Mikroökonomie
Arbeitsteilung, Markt und Wettbewerb
0815
2016
978-3-8385-4714-5
978-3-8252-4714-0
UTB
Thomas Siebe
Erfahrungsgemäß haben viele Studierende zu Beginn des BWL- und VWL-Studiums Probleme, die analytische volkwirtschaftliche Denkweise zu verstehen und die mikroökonomische Theorie anzuwenden. Dieses Buch stellt nun in der 2. Auflage die für ein Bachelorstudium relevanten Themen in 15 Lerneinheiten verständlich und einprägsam vor.
Die ersten Kapitel führen in die Volkswirtschaftslehre ein und erklären, wie Märkte grundsätzlich funktionieren. Nachfrage- und Angebotsverhalten werden im zweiten Teil näher betrachtet. Der dritte Teil rückt schließlich Marktmacht und Wettbewerbspolitik ins Zentrum des Interesses.
Das Lehrbuch legt einen Schwerpunkt auf die graphische Analyse. Mathematische Methoden werden sparsam verwendet und gekonnt erklärt. Der Autor leitet jede Lerneinheit mit Lernzielen ein und illustriert den Stoff mit zahlreichen Beispielen. Eine Zusammenfassung, die wichtigsten Begriffe und Aufgaben mit Lösungsskizzen beenden jedes Kapitel und helfen beim wiederholen des Stoffs.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage <?page no="2"?> Thomas Siebe Mikroökonomie Arbeitsteilung, Markt, Wettbewerb 2., überarbeitete Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München <?page no="3"?> Der Autor Prof. Dr. Thomas Siebe lehrt Volkswirtschaftslehre an der Westfälischen Hochschule (Standort Bocholt). Lob und Kritik Wir freuen uns darüber, dass Sie sich für ein UTB-Lehrbuch entschieden haben. Wir hoffen, dass Sie dieses Buch bei Ihrer Prüfungsvorbereitung sinnvoll unterstützt. Für Lob und Kritik haben wir stets ein offenes Ohr: Schreiben Sie uns einfach eine E-Mail an das Lektorat (wirtschaft@uvk.de). Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2016 Lektorat: Rainer Berger Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: Fotolia, © Jürgen Fächle Druck und Bindung: Pustet, Regenburg UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstraße 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 3789 ISBN 978-3-8252-4714-0 <?page no="4"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service VVoorrwwoorrtt Eine weitere Einführung in die Volkswirtschaftslehre, dazu noch mit einem mikroökonomischen Schwerpunkt? Dieser skeptischen Frage muss man sich angesichts der Vielzahl einschlägiger Lehrbücher stellen. Zum einen unterliegt der Markt für volkswirtschaftliche Basislehrbücher nach meinem Eindruck einer immer stärkeren Internationalisierung. Dies führt zu dem Ergebnis, dass sich Stoff und Aufbau zunehmend angleichen. Institutionelle Aspekte und Fallbeispiele beziehen sich immer häufiger auf die USA und weniger auf Deutschland. Zum anderen sind viele Werke mittlerweile um die 1.000 Seiten stark und gehen damit deutlich über das Grundlagenwissen hinaus, das an wirtschaftswissenschaftlichen Hochschulen in Deutschland in Bachelor-Studiengängen aktuell gelehrt wird. Ziel des vorliegenden Lehrbuchs ist es, den nicht immer ganz einfachen Stoff knapp und anschaulich darzustellen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der graphischen Methode. Wesentliche ökonomische Zusammenhänge werden auch an Beispielen erläutert. Anwendungen und Fallstudien mit einem deutschen bzw. europäischen Hintergrund nehmen einen breiteren Raum ein und mathematische Darstellungen wurden auf ein Mindestmaß beschränkt. Um effizientes Lernen zu ermöglichen, sind jedem Kapitel Lernziele vorangestellt. Eine Zusammenfassung, die wichtigsten Begriffe und einige Übungsaufgaben beenden jedes Kapitel. Auf diese Weise lässt sich der Lernerfolg planen und kontrollieren. Das Buch basiert auf Vorlesungen und Übungen, die ich seit einigen Jahren am Bocholter Campus der Westfälischen Hochschule halte. Es handelt sich um eine Einführung in die VWL im ersten und um die Grundlagen der Mikroökonomik im zweiten Semester der Wirtschaftsstudiengänge. Die Einführung umfasst die Kapitel 1 bis 6 und soll die stark voneinander abweichenden Wissensstände der Erstsemester nivellieren und einen Überblick über den Erkenntnisgegenstand und Konzepte der VWL geben. Inhaltliches Ziel ist es, den Studierenden einen ersten Einblick in die Funktionsweise von Märkten zu geben und die Rolle des Staates in einer Marktwirtschaft auszuloten. Die Mikroökonomik startet im zweiten Teil mit der einzelwirtschaftlichen Analyse von Haushalten und Unternehmen. Der dritte Teil des Buches greift die Analyse von Märkten auf. Dabei werden schrittweise einige Bedingungen des Konkurrenzmarkts aufgehoben. Neben klassischen Themen wie der Marktmacht und dem Oligopol geht es dabei auch um die Rolle der Zeit im Marktmodell sowie um die Wettbewerbspolitik. <?page no="5"?> 6 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Das Buch wendet sich an Bachelor-Studierende von Universitäten, Fachhochschulen und Akademien, die Probleme mit dem eher technischen Vorgehen in der Mikroökonomik haben und zur Ökonomie hinter den Formeln durchdringen wollen. Ich würde mich sehr freuen, wenn es dieser Zielgruppe weiterhilft. Für ihre Anregungen und Anmerkungen zu diesem Buch danke ich ganz herzlich meinen Gelsenkirchener Kollegen Ricarda Kampmann und Hans Walter. Meine Frau Andrea hat einige frühere Textversionen mit großer Geduld gegengelesen ihr gilt mein besonderer Dank. Schließlich danke ich Rainer Berger, der das Buchprojekt auf der Verlagsseite vorangebracht und ebenfalls engagiert dazu beigetragen hat, die Qualität des Buches zu verbessern. Thomas Siebe, Bocholt im Juni 2012 In den vergangenen vier Jahren hat sich die Mikroökonomie Arbeitsteilung, Markt und Wettbewerb an unserem Campus und erfreulicherweise auch darüber hinaus etabliert. Das Konzept und der Stoffumfang des Buches bleiben unverändert und bilden nach wie vor eine zweistündige Einführung in die Volkswirtschaftslehre und eine vierstündige Mikroökonomie ab. Unklarheiten, Ungenauigkeiten und Tippfehler wurden beseitigt. Anregungen von Kollegen, aber auch viele Anmerkungen von Studierenden sind in die zweite Auflage eingeflossen. Für die konstruktive Kritik bedanke ich mich herzlich. Thomas Siebe, Bocholt im Juni 2016 SSeerrvviiccee ffüürr DDoozzeenntteenn Hilfreiche Zusatzmaterialien für Dozenten Dozenten können die Abbildungen als Foliensatz herunterladen. Hierfür müssen Sie sich allerdings einmalig freischalten lassen. Details dazu finden Sie online unter: https: / / www.utb.de/ dozenten/ dozentenservice/ Der gesamte Stoff lässt sich in sechs Semesterwochenstunden gut bewältigen. Dabei sind pro Kapitel jeweils ein oder zwei Wochen vorgesehen. Da die Kapitel im Allgemeinen in sich abgeschlossen sind, lassen sich Schwerpunktsetzungen vornehmen. Die Kernthemen sind in der folgenden Übersicht in der Mitte dunkel unterlegt. <?page no="6"?> 7 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Neben dem Kapitel 1 sind dies eine grundsätzliche Darstellung der Funktionsweise von Konkurrenzmärkten, die Bestimmungsgründe der Güternachfrage einerseits und des Güterangebotes andererseits sowie einige Abweichungen vom Modell der vollkommenen Konkurrenz. Je nach Zeit und Neigung kann dieses Kernprogramm durch einige Elemente ergänzt werden: in Studiengängen mit einer internationalen Ausrichtung empfiehlt sich die Hinzunahme der Kapitel 2 und 3 über Spezialisierung und Tausch. Bei einer eher wirtschaftspolitischen Ausrichtung müsste man die Rolle des Staates in der Marktwirtschaft und die abschließenden Bemerkungen zur Wettbewerbspolitik hinzunehmen. Einige weiterführende produktionstheoretische Konzepte insbesondere im Rahmen einer langfristigen Betrachtung sind Gegenstand des zehnten Kapitels. Das zwölfte Kapitel baut auf dieser langfristigen Betrachtungsweise auf und beschäftigt sich mit der Rolle der Zeit in marktwirtschaftlichen Systemen. Gegenstand der Analyse sind hier vor allem Anpassungszeiten und prozesse. Und schließlich fasst das letzte Kapitel den Stoff mit Blick auf die Möglichkeiten und Grenzen der Wettbewerbspolitik zusammen. Kapitel 1 Grundlagen und Übersicht Kapitel 4 & 5 Konkurrenzmärkte und staatliche Interventionen Kapitel 7 & 8 Güternachfrage, Preise und Einkommen Kapitel 9 & 11 Produktion, Kosten und Güterangebot Kapitel 13 & 14 Monopole, Marktmacht und Oligopole Kapitel 2 & 3 Produktionsmöglichkeiten und Spezialisierung Kapitel 6 Der Staat in der Marktwirtschaft Kapitel 10 Produktion und Kosten in der langen Frist Kapitel 12 Märkte und Marktentwicklung Kapitel 15 Wettbewerbspolitik <?page no="7"?> 8 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Rückfragen zu weiteren Materialien Sie haben weitere Wünsche zu diesem Buch oder möchten uns Lob oder Kritik mitteilen. Dann wenden Sie sich unter wirtschaft@uvk.de direkt an den Verlag. WWeebb--SSeerrvviiccee ffüürr SSttuuddiieerreennddee Zu diesem Buch wird ein Web-Service angeboten. Dort finden Studierende Lösungshinweise zu den Wiederholungsfragen sowie hilfreiche Links. SScchhrriitttt 11: : SSeerrvviiccee--WWeebbssiittee aauuffrruuffeenn http: / / www.uvk-lucius.de/ service SScchhrriitttt 22: : CCooddee eeiinnggeebbeenn Buch in der Liste auswählen. SScchhrriitttt 33: : MMaatteerriiaalliieenn hheerruunntteerrllaaddeenn Service-Website! <?page no="8"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service IInnhhaalltt VVoorrwwoorrtt...........................................................................................................................5 SSeerrvviiccee ffüürr DDoozzeenntteenn.............................................................................................6 WWeebb--SSeerrvviiccee ffüürr SSttuuddiieerreennddee .............................................................................8 SSyymmbbooll-uunndd AAbbkküürrzzuunnggssvveerrzzeeiicchhnniiss.................................................................. 15 TTeeiill 11: : AArrbbeeiittsstteeiilluunngg" MMäärrkkttee uunndd WWiirrttsscchhaaffttssoorrddnnuunngg .............................. 17 KKaappiitteell 11: : GGrruunnddllaaggeenn uunndd ÜÜbbeerrssiicchhtt ................................................................. 19 Lernziele.................................................................................................................. 19 1 Was ist Volkswirtschaftslehre? ........................................................................... 20 2 Mikroökonomik und Makroökonomik ............................................................. 22 3 Wozu Wirtschaftstheorie? ................................................................................... 24 Zusammenfassung................................................................................................. 27 Wichtige Schlagwörter .......................................................................................... 27 Wiederholungsfragen ............................................................................................ 27 KKaappiitteell 22: : KKnnaapppphheeiitt uunndd PPrroodduukkttiioonnssmmöögglliicchhkkeeiitteenn................................... 29 Lernziele.................................................................................................................. 29 1 Knappheit und ökonomisches Prinzip.............................................................. 30 2 Produktionsfaktoren, Produktionsfunktion und Produktivität...................... 31 3 Die Transformationskurve.................................................................................. 36 4 Knappheit und Wachstum .................................................................................. 39 Zusammenfassung................................................................................................. 41 Wichtige Schlagwörter .......................................................................................... 42 Wiederholungsfragen ............................................................................................ 42 <?page no="9"?> 10 Inhalt http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 33: : AArrbbeeiittsstteeiilluunngg uunndd TTaauusscchh ................................................................. 43 Lernziele.................................................................................................................. 43 1 Tausch und komparative Kostenvorteile .......................................................... 44 2 Geld und Tausch .................................................................................................. 49 3 Zur Abstimmung der Wirtschaftspläne............................................................. 51 4 Regeln und Institutionen..................................................................................... 54 Zusammenfassung................................................................................................. 55 Wichtige Schlagwörter .......................................................................................... 55 Wiederholungsfragen ............................................................................................ 56 KKaappiitteell 44: : AAnnggeebboott" NNaacchhffrraaggee uunndd MMaarrkkttgglleeiicchhggeewwiicchhtt ............................. 58 Lernziele.................................................................................................................. 58 1 Vollkommene Konkurrenz ................................................................................. 59 2 Angebot und Nachfrage ...................................................................................... 60 3 Eigenschaften des Marktgleichgewichts............................................................ 63 4 Ein Beispiel: Kursbildung an der Börse ............................................................ 67 Zusammenfassung................................................................................................. 70 Wichtige Schlagwörter .......................................................................................... 70 Wiederholungsfragen ............................................................................................ 71 KKaappiitteell 55: : VVeerräännddeerruunnggeenn vvoonn MMaarrkkttgglleeiicchhggeewwiicchhtteenn.................................. 72 Lernziele.................................................................................................................. 72 1 Die Stabilität von Gleichgewichten ................................................................... 73 2 Verschiebungen von Angebot oder Nachfrage................................................ 75 3 Statische und dynamische Preisfunktionen....................................................... 77 4 Märkte und wirtschaftspolitische Maßnahmen ................................................ 80 Zusammenfassung................................................................................................. 88 Wichtige Schlagwörter .......................................................................................... 88 Wiederholungsfragen ............................................................................................ 89 <?page no="10"?> Inhalt 11 http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 66: : WWiirrttsscchhaaffttssoorrddnnuunngg uunndd WWiirrttsscchhaaffttssppoolliittiikk.................................. 91 Lernziele.................................................................................................................. 91 1 Vorzüge und Defizite von Marktwirtschaften ................................................. 92 2 Die Soziale Marktwirtschaft................................................................................ 95 3 Marktversagen als Eingriffslegitimation ............................................................ 97 4 Grundelemente der Wirtschaftspolitik ............................................................ 102 Zusammenfassung............................................................................................... 106 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 106 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 107 TTeeiill 22: : NNaacchhffrraaggee-uunndd AAnnggeebboottssvveerrhhaalltteenn.................................................... 109 KKaappiitteell 77: : NNaacchhffrraaggeeeennttsscchheeiidduunnggeenn ddeerr HHaauusshhaallttee .................................. 111 Lernziele................................................................................................................ 111 1 Konsummöglichkeiten, Preise und Konsumbudget...................................... 112 2 Eigenschaften von Nutzenfunktionen ............................................................ 114 3 Der optimale Konsumplan ............................................................................... 117 Zusammenfassung............................................................................................... 120 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 120 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 120 KKaappiitteell 88: : PPrreeiissee" EEiinnkkoommmmeenn uunndd MMaarrkkttnnaacchhffrraaggee ................................... 122 Lernziele................................................................................................................ 122 1 Preis- und Einkommensänderungen ............................................................... 123 2 Substitutions- und Kaufkrafteffekte ................................................................ 126 3 Marktnachfrage und Nachfrageelastizitäten ................................................... 129 Zusammenfassung............................................................................................... 136 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 136 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 137 <?page no="11"?> 12 Inhalt http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 99: : PPrroodduukkttiioonn uunndd KKoosstteenn iinn ddeerr kkuurrzzeenn FFrriisstt ................................. 139 Lernziele................................................................................................................ 139 1 Grundbegriffe der Produktions- und Kostentheorie .................................... 140 2 Die partielle Faktorvariation ............................................................................. 143 3 Kostenverläufe bei partieller Faktorvariation ................................................. 146 4 Ertragsgesetzliche Kostenverläufe ................................................................... 148 Zusammenfassung............................................................................................... 152 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 152 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 152 KKaappiitteell 1100: : PPrroodduukkttiioonn uunndd KKoosstteenn iinn ddeerr llaannggeenn FFrriisstt .............................. 154 Lernziele................................................................................................................ 154 1 Typen von Produktionsfunktionen ................................................................. 155 2 Die Minimalkostenkombination ...................................................................... 156 3 Expansionspfad, Skalenerträge und Kostenverlauf....................................... 159 4 Der langfristige Kostenverlauf ......................................................................... 162 Zusammenfassung............................................................................................... 164 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 165 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 165 KKaappiitteell 1111: : DDaass GGüütteerraannggeebboott ddeerr UUnntteerrnneehhmmeenn ........................................ 166 Lernziele................................................................................................................ 166 1 Gewinnmaximierung ......................................................................................... 167 2 Gewinnschwelle und Produktionsschwelle..................................................... 169 3 Güterangebot und Faktornachfrage ................................................................ 172 4 Marktangebot und Preiselastizität des Angebots ........................................... 175 Zusammenfassung............................................................................................... 177 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 178 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 178 <?page no="12"?> Inhalt 13 http: / / www.uvk-lucius.de/ service TTeeiill 33: : MMaarrkkttssttrruukkttuurr" MMaarrkkttvveerrhhaalltteenn uunndd MMaarrkktteerrggeebbnniiss ....................... 181 KKaappiitteell 1122: : MMäärrkkttee uunndd MMaarrkktteennttwwiicckklluunnggeenn................................................ 183 Lernziele................................................................................................................ 183 1 Kriterien der Marktlage ..................................................................................... 184 2 Langfristiges Gleichgewicht und Eintrittsbarrieren....................................... 187 3 Anpassungsflexibilität in der kurzen und in der langen Frist ....................... 190 4 Technischer Fortschritt, Innovationen und neue Märkte............................. 192 Zusammenfassung............................................................................................... 195 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 195 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 196 KKaappiitteell 1133: : MMaarrkkttmmaacchhtt uunndd PPrreeiissddiiffffeerreennzziieerruunngg ...................................... 199 Lernziele................................................................................................................ 199 1 Das Cournotsche Monopol ............................................................................. 200 2 Preisdifferenzierung ........................................................................................... 205 3 Die Preis-Absatz-Funktion nach Gutenberg.................................................. 209 4 Das natürliche Monopol.................................................................................... 211 Zusammenfassung............................................................................................... 213 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 213 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 214 KKaappiitteell 1144: : OOlliiggooppoollee ............................................................................................ 216 Lernziele................................................................................................................ 216 1 Marktverhalten im Oligopol ............................................................................. 217 2 Kooperatives Verhalten..................................................................................... 219 3 Preisführerschaft, limit pricing und ruinöser Wettbewerb ........................... 221 4 Heterogene Märkte ............................................................................................ 223 5 Preisstarrheiten ................................................................................................... 226 Zusammenfassung............................................................................................... 228 <?page no="13"?> 14 Inhalt http: / / www.uvk-lucius.de/ service Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 228 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 229 KKaappiitteell 1155: : GGrruunnddzzüüggee ddeerr WWeettttbbeewweerrbbssppoolliittiikk............................................ 230 Lernziele................................................................................................................ 230 1 Funktionen und Leitbilder des Wettbewerbs ................................................. 231 2 Strategien, Institutionen und Rechtsgrundlagen ............................................ 235 3 Kooperation........................................................................................................ 236 4 Konzentration..................................................................................................... 238 5 Missbrauch von Marktmacht ............................................................................ 242 6 Zur Wirksamkeit der Wettbewerbspolitik....................................................... 244 Zusammenfassung............................................................................................... 246 Wichtige Schlagwörter ........................................................................................ 246 Wiederholungsfragen .......................................................................................... 247 GGlloossssaarr ...................................................................................................................... 249 SSttiicchhwwoorrttvveerrzzeeiicchhnniiss ............................................................................................. 263 <?page no="14"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service SSyymmbbooll-uunndd AAbbkküürrzzuunnggssvveerrzzeeiicchhnniiss A Arbeitseinsatz (Faktoreinsatz) a Arbeitsproduktivität Veränderung d infinitesimal kleine Veränderungen (in Ableitungen) infinitesimal kleine Veränderungen (in partiellen Ableitungen) DK Durchschnittskosten E (Umsatz-)Erlöse e Elastizität G Gewinn GE Grenzerlöse GK Grenzkosten K Kosten OK Opportunitätskosten p Preis PUG Preisuntergrenze q Faktorpreis r Faktoreinsatzmengen U Nutzen (Grad der Bedürfnisbefriedigung) VDK variable Durchschnittskosten x Produktionsmenge x a Angebotsmenge x n Nachfragemenge y Konsumbudget, verfügbares Einkommen z Lageparameter der Angebotskurve <?page no="16"?> TTeeiill 11: : AArrbbeeiittsstteeiilluunngg" MMäärrkkttee uunndd WWiirrttsscchhaaffttssoorrddnnuunngg <?page no="18"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 11: : GGrruunnddllaaggeenn uunndd ÜÜbbeerrssiicchhtt Wirtschaftliche Entscheidungen gehören zu unserem Alltag: Auf dem Arbeitsmarkt erzielen wir Einkommen. Orientiert an Bedürfnissen teilen wir unser Konsumbudget auf für Wohnen, für Essen und für Unterhaltung. Unternehmen legen fest, welche Produkte sie in welcher Menge und Qualität anbieten wollen und wie sie deren Produktion organisieren. Für alle diese Pläne spielen Preise eine Rolle. Preise ergeben sich ihrerseits aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Dieses Geflecht von Abhängigkeiten macht einen Teil der Faszination der Volkswirtschaftslehre aus. Das einführende Kapitel beschreibt, was Volkswirtschaftslehre ausmacht. Es geht um unterschiedliche Erkenntnisobjekte und um Tricks, mit denen sich Volkswirte helfen, um sich in dem verwirrenden Geflecht von Markttransaktionen zurechtzufinden. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden sollen zu der Einsicht gelangen, dass volkswirtschaftliches Denken im Alltag hilfreich sein kann. Sie lernen Methoden kennen, verfügbare Marktinformationen zu verdichten. Die Studierenden lernen, dass sich die Mikroökonomik überwiegend mit dem Geschehen auf einzelnen Märkten beschäftigt. Dagegen stellt die Makroökonomik gerade das Zusammenspiel der Märkte in den Vordergrund und betrachtet die Volkswirtschaft aus der Vogelperspektive. Zur Analyse ökonomischer Zusammenhänge benötigt man Vereinfachungen. Die Studierenden erkennen, dass die ökonomische Wirklichkeit nur mit Hilfe von Modellen abzubilden ist, in denen das Verhalten stark typisierter Wirtschaftseinheiten unter holzschnittartigen Voraussetzungen abgebildet wird. Der einzige Grund dafür ist, sich auf bestimmte Teilaspekte zu konzentrieren und die Analyse zu vereinfachen. <?page no="19"?> 20 Kapitel 1: Grundlagen und Übersicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 WWaass iisstt VVoollkksswwiirrttsscchhaaffttsslleehhrree? ? Menschen wollen ihre Bedürfnisse befriedigen. Über unsere elementaren Bedürfnisse hinaus streben wir nach Sicherheit, nach Zugehörigkeit zu Gruppen und nach Selbstverwirklichung. Nur ein Teil dieser Bedürfnisse sind wirtschaftliche Natur. Und nur diese können durch den Konsum von Waren und Dienstleistungen befriedigt werden. Volkswirte bezeichnen Waren und Dienstleistungen als Güter. Güter lassen sich nach unterschiedlichen Kriterien unterscheiden: Freie Güter sind wie Sand in der Sahara im Überfluss vorhanden und werden nicht auf Märkten gehandelt. Die meisten Güter sind dagegen knapp. Wenn Sand zum Bau von Häusern benötigt wird, müssen zur Bereitstellung Arbeit und Maschinen eingesetzt werden. Da dies mit Kosten verbunden ist, wird Sand in diesem Beispiel zu einem knappen Gut. Knappe Güter müssen produziert werden und haben daher einen Preis. Nur sie können Gegenstand wirtschaftlicher Entscheidungen sein. Güter werden zweitens nach ihrer physischen Beschaffenheit unterschieden. Bei Waren als materiellen Gütern kann Produktion und Konsum zeitlich und räumlich getrennt erfolgen, weil sie transport- und lagerfähig sind. Dies ist bei immateriellen Gütern anders salopp gesagt kann man sich Dienstleistungen nicht auf den Fuß fallen lassen. Abbildung 1: Unterscheidungsmerkmale von Gütern Physische Beschaffenheit: Waren oder Dienstleistungen Verwendungszweck: Konsum oder Investitionen Verwendungsdauer: Gebrauchs- oder Verbrauchsgüter MMaarrkkttffäähhiiggkkeeiitt: : frei oder knapp Bereitstellung: privat oder öffentlich <?page no="20"?> 1 Was ist Volkswirtschaftslehre? 21 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Nach der Art der Verwendung sind Konsumgüter und Investitionsgüter zu unterscheiden. Konsumgüter dienen unmittelbar der Bedürfnisbefriedigung. Dagegen erleichtern Investitionen die künftige Produktion. Wenn die gegenwärtig verfügbaren Güter entweder konsumiert oder investiert werden können, dann muss die Investition mit einem Verzicht auf gegenwärtigen Konsum verbunden sein. Sparen und Investieren sind also zwei Seiten derselben Medaille. Nach der Verwendungsdauer unterscheidet man viertens Gebrauchs- und Verbrauchsgüter. Während Verbrauchsgüter durch den Konsumvorgang untergehen, ermöglichen Gebrauchsgüter teilweise eine langjährige Nutzung. In einem Haushalt finden sich im Kühlschrank normalerweise Verbrauchsgüter, während der Kühlschrank selbst ein Gebrauchsgut darstellt. Schließlich gibt es private und öffentliche Güter. Private Güter sind individuell zu nutzen. Öffentliche Güter stellt der Staat allen Bürgern zur Verfügung und finanziert die Produktion oder Bereitstellung durch Steuern. Klassische Beispiele sind die Landesverteidigung oder die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch Polizei und Justiz. Private Güter werden auf Märkten gehandelt. Märkte entstehen, weil wir uns auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren und durch Tausch über ein breiteres Güterspektrum verfügen wollen. Gütermärkte zeichnen sich dadurch aus, dass die Haushalte nachfragen und Unternehmen Waren oder Dienstleistungen anbieten. Auf den meisten Märkten wie etwa dem Wochenmarkt oder dem Wohnungsmarkt sorgen Preise langfristig für einen Ausgleich von Angebot und Nachfrage. Dies muss auf dem Arbeitsmarkt nicht notwendigerweise gelten. Im Falle dauerhafter Arbeitslosigkeit ist beispielsweise zu fragen, welche Mechanismen den Ausgleich des Arbeitskräfteangebots der Haushalte und der Arbeitsnachfrage der Unternehmen erschweren. Darüber hinaus treten Wirtschaftssubjekte auf Vermögensmärkten auf: Kapitalmärkte bringen das Angebot und die Nachfrage nach Sachkapital und Finanzkapital zum Ausgleich. An der Börse werden unter anderem Aktien und Anleihen gehandelt. Banken refinanzieren sich auf dem Geldmarkt bei der Zentralbank. Das Bankensystem insgesamt stellt Unternehmen, Staat und privaten Haushalten Liquidität zur Abwicklung von Transaktionen zur Verfügung. Dies geschieht über die Kreditmärkte. Die Volkswirtschaftslehre ist die Lehre von den Märkten. Ihre Methoden dienen dazu, das Verhalten von Menschen auf Märkten zu erklären und zu zeigen, wie individuelle Entscheidungen miteinander in Übereinstimmung gebracht werden. Darüber hinaus beschäftigt sich die Volkswirtschaftslehre damit, welche gesamtwirtschaftlichen Prozesse sich aus dem Zusammenwirken von Marktentwicklungen ergeben und welche Größen die wirtschaftliche <?page no="21"?> 22 Kapitel 1: Grundlagen und Übersicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Situation eines Landes umfassend beschreiben. Dazu gehören die Gütererzeugung insgesamt, die Beschäftigung oder die Geldwertentwicklung. Neben der Beschreibung und Erklärung ökonomischer Sachverhalte zielt die Volkswirtschaftslehre auch darauf ab, Empfehlungen für die Gestaltung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen und wirtschaftspolitischer Maßnahmen zu geben. 22 MMiikkrrooöökkoonnoommiikk uunndd MMaakkrrooöökkoonnoommiikk Marktentwicklungen lassen sich aus einer Vogelperspektive oder auf einer Graswurzelebene betrachten und analysieren. Während man aus einer geringen Höhe die Details genau erkennt, werden aus großer Höhe Zusammenhänge transparenter. Allerdings können die Details dabei verloren gehen. Ökonomen müssen beide Betrachtungsniveaus beherrschen. Werden wirtschaftliche Entscheidungen einzelner Wirtschaftseinheiten oder Entwicklungen auf einzelnen Märkten untersucht, dann handelt es sich um mikroökonomische Analysen. Gegenstand der Mikroökonomik ist es, einzelwirtschaftliches Verhalten zu erklären und zu prognostizieren. Dabei stellt sich die Frage, wie sich private Haushalte oder Unternehmen unter bestimmten Rahmenbedingungen verhalten. Wichtige Teilbereiche der Mikroökonomik sind die Haushaltstheorie und die Theorie der Unternehmung, die später genauer betrachtet werden. Die Analyse der Preisbildung auf einzelnen Märkten ist ebenfalls Gegenstand der Mikroökonomik. Hier stellt sich die Frage, wie Preise auf Märkten zustande kommen und welche Beziehungen zwischen dem Marktverhalten und den zu erwartenden Marktergebnissen bestehen. Beispielsweise dürften sich bestehende Marktergebnisse akzentuieren, wenn die Macht einzelner Marktteilnehmer zunimmt. Somit erlaubt die Mikroökonomik, Schlussfolgerungen für die Wettbewerbspolitik zu ziehen. FFaallllssttuuddiiee 11: : EErrnneeuueerrbbaarree EEnneerrggiieenn mmiikkrrooöökkoonnoommiisscchh bbeettrraacchhtteett Unter der launigen Überschrift Die Förderung der Photovoltaik hat Schattenseiten macht der Newsletter 2/ 2008 des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung auf. Darin kritisieren die Essener Wirtschaftsforscher die staatliche Förderung erneuerbarer Energien. Sie legen dar, dass dadurch unwirtschaftliche Solaranlagen Strom zu Preisen bereitstellen, die ohne die Förderung niemand zu zahlen bereit wäre. Einige Beobachter betrachten die Subventionierung erneuerbarer Energien als Milliardengrab und vergleichen sie schon mit der Kohleförderung. Trotz erheblicher Kostensenkungspotentiale liegen die Stromgestehungskosten der erneuerbaren <?page no="22"?> 2 Mikroökonomik und Makroökonomik 23 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Energien auch aktuell noch um bis zu 70 % über denen eines konventionellen Kohlekraftwerks. Welche Argumente fallen Ihnen für die Förderung erneuerbarer Energie ein? Welche Strategie zur Förderung der Solarenergie empfehlen die Kritiker der gesetzlichen Festlegung von Einspeisepreisen für Öko-Strom? Aus der Vogelperspektive werden häufig die Beziehungen zwischen Märkten betrachtet, die bei der einzelwirtschaftlichen Betrachtungsweise verloren gehen. Dabei geht es beispielsweise um Zusammenhänge zwischen Güter-, Arbeits- und Geldmärkten. Die Makroökonomik untersucht also gesamtwirtschaftliche Phänomene und Entwicklungen. Typische Fragestellungen sind: Welche Ursachen für konjunkturelle Schwankungen gibt es? Wie sollten sich staatliche Entscheidungsträger in unterschiedlichen konjunkturellen Lagen verhalten? Bestehen Beziehungen zwischen Inflationsrate und Arbeitslosenquote? Diese Zusammenhänge sind auch in der wirtschaftspolitischen Debatte von großem Interesse die Erkenntnisse der Makroökonomik finden in der Konjunktur- und Wachstumspolitik Anwendung. FFaallllssttuuddiiee 22: : SSttaaaattssvveerrsscchhuulldduunngg aauuss mmaakkrrooöökkoonnoommiisscchheerr SSiicchhtt Häuslebauer wissen: wer sich verschuldet, muss diese Schulden tilgen. Wenn Politiker behaupten, die heutige Staatsverschuldung würde kommende Generationen belasten, so klingt das zunächst plausibel. Aus makroökonomischer Sicht sind aber Zweifel anzumelden. Was für den privaten Haushalt gilt, muss für den Staat nicht gleichermaßen zutreffen. Wenn öffentliche Schulden durch die Ausgabe von Wertpapieren an Inländer gedeckt werden, verändert sich die Vermögensposition des Inlands insgesamt nicht. Der Staat wird Schuldner und die Haushalte werden Gläubiger. Das gilt auch für nachfolgende Generationen, weil die Forderungen vererbt werden können. Vorsicht ist dagegen angebracht, wenn sich der Staat im Ausland verschuldet. Welche Argumente sprechen Ihrer Ansicht dennoch gegen eine zunehmende Staatsverschuldung? Gehen Sie auf Zinswirkungen und deren Folgeeffekte, auf Verteilungseffekte und auf die demographische Entwicklung in Deutschland ein. <?page no="23"?> 24 Kapitel 1: Grundlagen und Übersicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service 33 WWoozzuu WWiirrttsscchhaaffttsstthheeoorriiee? ? Wissenschaften dienen der Beschreibung von Sachverhalten, der Erklärung der beobachteten Phänomene und der Anwendung des neu gewonnenen Wissens. Das ist in der Volkswirtschaftslehre nicht anders. Wer einen ökonomischen Zusammenhang analysieren möchte, muss die beobachtete Wirklichkeit zunächst beschreiben. Auf Grundlage der Beschreibung erfolgt die Erklärung. Die Wirtschaftstheorie zielt darauf ab, Ursache-Wirkungszusammenhänge zu identifizieren. Kern einer Theorie sind Wenn/ Dann-Aussagen oder Hypothesen. Das Wenn deutet einerseits den auslösenden Impuls und andererseits bestimmte Rahmenbedingungen an. Unter klar definierten Bedingungen führt die Veränderung einer Größe zu Reaktionen bei anderen Größen. Hypothesen können induktiv aus Beobachtungen abgeleitet werden. Auf Märkten lässt sich beobachten, dass die nachgefragte Menge eines Gutes sinkt, wenn der Preis für dieses Gut steigt. Bestätigt sich der Zusammenhang für verschiedene Güter, Regionen und Zeitpunkte, dann gilt er als gesichert, ohne dass man die Wirkungsmechanismen durchdrungen hätte. Die Gewinnung von Hypothesen heißt dagegen deduktiv, wenn aus bestimmten Annahmen über die Rahmenbedingungen und das Verhalten von Wirtschaftseinheiten logisch richtige Aussagen hergeleitet werden. In einem der folgenden Kapitel wird bewiesen, dass die nachgefragte Menge mit steigendem Preis sinkt, solange man Eigennutzstreben, gegebene Einkommen und unveränderte Preise der übrigen Güter unterstellt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde ökonomisches Wissen überwiegend induktiv erschlossen. In den letzten 100 Jahren vollzog sich der Erkenntnisfortschritt in der Volkswirtschaftslehre dagegen eher über Deduktion. Dies setzt die regelmäßige Überprüfung von Theorien mit den volkswirtschaftlichen Daten voraus. Nach Karl Popper, einem bedeutenden Wissenschaftstheoretiker, können nur widerlegbare Theorien einen Sachverhalt erklären (Falsifizierbarkeit). Theorien sollten zudem widerspruchsfrei sein. Sie können als vorübergehend akzeptiert betrachtet werden, wenn sie unter möglichst allgemeinen Bedingungen gelten und bei gleichem Komplexitätsgrad bessere Wirkungsprognosen gestatten als alternative Erklärungsansätze. Diese wissenschaftstheoretische Denkrichtung wird als kritischer Rationalismus bezeichnet danach stehen verschiedene Erklärungsansätze zueinander in Konkurrenz. <?page no="24"?> 3 Wozu Wirtschaftstheorie? 25 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Wissenschaft sollte möglichst wertfrei sein. Die Forderung der Verbrauch von Tabakwaren sollte eingeschränkt werden ist deutlich mit einer Wertung verbunden es liegt eine normative Aussage vor. Dagegen erfüllt das relativ leidenschaftslose Statement wenn die Preise von Tabakwaren steigen, dann werden sie weniger nachgefragt die Forderung nach Wertfreiheit. Es handelt sich dabei um eine positive Aussage, die lediglich einen Wenn/ Dann-Zusammenhang beschreibt. Ein allgemein akzeptiertes ökonomisches Gesetz das der fallenden Nachfragekurve wird angewendet. Anders als bei der ersten Aussage geht keine Wertung ein. Damit ist die Arbeitsteilung klar beschrieben: Politik und Gesellschaft geben Zielsetzungen und Orientierungen vor. Ökonomen können Hinweise geben, mit welchen Instrumenten diese Ziele am besten d.h. mit den geringsten Kosten bzw. mit den geringsten Nebenwirkungen erreicht werden können. Seitdem die Wirtschaftstheorie dem deduktiven Ansatz folgt, vollzieht sich der Erkenntnisfortschritt über Modelle. Anders als im Spielzeugladen handelt es sich dabei aber nicht um möglichst detailgetreue Verkleinerungen der Realität. Ein ökonomisches Modell verwesentlicht die zu erklärenden Phänomene. Die Wirtschaft ist ein hoch interessantes, aber auch ein komplexes Forschungsobjekt. Ökonomische Entscheidungen hängen von einer Vielzahl von Einflussgrößen ab. Zudem sind ökonomische Prozesse oftmals wechselseitig voneinander abhängig. Weil sich dies unmöglich en bloc beschreiben und begreifen lässt, helfen sich Ökonomen mit einigen Tricks zur Vereinfachung: Volkswirtschaftliche Modelle unterscheiden wesentliche von weniger bedeutsamen Einflüssen auf die zu erklärende Größe. Dieser Abstraktionsschritt geschieht allein, um den zu erklärenden Prozess besser sichtbar zu machen. Die als weniger bedeutsam betrachteten Größen werden dagegen konstant gesetzt. Diese Annahme heißt ceteris-paribus-Klausel (c.p.) und bedeutet unter sonst gleichen Bedingungen. Auf diese Weise werden eindeutige und oftmals auch eindimensionale Ursache-Wirkungs- Beziehungen zwischen den Modellvariablen hergestellt, die es in der Realität natürlich nicht gibt. Dem Wirtschaftsteil der Zeitung entnimmt man gelegentlich, dass eine bestimmte Rate des Wirtschaftswachstums notwendig ist, um die Beschäftigung auch nur konstant zu halten. In Deutschland liegt diese Beschäftigungsschwelle bei etwa einem Prozent. Erst Wachstumsraten darüber steigern die Beschäftigung. Mit dieser Aussage werden alle sonstigen Einflüsse auf die Beschäftigung als unverändert (c.p.) angenommen zu nennen wären beispielsweise Löhne, Einkommen oder Rohstoffpreise. <?page no="25"?> 26 Kapitel 1: Grundlagen und Übersicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Eine derartige Aussage mag daher kurzfristig durchaus berechtigt sein. Langfristig gilt eher umgekehrt: eine zunehmende Beschäftigung erlaubt eine höhere Wirtschaftsleistung. In Modellen wird individuelles Verhalten regelmäßig auf Entscheidungen repräsentativer Wirtschaftseinheiten reduziert. Derartige Wirtschaftssubjekte können Haushalte sein, weil ihnen gemeinsam ist, dass sie als Nachfrager auf den Gütermärkten und als Anbieter auf dem Arbeitsmarkt auftreten. Spiegelbildlich tritt eine für alle Unternehmen repräsentative Wirtschaftseinheit in Modellen häufig als Anbieter auf Gütermärkten und Nachfrager auf dem Arbeitsmarkt auf. Mit Hilfe dieser Annahme wird Komplexität reduziert, weil dadurch die Vielfalt ausgeblendet wird. In vielen Modellen wird angenommen, dass sich gut informierte Wirtschaftssubjekte auf Märkten relativ schnell und ohne nennenswerte Reibungsverluste an immer neue Rahmenbedingungen anpassen und sich in ihren Entscheidungen ausschließlich von ihrem eigenen Nutzen leiten lassen. Diesen so genannten homo oeconomicus gibt es in der Realität glücklicherweise nicht. Die Annahme eines komplett eigennützigen Verhaltens erleichtert aber die Analyse lässt man sie fallen, dann wird die Modellierung von Entscheidungsprozessen ungleich komplizierter. Gerade frühe Semester in den Wirtschaftswissenschaften verkennen häufig den Grund für die Argumentation mit Vereinfachungen, Annahmen und Modellen. Sie nehmen Ökonomen als Menschen wahr, die sich beliebig einen Ausschnitt der ökonomischen Realität definieren und in dieser künstlichen Welt Theorien schmieden. Meist täuscht dieser Eindruck. Die Verwesentlichung durch Modellannahmen folgt dem Prinzip der zunehmenden Komplexität. Gerade für eine Einführung in die Volkswirtschaftslehre bietet sich zunächst ein möglichst einfacher Analyserahmen an. Immer wenn Annahmen, die uns das Leben erleichtern, aufgegeben werden, werden die Theorien sperriger. <?page no="26"?> 3 Wozu Wirtschaftstheorie? 27 http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Die Volkswirtschaftslehre ist die Lehre von den Märkten. Unter bestimmten Annahmen über das Verhalten der Akteure sollen die Entwicklungen auf Märkten auf Grundlage unterschiedlicher Betrachtungsebenen erklärt werden. In der Mikroökonomik wird einzelwirtschaftliches Verhalten analysiert. Daran anknüpfend sind Preisbildungsprozesse auf einzelnen Märkten von herausragendem Interesse. Die Makroökonomik betrachtet dagegen Zusammenhänge zwischen Märkten. Zur Beschreibung und Erklärung ökonomischer Zusammenhänge werden Modelle konstruiert. Modelle sind verwesentlichte Abbilder der beobachteten Realität, die das Zusammenwirken von Ursache- Wirkungszusammenhängen unter bestimmten Annahmen aufzeigen. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Freie Güter ► Investitionsgüter ► Verbrauchsgüter ► Kapitalmarkt ► Mikroökonomik ► Makroökonomik ► homo oeconomicus ► ceterisparibus ► Deduktion ► Hypothese ► positive Aussagen ► normative Aussagen Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Robinson Crusoe lebt seit Jahren allein auf einer entlegenen Insel. Um sich ernähren zu können, muss er täglich zwei Stunden angeln. Um mehr Zeit für seine Hobbys zu haben, denkt Robinson daran, eine professionelle Fischerausrüstung zu erstellen. Erklären Sie an diesem Beispiel: Konsumgut, Investitionsgut, Ersparnis und Investition. [2] Welche Elemente sind kennzeichnend für ein ökonomisches Modell? <?page no="27"?> 28 Kapitel 1: Grundlagen und Übersicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service [3] Welche Größen beeinflussen die Nachfrage nach Neuwagen? Welche Variablen könnten kurzfristig und welche langfristig relevant sein? Was könnten Sie bei einem Prognosehorizont unter zwölf Monaten vernachlässigen? [4] Erläutern Sie das Prinzip des kritischen Rationalismus. [5] Ordnen Sie folgende Themen der Mikro- oder der Makroökonomik zu: [a] Entwicklung der Nachfrage nach PCs [b] Geldmengenentwicklung und Inflation [c] Effekte einer Lohnerhöhung für Lokführer auf deren Beschäftigung [d] Wirkungen eines Abbaus der Staatsverschuldung [e] Wirkungen von Öko-Steuern Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="28"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 22: : KKnnaapppphheeiitt uunndd PPrroodduukkttiioonnssmmöögglliicchhkkeeiitteenn Wir alle kennen das Schlaraffenland. Im Märchen sind Güter unbegrenzt verfügbar und den Konsumenten fallen die gewünschten Konsumgüter ohne weiteres zu. Gesellschaftliche Utopien fordern: jedem nach seinen Bedürfnissen. In solchen Traumwelten müssen keine Entscheidungen getroffen werden. Folglich gibt es auch keine Volkswirtschaftslehre, die dabei helfen könnte. Wenn Güter überreichlich zur Verfügung stehen, muss dies auch für die zur Produktion benötigten Faktoren Arbeit, Kapital und Boden gelten. Damit fallen wir heraus aus unserer Illusion, denn es offenbart sich ein logischer Widerspruch. Wenn Güter einerseits durch die Kombination von Produktionsfaktoren entstehen, sich aber andererseits niemand beispielsweise durch das Angebot von Arbeit engagieren muss, um Güter zu bekommen, dann wird es keine Güter geben. Für die raue Wirklichkeit gilt: erstens sind Entscheidungen zu treffen, zweitens bietet die ökonomische Theorie dabei Unterstützung und drittens sollten sich Anstrengungen lohnen. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden erkennen, dass die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Menschen tendenziell größer als die Produktionsmöglichkeiten sind. Aus dieser Knappheitssituation heraus können wirtschaftliche Entscheidungen als eine Wahl unter Alternativen charakterisiert werden. Die Studierenden verstehen, dass wirtschaftliche Entscheidungen für eine bestimmte Alternative gleichzeitig Entscheidungen gegen andere Alternativen sind. Mit der Transformationskurve (Produktionsmöglichkeitenkurve) können die Studierenden zeigen, dass die Güterknappheit eine Folge knapper Produktionsfaktoren ist und dass die Entscheidung für die Mehrproduktion eines Gutes eine Minderproduktion anderer Güter bedeutet. Die Studierenden lernen, dass intensives Wachstum die Produktionsmöglichkeiten langfristig steigert und dass steigende Produktivitäten die Knappheit verringern. Sie sind mit den Triebfedern des Wirtschaftswachstums vertraut. <?page no="29"?> 30 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 KKnnaapppphheeiitt uunndd öökkoonnoommiisscchheess PPrriinnzziipp Haushalte entscheiden, welche Güter sie in welcher Menge und welcher Qualität konsumieren möchten. Ökonomen gehen davon aus, dass die Konsumwünsche prinzipiell unbegrenzt sind. Einige Grundbedürfnisse sind relativ einfach zu befriedigen. Allerdings verlagert sich die Konsumnachfrage wohlhabender Haushalte auf solche Güter, die als höherwertig wahrgenommen werden. Man kauft Nahrungsmittel beispielsweise beim Bio-Bauern statt beim Discounter oder wechselt vom Schützenverein in den Golf-Club. Angesichts des Wohlstands der amerikanischen Volkswirtschaft prägte Kenneth Galbraith Ende der 1950er Jahre das Schlagwort Überflussgesellschaft und kritisierte in den damaligen USA die reichliche Versorgung mit privaten Gütern bei einem gleichzeitigen Mangel an öffentlichen Gütern. Zwar lassen Konsummuster westlicher Industrienationen Zweifel aufkommen, ob die meisten von uns Konsumentscheidungen tatsächlich reflektieren. Lou Reed fragt beispielsweise in einem Song Does anyone need a 60.000 $ car? Das hört sich fantastisch an. Allerdings maßt sich der Rockstar ein Werturteil über die richtigen Bedürfnisse an. Ökonomen sind individualistisch geprägt. Sie gehen davon aus, dass jeder Konsument für sich am besten weiß, welche Bedürfnisse er in welcher Reihenfolge befriedigen möchte. Manchmal sprechen aber selbst Marktforscher von gesättigten Märkten. Sie verstehen darunter Märkte, auf denen die Nachfrage stagniert oder sogar schrumpft. Zweifellos handelt es sich bei der Nachfrage nach Waschmaschinen in den Industrieländern nur noch um Ersatzbedarf. Andererseits: fallen Ihnen viele Menschen ein, deren Bedürfnisse in einem Maße gesättigt sind, dass sie am Monatsende große Teile ihres Einkommens sparen? Treffen prinzipiell unbegrenzte Konsumwünsche auf eine begrenzte Produktion, dann spricht man von Knappheit. In Knappheitssituationen werden wirtschaftliche Entscheidungen getroffen. Dabei sollte die Produktion beispielsweise so organisiert sein, dass mit den gegebenen Mitteln möglichst viele Konsumwünsche erfüllt werden können. Die Produktion sollte also möglichst effizient sein. Die Antwort der Ökonomen auf die Knappheit ist also die Effizienz. Damit sind wir in der Volkswirtschaftslehre angekommen: Wirtschaften bedeutet, rationale Entscheidungen über den Einsatz knapper Güter und Produktionsfaktoren zu treffen und damit die Diskrepanz zwischen Bedürfnissen und knappen Mitteln zu verringern. Ökonomen sprechen von Rationalverhalten, wenn das ökonomische Prinzip angewendet wird. In der Ausprägung des Minimal- <?page no="30"?> 2 Produktionsfaktoren, Produktionsfunktion und Produktivität 31 http: / / www.uvk-lucius.de/ service prinzips liegt Rationalverhalten vor, wenn ein gegebenes Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz angestrebt wird. Alternativ kann man den Mitteleinsatz festlegen und eine möglichst große Zielerreichung anstreben. Diese Variante wird als Maximalprinzip bezeichnet. Haushalte Unternehmen Maximalprinzip Maximierung der Bedürfnisbefriedigung bei gegebenem Konsumbudget Maximierung des Gewinns bei gegebener Technologie und gegebenen Preisen und Faktorpreisen Minimalprinzip Minimierung der Konsumausgaben bei vorgegebenem Grad der Bedürfnisbefriedigung Minimierung der Kosten für eine bestimmte Produktionsmenge bei gegebener Technologie Tabelle 1: Ausprägungen des ökonomischen Prinzips Wirtschaften heißt Optimieren. Optimieren bedeutet, Entscheidungen für bestimmte Alternativen zu treffen und damit wegen der Knappheit bestimmte andere Alternativen auszuschließen. Jede Entscheidung für etwas ist gleichzeitig eine Entscheidung gegen andere Alternativen. Durch die Entscheidung gegen diese Alternativen entstehen Opportunitätskosten. Dabei handelt es sich um den Nutzen oder die Erträge derjenigen Alternativen, die gerade nicht mehr realisiert werden können. Opportunitätskosten treten im Optimierungskalkül als Folge der Knappheit regelmäßig auf. 22 PPrroodduukkttiioonnssffaakkttoorreenn" PPrroodduukkttiioonnssffuunnkkttiioonn uunndd PPrroodduukkttiivviittäätt Im Schlaraffenland stehen Güter ohne weitere Anstrengung in konsumierbarer Form zur Verfügung. In der realen Welt knapper Güter ist dies anders. Knappe Güter müssen zunächst hergestellt werden. Unter Produktion versteht man die planmäßige Transformation von Produktionsfaktoren in marktfähige Güter. Sie umfasst alle Tätigkeiten von der Urerzeugung, über die Be- und Verarbeitung bis zur Verteilung knapper Güter. Die Produktionsfaktoren heißen auch Inputs; das Produktionsergebnis auch Output. <?page no="31"?> 32 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 2: Produktion Unter den Produktionsfaktoren sind die Primärfaktoren Kapital, Arbeit und Boden von besonderer Bedeutung. Durch den Einsatz der Primärfaktoren entstehen Einkommen: Arbeitseinkommen, Gewinne, Zinsen und Pachten. Außerdem gehen die Primärfaktoren nicht unmittelbar in das Produkt ein: Der Produktionsfaktor Kapital umfasst die im Produktionsprozess eingesetzten Gebäude und Maschinen. (Sach-)Kapital entsteht durch Investitionen der Vergangenheit. Deutschland ist vor allem deshalb den reicheren Industrienationen zuzurechnen, weil unsere Vorfahren seit der industriellen Revolution Teile ihrer Produktion zur Kapitalbildung eingesetzt haben. Das Finanzkapital also Aktien, Wertpapiere oder Bankguthaben dient nicht unmittelbar Produktionszwecken und wird dem Produktionsfaktor Kapital deshalb nicht zugerechnet. Arbeit ist der auf Produktionsziele gerichtete Einsatz menschlicher Tätigkeiten. Die Haushalte bieten den Unternehmen Arbeit bzw. ihre Arbeitszeit gegen Entgelt an. Arbeit liegt in unterschiedlichen Qualifikationen vor. Ursprünglich betrachtete man Arbeit als nicht akkumulierbaren Produktionsfaktor. Allerdings investiert jeder einzelne durch Ausbildung oder Erfahrung (learning by doing) in seinen Qualifikationsstatus. Mit Blick auf die Erklärung des wirtschaftlichen Wachstums ist es manchmal sogar sinnvoll, den Produktionsfaktor Arbeit weiter in einfache Tätigkeiten und Humankapital zu untergliedern. Zum Produktionsfaktor Boden gehören Grundstücke, die zur Produktion genutzt werden. Dies können landwirtschaftliche Flächen, aber auch Betriebsgrundstücke sein. Boden wird als ursprünglicher Produktionsfaktor angesehen, dessen Menge oder Qualität durch Investitionen nur begrenzt zu beeinflussen ist. PProduktionsfaktoren (Inputs) Kapital Arbeit Boden Vorleistungen Rohstoffe Know-how Produktionsergebnis (Outputs) Konsumgüter Investitionsgüter Vorleistungen Schadstoffe Produktionspprozess <?page no="32"?> 2 Produktionsfaktoren, Produktionsfunktion und Produktivität 33 http: / / www.uvk-lucius.de/ service FFaallllssttuuddiiee 33: : SSttrruukkttuurrwwaannddeell Anhand der Primärfaktoren lässt sich die langfristige wirtschaftliche Entwicklung charakterisieren. Die traditionelle Gesellschaft war von landwirtschaftlicher Produktion dominiert. In diesem primären Sektor war Boden der wesentliche Produktionsfaktor. Dies änderte sich durch die industrielle Revolution, die mit Beginn des 19. Jahrhunderts einsetzte. In dem von der Industrie, dem sekundären Sektor, dominierten Wirtschaft wurde Sachkapital zum wichtigsten Produktionsfaktor. Ein wesentlicher Grund für das rasante Wirtschaftswachstum in dieser Periode genau wie in Japan Anfang des 20. Jahrhunderts oder gegenwärtig in China war die Vermehrbarkeit des Sachkapitals durch Investitionen. Aktuell beobachten wir die Tertiarisierung der Wirtschaft. Dabei gewinnt der Dienstleistungsbereich als dritter Sektor immer mehr an Bedeutung. Entsprechend wird die als Humankapital bezeichnete qualifizierte Arbeit wichtiger. Finden Sie Daten zur Bedeutung des Dienstleistungssektors in Deutschland seit dem 2. Weltkrieg und stellen Sie sie graphisch dar. Neben den Primärfaktoren sind zur Produktion Inputs notwendig, die im Produktionsprozess untergehen. Bei den Vorleistungen handelt es sich um Lieferungen zwischen Unternehmen. Durch die zunehmende Spezialisierung erwerben Unternehmen immer mehr Komponenten und Leistungen auf ihren Beschaffungsmärkten. So lassen sich beispielsweise Automobilproduzenten verstärkt elektronische Steuerungen zuliefern. Vorleistungen sind aber nicht auf materielle Güter beschränkt. Ein wesentlicher Teil der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors ist darauf zurückzuführen, dass Unternehmen verstärkt Tätigkeiten auslagern, die nicht ihre Kernkompetenz berühren. Was mit dem Outsourcing der Gebäudereinigung oder des Wachdienstes begann, berührt verstärkt betriebliche Kernfunktionen wie das Rechnungswesen oder die Informationstechnologie. Die natürliche Umwelt kann ebenfalls ein Produktionsfaktor sein. Rohstoffe, die in Produktionsprozesse eingehen, sind nicht oder nur in Grenzen erneuerbar ihre Vorkommen sind prinzipiell begrenzt. Auch wenn die meisten Rohstoffe durch den Einsatz von Primärfaktoren zunächst gefördert und bearbeitet werden müssen, stellt die Natur für die Produktion eine Quellenfunktion dar. Andererseits entstehen bei vielen Produktionstätigkeiten Reststoffe oder Schadstoffe, die in die Luft, das Wasser oder den Boden eingebracht werden. Dies ist die Senkenfunktion der Umwelt. Sofern durch diese Emissionen dauerhafte Schäden entstehen, stellt der Werteverzehr in der Natur ebenfalls Ressourcenverbrauch dar. Da die Umweltnutzung nicht zu Knappheitspreisen gehandelt wird, entstehen durch die Übernutzung der Natur Umweltprobleme. <?page no="33"?> 34 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Know-how ist in Abbildung 2 als Schlagwort für das zur Produktion benötigte technische oder organisatorische Wissen aufgeführt. Technischer Fortschritt als Veränderung dieses Wissens ist der Teil des Produktionswachstums, der nicht durch einen vermehrten Einsatz von Produktionsfaktoren entsteht. Insbesondere wenn das wirtschaftliche Wachstum zu analysieren ist, kommt dem technischen Fortschritt eine besondere Bedeutung zu. Mit der Produktion oder dem Produktionsprozess ist der Zusammenhang zwischen den Inputs und dem Output angesprochen. Die Produktionstheorie erklärt die mengenmäßigen Beziehungen zwischen Inputs und Output und trifft Voraussagen darüber, wie die Produktionsmenge vom Einsatz der einzelnen Produktionsfaktoren abhängt. Der Zusammenhang zwischen Inputs und Outputs lässt sich formal durch eine Produktionsfunktion darstellen: Dabei ist X das Symbol für die Produktionsmenge, A stellt den Arbeitseinsatz dar. Damit kommen wir zu unserem ersten Modell, mit dem die gesamtwirtschaftliche Produktion einer Volkswirtschaft analysiert werden soll. Bei einer makroökonomischen Betrachtung können Vorleistungen außer Acht gelassen werden. Sie sind Input in einigen Unternehmen und gleichzeitig Output anderer. Sofern Boden als Produktionsfaktor vernachlässigbar ist, erscheint eine gesonderte Berücksichtigung in der obigen Funktion verzichtbar. In einer kurzen Frist soll der Kapitalbestand ebenfalls gegeben sein. Ressourcenverbrauch soll hier nicht thematisiert werden und der Stand des technischen Wissens sei ebenfalls gegeben. Unter diesen c.p.-Bedingungen stellt die gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion den Zusammenhang zwischen den in einer Volkswirtschaft eingesetzten Arbeit und der erzielbaren Produktionsmenge dar. In Abbildung 3 sind zwei Produktionsfunktionen graphisch dargestellt. Dazu werden die Produktionsmenge auf der Hochachse und der Einsatz des Produktionsfaktors Arbeit auf der Querachse dargestellt. Werden keine Faktoren eingesetzt, dann erzielt man kein Produktionsergebnis. Zunehmende Faktoreinsätze führen zu einer steigenden Produktion. Neben einem linearen Verlauf als einfachstem Fall ist ein Verlauf mit einer abnehmenden Steigung dargestellt. Die Steigung der Produktionsfunktion ist die Produktivität sie gibt die Produktion pro Faktoreinheit an. Die Arbeitsproduktivität als mengenmäßige Relation zwischen Produktionsmenge und Arbeitseinsatz X/ A ist ein wichtiges Effizienzmaß. Bleibt die Produktivität für zunehmende Faktoreinsätze unverändert, dann ist die Produktivität entlang der Produktionsfunktion konstant in der Graphik ist dies durch die Gerade dargestellt. Nimmt die Produktivität dagegen mit steigendem Faktoreinsatz ab, dann wird sich der gekrümmte Verlauf der ergeben. Man wird eher einen linearen Verlauf antreffen, wenn die Produktion stark mechani- <?page no="34"?> 2 Produktionsfaktoren, Produktionsfunktion und Produktivität 35 http: / / www.uvk-lucius.de/ service siert ist. Bei der Produktion von Automobilen oder Elektronikbauteilen dürfte die Produktionsmenge pro Zeiteinheit beispielsweise weitgehend unabhängig davon sein, wie lange eine bestimmte Schicht an diesem Tag schon tätig war. Sinkende Produktivitäten trifft man immer dann an, wenn Menschen die Taktrate vorgeben. Die Kreativität und die Lernfähigkeit sind bei den meisten Menschen morgens am größten und nehmen mit zunehmender Arbeitsbelastung ab. Entsprechend ergibt sich dann der blaue Verlauf mit einer fallenden, aber durchweg positiven Steigung. Abbildung 3: Produktionsfunktionen FFaallllssttuuddiiee 44: : PPrroodduukkttiivviittäättsseennttwwiicckklluunngg Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität ist in der wirtschaftspolitischen Debatte eine wichtige Kennziffer. Im längerfristigen Vergleich oder auch im Vergleich unterschiedlicher Staaten wird die Produktivität auch als Wohlstandsmaß angesehen. Das Produktivitätswachstum gilt zudem als wichtigster Indikator des technischen Fortschritts. Kurzfristig grenzen die jährlichen Veränderungen der Arbeitsproduktivität Verhandlungsspielräume in Tarifverhandlungen ab. Stellen Sie Arbeitsproduktivität und ihre Veränderungsraten für die letzten Jahre anhand von Daten für die Bundesrepublik dar und kommentieren Sie Ihren Befund. Welchen Unterschied macht es, ob Sie als Bezugsgröße die Zahl der Arbeitsstunden oder die Zahl der Beschäftigten wählen? Produktion Arbeit <?page no="35"?> 36 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service 33 DDiiee TTrraannssffoorrmmaattiioonnsskkuurrvvee Bei gegebener Technologie begrenzt die Verfügbarkeit von Produktionsfaktoren die Produktionsmöglichkeiten einer Volkswirtschaft. Bei Vollausschöpfung aller Faktoren bedeutet die zusätzliche Produktion von Sonnenkollektoren also beispielsweise den Verzicht auf die Produktion anderer Güter. Anders ausgedrückt: jede Einheit eines Produktionsfaktors kann nur einmal für Produktionszwecke eingesetzt werden. Zur Konstruktion der Transformationskurve oder Produktionsmöglichkeitenkurve wird vereinfachend angenommen, dass die Produktion nur durch einen Produktionsfaktor limitiert wird. Stellen wir uns vor, die verfügbaren Arbeitsstunden könnten entweder zur Produktion eines Gutes (A 1 ) oder zur Produktion eines anderen Gutes (A 2 ) verwendet werden. Dann gilt: Die verfügbaren Arbeitsstunden können entweder vollständig für Gut 1 oder für Gut 2 eingesetzt werden (Abbildung 4). Im ersten Fall erhält man den Schnittpunkt mit der Hochachse, weil keine Arbeitsstunden mehr für Gut 2 zur Verfügung stehen. Dagegen bedeutet der Punkt auf der Querachse, dass sämtliche Arbeitsstunden zur Produktion des zweiten Gutes aufgewendet werden. Abbildung 4: Faktorallokation Arbeitseinsatz Gut 1 Arbeitseinsatz Gut 2 B C -ΔA 1 ΔA 2 <?page no="36"?> 3 Die Transformationskurve 37 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Will man ausgehend von einem beliebigen Punkt B mehr Arbeit zur Produktion des zweiten Gutes aufwenden, dann müssen A 1 Arbeitsstunden aus der Produktion des ersten Gutes abgezogen werden, damit Arbeitseinheiten zur Produktion des zweiten Gutes zur Verfügung stehen. Die Punkte B und C sind verschiedene Allokationen des Faktors Arbeit. Abbildung 5 verdeutlicht die Konsequenzen für die Produktionsmöglichkeiten. Dabei ist links zunächst der einfachere Fall dargestellt: Wenn für zwei Güter lineare Produktionsfunktionen gelten, dann sind die Arbeitsproduktivitäten a 1 und a 2 konstant. Die Produktionsmengen X 1 und X 2 hängen nur vom jeweiligen Arbeitseinsatz A 1 und A 2 ab: Verzichtet man vollständig auf die Produktion von Gut 2, dann kann auf der Hochachse eine maximale Menge von Gut 1 hergestellt werden. Entsprechend gilt für einen vollständigen Verzicht auf die Produktion von Gut 1 auf der Querachse Wenn nun eine Arbeitsstunde mehr zur Produktion von Gut 2 und eine weniger für die Produktion des ersten Gutes eingesetzt wird, dann gilt: ∆ ∆ 1 In Gütereinheiten ausgedrückt bedeutet dies, dass wegen des knappen Produktionsfaktors Arbeit eine Mehrproduktion von X 2 =a 2 immer einen Rückgang der Produktion um X 1 = −a 1 erfordert. Diesen Sachverhalt erfassen die Opportunitätskosten. Sie sind als Steigung der Transformationskurve darstellbar und geben an, auf wie viele Einheiten des Gutes 1 verzichtet werden muss, um eine zusätzliche Einheit des Gutes 2 herstellen zu können. Wenn bei der Produktion des ersten Gutes eine Arbeitseinheit weniger und bei der des zweiten Gutes entsprechend eine mehr eingesetzt wird, dann steigt die Produktion von Gut 2 um a 2 , während die Produktion von Gut 1 um a 1 sinkt. Für die Opportunitätskosten von Gut 2 gilt also: ∆ ∆ <?page no="37"?> 38 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 5: Transformationskurven Die Opportunitätskosten des zweiten Gutes geben an, auf wie viele Einheiten von Gut 1 man verzichten muss, um eine zusätzliche Einheit von Gut 2 herzustellen. Allgemein zeigt die Transformationskurve, dass die Mehrproduktion eines Gutes zu jedem beliebigen Zeitpunkt den Verzicht auf eine bestimmte Menge des anderen Gutes bedingt. Solange die Produktionsfunktionen linear und die Arbeitsproduktivitäten entsprechend konstant sind, ist auch die Transformationskurve eine Gerade das Verhältnis der beiden Produktivitäten ist konstant. Die Berechnungsvorschrift für die Opportunitätskosten gilt aber auch für Produktionsfunktionen mit sinkenden Produktivitäten. Dies ist in Abbildung 5 rechts dargestellt. Betrachten wir zunächst die Situation, in der relativ viel vom Gut 1 und entsprechend wenig von Gut 2 hergestellt wird. Die Arbeitproduktivität a 1 ist also schon relativ gering, während a 2 aufgrund der geringen Produktion von Gut 2 vergleichsweise hoch ist. Will man nun eine Einheit mehr von Gut 2 herstellen, erfordert dies nur einen geringen Verzicht auf Gut 1. Entsprechend ist das Steigungsdreieck flach. Umgekehrt ist für eine geringe Produktion von Gut 1 die Produktivität hoch und beim zweiten gering. Will man hier noch mehr von Gut 2 herstellen, dann bedeutet das einen Verzicht auf eine sehr große Menge des ersten Gutes. Das Steigungsdreieck ist sehr steil. Für sinkende Produktivitäten ergibt sich also ein konkaver Verlauf der Transformationskurve. Punkte auf der Transformationskurve geben Güterkombinationen an, bei deren Herstellung der Faktorbestand effizient genutzt und gerade ausgeschöpft wird. Gut 1 Gut 2 Gut 1 Gut 2 X 1 max X 2 max X 1 max X 2 max <?page no="38"?> 4 Knappheit und Wachstum 39 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Effizienz bedeutet, dass eine Mehrproduktion eines Gutes zu jedem beliebigen Zeitpunkt nur auf Kosten einer Minderproduktion anderer Güter möglich ist. Werden Produktionspunkte unterhalb der Transformationskurve realisiert, dann werden Faktoren verschwendet. Eine solche Ineffizienz bedeutet, dass die Produktion eines Gutes zu steigern wäre, ohne auf andere Güter verzichten zu müssen. Kombinationen oberhalb der Transformationskurve sind dagegen kurzfristig nicht realisierbar. 44 KKnnaapppphheeiitt uunndd WWaacchhssttuumm Wirtschaften bedeutet, materielle Bedürfnisse angesichts knapper Produktionsmöglichkeiten möglichst gut zu befriedigen. Kurzfristig müssen die Bedürfnisse an die gegebenen Produktionsmöglichkeiten angepasst werden (Abbildung 6). Wirtschaftswachstum ist dagegen eine Option, die es erlaubt, die Produktionsmöglichkeiten längerfristig den Bedürfnissen anzunähern. Es erscheint als trivial, die Produktion durch einen vermehrten Faktoreinsatz zu steigern. Nimmt die Zahl der Arbeitskräfte zu, dann steigen die Produktionsmöglichkeiten und die Transformationskurve verschiebt sich nach außen. Auch wenn Investitionen den Sachkapitalbestand erhöhen, nehmen die Produktionsmöglichkeiten zu. Umgekehrt dürfte der demographische Wandel unsere Produktionsmöglichkeiten tendenziell verringern. Abbildung 6: Lösungen des Knappheitsproblems Gut 1 Gut 2 Bedarfspunkt kurzfristig: Anpassung der Bedürfnisse an die Produktionsmöglichkeiten langfristig: Wachstum als Steigerung der Produktionsmöglichkeiten Gut 1 Gut 2 Bedarfspunkt <?page no="39"?> 40 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Unter intensivem Wachstum versteht man dagegen zusätzliche Produktionsmöglichkeiten durch neue Technologien, neue Produkte oder neue Organisationsformen. Der damit verbundene Anstieg der Arbeitsproduktivität führt dann zu einer Rechtsverschiebung der Transformationskurve, selbst wenn der Faktoreinsatz unverändert bleibt. Produktivitätszuwächse sind ein wesentliches Element bei der Erklärung von Wachstumsprozessen und nicht zuletzt in der Wachstumspolitik. Ein forcierter Produktivitätsanstieg könnte den negativen Konsequenzen des demographischen Wandels auf die Produktionsmöglichkeiten also entgegenwirken. Abbildung 7: Rahmenbedingungen für intensives Wachstum Langfristig so zeigt die Erfahrung in den Industrieländern steigt durch den Produktivitätsfortschritt der materielle Wohlstand (Abbildung 7). Zentral für das Verständnis von Wachstum sind die zunehmenden Qualitäten der Faktoren: Die traditionelle Wachstumstheorie rückt Investitionen und Sachkapitalbildung in den Vordergrund. Wenn die Kapitalintensität d.h. die Kapitalausstattung pro Arbeitseinheit zunimmt, dann steigt die Arbeitsproduktivität. Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass Länder stärker wachsen, deren Investitionen im Vergleich zu ihrer Produktion sehr hoch sind. Hohe Sparquoten bedeuten intensive Kapitalbildung Humankapital und Lerneffekte gut ausgebildete Arbeitskräfte, Training on the job Forschung und Entwicklung technologischer Fortschritt durch neue Produkte und neue Verfahren (Innovation & Imitation) Wettbewerbspolitik Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung für mehr Effizienz und Wettbewerb Infrastruktur Erhalt und Ausweitung u.a. der Verkehrs- und Telekommunikationsnetze durch öffentliche Investitionen <?page no="40"?> 4 Knappheit und Wachstum 41 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Ökonomen bezeichnen die Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer in einer Volkswirtschaft als Humankapital und sehen es als weitere wichtige Determinante der Produktivitätsentwicklung an. Investitionen in Humankapital erfolgen durch Schulen und Bildungsinstitutionen, aber auch durch berufliche Bildung und learning by doing. Forschung und Entwicklung (F&E) sind für das Verständnis des Wirtschaftswachstums elementar. Die Finanzierung der Grundlagenforschung übernimmt der Staat. Unternehmen betreiben anwendungsnahe Forschung und hoffen, neue Produkte auf den Markt zu bringen oder neue Produktionsverfahren zu implementieren. Wie im Falle des Sachkapitals und des Humankapitals fallen dabei ebenfalls Opportunitätskosten an. Die Unternehmen verzichten auf gegenwärtige Gewinne, um ihre Marktstellung längerfristig behaupten zu können. Die Wachstumspolitik sollte Anreize für Investitionen schaffen. Alles, was Sachkapitalbildung, Ausbildung und Forschung begünstigt, ist prinzipiell als Wachstumsstrategie interpretierbar. Entscheidend für Wachstum ist zudem die Qualität der Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur. Wichtig sind auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen: die Wirtschaft braucht Gesetze und Institutionen wie eine stabilitätsorientierte Notenbank oder eine Wettbewerb sichernde Kartellbehörde. Der Staat kann den Wettbewerb durch geeignete Maßnahmen intensivieren. Dies kann in globalem Maßstab durch die Förderung von Freihandel zwischen Staaten geschehen. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Knappheit entsteht durch unbegrenzte materielle Bedürfnisse bei begrenzt verfügbaren Gütern. Wirtschaften bedeutet, rationale Entscheidungen über den Einsatz knapper Güter zu treffen. Unter Produktion versteht man die planmäßige Transformation von Produktionsfaktoren Arbeit, Humankapital und Sachkapital sowie Vorleistungen, Umwelt und technisches Wissen in marktfähige Güter. Die in einer Volkswirtschaft vorhandenen Produktionsmöglichkeiten lassen sich als Transformationskurve darstellen. Deren Steigung gibt an, in welchem Umfang auf die Produktion eines anderen Gutes verzichtet werden muss, wenn die Produktion eines anderen gesteigert werden soll. <?page no="41"?> 42 Kapitel 2: Knappheit und Produktionsmöglichkeiten http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Knappheit ► gesättigte Märkte ► Effizienz ► ökonomisches Prinzip ► Opportunitätskosten ► Produktion ► Produktionsfaktoren ► Produktivität ► Transformationskurve ► Kapitalintensität ► Humankapital ► Wachstumspolitik Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Fußballtrainer äußern in Interviews manchmal, ihr Team habe es geschafft, mit minimalen Mitteln ein Maximum herauszuholen. Erörtern Sie, warum solche Äußerungen ein Indiz dafür sind, dass Logik nicht zu den Stärken dieser Übungsleiter gehört. [2] Worin besteht der Unterschied zwischen Humankapital und technischem Wissen? [3] Studierende in der Studienberatung klagen darüber, dass sie im Falle von Prüfungsrückständen für ein weiteres Semester Studienbeiträge zahlen müssen. Zeigen Sie, dass sie sich in der VWL besser auskennen und schätzen Sie die Opportunitätskosten eines zusätzlichen Semesters richtig ab. [4] Finden sie je ein Beispiel für den linearen und den nichtlinearen Verlauf der Produktionsfunktion. Argumentieren Sie mit der Produktivität. [5] Die Produktionsfunktion für Gut 1 sei x 1 = 2A 1 und für Gut 2 gelte x 2 = 4A 2 . Die verfügbare Arbeit sei A 1 + A 2 = 100. [a] Mit welchem ökonomischen Fachbegriff sind die 2 und die 4 anzusprechen? [b] Wie hoch sind die Opportunitätskosten von Gut 2? [c] Welche Transformationskurve ergibt sich? [d] Die Produktivität bei der Herstellung von Gut 2 steige um 25 Prozent. Was ändert sich dann im Vergleich zu [b] und [c]? [6] Erläutern Sie vier Ansatzpunkte für eine staatliche Wachstumspolitik. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="42"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 33: : AArrbbeeiittsstteeiilluunngg uunndd TTaauusscchh Woher kommt unser Wohlstand? Schon Adam Smith, der Gründervater der Volkswirtschaftslehre, beschäftigte sich in seinem Klassiker The Wealth of Nations aus dem Jahr 1776 mit eben dieser Frage. Seiner Meinung nach sind vor allem Eigennutzstreben und Arbeitsteilung wesentliche Antriebsfedern der wirtschaftlichen Entwicklung. Ein breit angelegtes Forschungsprojekt der Weltbank in den 1990er Jahren zeigte, dass derartige Fragestellungen keineswegs an Aktualität eingebüßt haben. Die meisten Volkswirte stimmen darin überein, dass die zunehmende internationale Arbeitsteilung, der technische Fortschritt sowie Investitionen in Humankapital und Sachkapital wesentliche Wachstumsfaktoren sind. LLeerrnnzziieellee Kurzfristig sind Knappheitsprobleme zu lindern, wenn die Produktionsfaktoren effizient eingesetzt werden. Die Studierenden erkennen, dass Arbeitsteilung und Spezialisierung dabei eine zentrale Rolle spielen. Die Studierenden kennen Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile und wissen, dass die Einbindung in eine Arbeitsteilung Win-Win-Situationen herbeiführt. Geld ist produktiv in einer Tauschwirtschaft ist es notwendig, um die Transaktionskosten zu senken. Rein funktional betrachtet ist Geld Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Arbeitsteilung erfordert eine Abstimmung individueller Wirtschaftspläne. Die Studierenden lernen die drei Grundfragen des Wirtschaftens kennen: Was soll produziert werden? , Wie soll produziert werden? und Wer erwirkt welche Anteile am Produktionsergebnis? . <?page no="43"?> 44 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 TTaauusscchh uunndd kkoommppaarraattiivvee KKoosstteennvvoorrtteeiillee Traditionelle Wirtschaften sind Selbstversorgungswirtschaften, in der jeder diejenigen Güter selbst produziert, die er zur Befriedigung seiner Bedürfnisse benötigt. Auf der Suche nach effizienteren Produktionsformen wurde die Produktion immer stärker spezialisiert und aus den Haushalten in Unternehmen verlagert. Typisches Merkmal moderner Produktionsvorgänge ist die Arbeitsteilung. Adam Smith schreibt in seinem Wealth of Nations: Die Arbeitsteilung dürfte die produktiven Kräfte der Arbeit mehr als alles andere fördern und verbessern. (
