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Gesundheitstourismus

0313
2017
978-3-8385-4668-1
978-3-8252-4668-6
UTB 
Matilde S. Groß

Der Gesundheitstourismus hat viele Facetten: Neben dem Wellness- und Gesundheitsurlaub zählen dazu der Kur- und Reha-Reiseverkehr sowie der Medizintourismus. All dies sind zukunftsträchtige Wachstumsmärkte für Destinationen. Um die Wettbewerbsfähigkeit der modernen Gesundheitsdestinationen zu sichern, bedarf es der verstärkten Ausrichtung an vielen neuen marktorientierten, dynamischen Prozessen. Das Buch stellt deshalb neben der aktuellen Angebots- und Nachfragesituation vor allem die betrieblichen Aufgabenbereiche im Management von Gesundheitsdestinationen sowie die Organisation und Finanzierung dieser kooperativen Funktionen vor.

Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol Waxmann · Münster · New York utb Matilde S. Groß Gesundheitstourismus UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München Die Autorin Dr. Matilde Sophie Groß ist Dozentin an der Hochschule Harz u.a. für Gesundheitstourismus, Management von Freizeiteinrichtungen und Quantitative Marktforschung im Tourismus. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: Müllersches Volksbad, München (© SWM │ Robert Götzfried) Abbildungen: Abb. 7: Kurhaus Binz, Rügen (© Detlef │ fotolia.com) Druck und Bindung: Pustet, Regensburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4668 ISBN 978-3-8252-4668-6 V Ge Sc he or Au im Re Ur ne Ge let ge su Sic En So su kö Di im orwort esundheitstour chon der Natu eitsorientierte tsfremde Pers uch in unseren m Trend, doch eiseformen es s rlaub und Reis em unverzicht esundheitsbew tzten Jahren s genwärtig als ndheits- und cht eine hohe ntlastung der olche und weite nden“ Innova önnen. ie Wettbewerb m Bereich Gesu rismus hat in urheilpraktiker Infrastruktur onen an seine n Zeiten liegt es muss gena sich im Detail h sen ist in den tbaren Bestand wusstsein der d stetig gestiegen ein Beschäftig Wellness-Tou Bedeutung zu staatlichen G ere Anzeichen ationen Wege bsbedingungen undheit und W Deutschland e Kneipp (1821 errichten, um e Kneipp-Ther Gesundheitsto au hingeschaut handelt. westlichen In dteil des Leb deutschen Bev n. Die Gesund gungsmotor be urismus wird ugerechnet, da Gesundheitskos n geben grünes in die Zukun n von Dienstle Wellness gestalt eine lange Tra -1897) ließ g m einheimisch rapie heranzuf ourismus wied t werden, um w dustrieländern bens geworden völkerung ist i dheitswirtschaf ezeichnet. Dem aus sozialpoli er wirksam zu sten beitragen s Licht, dass m nft gefunden w eistungsuntern en sich jedoch adition. gesundhe wie führen. der voll welche n zu ein. Das in den ft wird m Geitischer u einer kann. mit „gewerden nehmen h durch 4 Vorwort den zunehmenden Marktdruck immer schwieriger und unterliegen einem permanenten Wandel. Im vorliegenden Lehrbuch wird daher eine Systematik der wesentlichen betrieblichen Aufgaben der Destination (Ort oder Region) vorgestellt, um auf einführende Art und Weise die Problematik des modernen Marketing-Management-Ansatzes darzustellen. Dieses Buch dient damit in erster Linie Studierenden des Destinationsmanagements unter besonderer Berücksichtigung des Gesundheitstourismus. Aber auch Direktorinnen und Direktoren von Kur- und Rehabilitationskliniken sowie weiteren Gesundheits- und Wellness-Einrichtungen können durch dieses Buch die Wirkungsweisen des Destinationsmanagements kennen- und verstehen lernen. Dazu wird in → Kapitel 1 eine Untergliederung des Gesundheitstourismus in spezifische Formen vorgenommen. → Kapitel 2 beschreibt die Rahmenbedingungen, die den heutigen Gesundheitstourismus beeinflussen. Im → 3. Kapitel erfolgt die Abgrenzung des gesundheitstouristischen Marktes nach Angebot und Nachfrage. → Kapitel 4 stellt die kooperativen Aufgaben des Destinationsmanagements in den Mittelpunkt und im → 5. Kapitel werden die Bedingungen für die Organisation und Finanzierung im Gesundheitstourismus beschrieben. Die Gesamtstruktur der Gesundheitswirtschaft öffnet dann mit → Kapitel 6 den Blick zu den beteiligten Wirtschaftszweigen. Mit dem abschließenden → Kapitel 7 wird von John S. Hull (Associate Professor, Tourism Management Programme, Thompson Rivers University in Kamloops/ Kanada) ein englischsprachiger Überblick zur internationalen Situation des Gesundheitstourismus gegeben. Damit bezieht sich das Buch mit Ausnahme des → Kapitels 7 weitgehend auf Deutschland. Der Weg zu diesem Buch war kein leichter, weil die besonderen Herausforderungen von Hochschullehre, Tourismusberatung und Familie immer wieder kräftezehrend wirkten. Aber das Verfassen dieses einführenden Werkes hat auch Freude bereitet, da ich Vorwort 5 meine langjährigen Erfahrungen im Gesundheitstourismus und Destinationsmanagement sowie die Lehrerfahrungen mit den engagierten Studierenden der Hochschule Harz endlich zu Papier bringen konnte - möge das Buch einen breiten Leserkreis bekommen. Ohne die vielfältige Unterstützung von zahlreichen Institutionen und Personen hätte das Buch nicht das werden können, was es nun ist - allen Unterstützenden gilt mein Dank. Hervorheben möchte ich dazu John S. Hull als Experten im internationalen Bereich und den engagierten und hilfsbereiten Lektor Rainer Berger als Vertreter der UVK Verlagsgesellschaft sowie meine studentischen Hilfskräfte als Illustratoren. Mein besonderer Dank gilt meinem Mann Sven, der wieder einmal erster kritischer Leser und sachkundiger Berater war. Wernigerode, Januar 2017 Dr. Matilde S. Groß Inhalt Vorwort ............................................................................................. 3 - 1 Formen des Gesundheitstourismus ........................ 9 - 1.1 - Wellness-Tourismus.................................................... 15 - 1.2 - Gesundheitsorientierte Urlaubsformen.................... 16 - 1.3 - Medical-Wellness-Tourismus..................................... 17 - 1.4 - Kur- und Rehabilitationstourismus........................... 19 - 1.5 - Medizintourismus........................................................ 20 - 2 Rahmenbedingungen des Gesundheitstourismus ..................................... 23 - 2.1 - Wertewandel - steigendes Gesundheitsbewusstsein ...................... 24 - 2.2 - Demographischer Wandel - neue Zielgruppen ..................................................... 25 - 2.3 - Wandel der Rahmenbedingungen - offene Marktstruktur ............................................... 26 - 2.4 - Wandel der Anbieter - Innovationen und Kooperationen......................... 27 - 3 Der Markt des Gesundheitstourismus .................. 31 - 3.1 - Marktabgrenzung ........................................................ 32 - 3.2 - Angebotsstrukturen .................................................... 37 - 3.2.1 - Kur und Rehabilitation ............................................... 38 - 3.2.2 - Prävention und Wellness............................................ 48 - 3.3 - Nachfragestrukturen ................................................... 57 - 8 Inhalt 4 Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement ................................. 73 - 4.1 - Angebotsfunktion ....................................................... 76 - 4.1.1 - Direkte Einflussmöglichkeiten auf das Angebot .... 80 - 4.1.2 - Indirekte Einflussmöglichkeiten auf das Angebot.. 88 - 4.2 - Marketing-Funktion .................................................... 93 - 4.2.1 - Marketing-Management-Kreislauf ............................ 94 - 4.2.2 - Einsatz der Marketing-Mix-Instrumente................101 - 4.3 - Interessenvertretungsfunktion.................................112 - 4.3.1 - Interessensystem in der Destination.......................113 - 4.3.2 - Interessenvertretung innerhalb der Branche .........116 - 4.3.3 - Interessenvertretung gegenüber der Gesundheitswirtschaft .......................................119 - 4.4 - Planungsfunktion ......................................................122 - 4.4.1 - Planungssystem in der Destination.........................123 - 4.4.2 - Nachhaltiger Tourismus ...........................................131 - 4.4.3 - Entwicklung eines touristischen Leitbildes............136 - 5 Organisation und Finanzierung der kooperativen Aufgaben ..................................143 - 6 Gesamtstruktur der Gesundheitswirtschaft ......157 - 7 Health Tourism: A Global Perspective by John S. Hull ..........................................................165 - Literaturverzeichnis .................................................................181 - Internetquellen ..........................................................................189 - Index ..............................................................................................191 1 De pr wa un Ke ell 20 Ko un ze pr ten ein 20 De Ke So lau Ur 33 Ge Formen em Gesundhei ägungen vielm achsendes Ges nd medizinisch ern des deutsc l prädikatisiert 00-jährigen Tr ompaktkuren nd Wellness-U it bestimmen o Jahr, 400.00 n Übernachtun n wesentlicher 015a, S. 1). ennoch zählt ernbereich wie onnenbzw. S ubsreise gewäh rlaubsmotiv „e 3 % der deutsc esundheitsreise n des Gesu itstourismus w mals ein hoh sundheitsbewu -technischen F chen Gesundh te Heilbäder radition. Vors und Anschlu Urlaub, Erholu die Angebotsp 00 Arbeitsplätz ngen sind die r Faktor im D Gesundheitsto e der allgemei Strandurlaub, w hlt wird (vgl. FU etwas für die G chen Bevölkeru e werden sog undheitst wird mit seinen hes Zukunftsp usstsein, demo Fortschritt zuge heitstourismus und Kurorte sorge- und R ssheilbehandlu ung, Kultur so palette. Mit 30 zen und 30 % d deutschen Ku eutschlandto ourismus nich ine Erholungsu welcher beinah UR 2015a, S. 4 Gesundheit tu ung besonders gar nur 6 % ( ourismus n verschiedenen potenzial durc ographischen W esprochen. sind über 350 mit einer me Rehabilitations ungen, Gesund wie Sport und 0 Mrd. Euro U der statistisch urorte und Hei ourismus (vgl. ht zum tourist urlaub in Form h als jede zwei 4). Das grundle un“ ist derzeit s wichtig. Expl (vier Millionen n Ausch z.B. Wandel 0 speziehr als skuren, dheitsd Frei- Umsatz erfassilbäder . DHV tischen m von ite Uregende für ca. lizit als n) aller 10 Gesundheitstourismus Urlaubsreisen vom Reisenden selbst so eingestuft (vgl. Lohmann & Schmücker 2015, S. 8). Ausgewählte Urlaubsarten (Mehrfachnennungen möglich) Prozent der Urlaubsreisen Strand-/ Bade-/ Sonnenurlaub 44 Ausruhurlaub 35 Natururlaub 27 Aktivurlaub 16 Gesundheitsurlaub 6 Tab. 1: Ausgewählte Urlaubsarten der Deutschen 2015 Quelle: FUR 2015b, S. 46 Allerdings ist das Gesundheitsbewusstsein der deutschen Bevölkerung derzeit so gut aufgestellt, dass „etwas für die Gesundheit tun“ sogar als ein Gewinner (im Fünf-Jahres-Vergleich) bei den regelmäßigen Freizeitbeschäftigungen bezeichnet werden kann. Auf Platz drei, vier und fünf befinden sich weitere gesundheitsförderliche Aktivitäten wie Fitness-Studio besuchen, Fahrrad fahren und Sport treiben (vgl. Stiftung für Zukunftsfragen 2016, S. 1) Dahinter steckt sicherlich auch die Einsicht vieler Menschen, dass die Gesundheit das wichtigste Hab und Gut ist und dass die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt zu bestehen, größer sind, wenn man gesund ist. Gesundheit ist durch die WHO (1948) definiert als „ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ Diese Definition wurde 1987 im Nachgang der Ottawa Charta um „die Fähigkeit und Motivation, ein wirtschaftlich und sozial aktives Leben zu führen“ ergänzt. Damit ist Gesundheit wesent- Formen des Gesundheitstourismus 11 lich mehr als die Abwesenheit von psychischer oder physischer Krankheit, nämlich eine gesamtgesellschaftlich herzustellende Voraussetzung für das menschliche Wohlbefinden. Ferner ist Gesundheit als ein Kontinuum zu verstehen, das durch ein dynamisches Wechselspiel von belastenden (Risikofaktoren) und entlastenden Faktoren (Schutzfaktoren) gekennzeichnet ist (vgl. Nahrstedt 2002, S. 11f und → Abb. 10). Allerdings scheint der Schritt von der alltäglichen Freizeitbeschäftigung zum auffälligen Urlaubsmotiv relativ groß zu sein. Anhand der konstitutiven Elemente des Tourismus (Motiv, Dauer und Zielort) soll folgend der Gesundheitstourismus genauer abgegrenzt werden. Etwas für die Gesundheit tun, kann aus Sicht des Reisenden drei unterschiedlich stark ausgeprägte Motivationen haben, die in bestimmte gesundheitstouristische Reisearten münden. Abb. 1: Grundsätzliche Motive des Gesundheitstourismus Quelle: Heilbäderverband Schleswig-Holstein e.V. 2008, S. 10 Kur & Reha Prävention Wellness Gesundheitsurlaub gesund bleiben genießen gesund werden 12 Gesundheitstourismus Es muss hier darauf hingewiesen werden, dass die Reiseentscheidung nicht immer selbständig und ausschließlich vom Konsumenten gefällt, sondern im Falle der medizinischen Notwendigkeit v.a. bei Kurmaßnahmen durch Dritte (v.a. Ärzte und Sozialversicherungen) getroffen wird. Auch aus Sicht eines weiteren konstitutiven Merkmals des Reisens handelt es sich im Gesundheitstourismus um eine atypische Nachfragesituation: die Dauer der Reise. Durch das Gesundheitssystem in Deutschland ist eine Dauer von mindestens drei Wochen (21 Tagen) für einen Kuraufenthalt gesetzlich festgeschrieben. Dafür müssen keine privaten Urlaubstage veranschlagt werden. Die durchschnittliche Reisedauer im privaten Erholungsurlaub beträgt dagegen derzeit 12,5 Tage bzw. nur ca. 3 Tage in Mineral- und Moorheilbädern (vgl.  www.fur.de und → Kap. 3.3). Schließlich wird kurz auf das dritte konstitutive Merkmal des Reisens eingegangen: der Zielort der Reise. In Deutschland veröffentlicht der Deutsche Heilbäderverband e.V. seit 1951 Richtlinien und Begriffsbestimmungen für die Anerkennung von Heilbädern und Kurorten. Durch diese bundesweit durch alle Bundesländer anerkannten Mindestanforderungen an Infrastruktur, Grenzwerte für Luftbelastung, Bedingungen für die Verabreichung der ortsgebundenen Heilmittel und ihrer Qualität entsteht eine spezielle Systematik von Gemeindegruppen. Diese Prädikatisierung bzw. Artbezeichnung unterteilt anhand der natürlichen Heilmittel des Bodens (z.B. Mineral- und Moorquellen, Heilerden 1 , Heilgase), des Meeres (z.B. Meeresklima, Meereswasser und Meeresschlick) und des Klimas (z.B. Luftreinheit) sowie der Voraussetzungen für die Physio- 1 Heilerde zählt zu den Peloiden (griech. Pelos = Schlamm), die mit Wasser vermischt und für Bäder oder Packungen benutzt wird (Peloidtherapie). Weitere Peloide sind z.B. Lehm, Fango (Vulkanschlamm), Kreide, Sand, Torf und Schlick. Formen des Gesundheitstourismus 13 therapie (z.B. nach Kneipp) in entsprechend ausgestattete Destinationen. Damit erhalten diese einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber allen anderen Destinationen (vgl. → Kap. 3.2).  Wissen │ Destinationen Eine Destination ist ein geographischer Raum (Region, Ort, Dorf), den der jeweilige Gast (oder ein Gästesegment) als Reiseziel wählt (vgl. Bieger 2013, S. 54). Typen von Destinationen können nach Letzner (2014, S. 7) unterschieden werden in  Naturlandschaft,  Kulturlandschaft (hierzu müssten die Heilbäder und Kurorte gezählt werden),  Stadtlandschaft,  Ski- und Warmwasserdestinationen sowie  künstliche (Freizeit-)Räume. Anhand der speziellen Ausprägung hinsichtlich der oben genannten, konstitutiven Merkmale des Tourismus (Motiv, Dauer, Zielort) wird Gesundheitstourismus explizit als Spezialbzw. Sonderform des Reisens bezeichnet.  Wissen │ Gesundheitstourismus Gesundheitstourismus ist die „Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Ortsveränderung und dem Aufenthalt von Personen  zur Förderung, Stabilisierung und ggf. Wiederherstellung  des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens 14 Gesundheitstourismus  unter der Inanspruchnahme von Gesundheitsdienstleistungen ergeben, für die der Aufenthaltsort weder hauptsächlicher noch dauernder Wohn- oder Arbeitsort ist.“ Quelle: Kaspar 1996, S. 56 Zahlreiche Formen bzw. Unterarten des Gesundheitstourismus werden sowohl international (→ Kap. 7) als auch national andersartig differenziert. Die Abgrenzungen zwischen den verschiedenen Termini sind dabei nicht immer eindeutig. Im deutschsprachigen Raum hat sich eine Unterscheidung nach Intensität der medizinischen Orientierung bzw. Fremdbestimmung weitgehend durchgesetzt (→ Abb. 2). Die entsprechenden Formen des Gesundheitstourismus werden in den folgenden Kapiteln kurz erläutert. Abb. 2: Formen des Gesundheitstourismus Eine dezidierte Beschreibung der Varianten im Bereich des Gesundheitstourismus, welcher zu rund 20 % durch reine, häufig fantasievolle Marketing- und Werbebezeichnungen geprägt ist, zeigt die Publikation Kagelmann & Kiefl 2016. Medizintourismus Kur- und Rehabilitationstourismus Medical- Wellness- Tourismus Gesundheitsorientierter Urlaub Wellness- Tourismus Medizin Fremdbestimmung Selbstbestimmung Wellness Formen des Gesundheitstourismus 15 1.1 Wellness-Tourismus Beim Wellness-Tourismus handelt es sich um selbstinitiierte und selbstfinanzierte Gesundheitsförderung, für die die Elemente Fitness, Körperpflege/ Beauty, gesunde Ernährung, Entspannung, Meditation, geistige und soziale Aktivität/ Bildung konstitutiv sind (vgl. Lanz Kaufmann 1999, S. 37 und Nahrstedt 2001, S. 61). Reisemotiv ist es, das eigene, ganzheitliche Wohlbefinden (eine Balance von Körper, Geist und Seele) durch „Genießen und Verwöhnen lassen“ zu stärken, um sich bewusst vom stressigen (Arbeits-)Alltag zu erholen (→ Abb. 1). Wellness-Tourismus wird nach Lanz Kaufmann (1999, S. 48) „als die Gesamtheit der Beziehungen und Erscheinungen, die sich aus der Reise und dem Aufenthalt von Personen mit dem Hauptmotiv der Erhaltung oder der Förderung ihrer Gesundheit ergeben“ definiert. Weiter heißt es, „der Aufenthalt erfolgt in einem spezialisierten Hotel mit entsprechender Fachkompetenz und individueller Betreuung, wobei ein umfassendes Leistungsbündel bestehend aus den oben genannten Wellness-Elementen angeboten, aber nicht immer so intensiv nachgefragt wird.“ (Lanz Kaufmann 1999, S. 37) Bisher ranken sich die Kundenerwartungen v.a. um Badebzw. Saunalandschaften, Verwöhnangebote, Kosmetikbzw. Schönheitsanwendungen und Entspannungsangebote (vgl. Lohmann 2010, S. 13). Damit muss hervorgehoben werden, dass bisher v.a. der entsprechend ausgestattete Hotelbetrieb oder das Resort der maßgebliche Dienstleistungsanbieter und weniger die gesamte Destination ist. Der Begriff Wellness ist dabei in Deutschland wissenschaftlich nicht einheitlich definiert, das heißt, es gibt keine allgemeingültigen, einheitlichen Kriterien zu seiner Bestimmung. Infolgedessen haben sich im Bereich des Wellness-Tourismus verschiedene Qualitätszeichen, sowohl von Interessensverbänden als auch touristischen Akteuren, herausgebildet (vgl. → Kap. 4.1.2 und 4.3). 16 Gesundheitstourismus Im internationalen Sprachgebrauch wird die Aufteilung des Gesundheitstourismus noch um eine weitere Wellness-Tourismus-Variante ergänzt: Selfness Tourism. Hiermit sind spirituelle Reisen, Yoga- und Meditationsreisen sowie New-Age- Reisen gemeint (vgl. Smith & Puczko 2009, S. 7), die aber im europäischen Raum bisher noch wenig Nachfrage erfahren haben und hier nicht weiter betrachtet werden. 1.2 Gesundheitsorientierte Urlaubsformen Mit fließendem Übergang von den einfachen Wohlfühl- und Genussmotiven des Wellness-Tourismus steigt nun in der Sparte des gesundheitsorientierten Urlaubs die Intensität des „Etwas für die Gesundheit zu tun“ deutlich an. Hier werden v.a. aus Gründen der Prävention bzw. Vorsorge gesundheitsorientierte Reisen unternommen. Deshalb muss hier die Inanspruchnahme von individuell buchbaren, personalintensiven Gesundheitsdienstleistungen besonders betont werden. Die Forschungsgruppe Urlaub und Reisen e.V. unterscheidet in diesem Rahmen  den „Gesundheitsurlaub i.e.S.“,  „Fitness-Urlaub“ und  die „Kur im Urlaub - Urlaub mit Kuranwendungen“ (vgl. Lohmann & Schmücker 2015, S. 11). Anhand der dortigen Abfragen zu den Produktanforderungen aus Sicht der Nachfrager zeigt die → Tab. 2 die entsprechenden Unterschiede. Formen des Gesundheitstourismus 17 Kur im Urlaub Fitness-Urlaub Gesundheitsurlaub (im engeren Sinne)  klassische Kuranwendungen (84 %)  medizinische Betreuung (82 %)  Gesundheitscheck (77 %)  gesundes Essen und Trinken (77 %)  gesundes Klima (72 %)  Kontakte zu anderen Menschen (66 %)  Kursangebote Sport/ Bewegung (64 %)  Schwimmen (81 %)  Aerobic/ Gymnastik (80 %)  Mountainbiking/ Radfahren (78 %), Tennis/ Golf (76 %), Wandern (69 %),  Sauna (69 %)  gesundes Essen und Trinken (81 %)  gesundes Klima, natürliche, gesunde Umgebung (79 %)  Gesundheitscheck (70 %)  Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in der freien Natur (69 %)  Bade-/ Saunalandschaft (63 %)  Kursangebote (62 %) FUR, RA 2010 FUR, RA 1999 FUR, RA 2010 Tab. 2: Kundenerwartungen an gesundheitsorientierte Urlaubsreisen Quelle: Lohmann 2010, S. 13 und Danielsson/ Lohmann 2003, S. 13 Der selbstbestimmte Einsatz von privaten Urlaubstagen überwiegt bei diesen Reisearten, sodass die geeigneten Destinationen mit modernen Marketing-Methoden aktiv um Gäste werben müssen. 1.3 Medical-Wellness-Tourismus Medical Wellness beschreibt eine Entwicklung, bei der spezielle Wohlfühlangebote mit sinnvollen medizinischen Leistungen kombiniert werden. Sie hat sich aus der breiten Wellness- Bewegung entwickelt und erweitert deren gesundheitsförderli- 18 Gesundheitstourismus che Wirkungen u.a. um Methoden der Primärprävention und anerkannter Naturheilverfahren. Medical-Wellness- Einrichtungen sind spezialisierte und unabhängig geprüfte Hotels, Gesundheitszentren und Kliniken, die hohen Aufenthalts- und Qualitätsstandards genügen und deren Ambiente und Ausstattung Wohlergehen und Erholung gewährleisten (vgl. DHV 2008a, S. 1). Medical-Wellness-Angebote richten sich daher an Menschen, die außerhalb der bestehenden Krankenversorgung aktiv und in eigener Verantwortung mehr für sich und ihre Gesundheit tun möchten und damit Motivation zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil haben. Werden dafür private Reisen unternommen, handelt es sich um Medical- Wellness-Tourismus (→ Abb. 3). Abb. 3: Medical-Wellness-Anbieter Allerdings zeigt sich in der Praxis der deutschsprachigen Destinationen, dass der Begriff momentan schwer touristisch zu vermarkten ist. Eine intensivere Betrachtung dieser Thematik wird daher in diesem Buch nicht vorgenommen, aber auf die Publikation von Sonnenschein 2009 und den Deutschen Medical Wellness Verband e.V. ( www.dmwv.de) verwiesen. Medizin Krankenhäuser, Kurkliniken, Rehabilitationseinrichtungen Wellness Hotels, Thermen, Sporteinrichtungen Schulmedizin Medical Wellness Lifestyle-Wellness Alternative Therapien Entspannung Formen des Gesundheitstourismus 19 1.4 Kur- und Rehabilitationstourismus Der Kur- und Rehabilitationstourismus bezeichnet den klassischen Kurtourismus, der v.a. die Nachfrage und Angebote der Heilbäder und Kurorte umfasst. Gemäß den „Begriffsbestimmungen“ des Deutschen Heilbäderverbandes (DHV) und des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) beinhaltet die medizinische Kur 2 , fernab von der gewohnten heimatlichen Umgebung, „eine komplexe, ärztlich geleitete Übungsbehandlung zur Vor- und Nachsorge (Prävention und Rehabilitation) sowie für geeignete chronische Krankheiten und Leiden eine kurative Behandlung im Rahmen eines notwendigen individuellen, lebenslangen Gesundheitsprogramms. Sie ist mit einem Orts- und Milieuwechsel verknüpft.“ (DHV & DTV 2015, S. 10) Mit dem Jahr 2000 sollte der Begriff Kur in der deutschen Gesetzgebung nicht mehr verwendet und somit nur noch von Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen gesprochen werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich aber der Begriff Kur wegen seiner weit zurückreichenden Tradition und seiner einmaligen Kompetenz dennoch gehalten (vgl. Luft 2007, S. 92). Der Kur- und Rehabilitationstourismus (Motiv, Zielort und Dauer) ist fremdbestimmt verordnet (zumeist ärztlich) und die Kosten werden in Deutschland i.d.R. in weiten Teilen von Trägern der Sozialversicherung übernommen. 2 Die Balneologie (griech. balaneion, „Bad, Badeanstalt“, und dem Suffix -logie) ist die Bäderkunde, also die Lehre von der therapeutischen Anwendung natürlicher Heilquellen, Heilgase und Peloide in Form von Bewegungs-, Wannen- und Sprühbädern, Trinkkuren, Inhalationen und Packungen. Weitere kurative Therapieformen sind z.B. die Klimatherapie, die Kneipp-Therapie und die Thalassotherapie (Heilmittel des Meeres). 20 Gesundheitstourismus 1.5 Medizintourismus Der Medizintourismus, auch Patiententourismus oder Kliniktourismus genannt, umschreibt diejenigen Formen des Gesundheitstourismus, bei denen ärztliche Behandlungen und operative Eingriffe, vornehmlich im Ausland, in Anspruch genommen werden. Hier lassen sich wiederum nach den primären Reisemotiven qualitäts- und kostenorientierte Erscheinungsformen differenzieren (vgl. Cassens 2013, S. 37):  Beim qualitätsorientierten Medizintourismus reisen Personen aus Staaten mit niedrigeren medizinischen Standards in Staaten mit höheren Standards, um sich dort medizinisch behandeln zu lassen.  Der kostenorientierte Medizintourismus beschreibt das umgekehrte Phänomen: Personen aus Staaten mit einem hohen medizinischen Standard unterziehen sich in Staaten mit geringeren medizinischen Standards einer ärztlichen Behandlung. Reiseauslösende Motive sind dabei mögliche Kostenersparnisse und verkürzte Wartezeiten. Neben dem länderübergreifenden Medizintourismus ist an dieser Stelle auch auf die wohnortferne medizinische Behandlung im eigenen Land zu verweisen. Die Reiseentscheidung wird meist durch den behandelnden (Fach-)Arzt unterstützt. Für die Kosten kommt, wenn der Sozialversicherungsträger nicht involviert ist, in der Regel der Patient selbst auf. Eine intensivere Betrachtung dieser Thematik wird in diesem Buch nicht vorgenommen. Weiterführende Literatur sowie eine mehrseitige Beschreibung (auch der internationalen Situation) der Medizinreise findet sich bei Kagelmann & Kiefl 2016, S. 168ff. Die Autoren sind auch der Meinung, dass der Begriff Medizinreise dem modischen Begriff Medizintourismus vorzuziehen sei. Formen des Gesundheitstourismus 21  Zusammenfassung Gesundheitstourismus wird im deutschen Sprachraum in  Wellness-Tourismus,  gesundheitsorientierten Urlaub,  Medical-Wellness-Tourismus,  Kur- und Rehabilitationstourismus sowie  Medizintourismus unterteilt. Dabei erfolgt der Übergang zwischen diesen Formen fließend auf einem Kontinuum der selbstbestimmten Reiseentscheidung (unter Verwendung privater Urlaubstage) bis hin zur fremdbestimmten Entscheidung durch den (Fach-)Arzt. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen beschrieben, die die (Weiter-)Entwicklung des Gesundheitstourismus beeinflussen. 2 De flu ph for erg ru me es Mall ein de Ök 20 In „N nis wu W Rahme des Ges er Gesundheit ussfaktoren in hischer Veränd rderungen, L geben sich für ung auf Untert erkmalen. Um einer dynamis anagementpro e denkbaren B ne Wirkung au er Regel werde kologie, Politik 011, S. 31). nsgesamt vier Neuen Gesund steriums für urde (→ Abb Wandel der Rah nbedingu sundheits tstourismus in bestimmte Ba derungen und d Lebensstilen, B Anbieter reich themen und d diese rechtzei schen Umfeld ozess (→ Abb. Boom- und H uf den Gesund en daher die k, Freizeit und Markttreiber dheitstourismu Wirtschaft un . 4): Wertew hmenbedingun ungen stourismu Deutschland w ahnen gelenkt. des Wertewand Bedürfnislagen he Möglichkei er Ausbildung tig identifiziere danalyse. Im m 5 und → Ab Hemmfaktoren dheitstourismu Bereiche Öko Individuum un r forcieren die us“, der im Au nd Technolog wandel, demog ngen und Anb s wird von viele Aufgrund dem dels, neuen Al n und Indika iten der Spezi g von Alleinste en zu können, modernen Mar bb. 21) bedeute zu untersuche us haben könn onomie, Gesell ntersucht (vgl. e Entwicklung uftrag des Bun gie 2011 unte graphischer W bieter. Folgend en Einmograltersanationen ialisieellungsbedarf rketinget dies, en, die nten. In lschaft, Freyer g eines ndesmiersucht Wandel, d wer- 24 Gesundheitstourismus den diese Markttreiber kurz skizziert, um eine Analyse der Einflussfaktoren (Umfeldanalyse) durchzuführen. Abb. 4: Markttreiber für den Neuen Gesundheitstourismus Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie 2011, S. 9 2.1 Wertewandel - steigendes Gesundheitsbewusstsein Der Wertewandel im Sinne eines steigenden Gesundheitsbewusstseins der Deutschen wird an vielen Stellen deutlich. Gesunde Ernährung und Soft-Health-Produkte erhalten Einzug in alle Lebensbereiche: Bio-Lebensmittel, Nahrungsergänzungsmittel, Naturkosmetik, Möbel aus naturbelassenen Materialien, Kleidung aus Bio-Fasern u.v.m. Die „Selbstdesign-Branche“ boomt: Aussehen und körperliche Leistungsfähigkeit zu verbessern wird immer wichtiger. Im Jahr 2015 verzeichnen die Fitness-Studios in Deutschland ihr 1. Wertewandel - steigerndes Gesundheitsbewusstsein ► „Gesundheit“ als Säule eines bewussten Lebensstils ► Performance-Optimierung ► neue Indikationen und Krankheitsbilder 2. Demographischer Wandel - neue Zielgruppen ► steig. Nachfragevolumen ► Verschiebung der Altersstrukturen ► bessere Ansprechbarkeit ► veränderte Ansprüche und Bedürfnisse 3. Wandel der Rahmenbedingungen - offene Markstruktur ► verändertes Gesundheitssystem ► Rückzug der Sozialversicherungen ► Verstärkung der Selbstzahler-Nachfrage Der neue Gesundheitstourismus 4. Wandel der Anbieter - Innovation und Kooperationen ► medizinisch-technologische Entwicklung ► neue Netzwerke, Plattformen und Kooperationen ► veränderte Anbieterstruktur Rahmenbedingungen des Gesundheitstourismus 25 bisher größtes Marktwachstum, sowohl in der Anzahl selbst als auch in der Anzahl ihrer Mitglieder (vgl. DSSV 2016, S. 1f.). Aber auch die Volkskrankheit Nr. 1, „psychische Erkrankung“, dringt mehr und mehr ins Bewusstsein. Die Gefahr von Burnout und stressbedingten Erkrankungen wird immer mehr Menschen mit hohen beruflichen und/ oder privaten Belastungen bewusst. Für viele wird das persönliche Gesundheitsmanagement zur Schlüsselkompetenz. Immer mehr Menschen realisieren, dass Eigenvorsorge zum Erhalt der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit einerseits persönlich lohnend ist, andererseits auch für die Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz und im Privaten erwartet wird. Patienten 3 sind heutzutage weniger nur passive Nutzer von Gesundheitsdienstleistungen, sondern werden zu aktiven Gestaltern. Das gesundheitliche Wissen steht nun nicht mehr nur allein medizinischen Fachkreisen zur Verfügung, sondern z.B. per Internet auch interessierten Laien. So können neue gesundheitliche Urlaubsformen wie Selfness- Urlaub (Lebensberatung, Personal-Coaching/ Krisenmanagement im Urlaub etc.), Entgiftungsreisen (z.B. Digital Detox) oder Ernährungs- und Fastenurlaube entstehen, die auf Erholung orientierte Urlaubsformen mit nachweislich gesundheitlichen Mehrwerten aufladen. 2.2 Demographischer Wandel - neue Zielgruppen Der demographische Wandel beeinflusst in mehrfacher Hinsicht den Gesundheitstourismus von morgen. Immer stärker kommt 3 Für allgemeine Personen- und Berufsbezeichnungen werden in diesem Buch aufgrund der Lesbarkeit die maskulinen Formen gebraucht. Die entsprechenden femininen Formulierungen sind fallweise mitzudenken. Die Leserinnen und Leser werden dafür um Verständnis gebeten. 26 Gesundheitstourismus es auf die Rahmenbedingungen am Urlaubsort an, z.B. bauliche Barrierefreiheit bzw. -reduktion. In Deutschland und Europa hat man dieses Ziel längst erkannt und an der Umsetzung und Verbesserung wird stetig gearbeitet (vgl. Förderprojekt „Tourismus für alle“ (2011-2014),  www.reisen-fuer-alle.de/ foerderprojekt_2011-2014_266.html). Dabei gilt zu berücksichtigen, dass nicht nur an Rollstuhlfahrer oder an Gäste aus dem Businessbereich mit Köfferchen oder Familien mit Kinderwagen gedacht wird, sondern auch Personen mit Sehschwäche, Hörschwäche und mit geistigen Schwächen berücksichtigt werden. Eine medizinisch-therapeutische Grundsicherung am Urlaubsort wird künftig ebenso benötigt wie auf Sicherheit ausgerichtete und stark service- und komfortorientierte Angebote. Alternativ steht die Möglichkeit zur Verfügung, dass Reiseveranstalter einen mitreisenden Arzt im Angebot haben bzw. den Gästen die Mitnahme ihres Hausarztes ermöglichen (Urlaub trotz chronischer Erkrankungen) oder aber per Gesundheitsarmbänder und Internet eine permanente Gesundheitsüberwachung möglich ist. Die Anspruchshaltung der neuen Senioren im Gesundheitstourismus wird dabei stark differenziert sein. „Better Aging“, Primärprävention hinsichtlich Altersbeschwerden und Attraktivitätsverlust wird immer gefragter. Allerdings erfolgt dies in verdeckter Form und wird nicht an einer plakativen Urlaubsform festgemacht. 