ( DPMA ) in München übertragen. 2. Sonderabkommen zur PVÜ Neben der PVÜ als dem maßgeblichen „Dachabkommen“ existieren für die einzelnen gewerblichen Schutzrechte eine Reihe für die Praxis des internationalen gewerblichen Rechtsschutzes höchst bedeutsamer multilateraler völkerrechtlicher Sonderabkommen, die das Regelwerk der PVÜ ergänzen und deren Abschluss den Verbandsländern ausdrücklich vorbehalten ist, sofern diese den Bestimmungen der PVÜ nicht zuwiderlaufen (Art. 19 PVÜ ). Die nachfolgende Darstellung beschränkt sich dabei auf einen ersten knappen Überblick über die wichtigsten Sonderabkommen. Eine weitergehende Betrachtung dieser und weiterer spezieller internationaler Abkommen erfolgt im Kontext der Darstellung der jeweils betroffenen Rechtsgebiete. a) Patentzusammenarbeitsvertrag ( PCT ) Das bedeutendste internationale Abkommen im Bereich des internationalen Patentrechts ist der Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens v. 19. 6. 1970 (Patent Cooperation Treaty, kurz „ PCT “), dem die Bundesrepublik Deutschland durch das Gesetz über internationale Patentübereinkommen vom 21. 6. 1976 (IntPat ÜG ) 73 zugestimmt hat und der für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 24. 1. 1978 in Kraft ist 74 (im Einzelnen s. u. Zweiter Abschnitt, 4. Kapitel). Die Mitgliedsstaaten 75 bilden einen Verband für die Zusammenarbeit bei der Einreichung, der Recherche und der Prüfung von Anmeldungen für den Schutz von Erfindungen und für die Leistung besonderer technischer Dienste (Art. 1 Abs. 1 S. 1 PCT ). Der PCT begegnet der Schwierigkeit, dass grundsätzlich zur Erlangung von Patentschutz im Ausland in jedem Land eine eigene Patentanmeldung in der jeweiligen Sprache und unter Beachtung der jeweiligen ganz unterschiedlichen Anmeldeerfordernisse zu erfolgen hätte. Demgegenüber eröffnet der PCT dem Erfinder die Möglichkeit, sich durch eine einzige internationale Anmeldung (Art. 3) bei einem PCT -Anmeldeamt (Art. 10) einen multinationalen Schutz für die angemeldete Erfindung zu sichern. Die Einreichung einer einzigen, die PCT -Bestimmungen erfüllenden internationalen Anmeldung hat in den Bestimmungsstaaten (Art. 4 Abs. 1 ii PCT ) die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen 72 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 57, § 7, S. 95; zur Wirkung der Priorität ferner Art. 4 B. S. 1 PVÜ . 73 BGB l. II , S. 649. 74 Benkard / Ullmann / Tochtermann, PatG, Int. Teil, Rdn. 81. 75 152 Mitgliedsstaaten (Stand: 03 / 2018). 60 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Anmeldung mit dem Anmeldedatum der internationalen Anmeldung (Art. 11 Abs. 3 PCT ). 76 Der PCT führt-- anders als das EPÜ (hierzu siehe 2. Abschnitt)-- nicht zu einem einheitlichen Patenterteilungssystem, vielmehr vereinheitlicht er lediglich das Anmeldeverfahren für internationale Patenterteilungsverfahren und die Neuheitsrecherche. 77 b) Haager Musterschutzabkommen ( HMA ) Im Bereich des internationalen Geschmacksmusterrechts hat das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle ( HMA ) vom 6. 11. 1925 als Nebenabkommen zur PVÜ große praktische Bedeutung erlangt. 78 Durch das HMA schließen die Vertragsstaaten 79 einen Verband für die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle (Art. 1 Abs. 1). Revisionen des HMA erfolgten am 2. 6. 1934 in London, am 28. 11. 1960 im Haag und am 2. 7. 1999 in Genf. Entsprechend den Revisionskonferenzen des Haager Abkommens umfasst dieses drei verschiedene Verträge, die als „Akten“ bezeichnet werden („Londoner Akte“, „Haager Akte“ und „Genfer Akte“) und jeweils aus verschiedenen Rechtsvorschriften bestehen. Die beiden jüngeren Akten sind jeweils entstanden, um das System zu modernisieren. Entsprechend dem Grundsatz der internationalen Registrierung kann von dem Anmelder durch eine einzige Hinterlegung beim Internationalen Büro der WIPO in Genf (Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 HMA ) Musterschutz in den im Antrag benannten Vertragsstaaten des HMA (Art. 5 Abs. 2 Nr. 1) herbeigeführt werden. Die Haager Fassung sieht auch eine Hinterlegung durch Vermittlung der nationalen Behörde vor (Art. 4 Abs. 1 Nr. 2 HMA ). Die internationale Registrierung hat in den in der internationalen Anmeldung benannten Vertragsstaaten dieselbe Wirkung wie eine nationale Designhinterlegung (Art. 14 Abs. 1 HMA ). Durch die internationale Hinterlegung entsteht daher ein Bündel von nationalen Schutzrechten. 80 Inzwischen ist auch die Europäische Union dem Haager Abkommen mit Wirkung zum 1. Januar 2008 beigetreten. 81 Durch diesen Beitritt hat die Europäische Union dieses von der WIPO verwaltete Schutzsystem mit dem von dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante verwalteten Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem (s. hierzu u. IV . 4. und § 41) verknüpft. Seit dem Inkrafttreten dieses neuen Systems können europäische Unternehmen Geschmacksmuster mit einem einzigen Antrag nicht nur innerhalb der EU , sondern auch in den Vertragsstaaten der Genfer Akte des Haager Abkommens schützen lassen. Im Gegenzug können Länder, die Vertragsparteien der Genfer Akte des Haager Abkommens sind, den Schutz für ihre Muster und Modelle durch das Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem in Anspruch nehmen. 76 Gruber / von Zumbusch / Haberl / Oldekop, S. 2 Rdn. 1.03; Holeweg, GRUR Int. 2001, 141, 145. 77 Benkard / Ullmann / Tochtermann, PatG, Int. Teil, Rdn. 82. 78 Holeweg, GRUR Int. 2001, S. 141, 142. 79 67 Vertragsstaaten (Stand: 03 / 2018). 80 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Kap. B. Internationale Eintragung, Rdn. 2. 81 Zur Ermöglichung des Beitritts hat die Europäische Kommission die beiden Verordnungen ( EG ) Nr. 876 / 2007 und Nr. 877 / 2007 v. 24. 7. 2007 erlassen. 61 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson c) Madrider Markenabkommen ( MMA ) Im Bereich des Markenrechtes wird die PVÜ durch das „Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken“ vom 14. 4. 1891 ( MMA ) sowie das „Protokoll zum Madrider Markenabkommen“ vom 27. 6. 1989 ( MMP ) ergänzt (im Einzelnen s. u. § 64). Die Vertragsstaaten des MMA bilden zusammen mit den Vertragsstaaten des MMP einen Verband für die internationale Registrierung von Marken (Art. 1 Abs. 1 MMA , Art. 1 MMP ). 82 Ähnlich wie das HMA (s. o. b.) eröffnet das MMA dem Markeninhaber die Möglichkeit durch eine einzige internationale Registrierung beim Internationalen Büro der WIPO in Genf eine Vielzahl von andernfalls erforderlichen Einzelanmeldungen in anderen Staaten zu vermeiden. Grundlage für die internationale Registrierung ist eine eingetragene nationale Marke (sog. Basis- oder Ursprungsmarke, Art. 1 Abs. 2 MMA ). Der Antrag auf internationale Registrierung kann-- anders als nach dem HMA -- nicht unmittelbar beim Internationalen Büro, sondern nur durch Vermittlung der Behörde des Ursprungslandes (in Deutschland durch das DPMA ) eingereicht werden (Art. 3 Abs. 1 MMA ). Durch die internationale Registrierung der Marke entsteht allerdings-- ebenso wenig wie bei der internationalen Hinterlegung nach dem HMA -- kein supranationales Schutzrecht, sondern lediglich ein Bündel nationaler Marken (Art. 4 Abs. 1 MMA ). 83 3. Revidierte Berner Übereinkunft ( RBÜ ) Im Bereich des Urheberrechts steht als ältester und bedeutendster internationaler Vertrag die „Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst“ vom 9. 9. 1886 im Vordergrund, die seit der zweiten Revisionskonferenz 1908 in Berlin als sog. Revidierte Berner Übereinkunft (kurz „ RBÜ “) bezeichnet wird. 84 Sie ist ein mehrseitiger völkerrechtlicher Vertrag, den inzwischen alle wirtschaftlich wichtigen Staaten der Welt 85 ratifiziert haben und durch den sich die vertragsschließenden Staaten zwecks internationalen Schutzes des Urheberrechts zu einem Staatenverband mit eigener Rechtspersönlichkeit zusammengeschlossen haben (Art. 1 RBÜ ). Die RBÜ sichert den internationalen Urheberrechtsschutz in erster Linie-- wie die PVÜ (s. o. unter 1.)-- durch den Grundsatz der Inländerbehandlung (sog. Assimilationsprinzip, Art. 5 Abs. 1, 3). Das heißt, Urheber eines Verbandsstaates genießen für ihre Werke in den jeweils anderen Verbandsländern denselben Schutz wie ein dortiger Inländer. Entsprechend dem im Urheberrecht gültigen Grundsatz des „automatischen Schutzes“ ist der Genuss und die Ausübung der gewährten Rechte nicht an die Erfüllung irgendwelcher Förmlichkeiten gebunden, auch ist der Schutz unabhängig vom Bestehen des Schutzes für das Werk im Ursprungsland (Art. 5 Abs. 2 RBÜ ). 86 Aufgrund der RBÜ geschützt sind nicht nur die einem Verbandsland angehörenden Urheber für ihre veröffentlichten und unveröffentlichten 82 Mitgliedsländer MMA : 55, Mitgliedsländer MMP : 100 (Stand: 03 / 2018). 83 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 19. 84 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 4, S. 19 Rdn. 55; ferner Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 27 f. mit Übersicht über Revisionskonferenzen. 85 176 Mitgliedsstaaten (Stand: 03 / 2018). 86 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 32. 62 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Werke (Art. 3 Abs. 1a), sondern auch die keinem Verbandsland angehörenden Urheber für die Werke, die sie zum ersten Mal in einem Verbandsland oder gleichzeitig in einem verbandsfremden und in einem Verbandsland veröffentlichen (Art. 3 Abs. 1b). Der Oberbegriff für die vom Schutz der RBÜ erfassten Werke der verbandsangehörigen Urheber sowie erstmals oder gleichzeitig in einem Verbandsland veröffentlichten Werke lautet „verbandseigene Werke“. 87 Die durch die RBÜ gewährte Schutzdauer umfasst grundsätzlich das Leben des Urhebers und 50 Jahre nach seinem Tod (50 Jahre post mortem auctoris, Art. 7 Abs. 1). Sie richtet sich zwar grundsätzlich nach dem Gesetz des Landes, für das Schutz beansprucht wird, jedoch darf sie, sofern die Rechtsvorschriften dieses Landes nichts anderes bestimmen, die im Ursprungsland des Werkes festgesetzte Dauer nicht überschreiten (Art. 7 Abs. 8 RBÜ ), d. h. der Grundsatz der Inländerbehandlung ist insoweit durch das Prinzip des Schutzfristenvergleichs eingeschränkt. 88 Ferner stellt die RBÜ durch die Garantie bestimmter sog. Mindestrechte ein internationales Mindestschutzniveau sicher (Näheres hierzu § 81 I.). 89 4. WIPO -Konvention Von übergreifender Bedeutung für das gesamte Immaterialgüterrecht ist das „Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum“ vom 14. 7. 1967 ( WIPO - Konvention), durch das die WIPO (World Intellectual Property Organization), die auch unter ihrem französischen Namen als OMPI (Organisation Mondiale de la Propriété Intellectuelle) bekannt ist, gegründet wurde (Art. 1). Die WIPO ist eine von 16 Sonderorganisationen der Vereinten Nationen ( UN ), ihr Sitz ist Genf (Art. 10 Abs. 1 WIPO -Konvention). Die WIPO hat 191 Mitgliedsstaaten. 90 Zweck der WIPO ist es, den Schutz des „geistigen Eigentums“ (definiert in Art. 2 viii) durch Zusammenarbeit der Staaten weltweit zu fördern (Art. 3 i) sowie die verwaltungsmäßige Zusammenarbeit zwischen den „Verbänden“ (definiert in Art. 2 vii) zu gewährleisten (Art. 3 ii). Zur Erreichung dieses Zwecks obliegen ihr vielfältige Aufgaben (vgl. Art. 4), u. a. fördert sie Maßnahmen zur weltweiten Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums und zur Angleichung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften auf diesem Gebiet (Art. 4 i); sie erfüllt die Verwaltungsaufgaben des Pariser Verbandes ( PVÜ ), der im Rahmen dieses Verbandes errichteten besonderen Verbände (Nebenabkommen PVÜ ) und des Berner Verbandes ( RBÜ , Art. 4 ii); sie unterstützt das Zustandekommen internationaler Vereinbarungen zur Förderung des Schutzes des geistigen Eigentums (Art. 4 iv) und unterhält Einrichtungen zur Erleichterung des internationalen Schutzes geistigen Eigentums (Art. 4 vii). 87 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 57, S. 414 Rdn. 1346. 88 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 34. 89 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 32. 90 Stand 03 / 2018. 63 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson 5. TRIPS -Übereinkommen Ein weiteres übergreifendes Abkommen von herausragender Bedeutung ist das „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ vom 15. 4. 1994 91 (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights-- kurz „ TRIPS “), das als Bestandteil des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (World Trade Organization, kurz „ WTO “) abgeschlossen wurde. Das TRIPS -Übereinkommen, das auf globale Geltung angelegt ist, verbindet in neuartiger Weise den Schutz des geistigen Eigentums mit dem auf Liberalisierung und Nichtdiskriminierung in den internationalen Handelsbeziehungen abzielenden Allgemeinen Zoll- und Handelsübereinkommen ( GATT ). Es versteht den Schutz des geistigen Eigentums nicht als Hindernis, sondern als Bedingung für den freien Welthandel. 92 Da mit dem Beitritt zur WTO und den dadurch erreichbaren Vorzügen des Freihandels auch zwingend der Beitritt zum TRIPS -Übereinkommen verbunden ist, wurde es schnell zu einem der mitgliederstärksten und damit bedeutendsten internationalen Abkommen im Bereich des geistigen Eigentums. 93 Hauptziele des TRIPS sind die Förderung eines wirksamen und angemessenen Schutzes der Rechte des geistigen Eigentums sowie die Sicherstellung, dass die Maßnahmen und Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums nicht selbst zu Schranken für den rechtmäßigen Handel werden (Präambel; zu den Zielen vgl. ferner Art. 7). Das TRIPS -Abkommen bezieht sich, wie ja bereits in seinem Namen zum Ausdruck kommt, auf den Schutz des geistigen Eigentums insgesamt, also sowohl auf den Schutz durch die gewerblichen Schutzrechte als auch auf das Urheberrecht (Art. 1 Abs. 2 i. V. m. Teil II Abschnitte 1 bis 7, Art. 9-39). Der Schutz des TRIPS -Übereinkommens ist als Mindestschutz ausgestaltet, d. h. die Mitglieder dürfen in ihr Recht einen umfassenderen Schutz aufnehmen, vorausgesetzt, dieser Schutz läuft dem TRIPS -Übereinkommen nicht zuwider (Art. 1 Abs. 1 S. 2). Was das Verhältnis des TRIPS -Übereinkommens zu den bestehenden wichtigen völkerrechtlichen Verträgen im Bereich des geistigen Eigentums angeht, so baut es auf diesen auf und erklärt deren Regelungen für seine Mitglieder als Mindestschutzstandards für verbindlich (Art. 2, 9 Abs. 1), teilweise geht es jedoch über deren Schutzniveau erheblich hinaus. 94 Wesentliche Prinzipien des TRIPS -Übereinkommens sind der-- aus PVÜ und RBÜ (s. zuvor u. 1., 3.) geläufige-- Grundsatz der Inländerbehandlung (Art. 3) sowie der Grundsatz der Meistbegünstigung. Letzterer besagt, dass Vorteile, Vergünstigungen, Sonderrechte und Befreiungen, die von einem Mitglied den Angehörigen eines anderen Landes gewährt werden, sofort und bedingungslos den Angehörigen aller anderen Mitglieder gewährt werden (Art. 4 TRIPS ). Neben den allgemeinen Bestimmungen und Grundprinzipien (Teil I) enthält es grundlegende Regelungen für fast alle Rechte des geistigen Eigentums (Teil II ): für das Urheberrecht (Art. 9-14-- näheres hierzu s. u. § 81 II .), für Marken (Art. 15-21); geografische 91 Abrufbar über die Website der WTO unter: https: / / www.wto.org/ english/ docs_e/ legal_e/ 27-trips_01_e. htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 92 Schricker / Katzenberger / Metzger, Vor §§ 120 Rdn. 15. 93 164 Mitgliedsstaaten der WTO und damit des TRIPS (Stand: 03 / 2018); aktualisierte Liste abrufbar über die Website der WTO unter: http: / / www.wto.org/ english/ thewto_e/ whatis_e/ tif_e/ org6_e.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 94 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 7, S. 97. 64 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Angaben (Art. 22-24), gewerbliche Muster und Modelle (Art. 25-26), Patente (Art. 27-34), Halbleiterschutz / Topographien (Art. 35-38) und den Schutz nicht offenbarter Informationen / Know-how (Art. 39). Hervorzuheben ist schließlich, dass sich das TRIPS -Abkommen nicht auf die Festlegung materieller Mindeststandards beschränkt, sondern darüber hinaus grundlegende Vorschriften enthält, um eine verfahrensmäßige Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen (Teil III , Art. 41-61). IV. Recht der Europäischen Union Neben den zuvor dargestellten völkerrechtlichen Verträgen erweist sich aus europäischer Perspektive das EU -Recht zunehmend als wichtige Quelle zur Sicherstellung eines grenzüberschreitenden Schutzes geistigen Eigentums. 95 Seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft ( EG ) und der Schaffung des europäischen Binnenmarktes 96 wurden auf der Ebene der EU eine Vielzahl weitreichender Maßnahmen zur Harmonisierung der unterschiedlichen nationalen Schutzgesetze im Bereich des geistigen Eigentums sowie zur Schaffung europaweit einheitlich wirkender, d. h. supranationaler gewerblicher Schutzrechte ergriffen. 1. Rechtssetzungskompetenz der EU im Bereich des geistigen Eigentums Die Zuständigkeit der Europäischen Union im Bereich des Rechts des geistigen Eigentums stützt sich im Wesentlichen auf deren Aufgabe, die zu Errichtung und Funktionieren des Binnenmarktes erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen 97 (Art. 114, 115 AEUV ). 98 Die Maßnahmen der Europäischen Union im Bereich des geistigen Eigentums zielen daher im Wesentlichen auf eine Überwindung unterschiedlicher nationaler Schutzgesetze in den Mitgliedstaaten und damit auf die Beseitigung von Hindernissen insbesondere für den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der EU ab (Art. 14 AEUV ). Soweit sich das Unionsrecht nicht auf eine Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums beschränkt (s. nachfolgend 3.), sondern selbstständige Gemeinschaftsschutzrechte geschaffen hat (s. nachfolgend 4.), ist in Fällen eines möglichen Konflikts mit Regelungen des nationalen Rechts der Anwendungsvorrang des Unionsrechts zu beachten (Art. 288 AEUV ). 99 95 Vgl. hierzu Drexl, Int. Immaterialgüterrecht, Rdn. 119 ff. 96 Der Grundstein des Europäischen Binnenmarktes wurde durch die „Einheitliche Europäische Akte“ vom 1. 7. 1987 gelegt, in der sich die Mitgliedstaaten der EU verpflichtet haben, schrittweise einen „Raum ohne Binnengrenzen“ zu verwirklichen, der bis zum 31. 12. 1992 vollendet sein sollte. 97 Grundlegend zur Regelungszuständigkeit der EU im Bereich des Immaterialgüterrechts vgl. Eu GH , Urteil vom 13. 7. 1995, Rs. C-350 / 92, Königreich Spanien gegen Rat der Europäischen Union, Slg. 1995, S. I-1985. 98 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ehemals Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ( EGV ), umbenannt durch den Vertrag von Lissabon v. 13. 12. 2007, AB l. EU C 306 / 1. 99 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, Vorb. v. § 21, S. 76. 65 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson 2. Formen des Rechts der Europäischen Union Im Zuge der Errichtung des Binnenmarktes wurde das für einen internationalen Schutz des geistigen Eigentums maßgebliche Regelwerk inzwischen durch eine Vielzahl europäischer Richtlinien und Verordnungen ergänzt. 100 Zwecks rechtlicher Einordnung dieser Maßnahmen ist zu vergegenwärtigen, dass innerhalb des Unionsrechts zwischen dem sog. primären Unionsrecht, das im Wesentlichen aus den Verträgen ( EUV , AEUV ) besteht, und dem sog. sekundären Unionsrecht unterschieden wird. Als sekundäres Unionsrecht werden die in Art. 288 AEUV genannten europäischen Rechtsakte bezeichnet, also Verordnungen, Richtlinien, Entscheidungen, Empfehlungen und Stellungnahmen. 101 Im vorstehenden Zusammenhang von Bedeutung ist, dass die EU -Verordnung ohne weiteres in den Mitgliedstaten der EG als europäisches Recht unmittelbar gilt (Art. 288 Abs. 2 AEUV ). Das heißt, die EU -Verordnung wirkt in den Mitgliedstaaten wie ein nationales Gesetz. Als solche kann sie unmittelbare Rechtspflichten und Ansprüche im vertikalen Verhältnis zwischen Staat und Bürger ebenso wie horizontale Rechtsbeziehungen zwischen Bürgern untereinander begründen. 102 Demgegenüber sind EU -Richtlinien zunächst an die Mitgliedstaaten gerichtet, sie sind hinsichtlich des jeweils zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 288 Abs. 3 AEUV ). Erst nach Umsetzung in nationales Recht gilt der Regelungsgehalt der Richtlinie unmittelbar als einzelstaatliches Recht. 103 3. Harmonisierung im Bereich des geistigen Eigentums Wie zuvor gesehen, ist die EU -Richtlinie die geeignete Maßnahme des Unionsrechts, um eine Harmonisierung des Rechts innerhalb der Union durch Angleichung der in den jeweiligen Mitgliedstaaten geltenden nationalen Gesetzesbestimmungen zu erreichen. Demzufolge spiegeln sich auch die Harmonisierungsbestrebungen der Union im Bereich des Rechts des geistigen Eigentums in einer Vielzahl von Richtlinien wider. Ohne einer Erörterung dieser Rechtsakte-- ihrer Inhalte und ihrer Bedeutung-- im Rahmen der Darstellung der jeweiligen Rechtsgebiete vorgreifen zu wollen, seien überblicksartig die wichtigsten Richtlinien bereits an dieser Stelle benannt: ▶ Die Richtlinie 87 / 54 / EWG vom 16. Dezember 1986 über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen ▶ Richtlinie 89 / 104 / EWG vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken; ▶ Richtlinie 92 / 100 / EWG vom 19. 11. 1992 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums; 100 Gute Gesamtübersicht vgl. Holeweg, GRUR Int. 2001, 141 ff. 101 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 114 Rdn. 430. 102 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 114 Rdn. 431. 103 Oberrath, Öffentliches Recht, S. 115 Rdn. 432. 66 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Richtlinie 93 / 83 / EWG vom 27. 9. 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung; ▶ Richtlinie 96 / 9 / EG vom 11. 3. 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken; ▶ Richtlinie 98 / 44 / EG vom 6. 7. 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen; ▶ Richtlinie 98 / 71 / EG vom 13. 10. 1998 über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen; ▶ Richtlinie 2001 / 29 / EG vom 22. 5. 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft; ▶ Richtlinie 2001 / 84 / EG vom 27. September 2001 über das Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks; ▶ Richtlinie 2004 / 48 / EG vom 29. 4. 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums; ▶ Richtlinie 2009 / 24 / EG vom 23. 4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (kodifizierte Fassung); 104 ▶ Richtlinie 2011 / 177 / EU v. 27. 9. 2011 zur Änderung der Richtlinie 2006 / 116 / EG über die Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte; ▶ Richtlinie 2012 / 28 / EU v. 25. 10. 2012 über bestimmte zulässige Formen der Nutzung verwaister Werke); ▶ Richtlinie 2014 / 26 / EU v. 26. 2. 2014 über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt; ▶ Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken; ▶ Richtlinie ( EU ) 2016 / 943 v. 8. 6. 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung. 4. Einheitliche Gemeinschaftsschutzrechte Die Initiativen der EU im Bereich des geistigen Eigentums beschränken sich jedoch nicht allein auf eine Harmonisierung des innerhalb der Europäischen Union geltenden Immaterialgüterrechts durch Richtlinien. Vielmehr hat die Union in den zurückliegenden Jahren darüber hinaus-- gestützt auf das Instrument der EU -Verordnung-- einheitliche gewerbliche Schutzrechte geschaffen, die als sog. Gemeinschaftsschutzrechte 105 überall in der Union unmittelbar gelten. Die Harmonisierung des Rechts des geistigen Eigentums innerhalb der Union hat 104 Kodifizierte Fassung der Richtlinie 91 / 250 / EWG v. 14. 5. 1991. 105 Nachdem der Begriff der „Europäischen Gemeinschaft ( EG )“ im Zuge des Vertrages von Lissabon v. 13. 12. 2007 generell durch den Begriff der „Europäischen Union ( EU )“ abgelöst wurde, ist zu erwarten, dass der Begriff des „Gemeinschaftsschutzrechts“ zunehmend durch den des „Unionsschutzrechts“ ersetzt wird. 67 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson sich also „zweigleisig“ vollzogen. 106 Während Gemeinschaftsschutzrechte im Bereich des Marken-, Design- und Sortenschutzrechtes bereits seit vielen Jahren etabliert sind, steht der Start eines supranationalen einheitlichen EU -Patentrechts noch bevor. Erst im Dezember 2012 haben sich 25 Mitgliedsstaaten 107 nach vier Jahrzehnten intensiver Diskussion und vielen erfolglosen Anläufen auf die Einführung eines einheitlichen EU -Patents (Einheitspatent) und eines einheitlichen Patentgerichts verständigen können. Das sog. Patentreformpaket zur Einführung des Einheitspatents besteht aus der Patentverordnung, der Sprachenverordnung und dem Gerichtsabkommen. 108 Die beiden Verordnungen (Einheitspatent- VO , Sprachen- VO ) sind bereits am 20. 01. 2013 in Kraft getreten, sie finden aber erst ab dem Tag Anwendung, an dem das Gerichtsabkommen-- das Übereinkommen über das einheitliche Patentgericht ( EPGÜ )- - in Kraft tritt. Hierfür ist die Ratifikation durch 13 Staaten erforderlich, darunter zwingend diejenigen, in denen es im Jahr vor der Unterzeichnung des Übereinkommens die meisten gültigen europäischen Patente gab (vgl. Art. 89 Abs. 1 EPGÜ ), d. h. Deutschland, Frankreich und Vereinigtes Königreich ( UK ). Das Inkrafttreten des EPGÜ hat sich 2017 buchstäblich in letzter Minute dadurch verzögert, dass die einzig noch fehlende Ratifikation durch Deutschland durch eine Verfassungsbeschwerde vorläufig gestoppt wurde. 109 Trotz dieser Verzögerung gehen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten davon aus, dass das Einheitspatent im Laufe des Jahres 2018 starten kann 110 (zum Einheitspatent s. auch u. 2. Abschnitt, § 23). Neben der Möglichkeit, nationale Schutzrechte in den einzelnen Mitgliedsstaaten zu erlangen, besteht damit für die wichtigsten Bereiche des gewerblichen Rechtsschutzes die Option, ein supranationales unionsweit gültiges Schutzrecht zu erlangen. 111 Auch insoweit bleibt eine eingehendere Betrachtung dem Kontext der Darstellung der jeweils betroffenen Rechtsgebiete vorbehalten, während an dieser Stelle ein erster Überblick genügen soll: ▶ Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27. 7. 1994; ▶ Verordnung ( EG ) Nr. 6 / 2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster vom 12. 12. 2001; ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 1257 / 2012 über die Umsetzung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes vom 17. 12. 2012 (sog. Einheitspatent-Verordnung); ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 1260 / 2012 über die Umsetzung der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes im Hinblick auf die anzuwendenden Übersetzungsregelungen vom 17. 12. 2012 (sog. Sprachenverordnung); 106 Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 22, S. 79. 107 Mit Ausnahme von Spanien, Italien und Kroatien. 108 Vgl. hierzu Haberl / Schallmoser, GRUR Prax 2010, S. 23 ff.; Ensthaler, InTeR 2013, S. 11 ff. 109 Vgl. hierzu Tilmann, GRUR 2017, 1177 ff. 110 Information des EPA zum Start des Einheitspatents, abrufbar unter: https: / / www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent/ start_de.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 111 Zum Verhältnis zwischen Gemeinschaftsschutzrechten und nationalen Schutzrechten vgl. Ahrens/ McGuire, Modellgesetzbuch, § 22, S. 79 ff.; McGuire, GRUR 2011, 767, 769. 68 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung). 112 Mit dem Vertrag von Lissabon wurde eine spezielle rechtliche Grundlage für Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union eingeführt (Art. 118 Abs. 1 AEUV ). Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - Übergreifende Abkommen / Richtlinie Pariser Verbandsübereinkunft v. 20. 3. 1883 ( PVÜ ). Ältester völkerrechtlicher Vertrag auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Übereinkommen zur Errichtung der Weltorganisation für geistiges Eigentum ( WIPO ) v. 14. 7. 1967. Schutz des geistigen Eigentums durch nahezu weltweite Zusammenarbeit der Staaten. Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums v. 15. 4. 1994 ( TRIPS ). Übereinkommen als Anhang zur Errichtung der Welthandelsorganisation ( WTO ). Richtlinie 2004 / 48 / EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vom 29. 4. 2004 (Durchsetzungs RL ). Zielt auf die Schaffung gleicher Bedingungen bei der Anwendung der Rechte an geistigem Eigentum und eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften zum Schutz im Sinne einer gesicherten Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums. In Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums v. 7. 7. 2008. Patentrecht Vertrag über internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentrechts v. 19. 6. 1970 ( PCT ). Nebenabkommen zur PVÜ über die internationale Anmeldung bei einem PCT -Amt. Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. 10. 1973 ( EPÜ ). Völkerrechtlicher Vertrag zur Gründung der Europäischen Patentorganisation mit dem Europäischen Patentamt ( EPA ) in München. Patentreformpaket zum europäischen Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent), bestehend aus den beiden EU -Verordnungen Nr. 1257 / 2012, Nr. 1260 / 2012 v. 17. 12. 2012 und dem Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht ( EPGÜ ) v. 20. 6. 2013 (2013 / C175 / 01). Zielt auf die Schaffung eines supranational geltenden, einheitlichen Patents (sog. Einheitspatent, früher EU -Patent genannt) und die Errichtung eines Einheitlichen Patentgerichts. Für Erteilung und Prüfung des Einheitspatents ist das EPA auf der Grundlage der Bestimmungen des EPÜ zuständig. Das Einheitspatent besteht neben der Möglichkeit zur Erlangung eines nationalen Patents und eines „traditionellen“ Europäischen Patents („Bündelpatent“). Halbleiterschutz (Topographien) Richtlinie 87 / 54 / EWG des Rates über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen v. 16. 12. 1986. Schutz von dreidimensionalen Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (Topographien). Umgesetzt durch das Halbleiterschutzgesetz v. 22. 10. 1987 ( HLS chG). Markenrecht 112 Zusammenfassung der Vorschriften der Verordnung ( EG ) Nr. 207 / 2009 über die Gemeinschaftsmarke und die Änderungen dieser Verordnung durch die Verordnung ( EU ) Nr. 2015 / 2424 zur Änderung der Gemeinschaftsmarkenverordnung in einer Verordnung (kodifizierte Fassung). 69 § 4 Der internationale Schutz des geistigen Eigentums Pierson Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken v. 14. 4. 1891 ( MMA ); ergänzt durch das Protokoll zum MMA v. 27. 6. 1989 ( PMMA ). Ermöglicht eine internationale Registrierung in den benannten Vertragsstaaten des MMA oder PMMA beim Internationalen Büro der WIPO . Richtlinie 2008 / 95 / EG v. 22. 10. 2008 des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken (Marken RL - kodifizierte Fassung); geändert durch Richtlinie ( EU ) 2015 / 2436 v. 16. 12. 2015 (Neufassung). Zugrundeliegende Ursprungs-Marken- RL 89 / 104 / EWG v. 21. 12. 1988 umgesetzt durch das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen v. 25. 10. 1994 (MarkenG). Verordnung ( EU ) Nr. 2017 / 1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über die Unionsmarke (Unionsmarkenverordnung). Rechtsgrundlage der einheitlichen Unionsmarke für das gesamte Gebiet der EU , verwaltet durch das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante. Geschmacksmuster-/ Designrecht Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle v. 6. 11. 1925 ( HMA ). Nebenabkommen zur PVÜ . Mit einer internationalen Hinterlegung bei der WIPO Erlangung von Musterschutz in den benannten Vertragsstaaten. Richtlinie 98 / 71 / EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen v. 13. 10. 1998 (Geschmacksmuster RL ). Harmonisierung des Geschmacksmusterrechts. Umgesetzt durch das in seinen wesentlichen Teilen am 1. 6. 2004 in Kraft getretene Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen vom 12. 3. 2004 (Geschm MG ), das durch das Modernisierungsgesetz vom 10. 10. 2013 in Designgesetz umbenannt wurde. Verordnung ( EG ) Nr. 6 / 2002 über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster v. 12. 12. 2001 ( GGV ); geändert durch die Verordnung ( EG ) Nr. 1891 / 2006 v. 18. 12. 2006. Schaffung eines einheitlichen Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit Zuständigkeit des Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EU IPO ) in Alicante. Sortenschutzrecht Internationales Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen v. 2. 12. 1961 (Pfl ZÜ ). Regelung des internationalen Sortenschutzes. Mitgliedsstaaten bilden einen Verband (Union for Protection of New Varieties of Plants - UPOV ). Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz v. 27. 7. 1994 ( EGSVO ). Schaffung eines gemeinschaftlichen gewerblichen Schutzrechts für Pflanzensorten, das eine einheitliche Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet. Zuständigkeit des Gemeinschaftlichen Sortenamtes in Angers / Frankreich. Urheberrecht Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst v. 9. 9. 1886 ( RBÜ ). Ältester völkerrechtlicher Vertrag des Urheberrechts. Welturheberrechtsabkommen v. 6. 9. 1952 ( WUA ). Das WUA bietet ein geringeres Schutzniveau als die RBÜ , die deshalb auch unter den RBÜ -Verbandsstaaten Vorrang hat (Art. XVII Abs. 1 WUA ). Da nahezu alle der zunächst nur dem WUA beigetretenen Staaten inzwischen dem RBÜ beigetreten sind, ist das WUA weitgehend bedeutungslos geworden. Das Abkommen hat jedoch als Vorstufe zum Beitritt der USA , Russlands und Chinas zur RBÜ einen international bedeutenden Beitrag zur Schaffung und Anhebung eines weltweiten Schutzstandards geleistet. 70 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht - wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen - WIPO -Urheberrechtsvertrag v. 20. 12. 1996 ( WIPO Copyright Treaty, WCT ). Sonderabkommen zur RBÜ , das in Ergänzung zur RBÜ anwendbar ist und darauf abzielt, den internationalen Schutz des Urheberrechts auf der Grundlage der seit 1971 nicht mehr revidierten RBÜ insbesondere auch in Bezug auf die Herausforderungen durch die Digitaltechnik zu modernisieren. Richtlinie 2009 / 24 / EG vom 23. 4. 2009 über den Rechtsschutz von Computerprogrammen (Computerprogramm RL - kodifizierte Fassung). 113 Umsetzung durch Einfügung besonderer urheberrechtlicher Bestimmungen für Computerprogramme (§§ 69a - 69g UrhG). Richtlinie 96 / 9 / EG vom 11. 3. 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (Datenbank RL ). Kennzeichnend ist ein zweispuriges Schutzkonzept. Datenbanken können danach einen verstärkten urheberrechtlichen Schutz als sog. Datenbankwerke genießen (§ 4 Abs. 2 UrhG), daneben ist ein Leistungsschutzrecht für den Hersteller der Datenbank getreten (§§ 87a - 87e UrhG). Richtlinie zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft vom 22. 5. 2001 (InfoSoc RL ). Die Vorgaben der InfoSoc RL wurden durch die Urheberrechtsnovelle 2003 in einem ersten Schritt (Erster Korb) in das deutsche Urheberrecht umgesetzt. Die Novelle 2003 zielte darauf ab, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der neuen Informations- und Kommunikations-technologien (IuK), insbesondere der digitalen Technologie, anzupassen. Eine weitere Anpassung erfolgte durch das Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft v. 26. 10. 2007 (Zweiter Korb). Vorschlag für eine Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt v. 14. 9. 2016 COM (2016) 593 final (Vorschlag DSM -UrhR- RL ). Der Richtlinienvorschlag ist Teil der breit angelegten „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa“ und zielt darauf ab, das Urheberrecht durch ein Bündel von Maßnahmen mit Blick auf die veränderten wirtschaftlichen Bedingungen im digitalen Umfeld zu modernisieren. Verordnung ( EU ) 2017 / 1128 v. 14. 6. 2017 zur grenzüberschreitenden Portabilität von Online-Inhaltediensten im Binnenmarkt (Portabilitäts-Verordnung). Bei dieser seit dem 20. 3. 2018 geltenden Verordnung handelt es sich um die bis dato einzige EU -Verordnung auf dem Gebiet des bislang aus einer Vielzahl von Richtlinien bestehenden europäischen Urheberrechts. Ziel der Verordnung ist es, den Abonnenten portabler Online- Inhaltedienste den Zugriff auf diese Dienste auch dann zu ermöglichen, wenn sie sich vorübergehend in einem anderen Mitgliedsstaat als ihrem Wohnsitzmitgliedsstaat aufhalten. Abb. 2: Internationaler Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht (ausgewählte wichtige internationale und europäische Rechtsgrundlagen) 113 Weitere EU -Richtlinien zum Urheberrecht s. die Übersicht zuvor unter Ziff. 3. 71 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums I. Zentrale Kategorien geistigen Eigentums Wie bereits dargelegt (s. o. § 1 II .; § 2 IV .), hat der Gesetzgeber nicht alle Ergebnisse geistiger Schaffenstätigkeit in den Kreis der geschützten Güter aufgenommen. Vielmehr ist der durch die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums gewährte Schutz im Sinne eines numerus clausus auf bestimmte Kategorien von Schaffensergebnissen, die bei Vorliegen der jeweils gesetzlich bestimmten materiellen und ggf. formellen Schutzvoraussetzungen als Rechtsobjekte Anerkennung finden, beschränkt. 114 Das heißt, überall dort, wo immaterialgüterrechtlicher Schutz durch die Rechtsordnung anerkannt ist, knüpft dieser an bestimmten Kategorien geistiger Schaffensergebnisse und deren jeweiliges Wesen an. Das Wesen der immaterialgüterrechtlich geschützten geistigen Güter ist dabei jedoch nicht nur für deren kategoriale Abgrenzung- - etwa als technische Erfindung oder Werk im Sinne des Urheberrechts- - maßgeblich, sondern darüber hinaus insbesondere auch bestimmend für die normativ-rechtliche Ausgestaltung der jeweiligen rechtlichen Schutzinstrumentarien. Das heißt, dass die sondergesetzlichen Regelungen über das „Ob“ und das „Wie“ des Schutzes jeweils dem Wesen der einzelnen Rechtsobjekte angepasst sind. 115 Für ein tiefergehendes Verständnis des rechtlichen Systems zum Schutz des geistigen Eigentums, wie es durch die verschiedenen Sondergesetze des Immaterialgüterrechts gebildet wird, seiner jeweiligen Regelungsmechanismen und der darin zu Tage tretenden gesetzgeberischen Wertungen ist es daher unverzichtbar, sich im Rahmen der Erschließung der Grundlagen dieses Rechtsgebietes auch das Wesen der zentralen Kategorien schöpferischer Leistungsergebnisse zu vergegenwärtigen. 116 Das Abstellen auf die Ergebnisse schöpferischer Leistung trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass das Immaterialgüterrecht nicht an den menschlichen Schaffensprozess an sich-- sei es etwa die Erfindertätigkeit des Ingenieurs oder den persönlich-geistigen Schöpfungsvorgang des Urhebers (z. B. Autors, Komponisten)- -, sondern an das Ergebnis des Schaffens selbst-- also etwa die technische Erfindung oder das Werk des Urhebers (z. B. den Roman, die Komposition)- - anknüpft; denn erst in diesem Ergebnis entfaltet sich der Wert des Schaffens. 117 Ausgehend von einem Begriff „schöpferischer Leistung“ im weitesten Sinne lassen sich die folgenden, für das Verständnis der wichtigsten Immaterialgüterrechte bedeutsamen Kategorien unterscheiden: 118 114 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 50; Ahrens / McGuire, Modellgesetz, § 2, S. 24. 115 Vgl. hierzu grundlegend Troller, UFITA Bd. 50 (1967), S. 385, 392 ff.; ders. CR 1987, 213 ff.; ferner Knap, FS f. A. Troller, 117, 123. 116 Grundlegend und umfassend zur allgemeinen Bedeutung einer Systematisierung des geltenden Rechts des geistigen Eigentums s. Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch. 117 Für die erfinderische Leistung vgl. Götting, Gewerblicher Rechtschutz, § 4, S. 50 f. 118 In Anlehnung an Knap, FS f. A. Troller, S. 117, 122 f. 72 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson ▶ Kategorie 1: Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen, die in der Natur oder Gesellschaft zwar vorhanden, jedoch bisher noch nicht bekannt waren. ▶ Kategorie 2: Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen, die zwar durch die objektiven Realitäten vorbestimmt, als Lösung jedoch neu sind. ▶ Kategorie 3: Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen, das ein persönlicher, d. h. individueller Ausdruck des Schaffenden ist. II. Ergebnisse, die in der Entdeckung einer Realität bestehen 1. Entdeckungen Mit dieser Kategorie geistigen Schaffens sind insbesondere die Ergebnisse menschlicher Leistung angesprochen, die dieser durch die Erforschung der Natur erlangt. Unter einer Entdeckung versteht man die Auffindung oder Erkenntnis bisher unbekannter, aber objektiv in der Natur schon vorhandener Gesetzmäßigkeiten, Wirkungszusammenhänge, Eigenschaften oder Erscheinungen. 119 Obgleich Entdeckungen häufig auf langwieriger, mühevoller Forschungsarbeit beruhen und insoweit das Ergebnis großer Leistungen darstellen, denen zudem eine grundlegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung zukommt, werden sie nach ausdrücklicher patentrechtlicher Bestimmung (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ ) nicht als Erfindungen im Sinne des Patentrechts angesehen und sind damit „als solche“ (§ 1 Abs. 4 PatG; Art. 52 Abs. 3 EPÜ ) vom Patentschutz ausgeschlossen. Diesem ausdrücklichen Ausschluss der Entdeckungen kommt jedoch nur eine klarstellende Bedeutung zu. Ihre mangelnde Patentierbarkeit folgt bereits aus der Definition der dem Patentschutz allein zugänglichen technischen Erfindung als Lehre zum technischen Handeln, d. h.-- nach der Definition der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ( BGH ) 120 -- einer Lehre „zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Während also für die Erfindung ein praktisches Zweckmoment charakteristisch ist, das darin zu erblicken ist, dass eine praktische Anwendungsmöglichkeit gegebener Naturkräfte oder Naturstoffe gelehrt wird, erschöpft sich die Entdeckung in der Vermittlung reiner Erkenntnis ohne die Angabe eines praktischen Zwecks. 121 Der Unterschied zwischen einer Entdeckung und einer Erfindung lässt sich danach so umschreiben, dass die Entdeckung die Natur beschreibt, die Erfindung hingegen sich ihrer zum technischen Handeln bedient. 122 119 Beier / Straus, Der Schutz wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, S. 14. 120 Vgl. Nachw. bei Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 43. 121 Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 24. 122 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 155. 73 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 2. Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit Die insoweit gegebene Beschränkung des Patentschutzes auf den Bereich der technischen Erfindungen unter Ausschluss der Entdeckungen als bloße Erkenntnisse vom Anwendungsbereich des Patentschutzes wird zunächst damit begründet, dass die Entdeckung-- anders als die Erfindung, die den Bestand der in der Welt vorhandenen geistigen Güter durch eine neue Lehre vermehre-- lediglich etwas über das bereits Bestehende Aussage, ohne es zu vermehren. 123 Gegen eine zeitweise Monopolisierung ergäbe sich insoweit das Bedenken, dass etwas schon Vorhandenes dem allgemeinen Gebrauch vorenthalten würde. Als weiterer, letztlich entscheidender Grund für die Patentunfähigkeit von Entdeckungen wird jedoch geltend gemacht, dass ein Patentanspruch für eine wissenschaftliche Entdeckung infolge seiner Breite die gesamte darauf beruhende technische Entwicklung sperren und damit die Gefahr einer erfindungs- und fortschrittshindernden Wirkung begründen würde. 124 3. Entdeckung als Grundlage eines Patents Allerdings können Entdeckungen, was häufig der Fall ist, Grundlage einer Erfindung sein, wenn es gelingt, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Technik dienstbar zu machen. 125 Stellt etwa jemand eine Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses fest, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist. Wird für die Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist (s. u. § 8 I. 2 a). Die Umsetzung einer Entdeckung in eine technische Handlungsanweisung ist jedoch nur dann eine dem Patentschutz zugängliche erfinderische Tätigkeit, wenn sie vom Fachmann nicht zu erwarten war, d. h. die Patentierung scheitert, wenn die Lösung für den Fachmann bei Kenntnis der Entdeckung nahe lag. 126 4. Wissenschaftliche Theorien und Methoden Auf der gleichen Erwägung, die zum Ausschluss der Entdeckungen vom Patentschutz führt, beruht auch die ausdrückliche Ausnahme der wissenschaftlichen Theorien und mathematischen Methoden vom Patentschutz (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG; Art. 52 Abs. 2 (a) EPÜ ). 127 Auch die reinen wissenschaftlichen Erkenntnisse wie physikalischen Gesetze, Lehrsätze, chemische Formeln und sonstigen Prinzipien sind nämlich nicht-technischer Natur, da sie kein angewandtes Denken darstellen, sondern lediglich eine abstrakte Erkenntnis vermitteln. 123 Vgl. Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 55; ferner Schramm, Die schöpferische Leistung, S. 144. 124 Vgl. Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 24 f.; Kraßer / Ann, Patentrecht, § 11 Rdn. 12. 125 Bernhardt, Die Bedeutung des Patentschutzes in der Industriegesellschaft, S. 25; Schulte / Moufang, PatG, § 1 Rdn. 126 f. 126 Vgl. im Einzelnen Kraßer / Ann, Patentrecht, § 11 Rdn. 16, § 18 Rdn. 84 ff. 127 Schulte / Moufang, PatG, § 1 Rdn. 129 ff. 74 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson III. Ergebnisse, die in der Lösung eines Problems bestehen Während sich die zuvor genannten Ergebnisse geistiger Leistung in dem Erkennen in der Natur bzw. der Gesellschaft vorhandener Realitäten, d. h. in der Vermittlung von Erkenntnissen erschöpfen, stellen sich die Ergebnisse der hier behandelten weiteren Kategorie möglicher geistiger Schaffensergebnisse als durch die objektiven Realitäten vorbestimmte, neuartige Problemlösungen dar. Jede neuartige Problemlösung, gleichgültig ob es sich um eine auf technischem oder nicht-technischem Gebiet handelt, stellt sich als ein konkret fassbares Ergebnis geistiger Leistung und damit an sich auch als ein immaterielles Gut dar. Anders als im Recht der körperlichen Güter-- der beweglichen und unbeweglichen Sachen-- ist es jedoch für das Verständnis des Immaterialgüterrechts von Bedeutung, dass von der Rechtsordnung, wie bereits eingangs dargelegt, nicht alle immateriellen Güter als Rechtsobjekte geistigen Eigentums anerkannt werden. Vielmehr hat der Gesetzgeber, wie bereits die vorerwähnten Ausführungen zur Freiheit der Entdeckungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse, an deren Wert für die Gesellschaft nicht zu zweifeln ist, verdeutlicht haben, den Schutz auf ganz bestimmte Kategorien geistiger Schaffensergebnisse beschränkt. Im Bereich der hier erörterten Kategorie von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit, die durch ihren Problemlösungscharakter bestimmt sind, ist der Schutz auf technische Problemlösungen beschränkt. Für nicht-technische Problemlösungen ist ein immaterialgüterrechtlicher Schutz demgegenüber explizit ausgeschlossen. 1. Technische Problemlösungen Wie bereits dargestellt (s. o. § 2 I. 1.), handelt es sich bei der dem Patentschutz zugänglichen Erfindung um eine „Lehre zum technischen Handeln“, gestützt auf die ständige Rechtsprechung des BGH definiert als eine „Lehre zur planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausal übersehbaren Erfolges“. Bei der Erfindung handelt es sich also um die an den Fachmann gerichtete Belehrung darüber, welche Naturkräfte er wie einsetzen muss, um einen kausal übersehbaren Erfolg zu erreichen. Die einzusetzenden Naturkräfte sind dabei das Mittel zur Lösung eines technischen Problems. Die dem Patentschutz zugängliche Erfindung ist somit eine technische Problemlösung; ebenso wie die dem Gebrauchsmusterschutz zugängliche Erfindung, bei der es sich gleichermaßen um eine Lehre zum technischen Handeln handelt (s. o. § 2 I. 2.).-- Auch bei den vom Halbleiterschutz erfassten Halbleitertopographien als Ergebnissen geistigen Schaffens handelt es sich um technische Problemlösungen. Die Entwicklung und Herstellung einer integrierten Schaltung stellt sich als ein mehrstufiger komplexer Produktionsprozess dar, der über zahlreiche, jeweils verfeinernde Zwischenschritte schließlich zum gewünschten Endprodukt, dem fertigen Halbleiterchip, führt. Analysiert man die einzelnen Phasen des Entwicklungs- und Herstellungsprozesses, wird deutlich, dass auch die Chipproduktion, die im Ergebnis auf eine Problemlösung auf schaltungstechnischem Gebiet abzielt, durch ihren Charakter als technische Problemlösung bestimmt ist. 75 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 2. Nicht-technische Problemlösungen a) Sog. Anweisungen an den menschlichen Geist Explizit von einem immaterialgüterrechtlichen Schutz ausgeschlossen sind Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten, die nicht als Erfindungen angesehen und daher-- zumindest „als solche“-- nicht patentiert bzw. gebrauchsmusterrechtlich geschützt werden können (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 3 PatG; § 1 Abs. 2 Nr. 3 Gebr MG ). 128 Die damit angesprochenen Ergebnisse geistiger Tätigkeit decken sich weitgehend mit den Gegenständen, die im juristischen Schrifttum 129 meist unter dem Stichwort der sog. Anweisungen an den menschlichen Geist behandelt werden. Ihnen ist gemeinsam, dass sie zwar Handlungsanweisungen geben, jedoch keine Lehre zum technischen Handeln vermitteln. Sie unterscheiden sich von den patentfähigen Regeln zum technischen Handeln (Erfindungen) dadurch, dass sie die Beherrschung von Formen und Lagen des Denkens an sich bezwecken, ohne dass es dabei auf die Anwendung von Naturkräften ankommt, während die Regeln zum technischen Handeln die geistigen Fähigkeiten des Menschen im Hinblick auf die Beherrschung der Naturkräfte einschalten, sie also zu einem technischen Handeln bestimmen. 130 Keine Erfindung und damit nicht patentierbar sind danach z. B. Gebrauchsanweisungen, Unterrichts- und Lehrmethoden, Regeln für psychologische Tests, Einteilungen von Formularen, Tabellen, Skalen (=- Anweisungen für „gedankliche Tätigkeiten“), Spielregeln, Einteilungen von Brettspielen (=- Anweisungen für „Spiele“), Buchführungs- und Abrechnungssysteme, Werbemethoden (=- Anweisungen für „geschäftliche Tätigkeiten“) usw. 131 So hat der BGH etwa die Lehre, einen Wett- oder Wahlschein, also ein Stück Papier, in bestimmter Weise für die Vornahme von Eintragungen durch die Anordnung von Linien und Schriftzeichen aufzuteilen, nicht als patentierbare Erfindung angesehen, da durch den Wettschein-- möge sein Entwurf auch eine geistige Leistung darstellen-- keine technische Wirkung erzielt, sondern lediglich eine Anweisung an den menschlichen Geist gegeben werde. 132 Ein typischer, zur Verdeutlichung der hier in Rede stehenden Ergebnisse geistiger Leistung geeigneter Gegenstand lag auch der Buchungsblatt-Entscheidung des BGH 133 zugrunde. Zu entscheiden war insoweit über die Gebrauchsmusteranmeldung eines Buchungsblattformulars für die Lohn- und Gehaltsabrechnung, das im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet war, dass unterschiedlich gefärbte, vertikal verlaufende Spalten das Auge des Buchhalters bei Eintragungen und Addiervorgängen „optisch lenken“ und dadurch die Gefahr von Falscheintragungen ausschließen sollten. Der BGH verneinte den technischen Charakter des Anmeldungsgegenstandes und damit seine Schutzfähigkeit vor allem damit, dass die Aufteilung des Buchungsblattes nicht als technisches Mittel zur Erreichung des gewünschten Ergebnisses 128 Zur Einordnung der gleichfalls in diesem Zusammenhang geregelten „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ s. u. § 8 I. 3. 129 Vgl. etwa Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 13; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 10, S. 129 f. 130 Blum, FS zum 100-jährigen Bestehen der Firma Blum & Co., S. 61, 67; Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 101. 131 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 16 ff.; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 10, S. 130. 132 BGH GRUR 1958, 602, 603 „Wettschein“. 133 BGH GRUR 1975, 549; weitere Rechtsprechungsnachweise s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 18. 76 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson angesehen werden könne. Die Aufteilung derartiger Liniensysteme und Flächenmuster könne vielmehr in aller Regel nicht ohne Einschaltung einer symbolischen geistigen Anweisung sinnvoll genutzt werden. b) Mangelnde Technizität Die vorgenannten Beispiele belegen, dass es sich bei den allgemein unter dem Begriff „Anweisungen an den menschlichen Geist“ zusammengefassten Tatbeständen um Ergebnisse geistigen Schaffens handelt, die der Kategorie der Problemlösungen zuzuordnen sind, für die also-- im Gegensatz zu den reinen Erkenntnissen und Entdeckungen (s. zuvor u. II .)-- ein praktisches Zweckmoment, eine konkrete Anwendungsmöglichkeit charakteristisch ist. Anders als bei den patent- und gebrauchsmusterfähigen Erfindungen handelt es sich jedoch bei den sog. Anweisungen an den menschlichen Geist nicht um technische Problemlösungen, d. h. um Lehren zum lösungsgerechten Einsatz von Naturkräften, sondern um nicht-technische, d. h. um Lehren zum lösungsgerechten Einsatz des menschlichen Geistes. So wird in dem oben genannten Beispielsfall durch die Gestaltung des Buchungsblattes eine Anweisung an den Buchhalter gegeben, seinen „Geist“ in bestimmter Weise zu betätigen, nämlich sich bei Eintragungen, Additionen etc. jeweils an optischen Hilfsmittel (Spalten, Farben etc.) zu orientieren. Dass sich letztlich auch die menschliche Verstandestätigkeit mit Rücksicht auf die primär biologisch-chemischen Vorgänge, die die Tätigkeit des Gehirns steuern, als Einsatz von Naturkräften darstellt, ist hier ohne Belang, da die menschliche Verstandestätigkeit jedenfalls nicht zu den beherrschbaren Naturkräften im Sinne des patentrechtlichen Technikbegriffs gehört. Damit sind vielmehr nur solche Naturkräfte gemeint, die außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit liegen und mit ihrer Hilfe beherrscht werden können. 134 Entscheidend ist also, dass der Benutzer der sog. Anweisung an den menschlichen Geist den angestrebten Erfolg, die Lösung seines Problems, nicht automatisch durch den Einsatz technischer Mittel, sondern durch eigenes Zutun, nämlich vermittels eigener Denktätigkeit, erlangt. c) Die Begründung der mangelnden Patentierbarkeit Auch die Entwicklung derartiger nicht-technischer Problemlösungen kann auf erheblicher, mit hohen Kosten verbundener geistiger Arbeit beruhen, deren Ergebnisse gerade im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich eine große wirtschaftliche Bedeutung zukommt. 135 Die-- jetzt auch in § 1 Abs. 1 PatG ausdrücklich geregelte-- Begrenzung des Patentschutzes auf das Gebiet der Technik hat damit zur Folge, dass nicht unwesentliche Ergebnisse nach deutschem und europäischem Patentrecht vom Schutz ausgenommen bleiben. 136 Gleichwohl hatte sich der BGH 137 bereits nach früherer Rechtslage, die noch keinen expliziten Ausschluss der unter der Bezeichnung der „Anweisungen an den menschlichen Geist“ zusammengefassten Gegenstände vorsah, gegen einen Schutz von Anweisungen für eine „rein geistige“ Tätigkeit und einen entsprechend erweiterten Technikbegriff ausgesprochen. Eine 134 BGHZ 67, 22, 27-= GRUR 1977, 96, 98 „Dispositionsprogramm“; GRUR 1977, 152, 153 „Kennungsscheibe“. 135 Beier, GRUR 1972, 214, 230. 136 Näheres vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 123 ff. 137 BGHZ 67, 22, 32-= GRUR 1977, 96, 99 „Dispositionsprogramm“. 77 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson Einbeziehung der menschlichen Verstandestätigkeit als solcher in den Kreis der Naturkräfte hätte- - so die Befürchtung- - zur Folge, dass schlechthin allen Ergebnissen menschlicher Gedankentätigkeit, sofern sie nur eine Anweisung zu planmäßigem Handeln darstellen und kausal übersehbar sind, technische Bedeutung zugesprochen werden müsste. Damit aber würde der Begriff des Technischen praktisch aufgegeben und der Schutz des Patentschutzes für Leistungen eröffnet, deren Wesen und Begrenzung nicht zu erkennen und zu übersehen sei. Ein völliger Verzicht auf das Erfordernis des technischen Charakters einer Neuerung komme jedoch nicht in Betracht, da der Begriff der Technik als das einzig brauchbare Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen geistigen Leistungen des Menschen erscheine. Auch sei das Patentgesetz kein Auffangbecken für den Schutz sonst nicht geschützter Leistungen, sondern ein Spezialgesetz für den Schutz technischer Leistungsergebnisse. 138 IV. Ergebnisse, die in der Schaffung eines neuen Gutes bestehen Mit dieser Kategorie geistigen Schaffens sind schließlich diejenigen Ergebnisse menschlicher Geistestätigkeit angesprochen, die allgemein dem Bereich des sog. Kulturschaffens zuzuordnen sind. Sie lassen sich abstrakt dadurch kennzeichnen, dass sie der menschliche Geist gewissermaßen aus sich selbst heraus, wenn auch unter Ausschöpfung allgemeiner, frei zugänglicher Quellen, hervorgebracht hat. Ihnen gemeinsam ist das Beruhen auf einem geistigen Schaffensprozess, der-- ausgehend von einer Inspiration, einer Idee im Sinne eines Gedankens, eines Einfalls-- auf eine persönliche Ausdrucksform gerichtet ist und schließlich eine Gestalt gewinnt, so dass ein neuer, ursprünglich geistiger Gegenstand entsteht. 139 Die hier in Rede stehenden Geisteswerke-- z. B. Romane, Kompositionen, Gemälde, Filmwerke-- unterscheiden sich damit in ihrem Wesen von den Ergebnissen der zuvor behandelten Kategorien geistigen Schaffens. So kann eine Entdeckung, wie gesehen (s. o. II . 1.), zwar auf einer bedeutenden Forschungsleistung beruhen; ein neuer geistiger Gegenstand wird durch sie jedoch nicht geschaffen, sondern „nur“ ein in der Natur liegendes geistiges Prinzip aufgefunden. Auch die einer Problemlösung (s. zuvor III .), insbesondere einer technischen Erfindung zugrunde liegende Leistung setzt regelmäßig erhebliche intellektuelle Fähigkeiten-- Fachwissen, Phantasie, Kombinationsgabe etc.-- voraus. Sie verleiht jedoch nicht dem individuellen menschlichen Geist an sich Ausdruck und Gestalt, sondern bringt „lediglich“ eine in der Natur vorgegebene Gesetzmäßigkeit zur Anwendung, d. h. stellt sie in den Dienst einer praktisch anwendbaren und gewerblich verwertbaren Lösung eines Problems. In der Literatur wird diesem Unterschied in Bezug auf die Ergebnisse menschlicher Schaffenstätigkeit begrifflich z. T. dadurch Rechnung getragen, dass von einer „Schöpfung“ nur dort gesprochen werden könne, wo der menschliche Geist-- wie bei Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst- - seinen individuellen Inhalten eine Ausdrucksform gebe und so einen Gegenstand in der Außenwelt schaffe, während die Schutzgegenstände des gewerblichen Rechtsschutzes 138 Zum Technizitätserfordernis im Spiegel der Rechtsprechung vgl. auch Pierson, Jur PC Web-Dok. 182 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040182.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 139 Ausführlich zum Wesen des geistigen Schaffens im Bereich des Kulturschaffens vgl. Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 5, S. 26 ff. 78 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson sprachlich als geistige Leistungen zu erfassen seien. 140 Im Gegensatz zu den der Kategorie der Problemlösungen zugeordneten Ergebnissen geistigen Schaffens ist den hier ins Auge gefassten Geisteswerken des Kulturschaffens ein praktisches Zweckmoment, eine konkrete unmittelbare Anwendungs- und Benutzungsmöglichkeit jedoch weitgehend fremd. Ihre Aufgabe ist vielmehr primär das Mitteilen und Bewirken von Gedanken, Eindrücken, Empfindungen, Gefühlen, Stimmungen, Assoziationen etc., die sie durch ihr bloßes Dasein, ihr sinnliches Erscheinen und die damit gegebene Möglichkeit der sinnlichen Wahrnehmung erfüllen. 141 Sofern geistiges Schaffen im vorgenannten Sinne seinen Niederschlag in einem Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst findet, genießt dieses urheberrechtlichen Schutz nach Maßgabe des Urheberrechtsgesetzes (vgl. § 1 UrhG). Auch neue und eigenartig gestaltete Designs im Sinne des Designgesetzes sind dieser Kategorie geistiger Schaffensergebnisse zuzuordnen. V. Kategoriale Erfassung der Kennzeichen Kennzeichen im Sinne des Markengesetzes nehmen eine Sonderstellung im System des geistigen Eigentums ein und stellen eine spezielle Kategorie immaterieller Güter dar. Kennzeichen sind weder- - technische oder nicht-technische- - Problemlösungen (s. o. III .) noch handelt es sich bei Ihnen um persönlich-geistige oder eigenartig-gestalterische Schaffensergebnisse, deren Bedeutung sich in ihrem Dasein, der Möglichkeit ihrer sinnlichen Wahrnehmung erschöpft (s. zuvor IV .). Vielmehr handelt es sich bei den schutzfähigen Kennzeichen um immaterielle Güter, die-- anders als die anderen vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände- - für etwas anderes stehen. Als Symbole stehen sie für die unternehmerische Leistung- - für Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen als solches. 142 Sie sind das zentrale Mittel unternehmerischer Kommunikation mit den anderen Marktteilnehmern und haben die Aufgabe einen Bedeutungsinhalt in Bezug auf exakt definierte Objekte (Waren, Dienstleistungen, Unternehmen) zu transportieren. Der Schutzgegenstand des Kennzeichenrechtes lässt sich begreifen als der Schutz gewerblicher Kennzeichen als Symbolen konkret definierter unternehmerischer Leistungen und zentralem Mittel der auf diese Leistungen bezogenen Kommunikation mit anderen Marktteilnehmern. 143 140 Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl. 1988, S. 36 ff.; der Sache nach Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 5, S. 26 ff.; kritisch Kraßer / Ann, Patentrecht, § 2 Rdn. 72, daran anschließend, unter Aufgabe der in den Vorauflagen vertretenen Auffassung jetzt auch Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, S. 48. 141 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 60. 142 Allgemein zum Schutz der Marke als Unternehmensleistung vgl. Fezer, Markenrecht, 2. A., Einl. Rdn. 28. 143 Im Einzelnen vgl. Pierson in Huck (Hrsg.), China und Deutschland, S. 61 ff. 79 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson VI. Ergebnisse geistigen Schaffens und normativ-rechtliche Ausgestaltung Die vorstehende Systematisierung wesentlicher Kategorien geistiger Schaffensergebnisse ist für das Verständnis des Systems des Immaterialgüterrechts von zentraler Bedeutung. Denn, wie eingangs (s. o. I.) bereits festgestellt, ist das Wesen der geschützten geistigen Güter maßgeblich zum einen für die kategoriale Anknüpfung der jeweiligen Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums, zum anderen für deren normativ-rechtliche Ausgestaltung. Bildlich lässt sich dieser Zusammenhang zwischen rechtlichem Schutzinstrumentarium und immateriellem Schutzgegenstand wie folgt veranschaulichen: Der Handwerker (Gesetzgeber) muss den Nagel (Schutzobjekt) in seinem Wesen und seiner Bestimmung (angespitzter Stift, meist mit Kopf, zum Verbinden von Holz, Kunststoff, Presspappe u. ä., zum Eintreiben mit einem Hammer) erkennen (kategoriale Anknüpfung), um zum richtigen Werkzeug (Schutzinstrumentarium)-- dem Hammer-- zu greifen, mit dem er den Nagel durch gezielte Schläge (normativ-rechtliche Ausgestaltung) eintreiben kann. Durch die nachfolgende Darstellung soll anhand exemplarischer Regelungsbereiche aufgezeigt werden, dass sich die wesensmäßigen Unterschiede der vom Immaterialgüterrecht erfassten Schutzgegenstände in vielfältiger Weise auf die normativ-rechtliche Ausgestaltung der sondergesetzlichen Bestimmungen auswirken. Ungeachtet dieser sich aus dem Wesen der jeweiligen Schutzgegenstände ergebenden schutzrechtsspezifischen Unterschiede ist hervorzuheben, dass die Sondergesetze zum Schutz des geistigen Eigentums über weite Strecken durch Gemeinsamkeiten und parallele Regelungen gekennzeichnet sind. Angesprochen sind damit alle Regelungsbereiche, die nicht durch das Wesen der Schutzgegenstände in spezifischer Weise bestimmt sind und für die daher im Sinne einer übergreifenden Systematisierung die Zusammenfassung in einem „Allgemeinen Teil“ vorgeschlagen wird. 144 1. Materielle Schutzvoraussetzungen a) Kategoriale Anknüpfung Der durch das Patentrecht gewährte Schutz knüpft an das Vorliegen einer Erfindung an, bei der es sich, wie dargestellt (s. o. III . 1.), ihrem Wesen nach um eine technische Problemlösung, eine „Lehre zum technischen Handeln“ handelt. Bei einem Sachpatent betreffend eine erfinderische Maschine etwa (z. B. zum Recycling von geschreddertem metallischem Autoschrott) besteht die Lehre in dem Aufzeigen der erforderlichen Konstruktion (Anordnung von Schüttungen, Förderbändern, Tauchbädern, Schüttelsieben, Magneten etc.) und der Erläuterung deren Funktion zur Lösung des technischen Problems (Trennung und Sortierung der unterschiedlichen beim Fahrzeugbau eingesetzten und wieder verwertbaren Edelmetalle). Die Bereicherung der in der Maschine realisierten Erfindung für die Technik und damit für die Gesellschaft äußert sich offensichtlich nicht in der visuellen Wirkung der Maschine als Raumform auf die menschlichen Sinne, sondern ihrem Zweck entsprechend in ihrem Funktionieren, ihrer Tauglichkeit zur Lösung eines Problems unter Ausnutzung von Naturkräften (hier u. a. Schwerkraft, elektromagnetische Anziehung), die durch die erfinderische 144 Vgl. hierzu Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, Buch 1: Allgemeiner Teil. 80 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Konstruktion zum Einsatz gelangen. Der Schutz des Gesetzes wäre daher untauglich, würde dieser, anstatt am geistigen Gehalt der erfinderischen Lehre und deren Nutzungsmöglichkeiten, an die äußere Gestalt der Maschine als visuell wahrnehmbare, auf die menschlichen Sinne wirkende Erscheinung anknüpfen. Der Schutz der erfinderischen Idee wäre auf die Ausführung in einer konkreten Form beschränkt und abgesehen von dem auf diese Weise nicht zu erfassenden geistigen Gehalt von Verfahrens- und Verwendungserfindungen, leicht durch formale, rein äußerliche, den geistigen Gehalt unberührt lassende Änderungen zu unterlaufen. 145 Anders hingegen das Urheberrecht, das dem Wesen der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, sich in ihrem Dasein und der damit verbundenen Möglichkeit eines „geistigen Genusses“-- der Wirkung des Werks auf die menschlichen Sinne-- zu erschöpfen, gerade dadurch entspricht, dass es unmittelbar an das Werk und die von diesem ausgehende Wirkung auf die menschlichen Sinne anknüpft. Bei einem Werk der Literatur, Wissenschaft und Kunst ist eine von seiner sinnlichen Aufnahme unabhängige Benutzungsmöglichkeit seinem Wesen nach ausgeschlossen. Der Schutz der Werke bezieht sich folgerichtig nicht, wie der von Erfindungen, auf eine Nutzung durch Anwendung oder Gebrauch (vgl. § 9 PatG), sondern auf die Verwertung durch körperliche oder unkörperliche Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 1 und Abs. 2 UrhG), durch die sich das Werk den menschlichen Sinnen mitteilt. Diese wesensmäßige Unterscheidung zwischen geistigen Gütern, die sich in ihrer bloßen Existenz und ihrer sinnlichen Wirkung erschöpfen einerseits, und solchen, die durch ihre technischfunktionelle Wirkung gekennzeichnet sind andererseits, ist gleichermaßen für die kategoriale Abgrenzung der Designs im Sinne des Designgesetzes von den erfinderischen Arbeitsgerätschaften und Gebrauchsgegenständen im Sinne des Gebrauchsmustergesetzes maßgeblich. 146 b) Bewertungsmaßstab Auch die sondergesetzlichen Regelungen, in denen die jeweiligen Schutzvoraussetzungen bestimmt sind, stimmen mit dem Wesen der jeweiligen Schaffensergebnisse überein. Nur bei einer mit dem Wesen der jeweiligen Schaffenstätigkeit übereinstimmenden Regelung ist deren Tauglichkeit sichergestellt, den für die Gewährung des Schutzrechts maßgeblichen Erfolg bzw. Wert geistigen Schaffens zu erfassen. So entspricht es dem Wesen der Erfindung als technischer Problemlösung und dem Zweck des Patentrechts, den Fortschritt auf dem Gebiet der Technik zu fördern (s. u. § 7 II . 1.), dass das Patentrecht für die Gewährung des Patentschutzes entscheidend auf das Patenterfordernis des Beruhens auf erfinderischer Tätigkeit (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG, Art. 52 Abs. 1, 56 EPÜ ) abstellt. Durch die damit vorausgesetzte sog. Erfindungshöhe wird an die erfinderische Problemlösung ein an objektiven Beurteilungskriterien-- dem Stand der Technik, dem Können eines Durchschnittsfachmanns-- orientierter qualitativer Maßstab angelegt. 147 Umgekehrt entspricht es dem Wesen der vom Urheberrecht erfassten, aus dem Geist des Urhebers hervorgebrachten ursprünglich-geistigen Schöpfungen, die sich in ihrer Wirkung auf die menschlichen Sinne erschöpfen, dass der Urheberrechts- 145 Troller, UFITA , Bd. 50 (1967), S. 382, 395. 146 Troller, UFITA , Bd. 50 (1967), S. 382, 396. 147 Zur erfinderischen Tätigkeit als qualitativem Kriterium vgl. BGH GRUR 2006, 842, 845 „Demonstrationsschrank“. 81 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson schutz-- anstatt eines nach objektiven Kriterien zu bemessenden Qualitätserfordernisses-- als wichtigste Voraussetzung die Individualität des Werkes voraussetzt. Auch insoweit wird die Bedeutung der zutreffenden kategorialen Erfassung des jeweiligen Schutzobjektes deutlich, denn bei einem mit dem Wesen nicht zu vereinbarenden Verständnis, etwa der Erfindung als bloßer sinnlich wahrnehmbarer Gestaltung (Maschine, Vorrichtung, Stoff etc.), wäre bereits der Ansatz, die Perspektive für eine ihrem Wesen gerecht werdende Beurteilung verfehlt: Das bloße Dasein einer verkörperten Problemlösung, die von ihr ausgehende visuelle, akustische oder sonstige Wirkung auf die menschlichen Sinne (z. B. das Erscheinungsbild einer Vorrichtung, das Geräusch einer Maschine, der Geruch eines Stoffs etc.) ist offenbar kein geeigneter Bezugspunkt, der eine Bewertung der von ihr ausgehenden Beförderung des technischen Fortschritts, d. h. ihres erfinderischen Abstandes zum Stand der Technik, zuließe. Ein entsprechender Zusammenhang zwischen dem Wesen des in Rede stehenden Schutzgegenstandes und den gesetzlich festgelegten materiellen Schutzvoraussetzungen lässt sich auch für das Kennzeichenrecht nachweisen. So ist maßgebliche Schutzvoraussetzung im Markenrecht, dass die Marke als Zeichen geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer zu unterscheiden (§ 3 Markengesetz; Art. 3 Marken RL ; Art. 4 UMV ; Art. 15 Abs. 2 TRIPS ). Hiermit trägt das Gesetz in gebotener Weise dem Umstand Rechnung, dass bei der Marke kein Schutzgegenstand in Frage steht, an den-- wie bei einer Erfindung-- ein qualitativer Maßstab („Erfindungshöhe“) anzulegen wäre oder bei dem es-- wie bei einem Werk im Sinne des Urheberrechts-- auf die schöpferische Individualität („Werkhöhe“) ankäme. 148 c) Neuheit Auch die Frage, ob die Gewährung eines Schutzrechts von einem Neuheitserfordernis abhängt, kann nur im Einklang mit dem Wesen des zu schützenden Ergebnisses geistigen Schaffens beantwortet werden. So ist bei Ergebnissen geistigen Schaffens, die sich ihrem Wesen nach als technische Problemlösungen darstellen, eine Beurteilung ihrer Neuheit, d. h. ihrer Nichtzugehörigkeit zum Stand der Technik (§§ 1 Abs. 1, 3 PatG; Art. 52 Abs. 1, 54 Abs. 1 EPÜ ; §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 1 Gebr MG ) möglich und für die Schutzgewährung auch erheblich. Nur eine neue technische Lehre ist geeignet, den technischen Fortschritt zu befördern und die Belohnung durch die Gewährung eines umfassenden Ausschließlichkeitsrechts zu rechtfertigen. Demgegenüber kommt es im Urheberrecht auf die Frage der Neuheit nicht an. 149 Ausschlaggebend für den Schutz eines Werkes der Literatur, Wissenschaft und Kunst ist dessen Individualität, nicht dessen Neuheit. 150 Dass ein Urheber nur etwas schaffen kann, was ihm nicht bekannt ist, für ihn also „neu“ ist, ergibt sich bereits aus dem Begriff der Schöpfung, ist diesem „inhärent“. 151 Die Frage der Neuheit erlangt daher im Urheberrecht allenfalls dadurch Bedeutung, dass zwischen der Frage der Neuheit und der der Individualität 148 Pierson in Huck (Hrsg.), China und Deutschland, S. 61, 84 f. 149 BGHZ 18, 319, 322- = GRUR 1956, 88, 89 „Bebauungsplan“; BGH GRUR 1982, 305, 307 „Büromöbelprogramm“; BGHZ 94, 276, 286-= GRUR 1985, 1041, 1047 „Inkassoprogramm“. 150 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 77 f. Rdn. 230, 234. 151 Troller, Immaterialgüterrecht, Bd. I, S. 368. 82 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson eine gewisse Relation insofern besteht, als einer objektiv vorbekannten Gestaltung keine schöpferische Eigentümlichkeit zugebilligt werden kann. 152 d) Gewerbliche Verwertbarkeit Der wirtschaftliche Wert einer Erfindung liegt ihrem Wesen als Problemlösung auf technischem Gebiet entsprechend in ihrer gewerblichen Verwertbarkeit. 153 Gemäß der Zielsetzung des Patentrechts, den Erfindergeist für gewerbliche Nutzanwendungen anzureizen, ist daher die gewerbliche Anwendbarkeit der Erfindung Voraussetzung für die Patenterteilung (§§ 1 Abs. 1, 5 PatG; Art. 52 Abs. 1, 57 EPÜ ). Die gewerbliche Verwertbarkeit ist ein gemeinsames Grundmerkmal der gewerblichen Schutzrechte, das diese vom Urheberrecht unterscheidet. 154 Die Bedeutung der gewerblichen Verwertbarkeit spiegelt sich auch in den jeweiligen Bestimmungen über die Festlegung des Schutzumfanges wider, wonach lediglich Benutzungshandlungen zu gewerblichen Zwecken vom Schutz eines gewerblichen Schutzrechts erfasst werden. Das Urheberrecht hingegen schützt das Werk und erfasst über die Arten der Werkvermittlung den Werkgenuss selbst, ohne, dass es auf eine gewerbliche Verwertbarkeit des Werks ankäme. 155 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Der bestimmende Einfluss des Wesens der vom Immaterialgüterrecht erfassten geistigen Güter zeigt sich auch bei der Ausgestaltung der formellen Schutzvoraussetzungen. Da sich die Schutzgegenstände der gewerblichen Schutzrechte im Gegensatz zu den vom Urheberrecht erfassten Geisteswerken nicht bereits durch eine ihnen eigene individuelle Prägung und eine darin zum Ausdruck kommende Verbundenheit mit der Person eines Schöpfers als einer bestimmten Person zugehörig ausweisen, ist ihre rechtliche Zuordnung in der Regel von der Erfüllung formeller Schutzvoraussetzungen-- insbesondere der amtlichen Registrierung-- abhängig. 156 So trägt das Gesetz dem durch die mangelnde Individualität der Schutzobjekte des gewerblichen Rechtsschutzes aufgeworfenen Problem, dass mehrere Personen unabhängig voneinander zu parallelen Ergebnissen gelangen können, grundsätzlich Rechnung durch das Erfordernis der Anmeldung, die das Erteilungsverfahren, die Zuordnung des Rechts durch formellen Verwaltungsakt in Gang setzt und materiell die bestehende Interessenkollision nach dem Prioritätsprinzip entscheidet. Demgegenüber offenbart sich die Zugehörigkeit der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst zur Person ihres Urhebers bereits durch ihre Individualität, ihre persönliche Prägung, so dass sich das Problem der Priorität im Urheberrecht nicht stellt. 157 Die Entstehung des urheberrechtlichen Werkschutzes knüpft daher unmittelbar an den Schöpfungsakt an, ohne dass es auf die Erfüllung formeller Voraussetzungen ankäme. 152 BGH GRUR 1962, 144, 145 „Buntstreifensatin“; BGH GRUR 1982, 305, 307 „Büromöbelprogramm“. 153 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 175. 154 Knap, UFITA Bd. 61 (1971), S. 109, 113. 155 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56. Rdn. 175. 156 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 58; Ausnahmen § 4 Nr. 2, 3 MarkenG, Art. 1 Abs. 2 a) GGVO . 157 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 78 Rdn. 233. 83 § 5 Kategorien und Systematik des geistigen Eigentums Pierson 3. Schutzwirkungen a) Sperrwirkung Kennzeichnend für die Wesensverschiedenheit der vom Immaterialgüterrecht erfassten geistigen Güter sind schließlich auch die Unterschiede in der Wirkung der einzelnen Schutzrechte. Was das Patentrecht angeht, setzt ein wirkungsvoller Erfindungsschutz, wie bereits erörtert (s. o. 1. b), voraus, dass dieser die Erfindung in ihrem Wesen als technische Problemlösung und allein nach objektiven Kriterien zu bewertendes Ergebnis geistiger Leistung erfasst. Aus der Natur der Erfindung als technischer Problemlösung ergibt sich ferner, dass diese von verschiedenen Personen unabhängig voneinander (Doppelerfindern) aufgefunden werden kann. Im Einzelfall wäre es deshalb schwer nachweisbar, dass ein Benutzer seine Kenntnis der patentierten Lehre gerade von der eines bestimmten Erfinders ableitet. Ein wirkungsvoller Schutz, der geeignet ist, dem Erfinder den angemessenen Lohn seiner Leistung zu sichern, setzt daher voraus, dass dieser-- so wie dies beim Patentschutz der Fall ist-- gerade auch mit Wirkung gegenüber einem späteren Doppelerfinder, d. h. mit sog. Sperrwirkung, ausgestattet ist. 158 Demgegenüber ist dem Urheberrecht eine Sperrwirkung fremd. Da das Urheberrecht das Werk dem Urheber nur insoweit zuordnet, als es auf dessen Individualität beruht und ein Übereinstimmung von Werken, die auf selbständiger schöpferischer Arbeit beruhen, nach menschlicher Erfahrung ausgeschlossen ist, genügt es dem Schutzinteresse des Urhebers, vor der unberechtigten Übernahme seines Werkes geschützt zu sein. 159 Sollte es dennoch vorkommen, dass voneinander unabhängiges Werkschaffen aus Zufall zu im wesentlichen übereinstimmenden Schöpfungen führt, was vor allem bei Werken von geringer persönlicher Prägung möglich erscheint, erwerben daher beide Urheber ein selbständiges Urheberrecht. 160 b) Schutzdauer Auch in der gesetzlichen Festlegung des zeitlichen Schutzumfangs eines Immaterialgüterrechts, d. h. in der Bemessung der Schutzdauer, spiegelt sich die unterschiedliche Natur der jeweiligen immateriellen Güter wider. 161 So beträgt etwa die Schutzdauer des Patents maximal 20 Jahre (§ 16 PatG), 162 die des Gebrauchsmusters sogar nur maximal 10 Jahre (§ 23 Abs. 1 Gebr MG ), während sich die Schutzdauer des Urheberrechts auf 70 Jahre nach dem Tode des Urhebers 163 beläuft (§ 64 UrhG). Dieser Umstand, dass die gesetzliche Schutzfrist bei den technischen Schutzrechten im Vergleich zum Urheberrecht erheblich kürzer ist, trägt der Tatsache Rechnung, dass die Erfindungsidee, die technische Problemlösung an sich, weil verschiedenen Erfindern im Grundsatz gleichermaßen zugänglich, geistiges Gemeingut darstellt und regelmäßig im Zuge normaler technischer Entwicklung über kurz 158 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 1 Rdn. 31, 52. 159 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 173. 160 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 10, S. 78 Rdn. 233. 161 Troller, UFITA Bd. 50 (1967), S. 385, 399. 162 In den gesetzlich bestimmten besonderen Fällen mögliche Verlängerung auf max. 25 Jahre durch sog. ergänzendes Schutzzertifikat, § 16a PatG. 163 Lat.: post mortem auctoris (=-nach dem Tod des Urhebers). 84 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson oder lang auch von anderer Seite aufgefunden worden wäre. Eine ausschließliche rechtliche Zuordnung rechtfertigt sich daher nur für einen Zeitraum, der dem Erfinder zwar einerseits durch die Gewährung eines Wettbewerbsvorteils den Lohn seiner Leistung sichert, der jedoch andererseits eine allzu lange dauernde Abhängigkeit späterer, von auf dem fraglichen Schutzgegenstand aufbauender Erfindungen vermeidet. Demgegenüber ist der Grund für die lange Schutzdauer des Urheberrechts darin zu erblicken, dass die schutzbegründenden Elemente der Geisteswerke der Literatur, Wissenschaft und Kunst auf der Individualität des Urhebers beruhen und ohne diesen nie geschaffen worden wären. Der Spielraum schöpferischen Werkschaffens ist, anders als der der technischen Entwicklungstätigkeit, auch nicht durch Sachzwänge (Naturgesetze, Gesetze der Mathematik und Logik) und die sich daraus ergebende beschränkte Anzahl möglicher Lösungen begrenzt. Vielmehr setzt der für das urheberrechtliche Werkschaffen erforderliche schöpferische Spielraum in seinen schutzbegründenden, individuellen Elementen gerade eine hinreichende Gestaltungsfreiheit voraus. Der lange Schutz des Urheberrechts führt daher auch zu keiner Einschränkung des Werkschaffens nachfolgender Schöpfer, da deren Gestaltungsfreiraum für ihrerseits individuelles schöpferisches Werkschaffen von dem urheberrechtlichen Werkschutz früherer Urheber unberührt bleibt. 164 c) Persönlichkeitsrechtliche Schutzelemente Dem jeweiligen Wesen der Schutzobjekte des Immaterialgüterrechts entspricht schließlich auch die unterschiedliche Ausprägung persönlichkeitsrechtlicher Schutzelemente. Während im Urheberrecht die Individualität, der Persönlichkeitsbezug der Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst, zu einer umfassenden Ausbildung eines Urheberpersönlichkeitsrechts geführt hat, tritt der persönlichkeitsrechtliche Schutz bei den durch ihren Charakter als technische Problemlösungen bestimmten Erfindungen mangels einer nennenswerten persönlichen Prägung stärker zurück. 165 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, handelt es sich bei dem durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gebildeten Rechtsgebiet zum Schutz des geistigen Eigentums um eine Spezialmaterie unserer Rechtsordnung, die in ihrer Systematik und ihrer normativ-rechtlichen Ausgestaltung dem immateriellen Charakter der von ihr erfassten Schutzgegenstände Rechnung trägt. Die für eine Abgrenzung als Rechtsgebiet hinreichend klaren Konturen haben sich im Laufe der historischen Entwicklung herausgebildet und spiegeln sich, wie dargestellt, in entsprechender Weise auch im internationalen Regelwerk zum Schutz des geistigen Eigentums wider. Gleichwohl handelt es sich beim Recht des geistigen Eigentums keineswegs um eine isolierte Rechtsmaterie, deren umfassendes Verständnis allein aus sich heraus zu erschließen wäre. Vielmehr handelt es sich auch bei dem 164 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 2 Rdn. 76. 165 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 8, S. 56 Rdn. 174; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 48. 85 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Pierson Recht zum Schutz des geistigen Eigentums um ein Rechtsgebiet, das vielfältige Bezüge zu anderen Gebieten unserer Rechtsordnung aufweist. I. Verfassungsrechtliche Bezüge Das Recht des geistigen Eigentums ist Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung des Wirtschaftslebens. Das heißt, die Verfassung gewährleistet den Schutz des gewerblich und kreativ Schaffenden in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Interessen. Sie sichert die Persönlichkeit des geistig Schaffenden gegen staatliche Eingriffe und garantiert die Freiheit der gewerblichen bzw. schöpferischen Betätigung (Art. 1, 2 GG ). 166 Der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff geht bekanntlich über den bürgerlich-rechtlichen Eigentumsbegriff insofern hinaus, als er nicht nur auf Sachen beschränkt ist. Soweit vermögensrechtliche Interessen betroffen sind, fallen die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht als eigentumsähnliche Vermögensrechte daher auch unter den Schutz der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes (Art. 14). Der verfassungsmäßige Schutz des geistigen Eigentums ist jedoch nicht nur auf unsere nationale Rechtsordnung beschränkt. Exemplarisch zu nennen sind insoweit der Schutz des geistigen Eigentums nach Art. 17 Abs. 2 Europäische Grundrechtecharta ( GRC h) und die Anerkennung des „gewerblichen und kommerziellen Eigentums“ in Art. 36 AEUV . II. Das Recht des geistigen Eigentums als Teil des Privatrechts 1. Zuordnung zum Privatrecht Der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht sind Teilgebiete des Privatrechts. 167 Sie dienen in erster Linie dem Schutz gewerblicher bzw. kreativ-schöpferischer Schaffensergebnisse und damit verbundener privater Interessen gegenüber anderen privaten Teilnehmern am Rechtsverkehr. Die Zuordnung des geistigen Eigentums zum Privatrecht hat inzwischen international ihre ausdrückliche Bestätigung in der Präambel des TRIPS -Abkommens 168 (s. o. § 4 IV . 5.) gefunden. Bei den durch die Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes und des Urheberrechts gewährten Rechten handelt es sich um absolute subjektive Privatrechte, die als Ausschließlichkeitsrechte ausgestaltet sind und gesetzestechnisch, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s. o. unter § 1 II .), dem Schutz des Sacheigentums angenähert sind. Die sich aus den gewerblichen Schutzrechten bzw. dem Urheberrecht ergebenden Rechte des Rechtsinhabers, insbesondere die zivilrechtlichen Ansprüche auf Unterlassung, Scha- 166 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 72 f.; Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 9, S. 62 ff.; näheres zur verfassungsrechtlich verbürgten Einheit von Immaterialgüterrechtsschutz und marktwirtschaftlicher Wettbewerbsordnung siehe Fezer, Markenrecht, Einl. Rdn. 25 f. 167 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 42 f. 168 Präambel TRIPS -Abkommen: „…-in der Erkenntnis, dass Rechte an geistigem Eigentum private Rechte sind,-…“. 86 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson densersatz, Auskunft, Vernichtung (etc.), können gegenüber dem allgemeinen Deliktrecht (§§ 823 ff. BGB ) als spezielles Deliktsrecht verstanden werden. 169 2. Nebengebiete des bürgerlichen Rechts Als Teilgebiet des Privatrechts sind der gewerbliche Rechtsschutz und das Urheberrecht (jeweils) Nebengebiete des bürgerlichen Rechts ( BGB ), das zur Ergänzung der Sondergesetze herangezogen werden kann. Allgemein anerkannt ist, dass die gewerblichen Schutzrechte und das Urheberrecht als absolute subjektive Rechte auch als „sonstiges Recht“ i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB geschützt sind. Bei einer Verletzung eines Immaterialgüterrechts können daher zur Ausfüllung von Lücken der Sondergesetze Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB hergeleitet werden, wobei das allgemeine Deliktsrecht auf eine subsidiäre ergänzende Rolle beschränkt ist. 170 Vor allem jedoch kommt der ergänzenden Anwendung bürgerlich-rechtlicher Regeln für Fragen des Rechtsverkehrs, d. h. der Übertragung und Lizenzierung von gewerblichen Schutzrechten, die in den Sondergesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes nur fragmentarisch geregelt sind, 171 erhebliche praktische Bedeutung zu. 172 So ist für vertragsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Verwertung gewerblicher Schutzrechte durch Übertragungs- oder Lizenzvertrag regelmäßig auf die Vorschriften des BGB zurückzugreifen. Obgleich das Urheberrecht-- anders als die gewerblichen Schutzrechte-- unter Lebenden nicht übertragbar ist (§ 29 Abs. 1 UrhG) und das Urhebervertragsrecht-- die vertragliche Einräumung von Nutzungsrechten durch den Urheber- - eine vergleichsweise ausführlichere gesetzliche Regelung erfahren hat (vgl. §§ 31 ff. UrhG; VerlagsG), ist auch insoweit für die Bestimmung der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien die entsprechende Anwendung der Vorschriften des BGB unverzichtbar. 173 Die Rechtsnatur des Lizenzvertrags, durch den ein gewerbliches Schutzrecht einem anderen zur Benutzung überlassen wird, ist gesetzlich nicht bestimmt. Da sich der Lizenzvertrag nicht ohne weiteres in die Vertragstypologie des BGB und des HGB einordnen lässt, geht die h.M. vom Vorliegen eines Vertrages sui generis aus, auf den je nach Ausgestaltung im Einzelfall die Vorschriften der Rechtspacht, der Miete, aber auch des Kaufvertrags- und Gesellschaftsrechts zur Anwendung kommen sollen. 174 Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung, die dem Lizenzvertrag in der Wirtschaftspraxis zukommt, 175 erweist sich die geltende Rechtslage zum Lizenzvertragsrecht mit Blick auf die zuvor erwähnten lückenhaften sondergesetzlichen Regelungen sowie die Schwierigkeiten einer Einordnung 169 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Einl. Rdn. 2; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 43. 170 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75 f.; Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 43. 171 Vgl. §§ 15 PatG, 22 Gebr MG ; 27-31 MarkenG; 29-32 DesignG; 11 SortG. 172 Vgl. hierzu Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 79 f. 173 Vgl. hierzu u. a. Schricker / Loewenheim / Ohly, Einl. Rdn. 42; Vor §§ 31 ff. Rdn. 19. 174 Benkhard / Ullmann / Deichfuß, § 15 Rdn. 81 ff.; Palandt / Weidenkaff, Einf. v. § 433 Rdn. 22, Einf. v. § 581 Rdn. 7. 175 Vgl. hierzu Referentenentwurf des BMJ eines Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens, zur Stärkung der Gläubigerrechte und zur Insolvenzfestigkeit von Lizenzen v. 18. 1. 2012, S. 33 (§ 108a INSO -Entwurf 2012 nicht umgesetzt). 87 § 6 Das Recht des geistigen Eigentums in der Gesamtrechtsordnung Pierson in die bestehende gesetzliche Vertragstypologie als unbefriedigend. Eine eigenständige, dem spezifischen Wesen des Lizenzvertrages Rechnung tragende Regelung des Lizenzvertragsrechts erscheint daher de lege ferenda geboten. 176 3. Kennzeichenschutz außerhalb des Markengesetzes Im Bereich des Kennzeichenschutzes ergeben sich wichtige Berührungspunkte zwischen dem markenrechtlichen Schutz der geschäftlichen Bezeichnung (§§ 5, 15 MarkenG) und dem bürgerlich-rechtlichen Namensrecht (§ 12 BGB ) sowie dem handelsrechtlichen Firmenrecht (§§ 17 ff., 37 Abs. 2 HGB ). 177 4. Bezüge zum Arbeitsrecht Bedeutsame Bezüge des Immaterialgüterrechts zum Arbeitsrecht ergeben sich insbesondere überall dort, wo es um die Frage der rechtlichen bzw. wirtschaftlichen Zuordnung von Ergebnissen geistiger Schaffenstätigkeit geht, die von abhängig Beschäftigten erarbeitet werden. Für den wichtigen Bereich der vom Patent- und Gebrauchsmusterrecht erfassten technischen Erfindungen ist der fragliche Interessenausgleich zwischen Arbeitnehmererfinder und Arbeitgeber spezialgesetzlich im Arbeitnehmererfindergesetz (Arb EG ) geregelt (näheres hierzu s. u. 2. Abschnitt, 6. Kapitel). Für den Bereich der sonstigen gewerblichen Schutzrechte sowie das Urheberrecht finden sich entsprechende, allerdings lediglich rudimentäre Regelungen in den jeweiligen Sondergesetzen, 178 die eine unterschiedliche Regelungsdichte aufweisen und von grundsätzlich unterschiedlichen Prinzipien ausgehen. 179 III. Verwaltungsrechtliche Bezüge Obgleich die Gesetze zum Schutz des geistigen Eigentums, wie dargestellt, mit Blick auf die durch sie begründeten absoluten subjektiven Privatrechte dem Privatrecht zuzuordnen sind, ergeben sich-- vor allem im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes-- auch verwaltungsrechtliche Bezüge. Bekanntlich ist für die Erlangung eines gewerblichen Schutzrechtes im Grundsatz, d. h. soweit dieses nicht ausnahmsweise ohne Registrierung entsteht (§ 4 Nr. 2, 3 MarkenG; Art. 1 Abs. 2a GGVO ), die Mitwirkung einer Verwaltungsbehörde, in Deutschland regelmäßig die des DPMA , 180 erforderlich. Das durch die Anmeldung eines gewerblichen Schutzrechtes eingeleitete Verfahren vor dem DPMA (bzw. dem Bundessortenamt) ist dementsprechend als Verwaltungsverfahren ausgestaltet, wobei die Erteilung des gewerblichen 176 Ausführlich hierzu vgl. Ahrens / McGuire, Modellgesetz, Einl. S. 5 f., Vorb. v. §§ 110 ff. 177 Vgl. hierzu Ingerl / Rohnke, MarkenG, Nach § 15, Rdn. 1 ff. (zu § 12 BGB ), Rdn. 250 ff. (zu § 37 Abs. 2 HGB ). 178 Vgl. §§ 7 Abs. 2 DesignG; 2 Abs. 2 HLS chG; 43, 69b, 79 UrhG. 179 Ahrens / McGuire, Modellgesetz, Vorb. zu Buch 10B, S. 800. 180 Im Falle des Sortenschutzes die des Bundessortenamtes. 88 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Schutzrechtes durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt erfolgt. 181 Durch die behördliche Erteilung werden allerdings privatrechtliche Schutzrechte begründet. Wegen dieses engen sachlichen Zusammenhangs zum Privatrecht ist die Überprüfung der Verwaltungsakte des DPMA (bzw. des Bundessortenamtes) jedoch nicht der Verwaltungsgerichtsbarkeit, sondern der ordentlichen Gerichtsbarkeit-- dem Bundespatentgericht und dem BGH -- zugewiesen. 182 IV. Straftat- und Bußgeldtatbestände Weitere öffentlich-rechtliche Bezüge ergeben sich daraus, dass sämtliche Sondergesetze des gewerblichen Rechtsschutzes sowie das Urheberrechtsgesetz Straftat- und z. T. auch Bußgeldtatbestände enthalten. 183 Bei der vorsätzlichen Verletzung eines gewerblichen Schutzrechts oder eines Urheberrechts drohen daher neben den in der Praxis im Vordergrund stehenden zivilrechtlichen Rechtsfolgen regelmäßig auch strafbzw. ordnungswidrigkeitenrechtliche Sanktionen. Bei den fraglichen Straftatbeständen handelt es sich um nebengesetzliche Normen des materiellen Strafrechts, auf die die Vorschriften des St GB (Allgemeiner Teil) sowie verfahrensrechtlich die der St PO anwendbar sind. § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums I. Allgemeine Bedeutung Die Rechte zum Schutz des geistigen Eigentums dienen vor allem der Befriedigung der Vermögensinteressen der geistig Schaffenden, denen auf diese Weise der wirtschaftliche Wert des jeweils geschützten Immaterialgutes gesichert wird. 184 Insbesondere im Bereich der gewerblichen Schutzrechte liegt ein grundsätzliches Ziel darin, Anreize zu schaffen, in Innovationsaktivitäten zu investieren. Geistige Eigentumsrechte- - vor allem solche zum Schutz technischer Erfindungen-- sind für ein hochindustrialisiertes, rohstoffarmes, auf den Export angewiesenes Land wie die Bundesrepublik Deutschland von zentraler Bedeutung. Wissen und technischer Fortschritt sind anerkanntermaßen elementare Faktoren des Wirtschaftswachstums. Die herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung, die den Rechten des geistigen Eigentums zukommt, wird auch durch vom Europäischen Patentamt und der beim EU IPO angesiedelten Beobachtungsstelle für Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums durchgeführte Studien zur Bedeutung sog. schutzrechtsintensiver Wirtschaftszweige belegt. Danach können 38 % der Gesamtbeschäftigung in der EU (82 Millionen) direkt und indirekt schutzrechtsintensiven Wirschaftszweigen zugerechnet werden. 42 % der gesamten Wirtschaftsleistung ( BIP ) in der EU , d. h. 5,7 Billionen Euro, und 90 % des Handels der EU mit der übrigen Welt entfallen auf schutzrechtsintensive Wirtschaftszweige, was 181 Vgl. u. a. Benkard / Schäfers, PatG, § 49 Rdn. 3; Fezer, Markenrecht, § 41 Rdn. 3. 182 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 6, S. 75. 183 Vgl. §§ 142 PatG; 25 Gebr MG ; 10 HLS chG; 51 DesignG; 143-145 MarkenG; 39, 40 SortG; 106 ff. UrhG. 184 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 58. 89 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Pierson einem Handelsbilanzüberschuss für die EU von 96 Milliarden Euro entspricht. 185 Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums wird allerdings nicht nur die positiven Effekte ihrer rechtskonformen Nutzung belegt, sondern spiegelt sich auch in den erheblichen Schäden wider, die den Volkswirtschaften durch ihre Verletzung, den weltweiten Handel mit Fälschungen und Piraterieware entstehen (s. hierzu u. § 87 II . 2. b ff). II. Gewerblicher Rechtsschutz 1. Technische Schutzrechte Zweck des Patentschutzes ist es, den Fortschritt auf dem Gebiet der Technik zu fördern. Das Patentgesetz-- ergänzt durch das Gebrauchsmustergesetz-- soll für einen umgrenzten Bereich geistiger Leistungen, nämlich solche auf dem Gebiet der Technik einen angemessenen Schutz gewähren. Diejenigen, die Kenntnisse über gewerblich anwendbare technische Erfindungen besitzen, sollen im Interesse der Allgemeinheit zur Offenbarung ihrer technischen Kenntnisse veranlasst werden. Der Grund für die Verleihung des Ausschließlichkeitsrechts Patent wird im Wesentlichen einerseits in der Anerkennung und Belohnung einer besonderen Leistung im Bereich der Technik gesehen, andererseits in der Gewährung einer Gegenleistung dafür, dass der Erfinder den technischen Fortschritt und das technische Wissen der Allgemeinheit bereichert hat. Zugleich ist das dem Erfinder erteilte Patent als Ansporn zu verstehen, durch das der „Erfindergeist“ zu weiteren neuen erfinderischen Leistungen angereizt werden soll, durch die der technische Fortschritt dann erneut zum Nutzen der Allgemeinheit erweitert wird. Schließlich verschafft das Patent, das dem Patentinhaber eine zeitlich begrenzte Monopolstellung verleiht, einen temporären Wettbewerbsvorteil, der es dem Patentinhaber ermöglicht, seine erfinderische Intuition, seine Mühe und seine Investitionen-- insbesondere seinen Aufwand für Forschung und Entwicklung- - über die Preisgestaltung für sein innovatives Produkt zu kompensieren. 186 Die zur rechtstheoretischen Begründung des Patentschutzes entwickelten Patentrechtstheorien (Eigentums- oder Naturrechtstheorie, Belohnungstheorie, Anspornungstheorie, Offenbarungs- oder Vertragstheorie), 187 die jeweils unterschiedliche Aspekte des Patentschutzes in den Vordergrund stellen, schließen einander nicht aus, sondern stehen miteinander im Zusammenhang und sind erst in ihrer Summe dazu in der Lage, eine Rechtfertigung des Patentsystems zu leisten. 188 Aus volkswirtschaftlicher Sicht besteht die Herausforderung darin, gewerbliche Schutzrechte so zu gestalten, dass die durch sie generierten Innovationsanreize maximiert und die durch die Gewährung einer Monopolstellung entstehenden Wohlfahrtsverluste minimiert werden. 189 Die insoweit entscheidende Frage, ob das System geistiger Eigentumsrechte stets und in Bezug auf alle Schutzgegenstände zu einer angemessenen Balance zwischen der Produktion und der Verbreitung intellektuellen 185 Auswirkungen schutzrechtsintesiver Wirtschaftszweige in der EU , abrufbar unter https: / / euipo.europa. eu/ ohimportal/ de/ web/ observatory/ ip-contribution#ip-contribution_1 (letzter Abruf: 03 / 2018). 186 Im Einzelnen Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. Rdn. 1. 187 Grundlegend vgl. Machlup, GRUR AIT 1961, 373, 377. 188 Kraßer / Ann, § 3 Rdn. 12. 189 Studie MPI / Fraunhofer, S. 14. 90 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Eigentums beitragen kann, ist umstritten und wurde in jüngerer Zeit-- insbesondere im Zusammenhang mit der Frage der Patentierung sog. computerimplementierter Erfindungen („Softwarepatente“)-- sehr kontrovers diskutiert. 190 Ungeachtet dessen wird die zunehmende Bedeutung, die dem geistigen Eigentum im Vergleich zu materiellen Vermögensgütern aus volkswirtschaftlicher Sicht zukommt, durch Untersuchungen aus jüngerer Zeit bestätigt. 191 2. Designrecht Die eingangs erwähnten allgemeinen Ziele des Systems zum Schutz des geistigen Eigentums stehen jedoch nicht nur bei den technischen Schutzrechten, sondern auch bei den anderen gewerblichen Schutzrechten im Vordergrund. So zielt auch das Designrecht primär darauf ab, den Rechtsinhaber in der wirtschaftlichen Verwertung der von ihm unter Einsatz sachlicher und persönlicher Ressourcen erbrachten Leistung auf dem Gebiet des Designs zu sichern. Zugleich sollen das Handwerk und die Industrie durch die Gewährung des eingetragenen Designs zur Entwicklung weiterer neuer und eigenartiger Leistungen im Bereich des Designs angespornt und dadurch gefördert werden. 3. Markenrecht Auch im Bereich des Markenrechts, das neben dem Patentrecht und dem Urheberrecht eine weitere tragende Säule im System des geistigen Eigentums darstellt, kommen ähnliche Erwägungen zum Tragen. So wie das Patentrecht den Erfindergeist und damit den technischen Fortschritt fördert, belohnen Marken den Unternehmer, der ständig hochwertige Waren erzeugt bzw. Dienstleistungen anbietet, und stimulieren auf diese Weise den wirtschaftlichen Fortschritt. Die Marke ist Anreiz für den Unternehmer, neue Waren und Dienstleistungsangebote zu entwickeln oder die Qualität der vorhandenen Produkte zu erhalten und zu verbessern. Hintergrund für diese Anreizwirkung ist, dass Marken gegenüber dem Verbraucher als eine Art Garantie dafür wirken, dass alle mit der Marke gekennzeichneten Produkte vom selben Hersteller stammen und oder zumindest unter dessen Kontrolle erzeugt wurden und daher von gleicher Qualität sind. 192 Die Marke, die auch dem Schutz des Goodwills von Waren und Unternehmen dient, ist als selbständiger Gegenstand des Vermögens und als Unternehmensleistung geschützt. 193 Zugleich dient sie dem Schutz des Publikums, das sich anhand der Kennzeichen besser orientieren kann und vor Verwechslungen und Irreführungen bewahrt wird. 194 Die erhebliche und zunehmende wirtschaftliche Bedeutung, die Marken als immateriellen Vermögenswerten zukommt, spiegelt sich auch in dem monetären Wert 190 Vgl. hierzu eingehend die Studie MPI / Fraunhofer, S. 13 ff.; ferner Benkard / Rogge / Mellulis, PatG, Einl. Rdn. 2; Pierson, JurPC Web-Dok. 163 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040163.htm (letzter Abruf: 03 / 2018). 191 Vgl. BMWT -Studie, S. 2 f. 192 Fezer, Markenrecht, Einl Kap. D. Rdn. 8. 193 Fezer, Markenrecht, Einl Kap. C. Rdn. 14 f. 194 Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 5, S. 67. 91 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Pierson bedeutender Marken wider 195 und darin, dass der Anteil des Markenwertes am Gesamtunternehmenswert der größten deutschen Unternehmen ausweislich einer Studie im Jahre 2012 bei durchschnittlich 56 % lag. 196 III. Urheberrecht 1. Die traditionelle Bedeutung des Urheberrechts Das Urheberrecht gewährt den Urhebern von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst Schutz für ihre Werke (vgl. bereits o. § 2 IV .). Das Urheberrecht ist daher traditionell von grundlegender Bedeutung für den Bereich des Kulturschaffens. Es sichert den Urheber nicht nur in seinen persönlich-geistigen, seinen ideellen Beziehungen zum Werk, sondern sichert insbesondere auch seine Interessen an einer Verwertung des Werkes und damit seine wirtschaftliche Existenz. Da die Urheber meist nicht selbst dazu in der Lage sind, ihr Werk allein umfassend zu verwerten, sind im Umfeld des urheberrechtlichen Werkschaffens vielfältige Zweige der sog. Kulturwirtschaft entstanden. Zur Kulturwirtschaft zählen alle Unternehmungen, die urheberrechtlich geschützte Werke verwerten, d. h. die daran beteiligt sind, den Genuss urheberrechtlich geschützter Werke an den „Konsumenten“-- sei es den Leser, den Musikliebhaber, den Theater- oder Kinobesucher (etc.) - zu vermitteln. Angesprochen sind damit insbesondere Verlage, Ausleiheinrichtungen (Bibliotheken, Videotheken etc.), die sog. mechanische Industrie (Hersteller von Ton- und Bild-Tonträgern, wie CD s, Videofilme, DVD s), Rundfunkanstalten (Hörfunk, TV ), Theater- und Konzertveranstalter, Verwertungsgesellschaften sowie z. T. auch die kunstgewerbliche Industrie (z. B. Porzellan, Möbel, Textilien etc.). 197 Der Kultur- und Kreativwirtschaft und damit auch dem Urheberrecht kommt in dem häufig auch als „Medienzeitalter“ apostrophierten Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts volkswirtschaftlich eine immer zentralere Bedeutung zu. Nach Angaben der Kommission 198 sind in der EU 1,4 Mio. KMU in der Kreativwirtschaft tätig. Die Zahl der Beschäftigten in der Kreativwirtschaft innerhalb der EU -27 belief sich danach im Jahr 2008 auf 6,7 Mio. Auch kann die Kreativwirtschaft, die im Jahre 2006 mit 3,3 % zum Bruttoinlandsprodukt ( BIP ) der EU beigetragen hat, die höchsten Beschäftigungszuwächse verzeichnen. Nach Angaben des BMW i 199 lag der Beitrag der Kultur- und Kreativwirtschaft zur Bruttowertschöpfung in Deutschland im Branchenvergleich für das Jahr 2013 mit 65,9 Mrd. Euro über dem der chemischen Industrie (40,8 Mrd. Euro), der Energiewirtschaft (50,8 Mrd. Euro) oder der 195 Vgl. z. B. das Interbrand-Ranking der global wertvollsten Marken 2017, abrufbar unter: http: / / interbrand. com/ best-brands/ best-global-brands/ 2017/ ranking/ (letzter Abruf: 03 / 2018). 196 Fezer / Fischer / Menninger, Hdb Markenpraxis, Bd. II ., 2. Teil Rdn. 2. 197 Rehbinder / Peukert, Urheberrecht, § 1, S. 3 f. Rdn. 8. 198 Vgl. Mitteilung der Kommission vom 24. 5. 2011, „Ein Binnenmarkt für Rechte des geistigen Eigentums“, KOM (2011) 287 endgültig, S. 6. 199 BMW i (Hrsg.), Monitoring zu ausgewählten wirtschaftlichen Eckdaten der Kultur- und Kreativwirtschaft 2014, abrufbar unter: https: / / www.bmwi.de/ Redaktion/ DE/ Publikationen/ Mittelstand/ monitoring-zu-ausgewaehlten-wirtschaftlichen-eckdaten-der-kultur-und-kreativwirtschaft-2014.html (letzter Abruf: 03 / 2018). 92 Erster Abschnitt: Grundlagen zum Recht des geistigen Eigentums Pierson Finanzdienstleistungsbranche (64,8 Mrd. Euro). Die Zahl der Erwerbstätigen im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft belief sich in Deutschland im Jahr 2014 auf rund 1,6 Millionen. 2. Der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts Die in den zurückliegenden Jahrzehnten zu beobachtende wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Urheberrechts lässt sich im Wesentlichen durch zwei Faktoren erklären. a) Ausweitung des Geltungsbereichs Zum einen erklärt sich der Bedeutungszuwachs des Urheberrechts durch eine Ausweitung des Geltungsbereichs: So genießen Urheberrechtsschutz nicht nur Werke der „reinen Kunst“, sondern auch Werke der angewandten Kunst; ferner besteht Schutz nicht nur für kulturell anspruchsvolle, sondern auch für Werke von bescheidenem Niveau (z. B. Trivialliteratur, kitschige Gemälde, einfache Schlager). Insbesondere jedoch wurde der Geltungsbereich des Urheberrechts durch die technologische Weiterentwicklung der Verwertungstechniken allgemein sowie insbesondere durch die Einbeziehung zentraler Schlüsseltechnologien des Informationszeitalters (Computerprogramme, Datenbanken) ganz erheblich ausgeweitet (vgl. bereits o. § 1 III .). Die Entscheidung zur Verankerung des Schutzes von Computerprogrammen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 69a-g) und Datenbanken (§§ 4 Abs. 2, 87a-e) im Urheberrechtsgesetz hat dazu geführt, dass Fragen des Urheberrechts heute weit über den traditionellen Geltungsbereich des Urheberrechts im Bereich der sog. Kulturwirtschaft hinaus in allen Zweigen der Wirtschaft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung sind. Das heißt, angesichts der Heterogenität der erfassten Schutzgegenstände lässt sich das Urheberrecht nicht mehr auf seine ursprüngliche Funktion einer Domäne des traditionellen „Kulturrechts“ reduzieren. Es mag dieser erhebliche Bedeutungswandel gewesen sein, der eine ehemalige deutsche Justizministerin zu der Feststellung veranlasst hat: „Das Urheberrecht ist die Wirtschaftsordnung des Internetzeitalters“. 200 b) Urheberrecht in der Medien- und Freizeitgesellschaft Neben der Ausweitung seines Geltungsbereichs ist der enorme Bedeutungszuwachs, den das Urheberrecht in den zurückliegenden Jahrzehnten erfahren hat, auch auf die gestiegene Nachfrage nach Informationen und Unterhaltung zurückzuführen (Stichworte: „Medienzeitalter“, „Freizeitgesellschaft“), die den Konsum von Gütern der „Urheberrechtsindustrien“ erheblich gesteigert hat. 201 200 Bundesministerin der Justiz Leutheusser-Schnarrenberger-- Pressemitteilung BMJ vom 7. 9. 2012. 201 Schricker / Loewenheim, Einl. Rdn. 23 i. V. m. Rdn. 1. Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen 95 § 7 Die wirtschaftliche Bedeutung des geistigen Eigentums Ahrens 1. Kapitel. Einleitung Technische Ideen können unter bestimmten Bedingungen durch Patente oder Gebrauchsmuster geschützt werden, die beide zum Gebiet des Gewerblichen Rechtsschutzes und somit zu den Immaterialgüterrechten (s. o. § 1, II .) gehören, die gegenüber jedermann wirken, also absolute Rechte sind. Der patentrechtliche Erfindungsbegriff ist auch maßgebend für Gebrauchsmuster, die wesensgleich mit Patenten sind und gemeinsam das System des Patentschutzes, verstanden als Schutz technischer Erfindungen, bilden. 