) Ein Arbeiter, der noch niemals Stecknadeln gemacht hat und auch nicht dazu angelernt ist (
), könnte (
) täglich sicherlich keine zwanzig Nadeln herstellen. Aber so, wie die Herstellung von Stecknadeln heute betrieben wird (
), zerfällt sie in eine Reihe getrennter Arbeitsgänge, die zumeist zur fachlichen Spezialisierung geführt haben. (
) Um eine Stecknadel herzustellen, sind somit etwa 18 verschiedene Arbeitsgänge notwendig, die (
) jeweils verschiedene Arbeiter besorgen (
). Smith führt weiter aus, dass er eine Manufaktur gesehen habe, in der pro Beschäftigtem täglich rund 4.800 Nadeln gefertigt wurden. Wodurch kommen die Produktivitätssteigerungen zustande? Erstens spielen Lerneffekte eine Rolle. Produktivitätssteigerungen werden dadurch erreicht, dass eine Tätigkeit umso leichter fällt, je öfter sie wiederholt wird. Man bekommt Routine: flickt man erstmalig einen Fahrradschlauch, dann kann das leicht eine Stunde dauern. Beim zweiten Mal benötigt man kaum mehr als eine halbe Stunde und beim dritten Mal geht es noch schneller. Zweitens realisiert man durch die Zerlegung von Tätigkeiten einen organisatorischen Fortschritt. Die Einführung des Fließbands zeigt beispielsweise, dass durch die Zerlegung einer Tätigkeit in Teilverrichtungen die Produktivität steigt. In der Organisationstheorie bezeichnet man dies Taylorismus: Taylor äußerte Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Erwartung, dass sich die Produktivität beliebig steigern lässt, wenn man nur die Arbeitsabläufe in immer kleinere Einheiten zerlegt. Im Zeitalter der industriellen Gruppenfertigung wissen wir, dass diesen Potenzialen Grenzen gesetzt sind und dass es aufgrund von Kosten der Arbeitszerlegung einen optimalen Grad der Arbeitsteilung gibt. Der letzte Punkt, den Smith anschneidet, ist die Kapitalintensivierung: je besser die Ausrüstung der Arbeiter mit Maschinen, desto höher die Produktivität. Eine zunehmende Sachkapitalausstattung der Arbeitsplätze ist aber nicht unabhängig von der Zerlegung der Arbeitsabläufe. <?page no="44"?> 1 Tausch und komparative Kostenvorteile 45 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Außerdem könnten mit zunehmender Produktion Produktivitätsvorteile verbunden sein erst große Stückzahlen könnten beispielsweise den Einsatz bestimmter Maschinen rechtfertigen. Sinken die pro Stück anfallenden Produktionskosten durch derartige Effekte, dann liegen economies of scale vor. Außerdem fallen einige betriebliche Tätigkeiten unabhängig der produzierten Menge an beispielsweise die des Controllers, der Forschungsabteilung oder auch des Empfangs. Sie führen zu Fixkosten. Wenn es gelingt, diesen festen Betrag auf eine größere Produktionsmenge zu verteilen, dann spricht man von Fixkostendegression. Wir begegnen der Arbeitsteilung im Alltagsleben beispielsweise in Form unterschiedlicher Berufe. Selbst innerhalb eines Berufes gibt es weitere Spezialisierungen: Einige Betriebswirte/ innen sorgen für einen möglichst günstigen Einkauf. Andere kümmern sich um die Absatzmärkte oder um effiziente Produktionsabläufe. Über diese innerbetriebliche Arbeitsteilung hinaus haben größere Unternehmen mehrere Produktionsstandorte, die Produkte arbeitsteilig fertigen. Die Wirtschaft weist verschiedene Wirtschaftszweige und Branchen auf dies bezeichnet man als sektorale Arbeitsteilung. Schließlich spezialisieren sich einzelne Staaten auf bestimmte Produkte und tauschen sie im internationalen Handel aus. Das ist die internationale Arbeitsteilung. Spezialisierung ermöglicht es nicht nur, Produktivitätsreserven auszuschöpfen und damit bei gegebener Faktorausstattung mehr zu produzieren. Durch Tausch nehmen trotz gegebener Produktionsmöglichkeiten auch die Konsummöglichkeiten zu. Mit Tausch egal ob zwischen Personen, Branchen oder Staaten stellen sich die Beteiligten im Allgemeinen also besser als ohne. Dies hat der englische Ökonom David Ricardo Anfang des 19. Jahrhunderts mit Hilfe eines einfachen Zahlenbeispiels gezeigt. Demnach können Portugal und England bei begrenzten Produktionsmöglichkeiten jeweils Tuch oder Wein herstellen. Die folgende Tabelle zeigt den jeweils zur Produktion einer Gütereinheit benötigten Arbeitseinsatz. Es handelt sich also um Kehrwerte der (jeweils konstanten) Arbeitsproduktivitäten: Arbeitseinsatz pro Mengeneinheit Arbeitseinsatz bei Autarkie Arbeitseinsatz bei Spezialisierung und Tausch Tuch Wein EEnnggllaanndd 100 120 220 200 PPoorrttuuggaall 90 80 170 160 Tabelle 2: Vorteile der Arbeitsteilung <?page no="45"?> 46 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service In diesem Beispiel kann Portugal beide Güter mit weniger Arbeitseinsatz und daher kostengünstiger herstellen. Trotzdem lohnt sich Tausch: Stellen wir uns einmal vor, in jedem Land solle nach erfolgter Produktion je ein Fass Wein und ein Ballen Tuch zur Verfügung stehen. Bei Verzicht auf Außenhandel (Autarkie) erfordert dies in England den Einsatz von 100 + 120 = 220 Arbeitseinheiten in Portugal fielen entsprechend 80 + 90 = 170 Arbeitsstunden an. Nun schließen England und Portugal ein Handelsabkommen ab und vereinbaren, dass für jedes Fass Wein ein Ballen Tuch getauscht wird. Spezialisiert sich England auf Tuch und Portugal entsprechend auf Wein, dann würden nach dem Austausch je einer Einheit in beiden Ländern die gleiche Güterversorgung bei einem jeweils geringeren Arbeitseinsatz zur Verfügung stehen in England 200 im Vergleich zu 220 bei Autarkie und in Portugal 160 im Vergleich zu 170. Alternativ könnten bei Ausschöpfung der Produktionsmöglichkeiten nach dem Maximalprinzip in England 220/ 100 = 2,2 Ballen Tuch und in Portugal entsprechend 170/ 80 = 2,125 Fässer Wein hergestellt werden. Spezialisierung und Tausch erhöhen somit die Konsummöglichkeiten, obwohl sich die Arbeitsproduktivitäten anders als im Smithschen Stecknadelbeispiel nicht ändern. Außenhandel führt also bei gegebenen Produktionsmöglichkeiten zu einem effizienteren Faktoreinsatz, selbst wenn ein Land gegenüber dem anderen Land bei Produktion beider Güter Kostennachteile hat. Worauf beruht dieses zunächst verblüffende Ergebnis? Es hängt damit zusammen, dass auch ein Land mit Kostenvorteilen bei beiden Gütern nur über eine begrenzte Menge an Faktoren verfügen kann. Damit kommen wieder Opportunitätskosten ins Spiel: England muss zur Produktion einer zusätzlichen Einheit Wein auf 120/ 100 = 6/ 5 Einheiten Tuch verzichten. In Portugal ist der Verzicht dagegen kleiner: eine Einheit mehr Wein kostet 80/ 90 = 8/ 9 Einheiten Tuch die Transformationskurve verläuft dort also flacher. Portugal muss also zur Weinproduktion auf weniger Tuch verzichten als England. Unabhängig von den Kostenniveaus hat es folglich bei Wein einen relativen oder komparativen Kostenvorteil. England hat umgekehrt bei der Tuchproduktion einen komparativen Kostenvorteil. Formal heißt das: Die Opportunitätskosten der Tuchproduktion als Kehrwerte der obigen Brüche sind in England mit 5/ 6 kleiner als in Portugal (9/ 8). Solange die Produktivitäten konstant und die Transformationskurven somit linear sind, entspräche es dem ökonomischen Prinzip, wenn England nur Tuch und Portugal nur Wein produzierte. <?page no="46"?> 1 Tausch und komparative Kostenvorteile 47 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Mit dieser Erkenntnis hat Ricardo Anfang des 19. Jahrhunderts die Wirtschaftswissenschaft revolutioniert. Bis dahin war man überzeugt, dass Spezialisierung nur sinnvoll ist, wenn ein Tauschpartner einen Kostenvorteil bei der einen Tätigkeit hat und der andere ein zweites Gut günstiger herstellen kann. Mit seinem Theorem der komparativen Kostenvorteile zeigte Ricardo, dass es vollkommen ausreicht, dass sich die Opportunitätskosten zweier Länder unterscheiden und dass sich Spezialisierung und Tausch selbst dann lohnt, wenn ein Land beide Güter kostengünstiger herstellen kann als ein anderes. Nehmen wir in unserem numerischen Beispiel weiter an, England verfüge als größeres Land A über 12.000 Arbeitseinheiten und Portugal entsprechend über 7.200 Einheiten. Für beide Länder gilt für die Verfügbarkeit des Faktors Arbeit A 1 + A 2 = A. Damit ist die Transformationskurve Englands mit 100 120 12.000 120 6 5 gegeben, wobei T die produzierte Menge Tuch und W die Weinproduktion darstellt. Für Portugal ergibt sich entsprechend T = 80 − 8/ 9W. Die Steigungen 6/ 5 und −8/ 9 geben erneut die Opportunitätskosten der Weinproduktion wieder. Beiderseitig vorteilhafter Tausch kommt für Austauschverhältnisse oder Terms of Trade zwischen −6/ 5 und −8/ 9 zustande. Der Einfachheit halber sei nachfolgend ein Austauschverhältnis 1/ 1 unterstellt. Dann ergeben sich die Konsummöglichkeiten Englands ausgehend vom Spezialisierungspunkt als 120 und die Portugals als 90 Die Konsummöglichkeiten durch den Tausch liegen damit für beide Länder oberhalb der Produktionsmöglichkeiten. Das verdeutlicht Abbildung 8 allerdings sind dort die Unterschiede zwischen den Opportunitätskosten größer als in Ricardos Zahlenbeispiel. Die Steigung der Transformationskurve Englands ist ausgedrückt in absoluten Werten größer als die Portugals. England spezialisiert sich auf die Tuchproduktion (Punkt S*) und Portugal auf die Weinproduktion (Punkt S). Anschließend findet Tausch statt. Die Steigung der grauen Konsummöglichkeitenkurve gibt die Terms of Trade wieder. Sie pendeln sich zwischen den Opportunitätskosten der beiden Länder ein. Dann stellen sich England und Portugal durch Tausch besser als unter Autarkie. Denkbarer Konsumpunkte sind in der Abbildung eingezeichnet. Im zwei Länder/ zwei Güter-Fall sind die Exporte des einen Landes die Importe des anderen und umgekehrt. Die farblich unterlegten Handelsdreiecke sind also deckungsgleich. Spezialisierung und Tausch lohnt sich in diesem holzschnittartigen Modell für alle Beteiligten. <?page no="47"?> 48 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 8: Produktionsmöglichkeiten und Konsummöglichkeiten Mit dem Theorem der komparativen Kostenvorteile wird vor allem der Handel zwischen Ländern mit (relativen) Kostenunterschieden beleuchtet. Stark vereinfachend ausgedrückt liefern Entwicklungsländer demnach einfache Güter und die Industrieländer zahlen im Gegenzug mit Technologie. Allerdings findet der überwiegende Teil des internationalen Handels zwischen Industriestaaten statt. Dabei treten alle Akteure als Exporteure und Importeure von Industriegütern auf. Deutschland als einer der wichtigen Weltmarktlieferanten von Maschinen und Kraftfahrzeugen führt beispielsweise zunehmend eben diese Güter ein. Dieses S* England Tuch Wein Konsumpunkt S Portugal Tuch Wein Konsumpunkt Weinimport Weinexport Tuchimport Tuchexport <?page no="48"?> 2 Geld und Tausch 49 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Muster bezeichnet man als intrasektoralen Handel diese Transaktionen werden eher mit Massenproduktionsvorteilen und Produktdifferenzierung erklärt Spezialisierungen beziehen sich meist auf kleine und kleinste Marktsegmente. Oftmals wird argumentiert, dass die Entwicklungsländer durch die Globalisierung verlieren. Abgesehen von einigen der ärmsten Länder der Welt, die Güter exportieren müssen, um ihre Schuldenlast zu bedienen, ist die Teilnahme am Welthandel freiwillig. Niemand kann dazu gezwungen werden dies mag als Indiz für eine Win-Win-Situation aller Akteure am Weltmarkt gelten. Die überwiegende Zahl der Ökonomen ist sich einig, dass die zunehmende weltwirtschaftliche Integration eine der wichtigsten Ursachen für den ökonomischen Aufstieg Europas nach dem zweiten Weltkrieg ist und auch Grundlage des anhaltenden Wirtschaftswunders der emerging economies sein dürfte. Die weltwirtschaftliche Integration begünstigt das Wirtschaftswachstum nicht zuletzt durch größere Märkte und einen intensiverer Wettbewerb. Allerdings verstärkt der Wettbewerbsdruck den Strukturwandel. Somit können unerwünschte Verteilungswirkungen auftreten. Außerdem nehmen individuelle Risiken durch eine stärkere internationale Arbeitsteilung zu. Entsprechend ist die Politik mehr und mehr gefordert, Nachteile der zunehmenden Arbeitsteilung zu korrigieren und Risiken zu verteilen. FFaallllssttuuddiiee 55: : KKoonnzzeennttrraattiioonn aauuff KKeerrnnkkoommppeetteennzzeenn Gestützt auf die entsprechende Managementliteratur streben Unternehmen seit Anfang der Neunzigerjahre eine Konzentration auf ihre Kernkompetenzen an. Anknüpfend an die Ideen von Porter, einem amerikanischen Managementpapst, versteht man darunter die Fähigkeit eines Unternehmens, in bestimmten Aktivitäten dauerhaft besser zu sein als die Konkurrenz. Dies hat weltweit zu einem Umbau von Unternehmen geführt: Nebenaktivitäten wurden verkauft, interne Dienstleister ausgegliedert oder passende Aktivitäten integriert. Letztlich geht all dies auf Smith und Ricardo zurück Spezialisierung und Arbeitsteilung führen zu mehr Wertschöpfung. Finden Sie Beispiele für Konzentration von Unternehmen auf ihre Kernkompetenz. Waren die Erfahrungen dabei immer positiv? 22 GGeelldd uunndd TTaauusscchh Geld begegnet uns im Alltag in verschiedenen Formen. Wir tragen Münzen für den Parkautomaten in der Hosentasche. Auf dem Wochenmarkt bezahlen wir mit Geldscheinen. Im Restaurant zahlen viele dagegen mit der Kreditkarte. Manche nehmen zur Anschaffung eines neuen Autos längerfristige Kredite in <?page no="49"?> 50 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service Anspruch. Zur Abwicklung des Geschäfts stellen Kreditinstitute Buchgeld auf Girokonten zur Verfügung. Andere halten Vermögen in Sparanlagen, Lebensversicherungen oder Wertpapieren, von denen sie manches relativ leicht in Bares rückverwandeln können. Die Frage nach dem Wesen des Geldes mutet fast philosophisch an. Die Antwort des Ökonomen darauf ist dagegen ernüchternd: Geld ist alles, was Geldfunktionen erfüllt. In dieser funktionalen Sicht dient es als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Arbeitsteilung und Tausch sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Tauschvorgänge selbst werden durch ein allgemein akzeptiertes Tauschmittel erleichtert. Ohne Geld müsste der Anbieter eines Gutes einen Tauschpartner finden, der erstens dieses Gut haben möchte und zweitens zugleich über ein Gut verfügt, das vom Tauschpartner als Gegenleistung akzeptiert wird. Diese wechselseitige Übereinstimmung der Tauschwünsche tritt meistens nicht ad hoc auf. Existiert Geld als ein anerkanntes Tauschmittel, dann werden nicht direkt Güter untereinander getauscht. Zunächst wird eine Leistung gegen Geld getauscht und anschließend das Geld gegen ein weiteres Gut. Ohne diese Zerlegung würde man möglicherweise einen Großteil seiner Zeit mit der Suche nach geeigneten Tauschpartnern verbringen. Geld vermeidet hier Suchkosten und ist wegen der reduzierten Transaktionskosten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft produktiv Geld dient zweitens als Recheneinheit, weil es die Zahl der möglichen Austauschverhältnisse begrenzt. Das lässt sich am einfachsten an einem Beispiel mit vier Gütern darstellen. Studierende konsumieren Mensaessen zu je 2 , Bücher zu 30 , Jeans für 60 und nach absolvierten Prüfungen darf es schon einmal eine Reise für 600 sein. Ohne Geldpreise bestünden zwischen diesen vier Gütern sechs Austauschrelationen (Tabelle 3). MMeennssaa-eesssseenn LLeehhrrbbuucchh JJeeaannss RReeiissee GGeellddpprreeiissee MMeennssaa-eesssseenn 1/ 15 1/ 30 1/ 300 2 LLeehhrrbbuucchh 15 1/ 2 1/ 20 30 JJeeaannss 30 2 1/ 10 60 RReeiissee 300 20 10 600 Tabelle 3: Geld als Tauscheinheit <?page no="50"?> 3 Zur Abstimmung der Wirtschaftspläne 51 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Man müsste sich beispielsweise merken, dass ein Lehrbuch 15 Mensaessen wert ist, dass man sich statt des Lehrbuchs eine halbe Jeans leisten könnte oder dass der Verzicht auf die Reise die Anschaffung von 10 Jeans erlauben würde. Sämtliche Angaben oberhalb der markierten Hauptdiagonalen wären zu speichern die unterhalb wären die Kehrwerte redundant. Beim Naturaltausch mit n Gütern gibt es (n 1)n/ 2 unabhängige Austauschrelationen. Bei vier Gütern sind es wie gesehen sechs, bei 100 Gütern 99 50 = 4.950 Relativpreise. Die Geldwirtschaft bewirkt also, dass man sich deutlich weniger Preise merken muss nämlich genauso viele wie es handelbare Güter gibt. Auch hier gilt: Geld ist produktiv, weil es die Arbeitsteilung und den Handel erleichtert Wenn Geld im Zeitablauf seinen Wert nicht verändert, dann können Tauschakte zeitlich auseinander fallen. Geld dient dann drittens der Wertaufbewahrung. Wenn Haushalte am Monatsende Löhne für erbrachte Arbeitsleistungen erhalten, muss gewährleistet sein, dass sich die Kaufkraft für eine Weile nicht verändert. Eine höhere Inflation schränkt folglich die Geldfunktionen ein, weil sie einen Anreiz aussendet, am Zahltag direkt alle nötigen Transaktionen durchzuführen, weil das Einkommen schon morgen deutlich weniger wert ist. Bei Abwesenheit einer nennenswerten Geldentwertung stellt Geld auch Vermögen dar. Geld muss nicht das gesetzliche Zahlungsmittel sein. Zigarettenwährungen nach dem zweiten Weltkrieg oder der weitgehende Ersatz des argentinischen Peso durch den US-Dollar während der dortigen Hyperinflation zeigt: ist die offizielle Währung faktisch zusammengebrochen, dann wird sie durch ein Zahlungsmittel ersetzt, das die Geldfunktionen erfüllt. Solche Währungssubstitute müssen hinreichend teilbar, qualitativ relativ homogen, leicht transportierbar und vor allem möglichst wertbeständig sein. 33 ZZuurr AAbbssttiimmmmuunngg ddeerr WWiirrttsscchhaaffttsspplläännee In der arbeitsteiligen Wirtschaft müssen eine Vielzahl individueller Produktions- und Konsumpläne aufeinander abgestimmt werden. Durch den Abstimmungsprozess sollten möglichst befriedigende Antworten auf folgende drei Grundfragen des Wirtschaftens gegeben werden (Abbildung 9): Was wird produziert? Bei arbeitsteiliger Produktion entscheiden die Unternehmen über die Zusammensetzung der Produktion dies ist die Koordinationsfunktion. Bei gegebenen Faktorverfügbarkeiten ist jede Entscheidung für ein Gut mit Opportunitätskosten verbunden. Wie wird produziert? Über die Faktorallokation wird ebenfalls in den Unternehmen entschieden. Beispielsweise wird bestimmt, welche Produkti- <?page no="51"?> 52 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service onsfaktoren in der Volkswirtschaft bei gegebenem Ressourcenvorrat für alternative Verwendungen verfügbar bleiben. Wer erhält welchen Teil der Produktion bzw. der Einkommen? Die Distribution macht deutlich, für wen produziert wird. Anders als bei den ersten beiden Fragen geht es hier nicht um die Größe, sondern um die Aufteilung des Kuchens. Abbildung 9: Grundfragen des Wirtschaftens Bisher wurden vor allem die Vorzüge von Arbeitsteilung und Tausch herausgestellt. Die Zerlegung von Arbeitsvorgängen bringt jedoch auch Nachteile und damit individuelle Kosten mit sich. Arbeitszerlegung und eine immer stärkere Spezialisierung machen Arbeit monoton. Mit sinkenden geistigen Anforderungen der Arbeit kann es zu Frustration und Demotivation kommen. Zudem können einseitige körperliche Belastungen zu gesundheitlichen Schäden führen. Da die Arbeit durch den Maschinentakt dominiert wird und der Einzelne seinen Beitrag zum gesamten Produkt möglicherweise nicht mehr einschätzen kann, spricht Marx von Entfremdung. Man kann das auch weniger dramatisch ausdrücken: wenn Arbeitsteilung einerseits Produktivitätsvorteile mit sich bringt, zum anderen aber zu Kosten führt, dann muss es einen optimalen Grad der Arbeitsteilung geben. Moderne Fertigungskonzepte zeigen, dass der optimale Grad der Arbeitsteilung selbst in betriebswirtschaftlicher Betrachtung nicht wie von Taylor vermutet der maximale ist. KKoordination Welche Güter sollen in welchen Mengen und Qualitäten produziert werden? Für 2 Güter (z.B. Konsum- oder Investitionsgüter) bei gegebener Kapazität impliziert eine Entscheidung für zusätzliche Investitionen einen Verzicht auf Konsum. Faktorallokation Welche Produktionsfaktoren sollen in welchen Relationen und Qualitäten eingesetzt werden? Faktorverschwendung liegt vor, wenn die Mehrproduktion eines Gutes möglich wäre, ohne die Produktion aller anderen einzuschränken. Distribution Wie sollen die hergestellten Güter bzw. die Einkommen verteilt werden ? Die Zuteilung einer Gütereinheit an einen Haushalt impliziert, dass diese Gütereinheit anderen Haushalten nicht mehr zur Verfügung steht. <?page no="52"?> 3 Zur Abstimmung der Wirtschaftspläne 53 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Je spezialisierter die Produktion, desto notweniger wird die Abstimmung individueller Wirtschaftspläne. Durch den Abstimmungsprozess fallen gesamtwirtschaftliche Kosten der Arbeitsteilung an. Die Frage ist beispielsweise, wer oder was dafür sorgt, dass ein Bäcker genügend Brötchen produziert. Schon Adam Smith hat festgestellt, dass sich der Bäcker nicht aus Nächstenliebe morgens in seine Backstube stellt, sondern um mit dem erzielten Einkommen Güter nachzufragen. Zu diesem Zweck muss es Menschen geben, die die von ihm gewünschten Güter herstellen. Die Koordination wird je nach Wirtschaftsordnung überwiegend dezentral auf Märkten oder überwiegend zentral durch eine Behörde wahrgenommen. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die Abstimmung über Märkte kostengünstiger ist, obwohl natürlich in beiden Systemen Transaktionskosten anfallen. Transaktionskosten sind die Kosten, die für die Marktteilnehmer bei der Benutzung von Märkten anfallen also beispielsweise Informationskosten, Verhandlungskosten, Zeitkosten oder Wegekosten. In einer marktwirtschaftlichen Ordnung planen Haushalte und Unternehmen unabhängig voneinander. Konsumenten signalisieren auf Märkten ihren Bedarf durch Zahlungsbereitschaften Produzenten tauschen die von ihnen hergestellten Güter gegen Geld. Durch den Vollzug der Tauschpläne bilden sich Preise je knapper ein Gut ist, desto höher wird sein Marktpreis sein. Märkte sorgen mithin dafür, dass Güter in diejenigen Haushalte wandern, die diese Güter am dringendsten benötigen. Ähnlich funktionieren Faktormärkte knappe Faktoren werden über den Preismechanismus in diejenige Verwendung gelangen, in der sie den größten Gewinn versprechen. Unter idealen Bedingungen sorgen Konkurrenzmärkte für eine bedarfsgerechte Produktionsstruktur und für eine effiziente Faktorallokation beides zusammen wird auch als optimale Allokation bezeichnet. Für Verteilungsgerechtigkeit wie immer definiert sorgen Märkte indes nicht. Hier sind ergänzend staatliche Aktivitäten gefragt. Die gegenseitige Abhängigkeit durch Arbeitsteilung bringt außerdem steigende Risiken für den Einzelnen mit sich. Werden Güter, auf die sich bestimmte Unternehmen oder Branchen spezialisiert haben, plötzlich in geringerem Ausmaß nachgefragt, dann könnten Unternehmen oder Branchen ganz oder teilweise überflüssig werden. Verläuft dieser Prozess nicht friktionsfrei, dann entstehen ebenfalls Transaktionskosten. In diesem Zusammenhang könnte dem Staat die Aufgabe zugewiesen werden, im Rahmen seiner Konjunktur-, Struktur- oder Regionalpolitik diese Risiken teilweise zu übernehmen. <?page no="53"?> 54 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service 44 RReeggeellnn uunndd IInnssttiittuuttiioonneenn In der letzten Zeit richtete sich das Augenmerk von Politik und Wissenschaft verstärkt auf die Qualität von wirtschaftlichen Regeln und Institutionen. Robinson Crusoe kommt ohne sie aus. In einer arbeitsteiligen Wirtschaft sind sie dagegen notwendig. Dabei stellt sich die Frage, welche Spielregeln elementar sind und wie sie ausgestaltet sein sollten, damit Spezialisierung und Tausch mit möglichst geringen Transaktionskosten verbunden sind und genügend Anreize für wirtschaftliches Wachstum gegeben sind. Wirtschaftliche Gepflogenheiten, Gesetze und Behörden grenzen einerseits individuelle Handlungsspielräume ein, gewähren aber andererseits die in einer arbeitsteiligen Wirtschaft notwenige Sicherheit. Funktionierende Spielregeln sind die Basis des gegenseitigen Vertrauens der Wirtschaftssubjekte untereinander, ohne das kaum jemand die mit einer Spezialisierung verbunden Risiken eingehen wird. Die individuelle Leistungsbereitschaft wird umso höher sein, je stärker Einzelne am Produktionsergebnis partizipiert. Nicht wenige Ökonomen behaupten beispielsweise, die Sklaverei sei in den USA nicht abgeschafft worden, weil sie massiv Menschenrechte missachtet, sondern weil sei schlicht ineffizient war. Die industrielle Revolution in Europa wäre ohne die Aufklärung und das nach Freiheit strebende Bürgertum kaum denkbar gewesen. Wirtschaftliche Freiheiten wie beispielsweise die Vertragsfreiheit sind für eine funktionierende Arbeitsteilung grundlegend. Das gleiche gilt für ein Rechtssystem, dass Einzelne vor Übergriffen Dritter (Strafrecht), vor staatlicher Willkür (öffentliches Recht) und wirtschaftlicher Macht (Kartellrecht, betriebliche Mitbestimmung) schützt. Dabei sollten die Institutionen in der Lage sein, Regeln möglichst auch durchzusetzen. Die Erfahrung zeigt beispielsweise, dass die Notenbank die Stabilität der Währung und das Kartellamt Fairplay auf den Märkten vor allem dann glaubwürdig sichern können, wenn sie vom politischen Alltag unabhängig sind. Funktionsfähige Regeln und Institutionen erleichtern wirtschaftliche Entscheidungen unter prinzipiell ungewissen Zukunftserwartungen. Eine befriedigende wirtschaftliche Entwicklung kommt selten zustande, wenn Gesellschaften instabil sind, häufig gewaltsame politische Umstürze stattfinden oder Despoten über Generationen regieren. Wirtschaftlich wenig motivierend sind auch Günstlingswirtschaft, Korruption oder marodierende Bürgerkriegsbanden. Dies gilt auch für makroökonomische Unsicherheiten: Inflation führt zu Unsicherheiten auf den Kreditmärkten, Währungsturbulenzen stören die außenwirtschaftliche Integration und konjunkturelle Schieflagen verringern die privaten Investitionen. Aus Sicht der Institutionenökonomik fallen in allen genannten <?page no="54"?> 4 Regeln und Institutionen 55 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Fällen unnötige Transaktionskosten an beispielsweise für private Sicherheitsdienste, Bestechungsgelder oder auch Kurssicherungskosten. Anders im Alten Testament sind Regeln und Institutionen in arbeitsteiligen Wirtschaften nicht in Stein gemeißelt. Sie werden an aktuelle Entwicklungen angepasst, im politischen Prozess verändert und stehen ihrerseits im wirtschaftlichen Wettbewerb. Wenn sich also beispielsweise die Europäische Geldordnung ohne weitere finanzpolitische Arrangements als instabil erweisen sollte, wird die Politik über die Konkurrenz der weltweit bedeutsamen Währungen gezwungen sein, entsprechende Ergänzungen vorzunehmen. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Eine verstärkte Arbeitsteilung ist in der langen Frist geeignet, das Knappheitsproblem zu entschärfen. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt können wir uns nur anpassen und möglichst rationale Entscheidungen über knappe Güter und Faktoren treffen. Spezialisierung und Arbeitsteilung steigern die Effizienz. Während Adam Smith primär Produktivitätssteigerungen durch Arbeitsteilung anspricht, zeigt Ricardo, dass die Konsummöglichkeiten durch Spezialisierung und Tausch selbst bei gegebenen Produktionsmöglichkeiten zunehmen. Die Produktion über den eigenen Bedarf hinaus setzt eine funktionierende Tauschwirtschaft voraus. In arbeitsteiligen Gesellschaften sind die Grundfragen des Wirtschaftens was, wie und wer. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Lerneffekte ► organisatorischer Fortschritt ► Taylorismus ► Formen der Arbeitsteilung ► komparativer Kostenvorteil ► Terms of Trade ► Produktivität des Geldes ► Währungssubstitut ► Distribution ► Transaktionskosten Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="55"?> 56 Kapitel 3: Arbeitsteilung und Tausch http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Erklären Sie Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile. [2] Gegeben sind die folgenden Produktionsmöglichkeiten der Länder Grau und Schwarz (siehe Graphik). Welches Land wird sich auf welches Gut spezialisieren? Unterstellen Sie ein Tauschverhältnis von 1: 1 und ergänzen Sie die Graphik um die Konsummöglichkeiten bei voller Spezialisierung. Geben Sie die Konsummengen an, wenn jeweils 800 Einheiten getauscht werden. [3] Im 2-Länder/ 2-Güter-Fall sind folgende Arbeitsproduktivitäten gegeben: 300 600 900 1200 1500 1800 2100 2500 300 600 900 1200 1500 1800 2100 2400 2000 1600 1800 Land A Land B Gut 1 Gut 2 Arbeitseinheiten 1/ 4 1/ 5 1/ 2 1/ 3 1.000 600 <?page no="56"?> Wiederholungsfragen 57 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Ermitteln Sie die Transformationskurven und interpretieren Sie deren Steigung. Für welche Austauschverhältnisse kommt Tausch zustande? Welches Land spezialisiert sich auf welches Gut? [4] Erläutern Sie die drei Grundfragen des arbeitsteiligen Wirtschaftens. [5] Was ist Geld und welche Funktionen muss es erfüllen? [6] Pat und Chris leben zusammen in einem Haushalt. Bei der Produktion von Haushaltsleistungen haben sie folgende Daten aufgenommen (in Minuten): [a] Chris ist der Ansicht, dass Pat wegen des Produktivitätsvorteils die Hausarbeit voll übernehmen sollte. Erklären Sie den beiden, warum das aus ökonomischer Sicht falsch ist. [b] Jeden Tag ist ein Abendessen zu kochen und alle zwei Tage fällt eine Trommel Wäsche an. Pat und Chris vereinbaren, bei der Erstellung von Haushaltleistungen alle zwei Tage die Aufgaben zu wechseln. Zeigen Sie, dass diese Vereinbarung ineffizient ist. [7] Richtig oder falsch? Begründen Sie. → Durch Außenhandel gleichen sich die Preisverhältnisse der gehandelten Güter tendenziell an. → Durch eine gute Ausbildung erlangt man generell komparative Vorteile. → Wenn Tausch für ein Land vorteilhaft ist, dann kann es für ein anderes nicht ebenfalls vorteilhaft sein. → Die Terms of Trade geben an, wie viele Einheiten eines Importgutes ein Land für eine Einheit seines Exportgutes erhält. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. Kochen eines Abendessens Waschen, Trocknen und Bügeln einer Trommel Wäsche Pat Chris 45 30 60 60 <?page no="57"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 44: : AAnnggeebboott" NNaacchhffrraaggee uunndd MMaarrkkttgglleeiicchhggeewwiicchhtt Kennzeichnend für arbeitsteiliges Wirtschaften sind Spezialisierung und Tausch. Handelspartner treffen auf Märkten zusammen und tauschen untereinander Güter oder Faktoren aus. Dies kann an realen Orten geschehen beispielsweise auf einem Wochenmarkt. Auktionsplattformen im Internet zeigen, dass Märkte aber nicht an Orte gebunden sind. Mit einem Markt ist lediglich gemeint, dass es für ein Gut oder einen Faktor Anbieter und Nachfrager gibt und dass beide Gruppen wechselseitig vorteilhafte Tauschpläne realisieren wollen. Um wesentliche Eigenschaften von Märkten herauszuarbeiten, wird das Marktgeschehen stark vereinfacht. Es werden Konkurrenzmärkte betrachtet, die durch zwei wesentliche Merkmale gekennzeichnet sind: kein einzelner Anbieter oder Nachfrager kann die Preise beeinflussen. Außerdem betrachten alle Marktteilnehmer die gehandelten Güter als gleichartig einzelnen Unternehmen gelingt es also nicht, Nachfrager an sich zu binden. Obwohl beide Kriterien für viele Märkte nicht zutreffen, lassen sich die Eigenschaften von Märkten dann besonders leicht darstellen. In der Realität kommen beispielsweise Wertpapiermärkte dieser Vereinfachung recht nahe. LLeerrnnzziieellee Ein vollkommener Konkurrenzmarkt ist eine rigorose Vereinfachung beobachtbarer Gütermärkte. Die Studierenden kennen dessen Voraussetzungen und Folgerungen und wissen, dass es sich um ein Modell und nicht einen realen oder anzustrebenden Zustand handelt. Die Studierenden sind in der Lage, jeweils zwischen Bewegungen auf der Kurve und Verschiebungen von Angebots- und Nachfragekurven zu unterscheiden. Ein Marktgleichgewicht ist eine besondere Situation. Die Studierenden kennen die wesentlichen Eigenschaften eines Konkurrenzmarktgleichgewichts und sind in der Lage zu erklären, warum es sich um eine Win-Win-Situation handelt. Sie kennen Produzenten- und Konsumentenrenten und können dieses Konzept anwenden. <?page no="58"?> 2 Angebot und Nachfrage 59 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 VVoollllkkoommmmeennee KKoonnkkuurrrreennzz Wenn Volkswirte Märkte analysieren, dann fällt häufig das Schlagwort vollkommene Konkurrenz. Damit soll keineswegs übersehen werden, dass viele Märkte alles andere als vollkommen sind und dass einige Märkte kaum durch Konkurrenzverhalten gekennzeichnet sind. Es sollen auch keine normativen Aussagen darüber gemacht werden, was die Wettbewerbspolitik möglicherweise anzustreben hätte. Der Begriff der vollkommenen Konkurrenz meint einfach einen Satz von Annahmen, der das zu beobachtende Marktgeschehen vereinfacht und der uns damit zunächst einmal das Leben erleichtert. Diese Annahmen sind in Abbildung 10 zusammengefasst: Es gibt eine Vielzahl von Anbietern und Nachfragern auf dem Markt. Bei einer polypolistischen Marktstruktur sind sämtliche Marktanteile sehr klein. Selbst wenn ein Unternehmen eine größere Menge anbietet, hat dies keine fühlbaren Auswirkungen auf Preise und Mengen am Markt. Die am Markt befindlichen Unternehmen bieten ein homogenes Gut an. Das Angebot lässt sich aus Sicht der Konsumenten nicht unterscheiden. Es gibt keinerlei Bindungen des Produktes (sachlich) oder des Produzenten (personell) an den Konsumenten. Zudem wird ein Punktmarkt angenommen, der von räumlichen Aspekten des Marktes absieht Transportkosten spielen keine Rolle. Abbildung 10: Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz homogene Güter keine sachlichen, räumlichen oder personellen Präferenzen Polypol viele Anbieter, viele Nachfrager, kleine Marktanteile keine Funktionsdefizite vollkommener Markt Marktverhalten: Mengenanpasser (bzw. Preisnehmer) Marktergebnis: law of one price vollständige Markttransparenz, hohe Mobilität, hohe Teilbarkeit, hohe Anpassungsgeschwindigkeiten keine Markteintritts- oder -austrittsbarrieren, keine staatlichen Eingriffe, kein Marktversagen <?page no="59"?> 60 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Marktvollkommenheit ist dadurch gegeben, dass beide Marktseiten gut überschaubar sind es herrscht Markttransparenz. Alle Marktteilnehmer sind gut informiert und reagieren schnell auf Veränderungen der Rahmenbedingungen. Schließlich sollen Funktionsdefizite ausgeschlossen werden. Markteintrittsschranken, die Marktmacht dauerhaft ermöglichen können, werden ebenso wenig betrachtet wie mögliche Fälle von Marktversagen etwa durch öffentliche Güter. Das Modell der vollkommenen Konkurrenz ist somit ein pointiertes Abbild tatsächlicher Märkte. Unter den skizzierten Annahmen bleiben Marktmodelle übersichtlich und ihre Ergebnisse interpretierbar. Zwei wesentliche Schlussfolgerungen ergeben sich daraus: Marktpreise sind gegeben das Marktverhalten ist dadurch gekennzeichnet, dass die Markteilnehmer einzig über ihre Nachfragebzw. Angebotsmengen entscheiden. Marktteilnehmer verhalten sich als Preisnehmer bzw. als Mengenanpasser. Für das Marktergebnis gilt das law of one price. Unter vollkommener Konkurrenz sind Preisunterschiede zwischen den Anbietern ausgeschlossen. Aufgrund der fehlenden sachlichen oder räumlichen Marktsegmentierung und der vollständigen Information muss der Preis für alle Marktteilnehmer gleich sein. Abgesehen von Wertpapier- und Devisenmärkten sind diese extremen Voraussetzungen auf den meisten Märkten kaum erfüllt. Dies ist der Grund, warum nach einem Überblick über einige zentrale Eigenschaften von Marktgleichgewichten ein Abschnitt über die Kursbildung an der Börse eingeschoben wird. Daran lässt sich die grundsätzliche Funktionsweise von Märkten in einem vereinfachenden Modellrahmen darstellen. Wenn die Annahmen der vollkommenen Konkurrenz schrittweise aufgehoben werden, nimmt die Komplexität der Modelle zu. 22 AAnnggeebboott uunndd NNaacchhffrraaggee Beschränken wir die Betrachtung zunächst auf einen beliebigen Gütermarkt unter Konkurrenzbedingungen. Die geplante Nachfragemenge eines Haushalts hängt von einer Vielzahl ökonomischer und nichtökonomischer Größen ab. Die Konsumentscheidung wird maßgeblich durch den Preis des betrachteten Gutes beeinflusst. Dies gilt nicht nur für einen Haushalt, sondern auch für die ganze Gruppe von Haushalten, die das Gut nachfragen. Das Gesetz der Nachfrage <?page no="60"?> 2 Angebot und Nachfrage 61 http: / / www.uvk-lucius.de/ service besagt, dass die nachgefragte Menge mit steigendem Preis abnimmt. Weitere Rahmenbedingungen können das für Konsumzwecke verfügbare Budget (Einkommen), die Preise anderer Güter, individuelle Nutzeneinschätzungen oder Geschmack, die Qualität der Güter, der Informationsstand des betrachteten Haushalts, der Einsatz absatzpolitischer Instrumente oder sonstige Rahmenbedingungen wie Jahreszeit, Wetter oder Mode sein. Wenn nur der Preis p und das Konsumbudget y betrachtet werden und angenommen wird, dass sich alle anderen Größen nicht ändern, ergibt sich die Nachfragefunktion , Die geplante Marktnachfrage x n sinkt mit dem Preis und steigt mit dem Konsumbudget. Abbildung 11 zeigt eine Nachfragekurve. Ausgehend vom Punkt A führt eine Preissteigerung zu einem Rückgang der Nachfragemenge die veränderten Dispositionen der Haushalte sind durch den Punkt B gekennzeichnet. Nur Preisänderungen führen damit zu einer Bewegung auf der Kurve. Abbildung 11: Die Nachfragekurve Preis Menge A B C <?page no="61"?> 62 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Jede Veränderung der zunächst konstant gehaltenen Rahmenbedingungen verursacht dagegen eine Verschiebung der Kurve. Nimmt durch allgemeine Einkommenssteigerungen das Konsumbudget zu, dann werden die Haushalte bereit sein, bei gegebenem Preis mehr zu kaufen statt Punkt A ergibt sich Punkt C. Entsprechend verschiebt sich die Nachfragekurve wie in der Abbildung angedeutet nach rechts. Das Gleiche wird passieren, wenn sich die übrigen Lageparameter verändern: wenn die Zahl der Nachfrager zunimmt oder das betreffende Gut in den Augen der Konsumenten höher bewertet wird. Für die umgekehrten Entwicklungen also beispielsweise sinkende Einkommen usw. verschiebt sich die Nachfragekurve dagegen nach links. Wenden wir uns nun der anderen Seite des betrachteten Gütermarkts zu: Unternehmer planen ihr Angebot auf Grundlage des ökonomischen Prinzips. Demnach werden sie bei einem hohen Marktpreis eine größere Menge verkaufen wollen als bei einem niedrigen Marktpreis. Dies ergibt sich aus der Einsicht, dass höhere Preise die Gewinne der Unternehmen steigern und damit den Anreiz verstärken, größere Mengen anzubieten. Neben den erzielbaren Preisen dürfte es wiederum eine ganze Reihe weiterer Größen geben, die den Gewinn und damit die geplante Angebotsmenge beeinflussen: der Stand des technischen Wissens dargestellt durch eine bestimmte Produktionsfunktion (Technologie), die Produktionskapazitäten der Anbieter, die Preise der Produktionsfaktoren oder die Zahl der Anbieter auf dem betrachteten Markt. Unter sonst gleichen Bedingungen, die durch den unveränderten Lageparameter erfasst werden, ergibt sich die Angebotskurve, die die Abhängigkeit der von den Unternehmen geplanten Angebotsmenge x a vom jeweiligen Marktpreis p darstellt. , Ausgehend vom Punkt A führen steigende Preise dazu, dass die Unternehmen ihre geplanten Mengen entlang der Angebotskurve ausdehnen. Dies ist in Abbildung 12 als Bewegung auf der Kurve in den Punkt B dargestellt. Veränderungen der oben aufgeführten Angebotsbedingungen führen wiederum zu Verschiebungen der Angebotskurve. Sinken beispielsweise die Kosten durch eine steigende Produktivität oder nimmt die Zahl der anbietenden Unternehmen zu, dann werden die Unternehmen bereit sein, zu einem gegebenen Preis mehr anzubieten. Sie bewegen sich also vom Punkt A in den Punkt C. <?page no="62"?> 3 Eigenschaften des Marktgleichgewichts 63 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 12: Die Angebotskurve Die Angebotsfunktion verschiebt sich nach rechts. Entsprechende Wirkungen haben Kapazitätsausweitungen oder sinkende Preise der Produktionsfaktoren also beispielsweise Löhne oder Rohstoffpreise. Steigende Löhne oder steigende Rohstoffpreise verschieben die Angebotskurve unter sonst gleichen Bedingungen nach links bei gegebenen Marktpreisen schränken Gewinn maximierende Unternehmen dann ihr Angebot ein. 33 EEiiggeennsscchhaafftteenn ddeess MMaarrkkttgglleeiicchhggeewwiicchhttss Handel auf Märkten ist durch dezentrale Planung gekennzeichnet: Haushalte entscheiden bei gegebenem Marktpreis über die nachzufragende Menge. Unternehmen legen ihre zum Marktpreis gehörigen Angebotsmengen fest. Unternehmen und Haushalt haben divergierende Interessen die einen wollen ihre Produkte möglichst teuer verkaufen, während die anderen zu einem möglichst günstigen Preis kaufen wollen. Sofern es eine Lösung für dieses Problem gibt, nimmt der Markt einen anonymen Interessenausgleich vor. Wir unterstellen normale Kurvenverläufe: die individuell geplanten Angebotsmengen nehmen mit steigendem Preis zu und die geplanten Nachfragemen- A B C Preis Menge <?page no="63"?> 64 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service gen nehmen mit steigendem Preis ab. Unter dieser Bedingung gibt es eine Markträumung: wenn die Angebotsmenge der Nachfragemenge entspricht, ist der Gleichgewichtspreis p* erreicht (Abbildung 13). Märkte nehmen eine Koordinationsaufgabe wahr zum Gleichgewichtspreis gibt die Tauschmenge x* alle gegenseitig vorteilhaften Transaktionen wieder. Angebotene und nachgefragte Mengen rechts vom Gleichgewicht sind nicht realisierbar es handelt sich um Pläne, die aufgrund fehlender Tauschpartner nicht zustande kommen. Formal beschreibt Punkt G die Lösung eines wechselseitig abhängigen Gleichungssystems mit drei Unbekannten: Hinter der Nachfragekurve , steht das Verhalten der Haushalte. Die Angebotskurve ist , Hier signalisiert sonst gleiche Bedingungen allerdings bezüglich der Kostensituation der Unternehmen. Die Markträumungsbedingung sichert als dritte Gleichung, dass für gegebene Lageparameter y und z normalerweise eine Lösung für die endogenen Variablen p, x n und x a gefunden wird. Neben der Markträumung und dem Interessenausgleich hat die Gleichgewichtslösung weitere unbestreitbare Vorteile. Im Gleichgewicht wird die maximal mögliche Tauschmenge gehandelt. Abbildung 13: Gleichgewicht im Marktdiagramm Nachfragekurve Angebotskurve p* x* G Preis Menge <?page no="64"?> 3 Eigenschaften des Marktgleichgewichts 65 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Nachfragekurve zeigt, dass die meisten Nachfrager, die zum Gleichgewichtspreis zum Zuge kommen, auch einen höheren Preis als p* akzeptiert hätten. Nur für Nachfragepläne genau im Gleichgewichtspunkt gilt dies nicht. Der so genannte Grenznachfrager geht bei einem Preis von p* bis an die Grenze seiner Zahlungsbereitschaft. Bei allen übrigen realisierten Nachfrageplänen erzielen die Käufer eine Konsumentenrente in Höhe der Differenz zwischen dem Marktpreis und dem von ihnen maximal akzeptierten Preis. Summiert man über alle realisierbaren Nachfragepläne, dann ergibt sich die Konsumentenrente als grau unterlegte Fläche in Abbildung 14. Außerdem zeigt die Angebotskurve, dass viele Anbieter auch unterhalb des Gleichgewichtspreises bereit wären, Transaktionen durchzuführen. Nur der Grenzanbieter gibt sich nur mit dem Gleichgewichtspreis zufrieden. Alle übrigen Angebotspläne im Gleichgewicht erzielen jeweils eine Rente in Höhe der Differenz zwischen p* und dem von ihnen gerade noch akzeptierten Preis. Summiert über alle Anbieter ergibt sich die Produzentenrente als Fläche unterhalb des Gleichgewichtspreises und oberhalb der Angebotskurve. Im Gleichgewicht ist die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente maximal. Dies wird intuitiv klar, wenn man Abbildung 14 geometrisch interpretiert: die Konsumausgaben oder der Umsatz auf dem Markt entspricht dem Produkt p* x* und ist als das Rechteck innerhalb der schraffierten Linien anzusprechen. Die Fläche unter der Nachfragekurve steht für die Zahlungsbereitschaft der Haushalte. Das obere graue Dreieck bildet mit der Konsumentenrente dann den Teil der Zahlungsbereitschaft ab, der nicht gleichzeitig auch Konsumausgaben darstellt. Entsprechend bildet das untere hellblaue Dreieck diejenigen Marktumsätze ab, die nicht Branchenkosten sind. <?page no="65"?> 66 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 14: Konsumentenrente und Produzentenrente Der Begriff der Rente erscheint sprachlich etwas merkwürdig. Er leitet sich aus dem Englischen rents ab. In englischsprachigen Lehrbüchern finden sich auch die leichter verständlichen Begriffe consumer surplus und producer surplus. Die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente erfasst die Vorteile des freiwilligen Tauschs. Auf Märkten kommt es also zu Win-Win-Situationen, bei denen beide Marktseiten mehr bekommen als sie fordern bzw. zahlen müssen. Bei der Analyse von Verteilungswirkungen von Steuern oder anderen staatlichen Maßnahmen sind Modelle, die Veränderungen von Konsumenten- und Produzentenrenten abbilden, ein sehr nützliches und anschauliches Werkzeug. Mit dem Marktgleichgewicht ist ein Beharrungszustand angesprochen, mit dem alle Akteure auf dem Markt zufrieden sind. Solange sich die Angebots- oder die Nachfragekurve nicht verschieben, gehen alle realisierbaren Wirtschaftspläne auf. Kein rational handelnder Akteur muss seine Pläne revidieren. Dies gilt sogar für diejenigen, die nicht zum Zuge kommen. Es wird die größte wechselseitig vorteilhafte Menge getauscht. Die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt als Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente ist im Marktgleichgewicht maximal. Kurz gesagt: Märkte sind effizient. Um den Effizienzbegriff zu erläutern, müssen wir zurück zu den Grundfragen des Wirtschaftens ins Kapitel 3. Neben p* x* Preis Menge Konsumentenrente Produzenterente <?page no="66"?> 3 Eigenschaften des Marktgleichgewichts 67 http: / / www.uvk-lucius.de/ service der Distribution wurden dort die Koordination und die Faktorallokation als zu klärende Aufgaben in einer arbeitsteiligen Wirtschaft dargestellt. Durch die Konsumenten- und Produzentenrenten wird deutlich, dass Konkurrenzmärkte im Gleichgewicht einerseits dafür sorgen, dass die richtige Menge bereitgestellt wird. Konkurrenzmärkte erfüllten die Koordinationsfunktion also recht gut. Andererseits findet eine optimale Faktorallokation statt. Die Produktionsfaktoren werden in diejenigen Verwendungen gelenkt, in der sie am besten zum Produktionsergebnis beitragen. Effizienz liegt vor, wenn die Wohlfahrt maximal ist. Dann ist die Differenz zwischen dem Wert, den die Nachfrager der Güterversorgung beimessen, und den mit der Herstellung verbundenen Kosten möglichst groß. Während Konkurrenzmärkte also in der Lage sind, bei gegebener Faktorausstattung Umfang und Güterstruktur der Produktion zu optimieren, bleibt die Frage nach der Verteilungsgerechtigkeit weitgehend offen. Bei der Distribution ist letztlich ein Werturteil darüber notwendig, was eine Gesellschaft als gerecht erachtet. Oder salopp formuliert: Märkte scheinen relativ gut geeignet zu sein, unter den gegebenen Umständen die Größe des zu produzierenden Kuchens zu maximieren. Zu einer gerechten Verteilung dieses Kuchens können Märkte dagegen wenig beitragen. 44 EEiinn BBeeiissppiieell: : KKuurrssbbiilldduunngg aann ddeerr BBöörrssee Um die Funktionsweise eines Konkurrenzmarkts zu verdeutlichen, wird die Kursbildung an der Börse an einem stark vereinfachten Zahlenbeispiel erläutert. Dort gebe es zu einem beliebigen Zeitpunkt folgende Kauf- und Verkaufsaufträge für Aktien einer Gesellschaft: Die Börsenmakler haben Kundenaufträge, 400 Stück zu einem Kurs von höchstens 85 zu kaufen. Zu diesem Kurs gibt es Verkaufsaufträge über insgesamt 180 Stück. Ferner liegen für 86 Verkaufsaufträge von 220 Stück vor zu diesem Kurs wollen die Marktteilnehmer aber nur 200 Aktien kaufen. Bei 87 sollen schließlich 400 Aktien verkauft und 300 gekauft werden. Bei 88 überwiegen die Kaufaufträge mit 400 Stück letztmalig die Verkaufsaufträge von 300 Stück. Bei 89 sollen 250 Stück gekauft und 400 Stück verkauft werden. Schließlich sind es zum höchsten Kurs von 90 insgesamt für 50 Aktien Kaufaufträge und für 300 Stück Verkaufsaufträge. <?page no="67"?> 68 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service Um zu ermitteln, bei welchem Kurs wie viele Aktien gehandelt werden, sind die Stückzahlen zu kumulieren: Bei einem Kurs von 85 planen die Marktteilnehmer 180 Stück zu verkaufen. Zum Kurs von 86 kommen weitere 220 Stück hinzu, so dass sich insgesamt 400 Stück verkaufen ließen. In der zweiten Spalte der Tabelle 4 sind für alle weiteren Kurse die kumulierten Stückzahlen ermittelt. Zum Verkaufskurs von 90 würden 1.800 Stück angeboten. Da die Käufer die Aktien umgekehrt möglichst billig erwerben wollen, muss die Kumulierung der Kauforders absteigend erfolgen. Zu einem Kurs von 89 würden beispielsweise die 50 Stück zu maximal 90 plus die 250 Stück zu maximal 89 nachgefragt kumuliert ergeben sich also 300 Stück. Die vierte Spalte zeigt die kumulierten Kaufaufträge. Zu 85 liegen insgesamt 1.600 Kaufaufträge vor. In Spalte (5) wird zeilenweise das Minimum aus den kumulierten Verkaufsaufträgen und den kumulierten Kaufaufträgen ermittelt. Zu 85 würden lediglich 180 Stück gehandelt. Etwas besser würde die Situation bei einem Kurs von 86 aussehen hier ergäbe sich immerhin ein Transaktionsvolumen von 400 Stück. Das maximale Handelsvolumen von 800 Stück ist schließlich bei einem Kurs von 87 erreicht, denn bei 88 sinkt das Volumen auf 700 Stück und erstmals würde die Verkäuferseite rationiert. Man sieht in dem Beispiel anhand der Spalte 5: Weil niemand zu einem Handel gezwungen werden kann, setzt sich die kurze Marktseite durch. Liegen für Kurse oberhalb von 87 mehr Verkaufsaufträge als Kaufaufträge vor, bestimmten die Käufer als kurze Markseite das Transaktionsvolumen. Kurs Verkaufsaufträge (1) kumulierte Verkaufsaufträge (2) Kaufaufträge (3) kumulierte Kaufaufträge (4) Transaktionsvolumen (5) 85 180 180 400 1.600 180 86 220 400 200 1.200 400 87 400 800 300 1.000 800 88 300 1.100 400 700 700 89 400 1.500 250 300 300 90 300 1.800 50 50 50 Tabelle 4: Kursbildung an der Börse <?page no="68"?> 4 Ein Beispiel: Kursbildung an der Börse 69 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Erfassung von Kauf- und Verkaufsplänen geschah zu Thomas Buddenbrooks Zeiten im Orderbuch, das der Tabelle 4 ähnlich war. Mittlerweile wird das an der Börse von elektronischen Handelsplattformen übernommen. Dort werden die gehandelten Mengen bei unterschiedlichen Kursen verglichen. Der Gleichgewichtskurs ergibt sich beim maximalen Handelsvolumen. Ist das Transaktionsvolumen maximal, dann ist der Gleichgewichtskurs erreicht. Abbildung 15 verdeutlicht dies: die mit den Kursen treppenförmig ansteigenden Verkaufsorders können als Angebotsfunktion angesehen werden. Die Nachfrage sinkt entsprechend mit steigendem Kurs. Bei einem Kurs von 87 fallen sowohl Käufer als auch Verkäuferrenten an: Diejenigen Verkäufer, die ihre Aktien auch zu 85 oder 86 verkauft hätten, erhalten durch den Kurs von 87 einen unerwarteten Gewinn, dem keine Marktleistung gegenübersteht. Ähnliches gilt für diejenigen, die bereit gewesen wären, 88, 89 oder 90 zu zahlen. Sie erhalten eine Käuferrente. Abbildung 15: Gleichgewichtige Kursbildung Kurs Stückzahl 0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 85 86 87 88 89 90 <?page no="69"?> 70 Kapitel 4: Angebot, Nachfrage und Marktgleichgewicht http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Der Markt ist der ökonomische Ort des Tausches, auf dem Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden. Auf einem vollkommenen Konkurrenzmarkt verhalten sich alle Teilnehmer als Mengenanpasser. Es gilt das law of one price. Mit der Nachfrage ist die geplante Menge gemeint, die Haushalte in Abhängigkeit von Preisen, Einkommen und anderen Einflussgrößen konsumieren wollen. Es gilt das Gesetz der Nachfrage, nach dem die geplante Nachfragemenge mit steigendem Preis abnimmt. Das Angebot ist entsprechend diejenige Menge, die die Unternehmen in Abhängigkeit vom Marktpreis und von ihrer Kostensituation auf dem Markt absetzen wollen. Hier gilt: mit steigendem Preis nimmt das Angebot zu. Der Abstimmungsprozess zwischen beiden Marktseiten erfolgt über den Preis. Marktgleichgewichte zeichnen sich dadurch aus, dass ein Maximum wechselseitig vorteilhafter Tauschoptionen wahrgenommen wird. Die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente ist bei normalen Angebots- und Nachfrageverläufen im Gleichgewicht am größten. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► homogenes Gut ► law of one price ► Mengenanpasserverhalten ► Gesetz der Nachfrage ► Lageparameter ► Markträumung ► Konsumentenrente ► Produzentenrente ► Gleichgewicht ► Orderbuch ► kurze Marktseite Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="70"?> Wiederholungsfragen 71 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Auf welchen der folgenden Märkte sind welche Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz verletzt? [a] Reisemarkt im Internet, [b] Markt für Neuwagen, [c] Wochenmarkt, [d] für BWL-Anwendersoftware, [e] privater Gebrauchtwagenmarkt, [f] für Bundesanleihen. [2] Gehen Sie von einer normalen Angebotskurve aus und beschreiben Sie, ob und in welche Richtung sich die Kurve verschiebt: [a] Unwetter (Weizenmarkt), [b] Insolvenzwelle, [c] Leiharbeit (Gebäudereinigung), [d] stark steigende Energiepreise [3] Warum bilden Märkte Win-Win-Situationen ab? Argumentieren Sie mit der Konsumentenrente und der Produzentenrente. [4] Erklären Sie, warum Anbieter mit einer Preisforderung oberhalb des Gleichgewichtspreises keinen Anlass haben, ihre Wirtschaftspläne zu revidieren, obwohl sie auf dem Markt nicht zum Zuge kommen. [5] Zu einem Zeitpunkt liegen für eine Aktie von vier Händlern Kaufaufträge vor: [a] 100 Stück billigst, [b] 70 Stück zu 14 , [c] 80 Stück für höchstens 15 sowie [d] 50 Stück mit einem Limit von 16 . Die ebenfalls vorliegenden Verkaufsaufträge sind: [e] 30 Stück zu 15 , [f] 120 Stück zu mindestens 16 und [g] weitere 150 Stück mit einem Limit von 17 . Erstellen Sie das Orderbuch und ermitteln Sie Handelsvolumen und Gleichgewichtskurs. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="71"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 55: : VVeerräännddeerruunnggeenn vvoonn MMaarrkkttgglleeiicchhggeewwiicchhtteenn Bisher wurde gezeigt, dass Marktgleichgewichte prinzipiell wünschenswerte Zustände sind. Eigentlich befinden sich Märkte aber eher in Ausnahmefällen im Gleichgewicht. Regelmäßige Veränderungen der Rahmendaten wirken ständig auf Preise und Tauschmengen ein: aufgrund konjunktureller Einflüsse kann sich beispielsweise das Konsumbudget der Haushalte verändern. Oder steigende Energiepreise beeinflussen einerseits das Kostenkalkül der Unternehmen. Andererseits verändern sie die Verbrauchspläne der Haushalte. Märkte sind also ständig in Bewegung. Deshalb ist im vorliegenden Kapitel zu klären, ob und durch welche Anpassungsprozesse die Marktteilnehmer zum Gleichgewicht zurückkehren und welche Funktionen der Preismechanismus haben sollte. Abschließend wird untersucht, wie staatliche Eingriffe auf Märkten die Marktergebnisse verändern. LLeerrnnzziieellee Änderungen der Marktlage führen zu Anpassungen an neue Gleichgewichte. Ungeachtet der Anpassungsgeschwindigkeit löst dies Preis- und Mengeneffekte aus. Die Studierenden sollen die Anpassungsprozesse erklären können, wenn sich die Lage der Angebots- oder der Nachfragekurve ändert. Preise haben auf Märkten elementare Funktionen. Auf Konkurrenzmärkten sorgt der Preismechanismus zu jedem Zeitpunkt für eine effiziente Allokation. Die Studierenden sollen darüber hinaus wissen, welche dynamischen Funktionen über Preisanpassungen wahrgenommen werden, so dass gute Marktergebnisse auch über Zeiträume hinweg zu erwarten sind. Die Studierenden sollen wissen, dass diese Funktionen durch direkte oder indirekte staatliche Eingriffe beeinträchtigt werden können. Als besonders gravierende Einschnitte sind ihnen Höchst- und Mindestpreise bekannt. Die Studierenden sind in der Lage, die Wirkungen von Verbrauchssteuern und Subventionen auf Märkten darzustellen und zu beurteilen. <?page no="72"?> 1 Die Stabilität von Gleichgewichten 73 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 DDiiee SSttaabbiilliittäätt vvoonn GGlleeiicchhggeewwiicchhtteenn Im letzten Abschnitt haben wir gesehen, dass sich die kurze Marktseite durchsetzt, weil Tausch freiwillig ist. Wenn die Nachfragemenge kleiner als die Angebotsmenge ist, werden die Nachfragepläne realisiert und die Angebotsseite wird rationiert. Dies ist in Abbildung 16 für alle Preise oberhalb des Gleichgewichtspreises der Fall. Umgekehrt lassen sich für Preise unterhalb von p* nur die jeweiligen Angebotspläne vollständig realisieren. Denkbare Marktsituationen sind also durch das liegende V zu beschreiben, dass den oberen Ast der Nachfragekurve, das Gleichgewicht selbst und den unteren Ast der Angebotskurve umfasst. Nur dort können Ungleichgewichte liegen, alle anderen Preis-Mengen- Kombinationen sind nicht realisierbar. Bei einem Preis oberhalb von p* setzt sich die Nachfrage als kurze Marktseite durch. Zum Preis p 1 planen die Haushalte eine Nachfragemenge von x n1 während die Unternehmen x a1 absetzen wollen. Es entsteht ein Angebotsüberschuss, der nicht dauerhaft bestehen kann. Zu geringeren Preisen gibt es weitere wechselseitig vorteilhafte Tauschmöglichkeiten. Bildlich ausgedrückt bewegt man sich auf der Nachfragekurve von x n1 aus abwärts. Gleichzeitig nimmt mit sinkendem Preis die Zahl der von den Unternehmen geplanten Transaktionen ab. In der Abbildung bewegt man sich auf der Angebotskurve von x a1 nach unten. Abbildung 16: Der Gleichgewichtsmechanismus Nachfragekurve Angebotskurve p* p 1 x* x N 1 x A 1 Angebotsüberschuss G Preis Menge <?page no="73"?> 74 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Der durch die Tauschmenge x n1 und den Preis p 1 gekennzeichnete Punkt auf der Nachfragekurve ist demnach ein Ungleichgewicht, dass nur temporär bestehen kann. Die beiden Pfeile in der Abbildung deuten an, dass sinkende Preise auf der Nachfrageseite zunehmende und auf der Angebotsseite abnehmende Mengen zur Folge haben. Der Angebotsüberschuss wird also kleiner. Dieser Prozess setzt sich so lange fort, bis sich die geplanten Angebots- und Nachfragemengen entsprechen. Erst dann befindet man sich im Marktgleichgewicht der Anpassungsprozess ist abgeschlossen. Ähnliches gilt für steigende Preise für einen anfänglichen Nachfrageüberschuss. Steigt der Preis, dann werden die Haushalte veranlasst, entlang ihrer Nachfragekurve die geplanten Nachfragemengen zu reduzieren. Zudem schaffen steigende Preise einen Anreiz für die Unternehmen, mehr zu produzieren. Erst im Gleichgewicht kommt dieser Prozess zum Stillstand. Die meisten Märkte verharren nicht im Gleichgewicht. Veränderungen der Rahmenbedingungen halten Märkte in Bewegung. Im Marktdiagramm ändert sich die Lage von Angebots- oder Nachfragekurve häufiger, so dass die meisten Märkte eher im Ungleichgewicht sein dürften. Allerdings führen die skizzierten Marktmechanismen nur zur Abstimmung von Angebot und Nachfrage Gleichgewichte sind unter den genannten Bedingungen also stabil. Solange der Preis flexibel ist, strebt ein Markt zum Gleichgewicht. Bleibt die Frage zu klären, wie schnell die skizzierten Anpassungsprozesse verlaufen. Sehr schnelle Anpassungen finden sich beispielsweise auf Wertpapiermärkten. Informationen werden unmittelbar in die Kurse eingepreist. Börsenbeobachter sprechen von volatilen Märkten, wenn starke Kurssprünge beobachtet werden. Irrigerweise nehmen Beobachter Märkte mit starken Schwankungen manchmal als Märkte im Ungleichgewicht wahr. Das Beispiel der Börse zeigt, dass dort ausschließlich Gleichgewichte zu beobachten sind. Durch die politischen Umwälzungen in Ostdeutschland und in Osteuropa sind fünf Millionen Menschen nach Westdeutschland eingewandert. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hatte die Bundesrepublik im Jahr 1985 rund 61 Mio. Einwohner. Zehn Jahre später waren es nach altem Gebietsstand 66 Mio. Personen. Als Folge wurde Wohnraum knapp. Anfang der Neunzigerjahre stiegen die Mieten und mit ihnen die Renditen im Wohnungsbau. Schließlich lohnte es sich wieder, neuen Wohnraum zu schaffen. Durch zusätzliche Bautätigkeit wurde das Wohnungsangebot ausgeweitet. Allerdings benötigte der Anpassungsprozess mehrere Jahre. <?page no="74"?> 2 Verschiebungen von Angebot oder Nachfrage 75 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Auf einigen Märkten kommen die Marktmechanismen nicht zum Tragen, weil die Marktteilnehmer oder die Wirtschaftspolitik willentlich oder unbewusst die Preisflexibilität einschränken. Hier sind vor allem einige Agrarmärkte und Teile der Arbeitsmärkte zu nennen. Dies führt letztlich dazu, dass die Marktmechanismen dort nicht greifen können. 22 VVeerrsscchhiieebbuunnggeenn vvoonn AAnnggeebboott ooddeerr NNaacchhffrraaggee Im Marktdiagramm gelten die Angebots- und Nachfragekurven nur bei Konstanz der angesprochenen c.p.-Bedingungen. Änderungen dieser Rahmendaten äußern sich graphisch in einer Verschiebung entweder der Angebots- oder der Nachfragekurve. Über den Gleichgewichtsmechanismus führt dies zu veränderten Preisen und Gleichgewichtsmengen. Manchmal reicht es nicht aus, nur die Richtung der Preis- und Mengeneffekte voraussagen zu können. Interessant könnte auch die Frage sein, unter welchen Umständen die Preiseffekte dominieren und wann die Mengenwirkungen stärker sind. Abbildung 17: Preis-Mengen-Wirkungen eines Nachfrageanstiegs Die beiden Diagramme in Abbildung 17 zeigen eine (identische) Rechtsverschiebung der Nachfragekurve, wobei rechts ein relativ flacher und links ein relativ steiler Verlauf der Angebotskurve angenommen wird. Wenn die Angebotskurve relativ flach verläuft, dann ist die Angebotsplanung der Unternehmen flexibel. Sie können weitere Mengeneinheiten zu kaum erhöhten Preisen anbieten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Unternehmen ihre Kapazitäten nicht auslasten. Ein Nachfrageanstieg wird dann kaum zu Preissteigerungen führen, weil die Flexibilität der Unternehmen es erlaubt, dem vor allem mit Preis Menge Preis Menge G 0 G 1 A N 0 N 1 G 0 G 1 A N 0 N 1 <?page no="75"?> 76 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service zusätzlicher Produktion zu begegnen. Wenn die Unternehmen weniger flexibel sind, steigt wie in der Abbildung rechts vor allem der Preis. Steigt die Nachfrage nach van Gogh-Gemälden, dann führt dies regelmäßig zu erheblichen Preisausschlägen, weil das Angebot naturgemäß starr ist. Landwirte müssen im Fall eines Lebensmittelskandals zu jedem Preis verkaufen. Bei verderblichen Produkten oder einem starren Angebot findet der Anpassungsmechanismus überwiegend über den Preis statt. Abbildung 18 zeigt links und rechts eine identische Einschränkung des Angebots. Beide Marktdiagramme unterscheiden sich nur durch die Steigung der Nachfragekurve. Auch hier geht es um Flexibilität: planen die Haushalte aufgrund steigender Preise deutlich weniger nachzufragen, dann erfolgen die Anpassungsprozesse eher über die Menge. Die linke Graphik zeigt, dass sich die Preissteigerungen dann in Grenzen halten. Ist die Nachfrage dagegen dringlich und können die Haushalte somit schwer auf das knapper werdende Gut verzichten, dann sind die zur Absorbierung des Angebotsschocks notwendigen Preisänderungen sehr viel größer. In der rechten Graphik ist zu sehen, dass der Mengeneffekt dann kleiner als der Preiseffekt ist. Abbildung 18: Preis-Mengen-Wirkungen eines Angebotsrückgangs Änderungen der Rahmendaten führen auf Märkten regelmäßig zu Preis- und Mengenanpassungen. Über den Marktmechanismus wird ein neues Gleichgewicht angestrebt, wobei die Anpassungsgeschwindigkeit selbst offen ist. Eine Preis Menge Preis Menge G 0 G 1 A 0 N A 1 G 0 G 1 A 0 N A 1 <?page no="76"?> 3 Statische und dynamische Preisfunktionen 77 http: / / www.uvk-lucius.de/ service zunehmende Nachfrage führt zu steigenden Preisen und zu einem höheren Verbrauch. Das Ausmaß dieser Wirkungen hängt generell davon ab, wie stark sich die jeweilige Angebots- oder Nachfragekurve verschiebt. Darüber hinaus sind die Steigungen der Angebots- und der Nachfragekurve in der Nähe des Gleichgewichts von Belang. Maßgeblich für die Aufteilung in Preis- und Mengenwirkungen ist primär die Steigung der Kurve, die sich nicht verschiebt. 33 SSttaattiisscchhee uunndd ddyynnaammiisscchhee PPrreeiissffuunnkkttiioonneenn Märkte geben Antworten auf die im dritten Kapitel aufgeworfenen Grundfragen des Wirtschaftens. Die Koordination wird dadurch gewährleistet, dass knappe Güter über den Preismechanismus zugeteilt werden. Angebots- und Nachfragepläne werden über Preise, Kosten und Zahlungsbereitschaften abgestimmt. Bei den meisten Gütern akzeptieren wir, dass sie von denjenigen konsumiert werden, die diese Güter am dringlichsten nachfragen. Häufig unterstellen wir, dass die Konsumenten ihre Bedürfnisse am besten kennen und souverän über ihre Nachfragepläne entscheiden. Allerdings gibt es sinnvolle Ausnahmen: Eltern treffen Entscheidungen für ihre minderjährigen Kinder. Abhängigen traut man keinen rationalen Umgang mit Drogen oder Alkohol zu. Und schließlich erfolgt die Zuteilung von schulischen Ausbildungsleistungen nicht nach der Zahlungsbereitschaft. Die meisten von uns befürchten wohl zu Recht, dass dies die Ungleichheit der Chancen verschärfen würde. Die gesetzlichen Krankenversicherungen sorgen in Deutschland dafür, dass Marktmechanismen bei lebenswichtigen Medikamenten nicht zum Tragen kommen. Bei den Entscheidungen der Unternehmen, welche Güter in welcher Menge und welcher Qualität angeboten werden sollen, spielen Preise eine wesentliche Rolle. Unternehmen werden knappe Produktionsfaktoren zunächst für die Produktion derjenigen Güter einsetzen, die über hohe Preise einen außergewöhnlichen Gewinn versprechen. Am Ende sorgen eine Vielzahl dezentraler Entscheidungen dafür, dass die Produktionsstruktur richtig ist. Durch den Preismechanismus haben die Unternehmen einen Anreiz, die Konsumvorlieben der Haushalte möglichst genau zu treffen. <?page no="77"?> 78 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Haushalte als Anbieter der Produktionsfaktoren wollen möglichst hohe Faktorpreise erzielen. Unternehmen konkurrieren nicht nur auf der Angebotsseite der Gütermärkte untereinander, sondern auch auf der Nachfrageseite der Faktormärkte. Anbieter von Gütern, die auf Märkten hohe Preise erzielen, können auf den Faktormärkten im Zweifel mehr bieten als andere. Realisieren Unternehmen anderer Branchen dagegen geringere Renditen, dann kommt auf den Faktormärkten Strukturwandel in Gang: Arbeit und Kapital werden aus den weniger profitablen Wirtschaftszweigen in diejenigen Branchen umgelenkt, deren Güter höhere Preise erzielen. Somit werden die Produktionsfaktoren tendenziell dort eingesetzt, wo sie am produktivsten sind. Dies bezeichnet man als optimale Faktorallokation. Dies alles sorgt ebenfalls dafür, dass die Unternehmen die jeweils kostengünstigste Produktionsmethode anstreben Faktoren werden nicht verschwendet. Wird sowohl die Koordination als auch die Faktorallokation auf allen Märkten optimal wahrgenommen, dann sprechen einige Autoren auch von Allokationseffizienz oder von einer optimalen Allokation. Dies hatte schon Adam Smith mit seiner invisible hand im Blick: Wenn daher jeder einzelne (