2.3 Wandel der Rahmenbedingungen - offene Marktstruktur Jahrzehntelang war die Marktstruktur des Gesundheitstourismus in Deutschland von kurativen Aufenthalten in prädikatisierten Kurorten und Heilbädern geprägt. Im Zuge der Veränderungen im Gesundheitswesen haben sich die Rahmenbedingungen Rahmenbedingungen des Gesundheitstourismus 27 inzwischen grundlegend geändert. Durch den Rückzug der Sozialversicherungsträger werden die einstmals marktprägenden, kurfokussierten Anbieter deutschlandweit zur Neuausrichtung gezwungen, wofür sie modernes Marketing-Management betreiben müssen. Gleichzeitig wird der Weg frei für neue Anbieter. Diese partizipieren nicht nur am gesundheitstouristischen Markt, sondern prägen diesen durch innovative, zielgruppenscharfe Angebotsformen und neue Vertriebswege. Hier wären insbesondere die vermehrten Wellness-Reiseangebote vieler Krankenversicherungen oder internetbasierte Gesundheitsdienstleistungen von Onlinefirmen zu nennen. Immer stärker entwickeln sich in Nachfolge kurativer Angebote neue gesundheitstouristische Formen. Neben selbstzahlerorientierten Angeboten ist hier v.a. auch das betriebliche Gesundheitsmanagement als Chance für den Gesundheitstourismus zu nennen. Angesichts des demographischen Wandels und des sich abzeichnenden Fachkräftemangels investieren immer mehr Unternehmen gezielt in die Gesundheit ihrer Mitarbeiter. Sie kombinieren in langfristig ausgelegten Programmen Angebote am Arbeitsplatz und am Urlaubsort. Dabei ist der organisatorische Aufwand, arbeitsplatzferne Gesundheitsangebote der Heilbäder und Kurorte fest mit geeigneten Unternehmen zu verbinden, nicht zu unterschätzen. 2.4 Wandel der Anbieter - Innovationen und Kooperationen Die Produktpalette im Gesundheitsmarkt wird immer größer und spezifischer - je offener der Markt, desto mehr Innovationen treiben den Markt voran: Die Entwicklung gesunder Sitzmöbel oder atmungsaktiver Kleidung mit UV-Schutz sind zwei nichttouristische Beispiele. Aber auch im Gesundheitstourismus entstehen jede Menge neue, innovative Angebote und Ange- 28 Gesundheitstourismus botskooperationen. Medizintechnik, die vorher z.B. nur in der Sportmedizin angewendet wurde, wird jetzt in vereinfachter Form auch endkunden- und damit tourismustauglich. Kommunikationstechnologie kann zu völlig neuen Trainings- und Beratungsformen für Stressmanagement, Ernährung und Sport führen. Gerade an der Schnittstelle zu Gesundheitswirtschaft und Medizin sowie Kommunikationstechnologie liegen völlig neue Möglichkeiten: Durch Integration der Technologien können Präventionsangebote aufgewertet werden. Neue, tourismusübergreifende Anbieterkooperationen eröffnen neue Vertriebswege und eröffnen oder erleichtern die Onlinebuchbarkeit. Um das Innovationspotenzial im Gesundheitstourismus zu aktivieren, sind Zusammenarbeit mit Medizin sowie Medizin- und Kommunikationstechnologie wichtige Treiber, die insbesondere auch in der Kombination mit Volumenthemen wie Wandern, Radfahren, Landschafts- und Naturerlebnis ein deutliches Innovationspotenzial in sich tragen (vgl. Waldwellness in Thüringen,  www.thueringen-entdecken.de/ urlaub-hotel-reisen/ waldwellness-136838.html). Bislang gibt es jedoch noch immer deutlich zu wenig regionale Netzwerke, die Kooperationen von medizinisch-therapeutischen und touristischen Anbietern unterstützen. Eine wichtige Aufgabe des Gesundheitstourismus besteht auch darin, Medizin und Therapie optimal mit den touristischen Strukturen zusammenzuführen und Berührungsängste abzubauen. Ebenfalls ist es Aufgabe der gesundheitstouristischen Anbieter, der Medizin- und Kommunikationstechnologie - vergleichbar dem Fitness- und Sportmarkt - den Gesundheitstourismus als Absatzmarkt aufzuzeigen. Neue Rahmenbedingungen, neue Nachfragepotenziale und neue Ansätze für Innovation und Kooperation bedeuten jedoch nicht zwangsläufig eine höhere gesundheitstouristische Nachfrage. So bleibt die Frage: Mit welchen Angeboten kann die latente Nachfrage nun aber erfolgreich abgeschöpft werden? Jede Marketing-Entscheidung setzt ausreichende und teilweise sensible Informationen voraus. Entsprechend beginnt die Ent- Rahmenbedingungen des Gesundheitstourismus 29 wicklung von Marketing-Konzepten mit einer Informations- oder Analysephase. Mit der Analyse der möglichen Boom- und Hemmfaktoren (Umfeldanalyse), die den Gesundheitstourismus zukünftig marketingrelevant beeinflussen können, ist ein erster Schritt zur Feststellung der IST-Situation in der Destination und bei Gesundheitsbzw. Wellness-Dienstleistern getan (→ Abb. 5). Abb. 5: Drei Bereiche der Marketing-Analyse Quelle: Freyer 2015, S. 412 Der zweite Schritt wird anhand der Marktanalyse (informiert über das Marktvolumen sowie die Nachfrage- und Konkurrenzsituation am relevanten Markt) durchgeführt, womit sich folgend → Kap. 3 beschäftigt. 1. Umfeld 2. Markt 3. Betrieb I. Analysephase: Informationsmarketing 3 Au als M ge un Ge W    Da de Man wo Der Ma us Sicht des M s vereinfachte arketing-Mana fasste Grundf nd Konkretisie esundheitstour Wer vermarktet Das „Wer“ b Konkurrenzs das „Wen“ f (→ Kap. 3.3) das „Was“ b renzierung (n sundheitstour as „Wer“ bilde er am Markt arktabgrenzun ngebotenen Pro obei hier gleic arkt des Ge Marketings die Form des bz agement. Hier fragen eine sc erung der spe rismus (→ Ab was an wen? bezieht sich au trukturen (→ fokussiert die und betrifft die Ma nach Produkte rismus) (→ Ka et zusammen m auftretenden ng soll v.a. die odukte und D hzeitig das Ma esundheit enen Märkte u zw. als erste ermöglichen chnelle und g ezifischen Mar bb. 6): uf die Analyse Kap. 3.2), Analyse der N arktabgrenzung en und Diens ap. 3.1). mit dem „Wen Anbieter un e verschiedene Dienstleistungen arktvolumen h tstourism und Marktstru Annäherung a v.a. drei zusam genauere Eine rketing-Aufgab der Angebots Nachfragestru g bzw. Marken stleistungen im n“ die Marktst nd Nachfrage en an diesem n („Was“) aufz hinsichtlich de us ukturen an das mmenengung ben im sbzw. ukturen ndiffem Getruktur er. Die Markt fzeigen, es Um- 32 Gesundheitstourismus fanges der am jeweiligen Markt gehandelten Produkte und Dienstleistungen dargestellt wird. Dazu dient folgendes Kapitel. Abb. 6: Grundstruktur der Marktanalyse Quelle: Freyer 2015, S. 388 3.1 Marktabgrenzung Am Anfang aller Marketing-Überlegungen steht die Abgrenzung des zu betrachtenden Marktes (Marktabgrenzung) und der dort gehandelten Produkte und Dienstleistungen, v.a. nach räumlichen, zeitlichen und produktbezogenen (sachlichen) sowie personellen Aspekten (vgl. Freyer 2015, S. 376). Diese Abgrenzungsüberlegungen sind später sowohl für die Angebotsals auch für die Nachfrageseite des Gesundheitstourismus-Marktes von Bedeutung. Unter relevanten gesundheitsorientierten Tourismusleistungen werden neben den bereitgestellten Produkten bzw. Sachgütern alle Dienstleistungen (Bedienung, Betreuung, Beratung usw.) verstanden, die zur Förderung, Stabilisierung und Wiederherstellung des körperlichen, geistigen und seelischen Wohlbefin- Wer vermarktet? Was? An wen? Angebotsstrukturen Tourismusmarkt („Produkte“) Nachfragestrukturen ► privatwirtschaftliche Anbieter ► öffentliche Anbieter ► Public Privat Partnership ► Endverbraucher ► Investoren ► Intermediäre ► Zulieferer, Beschaffung ► Einzelprodukte bzw. -leistungen ► Gesamtprodukte bzw. -leistungen ► imaginäre Produkte (oder Produktelemente) Der Markt des Gesundheitstourismus 33 dens am vorübergehenden Aufenthaltsort von Anbietern erbracht und von Nachfragern konsumiert werden (→ Wissen | Gesundheitstourismus, S. 13). Hierbei muss darauf hingewiesen werden, dass die Dienstleistung eine zeitraumbezogenen Leistung ist, die in drei Leistungsaspekte bzw. -phasen unterteilt werden muss: die Potenzial-, Prozess- und Ergebnisphase.  Wissen │ Touristische Dienstleistung Touristische Dienstleistungen sind  Selbständige, marktfähige oder öffentliche Leistungen, die mit der Bereitstellung verschiedener touristischer Teilleistungen (v.a. Kapazitäten) und/ oder dem Einsatz von Leistungsfähigkeiten zur Reise (v.a. Buchungsmöglichkeiten) verbunden sind (= Potenzialphase).  Im Rahmen des Prozesses der Leistungserstellung werden interne Faktoren (der Leistungsträger), z.B. Personal, Beherbergungseinrichtungen, Beförderungsmittel, mit den externen Faktoren (v.a. mit den Touristen) kombiniert (= Prozessphase).  Der touristische Dienstleistungsanbieter setzt die Faktorenkombination mit dem Ziel ein, an den externen Faktoren (den Touristen) nutzenstiftende Wirkungen zu erreichen (= Ergebnisphase) (vgl. Freyer 2011, S. 68). Zur gesundheitstouristischen Marktabgrenzung erfolgt nun die Analyse der relevanten Produkte und Dienstleistungen anhand der Abgrenzungskriterien für den Gesundheitstourismus- Markt:  Gebiet (räumlicher Aspekt): Dies umfasst zumeist das sogenannte „Einzugsgebiet“ für das jeweilige Produkt bzw. die jeweilige Dienstleistung. 34 Gesundheitstourismus  Zeit (saisonaler Aspekt): Der Tourismusmarkt unterliegt wie kaum ein anderer Markt jahreszeitlichen Schwankungen, die eine gleichmäßige Planung, Steuerung und Kontrolle erschweren. Daher beziehen sich die Marktanalysen und Marktbetrachtungen meist auf spezielle Zeiträume und/ oder Zeitpunkte.  Produkt (sachlicher Aspekt): Wie bereits in → Kap. 1 dargestellt, lässt sich der Gesundheitstourismus zwar aufgrund seiner konkreten Verwendung von Gesundheitsdienstleistungen von anderen Urlaubsarten klar abgrenzen, aber seine Unterformen gehen oft fließend ineinander über. Daher muss hier die Frage nach einer konkreten Spezialisierung beantwortet werden.  Sozioökonomische Gruppen der Nachfrager (personeller Aspekt): so z.B. nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Einkommen, Gesundheitszustand usw. (→ Kap. 3.3).  Anzahl (und Verhaltensweisen) der Marktteilnehmer: Im Extremfall können nur ein Anbieter und viele Nachfrager (Angebotsmonopol) oder auch viele Anbieter und ein Nachfrager (Nachfragemonopol) vorhanden sein. Dazwischen sind vielfältige Kombinationen möglich. Die jeweils interessierenden Informationen über die Produkte und Dienstleistungen der Anbieter und Nachfrager am Markt (Marktteilnehmer) werden grundsätzlich durch zwei Erhebungsmethoden gewonnen:  Durch die sogenannte Sekundärforschung, bei der verschiedene, bereits vorhandene Untersuchungen (wie Marktberichte, Tourismusstatistiken, Forschungsergebnisse oder Fachzeitschriften) für den eigenen Untersuchungszweck analysiert werden.  Durch die Primärforschung, bei der v.a. durch verschiedene Befragungsmethoden (schriftlich, persönlich, telefonisch, online) sowie durch Beobachtung (Mystery Check) Daten neuwertig gewonnen werden. Der Markt des Gesundheitstourismus 35 Alle gesundheitstouristischen Produkte und Dienstleistungen hier aufzuführen, wäre ein „unendliches Unterfangen“. Es wird folglich auf ein weiteres Ergebnis der Marktabgrenzung eingegangen. Mit der Marktabgrenzung erhält man Angaben über das Marktvolumen des für einen Betrieb oder für die jeweilige Fragestellung „relevanten“ Marktes. Die gängigsten Angaben zur Charakterisierung des Marktvolumens im Tourismus beziehen sich auf Umsatz an Produkten und Dienstleistungen, Zahl der Beschäftigten, Zahl der Anbieter bzw. Betriebe oder/ und Betten und deren Auslastung oder Zahl der Gästeankünfte und Übernachtungen, Aufenthaltsdauer und Saisonverlauf.  Praxis │ Markt- und Absatzvolumen und Marktanteil Die realisierten Umsätze aller Marktteilnehmer stellen das vorhandene Marktvolumen dar, z.B. alle 140 Millionen Übernachtungen in allen deutschen Kurorten und Heilbädern (mit Luftkurorten) im Jahr 2015. Davon zu unterscheiden sind das Absatzvolumen einer bestimmten Gemeindegruppe (z.B. 26,0 Millionen Übernachtungen in Luftkurorten in 2015) oder einer einzelnen Destination bzw. eines Betriebes sowie der jeweils vorhandene Marktanteil (z.B. aller deutschen Kurorte und Heilbäder von 32 % an den gesamten statistisch erfassten 436 Mio. Übernachtungen in Deutschland im Jahr 2015) (vgl.  www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ Wirtschaftsbereiche/ Binnen handelGastgewerbeTourismus/ Tourismus/ Tabellen/ Uebernachtungen Gemeindegruppen.html, 24.10.2016). Die gleichen Berechnungen können auch anhand weiterer Nachfragekennzahlen oder unter Abzug bestimmter Marktteilnehmer durchgeführt werden, z.B. Marktanteil an Übernachtun- 36 Gesundheitstourismus gen ohne die Luftkurorte: Dann liegt der Marktanteil aller deutschen Kurorte und Heilbäder bei 26 % der statistisch erfassten Übernachtungen in Deutschland im Jahr 2015. Dennoch sind die deutschen Heilbäder und Kurorte damit ein wesentlicher Faktor im Deutschlandtourismus. Zwischen dem eigenen Marktanteil und dem gesamten Marktvolumen bzw. Marktpotenzial wird sich das eigene Absatzpotenzial (oder Marketing-Potenzial) bewegen.  Praxis │ Marktpotenzial Im Wachstumsmarkt Gesundheitstourismus muss aber von einem weiten Auseinanderklaffen von Marktpotenzial und -volumen gesprochen werden, da z.B. durch die Reiseanalyse der FUR belegt ist, dass zwar für 33 % der Bevölkerung „etwas für die Gesundheit tun“ im Urlaub besonders wichtig ist (= Marktpotenzial), aber nur 6 % (4 Millionen) aller Urlaubsreisen tatsächlich als Gesundheitsurlaub durchgeführt werden (= Marktvolumen) (vgl. Lohmann & Schmücker 2015, S. 8). Zusammenfassend wird für die Informationssammlung der Marktabgrenzung folgende Übersicht angeführt:  Wissen │ Marktabgrenzung  ( Betriebliches) Absatzvolumen ist der mengen- oder wertmäßige Absatz eines Betriebes (der realisiert oder prognostiziert wird/ wurde).  Marktvolumen ist der mengen- oder wertmäßige Absatz aller Unternehmen an einem Markt (der realisiert oder prognostiziert wird bzw. wurde). Der Markt des Gesundheitstourismus 37  (Betriebliches) Absatzpotenzial (oder Marketing- Potenzial) ist der mengen- oder wertmäßige Absatz eines Betriebes, der maximal möglich wäre.  Marktpotenzial ist der maximal zu vermutende mengen- oder wertmäßige Absatz für alle Betriebe an einem Markt.  Marktanteil ist das Verhältnis des Absatzvolumens eines Betriebes zum gesamten Marktvolumen, gemessen durch Wert- oder Mengengrößen in Prozent (vgl. Freyer 2011, S. 184). Die hier durchgeführte Form der Markteingrenzung orientiert sich an der volkswirtschaftlichen Markttheorie und wird daher auch als Makro-Marktabgrenzung oder Makrosegmentierung bezeichnet. Folglich wird die Marktabgrenzung ganz konkret nach Zielgruppen gesondert als sogenannte „Mikroabgrenzung“ oder „Mikrosegmentierung“ in → Kap. 3.3 in Form der Marktsegmentierung bzw. Zielgruppenanalyse behandelt. Vorerst wird im folgenden Kapitel die Analyse der Angebotsstrukturen im Gesundheitstourismus vorgenommen. 3.2 Angebotsstrukturen Ein weiterer wichtiger Schritt der Marktanalyse ist die Analyse der relevanten (Dienstleistungs-)Anbieter bzw. Konkurrenten. Sie steht oft im Schatten der Nachfrageanalyse, doch für das strategische Marketing spielt sie eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Durch die Analyse der Aktivitäten der Wettbewerber können bereits hier Hinweise auf die eigenen Stärken und Schwächen gewonnen werden. Die Analyse der eigenen Angebotsstrukturen erfolgt innerhalb der noch folgenden Betriebsanalyse (vgl. → Kap. 4). 38 Gesundheitstourismus Hauptschwierigkeiten bei Konkurrenzvergleichen sind:  adäquate Vergleichsobjekte bzw. Dienstleister („benchmarks“) zu finden, mit ähnlicher Kundenstruktur, Lage und Umfang,  ausreichend Informationen über die Konkurrenzunternehmen zu erhalten,  die entsprechenden Rückschlüsse für das eigene Unternehmen zu ziehen (vgl. Freyer 2015, S. 417). Als Ergebnis der Konkurrenzanalyse kommt es zu unterschiedlichen Strategien:  Das gleiche Produkt oder Konzept der Konkurrenz wird übernommen („Mee-too-Strategie“).  Das Angebot der Konkurrenz wird abgewandelt.  Man sucht sich eine „Marktnische“, stellt also etwas her oder entwickelt eine Strategie, die die Konkurrenz nicht hat (vgl. Freyer 2015, S. 417). Im Folgenden wird sich auf die Angebotsanalyse der beiden großen Motivbereiche Medizin (Kur und Rehabilitation) und Wellness (und Prävention) konzentriert (→ Abb. 2). 3.2.1 Kur und Rehabilitation Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über die historische Entwicklung und das heutige Angebotsspektrum der Kurorte und Heilbäder als Hauptakteure im Gesundheitstourismus in Deutschland. Historische Entwicklung Nach Vorläuferformen bereits in der Antike wurde der Kur- und Bädertourismus im Zeitalter des Absolutismus als elitäre Reiseform durch den Adel kultiviert. Heilbäder wurden als vorübergehende Residenzen der Adeligen gegründet und in Folge im 19. Jahrhundert auch für das gehobene Bürgertum zugänglich. Damit war ein Kuraufenthalt zwar gesundheitlich mo Ku ne Or me fü Ku set Ei ru so de ch na 20 Ab Di an (vg hei Im he otiviert, gleich ulturreise. Die en Badekompl rtsbild vieler H en wurde im r breite Bev urtourismus s tzgebung nach influssfaktor d ng im Jahr 19 zialen Versorg er Folge wurd he Investitione annten Sozialk 015, S. 239ff.). bb. 7: Bäderarch ie räumlichen n den Küsten, gl. Brittner 2 ilbaeder-deutschla m Zuge von eitswesen wurd Der Mar hzeitig aber a e Bäderarchite exe und Resid Heilbäder. Wi 20. Jahrhunde ölkerungssch stellten die R h dem Zweite dar. Mit der N 957 wurden K gung in den da e von den Re n in Kurklinik kurgäste stieg k itektur Kurhaus Schwerpunkte , im Voralpen 2000, S. 33 u and/ deutschland Kostendämp den die Leistu rkt des Gesund auch eine ver ektur der in d denzen prägt a ie bei vielen a ert auch diese hichten ersch ahmenbedingu en Weltkrieg Neuregelung Kuraufenthalte amals beiden d entenversicher ken getätigt un kontinuierlich s Binz/ Rügen e der Heilbäde nraum und in und  www.d dkarte-kurort-hei pfungsmaßna ungen seit En dheitstourismus rgnügungsorie dieser Zeit ents auch heute no anderen Urlau Domäne der lossen. Im Fa ungen der So den entscheid der Rentenve e zu einem T deutschen Staa rungsträgern e nd die Zahl der an (vgl. Kage r und Kurorte den Mittelge die-neue-kur.de/ k ilbad.html). ahmen im G de der 1970er s 39 entierte standeoch das ubsfor- Eliten all des ozialgedenden ersiche- Teil der aten. In erheblir sogeermeier e liegen ebirgen kurorte- Gesundr Jahre 40 Gesundheitstourismus sukzessive reduziert. Nach der deutschen Wiedervereinigung wirkte die sogenannte dritte Stufe der Gesundheitsreform 1997 besonders einschneidend. Dies führte zu weiteren Nachfragerückgängen bei Sozialkuren und auch zu einem entsprechenden Verlust an Arbeitsplätzen. Innerhalb weniger Jahre befanden sich die klassischen Kur- und Bäderorte - insbesondere diejenigen, die stark auf den von den öffentlichen Gesundheitskassen finanzierten Kurtourismus gesetzt hatten - in einer ausgeprägten Strukturkrise. Es wurde deutlich, dass der vom Staat geförderte, organisierte und v.a. schulmedizinisch geprägte Kurtourismus mit seinen großen Kurkliniken keine adäquate zeitgemäße Struktur für einen wettbewerbsorientierten Käufermarkt aufwies (vgl. Kagermeier 2015, S. 239ff.). Parallel zur Krise der traditionellen Kurorte und Heilbäder Ende der 1990er Jahre verbreitete sich die Wellness-Idee im Deutschlandtourismus. Nach und nach gewannen privat finanzierte Formen des Kur- und Erholungstourismus zunehmend an Bedeutung, wie sie bereits den (Erholungs-)Tourismus in anderen Ländern prägten. Dabei hat sich die Bezeichnung Gesundheitstourismus als Oberbegriff weitgehend durchgesetzt, die für eine Reihe verschiedener Angebotsformen (und Nachfragewünsche) steht. Sie befindet sich auf einem Kontinuum zwischen „krank“ (und vorwiegend öffentlich finanziert) und „gesund“ (und vorwiegend privat finanziert). Hintergrund ist das Gesundheitsmodell nach Travis 1984 (→ Abb. 10). Diese Sichtweise geht von einem weiten, einem ganzheitlichen Gesundheitsverständnis aus („Harmonie“ von Körper, Geist und Seele = Wellness). Es ergänzt die Methoden der klassischen Schulmedizin durch „alternative“ Medizin, hier v.a. asiatische Methoden, mentale Elemente („Spiritualität“) und integriert im weitesten Verständnis auch allgemeine Erholungsangebote (wie Wandern, Schwimmen, Ausruhen, Sport usw.) (vgl. Freyer 2015, S. 345). Besondere Aufmerksamkeit hat der Wellness-Tourismus als Sonderform des Gesundheitstourismus gefunden. Hier vereinen sich verschiedene moderne Lifestyle-Aspekte (wie Gesundheit, Der Markt des Gesundheitstourismus 41 Genuss, Luxus, Spiritualität) mit dem Wunsch und Phänomen des Reisens (→ Kap. 1.1). Bereits seit dem Jahr 2003 engagiert sich der DHV in der Thematik Wellness (vgl. Nahrstedt 2008, S. 104) und zeichnet mit dem Gütesiegel „Wellness im Kurort“ Wellness-Angebote in Kurorten 4 aus, die zehn speziell geforderte Qualitätskriterien erfüllen. „Wellness im Kurort steht für ein ganzheitliches Gesundheitsangebot. Medizin und Therapie, Natur und Kultur, Bewegung und Entspannung sowie Kommunikation und Erleben bilden die Basis dieses ganzheitlichen Prinzips und knüpfen damit an die Geschichte der Bäderkultur an, die schon immer das individuelle Wohlbefinden des Gastes in den Mittelpunkt aller Bemühungen im Kurort setzte.“ ( www.wellness-im-kurort.de) Die Ausdifferenzierung des Gesundheitstourismus in weitere Nachfragethemen zeigt sich auch anhand einer zweiten Marketing-Maßnahme des DHV, nämlich der Vergabe des Gütesiegels „Prävention im Kurort“. Im Jahr 2008 konnten bereits 143 „Wellness im Kurort“-Angebote in 31 Orten und 54 „Prävention im Kurort“-Angebote in 17 Orten verzeichnet werden (vgl. DHV 2008b, S. 22). Im Jahr 2016 ist diese Marketing-Aktion eher rückläufig, denn es präsentieren nur noch 24 Orte buchbare Wellness- Angebote und 13 Orte buchbare Präventionsangebote (vgl.  www.wellness-im-kurort.de). Ebenfalls auf Initiative des DHV begannen Heilbäder und Kurorte Medical-Wellness-Angebote im Jahr 2008 zu offerieren (vgl. DHV 2008a). Diese Initiative ist zwischenzeitlich in die Wellness Stars Deutschland GmbH übergegangen (vgl.  www.wellness-stars.de/ Gesundheitsresorts). 4 Der Begriff „Wellness im Kurort“ wurde am 24. Juli 2003 als Wort-/ Bildmarke mit allen dazugehörigen Dienstleistungen ins Register des Deutschen Patent- und Markenamtes in München eingetragen (vgl. Luft 2007, S. 103). 42 Gesundheitstourismus Insgesamt konnten mit Beginn des 21. Jahrhunderts erste Revitalisierungsmaßnahmen (v.a. in der Infrastruktur, Angebotspalette und Kommunikationspolitik) in deutschen Heilbädern und Kurorten festgestellt werden.  Zusammenfassung Lebenszyklus von Thermalkurorten und Seebädern:  Entdeckung von Thermalquellen und Gründung von Seebädern,  Entwicklung von Gesundheitsbehandlungen,  erfolgreiche Destinationen im 18. und 19. Jahrhundert,  zunehmende Bedeutungslosigkeit nach den zwei Weltkriegen (trotz der Aufnahme der Kur in die Sozialgesetzgebung und des Prädikatisierungsverfahrens),  steigender Verfall der Infrastruktur gegen Ende des 20. Jahrhunderts (durch veränderte finanzielle Rahmenbedingungen),  verstaubtes Image, Attraktivitätsverlust und Marketing- Probleme in vielen Kurorten und Heilbädern und  mit Beginn des 21. Jahrhunderts: Managementorientierte Revitalisierungsmaßnahmen führen teilweise zu erneutem Aufschwung (vgl. Rulle & Vos 2008, S. 3). Heutiges Angebotsspektrum der Heilbäder und Kurorte Gesundheitskompetenz, Qualität und Gästeservice - hierfür stehen die deutschen Heilbäder und Kurorte seit über 120 Jahren. Der Deutsche Heilbäderverband (DHV) vertritt derzeit ca. 280 Heilbäder und Kurorte in Deutschland und sorgt mit den Qualitätsstandards seiner „Begriffsbestimmungen“ (Prädikatisierungen) für das hohe Niveau dieser Heilbäder und Kurorte (→ Abb. 8). Die Zahl der Heilbäder und Kurorte steigt noch Der Markt des Gesundheitstourismus 43 auf etwa 350 an, wenn Orte mitgezählt werden, die nicht über einen Landesverband im DHV organisiert sind. Die Bezeichnung Heilbad und Kurort ((hoch)-prädikatisierter Ort) (engl. spa, health resort) ist in Deutschland geschützt und wird i.d.R. von den Wirtschaftsministerien der Bundesländer auf Basis der „DHV-Begriffsbestimmungen“ verliehen (→ Abb. 8). Abb. 8: DHV-Begriffsbestimmungen Quelle: DHV & DTV 2015, S. 1 DTV Deutscher Tourismusverband e.V. DHV Deutscher Heilbäderverband e.V. Begriffsbestimmungen / Qualitätsstandards für Heilbäder und Kurorte, Luftkurorte, Erholungsorte - einschließlich der Prädikatisierungsvoraussetzungen - sowie für Heilbrunnen und Heilquellen - 12. Auflage - kommend aus April 2015 fortgeschrieben durch - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 24. Oktober 2009 (Garmisch-Partenkirchen) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 10. Oktober 2010 (Heringsdorf) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 30. Oktober 2011 (Bad Krotzingen) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 27. Oktober 2012 (Bad Homburg v. d. Höhe.) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 2013 (Bad Kissingen) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 8. November 2014 (Zingst) sowie - Beschluss der DHV-Mitgliederversammlung vom 26. September 2015 (Bad Wildbad) Herausgeber: Deutscher Heilbäderverband e.V., Charlottenstraße 13, 10969 Berlin und Deutscher Tourismusverband e.V., Schillstraße 9, 10785 Berlin Alle Rechte vorbehalten Deutscher Heilbäderverband e.V. Deutscher Tourismusverband e.V. 44 Gesundheitstourismus „Hochprädikatisierte Orte sind Gebiete (Orte oder Ortsteile), die besondere natürliche Gegebenheiten - natürliche Heilmittel des Bodens, des Meeres, des Klimas - oder die Voraussetzungen für die Physiotherapie nach Kneipp sowie die Anforderungen nach Felke und Schroth für Kuren zur Heilung, Linderung oder Vorbeugung von Erkrankungen aufweisen. Sie müssen die allgemeinen Anerkennungsvoraussetzungen sowie die jeweils für die einzelnen Artbezeichnungen speziellen Anforderungen erfüllen.“ (DHV & DTV 2015, S. 30) Die „Begriffsbestimmungen“ des DHV, die gemeinsam mit dem Deutschen Tourismusverband (DTV) aufgelegt werden, definieren die Mindestanforderungen für die verschiedenen Prädikate, die eine Gemeinde oder ein Gemeindeteil erhalten kann und fungieren somit als Instrument zur Sicherung der (Struktur-) Qualität. Die Ortsprädikate (teilweise durch den Namenszusatz „Bad“ bzw. „Staatlich anerkannter Kurort oder Heilbad“ deutlich gekennzeichnet) werden - in Abhängigkeit des ortsspezifischen Angebotes (bspw. Meeresklima, Thermalwasser o.a. Therapieformen) - noch weiter differenziert. Luftkurort und Erholungsort ist dabei kein Prädikat im Sinne von möglichen Kurmittelanwendungen. Eine Abgrenzung zu den eigentlichen Ortsprädikaten im Bereich Kur und Rehabilitation wird durch die Verwendung des Begriffes „hochprädikatisiert“ allein für Kurorte oder Heilbäder erreicht. Schließlich beschreibt der DHV noch die Artbezeichnungen Heilquellen und Heilbrunnen. Erstere sind Wasser- und Gasquellen, deren Erhaltung aus Gründen des Wohls der Allgemeinheit erforderlich ist. Sie können auf Antrag staatlich anerkannt werden („staatlich anerkannte Heilquelle“). Heilbrunnenbetriebe sind Betriebe und Einrichtungen, in denen natürliche Heilwässer gewonnen, abgefüllt und als Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden (vgl. DHV & DTV 2015, S. 30). Bedeutende Heilwasser- Marken sind z.B. St. Gero von Gerolsteiner Brunnen, Gerol- Der Markt des Gesundheitstourismus 45 stein/ Eifel oder Römerbrunnen, Bad Vilbel. Wissenswertes finden Interessierte auf der Internetseite  www.heilwasser.com. Dort steht auch ein Verzeichnis aller Heilwässer und ihrer Inhaltsstoffe zum Download bereit. Die folgende → Tab. 3 zeigt die aktuellen Varianten der hochprädikatisierten Kurorte und Heilbäder (ohne Luftkur- und Erholungsorte). Heilbad- Prädikate Mineralu. Moorheilbad Kneippheilbad kein Prädikat 5 Seeheilbad Kurort- Prädikate Ort mit Kurbetrieb Kneippkurort heilklimatischer Kurort (ohne Luftkurort 6 ) Seebad (mit kurmedizinischem Hintergrund) natürliche Heilmittel Heilmittel des Bodens Kneipptherapie o.a. Klima als Heilmittel Heilmittel des Meeres Anzahl in D (2014) 179 65 68 MV 30 + SH 39 + NS 23 = 92 Tab. 3: Gliederung der Artbezeichnungen (Prädikatisierungen) Quelle: Vgl. DHV & DTV 2015, S. 45ff. und Stat. Bundesamt 2016b sowie eigene Recherchen anhand  www.baederkalender.de 5 Allerdings versuchen die 16 heilklimatischen Kurorte der Premium Class („Heilklima der Extraklasse“) für die Orte mit Heilklima die Lücke der hochprädikatisierten Heilbäder zu schließen (vgl.  www.heilklima.de/ index.shtml? premium_class). 6 Für Luftkurorte, Erholungsorte und Seebäder ohne kurmedizinischen Hintergrund werden vom DHV keine Feststellungen von Heilanzeigen und Gegenanzeigen gefordert. Mit ihrer Prädikatisierung nach den „DHV-Begriffsbestimmungen“ schaffen die Orte zumeist gezielt die Voraussetzungen, um in einem weiteren Schritt den Kurortstatus etwa des Heilklimatischen Kurortes oder einer anderen Artbezeichnung überhaupt erst anzustreben. Denn den Luftkurorten fehlt - wie den Erholungsorten und Seebäder ohne kurmedizinischen Hintergrund auch - trotz teilweise vorhandener ärztlicher Infrastruktur das Angebot von Heilbehandlungen, die mit dem Begriff Kuren umschrieben werden können (vgl. DHV & DTV 2015, S. 19f., 45 und 84). 46 Gesundheitstourismus Die Gesamtheit der Prädikate ist im Sinne einer Klassifikation zu verstehen wie es der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e.V. für die Beherbergungsklassifikation mit Hotelsternen durchführt. So müssen die geprüften Destinationen verschiedene Voraussetzungen erfüllen, um ein bestimmtes Prädikat zu erhalten. Es bestehen dabei unterschiedliche Anforderungen je nach Artbezeichnung an:  Art der natürlichen Heilmittel: des Bodens, des Klimas, des Meeres bzw. des jeweiligen Therapiekonzeptes,  Kurortcharakter,  artgemäße Kureinrichtungen und  ärztliche Versorgung (vgl. DHV & DTV 2015, S. 28ff.). „Durch Änderungen der örtlichen und natürlichen Gegebenheiten mit Auswirkungen auf den Heil- und Erholungsfaktor können sich die für die ursprüngliche Anerkennung festgestellten Voraussetzungen in den Orten ändern. Daher ist in Abständen von längstens zehn Jahren zu prüfen, ob die Voraussetzungen der ursprünglichen Anerkennung weiterhin gegeben sind.“ (DHV & DTV 2015, S. 39) Mit den obigen Ausführungen wird auf die direkte Konkurrenz der Heilbäder und Kurorte untereinander eingegangen. Es handelt sich dabei um die sogenannte enge Konkurrenz, v.a. innerhalb einer bestimmten Sparte. Dies sind Anbieter mit gleichen Angeboten zur gleichen Zeit in der gleichen Destinationsart (durchaus so weiträumig wie ganze Regionen, z.B. Küstengebiete) im gleichen Marktsegment Gesundheitstourismus. Bei einer präzisen Marktsegmentierung kann sich zeigen, dass der Konkurrent ein anders Marktsegment bedient, z.B. ein anderes Einzugsgebiet, mit anderen Schwerpunkten, für andere Zielgruppen usw. Der Markt des Gesundheitstourismus 47 Weniger relevante Konkurrenz für die eigenen Marketing- Aktivitäten findet sich unter der weite(ren) Konkurrenz. Das sind Anbieter mit ähnlichen Produkten, bei denen man sich fragen muss, ob sie überhaupt konkurrieren, weil sie als „Substitute“ für das eigene Produkte anzusehen wären. Beispiele finden sich hier v.a. in allen nicht-prädikatisierten Wellness-Destinationen oder in den (mitunter sehr autark funktionierenden) Kliniken für Kur- und Medizintourismus.  