1 Dennoch weist das Gebrauchsmuster deutliche Unterschiede zum Patent auf, auf die im 5. Kapitel dieses Abschnitts hingewiesen wird. Sofern materiell- und verfahrensrechtliche Voraussetzungen erfüllt werden, wird im Rahmen eines rechtsgestaltenden Verwaltungsakts ein Patent geschaffen, der dessen Inhalt festlegt 2 und den Anmelder begünstigt. Ein dadurch erteiltes Patent-- das gilt analog auch für eingetragene Gebrauchsmuster-- entfaltet aufgrund des Territorialprinzips (s. u. § 15 I.) nur Schutz im Hoheitsgebiet des Staates, für den es erteilt bzw. eingetragen ist, wie beispielsweise die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan oder USA . Derartige Patentrechte können erlangt werden durch Verfahren bei den nationalen Behörden-- beispielsweise durch das Deutsche Patent- und Markenamt ( DPMA )-- oder für Vertragsstaaten im Rahmen von supranationalen Verfahren. Besonders interessant ist das Europäische Patentübereinkommen ( EPÜ 3 ), durch das in Form einer zwischenstaatlichen Einrichtung die Europäische Patentorganisation ( EPO ) gegründet wurde, deren Organe der Verwaltungsrat und das Europäische Patentamt ( EPA ) sind. Die nach dem EPÜ erteilten Patente werden europäische Patente (Art. 2 Abs. 1 EPÜ ) genannt. Nach dieser Einleitung werden im zweiten Kapitel dieses Abschnitts neben dem deutschen Patentrecht (im Wesentlichen basierend auf dem Patentgesetz, PatG) 4 auch das europäische Patentrecht nach dem EPÜ sowie der zugehörigen Ausführungsordnung ( AOEPÜ ) 5 erläutert, soweit beide Rechte harmonisiert oder ähnlich ausgestaltet sind. Im 3. Kapitel wird auf Besonderheiten des EPÜ eingegangen. Davon zu unterscheiden sind eventuelle Rechte, die aus einem einheitlichen Patentschutz (Einheitspatent) entstehen sollen. Dieses System findet bisher noch keine Anwendung, da ein zugehöriges Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht noch nicht von den notwendigen EU -Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde (Stand Juni 2018). Darauf wird im 3. Kapitel eingegangen. 1 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 1 Rdn. 47. 2 BP atG GRUR 1992, 380, 381 „Sammeltasche“. 3 Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. 10. 1973, zuletzt geändert mit Wirkung zum 13. 12. 2007 durch die Revision des EPÜ v. 29. 11. 2000. 4 In der Fassung der Bekanntmachung v. 16. 12. 1980, zuletzt geändert mit Wirkung zum 8. 4. 2018 durch Art. 4 des Gesetzes vom 8. 10. 2017 ( BGB l I S. 3546). 5 Ausführungsordnung zum Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente v. 5. Oktober 1973, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 4. 2018 aufgrund Beschluss des Verwaltungsrats der EPO vom 13. 12. 2017. 96 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Aufgrund des Patentzusammenarbeitsvertrages (Patent Cooperation Treaty, PCT ; s. 4. Kapitel) ist es möglich, durch eine einzige „internationale Anmeldung“ die Wirkung je einer Anmeldung in den vom Anmelder bezeichneten Bestimmungsstaaten zu erzielen. Die Entscheidung, ob ein Patent erteilt wird, bleibt jedoch- - anders als beim Verfahren nach dem EPÜ -- den nationalen Behörden 6 vorbehalten. Weiterhin werden in diesem Abschnitt wesentliche Regelungen zum Arbeitnehmererfinderrecht behandelt (s. 6. Kapitel). Wesentliche Schritte der Verfahren vor den Patentämtern sind als Übersicht in Abb. 3 am Ende dieses Abschnitts dargestellt, worauf an verschiedenen Stellen hingewiesen wird. 6 Im Rahmen des PCT -Verfahrens kann auch das EPA benannt werden, welches für EPÜ -Vertragsstaaten ein europäisches Patent erteilen kann. 97 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens 2. Kapitel. Patentschutz in der Bundesrepublik Deutschland Ein Patent wird per Verwaltungsakt durch das DPMA oder durch das EPA erteilt, sofern bestimmte materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Bedingungen erfüllt sind. Auch ein durch das EPA erteiltes europäisches Patent kann Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland haben, sofern der Anmelder die entsprechende Benennung vornimmt, die erforderliche Gebühr zahlt und nach Erteilung des europäischen Patents die nötigen Schritte zur Nationalisierung einleitet. Durch eine PCT -Anmeldung kann Schutz für die Bundesrepublik Deutschland erzielt werden, wenn eine Benennung dafür oder für eine europäische Anmeldung erfolgt, die notwendigen Gebühren gezahlt und die erforderlichen Schritte für die Nationalisierung vorgenommen werden. Das eigentliche Patenterteilungsverfahren findet jedoch erst im Anschluss an das PCT -Verfahren statt (s. 4. Kapitel). § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ein Patent wird erteilt, sofern folgende materiellrechtlichen Bedingungen erfüllt werden (s. § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ): es muss eine Erfindung vorliegen; diese muss ▶ irgendein Gebiet der Technik betreffen, ▶ neu sein, ▶ auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und ▶ gewerblich anwendbar sein. I. Patentierbare Erfindungen Weder das PatG noch das EPÜ definieren den Begriff der Erfindung. Dort wird (s. § 1 Abs. 3 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2 EPÜ ) zunächst lediglich angegeben, was insbesondere nicht als Erfindung angesehen wird. Die in der Aufzählung enthaltenen Gegenstände sind alle abstrakter Art (z. B. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien usw.) und / oder nicht technischer Natur (z. B. ästhetische Formschöpfungen oder Wiedergabe von Informationen). Eine patentfähige Erfindung muss hingegen sowohl konkreten als auch technischen Charakter haben. Sie kann aus jedem Gebiet der Technik stammen. Die Ausfüllung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs „Erfindung“ wird Rechtsprechung und Lehre überlassen. Dadurch kann er zwanglos dem jeweils neuesten Stand naturwissenschaftlicher Erkenntnisse angepasst werden. 7 Durch § 1a PatG ist ferner bestimmt, inwiefern der menschliche Körper bzw. dessen Bestandteile patentierbare Erfindungen sein können. Eine Erfindung ist eine Lösung zu einer Aufgabe. 8 Diese Aufgabe ist unter objektiven Gesichtspunkten zu bestimmen. Das heißt, maßgeblich ist nicht was der Anmelder als Auf- 7 BGH GRUR 1969, 672 „Rote Taube“. 8 BGH GRUR 1984, 194 „Kreiselegge“. 98 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens gabe in seiner Patentanmeldung bzw. seiner Patentschrift nennt, sondern was der durch die Patentanmeldung angesprochene Fachmann (s. u. § 9 II .) als das objektiv durch die Erfindung gelöste technische Problem erkennt. 9 Zur Klärung der Frage, welche Erfindung durch eine Patentanmeldung oder ein darauf erteiltes Patent geschützt werden soll, ist insbesondere der sog. Patentanspruch (oder die Patentansprüche) zu prüfen. Dieser ist Teil der Patentanmeldung bzw. des erteilten Patents und bestimmt nach § 14 PatG (Art. 69 EPÜ ) maßgeblich den Schutzbereich (s. u. § 15 III .). 1. Technizität Eine Erfindung ist nur dann patentfähig, wenn sie technischen Charakter-- sog. Technizität-- aufweist. Dieses grundsätzliche Erfordernis ist schon lange herrschende Meinung und ergibt sich aus einer Vielzahl von Rechtsprechung. 10 Seit Dezember 2007 ist die Technizität außerdem in § 1 PatG gesetzlich gefordert, indem es jetzt heißt „Patente werden für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt,-…“. 11 Der Begriff der Technik bzw. Technizität ist nicht definiert. Der BGH hat das Wesen einer technischen Erfindung in der planmäßigen Benutzung beherrschbarer Naturkräfte außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit zur unmittelbaren Herbeiführung eines kausalen Erfolges gesehen. 12 Durch den Wortlaut „beherrschbare Naturkräfte“ wird der patentrechtliche Erfindungsbegriff auf das Gebiet der Technik beschränkt. Der Begriff der Technik ist im Gesetz nicht definiert, sondern ein wertausfüllungsbedürftiger Rechtsbegriff und knüpft an dasjenige Verständnis an, das den Begriff der Technik herkömmlich ausfüllt (z. B. Ingenieurwissenschaften, Physik, Chemie oder Biologie). Technisches Handeln besteht im Arbeiten mit den Mitteln der Naturkräfte. Der Technikbegriff ist nicht statisch, sondern ist Modifikationen zugänglich, um ihn der jeweiligen technologischen Entwicklung anzupassen. 13 Eine Erfindung auf dem Gebiet der Technik i. S. v. § 1 Abs. 1 PatG liegt jedenfalls dann vor, wenn die beanspruchte Lehre den Einsatz technischer Geräte umfasst. 14 Wichtig ist auch die technische Brauchbarkeit. Diese ist z. B. jedoch nach physikalischen Gesetzmäßigkeiten bei einem „Perpetuum mobile“ nicht vorhanden, so dass eine solche Erfindung nicht patentfähig ist. 15 Nach der Definition des BGH gehört die menschliche Verstandestätigkeit alleine nicht zur Beherrschbarkeit der Naturkräfte. 9 BGH GRUR 1991, 811, 814 „Falzmaschine“. 10 Siehe z. B. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdn. 16 ff. 11 Änderung des PatG zum 13. 12. 2007 durch „Gesetz zur Umsetzung der Akte vom 29. 11. 2000 zur Revision des Übereinkommens über die Erteilung europäischer Patente“, BGB l. I 2007, S. 2166. 12 BGH GRUR 1981, 39, 41 „Walzstabteilung“. 13 S. bspw. BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15; BGH GRUR 1969, 672 „Rote Taube“; BGH GRUR 2000, 498 „Logikverifikation“. 14 BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15, „Flugzeugzustand“; BP atG v. 16. 5. 2017, 12W(pat) 37 / 14. 15 BP atG GRUR 1999, 487 „Perpetuum mobile“; BP atG 9W (pat) 41 / 08 v. 17. 9. 2008. 99 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens 2. Ausschluss von der Patentierung a) Mangelnde Patentfähigkeit Das Patentgesetz gibt in § 1 Abs. 3 PatG (bzw. Art. 52 Abs. 2 EPÜ ) eine nicht erschöpfende Auflistung von Dingen, die nicht als Erfindung angesehen werden und somit nicht patentfähig sind. Zu beachten ist, dass die dort aufgeführten Gegenstände oder Tätigkeiten nur dann der Patentfähigkeit entgegenstehen, sofern dafür Schutz als solcher begehrt wird (§ 1 Abs. 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 3 EPÜ ). Im Folgenden werden die einzelnen aufgelisteten Dinge der Reihe nach behandelt und weitere Beispiele angeführt, um eine Vorstellung zu vermitteln, was patentfähig sein kann und was nicht. 16 Ergänzend wird auch auf den ersten Abschnitt (s. o. § 5) verwiesen. Entdeckungen an sich sind nicht patentfähig. Wird die Erkenntnis aus einer Entdeckung jedoch praktisch umgesetzt, kann es sich um eine technische Erfindung handeln, wie bei folgenden Beispielen. Eine Entdeckung an sich liegt z. B. vor, wenn (lediglich) herausgefunden wird, dass ein bestimmtes und an sich bekanntes Material stoßfest ist. Denn das hat als solches noch keine technische Wirkung. Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, wie die Herstellung von Eisenbahnschwellen aus dem genannten Material, handelt es sich um eine technische Erfindung, die möglicherweise (also bei Erfüllung der anderen Patentierbarkeits-Voraussetzungen) patentfähig ist. Auch eine wissenschaftliche Theorie an sich ist nicht patentierbar- - wie die physikalische Halbleitertheorie. Deren praktische Umsetzung kann jedoch patentfähig sein, wie die Realisierung von neuen Halbleiterelementen und Verfahren zu ihrer Herstellung. Ähnlich ist es auch bei einer nicht patentierbaren mathematischen Methode, wie für das Entwerfen von elektrischen Filtern. Filter, die nach dieser Methode entworfen worden sind, können jedoch patentfähig sein. Auch ästhetische Formschöpfungen als solche gelten nicht als Erfindungen, denn sie beziehen sich der Definition nach auf ein Erzeugnis, das im Wesentlichen das subjektive Formempfinden anspricht. Sollte das Erzeugnis jedoch auch technische Merkmale haben, dann könnte es patentierbar sein, wie z. B. die Lauffläche eines Reifens, bei der es neben dem ästhetischen Eindruck auch auf Wasserverdrängung und Bodenhaftung ankommt. Zu unterscheiden ist auch, ob ein ästhetischer Effekt mit technischen Mitteln erreicht wird oder nicht. 17 So sind z. B. folgende technische Lösungen grundsätzlich patentfähig: ▶ Farben mit einer neuartigen Zusammensetzung zur Erhöhung der Leuchtkraft; ▶ Stoffe oder Stoffgemische, die durch technische Merkmale definiert sind und dazu dienen, in Bezug auf einen Geruch oder Geschmack eine besondere Wirkung zu erzielen. ▶ Dagegen sind z. B. folgende geistige Leistungen vom Patentschutz ausgeschlossen: ▶ ein Gemälde, das definiert ist durch die Anordnung der Farben oder seinen künstlerischen Stil; ▶ eine bloße geschmackliche Abwandlung eines Kochrezepts. 16 Vgl. EPA Prüfungsrichtlinien 2017, Teil G, Kapitel II -2 ff. 17 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 12 f. mit weiteren Verweisen. 100 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sind als solche nicht patentfähig, da es sich um Anweisungen an den menschlichen Geist handelt. Es fehlt also der Bezug auf den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte und deshalb der technische Charakter. Programme für Datenverarbeitungsanlagen sind als solche ebenfalls nicht patentfähig. Da die Frage, inwiefern bei solchen Erzeugnissen auch Technizität vorliegt, einem stetigen Wandel unterworfen ist, wird auf dieses Thema unten gesondert eingegangen. Eine Wiedergabe von Informationen, die lediglich durch den Inhalt der Information definiert wird, ist nicht patentierbar. Das gilt z. B. für eine Datei oder eine CD , die anhand des aufgenommenen Musikstücks definiert ist. Merkmale von Datenkodierungsschemen, Datenstrukturen und elektronische Kommunikationsprotokolle sowie eine CD , die eine besondere Materialzusammensetzung aufweist, können hingegen patentfähig sein. b) Verstoß gegen öffentliche Ordnung und gute Sitten Patente werden nicht erteilt für Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde (§ 2 Abs. 1 PatG bzw. Art. 53 a) EPÜ ). Öffentliche Ordnung ist im Sinne von „ordre public“ zu verstehen. Das umfasst die tragenden Grundsätze einer Rechtsordnung und somit alle Normen, die der Verwirklichung und dem Schutz von solchen Gütern dienen, die für das Leben in der Gemeinschaft eine essentielle Bedeutung haben. 18 Gute Sitten stellen einen Bewertungsmaßstab dar, der als Anstandsgefühl „aller billig und gerecht Denkenden“ umschrieben werden kann. 19 Von der Patentierung sind nur solche Erfindungen ausgeschlossen, die ausschließlich derartig benutzt werden können. Somit sind z. B. Waffen, Gifte und Sprengstoffe durchaus patentierbar. c) Verfahren zur chirurgischen und therapeutischen Behandlung In § 2a Abs. 1 Nr. 2 PatG (bzw. Art. 53 c) EPÜ ) wird per Gesetz definiert, dass Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers und Diagnostizierverfahren, die am menschlichen oder tierischen Körper vorgenommen werden, von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Damit soll die Entscheidungsfreiheit eines Arztes zur Anwendung entsprechender Verfahren erhalten bleiben. Als chirurgische Behandlung ist ein Eingriff in den lebenden Körper eines Menschen oder Tieres anzusehen. 20 Verfahren zur therapeutischen Behandlung sind solche, die im Sinne der Anwendung medizinischer Maßnahmen die Ursachen oder Symptome einer Funktionsstörung des Körpers heilen, lindern, beseitigen oder abschwächen oder dem Risiko des Erwerbs einer solchen Störung vorbeugen oder dieses verhindern. 21 Diagnostische Verfahren dienen der Feststellung einer bestehenden Erkrankung und der Ursachenermittlung. 18 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 2 Rdn. 18. 19 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 2 Rdn. 22. 20 BGH GRUR 2001, 321, 322 „Endoprotheseeinsatz“. 21 AB l. EPA 1995, 512, „Hornhaut / Thompson“. 101 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens Als Kriterium, inwiefern die genannten Verfahren von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind, kann regelmäßig das Merkmal des Heilzwecks dienen. 22 Keinen Heilzweck verfolgen rein kosmetische Verfahren, wie Haarbehandlung durch Schneiden, Färben usw. Dagegen ist ein Verfahren zum Implementieren von Haarbündeln in die Kopfschwarte mittels atraumatischer Nadeln als chirurgisches Verfahren trotz seines kosmetischen Zwecks von der Patentierung ausgeschlossen. 23 Erzeugnisse zur Anwendung in einem der genannten Verfahren, sind jedoch aufgrund § 2a Abs. 1 Nr. 2, S. 2 PatG (bzw. Art. 53 (c), S. 2 EPÜ ) patentierbar. Dazu gehören insbesondere pharmazeutische Produkte, medizintechnische Geräte, Herzschrittmacher, Prothesen usw. 3. Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden Aufgrund der steigenden Bedeutung der Computertechnik besteht bereits seit den 1970er Jahren ein wachsendes Bedürfnis, Computerprogramme, also Programme für Datenverarbeitungsanlagen, zu schützen. Neben dem möglichen Schutz nach dem UrhG (s. u. § 69 I. 3.) wird auch regelmäßig versucht, einen geeigneten Patentschutz dafür zu ermöglichen. Denn durch das UrhG kann zwar ein Computerprogramm an sich geschützt werden, jedoch nicht die Ideen und Grundsätze, die ihm oder einzelnen seiner Algorithmen zugrunde liegen. Einen derartigen Schutz könnte jedoch das Patentrecht ermöglichen. Durch den Vorschlag einer Richtlinie 24 hat die Kommission der EG versucht, den Schutz sog. „computerimplementierter Erfindungen“ EU -weit zu harmonisieren. Eine derartige Erfindung ist nach dem Richtlinienvorschlag jede Erfindung, zu deren Ausführung ein Computer, ein Computernetz oder eine sonstige programmierbare Vorrichtung eingesetzt wird und die auf den ersten Blick mindestens ein neuartiges Merkmal aufweist, das ganz oder teilweise mit einem oder mehreren Computerprogrammen realisiert wird. 25 Dieses Richtlinienprojekt ist jedoch vorerst gescheitert, da es im Juli 2005 durch das Europäische Parlament abgelehnt wurde. 26 Für einen für die Bundesrepublik geltenden möglichen Patentschutz von Computerprogrammen ist also auf den Technikbegriff abzustellen, wie er von deutschen Gerichten (insbesondere BGH , BP atG) und dem EPA verstanden wird. 27 Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Technikbegriff nicht statisch ist, sondern modifiziert werden kann, sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepasster effektiver Patentschutz dies erfordern. 28 Fraglich ist also, wann Technizität vorliegt und ein Computerprogramm nicht als Erfindung ausgeschlossen ist i. S. v. § 1 Abs. 3, 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2, 3 EPÜ . Die üblichen physikalischen Wirkungen (z. B. elektrische Ströme) eines Computerprogramms auf eine 22 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 14 Rdn. 58. 23 BP atG, Bl. f. PMZ 1989, 395. 24 Vorschlag für eine Richtlinie des Europ. Parlaments und des Rates über die Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen, KOM (2002) 92 vom 20. 2. 2002 AB l. EG C 2002 / 151 E v. 25. 6. 2002. 25 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 12 Rdn. 122. 26 Vieregge, Wiesner, VPP Rundbrief 2005, 123; s. a. o.g. Fußn. 25. 27 Vgl. auch Pierson, Jur PC Web-Dok. 182 / 2004, abrufbar unter: http: / / www.jurpc.de/ aufsatz/ 20040182. htm (letzter Abruf: 6 / 2018). 28 BGH GRUR 2000, 498, 501 „Logikverifikation“. 102 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Datenverarbeitungsanlage sind alleine nicht ausreichend, um dem Programm alleine oder in Kombination mit der Datenverarbeitungsanlage technischen Charakter zu verleihen. Erforderlich ist ein darüber hinausgehender technischer Effekt. 29 Ein Computerprogramm hat technischen Charakter, wenn zur Lösung der zugrunde liegenden Aufgabe von Naturkräften, technischen Maßnahmen oder Mitteln (z. B. von hydraulischen Kräften, elektrischen Strömen in Schaltelementen und Regeleinrichtungen oder von Signalen) unmittelbar Gebrauch gemacht und somit unmittelbar ein technischer Effekt ausgelöst 30 wird. Das ist beispielsweise der Fall bei einem Antiblockierregelungssystem für druckmittelbetätigte Fahrzeugbremsen, bei dem eine optimale Bremswirkung erreicht werden soll. 31 Nach diesem Grundsatz sind allgemein Verfahren zur Steuerung technischer Geräte (wie Fernsehgeräte, Handys, Motorsteuerungen etc.), die heute üblicherweise mittels eines programmierten Mikroprozessors ablaufen, als technisch anzusehen. Nicht dem Patentschutz zugänglich ist jedoch z. B. ein Verfahren zum Betrieb eines Kommunikationssystems, bei dem von einem Kunden an seinem Rechner vorgenommene Bedienhandlungen erfasst und mit Referenzprotokollen verglichen werden, wobei dem Kunden unter bestimmten Bedingungen interaktive Hilfe angeboten wird. 32 Laut einer weiteren BGH -Entscheidung 33 ist für die Frage der Technizität zunächst zu klären, ob der Gegenstand der Erfindung zumindest mit einem Teilaspekt auf technischem Gebiet liegt. Danach ist zu prüfen, ob dieser Gegenstand lediglich ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches darstellt und deshalb vom Patentschutz ausgeschlossen ist. Der Ausschlusstatbestand greift nicht ein, wenn diese weitere Prüfung ergibt, dass die Lehre Anweisungen enthält, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen. Laut dieser BGH -Entscheidung wurde erkannt, dass eine Erfindung zwar das Technizitätserfordernis erfüllen kann, aber dennoch als reines Datenverarbeitungsprogramm (i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG) anzusehen und somit nicht patentfähig ist. Bei anderen BGH -Entscheidungen 34 wurde zwar die Technizität von Erfindungen nicht ausgeschlossen; jedoch wurden bei der Prüfung der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit (s. u. § 9 IV ) nur diejenigen Teile der Erfindung berücksichtigt, die die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln bestimmen oder zumindest beeinflussen. Somit wurden im Ergebnis in den betreffenden BGH -Entscheidungen die Erfindungen zwar als technisch (i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 PatG bzw. Art. 52 Abs. 2 Buchst. c oder d EPÜ ), jedoch aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (i. S. v. § 4 PatG bzw. Art. 56 EPÜ ) doch nicht als patentfähig angesehen. 29 Benkard / Bacher / Melullis, PatG, § 1 Rdn. 109. 30 Benkard / Bacher / Melullis, PatG, § 1 Rdn. 108. 31 BGH GRUR 1980, 849, „Antiblockiersystem“. 32 BGH GRUR 2005, 141, „Interaktive Hilfe“. 33 BGH v. 24. 2. 2011, X ZR 121 / 09, „Webseitenanzeige“. 34 BGH v. 26. 10. 2010, X ZR 47 / 07, „Wiedergabe topografischer Informationen“; BGH v. 18. 12. 2012, X ZR 3 / 12, „Routenplanung“; BGH v. 23. 4. 2013, X ZR 27 / 12, „Fahrzeugnavigationssystem“; BGH v. 25. 8. 2015, X ZR 110 / 13, „Entsperrbild“. 103 § 8 Patentierbare Erfindungen und Gewerbliche Anwendbarkeit Ahrens In einer weiteren Entscheidung, bei der es um die Ermittlung eines Flugzeugzustands durch Auswertung von Messwerten zu technischen Parametern ging, stellte der BGH 35 fest, dass auch für mathematische Methoden i. S. v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 PatG dasselbe Kriterium gilt, wie für den Patentierungsausschluss für Programme für Datenverarbeitungsanlagen. 4. Biotechnologische Erfindungen Die Patentierbarkeit von Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie ist schon lange allgemein anerkannt und hat mit der Implementierung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen 36 ausdrücklich ihren Niederschlag im PatG bzw. EPÜ gefunden (§ 1 Abs. 2, § 1a Abs. 2-4 und § 2a Abs. 2 PatG bzw. analog Art. 53 b) EPÜ , R 26-34 AOEPÜ ). 37 Bei diesem Gebiet spielen auch ethische und moralische Fragen eine wichtige Rolle und beeinflussen die Gesetzgebung. So reguliert das Gentechnikgesetz die Forschungsarbeit; Embryonenschutzgesetz und Stammzellgesetz können die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen einschränken. Laut DPMA 38 werden folgende Einsatzgebiete der Biotechnologie unterschieden: die „Grüne“ Biotechnologie betrifft pflanzliche Anwendungen, bspw. für landwirtschaftliche Zwecke; die „Rote“ Biotechnologie befasst sich mit medizinisch-pharmazeutischen Anwendungen, also mit der Herstellung von Medikamenten und Diagnostika; die „Weiße“ (oder Industrielle) Biotechnologie umfasst bspw. Herstellungsverfahren für chemische Verbindungen in der Textil- oder Lebensmittelindustrie; die „Blaue“ Biotechnologie befasst sich mit der Nutzung von Organismen aus dem Meer und die „Graue“ Biotechnologie betrifft den Bereich der Abfallwirtschaft (Kläranlagen, Dekontamination von Böden u. ä.). Besondere ethische Herausforderungen für das Patentrecht ergeben sich aus der „Grünen“ und aus der „Roten“ Biotechnologie, die teilweise von der Öffentlichkeit kritisch begleitet wurden, wie bspw. die Verfahren zum „Krebsmaus-Patent“ 39 und zum „Brokkoli-Patent“ 40 . Für Erfindungen auf dem Gebiet der Biotechnologie gelten dieselben Patentierungsvoraussetzungen (Neuheit, erfinderische Tätigkeit, gewerbliche Anwendbarkeit und ausreichende Offenbarung) wie für Erfindungen auf anderen technischen Gebieten. Auch ein in der Natur bereits vorhandener Stoff kann patentiert werden, sofern dessen Existenz nicht bekannt war und zur Abgrenzung gegenüber einer bloßen Entdeckung eine Lehre zum technischen Handeln vorliegt (s. o. § 8 I. 1.). Eine Lehre zum technischen Handeln kann ein technisches Verfahren zur Isolierung des Stoffes aus seiner natürlichen Umgebung oder zu dessen Herstellung sein wie in § 1 Abs. 2 S. 2 PatG (bzw. R 27 a) AOEPÜ ) für biologische Materialien angeführt. 41 35 BGH v. 30. 6. 2015, X ZB 1 / 15, „Flugzeugzustand“. 36 Richtlinie 98 / 44 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 6. 7. 1998; s. Bl. f. PMZ 1998, 458 ff. 37 DE : Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen (BioPatG) sowie Begründung hierzu (B. f. PMZ 2005, 93 ff. und 95 ff.); EPÜ : Beschluss des Verwaltungsrats vom 16. 6. 1999 ( AB l. EPA 1999, 437 ff.). 38 S. www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 39 EP 169 672. 40 EP 1 597 965. 41 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 1 Rdn. 151. 104 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Ausdrücklich ausgenommen von der Patentierbarkeit sind jedoch: ▶ der menschliche Körper und die bloße Entdeckung seiner Bestandteile (§ 1a Abs. 1 PatG bzw. R 28 a), b), c), R 29 Abs. 1 AOEPÜ ); ▶ Pflanzensorten, Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zu deren Züchtung (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 PatG bzw. Art. 53 b) S. 1 EPÜ ); ▶ und (jeweils nach § 2 Abs. 2 PatG bzw. R 28 AOEPÜ ): ▶ Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen; ▶ Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des menschlichen Lebewesens; ▶ die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken; ▶ Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die geeignet sind, Leiden dieser Tiere ohne wesentlichen medizinischen Nutzen für den Menschen oder das Tier zu verursachen, sowie die mit Hilfe solcher Verfahren erzeugten Tiere. Der Patentierungsausschluss umfasst auch Erzeugnisse, die nur unter Verwendung und Zerstörung menschlicher Embryonen hergestellt werden können. Diese Ausnahmen betreffen nicht (so dass also grundsätzlich ein Patent erteilt werden kann): ▶ Bestandteile des menschlichen Körpers, sofern eine Isolierung oder Gewinnung mit einem technischen Verfahren erfolgt (§ 1a Abs. 2 PatG bzw. R 29 Abs. 2 AOEPÜ ); ▶ Pflanzen und Tiere, sofern die Ausführung der Erfindung technisch nicht auf eine bestimmte Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist (§ 2a Abs. 2 Nr. 1 PatG bzw. R 27 (b) AOEPÜ ); ▶ mikrobiologische Verfahren oder ein sonstiges technisches Verfahren und deren Erzeugnisse, sofern es sich nicht um eine Pflanzensorte oder Tierrasse handelt (§ 2a Abs. 2 Nr. 2 PatG bzw. Art. 53 (b) und R 27 (c) AOEPÜ ). Für ausführliche Erläuterungen wird auf die Kommentierung zu den genannten Gesetzesnormen sowie auf weiterführende Literatur verwiesen. 42 Ergänzend wird auch auf das Sortenschutzrecht (s. u. § 36) hingewiesen. II. Gewerbliche Anwendbarkeit Liegt eine technische Erfindung vor, so ist diese nur dann patentfähig, wenn auch die sonstigen Voraussetzungen aus § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ erfüllt sind. Dazu gehört u. a. die gewerbliche Anwendbarkeit. Gemäß § 5 PatG (bzw. Art. 57 EPÜ ) gilt eine Erfindung als gewerblich anwendbar, wenn ihr Gegenstand auf irgendeinem gewerblichen Gebiet 42 Siehe z. B. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, insbes. § 1 Rdn. 135 ff; Kraßer / Ann, Patentrecht, § 14 Rdn. 1 ff., sowie Ensthaler / Zech, GRUR 2006, 529 ff. und Kilger / Jaenichen, GRUR 2005, 984 ff. zur Problematik der Patentierung von (menschlichen) Gensequenzen mit Erläuterungen der Begriffe und des biologischen Hintergrunds. 105 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens einschließlich der Landwirtschaft hergestellt oder benutzt werden kann. Dazu gehören insbesondere auch Bergbau, Jagd, Fischerei und Gartenbau. Da bereits die mögliche gewerbliche Herstellung ausreicht, kommt es bei Erzeugnissen nicht auf die anschließende (gewerbliche) Benutzbarkeit an. Also ist gewerbliche Anwendbarkeit auch gegeben, wenn ein Erzeugnis ausschließlich im nichtgewerblichen Bereich benutzbar sein sollte, wie etwa Spielzeug, Sportgeräte, medizinische Geräte, Arzneimittel, Prothesen sowie Kriegswaffen. 43 Die gewerbliche Anwendbarkeit im patentrechtlichen Sinne setzt außerdem nicht voraus, dass die Erfindung Gewinn verspricht. Wichtig ist jedoch deren Ausführbarkeit. Das heißt insbesondere, dass die Erfindung 44 ▶ in der Patentanmeldung ausreichend offenbart ist; ▶ funktioniert; das heißt der Kausalzusammenhang zwischen der zu lösenden Aufgabe (im objektiven Sinn) und der vorgeschlagenen Lösung muss erkennbar sein. Dabei ist es ausreichend, wenn der Erfinder verstanden hat, wie die Erfindung funktioniert; es ist nicht notwendig, dass er auch verstanden hat, warum sie funktioniert; ▶ wiederholbar ist; also nicht vom Zufall abhängt; ▶ fertig ist; das heißt, ein Fachmann muss ohne Versuche, die das übliche bzw. zumutbare Maß überschreiten, und ohne eigene erfinderische Überlegungen imstande sein, die Erfindung umzusetzen. 45 Eine Serienreife ist jedoch nicht erforderlich. § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Weitere Voraussetzungen für die Patentfähigkeit einer Erfindung sind, dass sie neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ). Eine Beurteilung dieser Kriterien erfolgt durch zeitlichen und inhaltlichen Vergleich mit dem Stand der Technik (SdT), der durch die Legaldefinition von § 3 PatG (Art. 54 EPÜ ) festgelegt ist. Für den zeitlichen Vergleich ist ein Stichtag maßgeblich, nämlich der Zeitrang der zu prüfenden Anmeldung, welche die Erfindung schützen soll. Dieser ergibt sich grundsätzlich aus deren Anmeldetag, ggf. jedoch aus einem früheren Prioritätstag aufgrund der Inanspruchnahme eines inländischen oder ausländischen Prioritätsrechts nach § 40 bzw. § 41 PatG bzw. für europäische Patentanmeldungen nach Art. 87 ff. EPÜ (s. a. Abb. 3). Für den inhaltlichen Vergleich ist der Inhalt der Patentansprüche dieser zu prüfenden Anmeldung entscheidend, da sie wesentlich den Schutzumfang (nach § 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ ) und somit die zu schützende Erfindung bestimmen. Dabei kommt es darauf an, was der zuständige Fachmann („Durchschnittsfachmann“) den Ansprüchen und dem aufgefundenen SdT entnimmt. Einzelheiten dazu werden in diesem Paragraphen erläutert. 43 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 13 Rdn. 4. 44 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 13 Rdn. 11 ff. 45 BGH GRUR 1971, 210 „Wildverbißverhinderung“. 106 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens I. Stand der Technik (SdT) Beim SdT ist zu unterscheiden zwischen ▶ Vorveröffentlichungen (§ 3 Abs. 1 PatG bzw. Art. 54 Abs. 2 EPÜ ) und ▶ älteren Anmeldungen (§ 3 Abs. 2 PatG bzw. Art. 54 Abs. 3 EPÜ ). 1. Vorveröffentlichungen Der SdT umfasst zunächst alle Kenntnisse, die der Öffentlichkeit vor dem Zeitrang der zu prüfenden Anmeldung zugänglich gemacht worden sind (§ 3 Abs. 1 PatG bzw. Art. 54 Abs. 2 EPÜ ). Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Form, an welchem Ort oder vor wie langer Zeit die Öffentlichkeit Zugang erlangt hat. Dazu gehören grundsätzlich auch alle Kenntnisse, die der Erfinder selbst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat oder die auf ihn zurückgehen. Das heißt also, dass es eine Neuheitsschonfrist zugunsten des Erfinders oder seines Rechtsnachfolgers weder nach deutschem Patentrecht noch nach dem EPÜ gibt. 46 Ausgenommen sind lediglich Veröffentlichungen, die nicht früher als 6 Monate vor Einreichung der Anmeldung missbräuchlich zum Nachteil des Erfinders oder auf einer international amtlich anerkannten Ausstellung erfolgten (§ 3 Abs. 5 PatG bzw. Art. 55 EPÜ ). Zu beachten ist, dass für die Berechnung der 6-Monats Frist der Anmeldetag und nicht ein eventuell früherer Prioritätstag maßgeblich ist. Unter Öffentlichkeit ist ein Kreis von Personen zu verstehen, der wegen seiner Größe oder der Beliebigkeit seiner Zusammensetzung für den Urheber der Information nicht mehr kontrollierbar ist. 47 Abzugrenzen davon ist ein begrenzter Personenkreis, der zur Vertraulichkeit verpflichtet ist. Dies kann explizit durch eine Vereinbarung („Vertraulichkeitsvereinbarung“) erfolgen oder implizit aus einer geschäftlichen Beziehung folgen, wie bei Kunde / Lieferant, Arbeitnehmer / Arbeitgeber oder dergleichen. Falls jedoch die Vertraulichkeitspflicht verletzt wird und die Information an gutgläubige Empfänger gelangt (die selbst der Öffentlichkeit zuzurechnen sind), wird die Erfindung der Öffentlichkeit zugänglich und gehört damit zum SdT. Ab diesem Zeitpunkt läuft die oben genannte 6-monats Frist (gem. § 3 Abs. 5 PatG bzw. Art. 55 EPÜ ) innerhalb der noch eine wirksame Patentanmeldung eingereicht werden kann. Sofern Schutz sowohl aufgrund eines deutschen Patents als auch aufgrund eines europäischen Patents nach EPÜ gewünscht ist, sind innerhalb dieser Frist beide Anmeldungen einzureichen, da der jeweilige Anmeldetag maßgeblich ist-- und nicht ein eventuell früherer Prioritätstag. Internationale Ausstellungen im Sinne von § 3 Abs. 5 Nr. 2 (Art. 55 Abs. 1 b) EPÜ ), die einen 6-monatigen Ausstellungsschutz bewirken können, werden auch im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht und üblicherweise auch im Bl. f. PMZ veröffentlicht. Dabei werden lediglich 46 Anders im alten PatG (bis 1978) sowie nach geltendem deutschen Gebrauchsmusterrecht (§ 3 Abs. 1 Gebr MG ). 47 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 16 Rdn. 19. 107 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens Weltausstellungen und gleichrangige Fachausstellungen berücksichtigt. Der Ausstellungsschutz wird nur wirksam, wenn der Anmelder bei Einreichung der Anmeldung angibt, dass die Erfindung tatsächlich zur Schau gestellt worden ist und er innerhalb von 4 Monaten nach der Einreichung hierüber eine Bescheinigung einreicht. Für die Zugehörigkeit zum SdT genügt es, dass der Öffentlichkeit die Kenntnisnahme möglich ist; eine tatsächlich erfolgte Kenntnisnahme ist nicht notwendig. Somit kann ein Dokument, das an einem bestimmten Tag in einer Bibliothek ausgelegt wird, ab diesem Tag zum SdT gehören, unabhängig davon, ob es eingesehen oder ausgeliehen wurde. Eine andere Bewertung kann sich ergeben, wenn von einer Erfindung erst nach einer Zerlegung einer Vorrichtung Kenntnis genommen werden kann und die Zerlegung nicht bestimmungsgemäß vorgesehen ist. Das war z. B. der Fall bei einem Steuerungsverfahren, das auf einem Mikrochip gespeichert war, der Teil einer offenkundig vorbenutzten (und damit der Öffentlichkeit zugänglichen) Maschine war. Das wurde damit begründet, dass die Ermittlung des Programminhalts des Mikrochips zwar technisch möglich gewesen sei, jedoch unter den gegebenen Umständen, insbesondere aus Kosten-/ Nutzenerwägungen, nicht erfolgt sein könne. 48 2. Ältere Anmeldungen Nach § 3 Abs. 2 PatG (Art. 54 Abs. 3 EPÜ ) können auch Patentanmeldungen zum SdT gehören, die erst an oder nach dem Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung veröffentlicht worden sind. Dafür müssen diese Patentanmeldungen jedoch einen älteren Zeitrang als die zu prüfende Patentanmeldung aufweisen und Schutz für das Inland bewirken. Letzteres ist möglich durch: ▶ nationale beim DPMA eingereichte Anmeldungen, ▶ europäische Patentanmeldungen nach dem EPÜ , wenn die Bundesrepublik Deutschland benannt und für sie die Benennungsgebühr gezahlt ist und ▶ internationale Patentanmeldungen nach dem PCT , für die das DPMA Bestimmungsamt ist, wenn sie in deutscher Sprache vorliegen und die Anmeldegebühr fristgerecht entrichtet ist (Art. III § 8 Abs. 3, § 4 Abs. 2 IntPat ÜG ). Derartige Patentanmeldungen werden in der Praxis „ältere Patentanmeldungen“ 49 genannt. Maßgeblich ist deren Inhalt, d. h. deren gesamter Offenbarungsgehalt (s. u. § 12 I.) und zwar bezogen auf deren Anmelde- oder Prioritätsdatum, selbst wenn die später der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Fassung von ihr abweicht. Eine ältere Patentanmeldung gehört für eine jüngere Patentanmeldung nur dann zum SdT, wenn die ältere veröffentlicht wird und zu diesem Zeitpunkt noch anhängig ist. 48 EPA , AB l. EPA 1993, 295 „Mikrochip / Heidelberger Druckmaschinen“. 49 Selbstverständlich sind auch vorveröffentliche Patentanmeldungen aufgrund ihres Zeitrangs ältere Anmeldungen; dennoch werden sie nicht als solche bezeichnet, sondern „vorveröffentlichte Patentanmeldungen“ genannt. 108 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Folgende Anmeldungen werden weder nach PatG noch nach EPÜ als ältere (nicht vorveröffentlichte) Anmeldungen dem SdT zugerechnet: ▶ nationale Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldungen im Ausland, ▶ deutsche Gebrauchsmusteranmeldungen. II. Durchschnittsfachmann Bei einem Vergleich der zu schützenden Erfindung mit dem entgegenstehenden SdT kommt es maßgeblich darauf an, wie ein sog. Durchschnittsfachmann einerseits die zu schützende Erfindung und andererseits die Gesamtoffenbarung der entgegenstehenden Informationen (aus Dokumenten oder aufgrund anderer möglicherweise entgegenstehender Sachverhalte-- wie Vorträge, Benutzungen usw.) versteht. Dazu ist zunächst zu klären, wer der maßgebliche (Durchschnitts-)Fachmann 50 ist. Der Fachmann ist eine Fiktion. Es handelt sich um den sog. Durchschnittsfachmann des betroffenen bzw. einschlägigen Fachgebiets, der zum Stichtag über das übliche Fachwissen und über durchschnittliche Fähigkeiten verfügt. Maßstab ist also keinesfalls ein „Genie“ oder gar der Prüfer oder Richter bei den Patentbehörden, der nicht selbst praktisch tätig ist und deshalb aus der Sicht des SdT und des Fachwissens Schwierigkeiten geringer oder auch größer einzuschätzen geneigt sein könnte. Was vom Fachmann zu erwarten ist, richtet sich in erster Linie nach seinem Fachgebiet. Dieses wird gemäß der Aufgabe bestimmt, die durch die Erfindung gelöst wird, nicht nach der Person dessen, der die Erfindung gemacht hat oder erfindungsgemäße Erzeugnisse benutzt. So ist beispielsweise der Fachmann für ein Dauerwellenmittel nicht der Frisör, sondern ein akademisch ausgebildeter Chemiker. Es gibt oft auch Fälle, in denen als „Fachmann“ eine Gruppe von Fachleuten anzusehen ist. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ein durchschnittlicher Fachmann eines primär einschlägigen Gebietes die Hilfe eines für ein anderes Gebiet zuständigen Fachmanns als notwendig erkennt und in Anspruch nimmt, wie bei einem Gerät zur Erzeugung und medizinischen Verwendung von Ultraschall-Stoßwellen, bei dem Kenntnisse der Physik mit denen der Medizintechnik zu kombinieren sind. 51 Für die Qualifikation, die beim Fachmann vorausgesetzt werden kann, ist maßgeblich, welche Fachleute sich mit Aufgaben der durch die Erfindung gelösten Art zu beschäftigen pflegen. Das können handwerklich geschulte Techniker, aber auch Ingenieure bzw. Naturwissenschaftler mit Fachhochschul- oder Universitätsabschluss sein. III. Neuheit Eine Erfindung gilt nach § 3 Abs. 1 PatG (Art. 54 EPÜ ) als neu, wenn sie nicht zum SdT gehört. Für eine solche Beurteilung wird inhaltlich geprüft, ob die durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmte Erfindung durch Informationen einer einzelnen Quelle (Dokument 50 Siehe auch Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 42 ff. 51 BGH GRUR 1999, 145, 147 „Stoßwellen-Lithotripter“; s. a. BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 78 / 09, „Pfeffersäckchen“. 109 § 9 Stand der Technik, Neuheit, erfinderische Tätigkeit Ahrens oder sonstiger Sachverhalt) aus dem SdT vorweggenommen ist. Verglichen wird also der technische Inhalt des zu schützenden Anspruchs mit dem gesamten Offenbarungsgehalt z. B. eines einzelnen Dokuments. Dafür ist der Informationsgehalt maßgebend, den dieses Dokument für den zuständigen Fachmann (s. oben) hat. Damit umfasst der Informationsgehalt auch, was der Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich ergänzt oder bei aufmerksamer Lektüre ohne weiteres erkennt und „in Gedanken gleich mitliest“, ggf. unter Zuhilfenahme eines Lexikons oder eines anderen Nachschlagewerkes. So ist es für den Fachmann selbstverständlich, dass zu einer kompletten Steckverbindung außer dem in einem Dokument erwähnten Steckverbinder ein entsprechend ausgebildeter Gegensteckverbinder gehört. 52 Eine Erfindung kann neu sein, auch wenn sie an sich bekannte Bestandteile (Elemente) enthält oder gar ausschließlich aus solchen besteht, wie beispielsweise eine neue elektronische Schaltung mit an sich bekannten elektronischen Komponenten. Ein neues Verfahren kann auch in der neuen Verwendung (Anwendung) eines an sich bekannten Erzeugnisses liegen; z. B. in der Lehre, einen als Düngemittel bekannten Stoff als Waschmittel zu verwenden. Die patentierbare Erfindung beschränkt sich dann auf die neue Anwendung. IV. Erfinderische Tätigkeit Eine weitere Voraussetzung für die Patentfähigkeit einer Erfindung ist die erfinderische Tätigkeit (gem. § 1 Abs. 1 PatG bzw. Art. 52 Abs. 1 EPÜ ). Nach § 4 PatG, S. 1 (Art. 56, S. 1 EPÜ ) gilt eine Erfindung als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend, wenn sie sich für den Fachmann in nicht nahe liegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Dabei sind ältere, jedoch nicht vor dem Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung veröffentlichte Patentanmeldungen, nicht zu berücksichtigen (§ 4 S. 2 i. V. m. § 3 Abs. 2 PatG bzw. Art. 56, S. 2 i. V. m. Art. 54 Abs. 3 EPÜ ). Von dieser Ausnahme abgesehen ist der zu berücksichtigende SdT der gleiche, wie er auch der Neuheitsprüfung zugrunde liegt. Dabei können jedoch Informationen aus mehreren Quellen (Dokumente usw.) kombiniert werden. Das Erfordernis „erfinderische Tätigkeit“ bedeutet nicht, dass es darauf ankommt, wie-- also mit welcher Anstrengung- - der Erfinder zu seiner neuen Problemlösung gelangt ist. Maßgeblich ist alleine das nicht-naheliegende Ergebnis, auch dann, wenn die Erfindung scheinbar mühelos oder zufällig gemacht wurde. Für die Beurteilung, ob die zu prüfende Erfindung sich in nahe liegender Weise aus dem SdT ergibt, wird dieser in seiner Gesamtheit und aus Sicht des Durchschnittsfachmanns betrachtet. Diesem wird unterstellt, dass er den gesamten SdT seines Fachgebiets kennt und diesen zusammen mit seinem allgemeinen Grundlagenwissen mosaikartig nutzt, um eine Aufgabe zu lösen und so zu einer Erfindung zu gelangen. Der Fachmann wird dabei jedoch 52 BGH GRUR 1995, 330 „Elektrische Steckverbindung“. 110 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens nicht allzu viele und allzu unterschiedliche Informationen miteinander verknüpfen sondern hauptsächlich diejenigen nutzen, die erkennbare Bezüge zu seiner Aufgabe zeigen. 53 Das Beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit ist einem unmittelbaren Tatsachenbeweis nicht zugänglich. Stattdessen sind häufig sog. Beweisanzeichen bzw. Hilfskriterien hilfreich. Diese können positive Anhaltspunkte liefern, jedoch keine verbindliche Aussage rechtfertigen. Solche Beweisanzeichen können sein: 54 ▶ eine Abkehr von eingefahrenen Wegen; 55 ▶ Befriedigung eines seit langem bestehenden Bedürfnisses; 56 ▶ Einfachheit, gepaart mit Robustheit, Sicherheit und erheblicher Aufwandsminderung; 57 ▶ entgeltliche Lizenzerteilung; ▶ Nachahmung durch Mitbewerber. 58 Zu beachten ist auch, dass bei einer Erfindung, die auf den ersten Blick nahe liegend erscheint, durchaus eine erfinderische Tätigkeit vorliegen kann. Denn bei Kenntnis der Erfindung lässt sich oft theoretisch und im Rahmen einer Ex-post-facto-Analyse fälschlicherweise zeigen, wie man von einem bekannten Ausgangspunkt durch eine Reihe offensichtlicher Schritte zu ihr gelangen kann. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit verfährt das EPA -- und in entsprechender Weise oft auch die deutschen Instanzen-- regelmäßig nach dem sog. „Aufgabe-Lösungs-Ansatz“. 59 Zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von Erfindungen mit nicht-technischen Merkmalen wird auf § 8 3. („Computerimplementierte Erfindungen und mathematische Methoden“; s. o.) hingewiesen. § 10 Recht auf das Patent Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger (§ 6 PatG bzw. Art. 60 EPÜ ). In diesem Zusammenhang ist also insbesondere zu klären, ▶ wer Erfinder ist, ▶ welche Rechte er hat und ▶ wer ggf. sein Rechtsnachfolger ist. 53 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 87. 54 S. bspw. Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 4 Rdn. 61 ff, mit weiteren Beispielen und Zitaten. 55 BGH GRUR 1999, 145 „Stoßwellen-Lithotripter“. 56 BP atG GRUR 1995, 397, 398 „Außenspiegelanordnung“. 57 BGH Mitt. 1978, 136 „Erdölrohre“. 58 BGH GRUR 1991, 120, 121 „Elastische Bandage“. 59 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 18 Rdn. 89 ff. sowie EPA Prüfungsrichtlinien 2017, Teil G, Kapitel VII-3. 111 § 10 Recht auf das Patent Ahrens I. Erfinder Ein Erfinder ist eine natürliche Person, die eine Erfindung gemacht hat. Eine Erfindung kann auch von mehreren natürlichen Personen gemacht werden und zwar entweder gemeinschaftlich oder unabhängig voneinander. Ein Unternehmen hingegen kann kein Erfinder, jedoch Rechtsnachfolger sein. Eine Erfindung gilt als gemacht, wenn sie fertig ist und vom Erfinder verlautbart wurde. Dabei ist die Angabe nur einer Aufgabe keine fertige Erfindung, solange nicht die Lösungsmittel angegeben sind. Fertig ist eine Erfindung, wenn die ihr zugrunde liegende Lehre technisch ausführbar ist, wobei Markt- oder Serienreife nicht gefordert ist. Die in diesem Zusammenhang geforderte Verlautbarung kann durch irgendeine Mitteilung oder körperliche Wiedergabe erfolgen. Dabei sollte sie nur einem Personenkreis, der zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, damit sie nicht SdT wird und so mangels Neuheit ihrer eigenen Patentfähigkeit entgegenstehen könnte. Wesentlich ist, dass die Erfindung nicht ausschließlich im Kopf des Erfinders vorhanden, sondern deren Existenz für Fachleute erkennbar ist, wie z. B. durch den Aufbau einer erfindungsgemäßen Vorrichtung oder schriftliche bzw. mündliche Erläuterungen. 60 Von erforderlichen schöpferischen Beiträgen 61 zu unterscheiden sind auch unterstützende Leistungen. Wer (nur) Geldmittel, ein Laboratorium oder Geräte zur Verfügung stellt, ist nicht Miterfinder. Das gilt auch für Personen, die nach den Angaben eines anderen Versuchsbedingungen überwachen, Messwerte registrieren, den Bau von Versuchsanordnungen oder Prototypen ausführen usw. II. Erfinderrechte Das Recht auf das Patent steht dem Erfinder (bzw. mehreren Miterfindern gemeinschaftlich) zu (§ 6 PatG bzw. Art. 60 EPÜ ). Dieses entsteht mit dem Schöpfungsakt der Erfindung. Das Erfinderrecht umfasst zwei Bereiche, 62 bestehend aus: ▶ dem Erfinderpersönlichkeitsrecht und aus ▶ der materiell-rechtlichen Berechtigung des Erfinders (bzw. seines Rechtsnachfolgers), die im Wesentlichen aus folgenden Rechten besteht: ▶ Anspruch auf Erteilung des Patents (nach § 49 PatG bzw. Art. 97 Abs. 2 EPÜ ); ▶ Berechtigung, die Erteilung des Patents zu verlangen (§ 7 PatG bzw. Art. 60 Abs. 3, 61 EPÜ ); ▶ Rechte aus dem Patent (gem. §§ 9 ff., 15 Abs. 1, 2, §§ 139 ff. PatG bzw. Art. 71 ff. EPÜ ). Das Erfinderpersönlichkeitsrecht ist höchstpersönlich und unverzichtbar. Es äußert sich insbesondere in dem Recht des Erfinders, als solcher durch den Anmelder nach § 37 PatG 60 Vgl. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 19 Rdn. 9 ff. 61 S. BGH v. 17. 5. 2011, X ZR 53 / 08, „Atemgasdrucksteuerung“; BGH v. 22. 1. 2013, X ZR 70 / 11. 62 S. bspw. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 19 Rdn. 1 ff. 112 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens benannt (bzw. nach Art. 62 EPÜ genannt) sowie durch das DPMA bzw. EPA auf der Offenlegungsschrift und Patentschrift genannt zu werden (§ 63 PatG bzw. Regel 20 AOEPÜ ). Sofern mehrere gemeinsam eine Erfindung gemacht haben, steht ihnen gem. § 6 S. 2 PatG das Recht auf das Patent gemeinschaftlich zu. Steht fest, dass es sich um eine gemeinschaftliche Erfindung handelt, steht das Recht den Miterfindern gemeinschaftlich zu. Das führt zu einer Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB , wenn und soweit die Beteiligten keine andere Vereinbarung getroffen haben. Besteht Bruchteilsgemeinschaft, kann über das Patent als Ganzes nur gemeinschaftlich verfügt werden, wobei die Bruchteilsgemeinschafter jedoch befugt sind, über ihren Anteil an der Erfindung frei zu disponieren. 63 Von der gemeinsamen Erfindung ist die Parallelerfindung (auch Doppelerfindung genannt) zu unterscheiden. Eine solche liegt vor, wenn mehrere Personen unabhängig voneinander eine identische technische Lehre (Erfindung) gemacht haben. Nach deutschem Patentrecht (§ 6 S. 3 PatG) und dem des EPÜ 64 (Art. 60 Abs. 2 EPÜ ) steht bei Parallelerfindungen das Recht demjenigen zu, der die Erfindung zuerst beim Patentamt angemeldet hat (Erstanmelderprinzip). III. Rechtsnachfolger Die materiell-rechtliche Berechtigung-- umfassend das Recht auf das Patent, den Anspruch auf dessen Erteilung und das Recht aus dem Patent- - ist ein Vermögensrecht, als solches veräußerbar und kann vererbt oder auch beschränkt oder unbeschränkt auf andere übertragen werden (§ 15 Abs. 1 PatG bzw. Art. 71 f. EPÜ ) oder Gegenstand von Lizenzen sein (§ 15 Abs. 2 PatG bzw. Art. 73 EPÜ ). Durch eine solche Rechtsnachfolge kann auch eine juristische Person solche Rechte erwerben und zwar durch rechtsgeschäftliche Übertragung oder durch eine Inanspruchnahme im Rahmen des Arbeitnehmererfinderrechts (s. u. 6. Kapitel). IV. Berechtigter vor den Patentbehörden Um eine Verzögerung der Prüfung der Patentanmeldung zu vermeiden, gilt im Verfahren vor dem Patentamt der Anmelder als berechtigt, die Erteilung des Patents zu verlangen (§ 7 Abs. 1 PatG bzw. Art. 60 Abs. 3 EPÜ ). Um dadurch entstehende Ungerechtigkeiten auszugleichen, gewährt das PatG Abhilfe: Der materiell Berechtigte kann im Falle einer Anmeldung durch einen Nichtberechtigten (sog. „widerrechtliche Entnahme“) Einspruch gegen ein entsprechendes Patent erheben (§ 21 Abs. 1, Nr. 3 PatG), dessen Widerruf verlangen und eine neue Patentanmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität der ursprünglichen Anmeldung gem. § 7 Abs. 2 PatG einreichen. Weiterhin kann er gemäß § 8 PatG durch Klage (Vindikationsklage) geltend machen, dass ihm der Anspruch auf Erteilung des Patents abgetreten wird oder die Übertragung des Patents verlangen, falls die Anmeldung bereits zum Patent geführt 63 BGH GRUR 2001, 226, 227 „Rollenantriebseinheit“. 64 Nach Art. 60 Abs. 2 EPÜ ist dieses Recht abhängig von der Veröffentlichung der früheren Anmeldung. 113 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens hat. Zusätzlich hat der Berechtigte noch die Möglichkeit, im Wege einer Nichtigkeitsklage das Patent für nichtig erklären zu lassen. Für Entscheidungen zur widerrechtlichen Entnahme bei europäischen Patentanmeldungen verweist das EPÜ auf nationale Gerichte (siehe Art. 61 EPÜ sowie Anerkennungsprotokoll zum EPÜ ; siehe auch unten § 20). § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Im Folgenden werden Grundsätze für die Verfahren vor dem DPMA , dem BP atG und dem BGH beschrieben, und es wird konkreter auf die Erteilung eines inländischen Patents (d. h. erteilt vom DPMA mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland) sowie auf entsprechende Einsprüche und Nichtigkeitsverfahren eingegangen. 65 Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle erwähnt, dass für Patentstreitsachen, d. h. Klagen, durch die ein Anspruch aus einem im PatG geregelten Rechtsverhältnis geltend gemacht wird (beispielsweise Ansprüche wegen Patentverletzung nach § 139 PatG), die Zivilkammern zugewiesener Landgerichte (einschließlich Instanzenzug über zugehörige Oberlandesgerichte bis ggf. zum BGH ) ausschließlich zuständig sind (§ 143 PatG). Darauf wird in diesem Abschnitt nicht weiter eingegangen; stattdessen wird dafür auf den achten Abschnitt verwiesen. I. Übersicht 1. Verfahren vor dem DPMA Die Bestimmungen zur Durchführung von Verfahren vor dem DPMA sind teilweise geregelt im PatG und werden ergänzt durch die „Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt“ (PatV) 66 sowie durch die „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ ( DPMAV ). 67 Ein Patentverfahren des DPMA beinhaltet im Wesentlichen: ▶ Offensichtlichkeitsprüfung (§ 42 PatG); ▶ Recherche (§ 43 PatG); ▶ vollständige Prüfung (§§ 44 ff. PatG); ▶ Führung des Patentregisters sowie Einsicht in dieses Register und in Akten (§§ 30, 31 PatG); 65 In diesem Paragraphen werden nur nationale inländische Patente behandelt. Auf Besonderheiten des europäischen Patentverfahrens nach dem EPÜ wird unten im 3. Kapitel eingegangen. 66 „Verordnung zum Verfahren in Patentsachen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt“ v. 1. 9. 2003, zuletzt geändert am 1. 1. 2013 durch die Dritte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und anderer Verordnungen vom 10. 12. 2012. 67 „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ v. 1. 4. 2004, zuletzt geändert zum 1. 10. 2016 durch das Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes vom 4. 4. 2016. 114 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ sowie möglicherweise ein Einspruchsverfahren (§§ 59 ff. PatG). Diese Tätigkeiten werden wahrgenommen von (s. a. § 27 PatG): ▶ Prüfungsstellen, die zuständig sind für die Bearbeitung von Patentanmeldungen und für die Erteilung von Auskünften zum SdT und deren Obliegenheiten je ein Prüfer wahrnimmt und ▶ Patentabteilungen, die u. a. zuständig sind für alle Angelegenheiten für erteilte Patente und bei Mitwirkung von mindestens drei Mitgliedern beschlussfähig sind. Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen sind den Beteiligten von Amts wegen in Abschrift zuzustellen und zu begründen (§§ 47 Abs. 1, 59 Abs. 5 PatG). Ein Beschluss in diesem Sinne ist eine Entscheidung, durch die eine abschließende Regelung erfolgt, die die Rechte der Beteiligten berühren kann. 68 2. Verfahren vor dem BP atG Das BP atG entscheidet durch Beschluss (auch Beschwerdebeschluss genannt) über Beschwerden gegen Beschlüsse der Prüfungsstellen und Patentabteilungen des DPMA , sofern der Beschwerde nicht zuvor durch das DPMA abgeholfen wird (§§ 73, 79 Abs. 1 PatG). Das BP atG ist unter bestimmten Voraussetzungen auch zuständig für Entscheidungen über Einsprüche (§ 61 Abs. 2 PatG) und entscheidet weiterhin in folgenden Fällen durch Urteile: ▶ in Nichtigkeitsverfahren (§§ 81 ff. PatG), die auch solche Patente betreffen können, die vom EPA erteilt wurden und für das Inland Wirkung erzielt haben sowie ▶ über einstweilige Verfügungen in Verfahren wegen Erteilung einer Zwangslizenz (§ 85 PatG). 3. Verfahren vor dem BGH Der BGH entscheidet über Rechtsbeschwerden gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate des BP atG (§§ 100 ff. PatG). Außerdem werden Berufungsverfahren gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des BP atG durchgeführt (§§ 110 ff. PatG). II. Zur Vertretung Ein Verfahrensbeteiligter, wie insbesondere Patentanmelder, Einsprechender oder Nichtigkeitskläger, kann eine natürliche oder juristische Person sein. Für den, der im Inland Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung hat, besteht für Verfahren vor dem DPMA und dem BP atG kein Vertretungszwang. Dieser Personenkreis kann also selbst handeln. Gem. § 97 Abs. 2 können sich diese Personen jedoch auch durch einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem BP atG nur 68 St. Rspr.; s. bspw. BP atG 7 W(pat) 23 / 16 v. 22. 03. 2017. 115 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens bestimmte Beschäftige sowie weitere Personen, wie bspw. volljährige Familienangehörige, vertretungsberechtigt, sofern es sich nicht um eine berufsmäßige (geschäftsmäßige) Vertretung handelt. Davon sind jedoch folgende Fälle zu unterscheiden: ▶ Wenn ein Verfahrensbeteiligter im Inland weder Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung hat-- also auch bei deutscher Staatsangehörigkeit mit ausländischem Wohnsitz-- hat er im Inland einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt zu bestellen (§ 25 Abs. 1 PatG); ▶ in Berufungs- und Beschwerdeverfahren (gegen Urteile der Nichtigkeitssenate des BP atG nach §§ 84 bzw. 85 PatG) vor dem BGH müssen sich die Parteien (also unabhängig von Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung) durch einen Patentanwalt oder Rechtsanwalt vertreten lassen (§§ 113 und 122 Abs. 4 PatG), wobei letzterer bei einem beliebigen deutschen Gericht, nicht jedoch notwendigerweise beim BGH , zugelassen sein muss; 69 ▶ in Rechtsbeschwerdeverfahren (gegen Beschwerdebeschlüsse des BP atG nach § 73 PatG) vor dem BGH müssen sich die Beteiligten durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dabei ist auf Antrag eines Beteiligten seinem Patentanwalt das Wort zu gestatten (§ 102 Abs. 5 PatG). III. Fristen, Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung 1. Fristen Bei den Verfahren vor dem DPMA und dem BP atG sind verschiedene Fristen einzuhalten. Fristen sind Zeiträume, deren Beginn und Ende bestimmt oder genau bestimmbar sind und innerhalb deren Verfahrenshandlungen vorgenommen werden müssen. 70 Sie können gesetzlich vorgegeben (wie die Prüfungsantragsfrist nach § 44 Abs. 2 PatG) oder vom Amt bestimmt sein (wie nach § 45 Abs. 1 PatG). Die Fristberechnung erfolgt nach §§ 187 ff. BGB . Der Anfang einer Frist kann beispielsweise der Anmeldetag einer Patentanmeldung oder die Zustellung eines Bescheides sein. Das Ende der Frist wird nach §§ 188 ff. BGB berechnet, wobei insbesondere auf § 193 BGB hingewiesen wird, wonach ein Fristende, das auf ein Wochenende oder einen Feiertag fällt, auf den darauf folgenden Werktag verschoben wird. 2. Wiedereinsetzung Wer ohne Verschulden verhindert war, gegenüber dem DPMA oder dem BP atG eine Frist einzuhalten und dadurch aufgrund gesetzlicher Vorschrift einen Rechtsnachteil erleidet, ist gem. § 123 Abs. 1 PatG auf Antrag wieder in den vorigen Stand einzusetzen. Bei einer derartigen Wiedereinsetzung handelt es sich um einen außerordentlichen Rechtsbehelf, dessen Wesen darin besteht, dass er eine verspätete Handlung zu einer rechtzeitigen macht. 71 Zur Klärung der Frage, inwiefern (k)ein Verschulden des Handelnden vorliegt, sei auf die einschlägigen Kommentare und Rechtsprechungen verwiesen. Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von 69 Benkard / Hall / Nobbe, PatG, § 114 Rdn. 4. 70 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 3. 71 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 1. 116 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses (das ist beispielsweise, wenn dem Verantwortlichen das Fristversäumnis bewusst wird) schriftlich beantragt werden, wobei auch Tatsachen angegeben werden müssen, die die Wiedereinsetzung begründen. Die Schriftform ist auch erfüllt durch Telegramm oder Fernschreiben 72 sowie aufgrund der Bestimmungen nach § 125a Abs. 1 PatG. Innerhalb der Antragsfrist ist außerdem die versäumte Handlung nachzuholen; ist dies geschehen, so kann die Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 123 Abs. 2 S. 3 PatG). Ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt und die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden. Bestimmte Fristen sind von der Wiedereinsetzung ausgenommen (s. §§ 123 Abs. 1, S. 2 und 123a Abs. 3 PatG). Zu beachten ist auch, dass § 123 PatG nicht für solche Fristen gilt, die gegenüber dem BGH einzuhalten sind, wie diejenigen zur Einlegung von Berufung und Beschwerde (gem. §§ 110 bzw. 122 PatG). Für eine derartige Wiedereinsetzung sind §§ 233 ff. ZPO anzuwenden, nach denen jedoch andere Fristen gelten. Über den Antrag nach § 123 Abs. 3 PatG beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat. Eine gewährte Wiedereinsetzung ist unanfechtbar (§ 123 Abs. 4 PatG). Bei einer Ablehnung des Antrages im patentamtlichen Verfahren ist die Beschwerde nach § 73 PatG gegeben. Eine Ablehnung im patentgerichtlichen Verfahren ist grundsätzlich unanfechtbar. 73 Bei einer gewährten Wiedereinsetzung gilt die versäumte Handlung als rechtzeitig vorgenommen und der Rechtsnachteil als nicht eingetreten. 74 Hat das Fristversäumnis den Wegfall eines Patents oder einer Patentanmeldung zur Folge, der durch die gewährte Wiedereinsetzung anschließend wieder rückgängig gemacht wird, kann derjenige ein Weiterbenutzungsrecht erlangen, der in der Zeit zwischen dem Erlöschen und dem Wiederinkrafttreten des Patents oder der Patentanmeldung den geschützten Gegenstand in Benutzung genommen oder in dieser Zeit die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat (§ 123 Abs. 5-7 PatG; siehe auch oben § 17 II . 2.). 3. Weiterbehandlung Von der Wiedereinsetzung zu unterscheiden ist die Weiterbehandlung nach § 123a PatG. Ist nach Versäumung einer vom DPMA bestimmten Frist eine Patentanmeldung zurückgewiesen worden, so wird der Beschluss wirkungslos, wenn der Anmelder die Weiterbehandlung der Anmeldung beantragt und die versäumte Handlung nachholt. Die Antragsfrist, innerhalb der auch die Handlung nachzuholen und eine Gebühr zu zahlen ist, beträgt 1 Monat ab Zustellung der Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung (§ 123a Abs. 1, 2 PatG). Die Weiterbehandlung weist gegenüber der Wiedereinsetzung also folgende wesentliche Unterschiede auf: 72 BP atG Bl. f. PMZ 1973, 166. 73 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 67a, wo auch auf eine mögliche Rechtsbeschwerde hingewiesen wird. 74 Benkard / Schäfers, PatG, § 123 Rdn. 69. 117 § 11 Allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts Ahrens ▶ die Frage, ob Verschulden vorliegt, ist nicht relevant; ▶ es muss eine vom DPMA bestimmte Frist versäumt worden sein (wie Bescheidserwiderungsfrist nach § 45 Abs. 1 S. 1 PatG), nicht jedoch eine vom BP atG oder durch PatG oder andere Vorschriften mit Gesetzes- oder Ordnungsrang bestimmte Frist (z. B. Prüfungsantragsfrist, § 44 Abs. 2 PatG); ▶ Anwendung im Anmelde-/ Prüfungsverfahren, also vor Patenterteilung; ▶ es ist eine Gebühr zu zahlen; ▶ die Antragsfrist beträgt 1 Monat. Gegen die Versäumung der Antragsfrist und die Frist zur Zahlung der Weiterbehandlungsgebühr ist die Wiedereinsetzung nicht gegeben (§ 123a Abs. 3 PatG). IV. Sonstiges 1. Rechtliches Gehör Die Gewährung rechtlichen Gehörs ist als Verfassungsgebot ein Eckpfeiler eines rechtsstaatlichen Gerichtsverfahrens (Art. 103 Abs. 1 GG ). Das gilt auch entsprechend für Verwaltungsverfahren (also auch vor dem DPMA ), was völkerrechtlich speziell durch Art. 62 Abs. 4, 41 Abs. 3 TRIPS für patentamtliche Verfahren gewährleistet ist. 75 2. Gebühren Gebühren, die z. B. mit der Einreichung einer Anmeldung, eines Antrags oder durch die Vornahme einer sonstigen Handlung fällig werden, sind, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, durch das Patentkostengesetz (PatKostG) 76 geregelt und werden insbesondere nach dem Gebührenverzeichnis der dortigen Anlage erhoben (§ 2 Abs. 1 ergänzend Abs. 2 PatKostG). Besonders hingewiesen sei auch auf § 6 PatKostG, in dem es sinngemäß heißt: Ist für die Stellung eines Antrags oder die Vornahme einer sonstigen Handlung durch Gesetz eine Frist bestimmt, so ist innerhalb dieser Frist auch die Gebühr zu zahlen. Alle übrigen Gebühren des Gebührenverzeichnisses sind innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit zu zahlen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Wird eine solche Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gezahlt, so gilt die Anmeldung oder der Antrag als zurückgenommen, oder die Handlung als nicht vorgenommen, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Für Patentanmeldungen, Patente und Schutzzertifikate sind Jahresgebühren nach § 17 bzw. § 16a Abs. 1 PatG zu zahlen. Diese werden fällig gem. § 3 Abs. 2 PatKostG und sind gem. § 7 Abs. 1 PatKostG innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit zu zahlen. Innerhalb einer Nachfrist besteht noch die Möglichkeit, die Jahresgebühren mit Zuschlag zu zahlen. 75 Benkard / Schäfers, PatG, vor § 34 Rdn. 18. 76 Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamts und des Bundespatentgerichts v. 13. 12. 2001, zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 7. 2016 durch das Gesetz zur Änderung des Designgesetzes und weiterer Vorschriften des gewerblichen Rechtsschutzes vom 4. 4. 2016. 118 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 3. Sprache Gemäß § 126 PatG ist die Sprache vor dem DPMA und dem BP atG deutsch, sofern nichts anderes bestimmt ist (Amtssprache bzw. Gerichtssprache). Zugelassene Ausnahmen finden sich beispielsweise in § 35a PatG, wonach Anmeldeunterlagen in anderen Sprachen zulässig sind, sofern der Anmelder fristgerecht eine deutsche Übersetzung nachreicht. Diese muss von einem Patentanwalt oder Rechtsanwalt beglaubigt oder von einem öffentlich bestellten Übersetzer angefertigt sein; s. § 14 PatV, 77 wo auch geregelt ist, inwiefern Übersetzungen von Schriftstücken einzureichen sind, die nicht zu den Anmeldeunterlagen zählen. Regional- und Minderheitensprachen, wie Niederdeutsch (Plattdeutsch), Sorbisch, Friesisch und Schweizerdeutsch, sind eigenständige Sprachen und keine deutsche Sprache. 78 Fachsprache kann jedoch deutsche Sprache sein und fremdsprachige Ausdrücke oder Begriffe stehen der deutschen Sprache nicht entgegen, 79 wenn ▶ deren Verwendung auf dem Fachgebiet allgemein anerkannt ist, ▶ sich eine einheitliche deutsche Entsprechung noch nicht herausgebildet hat, ▶ dem Deutsch sprechenden Fachmann ihre Bedeutung auch ohne Übersetzung ohne Weiteres klar ist und er sie auf dem einschlägigen Fachgebiet beherrscht. 4. Schriftlichkeit, Elektronische Dokumente und Elektronische Akte Das Verfahren vor dem DPMA ist grundsätzlich schriftlich, mit den Modifikationen des Schriftlichkeitsbegriffs, die sich aus der Einführung und Zulassung elektronischer Formen der Textübermittlung auch für das DPMA ergeben (siehe auch § 125a PatG, §§ 11, 12 DPMAV i. V. m. den Vorschriften der ERVDPMAV , 80 §§ 3, 11 PatV). 81 Für Anträge und Handlungen, die ein patentamtliches Verfahren einleiten, ist die Schriftform meist besonders vorgeschrieben, woraus gem. § 126 Abs. 1 BGB auch das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift folgt. Alternativ kann die schriftliche Form ersetzt werden durch eine notarielle Beurkundung oder durch eine elektronische Form, sofern sich nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt (s. § 126 Abs. 4 bzw. Abs. 3 BGB ). Zwar ermöglicht ein Telefax lediglich die elektronische Übertragung einer schriftlichen Originalvorlage mit anschließendem Ausdruck an einem Empfangsgerät. Trotzdem ermöglicht § 11 DPMAV , dass ein unterschriebenes Original auch per Telefax übermittelt werden kann, wobei das DPMA das Nachreichen des Originals verlangen kann (§ 11 Abs. 2 DPMAV ). § 125a Abs. 1 PatG 82 verweist darauf, dass in Verfahren vor dem DPMA bzgl. der Schriftform für Anmeldungen, Anträge oder sonstige Handlungen die Regelungen des § 130a Abs. 1, 2 S. 1 77 Die PatV ist vom DPMA gem. §§ 34 Abs. 6, 63 Abs. 4 PatG verordnet worden. 78 Schulte / Schell, Patentgesetz, 10. Auflage, § 126 Rdn. 7. 79 Schulte / Schell, Patentgesetz, 10. Auflage, § 126 Rdn. 8. 80 Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim DPMA v. 1. 11. 2013; BGB l. I, S. 3906; zuletzt geändert durch Ges. v. 18. 7. 2017, BGB l I, S. 2745. 81 Benkard / Schäfers, PatG, vor § 34 Rdn. 20. 82 Letzte Änderung zum 1. 1. 2018 aufgrund Ges. v. 10. 10. 2013; BGB l I, S. 3786. 119 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens Abs. 5 und 6 der ZPO entsprechend gelten. Damit ist sichergestellt, dass dortige Änderungen unmittelbar auch für das DPMA gelten. Im DPMA wurden zum 1. 6. 2011 sämtliche Verfahren im Patent- und Gebrauchsmusterbereich vollständig auf elektronische Aktenführung und -bearbeitung umgestellt. 83 Einige elektronische Dokumente, für die grundsätzlich gesetzlich die Schriftform vorgeschrieben ist, können nach Maßgabe von § 12 DPMAV i. V. m. den Vorschriften der ERVDPMAV elektronisch eingereicht werden, wobei teilweise eine signaturgebundene elektronische Kommunikation nötig ist (§ 1 ERVDPMAV ). Aufgrund der elektronischen Aktenführung ist es auch erforderlich, dass Dokumente zum SdT vom DPMA elektronisch gespeichert, vervielfältigt und auch öffentlich zugänglich gemacht werden. Darunter können auch solche Dokumente fallen, die durch das UrhG geschützt sind. Die Einbeziehung von urheberrechtlich geschützten Werken in die internen Recherchedatenbanken ist geregelt durch den zum 1. 3. 2018 in Kraft getretenen § 29a PatG und dabei ist auch vorgesehen, dass ggf. eine angemessene Vergütung zu zahlen ist. Ergänzend wird auf Abschnitt 6 dieses Buches verwiesen. 84 5. Patentregister Das DPMA führt ein Register für Patentanmeldungen und erteilte Patente (§ 30 Abs. 1 PatG), das u. a. den Anmelder bzw. Patentinhaber sowie dessen Vertreter oder Zustellungsvertreter angibt. Diese Angaben, die auf Nachweis geändert werden, sind maßgeblich für den Verkehr mit dem DPMA und den Gerichten, denn die jeweils eingetragenen Personen sind nach Maßgabe des PatG berechtigt und verpflichtet (§ 30 Abs. 3 PatG). Bezüglich eines Rechtsübergangs oder einer Bevollmächtigung haben diese Eintragungen jedoch nur deklaratorische Wirkung; d. h. eine entsprechende Eintragungsänderung ist zur Wirksamkeit eines Rechtsübergangs oder einer Bevollmächtigung nicht erforderlich. Für den Verkehr mit dem DPMA und den Gerichten ist jedoch die Umschreibung im Register zur Legitimation erforderlich. 85 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren 86 I. Patentanmeldung Damit eine Erfindung patentrechtlichen Schutz durch ein inländisches nationales Patent erlangen kann, ist zunächst eine entsprechende Patentanmeldung beim DPMA einzureichen. Das kann auch über bestimmte Patentinformationszentren 87 erfolgen (§ 34 Abs. 1, 2 PatG). Die Anmeldung muss enthalten (siehe auch § 34 Abs. 3 PatG sowie ergänzend die auf § 34 Abs. 6 PatG beruhende PatV): 83 DPMA -Mitteilung 10 / 11 v. 6. 9. 2011, Bl. f. PMZ 11, 313 oder unter www.dpma.de. 84 S. Abschnitt 6, § 72 III . 8. 85 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 23 Rdn. 181. 86 In diesem Paragraphen werden nur nationale inländische Patente behandelt. Auf Besonderheiten des europäischen Patentverfahrens nach dem EPÜ wird unten im 3. Kapitel eingegangen. 87 S. a. http: / / www.piznet.de (letzter Abruf: 6 / 2018). 120 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ Name des Anmelders; ▶ Antrag auf Erteilung eines Patents mit kurzer Bezeichnung der Erfindung; ▶ einen oder mehrere Patentansprüche, in denen angegeben ist, was unter Schutz gestellt werden soll; ▶ Beschreibung der Erfindung; ▶ Zeichnungen, auf die sich die Patentansprüche oder die Beschreibung beziehen. ▶ Beispielhafte Patentanmeldungen aus den Bereichen der Chemie, Mechanik und Computer können der Broschüre des EPA „Der Weg zum europäischen Patent“ 88 entnommen werden. Eine weitere Voraussetzung ist die Zahlung der Anmeldegebühr. Sie wird fällig mit Eingang der Anmeldung und ist innerhalb von drei Monaten zu zahlen. Unterbleibt eine vollständige Zahlung gilt die Anmeldung als zurückgenommen (§ 6 Abs. 2 PatKostG). Die Unterlagen können deutsch- oder fremdsprachig sein, wobei im zweiten Fall fristgerecht eine Übersetzung nachzureichen ist (§ 35a PatG). Anmelder kann jede natürliche oder juristische Person sein, aber auch eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung, die ähnlich einer juristischen Person als solche Rechte und Pflichten haben kann, wie OHG oder KG (§ 124 HGB ) sowie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§§ 705 ff. BGB ). 89 Der Anmeldung ist auch eine Zusammenfassung beizufügen, die jedoch fristgerecht nachgereicht werden kann. Sie dient ausschließlich zur technischen Unterrichtung (§ 36 PatG). Der Anmelder hat im Rahmen einer Erfinderbenennung, die ebenfalls fristgerecht nachgereicht werden kann, anzugeben, wie er das Recht auf das Patent erlangt hat (also ggf. Rechtsnachfolger des Erfinders wurde), jedoch wird dies amtsseitig im Erteilungsverfahren nicht geprüft (s. § 37 Abs. 1 PatG). Für den Erteilungsantrag sind die in § 4 PatV genannten formellen und inhaltlichen Vorgaben einzuhalten. In die Beschreibung sind keine Angaben aufzunehmen, die zum Erläutern der Erfindung offensichtlich nicht notwendig sind. Modelle und Proben sind nur auf Anforderung des DPMA einzureichen (§ 16 Abs. 1 PatV). Sie sind jedoch nicht Bestandteil der Anmeldung und kein Mittel zur Erfindungsoffenbarung. 90 Die Offenbarung der Erfindung muss in der Anmeldung (insbesondere in Beschreibung, Zeichnungen und Patentansprüchen) so deutlich und vollständig erfolgen, dass ein Fachmann die Erfindung ausführen kann (§ 34 Abs. 4 PatG). Die Offenbarung ist auch insofern wesentlich, als sie den Gegenstand der Anmeldung und damit den maximal möglichen Schutzumfang festlegt. Dieser kann im Laufe des Erteilungsverfahrens zwar eingeschränkt, aber nicht mehr erweitert werden. Die Offenbarung definiert weiterhin den sachlichen Umfang, der bei Inanspruchnahme von Prioritäten gilt (s. u. § 12 II . 2.). Angaben, die ausschließlich in der Zusammenfassung enthalten sind, dienen nicht der Offenbarung. Die Anmeldung darf nach § 34 Abs. 5 PatG nur eine einzige Erfindung enthalten oder eine Gruppe von Erfindungen, die eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen (Einheitlichkeit). Eine eventuelle Uneinheitlichkeit ist danach zu beurteilen, ob nach dem 88 „Der Weg zum europäischen Patent-- Leitfaden für Anmelder“, 17. Auflage, Juli 2017, S. 81 ff. 89 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 10. 90 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 59. 121 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens technologischen Zusammenhang und der Übersichtlichkeit des Erfindungskomplexes eine Behandlung in verschiedenen Patentverfahren geboten erscheint. 91 Die Patentansprüche haben eine ganz herausragende Bedeutung, denn ihr jeweiliger Inhalt bestimmt die zu schützende Erfindung und somit den Schutzbereich der Patentanmeldung bzw. des darauf erteilten Patents (§ 14 PatG bzw. Art. 69 EPÜ ). Wegen der rechtlichen Bedeutung der Ansprüche wird im Folgenden kurz dargestellt, wie diese prinzipiell aufgebaut sein können. Patentansprüche umfassen eine Reihe von Merkmalen, durch die die zu schützende Erfindung beschrieben werden soll, wie bei folgendem einfachen Beispiel für einen (allgemein bekannten) Tisch: 1. Vorrichtung mit einer Platte und mindestens einem Bein, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Bein senkrecht zur Platte angeordnet ist. Dieser beispielhafte Anspruch umfasst also verschiedene Merkmale, die anhand folgender Merkmalsanalyse leicht darstellbar sind: i. eine Platte ii. ein Bein oder mehrere Beine, welches / welche iii. senkrecht zu der Platte angeordnet ist / sind. Daraus wird erkennbar, dass in den Ansprüchen enthaltene Merkmale üblicherweise eine Erfindung einschränkend beschreiben (eine würfelförmige Platte ohne Beine ist nicht umfasst, ebenso wenig eine Beinanordnung, die einen Winkel von 45 Grad zur Platte einschließt). Wie üblich (aber nicht zwingend), ist der Beispielsanspruch zweiteilig formuliert, wobei die Merkmale vor der Formulierung „dadurch gekennzeichnet, dass“ 92 als Oberbegriff und die anschließenden Merkmale als kennzeichnender Teil bezeichnet werden. Der Oberbegriff soll die Merkmale des nächstkommenden SdT beschreiben, und der kennzeichnende Teil die dem gegenüber neuen Merkmale enthalten. Eine solche Unterteilung dient jedoch nur Zweckmäßigkeitserwägungen und es ist für die Erfassung des Gegenstands, also dessen was geschützt werden soll, nicht von Bedeutung, ob ein bestimmtes Merkmal im Oberbegriff oder im kennzeichnenden Teil erscheint. 93 Ein Patent kann einen oder mehrere Ansprüche enthalten. Der erste wird als Hauptanspruch bezeichnet. Die weiteren Ansprüche können von ihm abhängig („Unteranspruch“) oder unabhängig („Nebenanspruch“) sein. Ein abhängiger Anspruch bezieht sich direkt oder indirekt (d. h. durch Bezug auf andere abhängige Ansprüche) auf den Hauptanspruch oder einen Nebenanspruch. Ein abhängiger Anspruch enthält (wenigstens) ein weiteres einschränkendes Merkmal, durch das die Erfindung weiter präzisiert wird, wie in folgendem Beispiel: 91 Prüfungsrichtlinien des DPMA (1. 3. 2004), 3.3.3.4 mit Verweis auf BGH GRUR 1979, 619 „Tabelliermappe“. 92 Stattdessen auch „gekennzeichnet durch“ oder dergleichen. 93 St. Rspr.; s. bspw. BGH v. 5. 10. 2016, X ZR 21 / 15, „Zungenbett“; BGH v. 1. 3. 2017, X ZB 6 / 15. 122 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 2. Vorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass mindestens ein Bein an die Platte geleimt ist. Durch diesen Unteranspruch wird also eine Vorrichtung definiert- - und im Falle einer Patenterteilung geschützt, die alle folgenden Merkmale umfasst: i. eine Platte (aus Anspruch 1) ii. ein Bein oder mehrere Beine (aus Anspruch 1), welches / welche iii. senkrecht zu der Platte angeordnet ist / sind (aus Anspruch 1) und welches / welche iv. an die Platte geleimt ist / sind (aus Anspruch 2). Ein Tisch mit drei senkrecht zur Platte angeordneten Beinen, die an diese geschraubt oder geschweißt sind, ist zwar von Anspruch 1, jedoch nicht von Anspruch 2 umfasst. Ein Nebenanspruch bezieht sich nicht auf einen anderen Anspruch und die in ihm angegebene Erfindung wird somit nicht durch Merkmale aus anderen Ansprüchen beschränkt, wie in folgendem Beispiel: 3. Verfahren, bei dem eine Platte mit mindestens einem Bein verbunden wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Platte horizontal ausgerichtet wird, mindestens ein Bein der Platte vertikal zugeführt und anschließend mit dieser verbunden wird. Bei Nebenansprüchen ist in der Praxis zu beachten, dass das Erfordernis der Einheitlichkeit gemäß § 35 Abs. 5 PatG (Art. 82 EPÜ ) zu erfüllen ist. II. Anmeldetag und Priorität Der Eingang der Patentanmeldung beim DPMA oder bei einem zugelassenen Patentinformationszentrum bestimmt ihren Anmeldetag (s. a. Abb. 3), nach dem verschiedene Fristen berechnet werden, wie z. B. für die Patentdauer (§ 16 PatG), für Jahresgebührenzahlungen (§ 17 PatG) und für die Stellung des Prüfungsantrags (§ 44 Abs. 2 PatG). Sofern der Anmeldetag den Zeitrang der betreffenden Patentanmeldung oder weiterer Nachanmeldungen darstellt (s. a. § 9), werden nach ihm auch weitere Fristen berechnet, wie z. B. für die Akteneinsicht (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG). 1. Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetags Zur Anerkennung des Anmeldetages sind jedoch nicht alle Erfordernisse aus § 34 Abs. 3 PatG erforderlich (s. o. I.). Die Mindesterfordernisse zur Anerkennung eines Anmeldetages bestimmt § 35 Abs. 1 PatG: ▶ Name des Anmelders; ▶ Antrag auf Erteilung eines Patents mit kurzer Bezeichnung der Erfindung; ▶ Angaben, die dem Anschein nach als Beschreibung der Erfindung anzusehen sind. 123 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens Die fristgerechte Nachreichung deutschsprachiger Unterlagen bei fremdsprachigen Anmeldeunterlagen ist seit dem 1. 4. 2014 kein Mindesterfordernis mehr für die Anerkennung eines Anmeldetages. Die Mindesterfordernisse umfassen also nicht die Einreichung eines Patentanspruchs, die Zahlung der Anmeldegebühr und Erfüllung von Formerfordernissen. Das bedeutet: Sind die Mindesterfordernisse erfüllt, beeinflusst ein eventueller anschließender Wegfall der Patentanmeldung (was z. B. der Fall ist, wenn die fehlenden in § 34 Abs. 3 PatG genannten Bedingungen nicht nachträglich fristgerecht erfüllt werden (s. § 42 Abs. 1, 3 PatG) oder die gem. § 35a PatG erforderliche deutsche Übersetzung nicht fristgerecht nachgereicht wird) nicht den einmal zuerkannten Anmeldetag. Dieser kann wesentlich sein, selbst wenn die dazugehörige Patentanmeldung anschließend entfällt. Denn handelt es sich bei dieser Patentanmeldung um die erste Anmeldung der Erfindung, bestimmt ihr Anmeldetag die Priorität und damit den Zeitrang (bzgl. Neuheit i. S. v. § 3 Abs. 1 PatG) auch von Nachanmeldungen, sofern diese innerhalb von 12 Monaten nach dem ersten Anmeldetag eingereicht werden und für sie die Priorität dieser ersten Anmeldung beansprucht wird. 2. Priorität Der Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung und des darauf erteilten Patents kann der eigene Anmeldetag sein. Er kann sich jedoch auch ergeben aufgrund der wirksamen Inanspruchnahme einer Priorität. Dabei sind zu unterscheiden ▶ innere Priorität (§ 40 PatG) und ▶ Auslandspriorität (§ 41 PatG). Die innere Priorität zeichnet sich dadurch aus, dass sie einem Anmelder ermöglicht, für eine spätere deutsche Patentanmeldung die Priorität einer früheren deutschen Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung zu beanspruchen. Eine frühere Designbzw. Geschmacksmusteranmeldung hingegen kann kein Prioritätsrecht für eine spätere Patentanmeldung begründen. 94 Bei der Inanspruchnahme der inneren Priorität ist zu beachten, dass bei einer früheren anhängigen Patentanmeldung diese per Gesetz mit der wirksamen Prioritätsbeanspruchung als zurückgenommen gilt (Rücknahmefiktion gem. § 40 Abs. 5 PatG). Das gilt jedoch nicht, wenn diese Anmeldung nicht mehr anhängig ist, weil darauf bereits ein Patent erteilt ist. 95 Diese Rücknahmefiktion gilt gem. § 40 Abs. 5 S. 2 auch nicht für eine frühere Gebrauchsmusteranmeldung. Die Auslandspriorität bezieht sich auf eine frühere Anmeldung im Ausland. Eine solche Voranmeldung kann nach deutscher Praxis auch eine Designbzw. Geschmacksmusteranmeldung sein. 96 94 Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 40 Rdn. 9. 95 BP atG GRUR 1989, 663 „Innere Priorität-- Doppelpatentierung“. 96 Das EPA und die übrigen Verbandsländer folgen dieser Praxis nicht; lt. Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 41 Rdn. 15. 124 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Üblicherweise kommen dafür Anmeldungen in Verbandsländern der PVÜ , der WTO (s. o. § 4 III . 1. bzw. 5.) sowie auch europäische Patentanmeldungen in Frage. Durch § 41 Abs. 2 PatG sind jedoch auch Anmeldungen in solchen Staaten für die Inanspruchnahme einer Priorität zugelassen, mit denen kein entsprechender Staatsvertrag besteht, sofern mit diesen Staaten entsprechende bilaterale Vereinbarungen vereinbart sind. Solche Vereinbarungen gibt es zwar mit Ecuador, Kolumbien und Taiwan, 97 jedoch gehören diese Staaten inzwischen (zumindest) der WTO an. Durch die Vorschriften der Unionspriorität (Art. 4 PVÜ ) und die des EPÜ (Art. 87 ff. EPÜ ) wird andererseits auch ermöglicht, dass für ausländische Anmeldungen der Anmeldetag einer deutschen Patentanmeldung beansprucht werden kann. Die Priorität kann der Anmeldetag einer früheren Anmeldung sein, die die zu schützende Erfindung offenbart. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese in den Ansprüchen angegeben ist, sie kann auch in anderen Teilen der Anmeldung offenbart sein, insbesondere in der Beschreibung oder in den Zeichnungen. Nicht zur Offenbarung gehören jedoch Informationen, die lediglich in der Zusammenfassung enthalten sind (s. o.). Der früheren Anmeldung muss ein Anmeldetag zuerkannt worden sein und zwar nach nationalem Recht des Amtes, wo sie eingereicht wurde. So müssen z. B. für die Beanspruchung einer inneren Priorität die oben genannten Mindesterfordernisse für einen Anmeldetag erfüllt sein. Auf das anschließende Schicksal dieser älteren Anmeldung kommt es nicht an. Das heißt, sie kann zurückgewiesen worden sein oder als zurückgenommen gelten, z. B. wegen Nichtzahlung der Anmeldegebühr. Zur Inanspruchnahme einer Priorität ist eine Vielzahl von Formerfordernissen einzuhalten. Besonders hingewiesen sei hier lediglich auf die Frist zur Einreichung der Nachanmeldung. Sie beträgt 12 Monate und zwar gerechnet ab dem Anmeldetag der ersten Anmeldung, die die betreffende Erfindung offenbart. Die Inanspruchnahme einer Priorität bewirkt, dass der Zeitrang der zu prüfenden Patentanmeldung früher liegt als ihr eigener Anmeldetag. Damit werden Kenntnisse nicht mehr zum SdT gerechnet, die zwar vor dem Anmeldetag aber nach dem Prioritätstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Analoges gilt auch für ältere Patentanmeldungen (siehe oben § 9 I. 2.). III. Teilanmeldung, Ausscheidung und Zusatzpatent 1. Teilanmeldung Nach § 39 Abs. 1 PatG kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit teilen. Der abgetrennte Teil wird als Teilanmeldung bezeichnet, für die der Zeitpunkt (Anmeldetag) der ursprünglichen Anmeldung und eine dafür in Anspruch genommene Priorität erhalten bleibt. Der Anmelder kann auch mehrere Teilanmeldungen aus der Ursprungsanmeldung ableiten. Es ist außerdem möglich, eine Teilanmeldung als Grundlage für weitere Teilanmeldungen zu verwenden. Obwohl grundsätzlich eine jederzeitige Teilung der Anmeldung möglich ist, gibt es dennoch zeitliche Begrenzungen. So ist Voraussetzung, dass die zu teilende Anmeldung 97 Schulte / Moufang, Patentgesetz, 10. Auflage, § 41 Rdn. 25. 125 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens noch anhängig ist. Das ist nicht der Fall, wenn die Anmeldung bereits rechtskräftig als Patent erteilt oder aber zurückgewiesen oder zurückgenommen ist oder als zurückgenommen gilt. Eine Teilung ist somit auch möglich bis zum Ablauf einer Beschwerdefrist (bei DPMA -Beschluss) bzw. einer Rechtsbeschwerdefrist (bei BP atG-Beschluss), und zwar unabhängig davon, ob Rechtsmittel eingelegt wird oder nicht. 98 Durch Wegfall von § 60 PatG zum 1. Juli 2006 ist die Teilung eines erteilten Patents nicht mehr möglich. Nach Beendigung der Tatsacheninstanzen (vor DPMA und BP atG) ist eine Teilung nach den Vorschriften über die Rechtsbeschwerde ausgeschlossen. 99 Gründe zum Einreichen einer Teilanmeldung, die ja erhöhten Aufwand und zusätzliche Gebührenzahlungen verursacht, können vielfältig sein, wie: ▶ eine schnelle Erteilung von unstrittigen, jedoch eingeschränkten Patentansprüchen zur Durchsetzung der Rechte nach § 139 PatG, wobei im weiteren Verfahren der Ursprungsanmeldung strittige ggf. umfangreichere Patentansprüche ausgiebig geprüft werden können; ▶ einzelne Teile der Ursprungsanmeldung sollen im Rahmen einer vertraglichen Transaktion verwertet werden; ▶ der Anmelder möchte einem Einwand der Uneinheitlichkeit zuvorkommen. 2. Ausscheidung Stellt das DPMA im Rahmen seiner Prüfung fest, dass ein Patent nicht die Erfordernisse der Einheitlichkeit erfüllt, wird der Anmelder unter Hinweis auf die Möglichkeit der Zurückweisung aufgefordert, die Einheitlichkeit durch eine Ausscheidungserklärung oder durch Verzicht auf den uneinheitlichen Teil herzustellen. 100 Die Ausscheidung wird auch als „einvernehmliche Teilung“ bezeichnet. Einvernehmen bedeutet hier, dass der Anmelder auf die Zustimmung und Vorgaben des Prüfers angewiesen ist, der die Uneinheitlichkeit der beanspruchten Gegenstände festgestellt hat Die Ausscheidung wird nicht gem. § 39 Abs. 1 PatG erklärt, sondern sie wird beantragt und ggf. vom Prüfer genehmigt. 101 Ansonsten gibt es verfahrens- und materiellrechtlich viele Ähnlichkeiten zwischen beiden Verfahren. Einzelheiten dazu sowie auch die Diskussion um die rechtliche Einordnung von Ausscheidung und Teilung werden ausführlich in dem Lehrbuch von Kraßer / Ann behandelt. 102 98 BGH v. 28. 03. 2000, X ZB 36 / 98, „Graustufenbild; BP atG v. 1. 2. 2017, 20W(pat) 7 / 16. 99 Benkard / Schäfers, PatG, § 39 Rdn. 10. 100 Prüfungsrichtlinien des DPMA (1. 3. 2004), 3.3.3.4; s. www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 101 Benkard / Schäfers, PatG, § 34, Rdn. 112 sowie weitere Informationen dort unter Rdn. 111 ff. 102 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 25 Rdn. 183 ff. 126 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 3. Zusatzpatent Bis zum 31. 3. 2014 war es möglich, durch die fristgerechte Anmeldung eines Zusatzpatents (§ 16 aF Abs. 1 S. 2 PatG) eine Verbesserung oder Weiterbildung einer Hauptanmeldung auf günstige Weise schützen zu lassen. Aufgrund der Änderungen des PatG zum 1. 4. 2014 (s. a. Vorauflage, Fußn. 4) ist die Anmeldung von Zusatzpatenten ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Für anhängige Verfahren auf ein Zusatzpatent oder für bereits erteilte Zusatzpatente gelten die früheren Regelungen des PatG weiterhin (s. § 147 Abs. 3 PatG). IV. Erteilungsverfahren Der Kern des Patenterteilungsverfahrens ist die Prüfung nach §§ 44 ff. PatG, die sowohl Formerfordernisse als auch materielle Patentierungsvoraussetzungen umfasst. Sie wird jedoch erst nach Stellung eines Prüfungsantrages vorgenommen, der innerhalb einer Frist von 7 Jahren nach Einreichung der zu prüfenden Patentanmeldung zu stellen ist. Wird dieser Antrag nicht (nahezu) gleichzeitig mit dem Einreichen der Patentanmeldung gestellt, so erfolgt zunächst eine Offensichtlichkeitsprüfung. 1. Offensichtlichkeitsprüfung Die Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 PatG findet ohne gesonderten Antrag statt und soll einerseits bewirken, dass formal mangelhafte Anmeldungen in eine zur Offenlegung und als Grundlage einer Recherche geeignete äußere Form gebracht werden. Weiterhin sollen Anmeldungen, deren Gegenstand gem. § 42 Abs. 2 PatG offensichtlich außerhalb des Anwendungsbereichs des Patentschutzes liegen, möglichst früh zurückgewiesen werden. Stellt sich heraus, dass die Anmeldung den in § 42 PatG genannten Anforderungen offensichtlich nicht genügt, wird der Anmelder aufgefordert, die gerügten Mängel zu beseitigen. Falls das nicht geschieht oder die Anmeldung offensichtlich nicht patentfähig ist, wird die Anmeldung zurückgewiesen (§ 42 Abs. 3 PatG). Wenn sich keine Beanstandungen ergeben, ist eine positive Benachrichtigung an den Anmelder nicht vorgesehen. 103 2. Recherchebericht Wenn der Patentanmelder einen schriftlichen Antrag auf Ermittlung von SdT stellt (Rechercheantrag) und die zugehörige Gebühr zahlt, führt das DPMA eine entsprechende Recherche durch (§ 43 PatG). Das Ergebnis (Recherchebericht) enthält den ermittelten SdT sowie zugehörige klassifikatorische Hinweise auf dessen Relevanz. Aufgrund der Änderungen des PatG zum 1. 4. 2014 (s. a. Vorauflage, Fußn. 4) kann der Rechercheantrag nur von dem Patentanmelder gestellt werden (§ 43 Abs. 2 PatG). 103 Benkard / Schäfers, PatG, § 42 Rdn. 21. 127 § 12 Patentanmeldung und Erteilungsverfahren Ahrens 3. Offenlegung Unabhängig vom Verfahrensstand wird eine Patentanmeldung üblicherweise 18 Monate nach dem Anmelde- oder Prioritätstag veröffentlicht (§ 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG; s. a. Abb. 3). Dies geschieht durch Veröffentlichung des Offenlegungshinweises im Patentblatt (§ 32 Abs. 5 PatG) und Herausgabe der Anmeldungsunterlagen als Offenlegungsschrift (§ 32 Abs. 2 PatG). Die Offenlegung hat zur Folge, dass jedermann freie Einsicht in die Akten der Patentanmeldung nehmen kann. Damit wird der einsehbare Akteninhalt, also insbesondere auch die angemeldete Erfindung, zum SdT und zwar nicht nur bzgl. Neuheit (§ 3 Abs. 1 PatG) sondern auch bzgl. erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG). Außerdem kann der Anmelder von Dritten, die den Anmeldegegenstand unerlaubt 104 benutzen, eine angemessene Entschädigung verlangen (§ 33 Abs. 1 PatG). Der Anmelder kann sich gegenüber dem DPMA jedoch auch schon vorzeitig, d. h. vor Ablauf der 18 Monate, mit der Offenlegung und den sich daraus ergebenden Rechtsfolgen einverstanden erklären (§ 31 Abs. 2 Nr. 1 PatG). 4. Vollständige Prüfung Nachdem vom Patentanmelder oder irgendeinem Dritten fristgerecht ein Prüfungsantrag gestellt und die Prüfungsgebühr 105 gezahlt wurde (§ 44 Abs. 2 PatG), beginnt die vollständige Prüfung (s. a. Abb. 3), bei der das DPMA auch-- anders als bei der Offensichtlichkeitsprüfung nach § 42 PatG-- nicht offensichtliche Formerfordernisse sowie die materielle Patentfähigkeit der angemeldeten Erfindung nach den §§ 1 bis 5 PatG prüft. Üblicherweise liegt der Schwerpunkt eines solchen Verfahrens bei der Prüfung auf Neuheit und erfinderischer Tätigkeit. Wesentlich sind dafür normalerweise der vom Anmelder genannte und der vom DPMA ermittelte SdT. Jedoch können auch Dritte dem DPMA Hinweise zum SdT geben, der der Erteilung des Patents entgegenstehen könnte (§ 43 Abs. 3 S. 2 PatG). Kommt das DPMA zu dem Ergebnis, dass eine patentfähige Anmeldung nicht vorliegt, benachrichtigt es den Anmelder durch einen (oder mehrere) schriftlichen Prüfungsbescheid. Dieser enthält die entsprechenden Gründe und eine Aufforderung, sich innerhalb einer bestimmten (verlängerbaren) Frist zu äußern (§ 45 Abs. 2 PatG). Dabei kann der Anmelder z. B. durch Anpassung der Patentansprüche seine beanspruchte Erfindung gegenüber dem SdT abgrenzen. Es ist auch möglich, dass das DPMA Beteiligte zu einer mündlichen Anhörung lädt (§ 46 PatG), um so das Verfahren zu vereinfachen. Seit dem 1. 4. 2014 hat der Anmelder gem. § 46 Abs. 1 S. 2 PatG nach entsprechendem Antrag ein Recht auf eine solche Anhörung. Das DPMA weist die Anmeldung durch Beschluss zurück, wenn Formfehler nicht beseitigt werden oder wenn die Prüfung ergibt, dass die beanspruchte Erfindung nicht patentfähig ist (§ 48 PatG). Eine solche Zurückweisung führt zum rückwirkenden Wegfall des Anspruchs auf 104 Der Begriff „unerlaubt“ bedeutet hier, dass Ausnahmen insbesondere gem. §§ 11, 12 PatG nicht greifen. Es handelt sich jedoch nicht um eine widerrechtliche Benutzung, die einer Gestattung bedürfte. Diese Benutzung kann also nicht verboten werden-- BGH , GRUR 75, 430, 434 „Bäckerhefe“. 105 Deren Höhe hängt davon ab, ob zuvor ein Rechercheantrag gestellt wurde oder nicht und beträgt z. Zt. 150 bzw. 350 EUR . 128 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens angemessene Entschädigung (§ 58 Abs. 2 PatG). Gegen diesen Beschluss kann eine gebührenpflichtige 106 und fristgebundene Beschwerde gem. § 73 PatG beim DPMA eingelegt werden. Falls das DPMA die Beschwerde für begründet erachtet, hat es ihr abzuhelfen. Andernfalls ist sie dem BP atG vorzulegen, das das Verfahren gem. §§ 74 ff. PatG durchführt. Die Beschwerde hat aufschiebende Wirkung (§ 75 Abs. 1 PatG) und sichert daher zunächst den Fortbestand des vorläufigen Schutzes aus der offengelegten Anmeldung. 107 Gegen einen für den Anmelder negativen Beschluss des Beschwerdesenats des BP atG kann der Anmelder Rechtsbeschwerde an den BGH einlegen, wenn diese in dem Beschluss zugelassen wurde (§ 100 Abs. 1, 2 PatG) oder Verfahrensmängel nach § 100 Abs. 3 PatG vorliegen. 5. Patenterteilung Sind die in § 49 Abs. 1 PatG genannten Voraussetzungen erfüllt, beschließt die Prüfungsstelle die Erteilung des Patents (s. a. Abb. 3). Diese wird im Patentblatt veröffentlicht. Gleichzeitig wird die Patentschrift veröffentlicht und mit Veröffentlichung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§ 58 Abs. 1 PatG). Das Patent hat also bereits Wirkung während der 9-monatigen Einspruchsfrist (§ 59 Abs. 1 PatG) und behält diese während eines eventuellen Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahrens (s. §§ 59 ff. bzw. 81 ff. PatG). Erst nach Abschluss eines solchen Verfahrens wird entschieden, ob und in welchem Umfang das Patent von Anfang an widerrufen (oder aufrecht erhalten) wird (§§ 61 Abs. 1 i. V. m. 21 Abs. 3; bzw. 81 i. V. m. 22 Abs. 2 PatG; siehe auch unten § 13 bzw. § 14). § 13 Einspruch I. Erhebung des Einspruchs Ein Einspruchsverfahren (s. a. Abb. 3) wird durchgeführt, wenn innerhalb der Einspruchsfrist (also auch nicht davor) 108 schriftlich beim DPMA Einspruch erhoben und die fällige Gebühr 109 gezahlt wird. Die Einspruchsfrist beträgt seit der Änderung des PatG zum 1. 4. 2014 jetzt 9 Monate (zuvor 3 Monate), berechnet ab Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt gem. § 58 Abs. 1 S. 1 PatG. Bei Erhebung des Einspruchs ist auch der Einsprechende anzugeben und zu erklären, gegen welches Patent sich der Einspruch richtet. Im Falle widerrechtlicher Entnahme ist nur der Verletzte zum Einspruch berechtigt. In den anderen Fällen ist jedermann unabhängig von einem möglichen eigenen Rechtsschutzinteresse dazu berechtigt. Der Patentinhaber selbst oder ein Mitinhaber des Patents ist nicht einspruchsberechtigt. 110 106 PatKostG, GebVerz Nr. 401300 (z. Zt. 200 EUR ). 107 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 23 Rdn. 46. 108 BP atG 11W(pat) 307 / 06 v. 2. 3. 2006. 109 Seit 1. 1. 2002; PatKostG, GebVerz Nr. 313600 (z. Zt. 200 EUR ). 110 BGH X ZB 33 / 08 v. 24. 1. 2011 „Deformationsfelder“ (dort unter Nr. 16). 129 § 13 Einspruch Ahrens Sollte das Patent jedoch innerhalb der Einspruchsfrist oder während des anschließenden Verfahrens ex nunc erlöschen, z. B. durch Verzicht oder Nichtzahlung von Jahresgebühren, so ist zum Einspruch bzw. an der Fortsetzung des Verfahrens nur derjenige berechtigt, der ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis an einer rückwirkenden Beseitigung nachweisen kann, z. B. wegen Inanspruchnahme auf Schadensersatz aus dem Patent. 111 II. Einspruchsverfahren In dem Einspruchsverfahren sind der Patentinhaber und der (oder die) Einsprechende(n) Beteiligte, nicht jedoch ein Dritter, der (gem. §§ 59 Abs. 5 i. V. m. 43 Abs. 3 S. 2 PatG) dem DPMA Druckschriften angibt, die der Patentfähigkeit entgegenstehen könnten. Das Einspruchsverfahren wird vom DPMA - - genauer von einer der dortigen Patentabteilungen- - durchgeführt und es wird durch Beschluss entschieden (§ 61 Abs. 1 PatG), sofern nicht einer der Beteiligten beantragt, dass der Beschwerdesenat des BP atG darüber entscheiden soll und die sonstigen Bedingungen nach § 61 Abs. 2 PatG erfüllt sind. Das DPMA (bzw. BP atG) kann nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 59 Abs. 5, § 46 Abs. 1 S. 1 PatG) auch eigene Ermittlungen anstellen. Nach § 61 Abs. 1 S. 2 PatG ist auch vorgesehen, dass das Einspruchsverfahren von Amts wegen ohne den Einsprechenden fortgesetzt wird, wenn der Einspruch zurückgenommen wird. Das gilt jedoch nicht, wenn der Einspruch nur wegen widerrechtlicher Entnahme erhoben wurde; dann hat eine Zurücknahme die Beendigung des Einspruchsverfahrens zur Folge. 112 Ein erfolgreicher Einspruch setzt voraus, dass er ▶ als wirksam erhoben gilt, ▶ zulässig und ▶ sachlich begründet ist. Ein Einspruch gilt z. B. als nicht erhoben, wenn die Einspruchsgebühr nicht oder nicht in ausreichender Höhe entrichtet worden ist. Er ist z. B. dann unzulässig, wenn gegen Formvorschriften (wie Schriftlichkeit, Rechtzeitigkeit, Fehlen einer Begründung) verstoßen wurde oder eine Nichtangriffspflicht des Einsprechenden gegenüber dem Patentinhaber besteht. Der Einspruch ist (teilweise) begründet, wenn die vorgebrachten Tatsachen und Argumente die genannten Widerrufsgründe belegen. In dem Fall wird das Patent widerrufen oder nur beschränkt aufrechterhalten (§ 61 Abs. 1, § 21 PatG). Mit dem Widerruf gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung gilt diese Bestimmung entsprechend (§ 21 Abs. 3 PatG). Wird das Patent widerrufen, so wird dies im Patentblatt veröffentlicht. Das gilt auch bei beschränkter Aufrechterhaltung, wobei zusätzlich noch die Patentschrift zu ändern und diese Änderung zu veröffentlichen ist (§ 61 Abs. 3, 4 PatG). 111 BP atG 8W(pat) 18 / 15 v. 11. 5. 2017 m. w. Nachw. 112 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 174. 130 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Gegen den Beschluss der Patentabteilung (§ 61 Abs. 1 PatG) findet die kostenpflichtige Beschwerde nach §§ 73 ff. PatG statt, sowie möglicherweise auch die Rechtsbeschwerde nach §§ 100 ff. PatG (vgl. auch oben § 11 I. 3.). III. Beitritt Auch nach Ablauf der Einspruchsfrist kann ein Dritter als Einsprechender einem anhängigen Einspruch beitreten, sofern gegen ihn Klage wegen Verletzung des Patents erhoben worden ist oder er aufgrund einer Unterlassungsaufforderung des Patentinhabers eine entsprechende negative Feststellungsklage erhoben hat (§ 59 Abs. 2 PatG). Als Einsprechender kann auch derjenige beitreten, gegen den der Patentinhaber wegen Patentverletzung den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt hat. 113 Der gebührenpflichtige Beitritt ist schriftlich und fristgerecht innerhalb einer in § 59 Abs. 2 PatG genannten 3-Monatsfrist zu erklären sowie innerhalb dieser Frist so zu begründen, wie es auch für einen Einspruch erforderlich ist. Der Beitritt ist, abgesehen von der Frist, entsprechend dem Einspruch geregelt. Praktisch handelt es sich also um die Zulassung eines nachträglichen Einspruchs, der nur unter besonderen Voraussetzungen möglich ist. 114 IV. Begründung des Einspruchsverfahrens Der Einspruch ist auf einen der folgenden (in § 21 Abs. 1 PatG genannten) Widerspruchsgründe zu stützen: ▶ fehlende Patentfähigkeit des Patentgegenstands nach §§ 1 bis 5 PatG; ▶ undeutliche oder unvollständige Offenbarung der patentierten Erfindung, so dass ein Fachmann sie nicht ausführen kann; ▶ widerrechtliche Entnahme des wesentlichen Patentinhalts von einem Dritten; ▶ unzulässige Erweiterung des Patentgegenstands gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Patentanmeldung. Andere Gründe, wie z. B. Formfehler im Erteilungsverfahren, sind nicht relevant. Außerdem ist der Einspruch substantiiert zu begründen und es sind die Tatsachen, die ihn rechtfertigen, innerhalb der Einspruchsfrist im Einzelnen anzugeben (§ 59 Abs. 1 PatG). So ist es nicht ausreichend, allgemein zu behaupten, dass die Erfindung nicht neu oder erfinderisch sei. Das ist plausibel zu erläutern. Bei Druckschriften oder Ereignissen (wie Vorträge, offenkundige Vorbenutzung etc.), die als SdT genannt werden, ist darzulegen, ob und wann sie der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurden und wie der Zusammenhang zum Patentgegenstand ist. 115 Üblicherweise wird ein Patent (teilweise) widerrufen, weil dessen Gegenstand nach §§ 1 bis 5 PatG nicht patentfähig ist, also insbesondere die Kriterien Neuheit, erfinderische Tätigkeit 113 BGH v. 29. 08. 2017, X ZB 3 / 15, „Ratschenschlüssel". 114 Benkard / Schäfers, PatG, § 59 Rdn. 101. 115 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 146. 131 § 14 Nichtigkeit Ahrens oder gewerbliche Anwendung nicht erfüllt sind bzw. die Erfindung gegen §§ 1a, 2, 2a PatG verstößt. Zur Feststellung einer unzulässigen Erweiterung (§ 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG) ist der Gegenstand des Patents mit dem Inhalt der ursprünglichen Unterlagen zu vergleichen. Dabei ist Gegenstand des Patents die durch die Patentansprüche definierte Lehre. Beschreibung und Zeichnungen sind dabei lediglich zur Auslegung heranzuziehen. Die Patentansprüche dürfen nicht auf einen Gegenstand gerichtet sein, den die Anmeldeunterlagen in der ursprünglich eingereichten Fassung aus Sicht des Fachmanns (s. o. § 9 II ) nicht als zur Erfindung gehörend erkennen lassen. 116 Wenn nun in den erteilten Patentansprüchen ein Merkmal enthalten ist, das zu einem ursprünglich nicht offenbarten Patentgegenstand führt, kann dieses Merkmal im Einspruchsverfahren nicht ohne weiteres entfernt werden, wenn dadurch der Schutzbereich des Patents erweitert wird. Denn das führt zu einem Nichtigkeitsgrund nach § 22 PatG. Der Patentinhaber befindet sich also in der Zwickmühle, denn die unzulässige Erweiterung aus dem Patenterteilungsverfahren würde genauso zur Unwirksamkeit des Patents führen wie die anschließende Korrektur, die eine Schutzbereichserweiterung nach der Patenterteilung bewirkt. Dieses „Dilemma der einschränkenden Erweiterung“ hat der BGH dadurch gelöst, dass ein erteiltes Patent nicht deshalb für nichtig erklärt wird, weil der Patentanspruch ein Merkmal enthält, das ursprünglich nicht als zur Erfindung gehörend offenbart ist, sofern dieses Merkmal zu einer Beschränkung des Schutzgegenstands und nicht zu einem Aliud führt. Bei der Prüfung der Patentfähigkeit ist das nicht-ursprungsoffenbarte Merkmal insoweit außer Betracht zu lassen, als es nicht zur Stützung der Patentfähigkeit herangezogen werden darf. 117 § 14 Nichtigkeit Im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens können nach § 81 PatG bzw. Art. II § 6 IntPat ÜG folgende Schutzrechte überprüft werden: ▶ vom DPMA erteilte nationale Patente, ▶ ergänzende Schutzzertifikate (s. u. § 15 II . 2.) und ▶ vom EPA erteilte europäische Patente mit Wirkung für das Inland. I. Nichtigkeitsklage Ein Nichtigkeitsverfahren wird eingeleitet durch Klage, die beim BP atG schriftlich zu erheben und gegen den im Register (nach § 30 Abs. 1 PatG) eingetragenen Patentinhaber zu richten ist (§ 81 Abs. 1, 4 PatG). Mit Einreichen der Klage wird nach PatKostG eine vom Streitwert abhängige Klagegebühr fällig, deren Nichtzahlung zu einer Rücknahmefiktion führen kann. Die Klage wegen Nichtigerklärung eines Patents kann erst erhoben werden, wenn die Ein- 116 BGH v. 25. 7. 2017, X ZB 5 / 16, „Phosphatidylcholin“. 117 BGH v. 21. 10. 2010, Xa ZB 14 / 09, „Winkelmesseinrichtung“; BGH v. 17. 2. 2015, X ZR 161 / 12, „Wundbehandlungsvorrichtung“. 132 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens spruchsfrist abgelaufen oder alle eventuellen Einspruchsverfahren rechtskräftig erledigt sind 118 (§ 81 Abs. 2 PatG). Da der Beginn eines eventuellen Nichtigkeitsverfahrens nicht näher bestimmt ist, gibt es dazu in Abb. 3 keinen Hinweis. Gegen ergänzende Schutzzertifikate kann kein Einspruch erhoben werden. Daher gibt es für sie keine entsprechende Einschränkung zur Erhebung einer Nichtigkeitsklage. Es ist jedoch unter bestimmten Voraussetzungen möglich, auf Antrag ihre Laufzeit berichtigen oder eine Laufzeitverlängerung widerrufen zu lassen (§ 49a Abs. 4). Sofern die Voraussetzungen für einen solchen Antrag vorliegen oder ein solches Verfahren anhängig ist, kann eine Klage auf Erklärung der Nichtigkeit eines ergänzenden Schutzzertifikats nicht erhoben werden (§ 81 Abs. 2 S. 2). Die Klage gegen ein ergänzendes Schutzzertifikat kann mit der Klage gegen das zugrunde liegende Patent verbunden und auch darauf gestützt werden, dass ein Nichtigkeitsgrund gegen dieses Patent vorliegt (§ 81 Abs. 1, S. 3 PatG). Eine Nichtigkeitsklage ist grundsätzlich nicht fristgebunden. Nach Wegfall des Patents mit Wirkung ex-nunc ist jedoch beim Nichtigkeitskläger ein entsprechendes Rechtsschutzinteresse an einem Wegfall von Anfang an (also mit Wirkung ex tunc) nötig, ähnlich wie bei einem Einspruchsverfahren. Weitere Erfordernisse sind in § 81 Abs. 3 bis 6 PatG genannt. II. Nichtigkeitsverfahren Das BP atG stellt dem Beklagten die Klage zu und fordert ihn auf, sich darüber innerhalb eines Monats zu erklären. Tut er das nicht, so kann ohne mündliche Verhandlung sofort nach der Klage entschieden und dabei jede vom Kläger behauptete Tatsache für erwiesen angenommen werden (§ 82 PatG). Widerspricht der Beklagte rechtzeitig, so entscheidet das BP atG auf Grund mündlicher Verhandlung, sofern die Parteien nicht darauf verzichten (§ 82 Abs. 3 S. 2 PatG). In dem Nichtigkeitsverfahren weist das BP atG nach § 83 Abs. 1 die Parteien so früh wie möglich auf Gesichtspunkte hin, die für die Entscheidung voraussichtlich von besonderer Bedeutung sein werden oder der Konzentration der Verhandlung auf die für die Entscheidung wesentlichen Fragen dienlich sind. Ein solcher Hinweis wird jedoch dann nicht gegeben, wenn die zu erörternden Gesichtspunkte den Parteien offensichtlich erscheinen. Das BP atG kann nach § 83 Abs. 2 den Parteien eine Frist setzen, binnen welcher sie zu dem genannten Hinweis Stellung nehmen können. Das kann z. B. durch sachdienliche Anträge, Ergänzungen oder dergleichen erfolgen. Diese Frist kann nur bei Vorliegen von erheblichen Gründen verlängert werden. Wird die gesetzte-- und ggf. verlängerte-- Frist nicht eingehalten, kann das BP atG unter den in § 83 Abs. 4 genannten Voraussetzungen Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei oder eine Klageänderung oder eine Verteidigung des Beklagten mit einer geänderten Fassung des Patents zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Der seit dem 1. Oktober 2009 geltende § 83 enthält in seinem Abs. 4 also Regelungen, aufgrund derer ein Vorbringen der Parteien nach Ablauf der Stellungnahmefrist zurückgewiesen 118 Benkard / Schäfers, PatG, § 81 Rdn. 26. 