) danach trachtet, sein Kapital zur Unterstützung der einheimischen Erwerbstätigkeit einzusetzen, und dadurch diese so lenkt, dass ihr Ertrag den höchsten Wertzuwachs erwarten lässt, dann bemüht er sich ganz zwangsläufig, dass das Volkseinkommen im Jahr so groß wie möglich werden wird. (
) Und er wird in diesem wie auch in vielen anderen Fällen von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat. (zitiert nach der deutschsprachigen Taschenbuchausgabe aus dem zweiten Kapitel des vierten Buches). Nach der Auffassung von Smith verfolgt jeder Marktteilnehmer eigennützige Absichten und trägt damit doch zum Wohl der Gesellschaft bei. Diese Harmoniethese gilt natürlich nur in einem System idealer Märkte ohne monopolistische Machtballungen und Wettbewerbsbeschränkungen. Nicht zuletzt durch die bahnbrechenden Erkenntnisse, die John Nash Anfang der Fünfzigerjahre mit Hilfe spieltheoretischer Methoden erzielte, sind Zweifel an der allgemeinen Gültigkeit der Harmoniethese angebracht. Ändern sich die Rahmenbedingungen auf einem Markt, dann führt dies zu einer Revision sämtlicher Preise und Faktorpreise. Damit ändert sich die Produktionsstruktur, die letztlich wiederum eine Reallokation der Produktionsfaktoren einleitet. Faktorpreise spielen aber nicht nur bei der Lenkung der Produktionsfaktoren in die produktivste Verwendung eine Rolle. Sie sind auch Grundlage für die Primärverteilung der Einkommen. Werden durch den Strukturwandel der letzten Jahre beispielsweise gut ausgebildete Arbeitskräfte knapper, so dass allenthalben der Mangel an Akademikern im Allgemeinen und Ingenieuren im <?page no="78"?> 3 Statische und dynamische Preisfunktionen 79 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Besonderen beklagt wird, dann heißt das aus ökonomischer Sicht, dass qualifizierte Arbeit knapp ist und damit vermutlich auch teurer wird. Auf der anderen Seite steht einfache Arbeit reichlich zur Verfügung, so dass sie künftig schlechter entlohnt wird. Die Schere, die wir in den letzten Jahren in der Einkommensverteilung beobachten, beruht letztlich auf der Distributionsfunktion des Preismechanismus: Einkommen entstehen nach dem Beitrag der Produktionsfaktoren zur Produktion. Abbildung 19: Statische und dynamische Preisfunktionen Sind alle drei Funktionen die Koordinationsfunktion, die Faktorallokationsfunktion und die Distributionsfunktion erfüllt, dann ergeben sich gute Marktergebnisse zu jedem Zeitpunkt. Deshalb werden die drei diskutierten Aspekte auch als statische Preisfunktionen zusammengefasst. Sie sorgen salopp ausgedrückt dafür, dass der produzierte Kuchen bei knapper Faktorausstattung möglichst groß wird. Allokations- und Distributionsfragen sind bei der Beurteilung wirtschaftspolitischer Maßnahmen möglichst voneinander zu trennen. Neben den statischen Preisfunktionen sollten die Ergebnisse über längere Zeiträume hinweg nicht vernachlässigt werden. Dabei geht es um die dynamischen Preisfunktionen: Preise haben eine Signalwirkung. Selbst wenn wir über einen bestimmten Markt wenig wissen, können wir davon ausgehen, dass steigende Preise für ein Gut sich entweder durch eine zunehmende Wertschätzung der Konsumenten oder durch ein sinkendes Angebot ergeben. Steigen beispielsweise leistungsgemäße Einkommensverteilung Produktionsfaktoren werden nach ihrem Beitrag zur Produktion entlohnt Signalwirkung Der Preis zeigt die Knappheit der Güter an (Informationsfunktion) Anpassungsfunktion Einstellen auf veränderte Knappheiten von Produktionsfaktoren oder Gütern Fortschrittsfunktion Anreize für Effizienz und technischen Fortschritt (neue Produkte und Prozesse) optimale Faktorallokation Produktionsfaktoren in die jeweils günstigste Verwendung gelenkt Koordination / Markträumung Orientierung der Produktion an den Konsumentenwünschen <?page no="79"?> 80 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service die Weizenpreise, dann mag dies entweder darauf zurückzuführen sein, dass aus Getreide vermehrt Kraftstoff hergestellt wird oder dass es am Weltmarkt verstärkt nachgefragt wird. Die Ursachen für die Preissteigerungen sind letztlich zweitrangig. Veränderungen der Preise liefern den Markteilnehmern Informationen für ihre Verhaltensanpassungen. Dadurch erleichtern sie Anbietern und Nachfragern die Anpassung an veränderte Marktlagen. Steigende Weizenpreise etwa können dazu führen, dass Konsumenten Getreide durch andere Nahrungsmittel ersetzen. Sie können aber auch dazu führen, dass Anreize für einen verstärkten Anbau von Weizen gegeben sind. Markteilnehmer reagieren also auf veränderte Preise und passen sich an Veränderungen an. Das ist die Anpassungsfunktion. Preise aktivieren schließlich den technischen Fortschritt. Ist die Konkurrenz intensiv, dann befinden sich die Anbieter unter erheblichen Anpassungszwängen, die sie veranlassen, neue Produkte zu entwickeln, neue Märkte zu erschließen oder ihre Kosten zu senken. Letztlich kommt technischer Fortschritt durch neue Produkte oder neue Prozesse zustande das umschreibt die Fortschrittsfunktion. Anbieter, die mit diesem Anpassungsdruck nicht standhalten können oder wollen, treten aus dem Markt aus. Entsprechend können nur die kostengünstigsten und innovativsten Anbieter am Markt bestehen. Die Dynamik von Märkten gleicht in vielem einem evolutorischen Prozess. Insofern sind Insolvenzen und andere Formen des Marktaustritts ein normaler Teil dieses Prozesses. 44 MMäärrkkttee uunndd wwiirrttsscchhaaffttssppoolliittiisscchhee MMaaßßnnaahhmmeenn Sofern nicht gravierende Funktionsstörungen vorliegen, gelten Märkte im Allgemeinen als effizient, aber nicht notwendigerweise als gerecht. So könnte man argumentieren, dass Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt in bestimmten Situationen als zu hoch angesehen werden. Oder es wird behauptet, die zu niedrigen Agrarpreise erlaubten den Landwirten kein auskömmliches Einkommen. Aus diesen und ähnlichen Gründen greifen Wirtschaftspolitiker regelmäßig direkt oder indirekt in den Preismechanismus ein. Dies kann über direkte Festlegungen von Preisen so genannte Mindestpreise oder Höchstpreise erfolgen. Eine Alternative wäre es, Marktergebnisse durch Verbrauchssteuern oder Subventionen zu beeinflussen. Im vorliegenden Abschnitt soll dargestellt werden, welche Wirkungen derartige Eingriffe haben. Dabei stellt sich die Frage, ob es generell Maßnahmen gibt, die besser oder die schlechter mit den Preisfunktionen auf Märkten zu vereinbaren sind. <?page no="80"?> 4 Märkte und wirtschaftspolitische Maßnahmen 81 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Wirkungen von Höchstpreisen werden in Abbildung 20 erläutert. Auf einem Markt wird der Gleichgewichtspreis p* allgemein als ungerechtfertigt hoch empfunden. Deshalb führen Politiker einen staatlich festgelegten Höchstpreis p h ein. Im Vergleich zur Gleichgewichtslösung ergeben sich folgende Marktergebnisse: die geplante Nachfragemenge nimmt über x* hinaus zu, weil die Konsumenten entlang ihrer Nachfragekurve auf den gesunkenen Preis reagieren. Die Unternehmen reduzieren das Güterangebot sinkende Preise bedeuten für sie schwächere Produktionsanreize. Sie bilden damit die kürzere Marktseite und setzen ihre Pläne durch. Zwar sinkt der Preis wie gesetzlich verordnet, die Marktversorgung verschlechtert sich jedoch im Vergleich zum Gleichgewicht. Der Mengeneffekt fällt dabei umso stärker aus, je flexibler die Unternehmen ihre Planungen an Preisänderungen anpassen können. Es entsteht ein Nachfrageüberschuss, der aufgrund der Preisfixierung nicht abgebaut werden kann. Abbildung 20: Preis-, Mengen- und Wohlfahrtswirkungen eines Höchstpreises Die dargestellten Flächen geben die Veränderungen der Konsumenten- und Produzentenrenten wieder. Dies verdeutlicht die Effizienz- und Verteilungswirkungen von Höchstpreisen. Das markierte Dreieck oberhalb des Gleichgewichtspreises fällt als ehemaliger Teil der Konsumentenrente weg. Das Gleiche gilt für das Dreieck unterhalb des Gleichgewichtspreises als Teil der ehemaligen Produzentenrente. Diese Wohlfahrtsverluste beruhen darauf, dass im Vergleich zum Gleichgewicht nicht mehr alle gegenseitig vorteilhaften Tauschpläne Preis Menge x* p* x h p h G A N Nachfrageüberschuss <?page no="81"?> 82 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service realisiert werden die Transaktionsmenge sinkt von x* auf x h . Der Umverteilungseffekt wird durch das Rechteck unterhalb des Gleichgewichtspreises und oberhalb des Höchstpreises bis zur Menge x h erfasst. Ohne den Höchstpreis war dies Teil der Produzentenrente. Nach Einführung des Höchstpreises ist es Teil der Konsumentenrente. Während die Nachfrager von der Maßnahme also tendenziell profitieren, verlieren die Anbieter. Allerdings liegt kein Nullsummenspiel vor, weil beide zusammen Wohlfahrtsverluste erleiden. Auch über die negativen Effizienzwirkungen hinaus ist von der Einführung von Höchstpreisen grundsätzlich abzuraten. Der Marktmechanismus wird ausgesetzt, und das Gut wird künstlich verknappt. Aufgrund des niedrig gehaltenen Preises kommt es möglicherweise zu einem Schwarzmarkt dort werden sich alle diejenigen Tauschpartner treffen, die zum Höchstpreis nicht zum Zuge kommen und die dennoch nicht auf wechselseitig vorteilhaften Tausch verzichten möchten. Abbildung 21: Preis-, Mengen- und Wohlfahrtswirkungen eines Mindestpreises Auch staatlich fixierte Mindestpreise sind mit unerwünschten Nebenwirkungen verbunden (Abbildung 21). Ziel derartiger Maßnahmen ist es oft, gesellschaftlichen Gruppen höhere Einkommen zu sichern. Ein Mindestpreis p m liegt oberhalb des Gleichgewichtspreises. Die kürzere Marktseite in diesem Fall die Nachfrage setzt ihre Pläne durch, so dass ein Angebotsüberschuss entsteht. Im Vergleich zum Gleichgewicht verschlechtert sich die Marktversorgung: weniger Güter x m werden zu einem höheren Preis p m abgesetzt. Der Umvertei- Preis Menge x* p* x m p m G A N Angebotsüberschuss <?page no="82"?> 4 Märkte und wirtschaftspolitische Maßnahmen 83 http: / / www.uvk-lucius.de/ service lungseffekt, die rechteckige Fläche (p m −p*) x m , zeigt, dass zwar ein Teil der Konsumentenrente in Produzentenrente umgewidmet wird. Wegen der nicht realisierten Tauschmöglichkeiten fallen aber wiederum Wohlfahrtsverluste als markierte Dreiecke oberhalb und unterhalb des gedachten Gleichgewichtspreises weg. Die Lösung ist ineffizient die Volkswirtschaft insgesamt verliert durch die Preisfixierung. FFaallllssttuuddiiee 66: : EEuurrooppääiisscchhee AAggrraarrppoolliittiikk Die EU-Agrarmarktordnungen sind durch Mindestpreise für viele landwirtschaftliche Produkte gekennzeichnet. Zusätzlich werden teilweise Abnahmegarantien ausgesprochen. Solange die Angebotskurven steigen, bieten die über den Weltmarktpreisen gehaltenen EU-Preise einen Anreiz, möglichst viel zu produzieren. Die als Sicherung der bäuerlichen Einkommen geplante Maßnahme ist mit erheblichen Kosten verbunden. Über die Wohlfahrtsverluste hinaus müssen für die Verwendung des Überschussangebots Ressourcen aufgewandt werden. Agrarüberschüsse werden gelagert oder an Drittländer zum (geringeren) Weltmarktpreis verkauft. Aufgrund der explodierenden Kosten hat man in den Neunzigerjahren begonnen, Produktionsanreize und Einkommenssicherung voneinander zu trennen beispielsweise durch Brachlandprogramme. Seitdem nähern sich die europäischen Agrarpreise schrittweise den Weltmarktpreisen an. Die als Butterberge oder Weinseen bezeichneten Angebotsüberschüsse verschwanden teilweise. Recherchieren Sie die Veränderungen der Selbstversorgungsgrade unterschiedlicher Agrarprodukte in Europa. Sind Verbrauchssteuern im Vergleich zu Preisfixierungen mit geringeren Nachteilen verbunden? Abbildung 22 prüft diese Frage im vereinfachten Kontext des Konkurrenzmarktmodells. In der Graphik ist unterstellt, dass die Verbrauchssteuer als konstanter Betrag pro Mengeneinheit anfällt (Mengensteuer) und dass sie bei den Produzenten erhoben wird. Durch die Einführung einer solchen Steuer verteuert sich jede angebotene Mengeneinheit um den Steuersatz t. Die ursprüngliche Angebotsfunktion A 0 verschiebt sich von parallel nach A 1 . Im Vergleich zum ursprünglichen Gleichgewicht steigen die Preise, während die gehandelte Menge sinkt. Die Politik kann also zu geringe Preise oder zu hohe Verbrauchsmengen korrigieren es tritt ein Lenkungseffekt tritt ein. Es gibt aber unerwünschte Nebenwirkungen: die Steuer treibt einen Keil zwischen die Preise. Während die Anbieter mit dem Nettopreis p A planen, müssen die Nachfrager den höheren Preis p N entrichten. Die Marktteilnehmer erhalten somit unterschiedliche Signale über die Knappheiten. <?page no="83"?> 84 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Zum anderen entstehen auch hier Wohlfahrtsverluste. Entlang der Nachfragekurve lassen sich zwischen dem alten und dem neuen Gleichgewicht G 1 Nachfragepläne nicht mehr realisieren. Die Konsumenten verlieren das Dreieck oberhalb von p*. Ähnlich ergeht es Produzenten mit dem Dreieck unterhalb von p* sie kommen entlang der Angebotskurve oberhalb von p A nicht mehr zum Zuge und setzen weniger ab. Abbildung 22: Preis-, Mengen- und Wohlfahrtswirkungen von Verbrauchssteuern Nichtökonomen nehmen meist an, Unternehmen seien in der Lage, die Steuer in vollem Umfang an die Verbraucher weiterzureichen. Die Steuereinnahmen des Staates sind in der Abbildung durch die beiden grauen Rechtecke dargestellt: der Steuersatz entspricht der Höhe des Rechtecks und die Bemessungsgrundlage ist die neue Gleichgewichtsmenge. Der obere, dunkler unterlegte Teil wird aus der ehemaligen Konsumentenrente gespeist und erfasst die Belastung der Nachfrager. Den unteren Teil der Steuerlast tragen entsprechend die Anbieter aus ihrer ursprünglichen Produzentenrente. Die Aufteilung der Steuerlast auf Anbieter und Nachfrager hängt somit letztlich von den Eigenschaften des Angebots und der Nachfrage ab. Im Allgemeinen gilt: die Marktseite, die preisempfindlicher auf die Steuer reagiert, trägt den geringeren Teil der Steuerlast. Eine vollständige Überwälzung gelingt nur, wenn die Angebotskurve horizontal verläuft. Nur dann werden die Steuereinnahmen nicht mehr teilweise aus der Produzentenrente gespeist. Sind Verbraucher auf das besteuerte Gut angewiesen, dann können sie der Steuer schwer ausweichen. In der Graphik würde die Nachfragekurve dann relativ steil verlaufen. Entspre- Preis Menge x* A 0 A 1 p N p* p A N G 0 G 1 <?page no="84"?> 4 Märkte und wirtschaftspolitische Maßnahmen 85 http: / / www.uvk-lucius.de/ service chend würde der Preiseffekt den Mengeneffekt dominieren. Ist dies der Fall, dann nimmt der Staat allerdings in erheblichem Umfang Steuern ein. Umgekehrt gilt: Je größer die Lenkungseffekte, desto geringer die Einnahmeeffekte. Eine optimale Lenkungssteuer sollte daher nur geringe Einnahmen aufweisen. Seit Mitte 1999 erhebt die Bundesregierung eine Ökosteuer. Zunächst wurden vergleichsweise geringe Sätze auf Strom, Mineralölprodukte und Gas erhoben, die bis 2002 stufenweise angehoben wurden. Im Jahr 2006 wurde die Ökosteuer mit der Mineralölsteuer zur Energiesteuer zusammengefasst. Seither beträgt der Steuersatz je Liter Benzin beispielsweise 65 Cent. Rund die Hälfte dieses Aufkommens dient als ehemalige Ökosteuer als Bundeszuschuss zur Rentenversicherung. Die Ökosteuer stand von Beginn an heftig in der Kritik: während die einen die geringen Steuersätze und die deshalb geringen Anreize zum Energiesparen anprangerten, führten andere die kaum fühlbaren Energieeinsparungen auf eine hohe Dringlichkeit der Energienachfrage zurück und warfen der Finanzpolitik vor, sie wolle vor allem abkassieren. Subventionen können vereinfachend als negative Verbrauchssteuern aufgefasst werden. Auch hier gibt es einen Lenkungseffekt. Umweltfreundliche Verhaltensweisen sollen unterstützt, oder der Strukturwandel etwa im Bergbau soll abgefedert werden. Die Wirkungen sind in Abbildung 23 zusammengefasst. Dort ist erneut angenommen, dass die Anbieter Empfänger der Subventionen sind. Bei einem konstanten Subventionsbetrag pro Mengeneinheit verschiebt sich die Angebotsfunktion von A 0 nach A 1 . Im vollkommenen Konkurrenzmarkt bewirkt die Einführung einer solchen Subvention einen Mengenanstieg und einen Rückgang des Marktpreises auf p N . Der beabsichtigte Lenkungseffekt ist wiederum umso stärker ausgeprägt, je sensitiver die Konsumenten auf Preissignale reagieren. Das klingt nach einer guten Nachricht: geringere Preise und eine größere Transaktionsmenge bedeuten, dass sich die Marktversorgung durch die Subvention verbessert. Allerdings hört man gelegentlich auch, dass Subventionen ineffizienten Branchen oder Unternehmen auch über die kurze Frist hinaus das Überleben ermöglichen. Wenn das zuträfe, hätten wir es wieder mit Wohlfahrtsverlusten zu tun. Doch wo sind die verborgen? <?page no="85"?> 86 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 23: Preis-, Mengen- und Wohlfahrtswirkungen von Subventionen Das staatliche Subventionsvolumen ergibt sich als Differenz zwischen Anbieterpreis p A und Nachfragerpreis p N multipliziert mit der neuen Gleichgewichtsmenge. Dieses Rechteck ist größengleich mit dem Parallelogramm zwischen der alten und der neuen Angebotskurve bis zur neuen Gleichgewichtsmenge. Dieses Parallelogramm besteht aber nur zu einem Teil aus zusätzlichen Renten. Sie sind in der Abbildung grau unterlegt. Die Wohlfahrtsverluste, die in der Abbildung blau unterlegt sind, entstehen also dadurch dass der Staat mehr zusätzliche Ausgaben aufwendet als zusätzliche Renten entstehen. Zudem gibt es auch hier einen Preiskeil: Anbieter kalkulieren einschließlich der Subvention p A , Nachfrager dagegen zu p N . Unternehmen und Haushalte profitieren in unterschiedlicher Weise von der Subvention. Bei den in Abbildung 23 unterstellten normalen Angebots- und Nachfragekurven teilen sich beide Marktseiten die zusätzlichen Renten. Zum neuen Marktpreis p N erhalten die Haushalte zusätzlich die dunkelgrau unterlegte Fläche, während die Unternehmen zusätzliche die hellgraue Fläche als zusätzliche Renten erhalten. Die konkreten Verteilungswirkungen richten sich letztlich wiederum nach den Steigungen von Angebot- und Nachfrage. FFaallllssttuuddiiee 77: : SSoozziiaalleerr WWoohhnnuunnggssbbaauu Nach dem zweiten Weltkrieg hat man in Deutschland mit dem Sozialen Wohnungsbau in starken Umfang günstigen Wohnraum geschaffen. Die Maßnahme bestand im Wesentlichen aus drei Elementen: Preis Menge x* A 1 A 0 p A p* p N N G 1 G 0 <?page no="86"?> 4 Märkte und wirtschaftspolitische Maßnahmen 87 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Zentral war eine Festschreibung der Miete jeweils rund 20 Prozent unter der ortsüblichen Vergleichsmiete (Höchstpreis). Um Wohnungsbauunternehmen dennoch zu einem Angebot zu motivieren, wurden zweitens zinsverbilligte Darlehen ausgeschrieben (Subvention). Der nachfrageseitige Zugang zum sozialen Wohnungsbau wurde schließlich drittens durch den Wohnberechtigungsschein geregelt, der bei Einzug die Bedürftigkeit abprüft. Da die Mietbindung und die günstigen Darlehen meistens eine Laufzeit zwischen 20 und 30 Jahren hatten, hat der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahren stark an Bedeutung verloren. Versuchen Sie den sozialen Wohnungsbau in einem Marktdiagramm nachzuvollziehen. Welche Nebenwirkungen könnten bei Mindestpreisen und Subventionen auftauchen? Welche Probleme können sich im konkreten Fall darüber hinaus ergeben? Wie ist der soziale Wohnungsbau in einem marktwirtschaftlichen Kontext zu beurteilen? Sowohl staatliche Preisfixierungen als auch Verbrauchssteuern und Subventionen haben gravierende Nachteile. Die Wohlfahrtsverluste sind eine Folge von Fehlallokationen, die Produktionsfaktoren aus ursprünglich lohnenden Verwendungen herausziehen (Verbrauchssteuern) oder in nicht effizienten Verwendungen binden (Subventionen). Steuern und Subventionen verzerren zudem den Wettbewerb um knappe Produktionsfaktoren. Subventionen können zu Mitnahmeeffekten führen, wenn durch die staatliche Mittelvergabe Maßnahmen prämiert werden, die die Wirtschaftssubjekte auch ohne den staatlichen Eingriff in ähnlicher Weise ergriffen hätten. Schließlich rufen komplexe Belastungs- oder Begünstigungstatbestände Lobbyisten und Verbände auf den Plan. Sie versuchen, politische Entscheidungen im Sinne ihrer Klientel zu beeinflussen. Dieses als rent seeking bezeichnete Verhalten läuft darauf hinaus, dass es sich für einzelne Wirtschaftssubjekte lohnt, knappe Ressourcen dafür einzusetzen, Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen. Das alles bedeutet nicht, dass Eingriffe des Staates generell unterbleiben sollten. Allerdings sollte man zur Erreichung eines Ziels möglichst das Instrument mit den geringsten Nebenwirkungen einsetzen. Staatlich festgesetzte Preisober- oder -untergrenzen setzen den marktwirtschaftlichen Preismechanismus außer Kraft Mindestpreise und Höchstpreise sind nicht marktkonform. Staatliche Maßnahmen, die den Preismechanismus lediglich in die gewünschte Richtung beeinflussen, sind im Allgemeinen positiver zu bewerten. Verbrauchssteuern und Subventionen verzerren zwar die Preissignale, sie setzen aber den Preismechanismus nicht außer Kraft. Sie passen besser zu einer Marktwirtschaft. <?page no="87"?> 88 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Konkurrenzmärkte tendieren zum Gleichgewicht. Ändert sich die Lage von Angebots- oder Nachfragekurve, dann sorgen die Marktmechanismen dafür, dass Angebot und Nachfrage neu abgestimmt werden. Dies setzt allerdings flexible Preise voraus. Märkte geben Antworten auf die Grundfragen des Wirtschaftens (statische Preisfunktionen). Unter Konkurrenzbedingungen passen sie die Produktionsstruktur an die Nachfrage an und lenken die Produktionsfaktoren in die produktivste Verwendung. Die dynamischen Funktionen stellen sicher, dass Preise eine Signalwirkung haben, dass der technische Fortschritt realisiert wird und dass notwendige Anpassungen an Datenänderungen vollzogen werden. Höchst- und Mindestpreise verhindern Anpassungsprozesse zum Marktgleichgewicht. Sie fixieren Preise und stellen insofern nicht marktkonforme Interventionen dar. Verbrauchssteuern und Subventionen lassen den Marktmechanismus unangetastet, so dass sie mit marktwirtschaftlichen Ordnungen vereinbar sind. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Angebotsüberschuss ► Marktmechanismus ► Flexibilität des Angebots ► Dringlichkeit der Nachfrage ► optimale Allokation ► Primärverteilung der Einkommen ► statische Preisfunktionen ► dynamische Preisfunktionen ► Höchstpreise ► Mindestpreise ► Wohlfahrtsverluste ► Verbrauchssteuern ► Lenkungseffekt ► vollständige Überwälzung Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="88"?> Wiederholungsfragen 89 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Beschreiben den Anpassungsprozess in ein Marktgleichgewicht, wenn anfänglich ein Nachfrageüberschuss vorliegt. Unterstützen Sie Ihre Argumentation durch eine Graphik. [2] Für zwei Eiscafes in einer kleinen Stadt gelte die Marktnachfrage x N = 5500 − 5.000p. Die Angebotsmengen für Preise zwischen 50 Cent und 1 kann durch x A = 700 + 1.000p beschrieben werden. Übertragen Sie Angebot und Nachfrage in eine geeignete Tabelle und beantworten Sie folgende Fragen: [a] Bei welcher Preis- Mengenkombination ist der lokale Eismarkt im Gleichgewicht? [b] McFrost, ein überregionaler Anbieter, tritt in den Markt ein, so dass zu jedem beliebigen Preis 600 Kugeln mehr angeboten werden. Ermitteln Sie das neue Gleichgewicht. [c] Beschreiben Sie den sich ergebenden Anpassungsprozess. [d] Wann kann man den Anpassungsprozess vernachlässigen? [3] Zeigen Sie graphisch, wie sich ein Mindestlohn auf dem Arbeitsmarkt auswirkt, wenn das Arbeitsangebot der Haushalte starr ist und die Arbeitsnachfrage der Unternehmen mit steigendem Lohn sinkt. Welche Rolle spielt es, ob die Arbeitsnachfrage [a] relativ steil bzw. [b] relativ flach verläuft? Welche Sicht ist eher kurzfristig, welche eher langfristig? Von welcher Situation gehen Gewerkschaften einerseits und Arbeitsgeber andererseits meist aus? [4] Seit dem Sommer 2014 sind die Rohölpreise von rund 100 $ pro Fass auf etwa 30 $ gesunken. Einige Beobachter erklären dies mit einem geringen Wachstum einiger Schwellenländer wie China oder Brasilien. Andere machen neue Fördertechnologien und neue Förderstandorte dafür verantwortlich. Gehen Sie von einem Gleichgewicht auf dem Welt-Mineralölmarkt aus und stellen Sie beide Situationen graphisch dar. Kommentieren Sie die sich ergebenden Änderungen. <?page no="89"?> 90 Kapitel 5: Veränderungen von Marktgleichgewichten http: / / www.uvk-lucius.de/ service [5] Der Rat einer Stadt plant, einen Höchstpreis für Taxifahrten einzuführen. Zur Vereinfachung nehmen Sie an, alle Taxifahrten seien gleich lang und der geplante Höchstpreis sei 5,50 . [a] Es gelte: x N = 240 20p und x A = 20 + 20p. Bestimmen Sie den Gleichgewichtspreis und die Gleichgewichtsmenge. [b] Welcher Nachfrageüberschuss ergibt sich bei dem Höchstpreis? [c] Wie groß sind die Wohlfahrtsverluste in diesem Beispiel? Und in welchem Maße werden Renten zugunsten der Fahrgäste umverteilt? (in ) Über die Wohlfahrtsverluste hinaus: erläutern Sie zwei weitere Argumente, die gegen einen Höchstpreis sprechen. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="90"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 66: : WWiirrttsscchhaaffttssoorrddnnuunngg uunndd WWiirrttsscchhaaffttssppoolliittiikk Wirtschaftspolitische Maßnahmen beeinflussen regelmäßig die Pläne privater Wirtschaftseinheiten: Regierungen verändern Wirtschaftsgesetze, sie begründen oder verändern Institutionen. Wirtschaftspolitiker setzen Anreize oder greifen direkt in das Marktgeschehen ein. Lobbyisten versuchen auf politische Entscheidungsprozesse Einfluss zu nehmen und Wirtschaftspolitiker wollen im Allgemeinen nach vier Jahren erneut gewählt werden. Im vorangegangenen Abschnitt wurde gezeigt, wie sich einzelne Eingriffe auf Preise, Mengen und Effizienz auswirken. Schon dort wurde deutlich, dass Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik nicht unabhängig voneinander sind. In diesem Kapitel wird die Beziehung zwischen Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik dargestellt. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Umfang individuellem Handeln der Vorzug vor kollektivem Handeln zu geben ist. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden sollen lernen, dass es zwei idealtypische Gedankenmodelle zur Konkretisierung der Eigentumsfrage einerseits und zum Dezentralitätsgrad der Entscheidungen andererseits gibt: Eine reine Marktwirtschaft oder eine Zentralverwaltungswirtschaft. Sie wissen, dass die konkrete Wirtschaftsordnung eines Landes sich durch die Mischung bestimmter Stilelemente dieser beiden Wirtschaftssysteme beschreiben lässt. Die Studierenden kennen die Vorzüge und die Defizite einer reinen Marktwirtschaft und sind in der Lage, daraus das System der Sozialen Marktwirtschaft zu entwickeln. Sie kennen mit Eucken und Müller- Armack zwei bedeutsame Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft. Die Studierenden können wichtige Handlungsoptionen des Staates in der Allokations-, der Distributions- und der Stabilisierungspolitik beschreiben. Sie kennen das magische Viereck und sind in der Lage, einige Fälle von Marktversagen zu erklären. <?page no="91"?> 92 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 VVoorrzzüüggee uunndd DDeeffiizziittee vvoonn MMaarrkkttwwiirrttsscchhaafftteenn Ein Wirtschaftssystem ist ein idealtypisches Modell zur Lösung der Grundprobleme der arbeitsteiligen Wirtschaft Koordination, Faktorallokation und Distribution. Durch das Wirtschaftssystem wird bestimmt, wem Planungskompetenzen zugewiesen werden und wer Entscheidungen zu verantworten hat. Dazu stehen zwei prinzipielle Lösungsansätze zur Verfügung: Marktwirtschaften sind durch dezentrale Planung gekennzeichnet. Die individuellen Konsumentscheidungen der Haushalte und die Produktionsentscheidungen der Unternehmen werden auf Märkten abgestimmt. Alle Wirtschaftseinheiten handeln auf eigenes Risiko. Fehlentscheidungen werden individuell sanktioniert, so lange die Eigentumsordnung das Privateigentum am Sachkapital sichert. Auf diese Weise müssen beispielsweise Unternehmen, die dauerhaft an den Marktgegebenheiten vorbei planen, aus dem Markt ausscheiden. Das Privateigentum sichert somit eine Deckungsgleichheit von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten. Das der Marktwirtschaft zugrunde liegende Individualprinzip bewertet Freiheit als höchstes Gut. Dieses Ideal wurde während der Aufklärung formuliert und im Liberalismus des 19. Jahrhunderts zunehmend eingefordert. Dem steht das Kollektivprinzip gegenüber, bei dem die Interessen Einzelner den gesellschaftlichen Interessen unterzuordnen sind. Die Zentralverwaltungswirtschaft als alternatives Wirtschaftssystem ist demnach durch zentrale Planung und Kollektiveigentum am Sachkapital gekennzeichnet. Diesem Leitbild folgend werden Sicherheit und Gerechtigkeit hoch bewertet. Sozialisten definieren Freiheit anders als die Vertreter des Liberalismus: Handlungsoptionen kann es demnach nur geben, wenn dafür die materiellen Voraussetzungen vorliegen und wenn Machtballungen verhindert werden. Hauptprobleme von Zentralverwaltungswirtschaften sind neben dem gewaltigen Informations- und Koordinationsbedarf vor allem das Anreizproblem, das in aller Regel zu mangelnder Leistungsbereitschaft und zu einer suboptimalen Güterversorgung führt. Wegen der fehlenden Kongruenz von Kompetenz und Verantwortlichkeit werden Fehlplanungen außerdem schwach sanktioniert. Die Wirtschaftsordnung bezeichnet den in einzelnen Staaten konkret abgesteckten Rahmen für privates wirtschaftliches Handeln. Die Wirtschaftsordnung besteht aus Regeln, Institutionen und Mechanismen, die die Rechte und Pflichten privater Wirtschaftseinheiten und die Kompetenzen staatlicher Institutionen festlegen. Die überwiegende Mehrheit der Ökonomen schließt sich dem Werturteil an, dass die marktwirtschaftliche Koordinierung einem zentralistischen command & control grundsätzlich überlegen ist. <?page no="92"?> 1 Vorzüge und Defizite von Marktwirtschaften 93 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Eine lupenreine Marktwirtschaft gibt es jedoch nicht und wäre wohl auch kaum wünschenswert. Jede Wirtschaftsordnung ist ein Mischsystem aus individualistischen und kollektivistischen Stilelementen. Der Staat muss eine Reihe von Aufgaben übernehmen, damit die Marktwirtschaft überhaupt funktionsfähig ist. Andere übernimmt er aus Tradition oder aufgrund politischer Entscheidungen. Wirtschaftsordnungen sind Teil der Gesellschaftsordnung deshalb sind auch sie von Ideologien geprägt. Jede Wirtschaftsordnung ist das Ergebnis eines längeren Entwicklungsprozesses. Entscheidungen über die Weiterentwicklung dieser Regeln und Institutionen sind eine wirtschaftspolitische Daueraufgabe. Das wesentliche Argument für eine marktwirtschaftliche Ordnung ist die größere individuelle Freiheit (siehe Abbildung 24). Ein weiterer Vorzug ist ihre Effizienz die Produktion erfolgt tendenziell mit minimalem Faktoreinsatz. Güter und Faktorpreise spiegeln Knappheitsverhältnisse wider und die Produktion orientiert sich an den Präferenzen der Konsumenten. Marktwirtschaften gelten zudem bezüglich Ihrer Flexibilität als überlegen. Die Entscheidungsträger reagieren schnell auf sich ändernde Rahmendaten. Durch den Markt findet eine Kontrolle statt. Dies bewirkt, dass individuelle Fehlplanungen mit Verlusten sanktioniert werden und dass ineffiziente oder inflexible Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. Trotz dieser grundsätzlichen Vorteile wird die Marktsteuerung durch Elemente staatlichen Handelns ergänzt. Einerseits sind Fälle denkbar, in denen der Preismechanismus keine befriedigenden Marktergebnisse herbeiführen kann. Andererseits wird staatliches Handeln als Ergänzung der marktwirtschaftlichen Steuerung gefordert, wenn Marktergebnisse selbst als nicht akzeptabel angesehen werden. Die folgenden Aspekte geben Anlass für staatliche Rahmensetzungen und Eingriffe: Wirtschaftlicher Erfolg führt zu Macht. Macht wiederum bedeutet Einschränkungen der Freiheit Dritter. Unternehmen handeln im wohlverstandenen Eigeninteresse, wenn sie bestrebt sind, die Wettbewerbsintensität möglichst einzuschränken. So können Anbieter beispielsweise Preise absprechen oder Konkurrenz durch Zusammenschlüsse ausschalten. Wenn es Unternehmen auf diese Weise gelingt, monopolistische Macht dauerhaft zu etablieren, dann lässt der Effizienzdruck nach. Aus diesen Überlegungen ergibt sich die Forderung nach einer staatlichen Wettbewerbspolitik. Sie soll den wirtschaftlichen Wettbewerb sichern und intensivieren. In der Marktwirtschaft spiegelt die Einkommensverteilung die Knappheit der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital wider. Knappe Produktionsfaktoren erzielen hohe Entgelte, weniger knappe dagegen geringe. Sach- und Humankapital sind akkumulierbar. Bildungschancen sind ungleich ver- <?page no="93"?> 94 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service teilt. Beides verstärkt die ungleiche Ausstattung der Haushalte mit Sach- und Humankapital. Mit anderen Worten: Marktwirtschaften sind effizient, aber nicht notwendigerweise gerecht. Dies alles führt zur Forderung nach einer sozialen Mindestsicherung gegen wirtschaftliche Risiken einerseits und nach einer Umverteilung der erzielten Faktoreinkommen andererseits. Abbildung 24: Vorzüge und Defizite marktwirtschaftlicher Wirtschaftsordnungen Die langfristige wirtschaftliche Entwicklung marktwirtschaftlich geprägter Volkswirtschaften ist immer wieder von konjunkturellen Schwankungen überlagert. Außerdem bringt Wachstum naturgemäß strukturelle Veränderungen mit sich. Konjunkturelle und strukturelle Probleme erfordern stabilitätspolitische Maßnahmen des Staates. Die Sicherung der Stabilität des Preisniveaus gehört ebenfalls zu den Aufgaben staatlicher Wirtschaftspolitik. In einigen Fällen versagt der Marktmechanismus sogar als Koordinationsinstrument, so dass weitere staatliche Eingriffe oder Arrangements erforderlich werden. Dieses so genannte Marktversagen wird in Abschnitt 3 dieses Kapitels detaillierter untersucht. Auch in Volkswirtschaften, die im Prinzip marktwirtschaftlich organisiert sind, sollten dem Staat eine Reihe von Aufgaben zugewiesen werden. Der folgende Abschnitt beschreibt, welche Aufgabenschwerpunkte sich der Staat für die Wirtschaftspolitik im Rahmen der Sozialen Marktwirtschaft setzt. Vorzüge Defizite Effizienz Freiheit Flexibilität Marktversagen Wettbewerbsbeschränkungen Einkommensverteilung und soziale Sicherung Konjunktur- und Strukturprobleme <?page no="94"?> 2 Die Soziale Marktwirtschaft 95 http: / / www.uvk-lucius.de/ service FFaallllssttuuddiiee 88: : AAuussggaabbeennqquuootteenn iimm iinntteerrnnaattiioonnaalleenn VVeerrgglleeiicchh Fasst man die Marktwirtschaft als einen Pol eines Kontinuums und die Zentralverwaltungswirtschaft als einen zweiten auf, dann lassen sich Wirtschaftsordnungen als Mischformen daraus ansehen. Die Abgabenquote setzt die Steuereinnahmen und die Sozialabgaben ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Diese Quote lag beispielsweise in Frankreich bei 45 %, in den USA bei 26 % und in Deutschland bei etwa 36 % (Daten für 2014 nach Angaben von Statista). Will man allein den Ressourcenzugriff durch den Staat beschreiben, dann erscheint der Anteil der staatlichen Güternachfrage am Bruttoinlandsprodukt von knapp 20% und der etwa gleich große Anteil der Erwerbstätigen im öffentlichen Dienst an allen Beschäftigten aussagekräftiger. Erklären Sie die konzeptionellen Unterschiede und die zentrale Aussage der Abgabenquote einerseits und des Staatsanteils andererseits. 22 DDiiee SSoozziiaallee MMaarrkkttwwiirrttsscchhaafftt Die Soziale Marktwirtschaft als Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland ist eine Synthese grundsätzlich freier Märkte mit staatlicher Eingriffslegitimation. Marktwirtschaftliche Lösungen haben grundsätzlich Vorrang. Die Planung findet dezentral statt und wird über Märkte koordiniert. Das private Eigentum am Sachkapital wird vom Staat garantiert. Insbesondere dort, wo die Marktwirtschaft zu unerwünschten Ergebnissen führt, hat der Staat den Auftrag, ordnend bzw. korrigierend einzugreifen. Sinn der Sozialen Marktwirtschaft ist es, das Prinzip der Freiheit auf dem Markte mit dem des sozialen Ausgleichs zu verbinden. Das schrieb Alfred Müller-Armack, einer der Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft, im Jahre 1956. Ludwig Erhard hat als erster Wirtschaftsminister der Bundesrepublik maßgeblich dazu beigetragen, dass sich eine freiheitliche, effiziente und gleichzeitig gerechte Wirtschaftsordnung etablierte. Die grundlegenden Ideen basierten einerseits auf den sozialpolitischen Vorstellungen unter anderen von Müller-Armack. Andererseits wurde die neue Wirtschaftsordnung in starkem Maße durch die neoliberale Freiburger Schule beeinflusst. Walter Eucken als deren bekanntester Vertreter plädierte dafür, mit der Wettbewerbspolitik wirksam Kartelle, Monopole und Absprachen zu bekämpfen. Ohne Zweifel war die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft eine wesentliche Voraussetzung für das deutsche Wirtschaftswunder. <?page no="95"?> 96 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die klassischen Staatsaufgaben finden sich im Nachtwächterstaat des 19. Jahrhunderts wieder. Dort fallen dem Staat vor allem Aufgaben im Bereich der Ordnungspolitik zu. Er soll die Rahmenbedingungen schaffen, die eine freie wirtschaftliche Betätigung ermöglichen. Dazu gehören: die Zuweisung von Eigentumsrechten und die Garantie elementarer wirtschaftlicher Freiheiten beispielsweise die Vertragsfreiheit, die Niederlassungs- und Gewerbefreiheit oder die dazugehörigen Gesetze; Polizei und Justiz zur Durchsetzung gesetzlicher Regelungen, zur rechtsstaatlichen Klärung von Konflikten und zur Sicherung der inneren Stabilität; weitere Institutionen, die die Funktionsfähigkeit einer Wirtschaft unterstützen wie beispielsweise die Organisation des Geldwesens oder die Kompetenzverteilung in der Finanzpolitik; die Schaffung und der Erhalt einer wirtschaftsnahen Infrastruktur und die Sicherung des Staates gegen Ansprüche von außen. In der Sozialen Marktwirtschaft kommen zu diesen geborenen Staatsaufgaben weitere hinzu. Diese gekorenen Staatsaufgaben übernimmt der Staat aufgrund politischer Entscheidungen. Die Vordenker der Sozialen Marktwirtschaft hatten hier vor allem zwei Punkte im Auge: Durch die Sozialpolitik sollen als ungerecht empfundene Marktergebnisse korrigiert werden. Die Sozialversicherung sorgt für einen Risikoausgleich. Progressive Steuern einerseits und Sozialleistungen für die Haushalte andererseits korrigieren die Einkommensverteilung. Schließlich wird durch die Grundsicherung ein Mindesteinkommen garantiert. Gerechtigkeit könnte in diesem Zusammenhang durch eine Chancengerechtigkeit konkretisiert werden. Sozialer Aufstieg ist an die individuelle Leistungsfähigkeit und bereitschaft geknüpft. Voraussetzung dafür ist die soziale Durchlässigkeit der Gesellschaft und ein offener Zugang zu Bildungsmöglichkeiten. Die Väter der Sozialen Marktwirtschaft haben dabei nicht übersehen, dass eine so verstandene Sozialpolitik zur Akzeptanz der Wirtschaftsordnung beiträgt und dass der soziale Frieden Wirtschaft und Gesellschaft stabilisiert. Sicherung des Wettbewerbs durch Kartellgesetze und eine Behörde, die über die Einhaltung dieser Regeln wacht. Keine Marktseite sollte durch ihre Marktmacht die Preisbildung beeinflussen können. Der Staat beobachtet dominierende Wettbewerbsstellungen und sanktioniert deren Missbrauch. Der Marktzugang sollte möglichst frei sein, und zwar explizit auch für ausländische Anbieter. Die Soziale Marktwirtschaft steht grundsätzlich für Freihandel Märkte sollten nicht durch Zölle und andere Handelshemmnisse abgeschottet werden. <?page no="96"?> 3 Marktversagen als Eingriffslegitimation 97 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Der Staat soll in der Sozialen Marktwirtschaft also Spielregeln festlegen. Er darf darüber hinaus Marktergebnisse beeinflussen und unmittelbar in Märkte eingreifen. Allerdings gilt: Die Dispositionen der privaten Wirtschaftseinheiten haben grundsätzlich Vorrang vor staatlichen Maßnahmen. Im Zweifel dominiert das Individualprinzip kollektive Lösungen. Zudem gilt das Subsidiaritätsprinzip: Nur Aufgaben, für die keine individuellen Lösungen erkennbar sind, sollten dem Staat übertragen werden. Im folgenden Abschnitt werden einige solcher Fälle dargestellt. Allerdings müsste der Staat streng genommen umgekehrt belegen können, dass die kollektive Lösung besser ist als individuelle. Für staatliche Eingriffe in den Wirtschaftsprozess gilt das Prinzip der Marktkonformität. Die Wirtschaftspolitik sollte vermeiden, Marktergebnisse von vornherein festlegen. Während sich also beispielsweise die Besteuerung oder die Subventionierung bestimmter Aktivitäten in diesen Rahmen einpassen, sollte sich der Staat bei der direkten Festlegung von Preisen oder Mengen auf Märkten möglichst zurückhalten. 33 MMaarrkkttvveerrssaaggeenn aallss EEiinnggrriiffffsslleeggiittiimmaattiioonn In einigen Fällen kann man zeigen, dass Märkte allein entweder nicht in der Lage sind, bestimmte Güter in der gewünschten Menge oder Qualität bereitzustellen oder dies nicht effizient leisten. Diese Allokationsdefizite fasst man unter dem Begriff Marktversagen zusammen. Damit ist zu begründen, warum der Staat überhaupt als Produzent tätig werden muss und für sich Ressourcen in Anspruch nimmt. Ferner wird darzulegen sein, aus welchen Gründen es in einer Sozialen Marktwirtschaft sinnvoll sein kann, dass der Staat eine Umweltpolitik betreibt und dass er in bestimmten Fällen regulierend in bestimmte Märkte eingreift. In allen diesen Fällen geht es nicht um sozialpolitisch oder sonst wie motivierte Interventionen, sondern allein um die Korrektur allokativer Defizite in einer Marktwirtschaft. Im Falle öffentlicher Güter sollte der Staat entweder ein privat erstelltes Güterangebot bereitstellen oder sogar selbst produzieren. Damit stellt sich die Frage, was ein öffentliches Gut ist. Dazu sind die folgenden beiden Fragen zu beantworten: Ist der Ausschluss Dritter vom Konsum zu wirtschaftlich vertretbaren Kosten möglich? Ist der Ausschluss Dritter vom Konsum nötig, weil die Qualität des angebotenen Gutes sinkt, wenn viele Menschen es nutzen? Schließsysteme, Zäune oder auch Zugangscodes sind relativ kostengünstige Möglichkeiten, Dritte von der Nutzung von Gütern auszuschließen. Schon bei <?page no="97"?> 98 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Straßennutzungspreisen ist es fraglich, ob der Ausschlussmechanismus ökonomisch rational erscheint. Wird die erste Frage mit nein beantwortet, dann versagt das Ausschlussprinzip. Da alle Interessenten zum Zuge kommen, werden rationale Konsumenten ihre Zahlungsbereitschaft verschleiern. Free rider hoffen konsumieren zu können ohne zu zahlen. Ohne zahlungsbereite Kunden können Unternehmen keine Gewinne erzielen. Sie haben daher keinen Anreiz, solche Güter zu produzieren. AAuusssscchhlluussss nnööttiigg nniicchhtt nnööttiigg AAuusssscchhlluussss zzuu vveerrttrreettbbaarreenn KKoosstteenn mmöögglliicchh private Güter Bereitstellung durch Private zu Marktpreisen z.B. Nahrungsmittel Clubkollektivgüter Bereitstellung durch Private gegen Beiträge z.B. Sportverein nniicchhtt mmöögglliicchh unechte Kollektivgüter Bereitstellung durch den Staat (Steuern oder Gebühren) z.B. überfüllte Straßen öffentliche Güter Bereitstellung durch den Staat gegen allgemeine Steuern z.B. Straßenbeleuchtung Tabelle 5: Private und öffentliche Bereitstellung von Gütern Das Ausschlussprinzip muss dagegen gar nicht angewendet werden, wenn die zweite Frage mit nein beantwortet wird. Hängt die Qualität eines Gutes nicht davon ab, wie viele Konsumenten es nutzen, dann spricht man auch von einem nicht rivalisierenden Konsum. So würde beispielsweise die technische Qualität von Fernsehübertragungen auch bei größeren Einschaltquoten nicht sinken. Werden beide Fragen für ein Gut mit ja beantwortet, dann liegt ein privates Gut vor. Private Güter werden nur von denen genutzt, die dafür zahlen. Die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten zeigt an, wie groß der Nutzen ist, den sie aus den Gütern erzielen können. Solche Güter sind von privaten Anbietern auf Märkten anzubieten. Nur wenn beide Fragen mit nein beantwortet werden, liegt ein echtes öffentliches Gut vor. Der Staat sollte solche Güter in der voraussichtlich gewünschten Menge und Qualität bereitstellen. Dabei gibt es ein Informationsproblem. Der Staat kann die Nachfrage nach Kollektivgütern nur abschätzen. <?page no="98"?> 3 Marktversagen als Eingriffslegitimation 99 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Das klassische Beispiel für ein öffentliches Gut ist die Straßenbeleuchtung. Durch Helligkeit in nächtlichen Straßen werden alle Bürger geschützt. Das gilt auch für diejenigen, die behaupten, diese Leistung nicht zu benötigen. Der Nutzen der Straßenbeleuchtung nimmt selbst dann nicht ab, wenn sämtliche Bürger einer Gemeinde nachts ihr Haus verlassen würden. Der Ausschluss ist also weder möglich, noch wirtschaftlich sinnvoll. Eine private Finanzierung der Straßenbeleuchtung ist aufgrund taktischer Manöver der Bürger wenig wahrscheinlich. Der Staat sollte folglich eine Beleuchtung installieren lassen und durch allgemeine Steuern finanzieren. Öffentliche Güter sind beispielsweise auch die Landesverteidigung sowie die Leistungen von Institutionen, die zum Funktionieren von Wirtschaft und Gesellschaft notwendig sind. Clubkollektivgüter zeichnen sich dadurch aus, dass der Ausschluss zwar möglich, aber unter Umständen gar nicht nötig ist. Bei einem nicht rivalisierenden Konsum sollte das Gut gemeinschaftlich durch eine nicht nutzungsabhängige Gebühr erfolgen. Einen solchen Club könnten beispielsweise die Gebührenzahler für Rundfunk und Fernsehen bilden. Beiträge in einem Tennisverein deuten ebenfalls auf ein Clubkollektivgut hin, sofern sie die unbeschränkte Nutzung der Vereinsanlagen ermöglichen. Unechte Kollektivgüter sind dagegen solche, bei denen ein Ausschluss aufgrund von Konsumrivalität sinnvoll wäre, er aus technischen Gründen aber nicht möglich ist. Am Beispiel von überlasteten Verkehrswegen erkennt man: finanziert der Staat das Güterangebot aus Steuereinnahmen und bietet die Güter kostenlos an, dann besteht die Gefahr der Übernutzung. Konsumenten, die keinen Nutzungspreis zahlen müssen, fragen mit großer Wahrscheinlichkeit zu viel nach. Im obigen Beispiel würde road pricing helfen, die Nachfrage einzuschränken. Nicht alle vom Staat bereitgestellten Güter sind öffentliche Güter. Bei einer Reihe von Leistungen des Staates wäre ein Ausschluss der zahlungsunwilligen Bürger technisch möglich. Manchmal sollen Bürger diese Leistungen in stärkerem Umfang in Anspruch nehmen als es der Fall wäre, wenn sie die Beanspruchung der Leistungen bezahlen müssten. Diese Güter werden als meritorische Güter bezeichnet. Ein Beispiel ist das öffentliche Schulangebot. Grundsätzlich wäre hier der Ausschluss möglich. Gegen ausschließlich private Bildungseinrichtungen sprechen aber zwei Überlegungen: zunächst stellt eine ausgebildete Bevölkerung eine Ressource für eine Volkswirtschaft dar, die künftige Produktionsmöglichkeiten verbessert und daher Wachstumschancen eröffnet. Dies begründet ein allgemeines Interesse daran, dass möglichst viele junge Menschen eine qualifizierte Ausbildung absolvieren können. Darüber hinaus spricht das Verteilungsziel für mehr Chancengerechtigkeit im Falle eines öffentlich bereitgestellten Schulangebots. <?page no="99"?> 100 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service FFaallllssttuuddiiee 99: : SSttuuddiieennggeebbüühhrreenn An vielen deutschen Hochschulen sind die Kapazitäten überschritten mit steigender Studierendenzahl leidet die Ausbildungsqualität. Solange Kapazitäten nicht angepasst werden, besteht Rivalität um Plätze in Vorlesungen, Seminaren und Prüfungen. Der Andrang lässt sich durch Gebühren vermindern Studierende, deren Qualifizierungswunsch weniger dringlich ist, werden auf ein Studium verzichten. Diese Gruppe lässt sich leicht ausschließen: wer keine Studiengebühren zahlt, wird nicht geprüft. Hochschulbildung ist zumindest in überfüllten Hochschulen ein privates Gut. Welche weiteren Argumente sprechen für eine staatliche Finanzierung der Hochschulen, welche dagegen? Eine weitere Form des Marktversagens sind externe Effekte. Sie treten auf, wenn bei der Produktion oder beim Konsum von Gütern Vorteile oder Nachteile für Unbeteiligte entstehen, ohne dass dies über Marktpreise abgegolten wird. Externe Effekte können in Form externer Erträge oder externer Kosten ausgelöst werden. In beiden Fällen führen sie zu einer verzerrten Allokation. Marktpreise geben die tatsächlichen Knappheiten falsch wider, entsprechend wird zu viel oder zu wenig produziert. Daher sollte der Staat in diesen Fällen korrigierend eingreifen. So schränkt beispielsweise die Einleitung von Schadstoffen am Oberlauf eines Flusses die Fangqualität von Fischern am Unterlauf ebenso ein wie die Badefreuden der Anwohner. Der Verursacher belastet Dritte mit externen Kosten. Diese Kosten tauchen in der Kostenrechnung des Verursachers nicht auf, während sie Nutzen oder Gewinne Dritter aber maßgeblich beeinträchtigen. Das Beispiel zeigt: Umweltpolitik sollte darauf hinwirken, die Nutzung der Umwelt dem Verursacher zuzurechnen. Dies ist der Fall, wenn für die Umweltnutzung Preise erhoben werden. Man spricht dann von der Internalisierung externer Effekte. In Abbildung 25 beschreibt die Nachfragekurve die Konsumpläne der Haushalte bei alternativen Preisen. Die untere Angebotskurve stellt die Kosten eines Produzenten dar, wie sie sich ohne Berücksichtigung der externen Kosten ergeben würden. Die Differenz zwischen beiden Angebotskurven sind die externen Kosten. Das Gleichgewicht G 0 entsteht ohne Berücksichtigung der externen Kosten der Produktion. Im Gleichgewicht G 1 würde sich dagegen die richtige Produktionsmenge einstellen. Der Vergleich von G 1 und G 0 zeigt, dass die Internalisierung externer Kosten dazu führt, dass die Marktpreise steigen und die Produktionsmenge reduziert wird. Umweltprobleme treten also vor allem aufgrund falscher Preissignale auf. Wenn Dritte Belastungen tragen, ohne dass diese dafür entschädigt werden, führt dies zu Fehlallokationen. <?page no="100"?> 3 Marktversagen als Eingriffslegitimation 101 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 25: Die Internalisierung externer Kosten Die Umweltpolitik soll also Fehlallokationen korrigieren. Da niemand das wahre Ausmaß der externen Kosten kennt, besteht aber lediglich die Möglichkeit, sich dem Punkt G 1 zu nähern. Würde der Staat eine Umweltsteuer genau in Höhe der durch den grauen Balken in der Abbildung angedeuteten externen Kosten erheben, dann wäre der externe Effekt perfekt internalisiert. Dieses Konzept wurde in den 1920er Jahren von Cecil Pigou vorgeschlagen. Das theoretische Vorbild aller Umweltabgaben heißt ihm zu Ehren Pigou-Steuer. Zu dem angedeuteten Informationsproblem kommt allerdings noch ein weiteres: streng genommen wäre es nötig, die Geschädigten aus dem Steueraufkommen zu entschädigen. Ein anderes Konzept hat Ronald Coase rund vierzig Jahre später erarbeitet. Demnach ist eine Internalisierung externer Effekte auch denkbar, wenn der Staat die Rahmenbedingungen in der Umweltpolitik so setzt, dass Verursacher und Geschädigte über die richtige Produktionsmenge und über Kompensationszahlungen verhandeln. Coase nennt das die Zuweisung von Eigentumsrechten (property rights). Wird den Geschädigten das Recht auf eine saubere Umwelt zugestanden, dann werden die Emittenten für die teilweise Inanspruchnahme dieses Rechts einen Ausgleich zahlen. Die Geschädigten werden das akzeptieren, solange die Zahlung pro Emissionseinheit größer ist als der verursachte Schaden dieser Einheit. Das Coase-Theorem gilt dennoch als theoretische Basis für Emissionsbörsen und umweltpolitische Kooperationslösungen. Preis Menge Nachfragekurve Angebot einschl. gesamtwirt. Kosten Angebotskurve auf Basis privater Kosten G 0 G 1 p 0 p 1 x 0 x 1 <?page no="101"?> 102 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Externe Nutzen können auftreten, wenn sich in einer Region eine Vielzahl von Unternehmen einer Branche ansiedeln. Sofern zwischen den Unternehmen Netzwerke entstehen, werden externe Nutzen auftreten. Das Silicon Valley ist ein Beispiel für ein solches Cluster. Ähnliche Effekte treten auf, wenn sich Hochschulen oder Forschungseinrichtungen mit der Wirtschaft vernetzen. Im Fall von externen Nutzen ist zu vermuten, dass der Markt mengenmäßig zu wenig bereitstellt, weil die gesamtwirtschaftlichen Kosten nunmehr unterhalb der privaten Kosten verlaufen. Grundsätzlich sollte eine Region daher bestrebt sein, Hochschulen und innovative Unternehmen anzusiedeln. Die Internalisierung solcher externer Nutzen kann über eine staatliche Förderung von Netzwerken erfolgen. Wie bei Umweltproblemen ist der Umfang des externen Effekts allerdings nicht zu quantifizieren und die richtige Subventionshöhe daher nicht ermittelbar. Auch hier kommt man über ein Herantasten nicht hinaus. Die diskutierten Fälle des Marktversagens machen deutlich, dass dem Staat in der Marktwirtschaft die Aufgabe zufällt, die Allokation unter bestimmten Umständen zu korrigieren. Während es über das ob in der wirtschaftspolitischen Debatte kaum Dissens gibt, ist das wie und das inwieweit durchaus umstritten. 44 GGrruunnddeelleemmeennttee ddeerr WWiirrttsscchhaaffttssppoolliittiikk Wirtschaftspolitik ist die Gesamtheit aller Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens in einem Gebiet oder Bereich zu ordnen, zu beeinflussen oder unmittelbar festzulegen. So formulierte es Herbert Giersch, einer der führenden deutschen Volkswirte der 1960er und 1970er Jahre, im Jahr 1961. Demnach bezieht sich Wirtschaftspolitik auf eine bestimmte Region (z.B. Bund. Länder, Kommunen) und einen bestimmten Ausschnitt der Volkswirtschaft (Branchen oder Betriebsgrößen wie etwa das Handwerk); wird Wirtschaftspolitik nicht ausschließlich vom Staat betrieben Handlungsträger sind auch Kammern, Verbände, Gewerkschaften und Interessengruppen; kann Wirtschaftspolitik kurzfristig oder langfristig orientiert sein; kann Wirtschaftspolitik eher ordnungs- oder eher prozesspolitisch ausgerichtet sein. <?page no="102"?> 4 Grundelemente der Wirtschaftspolitik 103 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Im Rahmen der Ordnungspolitik soll der Staat eine Rechtsordnung definieren und Institutionen begründen, die für eine Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich als notwendig erachtet werden. Dem privatwirtschaftlichen Handeln werden durch Spielregeln Grenzen gesetzt. Ordnungspolitik ist keine einmalige Aufgabe. Die Frage nach dem optimalen Umfang der Staatstätigkeit und der Gestaltung von Gesetzen und Institutionen stellt sich immer wieder neu. Die Begründer der Sozialen Marktwirtschaft haben einen starken Akzent auf die Ordnungspolitik gelegt. Ihrer Ansicht nach waren regelmäßige wirtschaftspolitische Interventionen des Staates mit der Gefahr verbunden, dass die Wirtschaftspolitik doch vermehrt nicht marktkonforme Maßnahmen beschließt und durchführt. Abbildung 26: Prozesspolitik Demgegenüber bezeichnet man das fallweise Eingreifen in den laufenden Wirtschaftsprozess als Prozesspolitik (Abbildung 26). Orientiert an zuvor definierten Zielen erfolgt nach einer Lageanalyse die Auswahl und die Planung des Instrumenteneinsatzes. Nachdem die Maßnahmen durchgeführt wurden, erfolgt eine Wirkungskontrolle. Wurde das angestrebte Ziel nicht erreicht, dann ist der Durchführung und Kontrollen Wirkungskontrolle Zieldiskussion und -definition Lageanalyse (Soll/ Ist): Diagnose und Prognose Entscheidung und Planung <?page no="103"?> 104 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service gesamte Prozess im Sinne eines Controlling-Kreislaufs neu zu initiieren. Dabei dürften dann neben den gewählten Maßnahmen auch die definierten Ziele zur Debatte stehen. Viele Ökonomen gehen davon aus, dass der Informations- und Kontrollbedarf der Prozesspolitik im Allgemeinen höher ist als der der Ordnungspolitik. Sowohl die Ordnungspolitik als auch die Prozesspolitik sind an den gesellschaftlichen Oberzielen Freiheit, Frieden, Gerechtigkeit, Sicherheit und Wohlstand orientiert. Bei der Konkretisierung ergeben sich in der Regel Unterschiede im Verständnis dieser Ziele für die Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik. So kann Gerechtigkeit unterschiedlich verstanden werden. Sie könnte sich auf die Verteilung der Produktionsmittel, der Einkommen oder der künftigen Chancen beziehen. Kaum denkbar wäre es, eine Verteilung als gerecht anzusehen, die der ökonomischen Leistung, also dem Beitrag des einzelnen zum Produktionsergebnis entspricht. Das andere Extrem wäre eine völlig gleichmäßige Verteilung der Einkommen, die keine Leistungsanreize setzt. Die Realisierung des Wohlstandsziels hängt von der ökonomischen Leistungsfähigkeit ab. Es lässt sich als mengenmäßige Versorgung mit Gütern verstehen, kann aber auch in einem mehr qualitativen Verständnis berücksichtigen, welcher Ressourcenverbrauch hinter dem Wachstum steht. Aus den Oberzielen lassen sich die wirtschaftspolitischen Vorgaben ableiten. Im Einzelnen handelt es sich um (Abbildung 27): Allokations- und Effizienzziele wie z.B. größtmöglicher Output bei gegebener Faktorausstattung, Verbesserung der Umweltqualität, angemessene Versorgung mit öffentlichen Gütern; Verteilungsziele wie z.B.: Angleichung von Arbeits- und Vermögenseinkommen, eine ökonomische Grundsicherung und eine angemessene Risikovorsorge sowie Stabilitätsziele wie die durch das Magische Viereck gegebenen konjunkturpolitischen Ziele. Während die allokative und distributive Ausrichtung der Wirtschaftspolitik in diesem Kapitel bereits angesprochen wurde, zielt die Stabilisierungspolitik auf die Dämpfung konjunktureller Wechsellagen. Die Ziele und Instrumente der Konjunkturstabilisierung sind im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz zusammengestellt. Es handelt sich um: ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum staatliche Maßnahmen sollen auf eine Verstetigung der Zuwachsraten der Produktion zielen, um so Beschäftigungsschwankungen zu verhindern; <?page no="104"?> 4 Grundelemente der Wirtschaftspolitik 105 http: / / www.uvk-lucius.de/ service einen hohen Beschäftigungsstand Vollbeschäftigung der Arbeitskräfte trägt zur Wohlstandssteigerung bei, weil andernfalls auf mögliche Produktion verzichtet wird. Gleichzeitig gefährdet eine hohe Arbeitslosigkeit den sozialen Frieden; Abbildung 27: Grundelemente der Wirtschaftspolitik Preisniveaustabilität um die Funktionsfähigkeit des Preismechanismus nicht zu gefährden und unerwünschte Verteilungswirkungen zu vermeiden. Inflation begünstigt Gewinneinkommen und belastet Personen, die ihr Einkommen nicht am Markt aushandeln können; außenwirtschaftliches Gleichgewicht die wirtschaftliche Entwicklung im Inland soll möglichst durch die außenwirtschaftliche Entwicklung nicht negativ beeinflusst werden. Neben den konjunkturpolitischen Maßnahmen werden häufig auch strukturpolitische Maßnahmen ergriffen. Strukturpolitik zielt darauf ab, soziale Härten zu mildern, die sich aus Entwicklungsunterschieden zwischen Wirtschaftszweigen (sektorale Strukturpolitik) oder Regionen (regionale Strukturpolitik) ergeben. Struktur- und Regionalpolitik Sicherung des Wettbewerbs Bereitstellung öffentlicher Güter Wachstumspolitik Konjunkturstabilisierung soziale Mindestsicher ung Umverteilung i.e.S. Chancengerechtigkeit Ordnungspolitik Schaffung eines adäquaten rechtlichen und institutionellen Rahmens Prozesspolitik zielorientierter Instrumenteneinsatz der Handlungsträger Allokationspolitik Erhaltung und Sicherung der marktwirtschaftlichen Effizienz Distributionspolitik sozial motivierte Korrekturen der Primärverteilung Stabilisierungspolitik Korrektur gesamtwirtschaftlicher Funktionsmängel Ergänzung des Marktmechanismus (z.B. Umweltpolitik) <?page no="105"?> 106 Kapitel 6: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Ein Wirtschaftssystem ist ein idealtypisches Gedankenmodell zur Lösung der Grundfragen des arbeitsteiligen Wirtschaftens. Die Wirtschaftsordnung umfasst dagegen die Ausgestaltung aller Regeln und Institutionen, die den Aufbau einer Volkswirtschaft und die Abläufe wirtschaftlicher Vorgänge bestimmen. Die Soziale Marktwirtschaft versucht die Effizienz und die Freiheit marktwirtschaftlicher Systeme zu nutzen, aber unerwünschte Verteilungsergebnisse und soziale Härten zu vermeiden. Marktversagen tritt u.a. bei öffentlichen Gütern und bei externen Effekten auf. Hier ist der Staat gefordert, den Koordinationsmechanismus auf Märkten zu ergänzen. Wirtschaftspolitik ist die Gesamtheit aller Bestrebungen, Handlungen und Maßnahmen, die darauf abzielen, den Ablauf des Wirtschaftsgeschehens in einem Gebiet oder Bereich zu ordnen, zu beeinflussen oder unmittelbar festzulegen. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Wirtschaftssystem ► Eigentumsordnung ► Individualprinzip ► Wirtschaftsordnung ► öffentliche Güter ► meritorische Güter ► externe Effekte ► Ordnungspolitik ► Subsidiaritätsprinzip ► Marktkonformität ► Allokationspolitik ► Distributionspolitik ► Stabilisierungspolitik Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="106"?> Wiederholungsfragen 107 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Anhand welcher Kriterien lassen sich Wirtschaftsordnungen voneinander abgrenzen? Skizzieren Sie eine reine Marktwirtschaft anhand der von Ihnen genannten Merkmale. [2] Welche der folgenden Ministerien nehmen geborene Aufgaben des Staates wahr? [a] Außenministerium, [b] Sozialministerium, [c] Verkehrsministerium, [d] Gesundheitsministerium, [e] Finanzministerium, [f] Wissenschaftsministerium [3] Bei welchen der folgenden Güter handelt es sich Ihrer Meinung nach um öffentliche Güter? [a] Stadtbibliothek, [b] Betreiben eines Schwimmbads, [c] Öffentliches Schulwesen, [d] Wachpersonal und City-Streifen, [e] Bereitstellung einer Umgehungsstraße [4] In vielen größeren Städten werden Theater aus öffentlichen Mitteln finanziert. Liegt ein öffentliches Gut vor? Handelt es sich um ein meritorisches Gut? Welche Gefahren bringt eine großzügige Interpretation solcher Güter mit sich? [5] Erläutern Sie am Beispiel der Umweltverschmutzung, was Sie unter externen Effekten verstehen und welche Auswirkungen diese auf die Steuerungsfunktion der Marktpreise haben. [6] Zum 60. Geburtstag der Sozialen Marktwirtschaft schrieb die Süddeutsche Zeitung Die Deutschen zweifeln mehr denn je an der Sozialen Marktwirtschaft.