Praxis │ Gesundheitsland Bayern Im Jahr 2015 waren im Gesundheitsland Nr. 1 Bayern (anhand der Gesamtzahl der prädikatisierten Gemeinden) 355 Gemeinden wie folgt staatlich anerkannt: hochprädikatisierte Gemeinden 20 als Mineral- oder Moor-Heilbad, 5 als Kneipp-Heilbad, 3 als Kneipp-Kurort und 1 als Schroth-Heilbad, 13 als Heilklimatischer Kurort sowie … prädikatisierte Gemeinden 80 als Luftkurort und 233 als Erholungsort. Quelle:  www.innenministerium.bayern.de/ med/ pressemitteilungen/ pressearchiv/ 2015/ 430/ index.php). Schließlich zeigen sich unter der weitesten Konkurrenz v.a. die Entwicklungen in ganz anderen Wirtschaftsbereichen, weil sie damit die eigenen Produkte und Dienstleistungen fast völlig verdrängen können. Hier wären z.B. die Entwicklungen in der internetbasierten Kommunikationstechnologie zu nennen, die wie die modernen digitalen Gesundheitsarmbänder ggf. wohn- und arbeitsplatzferne Gesundheitsangebote überflüssig machen könnten. 48 Gesundheitstourismus Im Folgenden wird daher auf die Wellness-Thematik eingegangen, die mit Beginn des 21. Jahrhunderts den traditionellen Gesundheitsdestinationen starke Konkurrenz macht. 3.2.2 Prävention und Wellness Wie bereits oben erfahren, versuchen die traditionellen Kurorte und Heilbäder mit ihren (mittels DHV-Gütesiegel gekennzeichneten) Präventions- und Wellness-Angeboten den Markt des modernen Gesundheitstourismus (→ Abb. 1) mitzubestimmen, d.h. vermehrt Selbstzahler-Angebote zu offerieren, um vom staatlich finanzierten Kursystem unabhängiger zu werden. Auslöser war ein Paradigmenwechsel im Gesundheitswesen. Denn durch gezielte Prävention sei eine Einsparung von 25 bis 30 % der Krankheitsausgaben möglich (vgl. DHV 2012, S. 6).  Praxis │ Gesundheitsförderung und Prävention abgrenzen Ziel der Gesundheitsförderung ist die Gestaltung von Rahmenbedingungen, um die Gesundheit und das Gesundheitsverhalten von Individuen und Gruppen bzw. der Gesamtbevölkerung positiv zu beeinflussen (noch vor Risikoreduktion). Ein guter Ansatzpunkt ist das allgemeine betriebliche Gesundheitsmanagement. Prävention hingegen umfasst alle Maßnahmen, die gesundheitliche Beeinträchtigungen vermeiden helfen sollen. Der Interventionszeitpunkt bezieht sich auf das Erkennen und Reduzieren von Risikofaktoren bei Risikogruppen (vgl. Illing 2009, S. 14f.). Prävention wird i.d.R. in drei unterschiedliche Varianten untergliedert: Primärprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention. So kann in → Abb. 9 das gesundheitstouristische Angebot im Bereich der Prävention in indikationsunabhängige Formen (I-III) und indikationsbezogene Formen (IV-VI) unterschieden werden. Der Markt des Gesundheitstourismus 49 Abb. 9: Einordnung der Prävention in Angebotssparten im Gesundheitstourismus Quelle: BMWi 2011, S. 13 Angebotssparten im Gesundheitstourismus mit fließenden Grenzen Anbieterrelevanz sämtliche medizinisch/ touristische Anbieter mit Qualifikationsanforderungen nach Leitfaden Prävention der Krankenkassen Anbieter mit medizinisch und/ oder psychologischtherapeutischem Bereich Anbieter mit medizinischtherapeutischem Bereich medizinisch-therapeutische Einrichtungen mit Programmleitung, in Kooperation mit touristischen Anbietern medizinisch-therapeutische Einrichtung medizinisch-therapeutische Einrichtung Beispiele Vorbeugung bspw. durch Ernährung, Sport, Wellness Resilienzerhöhung (Widerstandskraft gegen Krankheiten) durch Meditation, Marathontraining Dermabrasion, Chemical Peeling Einführung in das Joggen bei Bluthochdruck chronische Erkrankungen nach Eingriffen, Anschlussreha nach Unfall Patientenreise in spezialisierte Klinik Motivation/ Ziel aus Kundensicht Krankheitsvermeidung, Gesundheitserhaltung, Kompetenzen für gesundheitsfördernde Lebensweise Erreichung eines leistungsdefinierten Ziels Erhöhung der Attraktivität Früherkennung, Verhinderung der Verschlimmerung oder des Wiederauftretens einer Erkrankung Wiederherstellung der Gesundheit Behandlung einer Erkrankung Angebotssparten Primärprävention Leistungsfähigkeit Attraktivität Sekundär-/ Tertiärprävention Rehabilitation Heilung und Linderung I II III IV V VI nicht indikationsorientiert (Diagnose nicht relevant) Indikationsorientiert (Diagnose relevant) 50 Gesundheitstourismus Anders als die Kurorte richten sich die Präventions- und Wellness-Destinationen daher nicht primär an den kranken Gast, sondern dienen der Vorbeugung von Krankheiten bei (noch) gesunden Gästen. Hilfreich ist dabei erneut das Gesundheitskontinuum (→ Abb. 10). Abb. 10: Wellness als dynamisches Selbstgefühl Quelle: Travis 1984, zitiert nach Horx 2005, S. 64 So ist Wellness ein Prozess ganzheitlichen Wohlbefindens im Kontext (wissenschaftlich gesicherter) gesundheitsfördernder Faktoren. Laienverständlich ausgedrückt: Genussvoll gesund leben. Zur Ordnung der Wellness-Dimensionen wurden verschiedene Systematiken vorgelegt. Sie beinhalten i.d.R. körperliche, emotionale, geistige, soziale, spirituelle, ökologische und berufliche Aspekte und sollen so Ganzheitlichkeit darstellen. Professionelles Wellness-Management, wie es in den USA im Rahmen des dortigen Gesundheitssystems entwickelt wurde, hat sich in Deutschland bislang noch kaum etablieren können. Unter Wellness werden hier i.d.R. immer noch überwiegend passive, verwöhnende Anwendungen und Behandlungen sowie Aufenthalte in luxuriösen Hotels, Day Spas oder Clubs verstanden (vgl.  www.wellnessverband.de/ infodienste/ lexikon/ w/ wellness.php). hochgradige Wellness frühzeitiger Tod neutraler Punkt Veränderung Potenzialsteigerung Behinderung SymptomeZeichen Bewusstsein LernenWachstum Der Markt des Gesundheitstourismus 51 Als Zustand eines vollkommenen körperlichen, seelischgeistigen und sozialen Wohlbefindens werden zugleich die Voraussetzungen bzw. Elemente für dieses Wohlbefinden präzisiert. Fitness erscheint als eine erste wichtige Voraussetzung für ein ‚vollkommenes körperliches Wohlbefinden‘, seelische und soziale Voraussetzungen müssen hinzukommen (vgl. Nahrstedt 2008, S. 31). Das zugrundeliegende Verständnis der Elemente von Wellness kann dabei mit folgender → Abb. 11 verdeutlicht werden. Abb. 11: Wellness-Elemente Quelle: erweitert nach Lanz Kaufmann 1999, S. 37 Dabei muss festgestellt werden, dass die meisten Wellness- Angebote in Deutschland bisher eher vom passiven Verwöhnen lassen statt vom aktiven Gestalten der Lebensbalance gekennzeichnet sind. Um eine gewisse Wellness-Ganzheitlichkeit erreichen zu können (Stufe 2), müssen aber moderne Wellness- Angebote aus allen sechs Wellness-Elementen aufgebaut sein (→ Abb. 11 und → Abb. 12). Verschiedene Zertifikate und Gütesiegel sollen dabei Transparenz gewährleisten (→ Kap. 4.1.2, → Tab. 8). Selbstverantwortung Körper Geist Seele Einklang bzw. Balance durch: Gesunde Ernährung + Körperliche Fitness + Beauty/ Körperpflege + Meditation, Spiritualität + Entspannung, Stressmanagement + Geistige Aktivität, Bildung Gesellschaft: soziale Beziehungen Umwelt: Umweltsensibilität 52 Gesundheitstourismus Abb. 12: Wellness in zwei Stufen Quelle: Horx-Strathern 2002, zitiert nach Sonnenschein 2009, S. 192 V.a. gesundheitstouristische Erholungs- und Entspannungsangebote der ersten Stufe (→ Abb. 12) finden sich überaus zahlreich in beinah allen touristisch geprägten Infrastrukturen. Die jeweiligen Leistungsanbieter sind dabei mit (teilweise auch unabhängig geprüften) Qualifikationskennzeichnungen auf dem Markt. Allerdings zeigt sich in diesem „freien“ Selbstzahler-Markt, dass die hier auftretenden Anbieter schon immer mit nachfrageorientierten Marketing-Maßnahmen auf sich und ihre Tourismusleistungen markttransparent aufmerksam machen mussten und damit über einen gewissen Vorsprung verfügen. Die große Bandbreite der nicht (hoch-)prädikatisierten Destinationen für Prävention, Gesundheitsförderung und Wellness zeigt folgende Auswahl: Wellness 1 Entspannung, Verwöhnung, Verschönerung, Genuss- und Gesundheitssteigerung Wellness 2: Selfness gesteigerte Selbstkompetenz, Lebensbalance, Lernkompetenz, Reifung Der Markt des Gesundheitstourismus 53  330 Luftkurorte 7 für Präventionsmaßnahmen: „Die herausgestellte Luftqualität soll durch entsprechende Einrichtungen in verstärktem Ausmaß den Besuchern und Gästen zu Gute kommen. Das gelingt durch Animation zu körperlicher Aktivität… Dazu sind vom Luftkurort verschiedene Angebote zur körperlichen Betätigung vorzuhalten.“ (DHV & DTV 2015, S. 47)  1.072 Erholungsorte 8 für Erholungszwecke: „Erholungsorte sind bioklimatisch begünstigte Orte, die auch während Wochenendaufenthalten eine Regeneration ermöglichen sollen. Hierzu ist ein Ortscharakter nötig, der (…) gesundheitsfördernden und nicht auf Erkrankungsbehandlungen fokussierten Zielsetzungen dient. Zugleich soll dort zum verstärkten Aufenthalt im und um den Ort animiert werden, wozu vom Erholungsort Einrichtungen vorzuhalten sind, die den Bedürfnissen von Übernachtungsgästen umfassend entsprechen.“ (DHV & DTV 2015, S. 45)  Hat eine Destination kein Interesse, sich vom eigenen Bundesland an den DHV-Richtlinien prüfen zu lassen (wobei sie dabei i.d.R. auf die Erhebung einer Kurtaxe verzichtet, → Kap. 5), kann sie z.B. dennoch als sogenannte Aktiv- & Vital-Destination auftreten, wenn sie durch geeignete Infrastruktur und qualifiziertes Personal ein spezielles Alleinstellungsmerkmal in Sachen Wellness und Prävention aufweisen kann. Hierzu zählen etwa Wanderdestinationen in Großschutzgebieten, Wassertourismusdestinationen oder andere „Light“-Sportdestinationen. Dabei zeigt sich der fließende Übergang zum Aktivtourismus.  Auf der anderen Seite stehen die eher passiven Verwöhnbzw. Genuss-Wellness-Angebote von kleinsten Wellness-Resorts 7 Die genannte Zahl ergibt sich aus dem Datenschlüssel „Gemeindegruppe“ des Statistischen Bundesamt zum 31.12.2014 (vgl. Stat. Bundesamt 2016b, schriftliche Auskunft). 8 Vgl. Fußnote 6 54 Gesundheitstourismus und damit sogenannten „Auch-Wellness-Destinationen“. Sie weisen i.d.R. ein oder mehrere spezialisierte − Wellness-Hotels ( www.wellnesshotels-resorts.de), − Bio-Hotels ( www.biohotels.info), − Beauty-Farmen ( www.beauty24.de), − Klöster als Rückzugsorte, − Wellness- oder Gesundheitshöfe (vgl.  www.bauernhofurlaub.com/ hoftypen/ wellness-gesundheitshof), − spezielle Restaurants der bewussten bzw. gesunden Ernährung (z.B. Slow-Food-Restaurants (vgl. Groß 2011)) oder − spezielle Freizeiteinrichtungen wie Thermalbäder, Spa-, Kosmetik- oder Fitness-Einrichtungen auf.  Mehrheitlich an Einwohner gerichtete gesundheitsorientierte (Präventions-)Angebote finden sich im Gesunde Städte Netzwerk der WHO ( www.gesunde-staedte-netzwerk.de) oder bei der internationalen Vereinigung der lebenswerten Städte namens Cittàslow ( www.citta-slow.de). Das moderne Phänomen Wellness deckt heutzutage einen breiten Bereich von gesellschaftlichen Angeboten ab („Wellness als Lifestyle“ in allen Produkt- und Dienstleistungsbereichen), von denen der Wellness-Tourismus nur eine einzelne Facette darstellt. Unterschiede in Bezug auf das (touristische) Wellness- Verständnis gibt es daher v.a. hinsichtlich  des Anteils und der Ausprägung von kurmedizinischen Angeboten (wie Medical Wellness oder Kurtourismus),  der Arten von Wellness (z.B. Beauty, Ernährung, Fitness/ Sport, Entspannung/ Spiritualität),  der Dauer („Day Spa“, Wellness-Kurztrip oder Wellness- Urlaub) sowie  des europäischen Verständnisses von Wellness gegenüber der amerikanisch geprägten Auffassung von „Spa“ (vgl. Freyer 2015, S. 346). Der Markt des Gesundheitstourismus 55  Praxis │ Spa Die Herkunft des Begriffes „Spa“ ist immer noch umstritten. Die häufigste Annahme geht davon aus, dass sich der Name vom belgischen Badeort Spa ableitet. In der Ardennenstadt sprudelt das heilwirkende Wasser seit Jahrhunderten, so dass 300 verschiedene Quellen über die Jahre gezählt werden konnten. Vor allem britische Touristen sollen Spa seit dem 16. Jahrhundert besucht haben und der Name des Heilbads verbreitete sich (seit dem 17. Jahrhundert) zunächst auf den Britischen Inseln als Bezeichnung für jegliche Art von Mineralquelle (vgl. Kagelmann & Kiefl 2016, S. 219). Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweiterte sich die Bedeutung im amerikanischen Englisch auf Wellness-Oasen und besonders den Badebereich von Hotels: Die Begriffe Spa Hotel und Spa Resort bezeichnen in den USA Einrichtungen, die im Umfeld eines Hotelbetriebes Anwendungen und Behandlungen aus den Bereichen Kosmetik und Wellness, teilweise auch mit Bezug zur europäischen Heilbäderkultur, anbieten. In den USA gibt es kein vergleichbares Kur- und Bädersystem wie in Deutschland. Vor ein paar Jahren schwappte dieses Begriffsverständnis dann nach Deutschland über. Auch das Day Spa ist eine amerikanische Wortschöpfung. Hierbei handelt es sich um Tageseinrichtungen für die Pflege des Körpers und der Gesundheit, die sich überwiegend in Städten befinden. ( www.wellnessverband.de/ infodienste/ lexikon/ s/ spa.php) Zusammenfassend bleibt festzuhalten: „Ein Spa ist ein Ort der besonderen Hinwendung zu Bedürfnissen im Kontinuum von Gesundheit, Wohlbefinden, Entspannung und Bodystyling, die durch geschultes Personal und häufig unter Zuhilfenahme von (Heil-)Wasser ganzheitlich befriedigt werden.“ (Illing 2009, S. 28) 56 Gesundheitstourismus Auch hier bietet sich die Unterteilung der Anbieter im Bereich Prävention und Wellness in enge, weite und weiteste Konkurrenz an (vgl. Freyer 2011, S. 215). Aus betrieblicher Sicht interessiert dann v.a. ein Vergleich des eigenen Unternehmens mit den gesammelten Daten der Konkurrenzanbieter. Aus diesem Konkurrenzvergleich sind Erkenntnisse zu gewinnen, was andere Destinationsunternehmen besser oder schlechter (oder anders) am Markt anbieten und warum möglicherweise Kunden diese Mitwettbewerberangebote dem eigenen vorziehen. Dafür kann z.B. eine Stärken- Schwächen-Analyse verwendet werden, die das eigene Angebot nach verschiedenen, vorher festgelegten Kriterien mit den (Haupt-)Konkurrenten vergleicht. Interessante Vergleichskriterien sind neben der Angebotsstruktur z.B. auch Kernfähigkeiten, Wachstumsfähigkeit, Fähigkeit zur schnellen Reaktion (etwa aufgrund der Organisations- und Rechtsform), Anpassungsfähigkeit oder Durchhaltevermögen. 9 Immer häufiger werden Konkurrenzvergleiche unter dem modernen Namen Benchmarking durchgeführt, wobei es v.a. um den kontinuierlichen Vergleich von Produkten, Dienstleistungen sowie Prozessen und Methoden mit (mehreren) Unternehmen geht, um die Leistungslücke zum sog. Klassenbesten (Unternehmen, die Prozesse, Methoden etc. hervorragend beherrschen) systematisch zu schließen. ( www.wirtschaftslexikon.gabler.de) Als nächster Schritt wird im folgenden Kapitel die Analyse der Nachfragestrukturen im Gesundheitstourismus vorgenommen. 9 Weiterführende Literatur zu Benchmarking: Kairies (2013): So analysieren Sie Ihre Konkurrenz: Konkurrenzanalyse und Benchmarking in der Praxis, Renningen. Der Markt des Gesundheitstourismus 57 3.3 Nachfragestrukturen Die dritte Aufgabe der Marktanalyse ist die Analyse der relevanten Nachfrager (→ Abb. 6). Die Nachfrage nach touristischen Leistungen unterliegt einem überaus komplexen Reiseentscheidungsprozess. Denn anders als in der generellen ökonomischen Nachfrageanalyse ist der Einfluss des Preises auf die Kaufentscheidung der Nachfrager nur in zweiter Hinsicht wichtig. Von besonderer Bedeutung erscheinen im Tourismus andere Einflussgrößen, wie z.B. das Image des Reisezieles, Art des Urlaubes (Sonnen-, Bade-, Strand- oder Städteurlaub), die allgemeinen Umweltbedingungen und viele individuelle und subjektive Einflussgrößen. Das allgemeine Reiseverhalten der Deutschen wird (neben der amtlichen Statistik,  www.destatis.de) in verschiedenen (teilweise kostenpflichtigen) Untersuchungen von zahlreichen Marktforschungsinstituten erfasst und analysiert, z.B. Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reise e.V., Tourismusanalyse der Stiftung für Zukunftsfragen, Qualitätsmonitor Deutschland-Tourismus der Deutschen Zentrale für Tourismus e.V. ( www.deutschertourismusverband.de/ service/ touristische-studien.html oder www.tourismusundverkehr.de). Im Bereich des Gesundheitstourismus sieht die Situation allerdings etwas komplizierter aus:  Die immer noch fremdbestimmte (Reise-)Entscheidung durch die Ärzte und Sozialversicherungsträger im Bereich des klassischen Kur- und Bäderwesens stellt eine atypische Nachfragesituation dar.  Beim Gesundheitstourismus handelt es sich um einen Nischenmarkt und die Erfassung der Nachfrage fällt statistisch wesentlich aufwendiger aus als bei großen Märkten. 58 Gesundheitstourismus Im Jahr 2014 wurden nur 6 % (4 Mio.) aller Urlaubsreisen der Deutschen explizit als Gesundheitsreise eingestuft (vgl. Lohmann & Schmücker 2015, S. 8). Anhand der Untergliederung in verschiedene Formen des Gesundheitstourismus (→ Abb. 2) wird deutlich, dass es sich bei Gesundheitstouristen um zwei verschiedene Kundentypen handelt: Sozialkurgäste (fremdbestimmte Entscheidung und Finanzierung bzw. Bezuschussung des Kuraufenthaltes durch gesetzliche Sozialversicherungsträger) mit mehrheitlich medizinischem Motiv und Privatkurgäste (Selbstzahler unter Verwendung der privaten Urlaubstage) mit überwiegend wellnessorientiertem Motiv, die allerdings in der amtlichen Statistik der Gästeankünfte selten getrennt erfasst werden. Gezählt werden in der amtlichen Statistik generell nur diejenigen Personen, die in Beherbergungsstätten mit zehn und mehr Schlafgelegenheiten übernachten. Gegebenenfalls ist die Zahl der (Gesundheits-)Touristen noch höher, wenn auch kleinere Betriebe oder private Unterkunftsformen mitgezählt werden. Die → Tab. 4 zeigt dazu die Ankünfte (absolute Anzahl der Gäste) und Übernachtungen in allen Heilbädern Deutschlands auf. Wer von diesen Personen nun aber konkret aus Wellness- oder Gesundheitsgründen vor Ort ist, wird nicht erfasst. Nur bei den Nutzern der Vorsorge- und Rehabilitationskliniken lässt sich vermuten, dass hier das Gesundheitsmotiv bzw. der Status eines Sozialkurgastes vorliegt. Bei den Vorsorge- und Rehabilitationskliniken fällt auch die lange Aufenthaltsdauer wegen der üblichen Länge von drei Wochen Kur ins Gewicht. Der Markt des Gesundheitstourismus 59 Ausgewählte Beherbergungskategorien in Heilbädern Gästeankünfte Übernachtungen Aufenthaltsdauer Hotels 7.969.318 20.065.732 2,5 Hotels garnis 1.461.595 4.366.432 3,0 Vorsorge- und Rehabilitationskliniken 1.405.049 28.475.623 20,3 Pensionen 896.641 3.213.641 3,6 Campingplätze 926.182 3.031.370 3,3 Gasthöfe 569.576 1.446.678 2,5 Jugendherbergen und Hütten 694.356 1.565.182 2,3 Erholungs- und Ferienheime 438.120 1.690.424 3,9 zum Vergleich: Bad Füssing 290.342 2.259.713 7,8 Tab. 4: Gästestatistik in Mineral- und Moorheilbädern 2015 Quelle: www.destatis.de/ DE/ Publikationen/ Thematisch/ Binnenhandel GastgewerbeTourismus/ Tourismus/ TourismusinZahlen.htm und www.statistik.bayern.de/ statistikkommunal/ 09275116.pdf, 24.10.2016 60 Gesundheitstourismus  Wissen │ Vorsorge- und Rehabilitationskliniken Vorsorge- und Rehabilitationskliniken sind Beherbergungsstätten, die ausschließlich oder überwiegend Kurgästen zur Verfügung stehen. Das Ziel des Aufenthalts ist die Erhaltung oder Wiederherstellung ihrer Gesundheit oder der Berufs- oder Arbeitsfähigkeit sowie die Inanspruchnahme der allgemein angebotenen Kureinrichtungen außerhalb des Beherbergungsbetriebs. Zu den Vorsorge- und Rehabilitationskliniken zählen auch Kinderheilstätten, Sanatorien, Kur- und ähnliche Krankenhäuser. Im Rahmen der Erhebungen im Tourismus werden nur Übernachtungen von dort untergebrachten Personen erfasst, die in der Lage sind, das Tourismusangebot der Gemeinde in Anspruch zu nehmen.  Wissen │ Erholungs- und Ferienheime Erholungs- und Ferienheime sind Beherbergungsstätten, die nur bestimmten Personenkreisen, z.B. Mitgliedern eines Vereins oder einer Organisation, Beschäftigten eines Unternehmens, Kindern, Müttern, Betreuten sozialer Einrichtungen, zugänglich sind. Speisen und Getränke werden nur an Hausgäste abgegeben. ( www.destatis.de/ DE/ ZahlenFakten/ Wirtschaftsbereiche/ BinnenhandelGastgewerb eTourismus/ Tourismus/ Glossar_Tourismus.html) Der Markt des Gesundheitstourismus 61 So senkt sich die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Gesundheitsdestinationen automatisch durch den Anteil der Selbstzahler, die i.d.R. weit weniger als drei Wochen in den Destinationen verweilen. Das Verhältnis von Sozial- und Privatkurgästen kann jeweils nur in den einzelnen Destinationen (mittels Eigeninitiative) gemessen werden. Dafür müssten alle Beherbergungsbetriebe gebeten werden, die getrennte Erfassung der Gästearten zuzüglich der Meldung zur amtlichen Statistik vorzunehmen. Neben der Erfassung der Größenordnung und Dauer der Nachfrage steht auch (wie in → Kap. 3.1 Marktabgrenzung beschrieben) die kontinuierliche Analyse der  Herkunft (Inbzw. Ausländer bzw. nach Bundesländern),  zeitlichen Verteilung (Saisonverlauf nach Monaten oder Jahreszeiten),  genutzten Produkte und Dienstleistungen (→ Tab. 2) und  sozioökonomische Gruppen der Nachfrager (personeller Aspekt): so z.B. nach Alter, Geschlecht, Ausbildung, Beruf, Einkommen, Gesundheitszustand usw. Dazu ist die amtliche Statistik i.d.R. nicht geeignet, weshalb sozialwissenschaftliche Untersuchungen von bekannten Marktforschungsinstituten (wie z.B. die Reiseanalyse der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V.) herangezogen werden müssen. Diese versuchen schließlich, anhand bestimmter Marktsegmentierungskriterien (geographische, soziodemographische, verhaltensorientierte und psychographische Kriterien) die Gäste in bestimmte Nachfragegruppen einzuteilen. 62 Gesundheitstourismus  Praxis │ Marktsegmentierung Marktsegmentierung meint die Aufteilung des Gesamtmarktes nach bestimmten Kriterien in Käufergruppen bzw. -segmente, die hinsichtlich ihres Kaufverhaltens oder kaufverhaltensrelevanter Merkmale in sich möglichst ähnlich (homogen) und untereinander möglichst unähnlich (heterogen) sein sollen. Die dafür eingesetzten Segmentierungskriterien lassen sich klassischer Weise unterteilen in:  geographische Merkmale (z.B. Wohnort, Einzugsgebiet, Bundesland usw.)  sozioökonomische Merkmale (z.B. Alter, Familienstand, Schulbildung, Beruf, Einkommen, Geschlecht, Wohnortgröße usw.)  (reise-)verhaltensbezogene Merkmale (z.B. Konsumationsverhalten, Preissensibilität, Mediennutzung, Qualitätsbewertungen, Kundentreue usw.)  psychographische Merkmale (z.B. Motive, Nutzenerwartungen, Präferenzen, Wahrnehmungen, soziale Orientierung usw.) (vgl. Freter 2008, S. 93). Der Markt des Gesundheitstourismus 63 Abb. 13: Selbstzahlende Gesundheitstouristen Quelle: Grimm & Winkler (2011), S. 9 Erschwert wird die Identifizierung der Nachfrage im gesundheitstouristischen Markt allerdings dadurch, dass die Angebotssituation insgesamt unübersichtlich ist und es kaum eindeutige Abgrenzungen zwischen einzelnen Angebotstypen gibt (z.B. zwischen Kur im Urlaub und Medical Wellness, → Abb. 2). Die Reiseanalyse der FUR umgeht diese Definitionsproblematik, indem sie das Thema aus Sicht der Kunden analysiert: Es werden die im Marketing gängigen Begriffe „Gesundheitsurlaub“, „Wellness-Urlaub“ und „Kur im Urlaub“ für die Abfrage der Selbstzahler genutzt und es dem Kunden selbst überlassen, was er hierunter versteht (→ Abb. 13). So zeigt sich z.B. das Profil der Kundenerwartungen an einen Wellness-Urlaub im Vergleich zu einem Gesundheitsurlaub wie folgt, wobei letzterer eine deutliche Aktivkomponente hat (→ Tab. 5). Anteil der Bevölkerung wird kleiner gesundheitsrelevante Urlaubsaktivitäten Erfahrung mit der jeweiligen Urlaubsform (in den letzten 3 Jahren) Basis: deutschsprachige Bevölkerung 14 + Jahre (2011: n = 7.694; 70,5 Mio.) 12 % Gesundheits-/ Kureinrichtungen genutzt 18 % sich verwöhnen lassen/ Beauty/ Wellness etwas für die Gesundheit tun „besonders wichtig“: 35 % 7 % Gesundheitsurlaub 5 % Kur im Urlaub 6 % Wellness- Urlaub gesundheitsrelevante Urlaubsmotive 64 Gesundheitstourismus Wellness-Urlaub Gesundheitsurlaub (im engeren Sinne)  Bade-/ Saunalandschaft (86 %),  Verwöhnangebote (85 %),  Kosmetik- & Schönheitsanwendungen (83 %),  Entspannungsangebote (83 %)  gesundes Essen und Trinken (64 %)  Ayurveda (64 %)  Kursangebote im Entspannungsbereich (62 %)  Kursangebote zu speziellen Themen (58 %)  gesundes Klima (58 %)  Kontakte zu anderen Menschen (55 %)  gesundes Essen und Trinken (81 %)  gesundes Klima, natürliche, gesunde Umgebung (79 %)  Gesundheitscheck (70 %),  Sport- und Bewegungsmöglichkeiten in der freien Natur (69 %)  Bade-/ Saunalandschaft (63 %)  Kursangebote Sport & Bewegung (62 %)  Vorbeugungsangebote (61 %)  medizinische Betreuung (60 %) Tab. 5: TOP 10 der Kundenerwartungen an einen Wellness-Urlaub Quelle: Grimm & Winkler (2011), S. 24 Mithilfe der Reiseanalyse der FUR liegen noch weitere Daten zur Strukturierung der Nachfrage im deutschen Gesundheitstourismus vor:  Der Inlandsreiseanteil ist in diesem Segment wesentlich höher als bei allen Urlaubsreisen insgesamt (58 % vs. 33 %).  Das wichtigste Reiseziel im Inland für diese Urlaubsreisen ist mit Abstand Bayern (24 %), im Ausland sind es v.a. Polen (16 %), Tschechien (8 %), Ungarn und Italien (je 4 %).  Dabei reisen die Gesundheitsurlauber vorwiegend zu zweit oder alleine und übernachten vorwiegend im Hotel.  Im Inland geben sie vergleichsweise viel Geld aus.  Meistens wird der Pkw als Anreiseverkehrsmittel genutzt, nur bei Gesundheitsurlauben im Ausland wird eher der Reisebus gewählt. Der Markt des Gesundheitstourismus 65  Gesundheitsurlaube werden etwas mehr im Frühjahr oder Herbst unternommen und  überdurchschnittlich häufig pauschal organisiert (vgl. Grimm & Winkler 2011, S. 10ff. und 26). In der Gesamtheit gesundheitsorientierter Urlaubsformen hat sich aber vom Jahr 2003 bis 2014 ein Wandel in den Schwerpunkten der Nachfrage gezeigt, der durch eine Zunahme von Wellness-Urlaub und einen Rückgang in den anderen Gesundheitsurlaubsformen gekennzeichnet ist (→ Abb. 14). Abb. 14: Erfahrung mit gesundheitsorientierten Urlaubsformen im Zeitraum 2003-2014 Quelle: Lohmann & Schmücker 2015, S. 14 Die Daten der Reiseanalyse erlauben daher die Vermutung, dass es sich in Teilen um eine Art Kompensation handelt. Diese könnte in einem Wandel des Begriffsverständnisses bestehen (was früher Gesundheitsurlaub hieß, wird jetzt Wellness genannt). Da die negative Entwicklung auch die Kernzielgruppe der Senioren betrifft, ist für die Zukunft kaum davon auszugehen, dass in größerem Stil Personen aus den heute jüngeren Alterskohorten in ein Seniorenalter hineinwachsen, in dem sie sich verlässlich in Gesundheitsurlauber verwandeln werden. Als Gründe werden aufgeführt: 66 Gesundheitstourismus  Gesundheit ist kein allgemeiner Handlungstreiber,  Senioren suchen nicht allein Gesundheit,  multi-optionale Kunden mit sehr breit gestreuten Interessen und Motiven nehmen zu und  zweckfreie Urlaubsreisen stehen im Vordergrund (vgl. Lohmann & Schmücker 2015, S. 15ff.). Neben der Reiseanalyse können aber auch weitere (privatwirtschaftliche) Studien zur Beschreibung der Nachfrage im Gesundheits- und Wellness-Tourismus herangezogen werden. Der Deutsche Wellness Verband (DWV) identifiziert jährlich nach intensiver Beobachtung der Entwicklungen im Wellness- und Spa-Markt die Trends des Jahres und listet Datenquellen auf, die branchenbreit und detailliert Auskunft über die Nachfragesituation im Gesundheits- und Wellness-Tourismus geben ( www.wellnessverband.de/ infodienste/ marktdaten/ index.php). So wird z.B. der Wellness Sensor genannt, der vom Deutschen Wellness Verband und GfK Travelscope 10 bis 2012 als jährliche Befragung in 20.000 Haushalten durchgeführt wurde. Er deckte im Rahmen der regelmäßigen GfK MobilitätsMonitor- Befragungen an Befragungsinhalten alles ab, was die Motive, Erwartungen und in Anspruch genommene Leistungen im Rahmen eines Wellness-Urlaubs bewerten lässt. Hier wurde mithilfe der genannten Marktsegmentierungskriterien getrennt in:  der proaktive Gesundheitsbewusste (25 % Anteil an deutschen Haushalten mit Wellness-Reisen)  der autonome Individualist (22 %)  der gestresste Performer (29 %) und 10 GfK TravelScope steht innerhalb des GfK MobilitätsMonitor für den Teilausschnitt der Urlaubsreisen - mit Details zum Informations- und Buchungsverhalten der Deutschen. TravelScope ist ein klassisches ConsumerTracking-Instrument und das Herzstück der Informationsservices der GfK (vgl.  www.tourismusundverkehr.de). Der Markt des Gesundheitstourismus 67  die verantwortungsbewussten Eltern (24 %) (vgl. DWV 2011, S. 2). Die Fortführung des Wellness-Sensors erfolgte durch die GfK- Studie Wellness-Trends (2013). Im Rahmen des ITB Fachforums Wellness 2013 präsentierte die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) die Ergebnisse ihrer neuen Studie „Wellness Trends 2013: Was erwarten die Gäste? “. Diese Studie wurde in Zusammenarbeit mit der Wellness-Reiseagentur Beauty24 und den Wellness-Hotels & Resorts erarbeitet und gibt einen Überblick über den Wellness-Reisemarkt und relevante Zielgruppen. Danach lassen sich die etwa 9 Millionen Gesundheitsreisenden in drei Gruppen aufteilen:  die Rehabilitanden, die eine akute Krankheit auskurieren müssen;  die Präventiv-Urlauber, die drohenden Erkrankungen vorbeugen möchten und  diejenigen, die allgemein ihr Wohlbefinden steigern wollen (vgl. GfK Verein 2013, S. 2). Die seit 2009 implementierte Studienreihe Destination Brand (entwickelt von der Fachhochschule Westküste und fortgeführt von der inspektour GmbH Hamburg) untersucht die deutschen Reiseziele in Hinblick auf verschiedene vermarktungsrelevante Themenstellungen, darunter Markenstärke, Themenkompetenz, Profil etc. Auf diese Weise kann man z.B. Erkenntnis darüber gewinnen, welche Destinationen für einen Wellness- oder Gesundheitsurlaub von den Nachfragern als geeignet wahrgenommen werden. Ganz besonders die Destination Brand 2016 widmet sich der Thematik Gesundheits- und Wellness-Urlaub. Auch der Deutsche Tourismusverband führt eine Liste mit Studien, Zahlen, Daten und Fakten zum Gesundheitstourismus (vgl.  www.dtv-gesundheitstourismus.de/ studien-zahlen-daten-und-fakten). Eine weitere Ausführung dieser Studien wird hier nicht gegeben, sondern es wird ergänzend auf die Sinus-Milieus eingegangen. Die Sinus-Milieus gruppieren Menschen, die sich in ihrer Lebensauf- 68 Gesundheitstourismus fassung und Lebensweise ähneln. Die grundlegende Werteorientierung geht dabei ebenso in die Analyse ein wie Alltagseinstellungen und soziodemographische Merkmale. Diese Einteilung der Gesellschaft in „Gleichgesinnte“ findet auch im Tourismus- Marketing immer mehr Anwendung und ergänzt die klassischen Segmentierungsansätze. Gerade in den Urlaubsaktivitäten des „Traditionellen Milieus“ und des „Prekären Milieus“ finden sich überdurchschnittliche Werte für die Nutzung von Kur- und Gesundheitseinrichtungen (vgl. FUR 2013). Für solche u.a. Personenprofilbeschreibungen werden oft spezifische psychografische Kriterien (→ S. 62) wie z.B. Lebensstil herangezogen. Eine in Medien und Fachliteratur vielbeachtete Lebensstilgruppe findet sich dabei unter der Bezeichnung LO- HAS. Unter den Lifestyles of Health and Sustainability (LOHAS) wird eine gesellschaftliche Bewegung verstanden, die seit Anfang/ Mitte der 2000er Jahre in Deutschland, aber auch weiten Teilen Europas, Ostasiens, Nordamerikas sowie Australiens und Neuseelands beobachtet werden kann. Hervorzuheben ist die Sichtweise, ebenfalls Verantwortung für die Lösung der Umweltprobleme zu übernehmen, weil dieser globale Trend durch bewussten Konsum und Verzicht Druck auf die Industrie ausübt (vgl. Stradas & Rein 2015, S. 173ff.). Dabei sind folgende Märkte als relevant für die LOHAS zu nennen:  Lebensmittelmarkt mit regionalen, bio- und fairtrade-zertifizierten Produkten,  Mobilität mit Elektrobzw. Hybridautos,  Energieversorgung mit (regionalem) Ökostrom,  Gesundheit/ Wellness mit (regionaler) Naturkosmetik,  Tourismus mit nachhaltigen Reisen,  Kleidung mit Textilien aus (regionalen) Bio-Materialien,  Finanzmärkte mit nachhaltigen Geldanlagen und  Wohnen/ Bauen mit Passivbzw. Niedrigenergiehäusern (vgl. Stradas & Rein 2015, S. 176). Der Markt des Gesundheitstourismus 69 Für das örtliche Destinationsmanagement ist problematisch, dass es sich bei den genannten Untersuchungen mehrheitlich um bevölkerungsrepräsentative (Quellgebiets-)Analysen handelt, die i.d.R. keine ortsbezogenen Informationen enthalten. Daher sollten die örtlichen Tourismusorganisationen unbedingt zusätzliche, ortsspezifische Primärerhebungen im Zielgebiet durchführen (lassen), um ein genaueres, destinationsbezogenes Kundenprofil erstellen zu können. Im modernen Destinationsmanagement 3.0 nach dem St. Galler Modell (SGDM®) wird dazu ganz explizit aufgefordert. Hier sind die strategischen Besucherströme der Kunden zu messen, um einen Überblick über die inhaltliche und räumliche Vielfalt der örtlichen Tourismusnachfrage zu gewinnen (vgl. Beritelli et al. 2013, S. 23ff.).  