133 § 14 Nichtigkeit Ahrens werden kann und dann für die Entscheidung des BP atG keine Berücksichtigung mehr findet. Diese Regelungen stehen zwar in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem grundsätzlich geltenden Amtsermittlungsgrundsatz nach § 87 Abs. 1 PatG, sie widersprechen diesem aber nicht. 119 Nach diesem Amtsermittlungsgrundsatz erforscht das BP atG den Sachverhalt von Amts wegen und ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. Das ermöglicht z. B. die Ermittlung von maßgeblichem SdT und die Einbringung solcher Druckschriften in das Nichtigkeitsverfahren. 120 Dennoch steht die Verfügung über das Verfahren den Parteien zu (Verfügungsgrundsatz). Der Verfügungsgrundsatz gilt auch hinsichtlich der Bestimmung des Umfangs der Prüfung durch die Anträge der Beteiligten. 121 Damit ist das BP atG bei der Überprüfung des Patents an die gestellten Anträge (§ 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 308 ZPO ) und die geltend gemachten gesetzlichen Nichtigkeitsgründe gebunden. Es kann das Patent nicht stärker einschränken, als es der Kläger begehrt, und seine Entscheidung nicht auf einen Nichtigkeitsgrund stützen, auf den er sich nicht beruft. Dabei gilt mangelnde Patentfähigkeit (nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG) als einheitlicher Nichtigkeitsgrund und umfasst neben der Prüfung auf Neuheit z. B. auch die auf Vorliegen einer technischen Erfindung. 122 Der Kläger kann die Nichtigkeitsklage jederzeit, auch nach Beginn der mündlichen Verhandlung ohne Zustimmung des Patentinhabers nach § 99 PatG i. V. m. § 269 ZPO zurücknehmen. 123 Die Klagerücknahme führt dazu, dass der Rechtsstreit als nicht anhängig geworden gilt. Eine Prüfung und Entscheidung in der Sache erfolgt nicht mehr. 124 Über die Klage (und über die Kosten) wird durch Urteil entschieden (§ 84 PatG). Dabei kann es zu einer Nichtigerklärung oder Beschränkung des Patents oder zu einer Abweisung der Klage kommen. Eine Beschränkung erfolgt regelmäßig durch entsprechende Änderung der Patentansprüche. Eine Anpassung der Beschreibung ist grundsätzlich nicht erforderlich. Die Urteilsgründe ergänzen oder ersetzen die Beschreibung, soweit diese nicht mehr zu der neuen Anspruchsfassung passt. 125 Eine rechtskräftige Nichtigerklärung oder Beschränkung bewirkt- - ähnlich wie beim Einspruchsverfahren-- dass die entsprechenden Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten gelten (§ 22 Abs. 2 i. V. m. § 21 Abs. 3 PatG). Die Entscheidung über das Patent gilt für und gegen alle. Soweit das Urteil die Klage abweist, hindert es zwar den Kläger, jedoch nicht einen Dritten, wegen desselben Nichtigkeitsgrundes erneut zu klagen. Wegen eines Nichtigkeitsgrundes, der nicht geltend gemacht war, kann auch der abgewiesene Kläger eine neue Nichtigkeitsklage erheben. 126 119 Begründung des „Entwurfes eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts“, BT -Drucks. 16 / 11 339, S. 22. 120 Benkard / Schäfers, PatG, § 87 Rdn. 3. 121 Benkard / Schäfers, PatG, § 87 Rdn. 28. 122 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 223. 123 BGH GRUR 1993, 895 „Hartschaumplatten“. 124 Benkard / Hall / Nobbe, PatG, § 84 Rdn. 26. 125 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 234. 126 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 26 Rdn. 242 ff. 134 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens III. Begründung der Nichtigkeitsklage Wirksame Nichtigkeitsgründe sind die oben genannten Widerrufsgründe nach § 21 Abs. 1 PatG sowie zusätzlich eine unzulässige Schutzbereichserweiterung (§ 22 PatG). Auf weitere Gründe, wie Verfahrensfehler bei der Patenterteilung oder bei der Behandlung von Einsprüchen, kann das Verfahren nicht gestützt werden. § 15 Wirkungen des Patents Erst mit Veröffentlichung der Patenterteilung im Patentblatt treten die gesetzlichen Wirkungen des Patents ein (§ 58 Abs. 1, S. 3 i. V. m. §§ 9 ff., 139 ff. PatG bzw. Art. 97 Abs. 3 EPÜ ). Dazu gehört insbesondere auch der Anspruch auf Schadenersatz, der nach deutschem Recht 127 zu unterscheiden ist von dem Entschädigungsanspruch für veröffentlichte Patentanmeldungen (§ 33 PatG; Art. 67 Abs. 2 EPÜ i. V. m. Art. II , § 1 Abs. 2 IntPat ÜG ). Diese gesetzlichen Wirkungen, also die Rechte aus dem Patent, können nach unterschiedlichen „Dimensionen“ unterschieden werden, nämlich: ▶ räumlich, ▶ zeitlich und ▶ inhaltlicher Schutzbereich (im Wesentlichen durch die Patentansprüche definiert). Diese Wirkungen können jedoch aufgrund verschiedener Gründe begrenzt sein (s. u. § 17). I. Räumliche Wirkung des Patents Eine Patentanmeldung bzw. ein darauf erteiltes Patent entfaltet nach dem Territorialitätsprinzip Wirkung für das Territorium des Staates, für den die Anmeldung eingereicht bzw. für den das Patent erteilt ist. Für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das insbesondere: i. Patentanmeldungen (und darauf erteilte Patente), die vor dem 3. Oktober 1990 beim Deutschen Patentamt (damaliger Name des heutigen DPMA ) eingereicht wurden, haben nur Wirkung für die alten Bundesländer entfaltet (also das Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ausgenommen). Erst durch das Erstreckungsgesetz 128 wurden mit Wirkung zum 1. Mai 1992 die bis dahin in einem der beiden Teilgebiete eingereichten „Altrechte“ auf das jeweilig andere Gebiet erstreckt, so dass auch diese seitdem das Gesamtgebiet der gesamten Bundesrepublik umfassen. ii. Europäische Patente können aufgrund Art. I, II des IntPat ÜG auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt werden (Art. 3 EPÜ ), sofern diese in der Anmeldung benannt ist. Ein solches Patent entfaltet nach Art. 2, 64 EPÜ grundsätzlich dieselbe Wirkung wie ein deutsches Patent, das vom DPMA erteilt wurde. 127 Art. 67 Abs. 1 EPÜ gewährt für eine europ. Patentanmeldung grds. den gleichen Schutz wie für ein erteiltes europ. Patent. Abs. 2 gestattet den Vertragsstaaten jedoch, den Schutz der Patentanmeldung zu beschränken, wovon viele EPÜ -Vertragsstaaten Gebrauch gemacht haben. 128 Gesetz über die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten v. 23. 4. 1992; BGB l. I, S. 938. 135 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens iii. Internationale Patentanmeldungen nach dem PCT haben aufgrund Art I, II des Int- Pat ÜG bei Benennung der Bundesrepublik Deutschland die Wirkung einer nationalen Anmeldung (Art. 11 Abs. 3 PCT ), wenn die internationale Anmeldung in deutscher Sprache veröffentlicht wird. Andernfalls ist die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Übersetzung durch das DPMA nötig (Art. III § 8 Abs. 1, 2 IntPat ÜG ) Die Folge des Territorialitätsprinzips ist, dass mit einem für das Inland geltenden Patent nur solche Benutzungen (i. S. v. §§ 9 ff. PatG)-- wie z. B. Herstellung, Vertrieb und Vermarktung eines Erzeugnisses-- verfolgt werden können, die auch im Inland stattfinden. Wenn z. B. ein in Polen hergestellter Tisch in die Bundesrepublik Deutschland importiert wird, so kann der Inhaber eines Patents- - das in Kraft ist und einen entsprechenden Schutzumfang aufweist-- dagegen vorgehen, da das Inverkehrbringen und das Importieren nach § 9 Nr. 1 PatG geschützt sind. Wenn ein solcher Tisch jedoch von Polen in ein anderes Land (Frankreich, Japan, USA ,-…) importiert wird, so hat der Inhaber eines deutschen Patents keine Möglichkeit dagegen vorzugehen, sofern er nicht in diesen Ländern entsprechenden Patentschutz hat. 129 II. Zeitliche Wirkung des Patents Die Patentdauer beträgt gem. § 16 PatG zwanzig Jahre, die mit dem Tag beginnen, der auf die Anmeldung der Erfindung folgt. Obwohl Art. 63 Abs. 1 EPÜ einen anderen Wortlaut 130 hat, weisen deutsche und europäische Patente die gleiche Schutzdauer auf. Die verwendeten Wortlaute „das Patent dauert“ bzw. „die Laufzeit des europäischen Patents beträgt“ sind irreführend. Denn in dem Zeitraum ist auch das Stadium der Patentanmeldung enthalten, also des noch nicht erteilten Patents. Zu beachten ist weiterhin, dass die Patentdauer vom Anmeldetag und nicht von einem eventuellen früheren Prioritätstag an läuft (s. a. Abb. 3). 1. Verkürzung und Entfall der Patentdauer Die Patentdauer kann aufgrund verschiedener Ereignisse ex nunc (von jetzt an, also nicht für die Vergangenheit) verkürzt werden oder gar ex tunc (von Anfang an) rückwirkend entfallen: Mit Wirkung „ex tunc“: ▶ bei nicht rechtzeitiger Stellung des Prüfungsantrages (nach § 44 Abs. 2 PatG) oder bei nicht rechtzeitig entrichteter Jahresgebühr (nach § 17 PatG) gilt die Patentanmeldung als zurückgenommen und die Wirkung für Anspruch auf Entschädigungszahlungen gilt als nicht eingetreten (§ 58 Abs. 2 PatG); ▶ durch Widerruf des erteilten Patents im Rahmen eines Einspruchsverfahrens; damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 21 Abs. 1, 3 i. V. m. § 61 PatG); 129 Ideal wäre in einem solchen Fall ein Patent mit Wirkung in Polen, das den Tisch als Erzeugnis oder dessen Herstellungsverfahren schützt. 130 Dort heißt es „… gerechnet vom Anmeldetag an“. 136 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ durch Nichtigerklärung des erteilten Patents im Rahmen einer Nichtigkeitsklage; auch damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 22 i. V. m. § 81 PatG); ▶ durch Beschränkung des erteilten Patents nach § 64 PatG; damit gelten die Wirkungen des Patents und der Anmeldung im Rahmen der Beschränkung als von Anfang an nicht eingetreten (§ 64 Abs. 1 PatG). Mit Wirkung „ex nunc“: ▶ durch Erlöschen des erteilten Patents nach § 20 PatG. Das Patent erlischt, wenn der Patentinhaber durch schriftliche Erklärung an das DPMA verzichtet oder Jahresgebühren nicht rechtzeitig oder vollständig entrichtet; ▶ durch Erteilung eines europäischen Patents mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland für denselben Erfinder (oder seinen Rechtsnachfolger), mit gleicher Priorität und soweit es dieselbe Erfindung wie ein deutsches Patent betrifft. Damit hat das deutsche Patent in dem Umfang, in dem es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt, von dem Zeitpunkt an keine Wirkung mehr, zu dem 1. die Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen das europäische Patent abgelaufen ist, ohne dass Einspruch eingelegt worden ist, 2. das Einspruchsverfahren unter Aufrechterhaltung des europäischen Patents rechtskräftig abgeschlossen ist oder 3. das deutsche Patent erteilt wird, wenn dieser Zeitpunkt nach dem in den Nummern 1 oder 2 genannten Zeitpunkt liegt. Diese wegfallende Wirkung des deutschen Patents ergibt sich aus dem Verbot des Doppelschutzes nach Art. II § 8 IntPat ÜG und bleibt auch dann bestehen, wenn das europäische Patent anschließend erlischt oder für nichtig erklärt wird. 2. Schutzdauerverlängerung durch ergänzendes Schutzzertifikat Durch § 16a Abs. 1 PatG (bzw. Art. 63 Abs. 2 b) EPÜ i. V. m. Art. II § 6a IntPat ÜG ) wird ermöglicht, dass die effektive Schutzdauer für ein Patent verlängert werden kann, indem ergänzender Schutz beantragt wird, der sich an den Ablauf des Patents nach § 16 PatG unmittelbar anschließt. Maßgeblich dafür sind nach dieser Bestimmung Verordnungen der Europäischen Gemeinschaften über die Schaffung von ergänzenden Schutzzertifikaten, auf die im Bundesgesetzblatt hinzuweisen ist. Aktuell betrifft das folgende Produktgruppen: ▶ Arzneimittel gem. EG - VO 469 / 2009 v. 6. 5. 2009 ▶ Kinderarzneimittel gem. EG - VO 1901 / 2006 v. 12. 12. 2006 ▶ Pflanzenschutzmittel gem. EG - VO 1610 / 96 v. 23. 7. 1996 Hintergrund dafür ist die Erkenntnis, dass bei den genannten Produktgruppen aufgrund von gesetzlich vorgeschriebenen behördlichen Genehmigungsverfahren der dem Erfinder (oder seinem Rechtsnachfolger) effektiv verbleibende Rechtsschutz drastisch verkürzt werden kann. 137 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens Die maximale Laufzeit eines ergänzenden Schutzzertifikats beträgt 5 Jahre, kann jedoch für Kinderarzneimittel gem. Art. 3 Abs. 3 EG - VO 469 / 2009 um weitere 6 Monate verlängert werden. Die Erteilung eines ergänzenden Schutzzertifikats für ein Erzeugnis erfolgt nur dann, wenn eine Reihe von Voraussetzungen erfüllt ist. Hervorzuheben ist auch die Notwendigkeit, dass das Erzeugnis zum Zeitpunkt der Anmeldung des Schutzzertifikats durch ein in Kraft befindliches Grundpatent geschützt sein muss. Das DPMA prüft einen Antrag auf ein ergänzendes Schutzzertifikat gem. § 49a PatG, was zu einer entsprechenden Erteilung oder zu einer Zurückweisung führen kann. III. Schutzbereich Nach § 14 PatG (Art. 69 EPÜ ) wird der Schutzbereich des Patents und der Patentanmeldung durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Die Beschreibung und die Zeichnungen sind jedoch zur Auslegung der Patentansprüche heranzuziehen. Für eine gerechte Auslegung des Patentschutzes ist abzuwägen zwischen einem angemessenen Schutz für den Patentinhaber und ausreichender Rechtssicherheit für Dritte. Maßgeblich für die Bestimmung des Schutzbereichs ist die jeweils in der zuletzt durch patentamtliche oder gerichtliche Entscheidung festgelegte Fassung der Patentansprüche sowie ergänzend die jeweils aktuelle Fassung der Beschreibung und der Zeichnungen. Das bedeutet insbesondere: ▶ eine veröffentlichte Patentanmeldung gewährt einstweiligen Schutz aufgrund der eingereichten und veröffentlichten Unterlagen- - insbesondere der Ansprüche, sofern offensichtliche Gründe dem nicht entgegen stehen (§ 33 Abs. 1, 2 i. V. m. § 14 PatG; Art. 67 Abs. 2, 69 Abs. 2 EPÜ ); ▶ das auf die Patentanmeldung erteilte Patent gewährt Schutz gemäß der erteilten Unterlagen (Ansprüche usw.). Dieser Schutz ist üblicherweise geringer als bei der veröffentlichten Anmeldung. Dieser geringere Schutz ist rückwirkend auch dem einstweiligen Schutz der Anmeldung zugrundezulegen. Sofern der Schutz im Rahmen der Patenterteilung erweitert wird, was vor Patenterteilung im Rahmen von § 38 PatG bzw. Art. 123 Abs. 2 EPÜ erlaubt ist, hat dieser erweiterte Schutz keinen Einfluss auf den einstweiligen Schutz der Patentanmeldung 131 (Art. 69 Abs. 2 EPÜ ) ▶ wenn das Patent in einem Einspruchsverfahren widerrufen wird oder im Rahmen einer Nichtigkeitsklage für nichtig erklärt wird, so gelten die Wirkungen der Anmeldung und die des Patents als von Anfang an nicht eingetreten. Bei beschränkter Aufrechterhaltung, also bei geringerem Schutz als bei Patenterteilung, gilt das entsprechend (§ 21 Abs. 3, § 22 Abs. 2 PatG bzw. Art. 69 Abs. 2 S. 2 EPÜ ). Eine Schutzerweiterung nach Patenterteilung, also auch während eines Einspruchsverfahrens, ist nach § 22 Abs. 1, 2. Alt. bzw. Art. 123 Abs. 3 EPÜ nicht gestattet. 131 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 44. 138 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Bei europäischen Patentanmeldungen und europäischen Patenten kommt außerdem noch hinzu, dass der Wortlaut in der Verfahrenssprache die verbindliche Fassung darstellt (Art. 70 Abs. 1 EPÜ ). Nicht zur Auslegung des Schutzbereiches herangezogen werden die Zusammenfassung (§ 36 Abs. 2 PatG bzw. Art. 78 Abs. 1 e), 85 EPÜ ), die ausschließlich der technischen Unterrichtung dient, und die Unterlagen aus der Erteilungsakte. 132 Das gilt grundsätzlich auch für Einspruchsverfahren. 133 Nur die Merkmale, die in den Patentansprüchen enthalten sind, können den Schutzbereich bestimmen. Sind nur in der Beschreibung oder nur in den Zeichnungen wesentliche Merkmale der Erfindung enthalten, so sind sie für die Beurteilung des Inhalts der Ansprüche ohne Bedeutung, sofern sie nicht im Wortlaut der Ansprüche einen Niederschlag gefunden haben. Dabei gilt der Grundsatz, dass bei Widersprüchen zwischen Patentanspruch und Beschreibung der Patentanspruch Vorrang genießt, weil dieser und nicht die Beschreibung den geschützten Gegenstand definiert und damit auch begrenzt. 134 Das schließt jedoch nicht aus, dass sich aus der Beschreibung und den Zeichnungen ein Verständnis des Patentanspruchs ergibt, das von demjenigen abweicht, das der bloße Wortlaut des Patentanspruchs vermittelt. Denn die Beschreibung des Patents, deren Funktion es ist, die geschützte Erfindung zu erläutern, kann Begriffe selbstständig definieren und insoweit ein patenteigenes Lexikon darstellen. 135 Für die Bestimmung des Schutzumfangs haben sich zwei Stufen herausgebildet: 136 i. zunächst wird der Wortsinn (gleichbedeutend mit Sinngehalt) der Patentansprüche ermittelt. Erfasst er die angegriffene Ausführungsform, liegt eine identische Benutzung des Schutzgegenstands vor; ii. andernfalls werden die Unterschiede zwischen der wortsinngemäßen Auslegung und der angegriffenen Ausführungsform unter dem Gesichtspunkt der Äquivalenz geprüft. Eine Anspruchsauslegung erfolgt dabei insofern, als festzustellen ist, ob der Anspruch vom Fachmann so verstanden werden kann, dass er die angegriffene Ausführungsform trotz gewisser Abweichungen noch einschließt. Bei der Auslegung der Ansprüche ist zu beachten, dass sich diese an den zuständigen Durchschnittsfachmann (s. o. § 9 II .) wenden. Daher sind sie aus dessen Sicht auszulegen. 137 132 BGH GRUR 2002, 511 „Kunststoffrohrteil“; BGH v. 15. 12. 2015, X ZR 30 / 14, „Glasfasern II “. 133 BGH GRUR 2002, 511, 513 „Kunststoffrohrteil“. 134 BGH v. 9. 5. 2017, X ZR 102 / 15, mit Verweis auf BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 135 BGH v. 9. 5. 2017, X ZR 102 / 15, m. w. Nachw. 136 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 71. 137 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 32 Rdn. 72. 139 § 15 Wirkungen des Patents Ahrens 1. Wortsinngemäßer Schutzbereich Der Wortsinn der Patentansprüche erschließt sich dem Fachmann nicht nur aus dem Wortlaut, sondern aufgrund des technischen Gesamtzusammenhangs, den der Inhalt der Patentschrift ihm unter Berücksichtigung von Aufgabe und Lösung vermittelt. 138 Dafür ist beim Fachmann das gewöhnliche Fachwissen seines Gebiets am Prioritätstag vorauszusetzen. Sonstiger SdT wird als Auslegungshilfsmittel nur berücksichtigt, sofern er in der Beschreibung angegeben ist. In den Ansprüchen verwendete Begriffe sind nach dem technischen Sinn auszulegen. Dieser kann von der gewöhnlichen Bedeutung abweichen, wenn die Beschreibung oder die Zeichnungen dazu Anlass geben. Laut BGH 139 können Patentschriften im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe gleichsam ihr eigenes Lexikon darstellen, so dass im Zweifel letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgeblich ist. Bei Widersprüchen zwischen den Patentansprüchen und der Beschreibung sind solche Bestandteile der Beschreibung, die in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden haben, grundsätzlich nicht in den Patentschutz einbezogen. Die Beschreibung darf nur insoweit berücksichtigt werden, als sie sich als Erläuterung des Gegenstands des Patentanspruchs lesen lässt. 140 Wenn die angegriffene Ausführungsform alle Merkmale des Patentanspruchs im oben genannten Sinne benutzt, handelt es sich um eine wortsinngemäße und damit identische Benutzung. 2. Äquivalenter Schutzbereich Liegt eine wortsinngemäße Benutzung nicht vor, ist anschließend zu prüfen, ob die angegriffene Ausführungsform unter den Äquivalenzbereich des Patents fällt. Dieser ist weiter als eine wortsinngemäße Auslegung und kann ermittelt werden mithilfe folgender Fragen, 141 die nacheinander zu beantworten sind: i. Löst die angegriffene Ausführungsform das der Erfindung zu Grunde liegende Problem mit zwar abgewandelten, aber objektiv gleichwirkenden Mitteln? (Technische Gleichwirkung) ii. Befähigen seine Fachkenntnisse den Fachmann, die abgewandelten Mittel als gleichwirkend aufzufinden? (Auffindbarkeit) iii. Sind die Überlegungen, die der Fachmann hierzu anstellen muss, derart am Sinngehalt der im Patentanspruch unter Schutz gestellten technischen Lehre orientiert, dass der Fachmann die abweichende Ausführung mit ihren abgewandelten Mitteln als eine Lösung in Betracht zieht, die der wortsinngemäßen Lösung des Patentanspruchs gleichwertig ist? (Gleichwertigkeit der Abwandlung). 138 BGH GRUR 1999, 909, 911 „Spannschraube“. 139 BGH GRUR 1999, 909, 911 „Spannschraube“ und Rdn. 134. 140 BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 141 Meier-Beck, GRUR 2003, 907; s. a. BGH v. 13. 1. 2015, X ZR 81 / 13, „Kochgefäß“ m. w. Nachw. 140 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Offenbart die Beschreibung eines Patents mehrere Möglichkeiten, wie eine bestimmte technische Wirkung erzielt werden kann, ist jedoch nur eine dieser Möglichkeiten in den Patentanspruch aufgenommen worden, begründet die Benutzung einer der übrigen Möglichkeiten regelmäßig keine Verletzung des Patents mit äquivalenten Mitteln. 142 3. Konsequenzen für die Schutzbereichsbestimmung Bei der Prüfung auf Benutzung geht es im Kern um einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Patentinhabers und der Rechtssicherheit für die Allgemeinheit. Für die Beantwortung der Frage, ob eine angegriffene Ausführungsform den geschützten Gegenstand eines Patents oder einer Patentanmeldung benutzt oder nicht, kommt es also im Wesentlichen auf die Merkmale in den Ansprüchen (zu interpretieren mit Hilfe von Beschreibung und Zeichnungen), die zu lösende Aufgabe und den zuständigen (fiktiven) Durchschnittsfachmann an. Ob im Ergebnis dann entschieden wird, ob eine wortsinngemäße, eine äquivalente oder gar keine Benutzung vorliegt, hängt nicht nur vom jeweiligen Einzelfall, sondern letztendlich auch von dem angerufenen Gericht ab. 143 Es kann jedoch wesentlich sein, ob eine wortsinngemäße oder eine äquivalente Benutzung vorliegt. Denn nur bei äquivalenter Benutzung greift der sog. „Formstein-Einwand“, 144 der sich ergeben hat aus der BGH -Entscheidung „Formstein“. 145 Danach kann ein Beklagter geltend machen, dass die als Patent verletzend beanstandete Ausführungsform aus dem veröffentlichten SdT (gem. § 3 Abs. 1 PatG) bekannt sei oder sich daraus in nahe liegender Weise ergebe. Dadurch soll gewährleistet sein, dass sich der Schutz des Patents nicht auf den (zum Prioritätszeitpunkt) freien Stand der Technik unter Einschluss derjenigen Weiterentwicklung erstreckt, die nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht und somit für den Gemeingebrauch offen stehen soll. § 16 Rechte aus dem Patent Die Rechte, die aus einem Patent geltend gemacht werden können, sind abhängig von den oben genannten Wirkungen des Patents. Dabei ist weiterhin besonders zu berücksichtigen, durch welche Art von Patentansprüchen die Erfindung geschützt ist. In § 9 PatG, der sich auf die Wirkungen des Patents bei unmittelbarer Benutzung bezieht, wird unterschieden zwischen ▶ Erzeugnissen und ▶ Verfahren, 142 BGH v. 10. 5. 2011, X ZR 16 / 09, „Okklusionsvorrichtung“. 143 Beispielhaft hierzu sind die Entscheidungen „Epilady“ und „Spannvorrichtung“, die je auf einem europ. Patent basieren, dessen Schutzumfang sich aus Art. 69 EPÜ ergibt. Dennoch wurde die Benutzung von verschiedenen Instanzen in verschiedenen Ländern bei jeweils gleicher angegriffener Benutzungsform unterschiedlich entschieden. 144 BGH v. 13. 10. 2015, X ZR 74 / 14, „Luftklappensystem“. 145 BGH GRUR 1986, 803 „Formstein“. 141 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens die Gegenstand von Patenten sein können. In der Praxis werden auch sog. Verwendungserfindungen geschützt, auf die unter III . separat eingegangen wird. Auf die Besonderheiten der mittelbaren Patentverletzung wird unten in IV . eingegangen. In diesem Paragraphen wird nicht explizit auf Regelungen des EPÜ verwiesen, da die Rechte aus dem europäischen Patent gem. Art. 64 Abs. 1 EPÜ die gleichen wie bei einem inländischen Patent und somit durch das PatG geregelt sind. I. Rechte aus Erzeugnisansprüchen Ansprüche, die ein Erzeugnis (auch Vorrichtung genannt) schützen, werden Erzeugnisansprüche oder Vorrichtungsansprüche genannt. Diese gewähren dem Patentinhaber Schutz gegenüber Dritten, das Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu diesen Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen (§ 9 Nr. 1 PatG). 1. Herstellung Die Herstellung umfasst die gesamte Tätigkeit, die auf die Schaffung des Gegenstandes abzielt, und zwar von deren Beginn an. Das bedeutet, sie ist nicht beschränkt auf den letzten, die Vollendung herbeiführenden Tätigkeitsakt. 146 Zu unterscheiden ist auch zwischen (zulässiger) Ausbesserung und Reparatur sowie (unzulässiger) Neuherstellung. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnis-Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Diese Erzeugnis-Exemplare dürfen insbesondere bestimmungsgemäß gebraucht und an Dritte veräußert werden. Zum bestimmungsgemäßen Gebrauch gehören die Erhaltung und Wiederherstellung der Gebrauchstauglichkeit, wenn die Funktions- oder Leistungsfähigkeit des konkreten Exemplars ganz oder teilweise durch Verschleiß, Beschädigung oder aus anderen Gründen beeinträchtigt ist. Vom bestimmungsgemäßen Gebrauch jedoch nicht umfasst sind alle Maßnahmen, die darauf hinauslaufen, ein patentgemäßes Erzeugnis erneut herzustellen. Für die Abgrenzung zwischen bestimmungsgemäßen Gebrauch und Neuherstellung ist die Gesamtkombination maßgeblich. Nach diesem Grundsatz hat der BGH -- in Abkehr von älterer Rechtsprechung-- entschieden, dass die Herstellung einzelner Teile auch dann nicht als unmittelbare Patentverletzung angesehen werden kann, wenn diese Teile erfindungsfunktionell individualisiert sind. 147 146 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 54. 147 BGH v. 17. 7. 2012, X ZR 97 / 11, „Palettenbehälter II “; BGH v. 4. 5. 2004, X ZR 48 / 03, „Flügelradzähler“; BGH v. 24. 10. 2017, X ZR 55 / 16, „Trommeleinheit“. 142 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 2. Anbieten Zum Anbieten (früher auch „Feilhalten“ genannt) eines patentierten Erzeugnisses gehört jede Handlung, die einem Dritten die Überlassungsbereitschaft signalisiert, wie beispielsweise die Ausstellung des Erzeugnisses, die Versendung von Werbeprospekten, die Werbung in Zeitungen usw. Dabei ist es gleichgültig, ob die Überlassung im Wege der Eigentumsübertragung oder miet-, leih- oder pachtweise erfolgen soll. Ob das beworbene Erzeugnis bereits hergestellt wurde oder im Inland vorrätig ist, ist nicht entscheidend. Für die Benutzungshandlung des Anbietens ist das tatsächliche Erwecken der schädlichen Nachfrage nach dem Verletzungsgegenstand ausreichend, und zwar auch dann, wenn die in Aussicht gestellte Befriedigung der Nachfrage nicht vom Anbietenden selbst sondern von fremder dritter Seite erfüllt werden soll. 148 Auch ein Angebot, das während der Patentdauer erfolgt, sich jedoch allein auf den Abschluss von Geschäften nach Ablauf der Schutzdauer bezieht, stellt eine Patentverletzung dar. 149 Internetangebote sind nicht schon deshalb schutzrechtsverletzend, weil sie vom Inland abgerufen werden können. Erforderlich ist vielmehr ein wirtschaftlich relevanter Bezug zum Inland, der sich bspw. daraus ergeben kann, dass das Internetangebot auch in deutscher Sprache abgefasst ist oder dass im Inland bekanntermaßen potenzielle Abnehmer ansässig sind, so dass offensichtlich ist, dass auch diese Kreise angesprochen werden sollen. 150 3. Inverkehrbringen Unter Inverkehrbringen wird jede Tätigkeit verstanden, durch die der patentierte Gegenstand mit Willen des Entäußernden in die tatsächliche Verfügungsmacht eines Dritten gelangt, so dass dieser den Gegenstand benutzen kann. 151 Dazu gehört neben dem Vertrieb auch das Vermieten oder Verleihen einer geschützten Vorrichtung. Eine Eigentumsübertragung ist nicht erforderlich. 152 4. Gebrauch Ein patentiertes Erzeugnis wird i. S. v. § 9 PatG gebraucht, wenn es bestimmungsgemäß verwendet wird, wie z. B. der Betrieb einer Vorrichtung, die Verwendung einer Sache oder die Verarbeitung eines chemischen Stoffes. Ist das patentierte Erzeugnis Teil einer größeren Einheit, so wird dieser Teil nicht gebraucht, wenn er die technische Funktion der Gesamtsache nicht entscheidend mitbestimmt, wie z. B. der patentierte Nagel in einem Schrank. 153 148 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 64. 149 BGH GRUR 2007, 221 „Simvastatin“. 150 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 75 m. w. Nachw. 151 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 77. 152 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 101. 153 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 80. 143 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens 5. Einführen und Besitz Das Einführen patentierter Erzeugnisse aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland stellt dann eine dem Patentinhaber vorbehaltene Benutzung dar, wenn die Einfuhr zu dem Zweck erfolgt, das Erzeugnis herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen. Auch ein Besitz zu einem dieser Zwecke kann verboten werden. Der Begriff des Besitzes umfasst die tatsächliche Verfügungsgewalt im wirtschaftlichen Sinne und ist nicht auf den zivilrechtlichen Besitz beschränkt. 154 II. Rechte aus Verfahrensansprüchen Durch einen Verfahrensanspruch wird ein bestimmtes technisches Handeln, das in mehreren Verfahrensmaßnahmen bestehen kann, unter Schutz gestellt. Dabei wird im Wesentlichen unterschieden zwischen ▶ Herstellungsverfahren und ▶ Arbeitsverfahren. Bei einem Herstellungsverfahren besteht die Lehre zum technischen Handeln in der Beschreibung der beiden eigentlichen Verfahrensmaßnahmen, nämlich der Wahl der Ausgangsmaterialien und der Art der Einwirkung auf diese. Dabei wird also auf ein Ausgangssubstrat (z. B. Werkstück, Werkstoff) durch mechanische, physikalische, chemische oder biologische Vorgänge eingewirkt, so dass als Arbeitsergebnis ein Erzeugnis entsteht. Das Herstellungsverfahren kann sich beispielsweise auf äußere Formgebung (wie Fräsen, Lochen, Stanzen) oder innere stoffliche Beschaffenheit des verwendeten Materials beziehen. Die herrschende Meinung versteht unter einem „Erzeugnis“ nur körperliche Gegenstände. Ungeklärt ist, ob auch sonstige Erzeugnisse, wie z. B. elektrische Energie, dazu gehören. 155 Ein Herstellungsverfahren kann auch dann patentfähig sein, wenn das hergestellte Erzeugnis im Prioritätszeitpunkt des Verfahrenspatents an sich bekannt ist (also zuvor auf anderem Wege hergestellt wurde). Arbeitsverfahren hingegen sind nicht auf das Hervorbringen eines Erzeugnisses gerichtet und haben auch nicht die Veränderung eines bereits bestehenden Objekts zum Ziel. Stattdessen wirken sie auf Objekte ein ohne dass diese als solche nach Abschluss des Verfahrens Veränderungen aufweisen. 156 Beispiele dafür sind Verfahren zum Fördern, Ordnen, Reinigen, Messen, Steuern elektronischer Geräte und dergleichen. 154 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 9 Rdn. 82. 155 Mes, GRUR 2009, 305. 156 Benkard / Bacher, PatG, § 1 Rdn. 35. 144 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens 1. Anwendung Ein Verfahrenspatent, also ein Patent, das mindestens einen Verfahrensanspruch-- der ein Herstellungs- oder ein Arbeitsverfahren schützen kann-- enthält, hat nach § 9 S. 2 Nr. 2 PatG die Wirkung, dass es einem Dritten ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, das geschützte Verfahren anzuwenden. Dabei ist Anwendung des Verfahrens sein bestimmungsgemäßer Gebrauch. 157 2. Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung Unter bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn ein Dritter weiß oder es offensichtlich ist, dass die Anwendung des Verfahrens ohne Zustimmung des Patentinhabers verboten ist, ist es ihm auch verboten, das geschützte Verfahren anzubieten. Dieses Anbieten eines Verfahrens zur Anwendung, welches zur Geltendmachung von § 9 S. 2 Nr. 2, 2. Alt. PatG im Inland erfolgen muss, hat in der Praxis aufgrund der besonderen Voraussetzungen keine große Bedeutung. Denn der Dritte müsste einerseits die Details des Verfahrens und andererseits die Existenz sowie den Schutzumfang des Patents kennen. 3. Durch Verfahren unmittelbar hergestelltes Erzeugnis Durch § 9 S. 2 Nr. 3 PatG (Art. 64 Abs. 2 EPÜ ) wird der Schutz eines Herstellungsverfahrens ergänzt und umfasst auch Erzeugnisse, die unmittelbar durch das Verfahren hergestellt wurden. Derartige Erzeugnisse sind so geschützt, als ob sie durch ein Erzeugnispatent unter Schutz gestellt wären (s. oben I.). Der Inhaber eines inländischen Verfahrenspatents wird zusätzlich auch vor der Einfuhr und dem Inlandsvertrieb von Erzeugnissen geschützt, die im Ausland hergestellt wurden. Die Erstreckung des Schutzes auf das unmittelbar hergestellte Erzeugnis ändert jedoch nichts daran, dass die geschützte Lehre in dem Verfahren besteht. Wird das geschützte Verfahren nicht benutzt, so wird selbst ein identisches Erzeugnis vom Schutz gem. § 9 S. 2 Nr. 3 PatG nicht erfasst, denn dieser bezieht sich nur auf das unter Anwendung des geschützten Verfahrens hergestellte Erzeugnis. 158 Fraglich-- und im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden-- ist, wann ein Erzeugnis als unmittelbar hergestellt gilt. Dafür muss ein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Erzeugnis und dem Verfahren bestehen, wie bei folgendem Beispiel: 159 ▶ Eine Kunststofffaser wird unmittelbar durch ein geschütztes Verfahren hergestellt. Damit ist diese so hergestellte Faser durch das Verfahrenspatent geschützt. Stoffe, die aus dieser Faser gewebt oder Strümpfe, die daraus hergestellt werden, sind ebenfalls vom Schutz umfasst. 157 BGH GRUR 1990, 997, 999 „Ethofumesat“. 158 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 53. 159 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 186. 145 § 16 Rechte aus dem Patent Ahrens Ein Erzeugnis wird hingegen bei folgendem Beispiel nicht mehr als nach einem Verfahren unmittelbar hergestellt anzusehen sein: 160 ▶ Ein (durch ein geschütztes Verfahren hergestellter) Nagel wird zum Bau eines Schrankes verwendet. Der Nagel ist zwar physikalisch noch vorhanden, hat jedoch jede Selbständigkeit verloren. Daher fällt der Schrank nicht unter den Schutz des Verfahrenspatents. III. Rechte aus Verwendungsansprüchen Neben den in § 9 PatG genannten Erzeugnis- und Verfahrenspatenten gibt es in der Praxis auch zweckgebundenen Erzeugnisschutz in Form von Verwendungspatenten (bzw. Anwendungspatenten). Das sind solche Patente, die mindestens einen Anspruch enthalten, durch den die Verwendung (oder Anwendung) eines Erzeugnisses für einen bestimmten Zweck geschützt ist. Ein solcher Anspruch könnte beispielsweise folgenden Wortlaut haben: Verwendung eines chemischen Stoffes XY als Schädlingsbekämpfungsmittel. Für die Schutzfähigkeit eines solchen Anspruchs ist es nicht notwendig, dass das Erzeugnis selbst schutzfähig (also neu oder erfinderisch) ist. Stattdessen muss die Verwendung neu und erfinderisch sein. Bei der Prüfung, inwiefern eine Benutzungsform für die geschützte Verwendung bestimmt ist, kommt es darauf an, inwiefern das Erzeugnis objektiv auf die geschützte Verwendung ausgerichtet, d. h. sinnfällig (oder augenfällig) hergerichtet ist. Dabei kann eine spezifische Form des Erzeugnisses (z. B. Applikation als Tablette, Salbe etc.) herangezogen werden. Jedoch kann es auch genügen, dass die Bestimmung zur patentgemäßen Verwendung in den Angaben auf der Verpackung oder einer beigefügten Gebrauchsanweisung zum Ausdruck kommt. 161 Eine Verwendungserfindung ist ihrem Inhalt nach zwar eine Verfahrenserfindung, der durch einen Verwendungsanspruch gewährte Schutz läuft jedoch auf einen zweckgebundenen Sachschutz hinaus. 162 Der Patentinhaber ist damit wirksam dagegen geschützt, dass ein Dritter eine Sache im Inland gewerblich zu der geschützten Verwendung augenfällig herrichtet, einen derartigen Gegenstand anbietet, in Verkehr bringt, gebraucht oder zu den genannten Zwecken einführt oder besitzt-- ganz gleich, wo die sinnfällige Herrichtung stattgefunden hat. 163 Der Patentinhaber ist ferner dagegen geschützt, dass ein Dritter eine im Ausland augenfällig für die geschützte Verwendung hergerichtete Substanz im Inland anbietet oder in Verkehr bringt. Er kann sich schließlich auch gegen den Export derart hergerichteter Substanzen wirksam zur Wehr setzen. 164 Besondere Arten des zweckgebundenen Erzeugnisschutzes ergeben sich aus § 3 Abs. 3 PatG bzw. Art. 54 Abs. 4 EPÜ (erste medizinische Indikation) und aus § 3 Abs. 4 PatG bzw. Art. 54 160 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 188; s. a. Beier / Ohly, GRUR Int. 1996, 973. 161 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 209 ff. 162 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 209. 163 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 50. 164 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 50. 146 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Abs. 5 EPÜ (zweite und weitere medizinische Indikation). Die erst genannten Regelungen erweitern den Erzeugnisschutz für medizinisch einsetzbare Stoffe, wie insbesondere Arzneimittel und Diagnostika, indem sie die Erteilung eines gebietsgebundenen Stoffpatents für an sich bekannte Stoffe erstmalig für das Gebiet der Medizin eröffnen. Die zweitgenannten Regelungen erlauben die Gewährung eines zweckgebundenen Erzeugnispatents auch dann, wenn der Stoff als Arzneimittel, als Diagnostika oder dergleichen, bereits bekannt war, die Erfindung aber eine neue und erfinderische spezifische Verwendung lehrt. 165 IV. Mittelbare Patentbenutzung Durch § 10 PatG besteht die Möglichkeit, gegen mittelbare Patentbenutzung vorzugehen, wodurch Patentinhabern erleichtert wird, ihre Rechte durchzusetzen. Diese Regelung erfasst das Anbieten und das Liefern von Mitteln zur Erfindungsbenutzung, d. h. von Gegenständen, die ohne selbst schon die patentierte Erfindung zu verwirklichen, beim Handeln nach ihrer Lehre unmittelbar zur Wirkung kommen. Dadurch wird bezweckt, dass der Eingriff in den Patentschutz durch mögliche (spätere) unberechtigte unmittelbare Benutzung bereits im Vorfeld verhindert werden kann. Das Anbieten / Liefern von Mitteln zur Erfindungsbenutzung bildet jedoch keinen zusätzlichen Verletzungstatbestand. Sein Verbot beruht darauf, dass dem Anbietenden / Liefernden Benutzungshandlungen eines anderen zugerechnet werden. Dabei genügt es, dass solche Handlungen nach Sachlage zu erwarten sind, z. B. wenn der Lieferant weiß oder den Umständen nach offensichtlich ist, dass der Abnehmer die gelieferten Mittel in patentverletzender Weise verwenden wird. 166 Grundsätzlich müssen jedoch die zu erwartenden Handlungen patentverletzend sein. 167 Voraussetzung zur Anwendung dieser Regelung ist die Gefahr der unmittelbaren Benutzung einer patentierten Erfindung mit allen ihren Merkmalen, und zwar im Geltungsbereich des PatG (also im Inland). Unter Benutzung ist eine der in § 9 S. 2 Nr. 1-3 PatG genannten Handlungen zu verstehen, also beispielsweise die Herstellung des geschützten Erzeugnisses oder die Anwendung des geschützten Verfahrens, das den Patentanspruch wortsinngemäß oder unter Verwendung von äquivalenten Mitteln verwirklicht. 168 Nach § 10 Abs. 1 PatG umfasst der Tatbestand objektive und subjektive Voraussetzungen. Die Tathandlung eines Dritten („Anbieter / Lieferant“) besteht im Anbieten oder Liefern eines bestimmten Mittels ohne Zustimmung des Patentinhabers, welches nicht allgemein im Handel erhältlich sein darf (§ 10 Abs. 2 PatG). Die Tathandlung muss im Inland gegenüber einem Anderen („Angebotsempfänger / Belieferter“) erfolgen, der nicht zur Benutzung der patentierten Erfindung berechtigt ist. Das Mittel muss sich auf ein wesentliches Element der Erfindung beziehen und (objektiv) geeignet sowie (subjektiv, d. h. von dem Angebotsempfänger / Belieferten) dazu bestimmt sein, für die Benutzung der Erfindung benutzt zu werden. Als weitere subjektive Voraussetzung muss der Anbieter / Lieferant wissen, oder es muss 165 Schulte / Moufang, PatG, 10. Auflage, § 3 Rdn. 139 ff. 166 BGH GRUR 2006, 839 „Deckenheizung“. 167 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 384. 168 Benkard / Scharen, PatG, § 10 Rdn. 3. 147 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens offensichtlich sein, dass das angebotene oder gelieferte Mittel geeignet und bestimmt ist, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Der Tatbestand der mittelbaren Patentverletzung ist damit unabhängig davon, ob der Angebotsempfänger / Belieferte oder ein späterer Abnehmer (Hintermann) das Mittel tatsächlich bei einer ihm gem. § 9 PatG verbotenen Handlung gebraucht oder dies versucht. 169 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Die oben beschriebenen Wirkungen aus einem Patent und somit die Rechte des Anmelders bzw. Patentinhabers können begrenzt sein und zwar durch: ▶ die in § 11 PatG genannten Handlungen im privaten Bereich, zu Versuchszwecken usw.; ▶ das in § 12 PatG genannte Vorbenutzungsrecht; ▶ Weiterbenutzungsrechte nach gewährter Wiedereinsetzung (§ 123 Abs. 5 PatG); ▶ Rechte aufgrund der vom Patentinhaber abgegebenen Lizenzbereitschaftserklärung nach § 23 PatG; ▶ Erschöpfung, sofern der patentierte Gegenstand mit Zustimmung des Patentinhabers in Verkehr gebracht wurde (Grundsatz aus Rechtsprechung); ▶ Zwangslizenzen (§ 24 PatG); ▶ Benutzungsanordnung (§ 13 PatG). I. Ausnahmen der Patentwirkung nach § 11 PatG Der Patentschutz soll nicht auf den Privatbereich erstreckt werden. Daher sind Handlungen, die im privaten Bereich und zu nicht gewerblichen Zwecken vorgenommen werden, von der Wirkung des Patents gem. § 11 Nr. 1 PatG ausgenommen. Zur Anwendung dieser Vorschrift müssen beide Bedingungen kumulativ vorliegen. Mit privatem Bereich ist die reine Privatsphäre, wie Familie, Haushalt, Sport, Spiel, Unterhaltung gemeint. 170 Eine Handlung zu nichtgewerblichen Zwecken i. S. v. § 11 PatG ist unabhängig vom Begriff der gewerblichen Anwendbarkeit (gem. § 5 PatG). So gehört freiberufliche Tätigkeit zu den gewerblichen Zwecken i. S. v. § 11 Nr. 1 PatG. Deshalb ist beispielsweise die Nutzung eines patentgeschützten Karteischrankes für eine Patientendatei in der Privatwohnung eines freiberuflichen Arztes durch § 11 Nr. 1 PatG nicht vom Patentschutz ausgenommen. Ein derartiges Patent wirkt jedoch nicht gegen die Herstellung oder den Gebrauch des Karteischrankes durch eine Privatperson zu privaten Zwecken. Die Wirkung des Patents erstreckt sich gem. § 11 Nr. 2 PatG auch nicht auf Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf den Gegenstand der patentierten Erfindung beziehen. Das heißt, die Vorschrift ist nur anwendbar, wenn die Erfindung selbst (also eine entsprechende Vorrichtung bzw. ein entsprechendes Verfahren) das Versuchsobjekt bildet; nicht jedoch, wenn die Erfindung als Hilfsmittel bei Versuchen dient. So sind Versuche an einem patent- 169 Benkard / Scharen, PatG, § 10 Rdn. 3. 170 Benkard / Scharen, PatG, § 11 Rdn. 3. 148 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens geschützten Oszillographen mit dem Ziel, diesen zu verbessern, erlaubt; nicht jedoch der Einsatz dieses Oszillographen zur Optimierung eines Fernsehempfängers. Außerdem sind solche Versuche, die keinen Bezug zur technischen Lehre haben und nur noch der Klärung wirtschaftlicher Fakten dienen, wie Marktbedürfnis, Preisakzeptanz und Vertriebsmöglichkeiten, genau so vom Privileg des § 11 Nr. 2 ausgeschlossen und damit unzulässig, wie solche, bei denen der Umfang der Erprobungen in einem nicht mehr zu rechtfertigenden großen Ausmaß vorgenommen wird. 171 Von der Wirkung des Patents ist gem. § 11 Nr. 2a PatG die Nutzung biologischen Materials (wie definiert in § 2a Abs. 3 Nr. 1 PatG) zum Zweck der Züchtung, Entdeckung und Entwicklung einer neuen Pflanzensorte (wie definiert in § 2a Abs. 3 Nr. 4 PatG) ausgenommen und begründet damit ein entsprechendes Forschungsbzw. Versuchsprivileg. Durch § 11 Nr. 2b PatG sind Studien und Versuche sowie die sich daraus ergebenden praktischen Anforderungen ohne Zustimmung des Patentinhabers erlaubt, die für die Erlangung einer arzneimittelrechtlichen Genehmigung für das Inverkehrbringen in der EU oder einer arzneimittelrechtlichen Zulassung innerhalb oder außerhalb der EU erforderlich sind. Darin umfasst sind alle Handlungen, die an sich unter §§ 9, 10 PatG fallen, oder objektiv notwendig sind, um eine erstrebte arzneimittelrechtliche Genehmigung oder Zulassung zu erlangen. Erfasst wird insbesondere auch die Herstellung von Arzneimitteln, soweit sie für die Durchführung von Studien oder Versuchen erforderlich ist. 172 Damit eine Zubereitung von Arzneimitteln gem. § 11 Nr. 3 PatG von der Wirkung des Patents ausgenommen wird, muss es sich um eine Einzelzubereitung (nicht auf Vorrat) eines Arzneimittels- - was im Einzelfall abzugrenzen ist von Kosmetika und Lebensmitteln- - in Apotheken (auch Krankenhausapotheken) auf Grund ärztlicher Verordnung handeln. Der internationale Verkehr soll durch § 11 Nr. 4 bis 6 PatG vor unnötigen patentrechtlichen Behinderungen geschützt werden, indem Handlungen in Bezug auf Einrichtungen an Schiffen, sowie Luft- oder Landfahrzeugen, die vorübergehend oder zufällig ins Inland gelangen, von der Patentwirkung ausgenommen sind. Praktisch kommt als nicht schutzrechtsverletzende Handlungen hauptsächlich der Gebrauch einschließlich der Reparatur in Betracht. In Ausnahmen könnte das auch für inländisches Anbieten oder Inverkehrbringen gelten; keinesfalls jedoch für das Herstellen von Fahrzeugen. 173 II. Vorbenutzungs- und Weiterbenutzungsrecht 1. Vorbenutzungsrecht (vor Patentanmeldung) Durch § 12 PatG tritt die Wirkung eines Patents gegen den nicht ein, der zur Zeit der Anmeldung oder eines wirksam beanspruchten Prioritätstages (§ 12 Abs. 2 PatG) die Erfindung im Inland in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat. 171 BGH Mitt. 1997, 253 „Klinische Versuche II “. 172 Benkard / Scharen, PatG, § 11 Rdn. 10 mit Verweis auf BT -Drucks 15 / 5316 S. 48. 173 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 268. 149 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Handlungen im Ausland, auch innerhalb der EU genügen dafür nicht. 174 Durch dieses Vorbenutzungsrecht 175 soll aus Billigkeitsgründen der Besitzstand eines Vorbenutzers geschützt werden. Dabei soll jedoch nur der durch den Erfindungsbesitz untermauerte Besitzstand erhalten werden. Somit erwirbt derjenige kein Vorbenutzungsrecht, der bei der Vornahme der Benutzungshandlung oder der Veranstaltung zur Benutzung den Erfindungsgedanken nicht erkannt hat. 176 Andererseits ist es nicht notwendig, dass dem Vorbenutzer ein (auf Parallelerfindung beruhendes) eigenes Erfinderrecht zusteht. Stattdessen kann auch eine von einem Dritten 177 gemachte Erfindung wirksam ausgeführt werden. Ein Vorbenutzungsrecht ist sogar selbst dann möglich, wenn die Erfindung durch den Patentanmelder oder seinen Rechtsvorgänger mitgeteilt und anschließend in Benutzung genommen wurde. In einem solchen Fall besteht jedoch kein Vorbenutzungsrecht, wenn ein Rechtevorbehalt gem. § 12 Abs. 1 S. 4 PatG vorliegt. Ein Vorbenutzungsrecht entsteht außerdem dann nicht, wenn es sich um eine widerrechtliche, unredliche Entnahme des benutzten Erfindungsgedankens handelt. Für einen redlichen Erwerb der Erfindung ist es auch erforderlich, dass der Erfindungsbesitz unabhängig von einem der Überlassung zugrunde liegenden Rechtsverhältnis auf Dauer ausgeübt werden darf. Sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erfinder und dem Benutzer vertraglich geregelt, fehlt es von vornherein an einer berechtigten Grundlage für eine solche Annahme, wenn sich aus dem Vertrag derartiges nicht ergibt. 178 Als Benutzung i. S. v. § 12 PatG kommt jede in § 9 PatG (für eine unmittelbare) bzw. in § 10 PatG (für eine mittelbare) genannte Handlung in Betracht. Auf den Umfang der Benutzungshandlungen kommt es nicht an. 179 Ein Vorbenutzungsrecht kann auch begründet werden, wenn lediglich die für eine Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen wurden ohne die Benutzung selbst aufzunehmen (§ 12 S. 1, 2. Alt. PatG). Die Veranstaltungen müssen auf die Erfindung bezogen sein und auch den Entschluss, diese alsbald gewerbsmäßig zu benutzen, durch geeignete Vorbereitung erkennen lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Aufnahme der Benutzung bzw. entsprechender Veranstaltungen ist der Anmeldetag (§ 12 Abs. 1 S. 1 PatG) bzw. Prioritätstag (§ 12 Abs. 2 PatG). Zur Entstehung des Vorbenutzungsrechts braucht eine aufgenommene Benutzung nicht notwendig bis zum Anmelde-/ Prioritätstag fortgesetzt zu werden. Eine vorübergehende Unterbrechung steht dem Vorbenutzungsrecht nicht entgegen. 180 Dagegen müssen Veranstaltungen zur Benutzung (mindestens) bis zu dem Anmelde-/ Prioritätstag im Inland fortdauern, und zwar ohne Unterbrechung. 181 174 LG Düsseldorf, Mitt. 2001 561, 565 f. „Laborthermostat II “. 175 Seinem Inhalt nach ist das Vorbenutzungsrecht ein Recht zur Weiterbenutzung; s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 28. 176 BGH GRUR 1964, 496 „Formsand II “. 177 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 6. 178 BGH GRUR 2010, 47 „Füllstoff “. 179 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 11a. 180 BGH GRUR 1969, 35 „Europareise“. 181 BGH GRUR 1969, 35 „Europareise“. 150 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Das Vorbenutzungsrecht unterliegt keinen quantitativen Grenzen, soweit dessen Inhaber es für den eigenen Betrieb nutzt, wobei dieser beliebig erweitert 182 und auch mit einem weiteren Betrieb verschmolzen werden darf. 183 Der Berechtigte darf solche Tätigkeiten für seinen Betrieb auch in fremden Werkstätten durchführen lassen (verlängerte Werkbank); eine Lizenzierung hingegen ist nicht zulässig. 184 Inwiefern von einer Benutzungsart (Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen, Besitzen) auf eine andere gewechselt werden darf, hängt vom Einzelfall ab und ist umstritten. Nur für den Hersteller gilt uneingeschränkt der Grundsatz, dass der Wechsel der Benutzungsart erlaubt ist und das Vorbenutzungsrecht alle Benutzungsarten umfasst, auch wenn er nur eine von ihnen vor der Anmeldung ausgeübt hat. 185 Das Vorbenutzungsrecht kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden (§ 12 Abs. 1 S. 3 PatG). Es soll also eine Vervielfältigung des Rechts unterbleiben. 2. Weiterbenutzungsrecht (nach Wiedereinsetzung) Versäumt ein Beteiligter ohne Verschulden gegenüber dem Patentamt oder dem Patentgericht eine Frist, so hat er unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit, wieder in den vorigen Stand eingesetzt zu werden („Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“, § 123 PatG (bzw. Art. 122 EPÜ ); siehe auch oben § 11 II 2.). Dadurch kann ein Zeitraum entstehen, zu dessen Beginn eine Patentanmeldung wegfällt oder ein Patent erlischt und zu dessen Ende das Schutzrecht wieder in Kraft tritt. Falls ein Dritter in gutem Glauben innerhalb dieses Zeitraums im Inland den Gegenstand eines Patents in Benutzung nimmt oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen trifft, ist dieser befugt den Patentgegenstand für die Bedürfnisse seines eigenen Betriebs in eigenen oder fremden Werkstätten weiter zu benutzen. Ein solches Recht erlangt auch derjenige, der im Vertrauen auf den Wegfall einer 12-monatigen Unionspriorität den geschützten Gegenstand in Benutzung genommen hat. Analog entfällt auch der Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gem. § 33 Abs. 1 PatG (§ 123 Abs. 5, 6, 7 PatG bzw. Art. 122 Abs. 5 EPÜ ). Der Zeitpunkt der Aufnahme von Benutzungen oder der für entsprechende Vorbereitungen (Veranstaltungen) dazu muss nach Entfall, aber vor Wiederinkrafttreten des Schutzrechts bzw. des Prioritätsrechts liegen. Ein Dritter ist daher nicht schutzwürdig, wenn er die Patent verletzende Benutzung vor dem Erlöschen aufgenommen oder die dazu erforderlichen Veranstaltungen getroffen hat und die Benutzung anschließend über den Zeitpunkt des Erlöschens hinaus fortsetzt. 186 Dieses Weiterbenutzungsrecht kann nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. 182 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 61. 183 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 25. 184 BGH GRUR 1992, 432, 433 „Steuereinrichtung“. 185 Benkard / Scharen, PatG, § 12 Rdn. 23. 186 BGH GRUR 1993, 460 „Wandabstreifer“. 151 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Mit Ausnahme des maßgebenden Zeitpunkts entsprechen Voraussetzungen und Inhalt dieses Rechts denjenigen des oben beschriebenen Vorbenutzungsrechts. 187 III. Erschöpfung Erschöpfung meint Verbrauch des Patentrechts hinsichtlich eines bestimmten patentgemäßen Erzeugnisses. Sie entsteht, wenn der Patentinhaber oder ein mit dessen Zustimmung handelnder Dritter eine durch Patent geschützte Vorrichtung oder ein unmittelbares Erzeugnis eines patentierten Verfahrens im Inland, innerhalb der EU oder des EWR in den Verkehr bringt. 188 Eine rechtmäßige Herstellung ohne Inverkehrbringen reicht dafür hingegen nicht aus. 189 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist das Ausschließlichkeitsrecht aus einem Erzeugnis-Patent hinsichtlich solcher Exemplare des geschützten Erzeugnisses erschöpft, die vom Patentinhaber oder mit seiner Zustimmung in Verkehr gebracht worden sind. Rechtmäßige Erwerber wie auch diesen nachfolgende Dritterwerber- - einschließlich Wettbewerber des Patentinhabers-- sind befugt, diese Exemplare bestimmungsgemäß zu gebrauchen, an Dritte zu veräußern oder zu einem dieser Zwecke Dritten anzubieten. 190 Daher kann bei bestehender Erschöpfung der Patentinhaber für das genannte Erzeugnis-Exemplar das weitere Inverkehrbringen, das Anbieten und den Gebrauch dieses Gegenstands aus dem Patent nicht mehr verbieten. Jeder, der dazu tatsächlich in der Lage ist, darf das Erzeugnis ohne Zustimmung des Patentinhabers veräußern oder auf sonstige Weise weitergeben, anbieten und gebrauchen sowie zu diesen Zwecken erwerben und besitzen. Der Erschöpfungsgrundsatz im Patentrecht ergibt sich üblicherweise nur aus Rechtsprechung und Schrifttum. 191 Lediglich für biologisches Material gibt es gem. § 9b PatG eine nationale gesetzliche Regelung. In dem noch nicht in Kraft getretenen Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (s. a. § 23 dieses Abschnitts) ist in dessen Art. 29 ebenfalls die Erschöpfung berücksichtigt. Ein Inverkehrbringen außerhalb des EWR (einschl. EU ) bewirkt keine Erschöpfung. 192 Dieser Grundsatz gilt auch in den Fällen, in denen Erzeugnisse in einem Land in den Verkehr gebracht worden sind, bevor dieses Land der EU beigetreten ist 193 und auch nicht Mitglied des EWR war. Es ist gleichgültig, ob der Patentinhaber im Staat des ersten Inverkehrbringens ebenfalls über ein Schutzrecht, insbesondere ein „Parallelpatent“ (also eins basierend auf derselben Erfindung wie das für das Inland erteilte Patent) verfügt, das ihn berechtigt, einem Inverkehrbringen der Erzeugnisse durch Andere entgegenzutreten. 194 Die Zustimmung des Patentinhabers für ein Inverkehrbringen ist z. B. dann gegeben, wenn er einen Dritten zum Vertrieb beauftragt oder ihm eine Lizenz erteilt hat. Durch ein 187 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 68. 188 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 16. 189 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 283. 190 BGH v. 24. 10. 2017, X ZR 55 / 16, „Trommeleinheit“; BGH v. 17. 7. 2012, X ZR 97 / 11, „Palettenbehälter II “. 191 Anders z. B. im Markengesetz: § 24 MarkenG. 192 BGH GRUR 2000, 299 „Karate“; BGH v. 13. 3. 2003, X ZR 100 / 00, „Enalapril“. 193 BGH GRUR 1976, 579, 582 „Tylosin“. 194 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 296. 152 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Inverkehrbringen patentgemäßer Erzeugnisse ohne Zustimmung des Patentinhabers wird die Erschöpfung auch dann bewirkt, wenn ein Benutzungsrecht aufgrund einer Lizenzbereitschaft nach § 23 PatG (s. unten IV .), eines Weiterbenutzungsrechts nach §§ 12, 123 Abs. 5 (s. oben II .), einer staatlichen Benutzungsanordnung nach § 13 PatG (s. unten V. 1.) oder einer Zwangslizenz nach § 24 PatG (s. unten V. 2.) vorliegt. 195 Diese Zustimmung bzw. Berechtigung muss zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens vorliegen. Ist das der Fall, so bleibt die Erschöpfungswirkung bestehen, auch wenn nachträglich ihre Voraussetzungen wegfallen, z. B. das Patent übertragen wird oder eine Lizenz endet. 196 Bei einem Verfahrenspatent gelten die Grundsätze zur Erschöpfung uneingeschränkt für die nach § 9 S. 2 Nr. 3 PatG geschützten unmittelbaren Erzeugnisse. Durch deren Inverkehrbringen werden allerdings nur diese, nicht aber das Verfahren selbst gemeinfrei. 197 IV. Lizenzbereitschaft In § 23 PatG ist die sog. Lizenzbereitschaft geregelt. Erklärt der Patentanmelder oder der im Register (gem. § 30 Abs. 1 PatG) als Patentinhaber Eingetragene schriftlich gegenüber dem Patentamt die Bereitschaft, jedermann die Benutzung der Erfindung gegen angemessene Vergütung zu gestatten, so ermäßigen sich die nach Eingang der Erklärung fälligen Jahresgebühren auf die Hälfte. Die Erklärung, die gem. § 23 Abs. 7 PatG jederzeit schriftlich zurückgenommen werden kann, ist eine materiellrechtliche Verfügung über das Patent, wodurch der Patentinhaber / Anmelder auf wesentliche Teile seines Rechtes verzichtet, nämlich auf das Verbotsrecht gegenüber Dritten, sofern diese bereit sind, eine angemessene Vergütung zu zahlen. Somit verzichtet er auf das Recht zur alleinigen Benutzung der Erfindung und zur Erteilung einer ausschließlichen Lizenz (siehe unten § 18 II .). Nach Eintragung der Erklärung im Register (s. § 23 Abs. 1 S. 2 PatG) wirkt diese wie ein Lizenzangebot an die Allgemeinheit, das jeder beliebig annehmen kann. 198 Anderweitige einfache, also nicht-ausschließliche Lizenzen, stehen dem nicht entgegen. Ausschließliche Lizenzen hingegen sind mit dem Charakter der Lizenzbereitschaftserklärung nicht vereinbar. 199 Der Patentinhaber braucht für nach dem Eingang der Erklärung fällige Jahresgebühren nur die Hälfte zu zahlen. Das gilt auch für die dem Patent zugrunde liegende deutsche Anmeldung (§ 23 Abs. 6 PatG) sowie für zugehörige ergänzende Schutzzertifikate (§ 16a Abs. 3 PatG). Es gilt weiterhin auch für Zusatzpatente, die bis zum 1. April 2014 angemeldet werden konnten (s. § 147 Abs. 1 PatG). Die Gebührenreduzierung gilt jedoch nicht für die für eine europäische Patentanmeldung an das EPA zu zahlenden Jahresgebühren. 200 195 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 290. 196 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 33 Rdn. 295. 197 Benkard / Scharen, PatG, § 9 Rdn. 25. 198 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 8. 199 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 9. 200 Benkard / Rogge / Kober-Dehm, PatG, § 23 Rdn. 2. 153 § 17 Grenzen und Ausnahmen der Schutzwirkung Ahrens Jeder Dritte kann ab Eintragung der Erklärung in das Register die Erfindung benutzen, sofern er seine Absicht dem Patentinhaber / Anmelder anzeigt, Auskunft über die Benutzung gibt und eine angemessene Vergütung zahlt. Diese Vergütung wird auf schriftlichen Antrag eines Beteiligten durch das DPMA festgesetzt (§ 23 Abs. 4). V. Weitere Rechtsbeschränkungen Die Rechte des Patentinhabers können weiterhin durch eine Benutzungsanordnung (gem. § 13 PatG) oder durch eine Zwangslizenz (§ 24 PatG) beschränkt werden. 1. Benutzungsanordnung Die Benutzungsanordnung unterscheidet zwei Fälle, nämlich: ▶ Benutzung im Interesse der öffentlichen Wohlfahrt; das hat die Bundesregierung (nicht ein einzelner Minister) anzuordnen (§ 13 Abs. 1, S. 1 PatG) und ▶ Benutzung im Interesse der Sicherheit des Bundes; das hat die zuständige oberste Bundesbehörde (wie Bundesministerium der Verteidigung oder des Inneren) oder in deren Auftrag eine nachgeordnete Stelle anzuordnen (§ 13 Abs. 1 S. 2 PatG). Der Patentinhaber hat gegenüber dem Bund (nicht gegenüber dem Benutzer) einen Anspruch auf angemessene Vergütung (§ 13 Abs. 3 PatG), die einer Enteignungsentschädigung entspricht. 201 2. Zwangslizenz Falls ein Lizenzsucher sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen und das öffentliche Interesse die Erteilung einer solchen Lizenz gebietet, hat das Bundespatentgericht die Möglichkeit eine Zwangslizenz zu erteilen (§ 24 Abs. 1 PatG). Ein öffentliches Interesse an der Erteilung einer Zwangslizenz für einen pharmazeutischen Wirkstoff kann auch dann bestehen, wenn nur eine relativ kleine Gruppe von Patienten betroffen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn diese Gruppe einer besonders hohen Gefährdung ausgesetzt wäre, wenn das betreffende Medikament nicht mehr verfügbar wäre. 202 Außerdem haben Inhaber von Patenten mit jüngerem Zeitrang gegenüber dem Inhaber eines älteren Patents Anspruch auf Einräumung einer Zwangslizenz sofern (a) sich der Lizenzsucher erfolglos bemüht hat, eine Lizenz zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu erhalten und (b) die Erfindung des jüngeren Patents einen wichtigen technischen Fortschritt von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung aufweist, verglichen mit der Erfindung 201 Näheres siehe bei Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 137 ff. 202 BGH v. 11. 7. 2017, X ZB 2 / 17, „Raltegravir“ (betreffend HIV -Medikament). 154 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens des älteren Patents. Dafür hat er auf Verlangen des Inhabers des älteren Patents diesem eine Gegenlizenz zu angemessenen Bedingungen einzuräumen (§ 24 Abs. 2 PatG). Entsprechendes gilt, wenn ein Pflanzenzüchter ein Sortenschutzrecht nicht erhalten oder verwerten kann ohne ein früheres Patent zu verletzen (§ 24 Abs. 3 PatG). Für eine patentierte Erfindung auf dem Gebiet der Halbleitertechnologie darf eine Zwangslizenz im Rahmen von Abs. 1 nur erteilt werden, wenn dies zur Behebung einer in einem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren festgestellten wettbewerbswidrigen Praxis des Patentinhabers erforderlich ist (§ 24 Abs. 4 PatG). Die durch Erteilung einer Zwangslizenz begründete Benutzungsbefugnis ist privatrechtlicher Natur und wirkt nur für die Zukunft, so dass vorherige Patentverletzungen nicht rechtmäßig werden. 203 Der Vollständigkeit halber sei auch darauf hingewiesen, dass ein Lizenzsucher eine Art Zwangslizenz-- unabhängig von § 24 PatG-- aufgrund von kartellrechtlichen Vorschriften erhalten kann. Als Grundlage dafür kommen insbesondere in Betracht: Art. 101, 102 AEUV (ex Art. 82 EGV ) sowie §§ 19, 20 GWB oder eine gegenüber einer Standardisierungsbehörde abgegebene und den Lizenzsucher begünstigende Lizenzbereitschaftserklärung des Patentinhabers, ihm am Gegenstand des Klagepatents eine Lizenz zu FRAND -Bedingungen (fair, reasonable and non discriminatory) zu erteilen. 204 Der Eu GH hat in einem Fall differenziert zwischen (1) Ansprüchen auf Unterlassung und Rückruf und (2) Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatz, wobei erstere eher als missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung i. S. v. Art. 102 AEUV zu qualifizieren sind. 205 § 18 Übertragung, Lizenz Durch § 9 PatG wird allein dem Patentinhaber die bevorzugte Stellung eingeräumt, die patentierte Erfindung im Rahmen des geltenden Rechts zu nutzen und somit wirtschaftlich zu verwerten. Das Recht auf das Patent hat der Erfinder oder sein Rechtsnachfolger (§ 6 PatG). Dieses Recht sowie der Anspruch auf Erteilung des Patents und das Recht aus dem Patent können übertragen oder vererbt werden (§ 15 Abs. 1 PatG). Außerdem können diese Rechte ganz oder teilweise Gegenstand von Lizenzen sein (§ 15 Abs. 2 PatG). Sie können sich auf bereits erteilte Patente, auf eingereichte Patentanmeldungen sowie auf noch nicht geschützte Erfindungen beziehen. 206 Nicht übertragen werden kann jedoch das Erfinderpersönlichkeitsrecht, das allein entsteht auf Grund der Tatsache des Erfindens oder Miterfindens. 207 Im Folgenden wird lediglich auf Grundzüge derartiger Rechtsübertragungen eingegangen. Für weiterführende Aspekte, wie insbesondere Leistungsstörungen, Gewährleistungsansprüche und Kartellrecht, sei auf die einschlägige Literatur verwiesen. 203 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 34 Rdn. 127. 204 Schulte / Rinken, PatG, 10. Auflage, § 24 Rdn. 46 ff; s. a. BGH GRUR 2004, 966, „Standard-Spundfass“ sowie Kraßer / Ann, Patentrecht, § 42 Rdn. 1 ff. 205 Eu GH v. 16. 7. 2015, C-170 / 13, „Huawei / ZTE “. 206 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 RD n. 4. 207 Benkard / Melullis, PatG, § 6 Rdn. 20. 155 § 18 Übertragung, Lizenz Ahrens I. Übertragung Die Übertragung der nach § 15 Abs. 1 PatG bestehenden Rechte kann durch formlosen Vertrag gem. §§ 413, 398 BGB erfolgen. 208 Dabei liegt als Verpflichtungsgeschäft in vielen Fällen ein Kaufvertrag zugrunde. 209 Für die industrielle Praxis bedeutsam ist außerdem eine Rechtsübertragung bei Diensterfindungen aufgrund einer Inanspruchnahme nach §§ 6, 7 Arb EG (s. u. § 32 II .). Auf die Übertragung durch Erbfolge wird hier nicht weiter eingegangen. Wesentlich bei einer derartigen Rechtsübertragung ist das materiellrechtliche Geschäft. Der Vermerk nach § 30 Abs. 3 PatG in dem Patentregister hat insofern nur verlautbarende (deklaratorische), jedoch keine rechtsbegründende Wirkung. 210 Der Vermerk verschafft jedoch dem jeweils Eingetragenen Legitimation gegenüber dem DPMA und den Gerichten. Das heißt auch, dass ein Patentinhaber in dem Patentregister eingetragen sein muss, um aus dem Patent wirksam klagen zu können. 211 II. Lizenz Eine Lizenz i. S. v. § 15 Abs. 2 PatG ist im Kern die Erlaubnis, die technische Lehre, die Gegenstand eines Schutzrechts ist oder werden soll, in bestimmtem Umfang rechtmäßig zu benutzen. Eine Lizenz kann durch formlosen Vertrag erteilt werden. 212 Inwiefern sich ein solcher Vertrag einem der im BGB geregelten Vertragstypen zurechnen lässt, ist umstritten. Üblicherweise 213 wird er als Vertrag eigener Art angesehen. Es wird zunächst unterschieden zwischen ▶ „nicht ausschließlichen“ Lizenzen, die auch „einfache“ Lizenzen genannt werden und ▶ „ausschließlichen“ Lizenzen. Bei einer einfachen Lizenz verzichtet der Patentinhaber (oder zukünftige Patentinhaber) auf die Ausschließlichkeit nach § 9 PatG zugunsten des Lizenznehmers. Der Lizenzgeber kann die geschützte Erfindung aber weiter für sich benutzen, er kann auch zusätzliche Lizenzen erteilen oder nach Patenterteilung anderen Personen weiterhin die Benutzung verbieten. Die ausschließliche Lizenz hingegen bewirkt, dass der Lizenzgeber keine weiteren Lizenzen vergeben und auch die geschützte Erfindung nicht selber nutzen darf, soweit die ausschließliche Lizenz reicht. Einfache und ausschließliche Lizenzen können jedoch unterschiedliche Beschränkungen enthalten, wie bezüglich: 208 Eine wirksame Übertragung einer europäischen Patentanmeldung muss nach Art. 72 EPÜ schriftlich erfolgen; der deutsche Teil eines darauf erteilten Patents kann jedoch formlos übertragen werden. 209 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 41 Rdn. 2. 210 Benkard / Schäfers, PatG, § 30 Rdn. 8. 211 Benkard / Schäfers, PatG, § 30 Rdn. 17. 212 Das Schriftformerfordernis gem. § 34 GWB ist 1998 entfallen-- s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 Rdn. 23. 213 Nach anderer Ansicht ist ein Lizenzvertrag dem Typus der Rechtspacht mit teilweiser Modifizierung zuzuordnen-- s. Kraßer / Ann, Patentrecht, § 41 Rdn. 4. 156 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens ▶ zeitlicher Dauer (Zeitlizenz); ▶ räumlicher Wirkung (Gebietslizenz); ▶ sachlicher Schutzbereich (z. B. bestimmte Ausführungsform); ▶ Benutzungsarten (z. B. Herstellung, Vertrieb). Ein Lizenzvertrag kann auch das Recht enthalten, dass der Lizenznehmer Unterlizenzen an weitere Dritte vergeben darf, die dadurch entsprechend befugt werden, die geschützte Erfindung zu nutzen. Ein solches Recht zur Unterlizenzierung ist in ausschließlichen Lizenzen implizit enthalten, sofern sich aus dem zugehörigen Vertrag nichts anderes ergibt. Sowohl für einfache als auch für ausschließliche Lizenzen gilt der „Sukzessionsschutz“, 214 wonach ein Rechtsübergang der Erfindung oder die Erteilung von weiteren Lizenzen solche Lizenzen nicht berührt, die Dritten vorher erteilt worden sind (§ 15 Abs. 3 PatG). 214 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 40 Rdn. 38. 157 § 18 Übertragung, Lizenz Ahrens 3. Kapitel. Besonderheiten bei europäischen Patenten In diesem Kapitel wird auf Besonderheiten von europäischen Patenten (bzw. deren Anmeldungen) eingegangen. Das sind solche, die nach dem Europäischen Patentübereinkommen ( EPÜ ) 215 durch ein einheitliches Verfahren erteilt sind. Im zweiten Kapitel ist bereits insofern auf das EPÜ verwiesen worden, soweit es Analogien zum deutschen Patentrecht gibt. Das EPÜ umfasst gem. Art. 164 EPÜ neben dem eigentlichen Regelungswerk noch weitere Bestandteile, wie insbesondere die zugehörige Ausführungsordnung ( AOEPÜ ), 216 das Protokoll zur Auslegung des Art. 69 EPÜ 217 und das Anerkennungsprotokoll. 218 Ergänzt werden diese Vorschriften durch die Gebührenordnung. 219 Europäische Patente können für einen, mehrere oder alle der 38 Vertragsstaaten 220 der Europäischen Patentorganisation beantragt werden und haben nach wirksamer Erteilung dort dieselbe Wirkung und unterliegen denselben Vorschriften wie ein nationales Patent, soweit sich aus dem EPÜ nichts anderes ergibt (Art. 3, Art. 2 Abs. 2, Art. 64 EPÜ ). Das heißt, eine Anmeldung für ein europäisches Patent („europäische Patentanmeldung“) durchläuft zunächst ein einheitliches Verfahren. Mit Erteilung zerfällt das europäische Patent in ein Bündel von Patenten, die in vieler Hinsicht nach nationalen Vorschriften zu behandeln sind. Somit haben die nach dem EPÜ erteilten Patente den Charakter eines sog. „Bündelpatents“. Daneben gelten jedoch weiterhin selbst für das erteilte europäische Patent einige Vorschriften nach dem EPÜ . Dazu gehören insbesondere die Vorschriften für ein eventuelles Einspruchsverfahren (Art. 99 ff. EPÜ ), die Vorschriften für ein eventuelles Beschränkungsverfahren (Art. 105a, 105b, 105c EPÜ ), die Auslegung des Schutzbereichs (Art. 69 EPÜ zusammen mit dem Protokoll zu dessen Auslegung), die Verbindlichkeit der Fassung in der Verfahrenssprache (Art. 70 EPÜ ) und die Auslegung der Patentfähigkeit (Art. 52-57 EPÜ ) sowie die Auslegung zur Berechtigung des Patentinhabers (Art. 60 EPÜ ) im Rahmen eines möglichen Nichtigkeitsverfahrens. Wesentliche Schritte des Verfahrens vor dem EPA sind ebenfalls in Abb. 3 dargestellt. Das EPÜ verweist in verschiedenen Stadien auch auf nationale Vorschriften der Vertragsstaaten, wie z. B. bzgl. des Schutzes einer Patentanmeldung nach deren Veröffentlichung (Art. 67 Abs. 2 EPÜ ) oder die Möglichkeit zur Einreichung von europäischen Patentanmeldungen auch bei nationalen Behörden (Art. 75 Abs. 1 b) EPÜ ). Die zugehörigen nationalen Vorschriften in den einzelnen Vertragsstaaten können unterschiedlich sein. Dazu gibt 215 S. o. Fußn. 3. 216 S. o. Fußn. 5. 217 Vom 5. 10. 1973 in der Fassung der Akte zur Revision des EPÜ v. 29. 11. 2000. 218 Vom 5. 10. 1973. 219 Vom 20. 10. 1977, zuletzt geändert durch Beschluss des Verwaltungsrates v. 13. 12. 2017. 220 Dazu gehören auch Staaten außerhalb der EU , wie z. B. Schweiz, Türkei usw. Aktuelle Liste unter http: / / www.epo.org/ about-us/ organisation/ member-states_de.html (letzter Abruf 6 / 2018); letzter Beitritt: Serbien zum 1. 10. 2010. 158 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens eine vom EPA herausgegebene Broschüre einen guten Überblick. 221 Für die Bundesrepublik Deutschland sind die maßgeblichen nationalen Regelungen enthalten in Art. II IntPat ÜG (auch IntPatÜbkG genannt). 222 Nur der Vollständigkeit halber wird in diesem Kapitel auch kurz auf das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (auch Einheitspatent genannt) eingegangen, das jedoch bisher (Stand Juni 2018) und wohl auch innerhalb der kommenden Monate noch nicht angewendet wird. § 19 Europäische Patentanmeldungen bis zur Veröffentlichung Jede natürliche oder juristische Person und jede einer juristischen Person gleichgestellte Gesellschaft kann, ohne Rücksicht auf Staatsangehörigkeit und Wohnsitz oder Sitz, die Erteilung eines europäischen Patents beantragen (Art. 58 EPÜ ). Mit der Patentanmeldung sind die Vertragsstaaten 223 zu benennen, für die das Patent erteilt werden soll. Sie kann nach Art. 75 Abs. 1 EPÜ beim EPA oder bei einer zugelassenen nationalen Behörde, wie dem DPMA oder auch bei einem Patentinformationszentrum 224 (nach Art. II § 4 Abs. 1 IntPat ÜG ), eingereicht werden. Die Anmeldung kann grundsätzlich in jeder Sprache eingereicht werden. Es ist jedoch zu unterscheiden, ob es sich dabei um eine der drei Amtssprachen des EPA handelt, nämlich Deutsch, Englisch oder Französisch, oder um eine andere Sprache. Wenn die europäische Patentanmeldung in einer Nicht-Amtssprache eingereicht wird, ist sie fristgerecht in eine (beliebige) der drei Amtssprachen des EPA zu übersetzen. Diejenige Amtssprache, in der die Patentanmeldung eingereicht oder übersetzt wird, ist in allen Verfahren vor dem EPA als Verfahrenssprache zu verwenden, sofern nichts anderes bestimmt ist (Art. 14 Abs. 1-3 EPÜ i. V. m. R. 6 Abs. 1 AOEPÜ ). In der Verfahrenssprache werden die europäische Patentanmeldung und die europäische Patentschrift veröffentlicht (Art. 14 Abs. 5, 6 EPÜ ). Durch die Verfahrenssprache wird außerdem die verbindliche Fassung von Patentanmeldung und Patent nach Art. 70 EPÜ bestimmt. Auf die Anmeldung folgen die Eingangsprüfung und die Formalprüfung und es wird ein Recherchenbericht erstellt (Art. 90, 92 EPÜ ). Liegt dieser rechtzeitig vor, wird er zusammen mit der Patentanmeldung veröffentlicht (Art. 93 EPÜ i. V. m.R. 68 Abs. 1 AOEPÜ ). Durch die Veröffentlichung gewährt die Patentanmeldung dem Anmelder grundsätzlich denselben Schutz wie ein erteiltes Patent (Art. 67 Abs. 1 i. V. m. Art. 64 EPÜ ). Dieser kann von den Vertragsstaaten jedoch nach Art. 67 Abs. 2 eingeschränkt werden. Davon hat die Bundesrepublik-- wie auch andere Vertragsstaaten 225 -- Gebrauch gemacht, so dass nach Art. II § 1 221 Broschüre „Nationales Recht zum EPÜ “, 18. Auflage v. Okt. 2017, herausgegeben vom EPA - - s. http: / / www.epo.org/ law-practice/ legal-texts/ national-law_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 222 Gesetz über internationale Patentübereinkommen v. 21. 6. 1976 ( BGB l. II , S. 649), zuletzt geändert durch Gesetz v. 17. 7. 2017 ( BGB l. I, S. 2541). 223 Das kann auch ein einzelner Vertragsstaat sein, was jedoch im Folgenden sprachlich nicht unterschieden wird. 224 S. a. www.patentinformation.de oder über www.dpma.de (letzter Abruf 6 / 2018). 225 S. o. Fußn. 221. 159 § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung Ahrens Abs. 1 IntPat ÜG eine veröffentliche europäische Patentanmeldung lediglich einen vorläufigen Schutz mit einstweiligen Entschädigungsanspruch gem. § 33 Abs. 1 PatG gewährt. Dieser Schutz steht dem Anmelder jedoch erst von dem Tag an zu, an dem eine von ihm eingereichte deutsche Übersetzung der Patentansprüche vom DPMA veröffentlicht worden ist oder der Anmelder eine solche Übersetzung dem Benutzer der Erfindung übermittelt hat (Art. II § 1 Abs. 2 IntPat ÜG ). § 20 Sachprüfung, Patenterteilung, Einspruch und Beschränkung Die Sachprüfung wird eingeleitet durch einen Prüfungsantrag, der innerhalb von 6 Monaten nach dem Hinweis auf Veröffentlichung des Recherchenberichts wirksam gestellt werden kann und der erst als gestellt gilt, wenn die Prüfungsgebühr entrichtet worden ist. Wird er nicht rechtzeitig gestellt, gilt die Anmeldung als zurückgenommen (Art. 94 EPÜ i. V. m. R. 70 AOEPÜ ). Ergibt die Prüfung, üblicherweise nach Anpassung der Anmeldeunterlagen durch den Anmelder, dass die Anmeldung und ihre Erfindung den Erfordernissen des EPÜ (sowohl materiell als auch formell) genügen, sind anschließend fristgerecht die erforderlichen Gebühren zu zahlen und eine Übersetzung der Patentansprüche in den beiden Amtssprachen des EPA einzureichen, die nicht die Verfahrenssprache sind. Wenn diese Bedingungen erfüllt sind, wird die Erteilung des europäischen Patents beschlossen (Art. 97 EPÜ i. V. m. R. 71 AOEPÜ ). Die Entscheidung über die Erteilung des europäischen Patents wird an dem Tag wirksam, an dem im Europäischen Patentblatt der Hinweis auf Erteilung bekannt gemacht wird (Art. 97 Abs. 3 EPÜ ). Von diesem Tag an gewährt das europäische Patent seinem Inhaber in jedem Vertragsstaat, für den es erteilt ist, dieselben Rechte wie ein nationales Patent (Art. 64 Abs. 1 EPÜ ). Durch Art. 64 Abs. 2 EPÜ ist außerdem gewährleistet, dass bei einem Patent, das ein Verfahren schützt, auf jeden Fall auch diejenigen Erzeugnisse geschützt sind, die durch das Verfahren unmittelbar hergestellt sind. Das ist im deutschen Patentgesetz auch direkt geregelt (§ 9 S. 2 Nr. 3 PatG). Die Patentwirkungen können jedoch gem. Art. 65 EPÜ für einzelne Vertragsstaaten rückwirkend entfallen, wenn die Verfahrenssprache nicht einer der staatlichen Amtssprachen entspricht und eine ggf. erforderliche Übersetzung nicht rechtzeitig bei der zuständigen Zentralbehörde für den gewerblichen Rechtsschutz eingereicht wird. Bezüglich der Übersetzungserfordernisse in den einzelnen Vertragsstaaten wird erneut auf die genannte Broschüre „Nationales Recht zum EPÜ “ 226 verwiesen. Ab Bekanntmachung des Hinweises auf die Patenterteilung läuft eine 9-monatige Einspruchsfrist, innerhalb der jedermann Einspruch einlegen kann (Art. 99 Abs. 1 EPÜ ). Davon ausgenommen ist allerdings der Patentinhaber selbst. 227 Die Einspruchsgründe sind in Art. 100 EPÜ abschließend aufgeführt. Somit ist nach EPÜ ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme, anders als nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG, nicht vorgesehen. 226 S. o. Fußn. 221. 227 AB l. EPA 1994, 891, G 9 / 93. 160 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Ein eventueller Streit darüber, ob der Anmelder auch materiell berechtigt ist i. S. v. Art. 60 EPÜ , ist durch Gerichte der Vertragsstaaten zu entscheiden. Eine solche in einem Vertragsstaat ergangene rechtskräftige Entscheidung wird in den anderen Vertragsstaaten anerkannt ohne dass es hierfür eines gesonderten Verfahrens bedarf (Art. 9 Anerkennungsprotokoll). Die Person, der durch eine solche Entscheidung der Anspruch auf Erteilung des europäischen Patents zugesprochen wird, kann wahlweise die vorhandene Patentanmeldung anstelle des Anmelders als eigene Anmeldung weiterverfolgen, eine neue Patentanmeldung für dieselbe Erfindung einreichen oder beantragen, dass die europäische Patentanmeldung zurückgewiesen wird (Art. 61 Abs. 1 EPÜ ). Bei einem zulässigen Einspruch prüft das EPA , ob wenigstens ein Einspruchsgrund vorliegt. In einem solchen Fall wird das Patent widerrufen. Andernfalls wird der Einspruch zurückgewiesen. Es ist auch möglich, dass der Patentinhaber im Laufe des Verfahrens die Einspruchsgründe erst durch Änderungen der Unterlagen behebt, beispielweise durch Beschränkung der Patentansprüche. In einem solchen Fall wird das Patent in geänderter Fassung aufrecht erhalten und das EPA veröffentlich eine neue europäische Patentschrift (Art. 101, 103 EPÜ ). Die Entscheidung über den Einspruch wirkt grundsätzlich für alle Vertragsstaaten, in denen das europäische Patent Wirkung hat (Art. 99 Abs. 2 EPÜ ). Auf Antrag des Patentinhabers kann das europäische Patent widerrufen oder durch Änderung der Patentansprüche beschränkt werden. Der Antrag ist gebührenpflichtig und schriftlich beim EPA zu stellen (Art. 105 a Abs. 1 EPÜ , R. 92 Abs. 1 AOEPÜ ). Der Antrag ist nicht fristgebunden. Er kann jederzeit nach Erteilung und selbst nach dem Erlöschen des Patents gestellt werden, 228 jedoch nicht solange ein Einspruchsverfahren anhängig ist (Art. 15 a Abs. 2 EPÜ , R. 93 AOEPÜ ). Wenn der Antrag den festgelegten Erfordernissen genügt, beschließt das EPA die Beschränkung oder den Widerruf des Patents. Diese Entscheidung gilt mit Wirkung für alle Vertragsstaaten, für die das europäische Patent erteilt worden ist und wird an dem Tag wirksam, an dem der Hinweis auf die Entscheidung im Europäischen Patentblatt bekannt gemacht wird (Art. 105 b EPÜ ). Im Falle einer Beschränkung veröffentlicht das EPA eine geänderte europäische Patentschrift (Art. 105 c EPÜ ). § 21 Beschwerde Sofern einer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde durch die Stelle, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, nicht abgeholfen wird, entscheidet darüber eine der Beschwerdekammern des EPA (Art. 21, 106 ff. EPÜ ). Die Große Beschwerdekammer ist zuständig für Entscheidungen über Rechtsfragen, die ihr von den Beschwerdekammern vorgelegt werden, für die Abgabe von Stellungnahmen zu Rechtsfragen, die ihr der Präsident des EPA vorlegt und für Entscheidungen über Anträge, auf Überprüfung von Beschwerdekammerentscheidungen (Art. 22. 112, 112 a EPÜ ). 228 Richtlinien für die Prüfung im Europ. Patentamt, Nov. 2017, Teil D, X-1. 161 § 22 Nationale Verfahren Ahrens § 22 Nationale Verfahren Mit dem bestandskräftigen Abschluss des Erteilungsverfahrens bzw. eines sich daran ggf. anschließenden Einspruchsverfahrens endet üblicherweise die Entscheidungskompetenz des EPA , sofern durch den Patentinhaber nicht ein Beschränkungsbzw. Widerrufsverfahren beantragt wird. Zwar enthält das EPÜ mit Art. 138 eine Vorschrift betreffend eventueller Nichtigkeitsverfahren, jedoch werden diese nach nationalen Verfahren durchgeführt. Eine (teilweise) Nichtigerklärung wirkt nur für das Hoheitsgebiet des Staates, in dem das Verfahren stattfindet. Damit ein europäisches Patent auch die Wirkungen gem. Art. 64 EPÜ in den benannten Staaten entfaltet, sind in Abhängigkeit von der Verfahrenssprache Übersetzungen in einzelnen Staaten erforderlich (Art. 65 EPÜ ). 229 Der Schutzbereich des erteilten Patents ist nach Art. 69 EPÜ -- ergänzt durch das Protokoll über dessen Auslegung-- bestimmt. Die daraus resultierenden Rechte und Verfahren zu deren Geltendmachung werden jedoch nach nationalem Recht i. S. v. Art. 64 EPÜ behandelt. Ein rechtskräftig erteiltes europäisches Patent bewirkt nach Ablauf der Einspruchsfrist oder eines eventuellen Einspruchsverfahren gem. Art. II § 8 IntPat ÜG , dass ein nationales deutsches Patent seine Wirkung verliert, soweit es dieselbe Erfindung wie das europäische Patent schützt („Verbot des Doppelschutzes“; s. o. § 15 II . 1.). § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) I. Allgemeines Es wird seit vielen Jahren versucht, für die EU ein gemeinsames Patentsystem zu schaffen, das durch ein einheitliches Verfahren und mit nur geringem Übersetzungsaufwand einen EU -weiten Schutz ermöglicht und vergleichbar ist mit dem System der Unionsmarke bzw. des Gemeinschaftsgeschmacksmusters. Ein solches Patentsystem würde sich von dem o. g. europäischen Bündelpatent (gem. EPÜ ) also insbesondere dadurch unterscheiden, dass es nach Erteilung nicht wie ein Bündel in einzelne Patente der Mitgliedsstaaten, deren Anzahl der Patentanmelder bzw. -inhaber bestimmen kann, zerfällt, sondern einheitliche Wirkung in (möglichst) allen EU -Staaten hat. Das Einheitspatent soll Nutzern neben den klassischen nationalen Patenten (nach PatG,-… ) und europäischen Patenten (nach EPÜ ) eine weitere Option bieten. Ein solches Einheitspatent findet jedoch bisher 230 noch keine Anwendung. In den Jahren 2012 und 2013 haben die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament einem „Patent-Paket“ zugestimmt, das den Grundstein legt für die Einführung eines einheitlichen Patentschutzes in der EU . Dieses Patent-Paket besteht aus zwei Verordnungen, die das Einheitspatent betreffen 231 sowie einem internationalen Abkommen, das ein einheitliches 229 S. o. Fußn. 221. 230 Die Begriffe „bisher“ und „momentan“ bedeuten in diesem Zusammenhang: Stand Juni 2018. 231 VO ( EU ) Nr. 1257 / 2012 des Europ. Parlaments und des Rates v. 17. 12. 2012 (betreffend einheitlicher Patentschutz); VO ( EU ) Nr. 1260 / 2012 des Rates v. 17. 12. 2012 (betreffend Übersetzungsregelungen)-- s. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 162 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Patentgericht betrifft und kurz EPGÜ 232 genannt wird. Das Patent-Paket wird im Wege der verstärkten Zusammenarbeit zwischen 26 Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, wobei zuletzt Italien im September 2015 dazu kam. Momentan sind alle EU -Mitgliedsstaaten außer Kroatien und Spanien beteiligt. 233 Die Verordnungen traten- - gem. ihrer Art. 18 Abs. 1 bzw. Art. 7 Abs. 1- - am 20. 1. 2013 in Kraft. Sie gelten jedoch erst ab dem Tag, an dem das EPGÜ in Kraft tritt, 234 was bisher noch nicht der Fall ist. Gegen das Patent-Paket gab es eine erste Klage von Italien und Spanien, die im April 2013 vom Eu GH abgewiesen wurde. Zwei weitere Klagen von Spanien gegen die o. g. Verordnungen, die im März 2013 beim Eu GH eingereicht wurden, wurden im Mai 2015 abgewiesen 235 . Für das Inkrafttreten des EPGÜ ist in dessen Präambel festgelegt, dass es am 1. Januar 2014 in Kraft treten sollte (was nicht geschah) oder aber am ersten Tag des vierten Monats nach Hinterlegung der 13. Ratifikations- oder Beitrittsurkunde, wobei auch diejenigen von Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich vorliegen müssen (weil es dort im Jahr 2012 die meisten gültigen europäischen Patente gab). Bisher liegen zwar die Ratifikationsurkunden von 16 Staaten (zuletzt von dem Vereinigten Königreich am 26. 04. 2018) vor, es fehlt jedoch insbesondere noch die Ratifikationsurkunde von Deutschland. 236 Im Rahmen der deutschen Ratifizierung bzw. der zugehörigen Umsetzungsgesetzgebung stellt sich die Lage momentan folgendermaßen dar: Im März 2017 stimmten der Bundestag und auch der Bundesrat dem Regierungsentwurf zu. Gegen die Umsetzungsgesetzgebung wurde jedoch Verfassungsbeschwerde eingelegt und im Eilverfahren ein Aussetzungsantrag gestellt. Ein Termin für die Entscheidung im Eilverfahren hat das BV erfG nicht genannt. 237 Es ist weiterhin zu berücksichtigen, dass in einem Referendum des Vereinigten Königsreichs im Juni 2016 eine knappe Mehrheit der Wähler sich für einen Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU -- üblicherweise auch kurz „Brexit“ genannt-- entschieden hat. Die britische Premierministerin leitete den Austrittsprozess gem. Art. 50 EUV am 29. 3. 2017 rechtlich wirksam in die Wege, so dass das Land die EU voraussichtlich am 29. 3. 2019 verlassen werde. Momentan verlaufen die Brexit-Verhandlungen schwierig. Optimistische Meinungen gehen davon aus, dass das Einheitspatent im Laufe des Jahres 2018 starten wird. 238 232 Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht, unterzeichnet am 19. 2. 2013 von 25 Mitgliedsstaaten-- s. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ upc_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 233 S. http: / / ec.europa.eu/ internal_market/ indprop/ patent/ index_de.htm (letzter Abruf 6 / 2018). 234 Genau genommen heißt es in Art. 18 Abs. 2 bzw. Art 7 Abs. 2 jeweils: „Sie (die VO ) gilt ab dem 1. Januar 2014 oder ab dem Tag des Inkrafttretens des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist.“ 235 Eu GH v. 5. 5. 2015, C-146 / 13; Eu GH v. 5. 5. 2015, C-147 / 13. 236 S. http: / / ec.europa.eu/ internal_market/ indprop/ patent/ ratification/ index_de.htm (letzter Abruf 6 / 2018). 237 S. BT -Drucks. 18 / 11 137 v. 13. 2. 2017; BR -Drucks. 202 / 17 v. 10. 3. 2017; BR -Drucks. 202 / 17 (Beschluss) v. 31. 3. 2017; BR -Drucks. 604 / 17 v. 7. 9. 2017; www.cmshs-bloggt.de (letzter Abruf 6 / 2018). 238 S. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent/ start_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 163 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) Ahrens Realistischerweise 239 ist jedoch wohl davon auszugehen, dass das EPGÜ in nächster Zeit nicht Inkrafttreten wird, zumal eine der Abteilungen der Zentralkammer des Gerichts erster Instanz in London sein soll (s. Art. 7 EPGÜ ). Da es somit noch nicht absehbar ist, wann das Einheitspatent zur Anwendung kommt, wird im Folgenden auch nur recht kurz darauf eingegangen. II. Wirkung des Einheitspatents Ein Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung hat einen einheitlichen Charakter. Es bietet einheitlichen Schutz und hat gleiche Wirkung in allen teilnehmenden Mitgliedsstaaten. Das sind diejenigen, die an der verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des Einheitspatents teilnehmen. Das Einheitspatent kann nur im Hinblick auf alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten beschränkt, übertragen oder für nichtig erklärt werden oder erlöschen. Es kann im Hinblick auf die Gesamtheit oder einen Teil der Hoheitsgebiete der teilnehmenden Mitgliedsstaaten lizenziert werden (Art. 2, 3 VO 1257 / 2012). III. Verfahren Aufgrund von Art. 9 VO 1257 / 2012 übertragen die teilnehmenden Mitgliedsstaaten dem EPA im Sinne von Art. 143 EPÜ wesentliche Aufgaben, die es gemäß seinen internen Regeln ausführt. So wird das EPA beispielsweise die Anträge der Patentinhaber auf einheitliche Wirkung verwalten, ist für die Erhebung, Verwaltung und Verteilung der Jahresgebühren zuständig und hat ein Register für die Einheitspatente zu führen, das Rechtsstandsdaten zu Lizenzen, Rechtsübertragungen und Beschränkungen sowie zum Widerruf bzw. Erlöschen von Patenten enthält. Was die Übersetzungsregelungen für das Einheitspatent angeht, wurde beschlossen, die Sprachenregelungen des EPA mit den drei Amtssprachen Deutsch, Englisch und Französisch zu übernehmen. 240 239 S. Quodbach, IPkompakt, Heft 10 / 2017, wo darauf hingewiesen wird, dass insbesondere die verfassungsrechtlichen Fragen von den meisten Stimmen / Veröffentlichungen als offen betrachtet werden. 240 S. a. www.epo.org/ law-practice/ unitary/ unitary-patent_de.html (letzter Abruf 6 / 2018). 165 § 23 Das Europäische Patent mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatent) Ahrens 4. Kapitel. Der Patentzusammenarbeitsvertrag ( PCT ) Durch den Patentzusammenarbeitsvertrag 241 ( PCT ), ergänzt durch eine Ausführungsordnung ( AOPCT ), 242 wird eine Möglichkeit geschaffen, mit einer einzigen „internationalen“ Anmeldung Schutz für eine Erfindung in vielen Staaten zu sichern. Der PCT führt jedoch-- anders als das EPÜ -- nicht zu einer einheitlichen Patenterteilung. Es wird lediglich ein einheitliches Anmeldeverfahren durchgeführt, einschließlich Veröffentlichung der Anmeldung und einer Recherche. Auf Wunsch des Anmelders ist auch eine unverbindliche Prüfung der Anmeldung bzw. von deren Erfindung möglich. Jedoch ist die verbindliche Prüfung und entsprechende Schutzrechtserteilung den in der Anmeldung benannten Vertragsstaaten vorbehalten. Dem PCT gehören aktuell 152 Mitgliedstaaten (Vertragsstaaten) an, 243 so auch die Bundesrepublik Deutschland, die in Art. III IntPat ÜG die Schnittstellen zu nationalen Vorschriften geregelt hat. Das EPÜ regelt Schnittstellen zum PCT durch Art. 150 ff. EPÜ . Die PCT -Verfahren werden koordiniert durch die in Genf ansässige Weltorganisation für geistiges Eigentum ( WIPO ), dort konkret durch das Internationale Büro. In diesem Kapitel werden nur die Grundzüge des PCT dargestellt. Wesentliche Schritte des Verfahrens sind auch in Abb. 3 dargestellt. Für ausführliche Informationen sowie aktuelle Regelungen, wird auf die Internetseite der WIPO verwiesen. 244 Das Verfahren nach dem PCT umfasst folgende Phasen, die jeweils die angegebenen Schritte enthalten: ▶ Kapitel I (s. Art. 3-30 PCT ) Einreichung der Anmeldung, Recherche, Veröffentlichung von Anmeldung und Recherchenbericht; ▶ Kapitel II (s. Art. 31-42 PCT ) Auf Antrag findet eine unverbindliche vorläufige internationale Prüfung mit Erstellung eines Gutachtens über Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit statt; ▶ Nationale bzw. regionale Phasen (s. Vorschriften nationaler bzw. regionaler Ämter) Anschließende Verfahren zur Erteilung von Patenten (bzw. Eintragung von Gebrauchsmustern usw.) vor nationalen bzw. regionalen Patentbehörden. 241 Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens, unterzeichnet am 19. 6. 1970, zuletzt geändert am 3. 10. 2001. 242 Ausführungsordnung zum Vertrag über die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens in der ab 1. 7. 2017 geltenden Fassung. 243 S. http: / / www.wipo.int (letzter Aufruf 6 / 2018). 244 Internetseite der WIPO: http: / / www.wipo.int/ pct/ de/ bzw. www.wipo.int/ pct/ en/ appguide (letzter Abruf 6 / 2018). 166 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens § 24 PCT Kapitel I Internationale Anmeldungen zum Schutz von Erfindungen umfassen u. a. solche für Patente und für Gebrauchsmuster 245 (Art. 2 ii) PCT ). Nur derjenige, der die Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates oder in einem Vertragsstaat Sitz oder Wohnsitz hat, kann eine solche Anmeldung einreichen (Art. 9 PCT ); 246 und zwar beim nationalen Amt seines Sitzes oder seiner Staatsangehörigkeit, beim Internationalen Büro oder ggf. bei einer zwischenstaatlichen Organisation (Art. 10 PCT i. V. m. R 19.1 a), b) AOPCT ). Somit kann ein Anmelder mit Sitz in Deutschland eine internationale Anmeldung einreichen beim DPMA (national geregelt durch Art. III § 1 IntPat ÜG ), beim EPA (s. Art. 151 EPÜ ) sowie beim Internationalen Büro. Die Einreichung umfasst- - die Erfüllung der notwendigen Formalitäten vorausgesetzt- - grundsätzlich die Bestimmung aller Mitgliedsstaaten, für die der Vertrag am internationalen Anmeldedatum verbindlich ist (Bestimmungsstaaten) und zwar für alle nach PCT dort möglichen Schutzrechtsarten (R 4.9 a) i), ii) AOPCT ). Für diese Bestimmungsstaaten hat die internationale Anmeldung die Wirkung einer vorschriftsmäßigen nationalen Anmeldung mit dem internationalen Anmeldedatum (Art. 11 Abs. 3 PCT ). Für eine internationale Anmeldung kann die Priorität einer (oder mehrerer) früheren Anmeldung in Anspruch genommen werden, wobei grundsätzlich nach Art. 8 PCT das Prioritätsrecht nach Art. 4 PVÜ gilt. Die internationale Anmeldung kann auch Grundlage für die Inanspruchnahme von Prioritätsrechten sein (Art. 11 Abs. 4 PCT ). Für jede internationale Anmeldung wird gem. Art. 15 PCT eine Recherche zur Ermittlung des einschlägigen SdT durchgeführt und zwar von einer internationalen Recherchebehörde, die ein nationales Amt oder eine zwischenstaatliche Organisation sein kann (Art. 15 ff. PCT ). Für internationale Anmeldungen, die beim DPMA oder beim EPA eingereicht werden, führt das EPA die Recherchen durch (Art. 16 Abs. 2 PCT i. V. m. Art. III § 3 IntPat ÜG 247 bzw. Art. 152 EPÜ ). Auf Grundlage einer solchen Recherche werden ein Recherchenbericht und ein nicht bindender Bescheid zur Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit erstellt (R 43 ff. AOPCT ). Ein Dialog mit dem Anmelder im Rahmen der Erstellung dieses Bescheides erfolgt nicht. Die internationale Anmeldung wird üblicherweise unverzüglich nach Ablauf von 18 Monate nach ihrem Zeitrang (Anmeldebzw. frühester Prioritätstag) veröffentlicht. Mögliche Veröffentlichungssprachen der Anmeldung sind, abhängig von der Sprache bei ihrer Einreichung, deutsch, englisch, französisch (also die EPA -Amtssprachen) sowie arabisch, chinesisch, japanisch, koreanisch, portugiesisch, russisch oder spanisch. Der Recherchenbericht wird-- in der Veröffentlichungssprache und auch in englischer Sprache-- zusammen mit der Anmeldung veröffentlicht, sofern er vorliegt; sonst wird er zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht. Der oben genannte nicht bindende Bescheid hingegen wird nicht veröffentlicht (Art. 21 PCT , R 48 AOPCT ). Er kann dennoch Dritten zur Kenntnis gelangen, jedoch 245 Weitere Schutzrechte sind: Erfinderscheine, Gebrauchszertifikate, Zusatzpatente, Zusatzzertifikate, Zusatzerfinderscheine, Zusatzgebrauchszertifikate. 246 Beachte: Eine solche Begrenzung gibt es nicht im PatG und nicht im EPÜ . 247 Siehe ergänzend Bekanntmachung vom 24. 4. 1978, Bl. f. PMZ 1978, 165. 167 § 25 PCT Kapitel II Ahrens frühestens 30 Monate nach dem Prioritätsdatum im Rahmen einer Einsichtnahme (R 44ter AOPCT ). Nach Art. 29 PCT sind die Schutzwirkungen der internationalen Veröffentlichung einer internationalen Anmeldung grundsätzlich die gleichen wie bei der Veröffentlichung einer nationalen Anmeldung. Sofern die internationale Anmeldung in deutscher Sprache veröffentlicht wird (und die Bundesrepublik Bestimmungsstaat ist), entsteht somit auch der Entschädigungsanspruch gem. § 33 PatG. Andernfalls ist für einen solchen Anspruch zuvor die Veröffentlichung einer deutschsprachigen Übersetzung durch das DPMA erforderlich (Art. III § 8 Abs. 1, 2 IntPat ÜG ). Kapitel I endet gem. Art. 22 PCT i. V. m. ergänzenden nationalen Vorschriften frühestens 30 Monate 248 nach dem Zeitrang (Prioritätsdatum). Bis zum 31. März 2002 galt dafür eine 20-Monatsfrist. Im Rahmen dieser Änderung des PCT besteht die Möglichkeit, dass Vertragsstaaten bzw. deren Ämter einen Vorbehalt gegen die neue 30-Monatsfrist erklären. Davon haben z. Zt. noch 3 Staaten Gebrauch gemacht. Für diese Staaten endet Kapitel I nach 20 bzw. 21 Monaten. 249 Für die übrigen Bestimmungsstaaten ist das Ende von Kapitel I gleichzeitig auch das Ende des PCT -Verfahrens. Danach können dort nationale bzw. regionale Phasen eingeleitet werden, indem die hierfür notwendigen Formalitäten und Gebührenzahlungen rechtzeitig erledigt werden. Für die Bestimmungsstaaten, die den genannten Vorbehalt erklärt haben, endet das PCT - Verfahren nach 20 bzw. 21 Monaten nur dann, wenn nicht bis zum Ablauf von 19 Monaten nach dem Prioritätsdatum ein Antrag auf vorläufige internationale Prüfung gestellt und somit Kapitel II (s. u.) eingeleitet wird. § 25 PCT Kapitel II Der Anmelder kann eine vorläufige internationale Prüfung betreffend Neuheit, 250 erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit beantragen (Art. 31 ff. PCT ), wodurch das sog. Kapitel II für vom Anmelder ausgewählte Staaten eingeleitet wird. Die Frist dafür beträgt (außer bei den oben in § 24 genannten 3 Staaten) maximal 22 Monate ab dem Zeitrang oder 3 Monate nachdem der Anmelder den Recherchenbericht und den nicht bindenden Bescheid (aus Kapitel I) erhalten hat, je nachdem welche Frist später abläuft (R 54 bis AOPCT ). Für internationale Anmeldungen, die beim DPMA oder beim EPA eingereicht wurden, ist das EPA internationale Prüfungsbehörde. Das Prüfungsverfahren ermöglicht dem Anmelder, die Unterlagen der Anmeldung anzupassen und mit der Prüfungsbehörde zu verkehren (Art. 34 Abs. 2 PCT ). Das ist besonders in den Fällen entscheidend, in denen ein negativer Bescheid (nach Kapitel I) erstellt wurde 248 Das EPA gewährt dafür eine Frist von 31 Monaten (R 159 AOEPÜ ). 249 Tansania (21 Mon.), Uganda (21 Mon.), sowie Luxemburg (20 Mon.), für das jedoch im Rahmen von EURO - PCT Verfahren die 30 / 31-Monatsfrist gilt (s. u. § 26). 250 Der dafür berücksichtigte SdT umfasst nur schriftliche Offenbarungen (R 64.1 AOPCT ). 168 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens und der Anmelder der Meinung ist, das Prüfungsverfahren könnte zu einem positiven Ergebnis führen. Kapitel II endet üblicherweise 30 Monate 251 nach dem Zeitrang der Anmeldung (Art. 39 Abs. 1 PCT ) und kann analog zu Kapitel I zu nationalen / regionalen Phasen in den ausgewählten Staaten führen, sofern die notwendigen Formalitäten rechtzeitig eingeleitet werden. § 26 Nationale und regionale Verfahren Für die Erteilung von Patenten bzw. Eintragung von Gebrauchsmustern (oder sonstiger nach PCT vorgesehenen Rechte; s. o. § 24) auf Grundlage der internationalen Anmeldung sind die weiteren notwendigen Formalitäten (einschließlich Übersetzungen und Gebührenzahlungen) fristgerecht vorzunehmen. Das kann bei nationalen Patentbehörden (wie dem DPMA ), aber auch gem. Art. 45 PCT bei regionalen Patentbehörden (wie dem EPA ) erfolgen. Das DPMA ist Bestimmungsamt oder ausgewähltes Amt, wenn die Bundesrepublik Deutschland für ein Patent und / oder für ein Gebrauchsmuster Bestimmungsstaat (Kapitel I) bzw. ausgewählter Staat (Kapitel II ) ist (Art. II § 4 bzw. § 6 IntPat ÜG ). Zur Erteilung eines nationalen Patentes sind die Bestimmungen des PatG bzw. für die Eintragung eines Gebrauchsmusters sind diejenigen des Gebrauchsmustergesetzes anzuwenden. Das gilt auch für weiterführende Verfahren, wie insbesondere für Einspruchs-, Nichtigkeits- und Verletzungsverfahren bzw. Gebrauchsmuster-Löschungsverfahren (s. u. 5. Kapitel) und dergleichen. Analog gilt das für die Fälle, bei denen das EPA Bestimmungsamt bzw. ausgewähltes Amt ist (Art. 153 EPÜ ). Die wirksame Einleitung einer regionalen Phase über das EPA führt zum sog. EURO - PCT Verfahren, in dem die Regelungen des EPÜ anzuwenden sind. Im Falle einer Patenterteilung durch das EPA ist eine anschließende Nationalisierung für die EPÜ - Bestimmungsstaaten einzuleiten, in denen das Patent Wirkung erlangen soll (s. o. 3. Kapitel). 251 Das EPA gewährt dafür eine Frist von 31 Monaten (R 159 AOEPÜ ). 169 § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt Ahrens 5. Kapitel. Gebrauchsmusterrecht Das Gebrauchsmuster, dessen gesetzliche Grundlage das geltende Gebr MG 252 ist, wird häufig als kleiner Bruder des Patents bezeichnet, da auch hiermit technische Erfindungen geschützt werden können, die neu, erfinderisch und gewerblich anwendbar sind. Es gibt also zwischen beiden Schutzrechtsarten viele Übereinstimmungen, jedoch auch deutliche Unterschiede. So z. B. bereits in der Definition von dem, was neu und erfinderisch ist, sowie in der Laufzeit (Schutzdauer), die bei einem Gebrauchsmuster maximal 10 Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Gebr MG ). Aufgrund des deutlich reduzierten Aufwandes bei dem Prüfungsverfahren zur Eintragung eines Gebrauchsmusters soll es vor allem Einzelerfindern sowie kleinen und mittleren Unternehmen schnell und kostengünstig ein leicht zu handhabendes Schutzrecht für ihre Alltagserfindungen zur Verfügung stellen. 253 In diesem Kapitel wird auf die Besonderheiten des Gebrauchsmusters und auf die wesentlichen Unterschiede zum Patent eingegangen. § 27 Gebrauchsmusterfähige Erfindungen, Neuheit und erfinderischer Schritt Als Gebrauchsmuster werden Erfindungen geschützt, die neu sind, auf einem erfinderischen Schritt beruhen und gewerblich anwendbar sind (§ 1 Abs. 1 Gebr MG ). Zur gewerblichen Anwendbarkeit wird auf die Erläuterungen zum Patentrecht verwiesen und es wird hier nicht weiter darauf eingegangen. I. Gebrauchsmusterfähige Erfindungen Unter Erfindungen werden-- wie auch im Patentrecht-- solche verstanden, die Technizität, also einen technischen Charakter aufweisen. Es können Erzeugnisse, Vorrichtungen, (elektrische, hydraulische) Schaltungen, Stoffe und dergleichen geschützt werden, jedoch keine Verfahren § 2 Nr. 3 Gebr MG ) und keine biotechnologischen Erfindungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 Gebr MG ). Somit sind also keine Ansprüche schutzfähig, die Herstellungsverfahren (wie Schweißen) oder Arbeitsverfahren (wie Messen) betreffen (zu Verfahrensansprüchen siehe auch oben § 16 II .). Dagegen sind Vorrichtungen schutzfähig, die derartige Verfahren ausführen, wie Schweißanlagen oder Messgeräte. Da auch Erzeugnisse schutzfähig sind und der Schutz entsprechender Gebrauchsmuster u. a. auch deren Herstellung umfasst (§ 11 Abs. 1 Gebr MG ), kann ein Gebrauchsmusterinhaber auf diese Weise auch gegen die Anwendung jedes Herstellungsverfahrens vorgehen, soweit sie zu dem geschützten Erzeugnis führt. 254 252 Gebrauchsmustergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. 8. 1986, zuletzt geändert durch Gesetz v. 17. 7. 2017 ( BGB l. I, S. 2541). 253 Begründung zum Gebr MG v. 28. 8. 1986; BT -Drucks. 10 / 3903, S. 16. 254 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 192. 170 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Somit kann also mittelbar Schutz für das Herstellungsverfahren erreicht werden. 255 Die Verwendung eines an sich bekannten Stoffes für ein Arzneimittel zur therapeutischen und präventiven Behandlung von Erkrankungen ist kein Verfahren i. S. v. § 2 Nr. 3 Gebr MG und somit gebrauchsmusterfähig, 256 obwohl Verwendungsansprüche sonst üblicherweise als eine Erscheinungsform des Verfahrensanspruchs gesehen werden. 257 II. Neuheit und Stand der Technik Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Gebr MG gilt der Gegenstand eines Gebrauchsmusters als neu, wenn er nicht zum SdT gehört. Trotz des analogen Wortlauts zu § 3 Abs. 1 S. 1 PatG ist der Neuheitsbegriff nach Gebr MG anders definiert als im Patentrecht, da die Definition des SdT anders ist. Außerdem gibt es Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Prioritäten. 1. Stand der Technik (SdT) Während im Patentrecht grundsätzlich 258 jede Veröffentlichung vor dem Zeitrang der Anmeldung zum SdT zählt und somit schädlich ist (siehe oben § 9 I. 1.), gilt dies nach Gebrauchsmustergesetz nur beschränkt, denn: ▶ eine bloß mündliche Erläuterung gehört nicht zum SdT; stattdessen wird eine schriftliche Beschreibung gefordert, die der Öffentlichkeit zugänglich sein muss; ▶ nur im Inland der Öffentlichkeit zugängliche Benutzungshandlungen werden dem SdT zugerechnet; eine Benutzung im Ausland hingegen ist nicht relevant; ▶ öffentliche Beschreibungen oder Benutzungen, die auf dem Anmelder oder seinem Rechtsnachfolger beruhen, gehören nicht zum SdT, wenn sie 6 Monate vor dem Zeitrang (Anmelde- oder Prioritätstag) der Gebrauchsmusteranmeldung erfolgen. Diese Neuheitsschonfrist bezieht sich also nicht zwangsläufig auf den Anmeldetag (wie beim offensichtlichen Missbrauch bzw. dem Ausstellungsschutz nach § 3 Abs. 4 PatG), sondern kann auch einen eventuellen Prioritätstag berücksichtigen; ▶ ältere Anmeldungen (also vorher angemeldet, jedoch nach dem Zeitrang des zu prüfenden Gebrauchsmusters veröffentlicht) gehören, anders als im Patentrecht (§ 3 Abs. 2 PatG), nicht zum SdT. Zu berücksichtigen ist aber das Verbot des Doppelschutzes nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 Gebr MG . Danach besteht ein Löschungsanspruch, wenn der Gegenstand des Gebrauchsmusters bereits aufgrund einer früheren Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung geschützt worden ist. 255 Benkard / Goebel / Engel, Gebr MG , § 2 Rdn. 13. 256 BGH GRUR 2006, 135 „Arzneimittelgebrauchsmuster“. 257 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 45. 258 Ausnahmen s. § 3 Abs. 4 PatG. 171 § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen Ahrens 2. Priorität Analog zum Patent kann für ein Gebrauchsmuster gem. § 6 Gebr MG eine innere Priorität und auch eine Auslandspriorität in Anspruch genommen werden (siehe auch oben § 12 II . 2.). Zusätzlich ist auch die Inanspruchnahme einer Ausstellungspriorität nach § 6a Gebr MG möglich. Das bedeutet, dass eine Zurschaustellung auf einer nach § 6a Abs. 2, 3 Gebr MG zugelassenen Ausstellung den Zeitrang des Gebrauchsmusters festlegen kann, sofern eine entsprechende Anmeldung innerhalb von 6 Monaten eingereicht und die nötigen Formalitäten eingehalten werden. III. Erfinderischer Schritt Auch nach Gebrauchsmusterrecht ist eine gewisse Erfindungsqualität Voraussetzung, so dass nicht Erfindungen geschützt werden dürfen, die auf rein handwerkliches Können zurückzuführen sind. Durch den Begriff „erfinderischer Schritt“, der im Gebr MG nicht definiert ist, 259 sollte lt. Gesetzesbegründung 260 das im Verhältnis zum Patent geringere Maß an notwendiger erfinderischer Leistung zum Ausdruck gebracht werden. Durch den BGH 261 wurde jedoch entschieden, dass bei der Beurteilung des erfinderischen Schritts auf die im Patentrecht entwickelten Grundsätze zur erfinderischen Tätigkeit-- jedoch unter Berücksichtigung des unterschiedlich definierten SdT-- zurückgegriffen werden kann. § 28 Der Weg zum Gebrauchsmuster und seine Wirkungen I. Gebrauchsmusteranmeldung und Abzweigung Um Gebrauchsmusterschutz nach § 11 Gebr MG zu erlangen, kann eine entsprechende Anmeldung nach §§ 4, 4a Gebr MG eingereicht werden. Eine Besonderheit des Gebrauchsmusterrechts besteht darin, dass eine solche Anmeldung auch durch Abzweigung von einer dieselbe Erfindung betreffenden Patentanmeldung bewirkt werden kann (§ 5 Gebr MG ), die Wirkung für das Inland hat. Dazu gehören nationale (nach PatG), europäische (nach EPÜ ) mit Benennung der Bundesrepublik und internationale (nach PCT ) Patentanmeldungen, bei denen das DPMA oder das EPA (mit Benennung der Bundesrepublik) 262 Bestimmungsamt ist. Die Abzweigung ist möglich bis zum Ablauf von 2 Monaten nach dem Ende des Monats, in dem die Patentanmeldung erledigt ist oder ein etwaiges Einspruchsverfahren abgeschlossen ist, jedoch längstens bis zum Ablauf von 10 Jahren nach dem Anmeldetag der Patentanmeldung. Als erledigt gilt eine Patentanmeldung dann, wenn sie rechtskräftig zurückgewiesen oder zurückgenommen wurde oder durch rechtskräftigen Beschluss ein Patent darauf erteilt wurde (das ist zeitlich zu unterscheiden von der Veröffentlichung der Erteilung im Patent- 259 Anders „erfinderische Tätigkeit“, die gem. § 4 PatG definiert ist. 260 BT -Drucks. 