Trotz des Aufschwungs empfinden 73 Prozent die Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht. (SZ vom 17.6.2008, S. 17). Welche sozialen Ziele sollte unsere Wirtschaftsordnung Ihrer Meinung nach erreichen? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="108"?> TTeeiill 22: : NNaacchhffrraaggee-uunndd AAnnggeebboottssvveerrhhaalltteenn <?page no="110"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 77: : NNaacchhffrraaggeeeennttsscchheeiidduunnggeenn ddeerr HHaauusshhaallttee Private Haushalte agieren auf Güter- und Faktormärkten: Sie bieten Arbeit und Kapital an und fragen Güter nach. Die Darstellung dieses Entscheidungsprozesses wird nachfolgend auf die Güternachfrage beschränkt. Sind sowohl die Güterpreise als auch das Einkommen eines Haushalts gegeben, dann sind seine Konsummöglichkeiten begrenzt. Über den Gebrauch bzw. Verbrauch von Konsumgütern sind Entscheidungen zu treffen. Die Analyse des Entscheidungsprozesses erfolgt unter folgenden Annahmen: Der betrachtete, als repräsentativ angesehene Haushalt maximiert unter den gegebenen Bedingungen und ohne interne Abstimmungsprobleme den Grad seiner Bedürfnisbefriedigung. Ferner entscheidet er souverän über seine Nachfrage und ist über Marktprozesse gut informiert. LLeerrnnzziieellee Die Nachfrageentscheidungen von Haushalten orientieren sich am ökonomischen Prinzip. Die Studierenden lernen ein einfaches Wahlhandlungsmodell kennen und sind in der Lage, die Güternachfrage durch Maximierung der individuellen Bedürfnisbefriedigung herzuleiten. Der Mehrkonsum eines Gutes bringt Opportunitätskosten mit sich, die bei gegebenen Mitteln durch den Verzicht auf andere Güter entstehen. Die Präferenzen der Haushalte sind dadurch zu kennzeichnen, dass der Nutzenzuwachs mit zunehmender Güterversorgung abnimmt. Das ist das erste Gossensche Gesetz. Die optimale Konsumentscheidung ist erreicht, wenn die Haushalte Ihren Nutzen nicht mehr durch Umschichten der Güternachfrage steigern das umschreibt das zweite Gossensche Gesetz. <?page no="111"?> 112 Kapitel 7: Nachfrageentscheidungen der Haushalte http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 KKoonnssuummmmöögglliicchhkkeeiitteenn" PPrreeiissee uunndd KKoonnssuummbbuuddggeett Bei gegebenem Einkommen wird ein Haushalt die subjektiv beste realisierbare Güterkombination auswählen. Diese Entscheidungssituation kann durch folgende Annahmen vereinfacht werden: Der Haushalt verfügt über ein gegebenes Konsumbudget; Es wird nur eine Periode betrachtet damit entfällt die Möglichkeit zu sparen oder Kredite aufzunehmen. Das Konsumbudget entspricht dem Einkommen; die Güterpreise sind gegeben; die gewünschten Güter sind jeweils homogen und beliebig teilbar Unter diesen Bedingungen soll der betrachtete Haushalt über die Zusammensetzung seiner Konsumnachfrage entscheiden. Um die Überlegungen möglichst einfach zu halten, wird ein 2-Güter-Fall unterstellt. Dieser Fall ist allerdings viel allgemeiner, als es zunächst den Anschein hat: Ein Gut kann z.B. als das zu analysierende Gut angesehen werden, während die zweite Kategorie alle übrigen Güter erfasst. Ein Student verfüge über ein Konsumbudget von 600 im Monat, das er komplett auf Wohnen und Essen aufteilt. Wohnen koste monatlich 6 pro m 2 , der Preis einer Mahlzeit sei 3 . Realisierbare Konsumkombinationen sind dann: Wohnraum in m 2 (x 1 ) 100 75 50 25 0 Anzahl der Mahlzeiten (x 2 ) 0 50 100 150 200 Bei unendlicher Teilbarkeit beider Güter gilt also 600 = 6x 1 + 3x 2 . Das Beispiel zeigt: die Konsummöglichkeiten hängen vom geplanten Konsumbudget und von den Konsumgüterpreisen ab. Bezeichnet man das Konsumbudget mit y, den Preis des ersten Gutes mit p 1 und des zweiten mit p 2 sowie die Konsummengen entsprechend mit x 1 und x 2 , dann ergeben sich die maximalen Konsummöglichkeiten als Durch Auflösen nach x 1 folgt die Budgetgleichung Diese Beziehung wird in graphischer Darstellung als Budgetgerade bezeichnet. <?page no="112"?> 1 Konsummöglichkeiten, Preise und Konsumbudget 113 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 28: Die Budgetgerade Abbildung 28 stellt sämtliche möglichen Konsumkombinationen auf und unter dieser Geraden dar. Entfällt die Möglichkeit des Sparens oder der Kreditaufnahme, dann ist nur die Vollausschöpfung der Mittel rational. Dann kommen nur Konsumpunkte auf der Geraden in Betracht, weil Kombinationen darunter zu keiner Ausschöpfung des Budgets führen. Durch Ableiten dieser Budgetgleichung nach x 2 gilt: Die Steigung der Budgetgeraden entspricht dem negativen umgekehrten Preisverhältnis. Steigt der Preis p 1 , dann ändern sich die Steigung und ein Achsenabschnitt y/ p 1 . Der andere Achsenabschnitt y/ p 2 bleibt als einziger Punkt der Geraden erhalten. Im Falle von Preisänderungen dreht sich die Budgetgerade folglich. In der Abbildung dreht sich die ursprüngliche Budgetgerade nach unten, wenn der Preis p 1 im Vergleich zur Ausgangssituation steigt. Die schattierte Fläche zwischen beiden Budgetgeraden markiert alle im Vergleich zur Ausgangssituation nicht mehr erreichbare Kombinationen. Steigt die Miete beispielsweise von 6 auf 10 , dann sinkt die maximal zu mietende Fläche bei unverändertem Konsumbudget auf 60 m 2 . Die verbleibenden Konsumpunkte liegen nun auf der flacheren Budgetgeraden. Das markierte Dreieck zwischen alter und neuer Budgetgerade stellt den Kaufkrafteffekt einer Preisänderung dar steigende x 2 x 1 y/ p 1 y/ p 2 Steigung: -p 2 / p 1 <?page no="113"?> 114 Kapitel 7: Nachfrageentscheidungen der Haushalte http: / / www.uvk-lucius.de/ service Preise bedeuten unter sonst gleichen Bedingungen also einen Kaufkraftverlust. Wird dagegen bei unveränderter Preisrelation −p 2 / p 1 das Konsumbudget erhöht, dann bleibt die Steigung der Budgetgeraden unverändert. Einkommensänderungen führen zu einer Parallelverschiebung der Budgetgeraden. Dies ist für steigendes Einkommen durch die Parallelverschiebung der ursprünglichen Budgetgerade gekennzeichnet. Steigt das Budget im obigen Beispiel auf 900 , dann könnten bei den ursprünglichen Preisen nunmehr 150 m 2 angemietet werden oder entsprechend mehr Nahrungsmittel nachgefragt werden. 22 EEiiggeennsscchhaafftteenn vvoonn NNuuttzzeennffuunnkkttiioonneenn Zur individuellen Konsumentscheidung gehören Vorstellungen darüber, welche der möglichen Konsumkombinationen die subjektiv beste Wahl ist. Die Analyse derartiger Entscheidungen erfolgt unter zwei Voraussetzungen: Der betrachtete Haushalt strebt einen maximalen Grad der Bedürfnisbefriedigung an (ökonomisches Prinzip). Trifft ein Haushalt in dieser Weise Entscheidungen, dann liegt Rationalverhalten vor. Mehr bedeutet deshalb im Allgemeinen besser. Die zweite Annahme betrifft die Konsumentensouveränität. Demnach entscheidet ein Haushalt ohne äußere Einflüsse streng nach individuellen Maßstäben und ist über Marktprozesse gut informiert. Die Mitglieder von Haushalten haben materielle Bedürfnisse, die sie durch den Gebrauch oder Verbrauch von Gütern befriedigen. Der Grad der Bedürfnisbefriedigung wird in der Haushaltstheorie als Nutzen bezeichnet. Der Nutzen resultiert aus individuellen Empfindungen beim Konsum von Gütern er ist nicht objektiv messbar. Der Ökonom ist also nicht in der Lage, über die Konsumpläne unterschiedlicher Haushalte zu urteilen. Der interpersonelle Nutzenvergleich ist unmöglich. Eine Nutzenfunktion ordnet jeder Güterkombination (x 1 , x 2 ) ein Nutzenniveau U zu: ! , Die Nutzenfunktion sei stetig und zweifach differenzierbar. Ihre ersten partiellen Ableitungen geben an, um wie viel sich der Nutzen verändert, wenn ausgehend von einer Konsumkombination die Menge eines Gutes steigt und die Menge des anderen unverändert bleibt. Diese Änderung wird als Grenznutzen bezeichnet. Der Nutzen nimmt also zu, wenn eine Einheit eines beliebigen Gutes mehr konsumiert wird: <?page no="114"?> 2 Eigenschaften von Nutzenfunktionen 115 http: / / www.uvk-lucius.de/ service "# " $ %# $ , & % $ ' 0 und "# " & %# $ , & % & ' 0 Eine weitere, häufig vorausgesetzte Eigenschaft der Nutzenfunktion ist die des abnehmenden Grenznutzens mit steigender Güterversorgung nimmt der zusätzliche Nutzen jeder weiteren konsumierten Gütereinheit ab. Zusammen beschreiben diese Eigenschaften das erste Gossensche Gesetz vom positiven, aber abnehmenden Grenznutzen. Demnach tritt mit zunehmendem Konsum eines Gutes keine Sättigung ein allerdings stiftet jede zusätzliche Gütereinheit immer weniger Nutzen. Abbildung 29 zeigt eine partielle Nutzenfunktion, die dem ersten Gossenschen Gesetz folgt. Dabei wird die Konsummenge des zweiten Gutes mit x 2 konstant gesetzt. Positive, aber abnehmende Grenznutzen bedeuten, dass der Nutzenzuwachs U für jede zusätzliche Menge x 1 abnimmt. Ausgehend von einer geringen Konsummenge führt eine zusätzliche Mengeneinheit x 1 zu einem beträchtlichen Anstieg des Nutzens U. Wie anhand der Abbildung zu sehen ist, wird dieser zusätzliche Nutzen mit steigendem Konsumniveau von x 1 kleiner, ohne allerdings negativ zu werden (Nichtsättigung). Abbildung 29: Das erste Gossensche Gesetz Ein Wanderer kehrt bei einer Bergtour ein und stillt auf der Alm seinen Durst. Dabei beobachtet er, dass sein Nutzenzuwachs mit jedem Glas Buttermilch abnimmt. Im alltäglichen Sprachgebrauch heißt es dann: U Δ x 1 Δ x 1 Δ x 1 Δ U Δ U Δ U U (x 1 , x 2 ) x 1 <?page no="115"?> 116 Kapitel 7: Nachfrageentscheidungen der Haushalte http: / / www.uvk-lucius.de/ service Der erste Schluck schmeckt am besten. Schätzt der Wanderer seine Zahlungsbereitschaft für das erste Glas auf 3 , für das zweite auf 2 und für das dritte auf 1,50 , dann wird er zu einem Preis von 2 genau zwei Glas trinken. Bei einem Preis von 1,50 wäre er bereit, drei zu trinken. Bei Gültigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes nimmt die nachgefragte Menge mit zunehmendem Preis ab. Setzt man das Nutzenniveau bei variablen Gütermengen x 1 und x 2 konstant, dann ergibt sich die Darstellung der Nutzenfunktion als Indifferenzlinie: ! , Die Indifferenzlinie gibt an, mit welchen verschiedenen Mengen beider Güter ein gegebenes Nutzenniveau erreichbar ist. Die Steigung der Indifferenzlinie gibt das nutzenneutrale Austauschverhältnis zwischen beiden Gütern an und wird als Grenzrate der Substitution (GRS) bezeichnet. Sie zeigt, auf wie viele Gütereinheiten von Gut 1 der Haushalt verzichten würde, um eine zusätzliche Einheit von Gut 2 konsumieren zu können. Angenommen, man befinde sich in Abbildung 30 im Punkt A, in dessen Umgebung die GRS dem Betrag nach hoch ist. Dort wird vergleichsweise viel von Gut 1 und wenig von Gut 2 konsumiert. Abbildung 30: Die Grenzrate der Substitution U B A Δx 2 x 1 x 2 Δ x 1 Δ x 1 Δx 2 <?page no="116"?> 3 Der optimale Konsumplan 117 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Um eine zusätzliche Menge von Gut 2 ( x 2 ) zu bekommen, wäre ein Haushalt bereit, auf verhältnismäßig viel vom ersten Gut ( x 1 ) zu verzichten. Bei einer gedanklichen Wanderung entlang der Indifferenzlinie in Richtung B wird es zunehmend schwieriger, Gut 1 nutzenneutral durch Gut 2 zu substituieren. Der Grenznutzen des zweiten Gutes sinkt kontinuierlich, während der des ersten Gutes bei sinkenden Konsummengen zunimmt. Die Grenzrate der Substitution als Steigung der Indifferenzlinie entspricht dem negativen umgekehrten Verhältnis der Grenznutzen: (! ( (! ( Die Grenzrate der Substitution nimmt entlang der Indifferenzlinie dem Betrage nach also ab. Dies hängt mit den Veränderungen des Grenznutzens zusammen. Bei der Bewegung auf der Indifferenzlinie von links oben nach rechts unten nimmt x 1 ab und x 2 zu. Entsprechend nimmt der Grenznutzen "# " $ zu und der Grenznutzen "# " & ab. Die Steigung der Indifferenzlinie sinkt also. Bei Gültigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes vom abnehmenden Grenznutzen ist die Indifferenzlinie konvex gekrümmt. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer abnehmenden Grenzrate der Substitution. 33 DDeerr ooppttiimmaallee KKoonnssuummppllaann Verschiedene Nutzenniveaus können als eine Schar sich nicht schneidender, durchweg fallender Indifferenzlinien dargestellt werden. Je höher das jeweilige Nutzenniveau, desto weiter rechts oben liegt die zugehörige Indifferenzlinie. Die Budgetgerade zeigt sämtliche realisierbaren Konsumpläne bei gegebenen Preisen und gegebenem Konsumbudget. In Abbildung 31 wird diejenige Kombination von Gütermengen x 1 und x 2 gesucht, die auf der Budgetgeraden zum höchsten Nutzen führt. Dies ist der optimale Konsumplan. Die Lösung dieses Optimierungsproblems lässt sich graphisch durch eine Wanderung entlang der Budgetgeraden veranschaulichen. In der Abbildung sind drei unterschiedliche Nutzenniveaus durch Indifferenzlinien dargestellt. Im Punkt A wird eine Indifferenzlinie geschnitten rechts von diesem Schnittpunkt können jedoch höhere Nutzenniveaus erreicht werden. Im Punkt B berührt die Budget- <?page no="117"?> 118 Kapitel 7: Nachfrageentscheidungen der Haushalte http: / / www.uvk-lucius.de/ service gerade eine Indifferenzlinie. Zwischen B und C werden weitere Indifferenzlinien geschnitten. Ersetzt man dort weiterhin x 1 durch x 2 , dann verringert sich der Nutzen. Solange die Indifferenzlinien von der Budgetgeraden geschnitten werden, ist das Nutzenniveau durch Umschichtungen zwischen x 1 und x 2 zu steigern. Abbildung 31: Der optimale Konsumplan Der optimale Konsumplan ist somit durch den Tangentialpunkt B gekennzeichnet dort steigt der Nutzen durch Umschichtungen nicht mehr. Der optimale Konsumplan ist erreicht, wenn die Steigung der letzten erreichbaren Indifferenzlinie der Steigung der Budgetgeraden entspricht. Formal ist demnach die Grenzrate der Substitution als negatives umgekehrtes Verhältnis der Grenznutzen gleich der ebenfalls negativen Steigung der Budgetgeraden: (! ( (! ( Die dazu äquivalente Schreibweise (! ( (! ( zeigt: bei Vollausschöpfung des Budgets sind Nutzensteigerungen durch Umschichten der eingesetzten Konsumausgaben möglich, wenn die letzte für Gut 1 x 1 x 2 y/ p 1 y/ p 2 B C A <?page no="118"?> 3 Der optimale Konsumplan 119 http: / / www.uvk-lucius.de/ service eingesetzte Ausgabeneinheit einen höheren Nutzen aufweist als die des zweiten Gutes oder umgekehrt. Im Optimum müssen sich die auf die jeweiligen Güterpreise bezogenen Grenznutzen dagegen ausgleichen. Nur dann lässt sich der Nutzen durch Umschichtungen zwischen x 1 und x 2 nicht weiter erhöhen. Diese Aussage wird auch als zweites Gossensches Gesetz bezeichnet. Dieses Gesetz gilt auch im allgemeinen Fall von n Gütern: (! ( (! ( ⋯ (! ( <?page no="119"?> 120 Kapitel 7: Nachfrageentscheidungen der Haushalte http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Die konsumierbaren Gütermengen hängen vom Einkommen und von Preisen ab. Entlang der Budgetgeraden ermöglicht ein Verzicht auf eine Gütereinheit des zweiten Gutes einen zusätzlichen Konsum des ersten Gutes von p 2 / p 1 Einheiten des ersten Gutes. Der Minderkonsum eines Gutes kann bei unverändertem Nutzen durch den Mehrkonsum eines anderen Gutes kompensiert werden. Entlang einer Indifferenzlinie nimmt die Grenzrate der Substitution ab. Dies ergibt sich aus der Gültigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes vom positiven, aber abnehmenden Grenznutzen. Nach dem zweiten Gossenschen Gesetz gilt: Im optimalen Konsumplan gleichen sich die auf die Güterpreise bezogenen Grenznutzen in allen Verwendungen aus. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Budgetgerade ► Rationalverhalten ► Gossensche Gesetze ► Grenznutzen ► Indifferenzlinie ► Grenzrate der Substitution ► optimaler Konsumplan Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Ein Student teilt sein monatliches Konsumbudget von 600 in Wohnen und sonstige Güter auf. Die Miete beträgt 6 pro m 2 , die sonstigen Güter kosten 1 pro Einheit. Welche Konsumkombinationen sind möglich? Was ändert sich durch [a] ein Wohngeld von pauschal 150 bzw. [b] von 2 pro m 2 ? Welche Maßnahme würden Sie unter welchen Umständen bevorzugen? <?page no="120"?> Wichtige Schlagwörter 121 http: / / www.uvk-lucius.de/ service [2] Erklären Sie anhand einer geeigneten Graphik, was mit einer abnehmenden Grenzrate der Substitution gemeint ist und interpretieren Sie diesen Sachverhalt ökonomisch. Welche Rolle spielen dabei die positiven, aber abnehmenden Grenznutzen? [3] Sie stehen sechs Wochen vor den nächsten drei Klausuren. Sie erwarten pro zusätzliche Vorbereitungswoche folgende Verbesserungen Ihrer Klausurergebnisse: [a] Ein nicht mit Mikroökonomik vertrauter Kommilitone rät Ihnen, die Vorbereitungszeit gleichmäßig auf die drei Fächer zu verteilen. Zeigen Sie, dass es Ihnen durch Umschichtungen gelingen kann, Ihren zu erwartenden Notendurchschnitt zu nochmals verbessern. [b] Stellen Sie sich vor, dass Sie Ihre Note im dritten Fach doppelt gewichten. Wie teilen Sie dann Ihre Vorbereitungszeit auf? [c] Was hat das alles mit dem zweiten Gossenschen Gesetz zu tun? [4] Ein Student habe monatlich 100 für Freizeitausgaben zur Verfügung und wählt zwischen Kino K und Club C. Ein Kinoabend kostet 10 , ein Abend im Club 25 . Seine Nutzenfunktion sei U = K C. Ermitteln Sie seinen optimalen Konsumplan zeichnerisch. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. Fach 1 Fach 2 1,5 1,0 1,3 1,0 Fach 3 0,8 0,5 Wochen 1 2 0,5 0,8 0,2 3 0,2 0,6 0,1 4 <?page no="121"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 88: : PPrreeiissee" EEiinnkkoommmmeenn uunndd MMaarrkkttnnaacchhffrraaggee Kapitel 7 hat gezeigt, dass Preise, Einkommen und Präferenzen die Nachfrageentscheidung von Haushalten wesentlich beeinflussen. Basierend auf dem einfachen Wahlhandlungsmodell werden nachfolgend die Abhängigkeiten zwischen den Nachfragemengen und ihren Bestimmungsgrößen charakterisiert. Aus vielen individuellen Nachfrageentscheidungen ergibt sich die Marktnachfrage. Ihre Eigenschaften in Bezug auf sich verändernde Preise und Einkommen sind von besonderem Interesse. Bei der Klassifizierung dieser Abhängigkeiten helfen Elastizitäten. Dabei handelt es sich um Kennzahlen, die prozentuale Veränderungen der Nachfragemengen zu den prozentualen Veränderungen der erklärenden Variablen ins Verhältnis setzen. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden kennen die Beziehungen zwischen der allgemeinen Nachfragefunktion und ihren partiellen Darstellungen, den Nachfragekurven. Sie können dem Einfluss des Preises auf die nachgefragte Menge die Begriffe Dringlichkeit und Substituierbarkeit zuordnen. Während die Nachfrage nach einigen Gütern erhebliche Einkommensabhängigkeiten aufweist, gibt es andere, die kaum auf veränderte Einkommen reagieren. Die Studierenden können dem die Begriffe superior und inferior zuordnen. Die Studierenden können die Mengenwirkungen von Preisänderungen in den Substitutions- und den Kaufkrafteffekt zerlegen. Sie wissen, wann ein positiver und wann ein negativer Einfluss der Kreuzpreise auf die Nachfrage entsteht. Elastizitäten sind einfache, aber leistungsfähige Kennzahlen zur Beschreibung ökonomischer Abhängigkeiten. Die Studierenden sind in der Lage, Nachfrageanalysen mit Hilfe von Preis- und Einkommenselastizitäten durchzuführen. <?page no="122"?> 1 Preis- und Einkommensänderungen 123 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 PPrreeiiss-uunndd EEiinnkkoommmmeennssäännddeerruunnggeenn Bestimmt man die Güternachfrage nach einem Gut aus dem optimalen Konsumplan, dann hängt diese Menge bei gegebenen Präferenzen und sonstigen Rahmenbedingungen von den Größen ab, die die Lage der Budgetgeraden beeinflussen. Die allgemeine Nachfragefunktion bestimmt demnach die Nachfragemenge eines Haushalts in Abhängigkeit von Preisen und Einkommen: , , Das Gesetz der Nachfrage besagt, dass die Nachfragemenge fällt, wenn der zugehörige Güterpreis steigt. Wie das Beispiel des Wanderers im letzten Kapitel gezeigt hat, hängt dies mit der sinkenden (Grenz-)Zahlungsbereitschaft und der Gültigkeit des ersten Gossenschen Gesetzes zusammen. Darüber hinaus lässt sich nicht unmittelbar erkennen, in welche Richtung und mit welcher Intensität die übrigen Preise und die Einkommen die Nachfragedispositionen beeinflussen. Zwei Aspekte sind zu analysieren: Wie beeinflussen die Preise übriger Güter die Nachfrage nach Gut 1? Lokalpolitiker könnten sich z.B. von einer Preissenkung im öffentlichen Nahverkehr einen Rückgang des Pkw-Verkehrs erhoffen. Unter welchen Umständen ist diese Erwartung mit der Nachfragetheorie vereinbar? Welcher Einfluss geht c.p. von steigenden Einkommen auf die Nachfragemengen aus? Empirische Untersuchungen zeigen, dass die Nachfrage nach Fernreisen mit steigenden Einkommen stark zunimmt. Wie lässt sich diese Beobachtung erklären? Beginnen wir mit der zweiten Frage. Durch steigende Einkommen nehmen die Konsummöglichkeiten zu. Bei unveränderten Preisen ist der betrachtete Haushalt in der Lage, mehr von Gut 1 und von Gut 2 zu kaufen. Abbildung 32 stellt die Wirkung eines steigenden Einkommens auf den optimalen Konsumplan bei unveränderten Preisen und Präferenzen dar. In der graphischen Darstellung verschiebt sich die Budgetgerade parallel nach außen. Während im Ausgangszustand der Plan A realisiert wird, kommt es nach der Einkommenserhöhung zum optimalen Konsumplan B. Die Verbindung aller optimalen Verbrauchskombinationen für variierende Einkommen heißt Einkommens-Konsum-Kurve. Sie gibt an, wie sich die Konsumstruktur eines Haushalts bei unveränderter Preisrelation, gegebenen Präferenzen und variierendem Einkommen verändert. <?page no="123"?> 124 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 32: Der optimale Konsumplan bei variierendem Einkommen Die rechte Graphik zeigt die Abhängigkeit der Nachfrage nach Gut 1 vom Einkommen, wenn alle übrigen Bedingungen unverändert bleiben: Punkt A lässt sich durch Übertragung der im optimalen Konsumplan realisierten Verbrauchsmenge x 1 für das Einkommensniveau y konstruieren. Entsprechend lässt sich die in B realisierte Menge im x 1 / y-Diagramm dem höheren Einkommen y´ zuordnen. Bei gegebenen Preisen hängt die Nachfrage nach einem Gut somit nur vom Einkommen ab. Dieser Zusammenhang zwischen Einkommen und Nachfragemenge heißt Engel-Kurve. Steigende Einkommen führen im Allgemeinen zu einer steigenden Nachfrage. Die allgemeine Nachfragefunktion wird bei gegebenen Preisen zu: , , Der Statistiker Engel stellte Mitte des 19. Jahrhunderts fest, dass die Nachfrage nach Nahrungsmitteln im damaligen Preußen mit steigenden Einkommen zwar absolut zunahm, dass ihr Anteil am Einkommen aber sank. Nimmt die Nachfrage bei zunehmendem Einkommen wie für Gut 1 in Abbildung 32 unterproportional zu, dann liegt ein relativ inferiores Gut vor. Der zugehörige Budgetanteil p 1 x 1 / y sinkt mit steigendem Einkommen. Ein Teil des Strukturwandels zu Lasten der Landwirtschaft oder der Textil- und Bekleidungsindustrie dürfte beispielsweise auf den Umstand zurückzuführen sein, dass der Zuwachs der Nachfrage nach diesen Gütern hinter der Einkommensentwicklung zurückbleibt. Superiore Güter (auch: Luxusgüter) zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass die Nachfrage nach diesen Gütern bei gegebenen Preisen relativ stärker als das Einkommen steigt. Bei unveränderten Güterpreisen steix 2 y y/ p 1 y y B A A B y/ p 1 Y/ p 2 Y/ p 2 x 1 x 1 Engel- Kurve Einkommens- Konsum- Kurve <?page no="124"?> 1 Preis- und Einkommensänderungen 125 http: / / www.uvk-lucius.de/ service gen die Budgetanteile, wie es in der Vergangenheit für Fernreisen und hochwertige Gebrauchsgüter der Fall war. Wenn das Einkommen in einem 2-Güter-Fall bei unveränderten Preisen zunimmt und die Nachfrage nach einem Gut überproportional steigt, dann kann die Nachfrage nach dem anderen Gut höchstens unterproportional zunehmen. Dies folgt aus der Argumentation über die Budgetanteile p 1 x 1 / y und p 2 x 2 / y. Sinkt der Budgetanteil von Gut 1, dann muss der von Gut 2 steigen. Für einzelne Güter kann die Nachfrage mit steigendem Einkommen sogar sinken. Solche qualitativ oft minderwertigen Güter bezeichnet man als absolut inferior. Der Zusammenhang zwischen Preisen und Nachfragemengen wird ebenfalls vom optimalen Konsumplan ausgehend betrachtet. Die Veränderung eines Preises führt im 2-Güter-Fall zu einer Drehung der Budgetgeraden. Ausgehend vom optimalen Konsumplan A ist in Abbildung 33 unterstellt, dass der Preis des Gutes 1 steigt. Die Budgetgerade dreht sich um den Punkt y/ p 2 nach innen. Auf der neuen Budgetgeraden erweist sich die Konsumkombination B als optimal. Die Verbindung der optimalen Konsumpläne bei einem sich ändernden Preis heißt Preis-Konsum-Kurve. Die rechte Graphik stellt die Veränderungen der Konsummengen von Gut 1 für variierende Preise p 1 dar, wenn sich der Preis p 2 und das Konsumbudget y nicht ändern: , , Diese so genannte marshallsche Nachfrage ist meist Gegenstand graphischer Darstellungen und eignet sich insbesondere zur Analyse der Preisabhängigkeit der Nachfrage. Die Nachfragemenge sinkt mit steigendem Preis. Die untere Graphik stellt eine Beziehung zwischen der Nachfragemenge des Gutes 2 bei variierendem Preis p 1 her. Hat die Preis-Konsum-Kurve den in Abbildung 33 angedeuteten Verlauf, dann sinkt die nachgefragte Menge x 2 mit p 1 . Die allgemeine Nachfragefunktion wird bei unverändertem Preis p 2 und konstantem Einkommen y zur Kreuznachfrage , , Im dargestellten Fall sinken die optimalen Konsummengen sowohl des betroffenen Gutes 1 als auch des Gutes 2. Steigende Preise führen aber nicht generell zu einer sinkenden Kreuznachfrage. Eine Mehrnachfrage beim nicht von Preissteigerungen betroffenen Gut ist ebenfalls denkbar B läge dann rechts unterhalb von A. Im folgenden Abschnitt werden diese Zusammenhänge genauer untersucht. <?page no="125"?> 126 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 33: Der optimale Konsumplan bei variierenden Preisen 22 SSuubbssttiittuuttiioonnss-uunndd KKaauuffkkrraafftteeffffeekkttee Jede Preisänderung verändert die Kaufkraft. Steigende Preise reduzieren bei unverändertem Einkommen die Konsummöglichkeiten der Haushalte. Rational handelnde Haushalte reagieren auf eine sinkende Kaufkraft genau wie auf einen Einkommensrückgang normalerweise reduzieren sie dann ihre Nachfrage. Das bezeichnet man als Einkommens- oder Kaufkrafteffekt. Haushalte werden außerdem auf veränderte Preissignale reagieren, sofern die beiden betrachteten Güter in hinreichendem Maße austauschbar sind. In solchen Fällen werden sie versuchen, das teurer werdende Gut durch das andere zu ersetzen. Es ergeben sich also Substitutionseffekte. Abbildung 34 erlaubt es, beide Effekte bezüglich der Anpassungen zwischen den Punkten A und B zu unterscheiden. Zunächst nimmt man an, dass der betrachtete Haushalt erst einmal die Veränderung des Preisverhältnisses wahry/ p 1 B A x 2 B A y/ p 2 x 2 x 1 x 1 p 1 p 1 y/ p 1 p 1 p 1 A B Nachfrage- Kurve Preis-Konsum- Kurve Kreuznachfragekurve <?page no="126"?> 2 Substitutions- und Kaufkrafteffekte 127 http: / / www.uvk-lucius.de/ service nimmt. Der Substitutionseffekt ergibt sich aus dem zweiten Gossenschen Gesetz: (! ( (! ( Abbildung 34: Substitutions- und Kaufkrafteffekte Steigt der Preis p 1 , dann muss der optimale Konsumplan angepasst werden. Dies kann einerseits dadurch geschehen, dass der Grenznutzen des ersten Gutes zunimmt oder bei unverändertem Preis p 2 der Grenznutzen des zweiten Gutes abnimmt. Aufgrund des positiven, aber sinkenden Grenznutzens nimmt die Konsummenge x 1 also ab und die Menge x 2 nimmt zu. In einem neuen Haushaltsoptimum entspricht die rechte Seite der obigen Gleichung wieder der linken. In der Abbildung ist der Substitutionseffekt als Bewegung von A in den Punkt S dargestellt. In S berührt eine Parallele der neuen Budgetgerade die Indifferenzlinie U 1 . S ist ein fiktiver Punkt, bei dem das veränderte Preisverhältnis p 2 / p 1 einen im Vergleich zum Ausgangspunkt A unveränderten Nutzen zulässt. Punkt S gehorcht dem zweiten Gossenschen Gesetz (graue Pfeile): der Konsum des teurer werdenden Gutes 1 sinkt, während vom relativ billiger werdenden Gut 2 mehr konsumiert wird. Die Differenzen zwischen den Konsummengen in A und S kennzeichnen die Substitutionseffekte SE 1 und SE 2 . S A B x 1 x 2 U 1 U 2 SE 1 KE 1 SE 2 KE 2 Y/ p 2 <?page no="127"?> 128 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service Der Substitutionseffekt verläuft zu Lasten des relativ teurer werdenden Gutes und zu Gunsten des relativ billigeren Gutes: Das Verhältnis x 1 / x 2 sinkt, wenn das Preisverhältnis p 1 / p 2 steigt. Bisher blieb unberücksichtigt, dass zwischen der neuen und der alten Budgetgeraden Kaufkraftverluste auftreten der Haushalt kann sich das hohe Nutzenniveau U 1 tatsächlich gar nicht mehr leisten. Die Bewegung von S in den Punkt B zeigt, wie der Haushalt seine Nachfrage an die Kaufkraftverluste anpasst. Dieser Kaufkrafteffekt wirkt auf die Nachfrage nach Gut 1 und nach Gut 2 dämpfend. Zudem gilt: superiore Güter reagieren stärker auf Veränderungen der Kaufkraft als inferiore Güter. Im vorliegenden Fall ist Gut 1 offenbar relativ inferior, weil der Kaufkraftrückgang die Nachfragerelation x 1 / x 2 zu Lasten des superioren Gutes 2 verschiebt. Durch den Kaufkrafteffekt steigt das Mengenverhältnis x 1 / x 2 , weil x 2 relativ stärker sinkt als x 1 . Der Gesamteffekt einer Preisänderung auf die Nachfrage ergibt sich als Summe aus Substitutions- und Kaufkrafteffekt. Das Gesetz der Nachfrage beruht auf beiden: steigt der Preis eines Gutes, dann wird die Nachfragemenge durch den Substitutionseffekt und durch den Kaufkrafteffekt sinken. Die Nachfragekurve sinkt. Die Steigung der Kreuznachfragekurve ist dagegen nicht eindeutig: [1] Die Nachfrage nach Gut 2 sinkt mit steigendem Preis des ersten Gutes, wenn der Nachfrage hemmende Kaufkrafteffekt größer ist als der begünstigende Substitutionseffekt. Dieser in den Abbildungen 33 und 34 darstellte Fall kann als komplementäre Güterbeziehung interpretiert werden. Allgemeiner formuliert überwiegt der Kaufkrafteffekt den Substitutionseffekt beim nicht von Preisänderungen betroffenen Gut. [2] Ebenso plausibel ist der umgekehrte Fall. Überwiegt der Substitutionseffekt den Kaufkrafteffekt, dann nimmt die Nachfrage nach x 2 mit steigendem p 1 zu. In diesem Fall hätte die Kreuznachfragekurve eine positive Steigung und man spricht von einer substitutiven Güterbeziehung. In Abbildung 34 läge der Punkt B dann rechts unterhalb von A. Aufgrund gegenläufiger und unterschiedlich ausgeprägter Kaufkraft- und Substitutionseffekte ist die Bandbreite denkbarer Anpassungen an Preisänderungen groß. Sind die Substitutionsmöglichkeiten zwischen den beiden betrachteten Gütern schwach, dann liegt der Substitutionspunkt S in der Nähe von A. Bei geringen Substitutionseffekten machen die Kaufkrafteffekte den wesentlichen Teil des Gesamteffekts von A nach B aus. Dabei sinkt die Nachfragemenge des superioren Gutes stärker als die des relativ inferioren Gutes. <?page no="128"?> 3 Marktnachfrage und Nachfrageelastizitäten 129 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Als praktische Anwendung lassen sich die Wirkungen einer Energiesteuer anführen. Kurzfristig halten sich die Substitutionseffekte einer Energiepreissteigerung vermutlich in Grenzen, weil Unternehmen und Haushalte auf Energie angewiesen sind. Energie ist außerdem eher als inferiores Gut anzusehen, so dass die Nachfrage nach nicht-energetische Güter besonders unter dem Kaufkraftentzug leiden würde. Alles in allem würden sich durch steigende Energiepreise kurzfristig kaum Anpassungen der Energienachfrage, wohl aber Nachfragerückgänge bei allen übrigen Gütern ergeben. Diese Kaufkrafteffekte bei den übrigen Gütern fallen umso stärker aus, je schwächer die Rückerstattung der Steuereinnahmen an anderer Stelle ausfällt. 33 MMaarrkkttnnaacchhffrraaggee uunndd NNaacchhffrraaggeeeellaassttiizziittäätteenn Auf der einzelwirtschaftlichen Ebene nimmt die Nachfragemenge normalerweise mit steigendem Preis ab und steigendem Einkommen zu. Die Marktnachfrage nach einem Gut ergibt sich bei gegebenem Einkommen und übrigen Preisen als Summe aller individuellen Nachfragemengen. Die Marktnachfrage gibt die Beziehung zwischen Preis und insgesamt nachgefragter Menge wieder und ist die am häufigsten verwendete Darstellungsform der Güternachfrage. Wie im Kapitel 4 schon angesprochen, gilt das jedoch nur unter c.p.-Bedingungen hier also bei konstantem Einkommen und unveränderten sonstigen Preisen. Verändert sich eine dieser als konstant angenommenen Größen, dann führt dies zu einer Verschiebung der Nachfragekurve. Steigt beispielsweise das Einkommen, dann wird zu jedem beliebigen Preis mehr nachgefragt die ursprüngliche Nachfragekurve verschiebt sich nach rechts. Will man Beziehungen zwischen einer abhängigen Variablen und einer Einflussgröße nicht nur der Wirkungsrichtung nach bestimmen sondern auch quantifizieren, dann eignen sich dafür Elastizitäten. Sie setzen prozentuale Veränderungen einer Größe zur relativen Änderung einer auslösenden Größe in Beziehung. Stellt sich beispielsweise die Frage, wie stark die Nachfrage nach Elektrizität zurückgeht, wenn der Strompreis steigt, dann würde ein Nachfragerückgang um 5 % bei einer Preissteigerung von 20 % auf eine geringe Preiselastizität schließen lassen: * + ä + - % 3 -4ä + - % 5% 20% 1 4 <?page no="129"?> 130 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service Dagegen würde eine Preiselastizität von −4 bedeuten, dass der resultierende prozentuale Mengeneffekt dem Betrag nach vier Mal so groß ist wie die auslösende relative Preisänderung. Das obige Beispiel zeigt: um eine sogenannte Bogenelastizität berechnen zu können, benötigt man nur die prozentuale Änderung der Nachfragemenge und die prozentuale Änderung des Preises. Ferner sollte gewährleistet sein, dass sich alle anderen Einflüsse auf die Nachfrageentscheidung nicht verändern (c.p.). Die Preiselastizität ist dann als ,8 ∆ ∆ ∆ ∆ definiert. p/ p und x/ x sind prozentuale Preisbzw. Mengenänderungen. Die Preiselastizität der Nachfrage e x,p ist also eine dimensionslose Größe. Sie gibt an, um wie viel Prozent sich die Nachfragemenge verringert, wenn der Preis um 1 % zunimmt und alle anderen Nachfrageeinflüsse unverändert bleiben. Werden die Steigungsdreiecke beliebig klein und damit zu Tangentensteigungen, dann liegt eine Punktelastizität vor (mit d als Symbol für infinitesimal kleine Änderungen): ,8 Punktelastizitäten benötigen einen höheren Informationsinput als Bogenelastizitäten. Sie setzen voraus, dass die Marktnachfragefunktion und deren Ableitung dx/ dp bekannt sind. Dann führen sie allerdings zu genaueren Ergebnissen als die Bogenelastizität. Liegt die Preiselastizität zwischen 0 und −1, dann ist die Nachfrage preisunelastisch. Die Nachfrager können dem Produkt schwer ausweichen oder auf das Produkt verzichten. Beispiele sind Energie, Grundnahrungsmittel oder suchterzeugende Substanzen. Dort liegt also eine dringliche Nachfrage vor. Für −∞ < e < −1 ist die Marktnachfrage dagegen elastisch das betrachtete Gut lässt sich dann leichter durch andere substituieren. Die Preiselastizität hängt einerseits von den individuellen Präferenzen der betrachteten Haushalte und von schwer voraussagbaren Nachfragetrends ab. Der Wunsch nach einem neuen, besonders attraktiven Mobiltelefon oder der neue Roman eines Bestsellerautors könnte von vielen Konsumenten als besonders dringlich angesehen werden. Hier spielt sicher auch die Werbung und das <?page no="130"?> 3 Marktnachfrage und Nachfrageelastizitäten 131 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Nachfrageverhalten anderer Konsumenten eine Rolle. Darüber hinaus sind es zwei Aspekte, die für die Dringlichkeit von Gütern besonders bedeutsam sind: Eine weite Marktabgrenzung spricht tendenziell für eine dringliche Nachfrage. Nahrungsmittel insgesamt sind naturgemäß schwer zu substituieren. Frisches Gemüse lässt sich schon leichter ersetzen beispielsweise durch Obst oder Konserven. Je spezieller der betrachtete Markt, desto leichter ersetzbar werden die Güter. Steigt der Tomatenpreis, dann weichen die Konsumenten auf Gurken oder Salat aus. Empirische Analysen für die Nachfrage nach Tomaten weisen beispielsweise Werte um −5 auf. Ähnlich verhält es sich mit der Nachfrage nach Automobilen. Die Nachfrage nach einer bestimmten Marke oder einem bestimmten Typ dürfte sehr viel elastischer sein als die gesamte Marktnachfrage. Automanager richten deshalb ihre Marketinginstrumente vor allem darauf aus, die Kundenbindung zu erhöhen, die Nachfrage nach ihren Produkten dringlicher zu machen und damit ihre Preisspielräume zu vergrößern. Ein kurzer Zeithorizont spricht ebenfalls für Dringlichkeit. Kurzfristig dürfte die Preiselastizität der Energienachfrage in der Nähe von Null liegen, weil die Haushalte nicht ihr Automobil, ihre Heizungsanlage oder ihren Kühlschrank auswechseln. Bestehen aber langfristig Möglichkeiten, die Verbrauchsgewohnheiten umzustellen oder energiesparende Geräte anzuschaffen, dann erhöbt sich die Preiselastizität dem Betrag nach erheblich. Schätzungen für die Nachfrage nach Mineralölprodukten deuten an, dass die Preiselastizität kurzfristig zwischen −0,5 und −0,2 liegt, während die Nachfrage langfristig deutlich elastischer ist. Abbildung 35 erläutert dies anhand zweier Nachfragegeraden: Ausgehend vom Punkt A steige der Preis. Liegt kurzfristig eine preisunelastische Nachfrage vor, dann geht die Menge nur um X B zurück. Die neue Preis-Mengen-Kombination ist dann durch den Punkt B gekennzeichnet. In der langen Frist könnte die Mengenreaktion mit X C sehr viel größer ausfallen. <?page no="131"?> 132 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 35: Unterschiedliche Preiselastizitäten Die Veränderungen sind jeweils als Steigungsdreiecke eingezeichnet. Da der Ausgangspunkt A und damit 8 in beiden Fällen identisch ist, bestimmt sich die Preiselastizität hier allein durch die unterschiedlichen Steigungen. Daraus zu schließen, die Preiselastizität und die Steigung der Marktnachfrage seien mehr oder weniger das Gleiche, ist allerdings verfehlt. Das macht Abbildung 36 deutlich. Abbildung 36: Preiselastizitäten bei einer Nachfragegerade X A B p C Δ p Δ x B Δ x C preiselastische Nachfrage preisunelastische Nachfrage X p E Umsatzmaximum e = -1 Prohibitivpreis Sättigungsmenge <?page no="132"?> 3 Marktnachfrage und Nachfrageelastizitäten 133 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Entlang der Nachfragekurve ist die Steigung % %8 konstant allerdings ändert sich nunmehr mit 8 der jeweilige Ausgangspunkt. Folglich sind die Elastizitäten entlang einer linearen Nachfrage veränderlich. Ist die Nachfrage durch die (schwarze) Gerade p x a b x zu beschreiben, dann ergeben sich die Umsatzerlöse als (blaue) Parabel a x b x . Das Maximum der Erlösparabel liegt genau über der Mitte der Marktnachfragegerade. Da sich die Erlöse im Maximum durch Preisänderungen nicht weiter steigern lassen, muss eine Preissteigerung um 1 % in der Nähe des Maximums zu einem Rückgang der Nachfragemenge um 1 % führen. Anders ausgedrückt: die Preiselastizität ist −1. Soll die Sättigungsmenge realisiert werden, dann muss der Preis Null sein. Setzt man dies in die obige Berechnungsvorschrift ein, dann folgt ,8 % %8 : 0 . Im Schnittpunkt der Marktnachfrage mit der Mengenachse ist die Preiselastizität somit Null. Zwischen der Sättigungsmenge und dem Mittelpunkt der Geraden nehmen die Preiselastizitäten Werte zwischen Null und −1 an. Die untere Hälfte der Gerade ist also preisunelastisch. Dies macht auch die Parabel der Umsatzerlöse deutlich: steigende Preise führen dort zu unterproportionalen Mengenreaktionen damit zu Mehrerlösen. Man bewegt sich auf der Parabel in Richtung Maximum. Zum Prohibitivpreis kann nichts abgesetzt werden die Nachfrage wird aus dem Markt herausgepreist. Entsprechend sind die Erlöse Null. Allerdings ist die Preiselastizität nicht definiert in unserer Berechnungsvorschrift müsste durch x = 0 geteilt werden. Kommt man dem Prohibitivpreis aber beliebig nahe, dann wird die Nachfragemenge und damit auch die Preiselastizität unendlich klein sie strebt gegen −∞. Der preiselastische Bereich liegt zwischen dem Hochachsenschnittpunkt und dem Mittelpunkt der Geraden. Eine Preissenkung um 1 % führt zu einem Anstieg der Nachfragemenge von mehr als 1 %. Im preiselastischen Bereich führen Preissenkungen zu Umsatzsteigerungen der geringere Preis wird durch überproportionale Mengensteigerungen mehr als kompensiert. Diese vereinfachte Darstellung macht deutlich: Für eine erfolgreiche Preispolitik der Unternehmen ist es somit von zentraler Bedeutung, ob eine preiselastische oder -unelastische Marktnachfrage vorliegt. Die Einkommenselastizität der Nachfrage zeigt schließlich, um wie viel Prozent sich die Nachfragemenge im Falle einer Einkommensänderung ändert: <?page no="133"?> 134 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service ,; ∆ ∆ Ist die Einkommenselastizität größer als 1, dann liegt ein superiores Gut vor. Die Nachfrage steigt c.p. relativ stärker als das Einkommen. Güter des täglichen Bedarfs 0 < $ ,; < 1 zeichnen sich dagegen dadurch aus, dass ihre Nachfrage mit dem Einkommen unterproportional zunimmt. Man spricht dann von einem relativ inferioren Gut. Die Nachfrage nach einigen Gütern geht mit steigenden Einkommen sogar zurück die Einkommenselastizität nimmt in diesen Ausnahmefällen negative Werte an. Als Beispiele gelten Margarine, Kartoffeln oder Schweinefleisch. Mit steigenden Einkommen werden stattdessen vermehrt Butter, Pasta oder Geflügelfleisch nachgefragt. Statt an der Nordsee finden die Ferien auf den Malediven statt. Aufgrund steigender Einkommen kündigen manche ihre Mitgliedschaft im Schützenverein und treten in den Golfclub ein, ohne dass dies als Substitution aufgefasst werden kann. Schließlich gibt die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage an, wie die Nachfragemenge x 2 auf relative Veränderungen anderer Preise p 1 reagiert, sofern Einkommen y und Preis p 2 konstant bleiben: & ,8 $ ∆ ∆ Ist die Kreuzpreiselastizität positiv, dann dominiert der im vorangegangenen Abschnitt dargestellte Substitutionseffekt den Kaufkrafteffekt. Dies kennzeichnet eine substitutive Güterbeziehung zwischen zwei Gütern. Bei negativen Kreuzpreiselastizitäten spricht man dagegen von einer komplementären Beziehung. Kreuzpreiselastizitäten sind Null, wenn es keine Beziehungen zwischen zwei Gütern oder Märkten gibt. Mikroökonomen benutzen Kreuzpreiselastizitäten, um den relevanten Markt abzugrenzen. Steigt beispielsweise die Nachfrage nach Flugreisen, wenn die Bahn ihre Preise erhöht, dann dürfte die alleinige Betrachtung des Marktes für schienengebundene Transportleistungen zu eng sein. Abschließend sind Schätzungen von Preis-, Einkommens- und Kreuzpreiselastizitäten zu relativeren. In der empirischen Marktforschung erweisen sich diese nur dann als aussagekräftig, wenn die Form der Nachfragefunktion und sämtliche Einflussgrößen richtig erfasst sind. Aufgrund fehlender Informationen gehen Elastizitätsschätzungen in der Praxis oft von linearen Zusammenhängen aus. Solche Ergebnisse sind als Näherungen zu interpretieren. wenn die c.p.-Klausel erfüllt ist. Wird beispielsweise die Preiselastizität der Tabaknachfrage über einen längeren Zeitraum beispielsweise gemessen, dann sollte neben dem Preis mindestens die Einkommensentwicklung be- <?page no="134"?> 3 Marktnachfrage und Nachfrageelastizitäten 135 http: / / www.uvk-lucius.de/ service rücksichtigt werden. Geschieht dies nicht, dann werden die Effekte steigender Einkommen irrtümlich anderen Einflüssen zugerechnet. Empirische Schätzungen von Elastizitäten beziehen sich auf einen bestimmten Datensatz sie sind raum- und zeitgebunden. Da sie Verhalten von Konsumenten reflektieren, ändern sich ihre Werte in der langen Frist. Die Tabelle 6 gibt eine Übersicht über Schätzungen zu Preis- und Einkommenselastizitäten der Nachfrage. Die Ergebnisse beziehen sich auf unterschiedliche Zeiträume und Länder und haben lediglich einen exemplarischen Charakter. Preis- und Einkommenselastizitäten werden manchmal verwechselt oder fälschlicherweise synonym benutzt. Der Grund liegt darin, dass gedanklich nicht sauber zwischen Substitutions- und Kaufkrafteffekten unterschieden wird. Oder es werden c.p.-Bedingungen nicht beachtet. So wird gelegentlich behauptet, dass Luxusgüter eher preiselastisch sind. Die beobachtbare Kundenbindung etwa bei Limousinen, Luxusuhren oder Smartphones spricht allerdings eine andere Sprache. Während der Substitutionseffekt in diesen Fällen relativ gering sein dürfte, könnte sich eine sinkende Kaufkraft über hohe Einkommenselastizitäten erheblich auswirken. Vor allem letzteres führt dazu, dass teure Automobile und Fernreisen in der Tabelle rechts unten aufgeführt werden. ddrriinngglliicchh Preiselastizität zwischen −1 und 0 gguutt ssuubbssttiittuuiieerrbbaarr Preiselastizität unter −1 rreellaattiivv iinnffeerriioorr Einkommenselastizität positiv, aber < 1 Bekleidung, Nahrungsmittel, Glücksspiel, Mietwohnungen, Zigaretten, Energie, öffentlicher Nahverkehr Gemüse, Schweinefleisch, Importautomobile ssuuppeerriioorr Einkommenselastizität > 1 individuelle Mobilität, Wohneigentum, (Tele-)Kommunikation, Ausbildung, Gesundheitsleistungen Fernreisen, kulturelle Angebote, Unterhaltung, FunCars und Luxus-Automobile Tabelle 6: Preis- und Einkommenselastizitäten ausgewählter Güter <?page no="135"?> 136 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Anhand der Einkommenselastizität der Nachfrage sind superiore von inferioren Gütern zu unterscheiden. Superiore Güter zeichnen sich dadurch aus, dass die Nachfrage relativ stärker zunimmt als das Einkommen. Für inferiore Güter gilt das Gegenteil. Substituierbare Güter weisen eine hohe Preiselastizität der Nachfrage auf steigende Preise führen dort zu starken Nachfragerückgängen. Güter, deren Nachfrage nicht sensitiv auf Preisänderungen reagiert, nennt man dringlich. Nachfragewirkungen von Preisänderungen lassen sich gedanklich in einen Substitutionseffekt und einen Kaufkrafteffekt zerlegen. Ein steigender Güterpreis verlagert die Nachfrage zu Lasten des teurer werdenden Gutes. Die Effekte einer sinkenden Kaufkraft wirken sich negativ auf die Nachfrage beider Güter aus. Preis-, Einkommens-, und Kreuzpreiselastizitäten sind einfache und nützliche Kennzahlen, um Veränderungen der Nachfrage quantitativ zu analysieren. Die Preiselastizität der Nachfrage gibt für einen bestimmten Punkt der Nachfragekurve an, um wie viel % sich die Nachfragemenge verändert, wenn der Preis um 1 % zunimmt. Allerdings sind dabei regelmäßig c.p.-Bedingungen zu beachten. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Einkommens-Konsum-Kurve ► Engel-Kurve ► Preis-Konsum-Kurve ► Substitutionseffekt ► Kaufkrafteffekt ► Einkommenselastizität ► Kreuzpreiselastizität Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="136"?> Wiederholungsfragen 137 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Stellen Sie die Substitutions- und Kaufkrafteffekte sinkender Mieten auf die Wohnungsnachfrage der Haushalte (x 1 ) sowie auf die übrige Konsumnachfrage (x 2 ) graphisch dar. Wohnen sei dringlich und superior. [2] Unter welchen Umständen steigt die Kreuznachfrage? Stellen Sie für einen solchen Fall die Substitutions- und Kaufkrafteffekte graphisch in einem x 1 / x 2 -Diagramm dar. Unterstellen Sie, dass p 1 steigt und dass die beiden Güter gut substituierbar sind. [3] Begründen Sie anhand von Plausibilitätsüberlegungen: im 2-Güter-Fall muss das eine Gut superior sein, wenn das andere relativ inferior ist. Gehen Sie bei Ihrer Argumentation von der Budgetgleichung aus. [4] Berechnen Sie für die folgende lineare Nachfrage die fehlenden Werte: [5] Berechnen Sie die Preiselastizität, die Kreuzpreiselastizität und die Einkommenselastizität der Nachfragefunktion x 1 = 100y 0,5 p 1−0,3 p 20,1 . Beim Gut 1 handelt es sich um Bier, p 2 ist der Weinpreis und y das Konsumbudget. Was sagen die Elastizitäten aus? [6] Substitutions- und Kaufkrafteffekte: [a] Definieren Sie: Superiores Gut, relativ inferiores Gut, dringliches Gut. [b] Wie kommt es zu den Substitutionseffekten, wie zum Kaufkrafteffekten? Welche Verbindung besteht zu den partiellen Preis- und Einkommenselastizitäten? [c] Ergänzen Sie die Graphik um die jeweiligen Budgetgeraden und Indifferenzlinien und zeichnen Sie die Substitutions- und Kaufkrafteffekte ein. 10 Preis Menge Erlöse Elastizität 0 7,5 5 5 10 2,5 15 0 20 X 2 X 1 Y/ p 1 S A B <?page no="137"?> 138 Kapitel 8: Preise, Einkommen und Marktnachfrage http: / / www.uvk-lucius.de/ service [7] Susi gibt immer ein Viertel ihres Einkommens für Bekleidung aus. [a] Welche Nachfragefunktion hat sie? [b] Berechnen Sie die Preiselastizität und die Einkommenselastizität der Nachfrage. [c] Erklären Sie die berechneten Werte. [d] Ihr Lebensabschnittspartner Mike verwendet jeden Monat 20 Prozent seines Budgets für sein Hobby, den Radsport. Warum können Sie sich die Arbeitsschritte [b] und [c] für ihn sparen? [8] Erläutern Sie, unter welchen Umständen Missernten die Umsätze der Landwirte sogar steigern können. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="138"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 99: : PPrroodduukkttiioonn uunndd KKoosstteenn iinn ddeerr kkuurrzzeenn FFrriisstt Waren und Dienstleistungen werden von Unternehmen am Markt angeboten. Sie tun dies, um Gewinne zu erzielen. Manager entscheiden, welche Güter in welcher Menge hergestellt werden. Sie legen Produktionsverfahren fest und fragen Produktionsfaktoren in der gewünschten Menge und Qualität nach. Unternehmen sind Anbieter auf Gütermärkten und Nachfrager auf Faktormärkten sie bilden auf Märkten also das Gegenstück zu den Haushalten. Während sich aus dem Faktoreinsatz aus Sicht der Haushalte Einkommen ergeben, entstehen den Unternehmen dadurch Kosten. In einem früheren Kapitel sind wir davon ausgegangen, dass das Güterangebot der Unternehmen mit steigendem Preis zunimmt. Die Theorie der Unternehmung stellt in den folgenden Kapiteln detaillierter dar, warum das so ist. Bei der Argumentation spielen Kosten eine entscheidende Rolle. Zunächst werden grundlegende Begriffe und Methoden der Produktions- und Kostentheorie vorgestellt. Ziel ist es schließlich, die Bestimmungsgrößen des Güterangebotes herauszuarbeiten. LLeerrnnzziieellee In der kurzen Frist ist der Kapitalbestand von Unternehmen durch die Investitionsentscheidungen der Vorperioden festgelegt. Die Studierenden sollen erkennen, dass Entscheidungen in einer kurzen Frist eher operativer Natur sind, während mit Blick auf eine längere Frist sowohl die Freiheitsgrade als auch die Unsicherheiten zunehmen. Die Studierenden sollten verschiedene Kostenbegriffe kennen und mit ihnen sicher argumentieren können. Sie sollen Grenz- und Durchschnittskosten unterscheiden und in einfachen Aufgaben anwenden können. Die Eigenschaften von Kostenfunktionen hängen wesentlich von der zugrunde liegenden Produktionsfunktion ab. Die Studierenden sollten die Zusammenhänge zwischen Produktionsfunktionen und die daraus folgenden Kostenverläufe kennen und zur Analyse von Kostenstrukturen anwenden können. <?page no="139"?> 140 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 GGrruunnddbbeeggrriiffffee ddeerr PPrroodduukkttiioonnss-uunndd KKoosstteenntthheeoorriiee Die Produktionstheorie behandelt die technische Basis der Entscheidungen von Unternehmen, nämlich den mengenmäßigen Zusammenhang zwischen Faktoreinsatz und Ausbringungsmenge. An dieses Mengengerüst knüpfend untersucht die Kostentheorie die Bedeutung verschiedener Kostendeterminanten. Der Einsatz von Produktionsfaktoren zur Produktion von Gütern verursacht Kosten, die sich durch die Bewertung des Faktorverbrauchs ergeben. Kosten sind der mit Faktorpreisen bewertete Faktorverbrauch. Bei vollkommener Konkurrenz sind nicht nur die Preise, sondern auch die Faktorpreise gegeben, so dass die Kosten ausschließlich von der Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren abhängen. Diese Mengen sind wiederum durch die zu erstellende Gütermenge und die zugrunde liegende Technologie bedingt. Die Kostentheorie lässt sich somit produktionstheoretisch fundieren. Die Kosten hängen von den Eigenschaften der Produktionsfaktoren ab. Variable Faktoren wie beispielsweise Vorprodukte lassen sich auch kurzfristig beliebig variieren. Mit dem Einsatz dieser Faktoren entstehen variable Kosten. Diese verändern sich mit der Produktionsmenge und fallen nicht an, wenn die Produktion ruht. Dagegen beruhen fixe Kosten auf dem Einsatz nicht veränderlicher Produktionsfaktoren. Sie lassen sich kurzfristig nicht vermeiden und fallen auch an, wenn nicht produziert wird. Beispiele sind Zins- und Tilgungszahlungen für langfristige Kredite oder Abschreibungen auf den Sachkapitalbestand. Die Ausstattung mit fixen Faktoren definiert die Betriebsgröße oder Kapazität, d.h. die kurzfristig maximal mögliche Produktion eines Unternehmens. Die Unterscheidung zwischen fixen und variablen Kosten hat eine zeitliche Dimension. In der langen Frist sind alle Kosten variabel. Längerfristige Verträge können nach Ablauf gewisser Fristen gekündigt werden. Die Sachkapitalausstattung eines Unternehmens, durch die Abschreibungen und Kreditkosten entstehen, ist in der langen Frist ebenfalls gestaltbar. Fixe Kosten ergeben sich somit nur im Rahmen einer kurzfristigen Analyse. Um das Mengengerüst der Kosten abbilden zu können, formuliert die Produktionstheorie Zusammenhänge zwischen der Produktion und den eingesetzten Faktoren. Im Falle zweier substituierbarer Faktoren r 1 und r 2 lässt sich die Produktionsfunktion eines Einproduktunternehmens als , notieren. Eine solche Produktionsfunktion ist in Abbildung 37 als Ertragsgebirge dargestellt: Die Ordinate erfasst die Produktionsmenge x, an der verti- <?page no="140"?> 1 Grundbegriffe der Produktions- und Kostentheorie 141 http: / / www.uvk-lucius.de/ service kalen und an der horizontalen Achse sind die Faktoreinsatzmengen r 1 und r 2 abgetragen. Folgt man den von links nach rechts eingezeichneten Gitternetzlinien, dann wird für unterschiedliche, aber jeweils unveränderliche Einsatzmengen des Faktors 2 dargestellt, wie sich die Produktion bei steigendem Einsatz des Faktors 1 verändert. Umgekehrt deuten die von vorn nach hinten verlaufenden Linien an, wie sich die Produktion bei konstantem Faktor 1 und variierendem Faktor 2 verändert. Abbildung 37: Das Ertragsgebirge Die grau eingezeichneten Höhenlinien des Ertragsgebirges heißen Isoquanten. Sie sind konzeptionell vergleichbar mit den Indifferenzlinien und geben hier an, mit welchen Faktorkombinationen eine konstante Produktionsmenge erstellt werden kann. In einer Draufsicht auf das Ertragsgebirge lässt sich die Produktionsfunktion als Schar konvexer Isoquanten abbilden. Je weiter eine Isoquante vom Ursprung entfernt ist, desto größer sind die Faktoreinsatzmengen und die zugehörige Produktionsmenge. In Abbildung 38 ist jeweils eine Isoquantenschar bei unterschiedlichen Faktorvariationen dargestellt: Bei der partiellen Faktorvariation wird betrachtet, wie sich die Produktion verändert, wenn ein Produktionsfaktor variiert wird und alle anderen konstant bleiben. Auf diesem Weg werden die Isoquanten geschnitten die Produktion nimmt zu. Die partielle Faktorvariation ist in der kurzen Frist relevant, wenn einige Produktionsfaktoren unveränderlich sind. Faktor 1 Faktor 2 Produktion <?page no="141"?> 142 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service Der Fall der Faktorsubstitution unterstellt eine gegebene Produktionsmenge. Dabei stellt sich entlang der Isoquante die Frage, welche Kombination von r 1 und r 2 bei gegebenen Faktorpreisen am kostengünstigsten ist. Allerdings kommt eine solche Betrachtung in der langen Frist in Betracht, weil dann alle Faktoren variabel sind. Bei der totalen Faktorvariation bleibt die Faktoreinsatzrelation unverändert. Dabei stellt sich die Frage, wie sich die Produktion ändert, wenn alle Produktionsfaktoren in prozentual gleichem Maße variiert werden. In der Abbildung entspricht dies der Bewegung entlang eines Ursprungsstrahls. Abbildung 38: Drei Analysemöglichkeiten einer Produktionsfunktion totale Faktorvariation Faktorsubstitution partielle Faktorvariation r 1 r 2 r 1 r 1 r 2 r 2 <?page no="142"?> 1 Grundbegriffe der Produktions- und Kostentheorie 143 http: / / www.uvk-lucius.de/ service In diesem Kapitel werden die Beziehungen zwischen Produktion und Kosten in der kurzen Frist analysiert es geht also ausschließlich um die partielle Faktorvariation. Kurzfristig muss unterstellt werden, dass einige Produktionsfaktoren veränderlich und andere unveränderlich sind. Entsprechend ist die Produktionsfunktion als Längs- oder Querschnitt durch das Ertragsgebirge interpretierbar. Dagegen widmet sich Kapitel 10 der langen Frist. 22 DDiiee ppaarrttiieellllee FFaakkttoorrvvaarriiaattiioonn Für einen gegebenen Einsatz des zweiten Faktors gibt die partielle Produktionsfunktion , an, welche Ausbringungsmengen bei Veränderungen des ersten Faktor erzeugt werden können. In Abbildung 39 ist eine solche Produktionsfunktion für ein gegebenes Niveau von r 2 abgetragen. Es handelt sich um die neoklassische Produktionsfunktion, deren Produktivitätsverläufe nachfolgend etwas genauer betrachtet werden. Die partielle Produktivität gibt an, welche Produktionsmenge sich aus dem Einsatz einer Einheit des variablen Faktors r 1 durchschnittlich ergibt, wenn alle anderen Einsatzfaktoren r 2 unverändert bleiben: , Im Punkt A lässt sich die Produktivität als Steigung eines Ursprungsstrahls bestimmen. Für den Winkel ist diese Steigung tan der entsprechende Wert ist in der unteren Graphik abgetragen. Entlang einer Produktionsfunktion lassen sich sämtliche so ermittelten Produktivitäten in die untere Abbildung übertragen. Bei abnehmenden Produktionszuwächsen fällt die Produktivität mit steigendem Faktoreinsatz. Die partielle Grenzproduktivität gibt an, welche Produktionsmenge durch den zusätzlichen Einsatz einer (infinitesimal kleinen) Einheit des Faktors 1 bei unverändertem r 2 entstanden ist: ( ( , Im Punkt A ergibt sich die Grenzproduktivität formal als erste Ableitung bzw. graphisch als Steigung tan der Tangente. <?page no="143"?> 144 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service Wird die Grenzproduktivität für alle weiteren Punkte auf der partiellen Produktionsfunktion in der unteren Graphik abgetragen, dann zeigt sich, dass die dargestellte Funktion durchgehend positive, aber abnehmende Grenzproduktivitäten aufweist. Unabhängig von der geometrischen Herleitung lässt sich der Verlauf der Grenzproduktivität bei gegebener Produktivitätsentwicklung durch Plausibilitätsüberlegungen bestimmen: Sinkt die Produktivität durchschnittlich mit steigendem Faktoreinsatz, dann muss die Grenzproduktivität in jedem Punkt der partiellen Produktionsfunktion kleiner als die Produktivität sein. Wäre der Ertrag der letzten hinzugekommenen Faktoreinheit nicht kleiner als die durchschnittliche Produktivität, dann könnte letztere nicht sinken. Ist die Produktivität dagegen konstant, dann muss sie der Grenzproduktivität entsprechen. Viele Pkw verfügen über eine Verbrauchsanzeige, die den momentanen Kraftstoffverbrauch und den durchschnittlichen Verbrauch seit Beginn einer gewissen Fahrstrecke ausweisen. Bei Überholvorgängen steigt der momentane Verbrauch (Grenzverbrauch) erheblich an, während der Durchschnittsverbrauch in solchen Fällen moderat zunimmt. Das Beispiel zeigt: nur eine zunehmende Grenzgröße zieht die Durchschnittsgröße nach oben. Soll der Durchschnittsverbrauch sinken, dann geht dies nur, wenn der momentane Verbrauch kleiner wird als der Durchschnittsverbrauch beispielsweise immer dann, wenn man den Fuß vom Gaspedal nimmt. <?page no="144"?> 2 Die partielle Faktorvariation 145 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 39: Die neoklassische Produktionsfunktion x r 1 A ) , ( 2 1 r r f r 1 Produktivität Grenzproduktivität α β tan β tan α <?page no="145"?