Wissen │ Strategische Besucherströme Das SGDM® identifiziert fünf Fragenkomplexe zur Rekonstruktion strategischer Besucherströme. Dabei handelt es sich um Ströme von Besuchern, die einem ähnlichen Bedürfnis folgend zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einem geographischen Raum und in strategisch relevanten Mengen ein spezifisches Angebotsbündel in Anspruch nehmen (ähnlich einem strategischen Geschäftsfeld). Dafür müssen die folgenden Fragen beantwortet werden:  Wer ? Welche Gäste?  Warum? Was motiviert sie? Was treibt sie an?  Was? Was tun sie?  Wo? Woher kommen sie? Wo bleiben Sie? Wohin gehen sie weiter?  Wann? In welcher Zeit geschieht dies? (vgl. Beritelli, Reinhold & Laesser 2014, S. 461). 70 Gesundheitstourismus Abb. 15: Marktanalyse Gesundheitstourismus mit Destinationsbezug Quelle: Eigene Berechnungen nach Stat. Bundesamt 2016a, Tab. 2.1 sowie FUR 2015(b), S. 86, GfK Verein 2013, S. 3 und DHV 2013, S. 15 ► ca. 350 prädikatisierte Kurorte und Heilbäder mit Kurmittelhäusern ► 330 Luftkurorte ► 1.072 Erholungsorte ► Gemeinden ohne Prädikat ► Einzelanbieter im Bereich Klinik, Wellnesshotel, Spa Resort, Kloster, Slow Thematik, Wellness- & Gesundheitszentrum (TCM, Ayurveda, Meditation), Wellnessbzw. Gesundheitshof oder Vital- Restaurant ► Inländer ► Ausländer ► Sozialkurgäste ► Privatkurgäste ► Gesundheitsurlaub ► Wellness-Urlaub ► Kur (im Urlaub) ► Fitnessurlaub ► Hotelgäste ► Vorsorge- und Rehabilitationsklinikgäste ► Pkw-Nutzer ► Reisebus-Nutzer ► Bahn-Nutzer ► Pauschalgäste ► Individualgäste usw. ► 24.284.073 Ankünfte in Kurorten und Heilbädern (2015), davon 21.407. 263 Inländer und 2.876.747 Ausländer ► 7.855.638 Ankünfte in Luftkurorten ► 12.563.917 Ankünfte in Erholungsorten ► 4,6 Mio. gesundheitsorientierte Urlaubsreisen (FUR) ► Wertschöpfung von 423 Mio. € (GfK) ► rund 400.000 direkt/ indirekt Beschäftigte in Heilbädern und Kurorten (DHV) ► Nicht-Reisende Wer vermarktet? Was? An wen? Anbieter Marktvolumen Nachfrager Der Markt des Gesundheitstourismus 71 Nachdem nun mit → Kap. 3.2 die Angebotsstrukturen und mit → Kap. 3.3 die Nachfragestrukturen als notwendige Bausteine der Marktanalyse abgearbeitet wurden, wird das → Kap. 3 „Der Markt des Gesundheitstourismus“ zusammenfassend mit → Abb. 15 in Form einer visualisierten Marktanalyse abgeschlossen. Als dritter und letzter Schritt erfolgt in der Analysephase des Marketing-Managementprozesses (→ Abb. 5) die Betriebsanalyse aus Sicht der Destinationsmanagementorganisation, welche im folgenden → Kap. 4 thematisiert wird. 4 Di pr (→ Um erf eig Un In un mu Betrieb im Dest ie Analyseph ozesses besteh → Abb. 5). Mi mfeld (→ Kap fasst. Nun erf genen Untern nternehmensan n vielen Schrift nd Bedeutung us einer Destin  Wissen │ To Im deutschen Bieger & Ber setzt, die bes tion der hau kooperativ zu ner Destinatio bliche Fun tinationsm hase des mo ht aus der Um it den zuvor b p. 2) und der folgt die Analy nehmung. Von nalyse genutzt ten zum Tour einer übergeo nation hingew ourismusorga n Sprachraum ritelli (vgl. 201 agt, dass die k uptsächliche T u erbringenden on ist. ktionsber managem odernen Mar mfeld-, Marktbehandelten K r Markt (→ K yse des eigenen n daher wird t (vgl. Hartman rismus wird au ordneten Orga wiesen. nisation m hat sich die 13, S. 73) weit kooperative To Träger der üb n Funktionen reiche ent keting-Manage und Betriebsa Kapiteln werd Kap. 3) system n Betriebes bz auch das Syn nn 2013, S. 66f uf die Notwen anisation im T e Sichtweise n tgehend durch ourismusorgan ergreifenden u im Tourismus ementanalyse den das matisch zw. der nonym ff.). ndigkeit Tourisnach hgenisa- und s ei- 74 Gesundheitstourismus Diese Tourismusorganisation kann öffentlich-rechtlich (z.B. als Abteilung der Verwaltung einer Gebietskörperschaft) oder privat-rechtlich (z.B. als Verein oder GmbH) organisiert sein. Traditionellerweise werden die verschiedenen Ebenen der Tourismusorganisationen (TOs) bzw. Destination Management Organisation (DMO) hierarchisch gesehen. Als oberste Ebene kann es eine Bundesorganisation geben. Danach folgt i.d.R. eine Landesorganisation. Diese steht in ihren Zuständigkeiten über den regionalen und diese wiederum über den lokalen Organisationen. Die Aufgaben sind bei allen Ebenen die ähnlichen, nur mit anderen Wirkungsgebieten und Gewichtungen. Im Folgenden wird mehrheitlich von der örtlichen TO gesprochen, weil dort die Nachfrager und Anbieter der Destination am ehesten im direkten Kontakt zur TO stehen. Aus ökonomischer Sicht wird in Destinationen ein touristisches Leistungsbündel von verschiedenen Anbietern produziert und gemeinschaftlich (bzw. kooperativ) angeboten. Von daher gelten Destinationen auch als „Makro-Betriebe“, „kollektive Produzenten, „touristische Netzwerke“, „virtuelle Unternehmen“ und/ oder „Wettbewerbseinheiten“, die ihre Leistungen v.a. für auswärtige Besucher anbieten (Incoming-Tourismus) (vgl. Freyer 2015, S. 320). Destinationen sind damit mehr als primär betriebswirtschaftliche Erscheinungen mit klar abgrenzbarer Produktionsstätte, wie es die klassischen „Mikro-Betriebe“ (z.B. Hotel oder Freizeiteinrichtung) sind. Destinationen bleiben weitgehend öffentliche Räume mit Straßen, Wegen und Plätzen sowie einem speziellen Flair (Ortsbild) in einer umgebenden Landschaft. Da dieses Leistungsbündel vom Reisenden bzw. Kunden als ein Produkt wahrgenommen wird, braucht es für die Aufgabenab- Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 75 stimmung dieser „virtuellen Dienstleistungsunternehmen“ eine bestimmte Koordinationsstruktur. In der Tourismusliteratur finden sich zu den Aufgaben im Destinationsmanagement verschiedene Klassifikationen mit mehr oder wenigen Teilfunktionen. Seit 1996 ist das Buch Destinationsmanagement von Bieger als das Pionierwerk in diesem Themenbereich auf dem Markt und hat sich im deutschsprachigen Raum als weithin anerkanntes Standardwerk (bereits in der 8. Auflage) etabliert. Das dort aufgezeigte, moderne Destinationsmanagement lässt sich auf vier kooperative Aufgaben, die von der Tourismusorganisation innerhalb des Zielgebietes übernommen werden müssen, zusammenfassen: [1] Planungsfunktion, [2] Angebotsfunktion bzw. Angebotskoordination, [3] Marketing-Funktion i.e.S. und [4] Interessenvertretung (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 68f.). Nicht ausdrücklich findet dabei der Aspekt der Nachhaltigkeit Anwendung (vgl. Rein & Strasdas 2015, S. 273), sodass an dieser Stelle die notwendige Zielsetzung für eine harmonische bzw. nachhaltige Entwicklung des Tourismus der Planungsfunktion zugeordnet wird. Die folgende Abbildung visualisiert diese vier Funktionen (→ Kap. 4.1 bis 4.4) und weist ihnen die wichtigsten, teilweise marketingorientierten Unternehmensaktivitäten (die sogenannten P’s in Anlehnung an die englischsprachigen Bezeichnungen) zu. Dabei wird hier eine durchlässige Trennung in strategische und operative Managementaufgaben vorgenommen. Im Uhrzeigersinn der Abbildung werden die folgenden Kapitel die Grundfunktionen im Destinationsmanagement näher erläutern. Auch bei den neueren Entwicklungen im Destinationsmanagement (vgl. St. Galler Modell für Destinationsmanagement nach Beritelli et al. 2013) bleiben diese kooperativen Aufgaben erhalten. Wobei der allgemeine Wandel hin zu Destinationen der 3. Generation im Gesundheitstourismus noch dauern dürfte, da 76 Gesundheitstourismus sich hier der Markt gerade erst von einem Verkäuferzu einem Käufermarkt wandelt. Die fremdbestimmte (Reise-)Entscheidung durch die Ärzte und Sozialversicherungsträger im Bereich des klassischen Kur- und Bäderwesens begründet diese atypische Nachfragesituation (→ Kap. 3.3). Abb. 16: Grundfunktionen im Destinationsmanagement Quelle: Erweiterte Darstellung nach Bieger & Beritelli 2013, S. 69 4.1 Angebotsfunktion Die Qualität des touristischen Produktes oder der Destination als Ganzes ergibt sich für den Gast im Wesentlichen daraus, wie politics planning, sustainable development promotion, place product, price, personnel, physical facilities, process Tourismusorganisation strategisches Management operatives Management Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 77 gut abgestimmt die einzelnen Produktbausteine bzw. Teilleistungen sind (→ Abb. 17). So muss die TO mindestens die Koordination des Gesamtangebotes übernehmen und gegebenenfalls fehlende Angebotsbausteine selbst gewährleisten (Angebotsfunktion). Abb. 17: Produktbausteine einer Destination Quelle: In Anlehnung an ADAC 1989, S. 12 Für eine Gesundheitsund/ oder Wellness-Destination bedeutet dies, dass das Gesamtangebot passend zum Thema Gesundheit und Wellness in allen sieben Bausteinen als Dachthema umzusetzen ist. Es besteht die Notwendigkeit eines komplexen, vielschichtigen und zielgruppenscharfen Angebotes, welches in erster Linie ein adäquates Übernachtungsangebot mit einem saisonal- und regionaltypischen Gastronomieangebot und mit geschultem Servicepersonal in den Bereichen Gesundheit, Wellness und Fitness verbindet. Ergänzend werden in gesundheitsförderlichem Klima passende Freizeitinfrastrukturen und Attraktionspunkte in Ort und Landschaft mit geeigneten Mobilitätsangeboten (z.B. E-Mobility) verknüpft. Dabei hilft eine hohe Umweltqualität, eine positive touristische Entwicklung (z.B. in Form steigender Auslastung und Gesamtzufriedenheit der Gäste) zu sichern. Infrastruktur Ortscharakter Landschaft Verkehr Wohnen Essen & Trinken Service 78 Gesundheitstourismus Auch bei der Definition der Produkte und Angebote von touristischen Destinationen muss eine konsequente kundenorientierte Denkweise zum Tragen kommen, d.h. es sind die Methoden und Instrumente des modernen Marketing-Managements anzuwenden.  Wissen │ Angebotsgestaltung Bieger & Beritelli (2013, S. 219) vermuten, dass die Aufgabe der Angebotsgestaltung „wahrscheinlich die schwierigste aller vier Aufgaben einer TO“ ist, weil nur beschränkt in einzelnen Teilbereichen eine direkte Einflussmöglichkeit auf die Qualität und den Inhalt des Angebotes aller an der Destination beteiligten Betriebe besteht (→ Kap. 4.1.1). In den meisten Fällen kann die TO lediglich durch Überzeugungsarbeit und Motivation das Angebot privater Unternehmer indirekt beeinflussen (→ Kap. 4.1.2). Die Angebotskoordination in der Destination betrifft daher im Allgemeinen die folgenden Marketing-Management-Instrumente (→ Abb. 16):  Product (Informationsleistungen, Gestaltung oder Unterstützung von Animation und Events, Bündelung von Reisepauschalen, Betrieb von Regiebetrieben, Sicherstellung der Dienstleistungsqualität in der Destination usw.),  Price (Abstimmung und Koordination der von den einzelnen Anbietern festgelegten Preise, Einführung von Preisdifferenzierungssystemen, Beratung der lokalen Betriebe zwecks optimaler Kommerzialisierung der eigenen Leistungen und Leistungsbündel usw.),  People (Sicherstellung oder eigene Durchführung von Schulungen und Weiterbildungsmaßnahmen der Mitarbeiter in touristischen Betrieben, Einbezug der lokalen Bevölkerung in die Verbesserung der Dienstleistungsqualität und des Reiseerlebnisses des Gastes usw.), Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 79 Abb. 18: Möglichkeiten der Einflussnahme auf das touristische Angebot Quelle: Erweiterte Darstellung anhand Bieger & Beritelli 2013, S. 69 und 220 Destinationsangebot Tourismusorganisation indirekte Einflussnahme direkte Einflussnahme product: ► Sicherstellung der Dienstleistungsqualität aller Betriebe price: ► Beratung der lokalen Betriebe people: ► Personalschulung für Betriebe ► Einbezug der lokalen Bevölkerung process: ► Kooperationen und Allianzen entlang der Dienstleistungskette physical facilities: ► Verschönerung des Ortsbildes product: ► Bündelung von Reisepauschalen ► Betreibung von Regiebetrieben ► Informationsleistungen ► Gestaltung von Animation/ Events price: ► Abstimmung und Koordination ► Preisdifferenzierungssysteme people: ► Weiterbildung der Mitarbeiter process: ► Ausbau der Dienstleistungskette physical facilities: ► Ausstattung der Touristinformation 80 Gesundheitstourismus  Process (aktive Koordination der Schnittstellen zwischen den einzelnen Betrieben im Rahmen von Beratungen und Workshops, Vermittlung von betriebsübergreifenden Initiativen zwecks Bildung mittelbis langfristiger Kooperationen und Allianzen, Förderung von verschiedenen Formen der Zusammenarbeit usw.) und  Physical Facilities (Ausstattung und Atmosphäre der Touristinformation, Einfluss auf das Ortsbild durch Prämierungen, Beeinflussung von Planungsmaßnahmen, aktive Gestaltung der Attraktivität der Destination als Wohn- und Arbeitsort v.a. für touristische Mitarbeiter usw.). Eine marketingorientierte Übersicht der Möglichkeiten der Einflussnahme stellt → Abb. 18 dar. Gleichzeitig gehen die folgenden Unterkapitel auf diese Unterteilung genauer ein. 4.1.1 Direkte Einflussmöglichkeiten auf das Angebot Im Folgenden werden wichtige Einflussmöglichkeiten der TO auf das Angebot im Einzelnen erläutert. Dabei geht es v.a. um die Gestaltung von Pauschalprogrammen, den Betrieb von Regiebetrieben, die Gestaltung der Gästebeziehung in Form von Animationsangeboten und Events (direkte Einflussnahme am „product“ möglich) sowie das Qualitäts- und Personalmanagement vor Ort (indirekte Einflussnahme möglich, → Kap. 4.1.2). Gestaltung von Pauschalprogrammen Besonderes Augenmerk sollte die TO auf die Kombination der Urlaubsbausteine zu einem Pauschalprogramm/ -paket/ -angebot („package“) legen. Angesichts einer kaum noch überschaubaren Palette unterschiedlichster Wellness- und Gesundheitsangebote bevorzugen viele Nachfrager vorgefertigte Angebotspakte (→ S. 65), bei denen mindestens zwei passende Einzelleistungen zu einem Pauschalpreis miteinander kombiniert sind, sodass Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 81 durch wechselnde körperliche und geistige Anspannung ein Optimum an Erholung entsteht. Nahezu jede Leistung kann als touristische Leistung in Betracht kommen, denn dazu gibt es keine gesetzliche Definition. Allerdings ist zu beachten, dass jeder, der eine Gesamtheit von Reiseleistungen bündelt, als Reiseveranstalter zu verstehen ist und damit dem Reisevertragsrecht (§§ 651a bis k im Bürgerlichen Gesetzbuch (GBG)) unterliegt. Abb. 19: Betriebliche Produktelemente einer Pauschalreise Quelle: Pompl 2011, S. 70 Eine Wellness-Pauschalreise kann als Kurzurlaubsreise zwei bis vier Tage dauern (vgl. FUR 2015b, S. 74) und sollte nicht zu viele Teilleistungen beinhalten, um einen stressfreien und vitalisierenden Aufenthalt zu gewährleisten. Als Hilfestellung kann das Bau- Pauschalangebot/ -paket/ -programm/ -reise formale Elemente wirtschaftl. Elemente rechtliche Elemente soziale Elemente  Kundeninformation  Buchung  Reisezeitpunkt  Reiseziel  Beförderung  Transfer  Unterkunft  Verpflegung  Reiseleitung  Aufenthaltsdauer  Programm vor Ort  Zusatzleistungen  Versicherungen  Vorfertigung oder dynamic packaging  Reisepreis  Preis- Leistungs- Verhältnis  Buchungsaufwand  Service Cards  Nebenausgaben  Zahlungsbedingungen  Umbuchungsregelung  Stornobedingungen  Rücktritt durch Veranstalter  Haftung  Garantien  Beratung  Image des Veranstalters  Image des Reisemittlers  Image der Leistungsträger  Image des Zielortes  Gruppengröße  Homogenität der Gruppe  Kontakt zu Einheimischen 82 Gesundheitstourismus steine-Prinzip aus (→ Abb. 17) mit den Wellness-Elementen aus → Abb. 11 verknüpft und zielgruppengerecht ausgestaltet werden (→ Abb. 20). Abb. 20: Baukastensystem Wellness-Pauschalreise Eine andere Variante, die einzelnen Leistungsbausteine anwenderfreundlich kombinieren zu können, findet sich mit dem sogenannten „Pauschalrad Wellnesstourismus“ bei Liebsch (vgl. 2003, S. 124). Durch das Verdrehen der einzelnen Ringebenen entstehen immer wieder neue Angebotskombinationen. So kann an dieser Stelle auf die in besonderer Art und Weise vorhandene Infrastruktur und medizinische Fachkompetenz in den deutschen Heilbädern und Kurorten verwiesen werden, denn der DHV schreibt dazu in seinen „Begriffsbestimmungen“ zahlreiche Mindestanforderungen an (Freizeit-)Infrastruktur und Ortsbild vor. So werden dort u.a. die notwendigen zweckentsprechenden bzw. artgemäßen Einrichtungen je nach Prädikatisierungsstatus aufgelistet (vgl. DHV & DTV 2015, S. 37ff.). Freizeitinfrastruktur Ortsbild Verkehrsanbindung Wohnen Essen & Trinken Körper Geist Seele Wellness- Pauschalreise Service Landschaft & Klima Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 83  Wissen │ Zweckentsprechende/ artgemäße Einrichtungen  Kurheime, Kurpensionen, Kurhotels 11 , Sanatorien und Kurbzw. Fachkliniken,  Kurmittelhaus oder Kur-/ Gesundheitszentrum,  Haus des Gastes, Touristbzw. Gästeinformation, Kurverwaltung,  Trink- und Wandelhalle, Salieranlage, Gradierwerk,  Inhalatorium (mit Inhalationsgeräten ausgestatteter Raum),  Übungs- und Ruheräume für Entspannungstherapiekonzepte,  Einrichtungen zur Bewegungstherapie, Krankengymnastik, Sporttherapie,  Räumlichkeiten, Ausstattung und Personal zur Vermittlung und ggf. praktischer Einübung indikationsbezogener Ernährungs- und Diätprogramme (Übungsküche),  Kneipp-Kurbetriebe sowie Wassertretstellen und Armbadeanlagen im Freien,  Kurpark,  Park- und Waldanlagen mit gekennzeichnetem Wegenetz für Terrainkuren,  Fahrradwege,  Sport-, Spiel- und Liegewiesen 11 Ein Kurhotel (engl. spa hotel, health resort hotel) ist ein Hotel in einem Kurort, das außer Unterkunft und Verpflegung auch Leistungen zur Förderung einer Kur erbringt, wie Bäder und sonstige medizinische Anwendungen, Diätkost usw. 84 Gesundheitstourismus  sowie artgemäßer Kurortcharakter, der sich in Kureinrichtungen aller Art, in gepflegtem Ortsbild und aufgelockerter Bebauung und in der Einbettung von Grün in das Ortsbild widerspiegeln muss. Da die Kurorte und Heilbäder diese zahlreichen Infrastruktureinrichtungen laut DHV aufweisen müssen, wird es notwendig sein, diese auch attraktiv und markttransparent in die örtlichen Pauschalreiseangebote einzubinden und vielfach als eigentliche Aushängeschilder und Motivatoren bzw. Unique Selling Proposition (USP) einzusetzen. Fehlt es an bestimmten Angebotsbausteinen und privater Initiative in der Destination, können weitere Angebotsbausteine durch die Übernahme und den Betrieb von Regiebetrieben mithilfe der TO geschaffen werden. Betrieb von Regiebetrieben Der Begriff Regiebetrieb stellt eine der beiden öffentlichen Rechts- und Organisationsformen von Betrieben und Verwaltungen der Gebietskörperschaften (Gemeinde, Land, Bund) dar: Regiebetrieb und Eigenbetrieb. Regiebetriebe sind vollständig Teil der öffentlichen Verwaltung und sind damit sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unselbständig. Sie dienen der wirtschaftlicheren Erfüllung öffentlicher Aufgaben (vgl. Luft 2007, S. 130). Immer wieder wird es als notwendig erachtet, dass bestimmte (Freizeit-)Angebote durch die kommunale TO betrieben werden. Ein klassisches Beispiel ist dabei der für Heilbäder und Kurorte notwendige öffentliche Kurpark (vgl. zweckentsprechende Einrichtungen). Der Vorteil liegt darin, dass die TO sodann als direkter Anbieter auf dem Markt auftritt und damit in gewisser Weise unternehmerisch und marktorientiert operieren kann. Die Führung solcher Betriebe ermöglicht der TO, direkt einen Teil des Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 85 Angebotes zu steuern und so den Qualitätsstandard festzulegen. Zudem gewähren diese Betriebe, sofern sie mindestens kostendeckend arbeiten, privatwirtschaftliche Erträge und erhöhen damit die Legitimation und Akzeptanz der TO am Ort (→ Tab. 6). Ort A Ort B Ort C Beherbergungsbetrieb Camping Verkehrsbetrieb Sessellift Beteiligung an Bergbahn Freizeiteinrichtung Gradierwerk, Museum Tennisplatz, Schwimmbad Hobbybzw. Kreativhaus, Bücherei Gästebetreuung Konzerte, Vorträge Ausflugsfahrten Führungen, Wanderschule Tab. 6: Ausgewählte Regiebetriebe von Tourismusorganisation Quelle: Erweiterte Darstellung nach Bieger & Beritelli 2013, S. 228 Auch bei der Organisation der TO in Form einer privatrechtlichen GmbH ist es immer wieder vorzufinden, dass bestimmte Angebotsbausteine der Destination als Abteilungen einer (meist zu 100 % von der Kommune finanzierten) GmbH betrieben werden. 86 Gesundheitstourismus  Beispiel │ Museumshof Zingst Der Museumshof Zingst ist eine Einrichtung der Zingster Kur- und Tourismus GmbH. Damit bietet das Ostseeheilbad in eigener Regie mehrere Freizeiteinrichtungen auf einem innerörtlichen Grundstück an, welche sich z.B. aus Museum, Kreativstube, Festgelände, Bio- und Erlebnismarkt, Kräuter- und Bauerngarten, Museumsbäckerei zusammensetzen (vgl.  www.museumshof-zingst.de). Gestaltung der Gästebeziehung Eine weitere Möglichkeit, direkt auf das Angebot der Destination Einfluss nehmen zu können, ist die Gestaltung der Gästebeziehung in Form von Animations- und Serviceangeboten (→ Abb. 17). [1] Die Grundlage der Gästebeziehung bildet der positive bzw. freundliche Kontakt zwischen Bevölkerung und Gästen. Die TO muss dabei durch Sensibilisierung der Einheimischen für den Tourismus auf eine touristenfreundliche Bevölkerung hinarbeiten. [2] Zweiter wichtiger Bereich ist der Empfang der Gäste beim Informations- und Auskunftsdienst des Ortes in Form einer Touristinformation, Kurverwaltung, eines Haus des Gastes usw. Hier besteht eine direkte Steuerungsmöglichkeit durch die TO als Betreiberin einer solchen Servicestelle. [3] Eine dritte Einflussmöglichkeit besteht darin, dass Personal touristischer Betriebe am Ort durch Schulung und Messung an Qualitätsstandards gezielt zu entwickeln. [4] Die letzte Stufe betrifft schließlich die Gästebetreuungsprogramme, die am Ort auch von der TO angeboten werden müssen (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 229f.). In Großstädten gibt es i.d.R. neben den öffentlichen Touristinformationen noch eine Reihe weiterer Incoming-Agenturen, Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 87 die sich um die Betreuung der zahlreichen (auch internationalen) Gäste kümmern. Je kleiner die Destination ist, um so eher wird diese Aufgabe der TO zufallen. Beispiele sind geführte Berg-, Wald- und Strandtouren, Sportlehrgänge, Ausbildungskurse, Kinderbetreuungen, Exkursionen, Führungen, Feste, Kulturveranstaltungen und Abendunterhaltungen. Speziell für Individualgäste und Gäste, die in Ferienwohnungen unterkommen, sind Gästebetreuungsangebote eine wichtige Abrundung des Gesamtangebotes (→ Tab. 7). Oft sind sie auch eine der wenigen direkten Kontaktmöglichkeiten zwischen den Gästen und von den Gästen zu den Einheimischen. gesellschaftliche Angebote kulturelle Veranstaltungen sportliche Angebote Freizeit- und Animationsangebote wöchentl. Willkommenstreffen Führungen, Besichtigungen geführte Wanderungen Spielnachmittage für Kinder Tanzabend Vorträge Nordic- Walking- Schule Musical-/ Theatergruppe Feste, Events Konzerte (Wasser-) Gymnastik gemeinsames Grillieren Aufführungen Kreativkurse Tab. 7: Ausgewählte Animations- und Gästeprogramme Wie bereits in → Abb. 18 aufgezeigt, besteht neben den direkten Einflussmöglichkeiten durch die TO auch die Möglichkeit, dass über den indirekten Weg an die Mitwirkungspflicht aller beteiligten Leistungsträger appelliert werden kann. Daher wird das folgende Kapitel v.a. auf die Möglichkeiten im Qualitäts- und Personalmanagement eingehen. 88 Gesundheitstourismus 4.1.2 Indirekte Einflussmöglichkeiten auf das Angebot Die TO muss als übergreifende zentrale Instanz dafür Sorge tragen, dass der Gast seine Reisemotive und -aktivitäten in der Destination als Ganzes zur vollsten Zufriedenheit ausführen kann. Dafür muss die TO alle am Tourismus beteiligten Akteure in ihren Dienstleistungen und Produkten untereinander sicherstellen und koordinieren. Das kann wie in → Abb. 18 und im Folgenden beschrieben z.B. durch Sicherstellung der Dienstleistungsqualität aller Betriebe („product“), Personalschulung für alle Betriebe („people“) oder Kooperationen und Allianzen entlang der Dienstleistungskette („process“) erfolgen. Qualitätsmanagement vor Ort Qualitätskontrollen im Sinne von Überprüfung der Endqualität der produzierten (Teil-)Leistungen gibt es im Tourismus schon seit längerer Zeit. Folgend wird eine thematisch passende Auswahl (unabhängig von der DHV-Prädikatisierung) vorgenommen:  Am Anfang der Entwicklungen stand die Überprüfung der Beherbergungsqualität nach dem Sterneprinzip bei Ferienhäusern und -wohnungen sowie Privatzimmern durch den DTV (1994).  Seit 1996 erfolgt die Klassifizierung der Hotelqualität durch die DEHOGA.  Im Jahr 2000 zog der Bundesverband der Campingwirtschaft (BVCD) mit der Campingplatz-Klassifizierung nach.  DTV-Servicequalität in Deutschland: Baden-Württemberg erwirbt 2001 als erstes Bundesland die Lizenz für das dreistufige Qualitätsmanagementsystem, das in der Schweiz entwickelt wurde (vgl.  www.deutschertourismusverband.de/ qualitaet/ servicequalitaet-deutschland.html).  Zusätzlich werden durch die DEHOGA Gästehäuser, Gasthöfe und Pensionen in Kooperation mit dem DTV (2005) klassi- Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 89 fiziert (vgl.  www.dehoga-bundesverband.de/ branchenthemen/ klassifizierung/ g-klassifizierung/ ).  Ferner wurde das Programm über die Jahre mit der Qualitätsinitiative für nachhaltigen Tourismus („Viabono“), der Qualitätsinitiative für wanderfreundliche Gastbetriebe (Dt. Wanderverband), Zertifizierung motorradfreundlicher Gastbetriebe, Deutsches Wellness Zertifikat (Dt. Wellness Verband) usw. erweitert.  Schließlich soll besonders hervorgehoben werden, dass der DTV mit der i-Marke im Jahr 2006 ein Qualitätssiegel für Touristinformationsstellen eingeführt hat und 2013 der Start des Kennzeichnungssystems „Reisen für Alle“ für die gesamte Reisekette fiel. Gastgewerbliche Betriebe, Touristinformationen, Reisebüros, Reiseveranstalter, Verkehrsträger, Freizeitanbieter, Taxiunternehmen, Ärzte und öffentliche Infrastruktur können nach letzterem System gekennzeichnet werden (vgl.  www.deutschertourismusverband.de/ qualitaet.html). Zu beachten ist, dass bei all diesen Qualitätskontrollen (teilweise beschränkt auf einzelne Teilleistungen) in den nächsten Jahren vermehrt auf den gesamten Dienstleistungsprozess (verstärktes Prozessdenken bzw. „process“ als Marketing-Mix-Instrument) geachtet werden kann. Bisher stand v.a. die Endqualität im Fokus des Interesses.  Wissen │ Qualitätsmanagement und Gütesiegel Qualitätskontrollen als ein Instrument des Qualitätsmanagements zeigen Möglichkeiten auf, Qualität in Betriebsprozesse einfließen zu lassen und so Qualität zu sichern. Gütesiegel hingegen zeigen Möglichkeiten auf, eine bestimmte erreichte Qualität dem Kunden glaubhaft zu vermitteln. 90 Gesundheitstourismus Problematisch zeigt sich dagegen seit einigen Jahren die stete Zunahme der gesundheitstouristischen Gütesiegel in Deutschland (→ Tab. 8 und → Tab. 9), da am Ende eher Verwirrung und Irritation anstatt Markttransparenz für den Kunden entsteht. Institution Jahr Thema des Siegels Nutzer Deutscher Heilbäderverband 5) In Koop. mit 1) 1954 2+3) 2003 4) 2008 5) 2008 ECARF 1) Prädikatisierung 2) Wellness im Kurort 3) Prävention im Kurort 4) Medical Wellness 5) Allergikerfreundliche Kommune Heilbäder und Kurorte Deutscher Wellness Verband 2002 1) Deutsches Wellness Zertifikat 2) Premium Wellness Hotels, Clubs, Medical-Wellness- Einrichtungen Wellness Stars GmbH BaWü: 2004 1) Wellness Stars 2) Medical Wellness Stars Hotels, (Medical-) Wellness- Einrichtungen eingeführt auch in NRW 2008 und NS 2010 Deutscher Medical Wellness Verband 2006 1) Medical Wellness Hotels & Resort 2) Medical Wellness Clinics & Spas Hotels, Kliniken, (Medical-)Wellness-Einrichtungen Deutsche Premium Destinationen & Tourismus KG i.G. 2015 Deutsche Premium Destinationen Destinationen Tab. 8: Ausgewählte gesundheitstouristische Gütesiegel Quelle: Eigene Darstellung Die nächste Tabelle zeigt eine Sammlung von sieben gesundheitstouristischen Bundeslandinitiativen. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 91 Bundesland Jahr Thema des Siegels Nutzer Hessischer Heilbäderverband e.V. 2000 Qualität mit Herz - Herzliche hessische Heilbäder Touristinformationen, touristische Einrichtungen Bayern Tourismus Marketing GmbH 2002 WellVital Hotels, (Medical-)Wellness- Einrichtungen NRW- Heilbäderverband e.V. 2002 Gesundheitsagentur NRW Orte, Hotels, Kliniken, Einrichtungen Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommern e.V. 2004 Wellness Zertifikat des Deutschen Wellness Verbandes (DWV) Hotels, Kliniken, Einrichtungen TMG Sachsen mbH 2006 Vitalurlaub Hotels, Einrichtungen RLP Tourismus GmbH 2009 ICHZeit Hotels, Klöster Tourismus Zentrale Saarland GmbH 2015 Netzwerk Hören Hotels, Freizeitangebote Tab. 9: Gesundheitstouristische Bundeslandinitiativen Quelle: Eigene Darstellung  Weiterführende Literatur │ Qualitätsmanagement Krczal et al. (2011): Qualitätsmanagement in Wellnesseinrichtungen - Erfolg durch Kundenorientierung und hohe Standards, Berlin. Meffert et al. (2015): Dienstleistungsmarketing - Grundlagen - Konzepte - Methoden, 8. Aufl., Wiesbaden, hier v.a. Kap. 5 Qualitätsmanagement im Dienstleistungsbereich 92 Gesundheitstourismus Personalschulungen vor Ort Indirekte Einflussmöglichkeiten der TO auf das Angebot vor Ort besteht auch bei Personalschulungen im Themenbereich Gästebetreuung bei allen beteiligten touristischen Akteuren. So werden vielerorts zu diesem Zweck mit Beginn einer neuen Saison jeweils verschiedene einbis zweitägige Informations- und Verhaltensseminare für Front-Office-Mitarbeiterinnen und -mitarbeiter vonseiten der TO durchgeführt. Das kann sprachlich, aber auch fachlich sein oder auch mit zukünftigen (Groß-)Projekten zusammenhängen, wenn besonders langfristig geplant und intensive Workshops durchgeführt werden müssen, wie z.B. zum Thema barrierefreier Tourismus.  Beispiel │ Watzmann Therme Berchtesgaden Die Watzmann Therme Berchtesgaden in Bayern hat als eine von bisher drei bundesweit nach dem Zertifizierungsprogramm „Reisen für Alle“ geprüften Wellness-Anlagen Barrierefreiheit für Menschen mit Gehbehinderung nachweisen können. (vgl.  www.reisen-fuer-alle.de/ zertifizierte_angebote_249.html) Solche Personalentwicklungen können aber auch mit der Schulung des gesamten touristischen Personals einer Destination bezüglich neuer, destinationsweit eingesetzter Computersoftware zu tun haben oder sich auf die Umstellung auf „fair trade“gehandelte Produkte in Gastronomie und Einzelhandel beziehen.  Beispiel │ Fairtrade Town Kampagne Die „Fairtrade Town Kampagne“ läuft in Deutschland seit 2009 und weist im Jahr 2016 415 Städte aus. Das erste Heilbad mit diesem Titel war Bad Honnef im Jahr 2010 und damit die zehnte Stadt dieser Liste. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 93 Inzwischen reicht das Städteverzeichnis über 20 Kurorte und Heilbäder hinaus, z.B. von Bad Aibling bis Bad Wörishofen. (vgl.  www.fairtrade-towns.de/ fairtrade-towns/ staedteverzeichnis) Nachdem mit der Angebotsfunktion die erste der vier Hauptfunktionen im Destinationsmanagement beschrieben wurde, folgt nun die Vermarktung der angebotenen Dienstleistungen und Produkte. 4.2 Marketing-Funktion In der Einführung zu → Kap. 4 wird mit → Abb. 16 ein Überblick über die Aufgaben des sogenannten „Makro-Betriebes“ Tourismusorganisation gegeben. Die dort enthaltene Marketing- Funktion befasst sich in engerer Sichtweise v.a. mit der Kommunikations- und Vertriebspolitik der TO. Diese beiden speziellen Marketing-Mix-Instrumente („promotion“ und „place“) werden im folgenden Abschnitt dem modernen Marketing-Management-Kreislauf (→ Kap. 4.2.1) zugeordnet sowie in → Kap. 4.2.2 genauer im Einsatz der Marketing-Mix- Instrumente erörtert.  