10 / 3903, S. 18. 261 BGH GRUR 2006, 842 „Demonstrationsschrank“. 262 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 24 Rdn. 195. 172 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens blatt). 263 Durch die Abzweigung wird der Gebrauchsmusteranmeldung der Anmeldetag und ggf. der Prioritätstag der Patentanmeldung zugerechnet. II. Recherche, Prüfung und Veröffentlichung Auf Antrag führt das DPMA eine Recherche durch und ermittelt den SdT, der für die Beurteilung der Schutzfähigkeit relevant sein kann (§ 7 Gebr MG ). Dieser Antrag kann vom Gebrauchsmusteranmelder bzw. -inhaber oder von einem Dritten gestellt werden. Das DPMA prüft eine Gebrauchsmusteranmeldung gem. § 8 Gebr MG auf die Anforderungen nach §§ 4, 4a, 4b Gebr MG . Das beinhaltet im Wesentlichen eine Prüfung auf Formerfordernisse. 264 Zusätzlich werden auch bestimmte materielle Schutzvoraussetzungen geprüft, wie insbesondere das Vorliegen einer technischen Erfindung, sowie ob die Anmeldung einen an sich ausgeschlossenen Gegenstand, wie Pflanzensorten, Tierarten oder ein Verfahren, betrifft. Eine Prüfung auf Neuheit, erfinderischen Schritt und gewerbliche Anwendbarkeit findet jedoch nicht statt (§ 8 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ). Nach erfolgreichem Abschluss dieser Prüfung wird das Gebrauchsmuster eingetragen. Erst dadurch wird die Erfindung im Rahmen des Verfahrens veröffentlicht. Das heißt, eine Offenlegung der Anmeldung vor Gebrauchsmuster- Eintragung analog § 31 Abs. 2 Nr. 2 PatG erfolgt nicht. III. Wirkungen des Gebrauchsmusters Ähnlich wie ein Patent (s. o. § 15) wirkt ein Gebrauchsmuster in unterschiedlichen „Dimensionen“, nämlich räumlich, zeitlich und durch den inhaltlichen Schutzbereich. Die räumliche Wirkung umfasst das gesamte Bundesgebiet. Die (maximale) Schutzdauer nach § 23 Gebr MG beträgt jedoch lediglich 10 Jahre ab dem Anmeldetag (also nicht ab einem eventuellen Prioritätstag). Dieser Zeitraum unterteilt sich nach § 23 Abs. 2 Gebr MG in 4 Abschnitte, nämlich 3+3+2+2-= 10 Jahre. Die ersten drei Jahre sind mit der Anmeldegebühr bezahlt. Für die letzten drei Abschnitte ist jeweils eine Aufrechterhaltungsgebühr zu zahlen. Die Schutzdauer ist zu unterscheiden von der Dauer der Schutzwirkung, die erst nach Eintragung gem. § 11 Gebr MG eintritt. Ein Entschädigungsanspruch vor Eintragung ist nicht vorgesehen (anders bei Patentanmeldungen; s. § 33 PatG) Der Schutzbereich wird bestimmt nach § 12a Gebr MG , der quasi wortgleich mit § 14 PatG ist. Ein Gebrauchsmuster unterliegt deshalb denselben Grundsätzen zur Auslegung wie ein Patent. 265 Da Verfahren und biotechnologische Erfindungen nicht gebrauchsmusterfähig sind, ist der mögliche Schutzbereich jedoch in dieser Hinsicht entsprechend eingeschränkter als bei einem Patent. 263 Benkard / Goebel / Engel, Gebr MG , § 5 Rdn. 13. 264 Eine solche Prüfung unterscheidet sich von der nach § 42 PatG auch dadurch, dass sie auch nicht-offensichtliche Punkte berücksichtigt-- Kraßer / Ann, Patentrecht, § 25 Rdn. 249. 265 BGH GRUR 2005, 754 „Knickschutz“. 173 § 29 Löschung Ahrens § 29 Löschung Jedermann hat gegen den als Inhaber Eingetragenen Anspruch auf Löschung des Gebrauchsmusters, wenn einer der in § 15 Abs. 1 Gebr MG genannten Gründe vorliegt. Die Löschung ist nach § 16 Gebr MG schriftlich beim DPMA zu beantragen und es sind dabei die Tatsachen anzugeben, auf denen sich der Antrag stützt. Das DPMA teilt dem Inhaber den Antrag mit und fordert ihn auf, sich dazu innerhalb eines Monats zu erklären. Widerspricht er nicht rechtzeitig, erfolgt die Löschung. Andernfalls wird das Löschungsverfahren gem. § 17 Gebr MG durchgeführt. Eine Löschung beseitigt das Gebrauchsmuster-- teilweise oder vollständig-- rückwirkend (ex tunc). § 30 Beschwerde Gegen die Beschlüsse des DPMA findet die Beschwerde an das BP atG statt (§ 18 Abs. 1 Gebr MG ). Gegen Beschlüsse des Beschwerdesenats des BP atG kann nach § 18 Abs. 4 Gebr MG auch die Rechtsbeschwerde an den BGH stattfinden. 175 § 31 Anwendungsbereiche des ArbEG Ahrens 6. Kapitel. Arbeitnehmererfinderrecht Schätzungen zufolge basieren 80-90 % aller im Inland eingereichten Patentanmeldungen auf Erfindungen, die von Arbeitnehmern gemacht wurden. 266 Einerseits steht nach § 6 S. 1 PatG grundsätzlich dem Erfinder das Recht auf das Patent zu. Andererseits besteht der arbeitsrechtliche Grundsatz, dass Arbeitsergebnisse dem Arbeitgeber zustehen. Dieser Konflikt wird durch das Arb EG (auch ArbnErfG genannt) 267 gelöst, das somit als Kollisionsnorm zwischen den arbeitsrechtlichen Grundsätzen und den Grundsätzen des allgemeinen Erfinderrechts konzipiert ist. Es ist außerdem als ein dem Arbeitsrecht zuzuordnendes Schutzgesetz zugunsten des Arbeitnehmererfinders anzusehen. 268 In dem Arb EG sind insbesondere die Anwendungsbereiche (persönlich, sachlich), die gegenseitigen Rechte und Pflichten von Arbeitnehmer und Arbeitgeber und die Vergütungsansprüche geregelt, für deren Bemessung ergänzend auch die Richtlinien 269 zu berücksichtigen sind, die nach § 11 Arb EG vom Bundesminister für Arbeit (und Sozialordnung) erlassen wurden. § 31 Anwendungsbereiche des Arb EG Nach § 1 Arb EG unterliegen dem Gesetz die Erfindungen und technischen Verbesserungsvorschläge von Arbeitnehmern im privaten und öffentlichen Dienst sowie von Beamten und Soldaten. I. Persönlicher Anwendungsbereich Die Vorschriften, die die Arbeitnehmer im privaten Dienst betreffen, bilden die Basis. Darauf aufbauend werden Besonderheiten für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes sowie für Beamte und Soldaten in den §§ 40 ff. Arb EG geregelt. Arbeitnehmer gem. Arb EG ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages oder eines diesem gleichgestellten Rechtsverhältnisses im Dienst eines anderen (d. h. in persönlich abhängiger Stellung) zur Arbeit verpflichtet ist 270 und dessen Arbeitsverhältnis deutschem Recht untersteht. 271 Darunter fallen sowohl 266 Bartenbach / Volz, Arb EG , Einleitung Rdn. 2. 267 Gesetz über Arbeitnehmererfindungen v. 25. 7. 1957 ( BGB l. I, S. 756), zuletzt geändert mit Wirkung zum 1. 10. 2009 durch das Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts v. 31. 7. 2009. Anm: Für Erfindungen und techn. Verbesserungsvorschläge, die vor dem 1. 10. 2009 gemeldet wurden, s. u. § 34 II . 268 Bartenbach / Volz, Arb EG , Einl. Rdn. 3. 269 „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst“ v. 20. 7. 1959, dazu Änderungsrichtlinie vom 1. 9. 1983 (s. GRUR 1984, 11), die gem. „Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im öffentlichen Dienst“ vom 1. 12. 1960 entsprechend auf Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst sowie auf Beamte und Soldaten anzuwenden sind. 270 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 34. 271 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 28. 176 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Arbeiter als auch Angestellte einschließlich Auszubildender, Praktikanten und leitende Angestellte. Arbeitnehmer in diesem Sinne sind jedoch nicht: 272 ▶ Organe juristischer Personen oder deren Mitglieder mangels arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit, wie Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer; ▶ Pensionäre sowie ▶ Freie Mitarbeiter. Für Erfindungen von Beschäftigten an einer Hochschule gelten besondere Bedingungen, die sich aus § 42 Arb EG ergeben. Der Begriff der Hochschule bestimmt sich nach § 1 Hochschulrahmengesetz und umfasst Universitäten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen usw. Beschäftigte sind alle dortigen Bediensteten, wie Arbeiter, Angestellte und Beamte, sowohl im wissenschaftlichen Bereich als auch in der allgemeinen Verwaltung, und auch wissenschaftliche und studentische Hilfskräfte usw. Nicht einbezogen sind jedoch solche Personen, bei denen ein Beschäftigungsverhältnis fehlt, wie bei Studenten, Gastdozenten und Lehrbeauftragten. 273 II. Sachlicher Anwendungsbereich 1. Erfindungen, Verbesserungsvorschläge Das Arb EG ist anwendbar auf: ▶ Erfindungen, sofern diese patent- oder gebrauchsmusterfähig sind (§ 2 Arb EG ); ▶ solche technischen Verbesserungsvorschläge, die zwar nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, jedoch dem Arbeitgeber eine ähnliche Vorzugsstellung gewähren, wie ein gewerbliches Schutzrecht (oft bezeichnet als „qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge“). Ansonsten bleibt die Behandlung von technischen Verbesserungsvorschlägen der Regelung durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung überlassen (s. §§ 3, 20 Arb EG ). Da qualifizierte technische Verbesserungsvorschläge in der Praxis kaum eine Rolle spielen und sonstige technische Verbesserungsvorschläge nicht unter das Arb EG fallen, soll hier darauf nicht weiter eingegangen werden. Nicht unter das Arb EG fallen somit also Neuerungen, die keine Technizität aufweisen, wie insbesondere Softwareprogramme und ästhetisches Design. Dafür können ggf. die Regelungen des UrhG gelten. 2. Diensterfindungen, freie Erfindungen Erfindungen im Sinne des Arb EG können Diensterfindungen oder freie Erfindungen sein (§ 4 Arb EG ). Diensterfindungen sind solche, die: 272 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 1 Rdn. 18 ff. m. w. Beispielen. 273 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 42nF Rdn. 10 ff, 17 ff. 177 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung Ahrens ▶ während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht werden und ▶ aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden sind oder ▶ maßgeblich auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebes (oder der öffentlichen Verwaltung) beruhen. Sonstige Erfindungen sind freie Erfindungen (s. u. § 33). Für die Dauer des Arbeitsverhältnisses sind rechtlicher Beginn und Beendigung entscheidend (z. B. vom 1. April 2005 bis zum 31. Dezember 2017). Ob die Erfindung in der Arbeitszeit oder während Urlaub, Krankheit, Freistellung oder dergleichen gemacht (also fertig gestellt) wurde, ist nicht entscheidend. Zur Klärung der Frage, ob eine Erfindung aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeit entstanden ist, kommt es auf dessen Aufgabenbereich sowie auf den ihm tatsächlich zugewiesenen (konkreten) Arbeits- und Pflichtenkreis an. 274 Auf Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht eine Erfindung, wenn der Arbeitnehmer Kenntnisse, die ihm im Unternehmen zugänglich geworden sind, für die erfinderische Problemlösung verwertet. Unter Erfahrungen ist das gesamte im Unternehmen vorhandene Wissen auf technischem Gebiet zu verstehen, wie Produktionsabläufe, Rezepturen, „praktische Kniffe“ usw., gleichgültig ob dieser Wissensstand schriftlich oder auf sonstigen Informationsträgern fixiert wurde oder ob es sich um Kenntnisse der Mitarbeiter handelt. 275 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung I. Erfindungsmeldung Ein Arbeitnehmer, der eine Diensterfindung gemacht hat, hat diese dem Arbeitgeber gesondert unter Berücksichtigung bestimmter Formerfordernisse zu melden. Dabei ist es wesentlich, dass der Arbeitgeber eine Diensterfindung von einem üblichen Arbeitsergebnis unterscheiden kann. Eine derartige Erfindungsmeldung hat unverzüglich (also gem. § 121 Abs. 1 S. 1 BGB „ohne schuldhaftes Zögern“) und in Textform (gem. § 126b BGB ) zu erfolgen und es ist kenntlich zu machen, dass es sich um die Meldung einer Erfindung handelt (§ 5 Abs. 1 Arb EG ). Die seit 1. Oktober 2009 geltende Textform erlaubt nun die Verkörperung der Erklärung nicht nur auf Papier, sondern insbesondere auch auf Diskette, CD - ROM , als Email oder Computerfax. Dem Lesbarkeitserfordernis ist bereits Genüge getan, wenn der Empfänger den Text auf seinem Bildschirm lesen kann. Die Person des Erklärenden muss genannt werden. Außerdem muss der Text den Abschluss der Erklärung in geeigneter Weise erkennbar machen. Dies kann durch eine Unterschrift geschehen; ausreichend ist aber auch ein Abschluss durch eine Datierung, durch eine Grußformel oder in sonstiger Weise. 276 274 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 4 Rdn. 22 ff. 275 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 4 Rdn. 39 ff. 276 Begründung d. Entw. eines Gesetzes zur Vereinfachung u. Modernisierung des Patentrechts, BT-Drucks. 16 / 11 339, S. 32. 178 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Inhaltlich sind gem. § 5 Abs. 2 Arb EG in der Erfindungsmeldung die technische Aufgabe, ihre Lösung und das Zustandekommen der Diensterfindung zu beschreiben. Nach dieser Norm sollen außerdem weitere Unterlagen und Angaben enthalten sein. Dazu gehören insbesondere vorhandene Aufzeichnungen, die für das Verständnis der Erfindung erforderlich sind, und Informationen zur Bestimmung des persönlichen Anteilsfaktors (s. u. III .) des Arbeitnehmers an der Erfindung. Sind mehrere Arbeitnehmer an dem Zustandekommen der Erfindung beteiligt, so können sie die Meldung gemeinsam abgeben und sollen dabei angeben, wer welchen Miterfinderanteil hat. Der Arbeitgeber hat den Zeitpunkt des Eingangs der Erfindungsmeldung unverzüglich in Textform zu bestätigen (§ 5 Abs. 1). Entspricht diese nicht den Anforderungen von § 5 Abs. 2 Arb EG , gilt sie dennoch als ordnungsgemäß, wenn der Arbeitgeber nicht innerhalb von zwei Monaten erklärt, dass und in welcher Hinsicht die Meldung einer Ergänzung bedarf (§ 5 Abs. 3 Arb EG ). II. Inanspruchnahme und deren Wirkung 1. Inanspruchnahme Um Rechte an einer Diensterfindung zu erlangen, muss der Arbeitgeber diese in Anspruch nehmen. Das kann durch eine ausdrückliche formlose Erklärung erfolgen oder aufgrund der gesetzlichen Fiktion nach § 6 Abs. 2 Arb EG , wonach die Inanspruchnahme als erklärt gilt, wenn der Arbeitgeber die Diensterfindung nicht bis zum Ablauf von vier Monaten nach Eingang der ordnungsgemäßen Erfindungsmeldung gegenüber dem Arbeitnehmer durch Erklärung in Textform freigibt. Damit wird die Inanspruchnahme zur Regel und die Freigabe zur ausdrücklich zu erklärenden Ausnahme, für die Formzwang besteht. 277 2. Wirkung der Inanspruchnahme Mit Inanspruchnahme gehen gem. § 7 Abs. 1 Arb EG alle vermögenswerten 278 Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über. Diese Rechtswirkungen treten unmittelbar ein, ohne dass es einer Zustimmung des Arbeitnehmers bedarf. Der Arbeitgeber ist nun also alleiniger Berechtigter und kann-- ohne jedoch dazu verpflichtet zu sein 279 -- die Rechte an der Erfindung in allen Benutzungsarten, z. B. des § 9 PatG, selbst nutzen und auch hieran Lizenzen vergeben. Sind an der Erfindung mehrere Arbeitnehmer beteiligt, so ist für einen vollständigen Rechtsübergang die ausdrückliche oder die per gesetzlicher Fiktion bewirkte Inanspruchnahme gegenüber jedem Miterfinder notwendig. Sind Arbeitnehmer verschiedener Arbeitgeber beteiligt, so hat der jeweilige Arbeitgeber die Inanspruchnahme gegenüber seinem Arbeitnehmererfinder ausdrücklich oder per gesetzlicher Fiktion zu erklären. 277 Begründung d. Entw. eines Gesetzes zur Vereinfachung u. Modernisierung des Patentrechts, BT-Drucks. 16 / 11 339, S. 33. 278 Insbesondere das Erfinderpersönlichkeitsrecht verbleibt beim Arbeitnehmererfinder. 279 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 7nF Rdn. 21. 179 § 32 Erfindungsmeldung, Inanspruchnahme und Erfindervergütung Ahrens Nach § 13 Abs. 1 Arb EG ist der Arbeitgeber allein berechtigt für eine Diensterfindung eine Schutzrechtsanmeldung (zum Patent oder Gebrauchsmuster) für das Inland 280 einzureichen. Er ist dazu sogar auch verpflichtet, sofern nicht eine Ausnahme gem. § 13 Abs. 2 Arb EG (freigewordene Diensterfindung, Zustimmung des Arbeitnehmers, Betriebsgeheimnis) vorliegt. Der Arbeitgeber ist außerdem berechtigt, Auslandsschutzrechte für die Diensterfindung einzureichen. Für ausländische Staaten, in denen der Arbeitgeber Schutzrechte nicht erwerben will, hat er dem Arbeitnehmer die Diensterfindung freizugeben. Dabei kann sich der Arbeitgeber gleichzeitig ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung der Diensterfindung in den betreffenden Staaten gegen angemessene Vergütung vorbehalten (§ 14 Arb EG ). Wenn der Arbeitgeber vor Erfüllung des Anspruchs auf angemessene Vergütung (s. u.) die Schutzrechtsanmeldung nicht weiter verfolgen oder das Schutzrecht nicht aufrechterhalten will, sei es im Inland oder im Ausland, 281 hat er dies dem Arbeitnehmer mitzuteilen und ihm auf dessen Verlangen und Kosten das Recht zu übertragen sowie die erforderlichen Unterlagen auszuhändigen. Dazu ist der Arbeitgeber jedoch nur dann verpflichtet, wenn der Anspruch auf angemessene Erfindervergütung (s. u.) noch nicht erfüllt ist (s. § 16 Abs. 1 Arb EG ). 3. Freigewordene Diensterfindung Die Diensterfindung wird gem. § 8 S. 1 Arb EG frei, wenn der Arbeitgeber sie durch Erklärung in Textform frei gibt. Eine derart frei gewordene Erfindung ist von einer freien Erfindung (als Gegensatz zu einer Diensterfindung) zu unterscheiden, da nach § 8 S. 2 Arb EG nur für letztere die Mitteilungspflicht und die Anbietungspflicht (nach § 18 bzw. § 19 Arb EG ) gelten. III. Erfindervergütung Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Erfindung in Anspruch genommen hat (§ 9 Abs. 1 Arb EG ). Dieser Anspruch entsteht zunächst nur dem Grunde nach. Er bedarf also noch einer Konkretisierung nach den Kriterien von § 9 Abs. 2 Arb EG , 282 nämlich: ▶ wirtschaftliche Verwertbarkeit; ▶ Aufgaben und Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb; ▶ Anteil des Betriebs am Zustandekommen der Diensterfindung. Zur Bestimmung einer angemessenen Vergütung wurden die bereits erwähnten Richtlinien nach § 11 Arb EG erlassen. Diese sind jedoch keine verbindlichen Vorschriften, sondern geben nur Anhaltspunkte für die Vergütung. 283 280 Das ist auch bewirkt durch eine europäische Patentanmeldung mit Benennung bzw. durch eine PCT Anmeldung mit Bestimmung der Bundesrepublik Deutschland; vgl. Bartenbach / Volz, Arb EG , § 13 Rdn. 27, 28. 281 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 16 Rdn. 7. 282 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 19. 283 Siehe Einleitung der o. g. Richtlinien v. 20. 7. 1959. 180 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Maßgeblich für die wirtschaftliche Verwertbarkeit sind: 284 ▶ der geldwerte Nutzen, der auf der Erfindung- - und nicht auf anderen Umständen- - beruht; ▶ die wirtschaftlichen Auswirkungen beim Arbeitgeber (z. B. durch Eigennutzung oder Lizenzeinnahmen). Das heißt, wirtschaftliche Auswirkungen bei Dritten 285 sind nicht maßgeblich. Das kann z. B. bedeutend sein, wenn der Arbeitgeber eine Forschungseinrichtung oder ein Entwicklungsbüro ist und das Forschungs-/ Entwicklungsergebnis an ein drittes Unternehmen mit Serienproduktion übertragen wird. Die Höhe der Erfindervergütung richtet sich in einem solchen Fall danach, welche Gegenleistung dem Arbeitgeber für die Erfindungsrechte gewährt wird. 286 Daraus ergibt sich der Erfindungswert, der bei betrieblich benutzten Erfindungen üblicherweise nach der Lizenzanalogie berechnet wird. 287 Wird die Erfindung nicht betrieblich benutzt, sondern durch Vergabe von Lizenzen verwertet, ergibt sich der Erfindungswert aus der Nettolizenzeinnahme, indem ▶ von tatsächlich erzielten Lizenzeinnahmen des Arbeitgebers seine eigenen Aufwendungen abgezogen werden 288 und sich der daraus ergebende Betrag (Nettolizenzeinnahme) ▶ zusätzlich mit einem Umrechnungsfaktor (ca. 0,3) multipliziert wird, durch den ein „kalkulatorischer Unternehmerlohn“ berücksichtigt wird. 289 Da ein Arbeitnehmererfinder bei der Entstehung der Diensterfindung kein unternehmerisches Risiko zu tragen hat, sieht § 9 Abs. 2 Arb EG noch die oben genannten zusätzlichen Kriterien für die Berechnung der Vergütung vor. In den Vergütungsrichtlinien wird das durch einen persönlichen Anteilsfaktor berücksichtigt, der bestimmt wird durch: a) die Stellung der Aufgabe (welcher Anteil geht auf den Arbeitnehmer zurück und welcher auf den Betrieb; s. a. Nr. 31 der Richtlinien); b) die Lösung der Aufgabe (inwiefern fließen beruflich geläufige Überlegungen des Arbeitnehmers ein, Lösungsfindung auf Grund betrieblicher Arbeiten oder Kenntnisse, welche Unterstützung erfolgte durch den Betrieb; s. a. Nr. 32 der Richtlinien); c) die Aufgaben und die Stellung des Arbeitnehmers im Betrieb (der Anteil des Arbeitnehmers verringert sich um so mehr, je höher die Leistungserwartung ist; d. h. ein Pförtner erhält weit mehr als ein Entwicklungsleiter; s. a. Nr. 33-36 der Richtlinien). Somit kann die Berechnung der Vergütung (V) aus Erfindungswert (E) und persönlichem Anteilsfaktor (A) in folgender Formel ausgedrückt werden: V-= E x A. Es versteht sich, dass 284 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 2.1 ff. 285 Im Falle einer Konzernverbundenheit s. BGH GRUR 2002, 801 „Abgestuftes Getriebe“. 286 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 197. 287 BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 104 / 09, „antimykotischer Nagellack“ m. w. Nachw. 288 S. Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im privaten Dienst, Nr. 14. 289 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 9 Rdn. 224.1. 181 § 33 Freie Erfindungen Ahrens die einzelnen Faktoren für eine Vergütung immer individuell zu ermitteln sind, wobei eine Vielzahl von betrieblichen und persönlichen Fakten zu berücksichtigen ist. Die Art und die Höhe der Vergütung soll in angemessener Frist nach Inanspruchnahme durch Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festgestellt werden. Kommt eine derartige Vereinbarung in angemessener Frist nicht zustande, so hat der Arbeitgeber die Vergütung durch eine schriftliche Erklärung, die zu begründen ist, an den Arbeitnehmer festzusetzen und diese zu zahlen. Der Arbeitnehmer kann der Festsetzung innerhalb von zwei Monaten schriftlich widersprechen. Tut er das nicht, so wird die Festsetzung für beide Teile verbindlich (s. dazu und zu weiteren Einzelheiten § 12 Arb EG ). Wenn eine Diensterfindung in Anspruch genommen wurde, ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Arbeitnehmererfinder über den betrieblichen Nutzen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen. 290 Jedoch stehen dem Arbeitnehmererfinder Ansprüche auf Auskunft über den gemachten Gewinn sowie über die Gestehungs- und Vertriebskosten üblicherweise nicht zu. 291 Für Erfindungen, die Beschäftigte an einer Hochschule gemacht haben, gelten gem. § 42 Arb EG besondere Bestimmungen. So ist der Erfinder berechtigt, seine Diensterfindung im Rahmen seiner Lehr- und Forschungstätigkeit zu offenbaren, wenn er dies dem Dienstherrn rechtzeitig angezeigt hat. Der Hochschul-Erfinder ist außerdem nicht verpflichtet, die Erfindung dem Dienstherrn zu melden, sofern er sie nicht veröffentlichen möchte (Publikationsfreiheit). Außerdem hat der Hochschul-Erfinder einen deutlich höheren Anspruch auf Erfindervergütung aufgrund von § 42 Nr. 4 Arb EG , nämlich pauschal 30 % der durch die Verwertung erzielten Einnahmen. Die für Arbeitnehmer üblicherweise geltenden Bestimmungen nach § 9 Abs. 2 Arb EG , wie wirtschaftliche Verwertbarkeit und persönlicher Anteilsfaktor, gelten somit für Hochschulbeschäftigte nicht. Dabei handelt es sich um eine vom Gesetzgeber gewollte Ungleichbehandlung, die keinen Einfluss hat auf die Ermittlung der angemessenen Erfindervergütung nach § 9 Abs. 2 Arb EG . 292 § 33 Freie Erfindungen Eine patent- oder gebrauchsmusterfähige Erfindung, die ein Arbeitnehmer gemacht hat, ist eine freie Erfindung, sofern die Voraussetzungen für eine Diensterfindung nicht vorliegen (s. § 4 Abs. 1-3 Arb EG ). Das ist also dann der Fall, wenn: ▶ die Erfindung vor Beginn oder nach Ende des Arbeitsverhältnisses gemacht wurde oder ▶ die Erfindung weder aus der dem Arbeitnehmer obliegenden Tätigkeiten entstanden ist noch maßgeblich auf betrieblichen Erfahrungen oder Arbeiten des Betriebs beruht. 290 Kraßer / Ann, Patentrecht, § 21 Rdn. 115 mit weiteren Nachweisen. 291 BGH GRUR 2010, 223 „Türinnenverstärkung“. 292 BGH v. 6. 3. 2012, X ZR 104 / 09, „antimykotischer Nagellack“. 182 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Bei freien Erfindungen, die während der Dauer des Arbeitsverhältnisses gemacht wurden, 293 hat der Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 3 i. V. m. § 18 Arb EG gegenüber seinem Arbeitgeber grds. eine Mitteilungspflicht; er hat für solche Erfindungen nach § 19 Arb EG weiterhin eine Anbietungspflicht, wenn die Erfindung zum Zeitpunkt des Angebots in den vorhandenen oder vorbereiteten Arbeitsbereich des Betriebes des Arbeitgebers fällt. Die Mitteilungspflicht dient dem Arbeitgeber festzustellen, ob eine Erfindung als freie oder als Diensterfindung einzustufen ist. Von dieser Pflicht ist der Arbeitnehmer nur befreit, wenn die Erfindung offensichtlich im Arbeitsbereich des Betriebs nicht verwendbar ist. Im Rahmen der Anbietungspflicht ist dem Arbeitgeber mindestens ein nichtausschließliches Recht zur Benutzung zu angemessenen Bedingungen anzubieten, bevor der Arbeitnehmer eine freie Erfindung während der Dauer des Arbeitsverhältnisses anderweitig verwertet. Außerhalb der Pflichten der §§ 18, 19 Arb EG geht das Arb EG bei freien Erfindungen von der unbeschränkten Verfügungs- und Verwertungsbefugnis des Arbeitnehmers aus. Ergänzend sei jedoch auf die Treuepflicht des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber hingewiesen. 294 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften I. Schiedsverfahren und gerichtliche Verfahren Zur Klärung von Streitfällen über Arbeitnehmererfindungen gibt es einerseits die Möglichkeit eines Verfahrens vor der beim DPMA eingerichteten Schiedsstelle (§ 29 Abs. 1 Arb EG ) und andererseits die Möglichkeit von Gerichtsverfahren. Diese finden grundsätzlich (Ausnahmen siehe § 39 Abs. 2 Arb EG ) vor den für Patentstreitsachen zuständigen Gerichten (§ 39 Arb EG ) statt. Ein solches Gerichtsverfahren ist üblicherweise erst möglich, nachdem ein Schiedsverfahren vorausgegangen ist (§ 37 Arb EG ). Die Schiedsstelle, die in allen Streitfällen aufgrund des Arb EG jederzeit durch schriftlichen Antrag angerufen werden kann, hat zu versuchen, eine gütliche Einigung herbeizuführen (§§ 28, 31 Abs. 1 Arb EG ). Sie macht den Beteiligten einen begründeten Einigungsvorschlag, gegen den ein fristgebundener schriftlicher Widerspruch gegeben ist. Sofern keiner der Beteiligten fristgerecht widerspricht, gilt der Einigungsvorschlag als angenommen und eine dem Inhalt des Vorschlags entsprechende Vereinbarung als zustande gekommen (§ 34 Abs. 2, 3 Arb EG ). Das Verfahren vor der Schiedsstelle ist gem. § 35 Abs. 1 Arb EG erfolglos beendet, wenn sich derjenige, der den oben genannten Antrag nicht gestellt hat, nicht fristgerecht zu dem Antrag schriftlich geäußert oder es abgelehnt hat, sich auf das Verfahren vor der Schiedsstelle einzulassen, oder wenn einer der Beteiligten wirksam dem Einigungsvorschlag widerspricht. 293 Die Beschränkung „während der Dauer des Arbeitsverhältnisses“ ergibt sich bei § 18 aus dem Wortlaut und bei § 19 aus Bartenbach / Volz, Arb EG , § 19 Rdn. 7. 294 Bartenbach / Volz, Arb EG , § 18 Rdn. 5. 183 § 34 Schiedsverfahren, gerichtliche Verfahren und Übergangsvorschriften Ahrens II. Übergangsvorschriften Die aktuellen Bestimmungen des Arb EG gelten seit dem 1. Oktober 2009. Nach der Übergangsvorschrift (§ 43 Abs. 3 Arb EG ) sind für Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge, die bis zum 30. September 2009 gemeldet wurden, weiterhin die damaligen Regelungen anzuwenden. Dazu gehört insbesondere: ▶ bei der Inanspruchnahme wurde unterschieden zwischen der beschränkten und der unbeschränkten Inanspruchnahme. Die heutige „Inanspruchnahme“ entspricht der damaligen „unbeschränkten Inanspruchnahme“. Die beschränkte Inanspruchnahme unterschied sich hauptsächlich dadurch, dass der Arbeitgeber lediglich ein nicht-ausschließliches Benutzungsrecht an der Erfindung erwarb, vergleichbar mit einer einfachen Lizenz. Im Übrigen wurde die Diensterfindung frei. In der Praxis wurde davon jedoch selten Gebrauch gemacht; ▶ die Inanspruchnahme musste früher schriftlich innerhalb von vier Monaten gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgen. Es galt seinerzeit also nicht die gesetzliche Fiktion der Inanspruchnahme ohne weiteres Zutun; ▶ anstelle der heute erforderlichen Textform (nach § 126b BGB ) galt für die entsprechenden Vorschriften früher die Schriftform nach (§ 126 Abs. 1 BGB ), die eine eigenhändige Unterschrift erfordert; ▶ die Regelungen bei einer Insolvenz des Arbeitgebers wurden geändert und zwar insbesondere bzgl. der Anbietungspflicht des Insolvenzverwalters (§ 27 Nr. 3 Arb EG ). Früher galt stattdessen ein Vorkaufsrecht des Arbeitnehmers. Nach den entsprechenden Regelungen in §§ 469 ff. BGB musste der Insolvenzverwalter zunächst mit einem dritten Kaufinteressenten einen Vertrag schließen. Erst nach Mitteilung dieses Vertrags war es früher für den Arbeitnehmer möglich, sein Vorkaufsrecht durch Abschluss eines neuen, selbständigen Kaufvertrags mit dem Insolvenzverwalter zu begründen. Diese Handhabung hat sich in der Praxis als zu langwierig und schwerfällig erwiesen. 295 295 Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts, BT -Drucks. 16 / 11 339, S. 34 f. 184 Zweiter Abschnitt: Der Schutz technischer Ideen Ahrens Abb. 3: Übersicht DE -, EP -, PCT -Verfahren Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten 187 § 35 Halbleiterschutz Pierson § 35 Halbleiterschutz Wie bereits im einführenden Überblick erwähnt (s. o. § 2, IV ., 1.), handelt es sich beim Halbleiterschutzgesetz ( HLS chG) aus dem Jahre 1987 um das jüngste eigenständige Sondergesetz des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Verabschiedung des Gesetzes erfolgte in Umsetzung der EG -Richtlinie über den Rechtsschutz der Topographien von Halbleitererzeugnissen. 1 I. Einordnung und Zweck Beim Halbleiterschutz handelt es sich um einen sog. sui generis Schutz, der Elemente des Urheberrechtsschutzes mit solchen gewerblicher Schutzrechte verbindet. Verkürzt handelt es sich um den Schutz eines technischen Erzeugnisses (Halbleiterchip), wobei der Schutz allerdings nicht durch den Inhalt der technischen Problemlösung, sondern durch das sog. Layout- Design der Topographie- - die konkrete Form der geometrischen Gestaltung- - begründet wird. Die Entwicklung des Schutzes der Topographien von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen beruht auf international-rechtlicher Verflechtung. Ausgangspunkt war der sog. Semiconductor Chip Protection Act der USA von 1984, in dessen Genuss Ausländer nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit gelangten. Hierdurch entstand Handlungsdruck auf andere Industrienationen, entsprechende Schutzsysteme zu schaffen. Gemessen an den Anmeldezahlen ist die praktische Bedeutung dieses sehr speziellen Schutzinstruments allerdings sehr gering. Wie die alljährlich veröffentlichten Anmeldestatistiken des DPMA belegen, wird es- - anders als in den Anfangsjahren nach Einführung des Schutzes in 1987- - kaum noch nachgefragt. Im Jahre 2016 gingen beim DPMA lediglich acht neue Anmeldungen ein. 2 Die bereits seit vielen Jahren niedrigen Anmeldezahlen nach dem Halbleiterschutzgesetz lassen den Rückschluss zu, dass der Fortschritt im Bereich der Halbleitertechnologie einen Schutz der Erzeugnisse durch das Halbleiterschutzrecht offenbar kaum mehr notwendig macht. 3 Da der Halbleiterschutz ein international anerkannter Bestandteil des gewerblichen Rechtsschutzes ist (vgl. Art. 35 bis 38 TRIPS -Abkommen), soll auf eine zumindest knappe Darstellung dieses Schutzinstruments im Interesse der Vollständigkeit gleichwohl nicht verzichtet werden. II. Schutzvoraussetzungen 1. Materielle Schutzvoraussetzungen, Berechtigter Voraussetzung der Schutzfähigkeit einer dreidimensionalen Struktur eines Halbleitererzeugnisses (Topographie) ist, dass sie „Eigenart“ aufweist (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLS chG). Nach der Legaldefinition weist eine Topographie Eigenart auf, „wenn sie als Ergebnis geistiger Arbeit nicht durch bloße Nachbildung einer anderen Topographie hergestellt und nicht alltäglich 1 Richtlinie 87 / 54 / EWG v. 16. 12. 1986, AB l. EG Nr. C 24 / 36 v. 27. 1. 1987. 2 Jahresbericht des DPMA 2017, S. 93. 3 So bereits der Jahresbericht des DPMA 2008, S. 27. 188 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson ist“ (§ 1 Abs. 2 HLS chG). Durch das Erfordernis der Eigenart sollen ohne eigene geistige Arbeit geschaffene Topographien, die folglich keine Entwicklungsarbeit bzw. keine besonderen Investitionskosten verursacht haben, vom Schutz ausgenommen werden. Die zu schützende Topographie darf daher nicht „alltäglich“ sein, d. h. dem in diesem Industriebereich allgemein üblichen Standard entsprechen, noch darf sie eine „bloße Nachbildung“ einer fremden Topographie, d. h. von einer anderen schlicht „abgekupfert“ sein. 4 Da sich das Erfordernis der „Eigenart“ weder mit dem Erfordernis einer „persönlich geistigen Schöpfung“ im Sinne des Urheberrechts (§ 2 Abs. 2 UrhG) noch dem einer „erfinderischen Tätigkeit“ im Sinne des Patentrechts (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG) deckt, muss sich eine Topographie, für die Schutz begehrt wird, allerdings weder durch Erfindungshöhe im Sinne des Patentrechts noch etwa durch Werkhöhe im Sinne des Urheberrechts auszeichnen. Im Verhältnis zu diesen Anforderungen stellt das Erfordernis der „Eigenart“ ein Minus dar. 5 Berechtigter ist derjenige, der die Topographie geschaffen hat (§ 2 Abs. 1 S. 1 HLS chG). Bei im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder im Auftrag geschaffenen Topographien steht das Recht auf den Schutz dem Arbeitgeber oder dem Auftraggeber zu, sofern nichts anderes bestimmt ist (§ 2 Abs. 2 HLS chG) 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Die Entstehung des Halbleiterschutzes (Topographieschutzes) setzt-- wie grundsätzlich auch im Falle der Erlangung anderer gewerblicher Schutzrechte-- eine Registrierung voraus (§§ 3, 4 HLS chG). Ausschlaggebend für die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers zugunsten eines nach der Richtlinie nicht vorgeschriebenen Registrierungserfordernisses waren Erwägungen einer damit verbundenen größeren Rechtssicherheit. 6 Die Registrierung ermöglicht es grundsätzlich jedermann, Einsicht in die Unterlagen über geschützte Topographien zu nehmen und sich so über den Bestand an bestehenden Schutzrechten zu informieren. Für eine Registrierung sprach ferner, dass die Registrierung und die damit verbundene Offenbarung der geistigen Leistung bei den traditionellen technischen Schutzrechten (Patent- und Gebrauchsmuster) als selbstverständliche Gegenleistung für die Gewährung eines Ausschließlichkeitsrechts verstanden wird. 7 Das Anmelde- und Eintragungsverfahren, das nur eine Formalprüfung ohne Prüfung der materiellen Schutzvoraussetzungen vorsieht (vgl. § 4 Abs. 1 HLS chG), ist in Anlehnung an das Gebrauchsmustergesetz geregelt, enthält jedoch auch inhaltliche, dem unterschiedlichen Wesen der jeweiligen Schutzgegenstände Rechnung tragende, Abweichungen. So sieht die Anmeldung im Gegensatz zum Gebrauchsmustergesetz, das eine „Beschreibung des Gegenstandes des Gebrauchsmusters“ vorschreibt (§ 4 Abs. 3 Nr. 4 Gebr MG ), lediglich die Vorlage von „Unterlagen zur Identifizierung oder Veranschaulichung der Topgraphie oder eine Kombination davon“ vor (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 HLS chG). Die vergleichsweise geringeren Anforderungen, die damit an die Offenbarung des Schutzgegenstandes gestellt werden, erklären sich aus der Tatsache, dass der Schutzgegenstand der 4 BT -Drucks. 11 / 454, S. 16. 5 Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 43; Koch, NJW 1988, 2446. 6 Vgl. BT -Drucks. 11 / 454, S. 14, 18. 7 Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 28. 189 § 35 Halbleiterschutz Pierson Topgraphie-- anders als sonstige technische Problemlösungen-- einer Beschreibung durch eine schriftliche Darstellung schwer zugänglich ist. Da die Schutzwirkungen des als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestalteten Topgraphieschutzes hinter denen des Patent- und Gebrauchsmusterschutzes zurückbleiben, wurden die geringeren Offenbarungsanforderungen überwiegend auch als rechtspolitisch vertretbar angesehen. 8 3. Schutzentstehung, Geltendmachung Der Zeitpunkt der Entstehung des Halbleiterschutzes weicht von den Entstehungstatbeständen der traditionellen Schutzrechte nicht unerheblich ab. Das Schutzrecht entsteht bereits an dem Tag der ersten nicht nur vertraulichen geschäftlichen Verwertung der Topographie, sofern die Anmeldung innerhalb von zwei Jahren nach dieser Verwertung erfolgt, oder mit dem Tag der Anmeldung der Topgraphie beim Patentamt, wenn sie zuvor nicht oder nur vertraulich geschäftlich verwertet worden ist (§ 5 Abs. 1 HLS chG). Das Schutzrecht entsteht also weder, wie im Urheberrecht, mit der Schöpfung noch, wie bei den traditionellen Schutzrechten, mit der Eintragung, sondern knüpft an hiervon zu unterscheidende Realakte an. Das Schutzrecht kann jedoch, auch wenn es bereits zuvor durch geschäftliche Verwertung entstanden ist, erst dann geltend gemacht werden, wenn die Topographie beim Patentamt angemeldet worden ist (§ 5 Abs. 3 HLS chG). Wie das Registrierungserfordernis beruht auch diese nicht durch die Richtlinie vorgeschriebene Regelung auf Rechtssicherheitserwägungen. Aus Schutzrechten soll grundsätzlich gegenüber Dritten nur vorgegangen werden können, wenn diese zuvor Gelegenheit hatten, sich im Wege der Akteneinsicht beim DPMA über dessen Bestand und Inhalt zu informieren. 9 III. Wirkungen des Halbleiterschutzes Der Schutz der Topographie hat die Wirkung, dass allein der Inhaber des Schutzes befugt ist, sie zu verwerten (§ 6 Abs. 1 S. 1 HLS chG). 1. Schutzgegenstand, Schutzumfang, Schutzdauer Schutzgegenstand des Halbleiterschutzes sind „Topographien“, definiert als dreidimensionale Strukturen von mikroelektronischen Halbleitererzeugnissen (§ 1 Abs. 1 S. 1 HLS chG), z. B. die eines Speicherchips oder Prozessors. Dem gleichgestellt sind selbständig verwertbare Teile sowie Darstellungen zur Herstellung von Topographien (§ 1 Abs. 1 S. 2 HLS chG). Hervorzuheben ist, dass sich der Schutz ausdrücklich nur auf den Schutzgegenstand-- die Topographie der Schaltung als solche- -, nicht jedoch auf die der Topographie zugrunde liegenden Entwürfe, Verfahren, Systeme, Techniken oder auf die in einem mikroelektronischen Halbleitererzeugnis gespeicherten Informationen erstreckt (§ 1 Abs. 4 HLS chG). Geschützt ist also 8 Vgl. BT -Drucks. 11 / 454, S. 19; Koch, NJW 1988, 2246, 2249. 9 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 190 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson lediglich die geometrische Gestaltung des Halbleitererzeugnisses. Diese Beschränkung ist bedeutsam für die Abgrenzung des Schutzgegenstandes gegenüber den Schutzgegenständen der traditionellen Schutzrechte des Immaterialgüterrechts. So kann an einem neuartigen, erfinderischen Verfahren zur Halbleiterherstellung durchaus Patentschutz, an einer der Topographie zugrunde liegenden neuartigen Schaltung Patent- oder Gebrauchsmusterschutz oder etwa an der Zeichnung für das Layout einer Maske Urheberrechtsschutz bestehen. 10 Der Halbleiterschutz hingegen ist ein vom Inhalt der Problemlösung unabhängiger, sich allein auf die Topographie als solche beschränkender Minimalschutz. Was den Schutzumfang angeht, wird die Wirkung des Halbleiterschutzes dadurch beschränkt, dass nach § 6 Abs. 2 HLS chG Handlungen im privaten Bereich (Nr. 1), Nachbildungen der Topographie zum Zwecke der Analyse, der Bewertung oder Ausbildung (Nr. 2) sowie die geschäftliche Verwertung einer Topographie, die das Ergebnis einer Analyse oder Bewertung nach Nr. 2 ist und Eigenart im Sinne von § 1 Abs. 2 HLS chG aufweist (Nr. 3- - sog. reverse engineering), vom Schutz ausgenommen sind. Der Schutz der Topographie endet mit Ablauf des 10. Kalenderjahres nach dem Jahr des Schutzbeginns (§ 5 Abs. 2 HLS chG). Da sich die zehnjährige Schutzdauer von dem letzten Tag des Kalenderjahres an berechnet, in dem das Schutzrecht entstanden ist, kann sich die effektive Dauer des Schutzes im Einzelfall auf fast elf Jahre verlängern. 11 2. Rechte des Schutzrechtsinhabers Das Gesetz sichert dem Schutzrechtsinhaber den Lohn seiner geistigen Arbeit, indem es ihm ein ausschließliches Nachbildungs- und Verwertungsrecht an dem Ergebnis seiner Entwicklung gewährt. Nach § 6 Abs. 1 S. 2 HLS chG ist es jedem Dritten verboten, ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers die Topographie nachzubilden (Nr. 1) bzw. die Topographie oder das die Topgraphie enthaltende Halbleitererzeugnis anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu verbreiten oder zu den genannten Zwecken einzuführen (Nr. 2). Das Halbleiterschutzrecht ist damit entsprechend seiner Funktion, Wettbewerbsverzerrungen infolge Vermeidung eigenen Entwicklungs- und Investitionsaufwandes zu verhindern, als bloßes Kopier- und Verwertungsverbot ausgestaltet. Anders als im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG, 11 Abs. 1 S. 2 Gebr MG ) ist der bloße Besitz und Gebrauch der geschützten Topographie nicht von der Zustimmung des Schutzrechtsinhabers abhängig, d. h. jeder Dritte darf die geschützte Topographie selbst zu geschäftlichen Zwecken erwerben, besitzen und gebrauchen. 12 3. Ansprüche des Schutzrechtsinhabers Derjenige, der die Topographie ohne Zustimmung des Schutzrechtsinhabers nachbildet oder verwertet, d. h. den Schutz entgegen § 6 Abs. 1 HLS chG verletzt, kann vom Verletzten auf Unterlassung und im Falle des Verschuldens auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden (§ 9 Abs. 1 S. 1, 2 HLS chG). Was die Bemessung des Schadens angeht, wurde im Zuge 10 Dreier, GRUR Int. 1987, 645, 656; Steup / Koch in Lehmann (Hrsg.), VII Rdn. 46. 11 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 12 BT -Drucks. 11 / 454, S. 22. 191 § 36 Sortenschutzrecht Pierson des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (im Einzelnen hierzu s. u. § 87 II . 2.) auch für das Halbleiterschutzrecht durch Verweisung auf § 24 Abs. 2 S. 2 und 3 Gebr MG klargestellt, dass insoweit auch der Gewinn des Verletzers, den dieser durch die Rechtsverletzung erlangt hat, berücksichtigt werden kann; ferner, dass der Schadensersatz auch im Wege der sog. Lizenzanalogie berechnet werden kann (§ 9 Abs. 1 S. 3 HLS chG). § 36 Sortenschutzrecht I. Einordnung und Zweck Das Sortenschutzrecht ist ein dem Patentrecht ähnliches gewerbliches Schutzrecht des Pflanzenzüchters für Leistungen auf dem Gebiet der Pflanzenzüchtungen. Es ist zugleich das modernste gewerbliche Schutzrecht, das in seiner Ausgestaltung zwar an die Regelungen des Patentschutzes angeglichen, jedoch auf die Besonderheiten der Pflanzenzüchtung-- der lebenden Materie-- zugeschnitten ist. 13 Zweck des Sortenschutzes ist es, dem Züchter und Entdecker 14 einer neuen Pflanzensorte (z. B. einer neuen Mais-, Weizen- oder Rosensorte) durch die Gewährung eines gewerblichen Schutzrechtes, das ihn zeitlich begrenzt zur ausschließlichen Auswertung einer Pflanzensorte berechtigt, einen Anreiz zum Züchten oder Auffinden neuer Sorten zu bieten und auf diese Weise den Fortschritt auf dem Gebiet des Pflanzenbaus zu fördern. 15 Zu vergegenwärtigen ist, dass die Züchtung einer neuen Pflanzensorte regelmäßig den Einsatz erheblicher Arbeit, von Kapital und Zeit erfordert. Durchschnittlich dauert es mindestens 10 Jahre, um eine neue Pflanze zu schaffen. 16 Auch im Bereich des Sortenschutzes spiegeln sich also die allgemeinen Ziele des gewerblichen Rechtsschutzes wider, nämlich durch die Gewährung gewerblicher Schutzrechte im Sinne der Förderung des Fortschritts zu Innovationsaktivitäten anzureizen (s. o. § 7 I.). Gesetzliche Grundlage des Sortenschutzes ist, wie bereits skizziert (s. o. § 2 IV . 2.), das Sortenschutzgesetz (SortG), das im Jahre 1997 zwecks Anpassung an Bestimmungen des internationalen Sortenschutzrechtes grundlegend geändert und neu gefasst wurde. 17 Was das Verhältnis zum Patentrecht angeht, existiert das sog. Doppelschutzverbot, d. h. soweit Sortenschutzrecht eingreift, sind Pflanzenzüchtungen von der Patentierung ausgeschlossen. 18 13 Leßmann, GRUR 1986, 279; Wuesthoff / Leßmann / Wendt, Sortenschutzgesetz, S. 32. 14 Im Gegensatz zum Patentrecht (s. o. § 5 II . 1.) erstreckt sich der Sortenschutz auch auf Entdeckungen, d. h. das Auffinden einer neuen Sorte. 15 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 171; Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 1 f; BeckOK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 4. 16 Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, S. 95 Rdn. 1. 17 Gesetz vom 17. 7. 1997 ( BGB l. I, S. 1854; Neubekanntmachung v. 19. 12. 1997 BGB l. I, S. 3164); umfassende Informationen zum Sortenschutz abrufbar auf der Seite des BSA unter: http: / / www.bundessortenamt. de (letzter Abruf: 04 / 2018). 18 Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 13. 192 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson II. Schutzvoraussetzungen Wie grundsätzlich für andere gewerbliche Schutzrechte auch, ist für die Erteilung des Sortenschutzes das Vorliegen bestimmter materieller und formeller Voraussetzungen erforderlich. 1. Materielle Schutzvoraussetzungen Die materiellen Schutzvoraussetzungen 19 ergeben sich aus § 1 SortG. Sortenschutz wird danach für eine Pflanzensorte (Sorte) erteilt, wenn sie ▶ unterscheidbar ▶ homogen ▶ beständig ▶ neu und ▶ durch eine eintragbare Sortenbezeichnung bezeichnet ist (vgl. § 1 Abs. 1 SortG). Der Begriff der Sorte ist-- so wie weitere für die Anwendung des Gesetzes bedeutsame Begriffe-- gesetzlich definiert (vgl. § 2 Nr. 1a SortG). Im Übrigen sind auch die Anforderungen an die materiellen Schutzvoraussetzungen im Gesetz im Einzelnen geregelt. Unterscheidbarkeit einer Sorte ist gegeben, wenn sie sich in der Ausprägung wenigstens eines maßgebenden Merkmals von jeder anderen am Antragstag allgemein bekannten Sorte deutlich unterscheiden lässt (§ 3 Abs. 1 S. SortG). Das Bundessortenamt teilt auf Anfrage für jede Art die Merkmale mit, die es für die Unterscheidbarkeit der Sorten dieser Art als maßgebend ansieht; die Merkmale müssen genau erkannt und beschrieben werden können (§ 3 Abs. 1 S. 2 SortG). § 3 Abs. 2 SortG enthält eine beispielhafte Aufzählung der Handlungen, die die allgemeine Bekanntheit einer Sorte begründen (1. Eintragung in ein amtliches Verzeichnis von Sorten; 2. Eintragung beantragt und Antrag stattgegeben oder 3. Vermehrungsmaterial oder Erntegut der Sorte wurde bereits zu gewerblichen Zwecken in den Verkehr gebracht). Homogenität einer Sorte ist zu bejahen, wenn sie, abgesehen von Abweichungen auf Grund der Besonderheiten ihrer Vermehrung, in der Ausprägung der für die Unterscheidbarkeit maßgebenden Merkmale hinreichend einheitlich ist (§ 4 SortG). Das heißt, Pflanzen einer Pflanzensorte müssen unter Berücksichtigung der Naturgegebenheiten in ihren wesentlichen Eigenschaften ein einheitliches äußeres Erscheinungsbild liefern oder einheitliche physiologische Eigenschaften aufweisen. 20 Beständigkeit einer Sorte ist gegeben, wenn sie in der Ausprägung der für die Unterscheidbarkeit maßgebenden Merkmale nach jeder Vermehrung hinreichend einheitlich ist (§ 5 SortG). Die maßgebenden Merkmale müssen sich von Generation zu Generation vererben. 21 Was das Erfordernis der Neuheit angeht, so gilt eine Sorte als neu, wenn Pflanzen oder Pflanzenteile der Sorte mit Zustimmung des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers vor dem Antragstag nicht oder nur innerhalb der 19 Zu diesen vgl. Leßmann / Würtenberger, Sortenschutz, § 2 Rdn. 46 ff; Beck OK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 9 ff. 20 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 187. 21 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 187. 193 § 36 Sortenschutzrecht Pierson Neuheitsschonfristen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 SortG) zu gewerblichen Zwecken an andere abgegeben worden sind. Die als Schutzvoraussetzung erforderliche, der Kennzeichnung der Sorte dienende Sortenbezeichnung ist eintragbar, wenn kein gesetzlicher Ausschlussgrund (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1-6., § 7 Abs. 3 SortG) vorliegt (§ 7 Abs. 1 SortG). 2. Formelle Schutzvoraussetzungen Formelle Voraussetzung für die Erlangung des Sortenschutzes ist, dass vom Antragsteller ein Sortenschutzantrag beim Bundessortenamt gestellt wird (vgl. § 22 SortG). Das Bundessortenamt ist eine selbständige Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (§ 16 Abs. 1 SortG) mit Sitz in Hannover, die für die Erteilung des Sortenschutzes und die hiermit zusammenhängenden Angelegenheiten zuständig ist und die Sortenschutzrolle führt (§ 16 Abs. 2 SortG). Durch den Sortenschutzantrag wird ein förmliches Verwaltungsverfahren in Gang gesetzt, auf das die entsprechenden Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes anzuwenden sind (§ 21 SortG). Für die Antragstellung und die erforderliche Angabe der Sortenbezeichnung sind die Vordrucke des Bundessortenamtes zu verwenden (§ 1 Abs. 2 BSAV fV). 22 Nach einer Formalprüfung erfolgt die Bekanntmachung des Sortenschutzantrages durch das Bundessortenamt in dem von ihm herausgegebenen Blatt für Sortenwesen (§ 24 SortG, § 10 BSAV fV). Gegen die Erteilung des Sortenschutzes kann jeder beim Bundessortenamt schriftlich Einwendungen erheben (§ 25 Abs. 1 SortG). Die Einwendungen sind zu begründen (§ 25 Abs. 4 S. 1 SortG), sie können nur darauf gestützt werden, dass die Schutzvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 SortG nicht vorliegen, dass der Antragsteller nicht berechtigt oder, dass die Sortenbezeichnung nicht eintragbar ist (§ 25 Abs. 2 Nr. 1-3 SortG). Was die Prüfung des Sortenschutzantrages in materieller Hinsicht angeht, so prüft das Bundessortenamt, ob die angemeldete Sorte die Voraussetzungen für die Erteilung des Sortenschutzes erfüllt, und baut die Sorte an oder stellt die sonst erforderlichen Untersuchungen an (§ 26 Abs. 1 SortG; §§ 2 ff. BSAV fV). Nach Eintritt der Unanfechtbarkeit des Sortenschutzes wird die Erteilung des Sortenschutzes in die Sortenschutzrolle eingetragen und die Eintragung bekannt gemacht (§ 28 SortG). III. Recht auf Sortenschutz, Rechtsnachfolge, Lizenzen Das Recht auf Sortenschutz steht dem Ursprungszüchter oder Entdecker der Sorte oder seinem Rechtsnachfolger zu, bei gemeinsamer Züchtung oder Entdeckung, steht ihnen das Recht gemeinschaftlich zu (§ 8 Abs. 1 SortG). Das Recht auf Sortenschutz, der Anspruch auf Erteilung des Sortenschutzes und der Sortenschutz sind übertragbar (§ 11 Abs. 1 SortG). Auch kann der Sortenschutz Gegenstand ausschließlicher oder nichtausschließlicher Nutzungsrechte („Lizenzen“) sein (§ 11 Abs. 2 SortG). Verstößt ein Nutzungsberechtigter gegen Beschränkungen seines Nutzungsrechts, kann der Sortenschutz gegen ihn geltend gemacht 22 Elektronisch abrufbar auf der Seite des BSA unter: http: / / www.bundessortenamt.de (letzter Abruf: 04 / 2018). 194 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten Pierson werden (§ 11 Abs. 3 SortG). Änderungen in der Person des Sortenschutzinhabers werden nach entsprechendem Nachweis in der Sortenschutzrolle eingetragen (§ 28 Abs. 3 S. 1 SortG). IV. Wirkungen des Sortenschutzes, Rechtsverletzungen Wie für die Wirkung gewerblicher Schutzrechte üblich, gewährt auch das Sortenschutzrecht dem Rechtsinhaber ein Ausschließlichkeitsrecht, das zum einen durch ein positives Benutzungsrecht, zum anderen ein negatives Verbietungsrecht gekennzeichnet ist (allgemein zur entsprechenden Ausgestaltung der Immaterialgüterrechte vgl. § 1 II .). 1. Alleiniges Vermehrungsrecht des Sortenschutzinhabers So ist allein der Sortenschutzinhaber berechtigt, Vermehrungsmaterial der geschützten Sorte a) zu erzeugen, für Vermehrungszwecke aufzubereiten, in den Verkehr zu bringen, ein- oder auszuführen oder b) zu einem dieser Zwecke aufzubewahren (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SortG). Die Vornahme entsprechender Verwertungshandlungen ist nicht nur unmittelbar in Bezug auf Vermehrungsmaterial vom Schutz erfasst, sondern auch in Bezug auf Pflanzen oder Pflanzenteile oder hieraus unmittelbar gewonnene Erzeugnisse, wenn zu ihrer Erzeugung Vermehrungsmaterial ohne Zustimmung des Sortenschutzinhabers verwendet wurde und der Sortenschutzinhaber keine Gelegenheit hatte, sein Sortenschutzrecht hinsichtlich dieser Verwendung geltend zu machen (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SortG). Durch diese Regelung soll dem Züchter die Möglichkeit gegeben werden, in Fällen, in denen eine Vermehrung ungenehmigt vorgenommen wurde, seine Rechte auch in Bezug auf das Erntegut geltend zu machen. 23 Die Wirkung des Sortenschutzes erstreckt sich auch auf Sorten, die von der geschützten Sorte (Ausgangssorte) im Wesentlichen abgeleitet sind (näheres § 10 Abs. 2, 3 SortG). Wie die anderen gewerblichen Schutzrechte unterliegt jedoch auch das Sortenschutzrecht Beschränkungen im Allgemeininteresse (vgl. § 10a SortG). So sind insbesondere nicht vom Sortenschutz erfasst Handlungen im privaten Bereich zu nicht gewerblichen Zwecken, Handlungen zu Versuchszwecken, die sich auf die geschützte Sorte beziehen, Handlungen zur Züchtung neuer Sorten („Züchterprivileg“) 24 sowie Erntegut, das ein Landwirt durch Anbau von Vermehrungsmaterial einer geschützten Sorte im eigenen Betrieb gewonnen hat und dort als Vermehrungsmaterial verwendet (Nachbau). 2. Rechtsverletzungen Im Fall der Verletzung des Sortenschutzrechtes steht dem Sortenschutzinhaber gegen den Verletzer ein Unterlassungsanspruch (§ 37 Abs. 1 SortG) und im Falle des Verschuldens ein Schadensersatzanspruch zu (§ 37 Abs. 2 SortG). Die zivilrechtlichen Ansprüche des Verletzten werden durch einen Anspruch auf Vernichtung und Rückruf (§ 37a SortG), einen 23 Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 200; Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 311 ff. 24 Dazu Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 349 ff. 195 § 36 Sortenschutzrecht Pierson Anspruch auf Auskunft (§ 37b SortG) sowie weitere im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums neu in das Gesetz aufgenommene Ansprüche ergänzt (im Einzelnen hierzu s. u. § 87 II . 2.). Im Falle einer Verletzung des Sortenschutzrechts drohen dem Verletzter neben der zivilrechtlichen Inanspruchnahme durch den Verletzten strafrechtliche Sanktionen (§ 39 SortG) bzw. ein Bußgeld (§ 40 SortG). 3. Schutzdauer Die Schutzdauer des Sortenschutzes beläuft sich regelmäßig auf 25 Jahre, bei einigen Pflanzenarten (Hopfen, Kartoffel, Rebe und Baumarten) auf 30 Jahre (§ 13 SortG). Das Sortenschutzrecht erlischt durch Ablauf der Schutzdauer, im Übrigen durch Verzicht des Sortenschutzinhabers, durch Zurücknahme der Erteilung oder durch Widerruf (§ 31 SortG). V. Internationales und europäisches Sortenschutzrecht 1. Internationaler Schutz von Pflanzenzüchtungen Das internationale Sortenschutzrecht ist im „Internationalen Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen“ (Pfl ZÜ ) geregelt, das am 2. 12. 1961 in Paris von Staaten unterzeichnet wurde, die einen Verband-- die International Union for Protection of New Varieties of Plants ( UPOV )- - bilden. 25 Die wichtigsten Regelungen des sog. UPOV -Übereinkommens, das zuletzt 1991 revidiert wurde, sind die Inländerbehandlung (Art. 4), die freie Wahl des Erstantrags (Art. 10 Abs. 1), die Unabhängigkeit der Sortenschutzrechte in den Staaten der verschiedenen Vertragsparteien (Art. 10 Abs. 3), das Prioritätsrecht (Art. 11) und die Sicherung der freien Ausübung des Ausschließlichkeitsrechts (Art. 17 Abs. 1). 26 2. Gemeinschaftliches Sortenschutzrecht Für den Sortenschutz in Europa ist das gemeinschaftliche Sortenschutzrecht von Bedeutung, das in der Verordnung ( EG ) Nr. 2100 / 94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz vom 27. 7. 1994 ( EGSVO ) geregelt ist. 27 Das gemeinschaftliche Sortenschutzrecht ist ein gemeinschaftliches gewerbliches Schutzrecht für Pflanzensorten, das eine einheitliche Wirkung in der gesamten Europäischen Union entfaltet (allgemein zu den supranationalen einheitlichen Unionsrechten s. bereits § 4 IV . 4.). Vor der Einführung des gemeinschaftlichen Sortenschutzrechtes konnten Pflanzenzüchter in den meisten der (damals) 15 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nationale Sortenschutzrechte beantragen, deren Schutz jedoch auf das Gebiet des jeweiligen Mitgliedsstaates begrenzt war. Seit dem Inkrafttreten der EGSVO zum 25 Text des Pfl ZÜ ( UPOV -Übereinkommen) abrufbar unter: http: / / www.upov.int/ portal/ index.html.de (letzter Abruf: 04 / 2018). 26 Im Einzelnen Nirk / Ullmann, Bd. I, S. 215 f.; Wuesthoff / Leßmann / Würtenberger, Handbuch Sortenschutz, Bd. 1, Rdn. 13. 27 Nähres hierzu BeckOK PatR / Fitzner, Anl. § 2a Rdn. 72 ff.; Leßmann / Würtenberger, Sortenschutzrecht, § 1 Rdn. 27 ff. 196 Dritter Abschnitt: Schutz auf speziellen Gebieten 27. 4. 1995 können Züchter Sortenschutz in der gesamten Europäischen Union durch einen einzigen Antrag beim Gemeinschaftlichen Sortenamt, das seinen Sitz in Frankreich / Angers hat, erhalten. 28 28 Weitergehende Informationen zum gemeinschaftlichen Sortenschutzrecht finden sich auf der Seite des Gemeinschaftlichen Sortenamtes unter http: / / www.cpvo.europa.eu/ (letzter Abruf: 04 / 2018). Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht 199 § 37 Allgemeines zum Designschutz Pierson § 37 Allgemeines zum Designschutz I. Gegenstand Wie bereits im Rahmen des einführenden Überblicks skizziert (s. o. § 2 II .) liegt der Schutzgegenstand des Designschutzrechts im Gegensatz zum Patent- und Gebrauchsmusterrecht nicht auf dem Gebiet der Technik, sondern dem der Ästhetik. Seit jeher zielt der vormals als Geschmacksmusterschutz bezeichnete Schutz des Designs auf den Schutz der Gestaltung der äußeren Form von zweidimensionalen und dreidimensionalen Erscheinungsformen eines Erzeugnisses. Er schützt die Ergebnisse ästhetisch-gewerblicher Leistungen, nämlich die Gestaltung von Flächenformen (z. B. Stoffmuster, Tapeten, Mousepads) und Raumformen (z. B. Möbel, Haushaltsgeräte, Computermäuse, Smartphones), die bestimmt und geeignet sind, über das Auge auf den ästhetischen Form- und Farbensinn des Menschen einzuwirken und geschmackliche Empfindungen anzusprechen. 1 Im allgemeinen Sprachgebrauch und zunehmend auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur 2 hatte sich zur Kennzeichnung der Gestaltungen, die rechtlich vom sog. Geschmacksmusterschutz erfasst wurden, bereits seit geraumer Zeit der Gebrauch des Begriffs „Design“ durchgesetzt. Allerdings wurde dieser Sprachgebrauch nicht bereits, wie angedacht, im Rahmen der Reform des Geschmacksmusterrechts 2004, sondern erst im Zuge der Modernisierung des Geschmacksmusterrechts durch das Gesetz vom 10. 10. 2013 3 nachvollzogen, durch welches das Geschmacksmustergesetz in das „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Design (Designgesetz- - DesignG)“ umbenannt wurde. Die gesetzlichen Bestimmungen wurden damit an den nationalen und internationalen Sprachgebrauch angepasst, der Begriff „Muster“ durch den Begriff „Design“ und der Begriff „Geschmacksmuster“ durch den Begriff „eingetragenes Design“ ersetzt. Die überfällige terminologische Modernisierung des Gesetzes wurde ausdrücklich begrüßt, da sie eine höhere Akzeptanz in der einschlägigen Wirtschaftspraxis erwarten lässt auch positive Auswirkungen für den internationalen Sprachgebrauch haben dürfte, weil „eingetragenes Design“ direkt mit „registered design“ übersetzt werden kann. 4 II. Schutzzweck Entsprechend den allgemeinen Zielen des gewerblichen Rechtsschutzes zielt auch das Designschutzrecht, wie bereits einführend erörtert (s. o. § 7 II . 2.), zum einen auf eine Sicherung der wirtschaftlichen Verwertungsinteressen des Rechtsinhabers, zum anderen auf einen Ansporn zu weiteren gewerblichen Leistungen zwecks Förderung der Innovation in Hand- 1 Rehmann, Designrecht, Rdn. 8; Götting, Gewerblicher Rechtsschutz, § 4, Rdn. 13. 2 Vgl. z. B. Eichmann / v. Falckenstein, Geschm MG , 4. Auflage, 2010, S. 32 ff. „Allgemeines zum Designrecht“. 3 Gesetz zur Modernisierung des Geschmacksmustergesetzes sowie zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutz v. 10. 10. 2013, BGBl. Teil I Nr. 62 v. 16. 10. 2013, S. 3799 ff.; vgl. hierzu Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215 ff. 4 So die Stellungnahme der GRUR durch den Fachausschuss Geschmacksmusterrecht, GRUR 2013, 478, 479. 200 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson werk und Industrie. Hierbei ist der durch das Designgesetz gewährte Schutz nicht nur für der Mode unterworfene, schnelllebige Gestaltungen gedacht (wie z. B. im Bereich Textilien, Tapeten etc.). Vielmehr zeigt die maximale Schutzdauer von 25 Jahren (§ 27 Abs. 2 DesignG), dass der Designschutz auch für die Gestaltung von Erzeugnissen bestimmt ist, die nach der Planung des Herstellers und / oder der Resonanz am Markt auf ein jahrzehntelanges Nachfrageinteresse stoßen 5 (z. B. Uhren, Designermöbel, Designerlampen etc.). III. Wesen und Einordnung Im Zuge der grundlegenden Reformierung des Designschutzrechts, die ihren Niederschlag bereits im „Gesetz über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz)“ vom 12. 3. 2004 gefunden hat (s. bereits § 2 II .), hat sich das Wesen des Designschutzrechts verändert und sein Standort innerhalb des Koordinatensystems des Immaterialgüterrechts deutlich verschoben. Das alte Geschmacksmustergesetz-- das „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen“- - basierte, wie bereits aus der Gesetzesbezeichnung ablesbar, auf urheberrechtlicher Grundlage. Als im 19. Jahrhundert im Zuge der fortschreitenden industrialisierten Warenproduktion das zunehmende Bedürfnis nach einem rechtlichen Schutz für gestalterische Leistungen entstand, konnte zunächst mangels anderer rechtlicher Schutzinstrumente nur auf das Urheberrecht zurückgegriffen werden, dessen relativ hohe Anforderungen an die schöpferische Gestaltung eines Werkes sich für gewerbliche Gestaltungsleistungen in der Regel allerdings als zu hoch erwiesen. Vor diesem Hintergrund entstand 1876 das erste Geschmacksmutergesetz, das gegenüber dem Urheberrecht eine deutlich herabgesetzte Schutzschwelle vorsah und, das- - obgleich gewerbliches Schutzecht-- terminologisch und in seiner Ausgestaltung, insbesondere seiner Beschränkung auf einen reinen Nachahmungsschutz, starke Bezüge zum Urheberrecht aufwies. Dieser enge Bezug zum Urheberrecht wurde durch die grundlegende Geschmacksmusterrechtsreform 2004 beseitigt. 6 Insbesondere mit Blick auf die im reformierten Geschmacksmusterrecht 2004 eingeführte sog. Sperrwirkung des Designschutzrechts (§ 38 DesignG), die hiermit korrespondierende Anerkennung eines Vorbenutzungsrechts (§ 41 DesignG), aber auch aufgrund der überwiegend patentrechtlich ausgerichteten Beschränkungen der Rechte aus dem eingetragenen Design (§ 40 DesignG) ergibt sich heute eine „strukturelle Nähe“ zum Patentrecht. Im Anwendungsbereich des reformierten Designrechts ist das eingetragene Design daher nicht mehr länger ein „Zwitter“ zwischen Urheberrecht und gewerblichem Rechtsschutz, sondern ein eigenständiges gewerbliches Schutzrecht, das in seinen Schutzvoraussetzungen und Schutzwirkungen den übrigen gewerblichen Schutzrechten ähnelt. 7 5 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Allgemeines zum Designrecht II . Rdn. 10. 6 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr., E. 2. b), S. 29. 7 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Allgemeines zum Designrecht II . Rdn. 9 f. 201 § 37 Allgemeines zum Designschutz Pierson IV. Bedeutung: Designschutzrecht in Zahlen Die Bedeutung des Designschutzrechts in der Praxis ist erheblich. Das Design eines Produkts wird in der modernen Industriegesellschaft als qualitätsbestimmende Produkteigenschaft angesehen, die angesichts zunehmender Homogenisierung der Erzeugnisse einen immer wichtigeren Faktor im Rahmen des Marketings darstellt. 8 Nicht zuletzt der öffentlichkeitswirksame Rechtsstreit zwischen Apple und Samsung, in dem Apple die Verletzung ihrer Geschmacksmusterrechte am iPhone- und iPad-Design durch Samsung geltend gemacht hat, haben die Bedeutung des Designschutzrechts in den Blickpunkt einer breiten Öffentlichkeit gerückt. 9 Die tatsächlich-praktische Bedeutung des Designschutzrechts sowie die Anmeldeaktivität einzelner Länder und Regionen spiegeln sich recht anschaulich auch in den alljährlich vom DPMA im Rahmen seines Jahresberichts veröffentlichten statistischen Zahlen wider. 10 So wurden im Jahr 2016 beim DPMA -- zuständig ist die Designstelle des DPMA in Jena-- insgesamt 54 588 Designs in 7143 Anmeldungen angemeldet. Gegenüber dem Vorjahr 2015 mit 57 741 Designs in 7.223 Anmeldungen war damit ein moderater Rückgang um 5,5 % bei den Anmeldungen zu verzeichnen. Von der Möglichkeit, mehrere Designs in einer Sammelanmeldung (§ 12 DesignG) zusammenzufassen, haben in 2016 55,7 % der Anmelder Gebrauch gemacht, wobei durchschnittlich 12,9 Muster innerhalb einer Sammelanmeldung angemeldet wurden. Der Anteil ausländischer Designanmeldungen belief sich im fraglichen Zeitraum auf 17 % (Vorjahr 21,8 %) und war damit gegenüber dem Vorjahr leicht rückläufig. Spitzenreiter der ausländischen Anmelder war Italien (8,1 %), gefolgt von Österreich (2,9 %), China (1,9 %), der Schweiz (1,3 %), den USA (0,8 %), Frankreich (0,4 %), Luxemburg (0,3 %) und sonstigen Ländern (1,4 %). Bei den inländischen Designanmeldungen lagen in 2016 vorn: Nordrhein-Westfalen (27,1 %), Bayern (25,6 %) und Baden-Württemberg (13,9 %), gefolgt von Niedersachsen (7,4 %), Hessen (5,1 %), Rheinland-Pfalz (4,4 %), Berlin (4,2 %), Sachsen (3,3 %), Schleswig-Holstein (3,2 %), Hamburg (2,2 %) und den übrigen Bundesländern (3,6 %). Auf die drei erstplatzierten Bundesländer entfielen damit zusammen 66,6 % der angemeldeten Designs, was den Zusammenhang zwischen der Wirtschaftskraft einzelner Regionen und der Anmeldetätigkeit der dort ansässigen Unternehmen und Personen verdeutlicht. Zur Veranschaulichung des Designschutzrechts nach Wirtschaftsbranchen ist die prozentuale Verteilung der Warenklasseneinträge aufschlussreich: 18,7 % der Einträge betrafen die Klasse 6 „Möbel“, gefolgt von Klasse 32 „Grafische Symbole und Logos“ (12,7 %) und Klasse 2 „Bekleidung und Kurzwaren“ (11,6 %). 11 8 Eisenmann / Jautz, Grundriss, Rdn. 202. 9 Einstweiliges Verfügungsverfahren LG Düsseldorf v. 9. 9. 2011, Az.: 14c O 194 / 11; OLG Düsseldorf v. 31. 1. 2012, Az.: I-20 U 175 / 11. 10 Die nachfolgenden Zahlen sind dem DPMA -Jahresbericht 2016, S. 33 f., 101 ff., entnommen- - abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ jahresberichte/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 11 Weitere Warenklassen s. DMPA -Jahresbericht 2016, S. 36, Abb. 12; zu den Besonderheiten der Designbereiche nach Branchen vgl. ferner Kobuss / Bretz, Kap. 4, S. 59 ff. 202 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson § 38 Schutzvoraussetzungen I. Begriffsbestimmungen Während das alte Gesetz bis zur Reform 2004 keine Legaldefinition des Begriffs des Geschmacksmusters enthielt und die Definition der Rechtsprechung überließ, enthält das reformierte, seit der Modernisierung 2013 als Designgesetz bezeichnete Recht einige wesentliche Begriffsbestimmungen (vgl. § 1 DesignG), insbesondere auch eine Definition des Begriffs „Design“ (früher „Muster“), das den Gegenstand des Schutzrechts beschreibt. Ein „Design“ ist danach eine zweidimensionale oder dreidimensionale Erscheinungsform eines ganzen Erzeugnisses oder eines Teiles davon, die sich insbesondere aus den Merkmalen der Linien, Konturen, Farben, der Gestalt, Oberflächenstruktur oder der Werkstoffe des Erzeugnisses selbst oder seiner Verzierung ergibt (§ 1 Nr. 1 DesignG). Ein „Erzeugnis“ ist seinerseits definiert als jeder industrielle oder handwerkliche Gegenstand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis (seinerseits definiert in § 1 Nr. 3 DesignG) zusammengebaut werden sollen; ein Computerprogramm gilt nicht als Erzeugnis (§ 1 Nr. 2 DesignG). In begrifflicher Hinsicht ist im Übrigen zu beachten, dass der Schutzgegenstand des Designschutzes bis zur Eintragung als „Design“ und erst nach der Eintragung als „eingetragenes Design“ (früher „Geschmacksmuster“) bezeichnet wird (vgl. § 2 Abs. 1 DesignG). Diese sprachliche Differenzierung des deutschen Gesetzes weicht, wie bereits nach alter Gesetzeslage, von der Terminologie der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ( GGV ) ab, die den zu schützenden Gegenstand vor der Eintragung als „Geschmacksmuster“ bezeichnet und danach als „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ (vgl. Art. 1 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1 GGV ). Die in der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung verwendeten Begrifflichkeiten „Geschmacksmuster“ und „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“ können nur durch die verordnungsgebenden Organe der EU geändert werden. Eine der modernisierten deutschen Terminologie entsprechende Änderung soll offenbar von deutscher Seite angeregt werden. 12 II. Materielle Schutzvoraussetzungen Die materiellen Schutzvoraussetzungen des Designschutzes ergeben sich aus § 2 Abs. 1 DesignG. Danach wird ein Design als eingetragenes Design geschützt, wenn es neu ist und Eigenart aufweist. 1. Neuheit Ein Design gilt als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Design offenbart worden ist (§ 2 Abs. 2 S. 1 DesignG). 12 Vgl. BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 23. 203 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson a) Vorbekannter Formenschatz Grundlage der Prüfung der Neuheit eines angemeldeten Designs- - und auch der Eigenart (hierzu sogleich unter 2.)-- sind danach alle Designs, die zum fraglichen Stichtag-- dem Anmeldetag- - offenbart worden sind. Diese als Beurteilungs- und Vergleichsmaßstab heranzuziehenden bereits offenbarten Designs werden in der Terminologie der deutschen Rechtsprechung als „vorbekannter Formenschatz“ bezeichnet. 13 Der vorbekannte Formenschatz ist damit für den Bereich der Ästhetik das Pendant zum „Stand der Technik“ im Bereich der technischen Schutzrechte, an dem sich im Patentrecht die Neuheit der Erfindung und die Frage des Vorliegens der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit bemisst (s. o. § 9). 14 Die wichtige Frage, wann ein Design „offenbart“ ist und damit dem vorbekannten Formenschatz angehört, ist allerdings nicht in § 2 DesignG, sondern in § 5 DesignG (Offenbarung) geregelt. Danach ist ein Design offenbart, wenn es bekannt gemacht, ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Sektors im normalen Geschäftsverlauf vor dem Anmeldetag des Designs nicht bekannt sein konnte. Durch den letzten Halbsatz ist klargestellt, dass nicht jede Offenbarung im Wortsinne bereits eine neuheitsschädliche Offenbarung ist. Vielmehr ist der Begriff im Sinne eines relativ-objektiven Neuheitsbegriffs dahingehend relativiert, dass es neben der bloßen Offenbarung ergänzend auf die Kenntnisnahmemöglichkeit der jeweiligen Fachkreise innerhalb der Europäischen Union ankommt. Sinn der Vorschrift ist es, zu verhindern, dass der nachgesuchte Designschutz an Gestaltungen scheitert, die zwar irgendwo in der Welt-- etwa in einem unbekannten Museum oder an einem entfernten Ort- - vorveröffentlicht wurden, die den europäischen Fachkreisen- - Designern, Herstellern, Händlern des betroffenen Sektors- - jedoch nicht bekannt sein konnten. 15 Ein unter der ausdrücklichen oder stillschweigenden Bedingung der Vertraulichkeit-- etwa im Rahmen bestehender oder angebahnter Geschäftsbeziehungen-- bekannt gemachtes Design gilt nicht als offenbart (§ 5 S. 2 DesignG). Auch die bloße Anmeldung eines Designs kann den maßgeblichen Fachkreisen in der Regel nicht bekannt sein, da eine allgemeine Recherche nach angemeldeten, aber noch nicht bekanntgemachten Designs nicht möglich ist. 16 Für die Beurteilung der Neuheit ist nach § 13 DesignG der Anmeldetag, d. h. derjenige Tag, an dem die Unterlagen mit den Angaben nach § 11 Abs. 2 DesignG vollständig beim DPMA (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 DesignG) oder einem zur Entgegennahme bestimmten Patentinformationszentrum (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 DesignG) eingegangen sind oder, wenn wirksam eine Priorität in Anspruch genommen worden ist, der Prioritätstag (§ 13 Abs. 2 DesignG) maßgeblich. 13 Eine Recherchemöglichkeit für die seit dem 1. Juli 1988 eingetragenen Geschmacksmuster bietet die Internetplattform des DPMA ( DPMA register) unter: https: / / www.dpma.de/ designs/ recherche/ index. html (letzter Abruf: 04 / 2018). 14 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 5 Rdn. 3. 15 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 5, S. 35; Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 5 Rdn. 4. 16 Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279. 204 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson b) Neuheitsschädliche Identität Designs gelten als identisch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentlichen Einzelheiten unterscheiden (§ 2 Abs. 2 S. 2 DesignG), d. h. eine Abweichung eines Designs vom vorbekannten Formenschatz in unwesentlichen Einzelheiten kann die Neuheit eines Designs nicht begründen. 17 Die Prüfung der Identität macht einen Vergleich mit jedem vorbekannten Design erforderlich, dessen Erscheinungsform dem Gegenstand des Designs ausreichend ähnlich ist (sog. fotografischer Neuheitsbegriff). Das heißt, es findet ein Einzelvergleich statt, bei dem das Design isoliert und gesondert jedem einzelnen Erzeugnis aus dem vorbekannten Formenschatz gegenübergestellt wird. Ist der Gesamteindruck eines Designs durch eine Kombination von Merkmalen bestimmt, fehlt nur dann die Neuheit, wenn sich die vollständige Zusammenfassung der Kombinationsmerkmale in einem einzigen Erzeugnis aus dem vorbekannten Formenschatz feststellen lässt. 18 Letztlich hat die Neuheitsprüfung für die Rechtspraxis jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung, da neben der Neuheit kumulativ stets das Erfordernis der Eigenart erfüllt sein muss. Ergeben sich bereits Zweifel daran, ob sich ein Design wesentlich vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet, ist davon auszugehen, dass es jedenfalls an der erforderlichen Eigenart fehlt. 19 2. Eigenart a) Unterschiedlichkeit Das Merkmal der Eigenart hat das nach alter Rechtslage vor 2004 erforderliche Merkmal der „Eigentümlichkeit“ abgelöst (§ 1 Abs. 2 Geschm MG a. F.). Ein Design zeichnet sich nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung durch Eigenart aus, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Design bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist (§ 2 Abs. 3 S. 1 DesignG). Wie der Eu GH für die entsprechende Beurteilung der Eigenart eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters (i. S. v. Art. 6 GGV ) entschieden hat, muss sich für die Bejahung der Eigenart eines Geschmacksmusters der Gesamteindruck, den dieses beim informierten Benutzer hervorruft, nicht von dem Gesamteindruck, den eine Kombination isolierter Elemente von mehreren älteren Geschmacksmustern hervorruft, unterscheiden, sondern von dem Gesamteindruck, den ein oder mehrere ältere Geschmacksmuster für sich genommen hervorrufen. 20 Anders als die nach alter Rechtslage (vor 2004) maßgebliche „Eigentümlichkeit“ verbindet sich mit der Begrifflichkeit der „Eigenart“ kein Erfordernis einer „Gestaltungshöhe“. Notwendig aber auch ausreichend ist vielmehr, dass sich der Gesamteindruck des Designs vom vorbekannten Formenschatz unterscheidet. 21 Eine Überdurchschnitt- 17 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 2, S. 33. 18 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 8 m. zahlr. Rspr.-Nachw.; OLG Frankfurt, GRUR 2015, 890 „Möbelgriff “. 19 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 11; Näheres zum „Verhältnis Neuheit zu Eigenart“ siehe Rehmann, Designrecht, Rdn. 53 ff. 20 Eu GH v. 19. 6. 2014, Rs. C-345 / 13 „ KFM / Dunnes“. 21 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 3, S. 33. 205 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson lichkeit der Gestaltung, ein in dieser zu Tage tretendes überdurchschnittliches Können des Designers, wie es nach alter Rechtslage im Rahmen der Eigentümlichkeit festzustellen war, ist nicht erforderlich. Entsprechend dem Begriff und Definition zugrunde liegenden Regelungszweck kommt es nicht auf qualitative Bewertungen, sondern allein auf die Unterschiedlichkeit im Verhältnis zu einem ähnlichen Design an, d. h. ein designgemäßes Erzeugnis soll im Markt als etwas von jedem anderen Design „Verschiedenes“ wahrgenommen werden. Auch eine durchschnittliche Designerleistung kann sich folglich durch die für einen Schutz vorausgesetzte Eigenart auszeichnen, sofern sie im Vergleich mit dem vorbekannten Formenschatz ein ausreichendes Maß an „Anderssein“ aufweist. 22 b) Grad der Gestaltungsfreiheit Bei der Beurteilung der Eigenart ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Designs zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 3 S. 2 DesignG). Wie das EuG festgestellt hat, wird „der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers des Geschmacksmusters insbesondere durch die Vorgaben bestimmt, die sich aus den durch die technische Funktion des Erzeugnisses oder eines Bestandteils des Erzeugnisses bedingten Merkmalen oder aus den auf das Erzeugnis anwendbaren gesetzlichen Vorschriften ergeben. Je größer also die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters“ sei, desto weniger reichten „kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern aus, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen. Je beschränkter umgekehrt die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Geschmacksmusters“ sei, desto eher genügten „kleine Unterschiede zwischen den miteinander verglichenen Geschmacksmustern, um beim informierten Benutzer einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorzurufen“. 23 Die Anforderungen an die erforderliche Eigenart sind damit also keine absoluten, vielmehr kann bei eingeengter Gestaltungsfreiheit bereits ein verhältnismäßig geringfügiger Unterschied gegenüber dem nächstliegenden Design zur Begründung der Eigenart ausreichen. Die Gestaltungsfreiheit kann durch gattungsspezifische Erfordernisse an Gestaltung eingeschränkt sein. Als Beispiel anführen lassen sich insoweit Werkzeuge und ähnlich stark technisch geprägte Erzeugnisse, bei denen die Formgebung stark funktionsbestimmt und daher die Gestaltungsfreiheit des Entwerfers eingeschränkt ist. Folge ist, dass in diesen Fällen ausnahmsweise bereits Änderungen von Details dazu führen können, dass aus Sicht des Benutzers ein neuer und eigenartiger Gesamteindruck entsteht. Eine Einschränkung der Gestaltungsfreiheit kann sich ferner auch bei hoher Designdichte in einer Erzeugnisklasse ergeben. Dies ist insbesondere in Produktbereichen der Fall, in denen das Design für die Wertschätzung des Produkts von großer Bedeutung oder sogar kaufentscheidend ist und, in denen wegen der Vielzahl der angebotenen, mit Schutzrechten belegten Wettbewerbsprodukten (=-Designdichte) der Ge- 22 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesingG, § 2 Rdn. 14; Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279. 23 EuG v. 13. 11. 2012- T-83 / 11, T-84 / 11 „Antrax“, Beck RS 2012, 82 406. 206 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson staltungsspielraum des Entwerfers bereits stark eingeschränkt ist. Beispiele für dicht besetzt Gebiete sind: PKW -Felgen, Küchenmöbel etc. 24 3. Neuheitsschonfrist Schließlich ist im Zusammenhang mit der Prüfung der Schutzvoraussetzungen zu beachten, dass auch das Designgesetz-- ebenso wie das Patent- und Gebrauchsmustergesetz (vgl. §§ 3 Abs. IV PatG, 3 Abs. 1 S. 3 Gebr MG )-- eine Neuheitsschonfrist vorsieht, nach der bestimmte Vorveröffentlichungshandlungen ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben. So bleiben Offenbarungen des Entwerfers, seines Rechtsnachfolgers oder eines Dritten als Folge von Informationen oder Handlungen des Entwerfers oder seines Rechtsnachfolgers innerhalb einer Frist von 12 Monaten vor dem Anmeldetag bei der Beurteilung von Neuheit und Eigenart des Designs unberücksichtigt (§ 6 S. 1 DesignG). Die nach alter Gesetzeslage lediglich 6-monatige Neuheitsschonfrist wurde im reformierten Geschmacksmustergesetz 2004 auf 12 Monate verlängert. Die Neuheitsschonfrist hat den Zweck, den Entwerfer in die Lage zu versetzen, zunächst den Markterfolg seiner Designs- - etwa durch Vorführungen oder Beschreibungen- - abzuschätzen, um im Sinne der Kostenersparnis nachfolgende Anmeldungen auf voraussichtlich marktgängige Designs beschränken zu können. Die Regelung kommt damit im Übrigen auch kleinen und mittleren Unternehmen zugute, die die rechtlichen Folgen von Vorveröffentlichungen oft nicht überblicken. 25 Von der Neuheitsschonfrist erfasst werden jedoch nicht nur Vorveröffentlichungen im Sinne von § 6 S. 1 DesignG, die durch den Entwerfer selbst erfolgen oder auf einen befugten Informationserwerb von diesem zurückzuführen sind. Nach dem Gesetz bleibt ferner unberücksichtigt, wenn das Design als Folge einer missbräuchlichen Handlung gegen den Entwerfer oder seinen Rechtsnachfolger veröffentlicht wurde (§ 6 S. 2 DesignG). In Betracht kommt insoweit z. B. die Offenbarung eines dem Entwerfer entwendeten oder von einem Arbeitnehmer veruntreuten bisher noch nicht veröffentlichten Designs. 26 III. Schutzausschluss So wie die übrigen Sondergesetze im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes (vgl. §§ 2 PatG, 2 Gebr MG , 3 Abs. 2, 8 MarkenG) enthält auch das Designgesetz im unmittelbaren Anschluss an die Normierung der Schutzvoraussetzungen einen Ausschlusstatbestand. Konkret handelt es sich um einen Regelungskatalog, aus dem sich ergibt, welche Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen und welche Designs von einem Schutz ausgeschlossen sind (vgl. § 3 DesignG). 24 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 2 Rdn. 35, 38; ferner BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 2 Abs. 3 S. 2, S. 34. 25 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 6 Rdn. 2. 26 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 6 S. 2, S. 36. 207 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson 1. Technische Bedingtheit Vom Designschutz ausgeschlossen sind danach zunächst Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die ausschließlich durch deren technische Funktion bedingt sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG). Der Designschutz setzt zwar, wie bereits aus den Ausführungen unter II . 2. b) hervorgeht, nicht voraus, dass ein Design ausschließlich ästhetische Merkmale aufweist. Andererseits ist die Grenze des Designschutzes dort erreicht, wo die Gestaltung eines Erzeugnisses ausschließlich durch die technische Funktion bedingt ist und seine technische Bedingtheit keinen Spielraum mehr für die Verwirklichung frei gewählter Erscheinungsmerkmale belässt (z. B. bejaht für die Form des Scherkopfes eines Rasierapparates, die Rippen von Zitruspressen-- anders z. B. Profil von Fahrzeugreifen). 27 Der Zweck der Regelung liegt auf der Hand: Technische Innovationen, für die nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Patent- und Gebrauchsmusterrechts ein Ausschließlichkeitsrecht in Betracht kommt, sollen nicht durch die Gewährung eines Designrechtes auf ausschließlich technisch bedingte Gestaltungen behindert werden. 28 2. Verbindungselemente Ausgenommen vom Designschutz sind darüber hinaus Erscheinungsmerkmale von Erzeugnissen, die zwangsläufig in ihrer genauen Form und ihren genauen Abmessungen nachgebildet werden müssen, damit diese mit einem anderen Erzeugnis verbunden werden können (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG- - sog. must-fit-Klausel). Durch diesen Ausschluss von Verbindungselementen (sog. must-fit-Teile) soll nach der Intention des Gesetzgebers eine weitgehende Interoperabilität von Erzeugnissen sichergestellt werden, die typischerweise mit anderen Erzeugnissen verbunden werden. 29 Hierzu zählen beispielsweise Anschlussteile, Steckerlitzen, Befestigungsanschlüsse und dergleichen. 30 Eine bedeutsame Rückausnahme von dem Grundsatz, dass ein Designschutz an Verbindungselementen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG ausgeschlossen ist, ergibt sich jedoch aus § 3 Abs. 2 DesignG. Danach sind derartige Erscheinungsmerkmale vom Designschutz nicht ausgeschlossen, d. h. schutzfähig, wenn sie dem Zweck dienen, den Zusammenschluss oder die Verbindung einer Vielzahl von untereinander austauschbaren Teilen innerhalb eines Bauteilsystems zu ermöglichen. Die Bestimmung ist danach auf Bauteilssysteme („modulare Systeme“) bezogen, d. h. auf Erzeugnisse, bei denen der Zusammenbau einzelner Teile gerade wesentliches Element des Erzeugnisses ist (sog. Lego-Klausel). 31 Nicht vom Ausschlusstatbestand des § 3 Abs. 1 Nr. 2 DesignG erfasst sind nach dem ausdrücklichen Hinweis des Gesetzgebers die sog. mustmatch-Teile, die zur Herstellung eines Erscheinungsbildes eines komplexen Erzeugnisses in 27 Näheres zur theoretischen Begründung der technischen Bedingtheit i. S. v. Art. 8 Abs. I GGV , § 3 Abs. 1 Nr. 1 DesignG s. Müller-Broich, GRUR -Prax 2018, 5. 28 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 4; BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 1, S. 34. 29 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 2, S. 34. 30 Bulling, Mitt. 2004, 254, 256. 31 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 2, S. 34. 208 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson einer bestimmten Form gefertigt werden müssen, bei denen aber die Gesamtgestaltung nicht zwangsläufig vorgegeben ist. Nicht vom Designschutz ausgeschlossen seien daher z. B. die sichtbaren Einzelteile einer KFZ -Karosserie, auch wenn deren Abmessungen in bestimmter Hinsicht vorgegeben sind, damit die Einzelteile in der Karosserie Verwendung finden können (sog. bodyparts, wie z. B. Abmessungen der Scheiben, eines Scheinwerfers oder einer Tür). 32 3. Sonstige Ausschlusstatbestände Ferner sind Designs vom Schutz ausgeschlossen, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 DesignG). Die Regelung hat den Zweck zu verhindern, dass das DPMA gezwungen ist, solche unzulässigen Designs im Register einzutragen, gesetzlichen Schutz durch hoheitliche Bekanntmachung gegenüber der Öffentlichkeit zu verlautbaren (§ 20 DesignG), Eintragungsurkunden solchen Inhalts auszugeben und über dies dem Inhaber die Möglichkeit zu geben, sich staatlicher Anerkennung zu rühmen. 33 Wegen eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung schutzunfähig sind z. B. Designs von grob verunglimpfender, politisch oder religiös diskriminierender oder volksverhetzender Wirkung. Schutzunfähigkeit wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten kommt z. B. bei pornografischen, das Scham- und Sittlichkeitsgefühl unerträglich verletzenden Designs in Betracht. 34 Ausgeschlossen vom Designschutz sind schließlich Designs, die eine missbräuchliche Benutzung eines der in Art. 6 ter der PVÜ aufgeführten Zeichen oder von sonstigen Abzeichen, Emblemen und Wappen von öffentlichem Interesse darstellen (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG). Die Bestimmung zielt darauf ab, Zeichen, die im öffentlichen Interesse benötigt und verwendet werden-- wie staatliche Hoheitszeichen, insbesondere Wappen, Flaggen, amtliche Prüf- und Gewährzeichen (vgl. Art. 6 ter der PVÜ )- - von einer Monopolisierung zugunsten Privater durch einen Designschutz auszuschließen. Dementsprechend hat das Bundespatentgericht entschieden, dass ein angemeldetes Design, das nahezu ausschließlich aus der Abbildung einer 100 Euro-Banknote besteht, wegen missbräuchlicher Benutzung eines Hoheitszeichens bzw. sonstigen Zeichens von öffentlichem Interesse vom Designschutz ausgeschlossen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG). 35 Die Eintragungshindernisse nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DesignG sind vom DPMA von Amts wegen zu prüfen, d. h. entsprechende Anmeldungen weist das DPMA zurück (§ 18 DesignG). 32 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 3 Abs. 1 Nr. 2, S. 34; ferner Berlit, GRUR 2004, 635, 637; Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53. 33 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 16. 34 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 17 f. 35 BP atG vom 21. 8. 2012-10 W (pat) 701 / 09 „Folienbeutelaufdrucke“, Beck RS 2012, 22 881; s. ferner BP atG v. 22. 1. 2015-30 W (pat) 703 / 13 „De-Flagge“, GRUR 2015, 790. 209 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson IV. Exkurs: Ersatzteilproblematik Die Ersatzteilproblematik, d. h. die Frage, ob, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Designschutz auch für Ersatzteile in Betracht kommt, ist von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere für den KFZ -Ersatzteilmarkt, auf dem sich neben den Automobilherstellern bekanntlich auch freie Ersatzteilhersteller etabliert haben. 36 Das Volumen des gesamten EU -Marktes (vor Erweiterung- = „ EU 15“) für KFZ -Ersatzteile wird auf 42 bis 45 Mrd. EUR jährlich geschätzt, wobei der Anteil der Fahrzeughersteller am Ersatzteilmarkt Schätzungen zufolge 50-55 % beträgt, während die verbleibenden 45-50 % auf den sog. unabhängigen Anschlussmarkt entfallen. Das Marktvolumen des Ersatzteilmarktes, der designfähige Fahrzeugteile betrifft (z. B. Stoßstangen, Kotflügel, Motorhauben, Beleuchtung), wird auf ca. 25 % des gesamten Anschlussmarktes, mithin auf ca. 9-11 Mrd. EUR jährlich veranschlagt. 37 Aber nicht nur für die Teileindustrie, auch für die Sachversicherer ist die Frage, ob der Ersatzteilmarkt vermittels des Designschutzes durch den Hersteller der Ausgangsware monopolisierbar ist, von besonderem wirtschaftlichem Interesse. 38 1. Ausgangspunkt: Terminologie Wie bereits erörtert (s. o. § 2 I.), ist für die Frage der Designfähigkeit der Erzeugnisbegriff von entscheidender Bedeutung. Dieser erfasst nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung auch Einzelteile, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen (§ 1 Nr. 2 DesignG). Ein komplexes Erzeugnis ist seinerseits definiert als ein Erzeugnis aus mehreren Bauelementen, die sich ersetzen lassen, sodass das Erzeugnis auseinander- und wieder zusammengebaut werden kann (§ 1 Nr. 3 DesignG). Ein Auto ist mithin- - anders als ein „individuelles Erzeugnis“ (z. B. eine Vase)-- in der Terminologie des Designrechts ein „komplexes Erzeugnis“, da es aus einer Vielzahl von ersetzbaren „Bauelementen“ besteht. Aus der vorgenannten Definition des Erzeugnisses (§ 1 Nr. 2 DesignG) folgt wiederum, dass die Bauelemente eines komplexen Erzeugnisses (z. B. der Türrahmen) als „Einzelteile“ grundsätzlich designfähig sind. 39 Handelt es sich um zu Reparaturzwecken hergestellte oder verwendete Einzelteile, so werden diese als „Ersatzteile“ bezeichnet. 40 2. Ausschluss sog. must-fit-Teile Ist die Designfähigkeit von Einzelteilen damit im Grundsatz zu bejahen, ist gleichwohl-- namentlich bei KFZ -Ersatzteilen-- zu berücksichtigen, dass Verbindungselemente (sog. mustfit-Teile), wie gesehen (s. zuvor III . 2.), im Interesse der Interoperabilität vom Designschutz ausgeschlossen sind. Entsprechend der Zielrichtung der diesem Ausschlusstatbestand zu- 36 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65. 37 Vgl. Mitteilung der Kommission v. 14. 9. 2004, MEMO / 04 / 215, „Vorschlag der Kommission für mehr Wettbewerb auf dem Kfz-Ersatzteilmarkt-- Häufig gestellte Fragen“. 38 Beyerlein, WRP 2004, 676. 39 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 1 Rdn. 22. 40 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65. 210 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson grunde liegenden unionsrechtlichen Gesetzgebung liegt die hauptsächliche Bedeutung dieser Regelung gerade bei Ersatzteilen für Kraftfahrzeuge. So sollen danach z. B. die Abmessungen der Verbindungsmuffen eines Auspuffrohrs vom Schutz ausgeschlossen sein, weil sie durch die Abmessungen auf der Unterseite des Kraftfahrzeugs vorgegeben sind. 41 Der Ausschluss erstreckt sich, wie gleichfalls bereits erörtert (s. zuvor III . 2.), jedoch nicht auf solche Ersatzteile, die zwar zur Herstellung des Erscheinungsbildes eines komplexen Erzeugnisses in einer bestimmten Form gefertigt werden müssen, bei denen es sich jedoch- - wie etwa bei den stilistischen Formelementen der Motorhaube, der Scheinwerfer oder Stoßstange-- nicht um Verbindungselemente handelt, sodass ihre Gestaltung- - funktional bzw. technisch- - nicht zwangsläufig vorgegeben ist (sog. must-match-Teile). 42 Die Designfähigkeit der sog. mustmatch-Teile ist daher im Grundsatz zu bejahen. 3. Schutzbeschränkung auf sichtbare Bauelemente Auch soweit die Gestaltung eines Ersatzteiles nicht von einem gesetzlichen Ausschlussgrund erfasst ist, bleibt jedoch als weitere gesetzliche „Hürde“ zu beachten, dass der Gesetzgeber den Designschutz für „Bauelemente komplexer Erzeugnisse“ an besondere Bedingungen geknüpft hat. So gilt ein Design, das bei einem Erzeugnis, das Bauelement eines komplexen Erzeugnisses ist, benutzt oder in dieses eingefügt wird, nur dann als neu und hat nur dann Eigenart, wenn das Bauelement, das in ein komplexes Erzeugnis eingefügt ist, bei dessen bestimmungsgemäßer Verwendung sichtbar bleibt und diese sichtbaren Merkmale des Bauelements selbst die Voraussetzungen der Neuheit und Eigenart erfüllen (§ 4 DesignG). 43 Für die Designfähigkeit von Bauelementen komplexer Erzeugnisse wird der grundsätzlich eröffnete Teileschutz damit also wieder eingeschränkt. Unionsrechtlicher Hintergrund der Regelung ist, dass jeder Streit über die Schutzfähigkeit von innenliegenden KFZ -Bauteilen (z. B. Kupplung, Motorteilen) ausgeschlossen und der Schutz für KFZ -Ersatzteile durch den Ausschluss nicht sichtbarer Teile auf ein Minimum beschränkt werden sollte. 44 Bei bestimmungsgemäßer Verwendung gelten nicht sichtbare Gestaltungsmerkmale nach der gesetzlichen Fiktion als nicht neu und eigenartig und sind daher vom Schutz ausgeschlossen. Demgegenüber wird sichtbaren KFZ -Bauteilen, soweit die sichtbaren Merkmale neu und eigenartig sind, Designschutz zuerkannt. 4. Übergangsbestimmung zu Reparaturteilen Im Zusammenhang mit der Ersatzteilfrage von Bedeutung ist schließlich, dass das Gesetz seit der Geschmacksmusterreform 2004 zu dieser Frage eine Übergangsbestimmung enthält. Danach können Rechte aus einem eingetragenen Design gegenüber Handlungen nicht geltend 41 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 3 Rdn. 13. 42 Näheres zur Abgrenzung von must-fit und must-match-Teilen bei KFZ -Ersatzteilen vgl. Rehmann, Designrecht, Rdn. 85 ff.; ferner Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53. 43 EuG v. 3. 10. 2014, Rs. T-39 / 13 „Fußleistenelement“, GRUR - RS 2014, 82 025. 44 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 4 Rdn. 3. 211 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson gemacht werden, die die Benutzung eines Bauelements zur Reparatur eine komplexen Erzeugnisses im Hinblick auf die Wiederherstellung von dessen ursprünglicher Erscheinungsform-- also die Benutzung eines Reparaturteiles-- betreffen, wenn diese Handlungen nach dem alten, d. h. dem durch das Geschmackmusterreformgesetz 2004 abgelösten Geschmacksmustergesetz nicht verhindert werden konnten (§ 73 Abs. 1 DesignG). Mit anderen Worten: Verbietungsrechte aus einem eingetragenen Design können gegen die Benutzung eines Reparaturteiles dann nicht geltend gemacht werden, wenn dies auch nach altem Recht, d. h. der bis zum 31. 5. 2004 maßgeblichen Gesetzeslage, nicht möglich gewesen wäre, insbesondere weil das fragliche Ersatzteil weder für sich allein noch im Rahmen eines Gesamterzeugnisses geeignet ist, eine ästhetische Funktion zu entfalten. 45 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass Handlungen, gegen die bereits nach alter Rechtslage Ansprüche geltend gemacht werden konnten, folglich auch zukünftig geahndet werden können. Für Reparaturteile, die zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes dienen, bleibt also bis auf Weiteres die alte Rechtslage-- der „status quo“-- erhalten, nach der es genügt hat, dass das fragliche Ersatzteil die ihm eigene ästhetische Wirkung im Rahmen des Gesamtproduktes entfaltet. 46 Hintergrund der Übergangsbestimmung ist, dass im Rahmen der Beratungen der dem Gesetz zugrunde liegenden Geschmacksmusterrichtlinie ( GRL ) aus dem Jahre 1998 (s. o. § 2 II .) eine Einigung in der Ersatzteilfrage noch nicht erzielt werden konnte. 47 Deshalb wurde in die Richtlinie als Kompromiss eine sog. Revisionsklausel aufgenommen, nach der die Kommission drei Jahre nach Ablauf der Umsetzungsfrist (also bis zum 28. 10. 2004) einen Bericht vorzulegen hatte, in dem die Auswirkungen dieser Richtlinie auf die Industrie der Gemeinschaft, insbesondere auf die am stärksten betroffenen Industriesektoren, den Wettbewerb und das Funktionieren des Binnenmarktes analysiert werden und nach der die Kommission spätestens ein Jahr danach (also bis zum 28. 10. 2005) etwaige Änderungsvorschläge vorzuschlagen hatte (vgl. Art. 18 GRL ). Ferner enthält die Richtlinie eine Übergangsbestimmung, nach der die Mitgliedsstaaten bis zur Annahme der von der Kommission nach Art. 18 GRL zu unterbreitenden Änderungsvorschläge ihre bestehenden einschlägigen Rechtsvorschriften zum designrechtlichen Schutz von Reparaturteilen beibehalten und allenfalls Änderungen einführen, wenn durch diese eine Liberalisierung des fraglichen Handels ermöglich wird (vgl. Art. 14 GRL -- sog. freeze plus-Lösung). Vor diesem Hintergrund hat sich der deutsche Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Geschmacksmustergesetzes 2004 für eine entsprechende Übergangsbestimmung entschieden, d. h. für eine Beibehaltung der alten Rechtslage bis zur Vorlage einer gesamteuropäischen Lösung. Auf eine nach der Richtlinie mögliche Liberalisierung des Marktes für sichtbare Reparaturteile hat er verzichtet. 48 45 Zu den Kriterien der Schutzfähigkeit von Ersatzteilen nach alter Rechtslage vgl. Eichmann / v. Falckenstein, Geschm MG , 2. Auflage 1997, § 1 Rdn. 12, 17, 19, 36. 46 Bulling, Mitt. 2004, 254, 260. 47 Näheres zur Diskussion vgl. Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 73 Rdn. 1 ff. 48 Vgl. BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 67, S. 65 f. 212 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson 5. Vorschlag der Kommission betreffend Ersatzteilmarkt Nach Abschluss der in Art. 18 GRL festgelegten Konsultationen und Analysen hat die EG - Kommission am 14. 9. 2004 zwecks gemeinschaftsweiter Liberalisierung des Ersatzteilmarktes einen Vorschlag zur Änderung der Geschmacksmusterrichtlinie unterbreitet. 49 Unter Binnenmarktgesichtspunkten sei die gegenwärtige Situation, so die Erwägungen der Kommission, die durch unterschiedliche, sich entgegen stehende Regelungen zum Designschutz von Ersatzteilen gekennzeichnet sei, unbefriedigend. Während nur ein Teil der Mitgliedsländer den Ersatzteilmarkt liberalisiert hätten, 50 werde in den meisten Mitgliedsstaaten der Designschutz nach wie vor auf Ersatzteile erstreckt. 51 Im Automobilsektor, der am stärksten von der Ersatzteilfrage betroffen sei, gebe es zwar einen Binnenmarkt für Neuwagen, aber keinen für Ersatzteile. So habe eine Untersuchung der Preise ausgewählter Ersatzteile ergeben, dass die Preise in den Mitgliedsstaaten mit Designschutz erheblich über denjenigen ohne einen solchen Schutz lägen. Zusammenfassend sei festzustellen, dass die gegenwärtige Situation mit einem gemischten Schutzregime erhebliche Handelsverzerrungen verursache. Der Vorschlag der Kommission betrifft nur durch Designschutzrechte geschützte Ersatzteile auf dem Ersatzteilmarkt, der auch als „Sekundärmarkt“ oder „Anschlussmarkt“ bezeichnet wird. Die wichtigsten betroffenen Ersatzteile sind Karosserieteile, Glas und Beleuchtung. Ausdrücklich nicht erfasst ist der Markt für neue Produkte, der sog. Primärmarkt. Wenn also ein Händler und / oder Teilelieferant Designschutz z. B. für einen Scheinwerfer genießt, dürfen andere Hersteller oder Zulieferer diese Scheinwerfer auch in Zukunft nicht nachahmen, um ihn in ein Neufahrzeug einzubauen. Entscheidend für diese Differenzierung ist die Erwägung der Kommission, dass der Hauptzweck des Designschutzes die Gewährung ausschließlicher Rechte am Erscheinungsbild eines Produktes sei, nicht jedoch die Schaffung eines Monopols auf das Erzeugnis an sich. Durch Designschutz auf dem Anschlussmarkt für Ersatzteile, zu dem es praktisch keine Alternative gebe, würde der Wettbewerb ausgeschlossen und der Inhaber des Designrechtes erhielte ein de-facto-Produktmonopol. 52 Die Kommission schlägt daher-- in Übereinstimmung mit der gleichlautenden Regelung der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung (Art. 110 Abs. 1 GGV )-- vor, in die Geschmacksmusterrichtlinie eine Regelung aufzunehmen, nach der kein Geschmacksmusterschutz für ein Muster besteht, das als Bauelement eines komplexen Erzeugnisses mit dem Ziel verwendet wird, die Reparatur dieses komplexen Erzeugnisses zu ermöglichen, um diesem wieder sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu geben (Vorschlag Neufassung Art. 14 Abs. 1 GRL ). 53 Sollte der Vorschlag der Kommission umgesetzt werden, liefe dies auf eine Festschreibung der 49 Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 98 / 71 / EG über den rechtlichen Schutz von Mustern und Modellen v. 14. 9. 2004, KOM (2004) 582 endgültig. 50 9 Länder: Belgien, Ungarn, Irland, Italien, Lettland, Luxemburg, Niederlande, Spanien, UK . 51 15 Länder: Österreich, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Deutschland, Litauen, Malta, Polen, Portugal, Slowakei, Slowenien, Schweden. 52 Zu den vorstehenden Erwägungen vgl. die Begründung des Änderungsvorschlages (s. Fußn. 49). 53 Kritisch hierzu vgl. u. a. Beyerlein in Günther / Beyerlein, § 1 Rdn. 29. 213 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson Übergangsbestimmung nach Art. 110 GGV , 54 d. h. einen Ausschluss der Ersatzteile vom Designschutz hinaus. 55 Der Vorschlag wurde zwar Ende 2007 vom Parlament angenommen, fand im Rat jedoch nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit. Angesichts der anhaltend unterschiedlichen politischen Standpunkte in der Ersatzteilfrage ist eine endgültige Regelung z. Zt. nicht absehbar. 56 V. Formelle Schutzvoraussetzungen, Eintragungsverfahren Da es sich beim deutschen eingetragenen Design- - wie im Grundsatz bei den übrigen gewerblichen Schutzrechten auch-- um ein registriertes Recht handelt, ist Voraussetzung für die Erlangung von Designschutz, dass neben den materiellen auch einige formelle Schutzvoraussetzungen erfüllt sind. 1. Anmeldeverfahren So ist es, um Designschutz zu erlangen, erforderlich, das Design zur Eintragung in das Register beim DPMA anzumelden (§ 11 Abs. 1 S. 1 DesignG). Die Anmeldung kann auch über ein Patentinformationszentrum ( PIZ ) eingereicht werden, wenn dieses durch Bekanntmachung des BMJV zur Entgegennahme von Designanmeldungen bestimmt ist (§ 11 Abs. 1 S. 2 DesignG). 57 Die Anmeldung muss enthalten (vgl. § 11 Abs. 2, 3 DesignG): ▶ einen Antrag auf Eintragung (s. § 5 DesignV), ▶ Angaben, die es erlauben, die Identität des Anmelders festzustellen (s. § 6 Abs. 1 bis 3 DesignV), ▶ eine zur Bekanntmachung geeignete Wiedergabe des Designs (s. § 7 DesignV). Die Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen oder bei denen es verwendet werden soll, ist zwar weiterhin zwingender Bestandteil der Anmeldung (§ 11 Abs. 3 DesignG), sie kann jedoch nachgeholt werden und ihr Fehlen führt-- anders als bisher (§ 16 Abs. 5 i. V. m. § 11 Abs. 2 Nr. 4 Geschm MG )-- nicht mehr dazu, dass sich der Anmeldetag verschiebt, wenn die Angabe im Antrag unterbleibt. 58 Erzeugnisangaben sind zwingend, sie haben jedoch keine Auswirkung für den Schutzumfang. Der Schutzgegenstand eines eingetragenen Designs wird allein durch die Erscheinungsmerkmale bestimmt, die in der Anmeldung sichtbar 54 Wie der Eu GH entschieden hat (Eu GH v. 20. 12. 2017, Rs. C-397 / 16, C-435 / 16 „Acacia“), ist Art. 110 GGV -- entgegen der bisher h.M. der europäischen Zivilgerichte-- dahin auszulegen, dass dieser nicht nur sog. must-match-Teile (i. S. v. formgebundenen „passgenauen“ Ersatzteilen) erfasst, sondern auch solche Ersatzteile, die- - wie Felgen- - vom Erscheinungsbild des komplexen Erzeugnisses ( PKW ) unabhängig sind-- s. hierzu Hackbarth, GRUR -Prax 2018, 53 f. 55 Ruhl, GGV , Art. 110 Rdn. 4. 56 Ruhl, GGV , Art. 110 Rdn. 4; ferner Beyerlein in Günther / Beyerlein, § 73 Rdn. 4. 57 Nachweis der für Designanmeldungen zuständigen PIZ vgl. Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 11 Rdn. 16; ferner Verzeichnis der PIZ nebst Zuständigkeiten auf der Seite des DPMA abrufbar unter: http: / / www.piznet.de/ anmeldung/ annahmestellen/ (letzter Abruf: 04 / 2018). 58 BT -Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 11, S. 27 f.; Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215. 214 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson wiedergegeben sind (§ 37 Abs. 1 DesignG). 59 Die Anmeldung muss den weiteren Anmeldeerfordernissen entsprechen, die in der Designverordnung bestimmt worden sind (§ 11 Abs. 4 DesignG). Gemäß § 4 Abs. 1 DesignV kann die Anmeldung schriftlich oder elektronisch eingereicht werden, Für die elektronische Einreichung ist die Zugangs- und Übertragungssoftware oder das Onlineformular zu verwenden, die jeweils über die Internetseite des DPMA zur Verfügung gestellt werden. 60 Für den schriftlichen Antrag auf Eintragung eines Designs ist das vom DPMA herausgegebene Formblatt zu verwenden (§ 5 Abs. 1 DesignV). 61 Die Wiedergabe des Designs erfolgt mit Hilfe von fotografischen oder sonstigen grafischen Darstellungen (zu den Anforderungen an die Wiedergabe im Einzelnen vgl. § 7 DesignV). Statt einer Wiedergabe des Designs kann der Anmeldung alternativ ein das Design kennzeichnender flächenmäßiger Designabschnitt beigefügt werden, wenn von der Möglichkeit der Aufschiebung der Bekanntmachung um 30 Monate (nach § 21 Abs. 1 S. 1 DesignG) Gebrauch gemacht wird (§ 11 Abs. 1 S. 2 DesignG; s. ferner § 8 DesignV). Zweck der Einreichung flächenmäßiger Designabschnitte ist es, alternativ zu der nicht selten unzureichenden und kostenaufwendigen bildlichen Wiedergabe die Offenbarung des Designs durch das per se aussagekräftigere Originalerzeugnis bzw. Teile davon zu erlauben. Die Reglung vermeidet überflüssigen Aufwand, der durch die Bildwiedergabe von Saisonartikeln verursacht wird, für die in der Regel ohnehin die kostensparende Aufschiebung der Bildbekanntmachung ohne nachfolgende Schutzerstreckung gewählt wird und trägt damit den Bedürfnissen der Praxis (insbes. der Textilindustrie) Rechnung. 62 Mehrere Designs können, wie bereits in anderem Zusammenhang erwähnt (s. o. § 37 IV .), in einer Anmeldung zusammengefasst werden (Sammelanmeldung), wobei diese nicht mehr als 100 Designs umfassen darf (§ 12 Abs. 1 DesignG). Das nach alter Rechtslage bestehende Erfordernis, dass bei der Sammelanmeldung die Muster derselben Warenklasse angehören mussten (sog. Klassenerfordernis nach § 12 Abs. 1 S. 2 Geschm MG ), hat sich nicht als praktikabel erwiesen und wurde im Zuge des Modernisierungsgesetzes 2013 gestrichen. 63 Die Angabe der Erzeugnisse, in die das Design aufgenommen werden soll oder bei denen es verwendet werden soll (§ 11 Abs. 3 DesignG), richtet sich nach der amtlichen Warenliste für eingetragene Designs auf Grundlage des Abkommens von Locarno zur Errichtung einer internationalen Klassifikation von gewerblichen Mustern und Modellen (§ 9 Abs. 1 DesignV). 64 Die Klassifizierung dient dazu, das Designregister übersichtlich zu gestalten. Sie hat nur Ordnungsfunktion, jedoch keine 59 Eichmann, GRUR -Prax 2010, 279, 280. 60 Seit dem 12. 11. 2013 ist eine Online-Designanmeldung beim DPMA möglich vgl. https: / / www.dpma.de/ designs/ anmeldung/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 61 Das Formblatt (Vordrucknummer R 5703 / 11.17) ist ebenso wie die ausführlichen Hinweise zum Ausfüllen des Formblatts im „Merkblatt für Designanmelder“ (Vordrucknummer R 5704.1 / 1.18 abrufbar unter: http: / / www.dpma.de/ design/ formulare/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 62 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 11 Rdn. 55. 