> 146 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service 33 KKoosstteennvveerrllääuuffee bbeeii ppaarrttiieelllleerr FFaakkttoorrvvaarriiaattiioonn Die Kosten ergeben sich als Summe der mit den Faktorpreisen multiplizierten Faktoreinsatzmengen. Wenn Faktorpreise q 1 und q 2 vom betrachteten Unternehmen nicht zu beeinflussen sind, gilt für die Kosten = = Im Falle der partiellen Faktorvariation wird nur die Einsatzmenge eines variablen Faktors (hier: r 1 ) verändert. Aus der Umkehrung der Produktionsfunktion folgt die Faktorverbrauchsfunktion > Die variablen Kosten K v = q 1 r 1 bezeichnen den bewerteten Einsatz des variablen Faktors. Die fixen Kosten K f beziehen sich auf den unveränderlichen Faktor und ergeben sich als q 2 r 2 . Für die Kostenfunktion folgt = > ? @ ? Aus dieser Kostenfunktion ergeben sich weitere elementare Kostenbegriffe. Die variablen Durchschnittskosten geben an, wie hoch die mit dem Einsatz der variablen Faktoren verbundenen Kosten pro Stück sind: AB @ Entsprechend geben die fixen Durchschnittskosten den Anteil der auf eine Produktionseinheit entfallenden fixen Kosten wieder. Die fixen Durchschnittskosten sinken mit steigender Produktion dies wird als Fixkostendegression bezeichnet. Variable und fixe Durchschnittskosten zusammen bilden die Durchschnittskosten sie beziehen die gesamten Kosten auf die Produktionsmenge: B Schließlich geben die Grenzkosten C die mit der letzten Produktionseinheit verbundenen zusätzlichen Kosten an. Formal sind sie durch die erste Ableitung der Kostenfunktion zu bestimmen. Die Zusammenhänge zwischen Produktions- und Kostenfunktionen sind in Abbildung 40 am Beispiel zweier typischer Verläufe dargestellt. Beide wurden <?page no="146"?> 3 Kostenverläufe bei partieller Faktorvariation 147 http: / / www.uvk-lucius.de/ service im zweiten Kapitel (Abbildung 3) schon angesprochen und erläutert. Hier sollen nun die zugehörigen Kosteneigenschaften verdeutlicht werden: Auf der linken Seite ist eine neoklassische Produktionsfunktion mit durchweg positiven, aber sinkenden Grenzproduktivitäten abgetragen. Der lineare Verlauf rechts unterstellt dagegen, dass der Produktionsfaktor r 1 bis zu einer Kapazitätsgrenze mit konstanter Produktivität eingesetzt werden kann. Darüber hinaus lässt sich die Produktion nicht erhöhen. In der Mitte der Abbildung sind die zugehörigen kurzfristigen Kostenverläufe abgebildet. Die variablen Kosten knüpfen an die Faktorverbrauchsfunktion an, die sich graphisch als Spiegelung der Produktionsfunktion ergibt. Anschließend werden sämtliche Verbrauchsmengen r 1 mit dem Faktorpreis q 1 multipliziert. Zu den variablen Kosten kommen die fixen Kosten hinzu der kurzfristige Kostenverlauf beginnt deshalb oberhalb des Ursprungs. Abbildung 40: Produktionsfunktionen und Kostenverläufe ppartielle Produktionsfunktion Grenz- und Durchschnittskosten kurzfristiger Kostenverlauf x x x K K x x r 1 r 1 x* x* GK DK VDK DK VDK GK K f K f x <?page no="147"?> 148 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Veränderungen der Produktivitäten bestimmen den Kostenverlauf: Wenn die Grenzproduktivität des variablen Faktors abnimmt, dann steigen die Grenzkosten es ergibt sich ein progressiver Kostenverlauf. Die steigenden Grenzkosten im Falle der neoklassischen Produktionsfunktion lassen sich durch Anlegen von Tangenten an die kurzfristige Kostenkurve zeigen. Die Produktion einer zusätzlichen Mengeneinheit ist mit einem immer höheren Faktoreinsatz verbunden. Entsprechend steigen die Kosten der letzten produzierten Einheit. Die variablen Durchschnittskosten steigen ebenfalls. Sie liegen zudem für alle Produktionsmengen unterhalb der Grenzkosten. Denn nur dann können die variablen Durchschnittskosten steigen. Kann dagegen jede zusätzliche Produktionseinheit mit konstanter Grenzproduktivität erstellt werden, so ergibt sich eine lineare Kostenfunktion mit konstanten Grenzkosten. Dann müssen auch die VDK konstant sein, denn jede hinzukommende Kosteneinheit entspricht wiederum dem Durchschnitt. Die stückfixen Kosten also die auf die jeweilige Produktionsmenge bezogenen Fixkosten sind für kleine Produktionsmengen hoch und nehmen mit steigender Produktion ab. Das ist die Fixkostendegression. Durch Addition der variablen und der fixen Stückkosten ergeben sich die Durchschnittskosten DK. Für geringe Produktionsmengen sind sie sehr hoch und nähern sich mit steigender Produktion an die VDK an. Im Falle einer neoklassischen Produktionsfunktion kennzeichnet x* diejenige Produktion, bei der GK und DK gleich hoch sind die Steigung eines Ursprungsstrahls im gekennzeichneten Punkt K(x*) entspricht der der Tangente. Zudem lässt sich entlang der Kostenfunktion kein Ursprungsstrahl mit geringerer Steigung finden. Die Menge x* kennzeichnet das Durchschnittskostenminimum. 44 EErrttrraaggssggeesseettzzlliicchhee KKoosstteennvveerrllääuuffee Der älteste in der Volkswirtschaftslehre untersuchte Zusammenhang zwischen Produktion und Faktoreinsatz wird Ertragsgesetz genannt. Damit ist eine Produktionsfunktion angesprochen, bei der die Grenzproduktivität zunächst steigt und später sinkt. Wird der Input über einen bestimmten Punkt hinaus erweitert, dann sind sogar Produktionsrückgänge denkbar. Für die landwirtschaftliche Produktion weisen schon die ökonomischen Klassiker auf derartige Zusammenhänge hin: so steigt der Ernteertrag mit zunehmendem Düngereinsatz zunächst über- und dann unterproportional. Ab einer bestimmten Düngeintensität sinkt der Ertrag mit zunehmender Düngung. In Abbildung 41 ist der S-förmige Verlauf des Ertragsgesetzes in einem 4- Phasen-Schema dargestellt. Im unteren Diagramm werden daraus die partiellen <?page no="148"?> 4 Ertragsgesetzliche Kostenverläufe 149 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Produktivitäten und Grenzproduktivitäten hergeleitet. Geometrisch ist die Produktivität wiederum als Steigung eines Ursprungsstrahls zu ermitteln. Analog ergibt sich die Grenzproduktivität als Steigung der Produktionsfunktion. Abbildung 41: Das Ertragsgesetz In Phase I nimmt die Produktion relativ stärker zu als der Faktoreinsatz Produktivität und Grenzproduktivität steigen. Phase II beginnt mit dem Wendepunkt der Produktionsfunktion bzw. mit der maximalen Grenzproduktivität. Die Produktivität nimmt weiter zu, weil die Grenzproduktivität immer noch über der Produktivität liegt. Die Grenzproduktivität selbst ist aber bereits rückläufig. Am Ende dieses Bereichs wird die maximale Produktivität erreicht. Wie in der Abbildung oben angedeutet fallen Tangente und Ursprungsstrahl dort zusammen. Anschließend sinkt in Phase III die durchschnittliche Produktivität mit steigender Produktion. Schließlich erreicht die ertragsgesetzliche Produkti- I II III IV x r 1 r 1 f (r 1 ,r 2 ) Grenzproduktivität Produktivität <?page no="149"?> 150 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service onsfunktion ihr Maximum. Ein weiterer Anstieg ist auch bei steigendem Faktoreinsatz nicht mehr möglich; die Grenzproduktivität ist Null. Schließlich könnte die Produktion mit steigendem Faktoreinsatz sogar sinken. In diesem Fall wird die Grenzproduktivität negativ (Phase IV). Eine wesentliche Eigenschaft des Ertragsgesetzes ist es, das für unterschiedliche Niveaus des Faktoreinsatzes sowohl steigende als auch sinkende Produktivitäten auftreten. Steigende Produktivitäten sind beispielweise im Falle von Lerneffekten zu erwarten. Sinkende Produktivitäten treten vor allem bei unterdimensionierten Betriebsgrößen und vielen Umrüstvorgängen auf. Auch Unteilbarkeiten der fixen Faktoren können ein Grund für zunächst steigende und anschließend fallende Produktivitäten der variablen Faktoren sein. Die variablen Faktoren wachsen dann bei steigendem Einsatz zunächst in eine günstige Relation mit dem fixen Faktor hinein, danach wird die Relation wieder ungünstiger. Abbildung 42 zeigt diesen ertragsgesetzlichen Kostenverlauf. Die Faktorverbrauchsfunktion verläuft spiegelbildlich zur Produktionsfunktion. Entsprechend steigen die variablen Kosten bezogen auf die Produktion zunächst unterproportional und anschließend überproportional. Der Totalkostenverlauf beginnt wiederum nicht im Ursprung, sondern in einem Punkt darüber. Ursächlich für diesen Fixkostenblock ist der kurzfristig nicht zu verändernde Einsatz der fixen Faktoren. Da die produktionstechnischen Annahmen, auf denen diese umgekehrt S-förmige Kostenfunktion beruht, insgesamt als plausibel anzusehen sind, spricht man auch von einem typischen Kostenverlauf. Der Verlauf der Grenzkosten GK in der unteren Graphik lässt sich an der Steigung der Gesamtkostenkurve ablesen. Steile Abschnitte des Kostenverlaufs zeigen an, dass die Grenzkosten hoch sind. Flache Abschnitte der Kostenkurve weisen auf geringe Zusatzkosten bei einer Produktionsausdehnung hin. Beim ertragsgesetzlichen Kostenverlauf nimmt die Steigung bis zum Wendepunkt kleiner und steigt anschließend. Somit sinkt zunächst die GK-Kurve und hat ein Minimum. Für steigende Produktionsmengen x steigen die Grenzkosten. Das Minimum der u-förmigen Grenzkostenkurve wird bei der Produktionsmenge realisiert, bei der die Grenzproduktivität maximal ist. Der Verlauf der durchschnittlichen Kosten lässt sich aus der Kostenfunktion über die Steigung von Fahrstrahlen konstruieren. Die Steigung eines Ursprungsstrahls entspricht den durchschnittlichen Kosten DK. Führt man diesen Ursprungsstrahl an der Kostenfunktion entlang, dann sinken die DK bis zum Punkt C und steigen anschließend. Im Punkt C in der oberen Graphik sind die Steigungen der Tangente und des Fahrstrahls gleich dort gilt also GK = DK. Die Steigung eines Fahrstrahls aus dem Achsenschnittpunkt gibt die variablen durchschnittlichen Kosten VDK in diesem Punkt an. Führt man einen solchen Strahl an der Kostenkurve entlang, dann wird deutlich, dass die VDK <?page no="150"?> 4 Ertragsgesetzliche Kostenverläufe 151 http: / / www.uvk-lucius.de/ service zunächst mit steigender Produktionsmenge sinken, um anschließend zu steigen. Das Minimum liegt im Punkt B. Dort haben der Fahrstrahl und die Tangente die gleiche Steigung, so dass in der unteren Graphik GK = VDK gilt. Auch die durchschnittlichen Kosten DK und VDK verlaufen somit u-förmig. Abbildung 42: Ertragsgesetzliche Kostenverläufe Die stückfixen Kosten sinken bei steigender Produktion, denn die Fixkosten können auf eine immer größere Menge verteilt werden, so dass die Produktion pro Stück immer kostengünstiger wird. Entsprechend wird der Unterschied zwischen DK und VDK mit steigender Produktion immer geringer in der unteren Graphik nähern sich beide Kurven an, ohne sich freilich jemals zu erreichen. DK VDK GK A B C x x K K f A B C <?page no="151"?> 152 Kapitel 9: Produktion und Kosten in der kurzen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Zur Produktion setzen die Unternehmen Produktionsfaktoren ein. Kosten ergeben sich aus der Bewertung des Faktorverbrauchs. In der kurzen Frist sind die Einsatzmengen einiger Faktoren nicht veränderbar, während andere zu variieren sind. Die entsprechenden Kostenkomponenten heißen fixe und variable Kosten. Die partielle Produktivität setzt die Produktion zum Einsatz eines Faktors in Verhältnis. Mit der Grenzproduktivität ist dagegen die mit der letzten eingesetzten Faktoreinheit erzielte Produktion gemeint. Bei gegebenen Faktorpreisen bestimmten die Eigenschaften der Produktionsfunktion den kurzfristigen Kostenverlauf: Nehmen die Grenzproduktivitäten wie bei der neoklassischen Produktionsfunktion ab, dann steigen die Grenzkosten mit dem Output. Sind die Grenzproduktivitäten konstant, dann sind auch die Grenzkosten konstant und die Kosten steigen linear. Bei steigenden Grenzproduktivitäten sinken die Grenzkosten. Der ertragsgesetzliche oder typische Kostenverlauf ist umgekehrt s-förmig. Daraus ergeben sich u-förmige Grenz- und Durchschnittskostenverläufe. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► partielle Faktorvariation ► Isoquante ► Produktionsfunktion ► Grenzkosten ► variable Stückkosten ► Faktorverbrauchsfunktion Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Stellen Sie die partielle und die totale Faktorvariation sowie die Faktorsubstitution im Faktormengendiagramm dar. Benennen Sie jeweils die c.p.-Bedingungen. <?page no="152"?> Wiederholungsfragen 153 http: / / www.uvk-lucius.de/ service [2] Zeichnen und erläutern Sie für eine neoklassische Produktionsfunktion [a] den partiellen Verlauf x f r , r sowie die zugehörige Produktivitäten und Grenzproduktivitäten; [b] die zugehörigen Grenz- und Durchschnittskosten (VDK und DK) und den kurzfristigen Kostenverlauf. [3] Bestimmen Sie die partiellen Produktivitäten und Grenzproduktivitäten für die Produktionsfunktion x 4r D E . [a] Ermitteln Sie die Kostenfunktion. [b] Berechnen Sie Funktionen für die durchschnittlichen Kosten und die Grenzkosten. [4] Ergänzen Sie die fehlenden Angaben: [5] Bei der Produktion eines Gutes gelte für ein Unternehmen ein ertragsgesetzlicher Kostenverlauf. Leiten Sie aus diesem Verlauf die totalen Durchschnittskosten, die variablen Durchschnittskosten sowie die Grenzkosten her und erläutern Sie Ihr Vorgehen. [6] Produktionsfunktion und Stückkosten: [a] Zeigen Sie, dass sich für die partielle Produktionsfunktion x = 100 A 0,5 sinkende Grenzproduktivitäten ergeben (x misst die Produktionsmenge, Arbeitsstunden A sind der einzige variable Input). [b] Welcher Verlauf der Grenzkosten ist im Falle sinkender Grenzproduktivitäten zu erwarten (Skizze)? [c] Wodurch könnten in diesem Zusammenhang Fixkosten entstehen? [d] Definieren Sie die durchschnittlichen Kosten und die variablen durchschnittlichen Kosten VDK und skizzieren Sie deren Verlauf und den in [a] dargestellten Bedingungen. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. GK=3x 2 -16x+40 Kostenfunktion GK VDK DK K=6+1,5x K=2+0,5x 2 +x K=50+x 3 -8x 2 +40x VDK=0,5x+1 DK=6/ x+1,5 <?page no="153"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1100: : PPrroodduukkttiioonn uunndd KKoosstteenn iinn ddeerr llaannggeenn FFrriisstt Die Ziele von Unternehmen können sich auf Gewinne, Umsätze, Marktanteile, Renditen oder auf qualitative Vorgaben wie die Einführung neuer Produkte beziehen. Im Folgenden wird zunächst für den Fall einer Einproduktunternehmung das Ziel der Kostenminimierung betrachtet. Dabei wird der Fall analysiert, dass alle Produktionsfaktoren variabel sind. Wenn also auch der Kapitalbestand variabel ist, befinden wir uns in der langen Frist. Dann wird Substitution der Produktionsfaktoren untereinander möglich. Deshalb sind mögliche Änderungen der Faktoreinsatzrelationen als Reaktion auf veränderte Faktorpreise zu diskutieren. LLeerrnnzziieellee Studierende sollten Produktionsfunktionen an ihren Substitutionseigenschaften unterscheiden können. Für substitutionale Produktionsfunktionen sollen sie zeigen können, wie veränderte relative Faktorpreise die Faktoreinsatzrelationen beeinflussen. Sie lernen die Minimalkostenkombination und den Expansionspfad als einfache Modelle der Kostenminimierung in der langen Frist kennen und können einfache Optimierungsprobleme graphisch und rechnerisch lösen. Sie sollen homogene Produktionsfunktionen kennen lernen und mit dem Begriff der steigenden Skalenerträge (economies of scale) argumentieren können. Sie verstehen die Zusammenhänge zwischen Kostenverläufen in der kurzen und in der langen Frist. <?page no="154"?> 1 Typen von Produktionsfunktionen 155 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 TTyyppeenn vvoonn PPrroodduukkttiioonnssffuunnkkttiioonneenn Im Fall konvexer Isoquanten kann ein gegebener Output mit unterschiedlichen Faktoreinsatzverhältnissen erzeugt werden. Liegen positive, aber sinkende Grenzproduktivitäten beider Faktoren vor, dann wird es entlang einer Isoquante aber immer schwieriger, einen Faktor durch den anderen zu ersetzen. Sofern ein Faktor nicht vollständig durch den anderen zu ersetzen ist, liegt beschränkte Substitution vor. Dagegen spricht man von vollständiger Substitution, wenn die eingesetzten Faktoren im gesamten Wertebereich in einem konstanten Verhältnis austauschbar sind. Die Isoquante ist in diesem Falle eine Gerade. Tatsächlich muss Substituierbarkeit auch in der langen Frist nicht notwendigerweise gegeben sein. Vielmehr lassen sich Produktionsvorgänge denken, bei denen die Produktionsfaktoren in einem festen Verhältnis stehen. Die Faktoreinsatzverhältnisse können technisch oder organisatorisch zwingend vorgegeben sein. Bei der Produktion von pharmazeutischen Erzeugnissen könnte es verhängnisvoll sein, aufgrund von Lieferengpässen oder veränderten Faktorpreisen einen Inhaltsstoff durch einen zweiten zu substituieren. Ein Taxiunternehmer benötigt zur Beförderung von Personen zu jedem Zeitpunkt in jedem Fahrzeug (Sachkapital) einen Fahrer (Arbeit). Der isolierte Mehreinsatz eines der beiden Faktoren bringt keinen Mehrertrag. Erst wenn von beiden Produktionsfaktoren mehr eingesetzt wird, können mehrere Wege gleichzeitig zurückgelegt werden. Abbildung 43 stellt bezüglich der Substitutionseigenschaften unterschiedliche Typen von Produktionsfunktionen dar. Im Ausgangspunkt A wird eine bestimmte Produktionsmenge anhand des eingezeichneten Faktoreinsatzverhältnisses r 1 / r 2 erzeugt. Bei limitationalen Produktionsfunktionen ist das Faktoreinsatzverhältnis konstant, so dass sie im Diagramm als rechtwinklige Isoquanten dargestellt werden. Wenn nur ein Faktor in größerer Menge eingesetzt wird, ändert sich die Ausbringungsmenge nicht. Nur der gleichzeitige Mehreinsatz beider Produktionsfaktoren in einem bestimmten Verhältnis steigert den Output. Auf den gestrichelten Ästen werden Faktoren verschwendet. Dies ist bei substitutionalen Produktionsfunktionen anders: Aufgrund der positiven, aber sinkenden partiellen Grenzproduktivitäten erlaubt der Mehreinsatz eines Faktors den Mindereinsatz des anderen Faktors. Während die Steigung der Isoquante bei vollständiger Substituierbarkeit überall gleich ist, verändert sie sich im Falle der beschränkten Substitution für unterschiedliche Faktoreinsatzverhältnisse. Die Isoquanten sind konvex dies erinnert an die Krümmungseigenschaften der Indifferenzlinien in Kapitel 7. <?page no="155"?> 156 Kapitel 10: Produktion und Kosten in der langen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 43: Unterschiedliche Grade der Substituierbarkeit Während die betriebswirtschaftliche Produktionstheorie überwiegend auf der Vorstellung limitationaler Technologien basiert, unterstellt die Volkswirtschaftslehre oft substitutionale Produktionsfunktionen. Dies hat seine Berechtigung, weil die Substitutionsmöglichkeiten umso größer sind je größer die Zahl der betrachteten Unternehmen ist: Wird lediglich eine gegebene Produktionsstufe betrachtet, dann sind die Faktorverbräuche weitgehend durch die Produktionsmenge determiniert. Gibt es dagegen mehrere Aggregate mit unterschiedlichen Verbrauchseigenschaften, dann kann zwischen limitationalen Prozessen gesprungen werden, so dass sich annähernd Substitutionseigenschaften ergeben. je weiter der Planungshorizont ist: Die Verbrauchseigenschaften sind zwar bei gegebenem Kapitalbestand oft nur teilweise zu gestalten. Sobald aber mit steigendem Planungshorizont Entscheidungen über den Sachkapitalbestand zu treffen sind, dürften sich Änderungen der relativen Faktorpreise in den spezifischen Verbräuchen der Aggregate niederschlagen. 22 DDiiee MMiinniimmaallkkoosstteennkkoommbbiinnaattiioonn Ist die Produktionsfunktion limitational, dann ist die Faktoreinsatzrelation durch technische Gegebenheiten oder Produkteigenschaften festgelegt. Das Kostenminimum liegt stets im technisch vorgegebenen Punkt. Für substitutionale Produktionsfunktionen stellt sich dagegen die Frage, wie die Wahl der Faktoreinsatzrelation zu treffen ist, wenn eine gegebene Produktionsmenge zu minimalen A r 1 r 2 Faktoreinsatzverhältnis in A limitational beschränkt substitutional vollständig substitutional <?page no="156"?> 2 Die Minimalkostenkombination 157 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Kosten hergestellt werden soll. Dies ist die in Abbildung 38 vorgestellte Faktorsubstitution: Faktorpreise, Produktionsfunktion und Produktionsmenge sind gegeben und gesucht ist das optimale Faktoreinsatzverhältnis. Die Minimalkostenkombination bezeichnet genau das Faktoreinsatzverhältnis, das auf einer Isoquante für eine gegebene Produktionsmenge die geringsten Kosten verursacht. Für die Kosten gilt bei zwei variablen Faktoren K q r q r mit q 1 und q 2 als Faktorpreise. Für ein gegebenes Kostenniveau K wird dies zur Isokostengerade: = = = Eine Isokostengerade gibt für konstante Faktorpreise alternative Faktoreinsatzrelationen wieder, die alle zum Kostenniveau führen. Ihre Steigung entspricht dem negativen umgekehrten Faktorpreisverhältnis. Das Auffinden der Minimalkostenkombination ist in Abbildung 44 dargestellt. Dort ist eine Schar von Isokostengeraden eingezeichnet. Das jeweilige Kostenniveau ist durch den Ordinatenabschnitt = E bestimmt. Je näher sich die Isokostengerade am Ursprung befindet, desto geringer sind die jeweiligen Kosten. Es gilt also K (1) < K (2) < K (3). Nun schreitet man die Isoquante für die Menge von oben nach unten ab. Solange dabei Isokostengeraden geschnitten werden, bestehen Kostensenkungspotenziale. Die Isokostengeraden für K (3) und K (2) geben daher keine optimalen Situationen wieder. Erst die Isokostengerade K (1) bezeichnet die minimalen Kosten. Der Optimalpunkt C ist ein Tangentialpunkt, in dem sich die Steigungen von Isoquante und Isokostengerade entsprechen: ( ( ( ( = = Die Steigung einer Isoquante die Grenzrate der technischen Substitution (GRTS) gibt an, durch wie viele Einheiten des Faktors r 1 der Wegfall einer Einheit des Faktors r 2 ersetzt werden muss, damit sich die Produktionsmenge nicht verändert. Die GRTS entspricht dem negativen, umgekehrten Verhältnis der Grenzproduktivitäten. Im Optimum muss sie dem negativen, umgekehrten Faktorpreisverhältnis gleichen. Das zeigt die folgende äquivalente Schreibweise deutlicher: <?page no="157"?> 158 Kapitel 10: Produktion und Kosten in der langen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 44: Die Minimalkostenkombination ( ( = ( ( = Wäre die linke Seite der Gleichung größer als die rechte, dann ließen sich die Kosten zur Produktion von senken, in dem die Einsatzmenge des Faktors 1 erhöht und die Menge des Faktors 2 gesenkt wird. Dadurch sinkt die Grenzproduktivität des ersten Faktors, während die des zweiten steigt. Erst wenn die auf gegebene Faktorpreise bezogenen Grenzproduktivitäten aller Faktoren gleich sind, ist es nicht mehr möglich, die Kosten für eine vorgegebene Produktionsmenge durch Umschichtungen zu senken. Die Minimalkostenkombination ist erreicht, wenn sich die auf die Faktorpreise bezogenen Grenzproduktivitäten aller Faktoren ausgleichen. Die optimale Faktorrelation ⁄ hängt bei substitutionalen Produktionsfunktionen von der Faktorpreisrelation ab. Für die Kostenwirkungen von Faktorpreisänderungen ist die Substituierbarkeit der Faktoren von erheblicher Bedeutung. Je leichter ein verteuerter Faktor durch andere Faktoren substituiert werden kann, desto geringer ist der resultierende Kosteneffekt. Im Falle der vollständigen Substitution würden die Kosten überhaupt nicht steigen, weil der verteuerte Produktionsfaktor komplett durch einen anderen ersetzt würde. Bei fehlender Substituierbarkeit wäre ein Faktorpreisanstieg dagegen voll kostenwirksam. B A r 1 r 2 C K (3) / q 1 K (2) / q 1 K (1) / q 1 r 1 * r 2 * <?page no="158"?> 3 Expansionspfad, Skalenerträge und Kostenverlauf 159 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 33 EExxppaannssiioonnssppffaadd" SSkkaalleenneerrttrrääggee uunndd KKoosstteennvveerrllaauuff Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, ob sich das kostenminimale Faktoreinsatzverhältnis verändert, wenn die Produktionsmenge verändert wird. Tatsächlich muss es für jede vorgegebene Produktionsmenge eine Minimalkostenkombination geben. Die Verbindungslinie dieser Minimalkostenkombinationen heißt Expansionspfad. Entlang des Expansionspfades entspricht die Grenzrate der technischen Substitution in diesen Tangentialpunkten dem gegebenen Faktorpreisverhältnis = = ⁄ und ist deshalb unabhängig vom jeweiligen Produktionsniveau überall gleich. Bleibt die kostenminimale Faktoreinsatzrelation bei steigender Produktion und gegebenen Faktorpreisen zudem konstant, so ist der Expansionspfad eine Ursprungsgerade. In diesem Fall liegt eine homogene Produktionsfunktion vor. Dann ist es sinnvoll, die Produktionsmenge bei unverändertem Faktoreinsatzverhältnis ⁄ zu verändern. In Kapitel 9 wurde das als totale Faktorvariation eingeführt. Abbildung 45: Konstante Skalenerträge Abbildung 45 zeigt eine homogene Produktionsfunktion in der Isoquantendarstellung. Entlang des Expansionspfades liegen alle Minimalkostenkombinationen A, B und C auf einem Ursprungsstrahl. Das in der Abbildung dargestellte Isoquantenschema hat noch eine weitere Eigenschaft. Die Produktionsmengen auf den drei Isoquanten sollen konstante Produktionszuwächse aufweisen: auf der mittleren Isoquante wird beispielsweise doppelt so viel hergestellt wie auf r 1 r 2 A C B Expansionspfad <?page no="159"?> 160 Kapitel 10: Produktion und Kosten in der langen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service der unteren und die obere Isoquante stellt im Vergleich zur unteren eine dreimal so hohe Produktion dar. Wenn unter dieser Bedingung zusätzlich die Abstände zwischen A und B sowie zwischen B und C gleich groß, sind so spricht man von einer linear-homogenen Produktionsfunktion oder von konstanten Skalenerträgen. Eine Verdopplung sämtlicher Faktoreinsatzmengen führt dann immer genau zu einer Verdopplung der Produktion. Folglich ist die langfristige Kostenfunktion eine Gerade, denn eine Verdopplung sämtlicher Faktorinputs führt bei unveränderten Faktorpreisen zu einer Verdopplung der Kosten. Langfristig sind die Grenz- und Durchschnittkosten dann identisch und konstant. Wenn dagegen die Faktoreinsatzmengen entlang des Expansionspfads verdoppelt werden und sich die Produktionsmenge daraufhin mehr als verdoppelt, dann liegen zunehmende Skalenerträge oder economies of scale vor. Economies of scale kennzeichnen eine industrielle Organisation der Fertigung. Größe kann aber auch zum Handicap werden. Bürokratien und Konzerne gelten als wenig flexibel und wenden zunehmend Ressourcen zur internen Koordinierung ihrer Aktivitäten auf. In diesem Zusammenhang spricht man auch von abnehmenden Skalenerträgen. Unternehmen begegnen diesen Tendenzen, indem sie durch profit center kleine Einheiten simulieren. Täten sie es nicht, würden ihnen abnehmende Skalenerträge drohen. Auch bei zu- oder abnehmenden Skalenerträgen herrscht immer Homogenität, so dass die Minimalkostenkombinationen bei gegebenem Faktorpreisverhältnis weiterhin auf einem Ursprungsstrahl liegen. Die Abstände zwischen Isoquanten, die jeweils wiederum konstante Mengenzuwächse abbilden, verändern sich jedoch systematisch (Abbildung 46): Bei zunehmenden Skalenerträgen sind konstante Produktionszuwächse mit immer geringeren zusätzlichen Faktorverbräuchen zu erreichen. Auf der linken Seite der Abbildung rücken die Isoquanten enger zusammen. Wenn bei gegebenen Faktorpreisen der Faktoreinsatz zur Vervielfachung der Produktion immer kleiner wird, dann muss das auch für die langfristigen Kosten LK gelten. Damit ergibt sich ein degressiver Kostenverlauf. In der langen Frist hätte man es also mit sinkenden langfristigen Stückkosten LDK zu tun. Anders als in der kurzen Frist hat das aber nicht mit der Fixkostendegression, sondern mit Massenproduktionsvorteilen zu tun. Umgekehrt ist im Fall abnehmender Skalenerträge zu argumentieren. Der rechten Seite der Graphik ist zu entnehmen, dass der Abstand zwischen den Isoquanten bei konstanten Produktionszuwächsen zunimmt eine Verdopplung des Faktoreinsatzes reicht nicht aus, wenn die Produktion verdoppelt werden soll. Entsprechend steigen die langfristigen Kosten LK progressiv. <?page no="160"?> 3 Expansionspfad, Skalenerträge und Kostenverlauf 161 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 46: Kosten bei zu- oder abnehmenden Skalenerträgen Bei limitationalen Produktionsfunktionen ergibt sich der Expansionspfad unabhängig vom Faktorpreisverhältnis als Verbindung der jeweils technisch effizienten Faktorkombinationen. Auch limitationale Funktionen können durch unterschiedliche Skalenerträge gekennzeichnet sein und demnach verschiedene Kostenverläufe begründen. Bei konstanten Skalenerträgen führt eine Verdopplung sämtlicher Faktorinputs naturgemäß ebenfalls zu einer Verdopplung der Produktion. Dies gibt die Eigenschaften der linear-limitationalen Produktionsfunktion wieder sie wird nach ihrem Entdecker manchmal auch Leontief- Produktionsfunktion genannt. In diesem Falle würde sich auch eine lineare langfristige Kostenfunktion ergeben. Die Eigenschaften einer Produktionsfunktion bei totaler und partieller Faktorvariation sollten nicht verwechselt werden. Beispielsweise gelten für die neoklassische Produktionsfunktion in einer kurzfristigen Betrachtung grundsätzlich abnehmende Grenzerträge. Dennoch können bei proportionaler Variation aller Faktoren konstante oder sogar zunehmende Skalenerträge auftreten. Die Beziehungen zwischen kurzfristigem und langfristigem Kostenverlauf werden im nächsten Abschnitt etwas genauer betrachtet. zunehmende Skalenerträge abnehmende Skalenerträge r 1 LLK x K (1) / q 1 K (2) / q 1 K (3) / q 1 K (1) K (2) K (3) LK x K (1) / q 1 K (2) / q 1 K (3) / q 1 K (2) r 1 r 2 r 2 Expansionspfad Expansionspfad x 0 2x 0 3x 0 3x 0 2x 0 x 0 LK LK 3x 0 2x 0 x 0 x 0 2x 0 3x 0 K (1) K (3) <?page no="161"?> 162 Kapitel 10: Produktion und Kosten in der langen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service 44 DDeerr llaannggffrriissttiiggee KKoosstteennvveerrllaauuff Kurzfristig kann der Sachkapitalbestand nicht verändert werden; die optimalen Einsatzmengen der variablen Faktoren werden bei vorgegebener Betriebsgröße oder Kapazität bestimmt. Investitionen ermöglichen eine Ausweitung des Sachkapitalbestandes. Abgänge bzw. Abschreibungen passen die Betriebsgröße an kleinere Produktionsmengen an. Damit wird in der langen Frist die Wahl der optimalen Betriebsgröße zu einer Schlüsselentscheidung. Im Regelfall nehmen mit einer wachsenden Betriebsgröße die Fixkosten zu. Eine Kostenentlastung kann sich daher nur ergeben, wenn der Degressionseffekt diesen Zuwachs der Fixkosten übersteigt. Demgegenüber wird oft umgekehrt argumentiert, dass Unternehmen mit kleineren Betriebsgrößen flexibler auf sich ändernde Marktbedingungen reagieren und wegen geringer Fixkosten weniger mit den Kosten ungenutzter Produktionsanlagen belastet sind. Es ist also a priori unklar, ob große Unternehmen generell Kostenvorteile aufweisen oder ob small is beautiful gilt. Ungeachtet dieser Kontroverse wird die Wahl der optimalen Betriebsgröße in einem stark vereinfachenden Modell dargestellt. Es gelten folgende Annahmen: Es gibt viele unterschiedliche Betriebsgrößen zu jeder dieser Betriebsgrößen gehört ein kurzfristiger neoklassischer Kostenverlauf. Die Produktionsmöglichkeiten nehmen mit steigendem Sachkapitalbestand zu je größer aber die Betriebsgröße, desto höher die Fixkosten. Unter diesen Bedingungen lassen sich kleinere Mengen günstiger mit einer kleinen Betriebsgröße und große eher mit einer größeren Betriebsgröße fertigen. Zudem wird angenommen, die langfristige Produktionsfunktion sei linear-homogen. Dann folgen die langfristigen Kosten einer Geraden. In Abbildung 47 ist dies oben durch die Gerade LK angedeutet. Die kurzfristigen Kostenverläufe K 1 und K 2 repräsentieren zwei willkürlich gewählte Betriebsgrößen. In den Punkten A und B entsprechen die Tangenten einem gedachten Ursprungsstrahl. A und B sind folglich die zugehörigen Minima der totalen durchschnittlichen Kosten dort entsprechen die Grenzkosten zudem den Durchschnittskosten. Dies ließe sich für weitere Betriebsgrößen analog konstruieren, so dass sich die langfristige Kostenfunktion als Verbindungslinie sämtlicher Durchschnittskostenminima ergibt. Unten ist die Entsprechung in der Stückkostendarstellung zu sehen. Die langfristigen Durchschnittskosten LDK und die langfristigen Grenzkosten LGK sind gleich und konstant. Die kurzfristige Betrachtung der Stückkosten macht die Rolle der Betriebsgröße deutlich: Angenommen, eine Unternehmung habe <?page no="162"?> Zusammenfassung 163 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 47: Der langfristige Kostenverlauf die Betriebsgröße 1 realisiert und bewege sich entlang der Kostenkurve K 1 . Nun steige die Produktion dauerhaft über die durchschnittskostenminimale Menge x 1 *. Entsprechend nehmen die Stückkosten dem steigenden Ast von DK 1 folgend zu. Je weiter man sich vom Minimum der Durchschnittskosten entfernt, desto ungünstiger wird die Kostensituation. Wird die Betriebsgröße daraufhin durch Investitionen erweitert, dann ergeben sich bei Betriebsgröße 2 die kurzfristigen Verläufe GK 2 und DK 2 . Für die größere Betriebsgröße ist die Produktionsmenge x 2 * kostenminimal. Liegt die Produktion langfristig darunter, dann würde ein ungünstiger Punkt auf dem fallenden Ast der DK 2 -Kurve realisiert. Gibt es in der langen Frist einen U-förmigen Verlauf der langfristigen durchschnittlichen Kosten LDK, dann realisiert das Unternehmen für kleine Produktionsmengen zunächst economies of scale und ab einer bestimmten Schwelle sinkende Skalenerträge. Anders als in Abbildung 47 ist die optimale Betriebsgröße dann auch langfristig von der Produktionsmenge abhängig. Im Minimum der LDK schneiden wiederum die dann steigenden LGK. In diesem Punkt liegt LK B A LK K DK GK LGK LDK LGK=LDK GK 2 x 1 * B A K f1 K f2 K 1 K 2 x x 2 * x 1 * x x 2 * GK 1 DK 1 DK 2 <?page no="163"?> 164 Kapitel 10: Produktion und Kosten in der langen Frist http: / / www.uvk-lucius.de/ service die mindestoptimale Betriebsgröße (MOB). Auch ohne Fixkostendegression, die nur in der kurzfristigen Betrachtung gegeben sind, kann eine steigende Produktion also zu sinkenden Durchschnittskosten führen. Empirische Studien für verschiedene Industriezweige stellen mindestoptimale Betriebsgrößen als einen wichtigen Grund für die Unternehmenskonzentration in manchen Märkten heraus. So wird beispielsweise behauptet, die MOB für Unternehmen im Automobilbau liege bei rund einer Millionen Fahrzeugen pro Jahr mit steigender Tendenz. In der Stahlindustrie wird sie auf rund die Hälfte des deutschen Stahlverbrauchs geschätzt. In der Konsequenz bedeutet das, dass selbst internationale Märkte für diese Produkte nur eine begrenzte Zahl von Anbietern zulassen, wenn kosteneffizient produziert werden soll. Freilich sind MOB mit den verfügbaren Daten nur grob abzuschätzen. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Wir unterscheiden limitationale und substitutionale Produktionsfunktionen. Beschränkt substitutionale Produktionsfunktionen weisen fallende Grenzraten der technischen Substitution auf die Isoquanten sind konvex gekrümmt. Die Minimalkostenkombination ist das kostenminimale Faktoreinsatzverhältnis bei gegebener Produktion und konstanten Faktorpreisen. Der Expansionspfad ist die Verbindungslinie der Minimalkostenkombinationen für unterschiedliche Produktionsmengen. Erfolgt die Steigerung der Produktion mit einem unveränderten Faktoreinsatzverhältnis (totale Faktorvariation), dann liegen homogene Produktionsfunktionen vor. Liegen zudem konstante Skalenerträge vor, dann ist die langfristige Kostenfunktion eine Gerade. Im Falle zunehmender Skalenerträge ergeben sich degressive langfristige Kostenfunktionen mit sinkenden Grenz- und Durchschnittskosten. Eine der wichtigsten Entscheidungen im Unternehmen ist die Wahl der optimalen Betriebsgröße, weil sie das Unternehmen längerfristig bindet. Die optimale Betriebsgröße ist bei derjenigen Produktionsmenge erreicht, bei der die Durchschnittskosten minimal sind. <?page no="164"?> Wiederholungsfragen 165 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Isokostengerade ► Minimalkostenkombination ► Expansionspfad ► lineare Homogenität ► economies of scale ► mindestoptimale Betriebsgröße Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Zeichnen Sie je eine Isoquante x 15 für die Leontief-Produktionsfunktion x min r , r die Cobb-Douglas-Funktion x √r √r sowie für die Produktionsfunktion x 0,5r 0,5r im Wertebereich r , r G0, 30I. [2] Unter welchen Bedingungen sollte man eher von substitutionalen und wann eher von limitationalen Produktionsfunktionen ausgehen? [3] Ein Gastronom kalkuliert die Beschäftigung seiner Stammkräfte (S gemessen in Stunden) und seiner Aushilfen (H ebenfalls in Stunden). Für die Zahl der bedienten Tische x pro Abend gilt x = 20 S 3/ 4 H 1/ 4 . Die Stammkräfte sind mit 18 pro Stunde dreimal so teuer wie die Aushilfen. [a] Erläutern Sie das Modell der Minimalkostenkombination graphisch und erklären Sie den optimalen Punkt (keine Berechnungen! ). [b] Berechnen Sie die Minimalkostenkombination und die minimalen Arbeitskosten für 100 Tische. [c] Wie würden Sie die Produktionsfaktoren anpassen an einen temporären Anstieg der Nachfrage etwa in der Vorweihnachtszeit? [d] Was würden Sie dagegen tun, wenn der Anstieg sich als dauerhaft erweist? [e] Was passiert, wenn ein Mindestlohn von 8,50 eingeführt wird? [4] Zeigen Sie angelehnt an Abbildung 46, dass Produktionsfunktionen mit konstanten Skalenerträgen in der langen Frist lineare Kostenverläufe und konstante Grenzkosten aufweisen. [5] Zeigen Sie mit Hilfe der Abbildung 47, in welche unangenehme Situation Unternehmen mit einer großen Betriebsgröße 2 kommen, wenn die Produktion [a] vorübergehend oder [b] dauerhaft einbricht. Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="165"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1111: : DDaass GGüütteerraannggeebboott ddeerr UUnntteerrnneehhmmeenn Bisher wurde der Aspekt der Kostenminimierung bei gegebener Produktionsmenge diskutiert. Unternehmen orientieren ihr Marktangebot aber nicht nur an der Kostensituation, sondern auch an den Absatzbedingungen. Im Folgenden wird gezeigt, wie Änderungen der Preise auf Gütermärkten das Angebotsverhalten von Unternehmen beeinflussen. Für den einfachsten Fall einer kleinen Einproduktunternehmung wird gezeigt, dass die Angebotskurve dem Grenzkostenverlauf entspricht. Zur Vereinfachung wird vollkommene Konkurrenz angenommen viele Unternehmen bieten auf einem Markt ein homogenes Gut an. Bei geringen Marktanteilen und einer hohen Markttransparenz sehen sich alle Produzenten einem einheitlichen und nicht beeinflussbaren Marktpreis gegenüber. LLeerrnnzziieellee Das Angebotsverhalten von Unternehmen folgt dem ökonomischen Prinzip: die Studierenden sollen verstehen, dass steigende Angebotsmengen bei höheren Marktpreisen letztlich als das Ergebnis eines Gewinnmaximierungskalküls angesehen werden können. Die Studierenden sollen zwischen der Produktionsschwelle mit der kurzfristigen Preisuntergrenze sowie der Gewinnschwelle mit der langfristigen Preisuntergrenze unterscheiden können. Sie können darstellen, wann sich ein Unternehmen langfristig und wann es sich kurzfristig von einem Markt zurückziehen sollte. Studierende sollen nachvollziehen können, dass steigende Faktorpreise aufgrund des skizzierten Optimierungsverhaltens zu einer sinkenden Faktornachfrage führen, sie sollen die wichtigsten Lageparameter der Angebotsfunktion kennen. <?page no="166"?> 1 Gewinnmaximierung 167 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 GGeewwiinnnnmmaaxxiimmiieerruunngg Unter Vernachlässigung von Lagerhaltung entspricht die Absatzmenge der Produktionsmenge. Unter dieser vereinfachenden Bedingung wählt eine Unternehmung diejenige Produktionsmenge, bei der der Gewinn als Differenz zwischen Erlösen (Umsatz) und Kosten maximal wird: C J Ein Gewinnmaximum wird bei derjenigen Produktionsmenge erreicht, bei der die erste Ableitung der Gewinnfunktion Null und die zweite Ableitung kleiner als Null ist: C 0 C < 0 Die erste Bedingung ist notwendig und die zweite hinreichend. Die notwendige Bedingung ist erfüllt, wenn J In einem Gewinnmaximum sind die Grenzerlöse und die Grenzkosten gleich (GE = GK). Bei Erfüllung der hinreichenden Bedingung gilt: J < In einem Gewinnmaximum ist die Steigung der Grenzerlöse kleiner als die Steigung der Grenzkosten. Unter den Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz agiert eine Unternehmung als Preisnehmer und passt die Angebotsmenge so an, dass der Gewinn maximal wird. Ein einzelner Anbieter kann seinen Preis nicht beeinflussen. Die angenommene Homogenität des betrachteten Gutes und die unterstellte Marktübersicht lassen Abweichungen vom Marktpreis nicht zu. Setzt ein Unternehmen den Preis oberhalb des Marktpreises, so verliert es seinen gesamten Absatz. Bei vollkommener Marktübersicht wandern sämtliche Nachfrager zur Konkurrenz ab. Bei steigenden Grenzkosten würde das Unternehmen zudem keinen Preis unterhalb des Marktpreises fordern: Das extrem steigende Absatzpotenzial wäre nur zu steigenden Stückkosten herzustellen. Preisforderungen unterhalb des Gleichgewichtspreises würden den Gewinn schmälern. Ein Anbieter kann bei vollkommener Konkurrenz zum gegebenen Marktpreis jede beliebige Menge absetzen. Bei Mengenanpasserverhalten ergeben sich die <?page no="167"?> 168 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service Erlöse als E px . In diesem Fall sind die Grenzerlöse also konstant jede zusätzliche Absatzmenge führt zu Erlösen in Höhe des Marktpreises. Damit lautet die Gewinnmaximierungsbedingung bei vollkommener Konkurrenz: C Die optimale Angebotsmenge liegt somit auf der Grenzkostenkurve. Die hinreichende Bedingung vereinfacht sich bei konstanten Grenzerlösen zu ' 0. Ein Gewinnmaximum muss somit auf dem steigenden Ast der Grenzkostenkurve liegen. In Abbildung 48 ist der Gleichgewichtspreis p* durch den Markt vorgegeben die Preis-Absatz-Funktion (PAF) eines einzelnen Anbieters verläuft dann horizontal. Die gewinnmaximale Absatzmenge x i * liegt im Schnittpunkt von Preis-Absatz-Funktion und Grenzkosten. Der Stückgewinn ist die vertikale Strecke zwischen dem Marktpreis und den für die gewinnmaximale Menge x i * geltenden Stückkosten. Durch Multiplikation des Stückgewinns mit x i * ergibt sich die schraffierte Fläche als Gewinn. Abbildung 48: Marktverhalten eines Preisnehmers Die Graphik verdeutlicht die Outputregel. Solange bei einer zusätzlich abgesetzten Gütereinheit der Preis bzw. der Erlöszuwachs (GE) größer ist als die Kostenzunahme (GK), wird der Gewinn mit steigender Produktion zunehmen. Bei vollkommener Konkurrenz ist das Gewinnmaximum für diejenige Produk- X p x i X i * G p Markt Anbieter i X* p* DK i GK i N A PAF p* <?page no="168"?> 2 Gewinnschwelle und Produktionsschwelle 169 http: / / www.uvk-lucius.de/ service tionsmenge erreicht, bei der sich Preis und Grenzkosten gerade ausgleichen. Ab dieser Produktionsmenge lässt sich der Gewinn nicht weiter steigern. Damit wird auch klar, wie das betrachtete Unternehmen auf Veränderungen des vom Markt gegebenen Preises reagieren wird. Steigt der Marktpreis p und verschiebt sich in der Abbildung die Preis-Absatz-Funktion nach oben, dann reagiert die Unternehmung entlang des Grenzkostenverlaufs mit einer Angebotsausweitung. Mit sinkendem Marktpreis wird die Produktion dagegen reduziert. Die Grenzkostenkurve ordnet somit jeder Preisvorgabe eine gewinnmaximale Angebotsmenge zu. Welche Ergebnisse stellen sich bei anderen Kostenverläufen ein? Für lineare Kostenverläufe sind die Grenzkosten konstant, so dass es im Allgemeinen keinen Schnittpunkt mit dem Preis geben wird. Solange der Marktpreis größer als die Grenzkosten ist, steigt der Gewinn für eine zunehmende Produktion über alle Grenzen. In diesem Fall wird zumeist die Existenz einer Kapazitätsgrenze unterstellt. Ein Unternehmen wird dann so viel wie möglich produzieren. Die gewinnmaximale Menge entspricht der Kapazitätsgrenze. Sind die Grenzkosten dagegen für alle Produktionsmengen größer als der Marktpreis, dann wird das Unternehmen überhaupt nicht anbieten. Der Fall der sinkenden Grenz- und Durchschnittskosten wird in einem späteren Kapitel genauer betrachtet. Hier würde eine effiziente sprich durchschnittskostenminimale Lösung zu Unternehmen mit großen Marktanteilen führen, so dass der Rahmen vollkommenen Konkurrenzmodells gesprengt wird. 22 GGeewwiinnnnsscchhwweellllee uunndd PPrroodduukkttiioonnsssscchhwweellllee Mit Hilfe des Gewinnmaximierungskalküls lässt sich darstellen, wie das betrachtete Unternehmen auf Veränderungen des vom Konkurrenzmarkt gegebenen Preises reagiert und wann es gezwungen ist, aus dem Markt auszutreten. Da der aufsteigende Ast der Grenzkostenkurve als Angebotskurve jeder Preisvorgabe eine gewinnmaximale Angebotsmenge zuordnet, reagiert die Unternehmung auf steigende Marktpreise mit Angebotsausdehnung, auf sinkende Marktpreise dagegen mit Angebotsreduktion. Was passiert dabei mit Erlösen, Kosten und Gewinnen? Dies lässt sich graphisch in Abbildung 49 für einen gegebenen Marktpreis zeigen. Durch Multiplikation mit der dazugehörigen gewinnmaximalen Menge x* ergibt sich der Erlös als Rechteck unterhalb des Preises. Die variablen Kosten ergeben sich, wenn x* mit den zugehörigen variablen durchschnittlichen Kosten (VDK) multipliziert wird (dunkles Rechteck). Die stückfixen Kosten ergeben sich bei x* als vertikaler Abstand zwischen dem DK- und dem VDK-Verlauf <?page no="169"?> 170 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service entsprechend bildet das Rechteck in der Mitte die Fixkosten ab. Da in der skizzierten Marktsituation die Kosten insgesamt kleiner sind als die Erlöse, wird ein Gewinn erzielt. Der vertikale Abstand zwischen dem Preis und den totalen durchschnittlichen Kosten bei x* ist der Stückgewinn. Wird dieser mit x* multipliziert, dann lässt sich der Gewinn ebenfalls als Fläche veranschaulichen. Abbildung 49: Gewinne und Kosten für einen gegebenen Marktpreis Fällt der Preis, dann reduziert das Unternehmen die Angebotsmenge. Sinkt der Preis wie in Abbildung 50 dargestellt bis auf das Minimum der totalen durchschnittlichen Kosten, dann entsprechen die Erlöse den Kosten. Das Unternehmen erzielt keinen Gewinn mehr. Im Schnittpunkt von Grenzkosten und totalen durchschnittlichen Kosten lässt sich an der Mengenachse die Gewinnschwelle ablesen. Da Unternehmerlohn und Eigenkapitalverzinsung in den Kosten enthalten sind, kann die Unternehmung eine solche Situation auch längerfristig durchhalten. Der zur Gewinnschwelle gehörige Preis kann deshalb als langfristige Preisuntergrenze (PUG l ) interpretiert werden. Variable Kosten Gewinn Fixkosten DK GK VDK p_ p x <?page no="170"?> 2 Gewinnschwelle und Produktionsschwelle 171 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 50: Gewinnschwelle und langfristige Preisuntergrenze Abbildung 51: Produktionsschwelle und kurzfristige Preisuntergrenze Sinkt der Preis unter das Minimum der totalen durchschnittlichen Kosten, dann fallen Verluste durch teilweise nicht gedeckte Fixkosten an. Diese Verluste führen kurzfristig nicht zur Einstellung der Produktion, weil dann die gesamten Fixkosten als Verlust anfallen würden. Es liegen weiterhin positive Deckungsbeiträge vor. Wenn der Marktpreis das Minimum der variablen durchschnittli- Fixkosten Variable Kosten x DK PUG l GK VDK Gewinnschwelle p Variable Kosten x DK PUG k GK VDK Produktionsschwelle p <?page no="171"?> 172 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service chen Kosten erreicht, werden die variablen Kosten durch die Erlöse genau gedeckt auch der Deckungsbeitrag ist nunmehr aufgezehrt. Diese Situation ist in Abbildung 51 dargestellt. Im Schnittpunkt von Grenzkosten und variablen durchschnittlichen Kosten ist der Deckungsbeitrag Null: die variablen Kosten werden gerade durch die Erlöse gedeckt. Hier besteht auch kurzfristig Indifferenz bezüglich der Produktion: Produktion und Nicht-Produktion führen jeweils zu Verlusten in Höhe der Fixkosten. An der Mengenachse lässt sich hier die Produktionsschwelle ablesen. Der zugehörige Preis ist als kurzfristige Preisuntergrenze (PUG k ) zu deuten. Erst wenn die laufende Produktion bei Preisen unterhalb des Minimums der variablen durchschnittlichen Kosten zu Verlusten beiträgt, sollte die Produktion auch kurzfristig eingestellt werden. Bleibt es allerdings bei einem Preisniveau zwischen dem Durchschnittskostenminimum und dem der VDK, dann wird dies langfristig zu einem Rückzug des Unternehmens vom Markt führen, sofern das Unternehmen seine Kostensituation nicht verbessern kann. Ab der Produktionsschwelle ist der aufsteigende Ast der Grenzkosten die kurzfristige Angebotskurve der Unternehmung. FFaallllssttuuddiiee 1100: : LLaaddeennööffffnnuunnggsszzeeiitteenn Das Ladenschlussgesetz ist in Deutschland in den letzten Jahren mehrfach liberalisiert worden. Die meisten Anbieter im Einzelhandel haben sich daraufhin entschlossen, ihre Öffnungszeiten am frühen Abend um eine oder zwei Stunden auszudehnen. Seither kommt es häufiger vor, dass man in Läden in den Innenstädten in dieser Zeit weit und breit der einzige Kunde ist. Offenbar reichen die Umsätze in diesen Zeiten schwerlich aus, um die Kosten zu decken. Hier könnten Deckungsbeiträge und variable Kosten eine wichtige Rolle spielen. Erläutern Sie das Kalkül des Managements in einer solchen Situation. Was muss für eine zusätzliche Stunde Öffnungszeit lediglich gegeben sein? Zu welchen Arrangements könnten die Einzelhändler einer Stadt in dieser Situation kommen? 33 GGüütteerraannggeebboott uunndd FFaakkttoorrnnaacchhffrraaggee Die Wirkungen von Faktorpreisänderungen auf die Nachfrage eines Unternehmen nach Produktionsfaktoren und die Konsequenzen für das individuelle Güterangebot werden im Folgenden etwas näher betrachtet. Die Bedingungen für ein Gewinnmaximum lassen sich auch an den Einsatz der Produktionsfaktoren r 1 und r 2 knüpfen. In Abhängigkeit von diesen Faktormengen lässt sich die Gewinnfunktion als <?page no="172"?> 3 Güterangebot und Faktornachfrage 173 http: / / www.uvk-lucius.de/ service C , , = , = , schreiben, wobei es sich beim ersten Term um die Erlöse und bei den übrigen um die Kosten handelt. Der Güterpreis p und die Faktorpreise q 1 und q 2 sind weiterhin gegeben (vollkommene Konkurrenz). Nullsetzen der partiellen Ableitungen ergibt: (C ( ( ( = 0 und (C ( ( ( = 0 Durch Umstellen beider Bedingungen folgt ( ( = ⁄ und ( ( = ⁄ Demnach erfolgt die reale Entlohnung der Faktoren im Gewinnmaximum nach ihrer Grenzproduktivität. Das bedeutet, dass die (partielle) Grenzproduktivität der letzen eingesetzten Arbeitseinheit den auf den Güterpreis bezogene Lohn nicht unterschreiten sollte. Oder vereinfachend als Inputregel ausgedrückt: der Einsatz von Produktionsfaktoren muss sich für die Unternehmen lohnen. Das ist die Grenzproduktivitätentheorie. Die Faktornachfrage gibt die Beziehung zwischen der nachgefragten Faktormenge und dem zugehörigen Faktorpreis wieder, wobei der Güterpreis und die sonstigen Faktorpreise Lageparameter sind. Bei Gültigkeit der Grenzproduktivitätentheorie führt ein steigender Faktorpreis bei gegebenem Güterpreis zu einem Anstieg der realen Entlohnung des Faktors. Entsprechend muss die Grenzproduktivität für ein gewinnmaximierendes Unternehmen ebenfalls zunehmen. Dies ist bei einer partiellen Produktionsfunktion mit sinkenden Grenzproduktivitäten aber nur möglich, wenn der Faktoreinsatz und damit die Nachfrage nach r 1 sinken. Für Faktor 1 gilt: = , = , mit ( (= ⁄ < 0 Die Faktornachfrage der Unternehmen nimmt mit steigendem Faktorpreis ab. Umgekehrt sinkt die reale Entlohnung der Produktionsfaktoren, wenn der Preis p steigt und Faktorpreise q 1 und q 2 unverändert bleiben. = , = , mit ( ( ⁄ ' 0 Dadurch sinkt die Grenzproduktivität und die Faktornachfrage nimmt zu. Entsprechendes gilt für die Nachfrage der Unternehmen dem zweiten Produktionsfaktor r 2 . Damit werden bei steigendem Preis p und unveränderten Faktorpreisen q 1 und q 2 mehr Produktionsfaktoren eingesetzt. Auch diese Betrachtung <?page no="173"?> 174 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service zeigt: gewinnmaximierendes Verhalten bedeutet, dass die Unternehmen bei steigenden Preisen mehr anbieten. Abschließend stellt sich die Frage nach Verschiebungen der Angebotskurve einer Einproduktunternehmung. Hier kommen vor allem drei Lageparameter in Betracht: Technischer Fortschritt verschiebt die Grenzkosten und damit die Angebotskurve nach rechts bzw. unten. Entweder wird die Angebotsmenge bei gegebenem Preis ausgedehnt oder der Preis sinkt für eine gegebene Menge. Letzteres ist zu erwarten, wenn viele Unternehmen am Markt die Kosten sparende Produktionstechnik einführen. Ferner verschieben sich die Durchschnittskostenkurven nach unten. Unternehmen, die eine neue Technik einführen, können wegen sinkender Preisuntergrenzen stärkere Preisrückgänge am Absatzmarkt verkraften. In ähnlicher Weise wirken Kapazitätserweiterungen. Durch Investitionen nehmen die Produktionsmöglichkeiten von Unternehmen zu die Angebotskurve verschiebt sich ebenfalls nach rechts. Zunehmende Faktorpreise führen unter sonst gleichen Bedingungen zu steigenden Kosten. Damit verschiebt sich die Grenzkostenkurve nach links, so dass die Angebotsmenge bei gegebenem Preis sinkt. Umgekehrt verschiebt sich die Angebotskurve bei sinkenden Faktorpreisen nach rechts. Sämtliche Einflussgrößen, die die Grenzkosten steigern, verschieben die Angebotskurve des einzelnen Unternehmens nach links. Arbeitnehmervertreter behaupten gelegentlich, dass steigende Löhne die Kaufkraft und damit die Nachfrage erhöhen. Dieses Kaufkraftargument mag zwar durchaus gelten. Es vernachlässigt aber die Kosteneffekte und damit denkbare Wirkungen auf das Güterangebot. Die Ausführungen zur Faktornachfrage haben gezeigt, dass jeder Anstieg der Lohnsätze die Arbeitsnachfrage der Unternehmen unter sonst gleichen Bedingungen reduziert. Wenn der Lohnanstieg das Produktivitätswachstum überschreitet, dann ist der Lohnabschluss nicht kostenneutral. Die Grenzkosten verschieben sich nach links und bei gegebenem Marktpreis wird sowohl die Arbeitsnachfrage als auch die Angebotsmenge sinken. <?page no="174"?> 4 Marktangebot und Preiselastizität des Angebots 175 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 44 MMaarrkkttaannggeebboott uunndd PPrreeiisseellaassttiizziittäätt ddeess AAnnggeebboottss Aus den individuellen Angebotskurven vieler Unternehmen in einem Markt wird durch Summierung der zu einem bestimmten Preis angebotenen Menge das Marktangebot. Zwei denkbare Fälle werden in Abbildung 52 betrachtet: Liegen für alle Unternehmen in einem Markt konstante Grenzkosten vor, dann kann das Marktangebot dennoch mit dem Preis steigen, wenn sich die Kostensituationen der betrachteten Unternehmen unterscheiden. Auf der linken Seite der folgenden Abbildung erscheinen alle Anbieter (A 1 , A 2 , A 3
) nach der Höhe ihrer Grenzkosten sortiert. Jeder einzelne hat konstante Grenzkosten und bietet bis zur Kapazitätsgrenze an. Daraus ergibt sich das Marktangebot als treppenförmiger Angebotsverlauf. Sind die Marktanteile klein, dann sind die Stufen vernachlässigbar. Die effizienten Anbieter finden sich auf der Marktangebotskurve unten links Anbieter mit ungünstigeren Kostensituationen liegen weiter oben. Für steigende Grenzkosten der am Markt befindlichen Unternehmen ergibt sich das Marktangebot aus der Addition der individuellen Angebotsmengen zu jedem beliebigen Marktpreis. A 1 , A 2