Wissen │ Moderndes Marketing „Heute wird modernes Marketing als eine Konzeption der Unternehmensführung, als eine Unternehmensphilosophie, Denkrichtung, Leitidee oder Maxime angesehen, bei der im Interesse der Erreichung der Unternehmensziele alle betrieblichen Aktivitäten konsequent auf die gegenwärtigen und künftigen Erfordernisse der Märkte ausgerichtet werden.“ (Freyer 2011, S. 41) 94 Gesundheitstourismus 4.2.1 Marketing-Management-Kreislauf Touristisches Marketing weist gegenüber den allgemeinen Marketing-Konzepten aus dem Konsumgüterbereich einige Besonderheiten auf, die seit den letzten Jahrzehnten als allgemein akzeptiert und damit als Begründung für die Existenz eines eigenständigen, dienstleistungsorientierten Tourismus-Marketing herangezogen werden (vgl. Freyer 2015, S. 404 ff.). Eine Dienstleistungsbranche wie der Gesundheitstourismus lebt in besonderer Weise mit der Notwendigkeit, hinreichend qualifiziertes Personal in entsprechender Menge zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort zu haben. Daher ist es naheliegend, dass für eine erfolgreiche Vermarktung gesundheitstouristischer Leistungen und Produkte eine intensive Personalarbeit durchgeführt werden muss. So wird der gesundheitstouristische Marketing-Management-Kreislauf besonders im dritten Schritt (III. Gestaltungsphase) um drei weitere, dienstleistungsorientierten Marketing-Mix-Instrumente nach Meffert et al. (2015, S. 268f.) ergänzt: Das qualifizierte Personal ist notwendig, um eine immaterielle Dienstleistung bzw. das Dienstleistungspotenzial in einem gesundheitsförderlichen Ambiente (Ausstattung) zu einem Dienstleistungsprozess werden zu lassen, welcher wiederum ein Dienstleistungsergebnis (z.B. gesteigertes persönliches Wohlbefinden) ermöglicht (Prozessdenken) (→ Abb. 21). folgende Seite: Abb. 21: Marketing-Management-Kreislauf Quelle: Verändert nach Freyer 2015, S. 412 und Meffert et al. 2015, S. 131 Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 95 1. Umfeld 2. Markt 3. Betrieb I. Analysephase: Informationsmarketing 1. Interpretation der Analysedaten 2. Marketing- Zielpyramide 3. Marketing- Strategie-Box II. Konzeptionsphase: Strategisches Marketing 1. Managementstruktur 2. Allokationsaufgaben 3. Anspruchsgruppen IV. Realisierungsphase: Operative Marketing-Implementierung 1. Ursachenanalyse 2. Konsequenzen V. Kontrollphase: Marketing-Controlling 1. Produkt 2. Preis 3. Kommunikation III. Gestaltungsphase: Taktische Marketing-Mix-Instrumente 4. Vertrieb 5. Personal 6. Ausstattung 7. Prozessdenken 96 Gesundheitstourismus Die Informations- oder Analysephase beschäftigt sich mit der Erfassung der Ausgangssituation in Bezug auf das Umfeld, den Markt und den Betrieb für das gesundheitstouristische Marketing. Diese Aufgabe ist mit → Kap. 2 (Rahmenbedingungen bzw. Umfeldanalyse) und → Kap. 3 (Marktanalyse) bereits in diesem Buch thematisiert. Das gegenwärtige → Kap. 4 beschäftigt sich mit einer marketingbezogenen Betriebsbzw. Unternehmensanalyse. In der Betriebsanalyse werden die betrieblichen Stärken und Schwächen bezogen auf die vier Hauptfunktionen des Destinationsmanagements bestimmt (→ Abb. 16), um diese in der darauffolgenden Konzeptionsphase marketingstrategisch beschreiben zu können. Dabei erfolgt zuerst eine Interpretation der durch die Analysephase gesammelten Daten. Diese kann mithilfe von verschiedenen strategischen Diagnoseinstrumenten durchgeführt werden, wie z.B. einer Lebenszyklus-Analyse, einer SWOT-Analyse oder einer Portfolio-Analyse (vgl. Meffert et al. 2015, S. 133ff.). Im zweiten Teil der Konzeptionsphase werden die Marketing-Ziele bestimmt. Diese können entsprechend den allgemeinen Managementaufgaben normativ, strategisch, taktisch sowie operativ sein und bilden eine Marketing-Zielpyramide (→ Abb. 22). Auf die dazugehörigen Themen Unternehmensethik, Unternehmenszweck und Unternehmensleitbild wird in → Kap. 4.4 Planungsfunktion eingegangen. Die Diskussion der betrieblichen Oberziele (bzw. „Unternehmensziele“) erfolgt zumeist mithilfe der Gegenüberstellung von:  ökonomischen (wirtschaftliche, monetäre, quantitative Ziele) und  nicht-ökonomischen Zielen (soziale, gesellschaftliche, nichtmonetäre, qualitative Ziele) (vgl. Freyer 2011, S. 361). Die → Tab. 10 zeigt dazu Zielbereiche aus unterschiedlicher Perspektive auf. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 97 Abb. 22: Marketing-Zielpyramide Quelle: Eigene Darstellung anhand Becker 2015, S. 4 und 28 sowie Freyer 2015, S. 403 ökonomische Ziele (Eigenkapitalgeber) soziale Ziele (Arbeitnehmer) ökologische Ziele (Öffentlichkeit)  langfristige Gewinnmaximierung  Shareholder Value  Rentabilität  Unternehmenssicherung/ -wachstum  gerechte Entlohnung  gute Arbeitsbedingungen  betriebliche Sozialleistungen  Arbeitsplatzsicherheit  Mitbestimmung  Ressourcenschonung  Begrenzung von Schadstoffemissionen  Abfallvermeidung  Abfallrecycling Tab. 10: Ökonomische, soziale und ökologische Ziele Quelle: Wöhe et al. 2016, S. 66 Unternehmensethik Unternehmenszweck Unternehmensidentität (Leitbild) Unternehmensziele Funktionsbereichsziele, hier: Marketing-Ziele („Wunschort“) Marketing-Strategien („Route“) Instrumentalziele im Marketing-Mix („Beförderungsmittel“) zunehmende Zahl der Ziele zunehmende Konkretisierung der Ziele normatives Management strategisches Management taktisches und operatives Management 98 Gesundheitstourismus Zur Vermeidung von Konflikten zwischen ökonomischen Zielen einerseits und sozialen und ökologischen Zielen andererseits kann an einer Vereinbarkeitsstrategie der drei Zielkategorien gearbeitet werden (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 67). Im Tourismus werden zum Teil andere Maßzahlen zur Messung der Absatzmengen, Wertschöpfung oder Beschäftigung herangezogen. So betreffen Oberziele bezogen auf Destinationen zumeist Aussagen zur Anzahl der Touristen, wie z.B. Übernachtungszahlen, Gästeanzahl, Aufenthaltsdauer, meist differenziert nach Urlaubs-, Tagungsund/ oder Kurgästen. Die Zielaussagen sind schließlich mit konkreten Angaben über das jeweilige Zielausmaß zu ergänzen (vgl. Freyer 2011, S. 366):  Erhöhung des touristischen Umsatzes (um 5 %),  mehr Gäste (Steigerung um 10 %),  Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen im Tourismus (z.B. 500),  Vergrößerung des Marktanteils bei Auslandsgästen (um 5 %),  Steigerung der Ganzjahresauslastung (von 23 % auf 28 %),  Anstieg der Wertschöpfung (von 38 % auf 45 %),  weniger Umweltbelastung durch Tourismus (spezielle ökologische Kennziffern),  Veränderung des Images: keine „verstaubte“ Destination (in zwei Jahren) und/ oder  Veränderung der Gästestruktur (jüngerer Altersdurchschnitt). Eine systematische Erreichung der Ziele („Wunschorte“) des Unternehmens ist an die konsequente Verfolgung adäquater Strategien gebunden. Strategien zeigen grundsätzlich Wege und Muster der Zielrealisierung auf („Wie kommen wir dahin? “). Sie legen Regeln und Grundsätze für den zielführenden Einsatz der Marketing-Instrumente („Beförderungsmittel“) fest und stecken insoweit den Handlungsrahmen („Route“) für die konzeptionelle Führung ab (→ Abb. 22 und Becker 2013, S. 137). Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 99 So kann im dritten Teil der Konzeptionsphase (von den zuvor festgelegten Zielen ausgehend) eine individuelle Marketing- Strategie mithilfe der sogenannten „Marketing-Strategie-Box“ ausgewählt und festgelegt werden (→ Abb. 23). Abb. 23: Marketing-Strategie-Box Quelle: Porter zitiert nach Becker 2013, S. 352 und Freyer 2015, S. 430 Marketing-Strategien alternative Strategiemöglichkeiten 1. Entwicklungsstrategien  Entwicklungsrichtung wachsen stabilisieren schrumpfen  Marktfelder Marktdurchdringung Marktentwicklung Produktentwicklung Diversifikation  Marktareal lokal regional national international 2. Konkurrenzstrategien  Strategiestil kontra/ wettbewerbsorientiert Mitläufer Kooperation  Wettbewerbsverhalten Qualitätsführerschaft aggressive Preisführerschaft Nischen- Strategie Niedrig-Preis- Strategie 3. Kundenstrategien Massenmarkt-Strategie Segmentierungsstrategie undifferenziert differenziert eine Zielgruppe mehrere Zielgruppen 4. Positionierungsstrategien Präferenz-Strategie Preis-Mengen-Strategie 100 Gesundheitstourismus An dieser Stelle wird kurz auf die besondere Bedeutung der Markenführung bzw. des „Branding“ hingewiesen, welche/ s im Rahmen der Präferenz-Strategie festgelegt wird. Die Präferenz- oder Premium-, Luxusbzw. klassische Markenstrategie setzt auf Leistungs-, Qualitäts-, Präferenzund/ oder Imagevorteile gegenüber der Konkurrenz. Dieses „Leistungsvorteile-Marketing“ ist leistungsdominiert oder präferenzorientiert, das heißt, es legt Wert auf Qualität, Service, oft auch auf Exklusivität und hohe Preise. Häufig werden Zusatzleistungen in den Vordergrund des Marketing gestellt. Reisen oder entsprechende Teilleistungen gelten als „Markenartikel“ (vgl. Freyer 2011, S. 406). Dabei ist es naheliegend, dass für gesundheitstouristische Produkte und Dienstleistungen (aufgrund der Kostbarkeit des Gutes Gesundheit) beinah zwangsläufig diese Marketing-Strategie zu wählen ist.  Beispiel │ die Marke KUR Die KUR ist eine Marke mit ungewöhnlich hohen Bekanntheits- und Sympathiewerten. Es ist deutlich einfacher, die Verwendungsabsicht der Marke KUR zu verbessern, als eine neue Marke zu etablieren. Dazu muss v.a. die Reputation der Marke verbessert werden. Der Weg zu einer starken Marke besteht in der Adaption und Entwicklung der Kernkompetenzen (vgl. Markenprozess des DHV 2015b, S. 2). Ausschlaggebend für die Konzeptionsphase ist die Entwicklung langfristiger betrieblicher Ziele und Strategien, d.h. auch Marketing-Strategien im Gesundheitstourismus weisen eine Verbindlichkeit für mehrere Jahre auf. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 101  Weiterführende Literatur │ Strategisches Marketing Becker, J. (2013): Marketing-Konzeption - Grundlagen des zielstrategischen und operativen Marketing- Managements, 10. Aufl., München Hartmann, R. (2013): Marketing in Tourismus und Freizeit, Konstanz Meffert, H. et al. (2015): Dienstleistungsmarketing - Grundlagen - Konzepte - Methoden, 8. Aufl., Wiesbaden Im nächsten Abschnitt wird das taktische Tourismus-Marketing (3. Gestaltungsphase) im Sinne eines erweiterten Dienstleistungs-Marketing-Mixes vorgestellt. 4.2.2 Einsatz der Marketing-Mix-Instrumente In der dritten Phase des Marketing-Managementprozesses (Gestaltungsphase) werden die verschiedenen Marketing-Mix- Instrumente zur taktischen Ausformung und operativen Umsetzung der Marketing-Strategien erarbeitet. Abb. 24: Dienstleistungs-Marketing-Mix-Instrumente Der moderne Dienstleistungs-Marketing-Mix besteht aus sieben Bereichen. Hierbei werden die vier traditionellen Marketing- 1. Produkt 2. Preis 3. Kommunikation III. Gestaltungsphase: Taktische Marketing-Mix-Instrumente 4. Vertrieb 5. Personal 6. Ausstattung 7. Prozessdenken 102 Gesundheitstourismus Mix-Instrumente des Konsumgütermarketing um drei erweiterte Instrumente ergänzt. Die vier traditionellen Instrumente sind die Produktpolitik, die Preispolitik, die Kommunikationspolitik und die Vertriebspolitik. Auch im touristischen Marketing müssen die traditionellen Marketing-Instrumente als nicht ausreichend angesehen werden. Aus diesem Grund gibt es eine Erweiterung um drei Dienstleistungs-Marketing-Mix-Instrumente: Personalpolitik, Ausstattungspolitik und Prozesspolitik (→ Abb. 21 und → Abb. 24). Im Rahmen des Marketing im engeren Sinne wird hier  die klassische „promotion“ (Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung, Messen und Sponsoring) sowie  der Vertrieb („place“), welcher sich nicht nur mit den neuen Medien (Onlinevertrieb, Callcenter) befasst, sondern auch Reisemittler der Destination betrifft (Reiseveranstalter und Reisebüros), verstanden. Dabei kann insbesondere für Destinationen folgende Rangstufe des Gewichtes der klassischen Marketing-Mix- Instrumente nach Bieger (vgl. 2008, S. 196) vorgenommen werden: [1] Kommunikation → [2] Vertrieb → [3] Produkt → [4] Preis. Vor dem Hintergrund der Angebotsfunktion im Destinationsmanagement wird bereits auf ausgewählte Inhalte zu den anderen Marketing-Mix-Instrumenten „product“, „price“, „personnel“, „physical facilities“ und „process“ eingegangen (→ Abb. 16). Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 103 Abb. 25: Erscheinungsformen der Kommunikation Quelle: Meffert et al. (2015), S. 312 Die Kommunikationspolitik eines Dienstleistungsunternehmens (wie auch die TO eines ist) umfasst dabei Maßnahmen der marktgerichteten, externen Kommunikation (z.B. Anzeigenwerbung), der innerbetrieblichen, internen Kommunikation (z.B. Intranet, Mitarbeiterzeitschrift) und der interaktiven Kommunikation zwischen Mitarbeitenden und Kunden (z.B. Kundenberatungsgespräch). Diese Erscheinungsformen der Kommunikation müssen auch in allen anderen (Gesundheits- und Wellness-) Unternehmen umgesetzt werden (→ Abb. 25). Die Instrumente der Marketing-Kommunikation streben den Verkauf von Dienstleistungen an und verfolgen  ökonomische Ziele wie Absatz- und Umsatzsteigerung sowie  psychologische Ziele wie den Aufbau von Imagekomponenten.  Daneben dienen sie dem Abbau von Informationsasymmetrien, die bei Dienstleistungen aufgrund der konstitutiven Merkmale (→ S. 11) häufig besonders ausgeprägt auftreten, indem sie zuverlässige Informationen über die erklärungsbedürftigen Sach- und Dienstleistungen vermitteln (vgl. Meffert 2015, S. 322). Destination oder Freizeiteinrichtung Mitarbeitende Anspruchsgruppen interne Kommunikation interaktive Kommunikation externe Kommunikation 104 Gesundheitstourismus Anwendung finden in diesem Bereich hauptsächlich die klassische Mediawerbung, die Verkaufsförderung, das Sponsoring und das Event-Marketing. Das folgende Beispiel zeigt die Produkt- und Kommunikationsstrategie eines Dienstleistungsunternehmens (Europa-Park in Rust), welches mit der Pionierleistung „Wellness-Festival“ Vorbild für gesundheitstouristische Destinationen sein kann.  Beispiel │ Europa-Park, Rust Europa-Park in Rust: Wellness-Festival - Event-Marketing Quelle: www.ladies-only-festival.de Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 105  Wissen │ Marketing-Begriffe Anzeigen-/ Mediawerbung ist der Transport und die Verbreitung werblicher Informationen über die Belegung von Werbeträgern mit Werbemitteln im Umfeld öffentlicher Kommunikation gegen ein leistungsbezogenes Entgelt, um eine Realisierung unternehmens- und marketingspezifischer Kommunikationsziele zu erreichen. Öffentlichkeitsarbeit (PR = Public Relations) als Kommunikationsinstrument ist die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle aller Aktivitäten eines Unternehmens, um bei ausgewählten Zielgruppen (extern und intern) um Verständnis sowie Vertrauen zu werben und damit gleichzeitig kommunikative Ziele des Unternehmens zu erreichen. Sponsoring ist die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher Aktivitäten, die mit der Bereitstellung von Geld, Sachmitteln, Dienstleistungen oder Know-how durch Unternehmen und Institutionen zur Förderung von Personen und/ oder Organisationen in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales, Umwelt und/ oder Medien verbunden sind, um damit gleichzeitig Ziele der eigenen Kommunikationspolitik zu erreichen. Event-Marketing ist die zielgerichtete, systematische Analyse, Planung, Inszenierung und Kontrolle von Veranstaltungen als Plattform einer erlebnis- und dialogorientierten Präsentation einer Dienstleistung oder eines Unternehmens, sodass durch emotionale und physische Stimuli starke Aktivierungsprozesse in Bezug auf Dienstleistungen oder Unternehmen mit dem Ziel der Vermittlung von unternehmensgesteuerten Botschaften ausgelöst werden. 106 Gesundheitstourismus Messen und Ausstellungen als Kommunikationsinstrumente sind die Analyse, Planung, Durchführung, Kontrolle und Nachbearbeitung aller Aktivitäten, die mit der Teilnahme an einer zeitlich und räumlich festgelegten Veranstaltung verbunden sind, deren Zweck in der Möglichkeit zur Leistungspräsentation, Information eines Fachpublikums und der interessierten Allgemeinheit, Selbstdarstellung des Unternehmens und Möglichkeit zum unmittelbaren Vergleich mit der Konkurrenz liegt, um damit gleichzeitig spezifische Marketing- und Kommunikationsziele zu erreichen. Persönliche Kommunikation ist die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle sämtlicher unternehmensinterner und -externer Aktivitäten, die mit der wechselseitigen Kontaktaufnahme bzw. -abwicklung zwischen Anbieter und Nachfrager in einer durch die Umwelt vorgegebenen Face-to-Face-Kontaktsituation verbunden sind, in die bestimmte Erfahrungen und Erwartungen durch verbale und nonverbale Kommunikationshandlungen eingebracht werden. Social-Media-Kommunikation vollzieht sich auf onlinebasierten Plattformen und kennzeichnet sowohl die Kommunikation als auch die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Social-Media-Nutzern sowie deren Vernetzung untereinander. Die Social-Media-Kommunikation erfolgt sowohl aktiv als auch passiv, mit dem Ziel des gegenseitigen Austausches von Informationen, Meinungen, Eindrücken und Erfahrungen sowie des Mitwirkens an der Erstellung von unternehmensrelevanten Inhalten, Produkten oder Dienstleistungen. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 107 Direct Marketing ist die gezielte Einzelansprache mit sämtlichen Kommunikationsmaßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, einen direkten Kontakt zum Adressaten herzustellen und einen unmittelbaren Dialog zu initiieren oder durch eine indirekte Ansprache die Grundlage eines Dialogs in einer zweiten Stufe zu legen, um Kommunikations- und Vertriebsziele eines Unternehmens zu erreichen. Verkaufsförderung (promotion) ist die Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle meist zeitlich befristeter Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, auf nachgelagerten Vertriebsstufen durch zusätzliche Anreize Kommunikations- und Vertriebsziele eines Unternehmens zu realisieren. Quelle: Vgl. Meffert 2015, S. 318-332 Wenn in obigem Abschnitt bisher die Kommunikationspolitik von Destinationen dargestellt wird, dann geht es v.a. um die Bekanntmachung der jeweils verfügbaren Produkte und Dienstleistungen. Die Aufgabe der Vertriebspolitik ist nun, für die Verfügbarkeit der Produkte und Leistungen am Markt zu sorgen („place“). Allerdings dreht sich das bei Sachgütern übliche logistische Transportproblem im Tourismus geradezu vehement um: Nicht das Produkt muss zum Kunden transportiert werden, sondern die Konsumenten müssen zum Ort des Dienstleisters gebracht werden. Die eigenständige „Gästebeschaffung“ ist aber für Destinationen bisher ein seltenes Thema, obwohl die damit zusammenhängenden logistischen Probleme der Personenbeförderung teilweise ganz analog zur physischen Distribution von Sachgütern zu sehen wären. Zukünftig können sich hier aber größere Handlungspotenziale ergeben, wenn Heilbäder und Kurorte aufgrund der älter werdenden Gesellschaft die „Gästebeschaffung“ z.B. per Reisebus in ihr eigenes Geschäftsportfolio aufnehmen. 108 Gesundheitstourismus Daher beinhaltet die Distributionspolitik im Tourismus v.a. die Überlegung, in welchem Umfang die Produkte und Leistungen in Form von „Reiseanrechten“ oder „Zugangsberechtigungen“ direkt an den Kunden verkauft oder inwieweit Zwischenhändler eingeschaltet werden (→ Abb. 26). Abb. 26: Vertriebswege im Tourismus Quelle: Freyer 2015, S. 434 touristische Leistungsträger (Reiseveranstalter, Reisemittler, Verkehrsträger, Beherbergungsbetriebe, Freizeiteinrichtungen, Destinationen) direkter Vertrieb indirekter Vertrieb (durch o.g. Anbieter, CRS usw.) Eigenvertrieb (Filialen oder Franchising) Fremdvertrieb branchenspezifisch branchenfremd Reisebüros/ -mittler Handel, Banken, Vereine usw. Vertriebsmedien (persönlich, telefonisch, schriftlich und/ oder elektronisch) Kunden, Besucher, Gäste, Urlauber Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 109 Der direkte Vertriebsweg stellt meist die Tageskasse bei der Touristinformation (persönliches Vertriebsmedium) und Direktbuchungen bei den touristischen Leistungsträgern über Schriftverkehr, Telefon oder Internet dar. Der indirekte Vertriebsweg kann über verschiedene Kanäle organisiert sein. Hierbei ist ein wichtiger Vertriebsweg immer noch das Reisebüro. Für Destinationen und Freizeiteinrichtungen bietet sich dieser Weg auch an, um v.a. in erfolgsversprechenden Quellgebieten über die persönliche Beratung im klassischen Reisebüro auch in Reiseveranstalterkatalogen buchbar zu sein (z.B. mit eigenen Pauschalangeboten, → S. 80). Hauptfunktion eines Distributionssystems ist es, Kundennähe zu gewinnen, um möglichst überall dort präsent zu sein, wo der Kunde seine Kaufbzw. Reiseentscheidung trifft („place“). Das bedeutet, gleichzeitig bzw. parallel verschiedene Vertriebskanäle zu nutzen (sogenannte Multi-Channel-Strategie). Der elektronische Onlinevertrieb von Produkten und Dienstleistungen über das Internet wächst ständig. Für mehr als die Hälfte der Haushalte ist das Internet bereits jetzt die zentrale Informationsquelle im Kaufentscheidungs- und Reiseprozess. Ausschlaggebend sind aber letztendlich die Buchungsstellen, weil es auf die Erhöhung der Verkaufszahlen ankommt. So sollten durch marktforscherische Tätigkeiten regelmäßig die Nutzungsanteile der Informations- und Buchungswege erfasst werden. Dabei ist die Information v.a. Aufgabe der Kommunikationspolitik und die Buchbarkeit die Aufgabe der Vertriebspolitik (→ Tab. 11). 110 Gesundheitstourismus Destination Gesundheits-/ Wellness-Einrichtung Kommunikation „promotion“ extern: Mediawerbung, Produkt-PR, Verkaufsförderung, Sponsoring, Events, interaktiv: Soziale Medien, Kundenberatungsgespräch, Animation, Messen, intern: Intranet, Mitarbeiterzeitschrift extern: Plakate, Mediawerbung, Produkt-PR, Verkaufsförderung, Sponsoring, Events, interaktiv: Soziale Medien, Kundenberatungsgespräch, Animation, Messen, intern: Intranet, Mitarbeiterzeitschrift Vertrieb „place“ direkter Vertrieb durch TO und ggf. über andere Leistungsträger, wenig über Reisemittler, vermehrt online, zukünftig Reservierungszentrale zumeist direkter Vertrieb und ggf. über andere Leistungsträger, selten über Reisemittler, ggf. Kooperationen, vermehrt Onlineticketshops Tab. 11: Kommunikation und Vertrieb im Überblick Quelle: Erweitert nach Hartmann 2014, S. 203  Praxis │ Übernachtungen buchen FIT Tourist - offizielle Reservierungszentrale Schwarzwald: Hier ist es möglich über 1.500 Hotels, Pensionen, Ferienwohnungen und Privatvermieter in Freiburg und Rust sowie im gesamten Schwarzwald online oder per Telefon direkt zu buchen. Die Onlinebuchungsmöglichkeit wird durch die Firma HRS Destination Solutions GmbH aus München generiert. (vgl.  www.fit-tourist.de) Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 111 Weiterhin wäre es für Destinationen denkbar, vermehrt Kooperationen mit Onlineticketshops einzugehen, wie das folgende Beispiel zeigt.  Beispiel │ MyDays My Days - Online-Gutscheinshop: Erlebniskategorie Wellness Quelle: www.mydays.de Das Ergebnis der Konzeptions- und Gestaltungsphase ist i.d.R. eine sogenannte Marketing-Konzeption bzw. eine Tourismuskonzeption, die damit konkrete Handlungsempfehlungen im Sinne eines Marketing-Mixes enthält (→ Tab. 13). Wenn die Destination aufgrund eingeschränkter Personal- und Finanzkapazitäten dieses Marketing-Konzept nicht selbst erstellen kann, wird i.d.R. eine externe Beratungsfirma damit beauftragt. Mit der Existenz der Marketing-Konzeption ist die dritte Phase - Gestaltungsmöglichkeiten des Marketing-Mixes - beendet und die Umsetzung des modernen Marketing-Management- Kreislaufes geht direkt in die operative 4. Realisierungsphase 112 Gesundheitstourismus über (→ Abb. 21). Hier sind v.a. drei Bereiche konkret umzusetzen:  Implementierung von Marketing-Managementstrukturen, d.h. Organisation des Marketings innerhalb der Tourismusorganisation oder der Freizeiteinrichtung,  Implementierung der Allokationsaufgaben, insbesondere der Ressourcen Zeit, Personal und Finanzen (→ S. 143) sowie  Implementierung des Marketings in Bezug auf die verschiedenen internen und externen Anspruchsgruppen. Dazu wird vornehmlich die Interessenvertretungsfunktion im Destinationsmanagement eingesetzt (→ Kap. 4.3). Abgeschlossen wird der moderne Marketing-Management- Kreislauf mit der 5. Kontrollphase (→ Abb. 21). Die Kontrollphase wird nicht immer von allen Marketing-Autoren als eigene Phase betrachtet. Doch eigentlich kommt der abschließenden Gesamtkontrolle mit die wichtigste Aufgabe zu: Denn nur wenn möglichst zügig und genau kontrolliert wird, ob die ursprünglichen Pläne und Erfolgsaussichten auch mit den konkreten Ergebnissen übereinstimmen, war die Marketing-Maßnahme letztendlich erfolgreich. Ist dies nicht der Fall, muss Ursachenanalyse betrieben werden, um entsprechende Konsequenzen für zukünftige Änderungen ziehen zu können. Im besten Fall wird bereits nach jeder Phase des Marketing-Management-Kreislaufes kontrolliert (sogenannte Parallelkontrolle), um rechtzeitig eingreifen und gegenlenken zu können. Als nächste und dritte Hauptfunktion des Destinationsmanagements wird folgend die Interessenvertretungsfunktion erläutert, die als strategische Management-Aufgabe notwendig ist, um das komplexe System Destination zu dauerhaftem Erfolg zu führen. 4.3 Interessenvertretungsfunktion Ergänzend zu der zuvor erläuterten Marketing-Funktion, die nach außen - also auf den Markt hin - gerichtet ist, muss die Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 113 Destination ein Marketing für die innerhalb einer Destination befindlichen Interessen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen betreiben.  Wissen │ Interessenvertretung Die Interessenvertretung widmet sich so z.B. der allgemeinen Information der Tourismusbranche und der lokalen Bevölkerung. Hierunter fallen auch alle Maßnahmen zur Förderung des allgemeinen Tourismusbewusstseins. Auch ist es im Rahmen einer langfristigen Entwicklung unabdingbar, dass sich Vertreter touristischer Unternehmen und insbesondere der Tourismusorganisation mit der lokalen und regionalen Politik befassen und dafür aktiv informieren bzw. einfordern, speziell wenn es um konkrete Tourismusprojekte der Zukunft geht. Zu beachten ist, dass die Interessenvertretungsfunktion v.a. dann große Bedeutung erhält, wenn sich die Destination mit anderen wirtschaftlichen Systemen (Industrie, Handel, Gewerbe) überschneidet, z.B. in nicht rein touristischen Regionen. Außerdem erhält die Interessenvertretungsfunktion beachtliche Größe, wenn neben den staatlichen Institutionen auch private, kollektiv finanzierte Tourismusunternehmen auftreten, welche vordergründig die Interessen der eigenen Mitglieder bzw. Eigentümer vertreten (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 69). Folgend wird dazu eine Systematik aller Beteiligten bzw. Anspruchsgruppen des Tourismussystems Destination vorgestellt, bevor auf die Interessenvertretung gegenüber ausgewählten Anspruchsgruppen genauer eingegangen wird. 4.3.1 Interessensystem in der Destination Wie bereits zu Beginn von → Kap. 4 erläutert, wird in Destinationen ein touristisches Leistungsbündel von verschiedenen 114 Gesundheitstourismus Anbietern bzw. Unternehmen produziert und gemeinschaftlich (bzw. kooperativ) angeboten. In diesem Sinne tritt an dieser Stelle eine der vielen Besonderheiten des Managements von Destinationen ganz besonders hervor, nämlich das große Gewicht der Anspruchsgruppen (Stakeholder). TOs sind mit einer Vielzahl von verschiedenen Interessengruppen konfrontiert, die zudem aufgrund des öffentlichen Charakters einer TO bzw. deren öffentlichen Finanzierung ein sehr starkes Gewicht haben. In erster Linie stellen zahlreiche Betriebe, die vom Tourismus leben, ihre Ansprüche an die Fähigkeiten der TO. Demgegenüber stehen i.d.R. die Interessen der Natur-, Denkmalund/ oder Verbraucherschützer. Neben diesen am Tourismus des Ortes und damit auch an der TO interessierten Gruppen ist die TO wie jedes Unternehmen auch mit den „normalen“ Interessengruppen konfrontiert, beispielweise mit den eigenen Mitarbeitern, Kapitalgebern und Banken, mit dem Baugewerbe, mit der politischen Gemeinde, mit Bürgern, mit den Übernachtungs- und Tagesgästen als Kunden an der Beratungstheke oder als Kunden bei Gästeprogrammen und auch mit Lieferanten (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 89ff.). Diese Menge an Betroffenen bzw. am Tourismus Beteiligten wird durch die → Abb. 27 anhand ausgewählter Interessengruppen für eine Gesundheits-/ Wellness-Destination visualisiert und kann je nach Situation vor Ort weiter ergänzt bzw. verändert werden. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 115 Abb. 27: Interessensystem in der Gesundheits-/ Wellness-Destination Quelle: Eigene Darstellung anhand Bieger & Beritelli 2013, S. 91 und 202 Dabei kann ein inneres und ein äußeres Interessensystem unterschieden werden. Das innere Interessensystem umfasst die Tourismusbranche selbst, z.B. auch die in → Abb. 27 nicht aufgeführten Absatzbzw. Reisemittler. In diesem Interessensystem bestehen oft unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die anzustrebenden Zielmarktsegmente und die Rahmenbedingungen bzw. die Aufgabenverteilung im Tourismus vor Ort. Im äußeren Interessensystem befinden sich die Bevölkerung und die anderen Wirtschaftsbranchen. Hier bestehen oft unterschiedliche Auffassungen v.a. bezüglich des Entwicklungsziels des Tourismus und des Umfangs der dem Tourismus zur Verfügung stehenden Ressourcen (z.B. Höhe der öffentlichen Mittel, Belastungsgrenzen der Natur und Kultur). Den Mittelpunkt des äußeren Interessensystems bildet die Gemeinde-/ Stadtverwaltung als politische Behörde, die in diesem äußeren Kreis die Bevölkerung Natur-/ Denkmalschutz Handel & Gewerbe Landwirtschaft Sozialversicherungs -träger Gemeinde-/ Stadtverwaltung/ Politik Beherbergungsbetriebe Freizeiteinrichtungen Sport-/ Gesundheits-/ Wellnesseinrich. Verkehrsunternehmen Souvenirhandel Kultureinrichtungen Tourismusorganisation inneres Interessensystem äußeres Interessensystem Kur- & Reha.kliniken Presse/ Medien 116 Gesundheitstourismus gesamten Interessen des Gemeindebzw. Stadtgebietes zu koordinieren hat (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 201). Aufgrund der atypischen Marktsituation im klassischen Gesundheitstourismus erweitert sich hier die Zahl der Anbieter mindestens auf die speziellen Beherbergungsbetriebe der Kur- und Rehabilitationskliniken sowie auf die Sozialversicherungsträger, die an der Finanzierung der Kurreisen maßgeblich beteiligt sind (→ Abb. 27). Weitere Anspruchsgruppen (Stakeholder), wie z.B. Kirchen, Klöster u.a. soziale Organisationen, werden in → Kap. 6 Gesamtstrukturen der Gesundheitswirtschaft aufgezeigt. In der Tourismusliteratur wird meist auf die Zusammenarbeit der touristischen Akteure, auf die Mitwirkungen in politischen Gremien und auf die Integration der Bevölkerung Wert gelegt (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 201-218 und Steinecke 2013, S. 129-143). Im Folgenden wird nur auf die Motivierung der touristischen Leistungsträger (→ Kap. 4.3.2) und die Interessenvertretung gegenüber der Gesundheitswirtschaft (→ Kap. 4.3.3) eingegangen. 