63 BT -Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 12, S. 28. 64 Die Locarno-Klassifikation umfasst insgesamt 32 Hauptklassen und 219 Unterklassen mit detaillierter Beschreibung der Waren. Nähere Informationen sind auf der Seite des DPMA abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ recherche/ klassifikationen/ designs/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 215 § 38 Schutzvoraussetzungen Pierson materiell-rechtliche Bedeutung. 65 Der Zeitrang einer Anmeldung richtet sich grundsätzlich nach dem Eingang der Anmeldung beim DPMA . Der Anmelder hat jedoch grundsätzlich auch die Möglichkeit, die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung in Anspruch zu nehmen. In Betracht kommt insoweit insbesondere die Inanspruchnahme der sechsmonatigen Unionspriorität nach Maßgabe der PVÜ wegen einer vorangegangenen Anmeldung in einem Verbandsland (vgl. hierzu § 4 III . 1. b.). Wer die Priorität einer früheren ausländischen Anmeldung desselben Designs in Anspruch nimmt, hat vor Ablauf des 16. Monats nach dem Prioritätstag, Zeit, Land und Aktenzeichen der früheren Anmeldung anzugeben und eine Abschrift der früheren Anmeldung einzureichen (§ 14 Abs. 1 S. 1 DesignG). Auch für frühere Anmeldungen in Staaten, mit denen keinen Staatsvertrag besteht, kann der Anmelder eine entsprechende Priorität in Anspruch nehmen, wenn die fraglichen Staaten einer ersten Anmeldung beim DPMA seinerseits ein vergleichbares Prioritätsrecht gewährt (vgl. § 14 Abs. 2 DesignG). Auch wenn der Anmelder ein Design auf einer in § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 DesignG näher bezeichneten internationalen oder sonstigen inländischen oder ausländischen Ausstellung zur Schau gestellt hat, kann er, wenn er die Anmeldung innerhalb einer Frist von sechs Monaten seit der erstmaligen Zurschaustellung einreicht, von diesem Tag an ein Prioritätsrecht in Anspruch nehmen (Ausstellungspriorität). Die Ausstellungen, für die eine Ausstellungspriorität in Anspruch genommen werden kann, werden vom BMJV im Falle des § 15 Abs. 1 Nr. 1 DesignG im Bundesanzeiger bekanntgemacht und im Falle des § 15 Abs. 1 Nr. 2 DesignG im Einzelfall vom BMJV bestimmt und im Bundesanzeiger bekanntgemacht (§ 15 Abs. 2, 3 DesignG). 66 Die Zurschaustellung auf einer Ausstellung ist durch Einreichung einer entsprechenden Bescheinigung nachzuweisen (§ 15 Abs. 4 DesignG). 2. Eintragungsverfahren Die für die Prüfung der Anmeldung zuständige Designstelle des DPMA prüft, ob die formalen Voraussetzungen für die Anmeldung als Voraussetzung für die Eintragung erfüllt sind. Im Einzelnen prüft es dabei (vgl. § 16 Abs. 1 DesignG), ob ▶ die Anmeldegebühren nach § 5 Abs. 1 S. 1 Patentkostengesetz 67 und ▶ die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Anmeldetages nach § 11 Abs. 2 vorliegen und ▶ die Anmeldung den sonstigen Anmeldungserfordernissen entspricht. 65 Rehmann, Designrecht, Rdn. 125. 66 Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmackmustergesetzes und zur Änderung der Regelungen über die Bekanntmachungen zum Ausstellungsschutzes v. 10. 10. 2013 wurden die Regelungen zum sog. Ausstellungsschutz im gewerblichen Rechtsschutz einheitlich dahingehend geändert, dass die entsprechenden Bekanntmachungen nicht mehr in Bundesgesetzblatt, sondern im elektronisch geführten Bundesanzeiger erfolgen. 67 Eine Übersicht über „Gebühren für Designschutz“ (mit Beispielen) ist auf der Seite des DPMA abrufbar unter: http: / / www.dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html (letzter Abruf: 04 / 2018). 216 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson Eine Sachprüfung der materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen, wie z. B. der Neuheit oder Eigenart des Designs erfolgt nicht (sog. Registrierrecht). 68 Das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen wird nur auf Antrag im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens vor dem DPMA (§§ 34 ff. DesignG) oder einer Widerklage in Verletzungs- und Schadensersatzprozessen vor den Landgerichten (§§ 52a f. DesignG) geprüft. Über die Prüfung der Formalvorschriften hinaus, überprüft das DPMA gemäß § 18 DesignG das Vorliegen von Eintragungshindernissen, nämlich die Designfähigkeit des Gegenstandes der Anmeldung (i. S. v. § 1 Nr. 1 DesignG) sowie das Vorliegen der von Amts wegen zu berücksichtigenden Ausschlussgründe nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 und 4 DesignG (s. bereits zuvor III . 3.). Sofern die formalen Voraussetzungen erfüllt sind und keine Eintragungshindernisse entgegenstehen, erfolgt die Eintragung der Anmeldung in das vom DPMA geführte Register (§ 19 DesignG, § 15 DesignV) sowie die Bekanntmachung der Eintragung der Anmeldung mit der Wiedergabe des eingetragenen Designs im elektronischen Designblatt 69 (§ 20 DesignG). Durch die Bekanntmachung soll es Dritten ermöglicht werden, sich möglichst umfassend über den bestehenden Designschutz zu informieren. Die Einsichtnahme in das Register steht jedermann frei (§ 22 S. 1 DesignG). 3. Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Im DPMA werden zur Durchführung der Verfahren in Designangelegenheiten eine oder mehrere Designstellen und Designabteilungen gebildet (§ 23 Abs. 1 S. 1 DesignG). Die Designstellen sind für die Entscheidungen im Verfahren nach dem Designgesetz mit Ausnahme des Nichtigkeitsverfahrens nach § 34a DesignG zuständig und mit einem rechtskundigen Mitglied besetzt, das die Befähigung zum Richteramt haben muss und zum Mitglied des DPMA berufen sein muss (§ 23 Abs. 1 DesignG). Im Nichtigkeitsverfahren nach § 34a DesignG beschließt eine der beim DPMA eingerichteten, in der Regel mit drei rechtskundigen Mitgliedern besetzten Designabteilungen (§ 23 Abs. 2 DesignG). Gegen die Beschlüsse des DPMA findet die Beschwerde an das Bundespatentgericht ( BP atG) statt, über die der Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts in der Besetzung mit drei rechtskundigen Mitgliedern entscheidet (§ 23 Abs. 4 DesignG). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich beim DPMA einzulegen (§ 23 Abs. 4 S. 3 DesignG i. V. m. § 73 Abs. 2 PatG). Das Beschwerdeverfahren eröffnet dem DPMA die Möglichkeit, im Rahmen einer Nachprüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes der Beschwerde abzuhelfen; wird der Beschwerde nicht abgeholfen ist sie vor Ablauf eines Monats dem Bundespatentgericht vorzulegen (§ 23 Abs. 4 S. 3 DesignG i. V. m. § 73 Abs. 3 PatG). Gegen die Beschlüsse des Bundespatentgerichts über die Beschwerde findet die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ( BGH ) statt, wenn der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde zugelassen hat (§ 23 Abs. 5 DesignG). Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist zuzulassen, wenn eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§§ 23 Abs. 5 S. 2 DesignG i. V. m. 68 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 16, S. 41. 69 Abrufbar unter https: / / register.dpma.de/ DPMAregister/ blattdownload/ gsm (letzter Abruf: 04 / 2018). 217 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson 100 Abs. 2 PatG). Darüber hinaus ist die Rechtsbeschwerde (gem. § 23 Abs. 5 S. 2 DesignG) zulassungsfrei möglich, wenn einer der in § 100 Abs. 3 Nr. 1-6 PatG bezeichneten Verfahrensmängel vorliegt und gerügt wird. § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr I. Berechtigte So wie im Bereich der technischen Schutzrechte das Recht auf das Patent (§ 6 Abs. 1 PatG) bzw. auf das Gebrauchsmuster (§ 22 Abs. 1 Gebr MG ) dem Erfinder zusteht, so steht das Recht auf das eingetragene Design dem Entwerfer oder seinem Rechtsnachfolger zu (§ 7 Abs. 1 S. 1 DesignG). Dieses Recht begründet einen öffentlichrechtlichen Anspruch auf Gewährung eines formalen Schutzrechts. 70 Haben mehrere Personen gemeinsam ein Design entworfen, so steht Ihnen das Recht auf das eingetragene Design gemeinschaftlich zu (§ 7 Abs. 1 S. 2 DesignG). Eine gemeinsame Entwurfstätigkeit findet statt, wenn jeder an einem Gestaltungskonzept Beteiligte-- im Sinne eines Zusammenwirkens zu einem gemeinsamen Zweck-- einen schöpferischen Beitrag zu einem einheitlichen Design beisteuert. Rechtsfolge gemeinsamer Entwurfstätigkeit ist, dass das Design den Beteiligten als Gesamthandsgemeinschaft zusteht. 71 Für die in einem Arbeitsverhältnis geschaffenen Gestaltungen findet sich eine gesetzliche Zuordnung des Rechts auf das eingetragene Design in § 7 Abs. 2 DesignG. Danach steht das Recht an dem eingetragenen Design, wenn das Design von einem Arbeitnehmer in Ausübung seiner Aufgaben oder nach den Weisungen seines Arbeitgebers entworfen wurde, dem Arbeitgeber zu, sofern vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. Anders als nach der urheberrechtlich geprägten, durch die Reform 2004 abgelösten alten geschmacksmusterrechtlichen Regelung (§ 2 Geschm MG a. F.) ist der Rechtserwerb des reformierten Designrechts nicht vom Entwerfer abgeleitet, sondern erfolgt originär in der Person des Arbeitgebers. 72 Nur der in § 7 DesignG bezeichnete Personenkreis ist im Grundsatz zur Anmeldung eines einzutragenden Designs befugt. Wird ein Design dennoch von einem Nichtberechtigten wirksam angemeldet und auf dessen Namen eingetragen (die formelle Berechtigung des Nichtberechtigten wird gemäß § 8 DesignG fingiert), kann der Berechtigte von diesem die Übertragung des eingetragenen Designs oder die Einwilligung in dessen Löschung verlangen (§ 9 DesignG). II. Entstehung und Dauer Anders als nach der alten, bis zur Reform 2004 gültigen Rechtslage beginnt der Schutz nicht bereits mit der Anmeldung (vgl. so § 9 Abs. 1 Geschm MG a. F.), sondern erst mit der Eintragung in das Register (§ 27 Abs. 1 DesignG). Der geänderte Zeitpunkt für den Schutzbeginn folgt aus der unionsrechtlichen Konzeption des eingetragenen Designs als eigenständigem 70 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 3. 71 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 7 f. 72 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 7 Rdn. 16. 218 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson gewerblichem Schutzrecht, dessen Entstehung die Eintragung in das Register voraussetzt. 73 Die Schutzdauer des eingetragenen Designs beträgt 25 Jahre, gerechnet ab dem Anmeldetag (§ 27 Abs. 2 DesignG). Soweit das Gesetz für die Berechnung der Schutzdauer also nicht auf die Eintragung, sondern auf die Anmeldung abstellt, fallen der Beginn des Schutzes und der für die Berechnung der Laufzeit maßgebliche Zeitpunkt auseinander. Das Abstellen auf die Anmeldung als maßgeblichem Zeitpunkt für die Berechnung der Schutzdauer entspricht der Rechtslage im Patent- und Gebrauchsmusterrecht (§§ 16 Abs. 1 PatG, 23 Abs. 1 Gebr MG ) sowie im Markenrecht (§ 47 Abs. 1 MarkenG). Während der Geschmacksmusterschutz nach alter bis zur Reform 2004 gültiger Rechtslage eine ursprüngliche Schutzdauer von fünf Jahren vorsah, die um jeweils fünf Jahre oder ein Mehrfaches auf max. 20 Jahre verlängert werden konnte (§ 9 Geschm MG a. F.), geht die geltende Regelung bereits von einem ursprünglichen Schutzzeitraum von 25 Jahren aus, der in Fünfjahresabschnitten durch Zahlung einer entsprechenden Gebühr aufrecht erhalten werden kann (§ 28 Abs. 1 DesignG). 74 III. Eingetragenes Design als Gegenstand des Vermögens 1. Rechtsnachfolge Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit der gewerblichen Schutzrechte (vgl. u. a. §§ 15 Abs. 1 PatG, 22 Abs. 1 Gebr MG , 27 Abs. 1 MarkenG) gilt auch im Designrecht. So kann das Recht an einem eingetragenen Design im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf andere übertragen werden oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (z. B. Erbschaft, § 1922 Abs. 1 BGB ) auf andere übergehen (§ 29 Abs. 1 DesignG). Die Übertragung erfolgt nach den allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts. Das heißt, auch bei der Übertragung des eingetragenen Designs durch Einzelvertrag ist zwischen dem in der Regel schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft als Kausalgeschäft (z. B. Rechtskauf, § 453 BGB ) und der vertraglichen Verfügung über das Recht (§§ 398, 413 BGB ) als Vollzugsgeschäft zu unterscheiden. 75 In Anlehnung an § 27 Abs. 2 MarkenG enthält auch das Designgesetz eine Vermutungsregelung, wonach ein zum Unternehmen oder zu einem Teil des Unternehmens gehöriges eingetragenes Design im Zweifel von der Übertragung des Unternehmens oder des Teils des Unternehmens, zu dem das eingetragene Design gehört, erfasst wird (§ 29 Abs. 2 DesignG). Der Regelung liegt der Grundsatz der Unternehmensakzessorietät zugrunde (vgl. auch § 34 Abs. 3 UrhG). Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass gewerbliche Schutzrechte häufig eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche Tätigkeit eines Unternehmens darstellen, so dass es sach- und interessengerecht erscheint, dass sich im Zweifel der Verkauf und die Übertragung eines Unternehmensteils auch auf die zugehörigen Schutzrechte erstreckt. 76 Die Rechtsübertragung 73 BT -Drucks. 15 / 1075, S. 31. 74 Die Aufrechterhaltungsgebühren sind gestaffelt, sie belaufen sich für das 6. bis 10. Jahr auf EUR 90, für das 11. bis 15. Jahr auf EUR 120, für das 16. bis 20. Jahr auf EUR 150, für das 21 bis 25. Jahr auf EUR 180. Siehe Übersicht Aufrechterhaltungsgebühren für das eingetragene Design abrufbar unter: http: / / www. dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html (letzter Abruf: 04 / 20 18). 75 Näheres Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 29 Rdn. 4 ff. 76 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 29 Abs. 2, S. 46. 219 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson des eingetragenen Designs entfaltet unabhängig von der Eintragung des Inhaberwechsels ins Register Wirkung gegenüber jedermann. Der Übergang des Rechts kann jedoch auf Antrag des Rechtsinhabers oder des Rechtsnachfolgers in das Register eingetragen werden (sog. Umschreibung), wenn er dem DPMA nachgewiesen wird (§ 29 Abs. 3 DesignG). Die Regelung weicht insoweit ab von der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung, nach der der Rechtsübergang eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters Dritten gegenüber im Grundsatz erst dann Wirkung entfaltet, wenn er in das Register eingetragen ist (Art. 33 Abs. 2 i. V. m. 28 GGV ). 2. Dingliche Rechte, Zwangsvollstreckung, Insolvenzverfahren Wie sonstige Vermögensgegenstände auch, kann das eingetragene Design Gegenstand eines sonstigen dinglichen Rechts sowie Gegenstand von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen sein (§ 30 Abs. 1 DesignG). Als dingliche Belastungen kommen eine Verpfändung (§§ 1273 ff. BGB ) oder ein Nießbrauch (§§ 1068 ff. BGB ) in Betracht. Die Zwangsvollstreckung erfolgt durch Pfändung und Überweisung (§§ 857 Abs. 1, 2 i. V. m. 828 ff. ZPO ). Dingliche Belastungen sowie Zwangsvollstreckungsmaßnahmen werden auf Antrag in das Register eingetragen, wenn sie dem DPMA nachgewiesen werden (§ 30 Abs. 2 DesignG). Mit der Eintragung in das Register ist keine unmittelbare Rechtsfolge verbunden, eine mittelbare Wirkung ergibt sich jedoch daraus, dass eine Löschung aufgrund Verzichts des Rechtsinhabers oder auf Antrag eines Dritten erst vorgenommen wird, wenn die Zustimmung der Inhaber anderer in das Register eingetragener Rechte vorgelegt wird (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 und 3 DesignG). Auch soweit das Recht an einem eingetragenen Design durch ein Insolvenzverfahren erfasst wird, wird dies auf Antrag des Insolvenzverwalters oder auf Ersuchen des Insolvenzgerichts in das Register eingetragen (§ 30 Abs. 3 DesignG). 3. Lizenzen Die Möglichkeit der Einräumung von Lizenzen an eingetragenen Designs ist Gegenstand einer gesonderten Regelung (vgl. § 31 DesignG), die sich im Wesentlichen an der parallelen Regelung des Markengesetzes (§ 30 MarkenG) orientiert. Danach kann das eingetragene Design Gegenstand von ausschließlichen und nicht ausschließlichen Lizenzen für das gesamte Gebiet oder einen Teil des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland sein (§ 31 Abs. 1 DesignG). 77 Ferner ist für das Verhältnis zwischen Rechtsinhaber und Lizenznehmer ausdrücklich bestimmt, dass der Rechtsinhaber bei einem Verstoß des Lizenznehmers gegen die im Einzelnen gesetzlich näher aufgezählten lizenzvertraglichen Bestimmungen („Kardinalpflichten“) die Rechte aus dem eingetragenen Design gegen den Lizenznehmer geltend machen kann (§ 31 Abs. 2 DesignG), d. h. der Rechtsinhaber ist insoweit nicht auf vertragliche Ansprüche beschränkt. 78 Die entsprechenden Rechte aus dem eingetragenen Design wegen 77 Praxishinweise zum Verhandeln und Gestalten von Verträgen über Designrechte vgl. Kobuss / Bretz, Kap. 5, S. 69 ff., Kap. 11, 185 ff., Anhang S. 327 ff. 78 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu § 31 Abs. 2, S. 47. 220 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson eines Verstoßes gegen Beschränkungen des Lizenzvertrages kann der Rechtsinhaber nicht nur gegen den Lizenznehmer geltend machen, sondern auch gegen-- unmittelbare und mittelbare-- Abnehmer des Lizenznehmers, die Erzeugnisse des Lizenznehmers zum Gegenstand von Benutzungshandlungen machen. 79 Was die Rechtsverfolgung von Schutzrechtsverletzungen durch Dritte angeht, ist bestimmt, dass der Lizenznehmer ein Verfahren wegen Verletzung eines eingetragenen Designs, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart ist, grundsätzlich nur mit Zustimmung des Rechtsinhabers anhängig machen kann (§ 31 Abs. 3 S. 1 DesignG). Dies gilt allerdings nicht für den Inhaber einer ausschließlichen Lizenz, wenn der Rechtsinhaber, nachdem er dazu aufgefordert wurde, innerhalb einer angemessenen Frist nicht selbst ein Verletzungsverfahren anhängig gemacht hat (§ 31 Abs. 3 S. 2 DesignG). Schließlich sieht das Gesetz nach dem Vorbild des Patentgesetzes (vgl. § 15 Abs. 3 PatG) die Regelung eines sog. Sukzessionsschutzes vor. Das heißt, auch beim eingetragenen Design lässt eine Rechtsnachfolge in der Inhaberschaft (nach § 29 DesignG) oder die Erteilung weiterer Lizenzen die Beständigkeit einer vorher erteilten Lizenz unberührt (§ 31 Abs. 5 DesignG). IV. Nichtigkeit und Löschung 1. Nichtigkeitsverfahren beim DPMA Eine der wesentlichen Änderungen des Gesetzes zur Modernisierung des Geschmacksmusterrechts vom 10. 10. 2013 war-- neben der Modernisierung der Terminologie-- die Einführung eines beim DPMA angesiedelten Nichtigkeitsverfahrens (§§ 34 ff. DesignG). Da bei der Eintragung des Designs, wie gesehen (s. o. § 38 V. 2.), keine Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen erfolgt, obliegt es einem möglichen Rechtssuchenden die Nichtigkeit eines eingetragenen Designs geltend zu machen. Nach alter Rechtslage musste ein Rechtssuchender mangels eines entsprechenden amtlichen Verfahrens die Feststellung der Nichtigkeit eines Geschmacksmusters im Wege eines mit nicht unerheblichen Kosten verbundenen Klageverfahrens vor den ordentlichen Gerichten durchsetzen. Mit der Einführung des beim DPMA angesiedelten Nichtigkeitsverfahrens soll dem Rechtssuchenden in Anlehnung an die Vorschriften zum Löschungsverfahren im Markenrecht und Gebrauchsmustergesetz eine kostengünstigere Möglichkeit der Feststellung der Nichtigkeit eröffnet werden. 80 Die Nichtigkeit eines eigetragenen Designs wird durch Beschluss des DPMA oder durch Urteil auf Grund Widerklage im Verletzungsverfahren (s. §§ 52a f. DesignG) festgestellt oder erklärt (§ 33 Abs. 3 DesignG). Die Voraussetzungen für die Einleitung des Nichtigkeitsverfahrens sowie die wesentlichen Grundzüge des Verfahrens sind in den §§ 34 bis 34c DesignG geregelt. 81 79 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 31 Rdn. 21. 80 BT -Drucks. 17 / 13 428, S. 21. 81 Näheres hierzu vgl. Rehmann, GRUR -Prax 2013, 215 f. 221 § 39 Entstehung, Dauer, Rechtsverkehr Pierson 2. Absolute Nichtigkeit Ein eingetragenes Design ist nichtig (§ 33 Abs. 1 DesignG), wenn es an einer materiellen Voraussetzung für die Schutzgewährung fehlt oder ein Designschutz ausgeschlossen ist, nämlich ▶ wenn die Erscheinungsform des Erzeugnisses kein Design ist (i. S. v. § 1 Nr. 1 DesignG), ▶ wenn das Design nicht neu (i. S. v. § 2 Abs. 2 DesignG) ist oder keine Eigenart hat (i. S. v. § 2 Abs. 3 DesignG) oder ▶ wenn das Design vom Designschutz nach § 3 DesignG ausgeschlossen ist. Zur Stellung des Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit nach § 33 Abs. 1 DesignG ist grundsätzlich jedermann befugt (§ 34 S. 1 DesignG). Diese sog. Popularantragsbefugnis ist im allgemeinen Interesse einer Löschung von Scheinrechten aus dem Register eröffnet. 82 Eine Ausnahme hiervon ergibt sich lediglich für den Nichtigkeitsgrund gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 4 DesignG (missbräuchliche Benutzung eines der in Art. 6 ter der PVÜ aufgeführtem Zeichen u. a.), der nur von demjenigen geltend gemacht werden kann, der von der Benutzung betroffen ist (§ 34 S. 3 DesignG). 83 3. Relative Nichtigkeit Seinem Wesen als Erscheinungsform eines Erzeugnisses entsprechend, ist es möglich, dass sich das eingetragene Design mit einigen anderen Schutzrechten überschneidet und deshalb für nichtig erklärt werden kann (Fälle sog. relativer Nichtigkeit nach § 33 Abs. 2 DesignG). So kann ein eingetragenes Design mit seinen Erscheinungsmerkmalen in den Schutzbereich eines anderen Schutzrechts eingreifen, d. h. mit diesem kollidieren. Denkbar ist eine Kollision mit einem Urheberrecht (§ 33 Abs. 2 Nr. 1 DesignG- - z. B.: unerlaubte Benutzung eines urheberrechtlich geschützten Bildes oder einer Fotographie als Muster einer Tapete), mit einem eingetragenen Design mit älterem Zeitrang (§ 33 Abs. 2 Nr. 2 DesignG) oder mit einem Zeichen mit Unterscheidungskraft älteren Zeitrangs (§ 33 Abs. 2 Nr. 3 DesignG-- z. B.: Stoffmuster enthält Zeichen, dass als Bildmarke geschützt ist). Das Gesetz sieht für diese Fälle vor, dass der Inhaber des betroffenen Rechts befugt ist, einen Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des eingetragenen Designs zu stellen (§ 34 S. 2 DesignG). 4. Löschung Eine Löschung der Eintragung eines eingetragenen Designs erfolgt (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1-5 DesignG): ▶ bei Beendigung der Schutzdauer (d. h. bei Ablauf der max. Schutzdauer von 25 Jahren, § 27 Abs. 2 DesignG, bzw. mangels weiterer Aufrechterhaltung nach 5, 10, 15, 20 Jahren, § 28 Abs. 3 DesignG); 82 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 33 Abs. 2, S. 48 f. 83 Hintergrund dieser Einschränkung ist eine entsprechende Vorgabe der Richtlinie 98 / 71 / EG - - BT - Drucks. 17 / 13 428, Amtl. Begr. zu § 34, S. 31. 222 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson ▶ bei Verzicht auf Antrag des Rechtsinhabers (unter den in § 36 Abs. 1 Nr. 2 DesigG bestimmten Voraussetzungen); ▶ auf Antrag eines Dritten (unter den in § 36 Abs. 1 Nr. 3 DesigG bestimmten Voraussetzungen); ▶ bei Einwilligung des als Rechtsinhaber Eingetragenen in die Löschung nach § 9 DesignG bei Nichtberechtigung des als Rechtsinhaber Eingetragenen oder nach § 33 Abs. 2 S. 2 DesignG (wegen Kollision mit anderem Schutzrecht); ▶ auf Grund eines unanfechtbaren Beschlusses oder rechtskräftigen Urteils über die Feststellung oder Erklärung der Nichtigkeit. Eine Entscheidung über die Ablehnung der Löschung erfolgt durch Beschluss des DPMA (§ 36 Abs. 1 S. 2 DesignG), sie kann von dem Rechtssuchenden durch Einlegung eines Rechtsmittels nach § 23 Abs. 4 DesignG (Beschwerde) angegriffen werden. § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen I. Schutzwirkungen 1. Schutzgegenstand Die im Rahmen der Reform 2004 erfolgte Stärkung des Designschutzes-- seine Fortentwicklung von einem bloßen Nachahmungsschutz hin zu einem gewerblichen Schutzrecht mit Sperrwirkung (s. o. § 2 II .)-- hat eine eindeutige Konkretisierung des Schutzgegenstandes erforderlich gemacht. Der Schutzgegenstand des Schutzrechts ist seither ausdrücklich geregelt. Danach wird Schutz für diejenigen Merkmale der Erscheinungsform eines eingetragenen Designs begründet, die in der Anmeldung sichtbar wiedergegeben sind (§ 37 Abs. 1 DesignG). Gegenstand des Schutzes ist also nicht die Originalvorlage des angemeldeten Designs, sondern jeweils das, was in der Anmeldung offenbart wurde. Vom Schutz erfasst sind also alle Erscheinungsmerkmale, die auf der der Anmeldung beigefügten Wiedergabe erkennbar sind. 84 Durch diese Regelung haben die von der Rechtspraxis auf der Grundlage des alten Rechts vor 2004 entwickelten Beurteilungskriterien eine gesetzliche Anerkennung erfahren. 85 Der in § 5 DesignG unter den Schutzvoraussetzungen geregelte Tatbestand der Offenbarung ist daher über die Bestimmung von Neuheit bzw. Eigenart hinaus auch für die Feststellung des Schutzumfangs von entscheidender Bedeutung. 86 2. Rechte und Schutzumfang Die Rechtsherrschaft des Rechtsinhabers eines eingetragenen Designs äußert sich in einem Ausschließlichkeitsrecht, das in der für Immaterialgüterrechte typischen Weise durch die Zuweisung einer ausschließlichen positiven Benutzungsbefugnis und eines umfassenden 84 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 37 Abs. 1, S. 51. 85 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 37 Rdn. 1. 86 Hartwig, GRUR 2017, 20, 23. 223 § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen Pierson negativen Verbietungsrechts gekennzeichnet ist (vgl. § 1 II .). So gewährt das eingetragene Design dem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht, das eingetragene Design zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen (§ 38 Abs. 1 DesignG). Konkretisierungen des dem Rechtsinhaber danach zustehenden Verbietungsrechts und der diesem ausschließlich vorbehaltenen Benutzungshandlungen ergeben sich aus der nicht abschließenden gesetzlichen Aufzählung (vgl. 38 Abs. 1 S. 2 DesignG). Danach schließt eine Benutzung insbesondere ein ▶ die Herstellung, ▶ das Anbieten, ▶ das Inverkehrbringen, ▶ die Einfuhr und Ausfuhr, ▶ den Gebrauch eines geschützten Erzeugnisses und ▶ den Besitz eines Erzeugnisses zu den vorgenannten Zwecken. Von entscheidender Bedeutung ist, dass von den Rechten aus dem eingetragenen Designrecht-- anders als nach der früheren Rechtslage vor der Reform 2004-- nicht nur Nachbildungen erfasst werden, sondern jegliche Benutzungenhandlungen, d. h. unabhängig davon, ob der Dritte Kenntnis von dem bestehenden eingetragenen Design hatte (sog. Sperrwirkung). Was die Frage der Reichweite des Designschutzes angeht, so erstreckt sich der Schutz aus einem eingetragenen Design auf jedes Design, das bei einem informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt, wobei bei der Beurteilung des Schutzumfangs der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Designs berücksichtigt wird (§ 38 Abs. 2 DesignG). Für die Beurteilung des Schutzumfangs ist danach also der gleiche Beurteilungsmaßstab-- nämlich der bei einem informierten Benutzer erweckte Gesamteindruck-- heranzuziehen, wie zur Beurteilung der erforderlichen „Eigenart“ im Rahmen der Schutzvoraussetzungen (s. o. § 38 II . 2. a). Das gestalterische „Mehr“, das dazu führt, dass sich das Design hinreichend von anderen eingetragenen Designs unterscheidet, ist rechtlich also in zweifacher Hinsicht bedeutsam: zum einen im Rahmen der „Eigenart“ als Voraussetzung für die Entstehung des Schutzes (§ 2 Abs. 3 DesignG), zum anderen bestimmt es zugleich im Rahmen des Schutzumfangs (§ 38 Abs. 2 DesignG) die Reichweite des Schutzes. Maßstab für die Perspektive eines „informierten Benutzers“ soll dabei ein „mit einem gewissen Maß an Kenntnissen und Designbewusstsein ausgestatteter Durchschnittsbetrachter“ sein, also weder ein nicht vorgebildeter Betrachter noch andererseits ein Designexperte. 87 3. Beschränkungen, Vorbenutzungsrecht Das dem Rechtsinhaber des eingetragenen Designs zustehende, im Grundsatz umfassende Verbietungsrecht besteht nicht völlig schrankenlos, sondern unterliegt, wie andere gewerbliche Schutzrechte auch (vgl. §§ 11 PatG, 12 Gebr MG , 6 Abs. 2 HLS chG, 10a Abs. 1 SortG), einem Katalog von Beschränkungen, die dem Schutz unterschiedlicher Allgemeininteressen dienen 87 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begr. zu 38 Abs. 2, S. 52. 224 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson (vgl. § 40 DesignG). Bei diesen Beschränkungen handelt es sich-- anders als bei § 3 DesignG (hierzu s. o. § 38 III .)- - nicht um Fälle, in denen der Designschutz generell ausgeschlossen ist, sondern um Tatbestände, in denen der bestehende Schutz des eingetragenen Design an eine gesetzliche „Schranke“ stößt, d. h. ausnahmsweise keine Wirkung entfaltet. So können die Rechte aus einem eingetragenen Design u. a. nicht geltend gemacht werden gegenüber ▶ Handlungen, die im privaten Bereich zu nichtgewerblichen Zwecken vorgenommen werden (§ 40 Nr. 1 DesignG); ▶ Handlungen zu Versuchszwecken (§ 40 Nr. 2 DesignG); ▶ Wiedergaben zum Zwecke der Zitierung (im Sinne von Veranschaulichung / Illustration) oder der Lehre, vorausgesetzt solche Wiedergaben sind mit den Gepflogenheiten des redlichen Geschäftsverkehrs vereinbar, beinträchtigen die normale Verwertung des eingetragenen Designs nicht über Gebühr und geben die Quelle an (§ 40 Nr. 3 DesignG). Eine weitere Beschränkung des Rechts am eingetragenen Design ergibt sich aus dem im Rahmen der Reform 2004 neu in das Gesetz aufgenommenen Vorbenutzungsrecht, das als Rechtsinstitut mit der nach reformiertem Recht entfalteten Sperrwirkung des eingetragenen Designs korrespondiert. Danach können Rechte aus dem eingetragenen Design (nach § 38 DesignG) gegenüber einem Dritten, der vor dem Anmeldetag im Inland ein identisches Design, das unabhängig von einem eingetragenen Design entwickelt wurde, gutgläubig in Benutzung genommen oder wirkliche und ernsthafte Anstalten dazu getroffen hat, nicht geltend gemacht werden (§ 41 Abs. 1 S. 1 DesignG). Durch das Vorbenutzungsrecht, das sich im Bereich der technischen Schutzrechte bewährt hat (vgl. §§ 12 PatG, 13 Abs. 3 Gebr MG -- s. o. § 17 II .), soll ein Interessenausgleich geschaffen werden zwischen dem Bedürfnis des Rechtsinhabers an einem umfassenden Schutz und dem Nutzungsinteresse Dritter, die ein in den Schutzumfang eines eingetragenen Designs fallendes Design bereits zuvor gutgläubig verwendet haben bzw. Vorkehrungen hierzu getroffen haben. 88 Der Dritte ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des Vorbenutzungsrechts berechtigt, das Design zu verwerten (§ 41 Abs. 1 S. 2 DesignG). Er ist jedoch nicht selbst Inhaber eines eingetragenen Designs, sondern nur eines Vorbenutzungsrechts-- eine Vergabe von Lizenzen ist daher ausgeschlossen (§ 41 Abs. 1 S. 3 DesignG). Das Vorbenutzungsrecht ist nur auf einen Dritten übertragbar, wenn dieser ein Unternehmen betreibt und die Übertragung zusammen mit mindestens dem Unternehmensteil erfolgt, in dessen Rahmen die Benutzung erfolgte oder die Anstalten getroffen wurden (Betriebsgebundenheit des Vorbenutzungsrechts, s. § 41 Abs. 2 DesignG). 89 88 BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begründung zu § 41 Abs. 1, S. 54. 89 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 41 Rdn. 10. 225 § 40 Schutzwirkungen, Rechtsverletzungen Pierson II. Rechtsverletzungen 1. Beseitigung, Unterlassung, Schadenersatz Das dem Rechtsinhaber als Ausfluss seines Ausschließlichkeitsrechts zustehende Verbietungsrecht (§ 38 Abs. 1 S. 1 DesignG) wird konkretisiert durch zivilrechtliche Ansprüche, die ihm gegen den unberechtigten Nutzer seines eingetragenen Designs eingeräumt werden. 90 Die wichtigsten Anspruchsgrundlagen sind in § 42 DesignG geregelt. Danach kann derjenige, der ein eingetragenes Design entgegen § 38 Abs. 1 S. 1 DesignG benutzt (Verletzer), von dem Rechtsinhaber oder einem anderen Berechtigten (Verletzten) auf Beseitigung der Beeinträchtigung und bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden (§ 42 Abs. 1 DesignG). Hierbei kommt in der Praxis dem Unterlassungsanspruch, der auf eine Verhinderung einer fortgesetzten bzw. erneuten Verletzung des eingetragenen Designs gerichtet und bereits bei Erstbegehungsgefahr begründet ist (§ 42 Abs. 1 S. 2 DesignG), eine weitaus größere Bedeutung zu als dem Beseitigungsanspruch. 91 Als weiterer Anspruchsberechtigter und Verletzter kommt neben dem Rechtsinhaber der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz in Betracht, nicht jedoch der Inhaber einer einfachen Lizenz, der-- anders als bei der ausschließlichen Lizenz-- kein dinglicher, sondern lediglich schuldrechtlicher Charakter zukommt. Handelt der Verletzer vorsätzlich oder fahrlässig-- also schuldhaft--, ist er darüber hinaus zum Ersatz des aus der unberechtigten Benutzungshandlungen entstandenen Schadens verpflichtet (§ 42 Abs. 2 S. 1 DesignG). An Stelle des Schadensersatzes kann die Herausgabe des Gewinns, den der Verletzer durch die Benutzung des eingetragenen Designs erzielt hat, verlangt werden (§ 42 Abs. 2 S. 2 DesignG). Der Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns ist-- neben der konkreten Berechnung des Schadens durch Berechnung des entgangenen Gewinns (§ 252 BGB ) und der im Zuge des Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (s. hierzu u. § 87 II . 2.) gesetzlich verankerten Schadensberechnung im Wege der sog. Lizenzanalogie (§ 42 Abs. 2 S. 3 DesignG)-- eine der drei Berechnungsarten, die im Bereich des Immaterialgüterrechts von der Rechtsprechung seit langem anerkannt waren. 92 2. Flankierende Ansprüche, Erschöpfung, Verjährung Die zuvor dargestellten zentralen zivilrechtlichen Ansprüche aus § 42 DesignG werden im Sinne eines umfassenden Schutzes und der Durchsetzung der Rechte aus dem eingetragenen Design durch eine Reihe flankierender zivilrechtlicher Ansprüche ergänzt (Einzelheiten zur Anspruchsgrundlagensystematik s. u. § 87 II . 2.). So steht dem Verletzten gegen den Verletzer auch ein Anspruch auf Vernichtung, Rückruf und Überlassung zu (§ 43 DesignG). Danach kann der Verletzte verlangen, dass alle rechtwidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnisse, die im Besitz oder Eigentum des Verletzers stehen, vernichtet werden (§ 43 Abs. 1 DesignG). Auch kann der Verletzte den Verletzer auf 90 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, § 42 Rdn. 1. 91 Rehmann, Designrecht, Rdn. 249. 92 Vgl. BGH GRUR 1993, 55, 57 „Tchibo / Rolex II “. 226 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson Rückruf von rechtswidrig hergestellten, verbreiteten oder zur rechtswidrigen Verbreitung bestimmten Erzeugnissen oder auf deren endgültiges Entfernen aus den Vertriebswegen in Anspruch nehmen. Statt des Vernichtungsanspruchs nach Absatz 1 kann der Verletzte auch verlangen, dass ihm die Erzeugnisse, die im Eigentum des Verletzers stehen, gegen eine angemessene Vergütung, welche die Herstellungskosten nicht übersteigen darf, überlassen werden (§ 43 Abs. 3 DesignG). Die Ansprüche nach Abs. 1 bis 3 sind ausgeschlossen, wenn die Maßnahme im Einzelfall unverhältnismäßig ist (§ 43 Abs. 4 DesignG). Schließlich hat der Verletzte einen Anspruch auf umfassende Auskunft (Herkunft, Vertriebsweg, Lieferanten, Vorbesitzer, gewerbliche Abnehmer oder Auftraggeber, Mengen), der sich aus § 46 DesignG ergibt. Auch die Rechte am eingetragenen Design unterliegen der Erschöpfung, 93 d. h. sie erstrecken sich nicht auf Handlungen, die ein Erzeugnis betreffen, in das ein unter den Schutzumfang des Rechts am eingetragenen Design fallendes Design eingefügt oder bei dem es verwendet wird, wenn das Erzeugnis vom Rechtsinhaber oder mit seiner Zustimmung in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder ein einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden ist (§ 48 DesignG). 94 Hinsichtlich der Verjährung der in den §§ 42 bis 47 genannten Ansprüche erklärt das Gesetz die allgemeinen Verjährungsvorschriften des BGB (§§ 194 bis 218 BGB ) für anwendbar (§ 49 S. 1 DesignG), entsprechend der regelmäßigen Verjährung beträgt die Verjährungsfrist mithin drei Jahre. 3. Strafvorschriften Auch im Falle einer Verletzung des Rechts am eingetragenen Design drohen dem Verletzer-- wie bei der Verletzung anderer Immaterialgüterrechte (vgl. §§ 142 PatG, 25 Gebr MG , 143 MarkenG, 106 ff. UrhG)-- neben zivilrechtlichen Konsequenzen strafrechtliche Sanktionen. So wird derjenige, der ein eingetragenes Design entgegen § 38 Abs. 1 S. 1 DesignG benutzt, obwohl der Rechtsinhaber nicht zugestimmt hat, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 51 Abs. 1 DesignG). Bei gewerbsmäßiger Begehung drohen eine erhöhte Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe (§ 51 Abs. 2 DesignG). Bereits der Versuch der Tat-- das unmittelbare Ansetzen zur Tat (§ 22 St GB )-- ist strafbar (§ 51 Abs. 3 DesignG). Strafbar ist nur eine vorsätzliche Tatbegehung (§ 15 St GB ), d. h. in subjektiver Hinsicht ist erforderlich, dass der Verletzer die Tatumstände kennt und die Tatbestandsverwirklichung will. 93 Zur Geltung des Grundsatzes der Erschöpfung im Patentrecht s. § 17 III ., im Markenrecht s. § 49 IV ., im Urheberrecht s. § 71 II . 2. b) bb). 94 Allgemein zum Erschöpfungsgrundsatz im Recht des geistigen Eigentums vgl. Ahrens / McGuire, Modellgesetzbuch, § 12 GGE , S. 55 ff. 227 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Pierson § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster I. Einordnung Wie bereits einleitend (s. o. Erster Abschnitt § 4 IV . 4.) dargestellt, wurde mit dem Gemeinschaftsgeschmacksmuster auch im Bereich des Designschutzes ein supranationales, gemeinschaftsweit gültiges Schutzrecht geschaffen. Rechtsgrundlage hierfür ist die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ( GGV ) vom 12. 12. 2001, die am 6. März 2002 in Kraft getreten ist. 95 Was den internationalen Designschutz angeht, wurde damit das Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung von Mustern und Modellen, das lediglich die vereinfachte Erlangung eines Bündels nationaler Schutzrechte ermöglicht, für den Bereich der Europäischen Union um ein einheitliches Schutzinstrument ergänzt. Durch den zwischenzeitlich erfolgten Beitritt der Europäischen Union zum Haager Abkommen wurde dieses von der WIPO verwaltete Schutzsystem mit dem von dem Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ) in Alicante verwalteten Gemeinschaftsgeschmacksmustersystem mit Wirkung zum 01. Januar 2008 verknüpft (s. hierzu o. § 4 III . 2. b). Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung stimmt in ihren wichtigsten materiellen Regelungen mit der bereits im Jahre 1998 verabschiedeten Geschmacksmusterrichtlinie überein und markiert den (vorläufigen) Abschluss des Harmonisierungs- und Vereinheitlichungsprozesses im Bereich des europäischen Designrechts. Auch ein Vergleich mit den Regelungen des 2004 reformierten deutschen Designschutzrechts ergibt eine weitgehende Übereinstimmung, was nicht überrascht, da diese Regelungen, wie erwähnt (§ 2 II .) ihrerseits auf einer Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie mit dem Ziel einer Angleichung an das harmonisierte europäische Designrecht beruhen. II. Duales Schutzsystem Hervorzuhebende Besonderheit der Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung ist, dass diese für den Designschutz ein aus zwei unterschiedlichen Schutzformen bestehendes Schutzsystem („duales System“) eingeführt hat. Danach ist beim Gemeinschaftsgeschmackmuster zu unterscheiden zwischen dem längerfristigen, stärkeren eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmuster und dem kurzfristigen, schwächeren nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster. 1. Eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster Das eingetragene Geschmacksmuster kann-- wie die Unionsmarke-- durch eine Anmeldung und Eintragung beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ) in Spanien / Alicante erlangt werden. Was die Schutzausgestaltung angeht, entfaltet es die gleichen Wirkungen wie ein deutsches eingetragenes Design (vgl. Art. 19 GGV ), gewährt also gleich- 95 Abrufbar über die Seite des EUIPO unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ de/ community-designlegal-texts (letzter Abruf: 04 / 2018). 228 Vierter Abschnitt: Der Schutz des Designs durch das Designschutzrecht Pierson falls ein Ausschließlichkeitsrecht mit Sperrwirkung und einen Schutz von maximal 25 Jahren (Art. 12 GGV ). Aufgrund der Eintragung bietet es darüber hinaus größere Rechtssicherheit. 96 Gemeinschaftsgeschmacksmusteranmeldungen, für die Formulare des EUIPO zur Verfügung stehen, 97 können auch beim DPMA zur Weiterleitung an das EUIPO eingereicht werden (Art. 35 GGV , § 62 DesignG). 98 Vergleicht man die Möglichkeit der Erlangung eines eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters mit der Erlangung eines deutschen eingetragenen Designs unter dem Gesichtspunkt der „Kosten./ .Schutz“-Relation, ergibt sich, dass der Designanmelder für das nationale, lediglich in Deutschland wirksame eingetragene Design eine Anmeldegebühr i. H. v. EUR 60 (elektronische Anmeldung) bzw. EUR 70 (Papieranmeldung) bei einer Schutzdauer von zunächst 5 Jahren (mit Bekanntmachung der Wiedergabe des Designs) aufwenden muss, während er für eine Gebühr i. H. v. EUR 350,- (Eintragungsgebühr i. H. v. EUR 230 EUR plus Bekanntmachungsgebühr i. H. v. EUR 120) ein unionsweit gültiges Schutzrecht in 28 Mitgliedsstaaten erlangt. 99 Die vergleichsweise geringeren Amtsgebühren des DPMA dürften einer der Gründe dafür sein, dass sich das nationale Designschutzrecht im „Wettbewerb“ mit dem attraktiven Gemeinschaftsgeschmacksmuster offenbar weiterhin behaupten kann (zur nationalen Anmeldestatistik vgl. o. § 37 IV .). 2. Nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmackmuster Das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster stellte bei seiner Einführung ein Novum dar. 100 Sein Schutz entsteht europaweit- - ohne jegliche Eintragungsformalitäten- - mit der ersten öffentlichen Zugänglichmachung, wenn auch nur für einen deutlich kürzeren Zeitraum von drei Jahren (Art. 11 Abs. 1 GVV ). Anerkennung und Ausgestaltung des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmackmusters ohne Eintragungserfordernisse tragen dem Umstand Rechnung, dass einige Wirtschaftszweige (z. B. Textilbereich) während kurzer Zeiträume zahlreiche Designs hervorbringen, von denen nur einige und nur für eine kurze „Lebensdauer“ auf dem Markt sind. 101 Ein Geschmacksmuster gilt als der Öffentlichkeit innerhalb der Gemeinschaft zugänglich gemacht, wenn es in solcher Weise offenbart wurde, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverkehr bekannt sein konnte (Art. 11 Abs. 2 S. 1 GGV ). Zum normalen Geschäftsverlauf der Fachkreise jedes Wirtschaftszweigs zählen Maßnahmen der Marktbeobachtung, um die Konkurrenzlage und neue Tendenzen bei der Entwicklung der eigenen 96 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 12. 97 Abrufbar über die Seite des EIIPO unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ en/ rcd-apply-now (letzter Abruf: 04 / 2018). 98 Näheres vgl. Informationen des DPMA zum „Gemeinschaftsgeschmacksmuster“, abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ designs/ designschutz_ausland/ index.html#a4 (letzter Abruf: 04 / 2018). 99 Vgl. Gebühren DPMA abrufbar unter http: / / www.dpma.de/ design/ gebuehren/ index.html; Gebühren EUIPO abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ ohimportal/ de/ rcd-fees-and-payments (letzter Abruf jeweils: 04 / 2018). 100 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 11. 101 Eichmann / v. Falckenstein / Kühne, DesignG, Systematik des DesignR, Kap. C. Rdn. 1. 229 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Pierson Erzeugnisse zu berücksichtigen. 102 Für die Geltendmachung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist entscheidend, dass die erste Veröffentlichung- - Zeitpunkt und Art und Weise der öffentlichen Zugänglichmachung- - des nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters umfassend dokumentiert ist. 103 Ein Geschmacksmuster, das nicht in der Gemeinschaft öffentlich zugänglich gemacht wurde, genießt keinen Schutz als nicht eingetragenes Geschmacksmuster (Art. 110a Abs. 5 S. 2 GGV ). Hervorzuheben ist, dass das nicht eingetragene Gemeinschaftsgeschmacksmuster-- anders als das eingetragene-- keine Sperrwirkung entfaltet. Das heißt, ein Verbietungsrecht des Rechtsinhabers besteht nur dann, wenn die Benutzung eines Dritten das Ergebnis einer Nachahmung des geschützten Designs ist (Art. 19 Abs. 2 GGV ). Die angefochtene Benutzung wird nicht als das Ergebnis einer Nachahmung eines geschützten Geschmacksmusters betrachtet, wenn sie das Ergebnis eines selbständigen Entwurfs eines Entwerfers ist, von dem berechtigterweise angenommen werden kann, dass er das von dem Inhaber offenbarte Design nicht kannte (Art. 19 Abs. 2 S. 2 GGV ). Fraglich ist, wer im Verletzungsfall die Beweislast dafür trägt, dass eine Nachahmung vorliegt. Nach Ansicht des BGH deutet „der Wortlaut der Bestimmung des Art. 19 Abs. 2 GGV , wonach der Schutz nur gewährt wird, wenn die angefochtene Benutzung das Ergebnis einer Nachahmung ist“, darauf hin, „dass die Beweislast grundsätzlich den Schutzrechtsinhaber trifft.“ „Die Beweislast“ könne „sich jedoch umkehren oder dem Inhaber des Klagemusters könnten Beweiserleichterungen zu Gute kommen, wenn wesentliche Übereinstimmungen der Muster vorliegen“. Dafür spreche, „dass derartige Übereinstimmungen den Beweis des ersten Anscheins“ dafür begründeten, das dem Entwerfer bei der Gestaltung des angegriffenen Musters das Klagemuster bekannt gewesen sei. 104 Was das Verhältnis zum deutschen Designschutzrecht angeht, sieht dieses, wie gesehen, keinen Schutz für ein nicht eingetragenes Design vor. 105 Dies ist auch nicht erforderlich, da ein erstmals in Deutschland der Öffentlichkeit zugänglich gemachtes Design Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster genießen kann, sofern es die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Bemerkenswert ist insoweit ferner, dass die Bekanntmachung eines deutschen eingetragenen Designs durch das DPMA zugunsten des Inhabers automatisch zugleich den Schutz als nicht eingetragenes Gemeinschaftsgeschmacksmuster begründet. 106 102 BGH GRUR 2012, 1253, 1255 „Gartenpavillon“ (Eu GH -Vorlage zur Frage der öffentlichen Zugänglichmachung eines nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters). 103 Bulling / Langöhrig / Hellwig / Müller, Designschutz, Rdn. 277 f. 104 BGH GRUR 2012, 1253, 1256 „Gartenpavillon“. 105 Vgl. hierzu BT -Drucks. 15 / 1075, Amtl. Begründung, A. II . b), S. 27. 106 Bulling, Mitt. 2004, 254, 257. Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen 233 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Fischer 1. Kapitel. Allgemeines zum Kennzeichenschutz § 42 Gegenstand Das erste deutsche „Gesetz über den Markenschutz“ stammt vom 30. 5. 1874 1 und wurde zwanzig Jahre später durch das „Gesetz zum Schutz von Warenbezeichnungen“ 2 ersetzt. In seiner Struktur, teils auch im Wortlaut war dieses Warenzeichengesetz bis zur Einführung des neuen Markengesetzes über 100 Jahre in Kraft, wobei es wesentlichen Änderungen nur in den letzten Dekaden durch die Einführung des Benutzungszwanges (1967), die Eintragbarkeit von Dienstleistungsmarken (1979) und die Aufhebung der Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb (1992) unterlag. 3 Im Rahmen der Harmonisierung der Rechtsvorschriften innerhalb der Europäischen Gemeinschaft wurde im Dezember 1988 die „Erste Richtlinie des Rates der EG Nr. 89 / 104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Marken“ 4 verabschiedet. Sie schaffte die rechtliche Grundlage für die Reformation nicht nur des deutschen Markenrechtes. Diese europäische Marken RL setzte für die derzeit achtundzwanzig Staaten der Europäischen Union verbindliche Standards und findet auf Individual-, Kollektiv-, Garantie- und Gewährleistungsmarken für Waren und Dienstleistungen Anwendung, die in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Markenamt eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden sind (Art. 1). Sie definiert die dem Schutz zugänglichen Zeichenformen (Art. 3), die einem Markenschutz entgegenstehenden „absoluten“ (Art. 4) sowie „relativen“ (Art. 5) Schutzhindernisse. Erstere betreffen die Gründe der dem Markenschutz nicht zugänglichen Zeichen. Die Zweitgenannten behandeln die Kollision mit älteren Rechten. Der Schutzumfang von Marken ist im Art. 10 geregelt. Die folgenden Artikel enthalten die wichtigsten Schutzschranken wie die lautere Benutzung (Art. 14), die Erschöpfung (Art. 15), die Erschöpfung (Art. 15), der Benutzungszwang (Art. 16) oder die Verfallsgründe (Art. 19, 20, 21). Als weitere wichtige Regelung umfasst Art. 25 die Lizenz von Markenrechten. Das in Folge der Marken RL neue und geltende „Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen (MarkenG)“ 5 vom 25. Oktober 1994 trat am 1. 1. 1995 in Kraft und löste damit das alte Warenzeichengesetz ab. Die wesentlichen Änderungen gegenüber dem bis dahin geltenden Warenzeichengesetz waren zum einen die einheitliche Verwendung des Begriffs „Marke“, zum anderen die Ein- 1 RGB l. 1874, 143-146. 2 Bl. f. PMZ 1894, 5 ff. 3 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994, (Sonderheft), 47. 4 Marken RL , AB l. EG 1989 Nr. L 40, Berichtigungen im AB l. EG 1989 Nr. L 159, 60; in: Bl. f. PMZ 1989, 189 ff. 5 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft) „Das neue Markengesetz“. 234 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer beziehung aller Kennzeichenrechte 6 einschließlich der geografischen Herkunftsangaben und der international registrierten Marken. Ergänzt wurden 1996 u. a. die Regelungen zur europäischen Gemeinschaftsmarke. 7 Auch das materielle Markenrecht unterlag einer Vielzahl von Änderungen vor allem aufgrund der Umsetzung der europäischen Marken RL . Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen: ▶ Zulassung aller grafisch darstellbaren und unterscheidbaren Zeichen, einschließlich dreidimensionaler oder nur aus Buchstaben und / oder Zahlen bestehende Zeichen und Hörzeichen; ▶ Verzicht auf das Vorhandensein eines Geschäftsbetriebes; ▶ Ersetzung der „Gleichartigkeit“ durch „Ähnlichkeit“ der Waren und / oder Dienstleistungen; ▶ Erweiterter Schutzumfang für bekannte Marken auch außerhalb des Ähnlichkeitsbereiches bezüglich der Waren und Dienstleistungen, sofern eine Gefahr der Rufausbeutung oder Verwässerung besteht; dies gilt entsprechend auch für geschäftliche Bezeichnungen; ▶ Teilbarkeit von Marken und -anmeldungen sowie deren freie (Teil-)Übertragung; ▶ Regelungen zur Markenlizenz; ▶ Einbeziehung aller Schutzschranken wie Verjährung, Verwirkung, Einrede der Löschungsreife, lautere Benutzung beschreibender Angaben sowie Benutzungszwang und Erschöpfung; ▶ Lockerung der Grundsätze zur Benutzung, insbesondere hinsichtlich abweichender Benutzungsformen; ▶ Beschränkung der Erschöpfung des Markenrechts auf den Wirtschaftsraum der Europäischen Gemeinschaft. Wesentliche Änderung erfuhr das deutsche Markengesetz durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums 8 vom 13. 12. 2001, das am 1. 1. 2002 in Kraft trat und das die bis dahin im MarkenG geregelten Gebührentatbestände-- zum Teil mit Änderungen- - in das neue Patentkostengesetz 9 integrierte. Zum 1. 10. 2009 wurden bekannte Marken, Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen als Widerspruchsgründe in das MarkenG aufgenommen und die Wahl der Rechtsmittelverfahren geändert. 10 Die Markenverordnung wurde an die genannten Neuerungen im Widerspruchsverfahren aufgrund des Patentrechtsmodernisierungsgesetzes mit Wirkung vom 9. 12. 2010 angepasst. 11 Am 28. 12. 2010 traten Anpassungen des Markengesetzes in Bezug auf die §§ 115 sowie 125a und 143a aufgrund von Änderungen der Gemeinsamen Ausführungsverordnung 6 Insbesondere die bis dahin im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) geregelten Vorschriften. 7 Markenrechtsänderungsgesetz 1996 v. 19. 7. 1996, Bl. f. PMZ 1996, 393 ff. 8 BGB l. I, S. 3656; Bl. f. PMZ 2002, 14 ff. 9 Gesetz über die Kosten des Deutschen Patent- und Markenamtes und des Bundespatentgerichtes (Pat- KostG) v. 13. 12. 2001, Bl. f. PMZ 2002, 14 ff. 10 Gesetz zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts v. 31. 7. 2009, BGB l. I, S. 2521 ff. 11 Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und der Geschmackmusterverordnung v. 6. 12. 2010, BGB l. I, S. 1763 ff. 235 § 41 Gemeinschaftsgeschmacksmuster Fischer zum MMA und PMMA sowie der europäischen Gemeinschaftsmarkenverordnung in Kraft. 12 Die am 24. 6. 2016 in Kraft getretene 4. Verordnung zur Änderung der MarkenV definiert u. a. formale und inhaltliche Kriterien der Markenbeschreibung und das Anmelderfordernis der Übersetzung, Transliteration und Transkription von nichtlateinischer Schriftzeichen als Marke. 13 Die 10. Ausgabe der Klassifikation von Nizza enthielt eine vollständige Überarbeitung der bisher geltenden Klassifikationsregeln, zahlreiche neue sowie Streichungen bisheriger Begriffe und ferner zahlreiche Änderungen der Klassenzuordnung von Begriffen. 14 Am 1. 1. 2018 ist die Version 2018 der 11. Ausgabe der Nizza Klassifikation ( NCL 11-2018) in Kraft getreten, die im Wesentlichen nur strukturelle Klassenänderungen enthält. 15 Änderungen der Klasseneinteilung und der alphabetischen Listen der Waren und Dienstleistungen nach der Nizza Klassifikation werden im Bundesanzeiger (www.bundesanzeiger.de) bekannt gemacht. 16 Durch die Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim DPMA ( ERVDPMAV ) 17 wurden u. a. die technischen Anforderungen an die elektronische Anmeldung von Marken-- ohne Verwendung einer qualifizierten oder fortgeschrittenen elektronischen Signatur-- mit Wirkung zum 12. 11. 2013 beim DPMA vereinfacht. Am 23. 3. 2015 ist die Elektronische Schutzrechtsakte für Marken und Geografische Herkunftsangaben eingeführt worden. 18 Der Markenrechtsvertrag (Trademark Law Treaty, 19 TLT ) ist ein internationales am 1. 8. 1996 in Kraft getretenes Abkommen, dass die Vereinheitlichung der Registrierungsverfahren nationaler Eintragungsbehörden regelt und dem inzwischen 53 Staaten beigetreten sind. Verwaltet wird der TLT von der WIPO . In Deutschland ist der TLT am 16. 10. 2004 nach seiner Ratifizierung in Kraft getreten. Im Jahre 2006 wurde in Singapur die Weiterentwicklung des TLT , der Singapore Treaty, 20 beschlossen, der am 16. 3. 2009 in Kraft getreten und ebenfalls von der WIPO verwaltet wird. Für Deutschland ist er am 20. 9. 2013 in Kraft getreten. 21 12 Gesetz zur Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie in der Justiz und zur Änderung weiterer Vorschriften v. 22. 12. 2010, BGB l. I, S. 2248 ff. 13 Vierte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung vom 2. 6. 2016, BGB l. I, S. 1354 ff. 14 Zweite Verordnung zur Änderung der Markenverordnung v. 6. 12. 2011, BGB l. I, S. 2629 ff. 15 Abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ docs/ marken/ klassifikation_nizza/ nizza_anleitung_klassentitel_klasseneinteilung_2018_11.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 16 Dritte Verordnung zur Änderung der Markenverordnung und anderer Verordnungen v. 10. 12. 2012, BGB l. I, S. 2630 ff. 17 Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Deutschen Patent- und Markenamt und zur Änderung weiterer Verordnungen für das Deutsche Patent- und Markenamt ( ERVDPMAV ) v. 1. 11. 2013, BGB l. I, S. 3906 ff. 18 Mitt. der Präsidentin Nr. 4 / 15 v. 22. 12. 2014, abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ mitteilungen/ 2015/ mdp_04_2015.html, letzter Abruf: 02 / 2018. 19 Abrufbar unter: http: / / www.wipo.int/ treaties/ en/ text.jsp? file_id=294357, letzter Abruf: 02 / 2018. 20 BGB l. 2012 II , S. 754, 755. 21 Bekanntmachung über das Inkrafttreten des Markenrechtsvertrages von Singapur v. 6. 11. 2013, Bl. f. PMZ 2014, 53. 236 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Die EU -Kommission hat am 16. 12. 2015 die Marken RL neu gefasst (( EU ) 2015 / 2436), die am 13. 1. 2016 in Kraft getreten ist. 22 Die dortigen Regelungen müssen im Wesentlichen bis zum 14. 11. 2019, die Einführung von Amtsverfahren für Nichtigkeits- und Verfallsverfahren bis zum 14. 1. 2023 in nationales Recht der EU -Mitgliedsstaaten umgesetzt werden. Ein Entwurf eines deutschen Gesetzes zur Umsetzung der Marken RL -- das Markenrechtsmodernisierungsgesetz 23 (MaMoG)-- liegt vor und tritt voraussichtlich im Sommer 2018 in Kraft. Zugleich werden Änderungen der MarkenV wirksam. Das Gemeinschaftsnunmehr Unionsmarkensystem der EU gründet sich auf eine „Grundverordnung“ des Rates der Europäischen Union (Verordnung ( EG ) Nr. 40 / 94 v. 20. 12. 1993) 24 ( GMVO ) über die Gemeinschaftsmarke einschließlich ihrer verschiedenen nachfolgenden Änderungen sowie auf weitere ebenfalls mehrmals geänderte Verordnungen der Kommission, in denen jeweils die Durchführungsvorschriften für die GMVO ( GMDVO ), die zu entrichtenden Gebühren sowie die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern festgelegt sind. Aus Gründen der Übersichtlichkeit und Klarheit kodifizierte der Rat der Europäischen Union die genannte Verordnung ( EG ) Nr. 40 / 94. Die kodifizierte Fassung der GMVO 25 von 2009 führte- - mit Ausnahme der Nummerierung der Artikel 26 - - keine substantiellen gesetzlichen Änderungen ein und wurde von der Unionsmarkenverordnung ( EU ) 2015 / 2424, 27 die am 23. 3. 2016 in Kraft trat, abgelöst. Die kodifizierte Fassung der Verordnung über die Unionsmarke ( EU ) 2017 / 1001) ( UMV ) wurde am 16. 6. 2017 28 veröffentlicht und gilt ab in einer ersten Stufe seit dem 23. 3. 2016 und in einer zweiten Stufe seit dem 1. 10. 2017. Entsprechend hat die Europäische Kommission auch die Durchführungsverordnung ( EU ) 2017 / 1431) vom 18. 5. 2017 ( UMDV ) 29 und die Delegierte Verordnung ( DVUM ) 30 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der UMV und der 22 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung); Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32015L2436&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018; Im Anhang ist eine Entsprechungstabelle zur Marken RL 2008 / 95 / EG enthalten. 23 Abrufbar unter: https: / / www.bmjv.de/ SharedDocs/ Gesetzgebungsverfahren/ Dokumente/ RefE_Ma- MoG.pdf ? __blob=publicationFile&v=3, letzter Abruf: 02 / 2018. 24 AB l. EG L 11 vom 14. 1. 1994, S. 1 ff.; Bl. f. PMZ , 1994, 192 ff. 25 Verordnung (EG) Nr. 207 / 2009 des Rates v. 26. 2. 2009 über die Gemeinschaftsmarke, Abl. EG L 78 vom 24. 3. 2009, S. 1 ff.; Bl. F. PMZ , 2009, 203 ff. 26 Eine Entsprechungstabelle der GMVO Nr. 207 / 2009 findet sich im Anhang II der GMVO , abrufbar unter https: / / oami.europa.eu/ tunnel-web/ secure/ webdav/ guest/ document_library/ contentPdfs/ law_ and_practice/ ctm_legal_basis/ ctmr_de.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 27 Verordnung ( EU ) 2015 / 2424 v. 16. 12. 2015; Abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ tunnel-web/ secure/ webdav/ guest/ document_library/ contentPdfs/ legal_reform/ regulation_20152424_de.pdf, letzter Abruf: 02 / 2018. 28 Verordnung ( EU ) 2017 / 1001 v. 14. 6. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1001&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018. Eine Entsprechungstabelle der Artikel der ( EG ) 207 / 2009 mit denen der ( EU ) 2017 / 1001 findet sich im Anhang III der UMV . 29 Durchführungsverordnung ( EU ) 2017 / 1431 v. 18. 05. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1431&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018. 30 Delegierte Verordnung ( EU ) 2017 / 1430 v. 18. 05. 2017; Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32017R1430&from=EN, letzter Abruf: 03 / 2018. 237 § 43 Schutzzweck und Funktion Fischer Aufhebung der bisherigen Verfahrensvorschriften erlassen. Mit Wirkung zum 14. 5. 2018 ist die UMDV ( EU ) 2017 / 1431 aufgehoben und durch die aktualisierte auf die UMV 2017 / 1001 abgestimmte UMDV ( EU ) 2018 / 625 vom 5. 3. 2018 31 ersetzt worden. Ebenfalls ersetzt wurde die DVUM ( EU ) 2017 / 1430 durch die DVUM ( EU ) 2018 / 625 32 mit Vorschriften zu Verfahrenseinzelheiten. Die wesentlichen Änderungen betreffen: ▶ Die Umbenennung der Gemeinschaftsmarke in Unionsmarke und des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt ( HABM ) in Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum ( EUIPO ); ▶ Eine neue Gebührenstruktur (ab dem 23. 3. 2016) mit Steigerungen der Anmeldegebühren für Markenanmeldungen mit 3 oder mehr Klassen und Senkungen der Gebühren u. a. für Markenverlängerungen und Widersprüche sowie in Löschungs- und Beschwerdeverfahren; ▶ Die Handhabung der Klassifikation von Marken, wodurch unter Oberbegriffe nur solche Waren und Dienstleistungen fallen, die begrifflich hiervon umfasst sind; ▶ Die Widerspruchsfrist für den EU -Anteil von Internationalen Registrierungen ( IR ), die 1 Monat nach der Markenveröffentlichung beginnt. Die Widerspruchsfrist selbst beträgt weiterhin 3 Monate. ▶ Die Neudefinition der Markenfähigkeit mit Entfallen des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit; ▶ Die Einführung einer neuen Markenform, der Gewährleistungsbzw. Zertifizierungsmarke 33 . Die Regelungen zur Unionsmarke in der UMV werden in den folgenden Kapiteln insbesondere in Kap. 2 im Vergleich zu den Regelungen des MarkenG behandelt. § 43 Schutzzweck und Funktion Das MarkenG regelt umfassend die Kennzeichenrechte als Teil der gewerblichen Schutzrechte. Ursprünglich diente die Marke bzw. das Warenzeichen allein als Herkunftshinweis für Waren bzw. Produkte eines bestimmten Betriebes. Sie sollte sicherstellen, dass gleichartige Produkte aus Produktionsbetrieben nicht mit ähnlichen Bezeichnungen gekennzeichnet wurden. Der ursprüngliche Grundsatz der internationalen Erschöpfung wurde hiervon abgeleitet, da dem Zeicheninhaber keine Verbietungsrechte zustehen müssten, da die Produkte aus 31 Durchführungsverordnung ( EU ) 2018 / 626 v. 5. 3. 2018; Abrufbar unter: https: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32018R0626&from=EN, letzter Abruf: 05 / 2018. 32 Delegierte Verordnung ( EU ) 2018 / 625 v. 5. 3. 2018; Abrufbar unter: https: / / eur-lex.europa.eu/ legalcontent/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32018R0625&from=EN, letzter Abruf: 05 / 2018. 33 Dröge in GRUR 2017, 1198 ff. „Die Gewährleistungsmarke und ihre Praxisrelevanz“; Fezer in GRUR 2017 1188 ff. „Rechtsnatur und Rechtssystematik der unionsrechtlichen Konzeption einer Gewährleistungsmarke“. 238 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer seinem Betrieb stammten. 34 Daneben haben jedoch auch weitere Funktionen einer Marke wie die Vertrauens-, Qualitäts- und Garantiefunktion in Bezug auf bestimmte Waren- oder Dienstleistungseigenschaften, aber auch die Werbefunktion eine wenn auch gegenüber der Herkunftsfunktion eher untergeordnete Stellung erlangt. In der Literatur werden auch Kommunikations- und Investitionsfunktion genannt. 35 Jedenfalls werden dem Inhaber von Marken oder von weiteren vom MarkenG erfassten Kennzeichen Ausschließlichkeitsrechte im Geltungsbereich des MarkenG eingeräumt, deren Schutzumfang so weit reicht, wie eine Verwechslung mit jüngeren Kennzeichen durch die relevanten Verkehrskreise ausgeschlossen ist. Gegenüber den übrigen gewerblichen Schutzrechten haben Marken die Eigenart, dass ihre Laufzeit nicht begrenzt ist. Werden die Marken rechtserhaltend benutzt und regelmäßig durch Zahlung einer Gebühr verlängert, stellen sie „ewige“ Ausschließlichkeitsrechte dar. § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz § 1 MarkenG definiert den sachlichen Geltungsbereich des deutschen MarkenG und umfasst-- anders als die europäische UMV , die ausschließlich eingetragene Marken behandelt (Art. 6 UMV )- - nicht nur Marken, sondern auch geschäftliche Bezeichnungen und geografische Herkunftsangaben. Kennzeichenschutz im Rahmen des MarkenG wird nicht nur den in das beim Deutschen Patent- und Markenamt ( DPMA ) geführte Register eingetragenen Marken gewährt, sondern auch Marken, die durch Benutzung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise Verkehrsgeltung erworben haben (§ 4 Nr. 2 MarkenG) oder im Sinne des Art. 6 bis der PVÜ 36 eine notorische Bekanntheit (§ 4 Nr. 3 MarkenG, s. u. § 48 IV 3) genießen. Der Schutz geschäftlicher Zeichen wird in § 5 MarkenG geregelt und umfasst Unternehmenskennzeichen und Werktitel. Als Unternehmenskennzeichen werden in § 5 Abs. 2 MarkenG zum einen Kennzeichen mit Namensfunktion definiert, die im geschäftlichen Verkehr als Name, Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes benutzt werden, zum anderen Kennzeichen ohne Namensfunktion wie Geschäftsabzeichen oder sonstige zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben bestimmte Kennzeichen, die in den beteiligten Verkehrskreisen als Kennzeichen des Geschäftsbetriebes gelten. Generell sind Unternehmenskennzeichen an den Geschäftsbetrieb gebunden und können nur zusammen mit diesem übertragen werden. Domainnamen (s. u. § 63) können, wenn ihnen eine kennzeichnende Funktion zugeordnet wird, Unternehmenskennzeichen sein, wobei die Frage, ob hierfür eine Verkehrsgeltung notwendig ist, noch nicht abschließend geklärt ist. In § 5 Abs. 3 MarkenG sind unter dem Begriff des Werktitels Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften wie Zeitungen, Zeitschriften, Illustrierte, Magazine oder auch Musikpartituren und Kalender sowie Ton- und Bildwerke, Bühnenwerke oder vergleich- 34 Ingerl / Rohnke, Markengesetz, Kommentar (2. Aufl. 2003), Einleitung Rdn. 35. 35 Völker / Elskamp WRP 2010, 64 ff.; s. a. Fezer, MarkenR, Kommentar, Einl D, Rdn. 1-10. 36 Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutze des gewerblichen Eigentums (PVÜ) vom 20. 3. 1883, revidiert in Stockholm am 14. 7. 1967, Bl. f. PMZ 1970, 293. 239 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer bare Werke unter Schutz gestellt. Werktitel sind werkbezogen und üben eine Namensfunktion aus. Dies gilt auch für Untertitel. Die Anwendung anderer Vorschriften zum Schutz von markenrechtlichen Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben wird gem. § 2 MarkenG nicht ausgeschlossen. In Frage kommen hierfür insbesondere Regelungen des Geschmacksmusterbzw. Designsowie Urheberrechtes, deren Ausrichtung in Bezug auf ihre jeweilige Schutzfunktion eine andere ist. Ähnliches gilt auch für handelsrechtliche Vorschriften über die Firma (§§ 17-37a HGB ) sowie den namensrechtlich einschlägigen § 12 BGB . Als Beispiel für die sich ergänzenden Schutzrechte seien beispielsweise zwei- oder dreidimensionale Logos genannt, die neben dem Zeichenschutz gleichzeitig Formenschutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Designgesetz bzw. Artikel 4 Abs. 1 GGVO genießen. 37 Eintragung Verkehrsgeltung Verkehrsgeltung Ingebrauchnahme Schutz durch: eingetragene Marke § 4 Nr .1 MarkenG Marke mit Verkehrsgeltung §4 Nr .2 MarkenG notorisch bekannte Marke § 4 Nr .3 MarkenG Gewährleistungsmarke § 106a MarkenG Unternehmenskennzeichen § 5 Abs.2 MarkenG Werktitel § 5 Abs.3 MarkenG Geschäftliche Bezeichnungen § 1 Nr . 2, § 5 MarkenG Marken § 1 Nr .1, § 3 MarkenG Geographische Herkunftsangaben § 1 Nr .3, § 126 MarkenG Kennzeichen § 1 MarkenG Name Firma besondere Unternehmensbezeichnung Geschäftsabzeichen sonstige Geschäftsabzeichen notorische Bekanntheit Eintragung Abb. 4: Übersicht über Kennzeichenarten im MarkenG Zur umfassenden Regelung im Markengesetz sind ergänzende Bestimmungen im Recht des unlauteren Wettbewerbes ( UWG ) enthalten. Dieser vom BGH in ständiger Rechtsprechung vertretenen Auffassung steht die Meinung von Fezer 38 -- die Regelungen des Markengesetzes und des UWG konkurrieren- - entgegen. Nach Hacker 39 können die markenrechtlichen Regeln von denen des UWG wie folgt abgegrenzt werden: Kann ein Tatbestand unter die Regelungen des MarkenG subsumiert werden, so richtet sich die Beurteilung ausschließlich nach den Bestimmungen des MarkenG. Fällt ein Sachverhalt grundsätzlich in den Anwendungsbereich des MarkenG, obwohl er nicht oder nicht vollständig unter Regelungen des MarkenG subsumiert werden kann, so ist die Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen ausgeschlossen. Dem UWG zugänglich ist ein Sachverhalt, der von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des MarkenG fällt. Allerdings sei dem Einzelfall vorbehalten-- so Hacker--, ob in Bezug auf einen gesamten Tatbestand der Anwendungsbereich des MarkenG 37 ABL .- EG 2002 Nr. L3 in Bl. f. PMZ 2002, 152; berichtigt ABL .- EG 2002 Nr. L 179 in Bl. f. PMZ 2002, 340. 38 Fezer, MarkenR, Kommentar, § 2 Rdn. 2 ff. 39 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 2 Rdn. 5 ff. 240 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nicht berührt würde und somit die Anwendung des UWG möglich sei oder ob lediglich ein Tatbestandsmerkmal eines dem Grunde nach markenrechtlichen Tatbestandes nicht erfüllt sei und damit eine Anwendung des UWG ausgeschlossen ist. Unterschiedliche Sachverhalte liegen beispielsweise vor, wenn Anspruchsgrundlage zum einen das Markenrecht aufgrund der widerrechtlichen Verwendung einer Marke ist und zum anderen die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften wegen der widerrechtlichen Verwendung eines konkreten Produktes (einschließlich der Marke) vorliegen. 40 Einer Anwendung des UWG steht nichts entgegen, wenn aufgrund der nicht kennzeichenmäßigen Verwendung eines Unternehmenskennzeichens oder einer Marke der Anwendungsbereich des MarkenG nicht tangiert ist. Die Regelung des § 5 II UWG (Irreführungsverbot) hat durch die UWG -Novelle vom 22. 12. 2008 in Umsetzung des Art. 6 II lit. A ( EG ) UGP - RL 2005 / 29 eine neue Fassung erhalten, die eine ausschließliche Anwendbarkeit des MarkenG im Einzelfall nicht mehr zulässt. Jedoch muss als weitere Voraussetzung die wettbewerbliche Relevanz erfüllt sein. 41 40 BGH GRUR 2005, 163, 165 „Aluminiumräder“. 41 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 2 Rdn. 10 ff. 241 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer 2. Kapitel. Marken § 45 Einführung I. Überblick Als Generalklausel definiert § 3 MarkenG Marken als diejenigen Zeichen, die als Marke schutzfähig sind. Gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG können als Marke alle Zeichen geschützt werden, die geeignet sind, Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Als nicht abschließende Aufzählung der Zeichen, die dem Grunde nach geschützt werden können, nennt das Gesetz: Wörter einschließlich Personennamen, Abbildungen, Buchstaben, Zahlen, Hörzeichen, dreidimensionale Gestaltungen einschließlich der Form einer Ware oder ihrer Verpackung sowie sonstige Aufmachungen, zu denen Farben und Farbzusammenstellungen gezählt werden. Eine Marke ist ein Zeichen, das geeignet ist, Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens von denen eines anderen Unternehmens zu unterscheiden II. Abgrenzung Zu den Marken gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG werden nicht nur die durch Eintragung in das Markenregister entstandenen Marken gem. § 4 Nr. 1 MarkenG gezählt, sondern auch diejenigen Zeichen, die aufgrund der Benutzung im geschäftlichen Verkehr Verkehrsgeltung im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG erworben haben sowie die sog. notorisch bekannten Marken gem. § 4 Nr. 3 MarkenG i. V. m. Artikel 6 quinquies der PVÜ . Insoweit geht § 3 MarkenG über den Anwendungsbereich des Artikels 1 der Marken RL sowie des Artikels 4 UMV hinaus, die nur auf Marken für Waren oder Dienstleistungen, die in einem Mitgliedsstaat eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedsstaat international registriert worden sind, Anwendung finden. § 3 Abs. 2 MarkenG definiert die Schutzschranke für Formzeichen. Nicht schutzfähig sind Formen, die ausschließlich durch die Art der Ware selbst bedingt sind, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sind 42 oder die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen. Eine dreidimensionale Marke, die aus dem Erscheinungsbild der Ware selbst besteht, 42 BGH GRUR 2018, 404 „Quadratische Tafelschokoladenverpackung“; BGH Beck RS 2017, 141 010 „Traubenzuckertäfelchen“. 242 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer weist nur dann Unterscheidungskraft auf, wenn die Marke erheblich von der Norm oder der Branchenüblichkeit abweicht. 43 In Bezug auf Anmeldungen zur Internationalen Registrierung richtet sich die Frage der Markenfähigkeit aufgrund des anwendbaren Telle-quelle-Schutzes nach dem Recht im Ursprungsland (Artikel 6 quinquies , Abschnitt A. Abs. 1 S. 1 i. V. m. Artikel 5 Abs. 1 S. 2 MMA / PMMA §§ 107, 113, 37 MarkenG). Diese Vorschrift besagt, dass die Marke, so wie sie in ihrem Ursprungsland angemeldet ist, auch eingetragen werden muss, es sei denn, dass die Marke gem. Artikel 6 quinquies Abschnitt B. Nr. 2 PVÜ jeder Unterscheidungskraft entbehrt. In § 3 Abs. 1 MarkenG wird mit dem Merkmal der Eignung zur Unterscheidung die Herkunftsfunktion als wesentliche Funktion der Marke kodifiziert. Hierbei geht es um die abstrakte Unterscheidungseignung eines Zeichens, d. h. unabhängig von bestimmten Waren und Dienstleistungen, nicht jedoch um die konkrete Unterscheidungskraft als absolutes Schutzerfordernis, das immer im Zusammenhang mit den für das Zeichen beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG in Beziehung steht. Daher kann die fehlende abstrakte Unterscheidungseignung eines Zeichens im Gegensatz zur konkreten Unterscheidungskraft nicht überwunden werden. Gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG sind die Zeichen unmittelbar mit Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens verbunden. Marken können also für jede wirtschaftliche Tätigkeit oder jedes Produkt eines Unternehmens gewählt werden. Allerdings ist nach wie vor umstritten, ob unbewegliche Sachen wie Immobilien aber auch immaterielle Gegenstände wie Rechte oder Wertpapiere hiervon ausgeschlossen sind. 44 Elektrische Energie jedenfalls ist seit der 9. Edition der NKA als Ware klassifiziert, so dass sie als solche geschützt werden kann. Umstritten war lange die Frage, ob Zeichen für Dienstleistungen eines Einzelhändlers als solche markenschutzrechtsfähig sind. Hierzu hat die Entscheidung des Eu GH „Praktiker“ 45 Klarheit geschaffen. Der Eu GH führte aus, dass der Begriff „Dienstleistungen“ im Sinne der Marken RL , insbesondere ihres Artikels 2, Dienstleistungen erfasse, die im Rahmen des Einzelhandels mit Waren erbracht werden. Für die Zwecke der Eintragung einer solchen Dienstleistungsmarke, so der Eu GH , sei es nicht notwendig, die in Rede stehenden Dienstleistungen konkret zu bezeichnen. Jedoch seien Angaben in Bezug auf die Waren oder Arten von Waren notwendig, auf die sich die Dienstleistungen beziehe. Hinsichtlich der grafischen Darstellbarkeit hat der Eu GH festgestellt, dass ein Zeichen, das als solches nicht visuell wahrnehmbar sei, eine Marke sein könne, sofern es mit Hilfe von Figuren, Linien oder Schriftzeichen grafisch darstellbar sei und diese Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, dauerhaft, verständlich und objektiv sei. 46 Demzufolge seien die Grenzen der grafischen Darstellung dann überschritten, wenn zum Beispiel die bloße Form und konturlose Zusammenstellung zweier oder mehrerer Farben oder die Nennung zweier oder mehrerer Farben in jeglicher denkbaren Form beansprucht 43 Eu GH GRUR 2012, 925, 927 (Rdn. 42) „Fehlende Unterscheidungskraft des Schokoladen-Goldhasen-- Goldhase“. 44 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 14 u. 15. 45 Eu GH GRUR 2005, 764 „Praktiker“. 46 Eu GH GRUR 2003, 145 „Ralf Sieckmann / DPMA “. 243 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer würden. 47 Ausreichend sei eine Darstellung von zwei oder mehr abstrakt oder konturlos beanspruchten Farben nur dann, wenn diese systematisch so angeordnet seien, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. Mit Wegfall des Erfordernisses der grafischen Darstellbarkeit schutzfähiger Zeichen in § 8 Abs. 1 MarkenG durch das MaMoG wird das Markenregister an die Bedürfnisse des Digitalisierungszeitalters angepasst. Ausgeschlossen sind nunmehr nur Zeichen, die nicht geeignet sind, in dem Register so dargestellt zu werden, dass das DPMA und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. III. Markenformen Neben Wort- und Bildmarken, dreidimensionalen Marken, Kennfadenmarken, Hörmarken kommt als sonstige Markenform insbesondere den Farbmarken eine Bedeutung zu. Farbmarken beanspruchen im Gegensatz zu farbigen Darstellungen Schutz für Farben oder Farbkombinationen, die an keine konkreten Darstellungen wie Wörter oder grafische Darstellungen gebunden sind. Somit ist Gegenstand einer Farbmarke die abstrakte Farbe als solche. Bei mehreren Farben unterteilt Kirschneck 48 abstrakt-bestimmte Farbzusammenstellungen von Marken, bei denen die Zusammenstellung in ihrer Erscheinungsform festgelegt ist, ohne dass eine äußere figürliche Begrenzung vorliegt. Beispiel für eine derartige abstrakt-bestimmte Farbzusammenstellung ist das VISA -Streifenbild. 49 Zu dieser Kategorie werden auch Farbzusammenstellungen gezählt, die in ihrer Beschreibung definieren, dass nur bestimmte Teile der unter Schutz zu stellenden Waren in bestimmten Farben ausgeführt sind. 50 Im Gegensatz dazu definiert Kirschneck eine abstrakt-unbestimmte Farbzusammenstellung, wenn zwei oder mehr Farben in wechselnder, von der Ware selbst unabhängiger Zusammenstellung unter Schutz gestellt werden soll. Die abstrakte Farbmarke ist ohne Zweifel ein Zeichen, dem eine abstrakte Unterscheidungseignung zukommen kann. IV. Entstehung des Markenschutzes Die Entstehung des Markenschutzes ist für deutsche Marken abschließend in § 4 MarkenG geregelt, nämlich durch die Eintragung eines Zeichens als Marke in das vom DPMA geführte Register, durch die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr, soweit das Zeichen innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat, oder durch die notorische Bekanntheit einer Marke. 51 47 Eu GH GRUR 2004, 858 „Heidelberger Bauchemie“. 48 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 43 ff. 49 BP atG GRUR 1997, 285 „ VISA -Streifenbild“. 50 BP atG GRUR 1998, 1016 „grün / gelb“. 51 Gem. Art. 6 bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums ( PVÜ ). 244 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 1. Registermarke Dem Wortlaut des § 4 Nr. 1 MarkenG zufolge entsteht das Verbietungsrecht erst mit Eintragung der Marke. Daher können erst ab diesem Zeitpunkt Rechte aus der Markeneintragung hergeleitet werden. Ein Entschädigungsanspruch, wie er beispielsweise für den Zeitraum zwischen der Anmeldung und der Eintragung eines Patentes geltend gemacht werden kann, gibt es im deutschen Markenrecht nicht. Ein Entschädigungsanspruch kann jedoch für europäische Unionsmarkenanmeldungen verletzende Handlungen für den Zeitraum nach der Veröffentlichung der Anmeldung bis zur Veröffentlichung der Eintragung geltend gemacht werden (Art. 9 Abs. 3 UMV ). Neben der Markenfähigkeit (gem. § 3 MarkenG) als Voraussetzung für die Eintragung dürfen auch keine absoluten oder relativen Schutzhindernisse bestehen (§§ 7-13 MarkenG). Das Verfahren zur Eintragung einer Marke ist in Teil 3, Abschnitt 1 (§§ 32-44 MarkenG) geregelt. Weitere Konkretisierungen sind der MarkenV 52 zu entnehmen, mit Anpassungen durch das inkraftgetretene MaMoG. 2. Benutzungsmarke a) Einordnung Neben der Registrierung einer Marke beim DPMA kann ein Markenrecht mit gleicher Wirkung auch durch die Benutzung eines Kennzeichens entstehen, sofern dieses im geschäftlichen Verkehr erfolgt und-- dies ist entscheidend-- innerhalb der in Frage kommenden beteiligten Verkehrskreise zumindest Verkehrsgeltung erworben hat. Diese gemeinhin als Benutzungsmarken bezeichneten, nicht eingetragenen Kennzeichen müssen jedoch zunächst markenfähig im Sinne des § 3 MarkenG sein. Dem Grunde nach kann Marken, wie beispielsweise Geruchs- oder Geräuschmarken, Geschmacks-, Tast- oder sonstige Marken, Schutz zukommen, wenn diese im Register derart dargestellt werden können, dass das DPMA und das Publikum den Gegenstand des Schutzes klar und eindeutig bestimmen können. Allerdings hat derjenige, der sich auf die letztgenannten Markenformen beruft, den Nachweis des Bestehens zu führen, was i. d. R. schwierig sein dürfte. Die absoluten Schutzbzw. Eintragungshindernisse gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 2 MarkenG, nämlich die fehlende Unterscheidungskraft einerseits und die Freihaltebedürftigkeit andererseits, sind auf Benutzungsmarken nicht anwendbar, da ein Zeichen erst-- wie oben bereits ausgeführt-- durch die Verkehrsgeltung bzw. -durchsetzung Markenschutz erlangt und somit per se Unterscheidungskraft in den maßgeblichen Verkehrskreisen genießen muss. Dabei ist der geforderte Grad der Verkehrsgeltung von der von Hause aus bestehenden Unterscheidungskraft bzw. der Freihaltebedürftigkeit des Wettbewerbs an dem Zeichen abhängig. Die 52 Verordnung zur Ausführung des Markengesetzes (Markenverordnung) vom 11. 5. 2004, Bl. f. PMZ, 2004, 301, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 10. 12. 2012, BGB l. I, S. 2630. 245 § 44 Einordnung und ergänzender Kennzeichenschutz Fischer weiteren absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 bis 9 MarkenG betreffen öffentliche Interessen und sind somit auf Benutzungsmarken entsprechend anzuwenden. Voraussetzung für den Markenschutz einer Benutzungsmarke ist die markenmäßige Benutzung eines unterscheidungskräftigen Zeichens für die Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens, die Benutzung im geschäftlichen Verkehr und der Erwerb der Verkehrsgeltung innerhalb der beteiligten Verkehrskreise. Eine dekorative Benutzung, eine Benutzung des Produkts selbst oder als Farbaufmachung scheidet somit aus. Die Benutzung muss auch im inländischen Geschäftsverkehr erfolgt sein, eine reine private Nutzung oder Nutzung im Ausland, d. h. außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes, reicht nicht aus. Ausreichend allerdings ist die Benutzung in nur einem Teilgebiet Deutschlands, sofern in diesem Teilgebiet das Zeichen Verkehrsgeltung erworben hat. b) Verkehrsgeltung Ein Zeichen hat dann Verkehrsgeltung erworben, wenn ein nicht unerheblicher Teil der Verkehrskreise ein bestimmtes Zeichen für bestimmte Waren oder Dienstleistungen einem bestimmten Unternehmen zuordnet. Im Gegensatz zur Verkehrsdurchsetzung von nicht unterscheidungskräftigen oder freihaltebedürftigen Zeichen muss diese Zuordnung nicht in allen beteiligten Verkehrskreisen erfolgen; es reicht, wenn die Verkehrsgeltung in einem nicht unwesentlichen Teil der beteiligten Verkehrskreise erreicht worden ist. Allerdings gelten die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 4 bis 10 MarkenG analog auch für Zeichen mit Verkehrsgeltung. 53 Als beteiligte Verkehrskreise kommen all diejenigen Teilnehmer des wirtschaftlichen Verkehrs in Frage, die sich für die in Rede stehenden Waren- und Dienstleistungen interessieren. Dies sind nicht allein die Verbraucher, sondern auch die Wiederverkäufer und Händler. 54 Für die Verkehrsgeltung ist kein definierter Prozentsatz festgelegt, da es immer auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Unterscheidungskraft, die das Zeichen von Haus aus hat, sowie die Verkehrskreise ankommt. Ein Zuordnungsgrad von 20-25 % wird in der Regel als ausreichend angesehen. 55 Ist jedoch das Zeichen eher kennzeichnungsschwach und besteht darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber, so wird ein Zuordnungsgrad von regelmäßig nicht unter 50 % gefordert. 56 Den Nachweis der Verkehrsgeltung muss derjenige führen, der sich auf den Schutz einer Benutzungsmarke beruft. Dies erfolgt in der Regel durch Meinungsforschungsgutachten, die als Beweismittel anerkannt sind. In der teilweise veralteten DPMA -Richtlinie „Markenanmeldungen“ 57 wird empfohlen, im Wesentlichen vier Fragen zu stellen, nämlich 53 BGH GRUR 2013, 729, 730 (Rdn. 18) „Keine Markeneintragung wegen Sittenverstoßes- - READY TO FUCK “. 54 BGH GRUR 1969, 681 „Kochendwassergerät“. 55 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 4 Rdn. 44. 56 BGH GRUR 2001, 1042 „ REICH UND SCHOEN “; GRUR 2008, 710 „ VISAGE “; Weiler in Kur / vBomhard / Albrecht (Hrsg.), Kommentar, § 4 Rdn. 81 ff. m. w. Nachw. 57 Richtlinie für die Prüfung von Markenanmeldungen vom 13. 6. 2005, 5.17 (Verkehrsdurchsetzung), Bl. f. PMZ 2005, 245; Weiler in Kur / vBomhard / Albrecht (Hrsg.), MarkenG, Kommentar, § 4 Rdn. 88 ff. 246 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ nach den Kaufgewohnheiten (Kaufen Sie egal wie oft, für sich oder andere… [Ware / Dienstleistung]? ), ▶ nach der Verwendung (Benutzen / verwenden Sie zumindest hin und wieder- … [Ware / Dienstleistung]? ), ▶ nach der Wahrnehmung (Haben Sie diese Bezeichnung [in Rede stehende Marke] im Zusammenhang mit den [Waren / Dienstleistungen] schon einmal gehört oder gesehen / gelesen? ), ▶ nach der konkreten Zuordnung (Ist die Bezeichnung / Form Ihrer Meinung nach bei [Marke] im Zusammenhang mit den [Waren / Dienstleistungen] ein ▷ Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, ▷ Hinweis auf mehrere Unternehmen, ▷ gar kein Hinweis auf irgendein Unternehmen, oder ▷ können Sie dazu nichts sagen? ) ▶ und ggf. nach der konkreten Herkunft (Wissen Sie, wie dieses Unternehmen heißt? ) Inhaber einer Benutzungsmarke ist derjenige, für den die Verkehrsgeltung erworben wurde. In der Regel ist dies der Inhaber des Unternehmens, für dessen Waren oder Dienstleistungen die Marke verwendet wird. 58 Das Recht an der nicht im Register eingetragenen Benutzungsmarke erlischt, wenn deren Inhaber die Marke für die Waren bzw. Dienstleistungen nicht mehr oder nur in zu geringem Umfang verwendet. Das Recht geht auch dann verloren, wenn durch die Benutzung eines gleichen oder ähnlichen Zeichens die Marke derart verwässert wird, dass eine Zuordnung der Marke zu einem Unternehmen für den Verkehr nicht mehr gegeben ist. Entsprechend des Erwerbs von Verkehrsgeltung für benutzte Zeichen kann auch der Verlust der Verkehrsgeltung in einem bestimmten Wirtschaftsgebiet eintreten, wobei sie lokal durchaus erhalten bleiben kann. Zeichen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden sind, sind wie bei registrierten Marken nicht mehr herkunftshinweisend und können daher keine Benutzungsmarken (mehr) sein. 3. Notorisch bekannte Marke Markenschutz gem. § 4 Nr. 3 MarkenG kann auch durch die notorische Bekanntheit einer Marke im Sinne des Art. 6 bis der PVÜ erworben werden. Art. 6 bis PVÜ gewährt jedoch nur notorisch bekannten Marken für Waren Schutz. Art. 16 Abs. 2 TRIPS 59 dehnt den Schutz gem. Art. 6 bis auch auf Dienstleistungen aus, wobei die Bekanntheit der Marke im maßgeblichen Teil des Verkehrs einschließlich der Bekanntheit der Marke in dem betroffenen Land, die aufgrund der Werbung für die Marke erreicht wurde, zu berücksichtigen ist. Für den Erwerb des Schutzes einer Marke nach § 4 Nr. 3 MarkenG reicht im Vergleich zur Benutzungsmarke eine überragende Bekanntheit aus, die auch ohne inländische Benutzung entstehen kann. 58 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 60. 59 Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums ( TRIPS ) vom 15. 4. 1994, BGB l. II , S. 1730. 247 § 46 Zeitrang und Vorrang Fischer Allerdings setzt § 4 Nr. 3 MarkenG das Bestehen einer Marke im Ausland nicht voraus, so dass es sich bei notorischen Marken ausschließlich um inländische Marken handeln kann, wobei diese dann gleichzeitig als Benutzungsmarken gem. § 4 Nr. 2 MarkenG Schutz genießen. 60 Notorisch bekannte Marken begründen auch ein Widerspruchsrecht gem. § 42 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und sind gem. § 37 MarkenG bei Amtsbekanntheit ein Eintragungshindernis für jüngere Markenanmeldungen. Wie auch bei der Benutzungsmarke steht der Markenschutz der notorisch bekannten Marken demjenigen zu, dem der Verkehr die notorische Bekanntheit zuordnet. Die notorische Bekanntheit erfordert eine allgemeine Bekanntheit in allen angesprochenen Verkehrskreisen, d. h. bei Verbrauchern, Zwischenhändlern und Wettbewerbern, die regelmäßig über derjenigen liegt, die für die durchschnittliche Verkehrsgeltung erforderlich ist, 61 jedenfalls nicht unter 50 %. 62 Allerdings kommt es im Einzelfall immer auf die Würdigung der Gesamtumstände an, so dass sich feste Prozentvorgaben verbieten. 63 Erwähnung sollen noch die unverbindlichen Vorschläge der WIPO zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken 64 finden. Nach Art. 2 der WIPO -Empfehlungen sind für die Ermittlung der Notorietät sämtliche Umstände wie beispielsweise Dauer, Umfang und geografische Verbreitung der Markennutzung sowie die für die Marke betriebene Werbung oder Verkaufsfördermaßnahmen einschließlich der Repräsentation auf Messen und Ausstellungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus ist auch der Markenschutz relevant, soweit dieser den Gebrauch oder die Bekanntheit der Marke widerspiegelt und durch die Dauer und den geografischen Umfang der Markenregistrierungen dokumentiert ist, sowie entsprechende Feststellungen durch Gerichte oder andere zuständige Instanzen und nicht zuletzt der mit der notorisch bekannten Marke verbundene Wert. Beispiel für eine notorisch bekannte Marke ist die Kennzeichnung der Produkte eines bekannten deutschen Sportausstatters mit drei Streifen. 65 § 46 Zeitrang und Vorrang Eines der zentralen Kriterien des Kennzeichnungsrechts ist die Priorität, d. h. der Zeitrang. Dieser gewährt demjenigen, der sich auf das prioritätsältere Recht berufen kann, Vorrang gegenüber dem prioritätsjüngeren Recht, sofern nicht aufgrund besonderer Umstände eine Ausnahme gilt. Dieser-- neben dem Benutzungs- und dem Territorialprinzip sowie dem Prinzip der Verbindung von Marken mit Waren und Dienstleistungen-- beherrschende Grundsatz im 60 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 60. 61 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, 2003, § 4 Rdn. 31. 62 v. Schultz in v. Schultz, MarkenR, Kommentar, § 4 Rdn. 22, m. w. Nachw. 63 Eu GH GRUR Int. 2000, 73, 74 „Chevy“. 64 „Gemeinsame Empfehlung betreffend die Bestimmungen über den Schutz notorisch bekannter Marken“ vom 10. 5. 1999, s. http: / / www.wipo.int/ about-ip/ en/ development_iplaw/ pub833.htm, letzter Abruf: 02 / 2018. 65 OLG Frankfurt GRUR - RR 2003, 274, 275 „Vier-Streifen-Kennzeichnung“. 248 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kennzeichenrecht findet seine Grenzen in den Schutzschranken des MarkenG. 66 Maßgeblich für den Zeitrang und somit Vorrang ist bei angemeldeten und registrierten Marken der Tag der Anmeldung oder der Tag einer in Anspruch genommenen Priorität, sei es in Form einer früheren ausländischen Anmeldung (§ 34 MarkenG, Ausländische Priorität) oder einer inländischen oder ausländischen Ausstellung im Sinne des § 35 MarkenG (Ausstellungspriorität). Der häufigste Fall ist die Inanspruchnahme einer auf einer früheren ausländischen Anmeldung beruhenden Priorität, die sich nach den Vorschriften der Staatsverträge oder der PVÜ richtet. Dass die Vorschriften hierfür durchaus unterschiedlich ausgestaltet sind, zeigt ein Vergleich des deutschen MarkenG mit der europäischen UMV . Während die Priorität in Deutschland davon abhängig ist, dass der Anmeldetag einer Marke feststeht (§ 33 i. V. m. § 32 Abs. 2 MarkenG), wobei hierfür nach deutschem Recht die Zahlung der Anmeldegebühren irrelevant ist, so ist für die Feststellung des Anmeldetages für Unionsmarken (Art. 31 Abs. 2 i. V. m. Art. 32 UMV ) die Entrichtung der Anmeldegebühr Voraussetzung. § 6 Abs. 3 MarkenG bestimmt den Zeitrang von Benutzungsmarken oder notorisch- - bekannten Marken, sowie für geschäftliche Bezeichnungen im Sinne des § 5 MarkenG und für sonstige Rechte, wie sie nicht abschließend in § 13 MarkenG aufgeführt sind. Bei den Benutzungsmarken wie auch den notorisch bekannten Marken ist der Zeitrang der Zeitpunkt des Erwerbs des Rechts. In Bezug auf die sonstigen Rechte ergibt sich der Zeitrang aus den jeweils für diese geltenden Rechtsgrundsätzen, die im MarkenG nicht ausdrücklich geregelt sind. 67 Rechte mit gleichem Zeitrang begründen gegen den Inhaber des jeweiligen anderen Rechts gemäß § 6 Abs. 4 MarkenG keine Ansprüche, da die Rechte gleichrangig sind. § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse I. Inhaberschaft Inhaber von angemeldeten und eingetragenen Marken können natürliche Personen, juristische Personen oder Personengesellschaften sein, sofern sie im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten sind. Neben den juristischen Personen des Privatrechts wie z. B. der rechtsfähige Verein, die Stiftung, die GmbH, die AG , die Kommanditgesellschaft auf Aktien ( KG aA) und die eingetragene Genossenschaft (eG) sind auch juristische Personen des öffentlichen Rechts wie rechtsfähige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechtes markenrechtsfähig. Die Fähigkeit, Anmelder bzw. Inhaber von Markenrechten zu sein, endet bei einer GmbH nicht bereits durch ihre Auflösung, sondern besteht gerade im 66 Teil 1, Abschnitt 4 MarkenG, insbesondere § 21 MarkenG, Verwirkung v. Ansprüchen; § 22 MarkenG, Ausschluss v. Ansprüchen bei Bestandskraft der Eintragung einer Marke mit jüngerem Zeitrang; § 23 MarkenG, Benutzung v. Namen und beschreibenden Angaben bzw. als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware, insbesondere als Zubehör und Ersatzteil; § 24 MarkenG, Erschöpfung sowie § 25 MarkenG, der Ausschluss v. Ansprüchen aufgrund mangelnder Benutzung der Marke. 67 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft, 45, 62). 249 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Hinblick auf die mit der Marke verbundenen Rechte als Liquidationsgesellschaft weiter. 68 Auch eine gelöschte GmbH kann bei reinen registerrechtlichen Vorgängen noch als partei- und prozessfähig gelten und durch ihren früheren Geschäftsführer wirksam vertreten werden, z. B. bei der registerrechtlichen Umschreibung einer bereits materiellrechtlich erfolgten Markenübertragung. 69 Zu den Personengesellschaften, die nach § 7 Abs. 3 MarkenG Inhaber von Marken sein können, gehören neben den Personenhandelsgesellschaften-- OHG und KG -- auch die Partnerschaftsgesellschaften. Seit einigen Jahren kann auch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts Inhaber von Markenrechten sein, soweit sie als eine Außengesellschaft des bürgerlichen Rechtes rechts- und parteifähig ist. 70 Dieser Änderung der Rechtsprechung wurde auch durch eine Ergänzung der MarkenV Rechnung getragen, wonach bei einer BGB -Gesellschaft der Name und die Anschrift mindestens eines Gesellschafters anzugeben ist (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 MarkenV). Dessen ungeachtet können auch mehrere Personen, seien es juristische, natürliche oder rechtsfähige Personengesellschaften, gemeinsam Inhaber von Marken sein. Diese Anmeldergemeinschaften müssen einen gemeinsamen Vertreter, zumindest jedoch einen gemeinsamen Zustellungs- oder Empfangsberechtigten angeben (§ 1 Abs. 1 MarkenV i. V. m. §§ 13 Abs. 1, 14 DPMAV ). 71 Für Ausländer gelten für die Inhaberschaft von deutschen Marken keinerlei Beschränkungen, da das deutsche MarkenG auf die Voraussetzung der Gegenseitigkeit (Inländerbehandlung) verzichtet hat. 72 Anders ist dies bei der europäischen Unionsmarke, 73 deren Inhaberschaft durch Eintragung erworben wird (Art. 6 UMV ). Inhaber können gem. Art. 5 UMV alle natürlichen oder juristischen Personen einschließlich Körperschaften des öffentlichen Rechts sein. Im Gegensatz zum früheren Warenzeichenrecht muss der Anmelder oder Inhaber einer Marke nicht mehr Inhaber eines Geschäftsbetriebes sein. Mit Inkrafttreten des Erstreckungsgesetzes 74 am 1. 5. 1992 ist diese Akzessorietät der Marke zum Geschäftsbetrieb hinfällig geworden. Einer Einschränkung unterliegen Kollektivmarken. Inhaber von deutschen angemeldeten oder eingetragenen Kollektivmarken gem. § 98 MarkenG können nur rechtsfähige Verbände sein, was Dach- oder Spitzenverbände einschließt. Diesen gleichgestellt sind juristische Personen des öffentlichen Rechtes. 68 BP atG BP at GE (41) 2002, 160, 162 „Ethocyn / Entoxin“. 69 BP atG BP at GE (44) 2005, 113, 119 ff. „Dr. Jazz“. 70 BGH MarkenR 2001, 129 „GbR-Rechtsfähigkeit“; BV erfG NJW 2002, 3533; BP atG Beck RS 2014, 15 513 „ REXO “. 71 Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt ( DPMAV ) vom 1. 4. 2004, Bl. f. PMZ 2004, 296. 72 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 63. 73 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung); Abrufbar unter: http: / / eur-lex.europa.eu/ legal-content/ DE/ TXT/ PDF/ ? uri=CELEX: 32015L2436&from=EN, letzter Abruf: 02 / 2018; Im Anhang ist eine Entsprechungstabelle zur Marken RL 2008 / 95 / EG enthalten. 74 Gesetz für die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten v. 23. 4. 1992, Bl. f. PMZ 1992, 2002, zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 10 des Gesetzes v. 12. 3. 2004, Bl. f. PMZ 2004, 207. 250 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Inhaber europäischer Unionskollektivmarken können nur Verbände von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungserbringern oder Händlern, die nach dem für sie maßgeblichen Recht die Fähigkeit haben, im eigenen Namen Träger von Rechten und Pflichten jeder Art zu sein, Verträge zu schließen oder andere Rechtshandlungen vorzunehmen und vor Gericht zu stehen sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts sein (Art. 74 Abs. 1 UMV ). Inhaber von angemeldeten oder eingetragenen Gewährleistungsmarken bzw. Unionsgewährleistungsmarken kann jede natürliche oder juristische Person, einschließlich Einrichtungen, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts sein, sofern sie keine Tätigkeit ausübt, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung besteht, umfasst (§ 106b Abs. 1 MarkenG (n. F.), Art. 83 Abs. 2 UMV ). II. Absolute Schutzhindernisse 1. Allgemeines Als absolute Schutzhindernisse für die Eintragung von Marken werden diejenigen bezeichnet, die in der Natur der Marke begründet sind und von Amts wegen geprüft werden. 75 § 8 MarkenG setzt die Vorschriften des Art. 3 der Marken RL in nationales Recht um und entspricht im Übrigen den Art. 4 u. 7 der UMV . Die Marken RL bezieht sich in ihrem 41. Erwägungsgrund auf die PVÜ und konstatiert, dass es erforderlich ist, dass alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union durch die PVÜ gebunden sind und sich die Vorschriften dieser Richtlinie mit denen der PVÜ in vollständiger Übereinstimmung befinden. Hier sind insbesondere Art. 6 quinquies , Abschnitt B und Art. 6 ter PVÜ zu nennen. Absolute Schutzhindernisse gelten im Übrigen auch für IR -Marken mit Benennung Deutschlands, bei denen die Bewilligung der Schutzerstreckung gem. den §§ 107, 113, i. V. m. § 37 MarkenG zu prüfen ist, sowie für Marken, für die der Telle-quelle-Schutz beantragt wurde. Die in Art. 4 Marken RL ( EU ) 2015 / 2436 aufgeführten absoluten Schutzhindernisse sind voneinander unabhängig und gesondert zu prüfen, 76 auch wenn sich ihre jeweiligen Anwendungsbereiche überschneiden. Die einzelnen absoluten Eintragungshindernisse müssen nach der ständigen Rechtsprechung des Eu GH im Lichte des Allgemeininteresses ausgelegt werden, welches ihnen zugrunde liegt. 77 § 8 Abs. 1 MarkenG behandelte bisher als Eintragungsvoraussetzung die grafische Darstellbarkeit einer Marke. Nach Inkrafttreten des MaMoG fällt dieses Erfordernis in § 8 Abs. 1 MarkenG weg, übrig bleibt lediglich das Erfordernis der Klarheit und Bestimmtheit des Zeichens. Die Vorschrift ergänzt insoweit die Schutzvoraussetzungen des § 3 MarkenG. § 8 Abs. 2 MarkenG enthält keine abschließende Auflistung von Schutzhindernissen, wobei jede 75 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 63. 76 EuGH GRUR 2003, 514, 518 „Linde / Winward / Rado“; EuGH GRUR 2004, 674, 677 „Postkantoor“; EuGH GRUR 2004, 943, 944 „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“. 77 Eu GH GRUR 1999, 723, 725 ff. „Chiemsee“; Eu GH GRUR 2002, 804, 809 „Philips / Remington“; Eu GH GRUR 2003, 604, 607 „Libertel“. 251 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer einzelne genügt, um angemeldete Marken von der Eintragung auszuschließen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entspricht im Übrigen Art. 4 Abs. 1 Marken RL sowie Art. 7 Abs. 1 (b) der UMV . § 8 Abs. 3 MarkenG kodifiziert den Ausnahmetatbestand, dass eine Markenanmeldung die Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 u. 3 MarkenG überwinden kann, sofern diese Marke aufgrund ihrer Benutzung für die von ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen vor dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Eintragung in den beteiligten Verkehrskreisen durchgesetzt ist. § 8 Abs. 4 MarkenG enthält Spezialvorschriften, die sich auf § 8 Abs. 2 Nrn. 6 bis 14 MarkenG, nämlich Hoheitszeichen (Nr. 6), amtliche Prüf- oder Gewährszeichen (Nr. 7), Wappen, Flaggen, andere Kennzeichen oder Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen (Nr. 8), Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weinbezeichnungen oder Spezialitäten-- die sich auf Unionsvorschriften oder internationale Übereinkünfte beziehen-- (Nrn. 9 bis 11), sowie Sortenbezeichnungen (Nr. 12), bösgläubig angemeldete Marken (Nr. 13) oder auf sonstige Vorschriften im öffentlichen Interesse (Nr. 14) beziehen. 2. Eintragungsausschluss (§ 8 Abs. 1 MarkenG) Das deutsche MarkenG definierte zwar nicht den Begriff der grafischen Darstellbarkeit, jedoch sind in Bezug auf Wortmarken, Bildmarken, dreidimensionale Marken, Kennfadenmarken und Hörmarken die Anforderungen in § 6 i. V. m. §§ 7, 8, 9, 10 u. 11 MarkenV aufgeführt. Mit dem Inkrafttreten des MaMoG fällt das in § 8 Abs. 1 kodifizierte Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit schutzfähiger Zeichen weg. Gleichwohl muss ein Zeichen in eindeutiger, präziser, in sich abgeschlossener, leicht zugänglicher, verständlicher, dauerhafter und objektiver Weise darstellbar sein. 78 Probleme bereiten sonstige Markenformen wie z. B. die abstrakte Farbmarke, abstrakte Farbzusammenstellungen aber auch Geruchsmarken, Geschmacks- und Tastmarken, Positionsmarken sowie Bewegungsmarken und Hologramme. Grundsätzlich diente das Erfordernis der grafischen Darstellbarkeit nicht nur der eindeutigen und klaren Definition des angemeldeten Zeichens, für das ein Ausschließlichkeitsrecht beansprucht wird, sondern durch die Veröffentlichung und das der Öffentlichkeit zugängliche Register auch einer zuverlässigen Unterrichtung der Allgemeinheit, insbesondere der beteiligten Verkehrskreise. Eine schnelle und sichere sowie eindeutige Prüfung des Registers durch interessierte Verkehrskreise dient der Rechtssicherheit. Daher war es notwendig, das Zeichen, für das Schutz beansprucht wird, in eindeutiger und reproduzierbarer Form darzustellen. Mängel der grafischen Darstellbarkeit konnten gegebenenfalls durch eine eindeutige und objektive Beschreibung ausgeglichen werden. Die einzutragenden Zeichen dürfen nunmehr jedoch unter Verwendung allgemein zugänglicher Technologie-- und nicht notwendigerweise mit grafischen Mitteln-- im elektronischen Register dargestellt werden. 78 Eu GH GRUR 2003, 145 „Sieckmann“. 252 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Als Darstellung einer abstrakten Farbmarke 79 reicht die Einreichung eines bloßen Farbmusters nicht aus. Die Anforderung an die Anmeldung sieht neben der Hinterlegung von Farbmustern die Angabe eines international anerkannten Farbcodes, die als genau und dauerhaft gelten, wie z. B. RAL , Pantone oder HKS vor. 80 Eine Schwierigkeit in der Zukunft könnte allerdings darin bestehen, dass auch diese Farbcodes-- da sie keiner staatlicher Aufsicht unterliegen, sondern von privaten Unternehmen zur Verfügung gestellt werden-- eine Veränderung erfahren könnten. Von dem Begriff der abstrakten Farbmarke zu unterscheiden sind farbige Darstellungen anderer Markenformen. Farbige Bildmarken- - auch farbig gestaltete Wortmarken gehören hierzu (§ 8 Abs. 1 MarkenV)- - sind ohne weiteres grafisch darstellbar. Die abstrakte Farbmarke hingegen beansprucht Schutz für die Farbe an sich als Herkunftshinweis auf spezielle Waren und Dienstleistungen, ohne dass sie an eine Form, Zeichnung, Wörter oder bildliche Darstellung jeglicher Art gebunden ist. Nach Kirschneck 81 gehören zu den abstrakten Farbmarken neben den Einzelfarben auch Farbzusammenstellungen bestimmter und unbestimmter Art. Eine bestimmte Farbzusammenstellung liege dann vor, wenn die Zusammenstellung in ihrer Erscheinungsform festgelegt sei, d. h., wenn die Grenzen zwischen zwei Farben eindeutig definiert seien oder in einer bestimmten Reihenfolge erscheinen. Als Beispiel sei hier das Streifenbild einer Kreditkarte genannt. 82 Der Schutz von unbestimmten form- und konturlosen Zusammenstellungen von zwei oder mehreren abstrakten Farben, deren Kombination jegliche denkbare Form aufweisen kann, scheitert an der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit, da nach Artikel 3 der europäischen Marken RL die erforderlichen Merkmale der Eindeutigkeit und Beständigkeit fehlen. 83 Eine eindeutige und dauerhafte Darstellung von mehreren abstrakt und konturlos beanspruchten Farben liegt nur dann vor, wenn sie systematisch so angeordnet ist, dass die betreffenden Farben in vorher festgelegter und beständiger Weise verbunden sind. 84 Auch Geruchsmarken sind dem Grunde nach zwar eintragbar, scheitern jedoch an der Hürde der Klarheit und Eindeutigkeit als absolutes Schutzhindernis. Ein Zeichen, das als solches nicht visuell wahrnehmbar ist, kann nur dann eingetragen werden, wenn es insbesondere mit Hilfe von Linien oder Schriftzeichen oder mit Hilfe von Figuren grafisch dargestellt werden kann und diese Darstellung klar, eindeutig, in sich abgeschlossen, leicht zugänglich, verständlich, dauerhaft und objektiv ist. Auch eine Geruchsprobe kann dem Erfordernis der grafischen Darstellung nicht Genüge tun, da sie weder stabil noch dauerhaft ist. Selbst die Kombination von chemischer Formel, Geruchsbeschreibung und Geruchs- 79 Als Beispiel sei die Farbe „Orange“ für Mobilfunkdienstleistungen genannt; Eu GH GRUR 2003, 604 „Libertel“. 80 BGH GRUR 2004, 683 „Farbige Arzneimittelkapsel“. 81 Kirschneck in Hacker / Ströbele, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 42 ff. 82 BP atG GRUR 1997, 285 „Visa Streifenbild“. 83 Eu GH GRUR 2004, 858 „Heidelberger Bauchemie“. 84 Ebenda. 253 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer probe erfüllt nicht die Erfordernisse der Klarheit und Eindeutigkeit. 85 Gleiches gilt analog für Geschmacksmarken. Tastmarken sind als markenfähige Zeichen nur dann eintragbar, wenn deren haptische Eindrücke sich unmittelbar objektiv und eindeutig in ausreichender Weise beschreiben und damit grafisch festlegen lassen, beispielsweise durch eine bestimmte, über den Tastsinn wahrnehmbare, aus Vertiefungen bestehende Oberflächenstruktur eines Gegenstandes, unter Angabe der Größenverhältnisse der Vertiefungen und Erhebungen sowie ihrer Anordnung zueinander. 86 Positionsmarken sind Marken, die auf einem bestimmten Produkt in gleicher Form und Größe an der gleichen Stelle positioniert sind. 87 Für diese ist die in der MarkenV geregelte fakultative Beschreibung zwingend, da nur durch diese die erforderliche Schutzbeschränkung auf die konkrete Position vorgenommen werden kann. 88 Weitere Markenformen sind Bewegungsmarken und Hologramme. Letztere können nur dann das in § 8 Abs. 1 MarkenG aufgestellte absolute Schutzhindernis überwinden, wenn sie sich klar und eindeutig in einer überschaubaren Zahl von Bildern mit Angabe der erforderlichen Sichtwinkel beschreiben lassen. Analog zu dreidimensionalen Marken kommt hier eine Anzahl von bis zu sechs Abbildungen in Frage (§ 9 Abs. 1 S. 2 MarkenV analog). Bei Bewegungsmarken handelt es sich um Zeichen, die einen Bewegungsablauf in zwei- oder dreidimensionaler Form abbilden. Dies kann beispielsweise durch eine Bildabfolge und einer entsprechenden Beschreibung klar und eindeutig erfolgen. Als Beispiel einer Bewegungsmarke sei die (dreidimensionale) Kopfbewegung eines Löwen als Kennzeichnung für eine Filmgesellschaft oder die eines Fuchses 89 genannt. Hinsichtlich Hörmarken hat der Eu GH klargestellt, dass die grafische Darstellung der Tonfolge der als Marke angemeldeten Melodie ein in Takte gewähltes Notensystem sicherstellen kann. 90 Durch den Wegfall der Voraussetzung der grafischen Darstellbarkeit nach Inkrafttreten des MaMoG und der Umstellung auf ein elektronisches Register ist auch die Einreichung gängiger Audio- oder Bilddateiformate möglich. Auch die Aufmachung von Ladenlokalen („Flagship-Stores“) in der Form einer Abbildung ist schutzfähig, Angaben zur Größe oder den Proportionen des Ladenlokales sind nicht erforderlich. 