sind die individuellen Grenzkostenverläufe. Das Marktangebot ergibt sich durch Addition der zu jedem beliebigen Preis gehörigen individuellen Angebotsmengen. Im Allgemeinen nimmt das Marktangebot auf einem vollkommenen Konkurrenzmarkt mit steigendem Preis zu. Abbildung 52: Die Aggregation von Angebotskurven p p x x A 1 A 2 A 3 usw. A 3 A 2 A 1 Marktangebot <?page no="175"?> 176 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service Wie schon bei der Marktnachfrage lässt sich die Preiselastizität des Angebots als Quotient relativer Änderungen der Angebotsmenge in Bezug auf relative Preisänderungen darstellen: M ,8 ∆ N N ∆ ∆ N ∆ N Aufgrund der Steigung der Angebotskurve ist das erwartete Vorzeichen der Elastizität hier positiv. Das Angebot ist preiselastisch, wenn schon eine geringe Preissteigerung ausreicht, um einen größeren Anstieg der Angebotsmenge auszulösen. Die Preiselastizität des Angebots ist damit eine Kennzahl für die Flexibilität der Unternehmen. Bei flexiblem Marktangebot können die Unternehmen in einem Bereich kaum veränderter Grenzkosten ihre Produktionsmenge anpassen. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Kapazität nicht ausgeschöpft ist oder wenn in der langen Frist alle Produktionsfaktoren variabel sind. Die Preiselastizität des Angebots ist langfristig im Allgemeinen größer als kurzfristig; bei freien Kapazitäten größer als bei Engpässen; bei substitutionalen Produktionsfunktionen größer als bei limitationalen; bei Waren oft größer als bei Dienstleistungen; bei verderblichen Gütern und Saisonware meist sehr gering; auf offenen Märkten tendenziell höher als im Falle von Markteintrittsbarrieren. Abbildung 53 zeigt mögliche Anpassungsreaktionen auf einen Nachfragerückgang bei einem kurzfristig inflexiblem sowie bei einem eher preiselastischen Marktangebot. In einer kurzen Frist erfolgt die Markträumung eher über den Preis kurzfristig wird wegen des relativ unelastischen Angebots das Gleichgewicht G 1 realisiert (alles muss raus). Langfristig haben die Unternehmen mehr Optionen, auf die veränderte Nachfrage zu reagieren. Entsprechend disponieren sie entlang der elastischeren Angebotskurve. Im Vergleich zur Ausgangssituation G 0 ist G 2 als langfristige Lösung durch schwächere Preissenklungen zu kennzeichnen. Angebotsreaktionen auf Nachfragerückgänge sind kurzfristig also vor allem Preisabschlägen längerfristig dürfte dagegen der Mengeneffekt überwiegen. <?page no="176"?> Zusammenfassung 177 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 53: Kurzfristige und langfristige Angebotsreaktionen ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Die Outputregel besagt, dass ein gewinnmaximierendes Unternehmen seine Produktionsmenge ausdehnt, bis der Erlös einer zusätzlich abgesetzten Gütereinheit mit den damit verbundenen Kosten übereinstimmt (GE = GK). Unter Konkurrenzbedingungen vereinfacht sich dies zu p = GK. Die optimale Angebotsmenge eines Mengenanpassers steigt mit zunehmendem Güterpreis und fällt mit steigenden Faktorpreisen. Von der Produktionsschwelle aufwärts ist der Grenzkostenverlauf die kurzfristige Angebotsfunktion eines Unternehmens. Das Marktangebot ergibt sich durch Addition der individuellen Angebotsmengen aller am Markt aktiven Anbieter. Preiselastizität des Angebots sagt etwas über die Flexibilität der Unternehmen aus. Sie gibt an, um wieviel Prozent das Güterangebot zunimmt, wenn der Marktpreis um 1 % steigt. p x G 0 G 1 G 2 unelastisches Angebot (kkurze Frist) elastisches Angebot (l lange Frist) <?page no="177"?> 178 Kapitel 11: Das Güterangebot der Unternehmen http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Preisnehmer ► langfristige Preisuntergrenze ► Produktionsschwelle ► Faktornachfrage ► Lageparameter der Angebotskurve ► Grenzproduktivitätentheorie ► Preiselastizität des Angebots Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Die Situation eines Bäckers mit einem kleinen Marktanteil ist durch die folgenden Daten gekennzeichnet: Zu einem Preis von 30 Cent ist jede beliebige Menge Brötchen abzusetzen. Die Materialkosten betragen 8 Cent pro Stück (Material ist Faktor r 1 ). Der sonstige variable Faktoreinsatz hängt von der produzierten Menge ab: r 2 = 0,0005x 2 + 0,5x. Der Faktorpreis q 2 beträgt 4 Cent. Es fallen täglich Fixkosten in Höhe von 300 an. Berechnen Sie die gewinnmaximale Menge. Wie hoch sind Umsatz, Kosten und Gewinn pro Tag? [2] Ein Unternehmen habe die folgende Kostenfunktion: K(x) = 22.500 + 500x − 5x 2 + 0,02x 3 . [a] Berechnen Sie (für x > 0) die kurzfristige Preisuntergrenze. [b] Wird das Unternehmen bei einem Preis von 276 langfristig im Markt bleiben können? [3] Für die Unternehmen einer Branche werden die Arbeitszeiten bei unveränderten Arbeitseinkommen verlängert. Welche Wirkungen hat dies unter sonst gleichen Bedingungen auf den Lohnsatz (pro Arbeitsstunde), die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitsstunden sowie auf das Güterangebot? Zeigen Sie die Effekte graphisch auf und erläutern Sie Ihr Vorgehen. Unterstellen Sie eine kurzfristige Perspektive und eine neoklassische Produktionsfunktion. [4] Erläutern Sie den Sachverhalt, der mit der Preiselastizität des Angebots gemessen wird. Notieren Sie die Berechnungsvorschrift. Unter welchen Umständen erwarten Sie eher eine geringe, wann dagegen eher eine hohe Preiselastizität des Angebots? <?page no="178"?> Wiederholungsfragen 179 http: / / www.uvk-lucius.de/ service [5] Derzeit sind Wohnungen vor allem in Ballungsräumen knapp, die Mieten steigen dort deutlich stärker als im Bundesdurchschnitt. [a] Stellen Sie ein Gleichgewicht auf dem Wohnungsmarkt dar. Machen Sie dabei geeignete Annahmen über die Preiselastizitäten des Angebots und der Nachfrage. [b] Zeigen Sie, welche Mechanismen zu den Preissteigerungen führen. Unterscheiden Sie eine langfristige und eine kurzfristige Angebotskurve. [c] Skizzieren Sie den Weg in ein neues Gleichgewicht. [d] Hilft dabei eine Mietpreisbremse? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="180"?> TTeeiill 33: : MMaarrkkttssttrruukkttuurr" MMaarrkkttvveerrhhaalltteenn uunndd MMaarrkktteerrggeebbnniiss <?page no="182"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1122: : MMäärrkkttee uunndd MMaarrkktteennttwwiicckklluunnggeenn Will man aktuelle Marktentwicklungen analysieren, dann helfen Konkurrenzmarktmodelle nur bedingt weiter. Im Allgemeinen findet man die idealisierten Bedingungen, die im Kapitel 4 als vollkommene Konkurrenz eingeführt wurden, auf tatsächlichen Märkten nicht vor. Sobald sich Abweichungen von diesem Referenzmodell ergeben, wird die Analyse von Marktentwicklungen schwieriger. In diesem Kapitel wird zunächst ein Analyserahmen zur Erfassung der Marktstruktur, des Marktverhaltens und der daraus folgenden Marktergebnisse vorgestellt. Dabei wird besonderer Wert darauf gelegt, zwischen Marktlagen in der kurzen Frist und längerfristigen Marktentwicklungen zu unterscheiden. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden sollen in die Lage versetzt werden, Märkte mit Hilfe einer Reihe von Kriterien beschreiben zu können. Sie wissen, dass diese Marktstruktur-, Marktverhaltens- und Marktergebniskriterien voneinander abhängen. Sie erkennen, dass jeder Markt seine eigene Charakteristik aufweist. Die Studierenden können mit dem Modell des langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewichts begründen, warum niedrige Markteintrittsbarrieren für funktionsfähige Märkte wichtig sind. Die Studierenden kennen den Begriff des Dynamischen Wettbewerbs und sind in der Lage, die Rolle von Innovation und Imitation zu erklären. Eine wesentliche Triebfeder für Innovationen ist die Aussicht auf Vorsprungs- oder Knappheitsgewinne. Funktionsfähige Märkte sind dadurch zu kennzeichnen, dass diese Gewinne durch Kapazitätserweiterungen, Markteintritte und Imitation längerfristig abschmelzen. <?page no="183"?> 184 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 KKrriitteerriieenn ddeerr MMaarrkkttllaaggee Jede Marktanalyse ist an eine konkrete Fragestellung geknüpft. Ein Problem erfordert eine geeignete Abgrenzung des Untersuchungsobjekts. Will man die Wirkungen von Markteintritten neuer Anbieter in den Automobilmarkt analysieren, dann erweisen sich regionale Einschränkungen der Analyse meist nicht als sinnvoll. Die Auswirkungen neuer Anbieter auf Preise, Mengen oder Qualität sollten global analysiert werden dies schließt aber nicht aus, dass sich besondere Implikationen für Produzenten in bestimmten Regionen ergeben. Umgekehrt kann es aber sinnvoll sein, die Effekte eines Zusammenschlusses zweier großer Anbieter auf dem Lebensmittelmarkt regional auf die Bundesrepublik Deutschland und sachlich beispielsweise auf das Segment der Discounter zu beschränken. Die Analyse einer konkreten Marktsituation oder Marktentwicklung erfordert damit eine geeignete räumliche und sachliche Marktabgrenzung. Da jeder Markt anders ist, ist die konkrete Abgrenzung niemals falsch oder richtig, sondern höchstens zur Analyse des vorliegenden Problems hilfreich oder aber weniger geeignet. Abbildung 54: Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis Ist die Marktabgrenzung erfolgt, dann sind eine Reihe von Kriterien zu prüfen, die in der oberen Abbildung unter den Begriffen Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis zusammengefasst sind. Natürlich müssen bei einer Marktstruktur Marktverhalten Marktergebnis Marktform (Zahl der Anbieter und Nachfrager) Markteintritts- oder Marktaustrittsbarrieren Unvollständigkeiten (Heterogenität, Informationsmängel/ asymmetrien, Anpassungshemmnisse) Preisentwicklung, Marktversorgung, Produktqualität Kapazitätsauslastung, Renditen technischer Fortschritt Preisnehmer/ Preissetzer Rivalitätsneigung: Grad des Preiswettbewerbs, andere Wettbewerbsparameter Innovationsneigung <?page no="184"?> 1 Kriterien der Marktlage 185 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Marktanalyse nicht sämtliche Kriterien schematisch abgeprüft werden. Umgekehrt erlaubt die Darstellung von drei oder vier Kernkriterien einen Einstieg in eine Marktanalyse. Abweichungen zum vollkommenen Konkurrenzmarkt und tatsächlich beobachtbaren Märkten können sich bezüglich der Zahl der Marktteilnehmer ergeben. In Kapitel 4 haben wir als eine Voraussetzung des vollkommenen Konkurrenzmodells das Polypol kennen gelernt, bei dem auf der Angebots- und der Nachfrageseite eine Vielzahl von Akteuren agieren. Jeder dieser Akteure hat einen kleinen Marktanteil es gibt keine Marktmacht. Tatsächlich lassen sich aber verschiedene Marktformen finden, bei denen eine Marktseite durchaus respektable Marktanteile aufweist. Auf der Angebotsseite gilt, dass beispielsweise für die Energiekonzerne auf dem deutschen Markt die großen Vier zusammen kommen gegenwärtig auf rund 8090 % der Stromerzeugung. Größere Marktanteile sind auch auf der Nachfrageseite denkbar dies wird immer dann deutlich, wenn von der Nachfragemacht der Automobilhersteller gegenüber ihren Zulieferern die Rede ist. Unterscheidet man auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite mit einem, wenigen und vielen jeweils drei Größentypen, dann ergibt sich das Stackelbergsche Marktformenschema. Mit dem Polypol knüpft das Schema direkt an eine wichtige Bedingung im Konkurrenzmarktmodell an. Wie das Polypol ist das Monopol als Grenzfall zu betrachten: Ein einziger Anbieter sieht sich der gesamten Marktnachfrage gegenüber. Tatsächlich treten Monopole vor allem dann auf, wenn der betrachtete Markt sachlich eng abgegrenzt wird. Zwar hat die Bahn AG im schienengebundenen Personenverkehr eine dominierende Marktstellung auf der Straße oder in der Luft aber eine intensive Konkurrenz. Nachfrager Anbieter viele wenige einer viele Polypol Nachfrageoligopol Monopson wenige Oligopol bilaterales Oligopol einer Monopol bilaterales Monopol Tabelle 7: Marktformen nach von Stackelberg Eine häufig anzutreffende Marktform ist das Oligopol einer begrenzten Zahl von Anbietern stehen viele Nachfrager gegenüber. Diese Marktform ergibt sich <?page no="185"?> 186 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service beispielsweise, wenn die Unternehmen wie in der Stahlindustrie oder im Fahrzeugbau bestimmte mindestoptimale Betriebsgrößen aufweisen, um überhaupt wirtschaftlich produzieren zu können. Monopol, Marktmacht und Oligopol werden in den folgenden Kapiteln ausführlicher behandelt. Einige der übrigen Fälle seien hier nur kurz erwähnt: einem Nachfragemonopol nahe kommen, können sich auf den Beschaffungsmärkten von marktmächtigen Unternehmen ergeben. Diese Unternehmen werden versucht sein, ihre Macht zu nutzen, um möglichst günstige Beschaffungskonditionen zu erzielen. Beim bilateralen Oligopol treffen marktmächtige Akteure sowohl auf der Angebotsseite als auch auf der Nachfrageseite aufeinander. Manchmal entsteht eine solche Konstellation erst durch Kooperationen zuvor potenziell benachteiligter Akteure. Beispielsweise verfolgt Genossenschaftswesen das Ziel, die Interessen von Kleinbauern gegenüber der Nahrungsmittelindustrie durchzusetzen. Die durch Kooperation entstehende Gegenmacht ist dann der Versuch, der Macht einer Marktseite etwas entgegenzusetzen. Im bilateralen Monopol wird über Preise und Mengen verhandelt. Dies kennt man von Tarifverhandlungen, wenn man an die Verhandlungspartner auf der Arbeitnehmerseite und der Arbeitgeberseite denkt Das Marktformenschema ist ein Modell, um Marktstrukturen grob zu charakterisieren. Dabei werden Beziehungen zwischen Marktabgrenzung und Marktform weitgehend vernachlässigt. In Oligopolmodellen werden zudem symmetrische Strukturen unterstellt, so dass im Oligopol alle Anbieter gleiche Marktanteile aufweisen. Der Fall einiger großer und vieler kleiner Anbieter ist nicht vorgesehen, so dass Marktführerschaft in dem obigen Schema keinen Platz hat. Durch eine zusätzliche Berücksichtigung derartiger Marktformen würde das Schema unüberschaubar. Das Marktformschema kann daher als ein erster Baustein zur Analyse von Märkten aufgefasst werden. Vollkommene Märkte sind durch homogene Güter, eine hohe Markttransparenz und schnelle Anpassungsgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Tatsächlich dürfte auch das nur für wenige Märkte gelten. Informationen sind nicht kostenlos. Transaktionskosten, die bei der Suche und Interpretation marktrelevanter Informationen oder auch als Verhandlungskosten regelmäßig auftreten, werden im vollkommenen Konkurrenzmarktmodell vernachlässigt. Aus der Betriebswirtschaftslehre kennt man Markenartikel und Kundenbindung: der Einsatz von Marketinginstrumenten dient nicht zuletzt dem Ziel, die eigenen Produkte von Konkurrenzprodukten abzusetzen und kundenindividuelle Lösungen anzubieten. Gelingt dies glaubwürdig, dann kommt auf dem betrachteten Markt kein einheitlicher Preis zustande. Heterogene Märkte zeichnen sich durch Güter <?page no="186"?> 2 Langfristiges Gleichgewicht und Eintrittsbarrieren 187 http: / / www.uvk-lucius.de/ service mit objektiv feststellbaren oder subjektiv empfundenen Qualitätsmerkmalen aus. Dort haben die einzelnen Anbieter Preisspielräume, die sie nutzen werden Zwischen der Marktstruktur, dem Marktverhalten und den Marktergebnissen gibt es bedeutsame Querverbindungen, wie sie in Abbildung 54 durch Pfeile angedeutet sind. Ein Beispiel ist das in Kapitel 10 näher erläuterte Preisnehmerverhalten: die Strukturmerkmale der vollkommenen Konkurrenz führen dazu, dass der Preis in derartigen Märkten keine Stellgröße sein kann. Je stärker die tatsächlichen Strukturen vom Konkurrenzmarktmodell abweichen, desto eher können einzelne Anbieter die Preise beeinflussen. Sind nur wenige Anbieter im Markt, dann neigen sie zu Preissetzerverhalten. Dies gilt verstärkt, wenn die Rivalitätsneigung gering ist, wie man dies auf gesättigten Märkten mit reiferen Produkten häufiger beobachtet. In solchen Situationen schränkt die Marktstruktur das individuelle Wettbewerbsempfinden ein und begünstigt kooperatives Verhalten. Der Verzicht auf kompetitive Unternehmensstrategien äußert sich im Marktergebnis oftmals in statischen Marktanteilen, langen Produktzyklen und dauerhaft hohen Renditen. Oftmals ist bei der Beurteilung der Marktlage die vorher festgelegte Marktabgrenzung von entscheidender Bedeutung. Eine weite sachliche oder regionale Abgrenzung lässt zwar Marktbeherrschung durch einzelne Anbieter als wenig wahrscheinlich erscheinen. Dafür dürfte der betrachtete Markt heterogener werden, wenn enge Substitute oder Auslandsmärkte einbezogen werden. Zudem zeigen die aufgeführten Beispiele, dass Marktstruktur, Marktverhalten und Marktergebnis nicht voneinander unabhängig sind, sondern sich häufig bedingen. 22 LLaannggffrriissttiiggeess GGlleeiicchhggeewwiicchhtt uunndd EEiinnttrriittttssbbaarrrriieerreenn In der langen Frist verändern sich die Kapazitäten und die Zahl der im Markt befindlichen Unternehmen. Die etablierten Unternehmen können investieren oder Kapazitäten abbauen. Zudem sind Markteintritte zu erwarten, wenn sich die betreffenden Unternehmen dadurch Gewinne erhoffen. Umgekehrt ergeben sich bei dauerhaften Verlusten Marktaustritte. Auf diese Weise findet eine Selektion statt, bei der im Idealfall nur effiziente Unternehmen im Markt verbleiben. Um die Bedeutung von Markteintrittsbarrieren für das Marktverhalten und die Marktergebnisse darstellen zu können, wird das Modell des langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewichts dargestellt Dies macht Abbildung 55 deutlich. Links ist ein Marktdiagramm mit der Angebotskurve A und der Nachfragekurve N dargestellt. Es ergibt sich ein Gleichgewichtspreis p* mit der zugehörigen Menge x*. Alle Anbieter sind Preisnehmer. In der Mitte ist ein Anbieter dargestellt, der beim gegebenen Preis Gewinne <?page no="187"?> 188 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service macht er ist einer der intramarginalen Anbieter. Unter Anwendung der Gewinnmaximierungsregel bei vollkommener Konkurrenz (p = GK) ist x 1 * seine gewinnmaximale Menge. Für x 1 * sind die Grenzkosten größer als die Durchschnittskosten, so dass die schraffierte Fläche als (Knappheits-)Gewinn anfällt. Aufgrund eines Technologievorsprungs weist dieser Anbieter eine wesentlich günstigere Kostensituation als sein rechts dargestellter Konkurrent auf. Abbildung 55: Das langfristige Konkurrenzmarktgleichgewicht Der marginale Anbieter macht keinen Gewinn, wegen p* = GK = DK realisiert er seine Gewinnschwelle und kann gerade noch im Markt bleiben. Er ist der so genannte marginale Anbieter. Damit stellt sich die Frage nach den daraufhin zu erwartenden Marktentwicklungen. Die Tatsache, dass diese auch als Knappheitsgewinne (super-normal profits) anfallen, liegt schlicht daran, dass für viele Anbieter DK < GK gilt. Diese Anbieter operieren rechts von ihrem Stückkostenminimum, so dass überausgelastete Kapazitäten vorliegen. Die Gewinne regen die Etablierten zu Investitionen und Newcomer zu Markteintritten an. Kapazitätserweiterungen und Markteintritte sorgen dafür, dass auf dem Markt zu jedem beliebigen Preis eine größere Menge angeboten wird. In diesem Fall kippt die Angebotsfunktion nach unten, und der Marktpreis sinkt. Entsprechend verschieben sich die Preis-Absatz-Funktionen aller Anbieter nach unten. Ineffiziente Anbieter werden dadurch zum Marktaustritt gezwungen. Dieser Prozess setzt sich fort, bis sich alle Anbieter im Stückkostenminimum bei einem Marktpreis p' befinden. Ein langfristiges Gleichgewicht L ist demnach ein Zustand, in dem es weder Markteintritte noch Marktaustritte gibt in diesem Fall operieren alle Anbieter im Stückkostenminimum C. Im Branchengleichgewicht decken die Erlöse gerade die Kosten (einschließlich Kapitalverzinsung und Unternehmerlohn). Das Marktangebot verläuft wie in Abbildung 55 angedeutet horizontal. Das heißt auch, dass im langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewicht x p p * x * G N A x 1 * GK 1 DK 1 x 2 p p x 1 p' x' C GK 2 DK 2 x 2 * p * Markt intramarginaler Anbieter marginaler Anbieter L <?page no="188"?> 2 Langfristiges Gleichgewicht und Eintrittsbarrieren 189 http: / / www.uvk-lucius.de/ service keine Produzentenrente anfällt sie sind letztlich ein temporärer Anreiz für besonders innovative oder überdurchschnittlich effiziente Anbieter. Gewinnen und Verlusten kommen in der Marktwirtschaft also eine wichtige Steuerungsfunktion zu: sie sorgen dafür, dass langfristig nur die kostengünstigsten Unternehmen im Markt verbleiben, dass ineffiziente Anbieter ausscheiden und dass Unternehmen im Markt tendenziell zu den geringsten Stückkosten das heißt in der Gewinnschwelle anbieten. Die wesentliche Bedingung dafür und für den Abbau von Knappheitsgewinnen ist ein freier Marktzugang. Ist er nicht gewährleistet, dann wird diese Selektion gestört und überhöhte Preise ermöglicht. Märkte, auf denen etablierte Anbieter Markteintritte befürchten müssen, heißen angreifbare Märkte (contestable markets). Möglichst niedrige Markteintrittsbarrieren sind daher ein wesentliches Kriterium für einen funktionierenden Wettbewerb. Auch wenn diese Bedingung auf vielen Märkten gar nicht erfüllt werden kann, bestehen zweifellos enge Beziehungen zwischen den Markteintrittsbarrieren als Strukturkriterium und einigen Marktergebnissen wie der Preisentwicklung und dem Abbau von Knappheitsgewinnen. Die USA haben Anfang der 1980er Jahre begonnen, staatliche Marktzugangsbeschränkungen im Luftverkehr aufzuheben. Nach anfänglichen Turbulenzen führte dies zu beachtlichen Ergebnissen. Vor allem die Konsumenten profitierten vom verschärften Konkurrenzdruck. Zunächst traten neue Fluggesellschaften in den Markt ein. Anschließend setzte über die Preise ein Verdrängungswettbewerb ein, in dessen Verlauf viele Airlines den Markt verlassen mussten. Darunter befanden sich neben Newcomern auch Etablierte wie PanAm. Seit 1975 sind die Preise für Flugtickets um ein Drittel gesunken. Allerdings sank auch die Qualität der Transportleistungen. Aufgrund von Effizienzsteigerungen und einer verbesserten Auslastung der Flugzeuge sind die Gewinne der Branche schwächer als die Preise gesunken. Eintrittshemmnisse können institutionelle Ursachen haben oder politisch induziert werden. Ersteres trifft beispielsweise auf den Telekommunikationsmarkt zu. Die durch den Europäischen Binnenmarkt notwendig gewordene und schon damals überfällige Korrektur der staatlich garantierten Monopolstellung litt von Anfang an unter dem Mangel, dass die Telekom AG das Festnetz verwaltet und so Newcomer bis zu einem gewissen Grad behindern kann. Staatliche Markteintrittsbarrieren findet man überall, wo die Politik den Marktzugang reglementiert als Beispiele sind Taxi-Lizenzen, das mittlerweile weitgehend gefallene Meisterprivileg im Handwerk oder die Vergabe von Mobilfunkrechten zu nennen. Strukturelle und natürliche Eintrittsbarrieren haben im Allgemeinen ökonomische Ursachen. Etablierte Anbieter realisieren Massenproduk- <?page no="189"?> 190 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service tionsvorteile, greifen auf erfahrene Mitarbeiter zurück und haben meist einen günstigeren Zugang zu Beschaffungs- oder Finanzmärkten. Etablierte Anbieter haben also natürliche Kostenvorteile. Darüber hinaus können die im Markt befindlichen Unternehmen versuchen, den Eintritt für den potentiellen Wettbewerb zu erschweren. Gelingt dies, dann liegen strategische Eintrittsbarrieren vor. So schützen sich etablierte Anbieter auf dem Markt für Erfrischungsgetränke durch erhebliche Werbeetats vor Wettbewerbern. Wollen potentielle Konkurrenten eintreten, dann müssten sie einen ähnlichen Aufwand betreiben. Als ein großer Computerchip-Hersteller Anfang der Neunzigerjahre ankündigte, die Leistungsfähigkeit seiner Computerchips alle zwei Jahre zu verdoppeln, war dies wohl auch als Drohung an die Konkurrenz zu verstehen. Wer mithalten will, muss zwangsläufig einen hohen Forschungsetat einplanen. 33 AAnnppaassssuunnggssfflleexxiibbiilliittäätt iinn ddeerr kkuurrzzeenn uunndd iinn ddeerr llaannggeenn FFrriisstt Kurzfristige und langfristige Eigenschaften von Angebots- und Nachfragekurven unterscheiden sich systematisch. Wenn Zeit für Anpassungen an neue Rahmendaten zur Verfügung steht, reagieren die Akteure auf beiden Marktseiten flexibler als unter Druck. Vereinfachend kann man also sagen, dass die Angebots- und Nachfragekurven langfristig flacher verlaufen als kurzfristig. FFaallllssttuuddiiee 1111: : EErrnneeuutt ddiiee EEnneerrggiieesstteeuueerr! ! Kurzfristig und längerfristig abweichende Elastizitäten könnten auch in der Steuerwirkungsanalyse eine Rolle spielen. In Kapitel 5 wurde die Energiesteuer als Anwendung des Konkurrenzmarktmodells diskutiert. Nehmen Sie an, die Energienachfrage sei über die kurze Frist hinaus preiselastischer als zunächst angenommen. Stellen Sie die Einführung der Energiesteuer graphisch dar und zeigen Sie, wie sich Lenkungseffekte und Einnahmeneffekte in der kurzen und in der langen Frist unterscheiden könnten. Kritiker der Steuer bemängelten, dass die Querfinanzierung der Rentenkasse zusammenbricht, wenn die Nachfrager in einer längeren Frist fühlbar auf die Steuer reagieren. Welche Forderung an die Politik ergibt sich daraus für die Ausgestaltung der Energiesteuer? Zyklische Preis- und Mengenentwicklungen können sich auf manchen Märkten aus verzögerten Reaktionen auf Veränderungen der Rahmendaten ergeben. Sie sind primär eine Folge von Anpassungshemmnissen auch hier geht es Bezug nehmend auf Abbildung 54 darum, dass wiederum ein Strukturkriterium <?page no="190"?> 3 Anpassungsflexibilität in der kurzen und in der langen Frist 191 http: / / www.uvk-lucius.de/ service bestimmte Marktergebnisse bedingt. Das Spinnwebe-Modell erklärt derartige Zyklen für den Markt für Mastschweine die Modellimplikationen werden auch als Schweinezyklus bezeichnet. Abbildung 56: Der Schweinezyklus Im Spinnwebe-Modell treten Preiszyklen auf, wenn Anbieter langsam auf Datenänderungen reagieren und das Produkt eine Ausreifezeit braucht. Sind die Einstallentscheidungen für eine Periode getroffen, dann müssen die Schweine am Ende der Ausreifezeit buchstäblich zu jedem Preis verkauft werden. Einmal getroffene Angebotsentscheidungen lassen kurzfristig nicht revidieren kurzfristig gilt der Angebotsverlauf A 1 . Wenn die Nachfrage von N 0 auf N 1 fällt, dann stürzt der Preis aufgrund der Starrheiten von p 0 auf p 1 ab. Legen die Landwirte ihren Angebotsplanungen in der nächsten Periode den niedrigen Preis p 1 zugrunde und planen die Menge gemäß ihrer langfristigen Angebotskurve, dann ergibt sich kurzfristig der starre Angebotsverlauf A 2 . Für die entsprechende Menge sind die Nachfrager aber bereit, mit p 2 einen deutlich höheren Preis zu zahlen. Dies veranlasst die Anbieter, mit A 3 in der folgenden Periode wieder deutlich mehr Mastschweine einzustallen. Für diese Menge sind die Anbieter aber nur bereit, p 3 zu zahlen. Ausgehend vom ursprünglichen Gleichgewicht setzt sich ein dynamischer Anpassungsprozess fort Preise und Mengen p x A lf N 1 N 0 p 0 p 2 p 1 p 3 p p 0 p 2 p 1 p 3 Zeit x 0 x 3 x 2 Zeit x A 2 A 3 A 1 <?page no="191"?> 192 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service schwingen mit sinkender Amplitude um den neuen Gleichgewichtspunkt. Dies deuten rechts die im Zeitablauf darstellten Preis- und Mengenentwicklungen an. Aufgrund der kurzfristig jeweils starren Angebotskurve und der mit p erwt+1 = p t holzschnittartigen Preiserwartungshypothese spielt der Anpassungsprozess vom Ausgangsgleichgewicht ins neue Gleichgewicht plötzlich eine Rolle. Wenn eine preisunelastische Nachfrage unterstellt würde, wären sogar instabile Schwingungen denkbar. Allerdings gilt auch dies nur so lange, wie weiterhin angenommen wird, dass die Landwirte bei ihren Preiserwartungen nicht lernfähig sind. Der Schweinezyklus weist Parallelen zur Konjunkturtheorie auf in den meisten Modellen zur Erklärung von Zyklen der gesamtwirtschaftlichen Produktion gehen individuelle Erwartungen aus unterschiedlichen Gründen nicht auf. 44 TTeecchhnniisscchheerr FFoorrttsscchhrriitttt" IInnnnoovvaattiioonneenn uunndd nneeuuee MMäärrkkttee Bisher wurden Schnappschüsse von Märkten zu einem bestimmten Zeitpunkt untersucht. Marktstruktur und Marktverhalten bestimmen dann das Marktergebnis. Längerfristig wirken Marktergebnisse ihrerseits auf die Marktstruktur und das Marktverhalten u.a. dadurch, dass erfolgreiche Unternehmen schneller als andere wachsen. Diese Rückwirkungen sind in Abbildung 54 ebenfalls angedeutet. Wettbewerb vollzieht sich auf unterschiedlichen Ebenen. Unternehmen setzen verschiedene Instrumente, um sich gegenüber ihrer Konkurrenz durchzusetzen. Im Konkurrenzmarktmodell selbst wird der Wettbewerb um niedrige Preise und Kosten in den Vordergrund gerückt. Qualität, Service und ähnliche Leistungsparameter gehen als non-price competition ein, der auf manchen Märkten wichtiger als der Preiswettbewerb ist. In einer längeren Frist ist dagegen der Wettbewerb um neue Güter und neue Verfahren von herausragender Bedeutung. Der dynamische Wettbewerb ist ein Wettlauf um Produkt- oder Prozessinnovationen. Schumpeter, der diese Ideen Anfang des vergangenen Jahrhunderts bewusst gegen das bis dahin vorherrschende Konkurrenzmarktmodell gesetzt hat, brauchte für seine Theorie die Begriffe des vorstoßenden und des nachstoßenden Wettbewerbs. Dynamische Unternehmer streben danach, Erfindungen wirtschaftlich zu nutzen, indem sie marktfähige Produkte daraus ableiten. Dies sind Produktinnovationen der Begriff der Innovation kann sich auch auf die Durchsetzung neuer Produktionsverfahren oder neuer Organisationsprinzipien beziehen. Diese Pionier-Unternehmer werden durch die Hoffnung auf höhere Gewinne getrieben sind sie erfolgreich, dann werden sie am Markt höhere Preise erzielen oder durch Prozessinnovationen ihre Kosten senken. Der vorstoßende Wettbewerb realisiert also Vorsprungsgewinne. <?page no="192"?> 4 Technischer Fortschritt, Innovationen und neue Märkte 193 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Ist er erfolgreich, dann werden zugleich alte Produkte und Verfahren verdrängt. Schumpeter bezeichnet das als Prozess der schöpferischen Zerstörung. Erfolgreiche Innovationen ziehen Imitatoren an dieser nachstoßende Wettbewerb ist notwendig, um ein Produkt oder Verfahren schneller am Markt durchzusetzen. Außerdem werden die Vorsprungsgewinne der dynamischen Unternehmer dadurch abgeschmolzen. Dynamischer Wettbewerb besteht also aus einer Abfolge von Innovation und Imitation. Er ist damit Kern des wirtschaftlichen Wachstums. Anders als im Konkurrenzmarktmodell werden temporäre Monopolstellungen und Marktunvollkommenheiten nicht als Funktionsmängel, sondern als konstituierende Elemente des Dynamischen Wettbewerbs aufgefasst. Die Vorsprungsgewinne dienen als Anreiz, Forschung und Entwicklung als kostenträchtige Aktivität mit unsicherem Ausgang überhaupt zu betreiben. Nicht zuletzt aus diesem Grund sichern Patente und Lizenzen innovativen Unternehmen den pay-off für getätigte Forschungs- und Entwicklungsausgaben (F&E). Andererseits locken Vorsprungsgewinne imitierende Anbieter an. Notwendige Bedingung für die Diffusion von Neuerungen ist ein offener Marktzugang. Schließlich sollte die Zahl der Pionierunternehmer deutlich kleiner als die Anzahl der Imitatoren sein. Umstritten ist die daran anknüpfende Schumpeter-Hypothese, nach der technischer Fortschritt überwiegend von Großunternehmen ausgeht. Würde dies zutreffen, dann würde die Beurteilung von Anbietern mit Marktmacht weit günstiger ausfallen als in der Welt der vollkommenen Konkurrenz. Dafür sprechen zwar einzelne Fallbeispiele. Jedoch wurde eine Vielzahl von Innovationen von kleinen Unternehmen durchgesetzt, so dass die Hypothese nicht allgemein aufrechterhalten werden kann. Die Idee des Dynamischen Wettbewerbs hat auch die Beschreibung des Produktlebenszyklus inspiriert (Abbildung 57). In der Volkswirtschaftslehre wird dieses Modell genutzt, um alte von neuen Märkten zu unterscheiden und den Lebensphasen eines Produkts eine typische Absatzentwicklung (in schwarz auf der linken Hochachse) und mit der Zahl der Anbieter (in blau und auf der rechten Hochachse) eine typische Marktform zuzuordnen: Der Zyklus beginnt mit der Erschließung eines neuen Marktes. In der ersten Phase tritt das innovative Unternehmen als einziger Anbieter auf. Die Absatzmenge ist niedrig und das künftig zu erwartende Nachfragepotenzial unsicher. Einführungskosten erhöhen das Eintrittsrisiko. Erst in der Expansionsphase fallen beim einführenden Unternehmen Gewinne an. Absatzmenge und Nachfragepotenzial nehmen zu. Imitatoren beginnen hinzu zu treten, und die Marktform tendiert zum engen Oligopol. Größere Preisspielräume und die Fixkostendegression erlauben einen intensiven Preiswettbewerb. <?page no="193"?> 194 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service In der Reifephase beginnen die Absatzzuwächse zu sinken; die Gewinne sinken auf ein normales Maß. Dies verringert den Anreiz, in den Markt einzutreten die typische Marktstruktur ist als weites Oligopol zu kennzeichnen. Gegen Ende der Reifephase treten initiative Unternehmer aus diesem für sie zunehmend uninteressanten Markt aus. Die Preispolitik erstarrt; die übrigen Absatzinstrumente werden zur Sicherung von Marktanteilen eingesetzt. In der letzten Phase des Produktlebenszyklus stagniert der Absatz oder er sinkt sogar. Nunmehr zwingt der Kostendruck zunehmend Unternehmen zum Marktaustritt. Die Marktstruktur tendiert zum engen Oligopol. Dies schafft eine Bereitschaft zur Kooperation. Wenn überhaupt, dann werden Preisänderungen gemeinsam vorgenommen. Abbildung 57: Marktphasen Marktform und Marktverhalten können vom Alter des Produktes beeinflusst sein. Zur Erklärung oder gar Prognose taugt dieser Ansatz dagegen kaum. Wie bei den meisten Stufentheorien bleibt der Übergang von einer Stufe zur nächsten ungeklärt. Tatsächlich dauern die Phasen bei verschiedenen Produkten unterschiedlich lang. Darüber hinaus müssen Produkte nicht den gesamten Zyklus durchmachen zwischenzeitliche Folgeinnovationen und Sprünge in eine frühere Phase sind möglich. Absatzmenge Expansionsphase Reifephase Sättigungsbzw. Schrumpfungsphase Anbieterzahl viele wenige einer Zeit Einführungsphase <?page no="194"?> 4 Technischer Fortschritt, Innovationen und neue Märkte 195 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Dies zeigt das Beispiel des ehemals weitgehend gesättigten Fahrradmarktes, dessen Nachfragepotenzial sich während der letzten Jahre aufgrund eines Wandels zum Freizeitgerät erheblich ausweitete. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Mit dem Marktformenschema werden Marktstrukturen grob beschrieben. Beziehungen zu Marktverhalten und Marktergebnissen werden nicht hergestellt. Die Unvollkommenheit von Märkten bleibt unbeachtet. Das Marktformenschema ist deshalb nur ein erster Baustein zur Analyse von Märkten. Markteintrittsbarrieren, ein weiteres wichtiges Strukturkriterium, können den Wettbewerb durch potenzielle Newcomer einschränken und das Abschmelzen von Knappheitsgewinnen (super-normal profits) behindern. Möglichst niedrige Markteintrittsbarrieren sind daher eine wesentliche Voraussetzung für funktionsfähige Märkte. Angebot und Nachfrage sind kurzfristig starrer als langfristig in der kurzen Frist bestehen Anpassungshemmnisse. Das Spinnwebe- Modell verdeutlicht, dass Anpassungshemmnisse ein Grund für zyklische Schwankungen auf Märkten sein können. Der Dynamische Wettbewerb nach Schumpeter ist ein grundlegendes Modell zum Verständnis von Marktentwicklungen. Neue Produkte und Märkte sowie neue Prozesse und Organisationsformen werden eingeführt, alte Produkte und Prozesse werden verdrängt. Produkte machen einen Lebenszyklus durch, der durch unterschiedliche Wettbewerbssituationen in den einzelnen Lebensphasen des Produkts verbunden ist. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Marktabgrenzung ► Marktform ► Transaktionskosten ► heterogene Märkte ► Markteintrittsbarrieren ► Knappheitsgewinne (super-normal profits) ► angreifbare Märkte ► Schweinezyklus ► Dynamischer Wettbewerb ► Innovation ► Produkt-Lebenszyklus Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="195"?> 196 Kapitel 12: Märkte und Marktentwicklungen http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Beschreiben Sie die Strukturen folgender Märkte: Markt für festverzinsliche Wertpapiere, Rohstoffmärkte, Mobilfunkmarkt, Gebrauchtwagenmarkt im Internet, eBay. Welche Abweichungen zur vollkommenen Konkurrenz gibt es jeweils? [2] In einer Stadt gebe es 100 (vollständig gleichartige) Gaststätten, die ausschließlich Bier in 0,3 l Gläsern ausschenken. Jede dieser Kneipen habe identische u-förmige Durchschnittskosten. Die Nachfrage sinkt mit steigendem Preis. [a] Zeichnen Sie den Markt im langfristigen KMGG. Verdeutlichen Sie die Situation eines repräsentativen Anbieters graphisch. [b] In dieser Situation möchte die Stadtverwaltung die Zahl der Gaststätten reduzieren. Gedacht ist an 75 Lizenzen. Ändern sich dadurch die Bierpreise und der Absatz auf dem Markt insgesamt? Welche Änderung ergibt sich für einen Gastwirt mit Lizenz? [c] Was ist eine Lizenz wert? Wie würden Sie die Lizenzen unters Volk bringen? [3] Auf einem vollkommenen Konkurrenzmarkt bestehen freie Markteintrittsmöglichkeiten. Die kurzfristige Kostenfunktion eines jeden Anbieters sind K(x) = x 2 + 4. [a] Leiten Sie die langfristige Angebotsfunktion her. Welchen Preis müssten die Anbieter mindestens erzielen? [b] Die Marktnachfrage sei durch x(p) = 40 − 3p gegeben. Bestimmen Sie die Zahl der Anbieter und den Preis im langfristigen Marktgleichgewicht. [c] Wie ändern sich die Marktergebnisse, wenn alle Unternehmen der Branche zu einem kapitalintensiveren Verfahren mit der Kostenfunktion K(x) = 0,5x 2 + 8 übergehen? [4] Beschreiben Sie den Strommarkt in Deutschland anhand von insgesamt fünf Struktur-, Verhaltens- oder Ergebniskriterien. [5] Gegeben sei das folgende dynamische Marktmodell für Schweinefleisch: Angebot: x at = 40 + 20p t−1 Nachfrage: x nt = 250 − 15p t [a] Wo liegt das Gleichgewicht? (Tipp: Es muss p t = p t−1 gelten! ) [b] Durch eine Reihe von veterinärmedizinischen Zwischenfällen wird das Vertrauen der Kundschaft stark erschüttert. Anschließend sinkt die Nachfrage nach Schweinefleisch auf x nt = 250 − 32,5 · p t . Berechnen Sie das neue langfristige Gleichgewicht. <?page no="196"?> Wiederholungsfragen 197 http: / / www.uvk-lucius.de/ service [c] Welcher Anpassungsprozess ergibt sich, wenn die Angebotsmenge ausschließlich anhand des Preises der Vorperiode festgelegt wird? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="198"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1133: : MMaarrkkttmmaacchhtt uunndd PPrreeiissddiiffffeerreennzziieerruunngg Die vollkommene Konkurrenz ist ein Modell, anhand dessen sich die Funktionsweise von Märkten einfach darstellen lässt. Da viele Märkte deren restriktive Bedingungen aber nicht annähernd erfüllen, stellt sich die Frage, welche Änderungen der Marktergebnisse sich bei alternativen Marktstrukturen und abweichendem Marktverhalten ergeben. Anders als unter vollkommener Konkurrenz können Preise gesetzt werden, sofern in einem gewissen Umfang Marktmacht besteht. Dies ist im Allgemeinen gegeben, wenn die Marktanteile der einzelnen Anbieter nicht vernachlässigbar klein sind. Preiserhöhungen implizieren dann zwar sinkende Absatzmengen, aber nicht den Verlust der gesamten Absatzmenge. Preissetzerverhalten wird unabhängig von der betrachteten Marktstruktur für die in diesem Abschnitt dargestellten Fälle analysiert. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden kennen das Cournotsche Monopol. Ihnen ist Preissetzerverhalten geläufig. Sie können die Marktergebnisse im Monopol berechnen. Sie können erklären, was unter der Monopolrente zu verstehen ist und welche Effizienzverluste durch das Preissetzerverhalten entstehen können. Die Studierenden sind mit den verschiedenen Formen der Preisdifferenzierung vertraut und können die Amoroso-Robinson-Relation zur Preissetzung auf segmentierten Märkten anwenden. Sie wissen, dass auf heterogenen Märkten das law of one price nicht mehr gilt. Sie können Präferenzbindung bzw. Kundenbindung im Gutenberg-Modell erklären. Ferner können die Studierenden begründen, warum Produktdifferenzierung und Markenartikel meist weniger kritisch als das Monopol beurteilt werden. Sie können erklären, was unter einem natürlichen Monopol zu verstehen ist, welche Probleme dabei auftreten können und welche Vorkehrungen die Wirtschaftspolitik treffen sollte, auch in diesen Märkten möglichst gute Ergebnisse zu ermöglichen. <?page no="199"?> 200 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 DDaass CCoouurrnnoottsscchhee MMoonnooppooll Im Gegensatz zum Polypolisten bedient der Monopolist als einziger Anbieter eine Vielzahl von Nachfragern. Oftmals wird das Argument geäußert, dass es Monopole in Reinform gar nicht gibt. Selbst auf dem Markt für PC-Betriebssysteme gäbe es durchaus Alternativen zum Marktführer. Zum einen ist dieser Einwand hier irrelevant, weil es sich bei der monopolistischen Preisbildung natürlich ebenfalls um ein Modell handelt. Ohne Zweifel kann das Verhalten marktbeherrschender Unternehmen von den Voraussagen des Cournot-Modells abweichen fraglich wäre im Einzelfall, wie groß diese Abweichungen letztlich sind. Zum anderen ist es wiederum eine Frage der Marktabgrenzung. Je enger sie gewählt wird, desto näher kommt man im Allgemeinen dem Monopol. Während beispielsweise nur die Rolling Stones ihren authentischen Sound anbieten, ist der Konzertmarkt insgesamt natürlich heterogener. Dasselbe gilt für Fußballspiele im Allgemeinen und unseren jeweiligen Lieblingsverein im Besonderen. Je nachdem, welche Fragestellung man analysiert, wird man den Markt weiter oder enger abgrenzen. Sonstige Marktunvollkommenheiten sind per Annahme ausgeschlossen im Vergleich zum Modell der vollkommenen Konkurrenz wird hier zunächst nur die Annahme vieler Anbieter mit kleinen Marktanteilen aufgegeben. Unter diesen Bedingungen ergibt sich das Marktverhalten aus der Marktstruktur: Der Monopolist wählt eine Preis-/ Mengen-Kombination auf der Marktnachfragekurve er handelt als Preissetzer. Bei Rationalverhalten wird er sein Gewinnmaximum auswählen. Die gewinnmaximale Menge ist erreicht, wenn die Erlöse der letzten abgesetzten Gütereinheit den bei ihrer Produktion anfallenden zusätzlichen Kosten entspricht die Bedingung GE = GK wurde in Kapitel 11 als Kern der Güterangebotsentscheidung eingeführt. Für die Nachfragekurve x = f(p) ergibt sich die Preis-Absatz-Funktion (PAF): Die Erlösfunktion folgt durch Multiplikation mit der Absatzmenge als: J Für die Grenzerlöse gilt nach der Produktregel: CJ J <?page no="200"?> 1 Das Cournotsche Monopol 201 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 58: Preissetzerverhalten im Monopol Im Polypol entsprachen die Grenzerlöse dem Preis. Aufgrund der Marktmacht kommt hier ein zweiter Ausdruck hinzu: Wegen der negativen Steigung der PAF liegt der zu jeder Absatzmenge gehörende Preis oberhalb der Grenzerlöse (p > GE). Jede Ausweitung des Absatzes muss mit einem Preisrückgang erkauft werden die Grenzerlöse sinken. Abbildung 58 stellt die monopolistische Preissetzung im Falle einer linearen PAF und für konstante Grenzkosten dar. Handelt es sich bei der PAF um eine Gerade p = a−bx, dann sind die Erlöse als Parabel E = ax−bx 2 darstellbar. Die Grenzerlöse verlaufen dann gemäß GE = a−2bx ebenfalls linear. Im Vergleich zur PAF weisen sie den gleichen Ordinatenschnittpunkt auf und verlaufen mit doppelter Steigung. Die gewinnmaximale Menge x c liegt im Schnittpunkt von Grenzerlösen und Grenzkosten. Diese gewinnmaximale Menge wird der Monopolist in die Preis- Absatz-Funktion einsetzen, um den gewinnmaximalen Preis zu bestimmen. Der Preis p c und die Menge x c beschreiben das Cournotsche Monopol C, benannt nach dem französischen Ökonomen Augustin Cournot, der als Erster Monopol- und Oligopolmärkte mit Hilfe eines formalen Instrumentariums analysierte. Ökonomen mögen keine Monopole. Abbildung 59 stellt die Ursachen dafür dar, indem die Lösungen im Monopol und im Polypol verglichen werden. Entspricht die Kostensituation des Monopolisten derjenigen aller Polypolanbieter zusam- GK GE PAF p x x c p c C <?page no="201"?> 202 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service men, dann entspricht das Branchenangebot A den Grenzkosten des Monopolisten. Ferner ist in der Graphik unterstellt, dass die Marktnachfrage N und die Preis-Absatz-Funktion PAF des Monopolisten identisch sind. Für Nachfrage und Angebot werden jeweils normale Preisabhängigkeiten angenommen. In einem vollkommenen Konkurrenzmarkt würde sich aufgrund der Preisbildungsregel p = GK das Gleichgewicht G ergeben. Der Preis wäre p k und die abgesetzte Menge x k . Aufgrund der Marktmacht gilt im Monopol dagegen die Preisbildungsregel GE = GK. Der zur Cournot-Menge x c gehörige Preis ist p c . Der Monopolist realisiert also den Punkt C und kann unter sonst gleichen Bedingungen höhere Preise (p c > p k ) bei einer geringeren Marktversorgung (x c < x k ) verlangen. Abbildung 59: Marktergebnisse im Monopol und im Polypol Im Kapitel 4 wurde für den vollkommenen Konkurrenzmarkt im Rahmen der Wohlfahrtsanalyse die Konsumentenrente und die Produzentenrente eingeführt. Dabei wurde zweierlei herausgestellt: Die im Konkurrenzmarktgleichgewicht hergestellte und abgesetzte Menge x k ist effizient, weil die Interessen von Anbietern und Nachfragern genau abgestimmt werden. Die Grenzzahlungsbereitschaft des marginalen Nachfragers im Punkt G entspricht den Grenzkosten des marginalen Anbieters in eben diesem Punkt. p x GE p c G x c C PAF A GK N x k p k <?page no="202"?> 1 Das Cournotsche Monopol 203 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Unter den skizzierten Bedingungen profitieren alle anderen Akteure auf dem Konkurrenzmarkt, weil deren Grenzzahlungsbereitschaften größer sind als der Marktpreis p k (Konsumentenrente) oder deren Grenzkosten niedriger als p k sind (Produzentenrente). Die Summe aus Konsumentenrente und Produzentenrente als Fläche unterhalb der Nachfragekurve und oberhalb der Angebotskurve jeweils bis zur Menge x k ist im Konkurrenzmarktgleichgewicht maximal. Im Vergleich dazu schneidet der Monopolist die Fläche aus der Konsumentenrente heraus. Aufgrund der künstlichen Verknappung der Menge von x k auf x c eignet sich der Monopolist allerdings nicht diese gesamte Fläche an. Im Vergleich zum Konkurrenzmarktgleichgewicht profitiert er lediglich in Höhe des blau unterlegten Rechtecks. Das grau unterlegte Dreieck ist dagegen ein Wohlfahrtsverlust. Aufgrund des höheren Preises kommen hier einige Konsumenten nicht mehr zum Zuge, obwohl dies unter Konkurrenzmarktbedingungen der Fall wäre (Tauschineffizienz). Ähnliches passiert auf der Angebotskurve zwischen dem Schnittpunkt GE = GK und dem Punkt G: hier fallen im Monopol Produktionsmengen weg, die angesichts des Angebotsverlaufes unter Konkurrenzbedingungen zustande kämen (Produktionsineffizienz). Auch hier entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Damit sind die Verteilungswirkungen im Cournot-Monopol im Vergleich zum Konkurrenzmarkt beschrieben: Die Angebotsseite gewinnt mit dem blau unterlegten Rechteck die Monopolrente, muss aber auf das untere Dreieck die Produktionsineffizienz verzichten. Die Nachfrageseite verliert die Monopolrente und leidet zudem unter der Tauschineffizienz. Damit verliert die Volkswirtschaft insgesamt die beiden grau unterlegten Dreiecke Marktmacht führt zu Wohlfahrtsverlusten. Allerdings sind die beschriebenen Effekte möglicherweise nicht so extrem wie sie oben dargestellt wurden. Der direkte Vergleich zwischen Monopol und Polypol hinkt, wenn identische Kostensituationen einer Branche einerseits und des Monopolisten andererseits nicht unterstellt werden können. Tatsächlich werden Unternehmenszusammenschlüsse häufig mit zu erschließenden Kostensenkungspotenzialen begründet. Kann also erwartet werden, dass ein marktmächtiges Unternehmen kostengünstiger produzieren kann als eine Vielzahl von Konkurrenzunternehmen, dann kann die Deckungsgleichheit des Branchenangebots und der Grenzkosten des Monopolisten nicht mehr sinnvoll angenommen werden. Liegen also Grenzkosten des Monopolisten GK rechts bzw. unterhalb des Branchenangebots A, dann liegt das Gewinnmaximum auf der Nachfragekurve unterhalb von C. Somit würde sich die Benachteiligung der Nachfrager tendenziell abschwächen. <?page no="203"?> 204 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service FFaallllssttuuddiiee 1122: : CChheecckklliissttee zzuurr MMoonnooppoollpprreeiissbbiilldduunngg Bei der Berechnung der Cournot-Lösung kommt es in Prüfungen immer wieder zu Problemen. Aus diesem Grund wird der Rechenweg nachfolgend anhand eines Beispiels in Form einer Checkliste verdeutlicht. Sämtliche der folgenden Daten sind fiktiv, unterschiedliche Modelltypen und Ausstattungsmerkmale sollen nachfolgend keine Rolle spielen. Ein Automobilkonzern hat eine Kostenfunktion K(x) = 18.000 + 8x + 0,001x 2 (in Mio. ). Typischerweise dominieren die Fixkosten für Entwicklung, Kapitalstock und Mitarbeiter, während die variablen Stückkosten eine untergeordnete Rolle spielen. Die Nachfrage (in Tsd. Stück) schätzt das Management auf x = 2.500 − 50p. Wie viele Pkw sollte das Unternehmen zu welchem Preis verkaufen? 1. Schritt: Liegt eine PAF vor? Hier liegt eine Nachfragegerade vor. Aus x = 2.500 − 50p folgt die PAF als p = 2500/ 50 − x/ 50 = 50 − 0,02 x. 2. Schritt: Berechnung von GE und GK Die Erlöse sind dann E = px = 50x − 0,02x 2 und die Grenzerlöse ergeben sich als GE = 50 − 0,04x. Die Grenzkosten sind die erste Ableitung der Kosten, also GK = 8 + 0,002x. 3. Schritt: Berechnung der gewinnmaximalen Menge Aus GE = 50 − 0,04x = 8 + 0,002x = GK folgt für die Cournot-Menge 42 = 0,042x oder x c = 1.000. 4. Schritt: Ermitteln des Cournot-Preises durch Einsetzen in die PAF Aus p = 50 − 0,02x c ergibt sich p c = 30. Der Konzern sollte 1 Mio. Stück zum Preis von 30.000 verkaufen. Er erlöst dabei 30 Mrd. , so dass unter der Berücksichtigung der Kosten von 27 Mrd. als Gewinn 3 Mrd. verbleiben. Dies scheint eine komfortable Position zu sein. Verdeutlichen Sie sich anhand einer Tabellenkalkulation, aus welchem Grund der Konzern dennoch erhebliche Probleme bekommt, wenn die Nachfrage kurzfristig einbricht. Außerdem hängt die Macht des Monopolisten in hohem Maße von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Nimmt man als Ausgangspunkt die obige Berechnungsvorschrift für die Grenzerlöse, dann führt folgender Rechenschritt zur Amoroso-Robinson-Relation: CJ O1 P 1 1 Diese Beziehung beschreibt den Zusammenhang zwischen Grenzerlös, Preis und Preiselastizität der Nachfrage e. <?page no="204"?> 2 Preisdifferenzierung 205 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Je preisunelastischer die Nachfrage, desto stärker übertrifft der Preis den Grenzerlös. Ist die Nachfrage relativ dringlich, dann reagieren die Konsumenten auf eine Preisanhebung mit einem geringen Mengenrückgang. Der Monopolist kann seine Marktmacht ausspielen, so dass der Preis deutlich über Grenzerlös und Grenzkosten liegt. Im Falle einer unendlich elastischen Nachfrage (e = − ) gilt dagegen wieder GE = p. Die PAF verläuft horizontal, und die Marktergebnisse im Polypol und Monopol unterscheiden sich nicht. Ist das betrachtete Gut sehr leicht gegen andere austauschbar, dann hat der Monopolist keine Marktmacht. Neben einer hinreichend preisunelastischen Nachfrage muss eine weitere Voraussetzung erfüllt sein, damit das skizzierte Marktverhalten über die kurze Frist hinaus maximale Gewinne sichert. Das Setzen von Cournot-Preisen ist nur rational, wenn hohe Markteintrittsbarrieren vorliegen. Sind Monopolstellungen angreifbar, werden zur Abwehr der potentiellen Konkurrenz größere Mengen als im Cournot-Punkt zu niedrigeren Preisen angeboten es wird ein Punkt zwischen C und G gewählt. Bei der Beurteilung der Wettbewerbssituationen auf vielen Märkten wird häufig beklagt, dass die Unternehmen immer größere Marktanteile bedienen. Die tatsächlichen Wirkungen einer zunehmenden Unternehmenskonzentration sind aber schwer zu beurteilen. Letztlich stellt sich aus wettbewerbspolitischer Sicht die Frage, ob sich die Marktergebnisse im Falle marktmächtiger Unternehmen deutlich von denen bei Konkurrenz unterscheiden. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn die Kosteneinsparpotenziale marktmächtiger Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenzsituation vernachlässigbar sind; die Nachfrager dem Monopolisten aufgrund einer dringlichen Nachfrage schwer ausweichen können und wenn vielleicht am bedeutsamsten hohe Markteintrittsbarrieren dafür sorgen, dass Märkte nur schwer angreifbar sind, so dass potentielle Wettbewerber längerfristig kaum für eine Normalisierung der Gewinnsituation sorgen können. 22 PPrreeiissddiiffffeerreennzziieerruunngg Bisher wurde angenommen, dass marktmächtige Unternehmen nur auf einem Markt tätig sind. Unternehmen können ihren Gewinn in der Regel aber steigern, wenn es ihnen gelingt, Teilmärkte zu segmentieren. Gelingt dies, dann können <?page no="205"?> 206 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service sie für die gleichen Produkte auf den unterschiedlichen Märkten verschiedene Preise fordern, die sich nach den jeweils vorliegenden (Grenz-) Zahlungsbereitschaften richten. Die zusätzlichen Gewinne entstehen einfach dadurch, dass Teile der Konsumentenrente abgeschöpft werden. Die Preispolitik der Fluggesellschaften begann mit der Differenzierung in Business und Economy. Daraus haben sich komplexe Tarifsysteme entwickelt, deren einziges Ziel es ist, die Gewinne der Carrier zu steigern. Ebenfalls der Abschöpfung von Konsumentenrenten dient draußen nur Kännchen. Durch diese Segmentierung schöpfen Cafébetreiber bei gutem Wetter die höhere Zahlungsbereitschaft an frischer Luft ab. Zeitliche Preisdifferenzierung liegt vor, wenn ein Elektronikkonzern für ein neues Speichermedium zunächst hohe Preise fordert, um die Zahlungsbereitschaft von Technikfreaks abzuschöpfen. Perfekte Preisdifferenzierung führt zu einer vollständigen Abschöpfung der Konsumentenrente. Dies beantwortet die Frage, warum uns Immobilienhändler und Autoverkäufer meist auf Anhieb unsympathisch sind sie sind in der Lage, individuelle Zahlungsbereitschaften von Kaufinteressenten relativ genau einzuschätzen und Preise entsprechend zu setzen. Veranschaulichen wir diese Fälle mit Hilfe einer graphischen Analyse unter der Annahme konstanter Grenzkosten. Ist das marktmächtige Unternehmen in der Lage, individuelle Zahlungsbereitschaften einzuschätzen und die Preise entsprechend zu setzen, dann liegt perfekte Preisdifferenzierung oder Preisdifferenzierung ersten Grades vor. Die obige Graphik zeigt, dass dann eine vollkommene Abschöpfung der Konsumentenrente denkbar ist. Dagegen geht bei Tarifsystemen oder Mengenrabatten die Initiative vom Nachfrager aus. Das marktmächtige Unternehmen gibt eine Reihe unterschiedlicher Preise quasi als Schubladen vor, weil es die Zahlungsbereitschaften nicht hinreichend unterscheiden kann, wohl aber die Kunden. Bei dieser Preisdifferenzierung zweiten Grades springt der Kunde in diejenige Schublade, die seinen Bedürfnissen am nächsten kommt man spricht daher von selbstselektiver Preisdifferenzierung. Im Ergebnis werden durch das Tarifsystem Teile der Konsumentenrente abgeschöpft. Die rechte Seite der Abbildung 60 zeigt dies anhand eines Rabattsystems die grau unterlegten Bereiche stellen die durch die unterschiedlichen Preise abgeschöpften Konsumentenrenten dar. <?page no="206"?> 2 Preisdifferenzierung 207 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 60: Preisdifferenzierung ersten und zweiten Grades Tarifsysteme sollten allerdings möglichst transparent sein. Die Deutsche Bahn AG hatte beispielsweise in der Vergangenheit mehrfach Probleme, ihren Kunden unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt zu erklären. In Einzelfällen waren nicht einmal Mitarbeiter des Konzerns in der Lage, die Untiefen dieser Systeme zu umschiffen und den Kunden den individuell günstigsten Tarif zu verkaufen. Dies sorgte bei den Kunden verständlicherweise für Unzufriedenheit. Preisdifferenzierung erster und zweiter Ordnung gehen ineinander über, wenn beispielsweise Restaurants Preismodelle des Typs pay what you want einführen. Experimente zeigen, dass auch dies meist zu höheren Gewinnen als einheitliche Preise führt. Hätte man es allerdings bei den Gästen überwiegend mit rational handelnden Wirtschaftssubjekten zu tun, dann könnte dies nicht funktionieren. Der homo oeconomicus würde bekanntermaßen so wenig wie möglich zahlen wollen. Preisdifferenzierung dritten Grades bezeichnet die Marktsegmentierung. Räumliche Preisdifferenzierung liegt vor, wenn auf regionalen Märkten unterschiedliche Preise für das gleiche Produkt durchgesetzt werden. Die Marktsegmentierung erfordert eine weitgehende Abschottung der einzelnen Märkte. Fassen die Konsumenten das betrachtete Gut als homogen auf, dann ist ein Anreiz für Arbitrage gegeben: rationale Akteure werden Güter auf dem billigen Teilmarkt einkaufen und auf dem teuren Teilmarkt verkaufen. p x p x GK PAF PAF P 1 P 2 P 3 GK <?page no="207"?> 208 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service Pkw-Hersteller stehen bisweilen unter Verdacht, dies im Europäischen Binnenmarkt auszuhebeln. Bestimmte Modelle sind in Deutschland erheblich teurer als im benachbarten Ausland. Durch so genannte graue Importe aus dem Binnenmarkt werden die inländischen Händler unter Druck gesetzt. Die Segmentierung wird unterlaufen, weil dadurch Fahrzeuge im Ausland tendenziell teurer und im Inland billiger werden Arbitrage sorgt für den Ausgleich der Preise auf den Teilmärkten. Das Prinzip der Marktsegmentierung lässt sich am einfachsten anhand eines auf zwei Teilmärkten tätigen Monopolisten erläutern (Abbildung 61). Liegen auf den Teilmärkten unterschiedliche Preiselastizitäten vor, dann ist ein Gewinnmaximum erreicht, wenn GE 1 = GE 2 = GK oder gemäß der Amoroso-Robinson-Relation Q $ O1 1 P Q & O1 1 P C gilt. Ist die Preiselastizität der Nachfrage e 1 auf dem ersten Teilmarkt dem Betrag nach größer als e 2 auf dem zweiten, dann liegt die optimale Preisforderung p c1 auf Teilmarkt 1 unter p c2 , dem Preis auf dem zweiten Markt. In der Abbildung steigt zwar die Konsumentenrente auf dem ersten Teilmarkt, der Verlust an Konsumentenrente auf dem zweiten Teilmarkt ist aber größer. Im Vergleich zur Lösung ohne Segmentierung sinkt die Konsumentenrente also nochmals. Bei konstanten Grenzkosten ist dies gleichbedeutend mit höheren Gewinnen. Abbildung 61: Preisdifferenzierung dritten Grades p Teilmarkt 1 Teilmarkt 2 x 2 x 1 GE 1 GE 2 GK PAF 1 PAF 2 x c2 p c2 x c1 p c1 <?page no="208"?> 3 Die Preis-Absatz-Funktion nach Gutenberg 209 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 33 DDiiee PPrreeiiss--AAbbssaattzz--FFuunnkkttiioonn nnaacchh GGuutteennbbeerrgg Eine schwächere Form von Marktmacht besteht bei Markenartikeln. Das Modell nach Gutenberg geht von einer zweifach geknickten Preis-Absatz- Funktion aus. Innerhalb gewisser Grenzen kann ein Anbieter demnach Kunden an sich binden und wie ein Monopolist Preise setzen. Mit steigendem Preis verlieren die Präferenzbindungen an Bedeutung. Abbildung 62 zeigt den Verlauf einer solchen PAF mit den Knickpunkten A und B. Für Preise oberhalb von p o verliert der Anbieter seine gesamte Absatzmenge. Ab dem Preis p u spielen Präferenzbindungen ebenfalls keine Rolle mehr. Zur unteren Preisgrenze kann der Anbieter beliebig viele no name-Produkte verkaufen. Zwischen den Preisen p o und p u liegt der monopolistische Bereich. Die gewinnmaximale Menge x c ergibt sich durch Gleichsetzen von Grenzerlösen und Grenzkosten. Auf der PAF entspricht dies einer Preisforderung p c . Durch die Präferenzbindung wird ebenfalls ein Teil der Konsumentenrente abgeschöpft. Für einzelne Anbieter ist es deshalb attraktiv, ihre Marke von Konkurrenzprodukten abzusetzen. Anders als im Cournot-Monopol ist das selbst aus Sicht der Nachfrager positiv zu beurteilen. Ein gewisser Grad an Heterogenität ermöglicht es, differenzierte Kundenwünsche besser zu decken die Auswahl ist schlicht größer. Außerdem wird die Macht der Marke begrenzt sein, sofern es möglich ist, auf enge Substitute auszuweichen. Abbildung 62: Die zweifach geknickten Preis Absatz-Funktion x c p c p x GK p o p u PAF GE A C B <?page no="209"?> 210 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service Je stärker die Präferenzbindungen ausfallen, desto weniger reagieren die Konsumenten auf Preissteigerungen. Bei sehr steilen Abschnitten der PAF fallen Preis und Grenzkosten weit auseinander in diesem Fall werden die Gewinne am größten sein. Der Anbieter auf heterogenen Märkten ist deshalb gehalten, den monopolistischen Bereich möglichst groß zu gestalten und sein Produkt unter Berücksichtigung der dabei entstehenden Grenzkosten von Konkurrenzprodukten abzuheben. Marktmacht lässt sich durch die Preiselastizität der Nachfrage messen. Marktforschungsergebnisse einzelner Unternehmen werden meist nicht veröffentlicht. Studien auf Basis simulierter Einkäufe ergaben bei schwach heterogenen Markenartikeln Elastizitäten zwischen −10 und −5. In diesem Wertebereich lohnt sich eine eigenständige Preispolitik kaum. Erst wenn sich ein Produkt deutlich von Konkurrenzprodukten unterscheidet, ergeben sich monopolistische Spielräume. Die zweifach geknickte Preis-Absatz-Funktion hat einen überwiegend beschreibenden Charakter. Als Erklärungsmodell versagt sie, weil die Lage der Grenzpreise und die Steigung der Preis-Absatz-Funktion im monopolistischen Bereich kaum allgemeingültig festgelegt werden können. Eine Analyse des Gesamtmarktes fehlt. Der Verdienst dieses Ansatzes ist es, die Preispolitik in einen Kontext mit anderen absatzpolitischen Maßnahmen zu setzen. Die Möglichkeit zusätzlicher Gewinne schafft einen Anreiz zur Produktdifferenzierung. Durch nonprice competition ist der einzelne Anbieter versucht, seinen monopolistischen Bereich möglichst weit auszudehnen. Gerade Kundenbindungsstrategien spielen im Marketing eine herausragende Rolle. Dabei können Analysen zur Kundenzufriedenheit einen ersten Anstoß gehen. Die Bindung wird durch Kundenclubs oder Payback-Systeme intensiviert. In manchen Branchen geht es sogar um die Individualisierung von Kundenbeziehungen auf elektronischen Märkten Stichwort dabei ist know your customer. Unterstützt durch immer günstiger werdende Speicherkapazitäten sammeln einige Unternehmen in einem Umfang Daten über ihre Kunden, der Verbraucherzentralen und Datenschützern berechtigte Sorgen macht. <?page no="210"?> 4 Das natürliche Monopol 211 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 44 DDaass nnaattüürrlliicchhee MMoonnooppooll Bei der Analyse der Rolle des Staates in der Marktwirtschaft in Kapitel 6 wurde das natürliche Monopol unter dem Stichwort Marktversagen angesprochen. Die Analyse wird hier nachgeholt. Natürliche Monopole können u.a. vermutet werden, wenn an bestimmte Netzinfrastrukturen gebundene Leistungen erbracht werden. Die Stromversorger verfügen beispielsweise über ein Leitungsnetz, dessen Erhalt und Ausbau einerseits hohe Fixkosten mit sich bringt und das andererseits das Vorhalten eines zweiten Netzes durch konkurrierende Anbieter ökonomisch unsinnig erscheinen lässt. Ähnliches gilt für Netze im Schienenverkehr oder für Kommunikationsnetze. Vereinfacht ausgedrückt tritt ein natürliches Monopol auf, wenn ein Markt am kostengünstigsten durch einen einzigen Anbieter versorgt werden kann. Dies ist gegeben, wenn Unteilbarkeiten und hohe Fixkosten für sinkende Durchschnittskosten im relevanten Bereich der Nachfrage sorgen. Dies ist in Abbildung 63 dargestellt: die Nachfrage schneidet die Grenzkosten bei einer Menge, bei der die Durchschnittskosten noch fallen. Die mindestoptimale Betriebsgröße übertrifft in dem abgebildeten Extremfall sogar das Marktvolumen. Von dieser Konstellation ausgehend sind gleich mehrere Marktergebnisse denkbar: Die Cournot-Lösung C ist wegen zu hoher Preise und einer geringen Marktversorgung kaum in Erwägung zu ziehen. Das gilt auch, wenn die entstehende Monopolrente über Steuern abgeschöpft oder durch eine Gewinnabführungspflicht an den Staat abgeführt wird, wie das beispielsweise bei Stadtwerken manchmal der Fall ist. Die Kostendeckung im Punkt B ist letztlich eine Regulierungslösung, bei der der Preis in Höhe der Durchschnittskosten gesetzt wird (p = DK). Dies erfordert eine staatliche Stelle, beispielsweise eine Regulierungsbehörde, die Preise genehmigt. Man kann erkennen, dass die Marktversorgung in B zwar deutlich besser ist als die Cournot-Lösung. Leider ist die Kostendeckung unpraktikabel. Der Monopolist unterliegt dort keiner wirksamen Effizienz- und Kostenkontrolle. Beim Punkt A handelt es sich wegen p = GK um eine simulierte Konkurrenzlösung. Aus Sicht der Nachfrager ist es die eindeutig beste Lösung, weil sie im Vergleich zu den beiden anderen Punkten auf der Preis-Absatz- Funktion mit der größten Menge zum geringsten Preis versorgt werden. Im Punkt A liegt der Preis p 3 allerdings unter den Durchschnittkosten. Entsprechend entsteht durch eine solche Lösung ein Verlust, der in der Abbildung durch das graue Rechteck angedeutet ist. <?page no="211"?