4.3.2 Interessenvertretung innerhalb der Branche Aufgabe der TO ist es hier, für einen einheitlichen Kenntnisstand zu sorgen, potenzielle Konflikte zu vermeiden und den Interessenausgleich im inneren Interessensystem herzustellen. So hat sie z.B. die Zusammenarbeit aller Beteiligten an der Zukunftsgestaltung des Tourismus und die Herausbildung einer Destinationsvision (→ S. 123) sicherzustellen. Zu diesem Zweck muss sie:  eine Vertrauensbasis und Akzeptanz bei den touristischen Unternehmen schaffen,  die touristischen Unternehmen von der Bedeutung einer Kooperation innerhalb der Destination überzeugen (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 213) und Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 117  die touristischen Leistungsträger, die politischen Vertreter sowie die Einheimischen zu einer aktiven Mitarbeit motivieren, z.B. in branchenübergreifenden Netzwerken, bei der Kooperation mit anderen Städten und Kreisen oder in öffentlichen Verfahren der Bürgerbeteiligung (vgl. Steinecke 2013, S. 130). Ideale Möglichkeiten für Kommunikation und Interessenvertretung innerhalb der Branche zeigt → Tab. 12. Einbezug der wichtigsten Interessenvertreter im Vorstand der TO Durch die direkte Mitarbeit an der Entscheidungsfindung ergibt sich eine Identifikation mit der Arbeit der TO. Gleichzeitig können sich die Vertreter der Branche sowie auch Vertreter des äußeren Interessensystems (z.B. Klinikmanager) direkt und aus erster Hand informieren und ihre branchenspezifischen Anliegen bei der Entscheidungsfindung einbringen. Für die TO ergibt sich der Vorteil, dass die Entscheidungen durch die vertretenen Interessengruppen besser akzeptiert werden. Integration der verschiedenen Interessengruppen in themenspezifischen Gremien Der Vorteil der Arbeit in Kleingruppen liegt darin, dass sich die einzelnen Interessenvertreter direkt an der Entscheidungsvorbereitung beteiligen können und aus erster Hand informiert werden. Für die TO liegt der Vorteil darin, dass Entscheidungen, die durch solche Gremienarbeit abgestützt sind, besser akzeptiert werden und Informationen/ Anliegen aus den entsprechenden Interessenkreisen frühzeitig berücksichtigt werden können. Informationsveranstaltungen für die Branche Informationsveranstaltungen können als regelmäßige (Saison-)Veranstaltung oder als spezielle Projektveranstaltung (z.B. vor dem Aufbau einer neuen Infrastruktur) durchgeführt werden. Dabei muss in der Bewerbung der Veranstaltung deutlich gemacht werden, ob es sich um eine reine Information, um eine Meinungsforschung oder um eine kooperative Entscheidungsfindung handelt. 118 Gesundheitstourismus Informationsschreiben bzw. (Online-) Newsletter Die Aussendung eines periodischen Informationsschreibens für die Partner innerhalb der Destination hat den Vorteil, dass eine regelmäßige Information (z.B. über die Entwicklung der Nachfrage und über Trends im Tourismus) aus erster Hand sichergestellt ist. Sie bietet zudem den Vorteil, dass die Branche privilegiert in Bezug auf Informationen behandelt werden kann und dadurch auch ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl entsteht. Wirte-/ Hotelierbzw. Touristiker- Stammtisch Ein Branchenstammtisch dient zum ungezwungenen regelmäßigen Meinungsaustausch mit Orientierungscharakter. Sein Vorteil liegt in der regelmäßigen, institutionalisierten Durchführung, sodass Probleme und Meinungsverschiedenheiten frühzeitig und auf offene, weniger formale Weise ausdiskutiert werden können. Partner-Intranet Durch Sicherung eines exklusiven Zugangs zu Datenbanken kann eine TO einen konkreten Mehrwert für die Branche schaffen. Über gemeinsame (Marketing-)Daten kann das Bewusstsein der Branche für Probleme entwickelt werden. Daraus entstehen auch Kooperationen. Tab. 12: Möglichkeiten der Vernetzung im inneren Interessensystem Quelle: Bieger & Beritelli 2013, S. 213f. und Steinecke 2013, S. 130ff. In diesem Zusammenhang muss auch der Begriff des Binnenmarketing erklärt werden. Wie bereits im Marketing-Management-Kreislauf (→ Abb. 21) aufgezeigt, ist die operative Implementierung der Marketing-Maßnahmen eine anspruchsgruppenorientierte Aufgabe. Speziell im Tourismus wird anstelle des im allgemeinen Marketing verbreiteten Begriffs Innenmarketing die Bezeichnung Binnenmarketing verwendet (vgl. Freyer 2011, S. 740). Hier wird v.a. auf die Besonderheiten der touristischen Leistungserstellung als komplexe und kooperative Aufga- Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 119 be hingewiesen. Es ist somit Aufgabe des Binnenmarketings, die verschiedenen Anspruchsbzw. Interessengruppen im Sinne eines gemeinsamen Marketing-Handelns zu motivieren und einzusetzen. Dabei stehen im Destinationsmanagement v.a. Makro-Marketing-Aufgaben im Mittelpunkt des Binnenmarketings (Bedienung des inneren und äußeren Interessensystems), wogegen jeder einzelne Betrieb in erster Linie eigene „Mikro- Marketing-Maßnahmen“ des Innenmarketings (gegenüber des eigenen Personals) wahrnimmt.  Wissen │ Binnenmarketing „Unter Binnenmarketing […] werden alle ‚nach innen‘ gerichteten Aktivitäten im touristischen Makrobereich, v.a. in Tourismusdestinationen, verstanden. Sie betreffen sowohl touristische Betriebe und deren Mitarbeiter, als auch weitere, nicht primär touristische Institutionen und Personen.“ (Freyer 2011, S. 741) Im Gesundheitstourismus ist besonders die Zusammenarbeit mit den kurörtlichen Anspruchsgruppen hervorzuheben, die aus den Bereichen der Gesundheitswirtschaft kommen (→ Kap. 6). Der folgende Abschnitt wird bereits eine Auswahl treffen. 4.3.3 Interessenvertretung gegenüber der Gesundheitswirtschaft Das sogenannte Zwiebelmodell der Gesundheitswirtschaft beinhaltet im Kernbereich die stationäre und ambulante Akutversorgung, das Kur- und Bäderwesen sowie die Gesundheitsverwaltung (→ Kap. 6). Damit sind die örtlichen Kur- und Rehabilitationskliniken und die bundesweit agierenden Sozialversicherungen zwei wichtige Partner im destinationsbezogenen Gesundheitstourismus. Im Tourismus der anderen Destinationen spielen diese Anspruchsgruppen so gut wie keine Rolle, weil im Gesundheitstourismus teilweise immer noch eine 120 Gesundheitstourismus atypische Nachfragesituation vorzufinden ist (nicht der Reisende entscheidet sich für eine Destination, sondern u.a. der Arzt). Diese für den Tourismus untypische Beteiligung nichttouristischer Akteure an der Reiseentscheidung lässt in der Praxis gewisse Hemmschwellen in der gegenseitigen Kontaktaufnahme entstehen. Denn nicht selten beginnen die Ausbildungswege der Manager und Mitarbeiter von Klinken und Versicherungen im explizit kaufmännischen Bereich, wo die Theorie des Tourismusbzw. Destinationsmanagements noch keinen Einzug gehalten hat. Umso mehr sind die Destinationsmanager aufgefordert, Berührungsängste abzubauen und über die kooperativen Aufgabenbereiche aufzuklären. So müssen die Betriebsleiter der örtlichen Kur- und Rehabilitationskliniken durchaus in das innere Interessensystem aufgenommen und mit den Möglichkeiten der Vernetzung angesprochen werden (→ Tab. 12). Gerade in Destinationen, in denen diese speziellen Beherbergungsbetriebe etwas außerorts liegen, ist eine konsequente Zusammenarbeit hinsichtlich ortsgebundener Heilmittel, kurörtlicher Infrastruktur und Organisation der Kurabgabe/ -taxe zwingend notwendig.  Wissen │ Speeddating Die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus der Tourismusbranche und der Gesundheitswirtschaft kann z.B. mit einem „Speeddating Gesundheit & Wellness“ organisiert werden. Wie bei einer Partnerbörse können Vertreter von Gesundheitseinrichtungen im Fünf- Minuten-Takt mit Touristikern, Hoteliers und Gastronomen über geplante gesundheitstouristische Veranstaltungen und/ oder Pauschalreisebausteine sprechen, gemeinsam Ideen für Kooperationen diskutieren oder sich zunächst einfach kennenlernen. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 121 In der Verhandlung mit den bundesweit agierenden Sozialversicherungsträgern (gesetzliche Krankenversicherung, gesetzliche Rentenversicherung, gesetzliche Unfallversicherung, die soziale Pflegeversicherung und auch die Unternehmen der privaten Krankenversicherung) stehen Aspekte wie z.B. Medizin und Therapie optimal mit den touristischen Strukturen zusammenzuführen im Mittelpunkt. Krankenkassen bevorzugen bisher jedoch die Förderung von wohnortnahen Dienstleistungen, weil im Präventionsgesetz u.a. der Schwerpunkt auf die Gesundheitsförderung in den Lebenswelten wie Kita, Schule, Kommunen, Betrieben und Pflegeeinrichtungen gelegt wird (vgl.  www.bmg. bund.de/ ministerium/ meldungen/ 2015/ praeventionsgesetz.html). Dennoch bietet es sich an, die Sozialversicherungsträger auf den Milieuwechsel als Therapiefaktor hinzuweisen, weil dies wesentlich bessere Auswirkungen auf Gesundheit hat als wohnortnahe Therapieformen, wie die Kurortmedizin belegen kann (vgl. DHV & DTV 2015, S. 14).  Praxis │ BKK-Aktivwochen, Prüfstelle für Prävention Unter dem Namen BKK-Aktivwochen können krankenkassengeförderte Präventionsreisen über die Firma AKON Aktivkonzept e.K. mit Sitz in Bad Mergentheim direkt online gebucht werden. Alle AKON Präventionskurse und Kurskonzepte sind durch die Zentrale Prüfstelle Prävention (ZPP) nach § 20 SGB V geprüft und mit dem „Prüfsiegel Deutscher Standard Prävention“ zertifiziert und somit bezuschussungsfähig. Auch Mitglieder anderer gesetzlicher Krankenkassen können an diesen Präventionsprogrammen teilnehmen (vgl.  www.bkk-aktivwochen.de). Die Zentrale Prüfstelle für Prävention mit Sitz in Essen prüft seit Januar 2014 im Auftrag der beteiligten Krankenkassen und Krankenkassenverbände örtliche Präventionskurse. 122 Gesundheitstourismus Die Kooperationsgemeinschaft vergibt daraufhin das Prüfsiegel „Deutscher Standard Prävention“ in den vier Handlungsfeldern Bewegung, Ernährung, Stressbewältigung & Entspannung sowie Suchtmittelkonsum als Zertifizierung für Präventionskurse, die von den gesetzlichen Krankenkassen anerkannt sind (vgl.  www.zentrale-pruefstelle-praevention.de). Als letzte und vierte Hauptfunktion des Destinationsmanagements wird folgend die Planungsfunktion erläutert, die neben der Interessenvertretungsfunktion als ebenfalls strategische Managementaufgabe notwendig ist, um das komplexe System Destination zu dauerhaftem Erfolg zu führen. 4.4 Planungsfunktion Planung ist die wohl wichtigste Teilfunktion der Unternehmensführung und meint die gedankliche Vorbereitung zielgerichteter Entscheidungen. Planung stellt das Bindeglied zwischen Zielsetzung und kalkuliertem Handeln dar. Zielbildung - Planung - Entscheidung sind also eng miteinander verknüpft (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 73).  Wissen │ Planungsaufgaben einer Destination Im Rahmen der Planungsaufgaben einer Destination werden - in einer sehr umfassenden Sichtweise - alle Aktivitäten verstanden, welche die Erarbeitung, Umsetzung und Kontrolle einer Entwicklungsstrategie der Destination betreffen. Leitbilder, Destinationsstrategien, Entwicklungsszenarien aber auch Monitoring der Entwicklung und Benchmarking-Konzepte gehören dazu. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 123 Im Rückblick zu den Grundfunktionen des Destinationsmanagement (→ Abb. 16) muss beachtet werden, dass es sich hierbei um eine Aufgabe des strategischen Managements handelt. Dazu wird im Rahmen des modernen Marketing- Management-Kreislaufes noch einmal in dessen zweite Phase (Konzeptionsphase) und die dortige Bestimmung normativer und strategischer Marketing-Ziele geblickt (→ Abb. 22): Bestandaufnahme, Formulierung von Zielvorstellungen sowie eine mittelbis langfristige Sichtweise sind zentrale Bestandteile des Managements von Destinationen (Planungsfunktion). Um diese Struktur der Management-Ebenen in das Planungssystem einer Destination einordnen zu können, wird → Kap. 4.4.1 benötigt. Damit der Aspekt der Nachhaltigkeit ausdrücklich Planungsanwendung findet, wird darauffolgend die notwendige Zielsetzung für eine harmonische bzw. nachhaltige Entwicklung des Tourismus betrachtet (→ Kap. 4.4.2). Abschließend erfolgt die Beschreibung der für die Destinationen inzwischen üblichen Entwicklung eines touristischen Leitbildes mit möglichst nachhaltigem Hintergrund (→ Kap. 4.4.3). 4.4.1 Planungssystem in der Destination Management allgemein bedeutet Planung, Realisierung, Führung und Kontrolle, sodass der Planung auch im Destinationsmanagement eine vordere Position eingeräumt werden muss. Dabei wird Planung in zwei speziellen Sichtweisen konkretisiert: [1] zum einen als Planung im eigenen Unternehmen (hier Unternehmensbzw. Marketing-Planung der TO) und [2] zum anderen als Planung in der Raumordnung (→ S. 127). Zunächst aber wird die Planung im eigenen Unternehmen besprochen. Angesichts der Besonderheiten des touristischen Produktes, aber auch der zahlreichen kooperativen Aufgaben muss eine TO zuallererst über eine Mission und/ oder Vision verfügen, die allen beteiligten Akteuren klar und deutlich den 124 Gesundheitstourismus Weg weist (vgl. Unternehmenszweck und normatives Management in → Abb. 22).  Wissen │ Mission und Vision „Die Mission hat zunächst eine sinngebende Funktion für das Unternehmen (Unternehmenszweck, unternehmerisches Anliegen). Sie ist durch folgende Grundfragen bzw. durch ihre möglichst konkrete Beantwortung gekennzeichnet:  Was sind wir?  Warum existieren wir?  Wofür stehen wir?  Woran glauben wir? “ (Becker 2013, S. 43) „Die Vision formuliert einen ehrgeizigen Anspruch zur Mobilisierung von Leistungsreserven des Unternehmens („machbare Utopie“, „Quantensprung“). Sie ist durch folgende Basisfragen bzw. ihre entsprechenden Antworten gekennzeichnet:  Wo müssen wir hin?  Wie müssen wir uns weiterentwickeln?  Wie können wir Existenz und Wachstum sichern?  Wovon träumen wir? “ (ders., S. 46) Vorbilder für Destinationen können dabei große Konzerne sein, die ihr Selbstverständnis und ihre Ziele häufig als knappes Vision Statement oder Mission Statement auf ihren Homepages bzw. im Eingangsbereich ihrer Verwaltungsgebäude platzieren. Aufgrund dieser zukunftsorientierten Festlegung soll die Vision bereits in der Gegenwart eine Veränderung im alltäglichen Handeln auslösen. Sie dient dazu: Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 125  verkrustete Strukturen und Denkweisen aufzubrechen,  vorhandene Selbstzufriedenheit abzubauen,  eine anhaltende Aufbruchsstimmung bei allen Akteuren zu erzeugen und  neue Horizonte der Zusammenarbeit aufzuzeigen (vgl. Steinecke 2013, S. 63). Aufgrund dieser Vorgehensweise entstanden im Zusammenhang mit den drei Säulen der Nachhaltigkeit (Ökonomie, Ökologie & Soziales) in den letzten Jahren im nationalen wie internationalen Bereich diverse Verhaltenskodizes, Sozialstandards oder auch CSR-Leitbilder (vgl. Rein & Strasdas 2015, S. 233).  Wissen │ Corporate Social Responsibility Corporate Social Responsibility (Abk. CSR): Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung durch Unternehmen (u.a. Organisationen), die über die gesetzlichen Pflichten hinausgeht. CSR umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung. Handlungsfelder dieses verantwortlichen unternehmerischen Handelns beinhalten eine über die normale Geschäftstätigkeit hinausreichende Einbeziehung von Stakeholder- Interessen sowie die Berücksichtigung ökologisch und sozial relevanter Bereiche (vgl. Leser et al. 2014, S. 150).  Tipp │ Video auf YouTube Im Internetvideo der Universität St. Gallen wird gezeigt: Was ist eigentlich Corporate Social Responsibility (CSR)?  www.youtube.com/ watch? v=3ejgFi5hYLQ 126 Gesundheitstourismus Die Erstellung von Mission und Vision (vgl. Unternehmenszweck in → Abb. 22) wird daher als „starting point“ jeder Unternehmens- und Marketing-Planung angesehen (vgl. Becker 2013, S. 39). Mit der Existenz von Mission und/ oder Vision kann die Entwicklung bzw. Festlegung eines Unternehmensleitbildes erfolgen. Das heißt, dass Unternehmen (wie eben auch Destinationen, → S. 74) zunächst Eckpunkte einer Unternehmenspolitik definieren müssen, die überhaupt erst die Grundlage der eigentlichen Zielableitung und -verfolgung bilden. Jene Eckpunkte stellen gleichsam das unternehmerische Gerüst dar, um Chancen am Markt gezielt wahrnehmen und ebenso Bedrohungen entsprechend abwenden zu können. Der Prozess der Erstellung eines Unternehmensleitbildes (Destination = Unternehmen) kann sich auch als ein Ergebnis der zweiten Stufe der bundesweiten Qualitätsoffensive „ServiceQualität Deutschland“ des Deutschen Tourismusverbandes ableiten (vgl. Qualitätsmanagement in → Kap. 4.1.2). Der Fokus liegt dabei auf einer bewussten Bewertung der Führungs- und Dienstleistungsqualität. Auf Basis von Fremdeinschätzungen werden Schwachstellen aufgezeigt und Wege zur gezielten Verbesserung der Servicequalität vorgestellt (Stufe II - Messen & Bewerten, vgl.  www.q-deutschland.de/ system). Solche übergeordneten Aufgaben der Strategie- und Leitbildentwicklung, aber auch strategische Implementationen des Qualitätsmanagements können für einen größeren räumlichen Kontext (Staat, Bundesland) auch im Wechselspiel mit den (regionalen) TOs entwickelt und umgesetzt werden (vgl. Kagermeier 2016, S. 148). Die zweite Sichtweise von Planung in der Destination erfolgt über die Raumordnung und Raumplanung (→ S. 123). Die Raumplanung agiert klassischerweise auf unterschiedlichen räumlichen Ebenen oder in unterschiedlichen Themenbereichen. Für diese beiden Differenzierungen wird der Begriff Fachplanung benutzt. Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 127  Wissen │ Fachplanung Fachplanung (engl. technical planning): Spezialisierte, auf einen sachlichen Schwerpunkt gerichtete Planung innerhalb der Regionalplanung, Stadtplanung o.a. Planungsbereiche, die der Fachplanung übergeordnet sind und denen die Fachplanung zuarbeitet. Bezogen auf Planungsebenen kann eine Fachplanung auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene erfolgen; bezogen auf Planungsbereiche kann sich die separative Fachplanung mit Infrastrukturbau, Landespflege, Land-, Forst- und Wasserwirtschaft usw. beschäftigen (vgl. Leser et al. 2014, S. 225). Das Spektrum der Planungsebenen beginnt mit den Kommunen und geht über zur Ebene von Kreisen, Regionen oder Regionalverbänden. Bei entsprechenden föderalen Strukturen folgt darauf die Ebene von Bundesländern oder Kantonen. Auch auf der gesamtstaatlichen Ebene (bzw. teilweise auch noch derjenigen von Zusammenschlüssen einzelner Staaten, wie z.B. der EU) wird die Planungsaufgabe wahrgenommen. Im Idealfall erfolgt die Wahrnehmung der spezifischen Aufgaben auf den unterschiedlich umfassenden räumlichen Kontexten abgestimmt und bezogen auf den jeweiligen Wirkungsbereich (vgl. Kagermeier 2016, S. 148). Um die optimale Gesamtentwicklung des Raumes zu gewährleisten, ist die Koordination und Abstimmung der einzelnen Fachplanungen untereinander sowie die Berücksichtigung der Fachplanung in der übergeordneten Raumordnungspolitik notwendig.  Wissen │ Raumordnung und Raumordnungspolitik Die Raumordnung (engl. regional planning) ist die in einem Staatsgebiet angestrebte räumliche Ordnung von Wohnstätten, Wirtschafts-, Bildungs-, Erholungs- und Versorgungseinrichtungen, Infrastruktur usw. 128 Gesundheitstourismus Teilweise wird Raumordnung auch als Tätigkeit bzw. grundsätzlicher Auftrag des Staates verstanden, die/ der zur planmäßigen Gestaltung des Raumes führt. Dabei ist in der räumlichen Entwicklung für ausgewogene wirtschaftliche, soziale und kulturelle Verhältnisse, Berücksichtigung der Nachhaltigkeit sowie den Ausgleich regionaler Disparitäten zu sorgen. Daher spricht man in diesem Fall besser von Raumordnungspolitik. Raumordnungspolitik kann somit als klassische Querschnittaufgabe bezeichnet werden (vgl. Leser et al. 2014, S. 745). Die folgende → Tab. 13 zeigt dabei ausgewählte Zusammenhänge zwischen Zielbildung - Planung - Entscheidung im Bereich der übergeordneten Raumordnung und der spezifischen Thematik Tourismuswirtschaft auf. Eine eigene Fachplanung Tourismus gibt es in Deutschland nicht; Tourismus ist eine Querschnittsdisziplin. Planungsebenen Planungsinstrumente Tourismus- (marketing-) planung Raumordnung auf Ebene der EU Europäisches Raumentwicklungskonzept (EUREK) Leitlinien zur Nachhaltigkeit im europäischen Tourismus Raumordnung auf Bundesebene raumordnungspolitischer Orientierungsrahmen (keine Planungshoheit) Grundlagen der Ausweisung und Gestaltung von Gebieten für Freizeit und Erholung Raumordnung auf Länderebene zusammenfassende und übergeordnete Programme/ Pläne Landes-Marketing- Konzept, Masterplan Tourismus Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 129 Regionalplanung räumliche Teilprogramme und -pläne (Regionalprogramme und -pläne), Standortmarketing regionales Tourismuskonzept, Regionaler Masterplan Tourismus Planung der Gemeinde Bauleitpläne (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan), Citymanagement und kommunale Entwicklungsstrategien Lokale Agenda 21 (u.a. Ziele und Strategien im Bereich Tourismus), Stadtmarketing Planung der Tourismusorganisation Strategien des Destinationsmanagements touristisches Leitbild, Tourismuskonzept, Marketing-Plan Planung einzelner Unternehmer Strategien der Unternehmensleitung Unternehmensleitbild, Tourismuskonzept, Marketing-Plan Tab. 13: Planungssystem für eine Destination Quelle: Eigene Darstellung auf Basis von Bieger & Beritelli 2013, S. 236 und Freyer 2015, S. 503 Auch die zeitliche Aufteilung dient der Strukturierung des Planungsproblems. Hinsichtlich der zeitlichen Reichweite der Planung unterscheidet man - wie bereits in der Marketing- Zielpyramide (→ Abb. 22) kennengelernt - zwischen (vgl. Wöhe et al. 2016, S. 74):  strategischer Planung (langfristig)  taktischer Planung (mittelfristig) und  operativer Planung (kurzfristig). 130 Gesundheitstourismus Merkmal Planung strategische taktische operative Fristigkeit ≥ 5 Jahre 2-5 Jahre max. 1 Jahr Unsicherheitsgrad extrem hoch hoch gering Datenprognose vorwiegend qualitativ, grob strukturiert quantitativ, grob strukturiert quantitativ, fein strukturiert Kapazitätsveränderung ja: Rahmenplanung ja: Detailplanung nein: Kapazität = Datum Zuständigkeit Unternehmensleitung mittlere Führungsebene untere Führungsebene Tab. 14: Charakteristika verschiedener Planungshorizonte Quelle: Wöhe et al. 2016, S. 75 Der Ansatz des St. Galler Modell für Destinationsmanagement geht davon aus, dass sich Besucherströme inter- und intrakommunal in vielen Fällen erheblich voneinander unterscheiden und somit ihre eigenen Entwicklungsgeschwindigkeiten, Dynamiken und entsprechenden Herausforderungen haben. Auch bei übergeordneten Projekten hat sich gezeigt, dass man nicht alles aus einem Guss (z.B. Masterplan) zum gleichen Zeitpunkt planen kann. Dieser realen Situation trägt das St. Galler Modell für Destinationsmanagement Rechnung, indem es allen Akteuren erlaubt, jederzeit, so dezentral wie möglich, so koordiniert wie nötig und so zeitnah wie erforderlich zu diskutieren, zu entscheiden und zu handeln. In diesem Sinne steht man einem weiteren Paradigmenwechsel bevor; nämlich dass sich eine touristische Destination nicht nach konventionellen (möglicherweise veralteten) Planungsannahmen aus Wirtschaft und Politik entwickeln kann, sondern, dass Planung als Prozess zu verstehen ist, in dem auch die Moderation und Koordination Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 131 der Fachplanungen und Einzelinteressen im Mittelpunkt steht (vgl. Beritelli, Reinhold & Laesser 2015b, S. 28). In diesem Zusammenhang wird heute vermehrt die Verwirklichung eines nachhaltigen Tourismus gefordert, welcher in den klassischen Kurorten und Heilbädern schon seit den neuzeitlichen „Begriffsbestimmungen“ des Deutschen Heilbäderverbandes (gegründet 1952) und des dort verankerten Schutzes der natürlichen Heilmittel und des besonderen Kurortcharakters 12 - immer wieder neu angepasst - umgesetzt wird. 4.4.2 Nachhaltiger Tourismus Das Konzept des nachhaltigen Tourismus fußt auf dem weiter gefassten Ansatz der Nachhaltigkeit oder der nachhaltigen Entwicklung.  Das Prinzip der Nachhaltigkeit wurde erstmals 1713 von Hans Carl von Carlowitz schriftlich formuliert, welcher zum ersten Mal in deutscher Sprache den langfristig angelegten verantwortungsbewussten Umgang mit der Ressource Holz beschrieb.  Im derzeitigen Sprachgebrauch geht der Begriff im politischen Sinne von einem Grundverständnis von Dauerhaftigkeit aus. Diese Erweiterung ergab sich zunächst aus der globalen umweltpolitischen Debatte seit dem Zweiten Weltkrieg, insbesondere mit den Definitionen durch den Club of Rome (Die Grenzen des Wachstums, 1972), die 1983 von den Vereinten Nationen eingesetzte Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Brundtland-Bericht, 1987) oder auch die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“. Letztere definierte Nachhaltigkeit 1998 folgendermaßen: 12 Umweltschutz-Mindestanforderungen sind in folgenden Bereichen zu erfüllen: Straßenverkehr, Lärmschutz und allgemeiner Gewässerschutz. 132 Gesundheitstourismus  Wissen │ Nachhaltigkeit „Nachhaltigkeit (engl. sustainibility) ist die Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz. Diese drei Säulen der Nachhaltigkeit stehen miteinander in Wechselwirkung und bedürfen einer ausgewogenen Koordination.“ (Deutscher Bundestag 1998, vgl. Rein & Strasdas 2015, S. 11)  Ein weiterer Meilenstein war der Weltklimagipfel 1992 in Rio de Janeiro und die Verabschiedung der Agenda 21. Die Agenda 21 ist ein entwicklungs- und umweltpolitisches Aktionsprogramm für das 21. Jahrhundert, ein Leitpapier zur nachhaltigen Entwicklung, beschlossen von 172 Staaten auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen (UNCED) in Rio de Janeiro (1992). Nachhaltige Entwicklung - und damit die Agenda 21 - ist vielerorts zur Leitlinie öffentlichen Handelns geworden. Ihre kommunale Umsetzung findet in der Lokalen Agenda 21 statt. Abb. 28: Logo Lokale Agenda 21 Bad Nauheim Quelle: www.badnauheim.de/ leben-inbad-nauheim/ buergerengagement/ agenda.html Konkrete Nachhaltigkeitskonzepte und Maßnahmen sind v.a. auf betrieblicher und kommunaler Ebene in den letzten Jahren entwickelt worden, welche durch eine Vielzahl von Labels und Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 133 Zertifizierungen für den Kunden sichtbar gemacht werden sollen.  Wissen │ European Green Capital Der Wettbewerb Umwelthauptstadt Europas („European Green Capital“) gibt europäischen Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern seit 2008 die Möglichkeit, ihre Erfolge für die Nachhaltigkeit einem internationalen Publikum zu präsentieren. Viele der ausgezeichneten Städte haben den Wettbewerb genutzt, um ihre Wahrnehmung als nachhaltige Stadt erfolgreich zu verankern und auszubauen (vgl.  www.ec.europa.eu/ environment/ europeangreencapital/ winningcities/ index.html). Seit 2015 gibt es diese Möglichkeit nun auch für kleinere und mittelgroße Städte. Das „European Green Leaf“ ist ein Projekt, das nachhaltigen Städten in Europa mit einer Einwohnerzahl zwischen 50.000 und 100.000 eine Bühne gibt. Zu Dutzenden sollen Ökolabel, Prüfzeichen und Qualitätssiegel deutschen Verbrauchern den Weg zu einem nachhaltigeren Konsum weisen. Sie heißen Blauer Engel, FairTrade ( www.fairtrade- 134 Gesundheitstourismus towns.de/ fairtrade-towns/ staedteverzeichnis) oder schlicht Bio-Siegel und zeichnen wahlweise ökologisch korrekt oder sozial fair hergestellte Produkte aus. Was bislang fehlt, ist ein umfassendes Nachhaltigkeitslabel - ein Siegel also, das ökologische, ökonomische und soziale Aspekte gleichrangig bewertet. Handlungsfelder für eine nachhaltige Destinationsentwicklung sind dabei alle Angebotsbausteine bzw. touristischen Leistungen der Destination sowie im Besonderen die An- und Abreise der Gäste (Rein & Strasdas 2015, S. 273ff.). Vorreiter in der nachhaltigen Tourismusentwicklung war der Reiseveranstalter-Zertifizierer TourCert: 2009 wurden die ersten 15 Reiseveranstalter zertifiziert. TourCert gGmbH ist eine gemeinnützige Organisation für Zertifizierungen im Tourismus mit Sitz in Stuttgart. Zertifizierte Unternehmen erhalten das „TourCert-Siegel“. Das Siegel ist eine Auszeichnung für Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung (Corporate Social Responsibility) im Tourismus. TourCert selbst ist durch den Global Sustainable Tourism Council akkreditiert.  Wissen │ Global Sustainable Tourism Criteria Auf globaler Ebene wurden die Global Sustainable Tourism Criteria (GSTC, dt.: Globale Kriterien für einen nachhaltigen Tourismus) entwickelt, die als Basis für ein weltweites gemeinsames Verständnis von nachhaltigem Tourismus dienen sollen und die Mindestvorgaben für jede Destination repräsentieren. Sie wurden in einem aufwendigen weltweiten Stakeholder-Verfahren entwickelt und auf Basis von mehr als 40 weitverbreiteten und anerkannten Prinzipien, Leitlinien und Zertifizierungskriterien für einen nachhaltigen Tourismus erarbeitet. Weitere Informationen unter:  www.gstcouncil.org Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 135 Tourismusunternehmen, die eine TourCert-Zertifizierung beantragen, haben einen Nachhaltigkeitsbericht sowie ein Verbesserungsprogramm zu erstellen. Mit der Verleihung sind die zertifizierten Unternehmen verpflichtet, ihre Nachhaltigkeitsleistung kontinuierlich zu verbessern. Der Unternehmensverband forum anders reisen e.V. hat die Einführung des TourCert-Systems für alle seine Mitglieder verbindlich zum Standard gemacht. Das Zertifizierungsprogramm war zunächst für kleine Unternehmen konzipiert, bis heute sind auch große Veranstalter wie Kuoni oder Gebeco zertifiziert sowie weitere Leistungsträger aufgenommen worden. Aktuell (Stand Mai 2016) tragen 70 Reiseveranstalter, 2 Reisebüros, 2 Reisebürokooperationen (Geschäftsstelle), 5 Hotels und 10 Destinationen das Siegel für Unternehmensverantwortung und Nachhaltigkeit im Tourismus. Gesundheitsdestinationen sind z.B. mit Bad Dürrheim, Bad Herrenalb und Bad Mergentheim ebenfalls vertreten (vgl.  www.tourcert.org/ de/ tourcert-community/ tourcert-zertifizierung.html). Mit dieser Destinationszertifizierung ist die Zertifizierungsgesellschaft TourCert als Ausführer in die Destinationszertifizierung „Nachhaltiges Reiseziel“ eingebunden. Mit dem Ziel, die Positionierung baden-württembergischer Tourismusregionen im nationalen wie internationalen Wettbewerb zu stärken, hat das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg (MLR) im Rahmen des Projekts „Nachhaltigkeits-Check für Tourismusdestinationen in Baden- Württemberg“ 2014 eine Zertifizierung für nachhaltige Reiseziele initiiert. Das neue Zertifizierungsverfahren soll dazu beitragen, dass sich der Tourismus im Land insgesamt mit dem Thema Nachhaltigkeit befasst. Das prozessorientierte System berücksichtigt alle Nachhaltigkeitsdimensionen und bezieht verschiedene Leistungsebenen einer Destination ein. Nach einer breit angelegten Testphase und der Zertifizierung von ersten Pilotdestinationen in Baden-Württemberg wird das System seit 2016 auch bundesweit angewendet. Weitere Informationen unter  www.mlr.baden-wuerttemberg.de/ ? id=6746. 136 Gesundheitstourismus  Praxis │ Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus Wie können Tourismusdestinationen den komplexen Nachhaltigkeitsgedanken in die Praxis umsetzen? Eine Orientierungshilfe bietet der Praxisleitfaden „Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus - Anforderungen, Empfehlungen, Umsetzungshilfen“, den der DTV gemeinsam mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit und dem Bundesamt für Naturschutz sowie der BTE Tourismus- und Regionalberatung geschaffen hat ( www.deutschertourismusverband.de/ fileadmin/ Mediendatenbank/ Dateien/ leitfaden_nachhaltigkeit_160308.pdf). Damit die Forderung nach einem nachhaltigen Tourismus keine leere Floskel bleibt, müssen sich alle Beteiligten am Ort über das zu erreichende Entwicklungsziel einig sein. Dies ist umso wichtiger, weil im Tourismus verschiedene Unternehmer, öffentliche Organisationen und private Akteure gemeinsam das Produkt gestalten und somit über die Entwicklungsrichtung gemeinsam bestimmen. Besteht in einer Destination kein klares Ziel, droht die Gefahr, dass die Entwicklung unkoordiniert und mit Zielkonflikten erfolgt. Im modernen Tourismus kommt deshalb der Leitbildplanung eine wichtige Bedeutung zu. Kein Tourismusort kann heute ohne ein touristisches Leitbild eine wirkungsvolle Gestaltung der Zukunft sicherstellen (vgl. Bieger & Beritelli 2015, S. 45). 