91 85 Eu GH GRUR 2003, 145, 149 „Ralf Sieckmann / DPMA “. 86 BGH GRUR 2007, 148, 151 (Nr. 14) „Tastmarke“. 87 BP atG GRUR 1998, 390, 391 „Roter Streifen im Schuhabsatz“. 88 Bingener, MarkenR 2004, 344. 380. 89 OLG Frankfurt GRUR 2000, 1063, 1065 „Spee-Fuchs“. 90 Eu GH GRUR 2004, 54 „Shield Mark / Kist“. 91 Eu GH GRUR 2014, 866, Rdn. 19 „Apple“. 254 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 3. Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) a) Überblick Genauso wie § 8 Abs. 1 MarkenG soll § 8 Abs. 2 MarkenG verhindern, dass Marken ins Markenregister eingetragen werden, die die Herkunftsfunktion nicht erfüllen können oder gegen die Interessen der Allgemeinheit oder des Staates bzw. der Staatengemeinschaft verstoßen. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG stellt eines der zentralen Schutzhindernisse dar. Danach sind diejenigen Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet sind, jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft kommt einem Zeichen dann zu, wenn es geeignet ist, die Ware (oder die Dienstleistung), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware (oder Dienstleistung) somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 92 Dem Sinn entsprechend hat der BGH - - in Übereinstimmung mit dem Eu GH und § 3 Abs. 1 MarkenG- - Unterscheidungskraft definiert als die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. 93 Beide Definitionen, die des BGH wie auch des Eu GH , unterstreichen die Hauptfunktion der Marke als betrieblichen Herkunftshinweis. Andere Markenfunktionen, wie Werbe-, Qualitäts- oder Garantiefunktion, die zweifelsohne aus ökonomischen Gründen sinnvoll und notwendig sind, treten in den Hintergrund. Sie sind für die Eintragungsfähigkeit einer Marke irrelevant und aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise in der Regel von eher untergeordneter Bedeutung. Der Maßstab zur Feststellung der Unterscheidungskraft ist nicht abhängig von der Markenform, d. h. bei dreidimensionalen Marken, Farbmarken, Wortmarken, Wort-/ Bildmarken ist immer der gleiche Maßstab anzulegen. In Bezug auf dreidimensionale Marken hat der Eu GH 94 entschieden, dass bei der Prüfung des Eintragungshindernisses nach Art. 4 Abs. 1 c Marken RL in jedem Einzelfall das dieser Vorschrift zugrunde liegende Allgemeininteresse zu berücksichtigen sei. Das bedeute, dass dreidimensionale aus der Form einer Ware bestehende Marken oder generell Marken, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben beständen, die im Sinne dieser Bestimmung zur Bezeichnung der Merkmale einer Ware oder einer Dienstleistung dienen könnten, von allen frei verwendet und daher vorbehaltlich des Art. 4 der Marken RL nicht eingetragen werden könnten. Allerdings könnten außer der Feststellung, dass einem Zeichen im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft fehlt, keine weiteren Anforderungen an die Unterscheidungskraft 92 Eu GH GRUR 1999, 723, 727 „Chiemsee“; Eu GH GRUR 2002, 804, 809 „Philips / Remington“; Eu GH GRUR 2012, 270 Rdn. 8 „Link economy“; BGH GRUR 2013, 731, 732 Rdn. 11 „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“; BGH GRUR 2015, 581 Rdn. 9 „Langenscheidt-Gelb“; BGH GRUR 2015, 1012 Rdn. 10 „Nivea-Blau“; Eu GH GRUR 2014, 776 Rdn. 38 „Oberbank / DSGV “. 93 BGH GRUR 2001, 2040, 2041 „Swiss Army“; BGH GRUR 1995, 408, 409 „Protech“; BGH GRUR 2001, 239 „Zahnpastastrang“; BGH GRUR 2013, 731, 732 Rdn. 11 „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“; BGH GRUR 2015, 1012 Rdn. 10 „Nivea-Blau“. 94 Eu GH GRUR 2003, 514 „Linde / Winward / Rado“. 255 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer gestellt werden. Insbesondere ist keine besondere Originalität erforderlich. 95 Die Eintragung eines Zeichens als Marke hängt also nicht von der Feststellung eines bestimmten Niveaus der sprachlichen oder künstlerischen Kreativität oder Einbildungskraft des Markeninhabers ab. Es genügt, dass die Marke den maßgeblichen Verkehrskreisen ermöglicht, die Herkunft der durch diese Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen zu erkennen und diese von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. 96 Für die Verneinung der Unterscheidungskraft ist ein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt erforderlich. Allerdings kann bei allgemein bekannten Begriffen insbesondere von Großereignissen ein mittelbar beschreibender Bezug ausreichen, um jegliche Unterscheidungskraft zu verneinen. 97 Inhaltliche Zuschreibungen, die der Verkehr von einer Romanfigur z. B. auf unter ihrem Namen angebotene Beherbergungsdienstleistungen übertragen mag, begründen allenfalls einen beschreibenden Anklang der Marke, beseitigen jedoch nicht ihre Eignung, als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der betroffenen Dienstleistung zu wirken. 98 In Bezug auf Slogans hat der Eu GH festgestellt, dass es für die Unterscheidungskraft kein Kriterium sei, ob ein Fantasieüberschuss gegeben ist. 99 Eine längere Wortfolge entbehrt jedoch jegliche Unterscheidungskraft, wenn wichtige Indizien wie Kürze, Originalität und Prägnanz fehlen. 100 Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 MarkenG, in dem es um die Frage der Markenfähigkeit eines Zeichens als solches geht, ist bei dem absoluten Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG immer der Bezug zu den einzelnen konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu beachten. Einer Marke kann nämlich die Unterscheidungskraft in Bezug auf eine konkrete Ware fehlen, in Bezug auf eine andere kann die identische Marke jedoch unterscheidungskräftig sein. 101 Beispielsweise fehlt einer Marke „Hemd“ in Bezug auf Bekleidungsstücke jegliche Unterscheidungskraft, in Bezug auf „Christbaumschmuck“ ist die Bezeichnung jedoch geradezu fantasievoll, unterscheidungskräftig und somit herkunftshinweisend. Das absolute Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG- - das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft in Bezug auf konkrete Waren oder Dienstleistungen- - ist begrifflich vom Freihaltebedürfnis als absolutem Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu unterscheiden. 102 Während das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus der Sicht des Verbrauchers, d. h. der beteiligten Verkehrskreise, zu beurteilen ist, richtet sich das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach den Interessen des Wettbewerbs, für den Zeichen, die beschreibend in Bezug auf die Eigenschaften der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen sind oder dazu dienen können, frei- 95 BGH GRUR 2000, 722, 723 „ LOGO “; BP atG GRUR 2002, 693, 694 „Bar jeder Vernunft“; BP atG GRUR 2002, 693, 694 „BerlinCard“. 96 Eu GH GRUR 2004, 943 „Sat.1 / HABM (Sat.2)“. 97 BGH GRUR Int. 2007, 76, 80 (Nr. 32 ff.) „ FUSSBALL WM 2006“. 98 BGH GRUR 2018, 301 „Pippi-Langstrumpf-Marke“. 99 Eu GH GRUR 2004, 1027 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 100 BGH GRUR 2010, 935 Rdn. 13 „Die Vision“. 101 BGH GRUR 2009, 949 ff. „My World“. 102 EuGH GRUR 2004, 674, 677 „Postkantoor“; EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 256 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer zuhalten sind. In der Praxis überschneiden sich häufig beide Eintragungshindernisse. 103 Ein Freihaltebedürfnis liegt dann vor, wenn im Interesse der Mitbewerber einer Monopolisierung des beanspruchten Zeichens entgegengetreten werden muss. 104 So kann eine Marke unterscheidungskräftig sein, an ihr aber gleichzeitig ein Freihaltebedürfnis bestehen. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn dem allgemeinen Verkehr die eigentlich beschreibende Angabe verborgen bleibt und sie als fantasievoll aufgefasst wird. 105 Allerdings ist auch der Fall denkbar, bei dem ein Freihaltebedürfnis der Wettbewerber nicht besteht, dem Zeichen jedoch jegliche Unterscheidungskraft fehlt, da es beispielsweise im Verkehr wegen seiner entsprechenden Verwendung in der Werbung nur als Schlagwort wahrgenommen wird. 106 Weitgehende Überschneidungen gibt es zwischen dem Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und dem § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG, das Zeichen von der Registrierung ausschließt, die üblich geworden sind, also als Gattungsbezeichnungen aufgefasst werden. Während bei ersterem eine Unterscheidungskraft von Hause aus fehlt, ist es in Fällen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG zum Verlust der ursprünglich vorhandenen Unterscheidungskraft gekommen, da der Verbraucher in der Bezeichnung keinen Hinweis mehr auf einen Hersteller sieht. Als Beispiel sei hier der Begriff „Vaseline“ genannt. Grundsätzlich ist bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft auf den Gesamteindruck abzustellen, da der Verkehr im Allgemeinen eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen. Somit kann die Zusammensetzung beschreibender und damit nicht unterscheidungskräftiger Elemente eines Zeichens in ihrer Gesamtheit zu einer Herkunftskennzeichnung führen. 107 b) Beteiligte Verkehrskreise Die Beurteilung der Unterscheidungskraft richtet sich nach der Auffassung der zum Zeitpunkt der Anmeldung beteiligten inländischen Verkehrskreise. 108 Zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören alle diejenigen, bei denen die in Rede stehende Marke Verwendung findet oder finden kann oder die mit der Marke in Berührung kommen. In den meisten Fällen dürfte es sich bei den Verkehrskreisen um die Verbraucher handeln, denen die Waren oder Dienstleistungen angeboten werden. Nach dem allgemein gültigen Verbraucherleitbild ist der normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher derjenige, auf dessen Sicht es ankommt. 109 Nicht selten wird es zu einer geteilten Verkehrsauffassung kommen, wobei es notwendig ist, dass ein erheblicher Teil des Publikums, d. h. in der Regel weit mehr als 50 %, die Marke als betrieblichen Ursprungshinweis auffasst. 103 Eu GH GRUR 2004, 680 „Biomild“. 104 Vgl. BGH GRUR 1999, 988, 989 „House of Blues“; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar (2. Aufl.), § 8 Rdn. 122. 105 BGH GRUR 1993, 43 „Römigberg“. 106 BGH Bl. f. PMZ 1998, 248 „Today“. 107 Eu GH GRUR 2004, 943, 944 ff. „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“. 108 BGH GRUR 2009, 411, 412 (Nr. 14) „Streetball“. 109 Eu GH GRUR 2004, 943, 944 ff. „ SAT .1 / HABM ( SAT .2)“; Eu GH GRUR 2004, 1027, 1030 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 257 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer c) Markenformen unter dem Blickwinkel der Unterscheidungskraft Grundsätzlich kann eine Wortmarke dann eingetragen werden, wenn ihr kein für die relevanten Waren bzw. Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Publikum, sei es auch nur wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. 110 Nach dieser BGH -Definition sind Wortmarken dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie entweder glatt beschreibend sind oder es sich um ein vom Publikum regelmäßig verwendetes Wort handelt, das vom Verkehr immer in dieser Bedeutung in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen verstanden wird. Für die Eintragungsfähigkeit einer Wortmarke kann auch die Mehrdeutigkeit eines Begriffes sprechen, die zum Nachdenken anregt, ohne dass eine Bedeutung im Vordergrund steht. Als negatives Beispiel nennt Ingerl / Rohnke 111 das Wort „Bank“, welches für Finanzdienstleistungen angemeldet wird und für diese Dienstleistungen glatt beschreibend ist, da kaum jemand an ein Sitzmöbel denken wird. Daher ist das Wort in diesem Zusammenhang auch nicht mehrdeutig. Anders sieht es jedoch aus, wenn die Mehrdeutigkeit des Zeichens nur ein diffuses Bild in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen vermittelt, so dass das Publikum zwar hiermit Waren oder Dienstleistungen assoziiert, diese jedoch nicht unmittelbar durch das Zeichen beschrieben werden. Das Publikum kann darin durchaus einen Herkunftshinweis erkennen. Diese sog. sprechenden Zeichen sind in der Regel besonders wertvoll, da sie in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen für sich sprechen. 112 Zu den nicht unterscheidungskräftigen beschreibenden Angaben gehören grundsätzlich alle geografischen Herkunftsangaben, sofern sie in den relevanten Verkehrskreisen als solche erkannt werden oder werden können. 113 Grundsätzlich gilt dies auch für Zeichen, die aus mehreren Worten oder Wortfolgen zusammengesetzt sind. Dabei spricht für die Unterscheidungskraft und damit für die Eintragungsfähigkeit, wenn die Zeichen einen Interpretationsbedarf oder eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen. Jedoch ist immer zu beachten, dass zur Begründung der Unterscheidungskraft kein Fantasieüberschuss gefordert wird. 114 Lässt sich ein beschreibender Gehalt einer Wortfolge nur in mehreren gedanklichen Schritten ermitteln, lässt dies nicht auf das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft schließen. 115 Eine bloße Assoziation, die dem Verkehr etwa durch ein sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die betriebliche 110 St. Rspr.; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 „Bar jeder Vernunft“; BGH GRUR 2002, 64, 65 „INDIVIDUELLE“; BGH GRUR 2001, 1043 „Reich und schön“. 111 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 131. 112 BGH GRUR 2002, 816 „Bonus II “; BGH GRUR 2002, 64, 65 „ INDIVIDUELLE “; BGH GRUR 2001, 1043 „Reich und schön“, BGH GRUR 2016, 934 „ OUI “; Eu GH GRUR Int. 2018, 369 „Instituto dos Vinhos do Douro e do Porto“. 113 BP atG 2001, 741, 742 „Lichtenstein“; BP atG GRUR 2000, 1050, 1051 „Cloppenburg“. 114 Eu GH GRUR 2004, 1027, 1030 „Das Prinzip der Bequemlichkeit“. 115 BGH GRUR 2012, 270 (Leitsatz) „Unterscheidungskraft für Wortfolge mit mehrdeutigem Begriffsinhalt-- Link economy“. 258 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Ware gibt, steht der Annahme einer Unterscheidungskraft nicht entgegen. 116 Gebräuchlichen Wörtern der Umgangssprache fehlt jegliche Unterscheidungskraft in Bezug auf die für sie beanspruchten Waren oder Dienstleistungen, wenn sie vom Publikum ausschließlich in ihrer herkömmlichen Bedeutung verwendet werden. 117 Zu den gebräuchlichen Wörtern der Umgangssprache gehören beispielsweise Werbeschlagwörter, die vom Verkehr nur als solche und nicht als herkunftshinweisend verstanden werden. Allerdings muss an Werbeschlagwörter genauso wie an Werbeslogans der gleiche Maßstab der Beurteilung angelegt werden wie bei Wort-, Bild- oder sonstigen Markenformen. Alle Marken, die aus Zeichen oder Angaben bestehen, die sonst als Werbeslogans, Qualitätshinweise oder Aufforderungen zum Kauf der mit diesen Marken bezeichneten Waren oder Dienstleistungen verwendet werden, enthalten naturgemäß in mehr oder weniger großem Umfang eine Sachaussage, wobei ihnen nicht allein deswegen die Unterscheidungskraft fehlt. Soweit solche Marken nicht beschreibend sind, können sie eine (auch einfache) Sachaussage enthalten und dennoch geeignet sein, das Publikum bzw. den Verbraucher auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen hinzuweisen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn diese Marken nicht nur in einer gewöhnlichen Werbemitteilung bestehen, sondern eine gewisse Originalität oder Prägnanz aufweisen, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordern oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen. 118 An Unterscheidungskraft fehlt es einem Slogan jedoch dann, wenn er ausschließlich als werbemäßiger Hinweis verstanden wird, und die erforderliche Herkunftsfunktion nicht mehr erfüllt wird. 119 Kombinationswortmarken, die neben schutzunfähigen zumindest einen schutzfähigen Bestandteil aufweisen, sind generell eintragungsfähig, sofern der schutzfähige Bestandteil derart hervortritt, dass er von dem Publikum noch als betrieblicher Herkunftshinweis erkannt werden kann. Kombinationsmarken, die als Wort-/ Bildzeichen angemeldet werden, sind ebenfalls eintragungsfähig, wenn der Verkehr aufgrund der bildlichen oder grafischen Ausgestaltung bei ansonsten glatt beschreibenden Wortbestandteilen einen eigenständigen betrieblichen Herkunftshinweis in dem Zeichen sieht. Einem Wort-/ Bildzeichen jedenfalls, das aus der Kombination einfacher grafischer Elemente und einem Wort besteht, das vom Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen nur als Zuruf, Ausruf oder Grußformel verstanden wird, fehlt die konkrete Unterscheidungskraft. 120 Buchstaben und Zahlen sind generell schutzfähig, da sie bereits in § 3 Abs. 1 MarkenG explizit als schutzfähige Zeichen aufgeführt sind. Wie bereits oben ausgeführt, sind auch hier die gleichen Grundsätze bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft sowie des Freihaltebedürfnisses des Wettbewerbs anzulegen. Bei der Beurteilung ist jedoch immer auf die 116 BGH GRUR 2013, 731, 733 (Rdn. 22) „Unterscheidungskraft einer Wortmarke für Spielzeug-- Kaleido“. 117 BGH GRUR 1999, 1093, 1094 „For You“; BGH GRUR 2009, 949 „My World“. 118 Eu GH , Urteil v. 21. 1. 2010, C-381 / 8 (Nr. 56, 57) GRUR 2010, 228 „Vorsprung durch Technik“. 119 Eu GH GRUR Int. 2011, 255 „Best Buy“. 120 BGH GRUR 2010, 640, 641 „hey! “. 259 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer branchenübliche Verwendung von Buchstaben oder Zahlen abzustellen, die beispielsweise als Typenbezeichnungen, Packungsgröße oder ähnliches verwendet werden. Bei aus einem einzelnen grafisch gestalteten Buchstaben bestehenden Zeichen haben in Bezug auf ein den gleichen Buchstaben aufweisenden Zeichen bildliche Unterschiede ein wesentlich größeres Gewicht als bei normalen Wortzeichen. 121 Dem Grunde nach sind auch Buchstabenkombinationen unterscheidungskräftig, sofern sie für die Verkehrskreise nicht allgemein verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben sind. Ähnliches gilt für Zahlen, die allerdings dann von der Eintragung ausgeschlossen sind, wenn sie vom Verkehr als Maß- oder Mengenangaben oder als sachbezogene Angabe verstanden werden und nicht als ein Hinweis auf den Ursprung der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen. Als Beispiel mag hier „24“ genannt sein, eine Zahl, die in vielen Branchen als Synonym für „Rund um die Uhr“ oder „24 Stunden lang“ benutzt wird (z. B. „Bank24“ u. a. für Internetbanking, „Alarm24“ für 24-stündige Alarmbereitschaft, „Travel24“ für Buchen rund um die Uhr, „Auskunft24“ etc.). Eingetragen werden können Zahlen also dann, wenn ihnen kein im Vordergrund stehender Bedeutungsgehalt zugeordnet werden kann. 122 Auch die Kombination von Zahlen und Buchstaben ist-- wie jede andere Marke-- nach den gleichen Grundsätzen zu prüfen. Liegt eine Kombination nahe, weil z. B. im technischen Bereich derartige Kombinationen üblich sind, so fehlt ihr in der Regel die Unterscheidungskraft. Zahlen / Buchstaben-Kombinationen sind im Übrigen oft auch freihaltebedürftig. 123 Sollte eine derartige Kombination von Buchstaben und Zahlen vom Publikum in irriger Weise als beschreibend aufgefasst werden, obwohl sie in dieser Kombination noch nicht in beschreibender Weise verwendet wird, dann hat im Falle einer Ablehnung die beurteilende Instanz zu begründen, weshalb die beanspruchte Marke den Beschreibungsgrundsätzen der jeweiligen Branche entspricht. 124 Auch bei reinen Bildmarken gelten die gleichen Grundsätze in Bezug auf die absoluten Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG-- fehlende Unterscheidungskraft-- und § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, dem Freihaltebedürfnis. Wie bereits bei den Wortzeichen erwähnt, können Bilder, die aus Sicht der beteiligten Verkehrskreise eine Herkunftsfunktion innehaben, eingetragen werden. Indiz für die Unterscheidungskraft kann beispielsweise sein, dass in Bezug auf die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen eine Mehrdeutigkeit des Zeichens gegeben ist. Diese entfällt in der Regel bei einfachsten geometrischen Formen, da der Verkehr daran gewöhnt ist, dass diese Formen üblicherweise in der Werbung, als Produktverpackung oder auf Geschäftspapieren Verwendung finden. Ebenfalls schutzunfähig sind Linien oder grafische Gestaltungen, die vom Verkehr nicht als auf ein bestimmtes Unternehmen hinweisend, sondern lediglich als Verzierung verstanden werden. Bei Bildzeichen, die nur aus üblichen dekorativen Elementen der beanspruchten Waren bestehen, wird der Verkehr diese-- auch wenn sich auf dem Markt noch keine mit dem angemeldeten Zeichen vollständig übereinstimmende Gestaltung findet- - nicht als Hinweis auf die betriebliche 121 BGH GRUR 2012, 930, 934 Rdn. 51 „Kriterien für Eintragungsfähigkeit von Einzelbuchstaben-- Bogner B / Barbie B“. 122 BGH GRUR 2000, 231, 232 „Fünfer“. 123 BGH GRUR 2002, 884 „B-2 alloy“. 124 BGH GRUR 2002, 884, 885 „B-2 alloy“. 260 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Herkunft auffassen. 125 Gleichwohl kann im Einzelfall die Kombination von verschiedenen einfachen grafischen Gestaltungselementen Unterscheidungskraft aufweisen. Auch die Abbildung von Waren oder Warenverpackungen kann eine Herkunftsfunktion erfüllen, sofern sie von der üblichen Waren- oder Verpackungsform, wie sie in der jeweiligen Branche verwendet wird, erheblich abweicht. 126 Dreidimensionale Marken unterliegen den gleichen Kriterien für die Beurteilung der Unterscheidungskraft wie andere Formen von Marken. 127 Die bloße Einfärbung von Waren oder Verpackungsformen ist in der Regel dann nicht unterscheidungskräftig, wenn die Farbgestaltung branchenüblich ist. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft ist auf ihren Gesamteindruck abzustellen. Die Frage, ob der Verkehr eine Warenform im Zeitpunkt der Markenanmeldung als branchenüblich ansieht, ist nach den gesamten Gegebenheiten des betroffenen Marktsegments- - etwa den dort bestehenden Marktanteilen, den erzielten Umsätzen, der räumlichen und zeitlichen Ausdehnung des Vertriebs und sonstigen Vertriebsumständen-- zu beantworten. 128 Abstrakte Farbmarken sind, wie bereits oben ausgeführt, dem Grunde nach dem Markenschutz zugänglich, jedoch geht der Eu GH 129 davon aus, dass die abstrakten Farben aus Sicht der Verbraucher lediglich Gestaltungsmittel seien, die als Dekoration der Waren oder Verpackungen dienten und nicht als betriebliche Herkunftshinweise eingesetzt würden. Demzufolge besteht bei einer abstrakten Farbe nur in spezifischen Märkten unter außergewöhnlichen Umständen eine von Haus aus bestehende Unterscheidungskraft. 4. Freihaltebedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) a) Überblick Für das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hat sich der Begriff „Freihaltebedürfnis“ etabliert, ohne dass dieser in der europäischen Marken RL oder in der hiervon abgeleiteten UMV oder im MarkenG explizit genannt ist. Allerdings deutet sich eine Abkehr von diesem Begriff insbesondere durch den Eu GH an, sodass nun von einem „Allgemeininteresse an der Freihaltung“ gesprochen wird. 130 Nach Art. 7 Abs. 1 lit. c UMV und wortgleich § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, welche im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geografischen Herkunft oder der Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Ware oder Dienstleistung dienen können. Durch die Formulierung des letzten Halbsatzes der gleichlautenden Vorschriften wird deutlich, dass der Katalog der konkreten Bezeichnungen nicht abschließend ist. Grundgedanke des Freihaltebedürfnisses 125 BGH GRUR 2011, 158 „Hefteinband“. 126 Eu GH GRUR 2004, 428, 431 „Henkel“; Eu GH GRUR Int 2005, 135, 137 „Maglite“. 127 Eu GH GRUR 2002, 804, 807 „Philips / Remington“. 128 BGH GRUR 2017, 1262 „Schokoladenstäbchen III “. 129 Eu GH GRUR 2003, 604, 608 „Libertel“. 130 v. Schultz in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 8 Rdn. 106; BPatG GRUR 2005, 677 „Newcastle“. 261 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer ist es, dass das Registrieren beschreibender Angaben ein Ausschließlichkeitsrecht für einen Markeninhaber begründen würde, das die Allgemeinheit, insbesondere die Wettbewerber, von der Verwendung waren- und / oder dienstleistungsbeschreibender Angaben ausschließt. Gleichwohl kann dieses absolute Schutzhindernis dann überwunden werden, wenn Kennzeichen gemäß Art. 7 Abs. 3 UMV bzw. § 8 Abs. 3 MarkenG für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden sind, in den beteiligten Verkehrskreisen infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft erlangt haben oder- - was gleichbedeutend ist- - sich im Verkehr durchgesetzt haben. Das absolute Schutzhindernis des Freihaltebedürfnisses korrespondiert mit Art. 14 lit. b UMV bzw. § 23 Nr. 2 MarkenG-- beschreibende Benutzung-- insoweit, als dass nach diesen Vorschriften eine Marke ihrem Inhaber nicht das Recht gewährt, einem Dritten zu verbieten, Angaben über die Art, die Beschaffenheit, die Menge, die Bestimmung, den Wert, die geografische Herkunft oder die Zeit der Herstellung der Ware oder der Erbringung der Dienstleistung oder über andere Merkmale der Ware oder Dienstleistung im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel entspricht bzw. die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. Diese Vorschriften spielen bei der Prüfung der Anmeldung einer Marke im Eintragungsverfahren keine Rolle, ergänzen jedoch den Katalog der absoluten Schutzhindernisse insofern, als sie die Verwendung von beschreibenden Angaben unter den Voraussetzungen des § 23 MarkenG bzw. Art. 14 UMV von dem Monopol des Markeninhabers ausnimmt. Daher begründen Abwandlungen beschreibender Angaben, die als Marke geschützt sind, ebenso wenig ein Verbietungsrecht gegenüber der beschreibenden Benutzung im Rahmen dieser Vorschriften wie verkehrsdurchgesetzte Marken oder eingetragene Marken, die versehentlich oder unter anderen Voraussetzungen in das Register eingetragen wurden. Die Funktion des absoluten Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es, das Risiko für die Benutzer beschreibender Angaben und das von einer eingetragenen Marke ausgehende Einschüchterungspotenzial in Grenzen zu halten. 131 Voraussetzungen des Freihaltebedürfnisses oder des allgemeinen Freihaltunginteresses sind, dass die in Rede stehende Marke ▶ nach der Verkehrsauffassung, ▶ ausschließlich, ▶ im Hinblick auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen einen beschreibenden Charakter hat und ▶ ein sich daraus ergebendes Freihaltebedürfnis aktuell oder auch zukünftig besteht. Das Freihaltebedürfnis bestimmt sich nach dem Verständnis der beteiligten Verkehrskreise im Inland. Als Verkehrskreise sind diejenigen inländischen Bevölkerungsteile anzusehen, die mit den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen in Kontakt kommen. Wie die Endverbraucher sind dies regelmäßig auch die Mitbewerber. Maßgeblich ist nicht die subjektive Beurteilung seitens der betroffenen Verkehrskreise, sondern die objektive Eignung eines 131 BGH GRUR 2000, 882, 883 „Bücher für eine bessere Welt“. 262 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Zeichens, als beschreibende Angabe angesehen zu werden. Hierauf beruht das Allgemeininteresse an der ungehinderten Verwendbarkeit eines Begriffes als Fachangabe. Daher reicht das Freihaltebedürfnis eines kleinen Teils der Gesamtheit des Verkehrs bereits aus, um eine Markeneintragung auszuschließen. Nach Ströbele 132 kann die subjektive Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise lediglich für die Vorfrage von Bedeutung sein, ob der in Rede stehende Begriff aus der Sichtweise des Verkehrs als beschreibende Bezeichnung verständlich und daher im Verkehr zur Beschreibung der Waren und / oder Dienstleistungen geeignet ist. 133 Trotz der Überschneidungen der beiden absoluten Eintragungshindernisse einer Marke-- der fehlenden Unterscheidungskraft und des Freihaltebedürfnisses-- ist nach st.Rspr. gleichwohl jedes der genannten Eintragungshindernisse unabhängig von den anderen getrennt zu prüfen. 134 Ein Freihaltebedürfnis lässt sich nur dann feststellen, wenn das jeweilige Gesamtzeichen ausschließlich aus freihaltebedürftigen Bestandteilen besteht. Dies gilt sowohl bei reinen Wortzeichen als auch bei Bildzeichen, Wort-/ Bildkombinationen oder Wortkombinationen. Ein Freihaltebedürfnis ist immer im Zusammenhang mit der für die Marke beanspruchten konkreten Ware oder Dienstleistung zu beurteilen. Somit kann im Einzelfall in Bezug auf bestimmte Waren ein Freihaltebedürfnis im Verkehr bestehen, in Bezug auf andere Waren oder Dienstleistungen jedoch nicht. 135 Nach v. Schultz 136 setzt die Feststellung eines aktuellen Freihaltebedürfnisses voraus, dass konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die inländischen Verkehrskreise das fragliche Zeichen gegenwärtig oder zukünftig zur Beschreibung oder Bestimmung der konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen benötigen. Davon ist in der Regel auszugehen, wenn das Zeichen bereits im beschreibenden Sinne verwendet wird oder wenn der ausschließlich beschreibende Sinngehalt des Zeichens offensichtlich ist. Für die Feststellung eines zukünftigen konkreten Freihaltebedürfnisses bedarf es einer gründlichen Prüfung, da die bloße hypothetische Möglichkeit nicht ausreicht, ein zukünftiges Freihaltebedürfnis zu bejahen. Ein zukünftiges Freihaltebedürfnis kann nur dann angenommen werden, wenn-- ausgehend von den konkreten Verhältnissen einer realistischen Prognose- - dieses im Bereich des Wahrscheinlichen liegt oder jedenfalls gut vorstellbar ist. 137 Ein künftiges konkretes Freihaltebedürfnis besteht nicht selten in Bezug auf geografische Herkunftsangaben. 138 b) Einzelne freizuhaltende Angaben Die in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aufgeführten Bezeichnungen sind im Einzelnen im Folgenden erläutert: 132 Ströbele in Ströbele / Hacker, Markenrecht, Kommentar, § 8 Rdn. 371. 133 Eu GH GRUR 2004, 674, 676 „Postkantoor“. 134 Eu GH GRUR 2004, 1027 „ HABM / Erpo Möbelwerk“; Eu GH GRUR 2006, 233 „SiSi-Werke / HABM “; Eu GH GRUR 2008, 608, 610 (Nr. 54) „ EUROHYPO “. 135 BGH GRUR 2001, 1043 ff. „Gute Zeiten-Schlechte Zeiten“; BGH GRUR 2008, 900 ff. „ SPA II “. 136 In v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 8 Rdn. 119. 137 BP atG GRUR 2002, 741, 742 „Lichtenstein“; BGH GRUR 2001, 1043, 1043 „Reich und schön“. 138 BGH GRUR 2009, 491 ff. „Vierlinden“. 263 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Als Angaben zur Bezeichnung der Art sind beispielsweise Gattungsbegriffe wie Auto, Haus oder Abkürzungen wie IT oder EDV für elektronische Datenverarbeitung zu verstehen. Angaben zur Beschaffenheit einer Ware oder einer Dienstleistung beziehen sich auf jede Eigenschaft im weiteren Sinne derselben, ob dies die Qualität oder die Art der Herstellung oder des Geschäftsbetriebes ist, um nur einige zu nennen. Beispielhaft sei hier „Pure Cotton“ (für Bekleidung) oder „Post“ 139 genannt. Die Angaben zur Menge können entweder die Maßeinheit beschreiben, wie z. B. Hektar, aber auch eine bestimmte Stückzahl einer Ware, die je nach den Verkehrsgepflogenheiten auch ohne weitere Angaben verständlich ist. 140 Eine Bestimmungsangabe ist typischerweise die Beschreibung der Benutzung der Ware oder der Dienstleistung. 141 Grundsätzlich können auch Bildmarken freihaltebedürftig sein, wenn sie Angaben zur Bestimmung darstellen. Genannt seien hier Piktogramme oder übliche grafische Darstellungen in Gebrauchsanweisungen. Als Angabe des Wertes sind all die Bezeichnungen zu verstehen, die der Wertbestimmung der konkreten beanspruchten Waren und / oder Dienstleistungen dienen. Dies sind neben Währungsbezeichnungen wie z. B. Euro, DM vor allen Dingen qualitativ beschreibende Aussagen wie preiswert, exklusiv, teuer, werthaltig. Ein Sachbegriff wie der Begriff „Wert“ oder „Preis“ stellt selbst noch keine Angabe über den Wert dar, da dieser noch nicht qualitativ bezeichnet worden ist. Daher ist z. B. die Bezeichnung „Value“ nicht freihaltebedürftig. 142 Geografische Herkunftsangaben sind für den Verkehr häufig von erheblicher Bedeutung, da sie den Herkunftsort der Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. 143 Nicht selten wird mit der Herkunft aus einer bestimmten Lokalität bzw. Region oder mit der Erbringung von Dienstleistungen in diesem Gebiet eine gesteigerte Qualitätserwartung verbunden. Durchbrochen wird dieses absolute Schutzhindernis durch Kollektivmarken, die erlauben, geografische Herkunftsangaben unter bestimmten Bedingungen zu monopolisieren. Eine Kollektivmarke steht allen Unternehmen zur Verfügung, die ihren Sitz in dem jeweiligen geografischen Gebiet haben. Kollektivmarken sind in den §§ 90 ff. MarkenG und in der UMV in Artikel 74 ff. geregelt. Ein Freihaltebedürfnis besteht auch in Bezug auf fremdsprachige Formen der geografischen Angabe, wie z. B. die in dem jeweiligen Land verwendete sprachliche Form (Great Britain / Großbritannien). Auch Abwandlungen unterliegen einem Freihaltebedürfnis, wenn die Abwandlung so geringfügig ist, dass sie vom Verbraucher nicht wahrgenommen wird. Als Beispiel sei hier die Entscheidung „Lichtenstein“ 144 genannt, in der der BGH konstatiert, dass die angesprochenen Verkehrskreise die Unterschiede in der Schreibweise (Lichtenstein- Liechtenstein) regelmäßig oder sehr häufig nicht bemerken. 139 BGH GRUR 2009, 669 „ POST II “. 140 BGH GRUR 2000, 231, 232 „Fünfer“. 141 Z. B. BP atG GRUR 1997, 640 „Asthma-Brause“ für Arzneimittel. 142 BGH GRUR 1997, 730, 731 „Value“. 143 BGH GRUR 2012, 272, 274 „Beschreibende Angabe für Einkaufszentrum-- Rheinpark-Center Neuss“; BGH GRUR 2017, 183 „Stadtwerke Bremen“. 144 BP atG GRUR 2002, 741, 742 „Lichtenstein“. 264 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Angaben zur Herstellungszeit sind Jahreszahlen, Jahreszeiten, Monate, Wochen oder Feiertage, aber auch Hinweise auf saisonale Produkte wie z. B. „Spätherbst“ für Wein. Die Angaben über sonstige Merkmale sind als Auffangtatbestand für alle die Fälle anzusehen, die sich unter die o. g. Arten der vom Schutz ausgeschlossenen Angaben nicht subsumieren lassen. In der Praxis ist diese Fallgruppe ebenso wie die, die sich auf Zeitangaben bezieht, eher selten. 145 5. Übliche Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG-- wie auch Art. 7 Abs. 1 lit. d UMV -- schließt Marken von der Eintragung aus, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im allgemeinen Sprachgebrauch oder in den redlichen und ständigen Verkehrsgepflogenheiten zur Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen üblich geworden sind. Hierunter sind in erster Linie Marken zu verstehen, die früher durchaus herkunftshinweisend gewesen sind, jedoch im Laufe der Zeit durch Benutzung auch von Wettbewerbern nicht mehr als zu einem Unternehmen zugehörig, sondern vom Verkehr als allgemeine Bezeichnung für bestimmte Waren oder Dienstleistungen aufgefasst werden. Als prominentes Beispiel sei hier die Bezeichnung „Walkman“ genannt, die in Österreich aufgrund ihrer Verwendung als Gattungsbezeichnung keinen Schutz als Marke mehr genießt. 146 Der BGH hat zur Eintragungsfähigkeit der Marke „Unter uns“ 147 ausgeführt, dass die nur generelle Eignung einer Wortfolge zur Werbung noch kein Eintragungsverbot nach § 8 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG begründe. 6. Täuschungseignung Von der Eintragung ausgeschlossen sind auch Marken, die geeignet sind, das Publikum über die Art, die Beschaffenheit oder die geografische Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu täuschen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 Marken). Die Eignung einer Markenanmeldung zur Täuschung oder Irreführung muss ersichtlich sein, d. h. ohne weiteres für jeden nur möglichen Benutzungsfall aufgrund der üblichen und leicht zugänglichen Informationsquellen erkennbar sein und zwar immer im Hinblick auf die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen. 148 Umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen sind insofern ausgeschlossen. Eine Markenanmeldung kann gemäß § 37 Abs. 3 MarkenG nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Täuschungseignung ersichtlich ist. Im Unionsmarkenrecht entspricht § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG der Regelung in Art. 7 Abs. 1 lit. g UMV . Beide Regelungen setzen die Marken RL (Art. 4 Abs. 1 lit. g Marken RL ), die auf Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ basiert, um. 145 BGH GRUR 1997, 366, 368 „quattro II “. 146 Österreichisches OGH WRP 2002, 841, 842 ff. „Sony Walkman II “. 147 BGH GRUR 2000, 720 „Unter uns“. 148 v. Schultz in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 8 Rdn. 178. 265 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer 7. Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten Ausgeschlossen von der Eintragung sind Marken, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG). Ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung, der zur Zurückweisung der Markenanmeldung führt, liegt insbesondere und regelmäßig dann vor, wenn die Marke in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gegen ein gesetzliches Verbot (in Deutschland) verstößt. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt vor, wenn Marken geeignet sind, das Empfinden eines beachtlichen Teils der beteiligten Verkehrskreise zu verletzen. Dies gilt-- wie auch bei den anderen absoluten Schutzhindernissen-- immer in Bezug auf die konkreten Waren und Dienstleistungen. Die Sittenwidrigkeit kann begründet werden durch sittliche, politische oder religiöse Anstößigkeit. Beispiele hierfür sind die Bezeichnungen „Messias“ für Textilien, 149 CORAN für Arzneimittel oder „Schlüpferstürmer“ für alkoholische Getränke, „Headfuck“ für Druckereierzeugnisse, Bekleidung, Werbung sowie Telekommunikationsdienstleistungen, „ READY TO FUCK ! “ für Waren der Klassen 16 und 25 sowie Dienstleistungen der Klasse 41. 150 Maßstab für die Beurteilung ist weder eine besonders feinfühlige, noch übertriebene laxe Ansicht des angesprochenen Verkehrs. 151 Eine identische Regelung findet sich in Art. 7 Abs. 1 lit. f UMV . Irreführend können auch geografische Bezeichnungen sein, die die Marke selbst oder Teil der Marke sind, sofern die für sie beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht aus dem genannten Gebiet stammen und zumindest Teile des Verkehrs dieser geografischen Angabe eine wie auch immer geartete Bedeutung zuordnen. Eine Täuschungsgefahr können auch unrichtige Angaben in Bezug auf Prämierungen oder Qualitätssiegel darstellen. Ein weiteres Beispiel für ein irreführendes Zeichen ist-- bezogen auf die Waren und Dienstleistungen-- die Angabe eines unzutreffenden Alters oder einer Tradition, da der Verbraucher mit einer langjährigen Tradition eine besondere Wertschätzung verbindet. Dieses absolute Schutzhindernis entspricht Art. 7 Abs. 1 lit. g UMV und geht auf Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ zurück. 149 BP atG GRUR 1994, 377 „Messias“. 150 BP atG Mitt 1985, 215 „Schlüpferstürmer“; aber auch BGH GRUR 1995, 592, 595 „Busengrapscher“; BP atG BP at GE 28, 41, 43 „ CORAN “; BP atG GRUR - RR 2013, 253 „Headfuck“; BP atG GRUR 2013, 729 ff. „ READY TO FUCK ! “. 151 BP atG MarkenR 2011, 235, 236 „Arschlecken24“ für Waren der Klassen 14, 16, 21 und 25; EuG Beck RS 2013, 82 162, Urteil v. 14. 11. 2013 T-52 / 13 „ FICKEN “; EuG Beck RS 2013, 82 163; Urteil v.14. 11. 2013 T-54 / 13 „ FICKEN LIQURS “; A. A. Holzbach GRUR -Prax 2013, 535 „ FICKEN LIQURS verstößt gegen gute Sitten“; EuG Beck RS 2018, 267 „Fack Ju Göhte“; Douglas GRUR -Prax 2018, 71 „Fack Ju Göhte verstößt gegen die guten Sitten“. 266 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 8. Hoheitszeichen Nach § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG sind diejenigen Marken von der Eintragung ausgeschlossen, die Hoheitszeichen enthalten. Hoheitszeichen im Sinne dieser Vorschrift sind in- und ausländische Flaggen und Wappen von Gebietskörperschaften sowie sonstige Hoheitszeichen wie Orden, Münzen, Nationalhymnen und Siegel. Eine Übersicht über die Hinweise auf Wappen, Flaggen und andere staatliche Hoheitszeichen gem. § 8 Abs. 2 Nr. 6 MarkenG i. V. m. Art. 6 ter Abs. 3 PVÜ wird regelmäßig vom DPMA im Bl. f. PMZ veröffentlicht. 152 9. Prüf- und Gewährzeichen § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG schließt amtliche Prüf- und Gewährzeichen als Marken von der Eintragung im Register aus. Amtliche Prüf- und Gewährzeichen sind ausschließlich diejenigen, die durch Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht worden sind. 153 10. Zeichen zwischenstaatlicher Organisationen Ausgeschlossen sind auch Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisation (§ 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG), die vom Bundesministerium für Justiz ( BMJ ) im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht werden. 154 11. Ursprungsbezeichnungen, geografische Angaben, traditionelle Weine, garantiert traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen Mit Inkrafttreten des MaMoG ist § 8 Abs. 2 MarkenG um die Nummern 9 bis 12 erweitert worden, die die absoluten Schutzhindernisse um Tatbestände betreffend die Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, traditionelle Weine, garantiert, traditionelle Spezialitäten und Sortenbezeichnungen ergänzen. Eine entsprechende Regelung findet sich auch in Art. 7 Abs. 1 j-m UMV . 12. Entgegenstehende Gesetze als Schutzhindernisse Marken, deren Benutzung ersichtlich nach sonstigen Vorschriften im öffentlichen Interesse untersagt werden können, sind ebenfalls von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 13 MarkenG). Sonstige Vorschriften sind sowohl nationale wie auch bilaterale und europäische Vorschriften, die einen kennzeichenrechtlichen Inhalt aufweisen. Dazu zählen im Wesent- 152 Tabu DPMA Nr. 223. 153 Bekanntmachungen von amtlichen Prüf- und Gewährszeichen nach § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG, Tabu DPMA Nr. 218. 154 Bekanntmachungen von Wappen, Flaggen und anderen Kennzeichen, Siegeln oder Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG, Tabu DPMA Nr. 219. 267 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer lichen Vorschriften aus dem Bereich der Lebens- und Genussmittel, aber auch das deutsche Betäubungsmittelgesetz sowie die zweiseitigen Abkommen über den Schutz von Herkunftsangaben, wie sie beispielsweise mit Kuba, Frankreich, Italien, Griechenland, der Schweiz und Spanien abgeschlossen worden sind. 155 Allerdings ist das Verbot der Eintragung auf ersichtliche Untersagungstatbestände beschränkt. 13. Bösgläubige Markenanmeldungen Nummer 14 der in § 8 Abs. 2 MarkenG aufgeführten Eintragungsausschlüsse betrifft Marken, die bösgläubig oder missbräuchlich angemeldet worden sind. Das absolute Schutzhindernis der bösgläubigen Anmeldung ist erst im Jahr 2004 in das MarkenG durch das Geschmacksmusterreformgesetz 156 aufgenommen worden. Das DPMA kann eine bösgläubig angemeldete Marke bei Vorliegen eindeutiger Indizien vor ihrer Eintragung zurückzuweisen. 157 Eine Zurückweisung einer bösgläubigen Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 14 MarkenG ist nur möglich, wenn die Bösgläubigkeit ohne weiteres ersichtlich ist (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Eine bösgläubige Markenanmeldung kommt in Betracht, wenn der Anmelder weiß, dass ein anderer dasselbe oder ein verwechselbares Zeichen für dieselben oder ähnliche Waren benutzt, ohne hierfür einen formalen Kennzeichenschutz erworben zu haben, und wenn besondere Umstände hinzukommen, die das Verhalten des Anmelders als sittenwidrig erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände können darin liegen, dass der Anmelder in Kenntnis eines schutzwürdigen Besitzstands des Vorbenutzers ohne hinreichenden sachlichen Grund für gleiche oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen die gleiche oder eine zum Verwechseln ähnliche Bezeichnung mit dem Ziel der Störung des Besitzstandes des Vorbenutzers oder in der Absicht, für diesen den Gebrauch der Bezeichnung zu sperren, als Kennzeichen einzutragen beantragt. Selbst wenn auf Seiten des Vorbenutzers ein schutzwürdiger Besitzstand im Inland noch nicht oder nicht mehr besteht, ist das Vorliegen einer bösgläubigen Markenanmeldung nicht ausgeschlossen. Eine Bösgläubigkeit der Markenanmeldung kann sich daraus ergeben, dass der Anmelder ein Zeichen ohne eigene Benutzungsabsicht als Marke hat eintragen lassen, um den Marktzutritt eines Dritten zu verhindern. 158 Ein weiterer Umstand kann darin liegen, dass der Anmelder die mit der Eintragung des Zeichens kraft Markenrechts entstehende und wettbewerbsrechtlich an sich unbedenkliche Sperrwirkung zweckfremd als Mittel des Wettbewerbskampfes einsetzt. 159 Auch bei einer Markenanmeldung zu Spekulationszwecken ist von einer Bösgläubigkeit auszugehen. 160 155 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 830-902. 156 Bl. f. PMZ , 2004, 207, 218. 157 Begründung z. Entwurf des GeschmacksmusterreformG, Bl. f. PMZ , 2004, 222, 253; BGH GRUR 2009, 780 ff. „Ivadal“. 158 Vgl. Eu GH GRUR 2009, 763, 765 (Rdn. 34-45) „Lindt & Sprüngli / Franz Hauswirth“; BGH GRUR 2015, 1214 (Rdn. 57 ff.) „Goldbären“. 159 Vgl. BGH , GRUR 2009, 780 ff. (Rdn. 13) „Ivadal“; GRUR 2010, 1034 (Rdn. 13) „ LIMES LOGISTIK “; BGH GRUR 2012, 429, 430 „Simca“. 160 BGH GRUR 2001, 242 ff. „Classe E“. 268 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 14. Ausnahmen a) Berechtigung zum Führen bestimmter Zeichen § 8 Abs. 4 MarkenG bezieht sich auf die vorgenannten Nummern 6, 7 und 8 des Abs. 2 und enthält als Spezialregelung die Anwendung der genannten Tatbestände auf Nachahmungen eines der dort aufgeführten Zeichen wie auch die Nichtanwendung dieser Vorschriften, wenn der Anmelder befugt ist, in seiner Marke eines der dort aufgeführten Zeichen zu führen, selbst dann, wenn dieses mit einem anderen dort aufgeführten Zeichen verwechselt werden kann. Der Begriff der Nachahmung knüpft an den in Art. 6 ter Abs. 1 PVÜ enthaltenen Begriff „Nachahmung im heraldischen Sinn“ an. 161 In Bezug auf Prüf- oder Gewährzeichen ist das Verbot der Eintragung gem. § 8 Abs. 2 Nr. 7 MarkenG nicht anzuwenden, wenn die fragliche Marke für Waren oder Dienstleistungen angemeldet worden ist, die weder identisch noch ähnlich zu denen ist, für die das geschützte Prüf- oder Gewährzeichen eingeführt ist. Auch im Hinblick auf die Kennzeichen zwischenstaatlicher Organisationen wird in § 8 Abs. 4 MarkenG der Ausnahmetatbestand formuliert. Das Verbot greift dann nicht, wenn die angemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervorzurufen. § 8 Abs. 2 Nr. 6, 7 und 8 MarkenG und die Ausnahmen in Bezug auf diese absoluten Schutzhindernisse gem. § 8 Abs. 4 MarkenG setzen ähnlich wie Art. 7 Abs. 1 lit. h und i UMV die zwingenden Vorgaben des Art. 4 Abs. 1 lit. h Marken RL um, der explizit Bezug auf Art. 6 ter PVÜ nimmt. b) Verkehrsdurchsetzung Eine Markeneintragung kann trotz der Ausschlussgründe der fehlenden Unterscheidungskraft, des Freihaltebedürfnisses und der üblich gewordenen Zeichen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 MarkenG) erfolgen, wenn die angemeldete Marke diese Schutzhindernisse aufgrund ihrer Verkehrsdurchsetzung überwindet (§ 8 Abs. 3 MarkenG). Dies entspricht Art. 4 Abs. 4 der Marken RL sowie Art. 7 Abs. 3 der UMV . Allerdings ist an die Stelle des in der Richtlinie und der UMV enthaltenen Begriffes „durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft“ im deutschen Markengesetz der lange Traditionen aufweisende und inhaltlich entsprechende Begriff der Verkehrsdurchsetzung gewählt worden. Diese Begriffswahl war im deutschen Recht erforderlich, da sonst der (falsche) Eindruck entstanden wäre, es reiche für die Eintragung aus, wenn die Marke unterscheidungskräftig sei. 162 Durch den Nachweis der Verkehrsdurchsetzung für konkrete Waren und / oder Dienstleistungen überwindet der Anmelder einer Marke die Eintragungshindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bzw. im Bereich der Europäischen Union Art. 7 Abs. 1 lit. b, c und d UMV . Für eine angemeldete Marke, die aufgrund ihrer Verkehrsdurchsetzung eingetragen werden soll, gilt, dass die Verkehrsdurchsetzung zum Zeitpunkt der Markenanmeldung nachgewiesen sein muss. Wird die Verkehrsdurchsetzung erst für einen späteren Zeitpunkt nachgewiesen, 161 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 162 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 269 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer so kann mit Einverständnis des Anmelders der Anmeldetag und somit der Zeitrang verschoben werden. Eine aufgrund der Verkehrsdurchsetzung eingetragene Marke erwirbt einen Schutz wie jede andere eingetragene Marke. Auch Internationale Registrierungen ( IR -Marken), die auf Deutschland erstreckt worden sind, unterliegen den gleichen Bedingungen wie national angemeldete Marken nur mit dem Unterschied, dass deren Prioritätstag nicht auf den Tag verschoben werden kann, an dem die Verkehrsdurchsetzung nachgewiesen ist (§ 37 Abs. 2 MarkenG). Mittels der Verkehrsdurchsetzung können nur die absoluten Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG bzw. die entsprechenden Regelungen in der UMV überwunden werden, nicht jedoch das Fehlen der Markenfähigkeit gem. § 3 Abs. 1 MarkenG bzw. Art. 4 UMV . In der Entscheidung „Chiemsee“ 163 hat der Eu GH Grundsätze zur Verkehrsdurchsetzung-- hier in Bezug auf eine geografische Herkunftsangabe-- aufgestellt. Verkehrsdurchgesetzt im Sinne des Eu GH ist ein zunächst nicht eintragungsfähiges Zeichen dann, wenn dieses „eine neue Bedeutung erlangt, die nicht mehr nur beschreibend ist“. Hat eine Marke sich im Verkehr durchgesetzt (und somit in der Terminologie der UMV „in Folge der Benutzung Unterscheidungskraft erlangt“), dann ist die Unterscheidungskraft genauso zu bewerten, wie die Unterscheidungskraft, die Eintragungsvoraussetzung einer Marke ist. Die Marke muss also geeignet sein, die Ware (oder die Dienstleistung), für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und somit diese Ware (bzw. Dienstleistung) von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Ob eine aus der Benutzung eines Zeichens erlangte Unterscheidungskraft gegeben ist, kann nur in Bezug auf die mit der Marke versehenen Waren oder Dienstleistungen festgestellt werden. 164 Die für die Feststellung zuständige Behörde hat sämtliche Gesichtspunkte zu prüfen, die qualitativ belegen können, dass die Marke diese Eignung erlangt hat. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer Marke können der gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt, sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder von anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden. 165 Analog gelten diese Grundsätze auch für Dienstleistungen. Für eine Verkehrsdurchsetzung einer Marke in der Europäischen Union ist der Nachweis einer Unterscheidungskraft durch Benutzung für die gesamte Union erforderlich. 166 Die Verkehrsdurchsetzung muss in den beteiligten inländischen Verkehrskreisen erfolgt sein, wobei als maßgebliche Verkehrskreise all jene zu verstehen sind, in denen die Marke Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann. 167 Dies bedeutet, dass nicht nur die 163 Eu GH GRUR 1999, 723 f. „Chiemsee“. 164 Eu GH GRUR 2001, 1148 „ BRAVO “. 165 Eu GH GRUR 1999, 723 f. „Chiemsee“. 166 Eu GH GRUR 2012, 925, 928 (Rdn. 63) „Fehlende Unterscheidungskraft des Schokoladen-Goldhasen-- Goldhase“. 167 BP atG GRUR 2004, 650, 685 „Lotto“. 270 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer einschlägigen Fachkreise als beteiligte Verkehrskreise in Frage kommen, sondern dass neben den Herstellern und Händlern auch die Abnehmer dazu zählen. Dabei sind nicht nur die aktuellen Abnehmer der mit der Marke gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen als Teil der Verkehrskreise anzusehen, sondern auch diejenigen, die hieran interessiert sein könnten. Dadurch wird bei Produkten des Massenkonsums regelmäßig die Gesamtbevölkerung zu den beteiligten Verkehrskreisen zählen, in denen die Durchsetzung einer von Hause aus beschreibenden, freihaltebedürftigen oder üblichen Bezeichnung nachgewiesen werden muss. Feste Prozentsätze für einen Durchsetzungsgrad gibt es jedoch nicht, da die Verkehrsdurchsetzung eine Frage des Einzelfalles ist. Jedoch gilt in der deutschen Rechtsprechung die Regel bezüglich der Quantität, dass ein Mindestdurchsetzungsgrad von 50 % bestehen muss. 168 Gemäß der alten aus dem Jahr 2005 stammenden Richtlinie zur Prüfung von Markenanmeldungen des DPMA 169 ist es zunächst erforderlich, dass der Anmelder, der sich auf die Verkehrsdurchsetzung seiner angemeldeten Marke beruft, die Möglichkeit der Verkehrsdurchsetzung für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen glaubhaft macht. Anschließend ist ein Nachweis der Verkehrsdurchsetzung zu erbringen, bei dem in der Regel-- sofern Endverbraucher zu den beteiligten Verkehrskreisen gehören- - ein demoskopisches Gutachten erforderlich ist. Für die Anerkennung einer Verkehrsdurchsetzung ist es notwendig, dass die Benutzung der angemeldeten Marke als Marke erfolgt ist. Eine bloße allgemeine Bekanntheit reicht nicht aus. Dies ist insbesondere beachtlich, wenn es sich bei dem Anmelder um einen Monopolisten oder bei der beanspruchten Marke um eine Werbeaussage handelt. 170 Hat sich eine Kombination mehrerer Bestandteile einer Marke im Verkehr durchgesetzt, so erfüllt in der Regel nur die benutzte Kombination als Ganzes die betriebliche Herkunftsfunktion, wenn der Gesamteindruck von dieser Kombination beherrscht wird. Allerdings kann bei benutzten Wort-/ Bildkombinationen allein das Wort als einfachste Benennungsform verkehrsdurchgesetzt sein, sofern die bildliche Ausgestaltung den Gesamteindruck der benutzten Marke nicht mitbestimmt. 171 In eher seltenen Fällen kann die Unterscheidungskraft in Folge der Benutzung einer Marke als Teil oder in Verbindung mit einer eingetragenen Marke erlangt werden, die (Teil-)Marke also im Verkehr durchgesetzt sein. Als Beispiele seien hier der Bestandteil „Have a Break“ der Kombinationsmarke „Have a Break- - Have a Kitkat“ oder „Kinder“ in der Art einer Dach- oder Zweitmarke genannt. 172 168 BGH GRUR 2001, 1042, 1043 „Reich und schön“; BP atG GRUR 2005, 948, 955 „Fußball WM 2006“; BGH GRUR 2009, 954 ff. „Kinder III “ (zu Wort-/ Bildmarke); BGH NJW - RR 2008, 854 ff. „Milchschnitte“ (zu Formmarke); BGH GRUR 2010, 138 (Rdn. 41) „ ROCHER -Kugel“. 169 Vom 13. 6. 2005, Bl. f. PMZ , 2005, 245 ff., Nr. 5.17 (Verkehrsdurchsetzung). 170 Eu GH GRUR 2005, 763 „Nestle / Mars“; BGH GRUR 2010, 138 (Rdn. 41) „ ROCHER -Kugel“. 171 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 8 Rdn. 468. 172 Eu GH GRUR 2005, 763 „Nestle / Mars“; BGH GRUR 2009, 954, 956 (Rdn. 19) „Kinder III “. 271 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer III. Relative Schutzhindernisse 1. Überblick Relative Schutzhindernisse für eingetragene Marken stellen die in den §§ 9-13 MarkenG genannten älteren Rechte von Dritten dar, die zur Löschung einer eingetragenen Marke führen können. Basierend auf dem Grundprinzip der Priorität (§ 6 MarkenG) bestimmen die Kollisionstatbestände der §§ 9-13 MarkenG, welche Voraussetzungen für die Löschung einer eingetragenen Marke aufgrund eines älteren Rechtes gegeben sind. Die in der Praxis bedeutendste Bestimmung ist § 9 MarkenG, bei der das relative Schutzhindernis aus einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang besteht. Weitere kollidierende ältere Rechte sind die notorisch bekannte Marke (§ 10 MarkenG), die Marke kraft Verkehrsgeltung oder geschäftliche Bezeichnung (§ 12 MarkenG) bzw. sonstige ältere Rechte (§ 13 MarkenG). Aufgrund der Beziehung zwischen dem Inhaber der älteren bzw. jüngeren Marke stellt die sog. Agentenmarke in § 11 MarkenG eine Besonderheit dar. Alle diese besseren-- weil älteren-- Rechte können gegen angemeldete bzw. eingetragene jüngere Marken im Wege der zivilgerichtlichen Löschungsklage nach § 51 Abs. 1 MarkenG geltend gemacht werden. Die Anstrengung eines Widerspruchsverfahrens (§ 42 MarkenG) kommt aus angemeldeten oder eingetragenen Marken im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 MarkenG und- - soweit sie die gleichen Voraussetzungen wie die eben genannten Marken und Markenanmeldungen aufweisen- - aus notorisch bekannten Marken sowie gegen die Agentenmarke, aus Benutzungsmarken gem. § 3 Nr. 2 MarkenG, aber auch geschäftlichen Bezeichnungen in Frage. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr kommt es auf die Auffassung des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers des angesprochenen Verkehrskreises der in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen an. 173 Die Annahme einer gespaltenen Verkehrsauffassung eines Verkehrskreises ist mit dem Begriff der Verwechslungsgefahr als Rechtsbegriff nicht zu vereinbaren. 174 Eine Ausnahme ist nur dann gerechtfertigt, wenn die sich gegenüberstehenden Zeichen verschiedene Verkehrskreise ansprechen, die sich-- wie z. B. einerseits der allgemeine Verkehr und andererseits Fachkreise oder unterschiedliche Sprachkreise- - objektiv voneinander abgrenzen lassen. 175 In einem solchen Fall reicht das Bestehen einer Verwechslungsgefahr in einem der angesprochenen Verkehrskreise aus. 176 173 Eu GH GRUR 2005, 1042 ff. „ THOMSON LIFE “; Eu GH GRUR 2011, 1124 (Rdn. 50) „Interflora“. 174 BGH GRUR 2007, 1079 (Rdn. 36) „Bundesdruckerei“. 175 BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “. 176 BGH GRUR 2004, 947, 948 „Gazoz“; EuGH GRUR Int. 2007, 718 „TRAVATAN / TRIVASTAN“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “; BGH GRUR 2013, 631, 637 (Rdn. 64) „ AMARULA / Marulablu“. 272 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 2. Angemeldete oder eingetragene Marken als relative Schutzhindernisse Eine eingetragene Marke kann gelöscht werden, wenn sie im Verhältnis zu einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang eine der folgenden Merkmale aufweist (§ 9 Abs. 1 Nr. 1-3 MarkenG): ▶ Identität der Zeichen sowie Identität der Waren oder Dienstleistungen. ▶ Das Bestehen der Gefahr von Verwechslungen aufgrund der Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen und der Identität oder Ähnlichkeit der von den kollidierenden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. ▶ Identität oder Ähnlichkeit zu einer im Inland bekannten Marke, obwohl die Waren und Dienstleistungen der jüngeren Marke unähnlich zu denen der bekannten Marke sind, und die Benutzung der eingetragenen jüngeren Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Ältere Markenanmeldungen stellen jedoch nur dann ein Schutzhindernis dar, wenn sie auch eingetragen werden (§ 9 Abs. 2 MarkenG). Die drei Kollisionstatbestände des § 9 Abs. 1 MarkenG stimmen inhaltlich mit den drei Verletzungstatbeständen des § 14 Abs. 2 MarkenG weitgehend überein. Inhaltlich analoge Kollisionsregelungen im Unionsmarkenrecht finden sich in Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 lit. a, b und Abs. 5 UMV . 3. Identische Marken Identität zwischen der jüngeren und der älteren Marke gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 oder § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG hat in der Praxis vor allem im Rahmen der Markenpiraterie Bedeutung. Eine Identität ist nur gegeben, wenn die sich gegenüberstehenden Zeichen in jeder Hinsicht übereinstimmen. 177 Identität liegt in Bezug auf die Waren oder Dienstleistungen auch dann vor, wenn die Ware oder Dienstleistung der jüngeren Marke unter den Waren- oder Dienstleistungsoberbegriff der älteren Marke fällt. Beansprucht die jüngere Marke einen Oberbegriff einer Ware oder Dienstleistung der älteren Marke, so liegt lediglich Teilidentität vor, wobei sich ein Großteil der übrigen unter den Obergriff zu subsumierenden Waren und Dienstleistungen in der Regel im Ähnlichkeitsbereich der älteren Marke befinden dürften. Erforderlich ist eine Doppelidentität, nämlich einerseits in Bezug auf die Zeichen und andererseits auf die Waren oder Dienstleistungen, die sich gegenüberstehen. Im Falle einer alleinigen Identität, nämlich entweder der der Zeichen oder der der Waren oder Dienstleistungen, ist die Kollision unter dem Aspekt der Verwechslungsgefahr von Marken zu beurteilen. 177 Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 14 Rdn. 44. 273 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer 4. Verwechslungsgefahr von Marken a) Beurteilungsfaktoren und deren Wechselwirkung Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist es grundsätzlich erforderlich, alle relevanten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. 178 Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist eine Rechtsfrage, die auf tatsächlichen Sachverhalten basiert. Aufgrund der sechzehnten Begründungserwägung der Marken RL ist es erforderlich, den Begriff der Ähnlichkeit im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Folglich gibt es eine Wechselwirkung zwischen den bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr relevanten Faktoren. Diese sind: ▶ Grad der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, ▶ Grad der Ähnlichkeit zwischen den Waren bzw. Dienstleistungen der sich gegenüberstehenden Marken sowie ▶ Grad der Ähnlichkeit der älteren Marke mit dem jüngeren Zeichen. 179 Aufgrund dieser Wechselwirkung kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen und / oder durch eine durch Bekanntheit gesteigerte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden oder umgekehrt. Nur im Falle einer Warenunähnlichkeit oder Markenunähnlichkeit fehlt es an einem der Tatbestandsmerkmale, so dass eine Verwechslungsgefahr ausgeschlossen ist. Sofern jedoch ein nur geringer Grad der Ähnlichkeit zwischen zwei Zeichen vorhanden ist, kann eine Verwechslungsgefahr gegeben sein, wenn die Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren bzw. Dienstleistungen groß und die Kennzeichnungskraft der älteren Marke sehr hoch ist. 180 b) Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und / oder Dienstleistungen sind alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören deren Art, Verwendungszweck und Nutzung, sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen. 181 Ähnlichkeit zwischen zwei Waren bzw. Dienstleistungen ist also dann anzunehmen, wenn diese insbesondere nach ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft und ihren Vertriebssowie Erbringungsarten, ihrem Verwendungszweck und ihrer Nutzung sowie ihrer wirtschaftlichen Bedeutung und ihrer Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und Leistungen so enge Berührungspunkte aufweisen, dass zumindest ein beachtlicher Teil der beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnte, die beiderseitigen 178 Eu GH GRUR 1998, 387, 389 „Sabél / Puma“; Eu GH MarkenR 2005, 438, 440 „Thomson Life“; Ständige Rechtsprechung des Eu GH und BGH . 179 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 180 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 181 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“. 274 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Waren bzw. Dienstleistungen stammten aus dem selben oder möglicherweise wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. 182 Von einem Fehlen jeglicher Warenähnlichkeit (oder Dienstleistungsähnlichkeit) kann nur dann ausgegangen werden, wenn angesichts des Abstandes der Waren (oder der Dienstleistungen) voneinander trotz der Identität oder großen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken und trotz besonders hoher Kennzeichnungskraft der älteren Marke die Annahme einer Verwechslungsgefahr von vornherein ausgeschlossen ist. 183 Die einzelnen Kriterien haben unter Berücksichtigung der Umstände in jedem Einzelfall eine unterschiedliche Gewichtung, wobei aufgrund der dem Markenrecht zugrunde liegenden Herkunftsfunktion die betriebliche Herkunft der in der Prüfung stehenden Waren bzw. Dienstleistungen grundsätzlich eine hohe Bedeutung zukommt. Auf die Zugehörigkeit zu derselben Klasse der Nizza-Klassifikation kommt es nicht an. Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Dienstleistungen ist nicht auf die Verkehrsvorstellung über die betriebliche Herkunft der Dienstleistungen abzustellen, sondern in erster Linie auf die Vorstellung des Verkehrs über Art und Zweck der Dienstleistung, d. h. den Nutzen für die Empfänger der Dienstleistung. 184 Ähnlichkeiten zwischen Waren und Dienstleistungen können nur dann festgestellt werden, wenn der Verkehr aus der Erfahrung annimmt, dass der Hersteller von Waren auch die fragliche Dienstleistung anbietet. 185 Beispielsweise ist dies bei der Ware „Cocktails“ oder „Wein“ und der Dienstleistung „Beherbergung und Verpflegung von Gästen“ 186 der Fall. Ausnahmsweise kann auch zwischen Rohstoffen und Halbfabrikaten auf der einen Seite und Fertigfabrikaten auf der anderen Seite eine Warenähnlichkeit bestehen. 187 Eine Sammlung der Spruchpraxis des Reichspatentamtes, des DPMA , des BP atG und des BGH aber auch des EUIPO , der Gerichte der Europäischen Union, nationaler Markenämter sowie der Instanzgerichte ist in dem Standardwerk Richter / Stoppel 188 veröffentlicht. c) Kennzeichnungskraft Die Feststellung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ist unbedingt bei der Prüfung zwischen zwei Kennzeichen vorzunehmen. Eingetragene Marken verfügen in der Regel über eine normale Kennzeichnungskraft. Kennzeichnungsschwache Marken sind hingegen Marken, die sich am Rande der Eintragbarkeit aufgrund der Anlehnung an beschreibende Angaben befinden oder durch eine Vielzahl vorhandener Drittzeichen geschwächt wurden. Der Schutzbereich derart kennzeichnungsschwacher älterer Marken wird hierdurch stark eingeschränkt. Andererseits kann eine Marke auch eine erhöhte Kennzeichnungskraft und somit einen erweiterten Schutzumfang aufweisen, wenn ihr eine beträchtliche Bekanntheit 182 Eu GH GRUR 1998, 922, 923 „Canon“; BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“; BGH GRUR 2007, 321, 322 „Cohiba“; BGH GRUR 2009, 484, 486 „Metrobus“ m. w. Nachw.; BGH GRUR 2016, 382 „BioGourmet“. 183 BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 184 BGH GRUR 2001, 164 „Wintergarten“. 185 BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 186 BGH GRUR 1999, 586, 587„White Lion“; BGH GRUR 2000, 883, 884 „Papagallo“. 187 BGH GRUR 2000, 886 „Bayer / Bei CHEM “. 188 Richter / Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen (17. Aufl.) 2017. 275 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer zukommt. Diese kann durch eine intensive und langjährige Nutzung der mit ihr gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen erlangt werden. Die höchste Kennzeichnungskraft genießen berühmte Marken. Die gleichen Grundsätze gelten auch für Benutzungsmarken sowie geschäftliche Bezeichnungen. Die Kennzeichnungskraft muss immer in Bezug auf die konkrete Ware oder Dienstleistung der älteren Marke festgestellt werden. Die erhöhte Kennzeichnungskraft einer Marke kann für die eine Ware / Dienstleistung aufgrund ihrer hohen Bekanntheit gegeben sein, jedoch für eine andere Ware / Dienstleistung nicht, so dass der Marke in Bezug zu letzterer nur eine normale Kennzeichnungskraft zukommt. Eine erhöhte Kennzeichnungskraft kann auch auf eng verwandte Waren bzw. Dienstleistungen ausstrahlen, wobei eine Benutzung für diese Waren bzw. Dienstleistungen nicht vorausgesetzt wird. 189 Die Schwächung durch Drittmarken ist differenziert zu betrachten. Die Schwächung der Kennzeichnungskraft wird nur durch eine beträchtliche Anzahl benutzter Drittmarken herbeigeführt, da der Verkehr dann auf etwaige Unterschiede mehr achtet und weniger Verwechslungen unterliegt und somit der Schutzumfang der geschwächten Marke eingeschränkt wird. Diese Drittmarken müssen allerdings im Wesentlichen für die gleichen Waren bzw. Dienstleistungen verwendet werden. Drittmarken, die zwar eingetragen sind, jedoch nicht benutzt werden bzw. deren Benutzung nicht liquide bzw. nachgewiesen ist, schwächen die Kennzeichnungskraft einer älteren Marke nicht unmittelbar, jedoch können sie als Indiz für eine von Haus aus schwache Kennzeichnungskraft und damit für einen verringerten Schutzumfang gelten. Nichts anderes gilt für die in der Praxis häufiger auftretende Beurteilung von Markenbestandteilen, die in einer Vielzahl von Marken enthalten sind und deshalb als verbraucht bzw. kennzeichnungsschwach zu qualifizieren sind. Die aus den Grundsätzen des Rechts der Gleichnamigen folgende Koexistenz von Kennzeichen bewirkt keine Verringerung des Schutzes dieser Kennzeichen im Verhältnis zu Dritten. 190 d) Ähnlichkeit der Zeichen In der Entscheidung „Sabèl / Springende Raubkatze“ hat der Eu GH 1997 festgestellt, dass „bei der umfassenden Beurteilung hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, im Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen ist, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind“. Aus dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 lit. b Marken RL , wonach „für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht“, ginge nämlich hervor, dass es für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr entscheidend darauf ankomme, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher für diese Art von Waren oder Dienstleistungen wirke. 191 Der Durchschnittsverbraucher nehme eine Marke normalerweise als Ganzes wahr 189 OLG Hamburg GRUR - RR 2010, 382 „iPod / eiPott“; BGH GRUR 2018, 79 „ OXFORD / Oxford Club“. 190 BGH GRUR 2010, 833, 834 (Rdn. 17) „Malteser Kreuz II “. 191 BGH GRUR 2017, 1104 „Medicon-Apotheke / MediCo Apotheke“. 276 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer und achte nicht auf die verschiedenen Einzelheiten. 192 Erlangt eine an einen die Waren oder Dienstleistungen beschreibenden Begriff angelehnte Marke nur durch die von der beschreibenden Angabe abweichenden Elemente Unterscheidungskraft, ist bei der Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen nur auf diejenigen Merkmale abzustellen, die der älteren Marke Unterscheidungskraft verleihen. 193 Hinsichtlich der zu vergleichenden Zeichen kommt es im Widerspruchsbzw. Löschungsverfahren bei der älteren wie auch bei der jüngeren Marke maßgeblich auf ihre eingetragene bzw. angemeldete Form an. Im Verletzungsprozess ist die ältere Marke ausschließlich in der im Markenregister eingetragenen Form entscheidend. Bei nicht eingetragenen Marken ist der Beurteilung die Form zugrunde zu legen, in der sie die Verkehrsgeltung bzw. die Notorietät erlangt hat. Auf der Seite des Verletzers kommt es auf die konkrete Gestalt an, die das angegriffene Zeichen aufweist bzw. in der es benutzt worden ist. Für das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen zwei Zeichen reicht nach ständiger Rechtsprechung die hinreichende Ähnlichkeit in klanglicher, (schrift-) bildlicher oder begrifflicher Hinsicht aus. 194 Allerdings gibt es Fälle, in denen die Summe der verschiedenen Übereinstimmungen erst zur Verwechslungsgefahr führt (komplexe Verwechslungsgefahr), wie auch umgekehrt-- wenn auch weitaus seltener-- Unterschiede in einer Kategorie Übereinstimmungen in anderen Kategorien kompensieren und somit eine Verwechslungsgefahr ausschließen können. 195 Nach den Erfahrungsregeln des Eu GH und des BGH kommt es eher auf die Übereinstimmungen als auf die Unterschiede zwischen zwei sich gegenüberstehenden Zeichen an. Der Verbraucher neige nicht zu einer Analyse der möglichen Bestandteile und Begriffsbedeutungen. Er gewinne seine Auffassung nicht selten aufgrund eines undeutlichen Erinnerungseindrucks. Des Weiteren neige er bei einheitlichen Wörtern nicht zu Verkürzungen dieser, sondern lediglich dazu, Bezeichnungen in einer die Merkbarkeit und Aussprechbarkeit erleichternden Weise zu verkürzen, was insbesondere für mehrteilige oder Kombinationsmarken gilt. Bei Wortzeichen werden in der Regel die Wortanfänge stärker beachtet, was allerdings die Übereinstimmung der Wortenden zumindest dann nicht in den Hintergrund treten lässt, wenn der Wortanfang verbraucht bzw. wenig kennzeichnend wirkt. 196 Im Hinblick auf die schriftbildliche Ähnlichkeit kommt es zudem auf die Wortkontur- - bestimmt durch die Länge bzw. die Ober- und Unterlängen des Zeichens-- an. Klanglich sind die Übereinstimmungen in Bezug auf die Silbengliederung bzw. Silbenzahl, die Vokalfolge und die maßgebliche Aussprache relevant, wobei bei letzterem-- insbesondere bei fremdsprachigen Wörtern- - eine fehlerhafte Aussprache dann zu berücksichtigen ist, 192 Eu GH GRUR 1998, 387 „Sabèl / Springende Raubkatze“; Eu GH GRUR 2010, 933 „Barbara Becker“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 9) „Maalox / Melox- GRY “; BGH GRUR 2016, 283, Rdn. 36 ff. „BioGourmet“. 193 BGH GRUR 2012, 1040 (Leitsatz) „Begrenzung des Schutzumfangs einer Marke auf unterscheidungskräftige Merkmale-- pjur / pure“. 194 Eu GH GRUR Int 1999, 734 „Lloyd“. 195 Z. B. Eu GH GRUR 2006, 236, 237 „Picasso / Picaro“; BGH GRUR 2010, 235 „ AIDA / Aidu“. 196 Z. B. BGH GRUR 2001, 507, 508 „Evian / Revian“. 277 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer wenn sie für den Durchschnittsverbraucher naheliegend ist. 197 Auch bei der klanglichen Ähnlichkeit kommt es meist auf die Anfangslaute und die Vokalfolge an, während die Schlusslaute vom Verkehr weniger stark wahrgenommen werden. Die begriffliche Ähnlichkeit setzt voraus, dass beide miteinander zu vergleichenden Marken einen für das Publikum erkennbaren Sinngehalt haben. Dies ist dann der Fall, wenn eine begriffliche Ähnlichkeit zu wörtlichen Übereinstimmungen hinzukommt. 198 Häufig besteht eine begriffliche Ähnlichkeit zwischen Wörtern verschiedener Sprachen mit gleichem Sinngehalt, sofern dieser im Inland einem erheblichen Teil des angesprochenen Publikums bekannt ist. 199 Dem Grunde nach besteht eine begriffliche Verwechslung zwischen zwei sich gegenüberstehenden Zeichen nicht, wenn sie verschiedenen Fremdsprachen entstammen und in ihrem Sinngehalt nicht völlig übereinstimmen. Das Publikum ist nicht geneigt, zweimal zu übersetzen, um dann eine Ähnlichkeit festzustellen. Fremdsprachige Schreibweisen (z. B. Chinesisch, Kyrillisch o. ä.), die der durchschnittlich informierte Verbraucher nicht lesen kann, treten diesem regelmäßig als Bildmarke entgegen. In Einzelfällen tritt eine komplexe Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen auf. In diesen Fällen wird der-- um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen-- einzuhaltende Abstand zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen dem Gesamteindruck nach nicht eingehalten, obwohl die klanglichen, bildlichen oder begrifflichen Gemeinsamkeiten für sich genommen eine Verwechslung nicht begründen können. 200 Umgekehrt kann in äußerst seltenen Fällen eine Zeichenähnlichkeit durch einen Sinnunterschied kompensiert werden. 201 Mit der-- wenn auch in diesem Fall eine bekannte ältere Marke betreffend-- Entscheidung „Picasso / Picaro“ hat der Eu GH festgestellt: Wenn mindestens „eines der fraglichen Zeichen eine eindeutige und bestimmte Bedeutung habe, so dass die maßgeblichen Verkehrskreise sie ohne Weiteres erfassen könnten, [dann können] die vorhandenen Bedeutungsunterschiede zwischen den Zeichen deren optische und klanglichen Ähnlichkeiten neutralisieren“. 202 Bei reinen Bildzeichen gelten die genannten allgemeinen Grundsätze auch, wobei bei diesen die klangliche Ähnlichkeit in den Hintergrund tritt. Bei reinen Bildzeichen ist der Gesamteindruck der Zeichen zugrunde zu legen. 203 Beispiele für die rein visuelle Ähnlichkeit im Gesamteindruck sind die Drei-Streifen-Kennzeichnung eines bekannten Sportausrüsters 204 oder eine Rautendarstellung. 205 Weitaus häufiger ist eine begriffliche Ähnlichkeit festzustellen, wobei die bloße Möglichkeit, zwei unterschiedliche Bildzeichen mit dem gleichen Wort zu beschreiben, für eine Ähnlichkeit im markenrechtlichen Sinne noch nicht ausreicht. Inso- 197 BP atG GRUR 1996, 879, 880 „Patric Lion / Lions“. 198 Z. B. BGH Mitt. 1998, 196 „Jägerfürst / Jägermeister“. 199 Z. B. OLG München, MarkenR 2002, 199, 2001 „Falcon / Falke“. 200 GRUR 1994, 291, 292 „Calimbo / Calypso“. 201 BGH GRUR 2002, 1083, 1085 „1, 2, 3 im Sauseschritt“ (hier zu Titeln). 202 Eu GH GRUR Int, 2006, 229 „Picasso / Picaro“; Felchner, Armer PICASSO -- Die „Neutralisierungslehre“ des EuG, MarkenR 2005, 377-385. 203 Eu GH GRUR 1998, 387 „Sabèl / Springende Raubkatze“. 204 BGH GRUR 2001, 158, 160 „Drei-Streifen-Kennzeichnung“. 205 BGH GRUR 1998, 830, 834 „Les-Paul-Gitarren“. 278 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer weit gibt es einen „Motivschutz“ nach der früheren Spruchpraxis zum Warenzeichengesetz nicht mehr. Prüfschema Markenkollisionen 1. 2. 3. 3.1 3.2. 3.3 4. 5. 6. Ähnlichkeit der Waren / Dienstleistungen Kennzeichnungskraft der älteren Marke / Verkehrskreise Ähnlichkeit der Zeichen klanglich schriftbildlich begrifflich / konzeptionell Sonderfälle Gesamteindruck Wechselwirkung zwischen (i) Ähnlichkeit der Waren / Dienstleistungen (ii) Kennzeichnungskraft und (iii) Ähnlichkeit der Zeichen Allerdings gilt etwas anderes, wenn es sich bei dem älteren Zeichen um ein im Verkehr bekanntes Bildzeichen handelt. 206 Wird mit einem Bild ein Wortzeichen dargestellt, so liegt eine Verwechslungsgefahr und ggf. Verletzung der älteren Wortmarke dann vor, wenn das Wort die naheliegende, ungezwungene und erschöpfende Benennung des konkreten Bildes darstellt. 207 Die bereits mehrfach angesprochenen allgemeinen Grundsätze der Beurteilung von sich gegenüberstehenden Zeichen gelten auch für alle übrigen Markenformen wie insbesondere dreidimensionale Marken, Farbmarken und Hörmarken, wobei bei Letzteren die klangliche Ähnlichkeit von überragender Bedeutung ist. e) Zusammengesetzte Marken Komplex ist die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Marken, die aus mehreren Bestandteilen bestehen und bei denen nur einzelne Bestandteile zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen Gemeinsamkeiten aufweisen. Es soll hier betont werden, dass grundsätzlich die besonderen Umstände des Einzelfalls bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr Berücksichtigung finden müssen und immer von dem Gesamteindruck der Marke auszugehen ist. Dies schließt nicht aus, dass nur ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung hat, sofern er den Gesamteindruck des aus mehreren Bestandteilen bestehenden Zeichens prägt, er also in diesem eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist. 208 Diese sog. „Prägetheorie“ des BGH 209 hat in den vergangenen Jahren eine nicht unwesentliche Wandlung durch den BGH selbst erfahren. Im Gegensatz zu früheren Entscheidungen kann nunmehr eine Prägung des Gesamteindrucks einer Marke durch einen einzelnen Bestandteil nur in dem Fall angenommen werden, in dem die übrigen Bestandteile 206 BGH GRUR 2004, 594, 597 ff. „Ferrari-Pferd“. 207 BGH GRUR 1971, 251, 252 „Oldtimer“. 208 BGH GRUR 1996, 198, 199 „Springende Raubkatze“; BGH GRUR 2012, 635 (Rdn. 22) „Metro / Metro´s Roller“. 209 S. a. BGH GRUR 2000, 233, 234 „Rausch / Elfi Rauch“; BGH GRUR 2002, 167, 169 „Bit / Bud“. 279 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer eines Zeichens aus Sicht des angesprochenen Verkehrs in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können. 210 Demzufolge kommen zusammengesetzte Marken mit gleichgewichtigen Bestandteilen für die Prägung eines Bestandteiles nicht in Frage, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen, in einem zusammengesetzten Zeichen einzelne oder mehrere Bestandteile als selbstständig kennzeichnend anzusehen. 211 Ebenso wenig vermögen kennzeichnungsschwache Elemente und schon gar nicht rein beschreibende Elemente den Gesamteindruck einer Marke zu prägen. In der Entscheidung „Thomson Life“ 212 hat der Eu GH die Feststellung getroffen, dass eine Verwechslungsgefahr nur dann angenommen werden könne, wenn die von der jüngeren Kombination übernommene ältere Marke in dieser eine selbständig kennzeichnende, aber nicht (zwangsläufig) dominierende Stellung behalte, was voraussetze, dass sie eine mindestens durchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweist. Eine kennzeichnende Stellung innerhalb des Kombinationszeichens ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn es sich bei dem weiteren Bestandteil um eine bekannte Marke oder ein Unternehmenskennzeichen handelt. In Kollisionsfällen, in denen die ältere Marke aus der Kombination eines Firmennamens und eines weiteren Bestandteils besteht, wird vom Verkehr im Allgemeinen dem weiteren Bestandteil eine größere Aufmerksamkeit gewidmet, an dem er sich bezüglich des mit dem Zeichen verbundenen konkreten Produktes oder Service orientiert. Die zusammengesetzte Marke erhält dann eine Prägung durch den weiteren Bestandteil. 213 Entsprechendes gilt auch für Bildmarken. 214 Die gleichen Grundsätze gelten auch für bekannte Stammbestandteile von Serienmarken 215 aber auch für die produktbezogenen Bestandteile einer Marke. 216 Eine Ausnahme gegenüber den dargestellten Regeln bilden Erfahrungssätze in bestimmten Branchen, in denen der Firmenname den Gesamteindruck von zusammengesetzten Marken wesentlich mitbestimmt. Dies gilt für die Branchen Bekleidung, Schuhe, Brauereien und Telekommunikation sowie bis zu der o. g. „Thomson Life“-Entscheidung für Unterhaltungselektronik. Den einschlägigen Kommentaren muss die Kommentierung einer Vielzahl von Einzelentscheidungen vorbehalten bleiben. 210 Z. B. BGH GRUR 2003, 880, 881 „City Plus“; GRUR 2007, 1071, 1073 (Nr. 34-38) „Kinder II “; BGH GRUR 2011, 824 (Rdn. 23) „Kappa“; BGH GRUR 2016, 283 (Rdn. 13) „ BSA / DAS Deutsche Sportmanagement Akademie“. 211 BGH GRUR 2013, 833, 837 (Rdn. 50) „Verwechslungsgefahr zwischen Unternehmenskennzeichen und Marken für Nahrungsmittel-- Culinaria / Villa Culinaria“. 212 Eu GH GRUR 2005, 1042, 1044 „Thomson Life“. 213 Z. B. BGH GRUR 2001, 164, 166 „Wintergarten“; BGH GRUR 1996, 404, 405 „Blendax Pep“; BGH GRUR 2010, 729 (Rdn. 44) „Mixi“; BGH GRUR 2015, 1201 (Rdn. 96) „Sparkassen-Rot / Santander-Rot“. 214 BGH GRUR 2006, 859 ff. „Malteser Kreuz“. 215 BGH GRUR 1996, 977, 978 „Drano / P3-drano“; BGH GRUR 2002, 542 „ BIG “. 216 BGH GRUR 2008 258 „ INTERCONNECT / T-InterConnect“. 280 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer f) Verwechslungsgefahr durch gedankliche Verbindung In § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG genauso wie in Art. 8 Abs. 1 lit. b letzter Halbsatz UMV wird eine Verwechslungsgefahr auch für den Fall angenommen, dass das Publikum die jüngere Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung bringt. Es handelt sich dabei um eine mittelbare Verwechslungsgefahr bzw. Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne. 217 Eine mittelbare Verwechslungsgefahr liegt dann vor, wenn der Verkehr zwar die Unterschiede zwischen den Vergleichsmarken erkennt, aber einen der in den sich gegenüberstehenden Zeichen übereinstimmend enthaltenen Bestandteil als Stamm einer Markenserie des Inhabers der älteren Marke auffasst und die weiteren Bestandteile nur als Kennzeichen für spezielle Waren bzw. Dienstleistungen des Inhabers der älteren Marke ansieht. Eine mittelbare Verwechslungsgefahr ist nur unter strengen Voraussetzungen anzunehmen und bedarf einer konkreten Feststellung. 218 So ist es z. B. erforderlich, dass der Stammbestandteil nicht kennzeichnungsschwach, sondern im Gegenteil von dem Publikum als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst wird. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist dann festzustellen, wenn das Publikum die Kennzeichen nicht verwechselt und die unterschiedliche betriebliche Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen erkennt, aber aufgrund besonderer Umstände dennoch annimmt, dass zwischen den beiden Unternehmen Beziehungen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder organisatorischer Art bestehen. Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist, dass die ältere Marke zugleich Unternehmenskennzeichen ist. 219 Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne kann auch vorliegen, wenn ein mit einer älteren Marke übereinstimmender identischer oder ähnlicher aber unterscheidungskräftiger Bestandteil in ein zusammengesetztes Zeichen übernommen wird, in dem er neben einem Serienzeichen eine selbstständig kennzeichnende Stellung behält. 220 5. Schutz bekannter Marken Der Bekanntheitsschutz ergibt sich für das Löschungsverfahren aus § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG und gleichlautend aus Art. 8 Abs. 5 UMV , für das Verletzungsverfahren aus § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG bzw. Art. 9 Abs. 1 lit. c UMV . Dieser Schutz bekannter Marken geht auf Art. 10 Abs. 2 lit. c) Marken RL zurück, die den Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, den Inhabern bekannter Marken einen Sonderschutz zu gewähren und andere Zeichen auszuschließen, wenn sie mit der angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang identisch oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen bzw. benutzt worden ist, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke mit älterem Zeitrang angemeldet oder eingetragen worden ist, sofern es sich bei der Marke mit älterem Zeitrang um eine im Inland bekannte 217 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 65. 218 BGH GRUR 2002, 542, 544 „ BIG “; Vgl. BGH GRUR 2013, 840, 842 (Rdn. 23) „Voraussetzungen einer rechtserhaltenden Benutzung von Zeichenserien-- PROTI II “. 219 Z. B. BGH GRUR 2004, 598 „Kleiner Feigling“. 220 BGH GRUR 2010, 646, 648 (Rdn. 16, 17) „Unterscheidungskraft eines Bestandteils eines zur Kennzeichnung einer Zeitschrift verwendeten Zeichens-- OFF ROAD “. 281 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Marke handelt und die Benutzung der eingetragenen Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde. Eine ähnliche Regelung findet sich übrigens in Art. 16 Abs. 3 TRIPS , der auf Art. 6 bis PVÜ Bezug nimmt, wobei durch die etwas unterschiedliche Formulierung eine Differenz zwischen der Regelung im MarkenG bzw. der in der UMV nicht ausgeschlossen ist. 221 Der Eu GH hat in der Entscheidung „Chevy“ ausgeführt, dass eine eingetragene Marke, um in den Genuss eines auf nicht ähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterten Schutzes zu kommen, einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt sein müsse, das von den durch die Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen betroffen sei. Andererseits genüge es, dass die Marke nur in einem wesentlichen Teil des Inlandes bekannt ist. Bei der Prüfung der Voraussetzung für die Anwendung von Art. 16 Abs. 3 TRIPS seien alle relevanten Umstände des Falles zu berücksichtigen, insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die der Inhaber der bekannten Marke zu ihrer Förderung getätigt hat. 222 Eine Unionssmarke muss-- um in den Genuss des Schutzes einer bekannten Marke zu kommen- - bei einem wesentlichen Teil des betroffenen Publikums in einem wesentlichen Teil des Unionsgebiets bekannt sein, wobei das Gebiet eines (größeren) Mitgliedstaates als wesentlicher Teil des Unionsgebiets angesehen werden kann. 223 Die Reichweite des Schutzes bekannter Marken wird vom Eu GH anders beurteilt als vom BGH . Während der Eu GH den Begriff der „gedanklichen Verknüpfung“ bei den beteiligten Verkehrskreisen eingeführt hat, 224 hält der BGH an dem Begriff des „gedanklich in Verbindung Bringens“ fest und zeigt in der Entscheidung „Zwilling / Zwei Brüder“ die Grenzen der bekannten Marke auf. Demzufolge genügt es nicht, dass ein Zeichen geeignet ist, durch bloße Assoziationen an ein fremdes Kennzeichen Aufmerksamkeit zu erwecken oder die Wahl des jüngeren Zeichens nicht zufällig erscheint. 225 Der Bekanntheitsschutz einer Marke nach Art. 9 Abs. 2 lit. c UMV kommt nur in dem Gebiet der Europäischen Union in Betracht, in dem die Unionsmarke die Voraussetzungen der Bekanntheit erfüllt. 226 Voraussetzung für die Kollision mit einer bekannten Marke ist demnach: ▶ Eine im Inland-- zumindest in einem wesentlichen Teil-- bekannte Marke (in der EU in Bezug auf die UMV ), ▶ Zeichenähnlichkeit, ▶ Bekanntheit der Marke, 221 Kur GRUR 1999, 866 ff. „Die WIPO -Vorschläge zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken“. 222 Eu GH MarkenR 1999, 388 „Chevy“. 223 Eu GH GRUR Int. 2010, 134, 135 (Nr. 30) „ PAGO “. 224 Eu GH GRUR 2004, 58, 60 „Adidas / Fitnessworld“; bestätigt durch Eu GH GRUR 2008, 503 (Nr. 31) „Adidas / Marca Mode“; s. a. Eu GH GRUR Int. 2009, 319, 321 ff. „ INTEL “. 225 BGH GRUR 2004, 779 „Zwilling / Zwei Brüder“. 226 BGH GRUR 2013, 1239, 1244 (Rdn. 67) „Schutzumfang einer berühmten Marke-- VOLKSWAGEN / Volks. Inspektion“. 282 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft als Schutz vor Verwässerung der bekannten Marke und / oder Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung, d. h. die Beeinträchtigung des positiven Images der bekannten Marke durch Rufschädigung, wobei eine Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft bzw. der Wertschätzung besteht, 227 ▶ Unlauterkeit, die um so eher zu bejahen ist, je stärker die Bekanntheit der Marke, je höher ihre Originalität, ihr Werbewert und die Möglichkeit der Rufverwertung ist, ▶ die Benutzung ohne rechtfertigenden Grund, wie z. B. die Schaffung eines eigenen wertvollen Besitzstandes unabhängig von dem der bekannten Marke oder die Meinungsbzw. Kunstfreiheit nach Art. 5 GG , 228 und ▶ identische, ähnliche oder unähnliche Waren oder Dienstleistungen. Das Geltendmachen einer bekannten Marke ist im deutschen Widerspruchsverfahren gem. § 42 i. V. m. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG nunmehr möglich, ebenso wie im Widerspruchsverfahren vor dem EUIPO gemäß Art. 8 Abs. 5 UMV . 6. Notorisch bekannte Marke (Notorietätsmarke) Dieses relative Schutzhindernis geht auf Art. 6 bis PVÜ zurück, das die Verbandsstaaten verpflichtet, die Eintragung einer Marke abzulehnen bzw. für ungültig zu erklären, wenn sie mit einer notorischen Marke verwechslungsfähig ist. 229 Seit dem 1. 10. 2009 kann in Deutschland ein Widerspruch gegen eine jüngere Marke auf eine notorisch bekannte Marke gestützt werden (§ 42 Abs. 2 Nr. 2 mit Verweisung auf § 10 i. V. m. § 9 MarkenG). Auch Art. 5 Abs. 2 lit. d Marken RL definiert ältere Notorietätsmarken als relative Schutzhindernisse, was ebenso in Art. 8 Abs. 2 lit. c UMV Eingang gefunden hat. Eine notorische Bekanntheit muss jedoch im gesamten Hoheitsgebiet oder in einem wesentlichen Teil eines Mitgliedstaates der EU vorliegen. 230 Ein Notorietätsschutz auch für Dienstleistungsmarken ist in Art. 16 Abs. 2 Satz 1 TRIPS kodifiziert. Bei Unähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sieht Art. 16 Abs. 3 TRIPS den Schutz einer notorisch bekannten Marke unter weiteren Voraussetzungen vor. 7. Agentenmarke § 11 MarkenG entspricht den Vorgaben des Art. 6 septis PVÜ . Die Regelung sieht vor, dass eine Marke, die ohne Zustimmung des Inhabers für dessen Agenten oder Vertreter eingetragen worden ist, gelöscht werden kann. Das gilt auch für i. S. des § 9 MarkenG ähnliche Agentenmarken. 231 Der nicht im MarkenG normierte Begriff des Agenten ist wirtschaftlich zu verstehen. Ausreichend, aber grundsätzlich auch erforderlich ist ein Vertragsverhältnis, das den 227 Eu GH GRUR Int. 2000, 73, 75 „Chevy“. 228 BGH GRUR 2005, 583, 584 „Lila-Postkarte“; AIPPI -Landesgruppenbericht, GRUR Int 2005, 413 ff. 229 S. a. Kur GRUR 1999, 866 ff. „Die WIPO -Vorschläge zum Schutz notorisch bekannter und berühmter Marken“. 230 Eu GH GRUR 2008, 70 (Nr. 20) „Nuño / Franquet“. 231 BGH GRUR 2010, 828, 831 (Nr. 35) „Di SK “. 283 § 47 Schutzvoraussetzungen und Schutzhindernisse Fischer Agenten zur Wahrnehmung der Interessen des Geschäftsherrn im geschäftlichen Verkehr verpflichtet, auch wenn dies nicht im Mittelpunkt der vertraglichen Beziehungen steht. 232 Die Anmeldung eines untreuen Agenten kann nicht nur im Löschungsverfahren, sondern auch im Widerspruchsverfahren gem. § 42 Abs. 2 Nr. 3 geltend gemacht werden. Eine ähnliche Regelung enthält Art. 8 Abs. 3 UMV , die eine Übertragung vorsieht, wobei dort als weiteres Tatbestandsmerkmal (wie auch das MaMoG vorsieht) die mögliche Rechtfertigung des Agenten bzw. Vertreter für seine Handlungsweise hinzutritt. Im Übrigen hat der Markeninhaber gem. Art. 21 UMV bzw. der Inhaber einer deutschen Marke gem. § 17 Abs. 1 MarkenG das Recht, von dem Agenten die Übertragung der Marke (nach deutschem Recht auch der Markenanmeldung) zu verlangen. 8. Benutzungsmarken und geschäftliche Bezeichnungen mit älterem Zeitrang Relative Schutzhindernisse stellen gem. § 12 MarkenG auch durch Benutzung erworbene Marken im Sinne des § 4 Nr. 2 MarkenG oder Rechte an einer geschäftlichen Bezeichnung im Sinne des § 5 MarkenG dar, sofern sie einen älteren Zeitrang aufweisen. Zudem muss der Inhaber des älteren Rechts einen Unterlassungsanspruch im gesamten Gebiet Deutschlands haben. Ein nur örtlich beschränktes Ausschließlichkeitsrecht kann nur zu einem Benutzungsverbot innerhalb des jeweiligen geografischen Gebietes führen, nicht jedoch zur Löschung einer jüngeren Marke. Eine ähnliche Regelung findet sich in Art. 8 Abs. 4 UMV , in der jedoch vorausgesetzt wird, dass der nicht eingetragenen Marke oder dem sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Kennzeichen mehr als nur örtliche Bedeutung zukommt. Gemäß Art. 46 Abs. 1 i. V. m. Art. 8 Abs. 4 UMV kann Widerspruch gegen Unionsmarkenanmeldungen aufgrund dieser Rechte erhoben werden. Die in § 12 MarkenG bezeichneten Rechte können auch im deutschen Widerspruchsverfahren geltend gemacht werden. 9. Sonstige ältere Rechte Die Eintragung einer Marke kann gem. § 13 MarkenG gelöscht werden, wenn ein Anderer ein nicht in den §§ 9-12 MarkenG aufgeführtes Recht mit älterem Zeitrang erworben hat, welches ihn berechtigt, die Benutzung der jüngeren Marke auf dem gesamten Territorium Deutschlands zu untersagen. Die in Betracht kommenden, nicht abschließend in § 13 Abs. 2 MarkenG aufgeführten älteren Rechte sind Namensrechte (i. S. des § 12 BGB ), das Recht an der eigenen Abbildung, Urheberrechte, Sortenbezeichnungen, geografische Herkunftsangaben sowie sonstige gewerbliche Schutzrechte. Als sonstiges gewerbliches Schutzrecht kommt insbesondere ein prioritätsälteres Design bzw. Geschmacksmuster in Betracht, das einen Löschungsanspruch gegenüber jüngeren Bild- und / oder Formmarken begründet. Selbstverständlich kommen als ältere Rechte auch eingetragene oder nicht eingetragene europäische Unionsgeschmacksmuster in Betracht. Die sonstigen älteren Rechte sind im MarkenG 232 BGH GRUR 2009, 257, 259 (Nr. 20, 21) „Audison“. 284 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer verfahrensrechtlich als Nichtigkeitsgründe gem. § 51 MarkenG ausgestaltet und berechtigen nicht zum Widerspruch. Die Löschung einer jüngeren Unionsmarke auf der Basis sonstiger älterer Rechte kann gemäß Art. 60 Abs. 2 UMV auf Antrag beim EUIPO oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren verlangt werden. § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen I. Überblick In Abschnitt 3 des MarkenG finden sich die Bestimmungen über die Ausschlussrechte und die zivilrechtlichen Ansprüche des Inhabers einer Marke oder von geschäftlichen Bezeichnungen. Während die §§ 14 und 15 MarkenG die ausschließlichen Rechte des Inhabers eines Zeichens sowie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche regeln und § 17 MarkenG die besonderen Ansprüche gegen Agenten oder Vertreter betrifft, wird in § 19 MarkenG der Schadensersatzforderungen meist vorausgehende Auskunftsanspruch kodifiziert. Die Ansprüche auf Vernichtung widerrechtlich gekennzeichneter Gegenstände finden sich in § 18 MarkenG. Den Anspruch gegenüber Verlegern von Nachschlagewerken, auf eine eingetragene Marke hinzuweisen, behandelt § 16 MarkenG. Im Unionsmarkenrecht werden die Ausschließlichkeitsrechte im zweiten Abschnitt „Wirkungen der Unionsmarke“ der UMV geregelt. Art. 9 Abs. 1, 2 UMV enthält Regelungen, die denen in § 14 Abs. 1-3 MarkenG entsprechen. Abweichend vom deutschen MarkenG sieht Art. 11 Abs. 2 UMV eine Entschädigung für Benutzungshandlungen unberechtigter Dritter zwischen der Veröffentlichung der Anmeldung und der Veröffentlichung der Eintragung einer Unionsmarke vor. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass ein Widerspruchsverfahren der Eintragung einer Unionsmarke vorgeschaltet ist, während sich im deutschen Markenrecht-- im Gegensatz zum früheren Warenzeichenrecht-- das Widerspruchsverfahren dem Eintragungsverfahren anschließt. Die Rechte gegenüber einem Agenten oder Vertreter sind entsprechend dem deutschen MarkenG in den Art. 13 und 21 UMV in Bezug auf den Verbietungsanspruch bzw. Übertragungsanspruch niedergelegt. Art. 17 UMV sieht die ergänzende Anwendung des einzelstaatlichen Rechts bei Verletzungen außerhalb der Regelungen der UMV vor. Außer dem Unterlassungsanspruch des Markeninhabers sind alle weitergehenden Ansprüche durch den Verweis auf das Kapitel X der UMV -- „Zuständigkeit und Verfahren für Klagen, die Unionsmarken betreffen“-- nur nach nationalem Recht des betroffenen Mitgliedsstaates geltend zu machen (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Art. 129 UMV ). Die Anwendung der Vorschriften des MarkenG auf Unionsmarken sind in Teil 6 Abschnitt 3 „Gemeinschaftbzw. Unionsmarken“ (§§ 125 a-- 125 i), insbesondere in § 125 b MarkenG geregelt. 285 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer II. Ausschließlichkeitsrecht In Entsprechung des Art. 10 Abs. 1 der Marken RL wird in § 14 Abs. 1 MarkenG dem Inhaber einer Marke ein ausschließliches Recht an dieser zugestanden, sofern er einen Markenschutz gem. § 4 MarkenG erworben hat. Daher sind nicht nur die eingetragene Marke, sondern auch die durch Verkehrsgeltung erworbene sowie die notorisch bekannte Marke hiervon erfasst. Ansprüche aus in Benutzung genommenen oder angemeldeten Marken begründen noch kein ausschließliches Recht. Inhaber einer Marke ist immer der materiell-rechtliche Eigentümer. Der im Markenregister eingetragene Inhaber einer Marke gilt - widerlegbar - als auch materiellrechtlicher Inhaber (§ 28 Abs. 1 MarkenG). 1. Territoriale Reichweite Der Inhaber einer eingetragenen Marke hat ein Ausschließlichkeitsrecht im gesamten Gebiet Deutschlands. Bei durch Verkehrsgeltung erworbenen Markenrechten kommt es darauf an, ob die Verkehrsgeltung lediglich örtlich oder regional besteht. In letzteren Fällen umfasst das Ausschließlichkeitsrecht nur ein örtlich bzw. regional begrenztes Territorium, wobei bei der Abgrenzung des konkreten Schutzgebietes auch die natürliche künftige Ausdehnungstendenz der Benutzungsmarke ähnlich wie bei räumlich beschränkten Unternehmenskennzeichen zu berücksichtigen ist. Entsprechend ist der räumliche Geltungsbereich von notorisch bekannten Marken zu beurteilen, wobei eine räumlich beschränkte Bekanntheit eher die Ausnahme sein dürfte. Marken, die vor dem 1. 5. 1992 in der Bundesrepublik Deutschland oder der Deutschen Demokratischen Republik angemeldet oder eingetragen wurden, sind mit Wirkung vom 1. 5. 1992 auf das jeweils andere Teilgebiet des heutigen Deutschlands erstreckt worden (§§ 1, 4 ErstrG). Die Unionsmarke hat eine einheitliche Wirkung für die gesamte EU und kann nur für dieses gesamte Gebiet eingetragen, übertragen oder Gegenstand eines Verzichts, einer Entscheidung über den Verfall, die Nichtigkeit oder einer Untersagung der Benutzung sein (Art. 1 UMV ). 2. Kollisionstatbestände § 14 Abs. 2 MarkenG regelt die Kollisionstatbestände in gleicher Weise wie § 9 MarkenG (relative Schutzhindernisse), sodass hierauf Bezug genommen wird (s. o. in § 47 III ). Als weitere Voraussetzung- - und insoweit ergänzend- - wird in § 14 Abs. 2 auf die Benutzung eines Zeichens im geschäftlichen Verkehr abgestellt, wobei der Begriff weit auszulegen ist und jede Tätigkeit umfasst, die der Förderung eines eigenen oder fremden Geschäftszweckes dient. 233 Weder ist eine Gewinnerzielungsabsicht noch eine Entgeltlichkeit erforderlich, sodass unter dieses Tatbestandsmerkmal auch das Handeln der öffentlichen Hand oder eines gemeinnützigen Vereins fällt. 233 EuGH GRUR 2003, 55, 57 Rdn. 40 „Arsenal FC“; EuGH GRUR 2010, 445, 447 Rdn. 50 „Google und Google France“; BGH GRUR 2004, 241, 242 „Ge DIOS “. 286 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kein Handeln im geschäftlichen Verkehr ist ein rein privates Handeln wie z. B. die Einführung einer widerrechtlich gekennzeichneten Ware aus dem Ausland, sofern es ausschließlich dem Eigengebrauch dient. Wird jedoch eine größere Stückzahl von Piraterieprodukten von Privatleuten eingeführt, so wird ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vermutet, ebenso wie bei Internetversteigerungen von Privatleuten, wobei es in der Regel auf die Art, den Umfang und die Dauer ankommt. Allerdings sind insoweit keine hohen Anforderungen zu stellen. 234 Betriebsinterne Handlungen fallen grundsätzlich nicht in den Bereich des geschäftlichen Verkehrs. Hierzu zählen auch konzerninterne Vorgänge, sofern sie den Umständen nach keine Handlungen darstellen, die auf ein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorbereiten. Ähnliches gilt für politische Betätigungen. 235 Eine kollidierende Benutzung des Zeichens muss markenmäßig erfolgen, also zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens beitragen. 236 Eine markenmäßige zumindest verletzende Benutzung liegt dann vor, wenn die Benutzung des kollidierenden „Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der Marke und insbesondere ihre Hauptfunktion, d. h. die Gewährleistung der Herkunft der Ware gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte“. 237 Eine markenmäßige Benutzung liegt nicht bei der Nutzung in rein beschreibender Weise vor, wobei sich die Abgrenzung nach der Verkehrsauffassung richtet. Bei nicht beschreibenden Angaben kann eine rechtsverletzende Benutzung fast immer angenommen werden. Dies gilt z. B. für die Aufnahme fremder Marken als Bestandteile eigener Marken wie vermittelnde Bezugnahmen durch Wörter wie „based on“, „für“ etc. 238 Eine Ausnahme liegt vor, wenn aufgrund der Doppelbedeutung einer Marke diese auf ihren Kern zurückgeführt oder innerhalb von Werbesprüchen verwendet wird. 239 Auch bei anderen Markenformen kommt es in besonderem Maße auf die Auffassung des Verkehrs an. Je bekannter dem Verkehr die Verwendung einer Form oder Farbe als Herkunftshinweis auf den Markeninhaber ist, umso eher wird er eine kollidierende Kennzeichnung als herkunftshinweisend ansehen und der Gefahr von Verwechslungen ausgesetzt sein. 240 Die Markennennung eines Konkurrenten bei vergleichender Werbung stellt in der Regel keine Markenverletzung dar, 241 wenn die fremde Marke nicht markenmäßig benutzt oder ausschließlich auf Waren oder Dienstleistungen des Konkurrenten bezogen und keinesfalls in Bezug auf die eigenen Waren oder Dienstleistungen des Werbenden genutzt wird. 242 234 Z. B. BGH GRUR 2004, 860, 863 „Internetversteigerung“. 235 BGH GRUR 2004, 241, 242 „Ge DIOS “; BGH GRUR 2000, 1076, 1077 „Abgasemissionen“. 236 Eu GH GRUR Int 1999, 438, 444 „ BMW / Deenik“. 237 Eu GH GRUR 2003, 55 ff. „Arsenal“. 238 OLG Hamburg GRUR 2001, 749, 751 „based on STEINWAY “. 239 Z. B. „im Focus: Onkologie“, OLG Köln GRUR-RR 2002, 130, 132 „Focus“; BPatGE 9, 240, 243 „Stets mobil mit forbil / Mobil“. 240 Z. B. BGH GRUR 2005, 427, 429 „Lila Schokolade“; GRUR 2004, 151, 154 „Farbmarkenverletzung I“. 241 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 69. 242 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 14 Rdn. 202. 287 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer Demgegenüber vertreten z. B. Fezer und Schweyer 243 die Auffassung, dass grundsätzlich die Benutzung in der vergleichenden Werbung unter § 14 Abs. 2 MarkenG zu subsumieren sei, aber-- sofern wettbewerbsrechtlich zulässig-- nach § 23 Nr. 2 MarkenG privilegiert sei, da mit dem Werbevergleich Art und Beschaffenheit des beworbenen Produkts bezeichnet werden solle (Zu Einzelheiten zur Benutzung eines fremden Zeichens als Beschaffenheitsangabe für oder als Hinweis auf die Bestimmung der eigenen Ware oder Dienstleistung siehe hierzu § 49 III ). 3. Untersagungstatbestände § 14 Abs. 2, 3 und 4 MarkenG sind ähnlich den §§ 9 und 10 PatG als Untersagungstatbestände formuliert und unterstreichen das Ausschließlichkeitsrecht des Markeninhabers. Im Übrigen bieten sie einen Anknüpfungspunkt für die Strafvorschrift des § 143 MarkenG. Ohne Zustimmung des Markeninhabers ist es Dritten untersagt, im geschäftlichen Verkehr (§ 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG) ▶ ein mit der Marke identisches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, die mit denjenigen identisch sind, für die sie Schutz genießt, ▶ ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht einschließlich der Gefahr des gedanklich-in-Verbindung-Bringens oder ▶ ein mit der Marke identisches Zeichen oder ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Zu den Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG wird auf die Ausführungen in § 47 III verwiesen. Die wesentlichen nicht abschließenden Untersagungstatbestände sind in § 14 Abs. 3 MarkenG aufgeführt. Dieser setzt nach Inkrafttreten des MaMoG fast wortgleich den Art. 10 Abs. 3 der Marken RL um. Demzufolge ist es Dritten untersagt: ▶ das Zeichen auf Waren, ihrer Aufmachung oder Verpackung anzubringen, ▶ unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und / oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen, ▶ unter dem Zeichen Waren einzuführen oder auszuführen, ▶ das Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen, 243 Fezer, MarkenR, Kommentar, § 14 Rdn. 961, § 23, Rdn. 86; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 14, Rdn. 12 ff. 288 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen, oder ▶ das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der Richtlinie 2006 / 114/ EG 244 zuwiderlaufenden Weise zu benutzen. Die letzten beiden Unterlassungstatbestände sind durch das MaMoG infolge der Umsetzung der Modernisierung der Marken RL ins MarkenG aufgenommen worden. Die Benutzung einer geschützten Marke als Handelsname ist nunmehr-- wie auch in der UMV Art. 9 Abs. 3 lit. d)- - als Markenrechtsverletzung anzusehen, wenn der Handelsname (auch) für Waren und Dienstleistungen benutzt werde. Die Marken RL nimmt Bezug auf die Entscheidung „Céline“ 245 des Eu GH , in der er ausgeführt hatte, dass eine Benutzung einer Gesellschaftsbezeichnung, eines Handelsnamens oder eines Firmenzeichens „für Waren“ dann vorliegt, wenn ein Dritter das Zeichen, das seine Gesellschaftsbezeichnung, seinen Handelsnamen oder sein Firmenzeichen bildet, auf den Waren anbringt, die er vertreibt. Auch liege eine Benutzung „für Waren und Dienstleistungen“ ohne Anbringung vor, wenn der Dritte das Zeichen in der Weise benutzt, dass eine Verbindung zwischen dem Zeichen und den vom Dritten vertriebenen Waren oder den von ihm erbrachten Dienstleistungen hergestellt werde. Der Markeninhaber kann die Benutzung seiner Marke auch in vergleichender Werbung verbieten, wenn diese Werbung nicht den Anforderungen des Art. 4 der genannten Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung genügt. Die Vorschrift ist Art. 10 Abs. 3 lit. f) der Marken RL nachgebildet und findet sich auch in der UMV in Art. 9 Abs. 3 lit. f). Des Weiteren ist Dritten untersagt, Vorbereitungshandlungen im Sinne des § 14 Abs. 4 MarkenG vorzunehmen, in dem sie ein kollidierendes Zeichen auf Aufmachungen oder Verpackungen oder anderen Kennzeichnungsmitteln wie Etiketten, Anhängern, Aufnähern oder dergleichen anbringen, diese anbieten, in den Verkehr bringen oder zu diesen Zwecken besitzen oder diese einführen oder ausführen, wenn die Gefahr besteht, dass diese Kennzeichnungsmittel mit Waren oder Dienstleistungen verbunden werden, so dass sie unter die Verbietungsrechte des § 14 Abs. 2 und 3 fallen würden. Eine entsprechende Vorschrift enthält Art. 10 UMV . Als Beispiel sei die-- in der Markenpiraterie häufig anzutreffende-- Herstellung von Etiketten und Stickern namhafter Bekleidungsmarken genannt, die erst nachträglich an einer bis dahin ungekennzeichneten Ware angebracht werden. 4. Einreden und Einwendungen Die Verbietungsrechte des Markeninhabers greifen dann nicht, wenn dieser seine Zustimmung für die Nutzung der Marke gegeben hat. Häufigstes Beispiel hierfür ist die Lizenz. Die bloß faktische Duldung ist nicht als Zustimmung zu qualifizieren, sondern hat die Verwirkung von Verletzungsansprüchen zur Folge. 244 Richtlinie 2006 / 114 / EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 12. 12. 2006 über irreführende und vergleichende Werbung; AB l. EU L376 v. 26. 12. 2006, S. 21 ff. 245 Eu GH GRUR 2007, 971 „Céline“. 289 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer Das Ausschließlichkeitsrecht greift nicht in den Fällen, in denen ein Dritter aufgrund besserer oder zumindest gleichrangiger Rechte berechtigt ist, das identische Zeichen oder ein der Marke des Markeninhabers ähnliches Zeichen zu verwenden. Ein besseres Recht liegt immer dann vor, wenn der vermeintliche Verletzer ein prioritätsälteres Kennzeichnungsrecht vorweisen kann. Das Verbietungsrecht des Markeninhabers kann auch nicht durchgesetzt werden, wenn die kollidierenden Zeichen den gleichen Zeitrang aufweisen. Den gleichen Zeitrang weisen Marken dann auf, wenn sie am selben Tag angemeldet wurden oder ihnen per Gesetz ein gleicher Anmeldetag zufiel, wie dies bei Einführung der Eintragbarkeit von Dienstleistungsmarken am 1. 4. 1979 oder bei Einführung des MarkenG am 1. 1. 1995 der Fall war, da zu diesen Zeitpunkten ein bestehendes Eintragungshindernis entfiel (Eintragungsverbot von Dienstleistungen bzw. von ausschließlich aus Zahlen oder Buchstaben bestehenden Zeichen). Weitere Fälle der Koexistenz von Marken entstehen durch die Verwirkung von Ansprüchen (§ 21 MarkenG) oder durch die Entstehung eines Zwischenrechts aufgrund der Löschungsreife der älteren Marke (§ 22 MarkenG). Insoweit wird auf die entsprechenden Abschnitte in § 49 II verwiesen. Des Weiteren findet das Verbietungsrecht des Markeninhabers seine Grenzen dort, wo ein Dritter den eigenen Namen mit redlicher Absicht in Gebrauch nimmt (Schutzschranke des § 23 MarkenG, s. § 49 III ). 5. Haftung des Betriebsinhabers § 14 Abs. 7 MarkenG kodifiziert die Haftung des Geschäftsherrn bzw. Betriebsinhabers für von Beauftragten oder Angestellten begangene Verletzungshandlungen. Angestellte sind diejenigen, die in abhängiger Stellung beschäftigt sind. Beauftragte sind kraft eines Vertragsverhältnisses in eine Betriebsorganisation eingegliedert. Wenn der Erfolg der Handlungen der Beauftragten auch dem Betriebsinhaber zugutekommt und der Betriebsinhaber einen bestimmenden Einfluss auf den Bereich hat, in dem die Verletzung erfolgt, haftet er für diese. 246 Als Beauftragte gelten auch selbständige Unternehmer wie Handelsvertreter oder Werbeagenturen. Der Geschäftsführer einer GmbH haftet regelmäßig für eine Markenverletzung auch persönlich, selbst wenn die Verletzung in der Firmierung der juristischen Person liegt. Gegebenenfalls hat er auf die Änderung der Firmierung durch Änderung des Gesellschaftsvertrags hinzuwirken. 247 Die Haftung ist in Bezug auf den Unterlassungsanspruch verschuldensunabhängig. Hinsichtlich des Schadensanspruches kommt es darauf an, ob die Angestellten bzw. Beauftragten schuldhaft gehandelt haben. Die Haftung gilt nur dort, wo Verletzungshandlungen im geschäftlichen Betrieb begangen worden sind. 246 BGH GRUR 1995, 605, 607 „Franchise-Nehmer“ (Entscheidung zum UWG ). 247 BGH GRUR 2012, 1145, 1148 (Rdn. 36) „Pelikan“. 290 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer III. Rechtsfolgen aus Markenverletzungen Gemäß §§ 14 Abs. 5 und 6, 18, 19 MarkenG kann derjenige, der unberechtigter Weise ein Zeichen gemäß § 14 Abs. 2-4 MarkenG benutzt, auf Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung der unrechtmäßig gekennzeichneten Produkte und Auskunft in Anspruch genommen werden. Aktivlegitimiert ist der materiell berechtigte Inhaber der verletzten Marke und ein Lizenznehmer, dem hierfür die Zustimmung des Markeninhabers (gem. § 30 Abs. 3 MarkenG) erteilt worden ist. Sofern ein Dritter ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung hat, kann dieser nach ausdrücklicher Ermächtigung des Markeninhabers Verletzungsansprüche im eigenen Namen geltend machen (gewillkürte Prozessstandschaft). Als Beispiel seien hier das Geltendmachen von Ansprüchen durch eine Konzernmutter für ihre Tochtergesellschaft oder eine inländische Vertriebsgesellschaft für die ausländische Markeninhaberin genannt. Passivlegitimiert und damit anspruchsverpflichtet ist derjenige, der die verletzende Marke benutzt, sowie Gehilfen, Mittäter und Anstifter im Sinne des § 830 BGB . Des Weiteren kommen auch diejenigen als Passivlegitimierte in Frage, die willentlich und adäquat kausal ihren Beitrag zu einer Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts eines Markeninhabers beigetragen haben („Störer“). 1. Unterlassung Der Unterlassungsanspruch gem. § 14 Abs. 5 MarkenG ist wie bei allen gewerblichen Schutzrechten verschuldensunabhängig. Mit ihm sollen zukünftige Verletzungen unterbunden werden. Demzufolge ist Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch ▶ eine Erstbegehungsgefahr oder ▶ eine Wiederholungsgefahr. Eine Wiederholungsgefahr wird vermutet, wenn eine Markenverletzung vorlag. Diese Gefahr kann in der Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung oder ein gerichtliches Verbot (z. B. die Anerkennung eines im Wege einer einstweiligen Verfügung ausgesprochenen gerichtlichen Verbots als endgültige Regelung) oder ein gerichtliches Anerkenntnis (§ 307 ZPO ) beseitigt werden. Zu der Unterlassungserklärung und der meist ihr vorgeschalteten Abmahnung siehe 8. Abschnitt § 89 I und II sowie § 90 II . Ein Unterlassungsanspruch kann bereits durchgesetzt werden, wenn eine Markenverletzung zu befürchten ist, wobei das Verhalten des potenziellen Verletzers hierfür Veranlassung gibt. Als Beispiele sind die konkrete Ankündigung, ein neues Produkt unter einem verletzenden Zeichen auf den Markt zu bringen, die Einreichung einer Markenanmeldung oder die Registrierung eines markenverletzenden Domainnamens zu nennen. Eine Erstbegehungsgefahr kann in Bezug auf konkrete Ankündigungen durch eine ernstliche Erklärung, die angekündigte Handlung nicht mehr vorzunehmen, beseitigt werden. Einer Strafbewehrung bedarf es insoweit nicht. Bei der Anmeldung bzw. Eintragung einer rechtsverletzenden Marke entfällt die zunächst begründete Erstbegehungsgefahr durch die Rücknahme bzw. den Ver- 291 § 48 Rechtsverletzungen und Rechtsfolgen Fischer zicht auf die Marke. 248 Eine zusätzliche strafbewehrte Unterlassungserklärung kann i. d. R. nicht gefordert werden. 249 Ergänzt wird der Unterlassungsanspruch durch den verschuldensunabhängigen Beseitigungsanspruch analog § 104 BGB . Dieser dient der Beendigung eines anhaltenden Störungszustandes, wie er beispielsweise bei fortbestehender Registrierung einer verletzenden Internetdomain bestehen kann. 2. Schadensersatz Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch gem. § 14 Abs. 6 MarkenG ist die Vornahme einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzungshandlung. Vorsätzlich handelt der Verletzer, wenn er in Kenntnis aller anspruchsbegründenden Tatsachen, insbesondere in Kenntnis der älteren Marke und der für sie geschützten Waren oder Dienstleistungen, ein Zeichen benutzt und ihm die rechtswidrige Benutzung bewusst ist. Dies trifft in der Regel auf Markenpiraten zu. Unterlässt ein Benutzer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, so handelt er fahrlässig und ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Marken umfasst die Ausnutzung aller Recherchemöglichkeiten, um sich über bessere Kennzeichenrechte Dritter Kenntnis zu verschaffen. Eine Identitätsrecherche reicht nicht aus. Eine Ähnlichkeitsrecherche als solche reicht ebenfalls nicht aus, es sei denn, sie unterliegt einer markenrechtlichen Auswertung. Hinsichtlich der Schadensberechnung wird auf die Darstellung der drei Arten der Schadensberechnung (Ersatz des konkreten Schadens, der Herausgabe des Verletzergewinns oder des Schadensersatzes nach der Lizenzanalogie) im 8. Abschnitt § 87 II 2b) bb) verwiesen. 3. Auskunftsanspruch (§ 19 MarkenG) Der Auskunftsanspruch gem. § 19 MarkenG ist ebenso wie der Vernichtungsanspruch gem. § 18 MarkenG akzessorisch zu dem Unterlassungsbzw. Schadensersatzanspruch, wie sie sich aus den §§ 14, 15 und 17 MarkenG ergeben. Der Auskunftsanspruch richtet sich auf die unverzügliche Auskunft des Verletzers über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen, sofern dies nicht unverhältnismäßig ist (§ 19 Abs. 1 MarkenG). Was der zur Auskunft Verpflichtete anzugeben hat, ist in Abs. 2 der Vorschrift definiert. Den Auskunftsanspruch kann der berechtigte Zeicheninhaber in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzung auch im Wege der einstweiligen Verfügung durchsetzen (§ 19 Abs. 3 MarkenG). Die Auskunft darf insbesondere auch in Strafverfahren gegen den zur Auskunft Verpflichteten sowie gegen einen in § 52 Abs. 1 der St PO bezeichneten Angehörigen nur mit Zustimmung des Verpflichteten verwertet werden. Weitergehende Ansprüche auf Auskunft bleiben unberührt (§ 19 Abs. 5 MarkenG). 248 BGH GRUR 2008, 912, 914 (Nr. 30) „Metrosex“. 249 A. A. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, vor §§ 14-19, Rdn. 103; OLG Köln GRUR - RR 2009, 234, 237 „1 A Pharma / 1 Pharma“. 292 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Auskunftsanspruch soll die Schadensberechnung ermöglichen und darüber hinaus Quellen und Vertriebswege von schutzrechtsverletzenden Gegenständen aufdecken, um diese zu verschließen. Erfasst von dem Auskunftsanspruch sind sämtliche schutzrechtsverletzende Gegenstände, so dass auch eine die Markenverletzung vorbereitende Handlung (§ 14 Abs. 4 MarkenG) erfasst sind. Hierzu gehören auch parallel importierte Gegenstände soweit für diese keine Erschöpfung eingetreten ist. Hinsichtlich der Ausnahme der Unverhältnismäßigkeit in § 19 Abs. 1 MarkenG ist stets der Schuldner des Auskunftsanspruches darlegungs- und beweispflichtig. Im Übrigen wird auf die Ausführungen im 8. Abschnitt § 1 II 2 cc und dd verwiesen. 4. Vernichtung (§ 18 MarkenG) Wie beim Auskunftsanspruch hat der Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung in Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG- - neben dem Sicherungsanspruch im Wege der einstweiligen Verfügung- - Anspruch auf Vernichtung der im Besitz oder Eigentum des Verletzers befindlichen widerrechtlich gekennzeichneten Gegenstände, es sei denn, dass die Vernichtung unverhältnismäßig ist und die Gegenstände auf andere Weise beseitigt werden können. § 18 Abs. 2 MarkenG erweitert den Vernichtungsanspruch auf Vorrichtungen, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich zur widerrechtlichen Kennzeichnung benutzt oder bestimmt sind. Absatz 3 stellt- - über das geltende Recht hinaus- - klar, dass weitergehende Ansprüche auf Beseitigung nach anderen Vorschriften unberührt bleiben. Die UMV enthält keine Vorschrift über die Verpflichtung zur Auskunft oder die Vernichtung von widerrechtlich gekennzeichneten Gegenständen. IV. Eingetragene Marken in Nachschlagewerken (§ 16 MarkenG) Der Anspruch des Inhabers einer eingetragenen Marke gegenüber dem Verleger eines Wörterbuches, eines Lexikons oder einem ähnlichen Nachschlagewerk, die Wiedergabe seiner Marke mit einem Hinweis zu versehen, dass es sich bei dieser um eine eingetragene Marke handelt, dient der Verhinderung der Denaturierung der Marke zu einer Gattungsbezeichnung. Ein Anspruch besteht nur dann, wenn in dem Werk der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei der Marke um eine Gattungsbezeichnung für die Waren oder Dienstleistungen handelt, für die die Marke eingetragen ist. 250 Ist das Nachschlagewerk bereits erschienen, so beschränkt sich der Markenvermerkanspruch auf die Aufnahme bei einer Neuauflage des Werkes. Entsprechend ist die Norm anzuwenden, wenn das Nachschlagewerk in Form einer elektronischen Datenbank vertrieben wird oder Zugang zu einer elektronischen Datenbank, die ein Nachschlagewerk enthält, gewährt wird (§ 16 Abs. 3). Der gebräuchlichste Schutzrechtshinweis ist das ® aber auch die aus dem angelsächsischen Sprachraum kommenden Abkürzungen wie „ TM “ (für 250 OLG Frankfurt GRUR 2000, 1066, 1067 „Abkürzung ACC “. 293 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Trademark), „ SM “ (für Servicemark) oder der Hinweis „geschützte Marke“, „Schutzmarke“, „eingetragene Marke“ usw. Eine inhaltlich ähnliche Regelung zur Wiedergabe in einem Wörterbuch enthält Art. 12 UMV . § 49 Schranken des Schutzes I. Verjährung Auf die Verjährung aus Ansprüchen aufgrund von Rechtsverletzungen gemäß Abschnitt 3 des MarkenG, insbesondere Unterlassungs-, Schadensersatz-, Vernichtungs- und Auskunftsansprüche sowie Ansprüche gegen Agenten oder Vertreter finden gem. § 20 Satz 1 MarkenG die Vorschriften des Abschnittes 5 des Buches 1 des BGB entsprechende Anwendung. Nach § 20 Satz 2 MarkenG ist der Verletzte auch nach Eintritt der Verjährung nach den Vorschriften des § 852 BGB über die ungerechtfertigte Bereicherung verpflichtet, all das herauszugeben, was er durch die Verletzungshandlung erlangt hat. Als Bereicherung kommt insbesondere die Einsparung einer angemessenen Lizenzgebühr in Frage. Dieser Anspruch verjährt erst nach 10 Jahren ab Entstehung (§ 852 Satz 2 BGB ). Gemäß § 195 BGB verjähren die Ansprüche regelmäßig nach 3 Jahren. Die kurze 6-monatige Verjährungsfrist nach § 11 Abs. 1 UWG ist, selbst wenn konkurrierende wettbewerbsrechtliche Ansprüche beständen, auf kennzeichenrechtliche Ansprüche nicht anzuwenden. Die 3-jährige Verjährung beginnt nach der Ultimaregel (§ 199 Abs. 1 BGB ) mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den Umständen, die den Anspruch begründen und der Person des Anspruchsschuldners, Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Gemäß § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 BGB gilt die von den subjektiven Umständen unabhängige absolute Verjährungsfrist von 10 Jahren ab Entstehung des Anspruchs. In Bezug auf Schadensersatzansprüche gilt darüber hinaus eine absolute 30-jährige Verjährungsfrist, gerechnet ab dem Tag, ab dem das den Schaden auslösenden Ereignis (§ 199 Abs. 3 Nr. 2 BGB ) eingetreten ist. Für die beiden letztgenannten Verjährungsfristen gilt die Ultimaregelung nicht. Die Verjährung beginnt mit dem Abschluss der einzelnen Rechtsverletzung. Bei mehreren rechtsverletzenden Einzelhandlungen läuft für jede einzelne Handlung eine eigene Verjährungsfrist. Diese sind z. B. dann gegeben, wenn rechtsverletzend gekennzeichnete Gegenstände hintereinander an verschiedene Abnehmer ausgeliefert wurden. Für die Verjährung kommt es nicht auf den „Fortsetzungszusammenhang“ an. Der Schadensersatzanspruch entsteht mit jeder Handlung und in Bezug auf diese Handlung. Die Verjährung tritt demzufolge ebenso für jede einzelne Handlung ein. Das Gleiche gilt für den Auskunftsanspruch. In Bezug auf einen Unterlassungsanspruch kommt es auf den Zeitpunkt der letzten Verletzungshandlung an. Der Hinweisanspruch ebenso wie der Übertragungsanspruch gegen den untreuen Vertreter und der Vernichtungsanspruch richten sich jeweils auf die Beseitigung 294 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer des Rechtsverstoßes. Ist die Rechtsverletzung beseitigt, fehlt es an der materiellen Begründetheit der Ansprüche. 251 Ist die Rechtsverletzung eine Dauerhandlung z. B. durch das Anbringen einer rechtsverletzenden Kennzeichnung im Schaufenster, so tritt die Verjährung der Unterlassungsansprüche wie auch Beseitigungsansprüche solange nicht ein, wie die Rechtsverletzung andauert. Positive Kenntnis muss der Inhaber einer Marke, die verletzt wird, selbst haben. Bei juristischen Personen sind es die vertretungsberechtigten Organe. Der Markeninhaber muss sich nur dann die positive Kenntnis seiner Mitarbeiter zurechnen lassen, wenn der Mitarbeiter mit der Vorbereitung oder Durchsetzung dieser Ansprüche befasst war oder die Überwachung oder Verteidigung von kennzeichnenden Rechten zu seinen Obliegenheiten gehört. Eine grob fahrlässige Unkenntnis ist nur dann gegeben, wenn die Verletzungshandlung zwar bekannt ist, allerdings leicht zu beschaffende weitere Informationen z. B. über die Person des Verletzers nicht eingeholt werden. Eine allgemeine Marktbeobachtungs- oder Überwachungspflicht von Markenanmeldungen ist hieraus nicht abzuleiten. Die Verjährungsfrist kann durch Hemmung, Ablaufhemmung und Neubeginn verändert werden. Nach § 209 BGB wird der Zeitraum, in dem die Verjährung gehemmt ist, in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet. Als Tatbestand für eine Hemmung gilt die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Berechtigtem und Verpflichtetem. Gehemmt wird eine Verjährungsfrist auch durch Rechtsverfolgung durch den Gläubiger (§ 204 Abs. 1 BGB ). Hierbei löst die Einreichung eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Hemmung aus, wenn diese innerhalb eines Monats seit Verkündung oder Zustellung dem Anspruchsschuldner zugestellt wird (§ 204 Abs. 1 Nr. 9 BGB ). Auch die Geltendmachung mittels einer Klage führt nicht zu einem Neubeginn, sondern lediglich zu einer Hemmung der Verjährung. Bei Eintritt der Volljährigkeit bzw. Nachlasseröffnung tritt eine Ablaufhemmung bis maximal 6 Monate nach Eintritt der Volljährigkeit bzw. Nachlasseröffnung für die Erben ein (§§ 210, 211 BGB ). Ein Neubeginn der Verjährung tritt dann ein, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch anerkennt oder eine gerichtliche oder behördliche Vollstreckungshandlung vorgenommen oder beantragt wird (§ 212 Abs. 1 BGB ). Die Verjährung verschafft einem Anspruchsschuldner nach den allgemeinen Regeln ein Leistungsverweigerungsrecht und gibt ihm die Möglichkeit, im Prozess die Einrede der Verjährung zu erheben. II. Verwirkung In § 21 MarkenG sind die Grundsätze der Verwirkung kodifiziert. Hiernach hat der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung kein Recht, die Benutzung einer eingetragenen Marke mit jüngerem Zeitrang für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, bzw. die Benutzung eines anderen Kennzeichnungsrechtes mit jüngerem Zeitrang zu untersagen, soweit er die Benutzung dieses Rechtes während eines Zeitraumes von 5 aufeinander folgenden Jahren in Kenntnis dieser Benutzung geduldet hat (§ 21 251 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 20 Rdn. 12. 295 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Abs. 1 und 2 MarkenG). Diese Regelung tritt bei bösgläubigen Markenrechtsinhabern nicht ein. Allerdings kann nach § 21 Abs. 3 MarkenG auch der Inhaber des jüngeren Rechtes die Benutzung des älteren Kennzeichnungsrechtes nicht untersagen. Abs. 4 der Regelung zur Verwirkung sieht vor, dass die Anwendung allgemeiner Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen durch diese Regelung unberührt bleibt. Die 5-jährige Frist beginnt mit der positiven Kenntnis des Rechteinhabers von der Benutzung des jüngeren Zeichens. Im Gegensatz zur Verjährung wird nicht die Kenntnis der Person des Verletzers gefordert. Auch eine fahrlässige Unkenntnis führt nicht zum Beginn der 5-jährigen Verwirkungsfrist. Eine Duldung liegt nicht vor, wenn es dem Inhaber des älteren Kennzeichnungsrechtes rechtlich unmöglich war, gegen den Anspruchsgegner vorzugehen oder wenn der Inhaber Maßnahmen ergriffen hat und konsequent gegen Verletzer vorgegangen ist. Die Verwirkungsfrist bezieht sich immer auf die konkreten Handlungen, so dass ein Wechsel in der Benutzungsform eine neue Verwirkungsfrist auslösen kann. Bei wiederholten, gleichartigen Verletzungshandlungen entsteht daher für jede Verletzungshandlung ein neuer Unterlassungsanspruch 252 . Rechtsfolge der Verwirkung ist allein der Verlust der Durchsetzungsfähigkeit der Rechte des Markeninhabers im Hinblick auf bestimmte konkrete, bereits begangene oder noch andauernde Rechtsverletzungen. 253 Der Inhaber eines jüngeren Rechts kann sich auf die Verwirkung nicht berufen, wenn er bei der Anmeldung bösgläubig war, wobei unter bösgläubig die über die bloße Kenntnis des Bestehens eines älteren Rechts hinausgehende Behinderungsabsicht des jüngeren Markeninhabers zu verstehen ist. § 21 Abs. 3 MarkenG stellt klar, dass der Inhaber der jüngeren Marke gegenüber dem Markeninhaber, dessen Ansprüche aus der älteren Marke verwirkt sind, nicht die Benutzung dieser Marke untersagen kann. Die UMV enthält entsprechende Verwirkungsregelungen im 3. Abschnitt-- Nichtigkeitsgründe-- in Art. 61 UMV . In der UMV fehlt jedoch die Regelung des § 21 Abs. 4 MarkenG, die darauf hinweist, dass von den übrigen Regelungen des § 21 MarkenG die Anwendung allgemeiner Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen unberührt bleibt (s. u. § 51 III . 6.). Die allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung basieren auf § 242 BGB als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie sind bei allen kennzeichenrechtlichen Ansprüchen denkbar, wobei es bei unterschiedlichen Anspruchsarten hinsichtlich der Verwirkungsregeln zu Unterschieden kommen kann. So ist bei der Verwirkung von Unterlassungsansprüchen ein erworbener wertvoller Besitzstand Voraussetzung, hinsichtlich von Schadensersatzansprüchen muss ein Vertrauenstatbestand des Verletzers vorliegen, nicht mehr auf Zahlungen in Anspruch genommen zu werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH tritt Verwirkung dann ein, wenn durch eine länger andauernde redliche und ungestörte Benutzung einer Kennzeichnung ein Zustand geschaffen worden ist, der für den Benutzer einen beachtlichen Wert hat, der ihm nach Treu und Glauben erhalten bleiben muss und den auch der Verletzte ihm nicht streitig machen 252 BGH GRUR 2013, 1161 „Hard Rock Cafe“; BGH GRUR 2016, 705, 708 „ConText“. 253 BGH GRUR 2012, 928, 930 (Rdn. 22, 23) „Keine Verwirkung bei wiederholten gleichartigen Markenverletzungen mit zeitlicher Unterbrechung-- Honda-Grauimport“. 296 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer kann, wenn er durch sein Verhalten diesen Zustand erst ermöglicht hat. 254 Alle genannten Tatbestandsmerkmale stehen in einer Wechselwirkung zueinander, so dass unter Umständen eine Kompensation möglich ist. Als Ausfluss des in § 242 BGB geregelten Prinzips von Treu und Glauben sind bei Anwendung der allgemeinen Grundsätze über die Verwirkung von Ansprüchen die beiderseitigen Interessen abzuwägen. 255 Die Verwirkung findet da ihre Grenzen, wo ihr erhebliche öffentliche Interessen entgegenstehen. 256 Der Verwirkungseinwand, basierend auf einen im Vertrauen auf die Benutzungsberechtigung geschaffenen schutzwürdigen Besitzstand des Benutzers, führt nicht zu einer zusätzlichen Rechtsposition, da sonst die Rechte des nach Treu und Glauben nur ausnahmsweise und in engen Grenzen schutzwürdigen Rechtsverletzers hinaus erweitert werden würden. Selbst längere Untätigkeit des Markeninhabers gegenüber bestimmten gleichartigen Verletzungshandlungen begründet kein berechtigtes Vertrauen eines Nutzers, der Markeninhaber dulde auch künftig sein Verhalten und werde weiterhin nicht gegen jeweils neue Rechtsverletzungen vorgehen. 257 Ergänzend soll hier noch auf den Ausschluss von Ansprüchen bei Bestandskraft der Eintragung einer Marke mit jüngerem Zeitrang hingewiesen werden. § 22 MarkenG kodifiziert eine Schutzschranke für den Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gegenüber jüngeren eingetragenen Marken für den Fall, dass die ältere Marke oder geschäftliche Bezeichnung erst nach dem Zeitrang der jüngeren Marke Bekanntheit erlangt hat, die einen erweiterten Schutzumfang gewährt oder die ältere Marke am Tag der Veröffentlichung der jüngeren Marke wegen Verfalls oder absoluter Schutzhindernisse hätte gelöscht werden können. Eine entsprechende Regelung enthält die UMV nicht. Allerdings dürfte aufgrund allgemein anerkannter Rechtsgrundsätze für Unionsmarken nichts anderes gelten. § 22 Abs. 1 Nr. 1 MarkenG kann analog für Benutzungs- oder notorische Marken (§ 4 Nr. 2 und 3 MarkenG) oder eine geschäftliche Bezeichnung (§ 5 MarkenG) als jüngere Rechte Anwendung finden, 258 wobei der Zeitpunkt der Erlangung des Kennzeichenschutzes an die Stelle der Anmeldung tritt. § 22 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG stellt klar, dass sog. Zwischenrechte, die aufgrund der Nichtbenutzung von eingetragenen Marken oder wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse entstanden sind, von den Inhabern älterer Rechte nicht erfolgreich angegriffen werden können. Dem Grundprinzip des Markenrechts folgend, dass der Bezug zu den konkreten Waren oder Dienstleistungen hergestellt sein muss, kann ein älteres Zeichen aufgrund der Nichtbenutzung in Bezug auf eine Ware, die identisch mit der Ware des jüngeren Zeichens ist, löschungsreif geworden sein. Gleichwohl kann die Verwendung des jüngeren Zeichens für die in Rede stehenden Ware aufgrund einer ähnlichen mit dem älteren Zeichen gekennzeichneten und benutzten Ware verboten werden, da diese zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der jüngeren Marke nicht löschungsreif war. § 22 Abs. 2 MarkenG sichert wiederum die Koexistenz der kollidierenden Rechte. 254 BGH GRUR 2001, 1161, 1163 „CompuNet / ComNet“. 255 BGH GRUR 1966, 427, 428 „Prince Albert“. 256 BGH GRUR 1994, 844, 846 „Rotes Kreuz“. 257 Vgl. BGH GRUR 2008, 803, 805 „ HEITEC “; BGH GRUR 2013, 1161, 1162 (Rdn. 22 ff.) „Hard Rock Cafe“ auch zu lauterkeitsrechtlichem Schutz aus §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 UWG . 258 BGH GRUR 2003, 428, 431 „Big Bertha“; Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 22 Rdn. 2. 297 § 49 Schranken des Schutzes Fischer III. Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben Die Schutzschranke des § 23 MarkenG, die im Übrigen der in Art. 14 UMV entspricht, stellt die Benutzung persönlicher Angaben, waren- und dienstleistungsbeschreibender Angaben sowie Bestimmungsangaben vom Ausschließlichkeitsrecht frei. Voraussetzung ist, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt. 259 Die Schutzschranke der lauteren Benutzung von namensbeschreibenden Angaben und dem Ersatzteilgeschäft entspricht fast wörtlich Art. 14 Abs. 1 Marken RL , umfasst aber die Ansprüche der Inhaber von Benutzungs- und notorisch bekannten Marken (§ 4 Abs. 2 und 3 MarkenG). Gemäß der Nr. 1 dieser Regelung haben Dritte- - wenn es sich dabei um eine natürliche Person handelt- - das Recht, ihre Namen und ihre Anschrift im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, auch wenn diese mit einer prioritätsälteren Marke oder geschäftlichen Bezeichnung übereinstimmen. Das Recht erstreckte sich aufgrund der Eu GH Rechtsprechung 260 bisher auch auf Gesellschaftsbezeichnungen oder Handelsnamen, die mit Inkrafttretung der jüngsten Marken RL , der UMV und des MaMoG durch die Beschränkung auf natürliche Personen eingegrenzt wurde. Zur Anschrift gehört die Angabe der Straße, Hausnummer, Postleitzahl, des Ortes, der Telefon- und Telefaxnummer. Auch Domainnamen oder Emailadressen können dazugehören, jedoch obliegt dem Dritten regelmäßig die Verpflichtung zum Ausschluss, jedenfalls der Minderung der Verwechslungsgefahr. 261 Die Verwendung eines Zeichens, das mit einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung identisch oder dieser ähnlich ist, ist gem. Nr. 2 des § 23 MarkenG dann zulässig, wenn das Zeichen als eine beschreibende Angabe benutzt wird. 262 Der Eu GH hat hierzu festgestellt, 263 dass „die Benutzung einer Marke zu dem Zweck, die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass der Werbende Markenwaren instand setzt und wartet, eine Benutzung als Hinweis auf die Bestimmung einer Dienstleistung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 lit. c Marken RL [Art. 14 Marken RL n. F.] darstellt. Ebenso wie die Benutzung einer Marke als Hinweis auf Fahrzeuge, für die ein bestimmtes von Dritten stammendes Zubehör bestimmt ist, erfolgt die fragliche Benutzung, um die Waren zu bezeichnen, die Gegenstand des geleisteten Dienstes sind“. Allerdings darf die Marke von einem Dritten nicht wie eine eigene Marke benutzt werden. 264 Die Verwendung einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung als Hinweis auf die Bestimmung einer Ware ist nach § 23 Nr. 3 MarkenG also dann zulässig, wenn hierfür die Nennung der Marke oder Bezeichnung notwendig ist. Dies gilt für das Ersatzteil- oder Zubehörgeschäft, aber auch für Dienstleistungen in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen, für die das Kennzeichen unter Schutz gestellt worden ist. Ohne Zustimmung des Marken- 259 BGH GRUR 2009, 1162, 1164 „ DAX “. 260 Eu GH GRUR 2005 153 Rdn. 82 „Anheuser-Busch“; Eu GH GRUR 2007, 971 (Rdn. 31 ff.) „Céline“. 261 BGH GRUR 2008, 801, 802 „Hansen-Bau“; BGH GRUR 2010, 738, 741 ff. „Peek & Cloppenburg“; A. A. Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 23 Rdn. 8. 262 BGH GRUR 2009, 678 ff. „ POST / RegioPost“. 263 Eu GH GRUR Int. 1999, 438 „ BMW “. 264 BGH GRUR 2015, 1009, 1011 „ BMW -Emblem“. 298 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer inhabers zulässig ist auch das Aufbringen einer Marke auf einem verkleinerten Modell zu dem Zweck einer originalgetreuen Nachbildung. 265 Die Zulässigkeit der Benutzung einer Marke hängt, so der Eu GH , 266 davon ab, ob diese Benutzung notwendig sei, um auf die Bestimmung einer Ware hinzuweisen. Die Benutzung einer Ware durch einen Dritten, der nicht deren Inhaber sei, sei als Hinweis auf die Bestimmung einer von diesem Dritten vertriebenen Ware notwendig, wenn eine solche Benutzung praktisch das einzige Mittel dafür darstelle, der Öffentlichkeit eine verständliche und vollständige Information über diese Bestimmung zu liefern, um das System eines unverfälschten Wettbewerbs auf dem Markt für diese Ware zu erhalten. Dabei sei nicht notwendig, dass derjenige, der die Marke benutzt, um auf die Bestimmung der von ihm vertriebenen Ware hinzuweisen, diese als eine Ware mit gleicher Qualität oder gleichen Eigenschaften herstelle, wie sie die mit der Marke gekennzeichnete Originalware aufweist. Allerdings ist immer zu beachten, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt oder, wie die Marken RL ausführt, den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel entspricht. Ein Beispiel für die Schutzschranke des § 23 Nr. 3 MarkenG ist die Darstellung eines Sportwagens in Verbindung mit der Produktwerbung für Aluminiumräder: Der BGH 267 hat festgestellt, dass ein Hersteller von Aluminiumrädern, der in der Produktwerbung einen exklusiven Sportwagen abbilde, der mit seinen u. a. für diesen Fahrzeugtyp bestimmten Rädern ausgerüstet ist, die auf dem abgebildeten Fahrzeug angebrachte Marke des Sportwagenherstellers nicht verletze, wenn die Abbildung des Sportwagens den für den Verkehr erkennbaren Zweck habe, das Produkt in seiner bestimmungsmäßigen Verwendung zu zeigen. Die Freistellung der Verwendung eines Zeichens als beschreibende Angabe gilt für jede Angabe, die zur beschreibenden Verwendung geeignet ist. Dies gilt auch im Falle von fremdsprachlichen Angaben, sofern sie im Falle einer gespaltenen Verkehrsauffassung zumindest von einem Teil des Verkehrs als beschreibende Angabe verstanden wird. 268 Nicht freigestellt werden Abwandlungen beschreibender Angaben oder sog. sprechende Zeichen, die nicht glatt beschreibend sind und somit von dem Publikum zur Beschreibung ihrer Waren oder Dienstleistungen nicht benötigt werden. Rein beschreibende Angaben werden auch dann freigestellt, wenn sie herausgehoben verwendet werden. 269 Für alle drei Fallgruppen des § 23 ist gemeinsame Voraussetzung, dass die Benutzung nicht gegen die guten Sitten verstößt, sondern im Einklang mit den Grundsätzen des lauteren Wettbewerbs steht bzw. den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe oder Handel im Sinne der Marken RL (Art. 14 Abs. 2 Marken RL ) entspricht. Die Benutzung des Zeichens entspricht den anständigen Gepflogenheiten in Gewerbe und Handel aber nicht, wenn 265 Eu GH GRUR 2007, 318 (Nr. 38 ff.) „Adam Opel / Autec“; BGH , Urteil v. 14. 01. 2010-- I ZR 88 / 08 „Opel- Blitz II “. 266 Eu GH GRUR 2005, 509 „Gillette“; hier ging es um Ersatzklingen für Nassrasierer. 267 BGH GRUR 2005, 163 „Aluminiumräder“. 268 BGH GRUR 2004, 947 „Gazoz“. 269 BGH GRUR 2004, 600 „d-c-fix / CD - FIX “. 299 § 49 Schranken des Schutzes Fischer ▶ sie in einer Weise erfolgt, die glauben machen kann, dass eine Handelsbeziehung zwischen dem Dritten und dem Markeninhaber besteht, ▶ sie den Wert der Marke dadurch beeinträchtigt, dass sie deren Unterscheidungskraft oder Wertschätzung in unlauterer Weise ausnutzt, ▶ die Marke durch den Dritten herabgesetzt oder schlecht gemacht wird oder ▶ der Dritte seine Ware als Imitation oder Nachahmung der Ware mit der Marke darstellt, deren Inhaber er nicht ist. IV. Erschöpfung Eine weitere Schranke des Kennzeichnungsschutzes ist die Erschöpfung einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung gem. § 24 MarkenG. Nach § 24 Abs. 1 MarkenG hat der Inhaber einer Marke oder geschäftlichen Bezeichnung nicht das Recht, einem Dritten zu untersagen, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke oder dieser geschäftlichen Bezeichnung von ihm oder mit seiner Zustimmung im Inland oder einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Vertragsstaat des EWR in den Verkehr gebracht worden sind. Analog gilt dies auch für Warenproduktionen im Auftrag des Markeninhabers, der den Produzenten die Ware mit der Marke versehen und vertreiben lässt. Erschöpfung tritt nicht ein, wenn der Auftragsproduzent vorsätzlich die Ware vertragswidrig an Dritte veräußert. Die Erschöpfungsregelung des MarkenG entspricht Art. 15 der Marken RL , der jedoch nur eine EU -weite Erschöpfung vorsieht. Auch geht die Erschöpfungsvorschrift des MarkenG insoweit über die Marken RL hinaus, als nicht nur eingetragene Marken, sondern auch durch Verkehrsgeltung erworbene oder notorische Marken dem Erschöpfungsgrundsatz unterworfen werden. Fast wortgleich mit Art. 15 Marken RL definiert Art. 15 der UMV die Erschöpfung der Unionsmarke. Eine Erschöpfung im gesamten europäischen Wirtschaftsraum ( EWR ) ergibt sich auch aus Art. 65 Abs. 2 EWR -Abkommen i. V. m. Art. 2 Protokoll 28 zum EWR . Damit tritt auch eine Erschöpfung über die Staaten der Europäischen Union hinaus in den übrigen Staaten des EWR , nämlich Norwegen, Island und Liechtenstein ein. Grundsätzlich kann Erschöpfung nur bei Waren, wie sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, nicht jedoch bei Dienstleistungen eintreten, da nur Waren in den Verkehr gebracht werden können. Die Erschöpfungswirkung tritt für jedes einzelne konkrete Stück (Ware) ein, dass vom Markeninhaber oder mit Zustimmung des Markeninhabers innerhalb des oben genannten Territoriums in den Verkehr gebracht worden ist. Erschöpfung tritt somit nicht für Waren ein, die vom Markeninhaber außerhalb des oben genannten Territoriums in den Verkehr gebracht worden sind und von Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers wieder in die Länder des EWR bzw. der EU eingeführt werden. Darauf, ob der Markeninhaber oder ein Dritter mit Zustimmung des Markeninhabers die gleichen Waren (aber andere Stücke) innerhalb der EU bzw. des EWR zeitgleich in den Verkehr gebracht hat, kommt es nicht an. In Verkehr gebracht ist eine Ware, wenn der Markeninhaber oder derjenige, der mit seiner Zustimmung handelt, die rechtliche oder tatsächliche Verfügungsgewalt über die gekennzeichnete Ware innerhalb des EWR willentlich verloren hat, z. B. durch Veräußerung 300 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer oder Überlassung an einen unabhängigen Dritten. 270 Ein in Verkehr bringen liegt nicht bei rein innerbetrieblichen Waren und Bewegungen vor wie z. B. von der Produktionsstätte zu einem Vertriebslager. Innerhalb eines Konzerns tritt eine Erschöpfung dann nicht ein, wenn die Verfügungsgewalt an der Ware unverändert bei derselben Leitungsstelle verblieben ist. 271 Allein die Einfuhr einer konkreten Ware in den EWR durch den Markeninhaber stellt ebenso wenig wie das Anbieten gegenüber Dritten ein „in Verkehr bringen“ dar. 272 Auch die bloße Durchfuhr durch den europäischen Wirtschaftsraum war bis zum Inkrafttreten der UMV nicht als in Verkehr bringen zu bewerten, sofern es während der Durchfuhr nicht zu einem Wechsel der Verfügungsmacht kam 273 wie z. B. des Wechsels des Frachtführers oder Übertragung an einen Zwischenhändler. Art. 9 Abs. 4 UMV berechtigt nunmehr den Inhaber einer Unionsmarke, Dritten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr Waren in die Union zu verbringen ohne diese in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen, wenn die Waren, einschließlich ihrer Verpackung, aus Drittstaaten stammen und ohne Zustimmung eine Marke aufweisen, die mit der für derartige Waren eingetragenen Unionsmarke identisch ist oder in ihren wesentlichen Aspekten nicht von dieser Marke zu unterscheiden ist. Eine entsprechende Regelung sieht das MaMoG durch die Einführung des neuen § 14a ins MarkenG vor. Das Inverkehrbringen mit Zustimmung des Markeninhabers liegt im Zusammenhang mit Lizenzverträgen vor. Grundsätzlich muss die (vorherige) Einwilligung des Markeninhabers ausdrücklich erklärt werden. Eine (nachträgliche) Genehmigung reicht nicht aus. Eine konkludente Zustimmung kommt nur in Ausnahmefällen in Frage. Im Zweifel trägt der Markenbenutzer die Beweislast, dass er mit Zustimmung des Markeninhabers handelt. Hingewiesen werden soll noch auf den Sonderfall der Erschöpfung ohne Zustimmung des Markeninhabers, der eintritt, wenn der Grundsatz des freien Warenverkehrs innerhalb des Unionsrechts Vorrang vor dem Individualrecht genießt. Diese fiktive Erschöpfung an konkreten Gegenständen kann bei erwiesener künstlicher Abschottung der Märkte eintreten. 274 § 24 Abs. 2 MarkenG bestimmt als lex spezialis, dass Abs. 1 keine Anwendung findet, wenn sich der Inhaber der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung der Benutzung der Marke oder der geschäftlichen Bezeichnung im Zusammenhang mit dem weiteren Vertrieb der Waren aus berechtigten Gründen widersetzt, insbesondere, wenn der Zustand der Ware nach ihrem Inverkehrbringen sich verändert oder verschlechtert hat. Hierdurch wird es dem Markeninhaber möglich, auch nach Inverkehrbringen der Ware unter bestimmten Umständen seine Rechte aus der Marke geltend zu machen. Im Unionsrecht findet sich für Marken eine entsprechende Regelung (Art. 15 Abs. 2 UMV ). Eine Veränderung oder Verschlechterung liegt z. B. vor, wenn ein Dritter wesentliche Sacheigenschaften oder die Eigenart der Ware verändert. Beispiele sind der Umbau eines 270 Eu GH GRUR 2005, 507, 509 „Peakholding / Axolin-Elinor“. 271 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 22; BGH GRUR 2007, 882 „Parfümtester“. 272 Eu GH GRUR 2005, 507, 509 „Peakholding / Axolin-Elinor“. 273 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 24 Rdn. 17 u. 18. 274 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 43; BGH GRUR 2012, 630, 632 (Rdn. 29-34) „Keine Beweislastumkehr bei Ausscheiden eines Zwischenhändlers aus der Lieferkette-- CONVERSE II “. 301 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Flügels unter Verwendung eines fremden Resonanzbodens und fremder Stimmstöcke (Steinway), Veränderung der Zifferblätter von Armbanduhren (Rolex) oder die Entfernung einer SIM -Lock-Sperre in Mobiltelefonen. 275 Eine umfangreiche Rechtsprechung hat sich in Bezug auf das Umpacken oder vergleichbare Veränderungen der Verpackungen von Arzneimitteln entwickelt, die jedoch nicht uneingeschränkt auf die Neuetikettierung anderer Erzeugnisse übertragbar ist. 276 Einen Überblick gibt Hacker. 277 Demzufolge dürfen umgepackte Arzneimittel vertrieben werden, wenn 1. die Geltendmachung der Marke durch den Markeninhaber zu einer künstlichen Abschottung der Märkte führe, und 2. der Originalzustand der in der Verpackung enthaltenen Arzneimittel durch das Umpacken nicht beeinträchtigt worden sei, sowie 3. auf der neuen Verpackung klar angegeben sei, von wem das Arzneimittel umgepackt worden sei und von welchem Hersteller es stamme. Des Weiteren dürfe 4. das umgepackte Arzneimittel nicht derart aufgemacht sein, dass dadurch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werden könne. Insbesondere dürfe die Verpackung nicht schadhaft oder von schlechter Qualität sein oder einen unordentlichen Eindruck hervorrufen. 5. Schließlich ist der Vertreiber der umverpackten Medikamente verpflichtet, dem Markeninhaber vorab vom Anbieten der umverpackten Arzneimittel Kenntnis zu geben und ihm auf Verlangen ein Muster zur Verfügung zu stellen. V. Benutzungszwang Neben dem Territorialprinzip und der Herkunftsfunktion, die eine Marke innehat, ist der Benutzungszwang, dem der Markeninhaber oder Inhaber einer geschäftlichen Bezeichnung unterliegt, ein weiteres Grundprinzip des Kennzeichenrechtes. Da es sich bei Marken um Ausschließlichkeitsrechte handelt, die, sofern die regelmäßige Verlängerung vorgenommen wird, keiner Begrenzung der zeitlichen Dauer unterliegen, scheint es gerechtfertigt, von dem Rechteinhaber zu verlangen, dass er die Marken oder geschäftlichen Bezeichnungen benutzt. Benutzt er die Marke nicht oder nicht ernsthaft, so sind seine Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz, Vernichtung und Auskunft gem. § 25 Abs. 1 MarkenG ausgeschlossen, sofern die Nichtbenutzung einen Zeitraum von 5 Jahren ab der Eintragung (sog. Benutzungsschonfrist) bzw. vor dem Zeitpunkt der Geltendmachung umfasst (§ 25 Abs. 1 MarkenG). Nach Inkrafttreten des MaMoG verschiebt sich der Beginn der fünfjährigen Benutzungsschonfrist auf den Zeitpunkt, an dem kein Widerspruch mehr gegen die Marke möglich ist. § 25 Abs. 2 MarkenG gestaltet die Verteidigung gegen Verletzungsklagen aus nicht oder nicht mehr be- 275 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 24 Rdn. 28 m. w. Nachw. 276 Z. B. sind die berechtigten Interessen des Markeninhabers bereits gewahrt, wenn ein Parallelimporteur den Markeninhaber vorab vom Verkauf in einer Art und Weise informiert, die ihn in die Lage versetzt, die Auswirkungen der Neuetikettierung zu beurteilen; BGH GRUR 2013, 739, 745 (Rdn. 51) „Verstoß gegen lebensmittelrechtliche Kennzeichnungspflichten-- Barilla“. 277 Hacker in Hacker / Ströbele, MarkenG, Kommentar, § 24 Rdn. 58 ff. 302 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nutzten Marken als Einrede. § 25 MarkenG entspricht Art. 17 Marken RL , der vorsieht, dass eine Marke in einem Verletzungsverfahren nicht wirksam geltend gemacht werden kann, wenn nicht im Wege der Einrede Nachweise der ernsthaften Benutzung erbracht werden und die Marke für verfallen erklärt werden könnte. § 25 MarkenG verweist hinsichtlich der Einzelheiten des Benutzungserfordernisses auf § 26 MarkenG. Auch Unionsmarken unterliegen einem Benutzungszwang mit 5-jähriger Benutzungsschonfrist (Art. 18 Abs. 1 UMV ). Die Marke muss für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von 5 Jahren ab dem Registereintragungstag in Benutzung genommen worden sein und die Benutzung darf nicht für mehr als 5 Jahre ununterbrochen ausgesetzt worden sein. Die Marke muss durch ihren Inhaber oder mit vorheriger Zustimmung des Inhabers in dem Gebiet, für das die Marke Schutz genießt, für jede beanspruchte Ware bzw. Dienstleistung ernsthaft als Marke benutzt werden. Eine unzureichende Benutzung kann in Verletzungs- oder Entschädigungsprozessen durch Widerklage gem. Art. 128 UMV , aber auch in Form der Einrede gem. Art. 127 Abs. 3 UMV geltend gemacht werden. VI. Benutzung der Marke (§ 26 MarkenG) Ein wichtiger Grundsatz des Markenrechts ist-- möchte der Markeninhaber Rechte aus seiner insbesondere registrierten Marke herleiten-- der Zwang zur Benutzung der Marke zur Kennzeichnung der für sie geschützten Waren und Dienstleistungen. § 26 MarkenG definiert die Benutzung einer Marke, auf die an verschiedenen Stellen des MarkenG Bezug genommen wird. Mangelnde Benutzung führt gem. § 25 MarkenG zum Ausschluss von Ansprüchen in Bezug auf Markenverletzungen (§§ 14, 18, 19 MarkenG). Auch im Widerspruchsverfahren ist die Einrede fehlender Benutzung gem. § 43 Abs. 1 MarkenG möglich. Eine nicht benutzte Marke kann auf Antrag eines Dritten gem. § 49 Abs. 1 MarkenG gelöscht werden. Auch die §§ 22 Abs. 1 Nr. 2, 51 Abs. 4 Nr. 1 und 55 Abs. 3 MarkenG beinhalten Regelungen über Marken im Löschungsverfahren, denen es an einer ernsthaften Benutzung mangelt. In Bezug auf Kollektivmarken ist § 100 Abs. 2 MarkenG ergänzend einschlägig. Entsprechende auf die Marken RL zurückgehende Vorschriften enthält die UMV in Art. 18 UMV mit der Definition für den Begriff der Benutzung, Art. 47 Abs. 2 und 3 UMV in Bezug auf das Widerspruchsverfahren, Art. 58 Abs. 1 lit. a sowie Art. 64 Abs. 2 UMV in Bezug auf das Löschungsverfahren infolge Nichtigkeit oder Verfalls. Art. 78 UMV ergänzt die Benutzungsvorschriften in Bezug auf die Kollektivmarken, Art. 87 UMV in Bezug auf die Unionsgewährleistungsmarken. Das Erfordernis der Benutzung ist auf die Hauptfunktion einer Marke, nämlich den Hinweis auf die betriebliche Herkunft der unter Schutz einer Marke gestellten Waren und Dienstleistungen, ausgerichtet. Gemäß § 26 Abs. 1 MarkenG und Art. 18 Abs. 1 UMV muss eine Marke von ihrem Inhaber für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, ernsthaft im Inland (wobei bei der Unionsmarke gemäß Art. 1 UMV einheitlich die gesamte EU als Inland gilt) benutzt worden sein, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen. Die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Inhabers gilt als Benutzung durch den Inhaber (§ 26 Abs. 2 MarkenG, Art. 18 Abs. 2 UMV ). 303 § 49 Schranken des Schutzes Fischer Ein markenmäßiger Gebrauch liegt vor, wenn aus Sicht des Verkehrs das Zeichen als Hinweis auf die Herkunft der Waren bzw. Dienstleistungen dient. Nicht markenmäßig ist die nur firmenmäßige Benutzung 278 , z. B. die alleinige Angabe der Firma des Unternehmens, wie sie auf geschäftlichen Briefbögen notwendig ist. Gleiches gilt für einen Domainnamen, der ausnahmsweise eine reine Adressfunktion hat oder vom Verkehr nur als beschreibende Angabe verstanden wird. 279 Allerdings kann eine firmenmäßige Benutzung gleichzeitig auch eine markenmäßige Benutzung darstellen, sofern das fragliche Zeichen selbst besonders herausgestellt wird und einen Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen aufweist. Dies wird in Fällen, in denen der Betrieb nur ein Produkt herstellt oder eine Dienstleistung erbringt, eher der Fall sein als bei großen Unternehmen mit einer vielfältigen Produktpalette. In Bezug auf die Benutzung der Marke für einzelne Waren oder Dienstleistungen kommt es in erster Linie auf die Sichtweise des angesprochenen Verkehrs, d. h. des durchschnittlich informierten und angemessen aufmerksamen Verbrauchers bzw. der Branchenüblichkeit 280 an. Dabei sind gerade in den letzten 15 Jahren die sich verändernden Formen des Vertriebs und der Werbung-- z. B. durch das Internet-- zu berücksichtigen. 281 Zumindest gilt die nach früherem Warenzeichenrecht strikte Regel der körperlichen Anbringung der Marke auf der Ware oder deren enge räumliche Verbindung nicht mehr. Die Verwendung einer Marke im Internet kann nur dann als benutzungsrelevant angesehen werden, wenn die mit der Marke beworbene Ware (oder Dienstleistung) auf der unter der Domain abrufbaren Webseite angeboten wird 282 und ein wirtschaftlich relevanter Inlandsbezug vorhanden ist. 283 Indiziell für den Inlandsbezug ist die Verwendung der deutschen Sprache sowie Preisangaben in inländischer Währung, inländische Vertriebsstätten oder sonstige im Zusammenhang mit den mit der Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen stehende Angaben wie Kundendienst, Kontaktadressen oder Ähnliches. Als Ausnahme von dem Territorialprinzip gelten zwischenstaatliche Verträge, die eine entsprechende Gleichstellung von Inlandsund-- bezogen auf den Vertragsstaat-- Auslandsbenutzung vorsehen. Eine solche Regelung stellt Art. 5 Abs. 1 des Übereinkommens zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz betreffend den gegenseitigen Patent-, Muster- und Markenschutz vom 13. 4. 1892 dar. Hierbei geht es um die gegenseitige Anerkennung der Benutzung von Marken, wobei die Staatszugehörigkeit des Inhabers der Marke, sofern er einem der Verbandsländer der PVÜ angehört, irrelevant ist. Eine Benutzung in der Schweiz gilt aber nicht als rechtserhaltende Benutzung einer Unionsmarke, da die unionsrechtlichen Regelungen der Benutzung durch bilaterale Abkommen nicht zur Disposition stehen. 284 In einem europäischen Unionsmarkenverfahren gilt die ernsthafte Benutzung in der Schweiz auch nicht als rechtserhaltende Benutzung einer nationalen deutschen oder eines für Deutsch- 278 Eu GH GRUR 2005, 153 (Rdn. 64) „Anheuser-Busch / Budvar“; Eu GH GRUR 2007 971 (Rdn. 21) „Céline“. 279 BGH GRUR 2012, 832, 834 (Rdn. 19) „ ZAPPA “. 280 BGH GRUR 2014, 662, 664 ff. (Rdn. 12) „Probiotik“ m. w. Nachw. 281 BP atG BP at GE , 43, 77, 81 ff. „ VISION “. 282 EuG GRUR Int. 2013, 48 (Rdn. 62 ff.) „Fruit of the Loom“. 283 BGH GRUR 2005, 431, 432 ff. „Hotel Maritime“. 284 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 213. 304 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer land geschützten Anteils einer Internationalen Registrierung. 285 Benutzungshandlungen in der Schweiz, die für eine deutsche Marke reklamiert werden, werden ausschließlich nach deutschem Recht beurteilt. 286 Die Anforderungen für die rechtserhaltende Benutzung in der Schweiz durch die Benutzung einer Marke in Deutschland sind erheblich höher. 287 Für die Rechtserhaltung einer Marke ist eine ernsthafte Benutzung erforderlich. Eine rein innerbetriebliche Verwendung gilt als rechtserhaltende Benutzung, wenn die Waren ausschließlich für den Export bestimmt sind (§ 26 Abs. 4 MarkenG). Die rein innerbetriebliche Benutzung ohne den Exportbezug reicht nicht. Die Benutzung innerhalb eines Konzerns ist eine Frage des Einzelfalls und orientiert sich an den bereits genannten Anforderungen. Private oder amtlich hoheitliche Benutzungshandlungen gelten nicht als rechtserhaltend, weil ihnen der geschäftliche Bezug fehlt. Das Gleiche gilt für die Verwendung in Nachschlagewerken, Lehrbüchern u. ä. Für eine ernsthafte Benutzung lassen sich keine festen Grenzen definieren wie z. B. Mindestumsätze oder Stückzahlen. Letztendlich kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wobei die branchenbezogenen Gegebenheiten, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Benutzers sowie die Art der Ware oder Dienstleistung, aber auch die Dauer und die Konstanz der Benutzung eine Ernsthaftigkeit begründen können. Bei sehr teuren Luxusgütern, die zwangsläufig nur einen begrenzten Abnehmerkreis haben, reicht eine geringe Anzahl für die Begründung einer Ernsthaftigkeit aus. 288 Bei Massenprodukten sind die Anforderungen an eine ernsthafte Benutzung hinsichtlich der Anzahl der verkauften Produkte wesentlich höher. Weitere Indizien für eine ernsthafte Benutzung ist die Belieferung an viele Abnehmer oder eine lange Benutzungsdauer. 289 Bloße Scheinbenutzungen schließen eine ernsthafte Benutzung aus. Als nicht ernsthaft benutzt sollen auch Marken gelten, die Gegenstände markieren, die der Markeninhaber den Käufern seiner anderen Waren als Werbemittel mitgibt, da damit der Zweck einer Marke verfehlt wird, dass für diese als Werbemittel dienende Waren ein Absatzmarkt erschlossen oder gesichert wird. 290 Eine ernsthafte Benutzung liegt nicht vor, wenn die Marken im Vertrieb ohne Bezug zu den einzelnen Waren oder Dienstleistungen verwendet werden. Dies gilt insbesondere für Einzelhandelsunternehmen oder Versandhäuser. 291 Nicht ausreichend ist-- sofern kein erkennbarer Bezug zu den Waren besteht-- die alleinige Anbringung der Marke auf dem Versandmaterial. In Bezug auf Dienstleistungen muss ebenso wie für Warenmarken der Grundsatz gelten, dass die Marke beim Publikum ihre Herkunftsfunktion für die für die Marke beanspruchten Dienstleistungen ausübt. 292 Aufgrund der Unkörperlichkeit von Dienstleistungen muss auf 285 GRUR Int. 2013, 141 „ BASKAYA “; krit. Anm. Hertz-Eichenrode GRUR -Prax 2012, 375; Eu GH GRUR Int. 2014, 161, 163-164 (Rdn. 39, 52) „ BASKAYA “. 286 BGH GRUR 2000, 1035, 1037 „Playboy“. 287 Ebert-Weidenfeller, Noth GRUR-Prax 2013, 415 ff. „Benutzungsnachweis für Marken im deutsch-schweizerischen Verhältnis“. 288 BP atG GRUR 2001, 58, 59 „Kobra Cross“. 289 Eu GH GRUR 2003, 425, 428 „Ansul / Ajax“. 290 Eu GH GRUR 2009, 410, 411 (Rdn. 18-21) „Silberquelle / Marselli-Strickmode“. 291 BGH GRUR 2005, 1047, 1049 „Otto“; BGH GRUR 2006, 150, 151 ff. „Norma“. 292 BGH GRUR 2008, 616, 618 (Rdn. 16) „ AKZENTA “ (bei gleichzeitiger firmenmäßigen Benutzung). 305 § 49 Schranken des Schutzes Fischer andere Art die Verbindung zwischen der Dienstleistung und der Marke hergestellt werden. Dies wird in der Regel durch die Anbringung der Marke auf Geschäftsgebäuden, Berufskleidung bzw. Gegenständen, die in Verbindung mit der Dienstleistung stehen-- z. B. Hotelwäsche bei Hoteldienstleistungen-- und / oder während der Erbringung der Dienstleistung erfolgen. Des Weiteren kommen Kataloge, Prospekte, Rechnungen, Briefbögen sowie Werbemaßnahmen in Frage. 293 Gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG gilt als Benutzung einer eingetragenen Marke auch die Benutzung in einer Form, die von der Eintragung abweicht, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Dies gilt auch dann, wenn die Marke in der Form, in der sie benutzt wird, ebenfalls eingetragen ist. Die Benutzung einer Unionsmarke in der Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne dass dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wird, gilt als Benutzung der eingetragenen Marke (Art. 18 Abs. 1 lit. a UMV ). Beide Regelungen stellen darauf ab, dass eine Marke in veränderter Form verwendet werden kann, soweit-- aus Sicht des Verbrauchers-- die Marke in veränderter Form in ihren charakteristischen Merkmalen der eingetragenen Marke entspricht, so dass der Gesamteindruck des Zeichens im Wesentlichen nicht verändert wird. Zusätzliche Elemente in einer Markenbenutzung sind im Einzelfall dann unschädlich, wenn sie eine untergeordnete Stellung im Gesamteindruck einnehmen, eine schwache Unterscheidungskraft aufweisen 294 und nicht mit dem eingetragenen Zeichen erkennbar verbunden sind. 295 Der Eu GH hatte im Zusammenhang mit der Rechtsfigur einer Markenserie bzw. Markenfamilie festgestellt, dass Art. 15 Abs. 1 lit. a GMVO (a. F., nunmehr Art. 18 UMV ) es nicht erlaube, den Nachweis der Benutzung einer eingetragenen Marke auf eine andere eingetragene Marke, deren Benutzung nicht nachgewiesen ist, mit der Begründung auszuweiten, das die andere Marke nur eine leichte Abwandlung der erstgenannten Marke darstelle. 296 Diese Rechtsprechung ist überholt. 297 Die Beurteilung, ob eine abweichende Benutzung den kennzeichnenden Charakter der Marke verändert, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten, wobei auf die Verkehrsauffassung abzustellen ist. 298 Dabei ist zur Bestimmung der angesprochenen Verkehrskreise auf diejenigen Abnehmer abzustellen, die die konkret beanspruchten Waren oder Dienstleistungen-- ihrer gattungsmäßigen Art nach sowie nach ihren objektiven Merkmalen-- nachfragen. 299 In der Regel sind Modernisierungen der Schriftweise-- sofern sie die üblichen Schriftarten betreffen-- unkritisch, ebenso die Änderung von Größenverhältnissen sowie die Ergänzung von Wortmarken durch grafische Verzierungen oder die Ergänzung von Wortmarken durch 293 BGH GRUR 2008, 616, 617 (Rdn. 13) „ AKZENTA “; BGH GRUR 2010, 270, 271 (Rdn. 17) „Atoz III “. 294 EuG GRUR Int. 2011, 60, 62-63 (Rdn. 42) „ ATLAS TRANSPORT “. 295 BGH GRUR 2017, 1043 „Dorzo“. 296 Eu GH GRUR 2008, 343, 345 (Rdn. 86) „Bainbridge“. 297 Eu GH GRUR 2012, 1257 (Rdn. 30) „Voraussetzungen rechtserhaltender Benutzung von weiterentwickelten Markenformen-- Rintisch [ PROTI ]“. 298 Vgl. BGH GRUR Jahr 2002, 167, 168 „Bit / Bud“; BGH GRUR 2009, 772 (Rdn. 39 u. 44) „Augsburger Puppenkiste“; BGH GRUR 2013, 68 (Rdn. 14) „Castell / VIN CASTEL “; BGH GRUR 2010, 729 (Rdn. 17) „ MIXI “; BGH GRUR 2011, 623 (Rdn. 55) „Peek & Cloppenburg II “. 299 BGH GRUR 2008, 710 (Rdn. 32) „ VISAGE “; BGH GRUR 2013, 725, 728 (Rdn. 32) „Duff Beer“. 306 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer glatt beschreibende Zusätze. Allerdings reicht der Ersatz einer Wortmarke durch deren grafische Beschreibung für eine rechtserhaltende Benutzung nicht aus. 300 Auch bei anderen Markentypen-- seien es Hörmarken, abstrakte Farbmarken oder dreidimensionale Marken-- gelten die gleichen Grundsätze. So kann eine dreidimensionale Marke zweidimensional wiedergegeben werden, wenn ihre charakteristischen der dreidimensionalen Form geschuldeten Merkmale in der zweidimensionalen Wiedergabe dargestellt werden. Bei abstrakten Farbmarken dürfte eine ernsthafte Benutzung in der Regel auf die Farbidentität beschränkt sein. Bei der Mehrfachkennzeichnung-- z. B. durch eine Dachmarke und eine Produktmarke-- können beide Marken eine betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen, sofern der Verkehr diese als zwei Marken auffasst. Dies ist der Fall, wenn das angesprochene Publikum die eine Kennzeichnung als eine Art Unternehmenskennzeichen und als Stamm einer Serienmarke und das andere Zeichen als sog. „Subbrand“ oder als zwei jeweils mit dem Zusatz ® versehene und einem Pluszeichen i. S. v. einer Aufzählung verbundene Wortzeichen wahrnimmt. 301 Eine Marke muss für die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, benutzt werden. Die Benutzung für lediglich ähnliche Waren reicht für die Benutzung der eingetragenen Marken nicht aus. In Kollisionsfällen stellt sich häufig die Frage, für welche Waren bzw. Dienstleistungen die Benutzung rechtserhaltend ist, wenn in dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der fraglichen Marke weitergehende Begriffe- - insbesondere Oberbegriffe-- genannt sind. Zunächst wären die Waren bzw. Dienstleistungen, für die eine Benutzung vorliegt, unter den Waren bzw. Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, zu subsumieren (Subsumtion). Alsdann sei festzustellen, ob die Benutzung nur eine spezielle Ware oder Dienstleistung erfasst oder auch für die im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis vermerkten Oberbegriffe der speziellen Waren und Dienstleistungen als benutzt anerkannt werden könnten („Integrationsfrage“ nach Ströbele). 302 Das Bundespatentgericht hat hinsichtlich der Integrationsfrage das Institut der „erweiterten Minimallösung“ 303 entwickelt, wobei die vom BGH entwickelten Grundsätze 304 letztendlich zu dem gleichen Ergebnis führen. Demzufolge würde zunächst von den konkret benutzten Waren und Dienstleistungen ausgegangen und dann-- unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit-- ein die konkrete Ware oder Dienstleistung umfassender Oberbegriff gewählt, der für die Anerkennung der Benutzung angemessen und gerechtfertigt erschiene. 305 Für den Inhaber einer Marke besteht gem. § 26 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG genauso wie nach Art. 18 Abs. 1 letzter Halbsatz UMV die Möglichkeit, berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung der Marke geltend zu machen. Dieser Ausnahmetatbestand ist beschränkt auf wenige Ausnahmefälle, in denen es dem Markeninhaber aufgrund von in unmittelbaren Zusammenhang mit der Marke stehenden Umständen, die er selbst nicht zu verantworten 300 BP atG GRUR 1979, 244, 245 ff. „Herz-Kaffee“. 301 BGH GRUR 2005, 515 „Ferrosil“; BGH GRUR 2014, 662 „Probiotik“; BGH GRUR 2017, 1043 ff. „Dorzo“. 302 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 254-271; dort Angabe von Beispielen. 303 Z. B. BP atG GRUR 2004, 954, 955 ff. „Zynaretten / Circanetten“. 304 BGH GRUR 1990, 39, 40 ff. „Taurus“. 305 Eu GH GRUR Int. 2005, 914, 915 ff. „Aladin“; BGH GRUR 2012, 64 (Rdn. 10, 11) „Maalox / Melox- GRY “. 307 § 50 Marken als Vermögensgegenstand Fischer hat, nicht möglich oder unzumutbar war, die Marke ernsthaft zu benutzen. 306 Als berechtigte Gründe werden höhere Gewalt, staatliche Einfuhrverbote sowie der nicht rechtzeitige Abschluss von vorgeschriebenen behördlichen Zulassungsverfahren, insbesondere in der Pharmazie, anerkannt. 307 § 50 Marken als Vermögensgegenstand I. Rechtsübergang und dingliche Rechte Kennzeichen und Marken können erhebliche Werte darstellen, wie sich nicht zuletzt aus den in regelmäßigen Abständen publizierten Markenwerten berühmter Marken ergeben. Wenn auch die Bewertung von Marken zuweilen noch zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt-- was zum Großteil mit den recht komplexen Zusammenhängen zusammenhängt, die in eine Markenbewertung Eingang finden,-- so besteht Konsens darüber, dass Marken einen sehr bedeutenden Anteil am Wert eines Unternehmens haben können. Die einer Markenbewertung zugrunde liegenden Kriterien und die von ihr zu erfüllende Mindestanforderungen sind in der Norm DIN ISO 10 668 niedergelegt und im Einzelnen von Fischer / Menninger und Fischer kommentiert. 308 Wie auch andere immaterielle Vermögenswerte-- seien es technische Schutzrechte, Rechte am Design oder Urheberrechte-- gewinnen sie immer mehr an Bedeutung in einer globalisierten Wirtschaft. Eine Marke als freies Wirtschaftsgut ist seit dem 1. 5. 1992 (§ 47 Nr. 3 ErstrG) frei übertragbar, d. h. nicht mehr akzessorisch an den Geschäftsbetrieb eines Unternehmens gebunden. Das am 1. 1. 1995 in Kraft getretene MarkenG hat die Akzessorietät der Marke fast vollständig beseitigt. Somit ist bei der Markenanmeldung kein Geschäftsbetrieb mehr erforderlich. Reste der Akzessorietät finden sich in § 27 Abs. 2 MarkenG, wo im Zweifel die Marke gemeinsam mit dem Geschäftsbetrieb oder Teil des Geschäftsbetriebes, zu dem die Marke gehört, übergeht. Die freie Übertragbarkeit erfasst nicht nur die im Register eingetragene Marken, sondern auch die in § 4 Nr. 2 und 3 MarkenG genannten durch Verkehrsgeltung erworbenen Marken sowie notorische Marken (§ 27 Abs. 1 MarkenG). Im Gegensatz dazu sind geschäftliche Bezeichnungen an den Geschäftsbetrieb gebunden und können nur mit diesem übertragen werden. Allerdings können besondere Geschäftsbezeichnungen zusammen mit der Übertragung eines Teils des Geschäftsbetriebs, für den die Bezeichnung benutzt werden, übertragen werden. Anders als bei den Marken können an einem akzessorischen Unternehmenskennzeichen auch keine gesonderten dinglichen Rechte entstehen. Marken können im Gegensatz zu Unternehmenskennzeichen gepfändet oder zur Sicherung übertragen werden (§ 29 Abs. 1 MarkenG). 306 Eu GH GRUR 2007, 702, 705 (Nr. 45 ff.) „Armin Häuptl / Lidl“. 307 Ströbele in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 26 Rdn. 81-95. 308 Fischer / Menninger in Fezer 2016, Hdb. Markenpraxis II 2, 2471-2547 „Monetäre Markenbewertung“; Fischer in FS Fezer 2016, „Monetäre Markenbewertung in der Rechts- und Unternehmensberatung-- die DIN ISO 10 668“. 308 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Ob Titel ohne das zugrunde liegende Werk übertragen werden können, ist strittig. Ingerl / Rohnke 309 und Brandi-Dohrn 310 vertreten die Auffassung, dass aufgrund der Nähe zu den Marken auch Titel übertragbar seien. Dies sei wirtschaftlich sinnvoll, wenn ein Werk vergriffen, der Titel aber noch lebendig sei. Im Übrigen sei die Vergabe von Lizenzen an Titeln häufig. Demgegenüber vertritt Hacker 311 die Auffassung, dass dem Titelschutz die namensmäßige individualisierende Kennzeichnung einer geistigen Leistung zugrunde liege und damit Titel und Zeichnungsobjekt untrennbar miteinander verbunden sei. Vor dem 1. 5. 1992 erfolgte Warenzeichenübertragungen ohne gleichzeitige Übertragung des Geschäftsbetriebes, die aber im Register registriert werden konnten- - sog. „Leerübertragungen“-- sind-- unabhängig von den Übergangsregelungen des neuen Markengesetzes (§§ 27 Abs. 1 i. V. m. 152 MarkenG)-- unwirksam. Der Inhaber des Geschäftsbetriebes ist nach wie vor Inhaber der Marke. Der im Markenregister eingetragene vermeintliche Erwerber hat somit keine Verbietungsrechte aus der Marke. Auch IR -Marken als Bündel nationaler Marken (gem. Art. 4 Abs. 1 MMA , Art. 4 Abs. 1a Satz 2 PMMA , §§ 112, 124 MarkenG) können übertragen bzw. teilübertragen werden. Sollte eine Übertragung aus Deutschland (bzw. eines Verbandsmitglied) an ein Nichtverbandsmitglied erfolgen, so verbleibt der deutsche Markeninhaber im Register der IR , da der Erwerber aufgrund seiner fehlenden Verbandszugehörigkeit nicht registriert werden kann. Diskutiert wird noch, ob die Übertragung als solche unwirksam oder wirksam sei, aber Rechte daraus möglicherweise nicht durchsetzbar seien. 312 Die UMV verweist in ihrem Abschnitt über die Unionsmarke als Gegenstand des Vermögens auf das nationale Recht, soweit in der UMV nichts anderes bestimmt ist. Der Rechtsübergang ist in Art. 20 UMV kodifiziert, die dinglichen Rechte in Art. 22 UMV , die Zwangsvollstreckung und das Konkursverfahren in den Art. 23 und 24 UMV . Im Gegensatz zum deutschen Recht kann der Rechtsnachfolger seine Rechte aus der Unionsmarkenanmeldung oder -eintragung erst dann geltend machen, wenn der Rechtsübergang in das Unionsmarkenregister eingetragen worden ist (Art. 20 Abs. 11 UMV ). II. Lizenz Unter Lizenz wird die vertragliche oder dingliche Einräumung von Nutzungsrechten an der Marke durch den Markeninhaber oder einen anderen Berechtigten an der Marke verstanden, wie z. B. ein Unterlizenzgeber oder Nießbraucher. Diese positiven Lizenzeinräumungen werden ergänzt durch die sog. „negative Lizenz“, bei der der Lizenzgeber sich lediglich schuldrechtlich verpflichtet, aus seinen Marken gegenüber dem Lizenznehmer nicht vorzugehen, d. h. die Nutzung lediglich duldet. Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung durch den Lizenznehmer im Falle einer negativen Lizenz ist jedoch fraglich. Gegenstand einer Lizenz kann jede der in § 4 MarkenG aufgeführten Marken sein, die für alle oder nur einen 309 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, vor §§ 27-31 Rdn. 7. 310 In v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, § 27 Rdn. 7. 311 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 27 Rdn. 74. 312 Brandi-Dohrn in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, § 27 Rdn. 20. 309 § 50 Marken als Vermögensgegenstand Fischer Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz genießt, in Form einer ausschließlichen oder einfachen Lizenz für das gesamte Gebiet Deutschlands oder nur Teile Deutschlands lizenziert werden kann. Bei Vorliegen entsprechender Rechte können Lizenzen auch an Internationalen Registrierungen, regionalen oder nationalen Kennzeichenrechten bzw. -anmeldungen vergeben werden. 313 Vertiefende Beispiele für die Ausgestaltung verschiedenartiger Lizenzen finden sich bei Fammler 314 und Niebel. 315 Eine ausschließliche (Exklusiv-)Lizenz liegt vor, wenn nur der Lizenznehmer die Marke für die lizenzierten Waren bzw. Dienstleistungen benutzen darf und ihm damit der vollständige wirtschaftliche Nutzen einer Marke zur Verfügung steht, während der Markeninhaber lediglich der formal Berechtigte bleibt. Die Vergabe weiterer Lizenzen für die bereits als ausschließliche Lizenz lizenzierten Waren und Dienstleistungen in einem identischen Gebiet sind nicht erlaubt. Auch der Lizenzgeber ist von der Nutzung der Marke ausgeschlossen. Eine Alleinlizenz liegt dann vor, wenn neben dem ausschließlichen Lizenznehmer auch der Lizenzgeber selbst die Marke für die Waren und Dienstleistungen in dem in Rede stehenden Territorium benutzen darf. Schließlich wird unter einer einfachen Lizenz ein Nutzungsrecht ohne Ausschluss von Dritten vereinbart, wobei dem Markeninhaber vorbehalten bleibt, weitere einfache Lizenzen zu vergeben und / oder die Marke selbst zu benutzen. Der Lizenznehmer erwirbt kein eigenes Recht durch die Benutzung der Lizenzmarke. 316 Im Gegensatz zu der ausschließlichen und Alleinlizenz, die dinglicher Natur sind 317 , stellt die einfache Lizenz nur eine schuldrechtliche Gestattung dar. Die gesetzliche Regelung gem. § 30 Abs. 3 MarkenG bestimmt, dass der Lizenznehmer Klage wegen Verletzung einer Marke nur mit Zustimmung ihres Inhabers erheben darf. S. 2 des Abs. 3 sieht vor, dass der Lizenznehmer jedoch eine solche Klage anhängig machen kann, wenn der Inhaber der Marke nach förmlicher Aufforderung nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist Verletzungsklage erhoben hat. Eine entsprechende Vorschrift findet sich in Art. 25 Abs. 3 S. 2 UMV . Auch besteht eine Beitrittsmöglichkeit des Lizenznehmers zu einer Markenverletzungsklage des Markeninhabers, um seinen eigenen Schadensersatz geltend zu machen (§ 30 Abs. 4 MarkenG). Eine Lizenz kann nicht für Marken erteilt werden, die der eingetragenen Marke verwechselbar ähnlich sind. 318 An den Nachweis eines Lizenz- oder Gestattungsvertrags, aus dem der Lizenzgeber einen Vorrang seines Kennzeichenrechts im Verhältnis zu einem Kennzeichenrecht des Lizenznehmers ableitet, sind regelmäßig keine geringen Anforderungen 313 Fischer / Menninger in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 2, Rdn. 158-181 „Monetäre Markenbewertung“. 314 Fammler, Der Markenlizenzvertrag, 3. Aufl. 2014; Fammler in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 B, Rdn. 56-165 „Ausschließlicher Lizenzvertrag über eine deutsche Marke“; Fammler in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 D, Rdn. 271-383 „Einfache Lizenz (mit Auslandsbezug) einschließlich Steuerproblematik“. 315 Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 C, Rdn. 176-266 „Lizenzvertrag über eine Gemeinschaftsmarke“; Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 E, Rdn. 384-411 „Nutzungsgestattung (begleitende Marke)“; Niebel in Fezer 2016 Hdb. Markenpraxis II 1 G, Rdn. 452-466 „Markenlizenzvertrag zur Beilegung einer markenrechtlichen Auseinandersetzung“. 316 BGH GRUR 2006, 56 „Boss-Club“. 317 A. A. Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 30 Rdn. 21-26. 318 BGH GRUR 2001, 54 „Subway / Subwear“. 310 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer zu stellen. 319 Von Wichtigkeit ist der Sukzessionsschutz gem. § 30 Abs. 5 MarkenG, der Lizenznehmern das Nutzungsrecht auch im Falle einer Markenübertragung im Verhältnis zum Rechtsnachfolger sichert. Der Rechtsnachfolger der Marken muss die mit den Lizenzen belasteten Marken akzeptieren. Grundsätzlich kann diese gesetzliche Regelung wie auch die nur mit Zustimmung des Markeninhabers mögliche Klagebefugnis vertraglich abbedungen werden. 320 Diskutiert werden im Zusammenhang mit dem Sukzessionsschutz die BGH -Entscheidungen „M2Trade“ und „Take Five“, nach denen eine Unterbrechung der Lizenzkette nicht automatisch zu einem Wegfall der Nutzungsrechte auf der nachgelagerten Lizenzstufe führen und dem Hauptlizenzgeber als Ausgleich für diese Duldungspflicht lediglich ein Bereicherungsanspruch zustehen soll und damit den Lizenznehmer-- mit dem keine Vertragsbeziehung besteht-- privilegiert. 321 Die gesetzlichen Regelungen zu Marken als Gegenstand des Vermögens gelten entsprechend auch für Markenanmeldungen (§ 31 MarkenG). Auch in der UMV wird die Lizenz in Art. 25 UMV und deren Wirkung in Art. 27 behandelt. Im Unterschied zum MarkenG ist der Sukzessionsschutz in der UMV nicht geregelt. Allerdings gilt aufgrund des Verweises auf das nationale Recht (Art. 19 UMV ) der Sukzessionsschutz für Unionsmarken über die jeweiligen nationalen Regelungen. Anders als nach dem MarkenG sieht Art. 25 Abs. 5 UMV die Registereintragung einer Erteilung oder eines Übergangs einer Lizenz an einer Unionsmarke sowie deren Veröffentlichung vor. Erst ab der Lizenzregistrierung wirkt die Lizenz gegenüber Dritten, sofern der Dritte nicht bereits vorher von deren Erteilung wusste (Art. 27 Abs. 1 UMV ). Im Gegensatz zum bisherigen § 30 Abs. 3 MarkenG hat der ausschließliche Lizenznehmer gemäß Art. 25 Abs. 3 S. 2 UMV ein eigenes Verletzungsklagerecht, sollte der Markeninhaber nach Aufforderung des Lizenznehmers nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist Verletzungsklage erheben. Diese Regelung ist durch das MaMoG dem modernisierten § 30 Abs. 3 MarkenG durch S. 2 hinzugefügt worden. Gem. Art. 25 Abs. 2 UMV kann der Markeninhaber die Rechte aus der Marke gegen einen Lizenznehmer geltend machen, wenn dieser hinsichtlich der Dauer der Lizenz, der von der Eintragung erfassten Form, in der die Marke verwendet werden darf, der Art der Waren oder Dienstleistungen, für die die Lizenz erteilt wurde, des Gebietes, in dem die Marke angebracht werden darf, oder der Qualität der vom Lizenznehmer hergestellten Waren oder erbrachten Dienstleistungen gegen eine Bestimmung des Lizenzvertrags verstößt. Dieser Katalog ist abschließend. Beispielsweise kann der Verkauf von Prestigewaren durch den Lizenznehmer an Discounter, die nicht einem durch einen Lizenzvertrag errichteten selektiven Vertriebsnetz angehören, durch Schädigung der luxuriösen Ausstrahlung geeignet sein, die Qualität der Waren selbst zu beeinträchtigen. 322 319 BGH GRUR 2013, 1150, 1154 (Rdn. 51) „Kollision zwischen älterem Unternehmenskennzeichen und jüngerer Marke-- Baumann“. 320 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 30 Rdn. 94. 321 BGH GRUR 2012, 916 ff. „M2Trade“; BGH GRUR 2012, 914 „Take Five“; Die Diskussion im Einzelnen s. McGuire / Kunzmann GRUR 2014, 28 ff. „Sukzessionsschutz und Fortbestand der Unterlizenz nach „M2Trade“ und „Take Five“-- ein Lösungsvorschlag“. 322 Eu GH GRUR Int. 2009, 716, 718 (Nr. 25-27) „Copad / Dior“; bestätigend Eu GH Eu ZW 2018, 122, 123 (Nr. 24 ff.) „Plattformverbote im Internetvertrieb von Luxuswaren zulässig“. 311 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Nach Inkrafttreten des MaMoG können nunmehr Lizenzerteilungen gem. § 30 Abs. 6 MarkenG in das deutsche Register eingetragen werden. Damit wird Art. 25 Abs. 5 Marken RL umgesetzt. Das DPMA trägt auf Antrag des Inhabers der Marke oder des Lizenznehmers (gem. § 42a Abs. 2 MarkenV) die Erteilung einer Lizenz (S. 1) oder eine Änderung an dieser (S. 2) in das Register ein, wenn ihm die Zustimmung des anderen Teils nachgewiesen wird. Auf Antrag des Markeninhabers oder des Lizenznehmers wird die Eintragung der Lizenz gelöscht (S. 3 und 4), wobei der Löschungsantrag des Markeninhabers des Nachweises der Zustimmung des bei der Eintragung benannten Lizenznehmers oder seines Rechtsnachfolgers bedarf. Parallele Vorschriften finden sich in Art. 25 Abs. 5 und 6 der UMV . § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Das Eintragungs- und das Widerspruchsverfahren sowie die Berichtigung, Teilung, Schutzdauer, Verlängerung und die Regelungen über den Verzicht, den Verfall und die Nichtigkeit und das Löschungsverfahren sind im dritten Teil des MarkenG in §§ 32 bis 55 kodifiziert. Ergänzend dazu ist die MarkenV 323 erlassen worden, die neben zwingenden Erfordernissen auch eine Reihe von Soll-Vorschriften enthält, die der Effizienz und Vereinheitlichung des Verfahrens vor dem DPMA dienen. I. Eintragungsverfahren 1. Anmeldung Die Anmeldung zur Eintragung einer Marke muss unter Verwendung des vom DPMA herausgegebenen Formblattes erfolgen, wobei ▶ Angaben zum Anmelder, eine ▶ Angabe zur Form der Marke, eine ▶ Wiedergabe der Marke sowie ein ▶ Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen, die unter Schutz gestellt werden sollen, enthalten sein müssen. Um die Identität des Anmelders (§ 32 Abs. 2 MarkenG) festzustellen, wird in § 5 Abs. 1 MarkenV die Angabe des Vor- und Familiennamens bei natürlichen Personen oder-- falls die Eintragung unter der Firma des Anmelders erfolgen soll-- die Firma, wie sie im Handelsregister eingetragen ist, gefordert. Im Falle einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft ist der Name dieser Person bzw. Gesellschaft ggf. entsprechend der Registereintragung zu nennen. Des Weiteren ist die vollständige Anschrift des Anmelders anzugeben. Um das weitere Erfordernis der Wiedergabe der Marke zu erfüllen, ist diese hinsichtlich der Markenform zu qualifizieren. Als Wortmarken werden Marken bezeichnet, die aus Wörtern, Buchstaben, Zahlen oder sonstigen Schriftzeichen bestehen, die sich mit der 323 Verordnung zur Ausführung des MarkenG (MarkenV) vom 11. 5. 2004, Bl. f. PMZ , 2004, 301, geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 17. 12. 2004, Bl. f. PMZ , 2005, 45. 312 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer vom DPMA verwendeten üblichen Druckschrift darstellen lassen. Unter Bildmarken sind diejenigen Marken zu verstehen, die aus Bildern, Bildelementen oder Abbildungen ohne Wortbestandteile bestehen. Die Kombination von Wort- und Bildbestandteilen oder Wörter, die grafisch gestaltet sind, werden als Wort-/ Bildmarken bezeichnet. Diese Kombinationsmarken werden den Bildmarken zugeordnet. Dreidimensionale Marken sind dreidimensional gestaltete Zeichen. Akustische, hörbare Marken, die aus Tönen bestehen wie z. B. einer kurzen Melodie, werden als Hörmarken klassifiziert. Die eher untergeordnete Bedeutung aufweisenden Kennfadenmarken bestehen aus farbigen Streifen oder Fäden, die auf bestimmten Produkten wie Kabeln, Drähten oder Schläuchen angebracht sind. Alle übrigen Kennzeichen, die eine Herkunftsfunktion ausüben und keiner der soeben genannten Markenformen zuzuordnen sind, fallen unter die Kategorie „sonstige Markenform“. Als Beispiele hierfür seien Farbmarken, bestehend aus einer konturlosen Farbe oder der Kombination mehrerer Farben, genannt. Die Markenform ist in dem Antrag zwingend anzugeben. Die Marke selbst muss derart wiedergegeben werden, dass mit Bestimmtheit festgestellt werden kann, was genau unter Schutz gestellt werden soll. 324 Das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis, für das die Eintragung einer Marke beantragt wird, muss in gruppierter Form der Anmeldung beigefügt werden. Eine nachträgliche Einreichung oder Erweiterung des Verzeichnisses ist nicht möglich. Die Gruppierung der Waren- und Dienstleistungen, für die Schutz beantragt wird, ist seit der Neufassung der MarkenV vom 11. 5. 2004 verpflichtend. Diese Gruppierung geht-- wie auch andere Anmelderegularien-- auf den Markenrechtsvertrag ( TLT ) vom 27. 10. 1994 zurück. 325 Die einzelnen Waren und Dienstleistungen sind so zu bezeichnen, dass die Klassifikation jeder einzelnen Ware oder Dienstleistung in eine Klasse möglich ist (§ 20 Abs. 1 MarkenV). Grundlage für die Klasseneinteilung ist das Abkommen von Nizza über die Internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken ( NKA ). 326 In Art. 3 der NKA ist die Bildung eines Sachverständigenausschusses geregelt, in dem jedes Land der NKA vertreten ist. Dieser Ausschuss entscheidet über die Abänderungen der Klassifikation und erarbeitet u. a. Empfehlungen, um die Klassifikation zu erleichtern und ihre einheitliche Anwendung zu fördern (Art. 3 Abs. 3 NKA ). Der Sachverständigenausschuss hat die Klasseneinteilung der internationalen Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für Fabrik- und Handelsmarken gem. NKA durch die Bekanntmachung vom 20. 12. 2001 von 42 auf 45 Klassen erweitert, die zum 1. 1. 2002 in Kraft trat. Alle drei neuen Klassen enthalten Dienstleistungen, die vorher anderen Klassen-- insbesondere der alle sonstigen Dienstleistungen enthaltende Klasse 42-- zugeordnet waren. Seit der 10. Ausgabe der NKA gibt es jährliche „Versionen“, die neue Warenbzw Dienstleistungseinträge oder -streichungen bestehender Einträge vorsehen können. Größere strukturelle Änderungen (Klassenänderungen, Schaffung neuer Klassen, Streichung bestehender Klassen) bleiben den alle 5 Jahre erscheinenden „Ausgaben“ vor- 324 DPMA , Wie melde ich eine Marke an? Merkblatt, Ausgabe März 2017; https: / / www.dpma.de/ docs/ formulare/ marken/ w7731.pdf; Letzter Aufruf: 02-2018. 325 Markenrechtsvertrag, Genf vom 27. 10. 1994, Bl. f. PMZ 2004, Seite 385; Tabu DPMA , 657, April 2005. 326 Vom 15. 6. 1957, zuletzt revidiert in Genf am 13. 5. 1977, seit dem 12. 1. 1982 in Deutschland in Kraft; Bl. f. PMZ 1981, 303, geändert am 2. 10. 1979, Bl. f. PMZ 1984, 319; Tabu DPMA 655. 313 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer behalten. Im „Nizzaer Elektronischen Forum“ finden sich Informationen über die Aktivitäten und Dokumente des Nizzaer Verbandes. 327 Die durch die 10. Ausgabe notwendigen Änderungen sind vom DPMA bei Inkrafttreten am 1. 1. 2012 umgesetzt und publiziert worden. 328 Unter den Klasseneinteilungen sind sämtliche Waren und Dienstleistungen zu subsumieren, auch wenn diese nicht konkret in der Klassifikation angegeben sind. Im Gegensatz zu dem Erfordernis der Wiedergabe der Marke kann in Bezug auf die anzugebenden Waren und Dienstleistungen zunächst ein unkonkretisierter Umfang von Waren und Dienstleistungen beantragt werden, wie z. B. durch die Angabe der Klassenzahl 4 alle erdenklichen Waren, die zu dieser Klasse gehören. Sie müssen-- da dies einen Mangel darstellt-- innerhalb einer vom DPMA gesetzten Frist konkretisiert werden. Eine Erweiterung ist unzulässig. Weitere Anmeldeerfordernisse werden in der MarkenV in den §§ 2-16 und 20 MarkenV bestimmt. Sofern die Anforderungen des § 32 Abs. 2 MarkenG sowie die zwingenden Vorschriften der MarkenV vom Anmelder nicht erfüllt werden, hat dies die in § 36 Abs. 2 MarkenG festgelegten Rechtsfolgen. Sie bestehen entweder in der Fiktion der Zurücknahme der Anmeldung oder in der Zuerkennung desjenigen Tages als Anmeldetag, an dem die Mängel fristgerecht beseitigt worden sind. Zu beachten ist, dass sowohl das NKA als auch die deutsche Rechtsprechung von dem handelsrechtlichen Warenbegriff im Sinne beweglicher Sachen ausgeht, so dass für Immobilien eine Einordnung unter einer Warenklasse ausgeschlossen ist. 329 Nicht ausgeschlossen sind Dienstleistungen im Umfeld von Immobilien wie denen eines Immobilienmaklers. Zugelassen ist nunmehr auch die Ware „elektrische Energie“ in Klasse 4. Zulässig sind auch Dienstleistung eines Einzelhandels (in Klasse 35) wie z. B. „Großhandels- und Einzelhandelsdienstleistungen für den Versandhandel“, „Dienstleistungen des Einzel-/ Großhandels über das Internet“ oder „Einzelhandelsdienstleistungen mittels Teleshoppingsendungen“ mit jeweils der konkreten Angabe von Waren oder Arten von Waren 330 . Der Eu GH hatte in seiner Entscheidung „Praktiker“ in Bezug auf die Definition des Begriffes „Dienstleistungen“ auf Art. 50 EG verwiesen, der Dienstleistungen als Leistungen beschreibe, die in der Regel gegen Entgelt erbracht würden. 331 In der Mitteilung Nr. 34 / 05 des Präsidenten des DPMA über die Zulässigkeit der Dienstleistungsbezeichnung „Einzelhandelsdienstleistungen“ wird auf diese Entscheidung Bezug genommen. Notwendig sind Angaben in Bezug auf die Waren oder die Arten der Waren, auf die sich die Dienstleistungen beziehen. Das EUIPO hat in Zusammenarbeit mit einer Reihe europäischer Markenämter die Datenbank „ TM class“ 332 entwickelt, in der interaktiv die Zuordnung von Waren und / oder 327 Abrufbar unter: https: / / www3.wipo.int/ nef/ public/ nice (letzter Abruf 02 / 2018). 328 Mitteilung der Präsidentin Nr. 5 / 16, vom 23. 11. 2016, „Über die 11. Ausgabe der Internationalen Klassifikation von Nizza-[…]“ abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ dpma/ veroeffentlichungen/ mitteilungen/ 2016/ mdp_05_2016.html (letzter Abruf: 02 / 2018). 329 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 3 Rdn. 9. 330 Mitteilung des Präsidenten Nr. 34 / 05, vom 22. 11. 2005, Bl. f. PMZ , 2005, 405; Tabu DPMA 499, Mitt. DPMA , 559. 331 Eu GH GRUR 2005, 764, 766 „Praktiker“. 332 Abrufbar unter: https: / / euipo.europa.eu/ ec2/ (letzter Abruf 02 / 2018). 314 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Dienstleistungen zu den jeweiligen Klassen ermittelt werden kann. Außerdem können Bezeichnungen von Waren und Dienstleistungen angezeigt werden, die von den an TM class teilnehmenden Ämtern anerkannt werden. Für Markenanmeldungen beim DPMA sind die in TM class hinterlegten Begriffe seit dem 12. 11. 2013 zugelassen. 333 2. Anmeldetag Als Anmeldetag einer Marke gilt der Tag, an dem die Unterlagen zumindest mit den Angaben nach § 32 Abs. 2 MarkenG (Identität des Anmelders, Wiedergabe der Marke, Verzeichnis der Waren und / oder Dienstleistungen) beim DPMA oder bei einem der Patentinformationszentren, die im Bundesgesetzblatt vom BMJ bekannt gemacht worden sind, 334 eingegangen sind (§ 33 Abs. 1 MarkenG). Für die Anmeldung ist auch eine Gebühr zu zahlen- - deren Zahlung jedoch nicht Voraussetzung für die Zuerkennung eines Anmeldetages ist-- die mit Inkrafttreten des Kostenbereinigungsgesetzes vom 1. 1. 2002 im PatKostG 335 festgelegt ist, auf das § 64a MarkenG verweist. Die Gebühr wird mit der Einreichung der Markenanmeldung fällig und umfasst Klassengebühren für die ersten drei gebührenpflichtigen Klassen. Für jede weitere Klasse ist eine Klassengebühr zu entrichten, die ebenfalls mit der Einreichung der Markenanmeldung fällig wird. Die Zahlung der Anmelde- und ggf. gesonderter Klassengebühren muss innerhalb von 3 Monaten ab Fälligkeit erfolgen. Die UMV regelt unter dem Titel III die Anmeldung der Unionsmarke im ersten Abschnitt die Einreichung und Erfordernisse der Anmeldung. Hierbei sind die Erfordernisse dem des deutschen Rechtes gleich; allerdings wird einer europäischen Unionsmarkenanmeldung nur dann ein Anmeldetag zuerkannt, wenn die Anmeldegebühren innerhalb eines Monats nach Anmeldung gezahlt werden. Dieser Unterschied wirkt sich bei der Inanspruchnahme des Anmeldetages als Prioritätstag bei Anmeldungen in anderen Jurisdiktionen aus. Mit der Feststellung des Anmeldetages erhält der Anmelder einen Anspruch auf Eintragung der deutschen Marke, sofern alle Anmeldeerfordernisse erfüllt sind und kein absolutes Eintragungshindernis dem entgegensteht (§ 33 Abs. 2 MarkenG). Gleichzeitig kann die Markenanmeldung veröffentlicht werden, um-- im Gegensatz zu der Zeit vor dem 1. 7. 1998, als die Markenanmeldungen erst mit ihrer Eintragung veröffentlicht wurden-- die Allgemeinheit frühzeitig über neu entstehende Rechte zu informieren, um ggf. die eigenen Handlungen daran anzupassen (§ 33 Abs. 3 MarkenG i. V. m. § 23 MarkenV). Ein Recht auf Eintragung einer Markenanmeldung enthält die UMV nicht. 333 Mitteilung der Präsidentin Nr. 9 / 13 vom 1. 10. 2013, Bl. f. PMZ 2013, 361 „Über die europaweit harmonisierte Klassifikationspraxis der Markenabteilungen ab 12. November 2013“; Hinweis zur Mitteilung Nr. 9 / 13 der Präsidentin v. 1. 10. 2013 Bl. f. PMZ 2014, 33 „… über die international harmonisierte Klassifikationspraxis der Markenabteilungen“; siehe auch: „Nutzungsanleitung für die einheitliche Klassifikationsdatanbank“, Abrufbar unter: https: / / www.dpma.de/ docs/ marken/ nutzungsanleitung_ekdb. pdf (letzter Abruf 03 / 2018). 334 Tabu DPMA , Anhang V. 335 Patentkostengesetz, Tabu DPMA 340 vom 13. 12. 2001, Bl. f. PMZ , 2000, 14, zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 9. 12. 2004, Bl. f. PMZ 2005, 3. 315 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer 3. Priorität Bei einer früheren ausländischen Anmeldung kann deren Zeitrang (Priorität) in Anspruch genommen werden, wobei sich die Inanspruchnahme nach den Vorschriften der entsprechenden Staatsverträge sowie dem TRIPS -Abkommen 336 (Art. 2 Abs. 1 TRIPS ) richtet, in dem sich die Vertragspartner bzw. Mitglieder verpflichten, die einschlägigen Regelungen der PVÜ 337 anzuwenden. Gemäß Art. 4 A. Abs. 1-3 PVÜ genießt derjenige oder sein Rechtsnachfolger ein Prioritätsrecht, der nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften eine nationale Anmeldung hinterlegt hat, der ein Anmeldetag zuerkannt worden ist, wobei das spätere Schicksal dieser Anmeldung ohne Bedeutung ist. Artikel 4 C. PVÜ nennt als Prioritätsfrist 6 Monate für Fabrik- oder Handelsmarken, die im Zeitpunkt der Hinterlegung der ersten Anmeldung beginnt, wobei der Tag der Hinterlegung selbst nicht in die Frist eingerechnet wird. Die Prioritätsanmeldung sowie die Nachanmeldung müssen übereinstimmen, und zwar hinsichtlich der Zeichen als auch der Waren und Dienstleistungen. Zwar findet sich weder in § 34 MarkenG noch in der PVÜ hierzu eine Vorschrift, jedoch wird allgemein die Ansicht vertreten, dass ein Prioritätsrecht nur für ein nahezu identisches Zeichen in Anspruch genommen werden könne. 338 Begründet wird die Auffassung damit, dass für Telle-quelle- Marken nach Art. 6 quinquies C. Abs. 2 PVÜ geregelt sei, dass Fabrik- oder Handelsmarken nicht allein deshalb zurückgewiesen werden dürften, weil sie von den im Ursprungsland geschützten Marken nur in Bestandteilen abwichen, die gegenüber der im Ursprungsland eingetragenen Form die Unterscheidungskraft der Marken nicht beeinflussten und ihre Identität nicht berührten. Insoweit sind nur minimale Abweichungen in unwesentlichen Bestandteilen zulässig, da ansonsten die Unterscheidungskraft der Marke beeinflusst wäre. Dies kann analog auf Zeichen angewendet werden, für die gemäß § 34 MarkenG eine frühere ausländische Priorität beansprucht wird. Der Eu GH legt das Kriterium der Identität von Zeichen und Marke restriktiv aus 339 . Ein Sonderfall der Priorität ist die Ausstellungspriorität, die denjenigen Anmeldern gewährt wird, die Waren und Dienstleistungen unter der angemeldeten Marke auf einer amtlichen oder amtlich anerkannten internationalen Ausstellung oder einer sonstigen inländischen oder ausländischen Ausstellung zur Schau gestellt haben. Sie können innerhalb von 6 Monaten seit der erstmaligen Zurschaustellung ein Prioritätsrecht in Anspruch nehmen (§ 35 Abs. 1 MarkenG). Die in Frage kommenden Ausstellungen werden vom BMJ im Bundesgesetzblatt bekannt gemacht. Allerdings verlängert die Ausstellungspriorität nicht die generelle Prioritätsfrist nach § 34 MarkenG (§ 35 Abs. 5 MarkenG). Prioritäten können auch nur teilweise in Anspruch genommen werden (Teilpriorität), z. B. in dem Fall, in dem die Voranmeldung weniger Waren oder Dienstleistungen enthält. Auch 336 Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights ( TRIPS ), Tabu DPMA 699a. 337 In Art. 4 PVÜ , der gem. § 34 Abs. 1 letzter Halbsatz MarkenG auch für Dienstleistungen beansprucht werden kann. 338 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 34 Rdn. 5; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 34 Rdn. 14. 339 Eu GH GRUR 2003, 422, 423 (Nr. 16) „Arthur / Arthur et Félicie“. 316 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ist denkbar, aus mehreren ausländischen Markenanmeldungen die Priorität innerhalb der gesetzlichen Frist in Anspruch zu nehmen, z. B. wenn diese verschiedene Waren und / oder Dienstleistungen aufweisen. Nicht jedoch kann eine Priorität in Bezug auf zwei verschiedene Bestandteile eines Zeichens in Anspruch genommen werden wie beispielsweise einem Bild und / oder einem Wortbestandteil. Im Unionsmarkenrecht finden sich Regeln zum Prioritätsrecht in Art. 34 bis 37 UMV sowie insbesondere in Art. 4 der UMDV . Inhaltlich bestehen keine Abweichungen zum deutschen Recht. Allerdings gibt es Unterschiede in Bezug auf die für die Inanspruchnahme der Priorität zu erbringenden Nachweise und die Fristen (Art. 4 u. 5 UMDV ). In Bezug auf die Ausstellungspriorität entspricht die UMV den Regelungen im deutschen Recht. Jedoch kann die Ausstellungspriorität nur für Ausstellungen anerkannt werden, die eine amtliche anerkannte internationale Ausstellung i. S. des am 22. 11. 1928 in Paris unterzeichneten Übereinkommens über internationale Ausstellungen ist (Art. 38 UMV , Art. 7 UMDV ). An dieser Stelle soll auf eine Besonderheit des europäischen Unionsmarkenrechts hingewiesen werden, nämlich die Inanspruchnahme des Zeitranges (Seniorität) einer nationalen Marke (eines oder mehrerer Mitgliedstaaten der EU ), die in den Art. 39 und 40 der UMV und Art. 6 UMDV kodifiziert ist. Demzufolge erhält der Inhaber einer in einem Mitgliedsstaat oder einer mit Wirkung für einen Mitgliedsstaat registrierten älteren ( IR -) Marke, der eine identische Marke zur Eintragung als Unionsmarke für Waren und Dienstleistungen anmeldet, die mit denen identisch ist, für welche die ältere Marke eingetragen ist, die Möglichkeit, für die Unionsmarke den Zeitrang der älteren Marke in Bezug auf den Mitgliedsstaat in dem oder für den sie eingetragen ist, in Anspruch zu nehmen. Die als Seniorität bezeichnete Inanspruchnahme des Zeitranges eines älteren nationalen Rechts innerhalb der Europäischen Union verschafft dem Inhaber die Möglichkeit, dieselben Rechte aus diesen älteren Senioritätsmarken in Anspruch zu nehmen, selbst wenn er später auf diese verzichtet oder sie auslaufen lässt. Eine Inanspruchnahme der Seniorität ist auch nach Eintragung der Unionsmarke möglich (Art. 40 UMV ). 4. Prüfung des Patent- und Markenamtes Das DPMA prüft nach Eingang der Markenanmeldung, ob die Anmeldung der Marke den Erfordernissen für die Zuerkennung eines Anmeldetages sowie den sonstigen Anmeldeerfordernissen entspricht, ob die Gebühren in ausreichender Höhe gezahlt worden sind und ob der Anmelder Inhaber einer Marke gemäß § 7 MarkenG sein kann. Das Prüfungsverfahren beim DPMA enthält eine Reihe an formellen und materiellen Prüfungsschritten der Markenanmeldung, die-- sofern keine Mängel vorhanden sind-- zur Eintragung der Marke führen. Sind jedoch Mängel vorhanden, wird der Anmelder in einem Beanstandungsbescheid aufgefordert, diese Mängel zu beheben. Sofern die Mängel nicht abgestellt werden, erfolgt ein Zurückweisungsbeschluss, der durch Rechtsbehelf- - sei es mittels Erinnerung beim DPMA oder Beschwerde beim Bundespatentgericht-- angegriffen 317 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer werden kann. Gegen den Beschluss des Bundespatentgerichtes kann ein Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH eingeleitet werden. Das DPMA prüft zunächst die Markenfähigkeit der angemeldeten Marke (bis zum Inkrafttreten des MaMoG auch die grafische Darstellbarkeit des Zeichens) und geht anschließend der Frage nach, ob der Markenanmeldung absolute Schutzhindernisse entgegenstehen. Sofern Mängel bestehen, teilt die für die Prüfung zuständige Markenstelle dem Anmelder die Mängel bei den Anmeldungserfordernissen und bestehenden Schutzhindernissen in einem Beanstandungsbescheid mit und gewährt ihm eine Frist zur Stellungnahme. Beseitigt der Anmelder die Mängel der Anmeldung und / oder räumt er die Bedenken gegen die Schutzfähigkeit der Marke aus, so wird die Marke eingetragen. Werden die Mängel nicht beseitigt, so weist die Markenstelle des DPMA die Anmeldung durch Beschluss zurück, wobei sie eine Entscheidung nur auf Umstände stützen darf, die dem Anmelder mit Gelegenheit zur Äußerung vorher mitgeteilt worden sind, so dass das rechtliche Gehör gewahrt ist. Der Zurückweisungsbeschluss muss im Einzelnen begründet werden (§ 37 Abs. 1 MarkenG). Im Laufe des Anmeldeverfahrens können die Schutzhindernisse von § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 entfallen, sofern der Anmelder für die Marke Verkehrsdurchsetzung nachweisen kann. Sofern der Anmelder sein Einverständnis erklärt, dass der Tag, an dem die Schutzhindernisse entfallen sind, als Anmeldetag gilt und für die Bestimmung des Zeitranges i. S. des § 6 Abs. 2 MarkenG maßgeblich ist, kann die Eintragung mit einem späteren Zeitrang erfolgen. Selbstverständlich kann die Marke auch nur für einzelne Waren oder Dienstleistungen, denen eines der absoluten Schutzhindernisse entgegensteht, zurückgewiesen werden. Dritte können gem. § 37 Abs. 6 MarkenG schriftliche Bemerkungen mit Erläuterungen, weshalb die angemeldete Marken nicht einzutragen ist, beim DPMA einreichen. Sie sind jedoch nicht Verfahrensbeteiligte. Neben den Zurückweisungsgründen des § 37 Abs. 1 macht § 37 Abs. 3 MarkenG die Zurückweisung wegen Bösgläubigkeit oder wenn sie sich zur Täuschung eignet (§ 8 Abs. 2 Nr. 10 und 4 MarkenG) zusätzlich von der Ersichtlichkeit der Bösgläubigkeit bzw. der Täuschungseignung abhängig, soweit sich dies aus den Anmeldeunterlagen ergibt. Der guten Ordnung halber soll noch erwähnt werden, dass auch Marken zurückgewiesen werden können, denen eine notorische Marke entgegensteht, die amtsbekannt ist (§ 37 Abs. 1 i. V. m. § 10 MarkenG). 5. Beschleunigte Prüfung Auf Antrag und gegen Zahlung einer zusätzlichen Gebühr von derzeit 200,00 € kann die beschleunigte Prüfung der Anmeldung beantragt werden (§ 38 MarkenG). Mit dieser Regelung sollte sichergestellt werden, dass die Eintragung der Marke innerhalb von 6 Monaten nach dem Anmeldetag erfolgt, um den Zeitrang der nationalen Erstanmeldung für die Internationale Registrierung nur nach dem MMA zu gewährleisten, da das MMA eine eingetragene Marke als Basis vorsieht. Allerdings ist nicht sichergestellt, dass das DPMA die 6-Monats-Frist einhalten kann, insbesondere dann nicht, wenn ein oder mehrere Mängelbescheide ergehen. Eine Rückzahlungspflicht des DPMA für die Beschleunigungsgebühr bei Nichteinhaltung 318 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer der Frist gibt es nicht. Die beschleunigte Prüfung hat wesentlich an Bedeutung verloren, da im Rahmen der Internationalen Registrierung die Regelungen des PMMA Vorrang vor jenen des MMA haben und z. Z. kein Staat mehr nur dem MMA angehört. Eine Eintragung der Marke vor Ablauf der Prioritätsfrist ist somit nicht mehr erforderlich. 6. Rücknahme, Beschränkung, Berichtigung Während des Prüfungsverfahrens kann der Anmelder die Anmeldung jederzeit zurücknehmen oder das vorgelegte Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen einschränken (§ 39 Abs. 1 MarkenG). Mit der Rücknahme ist das Anmeldeverfahren beendet. Eine Rücknahme kommt nur solange in Betracht, wie die Marke noch nicht eingetragen oder die Zurückweisung noch nicht rechtskräftig ist. Ist die Marke bereits eingetragen, kann der Markeninhaber nur noch den vollständigen oder teilweisen Verzicht erklären (§ 48 MarkenG), der zur (Teil-)Löschung-- ggf. erst nach Zustimmung des im Register vermerkten Inhabers, sofern sich dieser von dem materiell Berechtigten unterscheidet-- der Marke im Register führt. Auf Antrag des Inhabers kann die Anmeldung im Hinblick auf sprachliche Fehler, Schreibfehler oder sonstige offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigt werden (§ 39 Abs. 2 MarkenG). Eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses der Anmeldung ist möglich, die- - sofern sie vorbehaltlos erfolgt- - als Verzicht auf die dem Verzeichnis entnommenen Waren und Dienstleistungen zu beurteilen ist. Ein Rückgriff auf diese Waren und Dienstleistungen ist nicht mehr zulässig. 340 Die Einschränkung wird in der Regel durch das Streichen von Begriffen aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis bewirkt oder-- sofern Oberbegriffe eingeschränkt werden-- durch das Wort „nämlich“, dem die konkreten Waren und Dienstleistungen, die in dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis verbleiben sollen, folgen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass man hinter dem Oberbegriff mittels eines Disclaimers die Waren oder Dienstleistungen ausnimmt, die unter dem Oberbegriff nicht subsumiert werden sollen. Weder eine Einschränkung noch eine Erweiterung stellt das Einfügen von konkreten vom Oberbegriff abgedeckten Waren und / oder Dienstleistungen dar, sofern sie mit der Voranstellung des Wortes „insbesondere“ eingefügt werden und beispielhafte Erläuterungen darstellen. 341 Nicht zulässig sind Erweiterungen des Verzeichnisses, wie sie z. B. nach österreichischem Recht bei Anmeldungen wie auch bei eingetragenen Marken möglich waren. Vorsicht ist auch bei dem Austausch von Begriffen geboten, da hier das Risiko von (ungewollten) Erweiterungen besteht. Eine Markenanmeldung kann jederzeit zurückgenommen werden (§ 39 Abs. 1 MarkenG). Die Zurücknahme der Anmeldung wirkt ex tunc, so dass zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen nicht rechtskräftig werden. Wird die Zurücknahme in der Rechtsmittelfrist ohne Einlegung des Rechtsmittels erklärt, bleibt die ergangene Entscheidung bestehen. 342 340 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 39 Rdn. 2; BP atG Mitt. 1994 137 „Biographie“. 341 BP atG Mitt. 1983, 195, 196 „Warenverzeichnis“. 342 BGH GRUR 1983, 342 „ BTR “; Schweyer in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 39 Rdn. 3. 319 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Nach der Markeneintragung kann eine Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses nur durch einen Löschungs- oder Teillöschungsantrag gem. § 48 MarkenG (der einen Verzicht oder Teilverzicht beinhaltet) erfolgen, der ex nunc wirkt. Berichtigungen im Register und von Veröffentlichungen der eingetragenen Marken (§ 45 MarkenG) sind auf Antrag jederzeit möglich, müssen jedoch-- sofern die Berichtigung erfolgt-- zur Information der Allgemeinheit veröffentlicht werden. Im europäischen Unionsmarkenrecht sind die Zurücknahme, Änderung und Einschränkung von Anmeldungen in Art. 49 UMV und von Markenregistrierungen in Art. 54 UMV (Änderungen) bzw. 57 UMV (Verzicht) geregelt. Aufgrund des der Eintragung vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens werden Einschränkungen und Änderungen der Anmeldung nach Veröffentlichung der Anmeldung gesondert veröffentlicht. 7. Eintragung Entspricht die Markenanmeldung den Anmeldungserfordernissen und wird sie nicht aufgrund von absoluten Schutzhindernissen zurückgewiesen, so wird die angemeldete Marke in das- - elektronisch geführte- - Register eingetragen. Alle Angaben über eine Marke, die der Öffentlichkeit durch das Register zugänglich gemacht werden, sind in § 25 MarkenV angegeben. Die Eintragung der Marke im Register wird veröffentlicht (§ 41 Satz 2 MarkenG). Die Veröffentlichung mit Angaben über die eingetragene Marke erfolgt über das vom Deutschen Patent- und Markenamt herausgegebene Markenblatt. Die Veröffentlichung kann auch in elektronischer Form erfolgen (§ 27 MarkenV). Der Tag der Veröffentlichung der Eintragung einer Marke ist insofern von besonderer Bedeutung, da die dreimonatige Widerspruchsfrist am Tag nach der Veröffentlichung der Eintragung beginnt (§ 42 MarkenG). Die Eintragung einer Markenanmeldung im Register kann nur innerhalb eines Widerspruchsverfahrens (§ 42 MarkenG) oder eines Löschungsverfahrens (§§ 48 ff. MarkenG) rückgängig gemacht werden. Im Verletzungsprozess sind daher die Zivilgerichte an die Eintragung der Marke gebunden. Auch die europäische Unionsmarkenanmeldung wird gem. Art. 51 UMV eingetragen, wenn sie den Vorschriften entspricht und- - anders als im deutschen Recht- - kein Widerspruch erhoben oder dieser rechtskräftig zurückgewiesen wurde. Da die Veröffentlichung der Unionsmarkenanmeldung wegen des der Eintragung vorgeschalteten Widerspruchsverfahrens bereits mit den wesentlichen Angaben veröffentlicht worden ist (Art. 44 UMV ), werden nach der Eintragung nur die Veränderungen eingetragen, die sich im Vergleich zu der Veröffentlichung der Anmeldung ergeben haben. Auch das EUIPO unterhält eine elektronische Datenbank mit Angaben über die Anmeldungen von Gemeinschaftsmarken und -eintragungen in das Register. 320 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 8. Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke Das in § 42 MarkenG geregelte Widerspruchsverfahren folgt dem Markeneintragungsverfahren. Die Frist zur Erhebung des Widerspruches beträgt 3 Monate und beginnt mit der Veröffentlichung der Eintragung. Gem. § 42 Abs. 2 MarkenG sind unter den Nummern 1-4 die Widerspruchsgründe aufgeführt, auf die der Widerspruch gestützt werden kann, nämlich wegen einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 9 MarkenG, wegen einer notorisch bekannten Marke mit älterem Zeitrang nach § 10 i. V. m. § 9 MarkenG, wegen ihrer Eintragung für einen Agenten oder Vertreter des Markeninhabers gem. § 11 MarkenG oder wegen einer nicht eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang nach § 4 Nr. 2 MarkenG oder einer geschäftlichen Bezeichnung mit älterem Zeitrang nach § 5 i. V. m. § 12 MarkenG. Innerhalb der Widerspruchsfrist ist eine Gebühr gem. § 64a MarkenG i. V. m. Nr. 331 600 GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG zu zahlen. Anders als in der UMV , muss für jeden Widerspruchsgrund-- also für jede einzelne Marke bzw. geschäftliche Bezeichnung-- ein Widerspruch eingelegt und eine Widerspruchsgebühr entrichtet werden. Der Widerspruch kann sich gegen alle Waren oder Dienstleistungen der jüngeren Marke, aber auch nur gegen einen Teil der Waren oder Dienstleistungen richten. Einzelheiten über die Form und den Inhalt des Widerspruchs sowie über eine gemeinsame Entscheidung über mehrere Widersprüche bzw. die Aussetzung des Widerspruchsverfahrens sind in Teil IV , Abschnitt 1 (§§ 29-32) der MarkenV geregelt. Mit Inkrafttreten des MaMoG wird die sog. „Cooling-Off “-Periode-- in denen die Parteien eine gütliche Einigung verhandeln können und die es im Unionsmarkenrecht (Art. 47 Abs. 4 UMV ) seit Anbeginn gibt-- in § 42 Abs. 3 MarkenG eingeführt, wobei im MarkenG hierfür eine mindestens zweimonatige Frist vorgesehen ist. Erforderliche Angaben über Widerspruchskennzeichen gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 2-4 MarkenG ▶ die Art des Kennzeichenrechts (z. B. Agentenmarke, Benutzungsmarke, geschäftliche Bezeichnung) ▶ die Wiedergabe des Kennzeichens ▶ die Form des Kennzeichens (§ 6 MarkenV) ▶ der Zeitrang des Kennzeichens ▶ der Gegenstand der Kennzeichnung, also die Waren und / oder Dienstleistungen bzw. der Geschäftsbereich, für die die Marke beziehungsweise das Kennzeichen im geschäftlichen Verkehr benutzt wird ▶ der Inhaber des Kennzeichens Merke: Für den Nachweis des Bestehens eines Widerspruchskennzeichens bzw. der Bekanntheit einer Marke i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gilt der Strengbeweis (mit den in §§ 355 ff ZPO vorgesehenen Beweismitteln). In § 43 Abs. 1 MarkenG ist die Geltendmachung der mangelnden Benutzung im Widerspruchsverfahren geregelt. Auf die Einrede des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke hat der Widersprechende-- sofern sich die Widerspruchsmarke zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Benutzungsschonfrist (von 5 Jahren nach der Eintragung) befindet-- glaubhaft zu machen, dass die den Widerspruch begründende Marke innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke gem. § 26 MarkenG ernsthaft benutzt worden ist (s. a. § 49 V, VI ). Nach Inkrafttreten des MaMoG beginnt-- Marken RL -konform-- diese 5-jährige Frist bereits mit dem Anmelde- oder Priori- 321 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer tätstag der angegriffenen Marke, sofern zu diesem Zeitpunkt seit mindestens fünf Jahren kein Widerspruch mehr gegen die Widerspruchsmarke möglich war. Statt der Glaubhaftmachung der ernsthaften Benutzung ist nunmehr ein Vollbeweis i. S. des § 286 ZPO erforderlich. Endet der Fünf-Jahres-Zeitraum der Nichtbenutzung (Benutzungsschonfrist), so hat der Widersprechende, wenn der Gegner die Benutzung bestreitet, glaubhaft zu machen, dass die Marke innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Entscheidung über den Widerspruch benutzt worden ist (§ 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Der Zeitraum für diese zweite Einrede der Behauptung mangelnder Benutzung-- auch wandernder Benutzungszeitraum genannt-- lässt sich im Vorhinein nicht absehen, da er von der abschließenden Entscheidung, ggf. auch erst der Beschwerdeentscheidung, abhängig ist. Nach Inkrafttreten des MaMoG entfällt diese zweite Einrede. Nach Prüfung des Widerspruches kann die angegriffene Marke für alle oder nur für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen gelöscht werden. Soweit die Eintragung der Marke nicht gelöscht werden kann, wird der Widerspruch zurückgewiesen (§ 43 Abs. 2 MarkenG). Das Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt wurde als ein summarisches Verfahren konzipiert, das auf die Erledigung einer großen Zahl von Fällen zugeschnitten ist und sich nicht eignet, komplizierte Sachverhalte zu klären. 