4.4.3 Entwicklung eines touristischen Leitbildes Mit der Entwicklung eines touristischen Leitbildes kann eine Destination einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Destinationen erlangen und sich im globalen Verdrängungswettbe- Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 137 werb besser behaupten. Gleichzeitig stellt ein Leitbild auch eine wichtige Voraussetzung für ihr nachhaltiges Wachstum dar. „Ein touristisches Leitbild (oder ein Tourismuskonzept, dabei aber nicht allein marketingbezogen)  ist eine Grundvorstellung für die touristische Weiterentwicklung einer politischen Körperschaft (Land, Region, Gemeinde) oder einer Destination (Region, Ort, Ressort),  welches von einem Auftraggeber (Tourismusorganisation, politische Behörde)  mit klarem Gestaltungswillen erarbeitet wurde,  durch einen öffentlichen Charakter (z.B. durch Mitbeteiligung der Betroffenen, hoheitlichen Akt, Publikation) wirkt und  ausgeht von einer Situationsanalyse, einer Zielsetzung (normative und/ oder strategischer Art) und Maßnahmen/ Strategien enthält.“ (Bieger & Beritelli 2015, S. 239) Die Vielfalt von verschiedenen Typen von Leitbildern und nachhaltigen Tourismuskonzepten in der Praxis macht es nötig, dass diese nach Zweck und Problemlage der Destination unterschieden werden. Definition und Inhalt eines touristischen Leitbildes sind abhängig vom Lebenszyklus der Destination (→ Abb. 29). 138 Gesundheitstourismus Abb. 29: Leitbild und Lebenszyklus einer Destination Quelle: Bieger & Beritelli 2015, S. 239 und Eisenstein 2014, S. 64 Pionierphase Boomphase Reife/ Stagnation Perspektive Tourismus (T) als neuer Wirtschafts faktor T in vernetzten System - Wechselwirkungen zu den Umweltbereichen Destination als Wettbewerbseinheit Problemlage Strukturen im T fehlen Entwicklung des T führt zu Belastung im ökologischen/ sozialen Umfeld abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der touristischen Anbieter politische Zielsetzung Förderung/ Strukturierung des T geordnete Entwicklung im Einklang mit Mensch und Natur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Destination Einführung Aufbau Wachstum Reife Degeneration Lebenszyklus einer touristischen Destination Wertschöpfung Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 139 Erarbeitungsprozesse können auch nach dem Grad der Integration der Öffentlichkeit und dem Grad des analytischen Gehalts im methodischen Ansatz unterschieden werden. Vereinfacht lassen sich die möglichen Erarbeitungsprozesse in einer Matrix darstellen (→ Abb. 30). Abb. 30: Erarbeitungsvarianten eines touristischen Leitbildes Quelle: Bieger & Beritelli 2015, S. 250 Leitbilder sollen möglichst unter Beteiligung der Öffentlichkeit (Typ 3 in → Abb. 30), mindestens aber aller betroffenen Anspruchs- oder Interessengruppen (→ Abb. 27), und legitimiert durch einen Auftrag der politischen Körperschaft oder der TO erarbeitet werden. Methoden, die den Einbezug der unterschiedlichen Interessengruppen erlauben sind z.B. das Offene Forum Tourismus oder die Zukunftswerkstatt. Bei einem Tourismus Forum handelt es sich um ein breit ausgerichtetes Kommunikationsverfahren, um alle Beteiligten und Interessenten am Tourismusgeschehen die Möglichkeit zu bieten, sich mit kreativer, simultaner Erarbeitungsprozess gemischter Prozess (z.B. Bestandsaufnahme analytisch, Positionierung kreativ) analytischer, sequentieller Erarbeitungsprozess reine Expertenarbeit Expertenarbeit kombiniert mit einer Reflexion/ Genehmigung wichtiger Schritte/ gemeinsame Erarbeitung zentraler Inhalte wie Zielsetzung in einer repräsentativen Arbeitsgruppe Einbezug der Öffentlichkeit in die Erarbeitung Typ 4 Typ 1 Typ 2 Typ 3 140 Gesundheitstourismus Gedanken und Vorschlägen in die Tourismusentwicklung einzubringen (vgl. Luft 2007, S. 373). Durch die Partizipation der Bevölkerung am touristischen Planungs- und Entwicklungsprozess der Destination (z.B. mittels Workshops, Problemdiskussionen, Befragungen, Beteiligung bei der Erstellung des Tourismuskonzeptes oder des touristischen Leitbildes) kann einerseits durch Schaffung von Transparenz das Tourismusbewusstsein in der Bevölkerung gestärkt und damit andererseits die Akzeptanz für den Tourismus erhöht werden (vgl. Eisenstein 2014, S. 47). Ein Leitbild enthält zumeist folgende vier Bestandteile - ähnlich des modernen Marketing-Management-Kreislaufs - und sollte in übergeordnete Pläne der Gemeinde bzw. Region und in nachgelagerte Pläne der Unternehmen der Destination eingepasst werden (vgl. Groß 2002, S. 230): [1] Lagebeschreibung und -beurteilung (Analysephase) [2] Zieldiskussion und Festlegung und [3] Strategien zur Zielerreichung (Konzeptionsphase) sowie [4] Maßnahmenbündel (Gestaltungsphase). Das Erstellen von touristischen Leitbildern wird in Europa, wo vermehrt „reife Destinationen“ aufzufinden sind, gelegentlich als ein „Trend der 1990er Jahre“ bezeichnet. Die Vielzahl der Praxisprojekte verdeutlicht, dass partizipative Verfahren aufgrund ihrer vernetzten Sichtweise (ökonomische, ökologische und gesellschaftliche Inhalte) und der hohen Identifizierung mit den Inhalten in der Tourismusplanung ein starkes Gewicht erhalten haben. Die Mitwirkenden können so direkt auf ihren Tätigkeitsbereich Einfluss ausüben und mittels interdisziplinär besetzter Arbeitsgruppen die Destination als Ganzes betrachten. Durch das Zusammenwirken möglichst vieler Interessengruppen kann das vom Gast zusammenhängend gesehene touristische Produkt wettbewerbsfähig gemacht werden (vgl. ders. 2002, S. 236). Betriebliche Funktionsbereiche im Destinationsmanagement 141  Zusammenfassung Das moderne Destinationsmanagement lässt sich auf vier kooperative Aufgaben innerhalb des Zielgebietes zusammenfassen: (1) Planungsfunktion, (2) Angebotsfunktion/ Angebotskoordination, (3) Marketing-Funktion i.e.S. und (4) Interessenvertretung. Dabei spielt die lokale bzw. regionale Tourismusorganisation eine zentrale Rolle. Nicht ausdrücklich erkennt man dabei den Aspekt der Nachhaltigkeit, sodass die notwendige Zielsetzung für eine harmonische bzw. nachhaltige Entwicklung des Tourismus hier der Planungsfunktion zugeordnet wird. 5 Ze na pe da str → In die To ge zu im ris 13 K Or Fo Organis kooper entrale Voraus agement einer ersonelle Auss azugehörigen k rategisch und → Kap. 4 erläute n Zeiten zuneh e Frage nach d ourismus gerad genüber stehe unehmender W m In- und Ausl stische Infrastr Touristische Kommune si auch auf Bere Kennzahlen zur rtsgrößen finden orm in der Publi sation und rativen Au ssetzung für e Destination tattung der T kooperativen M operativ er ert und hier ern hmend restrik der Weiterfina de in Kommun en steigende Q Wettbewerb zw land sowie An ruktur. Infrastrukturind als freiwilli eiche wie Kult r Finanz- und Pe n sich sehr hilfre ikation des Spar d Finanzie ufgaben ein erfolgreich ist eine adäq Tourismusorgan Managementau füllen muss, neut aufgegriff ktiver öffentlic anzierung der nen immer kri Qualitätsanspr wischen den O npassungserfor - und Marketi ige Aufgaben tur und Sport z ersonalausstattu eich in mehrseit kassenverbande erung der es strategische uate finanziell nisation (TO). ufgaben, die ein werden bere fen. cher Haushalt freiwilligen A itischer gestellt üche der Gäs Orten und Reg rdernisse an d ing-Aktivitäten festgelegt. Die zu. ung verschiedene tiger, tabellarisch es Saar 2013, S. 1 r es Male und . 13 Die ne TO eits in te wird Aufgabe t. Dem ste, ein gionen die toun einer es trifft er her 12/ 13. 144 Gesundheitstourismus In einer TO, die sich an den Entwicklungen der Märkte und der Bedürfnisse des Gastes und der Leistungsträger orientiert, muss regelmäßig überprüft werden, welche heutigen und zukünftigen Geschäftsfelder bzw. Besucherströme den Erfolg der Destination prägen. Die Sichtweise des St. Galler Modells für Destinationsmanagement (→ Abb. 31 31) erleichtert dabei  die Ermittlung der Rolle der TO entlang der Prozesse und zeigt auf, wo Handlungsbedarf (strategische Geschäftsfelder) besteht und welche Aufgaben davon die TO übernehmen kann.  Erst danach sollten die Aufträge formuliert und die Finanzierung zweckgemäß und durch die Nutznießer (einzelne Unternehmen, Unternehmensgruppen, Unternehmen und Öffentlichkeit, Gemeinwesen) sichergestellt werden.  Als Folge daraus kann auch eine wirksamere Steuerung bzw. Führung der TO geregelt werden. Letztere wiederum prägt die Zusammensetzung und die Aufgaben des Vorstandes.  Schließlich kann eine zielgerichtete Ermittlung der Kompetenzen und der Organisation für die TO abgeleitet werden (vgl. Beritelli et al. 2013 und Bieger & Beritelli 2013, S. 266). Abb. 31: Traditionelle und neue Geschäftslogik der TO Quelle: Bieger & Beritelli 2013, S. 266 Organisationsstruktur bisher neu Mitarbeiter- Innen Finanzierung/ Budget Planung Mitteleinsatz mit „Strategie“ Legitimation der „Strategie“ Märkte & SGF Rolle der TO in den SGF Finanzg.der Aufträge Ressourceneinsatz (pers. & finanz.) Organisat.prozesse & -struktur Private, halbprivate, öff. Auftr. *SGF: Strategische Geschäftsfelder bzw. Besucherströme Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 145 Leistung = AUSGABEN Gruppen und deren Besonderheiten Finanzierungsmechanismen Angebotsfunktion große, zusammenhängende Profiteur-Gruppe (Betriebe, alle Touristen oder Einwohner), oft keine individualisierbaren Leistungen (z.B. Events, Infodienst, Wanderwege)  gesetzlicher Zwang (Kurabgabe für Touristen und Tourismusabgabe für Betriebe)  allg. Steuereinnahmen Leitbildfunktion große, zusammenhängende Profiteur-Gruppe (alle Einwohner und Betriebe), keine individualisierbaren Leistungen  gesetzlicher Zwang (z.B. allg. Steuereinnahmen, Tourismusabgabe)  Subventionen an TO Marketing- Funktion große Nutzerkreise, wenig individualisierbare Leistungen (primäre Profiteure alle touristischen Betriebe, sekundär alle Wirtschaftsbereiche)  gesetzlicher Zwang in Form von Tourismusabgaben,  Wirtschaftsförderungsabgaben (alle Betriebe)  privatwirtschaftliche Kostenbeteiligung der Profiteure Interessenvertretungsfunktion eher kleiner Kreis von Nutznießern, transparent, individualisierbare Leistungen (z.B. Informationen)  Mitgliederbeiträge (privatrechtlich) Tab. 15: Besonderheiten der profitierenden Gruppen und Finanzierungsmechanismen in der Destination Quelle: Verändert nach Bieger & Beritelli 2013, S. 269 Bei der Finanzierung kooperativer Aufgaben und evtl. Nebenbetriebe (Ausgaben) gilt es z.B. verhaltenswissenschaftliche und politökonomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, welche die Bereitschaft einzelner Individuen zur Mitfinanzierung beein- 146 Gesundheitstourismus flussen (vgl. Bieger & Beritelli 2013, S. 267 und Eisenstein 2014, S. 107ff.). Auch muss dem rechtlichen Rahmen, insbesondere Abgabeverordnungen und Steuerrecht, Rechnung getragen werden. Entsprechend den Nutznießern bzw. ihren Besonderheiten müssen aus ökonomischer Sicht unterschiedliche Finanzierungsinstrumente für die verschiedenen Aufgaben gefunden werden. Denkbar ist eine Einteilung wie in → Tab. 15. Abb. 32: Finanzierungsarten im öffentlichen Tourismus Quelle: Zusammengestellt nach Freyer 2015, S. 717 und Sparkassenverband Saar 2013, S. 8 und 21 Umso wichtiger ist eine Finanzierung der lokalen TO 14 , die auf mehreren Säulen von Einnahmen ruht (vgl. Sparkassenverband Saar 2013, S. 21): [1] Finanzielle Unterstützung seitens der öffentlichen Hand (Zuschüsse/ Zuwendungen) 14 Die Finanzierung von regionalen TO wird i.d.R. durch Mitgliedsbeiträge entsprechend der Vereinsbzw. Verbandssatzung geregelt. Die Finanzierung der Tourismusmarketing-Organisationen der Bundesländer wird hier nicht thematisiert. Finanzierungsarten im öffentlichen Tourismus Steuern Abgaben Gebühren direkte Einnahmen öffentl. Zuschüsse und Zuwendungen Einkommenssteuer Umsatzsteuer Gewerbesteuer Grunderwerbssteuer Zweitwohnungssteuer Tourismusabgabe (verpflichtend/ freiwillig) Kurabgabe, -taxe Bettensteuer, Kulturförderungsabgabe Parkplätze Strandbenutzung Entgelte für Güter Entgelte für Dientsleistungen Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 147 [2] Erwirtschaftete Eigenmittel (Erlöse aus Vertriebsaktivitäten, Vermietung/ Verpachtung, Eintrittsgeldern etc.) [3] Beteiligung der Gäste und der Tourismuswirtschaft an der Finanzierung der touristischen Aufgaben über Steuern, Abgaben und Gebühren. Insbesondere die steuerlichen Effekte sind ein interessantes Thema. Aufgrund der Komplexität des deutschen Steuersystems ist eine Trennung in touristisch relevante und touristisch (eher) bedeutungslose Steuerarten schwierig. Neben den Schlüsselzuweisungen zählen v.a. die Umsatz-, Gewerbe- und Einkommenssteuer zu den wichtigsten Steuereinnahmequellen. Hinzu kommt die Grundsteuer, für deren Quantifizierung jedoch einzelbetriebliche Daten notwendig wären, die dem Datenschutz unterliegen. Kommunale „Tourismus“-Steuern und Abgaben wie Kurtaxe (engl. Visitor‘s tax), Tourismusabgabe oder die Zweitwohnungssteuer sind, wenn vorhanden, ebenfalls von großer Bedeutung. Dies belegt das Praxisbeispiel Zingst (auch → Tab. 16).  Praxis │ Hohe Bedeutung des Tourismus in Zingst Die amtsfreie Gemeinde Zingst ist Ostseeheilbad und zählt zu den Top-Tourismusorten in Mecklenburg- Vorpommern. 1,4 Mio. Übernachtungen in gewerblichen Betrieben, bei Privatvermietern und im Touristik- und Dauercamping sowie rund 300.000 Tagesreisen generieren einen touristischen Bruttoumsatz in Zingst in Höhe von 129,4 Mio. Euro pro Jahr. Mit 62 % profitiert das Gastgewerbe davon am stärksten, gefolgt vom Einzelhandel und weiteren Dienstleistern mit jeweils 19 %. Die kommunalen Steuereinnahmen spülen knapp 2,6 Mio. Euro in den kommunalen Haushalt. 148 Gesundheitstourismus Die tourismusbedingten Einnahmen aus dem Gemeindehaushalt und dem Wirtschaftsplan der Zingster Fremdenverkehrsbetriebe beliefen sich 2010 auf rund 3,7 Mio. Euro, die tourismusbedingten Ausgaben ebenfalls auf 3,7 Mio. Euro. Damit wird der Tourismus in Zingst zu rund 70 % über Steuern und Abgaben finanziert, ein im Wettbewerbsvergleich sehr hoher Wert (vgl. Sparkassenverband Saar 2013, S. 8). Ausgaben: 3,7 Mio. € Einnahmen: 3,7 Mio. € Wirtschaftsfaktor Tourismus: Bruttoumsatz insgesamt 129,4 Mio. € Tourismusbedingte kommunale Steuereinnahmen (inkl. Kur- und Fremdenverkehrsabgabe) in Tausend € rechnerische Zuführung zum Haushalt Umsatzsteuer 3 Schlüsselzuweisung 20 Einkommenssteuer 22 Zweitwohnungssteuer 193 Gewerbesteuer 360 Grund(erwerbs)steuer k.A. Fremdenverkehrsabgabe 195 Kurabgabe 1.793 Summe 2.586 Tab. 16: Kommunale Aufwand-Nutzen-Bilanz Ostseeheilbad Zingst Quelle: Sparkassenverband Saar 2013, S. 8 Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 149 Mit der Kurabgabe/ Kurtaxe 15 (vom Gast bezahlt) und der Tourismusabgabe (vom profitierenden Leistungsträger bezahlt) stehen den Kommunen prinzipiell zwei anerkannte zweckgebundene touristische Einnahmequellen zur Verfügung. Allerdings ist nicht jeder Tourismusort erhebungsberechtigt. In Deutschland enthalten die Kommunalabgabengesetze u.a. die Regularien für die Erhebung einer Kurtaxe und/ oder Tourismusabgabe (älterer Begriff Fremdenverkehrsabgabe). Hier ist festgehalten, wer eine derartige Abgabe erheben darf. Die eigentliche Umsetzung beider Finanzierungsmodelle obliegt der einzelnen Kommune selbst. Diese legt ebenfalls die Höhe bzw. den Hebesatz fest, der gerade bei der Tourismusabgabe auf Basis der realen wirtschaftlichen Effekte ermittelt werden sollte (vgl. Luft 2007, S. 190ff.). Kommunalabgabengesetze (KAG) regeln v.a. den Erlass von kommunalen Abgabensatzungen, das Steuerfindungsrecht, die Erhebung von Verwaltungs- und Benutzungsgebühren und von Beiträgen, die von Gemeinden und Landkreisen erhoben werden. Damit basiert auch die Erhebung der Kurabgabe und der Tourismusbzw. Fremdenverkehrsabgabe auf dem KAG.  Praxis │ Kurbeitrag Bayrisches Kommunalabgabengesetz (KAG) I. Abschnitt, Artikel 7 Kurbeitrag : 15 In mehr als 350 deutschen Heilbädern sowie zahlreichen Luftkur- und Erholungsorten wird eine Kurtaxe erhoben. Stiftung Warentest hat im Sommer 2016 geprüft, wie viel der Reisende wo zahlt und welche Leistungsfaktoren dahinter stehen (vgl.  www.test.de/ Kurtaxe-So-vielmuessen-Sie-zahlen-unser-Check-fuer-111-Reiseziele-5029607-0). 150 Gesundheitstourismus [1] Gemeinden, die ganz oder teilweise als Heilbad, Kneipp- Heilbad, Kneipp-Kurort, Schroth-Heilbad, Schroth- Kurort, heilklimatischer Kurort, Ort mit Heilquellenkurbetrieb, Ort mit Heilstollenkurbetrieb, Ort mit Peloid- Kurbetrieb, Luftkurort oder Erholungsort anerkannt sind, können im Rahmen der Anerkennung zur Deckung ihres Aufwands für ihre Einrichtungen und Veranstaltungen, die Kur- oder Erholungszwecken dienen, einen Beitrag erheben. [2] Beitragspflichtig sind alle Personen, die sich in dem nach Absatz 1 anerkannten Gebiet zu Kur- oder Erholungszwecken aufhalten, ohne dort ihre Hauptwohnung im Sinn des Melderechts zu haben, und denen die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und zur Teilnahme an den Veranstaltungen geboten ist. Die Kurabgabe und die Tourismusabgabe stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes weder eine Steuer noch eine Gebühr dar, sondern sie werden als eine „öffentlich-rechtliche Abgabe besonderer Art“ bezeichnet. Sie sind in ihrer Rechtsnatur als „Beitrag“ zu sehen; der Beitragspflichtige soll zur Abdeckung eines tourismusbezogenen Finanzierungsaufwandes beitragen. Damit dürfen diese Einnahmen auch nur zweckgebunden verwendet werden. Das bedeutet zugleich aus rechtlicher Sicht, dass die Abgabepflichtigen auch Nutznießer der mit ihren Leistungen finanzierten Aufgaben sind. Allerdings hat der Einzelne keinen direkten Anspruch auf eine seiner Abgabeleistungen entsprechenden Gegenleistung, sondern die Gegenleistung zeichnet sich als „pauschal“ erbrachter Vorteil aus (vgl. Luft 2007, S. 191). In der Rechtsprechung wird für die Verwendung der Kurabgabe im Allgemeinen „ein weiter Maßstab“ angelegt. Neben eigentlichen Kureinrichtungen zählen auch Spazier- und Wanderwege, Ruhebänke, eine Liegewiese, Aufenthalts- und Gesellschaftsräume, Sport- und Unterhaltungsanlagen sowie Kurkonzerte, Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 151 Vortrags- Theater- und Unterhaltungsveranstaltungen hierzu (vgl. ders., S. 194). Kurbeitragsbemessung: Die Kurabgabe bemisst sich nach dem Äquivalenzprinzip, d.h. die Beitragszahlung muss mit einer erbrachten Gegenleistung (Vorteil) verknüpft sein. Ob die betreffende Person die sich aus dem örtlichen Tourismusangebot ergebende Vorteile wahrnimmt, ist dabei unerheblich. Der Kurabgabe unterliegt jeder, der sich in ihrem räumlichen Geltungsbereich aufhält und dadurch die Möglichkeit zur Benutzung der Einrichtungen und Veranstaltungen hat; auf einen Vertragswillen kommt es nicht an. Die Angemessenheit der Kurabgabenhöhe muss der Organisationsträger durch eine Kalkulation schlüssig darlegen können. Die Maximalbemessung errechnet sich aus der Höhe des Kurortbzw. Erholungsortaufwandes (abzüglich der Einnahmen aus Kurmittelleistungen und anderer Entgelte) dividiert durch die Gesamtzahl der jährlichen Übernachtungen (→ Tab. 17 und Luft 2007, S. 195): / ermittelter Kurort‐ bzw. Erholungsortaufwand Geamtzahl der jährlichen Übernachtungen Gesamtbetrag des Kurortebzw. Erholungsortaufwandes Aufwendungen für die Unterhaltung und das Betreiben der Einrichtungen + Aufwendungen f. d. Abhalten von Veranstaltungen + Aufwendungen f. d. anteilige Verwaltung im Dienste der Kur- und Tourismusförderung/ -organisation + Abschreibungen des Anlagevermögens + kalkulatorische Verzinsung des Eigenkapital = Summe - abzgl. Einnahmen aus Kurmittelleistungen - abzgl. anderer Entgelte bzw. Gebühren (z.B. Besuch von Veranstaltungen sowie Benutzung von Einrichtungen) - abzgl. Eigenanteil der Gemeinde (üblich 25%-30%) (der einheimischen Bevölkerung zurechenbarer erholungsbedingter Anteil) = ermittelter Gesamtaufwand Tab. 17: Maximalbemessung der Kurabgabenhöhe Quelle: Luft 2007, S. 196 152 Gesundheitstourismus Die dringliche Einführung der Bettensteuer bzw. Kulturförderabgabe/ City Tax in einigen deutschen Destinationen (vgl.  www.dehoga-bundesverband.de/ branchenthemen/ bettensteuer) ist auch gleichzeitig ein Zeichen für das Erfolgsmodell Kurtaxe. Mit den zweckgebundenen Einnahmen können Infrastrukturmaßnahmen nach dem Verursacherprinzip finanziert werden. Ebenso werden Untersuchungen diskutiert, die die Teilfinanzierung von Naturschutzvorhaben durch eine Erweiterung der herkömmlichen Kurtaxe zur „Naturtaxe“ zum Ziel haben (vgl. Letzner 2014, S. 61 und 134). Die Tourismusabgabe wird vom profitierenden Leistungsträger bzw. Unternehmen bezahlt. Abgabepflichtig sind somit alle Betriebe und Gewerbetreibende, die direkt oder indirekt Umsätze aus dem Geschäft mit dem Tourismus generieren. Es werden nicht nur die Beherbergungsbetriebe belastet, sondern alle Bereiche, d.h. auch die Gewerbetreibenden, die vom Tagestourismus profitieren, und darauf folgend auch die 1. und 2. Umsatzstufe (bzw. Wertschöpfungsstufe). Ferner wird das für den Tourismus so bedeutsame Segment des Tagestourismus miterfasst. Anknüpfungspunkt ist der wirtschaftliche Vorteil, der dem Betrieb oder Gewerbetreibenden aus dem Tourismus erwächst (vgl. DTV 2010, S. 6). Rechtsgrundlage für die Erhebung der Abgabe sind auch hier die bisherigen Regelungen zur Fremdenverkehrsabgabe in den Kommunalabgabengesetzen der Länder (vgl. Kurabgabe). Auch hier sind die Einnahmen von den Kommunen - anders als bei einer Steuer - zweckgebunden zur Refinanzierung des kommunalen Aufwands für die Förderung des Tourismus (Tourismusinfrastruktur und -werbung, Gästeinformation und -service) zu verwenden. Die Anwendung dieses Finanzierungsinstruments steht wegen der Beschränkungen in den Kommunalabgabengesetzen der Länder zur Zeit nur begrenzt den Heilbädern und Kurorten zur Verfügung. Eine Gleichbehandlung aller Städte und Gemeinden wäre wünschenswert (vgl. ders., S. 7). Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 153 Was die Beitragsregelung betrifft, so sieht sich eigentlich jede Tourismusgemeinde von vornherein erschwert, diese zweifelsfrei regeln zu können. Da dem Kreis der Vorteilhabenden aus dem Tourismus völlig unterschiedliche Betriebsarten (alle Beherbergungskategorien, einschließlich Kliniken und Campingplätze, Gastronomiebetriebe, Einkaufsstätten, Sport- und Freizeiteinrichtungen, Beförderungsunternehmen, sonstige Dienstleistungen sowie Kreditinstitute, Versorgung und Handwerk) zugrunde liegen, kann kein einheitlicher Beitragsmaßstab herangezogen werden. Bei der Berechnung der Tourismusabgabenhöhe muss dabei generell stufenweise vorgegangen werden, da zuerst die Umsätze (1. und 2. Umsatzstufe, vgl. Eisenstein 2014, S. 34) der jeweiligen Betriebsarten ermittelt werden müssen. Diese Umsätze müssen darauffolgend mit spezifischen Gewinnsätzen multipliziert und dann addiert werden, um den tourismusbedingten Gesamtgewinn in der Destination zu errechnen. Schließlich kann diese Summe ins Verhältnis zum beitragsfähigen Aufwand der TO gesetzt werden (vgl. Luft 2007, S. 210). beitragsfähiger Aufwand erzielbarer Gewinn ∗ 100 Ferner gibt es - im Gegensatz zur Pflichtabgabe - Möglichkeiten einer freiwilligen Beteiligung der Tourismuswirtschaft an der Tourismusfinanzierung (vgl. Tourismusabgabe in → Abb. 32) durch sogenannte Umlagen, Fonds- oder Pool-Modelle, wie z.B. Tourismusfonds in Nürnberg und Tourismuspool in Hamburg (vgl. Sparkassenverband Saar 2013, S. 23ff.). Diese Modelle befinden sich aber noch in der Diskussion oder stehen am Anfang ihrer Erprobung. Über ihre tatsächliche Eignung, zur Finanzierung der Tourismusausgaben wirkungsvoll beizutragen, lassen sich noch keine Aussagen treffen. Einerlei, ob Pflichtabgabe oder freiwilliges Finanzierungsmodell, drei Anforderungen sollten für eine hohe Akzeptanz seitens der Privatwirtschaft und für eine erfolgreiche Umsetzung erfüllt sein: 154 Gesundheitstourismus [1] Erhebungsgerechtigkeit (alle vom Tourismus profitierenden Branchen werden einbezogen, z.B. Gastgewerbe, Einzelhandel, Freizeitwirtschaft), [2] Zweckbindung (für die touristische Infrastruktur und das touristische Marketing) und [3] Mitspracherecht der Zahler bei der Mittelverwendung (vgl. Sparkassenverband Saar 2013, S. 21). Nach einer Klärung der Finanzierungsinstrumente folgt nach dem St. Galler Modell für Destinationsmanagement eine wirksamere Steuerung bzw. Führung der TO. Schließlich sollte eine zielgerichtete Ermittlung der Kompetenzen und der Organisation sowie die Rechtsform für die TO (Geschäftslogik der TO, → Abb. 31) den Prozess vervollständigen. Ähnlich sieht der Fahrplan zur konstitutiven Entscheidungsfindung in → Tab. 18 aus. Aufgaben überprüfen und definieren Budgetrahmen klären    Organisationsmodell abwägen: Alleingang als Einzelort Kooperation/ Fusion mehrerer Orte Outsourcing: Geschäftsbesorgung durch Dritte    Rechtsform überprüfen und festlegen Tab. 18: Fahrplan zur Entscheidungsfindung Quelle: Sparkassenverband Saar 2013, S. 14 Moderne TOs sollten über eine Rechtsform verfügen, die folgende Anforderungen erfüllt (ausführlicher bei Bieger & Beritelli 2013, S. 123):  Unabhängigkeit von politischen Einflüssen, insbesondere von kurzfristigem politischem Denken, Organisation und Finanzierung kooperativer Aufgaben 155  Verbindung zur Gemeinde und Öffentlichkeit,  effiziente Entscheidungsabläufe, ausreichende Handlungsfähigkeit für die Geschäftsleitung,  möglichst verursachergerechte Finanzierungsstruktur,  Einbindung in das Gesamtsystem der verschiedenen Ebenen von TOs,  minimales Grundkapital oder Vermögen und  Einbindung der Tourismusbranche des vertretenen Gebietes. Für eine lokale TO bieten sich daher unterschiedliche Rechtsformen an, von denen einige ausgesuchte Formen in → Tab. 19 gegenübergestellt werden. Soweit die rechtlichen Rahmenbedingungen es zulassen, liegt es letztendlich in den Händen der Kommunen selbst, welchen Finanzierungsweg sie einschlagen. An einer stärkeren Beteiligung der (gesundheitsorientierten) Privatwirtschaft, egal ob freiwillige oder Pflichtabgabe, wird zukünftig jedoch kaum ein (Gesundheitsbzw. Wellness-)Ort vorbeikommen. Wie dazu die Struktur der gesamten Gesundheitswirtschaft aufgestellt ist, zeigt das folgende → Kapitel 6. 156 Gesundheitstourismus Rechtsformen   öffentlich-rechtlich privat-rechtlich     Fremdenverkehrsbzw. Tourismusamt = Regiebetrieb Kurverwaltung = Eigenbetrieb Fremdenverkehrsbzw. Tourismusverein = eingetragener Verein (e.V.) (juristische Person des Privatrechts) Tourismus GmbH = Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) (juristische Person des Handelsrechts)  rechtlich unselbständig  wirtschaftlich unselbständig  rechtlich unselbständig  wirtschaftlich selbständig  rechtlich selbständig  wirtschaftlich selbständig  rechtlich selbständig  wirtschaftlich selbständig Tab. 19: Ausgewählte Rechtsformen im Überblick Quelle: Zusammengestellt nach Wöhe et al. 2016, S. 212ff.  Zusammenfassung Destinationsmanagement ist eine Aufgabe öffentlichprivater Partnerschaft. Auch für die Finanzierung und Organisation der kooperativen Aufgaben in der (gesundheitstouristischen) Destination sind daher öffentliche Akteure und Privatwirtschaft gleichermaßen verantwortlich. 6 Ge sch tun len tre m he     Al Pr ze lei Gesamt Gesund esundheitswirt haftszweige ve n haben. Dam n Akteuren zu ennt wurden. arkt genannt, eitsversorgung, die gesetzlich Krankenversi rung), zu kleineren A lung im Kran den Staat (Zu weitere Sozial ls zweiter Ge rodukte und D ichnet. Dabei istungen einen tstruktur dheitswirt tschaft kann a erstanden wer mit setzt sich d usammen, die Der Kernber umfasst den B , die größtente he Krankenver icherung (PKV Anteilen auch nkheitsfall), uschüsse zur G lversicherungs sundheitsmark Dienstleistung ist die Zuord n Bezug zur der tschaft als ein Sammel rden, die etwas die Gesundhei e lange Zeit in reich, auch er Bereich der „k eils durch rsicherung (GK KV) (einschließ h durch Arbeit GKV) und sträger geprägt kt werden alle gen rund um dnung, welche Gesundheit a lbegriff für alle s mit Gesundh itswirtschaft au n zwei Bereic rster Gesund klassischen“ G KV) und die p ßlich Pflegeve tgeber (Lohnfo t ist. e privat finanz die Gesundhe Waren und D ufweisen, nich e Wirtheit zu aus vieche gedheits- Gesundprivate ersicheortzahnzierten eit be- Dienstht klar 158 Gesundheitstourismus definiert und teilweise umstritten. Der zweite Gesundheitsmarkt umfasst nach allgemeinem Verständnis  freiverkäufliche Arzneimittel und individuelle Gesundheitsdienstleistungen,  Fitness und Wellness,  Gesundheitstourismus sowie - zum Teil - die Bereiche Sport/ Freizeit, Ernährung und Wohnen (vgl.  www.bmg.bund.de/ themen/ gesundheitssystem/ gesundheitswirtschaft/ gesundheitswirtschaft-im-ueberblick.html, 2016). Diese Trennung erwies sich aber aufgrund von Abgrenzungs- und Definitionsschwierigkeiten als ungeeignet und es wurden neue Anordnungen erarbeitet. Die Gesundheitswirtschaft umfasst nach dem „IAT- Gesundheitszwiebelmodell“ (→ Abb. 33) folgende drei Bereiche: [1] den Kernbereich der Gesundheitswirtschaft, also z.B. die stationäre und ambulante Akutversorgung, das Kur- und Bäderwesen sowie die Gesundheitsverwaltung; [2] den Vorleistungs- und Zulieferbereich mit der Pharmaindustrie, der Medizintechnik, dem Gesundheitshandel sowie dem Großhandel mit medizinischen Produkten; [3] den gesundheitsrelevanten Randbereich, also den Fitness- und Wellness-Bereich sowie den Gesundheitstourismus. Gesamtstruktur der Gesundheitswirtschaft 159 Abb. 33: Felder der Gesundheitswirtschaft Quelle: Dahlbeck & Hilbert 2008, S. 3 Mit der gesamten (im-)materiellen und personellen Infrastruktur zur präventiven, kurativen und rehabilitativen Behandlung in Kurorten und Heilbädern ist das Kur- und Bäderwesen gemeint, welches hier zum Kernbereich der Gesundheitswirtschaft gehört. Die Sonderauswertungen des DIHK zur wirtschaftlichen Lage und zu den Perspektiven der Unternehmen der Gesundheitswirtschaft ergeben schließlich folgende Liste der beteiligten Wirtschaftszweige (vgl. DIHK 2015, S. 9):  Herstellung von pharmazeutischen Erzeugnissen,  Herstellung von Bestrahlungs- und Elektrotherapiegeräten und elektromedizinischen Geräten, stationäre und ambulante Versorgung Verwaltung Selbsthilfe Kur- und Bäderwesen Apotheken Medizin- und Gerontotechnik Gesundh.handwerk Beratung pharmazeutische Industrie Biotechnologie Handel mit Gesundheitsprodukten Sport und Freizeit Wellness gesunde Ernährung Service-/ Betreutes Wohnen Gesundheitstourismus 160 Gesundheitstourismus  Herstellung von medizinischen und zahnmedizinischen Apparaten und Materialien,  Reparatur und Wartung von Medizintechnik,  Handelsvermittlung von pharmazeutischen Erzeugnissen, medizinischen und orthopädischen Artikeln und Laborbedarf, Ärztebedarf, Dentalbedarf, zahnärztlichen Instrumenten, Krankenhaus- und Altenpflegebedarf,  Großhandel mit pharmazeutischen, medizinischen und orthopädischen Erzeugnissen,  Apotheken,  Einzelhandel mit medizinischen und orthopädischen Artikeln,  Versandhandel mit pharmazeutischen Erzeugnissen,  Krankenversicherungen,  Forschung und Entwicklung im Bereich Biotechnologie,  Forschung und Entwicklung in den Bereichen Medizin und Pharmazie,  Beratung im Gesundheitswesen,  Vermietung von medizinischen Geräten,  Desinfektion und Reinigung von Praxen und Krankenhäusern,  Gesundheitswesen (Krankenhäuser, darunter auch Vorsorge- und Rehabilitationskliniken, Arzt- und Zahnarztpraxen, Massagepraxen, Heilpraktikerpraxen etc.),  Heime (Pflegeheime, Altenheime, ohne Erholungs- und Ferienheime) und  Sozialwesen (u. a. soziale Betreuung älterer Menschen, aber auch Tagesbetreuung von Kindern, ohne Heime). Die Gesundheitsausgaben in Deutschland sind in den Jahren 1992 bis 2014 kontinuierlich gestiegen. Diese Entwicklung ist durch unterschiedliche Faktoren bedingt. Insbesondere die Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 - die im Rah- Gesamtstruktur der Gesundheitswirtschaft 161 men der Gesundheitsausgabenrechnung berücksichtigt wird - hat sowohl den Leistungsumfang wie auch die Beschäftigung im Gesundheitssystem deutlich erweitert (→ Tab. 20). Sachverhalt 1992 2012 2013 2014 Gesundheitsausgaben in Mio. € 158.966 302.907 314.666 327.951 Anteil am BIP in % 9,4 11,0 11,2 11,2 laufende Ausgaben in Mio. € 152.361 296.632 308.526 321.720 pflegerische Leistungen 25.151 55.937 58.841 61.256 therapeutische Leistungen 7.174 18.726 19.601 20.576 Unterkunft und Verpflegung 13.655 24.853 25.638 26.437 Gesundheitsausgaben je Einwohner in € 1.972 3.766 3.902 4.050 Tab. 20: Gesundheitsausgaben in Deutschland als Anteil am BIP und in Mio. € (absolut und je Einwohner) Quelle:  www.gbe-bund.de, 28.10.2016 Die Gesundheitswirtschaft ist in den letzten Jahren auch als ein regional bedeutender Beschäftigungsträger erkannt worden. Während andere Branchen Beschäftigungsverluste hinnehmen mussten, zeichnet sich die Gesundheitsbranche seit Langem durch Wachstum aus. In vielen Regionen gehören die lokalen Gesundheitsanbieter zu den größten Arbeitgebern vor Ort. Damit nimmt die Gesundheitswirtschaft eine wichtige beschäftigungsrelevante Position ein. Das wird auch in der bahnbrechenden Arbeit des Sozialforschers Nefiodow über den „sechsten Kontradieff“ deutlich, der die Theorie entwickelte, dass es die Gesundheitsbranche sein wird, die der Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten neuen 162 Gesundheitstourismus Auftrieb gibt. Wobei Nefiodow Gesundheit nicht auf Medizin und ihre Anwendung beschränkt wissen will. In Weiterentwicklung der WHO-Definition stellt er sieben Grundbedingungen für menschliche Gesundheit zusammen (vgl. Barth & Werner 2005, S. 28f.):  stabiles Selbstwertgefühl,  positives Verhältnis zum eigenen Körper,  Freundschaft und soziale Beziehungen,  eine intakte Umwelt,  sinnvolle Arbeit und gesunde Arbeitsbedingungen,  Gesundheitswissen und Zugang zur Gesundheitsversorgung und  lebenswerte Gegenwart und die begründete Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft. Die Parallele zu der anfangs erwähnten Definition von Wellness ist dabei kein Zufall (Wellness-Elemente, → Abb. 11) und zeigt noch einmal die besondere Bedeutung der Wellness-Orientierung in unserer Gesellschaft auf. In Zukunft könnte nicht mehr die Qualität der „Hardware“, also gewissermaßen des nationalen Maschinenparks, entscheiden, wie leistungsfähig eine Region, ein Land oder ein ganzer Kontinent ist, sondern „weiche“ Faktoren wie Zusammenarbeit, Motivation, Kreativität, Solidarität und Verantwortungsbewusstsein. Ansätze dazu sind bereits erkennbar, etwa bei der Einbeziehung „weicher“ Faktoren wie Kundenzufriedenheit oder Arbeitsatmosphäre in die strategische Kennzahlenanalyse (Balanced Scorecard) (vgl. Barth & Werner 2005, S. 31). Die einzelnen Gesundheitsregionen in Deutschland unterscheiden sich jedoch in ihrer Struktur deutlich voneinander. Während beispielsweise Tuttlingen als die „Chirurgietechnik- Hochburg“ in Deutschland gilt, stehen die Küstenregionen in Mecklenburg-Vorpommern sowie Schleswig-Holstein für den kurativen Gesundheitstourismus. Die Regionen haben somit Gesamtstruktur der Gesundheitswirtschaft 163 bestimmte, häufig gewachsene Profile und versuchen, diese Profile weiter zu schärfen und somit Wettbewerbsvorteile für mehr Umsatz und Beschäftigung im Gesundheitssektor zu sichern. Viele Regionen haben zu diesem Zweck Netzwerkinitiativen oder ein Clustermanagement gegründet, welche diese Ziele möglichst optimal umsetzen sollen. Auch von politischer Seite werden die regionalen, gesundheitsorientierten Netzwerkakteure häufig unterstützt.  