343 Die Nichtbenutzungseinrede ist in Art. 47 Abs. 2 und 3 UMV geregelt. Ein Unterschied zum MarkenG lag bis zum Inkrafttreten des MaMoG darin, dass nur eine Nichtbenutzungseinrede erhoben werden kann, nämlich wenn die Fünf-Jahres-Benutzungsschonfrist der (älteren) Widerspruchsmarke-- die mit der Eintragung der älteren Unionsmarke beginnt-- schon zum Zeitpunkt des Anmeldebzw. Prioritätstages der Anmeldung der angegriffenen Marke abgelaufen war. Gem. Art. 47 Abs. 3 UMV ist Abs. 2 auch auf ältere nationale Marken analog anzuwenden, so dass an die Stelle der Benutzung in der Union die Benutzung in dem Mitgliedsstaat tritt, in dem die ältere Marke geschützt ist. Dies kann im Einzelfall zu Schwierigkeiten bei der Berechnung der Benutzungsschonfrist führen, da diese unter verschiedenen Konstellationen unterschiedlich beginnt und endet. Nach deutschem Recht nach Inkrafttreten des MaMoG jedenfalls beginnt die Benutzungsschonfrist erst an dem Zeitpunkt, an dem ein Widerspruch nicht mehr möglich war bzw. mit Abschluss eines gegen die Marke eingeleiteten Widerspruchverfahrens. II. Teilung, Schutzdauer und Verlängerung 1. Teilung Nach deutschem wie auch nach Unionsmarkenrecht können Anmeldungen durch die Erklärung des Anmelders, dass die in der Erklärung aufgeführten Waren und Dienstleistungen als abgetrennte Anmeldung weiter behandelt werden sollen, geteilt werden (§ 40 MarkenG, Art. 50 UMV ). Der Zeitrang der ursprünglichen Anmeldung bleibt für die abgetrennte Anmeldung erhalten. Eine Teilung ist nach dem MarkenG während der Widerspruchsfrist und wenn ein Widerspruch oder eine Löschungsklage gegen die Eintragung anhängig ist, der die abzuteilenden Waren oder Dienstleistungen betrifft, nicht möglich. 343 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 86. 322 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Nach der UMV ist eine Teilungserklärung ebenfalls unzulässig, wenn gegen die ursprüngliche Anmeldung Widerspruch eingelegt wurde und der Widerspruch sich gegen Waren und / oder Dienstleistungen richtet, für die die Teilung erklärt wurde (Art. 50 Abs. 2a UMV ). Das Gleiche gilt für die Zeit bis zur Zuerkennung eines Anmeldetages, innerhalb von 3 Monaten nach Veröffentlichung der Anmeldung sowie in der Frist zur Zahlung der Eintragungsgebühren (Art. 50 Abs. 2b UMV i. V. m. Art. 14 Abs. 3 UMDV ). Die Teilungserklärung muss so abgefasst sein, dass es zu keinen Überschneidungen mit der ursprünglichen (Stamm-)anmeldung sowie ggf. anderen Teilanmeldungen oder zu Erweiterungen durch die Teilanmeldung kommt. Gemäß § 40 Abs. 2 MarkenG sind für die abgetrennte Anmeldung die Unterlagen einzureichen, die auch für eine Markenanmeldung erforderlich sind (§ 32 MarkenG). Werden die notwendigen Unterlagen nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zugang der Teilungserklärung eingereicht oder wird die fällige Teilungsgebühr innerhalb derselben Frist nicht gezahlt, so gilt die abgetrennte Anmeldung als zurückgenommen. Die Stammanmeldung bleibt ohne den abgetrennten Teil in Kraft. Eine Eintragung kann mit einer Erklärung des Inhabers geteilt werden, in der eine Auflistung der abgetrennten Waren oder Dienstleistungen enthalten ist (§ 46 Abs. 1 MarkenG). Auch der Zeitrang bleibt für die Teileintragung erhalten. Ganz ähnlich ist die Teilung einer Eintragung in Art. 56 der UMV geregelt. Im Gegensatz zum deutschen Markenrecht, nach dem die Teilung rechtswirksam wird, wenn diese erklärt worden ist und anschließend auch nicht widerrufen werden kann (§ 40 Abs. 2 Satz 3 MarkenG), wird die Teilung einer europäischen Unionsmarke erst an dem Tag wirksam, an dem sie im Register eingetragen wird (Art. 56 Abs. 5 UMV ). 2. Schutzdauer und Verlängerung Die Schutzdauer einer eingetragenen Marke beginnt mit dem Anmeldetag gem. § 33 Abs. 1 MarkenG und endet nach 10 Jahren am letzten Tag des Monats, der durch seine Benennung dem Monat entspricht, in den der Anmeldetag fällt (§ 47 Abs. 1 MarkenG a. F.). Mit Inkrafttretung des MaMoG endet die Schutzdauer 10 Jahre nach dem Anmeldetag. Von dem Begriff Schutzdauer ist strikt der Begriff des Markenschutzes zu unterscheiden, da-- mit Ausnahme der Widerspruchsberechtigung-- Rechte aus der Marke erst nach ihrer Eintragung geltend gemacht werden können. Eine Marke kann beliebig häufig um jeweils 10 Jahre verlängert werden. Voraussetzung für eine Verlängerung ist die Zahlung der entsprechenden Verlängerungsgebühr und ggf. Klassengebühr (bei mehr als 3 Klassen) (§ 47 Abs. 2 u. 3 MarkenG). Ab Inkrafttreten des MaMoG ist es möglich, die Klassengebühr auch ab der 2. Klasse zu entrichten. Ein gesonderter Verlängerungsantrag ist nicht vorgeschrieben. Seit Einführung des Patentkostengesetzes sind die Verlängerungsgebühren bis zum Ablauf des zweiten Monats nach der Fälligkeit zu zahlen (§ 64a MarkenG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 PatKostG). Mit Verspätungszuschlag können die Gebühren bis zum Ablauf des sechsten Monats nach der Fälligkeit nachgezahlt werden (§ 64a MarkenG i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 2 PatKostG). 323 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Möglich ist die Verlängerung einer Marke nur für einen Teil der eingetragenen Waren und Dienstleistungen (§ 47 Abs. 4 MarkenG). In diesem Fall reicht die Zahlung für die Anzahl der Klassen aus, für welche die Marke verlängert werden soll. Fehlt es an einer Erklärung des Markeninhabers, für welche Klassen die eingezahlten Gebühren gelten sollen, so werden die Gebühren zunächst für die Leitklasse und im Übrigen für die Klassen in der Reihenfolge der Klasseneinteilung berücksichtigt, solange die gezahlten Gebühren ausreichen (§ 47 Abs. 4 MarkenG). In § 38 MarkenV sind die erforderlichen Angaben, die bei einem Antrag anzugeben sind, aufgeführt. Die Verlängerung der Schutzdauer der Marke wird am Tag nach dem Ablauf der Schutzdauer wirksam (§ 47 Abs. 5 MarkenG). Die Verlängerung wird in das Register eingetragen und veröffentlicht. Wird die Schutzdauer nicht verlängert, so wird gem. § 47 Abs. 6 MarkenG die Eintragung der Marke mit Wirkung ab dem Ablauf der Schutzdauer gelöscht. Im Unionsmarkenrecht beträgt die Dauer der Eintragung der Unionsmarke ebenfalls 10 Jahre vom Tag der Anmeldung an gerechnet und kann ebenfalls immer wieder um jeweils 10 Jahre verlängert werden. Der Schutz der Marke endet taggenau mit dem gleichen Tag in dem Monat, in dem die Marke angemeldet worden ist. Im Gegensatz zur deutschen Verlängerungsregel ist bei der Verlängerung einer Unionsmarke gem. Art. 53 Abs. 1 UMV ein Antrag des Inhabers zu stellen und die Verlängerungsgebühr zu zahlen. Der Antrag auf Verlängerung und die Gebühren sind gem. Art. 53 Abs. 3 UMV innerhalb von 6 Monaten vor Ablauf des letztes Tages des Monats, in dem die Schutzdauer endet, zu entrichten. Eine Nachfrist von 6 Monaten wird ebenfalls gewährt, jedoch ist für die Nachfrist eine Zuschlagsgebühr zu entrichten (Art. 53 Abs. 3 UMV ). Wie im deutschen Recht ist eine Verlängerung auch nur für einen Teil der von der Marke geschützten Waren und Dienstleistungen möglich (Art. 53 Abs. 5 UMV ). Die Verlängerung wird gem. Art. 53 Abs. 6 UMV am Tag nach Ablauf der vorherigen Schutzdauer wirksam und auch veröffentlicht. III. Verzicht, Verfall und Nichtigkeit 1. Verzicht Eine Marke wird auf Antrag des Inhabers für alle oder für einen Teil der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, im Register gelöscht (Verzicht, § 48 MarkenG). Im Falle des Auseinanderfallens zwischen dem im Register eingetragenen Inhaber und eines Dritten, der berechtigterweise diesen Antrag aufgrund einer materiellen Berechtigung stellt, ist die Zustimmung des im Register eingetragenen Inhabers Voraussetzung für die Löschung. § 48 Abs. 2 MarkenG betrifft auch diejenigen, deren dingliche Rechte gem. § 29 MarkenG im Register eingetragen sind. Die näheren Voraussetzungen für die Verzichtserklärung bzw. die Zustimmung Dritter sind in § 39 bzw. § 40 MarkenV angegeben. Der Verzicht wirkt ex nunc unmittelbar mit der Abgabe der Erklärung. 344 Die Löschung im Register ist konstitutiv. Ein im Register eingetragener Lizenznehmer muss der Löschung zustimmen (§ 30 Abs. 6 MarkenG). 344 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 88. 324 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Das Unionsmarkenrecht sieht in Art. 57 Abs. 3 UMV ebenfalls das Institut des Verzichts für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen vor. Der Verzicht ist schriftlich dem EUIPO zu erklären, jedoch erst mit der Eintragung ins Register wirksam. Anders als im deutschen Recht muss der im Register eingetragene Lizenznehmer von dem Markeninhaber von seiner Verzichtsabsicht unterrichtet werden. Die Unterrichtung muss dem EUIPO gegenüber glaubhaft gemacht werden. 3 Monate nach diesem Tag wird der Verzicht im Register eingetragen. 2. Verfall In Übereinstimmung mit den bindenden Vorgaben des Art. 19 der Marken RL regelt § 49 MarkenG die nach der Eintragung eintretenden Gründe für den Verlust des Markenrechts durch Verfall. Auf Antrag kann die Marke wegen Verfalls gelöscht werden, wenn sie nicht innerhalb von 5 Jahren seit ihrer Eintragung gem. § 26 MarkenG bzw.-- nach Inkrafttreten des MaMoG-- seit dem Zeitpunkt, an dem ein Widerspruch nicht mehr möglich war, benutzt worden ist. Die fünfjährige Frist beginnt im Falle eines Widerspruchsverfahrens erst mit Abschluss des Widerspruchsverfahrens. Die einmal eingetretene Löschungsreife kann durch die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme der Benutzung vor Stellung eines Löschungsantrages durch einen Dritten geheilt werden (§ 49 Abs. 1 S. 2 MarkenG). Eine Benutzung, die innerhalb von 3 Monaten vor der Stellung des Löschungsantrages aufgenommen worden ist, bleibt in Bezug auf die Heilung der Löschungsreife dann unberücksichtigt, wenn die Vorbereitungen für die Benutzungsaufnahme erst stattgefunden haben, nachdem der Markeninhaber von einem möglichen Löschungsantrag Kenntnis erhalten hat (§ 49 Abs. 1 S. 3 MarkenG). Wenn der Inhaber der Marke dem beim DPMA eingereichten Löschungsantrag widerspricht und der Antragsteller nach Unterrichtung des DPMA innerhalb von 3 Monaten nach der Zustellung dieser Mitteilung vor den ordentlichen Gerichten sein Löschungsinteresse durch Klage geltend macht, bleibt für die Berechnung der dreimonatigen Frist der Löschungsantrag beim DPMA maßgeblich (§ 49 Abs. 1 S. 4 MarkenG). Die Erhebung einer Löschungsklage vor den Zivilgerichten ist nur erforderlich, wenn der vom DPMA unterrichtete Markeninhaber innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung des Löschungsbegehrens diesem widersprochen hat (§ 53 Abs. 2 u. 4 MarkenG). Widerspricht der Markeninhaber nicht, wird die Marke gelöscht (§ 53 Abs. 3 MarkenG). Mit diesem vereinfachten Löschungsverfahren ohne zivilgerichtliche Klage wird das Register auf einfache und kostengünstige Weise von löschungsreifen Marken befreit. Eine Löschungsklage kann auch ohne einen Löschungsantrag beim DPMA erhoben werden (§ 53 Abs. 1 i. V. m. § 55 Abs. 1 MarkenG). In § 49 Abs. 2 MarkenG werden drei weitere Gründe für den Verfall bzw. die Löschung einer Marke angegeben. Nr. 1 betrifft die Wandlung einer Marke nach ihrer Eintragung zur Gattungsbezeichnung. Die Entwicklung zur Gattungsbezeichnung erfolgt infolge des Verhaltens oder der Untätigkeit des Markeninhabers, ohne dass es auf sein Verschulden ankommt. 345 Ein weiterer Löschungsgrund liegt vor, wenn eine Marke, die- - infolge ihrer 345 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 89. 325 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Benutzung durch den Inhaber oder mit seiner Zustimmung für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist-- geeignet ist, das Publikum zu täuschen (Nr. 2 des § 49 Abs. 2 MarkenG). Gelöscht werden kann eine eingetragene Marke, wenn der Inhaber nicht mehr die in § 7 MarkenG geforderten Voraussetzungen der Inhaberschaft erfüllt, der Inhaber z. B. seine Rechtsfähigkeit verliert (§ 49 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG). Liegt ein Verfallsgrund nur für einen Teil der für die Marke eingetragenen Waren oder Dienstleistungen vor, so wird die Marke für diesen Teil gelöscht (§ 49 Abs. 3 MarkenG). Die Verfallsgründe des § 49 MarkenG entsprechen im Unionsmarkenrecht inhaltlich den Verfallsgründen des Art. 58 UMV . 3. Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse § 50 MarkenG stellt ein Regulativ für Marken dar, die trotz Vorliegens absoluter Schutzhindernisse in das Register eingetragen worden sind. Dies betrifft nicht nur die in § 8 MarkenG kodifizierten absoluten Schutzhindernisse, sondern auch die des § 3 (fehlende Markenfähigkeit) und § 7 MarkenG (Fehlen der Voraussetzung für die Markeninhaberschaft). Gemäß § 50 Abs. 2 S. 1 MarkenG ist die Löschung wegen Nichtigkeit in Bezug auf die §§ 3, 7 und 8 Abs. 2 MarkenG nur dann möglich, wenn das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag besteht. Eine Marke, die entgegen den absoluten Schutzhindernissen gem. § 8 Abs. 2 S. 2 MarkenG eingetragen worden ist, kann nur dann gelöscht werden, wenn der Antrag innerhalb von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist. Mit Inkrafttreten des MaMoG entfällt diese zeitliche Einschränkung, wobei Marken, die bereits länger als 10 Jahre eingetragen sind, Bestandschutz genießen (Nr. 96 (§ 160 Abs. 3) MaMoG). Eine Eintragung einer Marke kann von Amts wegen gelöscht werden (§ 50 Abs. 3 MarkenG), sofern sie entgegen den absoluten Schutzhindernissen, wie sie in § 8 Abs. 2 Nr. 4-13 MarkenG aufgeführt sind, eingetragen worden ist. Allerdings kann dies nur dann erfolgen, wenn ▶ das Löschungsverfahren innerhalb eines Zeitraums von 2 Jahren seit dem Eintragungstag eingeleitet worden ist, ▶ das Schutzhindernis (mit Ausnahme der bösgläubigen Anmeldung) noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Löschung besteht und ▶ die Eintragung ersichtlich entgegen den genannten Vorschriften vorgenommen worden ist. Die Nichtigkeit bezieht sich immer auf die konkreten Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke eingetragen ist, so dass die Löschung nur für diese Waren in Frage kommt (§ 50 Abs. 4 MarkenG). Der Antrag auf Löschung wegen absoluter Schutzhindernisse kann von jeder Person beim DPMA gestellt werden (§ 54 Abs. 1 MarkenG). Die Ausgestaltung als Popularantrag wird dem öffentlichen Interesse gerecht, das Markenregister von schutzunfähigen Marken freizuhalten. Das Löschungsverfahren ist kontradiktorisch ausgestaltet. 326 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Löschungsantrag ist schriftlich beim DPMA zu stellen. Im Löschungsantrag sind gem. §§ 41, 42 MarkenV anzugeben: ▶ Die Registernummer der Marke, deren Löschung begehrt wird, ▶ den Namen und die Anschrift des Antragstellers, ggf. seines Vertreters, ▶ die Angabe der Waren und Dienstleistungen, deren Löschung beantragt wird, sowie ▶ der Löschungsgrund. Darüber hinaus ist für den Löschungsantrag eine Gebühr zu zahlen, die innerhalb von 3 Monaten ab dem Fälligkeitstag, d. h. dem Tag der Einreichung des Löschungsantrages, zu erfolgen hat (§ 64a MarkenG i. V. m. § 2 Abs. 1 PatKostG, Nr. 333300 GebVerz). Gemäß § 54 Abs. 2 MarkenG wird der Inhaber der eingetragenen Marke vom DPMA über den Antrag auf Löschung bzw. über die Einleitung eines Löschungsverfahrens vom Amts wegen informiert. Widerspricht der Markeninhaber der Löschung nicht innerhalb von 2 Monaten nach Zustellung der Mitteilung über das Löschungsverfahren, so wird die Marke im Register gelöscht. Widerspricht er der Löschung, so wird das Löschungsverfahren durchgeführt. Das Verfahren unterliegt dem Amtsermittlungsgrundsatz, der in § 59 MarkenG kodifiziert ist. Das Verfahren wird nach den allgemeinen Verfahrensvorschriften des Abschnittes 4 (§§ 56-65) des MarkenG durchgeführt. Gleichwohl hat der Antragsteller den Nachweis zu führen, dass relevante Eintragungshindernisse vorlagen bzw. vorliegen. Mit Inkrafttreten des MaMoG wird ein Verfahren zur Erklärung des Verfalls und der Nichtigkeit vor dem DPMA entsprechend der Vorgaben des Art. 45 Marken RL implementiert (Nr. 31-33 (§§ 51-53 MarkenG) MaMoG). Demzufolge kann ein Löschungsantrag beim DPMA wegen relativer Schutzhindernisse gestellt werden. Korrespondierende Regelungen für die gerichtlichen Verfahren finden sich in §§ 140a und 140b MarkenG. 4. Nichtigkeit wegen Bestehens älterer Rechte Gemäß § 51 Abs. 1 MarkenG kann eine Marke auf Klage wegen Nichtigkeit gelöscht werden, wenn ihr ein älteres Recht i. S. der §§ 9-13 MarkenG (s. § 47 III ) mit älterem Zeitrang entgegensteht. Diese relativen Nichtigkeitsgründe der §§ 9-13 MarkenG können gem. § 55 MarkenG bis zum Inkrafttreten des MaMoG nur vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden. Hiernach können Nichtigkeitsanträge beim DPMA gem. § 53 MarkenG gestellt werden. Die jüngere Eintragung wird nicht gelöscht, wenn der Inhaber der älteren Marke die jüngere Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, mindestens 5 Jahre in Kenntnis ihrer Benutzung geduldet hat, unabhängig davon, ob es sich bei dem älteren Recht um eine eingetragene, Benutzungs- oder notorisch bekannte Marke, eine geschäftliche Bezeichnung oder eine Sortenbezeichnung handelt. Neben diesem Verwirkungstatbestand gem. § 51 Abs. 2 S. 1 und 2 MarkenG kann die Marke auch nicht gelöscht werden, wenn der Inhaber des älteren Rechts der Eintragung der Marke vor der Löschungsantragsstellung zugestimmt hat. Weitere Einwendungen sind gem. § 51 Abs. 4 MarkenG erfolgreich, wenn die Eintragung der Marke mit älterem Zeitrang am Veröffentlichungstag (ab Inkrafttreten des MaMoG am 327 § 51 Eintragung, Widerspruch und Löschung Fischer Anmeldebzw. Prioritätstag) der Marke mit jüngerem Zeitrang entweder wegen Verfalls (nach § 49 MarkenG) oder wegen absoluter Schutzhindernisse (nach § 50 MarkenG) hätte gelöscht werden können. Als Einrede kann von dem Inhaber der jüngeren Marke geltend gemacht werden, dass die ins Feld geführte bekannte Marke oder bekannte geschäftliche Bezeichnung mit älterem Zeitrang an dem für den Zeitrang der jüngeren Marke maßgeblichen Tag noch nicht im Sinne der §§ 9 Abs. 1 Nr. 3, § 14 Abs. 2 Nr. 3 oder § 15 Abs. 3 MarkenG bekannt war (§ 51 Abs. 3 MarkenG). Mit dieser Regelung soll sichergestellt werden, dass der erweiterte Schutzumfang einer bekannten Marke, die jedoch erst nach dem Zeitrang der jüngeren Marke diese Bekanntheit erlangt hat, die jüngere Marke nicht verdrängen kann. Aktivlegitimiert sind nach Inkrafttreten des MaMoG nach § 53 Abs. 2 und 3 MarkenG bei Anträgen auf Erkärung des Verfalls (§ 49) und der Nichtigkeit wegen absoluter Schutzhindernisse (§ 50) und älterer Rechte (§ 51) beim DPMA ▶ wegen Verfalls und Nichtigkeit jede natürliche oder juristische Person sowie jeder Interessenverband von Herstellern, Erzeugern, Dienstleistungsunternehmern, Händlern oder Verbrauchern, der am Verfahren beteiligt sein kann, ▶ wegen Nichtigkeit aufgrund des Bestehens älterer Rechte der jeweilige Inhaber dieser Rechte, sowie Personen, die berechtigt sind, Rechte aus einer geschützten geografischen Angabe oder geschützten Ursprungsbezeichnung geltend zu machen. Ist das durch die Eintragung der Marke begründete Recht auf einen anderen übertragen worden oder übergegangen (§ 53 Abs. 7 MarkenG), so ist die Entscheidung in der Sache auch gegen den Rechtsnachfolger wirksam und vollstreckbar. Für die Befugnis des Rechtsnachfolgers, in das Verfahren einzutreten, gelten die §§ 66-74 und 76 der ZPO entsprechend. 5. Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten Die Klage auf Löschung wegen Verfalls einer Marke (§ 49 MarkenG) oder wegen Bestehens älterer Rechte gem. § 51 MarkenG ist bis zum Inkrafttreten des MaMoG gegen den im Register eingetragenen Markeninhaber oder seinen Rechtsnachfolger zu richten (§ 55 Abs. 1 MarkenG). Hiernach entscheiden- - da mit dem § 53 MarkenG ein zentrales Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren beim DPMA installiert worden ist, das neben Verfallsgründen auch die Nichtigkeit wegen Bestehens absoluter Schutzhindernisse umfasst- - die ordentlichen Gerichte über den Verfall beziehungsweise die Nichtigkeit von Marken nur noch im Wege der Widerklage. Mit Inkrafttreten des MaMoG regelt § 55 MarkenG den Beitritt zum Verfalls- und Nichtigkeitsverfahren. Ab Inkrafttreten des MaMoG kann sich eine Partei auf die fehlende Rechtsgültigkeit einer eingetragenen Marke nur durch Erhebung einer Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit oder durch Stellung eines Antrags nach § 53 MarkenG berufen, jedoch nicht im einstweiligen Verfügungsverfahren (Nr. 90 (§ 140a) MaMoG). 328 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 6. Wirkung der Löschung wegen Verfalls oder Nichtigkeit Die Wirkungen der Eintragung einer Marke gelten mit der Löschung wegen Verfalls als von dem Zeitpunkt der Erhebung des Antrags auf Löschung als nicht eingetreten. Auf Antrag einer der beteiligten Parteien kann ein früherer Zeitpunkt, an dem einer der Verfallsgründe eingetreten ist, festgesetzt werden (§ 52 Abs. 1 MarkenG). Im Gegensatz hierzu gelten die Wirkungen einer Markeneintragung mit der Löschung der Marke aufgrund von Nichtigkeitsgründen ex tunc, also von Anfang an nicht eingetreten (§ 52 Abs. 2 MarkenG). § 52 Abs. 3 MarkenG sieht Schranken der Rückwirkung vor, da rechtskräftige Verletzungsverfahren (Nr. 1) oder die Rückabwicklung von Verträgen (Nr. 2) von der Löschung der eingetragenen Marke nicht berührt werden. Allerdings kann von dem Vertragspartner verlangt werden, in Erfüllung des Vertrages gezahlte Beträge aus Billigkeitsgründen zurückzuerstatten. Für diese Ausnahmeregelung kommt es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles an. Bei Lizenzverträgen als Risikogeschäften kommt ein Erstattungsanspruch regelmäßig nicht in Betracht, es sei denn, der Markeninhaber kannte die Löschungsreife oder hätte sie kennen müssen. 346 Im Unionsmarkenrecht sind die absoluten Nichtigkeitsgründe in Art. 59 UMV (Art. 52 a. F.) geregelt. Absatz 1 der genannten Vorschrift sieht vor, dass die Unionsmarke auf Antrag beim EUIPO oder im Wege der Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt wird, wenn sie den absoluten Schutzhindernissen (Art. 7 UMV ) zuwider eingetragen worden ist oder der Anmelder bei der Anmeldung der Unionsmarke bösgläubig war. Bösgläubige Markenanmeldungen sind in erster Linie solche, die in Behinderungsabsicht getätigt werden. 347 Der Begriff Bösgläubigkeit ist weder in der UMV noch in der UMDV wohl aber in der Marken RL definiert. Die Aufnahme des absoluten Schutzhindernisses „bösgläubige Markenanmeldung“ in den schon im Anmeldeverfahren zu prüfenden Katalog der absoluten Schutzhindernisse ist in der UMV nicht erfolgt. So bleibt einem interessierten Markenbenutzer nur der Weg über das Nichtigkeitsverfahren im Falle der bösgläubigen Anmeldung eines Dritten, um die ihn behindernde Unionsmarke wieder aus der Welt zu schaffen, wobei ihm der Beweis für die Bösgläubigkeit des Dritten obliegt. Eine Unionsmarke kann gem. Art. 59 Abs. 2 UMV nicht mehr gelöscht werden-- obwohl bei der Anmeldung die absoluten Schutzhindernisse fehlende Unterscheidungskraft, Freihaltebedürftigkeit und / oder beschreibende Angaben vorlagen-- wenn die Marke durch Benutzung Unterscheidungskraft für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, erlangt hat. Dies entspricht nach der deutschen Terminologie der Verkehrsdurchsetzung der Marke, die auch nach deutschem Recht zur Überwindung der absoluten Schutzhindernisse führt (s. § 47 II 13 b). Eine Unionsmarke kann aufgrund von relativen Nichtigkeitsgründen auf Antrag oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren nach Art. 60 Abs. 1 und 2 UMV für nichtig erklärt werden, wenn eine ältere Marke oder ein älteres Kennzeichen besteht und die Vorausset- 346 Stuckel in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 52 Rdn. 14. 347 Eisenführ in Eisenführ / Schennen, GMVO , Kommentar, Art. 52 Rdn. 4 u. 10 ff. 329 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer zungen des Art. 8 Abs. 2, 3 oder 4 UMV erfüllt sind. Darüber hinaus können Unionsmarken für nichtig erklärt werden, wenn ihre Benutzung aufgrund nationaler Rechtsvorschriften über den Schutz eines sonstigen älteren Rechtes, insbesondere eines Namensrechtes, eines Rechtes an der eigenen Abbildung, eines Urheberrechts oder eines anderen gewerblichen Schutzrechtes gemäß dem für dessen Schutz maßgeblichen nationalen Recht untersagt werden kann (Art. 60 Abs. 2 UMV ). Eine Nichtigerklärung der Unionsmarke erfolgt nicht, wenn der Inhaber eines relativen älteren Rechts nach Abs. 1 oder 2 des Art. 60 UMV der Eintragung der Unionsmarke ausdrücklich zugestimmt hat (Art. 60 Abs. 3 UMV ). Nicht zulässig ist ein Nichtigkeitsantrag oder eine Widerklage für einen Rechtsinhaber, wenn dieser bereits einen Antrag auf Nichtigerklärung gestellt oder im Verletzungsverfahren Widerklage erhoben hat, sofern er das weitere Recht zur Unterstützung seines ersten Begehrens hätte geltend machen können (Art. 60 Abs. 4 UMV ). Hat der Inhaber einer Unionsmarke oder eines älteren nationalen Kennzeichnungsrechts die Benutzung einer jüngeren Unionsmarke während eines Zeitraumes von fünf aufeinander folgenden Jahren in Kenntnis der Benutzung der jüngeren Marke geduldet, so hat er seinen Anspruch auf Nichtigerklärung dieser jüngeren Marke gem. Art. 61 UMV verwirkt. Ausgenommen hiervon sind lediglich jüngere Unionsmarken, deren Anmeldung bösgläubig vorgenommen worden sind. In Art. 61 Abs. 3 UMV wird klargestellt, dass-- im Falle der Verwirkung der Nichtigkeitsansprüche des Inhabers des älteren Rechts-- der Inhaber der jüngeren Unionsmarke die Benutzung des älteren Rechts dulden muss, obwohl dieses gegenüber der jüngeren Unionsmarke nicht mehr geltend gemacht werden kann. Die Verwirkung erstreckt sich nur auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die jüngere Marke benutzt und somit vom Inhaber der älteren Marke geduldet worden sind. Somit sind nicht die Unterlassungsansprüche des älteren Markeninhabers ausgeschlossen, die sich auf andere ähnliche Waren und Dienstleistungen beziehen, für die die ältere Marke Schutz genießt. Artikel 62 UMV entspricht weitgehend dem § 52 MarkenG. Die Art. 63 und 64 UMV enthalten die Regelungen zum Löschungsverfahren. Im Gegensatz zu den bisherigen Löschungsverfahren vor den ordentlichen Gerichten gem. § 55 MarkenG a. F. sind im Unionsmarkenrecht die Verfalls- und Nichtigerklärung einer Unionsmarke (Art. 58 und 60 UMV ) nur durch Antrag beim EUIPO zu erreichen. Davon ausgenommen ist die Möglichkeit der Widerklage auf Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit aufgrund eines Verletzungsprozesses vor den Unionsmarkengerichten (Art. 124 lit. d, Art. 127 Abs. 1 und Art. 128 UMV ). Selbstverständlich ist die Einrede des Verfalls bzw. der Nichtigkeit der Unionsmarke gem. Art. 127 Abs. 3 UMV möglich. § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Im MarkenG sind die allgemeinen Verfahrensvorschriften bezüglich des DPMA -- die neben den speziellen Vorschriften des Anmelde-, Widerspruchs- oder Löschungsverfahren gelten-- innerhalb des dritten Teils in Abschnitt 4 in den §§ 56-65 MarkenG geregelt. Die allgemeinen Verfahrensvorschriften in Verfahren vor dem BP atG sind dem gleichen Teil in Abschnitt 5 330 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer (§§ 66-82) zu entnehmen. Das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH ist in Abschnitt 6, den §§ 83 bis 90, kodifiziert. Gemeinsame Vorschriften für die Verfahren vor dem DPMA , dem BP atG sowie dem BGH finden sich in den §§ 91 bis 96 MarkenG des Abschnittes 7. Dort sind auch die Vorschriften zur Weiterbehandlung einer Anmeldung (§ 91a MarkenG) geregelt. In der „Verordnung über das Deutsche Patent- und Markenamt“ ( DPMAV ) vom 1. 4. 2004 348 sind alle allgemein gültigen Verfahrensregelungen für markenrechtliche, patent- oder gebrauchsmusterrechtliche Verfahren vor dem DPMA zusammengefasst worden. Aufgrund der justizförmigen Ausgestaltung des Verfahrens vor dem DPMA sind die entsprechenden Verfahrensbestimmungen der ZPO ergänzend anzuwenden, soweit sie nicht durch die speziellen Regelungen des patentamtlichen Verfahrens ausgeschlossen sind. Bezüglich der Verfahren vor dem BP atG können Bestimmungen des Gerichtsverfassungsgesetzes ( GVG ) entsprechend angewendet werden (§ 82 MarkenG). I. Allgemeine Vorschriften für das Verfahren vor dem Patent- und Markenamt, Akteneinsicht, Erinnerung Die allgemeine Zuständigkeitsregelung für die patentamtlichen Verfahren, insbesondere die Aufgaben der Markenstellen und der Markenabteilungen, sind in § 56 MarkenG niedergelegt. In § 57 MarkenG sind die Regelungen für die Ausschließung und Ablehnung von Beamten oder Angestellten, die mit der Wahrnehmung von Angelegenheiten betraut sind, die den Markenstellen oder den Markenabteilungen obliegen, enthalten, wobei die einschlägigen Regelungen der ZPO analog anzuwenden sind. Über ein Ablehnungsgesuch entscheidet die Markenabteilung (§ 57 Abs. 2 MarkenG). In § 58 wird dem DPMA auferlegt, Gutachten zu erstellen, wenn in einem gerichtlichen Verfahren mehrere voneinander abweichende Sachverständigengutachten vorliegen, was selten geschieht. Ohne Genehmigung des BMJ ist das DPMA nicht befugt, außerhalb des gesetzlichen Aufgabenbereiches Gutachten abzugeben oder Beschlüsse zu fassen. In §§ 59 und 60 MarkenG sind die wesentlichen Verfahrensgrundsätze des DPMA wie die Sachverhaltsermittlung, die Gewährung des rechtlichen Gehörs (§ 59 MarkenG) sowie die Einzelheiten bei Ermittlungen, Anhörungen und einer Niederschrift enthalten (§ 60 MarkenG). Die Form der Beschlüsse sowie die damit verbundene notwendige Belehrung über mögliche Rechtsmittel sind in § 61 MarkenG kodifiziert, der im Übrigen fast wortgleich dem § 47 PatG entspricht. Verfahrenskosten werden in § 63 MarkenG geregelt, soweit sie mehrseitige Verfahren vor dem DPMA behandeln. Sie entsprechen weitgehend den Kostenregelungen im patentrechtlichen Einspruchsverfahren gem. § 62 PatG. Für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren gelten mit § 91 und § 90 MarkenG im Wesentlichen entsprechende Vorschriften. Grundsätzlich geht das Gesetz davon aus, dass jeder Beteiligte seine ihm entstandenen Kosten selbst trägt. Eine Abweichung von diesem Grundsatz ist nur zulässig, wenn dies der Billigkeit 348 Bl. f. PMZ , 2004, 296 ff.; Tabu DPMA Nr. 300. 331 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer entspricht. Dabei bedarf es besonderer Umstände, die darin liegen können, dass das Verhalten eines Beteiligten nicht der prozessualen Sorgfalt entsprach. Mit Inkrafttreten des KostenbereinigungsG zum 1. 1. 2002 ist eine grundsätzliche Neuregelung der zu entrichtenden Gebühren erfolgt. Die ursprüngliche Intention bei Verabschiedung des MarkenG, alle Regelungen des Markenrechts innerhalb eines Gesetzes zu vereinen, ist bedauerlicherweise wieder aufgegeben worden, indem gem. § 64a in Verfahren vor dem DPMA die Kosten des PatKostG gelten. Im PatKostG sind alle Kosten konzentriert worden, die in den einschlägigen Gesetzen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes anfallen. Die Einzelvorschriften zu den Kosten sind aus dem MarkenG gestrichen worden. Die einzelnen Gebührentatbestände finden sich im GebVerz zu § 2 Abs. 1 PatKostG. Auch die Zahlungsfristen und die Rechtsfolgen einer Teil- oder Nichtzahlung der entsprechenden Gebühren sind dem PatKostG zu entnehmen. § 65 MarkenG ist der Ermächtigungsparagraph für das BMJ durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates für die in § 65 Abs. 1 Nr. 1 bis 13 MarkenG aufgeführten Einzelheiten bestimmte Regelungen zu treffen. Die auf dieser Vorschrift beruhenden Ausführungsbestimmungen finden sich insbesondere in der MarkenV sowie der DPMAV . Gemäß § 65 Abs. 2 MarkenG kann das BMJ die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen ganz oder teilweise dem Präsidenten des DPMA übertragen. Die einzelnen Ermächtigungen sind in Kirschneck 349 aufgeführt. 1. Akteneinsicht In § 62 MarkenG ist sowohl die Akteneinsicht als auch die Einsicht in das Markenregister geregelt. Während die Einsicht in das Markenregister jeder Person freisteht, gewährt das DPMA Akteneinsicht in die Anmeldeakten nur demjenigen, der ein berechtigtes Interesse glaubhaft macht. Ein berechtigtes Interesse ist in der Regel anzunehmen, wenn für das zukünftige Verhalten des Antragstellers bei der Wahrung oder Verteidigung von Rechten die Kenntnis der Akten bestimmend sein kann. 350 Genügend ist demzufolge ein tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse. Grundsätzlich ist immer eine Abwägung der Interessen des Antragstellers einerseits und des Anmelders andererseits erforderlich. Jedenfalls liegt ein berechtigtes Interesse in den Fällen vor, in denen Rechte aus der Anmeldung gegenüber dem Akteneinsichtsantragsteller geltend gemacht werden, z. B. durch die Erhebung von Widersprüchen oder Klagen sowie Verwarnungen oder Abmahnungen. Ein berechtigtes Interesse besteht für zurückgewiesene oder zurückgenommene Anmeldungen wegen des Bestehens absoluter Schutzhindernisse, um Klarheit erlangen zu können, ob es sich bei der fraglichen Marke um eine nunmehr frei verwendbare beschreibende Angabe handelt. 351 Einzelheiten zum Akteneinsichtsverfahren finden sich in § 22 DPMAV . Teile der Akten können-- wenn ein 349 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 65 Rdn. 2-15. 350 Kirschneck in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 62 Rdn. 2; BGH GRUR 2012, 317 „Umfang der Akteneinsicht Dritter in Markenangelegenheiten“. 351 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft), 1994, 45, 94. 332 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer besonderes schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung vorliegt-- von der Einsicht ausgeschlossen werden. 352 Im Unionsmarkenrecht ist die Akteneinsicht in Art. 108 UMV geregelt. 2. Erinnerung Eine Besonderheit des patentamtlichen Verfahrens ist das Institut der Erinnerung gem. § 64 MarkenG. Die Erinnerung ist gegen Beschlüsse der Markenstellen und der Markenabteilungen möglich, die von einem Beamten des gehobenen Dienstes oder einem vergleichbaren Angestellten erlassen worden sind. Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses des DPMA bei diesem einzulegen. Sofern der Beamte oder Angestellte, dessen Beschluss mittels der Erinnerung angefochten wird, die Erinnerung für begründet erachtet, so kann er ihr abhelfen. § 64 Abs. 3 Satz 2 MarkenG lässt den Rechtsbehelf ausschließlich für einseitige Verfahren zu. Für die Erinnerung ist eine Erinnerungsgebühr innerhalb der Erinnerungsfrist von einem Monat zu zahlen. Die Erinnerung hat Suspensiveffekt, d. h. aufschiebende Wirkung. Über die Erinnerung entscheidet ein rechtskundiger oder technischer Beamter des höheren Dienstes als Mitglied des DPMA (§ 64 Abs. 4 MarkenG). Seit 1. 10. 2009 kann anstelle der Erinnerung die Beschwerde eingelegt werden (§ 66 Abs. 6 MarkenG). Ist eine Beschwerde nach §§ 64 Abs. 6 oder 66 Abs. 3 MarkenG eingelegt worden, kann über eine Erinnerung nicht mehr entschieden werden. Sollte dies dennoch geschehen, so wird die erlassene Erinnerungsentscheidung gegenstandslos (§ 64 Abs. 7 MarkenG). II. Beschwerde 1. Überblick In Abschnitt 5 des MarkenG sind eigenständige Regelungen für das Beschwerdeverfahren vor dem BP atG in Markensachen enthalten, die inhaltlich weitgehend mit den §§ 73 ff. PatG übereinstimmen. Ähnlich wie bei den Verfahren vor dem DPMA enthalten zunächst die §§ 66 bis 72 MarkenG Regelungen in Bezug auf das BP atG, die §§ 73 bis 80 MarkenG enthalten Verfahrensvorschriften. § 81 MarkenG behandelt die Vertretung bzw. Bevollmächtigung. Eine Anfechtbarkeit von Entscheidungen des BP atG ist nach § 82 Abs. 2 MarkenG nur möglich, soweit sie vom MarkenG zugelassen ist. Anträge zur Akteneinsicht sind nach § 62 Abs. 1 und 2 MarkenG analog zu behandeln, über die Anträge entscheidet das BP atG. Des Weiteren finden sich- - neben der Generalverweisung in § 82 Abs. 1 MarkenG- - zahlreiche Verweise auf die ZPO bzw. das GVG , so in Bezug auf die Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen (§ 72 MarkenG), das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 71 Abs. 5 MarkenG) und die Niederschrift von mündlichen Verhandlungen und Beweisaufnahmen (§ 77 MarkenG). 352 BGH GRUR 2007, 628, 629 (Nr. 14) „Moon“. 333 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer 2. Beschwerdeverfahren Gegen die Beschlüsse der Markenstellen und der Markenabteilungen findet die Beschwerde an das BP atG statt, soweit gegen diese Beschlüsse nicht die Erinnerung gegeben ist. Die Beschwerde steht allen am Verfahren vor dem DPMA Beteiligten zu und hat aufschiebende Wirkung (§ 66 Abs. 1 MarkenG). Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim DPMA schriftlich einzulegen. Mit der Beschwerdeeinlegung wird eine Beschwerdegebühr gem. § 82 Abs. 1 S. 3 MarkenG i. V. m. § 3 Abs. 1 PatKostG fällig, die innerhalb der Beschwerdefrist zu zahlen ist. Die Gebühr ist beim DPMA einzuzahlen. Wird die Gebühr nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig eingezahlt, gilt die Beschwerde als nicht eingelegt (§ 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG). Bei der Beschwerde handelt es sich-- im Gegensatz zur Erinnerung-- um ein echtes Rechtsmittel mit Suspensiveffekt und Devolutivwirkung (im höheren Rechtszug anhängig). Die Beteiligten können sich jederzeit durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, wobei die Vollmacht für den Vertreter schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen ist (§ 81 MarkenG). Hat einer der Beteiligten jedoch weder im Inland einen Wohnsitz, Sitz noch Niederlassung, so kann er an dem Verfahren vor dem BP atG ebenso wie vor dem DPMA nur teilnehmen und / oder Rechte aus einer Marke geltend machen, wenn er im Inland einen Rechts- oder Patentanwalt als bevollmächtigten Vertreter bestellt hat (§ 81 Abs. 1 i. V. m. § 96 MarkenG). Weitere Regelungen zum Inlandsvertreter-- insbesondere für Staatsangehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union bzw. EWR -- finden sich in § 96 MarkenG. Verfahrensbeteiligte sind diejenigen, die im Verfahren vor dem DPMA Beteiligte waren. Nicht beteiligt ist-- sieht man von der Abhilfe nach § 66 Abs. 5 MarkenG und der Möglichkeit des Präsidenten des DPMA , an dem Beschwerdeverfahren teilzunehmen oder unter bestimmten Voraussetzungen (§ 68 MarkenG) beizutreten, ab-- das DPMA selbst. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Unionsmarkenrecht, da gegen Entscheidungen des EUIPO die Beschwerde zu den Beschwerdekammern gem. Art. 66 UMV vorgesehen ist, die Bestandteil des EUIPO gem. Art. 165 und 166 UMV sind. Weitere Voraussetzung für eine zulässige Beschwerde ist, dass der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung beschwert ist, d. h., dass seinem Antrag nicht in vollem Umfang stattgegeben worden ist oder der Beschluss sich in anderer Weise auf ihn nachteilig auswirkt. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht notwendig, jedoch ratsam. Grundsätzlich gilt, dass bei mehreren Beschwerden für jede einzelne Beschwerde Gebühren zu zahlen sind, wobei unerheblich ist, ob in Widerspruchsverfahren die verschiedenen Widersprechenden von demselben Bevollmächtigten vertreten und / oder die Beschwerden in einem gemeinsamen Schriftsatz eingelegt wurden. Unerheblich ist auch, wenn aufgrund von mehreren Widersprüchen nur ein Beschluss vom DPMA ergangen ist. 353 Sind von einem Widersprechenden aus verschiedenen Marken Widersprüche erhoben worden (und für jeden einzelnen Widerspruch eine Gebühr gezahlt worden), die alle mit einem Beschluss des DPMA zurückgewiesen worden sind, so ist nur eine Beschwerdegebühr zu zahlen, da 353 Knoll in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 66 Rdn. 45. 334 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer nur ein Beschluss von nur einem am Verfahren Beteiligten angefochten wird. 354 In Verfahren mit mehreren Beteiligten ist- - neben der selbständigen Beschwerde- - die unselbständige Anschlussbeschwerde (gestützt auf § 567 Abs. 3 ZPO ) gegeben. Die Anschlussbeschwerde ist von der Aufrechterhaltung und Zulässigkeit der selbständigen Beschwerde abhängig und nicht an eine Beschwerdefrist oder die Zahlung einer Beschwerdegebühr gebunden. Jedoch muss der Beschwerdeführer durch die Entscheidung beschwert sein. § 66 Abs. 4 MarkenG regelt die Anzahl der Abschriften und die Zustellung an die übrigen Beteiligten, während Abs. 5 im einseitigen Beschwerdeverfahren dem DPMA die Möglichkeit gibt, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es die Beschwerde für begründet erachtet. Die Abhilfe durch das DPMA ist jedoch nur innerhalb eines Monats nach Einlegung der Beschwerde möglich. Wird der Beschwerde nicht abgeholfen oder gibt es einen weiteren Verfahrensbeteiligten, so hat das DPMA die Beschwerde unverzüglich dem BP atG vorzulegen (§ 66 Abs. 5 MarkenG). Die Verhandlung über Beschwerden einschließlich der Verkündung der Entscheidung sind öffentlich, wenn die Markeneintragung veröffentlicht worden ist (§ 67 Abs. 2 MarkenG) und sofern eine mündliche Verhandlung stattfindet. Die mündliche Verhandlung findet statt, wenn sie gem. § 69 MarkenG von einem der Beteiligten beantragt worden ist oder gem. § 74 Abs. 1 MarkenG Beweis erhoben wird oder das BP atG sie für sachdienlich erachtet. Über die Beschwerde wird durch Beschluss eines Beschwerdesenates-- besetzt mit drei rechtskundigen Mitgliedern (§ 67 Abs. 1 MarkenG)-- entschieden (§ 70 Abs. 1 u. 2 MarkenG). Alternativ dazu kann das BP atG die durch Beschwerde angefochtene Entscheidung aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn das DPMA noch nicht in der Sache entschieden hat, das Verfahren vor dem DPMA an einem wesentlichen Mangel gelitten hat oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt geworden sind, die für die Entscheidung wesentlich sind (§ 70 Abs. 3 MarkenG). Die Sachverhaltsermittlung erfolgt durch das BP atG von Amts wegen. Insoweit ist es an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 73 Abs. 1 MarkenG). Eine Beweiserhebung durch das BP atG in der mündlichen Verhandlung erfolgt durch Inaugenscheinnahme, Zeugen-, Sachverständigen- und / oder Beteiligtenvernehmung sowie das Heranziehen von Urkunden, wobei alle am Verfahren Beteiligten der Beweisaufnahme beiwohnen und an Zeugen und Sachverständige sachdienliche Fragen richten können (§ 74 MarkenG). Selbstverständlich muss den Beteiligten vor einer Entscheidung rechtliches Gehör gewährt werden (§ 78 Abs. 2 MarkenG). Eine Besonderheit in Verfahren vor dem BP atG ist die Möglichkeit der Beteiligung des Präsidenten des DPMA (§ 68 MarkenG). Grundsätzlich kann der Präsident im Beschwerdeverfahren schriftlich dem BP atG gegenüber Erklärungen abgeben und in den Terminen seine Erklärungen ausführen. Wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, kann das BP atG dem Präsidenten des DPMA anheim geben, dem Beschwerdeverfahren beizutreten. Erklärt infolge dessen der Präsident des DPMA seinen Beitritt, so hat er 354 Knoll in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 66 Rdn. 46. 335 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer im Verfahren die Stellung eines Beteiligten. Die Beteiligung des Präsidenten in Beschwerdeverfahren gem. § 68 MarkenG entspricht den §§ 76 und 77 PatG. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen in der Regel die Beteiligten selbst, da dies der Billigkeit entspricht (§ 71 MarkenG). In mehrseitigen Verfahren können die Kosten- - abweichend von der Grundregel-- einem der Beteiligten-- auch dem Präsidenten des DPMA als Beteiligtem-- nach pflichtgemäßem Ermessen des BP atG auferlegt werden. Eine Kostenauferlegung kann aufgrund einer rechtsmissbräuchlichen, sittenwidrigen oder erkennbar erfolglosen Markenanmeldung bzw. Widerspruchseinlegung oder wenn ein Beteiligter die ihm obliegende prozessuale Sorgfaltspflicht in nicht unerheblichem Umfang vernachlässigt, 355 erfolgen. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr-- die das BP atG gem. § 71 Abs. 3 MarkenG anordnen kann-- kommt bei Verfahrensfehlern im Verfahren vor dem DPMA infrage, z. B. durch die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Eine Rückzahlung kann auch erfolgen, wenn die Beschwerde gegenstandslos wird, z. B. wenn ein unterlegener widersprechender Markeninhaber Beschwerde eingelegt hat und die angegriffene Marke aufgrund eines weiteren Widerspruchs gelöscht wird. In Widerspruchs- und Löschungs-Beschwerdeverfahren vor dem EUIPO trägt nach Art. 109 UMV generell die unterlegene Partei die Kosten des Verfahrens. 3. Durchgriffsbeschwerde Eine besondere Art der Beschwerde ist die sog. Durchgriffsbeschwerde gem. § 66 Abs. 3 MarkenG. Sie ist statthaft, wenn das DPMA in einem Erinnerungsverfahren nicht binnen 6 Monaten nach Einlegung der Erinnerung über diese entschieden hat, um die Dauer der Verfahren vor dem DPMA nicht über Gebühr auszudehnen. In einseitigen Verfahren muss beim DPMA ein Antrag auf Entscheidung gestellt werden. Führt dieser nicht innerhalb von 2 Monaten zu einer Entscheidung, kann Beschwerde gegen den Beschluss des DPMA eingelegt werden. In kontradiktorischen-- also mehrseitigen Verfahren-- ist die Einlegung einer Durchgriffsbeschwerde gem. § 66 Abs. 3 Satz 1 und 2 MarkenG frühestens 10 Monate nach Einlegung der Erinnerung möglich. Auch hier muss ein Antrag auf Entscheidung gestellt werden und dieser nicht innerhalb von 2 Monaten zu einer Entscheidung geführt haben. Hat ein weiterer Verfahrensbeteiligter ebenfalls Erinnerung eingelegt, so bedarf die Durchgriffsbeschwerde der Einwilligung durch diesen Beteiligten, die dem Beschwerdeantrag beizufügen ist. Legt der einwilligende andere Beteiligte nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zustellung der Beschwerde gem. § 66 Abs. 4 Satz 2 MarkenG ebenfalls Beschwerde ein, so gilt seine Erinnerung als zurückgenommen. Mit dieser Regelung wird verhindert, dass ein Rechtsstreit in mehreren Instanzen anhängig ist. Bei den Beteiligten muss es sich um den Markeninhaber und einen Widersprechenden handeln, da sich zwei Beteiligte, die beide Widerspruch gegen die Marke eines Dritten eingelegt haben, nicht gegenüberstehen. 355 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 71 Rdn. 17. 336 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer III. Rechtsbeschwerde 1. Überblick Das Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem BGH wird in den §§ 83-90 des Abschnittes 6 des MarkenG behandelt. Sie entsprechen fast immer wortwörtlich den entsprechenden Regelungen der §§ 100-109 PatG. Gegen die Beschlüsse der Beschwerdesenate des BP atG, durch die über eine Beschwerde gegen die Beschlüsse der Markenstellen oder der Markenabteilungen des DPMA (§ 66 MarkenG) entschieden wird, findet die Rechtsbeschwerde an den BGH statt, sofern der Beschwerdesenat die Rechtsbeschwerde in dem Beschluss zugelassen hat (§ 83 Abs. 1 MarkenG). Sie ist dann zuzulassen, wenn gem. § 83 Abs. 2 MarkenG ▶ eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder ▶ die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert. Eine zulassungsfreie Rechtsbeschwerde zum BGH ist möglich, wenn gerügt wird, dass ▶ das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war, ▶ bei einem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war, ▶ einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war, ▶ ein Beteiligter am Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat, ▶ der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschrift über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden ist oder ▶ der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist (§ 83 Abs. 3 MarkenG). Die zugelassene Rechtsbeschwerde gem. § 83 Abs. 1 u. 2 MarkenG dient dem allgemeinen öffentlichen Interesse an der Rechtsfortschreibung sowie der grundsätzlichen Klärung von Rechtsfragen sowie der Vereinheitlichung der Rechtsprechung. Im Gegensatz hierzu verwirklicht die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde den individuellen Rechtsschutz insbesondere aufgrund von Verfahrensmängeln in der Vorinstanz. Die Rechtsbeschwerde zum BGH ist mit dem Rechtsmittel der Revision vergleichbar, so dass auf die einschlägigen Vorschriften in der ZPO zurückgegriffen wird. Die Rechtsbeschwerde hat aufschiebende Wirkung. Statthaft ist eine Anschlussrechtsbeschwerde durch den Rechtsbeschwerdegegner innerhalb eines Monats nach Zustellung der Rechtsbeschwerdebegründung. Sie muss analog der ZPO innerhalb dieser Frist begründet werden. 337 § 52 Verfahrensvorschriften, Beschwerde, Rechtsbeschwerde Fischer 2. Rechtsbeschwerdeverfahren Die Rechtsbeschwerde steht allen am Beschwerdeverfahren Beteiligten zu und kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss über die Beschwerde des BP atG auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 84 MarkenG). Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim BGH schriftlich einzulegen und zu begründen. Die Begründungsfrist beträgt 1 Monat ab Einlegung der Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag verlängert werden (§ 85 Abs. 1 u. 3 MarkenG). Die Vertretung vor dem BGH muss durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten erfolgen. Auf Antrag eines Beteiligten ist seinem Patentanwalt das Wort zu gestatten (§ 85 Abs. 5 MarkenG). Von Amts wegen prüft der BGH gem. § 86 MarkenG die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde sowie die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form und Frist einschließlich des Vorliegens einer Begründung. Liegen die Voraussetzungen nicht vor, so ist die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Sind an dem Rechtsbeschwerdeverfahren mehrere Personen beteiligt, so wird die Beschwerdeschrift sowie -begründung den anderen Beteiligten mit der Aufforderung zugestellt, innerhalb einer bestimmten Frist sich hierzu schriftlich zu erklären (§ 87 Abs. 1 MarkenG). Abs. 2 des § 87 MarkenG ermöglicht es dem Präsidenten des DPMA analog § 68 Abs. 1 MarkenG, Erklärungen zur Wahrung des öffentlichen Interesses abzugeben, an den Terminen teilzunehmen und in ihnen Ausführungen zu machen. Hat der Präsident des DPMA bereits in dem Beschwerdeverfahren gem. § 68 Abs. 2 MarkenG die Beteiligtenstellung erlangt, so ist er auch in der Rechtsbeschwerde Verfahrensbeteiligter. Als Nichtbeteiligter im Beschwerdeverfahren kann er die Beteiligtenstellung im Verfahren vor dem BGH nicht erlangen. Die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ergeht durch Beschluss und kann auch ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 89 MarkenG), wobei der BGH bei seiner Entscheidung an die in dem angefochtenen Beschluss getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden ist, es sei denn, dass in Bezug auf diese Feststellungen zulässige und begründete Rechtsbeschwerdegründe vorgebracht sind. Die Entscheidung ist zu begründen. Im Falle der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses ist die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, wobei das BP atG die rechtliche Beurteilung-- die der Aufhebung zugrunde liegt-- auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Hinsichtlich der Kosten sieht § 90 MarkenG vor, dass-- abweichend vom Beschwerdeverfahren vor dem BP atG-- der erfolglose Rechtsbeschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. IV. Wiedereinsetzung, Weiterbehandlung, Inlandsvertreter und sonstige Vorschriften 1. Wiedereinsetzung Das Institut der Wiedereinsetzung wird in § 91 MarkenG, der weitgehend § 123 PatG entspricht, geregelt. Demzufolge ist der Antragsteller auf Antrag wieder in den vorherigen Verfahrensstand einzusetzen, sofern er ohne Verschulden verhindert war, gegenüber dem DPMA oder BP atG eine Frist einzuhalten, deren Versäumung nach gesetzlicher Vorschrift 338 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer einen Rechtsnachteil zur Folge hat. Ausgeschlossen ist hiervon die Frist zur Erhebung des Widerspruchs sowie zur Zahlung der Widerspruchsgebühr. Zu dem Rechtsbegriff der Verhinderung ohne Verschulden gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung. 356 Die Wiedereinsetzung muss innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hindernisses unter Angabe der die Verhinderung begründenden Tatsache beantragt und die Tatsache im Laufe des Verfahrens glaubhaft gemacht werden. Des Weiteren ist die versäumte Handlung innerhalb der Antragsfrist nachzuholen, wobei die Wiedereinsetzung in diesem Fall auch ohne Antrag gewährt werden kann. Die Möglichkeit der Wiedereinsetzung besteht maximal 1 Jahr nach Ablauf der versäumten Frist. Über die Wiedereinsetzung selbst beschließt die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat. Abweichend von § 123 Abs. 1 Satz 2 PatG gilt der Ausschluss der Wiedereinsetzung nicht für die Frist zur Einlegung der Beschwerde eines Widersprechenden gegen die den Widerspruch zurückweisende Entscheidung. Die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand ist nicht möglich gegen die Versäumung der Frist gegen den Weiterbehandlungsantrag gem. § 91a Abs. 3 MarkenG sowie die Frist zum Einspruch gegen die Eintragung von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen in das von der EU -Kommission geführte Verzeichnis (gem. § 132 Abs. 2 MarkenG) einschließlich der Frist zur Zahlung der entsprechenden Einspruchsgebühr. 2. Weiterbehandlung Im Markenanmeldungsverfahren ist auch mit Inkrafttreten am 1. 1. 2005 die Weiterbehandlung einer Markenanmeldung möglich, die nach Versäumung einer vom DPMA bestimmten Frist zurückgewiesen worden ist. Der Antrag auf Weiterbehandlung ist innerhalb einer Frist von 1 Monat nach Zustellung der Entscheidung über die Zurückweisung der Markenanmeldung zu stellen und die versäumte Handlung innerhalb dieser Frist nachzuholen. Eine Wiedereinsetzung ist in diese Fristen nicht möglich. Des Weiteren muss eine Weiterbehandlungsgebühr (§ 91a i. V. m. Nr. 333 050 GebVerz. zu § 2 Abs. 1 PatKostG) innerhalb der in § 91a Abs. 2 MarkenG vorgesehenen Frist eingezahlt werden. Über die Weiterbehandlung entscheidet-- wie auch bei dem Antrag auf Wiedereinsetzung-- die Stelle, die über die nachgeholte Handlung zu beschließen hat mit der Rechtsfolge, dass bei Stattgabe der Zurückweisungsbeschluss wirkungslos wird, ohne ausdrücklich aufgehoben zu werden. § 91a ist-- wie die Parallelvorschrift des § 123a PatG-- dem Art. 121 EPÜ nachgebildet. Die Weiterbehandlung ist in Art. 105 UMV vergleichbar enthalten. 356 Kommentiert u. a. in Kober-Dehm in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 91 Rdn. 10-19; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 91 Rdn. 10-25; Donle in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 91 Rdn. 6-8; Gruber in Kur / v.Bomhard / Albrecht (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 91 Rdn. 15-24. 339 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer 3. Inlandsvertreter Wer als natürliche Person weder Wohnsitz noch Niederlassung oder als juristische Person oder Personengesellschaft weder Sitz noch Niederlassung in Deutschland hat, benötigt einen Inlandsvertreter, um an einem Verfahren vor dem DPMA oder dem BP atG teilnehmen oder Rechte aus einer Marken geltend machen zu können (§ 96 MarkenG). Als Inlandsvertreter können Rechts- und Patentanwälte oder Vertreter aus anderen EU - oder EWR -Mitgliedsstaaten-- sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen und in Deutschland einen Rechts- oder Patentanwalt als Zustellungsbevollmächtigten bestellt haben-- bevollmächtigt werden. § 96 Abs. 3 MarkenG regelt, dass der Ort, an dem ein bestellter Vertreter seinen Geschäftsraum hat oder in Ermangelung eines Geschäftsraumes seinen Wohnsitz hat, i. S. des § 23 ZPO als der Ort gilt, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet. Hat auch der bestellte Vertreter weder Geschäftsraum noch Wohnsitz im Inland, so gilt der Sitz des DPMA als Ort, an dem sich der Vermögensgegenstand befindet. Diese Regelung zum Inlandsvertreter entspricht dem § 25 PatG, der im Übrigen seine Entsprechung auch in Art. 119 Abs. 2 UMV hat, wobei dort die Vertretung auswärtiger juristischer Personen auch durch Angestellte eines verbundenen Unternehmens mit Sitz oder Niederlassung in der Union zulässig ist. 4. Weitere Vorschriften Der Abschnitt 7 des MarkenG über gemeinsame Vorschriften enthält weitere Vorschriften über die Wahrheitspflicht in amtlichen bzw. gerichtlichen Verfahren (§ 92 MarkenG), die deutsche Amts- und Gerichtssprache (§ 93 MarkenG) sowie über Zustellungen (§ 94 MarkenG), zu leistende Rechtshilfe (§ 95 MarkenG) sowie die Möglichkeit, elektronische Dokumente einzureichen (§ 95a MarkenG). § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken I. Überblick Kollektivmarken werden in Teil 4 des MarkenG in §§ 97-106 MarkenG behandelt. Unionskollektivmarken sind im Titel VIII , Art. 66-74 UMV geregelt. Die Vorschriften zu Kollektivmarken der UMV sowie des MarkenG gehen auf Art. 28 Abs. 1 der Marken RL zurück, die den Mitgliedsstaaten zugesteht, für Kollektiv-, Garantie- oder Gewährleistungsmarken weitere Schutzhindernisse vorzusehen. Nach Art. 28 Abs. 4 Marken RL können die Mitgliedsstaaten geografische Herkunftsangaben zur Eintragung als Kollektiv-, Gewährleistungs- oder Garantiemarke zulassen. 357 Alle Vorschriften des MarkenG finden gem. § 97 Abs. 2 Anwendung auch auf Kollektivmarken, sofern in Teil 4 MarkenG nichts anderes bestimmt ist. Neben der Ergänzung zur Markenfähigkeit werden die Regelungen in Bezug auf absolute Schutzhindernisse durch die §§ 97 Abs. 1 und 99 MarkenG (geografische Herkunftsangaben als Kollektivmarken) modifiziert. Restriktivere Voraussetzungen gelten für die Inhaberschaft von 357 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 102. 340 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Kollektivmarken, sowie im Hinblick auf die amtlichen Gebühren, die für Kollektivmarken generell wesentlich höher ausfallen (§ 64a i. V. m. GebVerz. zu § 2 PatKostG). Als Kollektivmarken können als Marke schutzfähigen Zeichen im Sinne des § 3 MarkenG eingetragen werden, die-- im Unterschied zu allen anderen nach § 3 MarkenG schutzfähigen Zeichen- - geeignet sind, die Waren oder Dienstleistungen der Mitglieder des Inhabers der Kollektivmarke von denjenigen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geografischen Herkunft, ihrer Art, ihrer Qualität oder ihren sonstigen Eigenschaften zu unterscheiden. Kollektivmarken dienen in erster Linie dazu, einer Gruppe von Interessenten-- z. B. kleiner oder mittlerer Unternehmen oder Unternehmen einer bestimmten Region-- die Möglichkeit zu geben, ein Zeichen zu schaffen, das die Funktion hat, auf bestimmte Eigenschaften der mit der Kollektivmarke verbundenen Waren oder Dienstleistungen oder ihrer geografischen Herkunft hinzuweisen und nicht auf die Herkunft aus einem bestimmten Betrieb. Beispiele sind im Bereich der Möbel das Zeichen „ WKS “ oder im Lebensmittelbereich die bekannte Qualitätsmarke „Golden Toast“. Nicht selten werden Kollektivzeichen als Gütezeichen verwendet, welche bestimmte für die Güte der Waren oder Dienstleistungen wesentliche Eigenschaften erfüllen, die von neutralen, außerhalb des gewerblichen Gewinnstrebens stehenden zuständigen Stellen an objektiven Maßstäben überprüft worden sind. 358 Hierfür notwendig ist eine sog. „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ einer Prüfstelle wie z. B. dem „Deutschen Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung e. V.“ oder einer anderen neutralen Kontrollinstanz wie dem „Deutschen Institut für Normung“ ( DIN ) oder dem „Technischen Überwachungsverein“ ( TÜV ). Wie bereits die frühere Marken RL v. 22. 10. 2008 sieht auch die neugefasste Marken RL 2015 / 2436 optional die Einführung einer Gewährleistungsmarke als weitere Markenkategorie neben der Individual- und Kollektivmarke vor. Gem. Art. 28 Abs. 2 Marken RL ist eine Gewährleistungsmarke eine Marke, die bei der Anmeldung als solche benannt wird und geeignet ist, die Waren und Dienstleistungen, für die der Inhaber der Marke das Material, die Art und Weise der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen, die Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften gewährleistet, von solchen zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. Gütesiegel oder Prüfzeichen neutraler Zertifizierungsunternehmen können somit markenrechtlichen Schutz erlangen. Die Unionsgewährleistungsmarke wurde mit der am 23. 10. 2016 in Kraft getretenen UMV zum 1. 10. 2017 eingeführt (Art. 83-93 UMV , Art. 17 UMDV ). Ab diesem Zeitpunkt können Unionsgewährleistungsmarken mit Wirkung für die gesamte europäische Union beim EUIPO angemeldet und als ältere Rechte gemäß §§ 9, 125b Nr. 1 MarkenG auch in deutschen Verfahren geltend gemacht werden. Mit Inkrafttreten des MaMoG kann auch in Deutschland eine nationale Gewährleistungsmarke angemeldet werden. Hierfür wurde ein neuer Teil 5 „Gewährleistungsmarken“ mit den §§ 106a-h ins MarkenG eingefügt (Nr. 66 MaMoG). 358 BP atG BP at GE , 28, 139 „Gütezeichenverband“. 341 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer Im Vergleich zur Individual- und Kollektivmarke steht bei der Gewährleistungsmarke nicht die Herkunftsfunktion, sondern die Garantiefunktion im Vordergrund. Der Markeninhaber übt selbst keine Tätigkeit aus, die die Produktion oder Verbreitung gekennzeichneter Produkte umfasst (sog. Neutralitätsgebot), sondern nur die Funktion des Zertifizierers. Gewährleistungsmarken dienen damit nicht als Herkunftshinweis auf ein bestimmtes Unternehmen (oder Kollektiv) sondern unterscheiden Produkte einer bestimmten gewährleisteten Qualität von anderen Produkten ohne diese Gewährleistung. Im Gegensatz zu den Individual- und Kollektivmarken dient eine Gewährleistungsmarke nicht als Hinweis auf die betriebliche Herkunft von Waren und / oder Dienstleistungen, sondern auf die Gewährleistung der Eigenschaften der geschützten Waren und / oder Dienstleistungen. II. Eintragungsvoraussetzungen 1. Unterscheidungskraft Nach § 97 Abs. 1 MarkenG genügt für die Unterscheidungskraft von Kollektivmarken, dass diese die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen von denen anderer Unternehmen nach ihrer betrieblichen oder geografischen Herkunft, nach Art, ihrer Qualität oder sonstigen Eigenschaften unterscheiden können. Gem. § 106a MarkenG (n. F.) gewährleistet der Inhaber der Gewährleistungsmarke bei ihrer Anmeldung für die Waren und Dienstleistungen, für die sie angemeldet wird, mindestens eine der folgenden Eigenschaften: Material, Art und Weise der Herstellung der Waren oder Erbringung der Dienstleistungen, Qualität, Genauigkeit oder andere Eigenschaften mit Ausnahme der geografischen Herkunft. Die Marke muss geeignet sein, Waren und Dienstleistungen, für die die Gewährleistung besteht, von solchen Marken zu unterscheiden, für die keine derartige Gewährleistung besteht. 2. Inhaberschaft und Markensatzung Die Inhaberschaft von Kollektivmarken können rechtsfähige Verbände innehaben (§ 98 MarkenG), denen juristische Personen des öffentlichen Rechts gleichgestellt sind. Auch rechtsfähige Dachverbände und Spitzenverbände, deren Mitglieder selbst Verbände sind, können Inhaber angemeldeter oder eingetragener Kollektivmarken sein. Die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft als auch die Bedingungen für die Benutzung der Kollektivmarke sind in einer Markensatzung zu regeln, die gem. § 102 Abs. 2 MarkenG mindestens enthalten muss: ▶ Name und Sitz des Verbandes, ▶ Zweck und Vertretung des Verbandes, ▶ Voraussetzung für die Mitgliedschaft, ▶ Angaben über den Kreis der zur Benutzung der Kollektivmarke befugten Personen, ▶ die Bedingung für die Benutzung der Kollektivmarke und 342 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer ▶ Angaben über die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Falle von Verletzungen der Kollektivmarke. Sofern die Kollektivmarke aus einer geografischen Herkunftsangabe besteht, muss in der Satzung gem. § 102 Abs. 3 MarkenG vorgesehen werden, dass jede Person- - deren Waren oder Dienstleistungen aus dem entsprechenden geografischen Gebiet stammen und den in der Markensatzung enthaltenen Bedingungen für die Benutzung der Kollektivmarke entsprechen- - Mitglied des Verbandes werden kann und in den Kreis der zur Benutzung der Kollektivmarken befugten Person aufzunehmen ist. Im Anmeldeverfahren einer Kollektivmarke werden zusätzlich die besonderen Voraussetzungen der §§ 97, 98 und 102 MarkenG geprüft. Die Markensatzung wird hinsichtlich eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten überprüft (§ 103 MarkenG). Jegliche spätere Änderung der Markensatzung ist gem. § 104 MarkenG dem DPMA zur Prüfung vorzulegen. Natürliche oder juristische Personen können eine Gewährleistungsmarke anmelden (§ 106b MarkenG (n. F.), sofern sie keine gewerbliche Tätigkeit ausüben, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung besteht, umfasst. Daher ist der Anmeldung-- wie auch bei der Unionsgewährleistungsmarke (Art. 84 UMV i. V. m. Art. 17 UMDV )-- eine Satzung beizufügen, die mindestens enthalten muss (§ 106b Abs.2 MarkenG n. F.): ▶ Name und Adresse des Inhabers der Gewährleistungsmarke, ▶ eine Erklärung des Inhabers der Gewährleistungsmarke, selbst keine Tätigkeit auszuüben, die die Lieferung von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung übernommen wird, umfasst, ▶ eine Wiedergabe der Gewährleistungsmarke, ▶ die Waren und Dienstleistungen, für die eine Gewährleistung bestehen soll, ▶ Angaben darüber, welche Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen von der Gewährleistung umfasst werden, ▶ die Bedingungen für die Benutzung der Gewährleistungsmarke, ▶ Angaben über den Kreis der zur Benutzung der Gewährleistungsmarke befugten Personen, ▶ die Art und Weise, in der der Inhaber der Gewährleistungsmarke die von der Gewährleistung umfassten Eigenschaften zu prüfen und die Benutzung der Marke zu überwachen hat und ▶ Angaben über die Rechte und Pflichten der Beteiligten im Falle von Verletzungen der Gewährleistungsmarke, insbesondere über Sanktionen. Die Anmeldung einer Gewährleistungsmarke wird vom DPMA geprüft (§ 106e MarkenG n. F.), ob absolute Schutzhindernisse bestehen, die Voraussetzungen der §§ 106a (Gewährleistung des Inhabers), 106b Abs. 1 (Inhaberschaft) oder § 106d (Satzung) erfüllt sind, die Markensatzung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt oder die Gefahr 343 § 53 Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken Fischer der Irreführung besteht. Spätere Änderungen der Satzung sind dem DPMA mitzuteilen und werden erst nach Eintragung in das Register wirksam (§ 106f MarkenG n. F.). 3. Geltendmachung von Rechten und Schutzschranken Ein Mitglied des die Kollektivmarke innehabenden Verbandes kann nur mit dessen Zustimmung gem. § 101 MarkenG Verletzungsklage erheben, sofern in der Markensatzung nichts anderes bestimmt ist. Der Kollektivmarkeninhaber kann auch den Schaden geltend machen, der dem berechtigten Benutzer der Kollektivmarke durch die verletzende Benutzung der Kollektivmarke oder eines ähnlichen Zeichens entstanden ist. Im Hinblick auf den Benutzungszwang regelt § 100 Abs. 2 MarkenG, dass die rechtserhaltende Benutzung schon dann gegeben ist, wenn die Kollektivmarke durch mindestens eine hierzu befugte Person oder den Inhaber der Kollektivmarke erfolgt ist. Zusätzlich zu den Schutzschranken, die sich aus § 23 MarkenG (Benutzung von Namen und beschreibenden Angaben) ergeben, gewährt die Eintragung einer geografischen Herkunftsangabe als Kollektivmarke ihrem Inhaber nicht das Recht, Dritten zu untersagen, Herkunftsangaben im geschäftlichen Verkehr zu benutzen, sofern die Benutzung den guten Sitten entspricht und nicht gegen den Schutz von geografischen Herkunftsangaben (gem. § 127 MarkenG) verstößt. Die ernsthafte Benutzung einer Gewährleistungsmarke durch mindestens eine befugte Person gilt als Benutzung i. S. des § 26 MarkenG (§ 106b Abs. 2 MarkenG). Eine entsprechende Vorschrift findet sich für Unionsgewährleistungsmarken in Art. 87 UMV. Wegen des Neutralitätsgrundsatzes ist eine solche klarstellende Vorschrift zwingend erforderlich, da der Inhaber einer Gewährleistungsmarke gerade nicht Hersteller bzw. Erbringer der von der Gewährleistung umfassten Waren bzw. Dienstleistungen sein darf und deshalb von der Benutzung der Marke selbst ausgeschlossen ist. § 106c MarkenG (n. F.) enthält Regelungen zur Klagebefugnis und zur Geltendmachung von Schadensersatz, die an die entsprechenden Normen für Kollektivmarken in § 101 MarkenG angelehnt sind. Gem. § 106c Abs. 1 MarkenG (n. F.) kann eine zur Benutzung der Gewährleistungsmarke berechtigte Person Klage wegen Verletzung der Gewährleistungsmarke nur mit Zustimmung ihres Inhabers erheben, soweit in der Markensatzung nichts anderes bestimmt ist. Diese Regelung entspricht im Wesentlichen Art. 90 UMV , wonach nur der Inhaber einer Unionsgewährleistungsmarke oder eine speziell von ihm hierzu ermächtigte Person eine Verletzungsklage erheben kann. Nach § 106c Abs. 2 MarkenG (n. F.) kann der Inhaber einer Gewährleistungsmarke Schadensersatz verlangen, der den zur Benutzung der Gewährleistungsmarke berechtigten Personen aus der unbefugten Benutzung der Gewährleistungsmarke oder eines ähnlichen Zeichens entstanden ist. Eine parallele Vorschrift für Kollektivmarken ist in Art. 80 Abs. 2 UMV verankert. 344 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer 4. Löschungsgründe Die Löschung einer Kollektivmarke wegen Verfalls bzw. wegen absoluter Schutzhindernisse wird in den §§ 105 und 106 MarkenG geregelt. Über die in § 49 MarkenG genannten Verfallsgründe kann eine Kollektivmarke auf Antrag wegen Verfalls gelöscht werden, wenn ▶ der Inhaber der Kollektivmarke nicht mehr besteht, ▶ der Inhaber der Kollektivmarke keine geeigneten Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass die Kollektivmarke missbräuchlich in einer den Verbandszwecken oder der Markensatzung widersprechenden Weise benutzt wird oder ▶ eine Änderung der Markensatzung nicht mehr den Voraussetzungen entspricht, wie sie in §§ 102 und 103 MarkenG gefordert sind, es sei denn, dass die Markensatzung so geändert wird, dass der Löschungsgrund nicht mehr besteht. Der letzte Punkt trifft nur für ältere Satzungsänderungen zu, da jetzige Änderungen der Markensatzung nicht mehr ins Register eingetragen werden. Als eine missbräuchliche Benutzung ist anzusehen, wenn die Benutzung nicht befugter Personen geeignet ist, das Publikum zu täuschen (§ 105 Abs. 2 MarkenG). Der Inhaber der Kollektivmarke ist aufgefordert, Maßnahmen gegen eine missbräuchliche oder satzungswidrige Benutzung der Kollektivmarke einzuschreiten. Allerdings führt die bloße Untätigkeit des markeninnehabenden Verbandes nicht automatisch zu einer Löschung, sondern erst dann, wenn zuvor eine Aufforderung zum Einschreiten gegen die missbräuchliche oder satzungswidrige Benutzung erfolgt oder andere Umstände feststellbar sind, aus denen sich die Obliegenheit des Verbandes zum Tätigwerden eindeutig ergibt. 359 Das Löschungsverfahren wird nach § 105 Abs. 3 MarkenG durch den Verweis auf § 54 MarkenG ausschließlich vor dem DPMA durchgeführt, bei dem der Löschungsantrag zu stellen ist. Eine Kollektivmarke kann gem. § 106 MarkenG auf Antrag gelöscht werden, wenn eine der in § 50 MarkenG genannten Nichtigkeitsgründe besteht oder sie entgegen den Voraussetzungen der §§ 97, 98 und 102 MarkenG eingetragen worden ist. Betrifft der Nichtigkeitsgrund die Markensatzung, so wird die Kollektivmarke nur gelöscht, wenn der Kollektivmarkeninhaber die Markensatzung nicht so ändert, dass der Nichtigkeitsgrund nicht mehr besteht (§ 106 S. 2 MarkenG). Die Eintragung einer Gewährleistungsmarke wird gem. § 106g MarkenG (n. F.) außer aus den in § 49 MarkenG genannten Verfallsgründen auf Antrag beim DPMA auch in den folgenden Fällen für verfallen erklärt und gelöscht: ▶ wenn der Inhaber der Gewährleistungsmarke die Erfordernisse de Inhaberschaft nicht mehr erfüllt, und ▶ keine geeigneten Maßnahmen trifft, um zu verhindern, dass die Gewährleistungsmarke missbräuchlich in einer der Satzung widersprechenden Weise benutzt wird, insbesondere 359 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ 1994 (Sonderheft), 45, 104. 345 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer wenn die Nutzung durch andere als die zur Benutzung befugten Personen geeignet ist, das Publikum zu täuschen, ▶ wenn die Gewährleistungsmarke von berechtigten Personen so benutzt worden ist, dass die Gefahr besteht, dass das Publikum nach irregeführt wird, oder ▶ wenn eine Änderung der Gewährleistungsmarkensatzung entgegen § 106f Abs. 2 MarkenG (n. F.) in das Register eingetragen worden ist, es sei denn, dass der Inhaber der Gewährleistungsmarke die Gewährleistungsmarkensatzung erneut so ändert, dass der Löschungsgrund nicht mehr besteht. Das Löschungsverfahren richtet sich nach § 53 MarkenG. § 106h MarkenG (n. F.) regelt die Nichtigkeit von Gewährleistungsmarken wegen absoluter Schutzhindernisse. Nach S. 1 wird die Eintragung einer Gewährleistungsmarke außer aus den in § 50 MarkenG genannten Nichtigkeitsgründen auf Antrag für nichtig erklärt und gelöscht, wenn sie entgegen § 106e MarkenG (n. F.) eingetragen worden ist. Damit werden die zusätzlichen Eintragungshindernisse auch als zusätzliche Nichtigkeitsgründe berücksichtigt. Ist der Nichtigkeitsgrund in der Gewährleistungsmarkensatzung begründet, kann der Inhaber der Gewährleistungsmarke durch eine entsprechende Satzungsänderung die Löschung vermeiden. Eine Parallelvorschrift findet sich für Kollektivmarken in § 106 MarkenG. § 106h dient damit auch dem Regelungsgleichlauf von Kollektivmarken und Gewährleistungsmarken. § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme I. Gerichtsstand Die Legaldefinition von Kennzeichenstreitsachen findet sich in § 140 Abs. 1 MarkenG. Danach sind alle Klagen, durch die ein Anspruch aus einem im MarkenG geregelten Rechtsverhältnis geltend gemacht wird, eine Kennzeichenstreitsache. Für diese sind ausschließlich die Landgerichte zuständig. Ausgenommen sind Verfahren der Erklärung des Verfalls oder der Nichtigkeit, die gem. § 53 MarkenG nunmehr beim DPMA angesiedelt sind. Die ordentlichen Gerichte sind in diesen Fällen nur noch im Wege der Widerklage zuständig. In § 140 Abs. 2 MarkenG werden die Landesregierungen bzw. die Landesjustizverwaltungen ermächtigt, durch Rechtsverordnung oder Staatsvertrag die Zuständigkeit für Kennzeichenstreitsachen auf ein Landgericht zu konzentrieren. Von dieser Konzentrationsermächtigung haben die Landesregierungen Gebrauch gemacht, so dass-- wie auch in den anderen Schutzrechtsarten des gewerblichen Rechtsschutzes und dem UrhG-- bestimmte Landgerichte als Kennzeichenstreitgerichte festgelegt wurden. 360 Die Erstattungsfähigkeit der Gebühren und Auslagen eines Patentanwaltes, der in einer Kennzeichenstreitsache mitgewirkt hat, regelt § 140 Abs. 3 MarkenG. Der Verweis auf § 13 des RVG stellt sicher, dass die Gebühren eines Patentanwaltes grundsätzlich in gleicher Höhe erstattungs- und festsetzungsfähig wie die eines Rechtsanwaltes sind. 360 Eine Übersicht der Kennzeichenstreitgerichte findet sich im Tabu DPMA , Nr. 315. 346 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Im Falle einer Anspruchskonkurrenz zwischen Vorschriften des UWG und des MarkenG sieht § 141 MarkenG vor, dass Ansprüche auch an den Kennzeichenstreitgerichten geltend gemacht werden dürfen und nicht der Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach § 14 UWG folgen müssen. Fälle, in denen der Sachverhalt Tatbestände beider Gesetze erfüllt, treten beispielsweise in Fällen der Rufausbeutung oder der Bezug nehmenden Werbung auf. 361 II. Streitwertbegünstigung § 142 MarkenG regelt die Streitwertbegünstigung. Voraussetzung ist eine wirtschaftliche Lage des Antragstellers, die mit den gerichtlichen und außergerichtlichen Prozesskosten nach dem vollen Streitwert erheblich gefährdet würde. Nach Antrag und Glaubhaftmachung des Vorliegens der Voraussetzungen kann das Gericht die Gerichtskosten der Wirtschaftslage des Antragstellers anpassen. Gemäß § 142 Abs. 2 MarkenG schuldet der Antragsteller dann auch seinem Anwalt sowie-- im Falle des Unterliegens-- auch dem gegnerischen Anwalt Honorar nur nach dem Teilstreitwert. Obsiegt der Antragsteller, so trägt der Gegner die Kosten aus dem vollen Streitwert. III. Straf- und Bußgeldvorschriften Im Teil 8 (ab Inkrafttreten des MaMoG: Teil 9) Abschnitt 1 MarkenG sind die Straf- und Bußgeldvorschriften bei Verletzung von deutschen oder europäischen Kennzeichen sowie strafbare Benutzungshandlungen geografischer Herkunftsangaben geregelt. 1. Strafbare Kennzeichenverletzung In § 143 Abs. 1 Nr. 1-5 MarkenG werden alle kennzeichenrechtlichen Verletzungstatbestände aufgeführt, die der Strafbarkeit unterliegen. Alle Straftatbestände setzen Vorsatz voraus, wobei § 143 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3b MarkenG erhöhte Anforderungen an den Vorsatz in Bezug auf bekannte Marken stellen. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren oder eine Geldstrafe vor. Diese kann sich gem. Abs. 2 der gleichen Vorschrift-- wenn der Täter gewerbsmäßig handelt- - auf bis zu 5 Jahre Freiheitsentzug erhöhen. Strafbar ist nicht nur die vollendete Kennzeichenverletzung, sondern bereits der Versuch (§ 143 Abs. 3 MarkenG). Sofern eine gewerbsmäßige Kennzeichenverletzung vorliegt, wird die Verletzung von Amts wegen verfolgt, da i. d. R. ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung gegeben ist. Die rechtswidrig gekennzeichneten Waren können eingezogen werden. Durch Verweis auf die §§ 403 ff. St PO wird die Möglichkeit geschaffen, den Anspruch auf Vernichtung der rechtswidrig gekennzeichneten Waren nach § 18 MarkenG durchzusetzen. Auf Antrag und bei Nachweis eines berechtigten Interesses ist auch die Veröffentlichung der Verurteilung möglich (§ 143 Abs. 4-6 MarkenG). 361 v.Zumbusch in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 141, Rdn. 1. 347 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer Die strafbare Verletzung der Unionsmarke wird in § 143a MarkenG behandelt und ist § 143 MarkenG nachgebildet. Abs. 1 verweist auf Art. 9 Abs. 1 Satz 2 UMV und führt unter den Nummern 1-3 die Verletzungstatbestände dieser Vorschrift auf. Sind die Voraussetzungen erfüllt, drohen die gleichen o. g. Rechtsfolgen. 2. Strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben Die strafbare Benutzung geografischer Herkunftsangaben gem. § 144 MarkenG ergänzt den zivilrechtlichen Schutz geografischer Herkunftsangaben sowie die EG -Rechtsvorschriften (s. 4. Kap.). Ebenso wie bei den strafbaren Kennzeichenverletzungen ist bereits der Versuch strafbar. § 144 Abs. 4 MarkenG sieht als Sanktionen die Beschlagnahme und Vernichtung vor. Ebenso ist bei öffentlichem Interesse die Verurteilung zu veröffentlichen. 3. Bußgeldvorschriften In § 145 MarkenG werden zwei unabhängige Bußgeldtatbestände geregelt. Nach Abs. 1 handelt ordnungswidrig, wer im geschäftlichen Verkehr bestimmte Zeichen in identischer oder nachgeahmter Form benutzt, die staatliche Hoheitszeichen, Prüf- oder Gewährszeichen oder ein Siegel oder andere Bezeichnungen zur Kennzeichnung von Waren oder Dienstleistungen benutzt, wobei auf die Definitionen in § 8 Abs. 2 Nr. 6-8 MarkenG verwiesen wird. Die zweite Gruppe von Ordnungswidrigkeitstatbeständen ist in Abs. 2 aufgeführt. Demzufolge handelt derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig als Betriebsinhaber oder Leiter die Mitwirkungs- und Duldungspflichten in Bezug auf die Überwachung der Einhaltung der EU -Verordnung Nr. 1151 / 2012 zum Schutz geografischer Herkunftsangaben behindert bzw. seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. § 145 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dient der Durchsetzung weiterer Tatbestände einer etwaigen nationalen Rechtsverordnung zur Durchführung der EU -Verordnung Nr. 1151 / 2012. Eine entsprechende Verordnung ist jedoch bislang nicht erlassen worden. 362 IV. Beschlagnahme Grenzbeschlagnahmemaßnahmen sind völkerrechtlich in Art. 51-60 TRIPS sowie in Art. 9 PVÜ geregelt. Die Voraussetzungen und das Verfahren der Grenzbeschlagnahme durch die Zollbehörden werden in den §§ 146-151 MarkenG geregelt. Vorrang gegenüber diesen nationalen Regelungen haben europäische Normen wie die EU Produktpiraterieverordnung (Pr PVO ) 363 (s. 8. Abschnitt § 87 II 2b) ff)). Die nationalen Beschlagnahmeregeln nach §§ 146-149 MarkenG sind entsprechend anzuwenden, wenn in der Pr PVO nichts anderes bestimmt ist. 362 v.Zumbusch in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 145 Rdn. 3. 363 Verordnung ( EU ) Nr. 608 / 2013 v. 12. Juni 2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung ( EG ) Nr. 1383 / 2003 des Rates; AB l. EU 181 / 15 vom 29. 6. 2013. 348 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Der Beschlagnahme unterliegen widerrechtlich gekennzeichnete Waren, die mit einer geschützten Marke oder geschäftlichen Bezeichnung versehen sind. Die Beschlagnahme erfolgt auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung des Rechtsinhabers bei ihrer Einfuhr oder Ausfuhr durch die Zollbehörde, sofern es sich um eine offensichtliche Rechtsverletzung handelt. Aufgrund des Vorrangs der Pr PVO ist das nationale Recht nur in Fällen nicht eingetragener Marken, geschäftlicher Bezeichnungen und geografischen Herkunftsangaben, deren Beschlagnahme in § 151 MarkenG geregelt ist, anwendbar. Ordnet eine Zollbehörde die Beschlagnahme an, so unterrichtet sie unverzüglich den Antragsteller sowie den Verfügungsberechtigten. Das Post- und Briefgeheimnis (Art. 10 GG ) wird eingeschränkt, soweit dem Antragsteller Herkunft, Menge und Lagerort der Ware sowie Name und Anschrift des Verfügungsberechtigten mitgeteilt wird. Der Antragsteller kann die Ware besichtigen, soweit nicht in Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse eingegriffen wird. Wird der Beschlagnahme nicht binnen 2 Wochen nach Zustellung der genannten Mitteilung der Zollbehörde widersprochen, wird die Einziehung der beschlagnahmten Waren angeordnet (§ 147 MarkenG). Widerspricht der Verfügungsberechtigte der Beschlagnahme, hat der Antragsteller nach der Unterrichtung durch die Zollbehörde unverzüglich zu erklären, ob er den Antrag auf Beschlagnahmung aufrechterhält. Nimmt der Antragsteller seinen Antrag zurück, wird die Beschlagnahme aufgehoben. Wird der Beschlagnahmungsantrag aufrechterhalten und legt der Antragsteller eine vollziehbare gerichtliche Entscheidung vor, die eine Verwahrung der beschlagnahmten Waren oder eine Verfügungsbeschränkung anordnet, so werden die erforderlichen Maßnahmen von den Zollbehörden durchgeführt. In § 148 MarkenG sind die Zuständigkeiten für den Antrag sowie die Rechtsmittel gegen die Beschlagnahme und die Einziehung von Waren geregelt. Erweist sich jedoch die Beschlagnahme als von Anfang an ungerechtfertigt und ist der Beschlagnahmungsantrag aufrechterhalten worden, so ist der Antragsteller schadensersatzpflichtig (§ 149 MarkenG). Zu weiteren Einzelheiten wird auf die aktuelle Kommentierung verwiesen. 364 364 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, §§ 146-151; Eble in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, §§ 146-151; Vohwinkel in Kur / v.Bomhard / Albrecht (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, §§ 146-151. 349 § 54 Kennzeichenstreit-, Straf- und Bußgeldvorschriften, Beschlagnahme Fischer 3. Kapitel. Geschäftliche Bezeichnungen § 55 Überblick Als geschäftliche Bezeichnungen werden Unternehmenskennzeichen und Werktitel gem. § 5 Abs. 1 MarkenG unter Schutz gestellt (s. a. Abb. 4, S. 155) 365 . Geschäftliche Bezeichnungen waren vor Einführung des MarkenG im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 16 UWG a. F.) geregelt. Mit der Übernahme in das neue MarkenG waren inhaltliche Änderungen nicht vorgesehen. 366 Auf die hierfür entwickelte Rechtsprechung kann größtenteils zurückgegriffen werden. Der Namensschutz nach § 12 BGB ist neben den §§ 5, 15 MarkenG nicht anwendbar. 367 Der bürgerlich-rechtliche Namensschutz ist auf die Fälle beschränkt, in denen kein Handeln im geschäftlichen Verkehr vorliegt. 368 Unternehmenskennzeichen werden in § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG als Zeichen definiert, die im geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes oder eines Unternehmens benutzt werden. In Satz 2 des genannten Absatzes werden darüber hinaus weitere Kennzeichen unter Schutz gestellt, sofern diese innerhalb der beteiligten Verkehrskreise als Kennzeichen des jeweiligen Geschäftsbetriebes Verkehrsgeltung erlangt haben. Hierzu zählen Geschäftsabzeichen oder sonstige zur Unterscheidung des Geschäftsbetriebes von anderen Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen. Das materielle Firmenrecht des § 5 MarkenG ist unabhängig vom formellen Firmenrecht, wie es in den registerrechtlichen Regelungen des HGB (§§ 17 ff., 30, 37 HGB ) kodifiziert ist. Die Immaterialgüterrechte nach § 5 MarkenG entstehen außerhalb und unabhängig von der Handelsregistereintragung. 369 In § 5 Abs. 3 wird-- allerdings nicht abschließend-- aufgeführt, welche Werke unter dem Oberbegriff „Werktitel“ unter Schutz gestellt werden. Die europäische Marken RL ist ausdrücklich auf eingetragene Marken beschränkt (Art. 1 Marken RL ). Insoweit ist es systemkonform, dass sich in der UMV keine Regelungen in Bezug auf geschäftliche Bezeichnungen finden. Gleichwohl ist festzuhalten, dass aufgrund der zahlreichen Gemeinsamkeiten beim Schutz von eingetragenen Marken wie von geschäftlichen Bezeichnungen auch das Unionsmarkenrecht und insbesondere die markenrechtlichen Eu GH -Entscheidungen Einfluss auf firmenrechtliche Fragen haben. 370 Auch der BGH unterstützt die stärkere Vereinheitlichung und Konkordanz des Markenrechts mit dem der geschäftlichen Bezeichnungen. So wird z. B. auch nicht aussprechbaren Buchstabenfolgen als 365 Eine sehr detailierte Darstellung gibt Goldmann „Unternehmenskennzeichen“, Carl Heymanns Verlag, 2018. 366 Begründung zum Gesetzesentwurf MarkenG, Bl. f. PMZ (Sonderheft) 1994, 45, 61. 367 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 3; BGH GRUR 2009, 685 „ahd.de“. 368 BGH GRUR 2002, 622, 624 „shell.de“. 369 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 5 Rdn. 5; BGH GRUR 1983, 182 „Concordia-Uhren“. 370 Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 5. 350 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer geschäftlichen Bezeichnungen-- entgegen der früheren Rechtsprechung-- Schutz gewährt. 371 Jedenfalls ist die Benutzung eines Unternehmenskennzeichen auch zugleich eine Benutzung für Waren bzw. Dienstleistungen, wenn der Verkehr die Benutzung auch als produktbzw. dienstleistungsbezogenen Herkunftshinweis verstehen könnte oder wenn von dem Verkehr eine „Verbindung“ zwischen dem Unternehmenskennzeichen und den von einem Dritten vertriebenen Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird. 372 § 56 Unternehmenskennzeichen I. Name und Firma Unter Schutz gestellt sind in § 5 Abs. 2 Satz 1 Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, die Namen von Unternehmen („Handelsnamen“), die Firma als der Name eines Kaufmannes, unter dem er seine Geschäfte betreibt (§ 17 HGB ), einzelne Bestandteile von Handelsnamen oder Firmen- - sofern diese unterscheidungskräftig sind- - sowie Firmenschlagwörter, aber auch bürgerliche Namen, Spitznamen sowie Künstlernamen. Ebenfalls Schutz genießen die Namen aller juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts, Namen von Gewerkschaften und Parteien wie auch Gebietskörperschaften, Personengesellschaften sowie Gesellschaften bürgerlichen Rechts bis hin zu Gebäudenamen und Universitäten (s. a. Abb. 4, S. 155). Schutz genießen auch Teile von vollständigen im Handelsregister eingetragenen Firmen wie zum Beispiel „ GEFA “ aus „ GEFA Gesellschaft für Absatzfinanzierung mbH“. Sie genießen die Priorität der vollständigen Firma und sind selbständig kollisionsbegründend. 373 Voraussetzung für eine selbständige kollisionsbegründende Stellung eines Firmenschlagwortes bzw. Firmenbestandteiles ist es, dass dieser hinreichende Unterscheidungskraft aufweist und seiner Art nach im Vergleich zu allen übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen. Auf eine tatsächliche Benutzung des Bestandteils in Alleinstellung als Firmenschlagwort und erst recht auf eine Verkehrsgeltung kommt es daneben nicht an. 374 Firmenschlagwörter, die nicht Teil der Firma sind, jedoch vom Inhaber des Geschäftsbetriebes zu dessen Kennzeichnung herausgestellt verwendet werden, genießen als besondere Geschäftsbezeichnung-- sofern sie unterscheidungskräftig sind-- Schutz 375 . Als Beispiel mag das Schlagwort „ TUI “ als aus den Firmenbestandteilen „Touristik Union International“ gebildete Abkürzung gelten. Wird ein Firmenschlagwort vom Inhaber des Unternehmens nicht besonders herausgestellt, so ist für einen selbständigen Schutz die Verkehrsgeltung Voraus- 371 BGH GRUR 2001, 344, 345 „ DB Immobilienfonds“. 372 Eu GH GRUR 2007, 971 Rdn. 23 „Céline“. 373 BGH GRUR 1985, 461 „ GEFA / GEWA “ und Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 8, dort m. w. Nachw. 374 BGH GRUR 2005, 262, 263 „soco.de“ sowie Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 47; BGH GRUR 2009, 772, 778 (Nr. 75) „Augsburger Puppenkiste“. 375 BGH GRUR 2016, 705 Rdn. 19 „ConText“. 351 § 56 Unternehmenskennzeichen Fischer setzung. Der Zeitrang von Firmenschlagworten, die nicht Teil des Gesamtfirmennamens sind, richtet sich bei besonderer Herausstellung durch den Inhaber nach der Aufnahme der Benutzung und nicht nach dem Zeitrang der Gesamtfirma. Zu den besonderen Geschäftsbezeichnungen zählt auch die sog. „Etablissementbezeichnung“, die nach Art eines Namens individualisierend auf ein Objekt als organisatorische Einheit hinweist. Typisch sind derartige Etablissementbezeichnungen in der Gaststätten- und Hotelbranche. In diesem Fall sind auch an die notwendige Unterscheidungskraft nicht allzu hohe Anforderungen zu stellen, da sie in der Regel nur in einem eng umgrenzten örtlichen Gebiet Schutz genießen. 376 Generell hat die besondere Geschäftsbezeichnung ihre Bedeutung für all diejenigen Gewerbetreibenden, die keine Firma im Sinne der §§ 17 ff. HGB führen. II. Geschäftsabzeichen Die unter § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG geschützten Geschäftsabzeichen sind als Unternehmenskennzeichen zu verstehen, die nicht zur namensmäßigen Kennzeichnung des Unternehmensinhabers, des Unternehmens bzw. einem Geschäftsbetrieb dienen, aber dennoch zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben beitragen, 377 weshalb für sie Verkehrsgeltung erforderlich ist, um gesetzlichen Schutz zu genießen. Als Geschäftsabzeichen kommen reine Bildelemente (Logos, Telefonnummern, Werbesprüche oder die charakteristische Architektur eines Geschäftslokales) wie auch sog. „Hausfarben“ in Frage, jedoch nur, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt haben. 378 III. Verkehrsgeltung Im Gegensatz zu Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, die unterscheidungskräftig sind, können Geschäftsabzeichen und sonstige zur Unterscheidung von Geschäftsbetrieben bestimmte Zeichen erst dann Schutz genießen, wenn sie Verkehrsgeltung erlangt haben. Diese Verkehrsgeltung muss innerhalb der beteiligten Verkehrskreise erreicht worden sein, zu denen all diejenigen gehören, die mit dem Benutzer und / oder Inhaber des Zeichens im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 2 MarkenG in Konkurrenz oder geschäftlichen Verkehr stehen. Sind private Endverbraucher betroffen, gehören auch diese zu den Verkehrskreisen. Etwas anderes gilt, wenn das in Rede stehende Unternehmen ausschließlich im B2B-Bereich tätig ist. Nach überwiegender Kommentarmeinung reiche es für Unternehmenskennzeichen mit Namensfunktion, jedoch ohne originäre Unterscheidungskraft, aus, Verkehrsgeltung zu erlangen, um Schutz zu genießen. 379 Dabei ist jene Verkehrsgeltung gemeint, die auch in § 4 Nr. 2 MarkenG für Benutzungsmarken erforderlich ist. Zu unterscheiden ist sie von der Verkehrsdurchsetzung, für deren Erlangung wesentlich höhere Hürden zu überwinden sind. 376 BGH GRUR 1995, 507, 508 „City-Hotel“; BGH GRUR 2003, 792, 793 „Festspielhaus II “. 377 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 11. 378 Entscheidungen hierzu siehe Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 31. 379 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 54; Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 52; BGH GRUR 2004, 514, 515 „Telekom“. 352 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Dies wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Verkehrsdurchsetzung zur Überwindung des Freihaltebedürfnisses einen hohen Durchsetzungsgrad erfordert. 380 Letztendlich hängt der erforderliche Durchsetzungsgrad immer vom Einzelfall ab, wobei auch qualitative Kriterien wie Markenanteil, Werbeaufwendung und Verbreitungsgebiet eine wesentliche Rolle spielen. 381 Sofern ein hinreichend abgegrenzter Wirtschaftsraum vorhanden ist, wird in der Rechtsprechung eine regional oder örtlich bestehende Verkehrsgeltung für die Entstehung eines territorial entsprechend eingeschränkten Schutzes anerkannt. Typisch ist diese regionale oder örtlich begrenzte Verkehrsgeltung für Restaurants, Hotels, aber auch Brauereien, Friseure oder ähnliche Unternehmungen bzw. Etablissements. IV. Räumlicher Schutzbereich Das materielle Firmenrecht genießt Schutz im gesamten Gebiet Deutschlands, wenn die Benutzung praktisch im gesamten Bundesgebiet erfolgt. Bei Unternehmen, die regional oder nur lokal tätig sind, ist der territoriale Schutzbereich-- wie bereits oben ausgeführt-- beschränkt, wobei auch die natürliche künftige Ausdehnungstendenz in Bezug auf den territorialen Schutzumfang zu berücksichtigen ist. Typischerweise handelt es sich hier um sog. Platzgeschäfte, wie z. B. von Fahrschulen, Sprachschulen, Theatern, Stadtwerken 382 oder Krankenhäusern. Bei der Kollision von jüngeren bundesweit benutzen Kennzeichen im Verhältnis zu örtlich begrenzten Schutzrechten ist eine Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der Verwechslungsgefahr vorzunehmen. 383 Auch die Benutzung einer geschäftlichen Bezeichnung im Internet bei ansonsten nur lokaler tatsächlicher Benutzung führt noch nicht zu einem bundesweiten wirksamen Schutzrecht. 384 V. Entstehen und Erlöschen von Unternehmenskennzeichen Der Schutz von Unternehmenskennzeichen entsteht durch die Benutzungsaufnahme von unterscheidungskräftigen Kennzeichen im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG durch das Unternehmen bzw. die Person, die dieses Zeichen in Benutzung nimmt. Da materielles und formelles Firmenrecht voneinander unabhängig sind, kommt es auf die Eintragung der Firma im Handelsregister nicht an. Auch eine Vorgesellschaft kann einen Kennzeichenschutz durch die Benutzungsaufnahme begründen, sofern sich eine dauernde wirtschaftliche Betätigung anschließt, die nach außen in Erscheinung tritt. Eine allein markenmäßige Benutzung reicht für die Entstehung eines Unternehmenskennzeichenschutzes nicht aus. 380 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 22. 381 Eu GH GRUR 1999, 723, 727 „Chiemsee“. 382 OLG Hamburg GRUR - RR 2010, 208, 209 „Stadtwerke Uetersen“. 383 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), Markenrecht, Kommentar, § 5 Rdn. 29. 384 BGH GRUR 2005, 262, 263 Rdn. 7 „soco.de“. 353 § 56 Unternehmenskennzeichen Fischer Ein Unternehmenskennzeichen erlischt, wenn die Benutzung dauerhaft eingestellt wird. Eine zeitweise Unterbrechung der Benutzung ist unbeachtlich, wenn nach der Verkehrsauffassung die Unterbrechung als nur vorübergehend angesehen wird. 385 Bei Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ist sogar eine Unterbrechung, die über 50 Jahre andauert, unschädlich, die Kennzeichenrechte mit der ursprünglichen Priorität wieder aufleben zu lassen (wie im Falle eines altehrwürdigen, berühmten Hotels 386 in Berlin). Wird das Geschäft des Geschäftsbetriebes geändert, erlischt die Priorität des für die ursprünglichen Tätigkeiten erworbenen Schutzes. Für die neuen Tätigkeiten entsteht eine neue Priorität. Eine Änderung der Rechtsform wie auch die Verschmelzung von Unternehmen führt zu keiner Änderung der Priorität, solange der Rechtsnachfolger den Geschäftsbetrieb mit der Unternehmenskennzeichnung aufrechterhält. Bei Unternehmenskennzeichen, bei denen eine Verkehrsgeltung erforderlich ist, erlischt der Schutz mit dem Verlust der Verkehrsgeltung. Ein Verlust tritt auch ein, wenn die originäre Kennzeichnungskraft verloren geht. VI. Übertragbarkeit und Lizenz Die Firma im Sinne des § 17 HGB ist akzessorisch zu dem damit gekennzeichneten Handelsgeschäft, sie kann ohne dieses nicht veräußert werden (§ 23 HGB ). Eine Übertragung des Namensrechtes eines Unternehmens ohne dazugehörigen Geschäftsbetrieb ist nichtig. Eine Übertragung mit nur einem Teil des Geschäftsbetriebes ist möglich, solange es nicht zu einer Aufspaltung oder Vervielfältigung der Firma führt. 387 Anders als die freie Übertragbarkeit von Marken hat der BGH die Bindung des Unternehmenskennzeichens an den Geschäftsbetrieb ausdrücklich bestätigt. 388 Der Inhaber eines Unternehmenskennzeichens kann einem Dritten eine Lizenz zur Benutzung des Kennzeichens einräumen. Diese schuldrechtliche Gestattung wird als Verzicht der Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Unternehmenskennzeichen gewertet. Allerdings entsteht mit Aufnahme eines Geschäftsbetriebes unter dem gestatteten Kennzeichen ein neues Unternehmenskennzeichenrecht, wobei sich der Lizenznehmer gegenüber Dritten auf die Priorität der Firma des Gestattenden berufen kann. 389 VII. Verwechslungsgefahr Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei Unternehmenskennzeichen sind hinsichtlich der Kennzeichnungskraft und der Ähnlichkeit der Zeichen die gleichen Grundsätze anzuwenden wie bei Marken (s. § 47 III ). Die Prüfung der Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und / oder Dienstleistungen wird in Bezug auf Unternehmenskennzeichen 385 BGH GRUR 2005, 871 „Seicom“. 386 BGH GRUR 2002, 967 „Hotel Adlon“. 387 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 43. 388 BGH GRUR 2002, 972, 975 „Frommia“. 389 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 44 m. w. Nachw.; BGH GRUR 1995, 117 f. „Neutrex“. 354 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer durch die Branchennähe der sich gegenüberstehenden Unternehmenskennzeichen ersetzt. Wie bei der Beurteilung von der Verwechslungsgefahr bei Marken besteht eine Wechselwirkung zwischen den genannten drei Faktoren, so dass z. B. bei bestehender Branchenidentität eine nur geringe Ähnlichkeit der zu vergleichenden Unternehmenskennzeichen eine Verwechslungsgefahr begründen kann. Auch kann ein erheblicher Branchenabstand durch eine hohe Kennzeichnungskraft bzw. einen hohen Ähnlichkeitsgrad der sich gegenüberstehenden Unternehmenskennzeichen ausgeglichen werden. Für die Prüfung der Verwechslungsgefahr zwischen jüngeren Domainnamen einerseits und Unternehmenskennzeichen andererseits gilt nichts anderes. Eine Sonderrechtsprechung zur Verwechslungsgefahr im Internet gibt es nicht. 390 Bei der Beurteilung der Branchennähe sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die in den jeweiligen Branchen bestehenden Unterschiede nach der Verkehrsauffassung hinsichtlich Vertrieb, Arbeitsgebieten, Produktion, Verwendungszweck etc. Anhaltspunkte für eine Branchennähe können Berührungspunkte der Waren oder Dienstleistungen der Unternehmen auf den Märkten sowie Gemeinsamkeiten der Vertriebswege und der Verwendbarkeit der Produkte und Dienstleistungen sein, aber auch Überschneidungen in Randbereichen der Unternehmenstätigkeiten. 391 Entscheidend für die Beurteilung der Branchennähe ist die wirtschaftliche Kerntätigkeit des älteren Unternehmens zum Zeitpunkt der Kollision, wobei zukünftige realistische Ausweitungsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind (Branchennähe z. B. bei Hotel und Reisebüro, 392 Finanzdienstleistungen und Immobiliendatenbank 393 oder Fachhandel und Cash&Carry-Märkten 394 sowie Handels- und produzierenden Unternehmen). § 57 Titelschutz I. Überblick In § 5 Abs. 3 MarkenG sind Werktitel als Namen oder besondere Bezeichnungen von Druckschriften, Filmwerken, Tonwerken, Bühnenwerken und sonstigen vergleichbaren Werken geschützt. Im Unterschied zu Marken dienen Werktitel nicht als Hinweis auf die Herkunft des Werkes, sondern zur Unterscheidung eines Werkes von anderen Werken. 395 Die Übertragbarkeit von Titelrechten ist umstritten. Fezer, Ingerl / Rohnke und Gruber 396 plädieren für die freie Übertragbarkeit von Titelrechten, Hacker 397 vertritt die Auffassung, dass diese 390 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 15, Rdn. 18 m. w. Nachw. 391 BGH GRUR 2011, 831 (Rdn. 23) „ BCC “ m. w. Nachw. 392 GRUR 1989, 449 „Hotel / Reisebüro“. 393 BGH WRP 2002, 537 „Finanzdienstleistungen / Immobiliendatenbank“. 394 BGH GRUR 2012, 635 (Rdn. 14, 16) „Branchennähe zwischen Fachhandel und Cash&Carry-Märkten-- Metro / ROLLER ´s Metro“. 395 BGH GRUR 2002, 1083 „1, 2, 3 im Sauseschritt“. 396 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, § 5 Rdn. 66. 397 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 27 Rdn. 74. 355 § 57 Titelschutz Fischer streng akzessorisch zu den titelgekennzeichneten Werken sind und nur mit diesen zusammen übertragen werden können. Eine höchstrichterliche Entscheidung hierzu steht noch aus. 398 Titelrechtsinhaber ist zunächst einmal der Hersteller des Werkes, meist also der Autor. Die Titelrechte können an einen Verlag oder Herausgeber übertragen werden oder auch von ihm durch entsprechende zur Unterscheidungskraft führende Benutzungshandlungen erworben werden. II. Schutzobjekte Geschützt sind nicht nur einzelne Werke, sondern auch Seriensammelwerke, Werkteile, Beilagen zu Zeitungen und Zeitschriften, einzelne Kolumnen, sofern sich die erforderliche äußerliche Selbstständigkeit der Kolumne gegenüber dem übrigen Inhalt der Zeitschrift aus ihrer drucktechnischen Gestaltung ergibt, 399 oder Spalten in Zeitungen und Zeitschriften, aber auch Untertitel. Gleiches gilt für Tonbzw. Filmwerke, die Rundfunk- und Fernsehsendungen bzw. -sendereihen beinhalten. Auch für weitere Werke kommt ein Titelschutz in Frage, wobei der Werkbegriff unter kennzeichenrechtlichen Aspekten zu definieren ist und sich von dem urheberrechtlichen Werkbegriff unterscheidet. Dem kennzeichenrechtlichen Werkschutz sind all jene Erzeugnisse zugänglich, die auf einer gedanklichen Leistung basieren und ein Kommunikationsmittel darstellen. 400 Eine besondere Gestaltungshöhe i. S. des Urheberrechts ist nicht Voraussetzung. So ist ein Warenkatalog werktitelschutzfähig, da die Auswahl, Zusammenstellung und Präsentation der in ihm abgebildeten Waren regelmäßig eine geistige Leistung darstellt. 401 Titel von Computerprogrammen, 402 Datenbanken und Spielen, aber auch Mobilfunk Apps 403 und Websites als solche sind dem Titelschutz zugänglich. Die mit Letzteren verlinkten Domainnamen könnten in Ausnahmefällen als Werktitel geschützt sein, wenn die damit gekennzeichnete Website die erforderliche Werksqualität aufweist. 404 Schutz genießen auch Titelschlagwörter, sofern sie eine hinreichende Kennzeichnungskraft aufweisen. III. Entstehen und Erlöschen von Titelschutzrechten Der Titelschutz entsteht durch die Ingebrauchnahme des Titels, sofern der Titel in Bezug auf das gekennzeichnete Werk Unterscheidungskraft aufweist. An Unterscheidungskraft fehlt es bei glatt werkbeschreibenden Titeln, die freihaltebedürftig und somit einer Monopolisierung nicht zugänglich sind, so lange keine Verkehrsdurchsetzung vorliegt. Der urheberrechtliche 398 Zum Meinungsstand s. Ingerl / Rohnke, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 108. 399 BGH GRUR 2012, 1265, 1267 (Rdn. 15, 16) „Titelschutz für Kolumnenbezeichnung-- Stimmt's? “. 400 BGH GRUR 1993, 767, 768 „Zappel-Fisch“. 401 BGH GRUR 2005, 959 „ FACTS II “. 402 BGH GRUR 1998, 1010, 1011 „ WINCAD “. 403 BGH GRUR 2016, 939 Rdn. 17-- „wetter.de“. 404 Gruber in v. Schultz (Hrsg.), MarkenR, Kommentar, Anhang zu § 5 Rdn. 5; BGH GRUR 2010, 156 „Eifel- Zeitung“. 356 Fünfter Abschnitt: Der Schutz von Kennzeichen Fischer Werkbegriff schützt also das Produkt der schöpferischen Tätigkeit als solches, der titelschutzrechtliche ausschließlich seine Kennzeichnung. Ein kennzeichnender Titel kann gleichzeitig als Marke wie auch als Unternehmenskennzeichen, sogar-- wenn auch eher selten-- als Geschmacksmuster geschützt sein. Ein Titelschutzrecht erlischt, wenn der Gebrauch des dem Titel zugrunde liegenden Werkes endgültig aufgegeben wird. IV. Titelschutzanzeige Das Risiko einer Kollision zweier kurz hintereinander erscheinender Werke mit identischen oder ähnlichen Titel und insbesondere den damit einhergehenden Kosten für die Abänderung des jüngeren Titels hat zu dem rechtlich nicht kodifizierten aber gewohnheitsrechtlich anerkannten Institut der Titelschutzanzeige geführt. 405 Eine Titelschutzanzeige, d. h. die öffentliche Ankündigung eines Titels führt zu einer Sicherung des Zeitranges eines Titelschutzes bereits vor der Benutzungsaufnahme, sofern das angekündigte Werk innerhalb einer angemessenen Frist auf den Markt gebracht wird. Die Titelschutzanzeige muss in den branchenüblichen Veröffentlichungen erscheinen, sodass der Wettbewerb hiervon Kenntnis nehmen kann. 406 Als angemessene Frist gelten in der Judikatur etwa 6 Monate für Zeitschriften, bei Branchenverzeichnissen eher 12 Monate, bei der Onlineversion eines Branchenverzeichnisses nur 9 Monate. Die Titelschutzanzeige selbst stellt keine Benutzungshandlung dar. V. Verwechslungsgefahr Auch für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr von Werktiteln gelten die allgemeinen Grundsätze, wie sie bereits für Marken (s. § 47 III 4) sowie Unternehmenskennzeichen (s. § 56 VII ) genannt wurden. Allerdings ist-- neben der Ähnlichkeit / Identität der sich gegenüberstehenden Titel und der Kennzeichnungskraft des älteren Titels-- die Werknähe als drittes Kriterium einzubeziehen, das an die Stelle der Waren- oder Dienstleistungsähnlichkeit (bei Marken) bzw. der Branchennähe (bei Unternehmenskennzeichen) tritt. Diese drei Kriterien stehen wie auch bei Marken und Unternehmenskennzeichen in Wechselwirkung. 407 Die Judikatur unterscheidet zwei Kategorien der Verwechslungsgefahr bei Titeln. Zum einen die unmittelbare Verwechslungsgefahr im engeren Sinne oder werkbezogene Verwechslungsgefahr, bei der es um die Verwechslung zweier Werke geht. Zum anderen die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne, bei der es sich um eine herkunftsbezogene Verwechslungsgefahr handelt. Letztere ist für bekannte, periodisch erscheinende Druckschriften, (Fernseh-)Serientitel oder Nachrichtensendungen anerkannt (sog. Serienverwechslungsgefahr). Voraussetzung für die Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist eine besondere Kennzeichnungskraft des Titels, mit dem das Publikum eine bestimmte betriebliche Her- 405 Hacker in Ströbele / Hacker, MarkenG, Kommentar, § 5 Rdn. 114. 406 BGH GRUR 1989, 760 „Titelschutzanzeige“. 407 BGH GRUR 2002, 1083, 1084 „1, 2, 3 im Sauseschritt“. 357 § 57 Titelschutz Fischer kunftsvorstellung verbindet. Der Titel eines Einzelwerkes reicht nicht aus, um eine betriebliche Herkunftsvorstellung beim Publikum zu erzeugen, selbst wenn dieser eine hohe Bekanntheit aufweist. 408 Eine weitere Voraussetzung für eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne sind sachliche Berührungspunkte zwischen den Inhalten der kollidierenden Werke. 1. Titelähnlichkeit Bei der Titelähnlichkeit ist wie bei den übrigen Zeichen grundsätzlich vom Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Titel auszugehen, wobei das Publikum geneigt ist, längere Titel zu verkürzen. Des Weiteren genießen Titelschlagworte oder Titel, deren Untertitel vom Publikum weggelassen werden, Schutz. 2. Werknähe Die Werknähe zweier auf Verwechslungsgefahr zu prüfender Titel ist anhand der Werkkategorie zu beurteilen. 409 Bei dem Begriff der Werkkategorie kommt es nicht auf den Inhalt, sondern auf die Art des Werkes wie z. B. Buch, Fernseh-/ Rundfunksendung oder (Würfel-)Spiel usw. an. Eine unterschiedliche Werkart kann die Verwechslungsgefahr im Einzelfall selbst bei Titelidentität ausschließen. Bei der Verwendung eines Titels für ein anderes Werk einer ähnlichen Kategorie sind die Marktverhältnisse, die Aufmachung, die Erscheinungsweise sowie die Vertriebsform zu berücksichtigen. 410 Beispielsweise weisen ein Sachbuch und eine Broschüre über Telefontarife, die einer Zeitschrift beigefügt sind, keine hinreichende Werknähe auf. 411 Als unmittelbar benachbarte Werkkategorien können Zeitungen und Zeitschriften als Printmedien sowie Informationsplattformen im Internet angenommen werden, da Zeitschriften heute regelmäßig auch im Internet vertreten sind. 3. Kennzeichnungskraft Eine Besonderheit des Titelschutzes liegt darin, dass an die Unterscheidungskraft in bestimmten Werkkategorien wie z. B. Zeitungen oder Zeitschriften und Fachzeitschr