Praxis │ Deutsche Gesundheitsregionen Mithilfe des Netzwerkes Deutsche Gesundheitsregionen e. V. haben sich mehrere Regionen in Deutschland zusammengefunden, um ihre einschlägigen Kompetenzen zu identifizieren, weiterzuentwickeln und nach innen wie außen zu profilieren:  www.deutsche-gesundheitsregionen.de Viele weitere (Kleinst-)Regionen befinden sich ebenfalls in der (teilweise noch nicht öffentlichen) Diskussion, um solche Gesundheitsnetzwerke aufzubauen. Eine zusätzliche, aber wichtige Aufgabe des Gesundheitstourismus besteht deshalb darin, Medizin und Therapie optimal mit den touristischen Strukturen zusammenzuführen, Berührungsängste abzubauen (vgl. Aufgabe der Interessenvertretung in → Kap. 4.3.3) und Innovationen voranzutreiben. Ebenfalls ist es Aufgabe der gesundheitstouristischen Anbieter, der Medizin- und Kommunikationstechnologie den Gesundheitstourismus als Absatzmarkt aufzuzeigen (→ Kap. 2.4).  Weiterführende Literatur │ Gesundheitsmarkt Oberender et al. (2016): Wachstumsmarkt Gesundheit, Konstanz. 164 Gesundheitstourismus  Zusammenfassung Da die Gesundheits- und Wellness-Orientierung in unserer Gesellschaft stetig an Bedeutung gewinnt, sollten Unternehmen wie auch Destinationen diese Entwicklung in Zukunft ebenso beachten wie die Erschließung neuer Märkte oder neuer Produktentwicklungen. Gesundheitswirtschaft und Destinationsmanagement sollten Berührungsängste abbauen und stärker zusammenarbeiten. 7 16 J Pr  Health by John Introduction Throughout cused on que 2008). The G ports “health desires that cultural boun John S. Hull is A ogramme of the http: / / kamino Tourism: n S. Hull 16 history, huma estions of life, Global Wellnes h and well-bei transcend ge ndaries.” Associate Profes e Thompson Riv .tru.ca/ experts/ A Global P an evolution aging, illness a s Institute (GW ing represent eographic, soc ssor in the Tour vers University i / home/ main/ bi Perspectiv generally has and death (Co WI 2014, p. 1) universal hum cioeconomic, rism Manageme in Kamloops/ C io.html? id=jhull ve foohen ) reman and ent Canada. l 166 Gesundheitstourismus Early civilizations such as the Romans, built a network of health spas in Europe not only for maintaining physical health but also as centres of social wellness supporting interaction between citizens, the military and government officials (Smith & Puczko, 2014). At the beginning of the 21 st century, an aging global population and increases in chronic disease have driven up medical costs leading many global citizens to embrace health tourism to maintain a healthy lifestyle that supports an optimal state of wellbeing (GWI, 2014; Smith & Puczko, 2014). As a result, health tourism has grown exponentially in recent decades (Voigt & Pforr 2013). Policymakers point out that even though health is a universal human desire, health tourism is increasingly multidimensional depending on the continent, country and culture of origin (Smith & Puczko, 2014; GSS 2010). Definitions In order to understand health tourism in a context of contemporary tourism there are a number of definitions that require clarification. The World Health Organisation (1948) defines health as a state of complete physical, mental and social wellbeing and not merely the absence of disease or infirmity. This definition argues that a healthy individual is someone without disease or illness - one who is well. The Global Wellness Institute (2014, 1) argues that there is a need to understand the health in a context of a health continuum. Health Tourism: A Global Perspective 167 On one end of the continuum is poor health, which is supported by the medical paradigm focusing on conventional clinical, curative and reactive approaches that treat and cure illness supported by medical tourism. On the other end is an optimal state of well-being, supported by the wellness paradigm focusing on proactive, voluntary and individual healthy habits that prevent disease and enhance one’s quality of life supported by wellness tourism. Taken together, the tourism experiences supporting the medical and wellness sectors are what comprise health tourism. Figure 1: The Health Continuum (Source: Global Wellness Institute 2014) feel better thrive treat & cure illness maintain & improve health corrective preventive episodic holistic clinical-responsbility individual responsibility compartmentalized integrated into life medical paradigm wellness paradigm poor health health continuum optimal state of well-beeing REACTIVE PROACTIVE 168 Gesundheitstourismus Trends The purpose of this section is to review global trends impacting health tourism to understand present shifts globally. The Global Wellness Summit was held in Mexico City in 2015. At the gathering over 470 delegates from 40 countries gathered to discuss the theme of “Building a Well World.” The aim of the conference was to bring together leaders from economics, medicine, government, technology, spa/ wellness, travel, education and the arts to debate how to bring more preventative health into a world of chronic disease and high healthcare costs. As a result of this conference, ten future shifts in health and wellness were identified and are summarized below (GWS, 2015). Ten Future Shifts in Health and Wellness Medical breakthroughs in human genetics Adopting mandatory wellness Imperceptible wellness Cultures of wellness at work Integrative healthcare Medical technology breakthroughs Wellness homes Healthy eating habits Wellness travel Democratization of wellness Source: Global Wellness Summit 2015 Medical breakthroughs in human genetics will support anti-aging and forestall chronic disease. Genetic markers are the protein attached to human genes. The human body has 2.400 of these genetic markers. Current re- Health Tourism: A Global Perspective 169 search points out that 20 of these genetic markers can be modified by healthy living through eating healthy food, getting adequate exercise and sleep, and practicing meditation and stress management techniques. Medical experts argue that genetic breakthroughs are coming that will delay aging and prevent chronic disease. Adopting mandatory wellness The increasing costs from global healthcare, chronic disease and aging are placing increasing pressure on the global economy. Policymakers argue that economic pressure on countries and companies as a result of increasing medical costs will require legislation that supports preventative wellness. Numerous countries and jurisdictions are already making wellness compulsory and there are proposals to track individual wellness with implantable devices. Wellness tax incentives that reward people for living healthy lives are and will continue to be adopted worldwide. Imperceptible wellness Researchers point out that in the future, wellness will be integrated into our living spaces - our homes and workplaces and into the fabric of our lives. Wellness will not be something we ‘do’ but will be ‘imperceptibly’ linked to our daily living habits. Healthy buildings will provide lighting that synchronizes with our circadian rhythms, bed sensors will monitor sleep, antibacterial paint will provide healthy indoor environments, and responsive clothing materials will cuddle or massage us. Cultures of wellness at work The Global Wellness Institute reports that over the next five to ten years there will be an intensified focus on creating healthy workforces. Their research reports that Fortune 500 companies spend 80 % of after tax profits on employee medical costs. As a 170 Gesundheitstourismus result, wellness programs at work will evolve into initiatives that address physical, emotional, and financial wellness such as fair pay, healthy workspaces, inclusion of families, less hierarchical management structures, and helping people feel purposeful at work. Companies will measure success not by return on investment (ROI) but by return on value (ROV) measuring how healthy workers assist with driving recruitment, retention, and profits. Companies that adopt these ROV strategies are already generating greater earnings for shareholders. Integrative healthcare Many medical leaders argue that complementary and integrative medicine is moving to mainstream practice. Healthcare is shifting from disease management to a prevention focused business model. This is resulting in many medical centres combining their traditional medical services with wellness/ complementary and integrative wellness services. Medical systems in China, Norway and Singapore are rewarding doctors for not only treating disease but also for preventing it. Doctors forecast that traditional medicine will continue to incorporate more integrative wellness approaches. Medical technology breakthroughs New technologies are leading to a new age of self-care. Ingestible health tracking nanochips will monitor 50 biological functions in the human body and result in a new era of precision, preventative and personalized medicine through real time monitoring. Stem cell harvesting from teeth is also the future as these cells combat aging by making any cell ‘young’ again - bone, insulin, pancreatic, heart, liver, brain, eye, collagen, or elastin cells. These stem cells are also being recognized for their ability to help cure diseases such as ALS, Parkinson’s, and Alzheimers in the near future. Health Tourism: A Global Perspective 171 Wellness homes Wellness living projects promote human health at the residential, community and city scale through such programs focused on sustainable, organic farming, culture and arts, fitness and green spaces, education and healthy interior air quality. The number of wellness living projects are growing globally and indicate that wellness is helping to drive an impressive return on investment for owners and investors. These projects are also generating social and environmental benefits for communities and tourist facilities. Results indicate that wellness-branded, single family homes are providing a 5-35 percent premium while wellness hotels are also providing an impressive 15-30 percent average daily rate premium. Healthy eating habits Nutrition experts argue that human eating habits have changed more in the last 40 years than in the previous 40.000 due to food trends focused on new diets and consumption of chia seeds, goji berries, coconut, maca, agave and quinoa. The importation of these super foods is placing pressure on global agricultural ecosystems and food sustainability. Experts argue that there is a need for humanity to address consumption of sane, nutritious, local foods. The future is eating local, fresh, authentic, naturally produced foods from our backyards and the surrounding local area. Wellness travel Wellness travel is about the transformational experience - how the experience alters the person’s mind, body, and spirit. Hospitality experts agree that wellness is going to continue to become a larger player in the destination resort market. Wellness travel is providing impressive returns for emerging markets such as Sri Lanka, Cuba, Montenegro, Slovenia and Croatia and for established markets such as New Zealand and Austria. In New Zealand, the community of Rotorua has witnessed a twenty six 172 Gesundheitstourismus percent increase in visitor spending over 2015. The destination is being marketed as the Health and Wellness Capital of the South Pacific where visitors can experience authentic thermal waters, Maori culture and adventure sports. In Tirol, Austria the development of wellness business clusters has resulted in 43 million stays/ year and the region is proposing a new wellness research centre to support the expanding market. Democratization of wellness One of the main themes of the conference was the democratization of wellness. Making wellness products and services more accessible to young and old, wealthy and poor, and healthy and ill is required through a more ‘conscious’ capitalism, the delivery of wellness services to cancer patients, the increasing accessibility of meditation and mindfulness, and the growth of wellness education for children. There is a shift towards ‘conscious’ capitalism where people are measured not by their wealth but by how much good they do for the world. Forbes Magazine points out that winning brands are the result of charitable, collaborative and creative approaches to global socioeconomic needs. In addition, forty percent of the global population will contract some form of cancer. There is a need for the adoption of safe, healing services to clients with cancer. The mainstreaming of mindfulness and meditation is also introducing the masses to the power and scientific benefits of meditation resulting in a broader shift in consciousness to empathy, gratitude and environmental awareness. Serious wellness programs for children that promote healthy cooking, yoga and meditation are already reaching millions of school children in India. Experts agree that reaching people at an early age is critical to building a well world. Overview of Global Health Tourism Sector This section presents an overview of the global health tourism sector providing information on the size and scope of this Health Tourism: A Global Perspective 173 mega-industry in a context of contemporary tourism as defined by Cooper & Hall (2016, p. 1). Their framework seeks to understand the interrelationships between consumers (demand) and producers (supply) and the variety of experiences that are created. They argue that the tourist experience does not exist independently of the interactions between producers and consumers but is constantly changing over time. As a result, there is a need to understand how consumption and production come together to produce experiences that are reflective of, in this case, the global health tourism industry. These experiences are summarized below. Figure 2: Contemporary Tourism Framework (Source: Cooper & Hall 2016) Medical Paradigm Patients Beyond Borders (PBB, 2016) reports that the medical tourism market is growing at an annual rate of 15-25 %, was worth US$ 45-72 billion in 2015, supporting 14 million cross border patients worldwide, who are spending US$ 3.800-6.000 per visit. A breakdown of costs indicates that spending contributes to medical costs, transportation, inpatient stays, and accommodations. The top treatments for medical travelers include surgical treatments that include dentistry, cosmetic surgery, cardiovascular surgery, orthopedic surgery, cancer treatments, reproductive and fertility treatments, and weight loss treatments. Therapeutic treatments for rehabilitation, healing and recuperation include scans, tests, and health programs. International accreditation is one of the most important drivers for growth of consumption production experience product 174 Gesundheitstourismus the medical tourism market globally with over 600 hospitals and clinical departments receiving the Joint Commission International certification, a set of standards required of US medical facilities (JCI) (PBB, 2016; Smith & Puczko 2009). Top medical tourism destinations include Brazil, Costa Rica, India, Israel, Malaysia, Mexico, Singapore, South Korea, Taiwan, Thailand, Turkey, and the United States (PBB 2016). Wellness Paradigm In summarizing the industries included in the global wellness economy, The Global Wellness Institute (GWI 2014) classifies the industry into four main sectors - wellness tourism, the spa industry, thermal/ mineral springs and ‘other lifestyle’ industries. Figure 3: The Global Wellness Economy (Source: Global Wellness Institute 2014) Global Wellness Economy: $ 3,4 trillion in 2013 Wellness Lifestyle Real Estate $100 billion Workplace Wellness $41 billion Preventive & Personalized Medicine Beauty and Anti-Aging $1.026 billion Complementary & Alternative Medicine $187 billion $433 billion Healthy Eating, Nutrition & Weight Loss $574 billion Fitness & Mind-Body $446 billion Spa Industry $94 billion Wellness Tourism $494 billion Thermal/ Mineral Springs $50 billion Health Tourism: A Global Perspective 175 Wellness Tourism Wellness tourists are travelers whose primary or secondary purpose is associated with the pursuit of maintaining or enhancing one’s personal wellbeing. The wellness tourism industry is growing at 12-13 % annually, was worth $US 494 billion in 2013, representing 586.5 million wellness trips across 211 countries generating 14.5 million direct jobs. Wellness travelers are acknowledged as ‘high-yield’ tourists spending 59 % more that the average international tourist (US$ 1.639) and 159 % more than the average domestic tourist (US$ 688). The majority of wellness travel is by secondary wellness travelers (87 %) who are engaging in wellness experiences as part of their holiday or business trip. Europe is the largest wellness tourism region, followed by North America, with strong growth in Asia, Africa and the Middle East as a result of investments in hotels/ resorts and tourism infrastructure as well as due to the growth of the middle class in these regions (GWI 2014). Spa Industry The global spa industry is defined as ‘establishments that promote wellness through the provision of therapeutic and other professional services aimed at renewing the body, mind and spirit’ (GWI 2014, p. 3). The Global Wellness Institute (2014) identifies spas as establishments that incorporate local, cultural and historical treatments and therapies into contemporary spa offerings. Spas provide a variety of services that include massages, treatments, health assessments in addition to related spa products. Day/ club/ salon spas are recognized as accounting for the highest share of spa revenues (US$ 30.5 billion) followed by hotel/ resort spas (US$ 22.2 billion). The majority of spas are concentrated in three regions: Asia-Pacific (32.451), Europe (32.190) and North America (26.510) accounting for 86 % of the industry. The five largest spa markets are the United States, Germany, Japan, China, and France. Businesses that support spas such as spa education, media, associations, events, consul- 176 Gesundheitstourismus ting and investment sectors are also included in this sector. Since 2007, the number of spa facilities has increased 47 % totaling 105.591 and employing 1.9 million. In total, the global spa industry generated US$ 94 billion in 2013 (GWI 2014). Thermal/ Mineral Springs The thermal/ mineral springs sector is ‘associated with the wellness, recreational and therapeutic uses of waters with special properties’ (GWI 2014, p. 15) acknowledged for its curative, restorative, and mystical powers (Woodworth & Woodsworth 2014). Thermal water, mineral water and seawater are three important types of water that comprise thermal/ mineral springs, heated by the internal heat of the Earth (Woodsworth & Woodsworth 2014). Thermal and mineral springs are important for generating geothermal energy, as a source of drinking water, for religious and spiritual significance, for recreation and swimming, for wellness and for therapeutic and medical treatments. Due to increased interest in authentic, place-based experiences there has been a resurgence in visiting thermal/ mineral springs. There are two categories of thermal/ mineral springs: Those with additional spa services (massage, facials, and hydrotherapy) found at health resorts and sanatoria in Europe for example and those without additional spa services that focus on bathing and recreation such as the onsen in Japan or the nature baths in Iceland (GWI, 2014). The Global Wellness Institute (2014) estimates that there are 26.847 facilities built around thermal/ mineral springs in 103 countries, with 6.504 offering sparelated services. The Asia-Pacific and Europe are ranked first and second respectively in the number of establishments and revenues generated. Overall, the sector generated over US$ 50 billion in 2013. Thermal/ mineral springs offering spa services generated 64 % of sector revenues (US$ 32 billion). The top ten markets for thermal/ mineral springs include China, Japan, Germany, Russia, Italy, Austria, Turkey, Hungary, Czech Re- Health Tourism: A Global Perspective 177 public and Spain, which accounted for 85 % of the sector revenues (GWI, 2015). Other Lifestyle Industries Other lifestyle industries include businesses that assist consumers in adopting proactive approaches to integrating wellness into their daily lives. Such areas of focus include:  Healthy eating, nutrition and weight loss focused on vitamins, nutraceuticals, organic foods, and weight-loss foods and prescription drugs;  Fitness and mind-body practices that include health clubs and personal training, yoga, Tai Chi, and Pilates;  Beauty and anti-aging services that include salon services and products, cosmetics, personal care products for skin/ face/ body, hair care/ growth to treat age-related conditions,  Preventative and personalized health services focusing on routine physical exams and screening, genetic testing, disease management services and electronic health records;  Complementary and alternative medicine focused on medical, healthcare, holistic and mentally/ spiritually-based systems such as homeopathic, naturopathic, chiropractic, traditional Chinese medicine, Ayurveda and energy healing;  Workplace wellness programs aimed at improving health and wellness of employees to reduce costs and enhance productivity; and  Wellness lifestyle real estate aimed at incorporating wellness facilities and services into the built environment. The Global Wellness Institute (2015) estimates that these lifestyle industries generated revenues of US$ 2.8 trillion in 2013. 178 Gesundheitstourismus Conclusions Being free of disease, aging well and living longer, taking care of mind, body and spirit are recognized as universal desires for all global citizens. According to the Global Wellness Institute (2014), the rapid growth in health tourism over the past two decades is due to a number of factors: An aging global population, economic prosperity in emerging nations, the rise of disease and sickness due to sedentary, stressful modern lifestyles and the failure of traditional healthcare to prevent illness (GWI 2014). As a result, the global health tourism sector generated over US$ 4 trillion in 2013 when considering both the medical tourism sectors and the wellness sectors of the global economy (PBB 2016; GWI 2014). The latest figures point to a bright future for the industry. References Cohen, E. 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Generation 75 -management 73 -zertifizierung 135 Dienstleistungen 15, 16, 31, 32 Direct Marketing 107 Distributionssystem 109 E Einflussfaktoren 23 Einnahmen 146 192 Gesundheitstourismus Einrichtungen zweckentspechend und artgemäß 82 Erholung(s) -heime 60 -ort 44, 53 European Green Capital 133, 134 Event-Marketing 105 F Fachplanung 126, 127 Ferienheime 60 Finanzierung 144, 145 Finanzierungsmodell, freiweillig 153 Fitness-Urlaub 16 freiwillige Aufgaben 143 Funktionen 75 G Gästebetreuungsangebote 87 Gästebeziehung 86 Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) 67 Gestaltungsphase 101 Gesundheit(s) 10, 162 -ausgaben 160 -bewusstsein 10 -kontinuum 50 -land Bayern 47 -markt 163 -sorientierte(r) Urlaub 16 Urlaubsformen 65 -regionen 163 -tourismus 13 Arten 14 Formen 14 -urlaub 16 -wirtschaft 119, 120, 157, 158, 159 Gütesiegel 89, 90 H Heilbad 43 Heilbrunnen 44 Heilquellen 44 Hemmfaktoren 23 historische Entwicklung 38 hochprädikatisierte Orte 44 I Interessen(s) -gruppen 114 -system 115, 116, 120 -vertretung 113, 117 -vertretungsfunktion 113 K Klassifikation 46 Kliniktourismus 20 Index 193 Kommunalabgabengesetze 149 Kommunikation(s) 110, 117 -politik 103 -technologie 28 Konkurrenz 46, 56 -analyse 38 konstitutive Elemente 11 Kontrollphase 112 Konzeptionsphase 96 Kooperationen 28 kooperative Aufgaben 75 Krankenkassen 121 Kundenerwartungen 17 Kur 19 -abgabe 149, 150 -abgabenhöhe 151 -beitrag 149 -beitragsbemessung 151 -hotel 83 im Urlaub 16 -kliniken 119, 120 -ort 43 -ortcharakter 84 -park 83 -taxe 149 -tourismus 19 -wesen 159 L Lebenszyklus 42, 137 Leitbild 137, 139, 140 LOHAS 68 Luftkurort 44, 53 M Marke 100 Markenstrategie 100 Marketing 93 -Funktion 93 -Konzepte 29, 94 -Konzeption 111 -Management-Kreislauf 94 -Strategie-Box 99 strategisches 101 -Ziele 96 -Ziel-Pyramide 97 Markt -abgrenzung 32, 33, 36 -analyse 32 -anteil 35, 37 -forschungsinstitut 61 -potenzial 36, 37 -segmentierung 62 Kriterien 61 -struktur 26 -treiber 23, 24 -volumen 35, 36 Mediawerbung 105 Medical Wellness 17 Angebote 18 Einrichtungen 18 Tourismus 18 Meditationsreisen 16 Medizin -technik 28 -tourismus 20 Messen 106 Mission 124, 126 194 Gesundheitstourismus Motiv 11 N Nachfrageanalyse 57 Nachhaltigkeit 75, 123, 125, 128, 131, 132, 134, 135 Netzwerke 28 New-Age-Reisen 16 O Öffentlichkeitsarbeit 105 Organisation 144, 154 P Patiententourismus 20 Pauschal -programme 80 -reise 81 Personalschulungen 92 persönliche Kommunikation 106 Planung(s) 122 -funktion 123 Prädikatisierungen 45 Prävention 49 im Kurort 41 Primärforschung 34 Privatkurgäste 58, 61 Q Qualitätsmanagement 88, 89, 126 Querschnittsdisziplin 128 R Raumordnung 123, 126, 127 Realisierungsphase 111 Rechtsform 154 Regiebetriebe 84 Rehabilitation(s) -kliniken 58, 60, 119, 120 -tourismus 19 Reiseanalyse 63, 64, 65 Reservierungszentrale 110 S Sekundärforschung 34 Selbstzahler 48, 52, 58, 61, 63 Selfness Tourism 16 Sinus-Milieus 67 Social-Media- Kommunikation 106 Sozialgäste 61 Sozialkurgäste 58 Sozialversicherungsträger 121 Spa 55, 83 Hotel 55 Resort 55 Speeddating 120 Sponsoring 105 St. Galler Modell für Destinationsmanagement 75, 130, 144, 154 Index 195 Stakeholder 114, 116 Stärken-Schwächen- Analyse 56 Steuer(-arten) 147 T TourCert 134 Tourismus Forum 139 Tourismus -abgabe 150, 152 Höhe 153 -konzept 137 -Marketing 94 -organisation 73 touristisches Angebot 79 U Umfeldanalyse 23, 29 Unternehmen(s) -leitbild 126 -ziele 96 -zweck 96, 124, 126 Urlaub mit Kuranwendungen 16 Urlaubsarten 10 V Verkaufsförderung 107 Vertrieb 110 -politik 107 -weg 108, 109 Vision 124, 126 Voraussetzungen 46 Vorsorgekliniken 58, 60 W Wellness 50, 54, 162 -Elemente 15, 51 im Kurort 41 -pauschalreise 82 -Ressort 53 -Sensor 66 -tourismus 15 -Trends 67 -Urlaub 63, 65 Wertewandel 24 Y Yogareisen 16 Z Zentrale Prüfstelle für Prävention 121 Zielort 12 Zusammenarbeit 28 www.utb-shop.de Ein Trendsport unter der Lupe Gabriele M. Knoll Handbuch Wandertourismus für Studium und Praxis 2016, 250 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4548-1 Jahr für Jahr schnüren immer mehr Menschen ihre Wanderstiefel, um Berge und Flachland zu erkunden. Das Handbuch geht diesem Phänomen auf den Grund: Es beleuchtet Historie, Motive und aktuelle Trends des Wanderns. Zudem stellt es einige internationale Destinationen vor und beschreibt das Management und Marketing. Auch auf die Dramaturgie und das Qualitätsmanagement von Wanderwegen wird eingegangen - illustriert durch Beispiele aus aller Welt. Das Buch richtet sich an Studierende des Tourismus und der Geographie sowie an Praktiker in Wanderdestinationen und Unternehmen. www.utb-shop.de Die rechtlichen Facetten der Medizin verstehen Constanze Janda Medizinrecht 2016, 416 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4598-6 Dieses Buch führt kundig in das junge Rechtsgebiet ein und stellt es in seiner Vielseitigkeit dar: Die Autorin geht dabei auf das Recht der gesetzlichen Krankenkassen, das ärztliche Berufsrecht und die Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten ein. Auch das Vertragsarztrecht, die Leistungserbringung durch Krankenhäuser sowie die Versorgung mit Arzneimitteln und das Heil- und Hilfsmittelrecht stellt sie dar und beleuchtet abschließend auch das Arzthaftungsrecht und die strafrechtliche Verantwortlichkeit von Ärzten. Aktuelle Entwicklungen in der Rechtsprechung werden ebenso vorgestellt wie Reformvorhaben des Gesetzgebers. Das Buch richtet sich an Juristen, Mediziner, Gesundheitsökonomen und Pflegewissenschaftler in Studium und Praxis. Versorgung nachhaltig sichern Peter Oberender, Jürgen Zerth, Anja Engelmann Wachstumsmarkt Gesundheit 4., komplett überarbeitete Auflage 2016, 250 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4380-7 Die demographische Entwicklung schreitet kontinuierlich voran und der Gesundheitsmarkt boomt. Die Frage, wie finanzierungs- und versorgungsseitig damit langfristig umzugehen ist, ist bis heute unbeantwortet. Die 4., komplett überarbeitete Auflage analysiert das deutsche Gesundheitswesen und weist auf Mängel und Steuerungsdefizite hin - ohne die Potenziale zu vernachlässigen. Es zeichnet Szenarien zur Weiterentwicklung einer tragfähigen und nachhaltigen Gesundheitsversorgung. Das Buch richtet sich an Studierende des Gesundheitsmanagements, der Gesundheitssowie Pflegewissenschaften und der Medizin. Es ist zudem auch für Praktiker geeignet. www.utb-shop.de