> 212 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 63: Das natürliche Monopol Ein privates Unternehmen wird nicht bereit sein, gemäß dem Punkt A anzubieten es sei denn, der Staat garantiert eine Verlustübernahme. Eine Alternative zu dieser Lösung wäre wiederum, dass der Staat als Unternehmer auftritt und das Gut produziert. Dies würde aber bedeuten, dass eine Lösung A längerfristig in Lösung B übergeht, weil der politische Wille zur Unterstützung defizitärer Staatsunternehmen erfahrungsgemäß begrenzt ist. Und Lösung B mutiert wie oben schon angedeutet zu einer konkurrenzfreien Oase ohne Effizienzdruck. Was also tun? Zum einen bezieht sich das natürliche Monopol selten auf ein gesamtes Unternehmen. Ein Stromversorger kann sehr wohl unter Konkurrenzbedingungen Strom erzeugen. Lediglich die Verteilung über das Netz bringt vermutlich die oben skizzierten Effekte mit sich. Bei der Privatisierung der ehemals staatseigenen Telekom AG hat man sich aus Gründen höherer Verkaufserlöse dazu entschieden, das Leitungsnetz gemeinsam mit allen anderen Unternehmensteilen zu verkaufen. Bei der Privatisierung der Bahn scheint sich diese für den künftigen Wettbewerb im Schienenverkehr fatale Weichenstellung zu wiederholen. Aus marktwirtschaftlicher Sicht scheint es dagegen am vernünftigsten zu sein, die Unternehmensteile, die tatsächlich als natürliches Monopol gelten können, entweder gesondert zu privatisieren oder schlicht in Staatshand zu belassen. DK GK C K GE PAF A B p 1 p 2 p 3 p x <?page no="212"?> Wiederholungsfragen 213 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Beim Strom und bei der Telekommunikation wäre das aber sicherlich nicht das gesamte Netz, sondern allenfalls die berühmte letzte Meile vom Verteilerkasten zu den Haushalten. ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Monopolistische Preissetzungsmacht ist nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall zu beurteilen. Die Marktergebnisse werden vor allem dann deutlich von denen unter Konkurrenzbedingungen abweichen, wenn die Kostenvorteile marktmächtiger Unternehmen im Vergleich zur Konkurrenzsituation vernachlässigbar sind, wenn die Konsumenten dem Monopolisten aufgrund einer dringlichen Nachfrage schwer ausweichen können oder wenn Markteintrittsbarrieren potenzielle Konkurrenten ausschließen. Die verschiedenen Formen der Preisdifferenzierung erfordern neben der Marktmacht eine gute Marktkenntnis (know your customer) und die Segmentierbarkeit von Teilmärkten. Können marktmächtige Unternehmen identische Produkte zu verschiedenen Preisen verkaufen, dann eignen sie sich wie ein Monopolist weitere Teile der Konsumentenrente als Gewinn an. Auf heterogenen Märkten gilt: ein gewisser Grad an Produktdifferenzierung sprich mehr Auswahl stellt die Konsumenten besser als der klassische Konkurrenzmarkt. Die Unternehmen können durch Marken kurzfristig ihre Gewinne steigern. Langfristig sollten diese Vorsprungsgewinne aber abschmelzen. Damit steht die monopolistische Konkurrenz nicht nur begrifflich, sondern auch bezüglich der ökonomischen Beurteilung zwischen Monopol und Konkurrenz. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Preis-Absatz-Funktion ► Cournot-Punkt ► Verteilungswirkungen im Monopol ► Amoroso-Robinson-Relation ► selbstselektive Preisdifferenzierung ► Arbitrage ► monopolistische Konkurrenz ► Präferenzbindungen ► natürliches Monopol Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="213"?> 214 Kapitel 13: Marktmacht und Preisdifferenzierung http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Ein Monopolist sieht sich der Nachfrage x(p) = 2.000 − 100p gegenüber. Die Fixkosten betragen 1.000 , die Grenzkosten 4 . [a] Berechnen Sie die gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination und den Gewinn. [b] Welchen Vorteil hat der Monopolist gegenüber dem Polypolisten und dem Oligopolisten? [c] Welche Beziehung besteht zwischen Markteintrittsbarrieren und Marktmacht? [d] Welche Rolle spielt hier die Preiselastizität der Nachfrage? Erklären Sie dies mit Hilfe der Amoroso-Robinson-Relation. [2] Ein marktmächtiger Anbieter bedient zwei Teilmärkte zu einem einheitlichen Preis: Ergänzen Sie die Graphik durch gewinnmaximale Preise und Mengen auf den Teilmärkten und markieren Sie die zusätzlichen Gewinne und Verluste durch die Preisdifferenzierung als Flächen. [3] Ein Sportartikelhersteller würde bei bestimmten Laufschuhen für Preise über 80 pro Paar erhebliche Absatzeinbrüche erleben. Zwischen 40 und 80 ermittelt man eine Nachfrage x = 30 − 0,25p (in Mio. Paar). Zu einem Preis von 40 pro Paar könnte man beliebige Mengen absetzen. [a] Welche Marktstruktur ist hier angesprochen? Mit welchem Modell lässt sich der skizzierte Sachverhalt abbilden? [b] Bestimmen Sie für Grenzkosten von 24 und Fixkosten von 500 Mio. die gewinnmaximale Menge, den Preis und den Gewinn. [c] Erklären Sie, warum der Anbieter bei Preisen zwischen 40 und 80 erwarten kann, dass ihre PAF eine negative Steigung aufweist. [c] Welchen Preis wird der Hersteller/ Anbieter im Allgemeinen setzen? p x Gesamtmarkt GK p x Teilmarkt 1 GK p x Teilmarkt 2 GK GE PAF PAF1 PAF2 <?page no="214"?> Wiederholungsfragen 215 http: / / www.uvk-lucius.de/ service [4] Ein Club der Fußball-Bundesliga hat folgende Preis-Absatz-Funktionen: p n = 33 − 0,001 x n (Vollzahlende) und p s = 23 − 0,002 x s (Schüler und Studenten). Pro Zuschauer fallen Kosten von 3 an. Welche Zuschauerzahl, welche Preise und welchen Gewinn wird der Club im Falle einer Preisdifferenzierung anstreben, wenn pro Spiel zudem Fixkosten von 100.000 zu berücksichtigen sind? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="215"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1144: : OOlliiggooppoollee Auf vielen Märkten gibt es weder einen einzigen Anbieter noch eine Vielzahl von Akteuren mit verschwindend kleinem Marktanteil. Kauft man Lebensmittel, dann kann man in Deutschland zwischen wenigen Discountketten wählen. Schließlich beobachten wir auf dem Automobilmarkt etwa zehn unabhängige Anbieter und rund doppelt so viele Marken. Auf vielen Oligopolmärkten herrscht eine intensive Konkurrenz, ohne dass die Merkmale der vollkommenen Konkurrenz auch nur annähernd realisiert wären. Einige dieser Beispiele deuten auf eher homogene Güter hin. Gerade in der Golf-Klasse können die Konsumenten zwischen einer Vielzahl von Motorisierungen und Ausstattungen wählen, so dass dies ein heterogener Markt sein dürfte. Auf manchen Märkten sind die Preise starr, andere zeichnen sich durch einen intensiven Preiskampf aus. Die Beispiele zeigen: auf Oligopolmärkten kommt es eher auf das Marktverhalten als auf die Marktstruktur an. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden kennen verschiedene Verhaltensweisen auf oligopolistischen Märkten und können erklären, unter welchen Umständen es eher zu konkurrierenden oder zu kooperierenden Verhaltensmustern kommt. Sie wissen, dass paralleles Preisverhalten nicht notwendigerweise auf Absprachen oder Kartellen beruhen muss. Sie wissen, dass Kartelle und Absprachen nach außen hin wie ein Monopol wirken. Sie können Ursachen für Instabilitäten von Kartellen im Innenverhältnis benennen und wissen, dass Übernahmen oder Zusammenschlüsse von Unternehmen eher geeignet sind, Marktmacht über längere Zeiträume hinweg zu etablieren und zu nutzen. Den Studierenden sind verschiedene Formen der Preisführerschaft bekannt. Sie können zwischen fairem und ruinösem Preiswettbewerb unterscheiden. Sie wissen, warum Preise im heterogenen Oligopol oft als Wettbewerbsinstrument ausscheiden. <?page no="216"?> 1 Marktverhalten im Oligopol 217 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 MMaarrkkttvveerrhhaalltteenn iimm OOlliiggooppooll Bezogen auf die Marktform liegt das Oligopol zwischen dem Polypol und dem Monopol. Während die Marktanteile im Konkurrenzfall so klein sind, dass Verhaltensänderungen eines Akteurs keine Konsequenzen für die Ergebnisse aller anderen Anbieter haben, muss der Monopolist höchstens die potentielle Konkurrenz durch Markteintritte fürchten. Gerade bei vollkommener Konkurrenz ist daher ein zurückhaltender Einsatz absatzpolitischer Instrumente zu erwarten. Rivalisierendes Verhalten und ein Kampf um Marktanteile findet kaum statt. Langfristig führt der skizzierte Gewinnanreiz vor allem zu einem Streben nach effizienteren Produktionsmethoden. Solche Märkte sind eher durch eine Friedhofsruhe als durch intensiven Wettbewerb zu kennzeichnen. Bei größeren Marktanteilen wirken sich Preisänderungen und andere absatzpolitische Maßnahmen sowohl auf die eigene Erlössituation als auch auf die Ergebnisse der Konkurrenz aus. Dies könnte Gegenmaßnahmen auslösen es liegt oligopolistische Interdependenz vor. Wie Schachspieler denken Oligopolisten oft mehrere Züge im Voraus. Oligopolisten sind nicht nur gezwungen, das Konsumentenverhalten zu beobachten. Sie müssen darüber hinaus das Verhalten ihrer Konkurrenten analysieren, um die Wechselwirkungen preis- und absatzpolitischer Maßnahmen möglichst gut antizipieren zu können. Im Vergleich zu anderen Marktformen sind Entscheidungen auf oligopolistischen Märkten schwieriger zu treffen, weil die Analyse derartiger Wechselwirkungen relativ schnell an Grenzen stößt. Erst in der letzten Zeit stehen mit der Spieltheorie Methoden zur Verfügung, mit denen man strategische Entscheidungssituationen besser erfassen kann. Strategische Entscheidungssituationen sind durch Interessenkonflikte und Koordinationsprobleme zu kennzeichnen. Der Oligopolist schwankt zwischen Kooperation und Konkurrenz. Wesentlich für die Preisbildung ist daher nicht die Marktstruktur, sondern eher das Marktverhalten. Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf einfache Verhaltensmuster: Unter bestimmten Umständen könnte die Neigung zu kooperativem Verhalten zunehmen. Insbesondere für eine geringe Zahl von Anbietern mit geringen Abstimmungskosten bietet sich das an. Auch auf älteren Märkten, in denen die Anbieter versuchen, ihre Marktanteile zu halten, findet man derartige Muster. Kartelle und Absprachen gedeihen also in engen Oligopolen mit defensiven Marktstrategien besonders gut. Setzt sich kooperatives Verhalten durch, dann könnte dies zu ähnlichen Ergebnissen wie im Monopol führen. Im Vergleich zum Konkurrenzverhalten sind die Preise zu hoch und die Marktversorgung zu gering (Abschnitt 2). <?page no="217"?> 218 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service Paralleles Preisverhalten kann ferner auf verschiedenen Formen der Preisführerschaft beruhen. Preisführerschaft aufgrund von Marktmacht setzt Akteure mit höheren Marktanteilen und viele Kleine voraus, die oftmals Marktnischen bedienen. Die Preisführer könnten die Kleinen durch ungerechtfertigt niedrige Preise bedrohen (ruinöser Wettbewerb). Denkbar ist auch eine gleichförmige Preispolitik unter vergleichbar großen Oligopolisten, wie dies beispielsweise in der Mineralölindustrie der Fall ist. Die Konkurrenten reagieren dabei auf Signale eines Anbieters, von dem sie wissen, dass er den Markt gut kennt. Oligopolmärkte können mehr oder weniger vollkommen sein. Anders als Preise sind andere Wettbewerbsinstrumente kaum quantifizierbar und in ihrer Wirkung schwerer abzuschätzen. Ein mögliches Verhaltensmuster wäre dann, Marktunvollkommenheiten zu nutzen und non-price competition zu betonen. Auf diese Weise entstehen heterogene und weniger transparente Märkte, die durch Produktdifferenzierung und eine gewisse Preisstarrheit zu kennzeichnen sind. Die Marktergebnisse sind dann eher mit der monopolistischen Konkurrenz vergleichbar. Ist die Zahl der Anbieter im weiten Oligopol relativ hoch und handelt es sich um einen eher dynamischen Markt, dann ist strategisches Verhalten zu erwarten. Wenn Anbieter die preispolitischen Reaktionen der Konkurrenz voraussehen können und dies für ihre eigenen Aktionen nutzen, liegt heteronomes Verhalten vor. Wird die oligopolistische Interdependenz vernachlässigt und bedienen die Akteure bestimmte Marktsegmente, dann spricht man von autonomem Verhalten. Im ersten Fall ist die Rivalität naturgemäß größer als im zweiten. FFaallllssttuuddiiee 1133: : WWaass kkeennnnzzeeiicchhnneett OOlliiggooppoollee? ? Marktmacht auf oligopolistischen Märkten wird häufig mit Hilfe von kumulierten Marktanteilen der jeweils größten Anbieter gemessen. Demnach sind annähernd polypolistische Märkte (z.B. Handwerk, Maschinenbau) von mäßig konzentrierten Branchen (chemische Industrie, Verkehrsgewerbe) sowie von engen Oligopolmärkten (Mineralölindustrie, Lebensmittel-Einzelhandel) zu unterscheiden. Bei der Interpretation derartiger Kennziffern ist jedoch Vorsicht geboten: Trotz unterschiedlicher Exportorientierung der Branchen beziehen sie sich ausschließlich auf den heimischen Markt. Im Falle diversifizierter Unternehmen weisen sie darüber hinaus Zurechnungsfehler auf. Hauptkritikpunkt ist jedoch, dass sich kumulierte Marktanteile allein auf die Marktform beziehen. Wählen Sie einen beliebigen Oligopolmarkt aus. Welche weiteren Kriterien sind auf diesem Markt Ihrer Meinung nach zur Beurteilung der Wettbewerbsintensität notwendig? <?page no="218"?> 2 Kooperatives Verhalten 219 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 22 KKooooppeerraattiivveess VVeerrhhaalltteenn Unter Kooperation versteht man Verhaltensabstimmungen meistens in Bezug auf Preise oder Konditionen. In aller Regel lohnt sich die Zusammenarbeit zu Lasten der Nachfrager. Sie führen zu einem parallelen Preisverhalten. Der Umkehrschluss gilt jedoch nicht dieses Marktergebnis ist nicht auf eindeutige Ursachen zurückzuführen: Unabhängig von der Marktform werden sich Preise auf homogenen Märkten nicht unterscheiden, ohne dass dies auf Verhaltenabstimmungen zurückzuführen ist. Dieser Fall ist wettbewerbspolitisch irrelevant. Die Preisführerschaft ist schon differenzierter zu beurteilen. Sofern aber keine Marktmacht im Spiel ist, um leistungsfähige kleine Anbieter aus dem Markt zu drängen, ist dieser Fall von parallelem Preisverhalten weitgehend unbedenklich. Als abgestimmtes Verhalten bezeichnet man Vereinbarungen über den Einsatz absatzpolitischer Instrumente. Kartelle gehen noch einen Schritt weiter und sind vertraglich fixierte Kooperationen rechtlich unabhängiger Unternehmen. Beides betrifft in aller Regel die Preisgestaltung und die Angebotsmengen. Beides ist kartellrechtlich verboten, wobei die Kartellbildung meist leichter nachweisbar ist. Paralleles Preisverhalten muss nicht notwendigerweise auf Abstimmungen beruhen. Die Mineralölindustrie in Deutschland ist durch vier Oligopolisten mit vergleichbaren Marktanteilen gekennzeichnet. Als fünfter Spieler kommen die freien Tankstellen hinzu. Bei den Anbietern ist die Beschaffung von Rohöl wichtigster Kostenbestandteil. Ähnliche Kostenstrukturen und Preiselastizitäten sorgen für parallele Reaktionen auf veränderte Beschaffungskosten oder veränderte Nachfragedaten. Dies gilt umso mehr als Mineralölprodukte als homogene Güter angesehen werden können. Nach außen wirken Kartelle und Absprachen wie Monopole (Abbildung 64). Die kooperierenden Unternehmen vereinbaren, Preise und Mengen nach der Regel GE = GK zu bilden. Damit fordern sie im Punkt C höhere Preise als bei einer Konkurrenzlösung G. Die Marktversorgung sinkt von x* auf x'. Um den Punkt C dauerhaft halten zu können, sind unbedingt Absprachen über die Mengen zu treffen, die alle kooperierenden Unternehmen einhalten müssen: jedes Preiskartell muss damit auch ein Quotenkartell sein. Rechts in der Abbildung ist dargestellt, was das für jeden einzelnen Kartellmitglieder bedeutet. Er ist gezwungen, seine Angebotsmenge ebenfalls zu reduzieren und realisiert Punkt C i . Gemäß seiner Grenzkosten erreicht er sein Gewinnmaximum beim Kartellpreis p' jedoch im Punkt B. <?page no="219"?> 220 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 64: Preisbildung im Kartell Eine Voraussetzung für die Stabilität ist die Kartelldisziplin. Jedes Unternehmen, das eine Absprache über Preise eingeht, hat damit den Anreiz, als Free Rider die vereinbarte Quote zu überschreiten (Abbildung 65). Wenn einige Anbieter nicht genügend Kartelldisziplin aufbringen und ihren gewinnmaximalen Punkt B realisieren, dann ist der vereinbarte Preis nicht zu halten. Im Innenverhältnis sind Kartelle latent instabil. Ein weiterer Grund für die Instabilität von Kartellen sind Marktzutritte. Bei niedrigen Eintrittsbarrieren locken hohe Preise und entsprechende Gewinne potentielle Anbieter an. Obwohl sie gar nicht Teil der Vereinbarung sind, würden auch sie das Kartell bedrohen. Innerhalb des Kartells sind Interessenkonflikte zu erwarten, wenn sich die Marktanteile und die Kostenstrukturen deutlich unterscheiden während Mitglieder mit hohen Marktanteilen überdurchschnittlich von der Vereinbarung profitieren, fallen bei kleineren Anbietern Quotenverstöße viel weniger auf. Eine weitere Voraussetzung für den inneren Zusammenhalt ist die Homogenität der Güter: sobald Präferenzbindungen aufgebaut werden können, machen Preisunterschiede die Kontrolle des Verhaltens der einzelnen Kartellmitglieder nahezu unmöglich. Schließlich sind Kooperationen umso eher zu erwarten, als es sich um stagnierende Märkte handelt, auf denen die Güter eine der beiden letzten Phasen im Lebenszyklus erreicht haben. Zum einen sind die Kontrollkosten gerade im Falle enger Oligopole aufgrund der kleinen Anbieterzahl gering. Außerdem trifft man hier häufiger defensive Marktstrategien an, die primär auf die Verteidigung von Marktpositionen abzielen. Kartelle sind nicht selten Kinder der Not. p X p p * X * A N G 1 x i x i * x' i C i C p' X' GK i B Markt einzelner Kartellist PAF GE PAF G i <?page no="220"?> 3 Preisführerschaft, limit pricing und ruinöser Wettbewerb 221 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Abbildung 65: Ursachen für die Instabilität von Kartellen Nun ist leicht nachzuvollziehen, warum die OPEC als Kooperation einiger wichtiger Ölförderländer oft wenig erfolgreich bei der Angebotsverknappung war. Zum einen mangelte es über längere Zeiträume an Kartelldisziplin. Hohe Rohölpreise wurden häufig von Mitgliedern unterlaufen, die kleinere Marktanteile hatten. Zum anderen haben die beiden Rohölpreisschocks 1974/ 75 und 1980/ 81 erst ermöglicht, dass Großbritannien und Norwegen Ölexporteure werden konnten, weil sich die off-shore Förderung zuvor nicht lohnte. 33 PPrreeiissffüühhrreerrsscchhaafftt" lliimmiitt pprriicciinngg uunndd rruuiinnöösseerr WWeettttbbeewweerrbb Dominierende Preisführerschaft liegt vor, wenn ein Anbieter mit großem Marktanteil die Preisgestaltung am Markt dominiert. In diesem Falle sind kleine Nischenanbieter von der Preispolitik des Marktführers abhängig. Ein Beispiel ist die Dominanz von IBM auf dem Markt für Großrechneranlagen bis in die achtziger Jahre hinein. Das gleichförmige Preissetzungsverhalten entsteht ohne formelle Absprache, wenn kleine Anbieter als Reaktion auf eigene preispolitische Aktionen Sanktionen des Marktführers befürchten müssen. Dies zeigt Abbildung 66 am Beispiel eines homogenen Teilmonopols. Links ist der Marktführer dargestellt. Er hat Marktmacht, die sich durch die negative Free Rider für Kartellmitglieder besteht Anreiz die Quote zu überschreiten (Problem: Kartellpreis) Marktzutritte für (potentielle) Anbieter außerhalb des Kartells machen die Gewinne einen Zutritt attraktiv Marktanteile und Kosten unterschiedliche Erlös- und Kostenstrukturen erschweren Einigungen (divergierende Interessen) Homogenität Produktdifferenzierung erschwert die Einigung, die Übersicht und die Kontrolle Technischer Fortschritt Kostensenkungen oder neue Produkte bedrohen das Kartell Marktstruktur Stabilität vor allem auf alten Märkten bei engen Oligopolen und stabilem Marktvolumen <?page no="221"?> 222 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service Steigung der PAF äußert. Als Gewinnmaximierer wählt er die Cournotsche Preis-Mengen-Kombination p*/ x 1 *. Bei konstanten Grenzkosten entsprechen die variablen Stückkosten den Grenzkosten, so dass das unterlegte Rechteck den Deckungsbeitrag des Preisführers darstellt. Abbildung 66: Preisführerschaft und Kampfpreise Für den Preisnehmer ist mit GK 2 eine ungünstigere Kostensituation angenommen. Dennoch kann er mit einem Preis p* gut leben. Er bietet bis zu seiner Kapazitätsgrenze an und erzielt ebenfalls einen Gewinn. Solange die Kleinen als Preisnehmer agieren, bestimmt der Marktführer den Preis auf dem homogenen Markt. Weichen die Nischenanbieter beispielsweise von p* ab, dann kann der Marktführer damit drohen, kurzfristig Preise unterhalb von GK 2 zu setzen. Der Preisführer könnte mit dem limit price sogar bis auf seine Grenzkosten GK 1 heruntergehen. Wegen der Homogenität der Güter müsste der Preisnehmer folgen und würde mit jeder produzierten und abgesetzten Einheit Verluste in Höhe von GK 2 −GK 1 machen. Aufgrund dieser Drohung werden Anbieter mit einem kleineren Marktanteil die Vorgaben des Preissetzers akzeptieren. In der skizzierten Situation würde auch dann kein unfairer Wettbewerb bestehen, wenn der Preissetzer seine Drohung wahr machen würde und den Preisnehmer aus dem Markt preisen würde. In diesem Falle würde der effizientere Anbieter den Marktaustritt eines weniger kostengünstigen Anbieters erzwingen. Von ruinösem Wettbewerb kann erst gesprochen werden, wenn die Nischenanbieter niedrigere Grenzkosten aufweisen als ein aggressiver Preisführer in Abbildung 66 also GK 2 < GK 1 gelten würde. Unabhängig von seiner Kostensituation ist zu erwarten, dass der Marktführer Verluste durch aggressive Preisstrategien länger aushält, und unbequeme Anbieter aus dem Markt drängen kann. Zwingt ein marktmächtiges Unternehmen also effiziente Anbieter durch Preissetzungen unter seinen Grenzkosten zum Marktaustritt, dann liegt unfaires p x 1 Marktführer p x 2 PAF 2 PAF 1 GE 1 GK 1 GK 2 p* x 1 * x 2 max Limit Price Preisnehmer <?page no="222"?> 4 Heterogene Märkte 223 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Marktverhalten vor. Indes dürfte dies schwer nachzuweisen sein, weil man zur Beurteilung der Situation die Kostensituationen der am Markt tätigen Unternehmen kennen müsste. Dies ist jedoch im Allgemeinen nicht gegeben. Insofern ist die Unterscheidung zwischen fairen Kampfpreisen einerseits und ruinösem Wettbewerb andererseits eher akademisch. Im Außenhandel ist der Nachweis eher möglich, wenn ein Unternehmen Auslandsmärkte zu deutlich günstigeren Konditionen beliefert als den Inlandsmarkt. Diese Form von regionaler Preisdifferenzierung wird als Dumping bezeichnet, wenn damit das Ziel verfolgt wird, durch Preissetzung unter Grenzkosten heimische Anbieter vom Markt zu verdrängen. Im Abschnitt über die Preisdifferenzierung wurde gezeigt, dass unterschiedliche Preissetzungen auf regionalen Teilmärkten auch durch verschiedene Preiselastizitäten bedingt sein können, so dass auch in solchen Fällen bei der Beurteilung Vorsicht angesagt ist. 44 HHeetteerrooggeennee MMäärrkkttee Die Grenzen zwischen Preisdifferenzierung und Produktdifferenzierung sind fließend. Oftmals wollen Nachfrager Preisunterschiede durch Extras, zusätzlichen Service oder Qualitätsunterschiede erklärt bekommen. Marken sind in diesem Zusammenhang eine Möglichkeit, ein gewisses Maß an Produktdifferenzierung zu gewährleisten und Preisunterschiede zu rechtfertigen. Anders als bisher spielt die Marktform auf solchen Märkten eine untergeordnete Rolle es kann sich um Märkte mit vielen kleinen Anbietern, um Oligopole mit entsprechend größeren Marktanteilen oder um Mischformen zwischen beiden handeln. Märkte mit Produktdifferenzierung sind durch Unvollkommenheiten zu kennzeichnen. Die gehandelten Güter sind heterogen oder werden von Nachfragern zumindest als heterogen angesehen. Somit unterscheiden sich die Preise einzelner Anbieter auf einem solchen Markt das law of one price wird aufgehoben. In der Volkswirtschaftslehre wird eine solche Marktstruktur als monopolistische Konkurrenz angesprochen. Das klingt auf den ersten Blick widersinnig, soll aber ausdrücken, dass jeder einzelne Anbieter auf dem Markt sich als Preissetzer verhält, obwohl es durchaus eine größere Zahl von Anbietern geben kann. Dies kann nur gelingen, wenn es neben einem gewissen Maß an Produktdifferenzierung auch eine differenzierte Kundenbindung gibt. Wenn es Kundenbindung gibt, dann verfügen die Anbieter in dieser Marktform über Marktmacht. Diese Macht muss nicht so umfassend sein wie beim isola- <?page no="223"?> 224 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service ted selling des Monopolisten. Es reicht aus, dass die Preis-Absatz-Funktion eine negative Steigung hat, so dass alle Anbieter als Preissetzer agieren: heben sie den Preis an, dann verlieren sie einen Teil seiner Kunden. Eine solche Situation ist in der folgenden Abbildung beschrieben es handelt sich um zwei Anbieter mit unterschiedlichen Nachfragebedingungen. Beide Anbieter bestimmen die gewinnmaximalen Mengen nach der Regel GE = GK. Der erste Anbieter setzt den Preis p 1 . Dieser Preis übertrifft die Durchschnittskosten, so dass er einen Gewinn in Höhe des blau unterlegten Rechtecks macht. Dagegen macht der andere Anbieter wegen p 2 < DK 2 (x 2 ) den grau unterlegten Verlust. Kurzfristig agieren beide Akteure wie Monopolisten. Diese Situation ist ein Schnappschuss und kann nicht von Dauer sein. Der Gewinn des ersten Anbieters wird ihn zu Erweiterungsinvestitionen motivieren. Außerdem könnten neue Anbieter in den Markt treten. Der Anbieter rechts steht dagegen unter Anpassungsdruck. Offensichtlich ist er in einer mittleren Perspektive zum Handeln gezwungen: er kann versuchen, seine Kostensituation zu verbessern gelingt ihm das, dann verschieben sich seine Grenz- und Durchschnittskosten nach unten. Im Idealfall verlässt er damit die Verlustzone. Abbildung 67: Zwei Anbieter auf heterogenen Märkten Er kann seinen Markt bearbeiten durch den gezielten Einsatz von Marketinginstrumenten könnte er mehr Kunden an sich binden. Entsprechend würde sich seine Preis-Absatz-Funktion PAF 2 nach rechts bzw. oben verschieben. Möglicherweise geschieht dies auf Kosten der Konkurrenz, so dass von dort Gegenmaßnahmen nicht auszuschließen sind. Sind ihm beide Optionen verbaut, dann bleibt als letzter Ausweg der Marktaustritt. x p GK 1 DK 1 PAF 1 GE 1 x 1 p 1 x p GK 2 DK 2 PAF 2 GE 2 x 2 p 2 <?page no="224"?> 4 Heterogene Märkte 225 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Wie im Fall des langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewichts kommt es also zu einer Folge von Produkt- und Prozessinnovationen, von Marketing- und Kostensenkungsstrategien sowie zu Marktein- und -austritten. Auch hier haben Gewinne und Verluste eine entscheidende Steuerungsfunktion. Marktein- oder -austritte finden nicht mehr statt, wenn die Anbieter im Markt keine Knappheitsgewinne mehr machen und sich die Marktanteile nicht mehr verändern. Es liegt ein Branchengleichgewicht vor. Abbildung 68 zeigt diese Situation anhand der Chamberlinschen Tangentenlösung für einen einzelnen Anbieter. Aufgrund der Kundenbindung ist der Anbieter ein Preissetzer. Dennoch reicht der Preis langfristig nur aus, um die Stückkosten zu decken. Abbildung 68: Chamberlinsche Tangentenlösung Die Graphik zeigt, dass selbst in einer längerfristigen Perspektive der Preis die Grenzkosten übersteigen kann. Durch die skizzierte Marktdynamik werden kurzfristig auftretende Gewinne abgeschmolzen. Eine gleichgewichtige Beharrungssituation ist nur denkbar, wenn keine Knappheitsgewinne mehr auftreten und die Zahl der Anbieter damit unverändert bleibt. Dies geht aber nur unter der Bedingung, dass der Preis die Durchschnittskosten gerade deckt. Diese Eigenschaft erinnert wiederum an das in Kapitel 12 diskutierte langfristige Konkurrenzmarktgleichgewicht. x p GK DK PAF GE x* p* <?page no="225"?> 226 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service Die Chamberlinsche Tangentenlösung ist also einerseits durch die Bedingung GE = GK wie im Monopol gekennzeichnet. Andererseits gilt aber wie in einem langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewicht p = DK. Anders als dort dargestellt ist die Situation wohlfahrtstheoretisch betrachtet aber unbefriedigend: die Unternehmen realisieren ihr Durchschnittskostenminimum nicht. 55 PPrreeiissssttaarrrrhheeiitteenn Haben wir es in einem weiten Oligopol mit einer Reihe von Anbietern mit vergleichbaren Marktanteilen zu tun, dann kommen Preisführerschaft und paralleles Preisverhalten als Strategien häufig nicht in Frage. In solchen Fällen könnten sich die Anbieter darum bemühen, ihre Produkte zu positionieren und in den Augen der Nachfrager unterschiedlich erscheinen zu lassen. Sind die Güter heterogen und die Preise somit nicht einheitlich, dann fallen allgemeine Aussagen über die Marktergebnisse schwer. Meist kommt man nicht über die Beobachtung hinaus, dass Preispolitik im heterogenen Oligopol kaum eine Rolle spielt. Ähnlich wie im Falle der monopolistischen Konkurrenz sind lediglich Aussagen für einzelne Anbieter zu machen. Auf der einzelwirtschaftlichen Ebene lässt sich die geknickte Preis-Absatz-Funktion zur Erklärung von Preisstarrheiten im Oligopol heranziehen. Der eingezeichnete Punkt stellt die aktuelle Preis- Mengen-Kombination des Oligopolisten dar. Davon ausgehend kann der Anbieter Preissteigerungen oder Preissenkungen in Erwägung ziehen: Parallelverhalten: im Falle von Preissenkungen erwartet der Anbieter, dass die Konkurrenz umgehend mitzieht. Unterhalb des Ausgangspunktes fällt die PAF aus diesem Grund stärker. Preissenkungen lohnen sich in diesem Falle nicht, weil sie kaum zu nennenswerten Absatzsteigerungen führen. kein Parallelverhalten: im Falle von Preissteigerungen geht der betrachtete Anbieter davon aus, dass seine Konkurrenten auf von ihm vorgenommene Preissteigerungen nicht reagieren. Die PAF oberhalb des Ausgangspunktes ist deshalb preiselastisch. Preissteigerungen lassen dann erhebliche Absatzeinbußen erwarten und lohnen sich nicht. Oberhalb des aktuellen Preises ist daher kein paralleles Verhalten zu erwarten die zugehörige Preis-Absatz-Funktion für paralleles Preisverhalten ist dort gestrichelt angedeutet. Ebenfalls irrelevant ist der Ast der PAF für kein Parallelverhalten unterhalb des aktuellen Preises. Vieles spricht dafür, dass sich Preispolitik unter diesen Umständen nicht lohnt. Die Oligopolisten weichen dann <?page no="226"?> 5 Preisstarrheiten 227 http: / / www.uvk-lucius.de/ service einem direkten Preiswettbewerb aus und konzentrieren sich auf andere Absatzinstrumente also auf non-price competition. Dies führt auch in der längeren Frist zu ausgeprägten Preisstarrheiten. Die Grenzerlöse sind für beide Äste also sowohl für den Fall Parallelverhalten als auch für kein Parallelverhalten jeweils nach der Regel gleicher Achsenabschnitt, doppelte Steigung zu bilden. Damit weist der zur geknickten PAF gehörige Verlauf der Grenzerlöse einen Sprung auf. Verlaufen die Grenzkosten wie in der Graphik angedeutet genau durch diesen Sprung, dann bleiben die Preise selbst dann unverändert, wenn die Grenzkosten durch technischen Fortschritt sinken. Die ursprüngliche Preis-/ Mengenkombination wird beibehalten, bis die verschobene Grenzkostenkurve erstmals den unteren Ast der Grenzerlöse berührt. Erst dann müsste der ursprüngliche Preis unter gewinnmaximierendem Verhalten gesenkt werden. Abbildung 69: Preissetzerverhalten im heterogenen Oligopol p x PAF (kein Parallelverhalten) PAF (Parallelverhalten) GE GK <?page no="227"?> 228 Kapitel 14: Oligopole http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Im Oligopol besteht eine Reaktionsverbundenheit der Anbieter. Diese oligopolistische Interdependenz zwingt Oligopolisten, ihre Konkurrenz zu beobachten und Wirkungen preispolitischer Maßnahmen möglichst gut zu antizipieren. Das Oligopol ist deshalb nicht über die Marktstruktur, sondern eher durch das Marktverhalten zu kennzeichnen. Kooperation führt zu parallelem Preisverhalten. Paralleles Preisverhalten ist umgekehrt nicht unbedingt ein Indiz für Verhaltensabstimmungen. Allerdings bedingt jede Absprache über Preise eine Reduktion der Angebotsmengen. Kartelle gelten im Allgemeinen als instabil und setzen enge Oligopole d.h. eine kleine Zahl von Anbietern voraus. Die langfristige Branchengleichgewicht in einem heterogenen Oligopolmarkt ist durch die Chamberlinsche Tangentenlösung zu charakterisieren: die Unternehmen haben keinen Anreiz, Ihre Kapazitäten zu verändern, wenn wie im langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewicht p = DK gilt. Anders als unter Konkurrenz wird dort aber nicht p = GK erfüllt sein. Weite Oligopole sind meist durch Preisstarrheiten und Produktdifferenzierung gekennzeichnet. Dies liegt daran, dass einzelne Anbieter erwarten, dass die Konkurrenz auf Preissenkungen mit Parallelverhalten reagiert und auf Preissteigerungen nicht. Wenn das zutrifft, lohnen sich Preisänderungen für den einzelnen Anbieter nicht. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► oligopolistische Interdependenz ► paralleles Preisverhalten ► Kartelldisziplin ► dominierende Preisführerschaft ► limit pricing ► ruinöser Wettbewerb ► non-price competition. Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="228"?> Wiederholungsfragen 229 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Skizzieren Sie die Wirkungen eines Kartells nach innen und außen anhand einer geeigneten Graphik. Nennen und erläutern Sie vier Faktoren, die zur Instabilität eines Kartells beitragen. [2] Viele Märkte und Branchen sind durch zwei oder drei dominierende Anbieter und eine größere Zahl von Anbietern mit kleinen Marktanteilen zu kennzeichnen. [a] Erläutern Sie die dominierende Preisführerschaft anhand einer geeigneten Graphik. Erklären Sie limit pricing. [b] Was verstehen Sie ruinösem Wettbewerb? Warum ist es schwer, dies in der Praxis nachzuweisen? [3] Erläutern Sie die Parallelen zwischen der Chamberlinschen Tangentenlösung und dem langfristigen Konkurrenzmarktmodell. Wie liegt der entscheidende Unterschied? [4] Erläutern Sie, warum der Preiswettbewerb in einem heterogenen Oligopol selten ausgeprägt ist. Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter asymmetrischem Preisverhalten? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="229"?> 230 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service KKaappiitteell 1155: : GGrruunnddzzüüggee ddeerr WWeettttbbeewweerrbbssppoolliittiikk Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass Medien von Fusionen, Übernahmen, strategischen Allianzen oder auch vom Vorgehen von Kartellbehörden gegen einzelne Unternehmen berichten. Die Tendenz zu immer größeren, meist international verflochtenen Konzernen wird in der Öffentlichkeit mit Unbehagen registriert. Meist bleiben Ursachen und Folgen der Unternehmenskonzentration aber verborgen. Die Zusammenhänge zwischen der Wettbewerbssituation, dem anzustrebenden Leitbild und der konkreten Wettbewerbspolitik bleiben relativ unklar. Dieses Kapitel gibt einen Überblick über wettbewerbspolitische Institutionen, Strategien und Instrumente und schließt damit den Lehrbuchteil über Märkte und Marktentwicklungen ab. LLeerrnnzziieellee Die Studierenden lernen die Funktionen und Leitbilder des Wettbewerbs kennen. Sie können beurteilen, welche Leitbilder die einzelnen Funktionen betonen bzw. eher vernachlässigen. Sie können marktstrukturelle Eingriffe von einem regulierenden Verhaltensansatz in eher angloamerikanischer Tradition unterscheiden. Die Studierenden wissen, wie Kartelle und Absprachen auf Märkten wirken. Sie kennen verschiedene Kooperationsformen und wissen, welche davon mit Blick auf eine optimale Wettbewerbsintensität als problematisch einzuschätzen sind. Ihnen sind die Schwierigkeiten bekannt, die sich regelmäßig bei der Verfolgung von Absprachen ergeben. Sie wissen, dass entstehende oder sich verstärkende Marktmacht bei der Fusionskontrolle und beim Missbrauch dominierender Marktstellungen das entscheidende Beurteilungskriterium ist. Sie kennen das Verfahren zur Fusionskontrolle in Deutschland und können aufgrund von Fallbeispielen einschätzen, welche Probleme bei der Beurteilung von Machtmissbrauch entstehen können. <?page no="230"?> 1 Funktionen und Leitbilder des Wettbewerbs 231 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 11 FFuunnkkttiioonneenn uunndd LLeeiittbbiillddeerr ddeess WWeettttbbeewweerrbbss Als wirtschaftlichen Wettbewerb bezeichnet man das rivalisierende Verhalten von Anbietern und Nachfragern auf Märkten. Am Ende des dritten Kapitels wurde gezeigt, dass sich arbeitsteilige Gesellschaften mit knappen Ressourcen auf Mechanismen zur Koordinierung der Wirtschaftspläne und zum effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren einigen müssen. In einer Sozialen Marktwirtschaft als einer Mischung aus Konkurrenz und Kooperation bestehen diese Mechanismen überwiegend aus kompetitiven Elementen. Konkurrenz soll dafür sorgen, dass die statischen Wettbewerbsfunktionen möglichst gut erfüllt werden (vgl. Abbildung 19). Gute Marktergebnisse zu jedem Zeitpunkt können demnach erwartet werden, wenn die Koordinationsfunktion als Abstimmung zwischen den Wirtschaftsplänen über den Preis, die Allokationsfunktion als Lenkung der Produktionsfaktoren in produktive Verwendungen und die Verteilungsfunktion als Entlohnung der Produktionsfaktoren nach den jeweiligen Knappheiten funktioniert. Dagegen sollen die dynamischen Wettbewerbsfunktionen gute Marktergebnisse über Zeiträume sicherstellen: die Leistungsanreizfunktion, die Unternehmen durch Vorsprungsgewinne und Haushalte durch Einkommenssteigerungen zu einem leistungsfähigen und marktgerechten Angebot motiviert, die Fortschritts- oder Innovationsfunktion, nach der neue Produkte und neue Verfahren begünstigt und Forschungsaktivitäten belohnt werden beispielsweise mit temporären Monopolstellungen, die Auslesefunktion, die dafür sorgt, dass Akteure, die nicht leistungsbereit oder leistungsfähig sind, langfristig aus dem Markt ausscheiden. Eine dritte Wettbewerbsfunktion ist die Freiheitsfunktion. Wettbewerb soll für die Kontrolle wirtschaftlicher Macht sorgen. Mächtige Unternehmen haben einen Anreiz, den wirtschaftlichen Wettbewerb zu ihren Gunsten zu beschränken. Der Einfluss der Konzerne auf politische Prozesse wird zunehmend als beängstigend empfunden. Je nachdem, welche dieser drei Funktionen man bevorzugt, ergeben sich unterschiedliche Leitbilder der Wettbewerbspolitik: Bei der Verabschiedung des Kartellgesetzes im Jahr 1958 wurde die vollkommene Konkurrenz noch als relevantes Wettbewerbsleitbild betrachtet. Im Konkurrenzmarktgleichgewicht <?page no="231"?> 232 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service orientiert sich das Güterangebot an den Präferenzen der Nachfrager (beste Marktversorgung), werden die Produktionsfaktoren in ihre produktivste Verwendung gelenkt (optimale Allokation) und die Produktion erfolgt mit der günstigsten verfügbaren Technik (Effizienz), werden Knappheitsgewinne langfristig abgebaut und es kommt wegen der kleinen Marktanteile nicht zu Machtballungen. Mittlerweile herrscht Konsens darüber, dass sich dieses Leitbild überlebt hat. Dies liegt einerseits daran, dass die Bedingungen der vollkommenen Konkurrenz atomistische Marktstruktur, homogene Güter, Transparenz und geringe Anpassungshemmnisse auf den meisten Märkten durch die Wettbewerbspolitik kaum herzustellen sind. Zum anderen wäre dies auch gar nicht zu wünschen, denn die Wettbewerbsintensität auf derartigen Märkten ist gering. Preisnehmer verzichten naturgemäß auf Preiswettbewerb und auch der übrige Wettbewerb dürfte gering sein. Nennenswerte Konkurrenz kommt lediglich durch das Streben nach Kostensenkungen zustande. Insgesamt gilt die vollkommene Konkurrenz daher als ein statisches Leitbild, das die dynamischen Aspekte des Wettbewerbs weitgehend ignoriert. Das Leitbild der Wettbewerbsfreiheit steht dagegen in der Tradition des Liberalismus. Seine Vertreter betrachten die Freiheit auf Märkten als wichtigsten Eckpfeiler einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Freiheit ist als gesellschaftlich akzeptiertes Ziel zudem ein Wert an sich. Wettbewerb gilt in dynamischer Sicht als Entdeckungsverfahren. Über Marktprozesse werden neue Produkte und Verfahren etabliert, während im Wettbewerb alte Produkte und Industrien verschwinden. Die Verfechter dieser Sicht fordern einen starken Staat, der über die Ordnungspolitik die Wettbewerbsregeln überwacht und weiterentwickelt. Die Wettbewerbspolitik soll auf einen freien Marktzugang hinwirken und Wettbewerbsbeschränkungen abbauen. Dabei gilt es, Kartelle und den Missbrauch von Marktmacht wirksam zu bekämpfen. Das Leitbild und insbesondere die Harmoniethese sind vom Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Märkten geprägt. Demnach führt einzelwirtschaftliches Eigennutzstreben zu gesamtwirtschaftlich besten Ergebnissen. Sofern die Politik den richtigen Ordnungsrahmen vorgibt, wird der Wettbewerb quasi automatisch für gute Marktergebnisse sorgen. Eine denkbare Folgerung daraus ist die Theorie angreifbarer Märkte (contestable markets): demnach sind Struktur- und Verhaltenskriterien auf Märkten für die Marktergebnisse zweitrangig. Solange etablierte Anbieter aufgrund niedriger Markteintrittsbarrieren durch potentiellen Wettbewerb bedroht sind, werden sie ihre Macht dosiert nutzen, um nicht über ungerechtfertigte Gewinne Newcomer anzulocken. In Kapitel 12 wurde gezeigt, dass die Macht eines Monopolisten auch von der Höhe der Zutrittsschranken <?page no="232"?> 1 Funktionen und Leitbilder des Wettbewerbs 233 http: / / www.uvk-lucius.de/ service abhängt. Deshalb ist ein freier Zugang auf Märkte für die Vertreter dieses Leitbilds Kern einer erfolgreichen Wettbewerbspolitik. Mit dem Leitbild der Wettbewerbsfreiheit sind offensichtlich eine Reihe von Glaubensfragen verbunden. Der Nachweis, dass Freiheit auf Märkten gute Ergebnisse bedingt, ist kaum zu führen tatsächlich gibt es eine Reihe von Ansätzen, die zeigen, dass Eigennutzstreben keineswegs generell optimale Ergebnisse liefert. Deshalb ist dieses Leitbild ideologisch geprägt. Es ist zudem wenig operational, denn es gibt der Wettbewerbspolitik keine klare Eingrifflegitimation und keine umsetzbaren Handlungsempfehlungen vor. Weil wirtschaftlicher Wettbewerb nicht so klar abgegrenzt ist wie beispielsweise ein Fußballspiel, kann niemand abschließend festlegen, wann Wettbewerb auf einem Markt noch gerade fair ist und unter welchen Umständen Grenzen überschritten werden. Die Handlungsanweisung, den freien Marktzutritt möglichst zu sichern, bezieht sich vor allem auf die vom Staat aufgebauten Barrieren. Die darüber hinaus bestehenden natürlichen Eintrittsbarrieren auf vielen Märkten, die auf Kostenvorteilen der Etablierten beruhen können, sind dagegen kaum abzubauen. Die Vorstellung, diese Kostenvorteile seien vor allem auf die überlegene Leistungsfähigkeit etablierter Unternehmen zurückzuführen, kann nur als naiv bezeichnet werden. Das Leitbild der Wettbewerbsfreiheit ist theoretisch elegant. In der praktischen Wettbewerbspolitik dürfte es mehr Fragen aufwerfen als lösen. Dies scheint im Leitbild des funktionsfähigen Wettbewerbs eher umgekehrt zu sein. Unter diesem Begriff werden eine Reihe unterschiedlicher Vorstellungen darüber zusammengefasst, welche Marktstrukturen und Verhaltensweisen dem Wettbewerbsprozess auf Märkten eher förderlich oder eher hinderlich sind. Ausgehend vom Begriff des workable competition, der in den Vierzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA entstand, wurden eine Reihe von Bedingungen formuliert, unter denen Märkte gute Ergebnisse hervorbringen und der Wettbewerb entsprechend als funktionsfähig angesehen werden kann. Viele dieser Prüfkriterien wurden eingangs des Kapitels 12 eingeführt (vgl. Abbildung 54): Als Kriterien der Marktstruktur gelten neben der Marktform mit Blick auf Größe und Streuung von Marktanteilen und den Marktunvollkommenheiten (Grad der Produktdifferenzierung, Informationsmängel und Anpassungshemmnisse), Marktzutrittsbzw. Marktaustrittsschranken und die Lebensphase des Produkts bzw. das Alter der Branche. Das Marktverhalten kann unter anderem über die Möglichkeit zum Preissetzerverhalten und den Einsatz absatzpolitischer Instrumente sowie über die Rivalitätsneigung und den Umfang von Innovationsaktivitäten erfasst werden. <?page no="233"?> 234 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Das Marktergebnis ist durch die Entwicklung von Preisen und Gewinnen, die mengenmäßige und qualitative Marktversorgung, die Kapazitätsauslastung und Renditeentwicklung sowie durch den Grad des technischen Fortschritts (Forschungsausgaben, Produkt- und Prozessinnovationen) zu umreißen. In Deutschland wurden seit den Sechzigerjahren unterschiedliche Konzepte eines funktionsfähigen Wettbewerbs formuliert. Kantzenbach, als bekanntester Kritiker der Harmoniethese, hat das Leitbild der optimalen Wettbewerbsintensität entwickelt. Demzufolge werden die Wettbewerbsfunktionen auf vielen Märkten am besten durch weite Oligopole und eine mäßige Produktdifferenzierung wahrgenommen. Kantzenbach betont die dynamischen Wettbewerbsfunktionen und legt damit eine seiner Meinung nach wettbewerbsfördernde Marktstruktur fest. Dies mag für einige Märkte zutreffend sein. Diese generelle Vorgabe ignoriert aber, dass sich die Gegebenheiten auf Märkten naturgemäß unterscheiden: jeder Markt ist anders. Zudem sind die formulierten Marktstrukturkriterien kaum operationalisierbar und als Blaupause für die Wettbewerbspolitik letztlich unpraktikabel. Modernere Wettbewerbstheorien nehmen kaum noch für sich in Anspruch, ein umfassendes und widerspruchsfreies Leitbild formulieren zu wollen. Mit Blick auf die praktische Wettbewerbspolitik zeichnet sich eine Konzentration auf Marktergebniskriterien ab, ohne die Interdependenzen zur Struktur und zum Verhalten vollständig zu kappen. Statt was sollte Wettbewerbspolitik leisten? lautet die eigentliche Frage eher was sollte Wettbewerbspolitik möglichst verhindern? Die zur Beantwortung dieser Frage zu formulierenden Kriterien sind auch nicht so zahlreich und empirisch leichter fassbar als im ursprünglichen Konzept des workable competition. Zu vermeiden sind demnach: Störungen beim Abbau von Knappheitsgewinnen: Knappheitsrenten und Vorsprungsgewinne sollten in einem längerfristigen Prozess möglichst auf eine Normalrendite schrumpfen. Dies erinnert an die Rolle der Markteintrittsbarrieren im langfristigen Konkurrenzmarktgleichgewicht sowie an die Chamberlinsche Tangentenlösung. Fehlfunktionen beim Umsetzen des technischen Fortschritts: zu prüfen wäre, ob ungewöhnlich geringe Forschungsaktivitäten, relativ wenige Innovationen oder Störungen bei der Diffusion neuer Produkte und Prozesse auftreten. Dies knüpft an die Schumpeterschen Vorstellungen vom Dynamischen Wettbewerb an. Auch diese neueren Entwicklungen können nicht verhehlen, dass die Vorstellungen darüber, was Wettbewerbspolitik letztlich leisten kann und leisten sollte, relativ weit auseinander gehen. Bis auf weiteres muss die Wettbewerbspolitik damit wohl ohne ein allgemein akzeptiertes Leitbild auskommen. <?page no="234"?> 2 Strategien, Institutionen und Rechtsgrundlagen 235 http: / / www.uvk-lucius.de/ service 22 SSttrraatteeggiieenn" IInnssttiittuuttiioonneenn uunndd RReecchhttssggrruunnddllaaggeenn Wettbewerbspolitik zu betreiben kann in einer weiten Abgrenzung bedeuten, Wettbewerb auf Märkten zu schaffen oder zu intensivieren, die vom Wettbewerb zuvor weitgehend ausgenommen waren. Damit sind Bestrebungen zum Abbau staatlicher Markteintrittshemmnisse (Liberalisierung), zum Abbau marktübergreifender Wettbewerbsbeschränkungen (Deregulierung) oder zur Überführung ehemals staatlicher Aufgaben in private Trägerschaft (Privatisierung) angesprochen. Beispiele für eine derartige Marktöffnungspolitik sind die Abschaffung der Gebietsmonopole für die Stromerzeuger als Marktliberalisierung; die Neufassung der Handwerksordnung und des Ladenschlussgesetzes, bei denen der Abbau staatlicher Regulierung den Privaten neue Freiheiten gestattet; die Privatisierung ehemals kommunaler Aktivitäten im Bereich der Abfallbeseitigung oder des Nahverkehrs sowie der ehemaligen Bundespost und demnächst der Deutschen Bahn AG. Die folgenden Ausführungen beschränken sich dagegen auf die Wettbewerbsschutzpolitik, wie er vom Bundeskartellamt und von der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Union betrieben wird. Beide Institutionen kümmern sich um die Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs in grundsätzlich offenen, kompetitiven Märkten und bemühen sich, Wettbewerbsbeschränkungen der Unternehmen zu verhindern (Wettbewerbspolitik im engeren Sinne). Wettbewerbsschutz kann sich auf die Verhinderung bestimmter Marktstrukturen konzentrieren. In diesem Strukturansatz lebt ein Kerngedanke der vollkommenen Konkurrenz fort, nach dem der Erhalt kompetitiver Strukturen die Möglichkeiten zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten eingrenzt. In dieser Tradition werden die Wettbewerbshüter eine strikte Fusionskontrolle betreiben und sich die Möglichkeit offen halten, beistehende Konzerne zu entflechten. Dem steht der Verhaltensansatz gegenüber. Demnach gelten Ballungen von Marktanteilen als tolerabel Größe und Macht an sich sind noch kein Problem. Allerdings müssen derartige Märkte beobachtet werden, so dass wettbewerbsbeschränkendes Verhalten gegebenenfalls sanktioniert werden kann. Entsprechend wird die Wettbewerbsbehörde primär anstreben, die missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht zu verfolgen. In beiden Welten werden Absprachen und Kartelle übereinstimmend als wettbewerbsschädlich angesehen. Für die Bundesrepublik sind die einschlägigen Rechtsvorschriften im Kartellgesetz zusammengefasst (auch: Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen <?page no="235"?> 236 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service GWB). Dieses Gesetz, dass 1958 in Kraft trat und bis zur aktuellen Fassung mehrere Male ergänzt und überarbeitet wurde, befasst sich in seinem ersten Teil mit der Definition von Wettbewerbsbeschränkungen, im zweiten Teil mit den Kompetenzen und Zuständigkeiten der Kartellbehörden und schließlich mit Verfahrensweisen. Die zentralen Bestimmungen im ersten Teil sind das Verbot von Kartellen und Absprachen, die Missbrauchsaufsicht bei Marktmacht und die Fusionskontrolle. Das Bundeskartellamt ist eine oberste Bundesbehörde mit Sitz in Bonn. Es ist formal dem Bundeswirtschaftsministerium zugeordnet, ist in Wettbewerbsfragen aber von der Politik unabhängig. Es wird tätig, wenn Verstöße gegen Wettbewerbsregeln auf das Bundesgebiet beschränkt sind. Gegen Entscheidungen des Kartellamts sind Beschwerden zulässig. In erster Instanz ist der Kartellsenat des OLG Düsseldorf, in zweiter der Bundesgerichtshof zuständig. Wie der Sachverständigenrat bei Problemen der Konjunktur- und Wachstumspolitik ist die Monopolkommission ein unabhängiges Beratungsgremium. Die Kommission berichtet alle zwei Jahre über den Stand der Unternehmenskonzentration und deren Entwicklung. Die Europäische Union weist ein ähnliches institutionelles Design und vergleichbare Rechtsvorschriften auf. Ziel der EU-Wettbewerbspolitik ist es, Verzerrungen, Einschränkungen oder das Aufheben des Wettbewerbs im Binnenmarkt möglichst zu kontrollieren bzw. zu sanktionieren. Die EU ist zuständig, wenn sich die Wettbewerbsbeschränkungen auf mindestens zwei Mitgliedsländer beziehen. Die rechtlichen Grundlagen sind im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegt. Artikel 101 beschäftigt sich mit Kartellen und Absprachen und in Artikel 102 ist das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Marktstellung als Wettbewerbsbeschränkung angesprochen. Eine Besonderheit des Europäischen Rechts ist es, dass die Fusionskontrolle nicht den Status eines Vertragsartikels hat Rechtsgrundlage für die Prüfung von Zusammenschlüssen und Übernahmen ist eine gesonderte Fusionskontrollverordnung. Eine weitere Besonderheit sind die Artikel 106 und 107, die Subventionen von Mitgliedsstaaten an dort ansässige Unternehmen betreffen. Sofern dadurch der Handel zwischen Mitgliedsstaaten verzerrt wird, gelten sie als nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar. Die jeweilige nationale Förderpolitik unterliegt demnach der so genannten europäischen Beihilfenkontrolle. 33 KKooooppeerraattiioonn Arbeitsteiliges Wirtschaften ist generell durch eine Mischung aus konkurrierenden und kooperativen Verhaltensmustern zu charakterisieren. Kooperation herrscht in aller Regel innerhalb von Wirtschaftseinheiten. Zwischen den Unter- <?page no="236"?> 3 Kooperation 237 http: / / www.uvk-lucius.de/ service nehmen einer Branche sollte ein gewisser Grad an Kooperation dagegen nicht überschritten werden. Ein primäres Ziel der Wettbewerbspolitik ist es deshalb, die Bildung von Kartellen zu unterbinden und andere Kooperationsformen einer Regulierung zu unterwerfen. Kartelle verschlechtern die Marktergebnisse, wenn es den beteiligten Unternehmen dauerhaft gelingt, Preise zu vereinbaren und den Markt unter sich aufzuteilen. Abgestimmtes Verhalten als Kooperation zwischen Unternehmen ohne vertragliche Grundlage kann zu ganz ähnlichen Ergebnissen führen. Hier reicht das Spektrum aber von gegenseitigen Informationen über geplante Maßnahmen bis hin zu Preisabstimmungen. Anders als bei Kartellen haben die Wettbewerbshüter in diesem Fall Beurteilungsspielräume. Ihnen stellt sich die Frage, ob die friedliche Koexistenz auf einem Markt eine Folge bestimmter Marktstrukturen ist oder ob die Unternehmen auf einem Markt aktiv ihr Verhalten abstimmen. Ersteres wird man vermuten, wenn verschiedene Formen der Preisführerschaft vorliegen oder wenn die auf dem Markt gehandelten Produkte relativ homogen sind. Dagegen kann auf stagnierenden Märkten der Fall eintreten, dass die Unternehmen zur Sicherung ihrer Marktposition aktiv kooperieren. Außerdem gibt es Kooperationsformen, die sich durchaus positiv auf die Marktergebnisse auswirken können. An erster Stelle sind Vereinbarungen über Normen und Typen zu nennen, die die Kompatibilität verschiedener technischer Geräte miteinander sichern. Größere Forschungsvorhaben sind oftmals nur von mehreren Unternehmen gemeinsam zu schultern und würden, falls sie unterbleiben, den technischen Fortschritt beinträchtigen. Franchising schränkt zwar die unternehmerischen Entscheidungsspielräume von Unternehmern ein. Aber es könnte sein, dass bestimmte Marktaktivitäten gar nicht zustande kämen, wenn die Franchisegeber nicht ihr Produkt, ihr Know-how oder ihr Kapital gegen Entgelt zur Verfügung stellen würden. Denkbar wäre beispielsweise, dass einige Unternehmensgründungen ohne ein eingekauftes Geschäftsmodell gar nicht zustande kämen. Schließlich ist das Gegenmachtargument zu nennen: die Zusammenarbeit mehrerer kleiner Unternehmen bei der Beschaffung oder Vermarktung von Gütern kann marktmächtige Stellungen auf der jeweils anderen Marktseite abschwächen oder gar neutralisieren. Die Genossenschaftsbewegung hat dies anknüpfend an die Ideen von Friedrich Wilhelm Raiffeisen beispielsweise für die Landwirte umgesetzt. Nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit einer weitgehend kartellisierten Kriegswirtschaft während der Nazi-Diktatur und anknüpfend an die Vorstellungen der Freiburger Schule unter Eucken wurde in § 1 GWB ein klares Kartellverbot formuliert: <?page no="237"?> 238 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten. Von diesem generellen Verbot freigestellt sind nach §§ 2 und 3 GWB Mittelstands- und Rationalisierungskartelle, wenn dadurch der Wettbewerb nicht wesentlich beeinträchtigt wird und die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern. Ausgenommen vom Kartellverbot sind die Landwirtschaft und die Preisbindung für Zeitungen und Zeitschriften. Ähnlich lautet Artikel 101 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union:
verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Darunter fallen die Aufteilung von Märkten, die Festlegung von Preisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen sowie Vereinbarungen über Produktions- oder Investitionsbeschränkungen. FFaallllssttuuddiiee 1144: : DDaass BBiieerrkkaarrtteellll Die bisher höchste Kartellstrafe von 380 Mio. verhängte das Bundeskartellamt im Jahr 2003 gegen führende deutsche Zementhersteller. Für mehr Aufsehen sorgte die Aufdeckung des Bierkartells im Jahr 2014. Wegen verbotener Preisabsprachen verhängte das Amt eine Strafe in Höhe von insgesamt rund 338 Mio. gegen elf deutsche Brauereien und einen Verband. Schon allein aufgrund der meist größeren Märkte spricht die EU-Kommission deutlich höhere Kartellstrafen aus. Finden Sie bedeutsame Fälle aufgedeckter Kartelle und Absprachen in der EU. 44 KKoonnzzeennttrraattiioonn Unter Konzentration versteht man in der Wettbewerbstheorie die Ballung ökonomischer Macht von Unternehmen. Damit kann Preissetzungsmacht gemeint sein; gelegentlich bereitet wie oben bereits angesprochen auch der Einfluss großer Unternehmen auf politische Prozesse Sorge. Konzentration wird über die Marktanteile gemessen, wobei die Abgrenzung des relevanten Marktes naturgemäß eine zentrale Rolle spielt. Die Wettbewerbstheorie geht davon aus, dass <?page no="238"?> 4 Konzentration 239 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Konzentration die Wettbewerbsintensität beeinträchtigt. Auf vermachteten Märkten verringert sich der Anreiz, neue Produkte oder Verfahren einzuführen. Aber nicht nur die dynamischen, sondern auch die statischen Wettbewerbsfunktionen könnten gestört sein. Auch der Druck, ständig die Effizienz zu steigern, nimmt ab. Wie am Beispiel des Monopols dargestellt wurde, sind marktmächtige Unternehmen in der Lage, Kunden und Lieferanten auszubeuten. Steigende Marktanteile der größeren Unternehmen am Markt können sich durch internes Wachstum ergeben. Sind einzelne Unternehmen besonders erfolgreich, dann wachsen sie schneller als der Restmarkt. Damit liegt eine Rückkoppelung zwischen den Marktergebnissen früherer Perioden und der heutigen Marktstruktur vor. Die Daimler AG kam bis in die Achtzigerjahre ohne Übernahmen aus und war bis dahin ein gutes Beispiel für internes Wachstum. Für die Wettbewerbshüter besteht vor allem im Falle des externen Wachstum eine Eingriffslegitimation. Dabei kann es sich um Unternehmenszusammenschlüsse (merger) oder den Erwerb von Unternehmen (aquisitions) handeln. Darüber hinaus spielen Gemeinschaftsunternehmen und strategische Allianzen eine zunehmend wichtige Rolle. Neben der horizontalen Konzentration, die sich typischerweise auf eine Branche oder auf einem Markt bezieht, gibt es die vertikale Konzentration entlang der Wertschöpfungskette, die konglomerate Konzentration auf Märkten, die in keiner Beziehung zueinander stehen und die informelle Konzentration durch personelle Beziehungsgeflechte etwa in Aufsichtsgremien oder durch Networking. Obwohl diese letztgenannten Formen der Konzentration an Bedeutung gewinnen, beschränken sich die folgenden Ausführungen weitgehend auf den einfachsten Fall der horizontalen Konzentration. Unternehmen kaufen aus einer Reihe von Motiven andere Unternehmen auf oder schließen sich mit ihnen zusammen: Motive, die die Kostenseite betreffen, können economies of scale (Massenproduktionsvorteile) oder economies of scope (Verbundvorteile) sein. Sind Letztere gegeben, dann sprechen die beteiligten Unternehmen von Synergieeffekten: wenn zwei Banken fusionieren, wird im Allgemeinen das Filialnetz angepasst. Technologieunternehmen könnten ihre Forschungsaktivitäten zusammenlegen. In beiden Fällen sinken die Fixkosten. Dagegen deuten economies of scale auf mindestoptimale Betriebsgrößen und sinkende Durchschnittskosten hin. Kommen dagegen Motive auf der Erlösseite zum Tragen, dann erhofft man sich vom Partner jeweils einen besseren Marktzugang. Das kann einen Auslandsmarkt wie im Fall Daimler/ Chrysler betreffen. Im Falle von Beteiligungen der Stromerzeuger an zahlreichen Stadtwerken betraf das nachgelagerte Märkte. Erlösmotive sind ebenfalls im Spiel, wenn Marktmacht <?page no="239"?> 240 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service erlangt oder ausgebaut werden soll. Unternehmer haben ein latentes Interesse daran, sich dem Wettbewerbsdruck teilweise zu entziehen. Schließlich gibt es ein Bündel von Motiven, die weder der Erlösnoch der Kostenseite zuzuordnen sind. Durch Fusionen steigen die Macht, das Ansehen und die Entlohnung des Top-Managements. Folglich haben Manager erhebliche Anreize, Fusionen auch dann voranzutreiben, wenn sie sich langfristig als unsinnig erweisen. Dies wird von Leitbildern wie dem shareholder value unterstützt. Da der Börsenwert von Unternehmen durch Zusammenschlüsse kurzfristig meist zunimmt, ist es ein weiteres Argument, diese voranzutreiben. Bei den meisten Fusionen steht nicht nur eines dieser Motive im Vordergrund häufig sind die Gründe kaum zu trennen. Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass weniger als ein Drittel aller Fusionen im Nachhinein wirklich als erfolgreich gelten kann. Gemessen wird die Konzentration auf einem Markt oder innerhalb einer Branche durch Konzentrationsraten (concentration rate) CR3 erfasst den Marktanteil der drei größten Unternehmen einer Branche, CR10 den der größten zehn. Die Monopolkommission weist regelmäßig darauf hin, dass die Konzentration auf einem Markt nur ein Indikator für Marktmacht ist. Sie rät davon ab, allein die Konzentration zur Beurteilung der Wettbewerbssituation auf einem Markt heranzuziehen. Nimmt die Konzentration zu, dann kann das zwar auf eine nachlassende Wettbewerbsintensität hindeuten, ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Das Bundeskartellamt verfährt bei der Fusionskontrolle nach § 35 ff GWB. Damit soll das Entstehen von marktbeherrschenden Stellungen durch Zusammenschlüsse oder Übernahmen verhindert werden. Nach dem Aufgreifkriterium (§ 37) sind Fusionen zu prüfen, wenn dadurch eine Beteiligung von mindestens 25 % entsteht. Der Ablauf eines Fusionskontrollverfahrens ist in Abbildung 70 dargestellt. Zunächst ist zu fragen, ob es sich gemäß § 35 GWB um einen Zusammenschluss kleiner Unternehmen handelt. Diese Bagatellklausel greift, wenn der Umsatz aller beteiligten Unternehmen weltweit 500 Mio. unterschreitet und keines der beteiligten Unternehmen im Inland pro Jahr Umsätze von mehr als 25 Mio. erwirtschaftet. Kleine Fusionen sind mit der Anzeige bei Bundeskartellamt genehmigt. Alle übrigen Fusionen sind dagegen anmeldepflichtig und werden hinsichtlich ihrer Wettbewerbswirkungen geprüft. In einem ersten Schritt ist festzustellen, ob eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Die Marktbeherrschung ist in § 18 GWB geregelt. Sie liegt vor, wenn die zusammengeschlossenen Unternehmen keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt sind. Marktbeherrschung wird vermutet, wenn die beteiligten Unternehmen auf dem relevanten <?page no="240"?> 4 Konzentration 241 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Markt bestimmte Konzentrationsraten überschreiten (CR1 > 1/ 3, CR3 > 1/ 2 oder CR5 > 2/ 3). Abbildung 70: Das Fusionskontrollverfahren Dies gilt nicht, wenn die Unternehmen im Zuge der Beweislastumkehr plausibel machen können, dass die Wettbewerbsbedingungen zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder die Gesamtheit der Unternehmen im Verhältnis zu den übrigen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat. Fusionen, bei denen dies greift, werden freigegeben. Bei allen anderen Verfahren ist gemäß der Abwägungsklausel (§36 GWB) zu prüfen, ob durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen zu erwarten sind und ob diese Verbesserungen die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen. Ist dies gegeben, dann wird die Fusion ebenfalls erlaubt. BBagatellklausel Zusammenschluss kleiner Unternehmen? Fusionsvorhaben anzeigenpflichtig JA Prüfverfahren des Kartellamts Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung Abwäägungsklausel Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen, die die Nachteile der Marktbeherrschung überwiegen? NEIN JA NEIN JA Fusionsvorhaben wird erlaubt auf Antrag: Ministererlaubnis Gesamtwirtschaftliche Vorteile? Überragendes Interesse der Allgemeinheit? NEIN NEIN Fusionsvorhaben bleibt untersagt JA Fusionsvorhaben wird untersagt <?page no="241"?> 242 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service Unternehmen, deren Fusionsanmeldung vom Bundeskartellamt abschlägig beschieden wurde, können beim Bundesminister für Wirtschaft einen Antrag auf Erlaubnis stellen. Diese so genannte Ministererlaubnis wird gemäß § 42 GWB gewährt, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist. Insgesamt folgen die deutsche ebenso wie die ähnlich strukturierte europäische Fusionskontrolle dem Strukturansatz, nach dem Marktmacht a priori verhindert werden soll. Mit Blick auf die Konzentration einiger Branchen und unter Berücksichtigung der geringen Verbotsquote wird gelegentlich die Wirkungslosigkeit der Fusionskontrolle beklagt. Zwei Aspekte geraten dabei jedoch aus dem Blickfeld: zum einen gilt die Fusionskontrolle trotz aller Schlupflöcher und Ausnahmetatbestände im internationalen Vergleich durchaus als restriktiv. Andererseits verhindern die skizzierten gesetzlichen Vorgaben, dass aussichtslose Fusionsvorhaben überhaupt erst angemeldet werden. FFaallllssttuuddiiee 1155: : GGeenneehhmmiigguunngg eeiinneerr FFuussiioonn uunntteerr AAuuffllaaggeenn Im Jahr 2008 hat das Bundeskartellamt die Übernahme des Discounters PLUS durch EDEKA unter Auflagen genehmigt. Eine Auflage war, dass die PLUS-Mutter Tengelmann vor dem Vollzug der Fusion knapp 400 PLUS- Filialen an Dritte abgibt. Das Kartellamt wollte damit eine weitere Konzentration auf einigen regionalen Märkten verhindern. Eine weitere Auflage war der Verzicht auf die geplante Beschaffungskooperation zwischen EDEKA und Tengelmann. Begründet wurde dies auch damit, dass sich der Wettbewerb im Lebensmittelhandel weiter verringert hat. EDEKA, REWE, ALDI, LIDL und Tengelmann hatten gemeinsam einen Marktanteil von knapp 90 %. Begründen Sie, in welchen Fällen die Genehmigung eines Zusammenschlusses unter Auflagen sinnvoll erscheint. 55 MMiissssbbrraauucchh vvoonn MMaarrkkttmmaacchhtt Anders als die Fusionskontrolle folgt die Missbrauchsaufsicht dem Verhaltensansatz: Marktmacht ist demnach so lange kein Problem, wie sie nicht wettbewerbsbeschränkend ausgenutzt wird. Auch dieses Element findet sich im deutschen wie im europäischen Wettbewerbsrecht. Der Missbrauch von Marktmacht kann vorliegen, wenn Marktmacht gegeben ist und wenn ein Missbrauch dieser Marktmacht nachgewiesen werden kann. Man unterscheidet Behinderungs- und Ausbeutungsmissbrauch: <?page no="242"?> 5 Missbrauch von Marktmacht 243 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Behinderungsmissbrauch liegt vor, wenn ein Unternehmen die Wettbewerbsmöglichkeiten von Wettbewerbern ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt (unbillige Behinderung) oder wenn Abnehmer oder Lieferanten bezüglich der Konditionen ungleich behandelt werden (Diskriminierung). Hierunter fallen Behinderungen potentieller Konkurrenten beim Markteintritt etwa durch Dumpingpreise oder Boykotte ebenso wie Ausschließlichkeitsbindungen, Preisbindungen oder Kopplungsgeschäfte. Dagegen spricht man von Ausbeutungsmissbrauch, wenn unangemessene Geschäftsbedingungen, d.h. zu hohe Absatzpreise oder zu niedrige Beschaffungspreise durchgesetzt werden. Das Verfahren zur Verfolgung von Machtmissbrauch sieht vor, dass das Kartellamt zunächst Marktbeherrschung nach § 18 GWB zu prüfen hat. Während dies durch die Beweislastumkehr relativ praktikabel ist, hängen die Ergebnisse einer Prüfung wie bei der Fusionskontrolle erwähnt wesentlich von der Abgrenzung des relevanten Marktes ab. Enge Marktabgrenzungen, wie sie im Zweifel von den Kartellbehörden vorgenommen werden, führen eher zur Feststellung von Marktmacht als die von den betroffenen Unternehmen meist bevorzugten weiten Abgrenzungen. Selbst wenn von Marktmacht gegenüber Lieferanten oder Abnehmern auszugehen ist, erweist sich der Nachweis eines Machtmissbrauchs im Einzelfall oft als schwierig. Um Ausbeutung zu identifizieren, muss beispielsweise gezeigt werden, welche Marktergebnisse sich ohne Marktmacht und Missbrauch ergeben hätten. Mit dem Vergleichsmarktkonzept wird beispielsweise versucht, Marktergebnisse mit denen wettbewerbsintensiver Märkte zu vergleichen. Dies könnte beispielsweise ein ausländischer Markt oder sonstiger vergleichbarer Markt sein. Werden auf dem untersuchten Markt dauerhaft höhere Preise als auf dem Vergleichsmarkt erzielt, deutet das auf Machtmissbrauch hin. Allerdings ist jeder Markt anders: ob Wettbewerbsbeschränkungen vorliegen, kann deshalb kaum gerichtsfest nachgewiesen werden. Beim Diskriminierungsverbot stellt sich die Frage, wo fairer Wettbewerb einschließlich der Möglichkeit zu Preis- und Produktdifferenzierung endet und wo entsprechend unbillige Ungleichbehandlungen beginnen. Leichter wird der Nachweis dagegen, wenn Behinderungen oder Beschränkungen vorliegen und diese konkret von dem oder den benachteiligten Unternehmen beim Kartellamt angezeigt werden. Aber auch in solchen Fällen ist es manchmal problematisch, im Sinne des GWB zwischen gerade noch fair und Foul zu unterscheiden. <?page no="243"?> 244 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service FFaallllssttuuddiiee 1166: : DDiiee EEuurrooppääiisscchhee KKoommmmiissssiioonn ggeeggeenn MMiiccrroossoofftt Im Jahr 2004 hat die Kommission gegen Microsoft eine Geldbuße in Höhe von 497 Mio. wegen Missbrauchs seiner Marktmacht in der EU verhängt. Microsoft habe sein Monopol bei Betriebssystemen auf den Markt für Medienabspielprogramme ausgedehnt. Die Kommission verlangte außerdem, dass Microsoft innerhalb von 90 Tagen PC-Herstellern die Möglichkeit gibt, das Windows-Betriebssystem auch ohne den Windows Media Player zu erwerben. Das Europäische Gericht hat dies 2007 in erster Instanz bestätigt. 2008 hat die Kommission eine weitere Geldstrafe in Höhe von 899 Mio. wegen weitgehender Nichtbeachtung der Verfügung durch Microsoft verhängt. 2013 kamen weitere 561 Mio. hinzu, weil das Unternehmen nach Auffassung der EU-Kommission mit Windows den Internet-Explorer bevorzugt und damit andere Anbieter von Web-Browsern benachteiligt hat. Finden Sie und kommentieren Sie ein aktuelles Missbrauchsverfahren der Europäischen Kommission. 66 ZZuurr WWiirrkkssaammkkeeiitt ddeerr WWeettttbbeewweerrbbssppoolliittiikk Gelegentlich klagen Fachleute über die Schwächen der Wettbewerbspolitik. Die Wirksamkeit sowohl der deutschen als auch der europäischen Wettbewerbspolitik ist dadurch beeinträchtigt, dass ein operationalisierbares Leitbild fehlt, Institutionen und Entscheidungsstrukturen Mängel aufweisen und zumindest auf der europäischen Ebene strukturpolitische, industriepolitische oder forschungspolitische Entscheidungen die Wettbewerbspolitik überlagern. Das deutsche Wettbewerbsrecht ist durch eine Reihe von Ausnahmetatbeständen gekennzeichnet. Darüber hinaus treten im Einzelfall oft Schwierigkeiten beim Nachweis von Machtmissbrauch und bei der Abgrenzung des relevanten Marktes auf. Durch den europäischen Binnenmarkt und die Internationalisierung der Wirtschaft sind Wettbewerbsverstöße immer seltener allein auf den deutschen Markt begrenzt. Sind mehrere nationale Märkte von potentiellen Wettbewerbsverstößen betroffen, dann ist die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Union zuständig. Das europäische Wettbewerbsrecht dagegen ist einerseits strenger als das deutsche, weil es weniger Ausnahmen kennt. Andererseits ist der relevante Markt naturgemäß weiter abzugrenzen, so dass eine marktbeherrschende Stellung nicht so leicht erreicht wird. Die europäische Wettbewerbspolitik folgt stärker dem Verhaltensansatz sie ist in angloamerikanischer Tradition flexibler, aufgrund der Abwägung <?page no="244"?> 6 Zur Wirksamkeit der Wettbewerbspolitik 245 http: / / www.uvk-lucius.de/ service von Vor- und Nachteilen potentiell wettbewerbsbeschränkender Strategien im Einzelfall aber auch angreifbarer. Gegen Verfügungen und Bußgeldbescheide des Kartellamts und der Generaldirektion Wettbewerb kann in jeweils zwei Instanzen geklagt werden. Während dies bei Fusionen wegen der langen Entscheidungswege selten in Anspruch genommen wird, lohnt sich der Rechtsweg für die Unternehmen im Falle von Absprachen und Machtmissbrauch, weil die Gerichte in der Vergangenheit nicht selten zumindest teilweise im Sinne der Unternehmen entschieden haben. Bei Fusionsverfahren verbleibt den Beteiligten als Kompromiss die Genehmigung unter Auflagen, mit der die Kartellbehörden meist das aus ihrer Sicht Schlimmste verhindern können, ohne die beteiligten Unternehmen bei ihrer langfristigen Planung zu stark einzuschränken. Bei aller Kritik gegen die Wettbewerbspolitik muss hervorgehoben werden, dass die Kartellbehörden durch ihre Tätigkeit sicher dazu beitragen, dass wettbewerbsbeschränkende Strukturen und Verhaltensweisen auf den Märkten Einschränkungen unterliegen. Allein dies dürfte viele Unternehmen davon abhalten, den Wettbewerb zu beschränken. Eine abschließende Bewertung ist allerdings kaum möglich niemand kann sagen, wie hoch der Konzentrationsgrad der Wirtschaft sowie die Zahl und die Intensität von Wettbewerbsverstößen wäre, wenn die Kartellbehörden nicht oder nicht in diesem Maße tätig werden könnten. <?page no="245"?> 246 Kapitel 15: Grundzüge der Wettbewerbspolitik http: / / www.uvk-lucius.de/ service ZZuussaammmmeennffaassssuunngg Wettbewerb soll gute Marktergebnisse zu jedem Zeitpunkt sicherstellen. Sind die statischen Wettbewerbsfunktionen erfüllt, dann erfolgt die Produktion bedarfsgerecht und kostengünstig. Die dynamischen Wettbewerbsfunktionen sichern den technischen Fortschritt über neue Produkte und Prozesse. In Deutschland betreibt das Bundeskartellamt die Regulierung des Wettbewerbs auf Basis des GWB. Beraten wird die Behörde von der Monopolkommission. Sowohl das europäische als auch das deutsche Wettbewerbsrecht kennen als Wettbewerbsbeschränkungen (1) Kartelle und abgestimmtes Verhalten, (2) Konzentration und (3) den Missbrauch von Marktmacht. Kartelle, Verhaltensabstimmungen und der Machtmissbrauch sind verboten, Fusionsvorhaben dagegen von den Kartellbehörden zu prüfen. Jeder Markt ist anders. Deshalb verbleiben in der wettbewerbspolitischen Praxis immer Interpretationsspielräume strittig ist beispielsweise häufig die richtige Marktabgrenzung. Bei Missbrauch von Marktmacht ist letztlich für jeden Einzelfall zu entscheiden, ob das Marktverhalten von Unternehmen gerade noch wettbewerbskonform oder schon Foulspiel ist. WWiicchhttiiggee SScchhllaaggwwöörrtteerr ► Statische und dynamische Wettbewerbsfunktionen ► Harmoniethese ► workable competition ► Marktöffnungspolitik ► Strukturansatz ► Verhaltensansatz ► Kartelldisziplin ► vertikale Konzentration ► economies of scope ► Konzentrationsraten ► Abwägungsklausel Wichtige Schlagwörter sind im Glossar am Buchende erklärt. <?page no="246"?> 6 Zur Wirksamkeit der Wettbewerbspolitik 247 http: / / www.uvk-lucius.de/ service WWiieeddeerrhhoolluunnggssffrraaggeenn [1] Nennen Sie je ein Beispiel für Ausschließlichkeitsbindungen, Preisbindungen, Kopplungsgeschäfte und Liefersperren. Welche davon sind nach deutschem Wettbewerbsrecht zulässig, welche nicht? [2] Anlässlich der KARSTADT-Krise wurde im Sommer 2009 eine Übernahme der meisten Kaufhausstandorte durch die METRO AG angeregt. Maßgebliche Stimmen von KARSTADT äußerten daraufhin Zweifel, ob das Kartellamt dies überhaupt genehmigen würde. Grenzen Sie den Markt ab und geben Sie eine schematische Übersicht über das deutsche Verfahren zur Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen. Formulieren Sie dabei vier wichtige Prüffragen und zeigen Sie anhand Ihrer Ergebnisse, dass diese Zweifel vermutlich unberechtigt waren. [3] Welche Arten von parallelem Preisverhalten sind Ihnen bekannt? Welche davon könnten wettbewerbspolitisch relevant sein? Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Ergebnisse auf dem Mineralölmarkt? Lösungshinweise finden Sie im Web-Service. <?page no="248"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service GGlloossssaarr ► Abwägungsklausel Nach der Abwägungsklausel im GWB ist zu prüfen, ob entstehende Marktmacht auf einem betrachteten Markt durch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf vor- oder nachgelagerten Märkten kompensiert werden. ► Allokation Verteilung von →Produktionsfaktoren bzw. →Gütern auf alternative Verwendungs- oder Produktionszwecke, Produktionsstruktur einer Volkswirtschaft. ► optimale Allokation Produktionsstruktur, mit der mit gegebener Faktorausstattung der größtmögliche gesellschaftliche →Nutzen erreicht wird (vgl. Pareto-Effizienz). ► Allokationspolitik des Staates Ergänzung des Marktmechanismus durch Gesetze und Regeln, durch staatlichen Instrumenteneinsatz oder durch →Regulierung . ► Amoroso-Robinson-Relation Diese Beziehung beschreibt den Zusammenhang zwischen →Grenzkosten, Preis und →Preiselastizität der Nachfrage: Je preiselastischer die Nachfrage, desto weniger übertrifft der Preis die Grenzkosten. ► Angebotskurve Die Angebotskurve stellt die Abhängigkeit der von den Unternehmen geplanten Angebotsmenge vom jeweiligen Marktpreis dar, sofern alle übrigen Angebotseinflüsse unverändert bleiben. ► Angebotsüberschuss Situation, bei der zum herrschenden Preis c.p. mehr Güter angeboten als nachgefragt werden. ► Arbeitsteilung Organisation der Produktion bei der sich einzelne Personen, Unternehmen, Wirtschaftszweige, Regionen oder auch Staaten auf bestimmte Tätigkeiten spezialisieren, um so eine höhere →Produktivität zu erzielen. ► Arbitrage Ausnutzen zeitlicher oder räumlicher Preisdifferenzen durch Händler oder Spekulanten. Dies trägt im Allgemeinen zur Verminderung von regionalen Preisdifferenzen und zur Bildung effizienter Preiserwartungen bei. ► Betriebsgröße maximal mögliche Produktionsmenge eines Unternehmens. (auch: Kapazität) bestimmt sich kurzfristig durch die Ausstattung des Unternehmens mit Produktionsfaktoren. ► Betriebsgröße, mindestoptimale (auch MOB) Produktionsmenge, bei der in einer langen Frist die minimalen Stückkosten erreicht werden Minimum der langfristigen Durchschnittskosten. Hohe MOB gelten in der Wettbewerbstheorie als Grund für die hohe Konzentration einiger Branchen. ► Betriebsminimum Produktionsmenge, bei der Preis, Grenzkosten und variable Durchschnittskosten gleich sind. Minimum der variablen Durchschnittskosten. ► Betriebsoptimum Produktionsmenge, bei der Preis, →Grenzkosten und →Durchschnittskosten gleich sind. Typischerweise liegt auch ein Durchschnittskostenminimum vor, so dass das Güterangebot effizient erstellt wird. <?page no="249"?> 250 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service ► Budgetgerade Geometrischer Ort möglicher Konsumkombinationen im 2-Güter-Fall, sofern Preise und Konsumbudget gegeben sind. ► ceteris-paribus lat.: unter sonst gleichen Bedingungen (c.p.). ► Cournot-Punkt gewinnmaximale Preis-Mengen-Kombination des Monopolisten. ► Deduktion Methode, bei der unter bestimmten Annahmen über die Rahmenbedingungen und über das Verhalten von Wirtschaftseinheiten durch Logik und formale Methoden Hypothesen formuliert werden. ► Deregulierung Abbau marktübergreifender Wettbewerbsbeschränkungen, staatlicher Vorschriften und institutioneller Markteintrittsschranken (vgl. Regulierung). ► Diskriminierung Ungleichbehandlung unter vergleichbaren Marktbedingungen bei Marktmacht (allgemein: Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht, Religion oder Herkunft). ► Distribution Zuteilung von Gütern oder Verteilung der Einkommen auf einzelne Wirtschaftseinheiten in einer arbeitsteiligen Wirtschaft. ► Distributionspolitik des Staates Korrektur der primären Einkommensverteilung durch Umverteilung bzw. Garantie einer sozialen Mindestsicherung mit dem Ziel, neben wirtschaftlichen Zielen auch auf eine als gerecht angesehene Einkommensverteilung hinzuwirken. ► Dringlichkeit der Nachfrage Haushalte oder Unternehmen sind nur schwer in der Lage, auf ein Gut oder einen Produktionsfaktor zu verzichten es ist kaum substituierbar und weist daher eine geringe →Preiselastizität der Nachfrage auf. ► Dynamischer Wettbewerb Wirtschaftlicher Wettbewerb, der gute Marktergebnisse über längere Zeiträume sicherstellen soll. Meist ist allerdings der von Schumpeter beschriebene Wettlauf um →Innovationen (Produkt- oder Prozessinnovationen) gemeint. ► Effizienz Aus gegebenen Mittel ein optimales Ergebnis erreichen gemeint ist also die wirtschaftliche Nutzung verfügbarer Ressourcen in einer kurzen Frist. Als Referenzzustand für Effizienz dient häufig die Summe aus →Produzentenrente und →Konsumentenrente im →Konkurrenzmarkt. ► Eigentumsordnung Grundfrage in einer arbeitsteiligen Wirtschaft, bei die Eigentumsrechte beispielsweise am Sachkapital entweder einzelnen Personen (Privateigentum) oder einer Gruppe (Kollektiveigentum) zugeordnet sein können. ► Einkommens-Konsum-Kurve Geometrischer Ort aller optimalen Konsumpläne bei steigendem Einkommen. Gibt an, wie sich die Konsumstruktur eines Haushalts bei steigendem Einkommen c.p. verändert. ► Einkommenselastizität Die Einkommenselastizität zeigt, um wie viel Prozent sich die Nachfragemenge im Falle einer Einkommensänderung bei sonst unveränderten Nachfragebedingungen verändert. ► Engel-Kurve Der Zusammenhang zwischen Einkommen und Nachfragemenge unter sonst gleichen Bedingungen heißt Engel-Kurve. Steigende Einkommen führen im Allgemeinen zu einer steigenden Nachfrage. ► Expansionspfad Die Verbindungslinie der →Minimalkostenkombinationen ist der Expansionspfad. Entlang des Expansionspfades ent- <?page no="250"?> Glossar 251 http: / / www.uvk-lucius.de/ service spricht die →Grenzrate der technischen Substitution dem gegebenen Faktorpreisverhältnis und ist unabhängig vom jeweiligen Produktionsniveau überall gleich. ► Externalitäten (auch: externe Effekte) Externalitäten treten auf, wenn bei der Produktion oder beim Konsum von Gütern Vorteile oder Nachteile für Unbeteiligte entstehen, ohne dass diese über Marktpreise abgegolten werden. Externe Effekte können in Form externer Erträge oder externer Kosten auftreten. ► Faktoren (auch: Produktionsfaktoren) Alle in die Produktion eingehende Inputs neben den Primärfaktoren Arbeit, Boden und Kapital sind dies Rohstoffe, Materialien und Dienstleistungen (Vorleistungen). ► Faktornachfrage Die Faktornachfrage gibt die Beziehung zwischen der nachgefragten Faktormenge und dem zugehörigen Faktorpreis wieder, wobei der Güterpreis, sonstige Faktorpreise und der Stand des technischen Wissens unverändert bleiben. ► Faktorvariation, partielle Analyse der Veränderungen der Produktionsmenge, wenn ein Produktionsfaktor variiert wird und alle anderen konstant bleiben. Die partielle Faktorvariation ist in der kurzen Frist relevant. ► Faktorvariation, totale Analyse der Veränderungen der Produktionsmenge, wenn alle Produktionsfaktoren in prozentual gleichem Maße variiert werden. Bei der totalen Faktorvariation bleiben die →Faktorintensitäten unverändert. ► Faktorverbrauchsfunktion Umkehrung der Produktionsfunktion. Hier stellt sich die Frage, wie sich der Verbrauch eines Produktionsfaktors verändert, wenn sich die Produktionsmenge zunimmt und alle übrigen Produktionsfaktoren unverändert bleiben. ► Fixkostendegression Eigenschaft kurzfristiger Kostenfunktionen. Sie ist gegeben, wenn die fixen Kosten pro Stück mit zunehmender Produktionsmenge kleiner werden. ► Flexibilität des Angebots Beschreibt die →Preiselastizität des Güterangebotes. Bei einem flexiblen Güterangebot können die Unternehmen weitere Mengeneinheiten zu kaum erhöhten Preisen anbieten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Unternehmen ihre Kapazitäten nicht auslasten. Ein Nachfrageanstieg wird dann zu geringen Preissteigerungen führen. ► Fortschritt, technischer Ist der Teil des Produktionswachstums, der nicht durch einen vermehrten Einsatz von →Faktoren entsteht. Insbesondere wenn das wirtschaftliche Wachstum zu analysieren ist, kommt dem technischen Fortschritt eine besondere Bedeutung zu. ► Gesetz der Nachfrage Mit steigendem Preis eines Gutes wollen die Konsumenten unter sonst unveränderten Bedingungen weniger Mengeneinheiten konsumieren (vgl. Gossen sche Gesetze). ► Gesetz des einheitlichen Preises Ergebnis auf einem →vollkommenen Konkurrenzmarkt. Dort sind Preisunterschiede zwischen den Anbietern ausgeschlossen (law of one price). Aufgrund der fehlenden sachlichen oder räumlichen Marktsegmentierung und der vollständigen Information muss der Preis für alle Marktteilnehmer gleich sein. ► Gleichgewichtsmechanismus Anpassungsvorgänge, die dazu führen, dass nach Veränderungen von Rahmendaten ein neues Marktgleichgewicht erreicht wird. Im Allgemeinen postuliert man , dass →Angebotsüberschüsse zu sinkenden und Nachfrageüberschüsse zu steigenden Preisen führen. ► Gossensches Gesetz, erstes Das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens (→ Nutzen, Grenz-) besagt, dass der zusätz- <?page no="251"?> 252 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service liche Nutzen einer Gütereinheit mit zunehmendem Konsum abnimmt. ► Gossensches Gesetz, zweites Die auf die jeweiligen Güterpreise bezogenen →Grenznutzen sind gleich. Die optimale Konsumentscheidung ist dadurch zu kennzeichnen, dass die Haushalte Ihren Nutzen bei gegebenem Einkommen und gegebenen Güterpreisen nicht mehr durch Umschichten ihrer Güternachfrage steigern können. ► Grenzkosten →Kosten (Grenz-) ► Grenznutzen →Nutzen (Grenz-) ► Grenzproduktivität →Produktivität (Grenz-) ► Grenzproduktivitätentheorie Die reale Entlohnung der Faktoren erfolgt nach ihrer →(Grenz)Produktivität. Das bedeutet, dass die Grenzproduktivität der letzten eingesetzten Faktoreinheit den auf den Güterpreis bezogenen Faktorpreis nicht unterschreiten sollte. Oder vereinfachend ausgedrückt: der Einsatz von Produktionsfaktoren muss sich für gewinnmaximierende Unternehmen lohnen. ► Grenzrate der Substitution Die GRS gibt an, auf wie viele Einheiten eines Gutes ein Haushalt verzichten würde, um eine zusätzliche Einheit eines anderen Gutes konsumieren zu können. Dieses nutzenneutrale Austauschverhältnis entspricht in einer graphischen Analyse der Steigung einer →Indifferenzlinie. ► Grenzrate der technischen Substitution Die GRTS gibt an, durch wie viele Einheiten eines Produktionsfaktors der Wegfall einer Einheit eines anderen Produktionsfaktors ersetzt werden kann, ohne dass sich die Produktion verändert. Gemessen wird also die Steigung einer →Isoquanten. ► Güter Waren und Dienstleistungen, die zur Befriedigung von Bedürfnissen eingesetzt werden. ► Güter, freie Im Überfluss vorhandene und deshalb nicht knappe Güter, die keinen Preis haben. ► Güter, homogene Im Modell des →vollkommenen Konkurrenzmarkts ist das Angebot verschiedener Unternehmen qualitativ nicht zu unterscheiden. Es gibt keinerlei Bindungen des Produktes (sachlich) oder des Produzenten (personell) an den Konsumenten. Auch räumliche Aspekte spielen im Modell keine Rolle. ► Güter, meritorische Dabei handelt es sich um Güter, deren Nutzen die Konsumenten nicht in vollem Umfang wahrnehmen. Damit die Bürger diese Leistungen in stärkerem Umfang in Anspruch nehmen, stellt der Staat sie kostengünstig zur Verfügung (z.B. kulturelle Dienstleistungen). Gegenteil: demeritorische Güter. ► Güter, öffentliche Öffentliche Güter stellt der Staat zur Verfügung und finanziert die Produktion oder Bereitstellung durch Steuern. Bei echten öffentlichen Gütern versagt der Ausschlussmechanismus und es besteht keine →Rivalität im Konsum (auch: Kollektivgüter) ► GWB Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Kartellgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in dem Kartelle und Absprachen, Übernahmen und Fusionen sowie die missbräuchliche Ausnutzung von Marktmacht behandelt werden. ► Harmoniethese Begriff aus der Wettbewerbstheorie, nach der ein freier Wettbewerb bei möglichst niedrigen →Markteintrittsbarrieren per se zu guten Marktergebnissen führt (vgl. angreifbare Märkte). <?page no="252"?> Glossar 253 http: / / www.uvk-lucius.de/ service ► Höchstpreis Eingriff des Staates in den Preismechanismus. Ein Höchstpreis kann festgelegt werden, wenn der Gleichgewichtspreis als ungerechtfertigt hoch empfunden wird. Vorsicht ist geboten, weil staatliche Preisfixierungen von Ökonomen im Allgemeinen als nicht →marktkonform angesehen werden (→Mindestpreis). ► homo oeconomicus Gut informierte Wirtschaftssubjekte, die sich auf Märkten friktionslos an neue Rahmenbedingungen anpassen und sich in ihren Entscheidungen ausschließlich vom eigenen Nutzen leiten lassen. Den rigorosen homo oeconomicus gibt es in der Realität nicht, die Annahme des eigennützigen Verhaltens vereinfacht aber die Analyse. ► Homogenität Eigenschaft einer speziellen Klasse von →Produktionsfunktionen. Solange das Faktorpreisverhältnis unverändert bleibt, verändert sich das Faktoreinsatzverhältnis bei steigenden Produktionsmengen nicht. In einer graphischen Analyse lägen dann sämtliche →Minimalkostenkombinationen auf einem Ursprungsstrahl. ► Humankapital Kenntnisse und Fähigkeiten der Arbeitnehmer als wichtige Determinante des →Wirtschaftswachstums. Investitionen in Humankapital erfolgen durch Schulen und Bildungsinstitutionen, aber auch durch berufliche Bildung und Erfahrung (→Lerneffekte). ► Hypothese Als Kern jeder Theorie beschreiben Hypothesen Ursache-Wirkungszusammenhänge als wenn, dann Aussagen. Das Wenn deutet den auslösenden Impuls an. Unter klar definierten Bedingungen führt die Veränderung einer Variablen zu Reaktionen einer anderen Variablen. ► Indifferenzlinie Geometrischer Ort aller Güterkombinationen, die ein Haushalt als gleichwertig betrachtet. ► Isokostengerade Eine Isokostengerade gibt für konstante Faktorpreise alternative Faktoreinsatzrelationen wieder, die alle zum gleichen Kostenniveau führen. ► Isoquante Geometrischer Ort aller Faktorkombinationen, die zum gleichen Output führen (→Produktionsfunktion, substitutionale). ► Kapitalintensität →Faktorintensität, die den Sachkapitalbestand pro Arbeitsplatz darstellt. ► Kapitalmarkt Auf dem Kapitalmarkt stehen sich das Angebot und die Nachfrage nach Finanzkapital gegenüber. Gehandelt werden festverzinsliche Wertpapiere, Aktien und Derivate. Ort des Handels sind meist Börsen. ► Kartell Kartelle und andere Formen der Verhaltensabstimmung betreffen Vereinbarungen zwischen Konkurrenten über den Einsatz absatzpolitischer Instrumente. Beides ist nur in Ausnahmefällen zulässig. Gegenstand der unerwünschten Kooperation sind meist die Preisgestaltung und eine Aufteilung des Marktes. ► Kaufkrafteffekt Dieser Effekt tritt in Zusammenhang mit der Konsumentscheidung auf. Steigende Preise reduzieren bei unverändertem Einkommen die Konsummöglichkeiten der Haushalte. Die →Budgetgerade dreht sich. Haushalte reduzieren daraufhin ihre Nachfrage nach Maßgabe der →Einkommenselastizität. ► Knappheit Knappheit tritt auf, wenn prinzipiell unbegrenzte Konsumwünsche auf gegebene Produktionsmöglichkeiten treffen. ► Konkurrenz Konkurrenz bezeichnet ein rivalisierendes Verhalten, bei dem mehrere Akteure auf der Angebotsseite und auf der Nachfrageseite <?page no="253"?> 254 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service von Märkten individuell ihre Gewinne bzw. den Grad Ihrer Bedürfnisbefriedigung maximieren. ► Konkurrenzmarkt, vollkommener Der vollkommene Konkurrenzmarkt ist ein Modell, bei dem kein einziger Akteur →Marktmacht besitzt und für den das →Gesetz des einheitlichen Preises gilt. Annahmen sind u.a. atomistische Angebots- und Nachfragestrukturen, →homogene Güter und die Abwesenheit von Marktunvollkommenheiten. ► Konkurrenz, monopolistische Wenn einzelne Anbieter sich als →Preissetzer verhalten, obwohl es mehrere Anbieter gibt, dann spricht man von monopolistischer Konkurrenz. Wenn es inhomogene Güter (Markenprodukte) und Kundenbindung gibt, dann verfügen die Anbieter über →Marktmacht. Diese Macht muss nicht so umfassend sein wie im Monopol, obwohl die individuellen →Preis-Absatz-Funktionen eine negative Steigung haben. ► Konsumentenrente Konsumenten auf Gütermärkten sind meist bereit, mehr als den Marktpreis für eine Gütereinheit zu zahlen. Summiert man über alle realisierbaren individuellen Nachfragepläne, dann ergibt sich die Konsumentenrente als Differenz zwischen Zahlungsbereitschaft und Konsumausgaben. ► Konsumentensouveränität Unter dieser Annahme entscheidet ein informierter Haushalt rational und ohne Beeinflussung von außen über die zu konsumierenden Güter. Es ist zweifelhaft, ob der Konsum anderer unsere Entscheidungen nicht beeinflusst. Ferner ist es erklärtes Ziel der Werbung, Einfluss auf Konsumentscheidungen zu nehmen. ► Konsumplan, optimaler Bei gegeben Preisen und Einkommen ist der Konsumentscheidung optimal, wenn der Nutzen eines Haushalts durch Umschichten der Konsummengen nicht mehr zunimmt. Es gilt das →zweite Gossensche Gesetz: die →Grenzrate der Substitution entspricht dem negativen umgekehrten Preisverhältnis. ► Konzentration Unter Konzentration versteht man in der Wettbewerbstheorie die Ballung ökonomischer Macht von Unternehmen. Ursachen sind das interne Wachstum (Unternehmen wächst schneller als der Markt) und das externe Wachstum (Unternehmenszusammenschlüsse). ► Konzentration, vertikale Konzentration entlang der Wertschöpfungskette. ► Konzentrationsrate (concentration rate) Konzentrationsraten messen den kumulierten Marktanteil der größten drei Anbieter in einem Markt (CR3). Gebräuchlich sind auch die CR5 oder die CR10 als summierte Marktanteile der fünf bzw. zehn größten Anbieter. Damit werden Veränderungen der Marktmacht im Zeitablauf oder im Branchenvergleich dargestellt. ► Kosten Kosten erfassen den mit Faktorpreisen bewerteten Faktorverbrauch. In einer kurzen Frist unterscheidet man von der Produktionsmenge unabhängige Fixkosten und mengenabhängige variable Kosten. ► Kosten, Durchschnitts- Durchschnittskosten (auch: Stückkosten) beziehen die Kosten auf jeweils eine Produkteinheit. Je nachdem ob die Fixkosten einbezogen werden oder nicht spricht man bei dieser Kennzahl von den variablen oder den totalen Durchschnittskosten. ► Kosten, Grenz- Die Grenzkosten geben die mit der nächsten Produktionseinheit verbundenen zusätzlichen Kosten an. Formal sind sie durch die erste Ableitung der Kostenfunktion nach der Produktionsmenge zu bestimmen. <?page no="254"?> Glossar 255 http: / / www.uvk-lucius.de/ service ► Kostenvorteile, Theorem der komparativen Mit dem Theorem der komparativen Kostenvorteile zeigte Ricardo, dass sich Spezialisierung und Tausch selbst dann lohnen, wenn ein Land beide Güter kostengünstiger herstellen kann als ein anderes. In diesem Fall wird jedes Land das Gut herstellen und exportieren, bei dem es geringere →Opportunitätskosten hat (relativer Kostenvorteil). ► Knappheitsgewinne (super-normal profits) Knappheitsgewinne treten immer dann auf, wenn es Produzentenrenten gibt. Viele Anbieter operieren rechts von ihrem Stückkostenminimum, so dass überausgelastete Kapazitäten vorliegen. Die Knappheitsgewinne regen die Etablierten zu Investitionen und Newcomer zu Markteintritten an. ► Kreuzpreiselastizität Die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage gibt an, wie die Nachfragemenge eines Gutes auf Veränderungen anderer Preise reagiert. Ist die Kreuzpreiselastizität positiv, dann liegt eine substitutive Güterbeziehung zwischen zwei Gütern vor. Bei negativen Kreuzpreiselastizitäten spricht man dagegen von einer komplementären Beziehung. ► Lageparameter Graphisches Konzept als Folge der →c.p.- Bedingung. Lageparameter sind Variablen, die die entsprechenden Kurven verschieben. Die Nachfragekurve verschiebt sich beispielsweise nach rechts, wenn das Einkommen steigt. ► Langfristig Die lange Frist beginnt, wenn der Kapitalbestand der Unternehmen veränderlich wird bzw. wenn Markteintritte und Marktaustritte kapazitätswirksam werden. ► Lenkungseffekt Der Lenkungseffekt einer Verbrauchssteuer tritt ein, wenn der Preis steigt und die Nachfragemenge daraufhin reduziert wird. Der Umfang des Effekts hängt von der →Preiselastizität der Nachfrage ab. ► Lerneffekte Produktivitätssteigerungen werden dadurch erreicht, dass eine Tätigkeit umso leichter fällt, je öfter sie wiederholt wird (Erfahrung, Routine). ► Limit Pricing Konkurrierendes Verhalten von Marktführern: marktmächtige Unternehmen können mit einer Senkung ihrer Güterpreise auf das Niveau der →Grenzkosten drohen und erzwingen damit Wohlverhalten bei Unternehmen mit kleineren Marktanteilen. ► Markt Der Markt ist der ökonomische Ort des Tausches, auf dem Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden. ► Marktabgrenzung Sachliche oder regionale Eingrenzung des relevanten Marktes dabei gibt es keine richtigen oder falschen Abgrenzungen, sondern nur im Sinne der zugrundeliegenden Fragestellung nützliche oder weniger nützliche. ► Markteintrittsbarrieren Eintrittsbarrieren umschreiben die Kosten, die ein Eintritt in einem Markt verursachen. Sind sie hoch, dann festigt dies die Marktmacht der etablierten Anbieter. Man unterscheidet natürliche , strategische und institutionelle Hemmnisse. ► Marktform Bezeichnung von Märkten im Hinblick auf die Zahl der Anbieter und der Nachfrager (Stackelbergsches Marktformenschema). ► Marktgleichgewicht Besondere Situation, bei der die geplante Angebotsmenge genau der geplanten Nachfragemenge entspricht. Dies bezeichnet man als →Markträumung. Der Beharrungszustand kommt dadurch zustande, dass ein Interessenausgleich zwischen Käufern und Verkäufern stattfindet, dass ein Maximum an wechselseitig vorteilhaften Tauschvorgängen stattfindet (win-win) und dass gemessen an <?page no="255"?> 256 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service den →Konsumenten- und →Produzentenrenten Effizienz vorliegt. ► Marktkonformität Wirtschaftspolitische Maßnahmen des Staates sollten möglichst mit marktwirtschaftlichen Prinzipien vereinbar sein. Daher sollte man beispielsweise vermeiden, Marktergebnisse von vornherein festzulegen. ► Marktmacht Marktmacht liegt vor, wenn einzelne Anbieter Preise setzten können. Dies wird im →Monopol, aber auch auf heterogenen Märkten der Fall sein. Indizien sind hohe →Konzentrationsraten, Preise, die deutlich über den vermuteten →Grenzkosten liegen oder eine fallende Preis-Absatz-Funktion. ► Marktmacht, Missbrauch von Ein Missbrauch von Marktmacht liegt vor, wenn ein Unternehmen Marktmacht hat und wenn dieses Unternehmen von seinen Kunden unbillig hohe Preise fordert (Ausbeutungsmissbrauch) oder wenn das Unternehmen die Handlungsspielräume von Wettbewerbern ohne sachlich gerechtfertigten Grund beeinträchtigt (Behinderungsmissbrauch). ► Marktöffnungspolitik Sammelbegriff für Maßnahmen, die den Wettbewerb auf Märkten intensivieren, auf denen kein Konkurrenzverhalten beobachtbar ist oder institutionelle → Markteintrittsbarrieren vorliegen. ► Markträumung Ausgleich der geplanten Angebots- und Nachfragemengen auf einem Markt durch einen hinreichend schnellen →Gleichgewichtsmechanismus. ► Marktversagen Unter Marktversagen fasst man Defizite in Bezug auf die →Allokation zusammen. Märkte allein sind entweder nicht in der Lage, bestimmte Güter in der gewünschten Menge oder Qualität bereitzustellen oder leisten dies nicht effizient. Beispiele sind →öffentliche Güter oder →Externalitäten etwa im Falle der Umweltverschmutzung. Bei Marktversagen ist der Staat gefordert, die Allokation zu korrigieren. ► Märkte, angreifbare (contestable markets) Märkte, auf denen etablierte Anbieter Markteintritte befürchten müssen, heißen angreifbare Märkte. Auch wenn ein freier Marktzugang nicht auf allen Märkten gleichermaßen gegeben sein kann, gelten niedrige →Markteintrittsbarrieren als ein wichtiges Kriterium für einen →funktionsfähigen Wettbewerb. ► Märkte, gesättigte Märkte, auf denen die Nachfrage stagniert oder sogar schrumpft. ► Märkte, heterogene Von heterogenen Märkten spricht man, wenn sich das Angebot einzelner Anbieter qualitativ, aufgrund von Marken oder durch Kundenbindung unterscheidet (Gegenteil: →homogene Güter). Wird das Angebot bestimmter Anbieter als besonders angesehen, dann führt dies zu →Marktmacht. ► Massenproduktionsvorteile Von Massenproduktionsvorteilen spricht man im Falle sinkender →Durchschnittskosten. Man unterscheidet langfristig sinkende Durchschnittskosten (economies of scale) von der →Fixkostendegression in der kurzen Frist. Sinkende Durchschnittskosten führen dazu, dass die Marktanteile einzelner Anbieter zunehmen, damit diese effizient produzieren können (→mindestoptimale Betriebsgrößen). ► Mengenanpasserverhalten Verhaltenhypothese in der vollkommenen Konkurrenz die Akteure sind aufgrund fehlender →Marktmacht nicht in der Lage, Preise zu setzen und passen daher ihre Mengenplanungen an den herrschenden Marktpreis an. ► Mindestpreis Eingriff des Staates in den Preismechanismus. Ein Mindestpreis kann festgelegt wer- <?page no="256"?> Glossar 257 http: / / www.uvk-lucius.de/ service den, wenn der Gleichgewichtspreis als ungerechtfertigt niedrig empfunden wird. Aufgrund der Festlegung des Preises durch den Staat ist auch dieses Instrument nicht →marktkonform. ► Minimalkostenkombination Mit der Minimalkostenkombination ist im Falle einer →substitutionalen Produktionsfunktion das kostenminimale Faktoreinsatzverhältnis bei gegebenen Faktorpreisen und gegebener Produktionsmenge angesprochen. Hier gilt: die →Grenzrate der technischen Substitution entspricht dem negativen, umgekehrten Faktorpreisverhältnis. ► Monopol Extremer Fall von Marktmacht: ein einziger Anbieter sieht sich der gesamten Marktnachfrage gegenüber, so dass die Marktnachfrage und die Preis-Absatz-Funktion identisch sind. ► Monopol, natürliches Das natürliche Monopol ist eine Form des →Marktversagens und erfordert staatliche Regulierung. Natürliche Monopole liegen vor, wenn ein Anbieter die Nachfrager kostengünstiger beliefern kann als eine Gruppe von Anbietern. Es liegt also eine extrem hohe mindestoptimale →Betriebsgröße vor meistens im Zusammenhang mit Netzinfrastrukturen. ► Nicht-Preis-Wettbewerb (non-price competition) Jegliche Form von Konkurrenz abseits des Preiswettbewerbs also beispielsweise Produktdifferenzierung (Qualität), Werbung, oder Kundendienst. ► Nutzen Der Grad der Bedürfnisbefriedigung wird in der Haushaltstheorie als Nutzen bezeichnet. Nutzen entsteht durch den Konsum von Gütern. ► Nutzen, Grenz- Der Grenznutzen bezeichnet die Veränderung des Nutzen durch die nächste zu konsumierende Gütereinheit. Formal ist es die erste Ableitung des Nutzens nach der Gütermenge. ► ökonomisches Prinzip Wirtschaften bedeutet, rationale Entscheidungen über den Einsatz knapper Güter und Produktionsfaktoren zu treffen. Ökonomen sprechen vom ökonomischen Prinzip, wenn ein gegebenes Ziel mit möglichst geringem Mitteleinsatz angestrebt wird (Minimalprinzip). Alternativ kann man den Mitteleinsatz festlegen und eine möglichst große Zielerreichung anstreben (Maximalprinzip). ► Opportunitätskosten Optimieren bedeutet, Entscheidungen für bestimmte Alternativen zu treffen und damit bestimmte andere Alternativen auszuschließen. Durch die Entscheidung gegen diese Alternativen entstehen Opportunitätskosten. Dabei handelt es sich um den Nutzen oder die Erträge derjenigen Alternativen, die gerade nicht mehr realisiert werden können. ► Ordnungspolitik Gestaltung des Rahmens, in dem Markttransaktionen stattfinden. Gemeint ist die Zuweisung von Eigentumsrechten und die Garantie elementarer wirtschaftlicher Freiheiten, die Durchsetzung gesetzlicher Regelungen und die Ausgestaltung von weitere Institutionen, die die Funktionsfähigkeit einer Wirtschaft unterstützen. ► Pareto-Effizienz →Allokation der Güter und Faktoren, bei der eine Verbesserung eines einzelnen Akteurs nur noch möglich ist, wenn man in Kauf nimmt, dass sich die Situation eines anderen Akteurs verschlechtert. ► Präferenzbindungen Grenzen, innerhalb derer ein Anbieter auf →heterogenen Märkten Kunden an sich binden kann und wie ein Monopolist Preise setzt. Mit steigendem Preis verlieren die Präferenzbindungen an Bedeutung. ► Preis-Absatz-Funktion Der Markt aus Sicht eines einzelnen Unternehmens. Der Anbieter bei →vollkommener <?page no="257"?> 258 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service Konkurrenz sieht sich als → Mengenanpasser einer horizontalen PAF gegenüber, während dich Marktmacht dadurch äußert, dass der Anbieter den Preis innerhalb bestimmter Grenzen setzten kann. ► Preis-Konsum-Kurve Geometrischer Ort sämtlicher optimalen Konsumpläne, wenn sich ein Preis verändert und alle anderen Preise konstant bleiben. ► Preisdifferenzierung Fordern unterschiedlicher Preise für gleiche Produkte auf unterschiedlichen Märkten. Gelingt es, Märkte zu segmentieren, dann entstehen zusätzliche Gewinne, weil Teile der Konsumentenrente abgeschöpft werden. ► Preisdifferenzierung, perfekte Sind marktmächtige Unternehmen in der Lage, individuelle Zahlungsbereitschaften einzuschätzen und entsprechend die Preise zu setzen, dann spricht man von perfekter Preisdifferenzierung (Preisdifferenzierung ersten Grades). Im Extremfall ist eine vollkommene Abschöpfung der Konsumentenrente denkbar. ► Preisdifferenzierung, selbstselektive Preisdifferenzierung durch Tarifsysteme oder Mengenrabatte. Marktmächtige Unternehmen geben Preis-Mengen-Kombinationen vor. Bei dieser Form der Preisdifferenzierung wählt der Kunde die Preis-Mengen- Kombination, die seinen Bedürfnissen am nächsten kommt (auch: Preisdifferenzierung zweiten Grades). ► Preiselastizität der Nachfrage Sie gibt an, um wie viel Prozent sich die Nachfragemenge verringert, wenn der Preis um ein Prozent zunimmt und alle anderen Nachfrageeinflüsse unverändert bleiben. Mit der Preiselastizität wird die →Dringlichkeit der Nachfrage gemessen. ► Preiselastizität des Angebots Die Preiselastizität des Angebots gibt an, um wie viel Prozent das Marktangebot steigt, wenn der Preis um ein Prozent zunimmt und alle anderen Angebotseinflüsse unverändert bleiben. Mit dieser Preiselastizität wird die →Flexibilität des Angebots gemessen. ► Preisführerschaft, dominierende Preisführerschaft aufgrund von Marktmacht. Denkbar in einem gemischten Oligopol mit wenigen marktmächtigen Unternehmen und vielen Mengenanpassern. Die Preisführer könnten mit ungerechtfertigt niedrigen Preisen drohen. ► Preisfunktionen, dynamische Sicherung guter Marktergebnisse über längere Zeiträume also u.a. eine optimale Anpassung an Änderungen der Rahmendaten, Marktaustritte ineffizienter Unternehmen und Anreize für Innovationen (auch: dynamische Wettbewerbsfunktionen) ► Preisfunktionen, statische Sicherung guter Marktergebnisse zu jedem Zeitpunkt also u.a. die Markträumung und die optimale Allokation (auch: statische Wettbewerbsfunktionen) ► Preisnehmer →Mengenanpasser ► Preisuntergrenze, kurzfristige Preis im →Betriebsminimum. Unternehmen können kurzfristig nicht unterhalb dieses Preises anbieten, weil sie sonst ihre variablen Kosten nicht decken. ► Preisuntergrenze, langfristige Preis im →Betriebsoptimum. Unternehmen können langfristig nicht unterhalb dieses Preises anbieten, weil sie sonst ihre Kosten nicht decken. ► Preisverhalten, paralleles Gleichförmige Preisänderungen der Anbieter aufgrund von intensiver Konkurrenz, von verschiedenen Formen der →Preisführerschaft oder von →Kartellen oder Absprachen. ► Primärverteilung der Einkommen Die durch den Einsatz der Produktionsfaktoren (Arbeit, Boden, Kapital) und die Faktor- <?page no="258"?> Glossar 259 http: / / www.uvk-lucius.de/ service preise entstehenden Einkommen vor Umverteilung durch den Staat. ► Produkt-Lebenszyklus Erfassung verschiedener Phasen und Konkurrenzsituationen, die ein Gut typischerweise durchlebt (Einführungs-, Expansions-, Reife-, und Sättigungsphase). ► Produktion ist die planmäßige Transformation von Produktionsfaktoren in marktfähige Güter. ► Produktionsfunktion Formale mengenmäßige Zuordnung von Produktionsfaktoren und Produktionsmengen. ► Produktionsfunktion, limitationale Ist das Faktoreinsatzverhältnis aus technischen oder produktspezifischen Gründen konstant, dann liegt eine limitationale Produktionsfunktion vor. Nur der proportionale Mehreinsatz aller Produktionsfaktoren steigert den Output. ► Produktionsfunktion, neoklassische →Substitutionale Produktionsfunktion mit positiven, aber sinkenden Grenzproduktivitäten. ► Produktionsfunktion, substitutionale Der Mehreinsatz eines Faktors erlaubt den Mindereinsatz des anderen Faktors. Die →Grenzrate der Substitution als Steigung der Isoquante gibt das Verhältnis an, in dem die Produktionsfaktoren austauschbar sind. ► Produktivität Mengenmäßiges Verhältnis der Produktion zu einem oder mehreren Faktorinputs. Meist ist die Arbeitsproduktivität als Verhältnis der Produktionsmenge zu den eingesetzten Arbeitseinheiten gemeint. ► Produktivität, Grenzgibt an, um wie viel sich die Produktion verändert, wenn ein Produktionsfaktor infinitesimal variiert wird und alle andere Produktionsfaktoren unverändert bleiben. Erste Ableitung der Produktionsfunktion nach einem Produktionsfaktor. ► Produktivität des Geldes Verminderung der Transaktionskosten in einer Tauschwirtschaft, wenn Geld als Tauschmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel zur Verfügung steht. ► Produzentenrente Produzenten auf Gütermärkten wären meist bereit, weniger als den Marktpreis für eine Gütereinheit zu fordern. Summiert man über alle realisierbaren Angebotspläne, dann ergibt sich die Produzentenrente als Differenz zwischen Branchenumsätzen und Branchenkosten. ► Rationalverhalten Von Rationalverhalten spricht man vor, wenn sich die Akteure gemäß des →ökonomischen Prinzips verhalten. ► Regulierung Allgemein spricht man von Regulierung, wenn der Staat den Akteuren auf Märkten Grenzen setzt. Dies geschieht durch gesetzliche Regelungen und Institutionen. Im engeren Sinne ist in diesem Zusammenhang auch die Aufsicht über bestimmte Branchen wie die Finanzintermediäre oder die Telekommunikation gemeint. ► Rivalität im Konsum Hängt die Qualität eines Gutes davon ab, wie viele Konsumenten es nutzen, dann spricht man auch von einem rivalisierenden Konsum. ► Schweinezyklus Das Modell des Schweinezyklus (auch: Spinnwebe-Modell) zeigt, dass sich Preis- und Mengenentwicklungen auf manchen Märkten aus verzögerten Reaktionen auf Veränderungen der Rahmendaten, Erwartungsfehlern und Anpassungshemmnissen ergeben. ► Stabilisierungspolitik des Staates Mit Stabilisierungspolitik ist zunächst die Konjunkturpolitik gemeint. Die Geld- und Fiskalpolitik sollen konjunkturelle Schwan- <?page no="259"?> 260 Glossar http: / / www.uvk-lucius.de/ service kungen von Produktion und Beschäftigung möglichst dämpfen. Darüber hinaus zielt die Strukturpolitik darauf ab, Entwicklungsunterschieden zwischen Wirtschaftszweigen oder Regionen zu verringern. ► Strukturansatz Wettbewerbspolitik mit dem primären Ziel, Unternehmenskonzentration möglichst einzuschränken. Der Erhalt wettbewerblicher Marktstrukturen etwa durch die Fusionskontrolle grenzt die Möglichkeiten zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten ein (Gegenteil : →Verhaltensansatz). ► Subsidiaritätsprinzip Organisationsprinzip, nach dem Aufgaben dort wahrgenommen werden sollten, wo die größte Deckungsgleichheit zwischen Entscheidern und Betroffenen besteht. Nur Aufgaben, die auf einer Ebene nicht gelöst werden können, sollten durch die nächst höhere Ebene wahrgenommen werden. In Bezug auf die Wirtschaftsordnung gilt: der Staat sollte überall dort eingreifen, wo private Haushalte und Unternehmen zu keiner oder zu keiner befriedigenden Lösung kommen. ► Substitutionseffekt Wenn das Preis eines Gutes steigt und alle übrigen Preise unverändert bleiben, dann sinkt die Nachfrage dieses Gutes in Relation zu allen anderen Gütern. Ein Haushalt wird versuchen, das teurer werdende Gut zu ersetzen. Der Substitutionseffekt verläuft zu Lasten des relativ teurer werdenden Gutes und zu Gunsten des relativ billigeren Gutes. ► Taylorismus Taylor äußerte Anfang des vergangenen Jahrhunderts die Erwartung, dass sich die →Produktivität beliebig steigern lässt, wenn man nur die Arbeitsabläufe in immer kleinere Einheiten zerlegt. Taylor ignoriert dabei die Kosten dieser extremen Arbeitszerlegung. ► Terms of Trade Güteraustauschverhältnis im Außenhandel gibt an, wie viele Einheiten eines Importgutes ein Land für eine Einheit seines Exportgutes bekommt. ► Transaktionskosten Kosten, die für die Marktteilnehmer bei der Nutzung von Märkten anfallen also beispielsweise Informationskosten, Verhandlungskosten, Zeitkosten oder Wegekosten. ► Transformationskurve Geometrischer Ort sämtlicher Produktionsmengen, die man bei gegebener Technologie (→Produktionsfunktion) und gegebenen Faktorausstattung maximal erreichen kann (auch: Produktionsmöglichkeitenkurve). ► Verbrauchsgüter Güter, die mit dem Konsumvorgang untergehen. ► Verbrauchssteuern Steuern auf den Konsum insgesamt oder den Konsum einzelner Güter (z.B. Energie). Spezielle Verbrauchssteuern folgen oft einem →alloaktiven oder einem →meritorischen Motiv. ► Verbundvorteile Mit Verbundvorteilen (economies of scope) sind Kosteneinsparungen in einem vertikal integrierten Unternehmen gemeint. Recherche ist beispielsweise in einem Medienkonzern mit Zeitungen, Zeitschriften, TV und Internet günstiger. ► Verhaltensansatz Anglo-amerikanischer Ansatz der Wettbewerbspolitik: Marktmacht ist demnach so lange kein Problem, wie sie nicht wettbewerbsbeschränkend ausgenutzt wird. Hier sind Verhaltenaufsicht und Regulierung dominierende Elemente der Wettbewerbspolitik (→Strukturansatz). ► Wachstumspolitik Mit Wachstumspolitik will der Staat Anreize für Investitionen schaffen. Alles was Sachkapitalbildung, Infrastruktur, Ausbildung und Forschung begünstigt, dient prinzipiell dem →Wirtschaftswachstum. Zu beachten sind die →Opportunitätskosten: kurzfristig sinken die Konsummöglichkeiten, wenn mehr investiert wird. <?page no="260"?> Glossar 261 http: / / www.uvk-lucius.de/ service ► Währungssubstitut Güter oder Fremdwährungen, die das gesetzliche Zahlungsmittel ersetzen, sofern dies die Geldwertstabilität nicht mehr gewährleistet. ► Wettbewerb → Konkurrenz ► Wettbewerbsfunktionen Statische und dynamische →Preisfunktionen. ► Wettbewerb, funktionsfähiger (workable competition) Dieses etwas diffuse Leitbild der Wettbewerbspolitik fasst eine Reihe unterschiedlicher Vorstellungen zusammen, welche Marktstrukturen und Verhaltensweisen dem Wettbewerbsprozess auf Märkten eher förderlich oder eher hinderlich sind. ► Wettbewerb, ruinöser Ruinöser Wettbewerb liegt vor, wenn ein marktmächtiges Unternehmen kleinere Konkurrenten vom Markt verdrängt und das große Unternehmen und dabei (anders als beim →Limit Pricing) keine Kostenvorteile besitzt. ► Wirtschaftsordnung Der historische gewachsene Rahmen für privates wirtschaftliches Handeln besteht aus Regeln, Institutionen und Mechanismen, die die Rechte und Pflichten privater Wirtschaftseinheiten und die Kompetenzen staatlicher Institutionen festlegen. ► Wirtschaftssystem Idealtypisches Modell zur Lösung der Grundprobleme der arbeitsteiligen Wirtschaft die reine Marktwirtschaft einerseits und die Zentralverwaltungswirtschaft andererseits. ► Wirtschaftswachstum Längerfristige Steigerung der Produktionsmöglichkeiten durch den Mehreinsatz von Produktionsfaktoren u.a. Investitionen in Sach- oder Humankapital sowie durch technischen →Fortschritt. ► Wohlfahrtsverluste Effizienzverluste, die sich durch Marktmacht oder stattliches Eingreifen in Märkte dadurch ergeben, dass Konsumenterenten und Produzentenrenten kleiner ausfallen als im Modell der vollkommenen Konkurrenz. <?page no="262"?> http: / / www.uvk-lucius.de/ service SSttiicchhwwoorrttvveerrzzeeiicchhnniiss A Absprachen 217 Allokation, optimale 78 Amoroso-Robinson-Relation 204 Angebotsüberschuss 73 Angebotsverknappung 221 Anpassungsfunktion 80 Anpassungshemmnisse 190 Anpassungsprozess, dynamischer 191 Arbeit 32 Arbeitsproduktivität 40 Arbeitsteilung 44 Arbitrage 207 Ausbeutungsmissbrauch 243 Ausschlussprinzip 98 B Bedürfnisse 20, 114 Behinderungsmissbrauch 243 Beihilfenkontrolle 236 Betriebsgröße 162 Betriebsgröße, mindestoptimale 164, 186, 211 Beweislastumkehr 241 Bogenelastizität 130 Budgetgerade 113 Budgetgleichung 112 Bundeskartellamt 236 C ceteris-paribus 25 Chancengerechtigkeit 96 Coase-Theorem 101 contestable markets 189, 232 Cournotsches Monopol 201 D Deduktion 24 Distributionsfunktion 79 Dringlichkeit 76 Dumping 223 Durchschnittskosten 150 Durchschnittskosten, variable 146, 150 Durchschnittskostenminimum 148 E economies of scale 45, 160 Effizienz 30 Eigentumsrechte 96 Einkommens-Konsum-Kurve 123 Einnahmeeffekte 85 Engel-Kurve 124 Ertragsgebirge 140 Ertragsgesetz 148 EU-Vertrag 236 Expansionspfad 159 externe Effekte 100 F Faktornachfrage 173 Faktorpreise 174 Faktorsubstitution 142, 157 <?page no="263"?> 264 Stichwortverzeichnis http: / / www.uvk-lucius.de/ service Faktorvariation, partielle 141 Faktorvariation, totale 142, 159 Faktorverbrauchsfunktion 146 Fixkostendegression 45, 146, 148 Flexibilität 75 Fortschrittsfunktion 80 Freihandel 41, 96 Freiheitsfunktion 231 Fusionskontrolle 240 G Gegenmacht 237 Geldfunktionen 50 Gesetz der Nachfrage 60, 123, 128 Gewinnschwelle 170 Gossensches Gesetz, erstes 115 zweites 119, 127 Grenzkosten 146, 150 Grenznutzen 114 Grenzproduktivitätentheorie 173 Grenzrate der Substitution 116, 118 Grenzrate der technischen Substitution 157 Grundfragen des Wirtschaftens 51 Güter 20 Güter, homogene 59 Güter, komplementäre 128 Güter, öffentliche 97 Güter, substitutive 128 H Harmoniethese 78 Höchstpreise 81 homo oeconomicus 26 Humankapital 41 Hypothese 24 I Inflation 51 Infrastruktur 41 Innovation 192 Interessenausgleich 63 Internalisierung 100 Isokostengerade 157 Isoquanten 141 K Kapazitätsgrenze 147 Kapital 32 Kapitalintensität 40 Kapitalintensivierung 44 Kartell 217, 219, 237 Kartelldisziplin 220 Kartellgesetz 235 Kaufkrafteffekt 113, 126 Knappheit 30 Kompetenz und Verantwortlichkeit 92 Konjunkturpolitik 104 Konkurrenz, vollkommene 59, 167, 185, 231 Konsumbudget 112 Konsumentenrente 65, 202 Konsumentensouveränität 114 Konsummöglichkeiten 45, 47 Konsumplan, optimaler 117 Konzentration 164, 238 Konzentration, horizontale 239 Konzentrationsrate 240 <?page no="264"?> Stichwortverzeichnis 265 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Koordination 51 Koordinierung 77 Kostentheorie 140 Kostenverlauf, ertragsgesetzlicher 150 Kostenvorteil, komparativer 46 Kreuznachfragekurve 125 Kundenbindungsstrategien 210 L law of one price 60, 223 Lenkungseffekt 83 Lerneffekte 44 limit price 222 M Magisches Viereck 104 Makroökonomik 23 Markt, heterogener 186 Marktabgrenzung 184 Marktbeherrschung 240 Märkte 21 Markteintrittsbarrieren 187, 189, 205 Marktergebnis 234 Marktform 185 Marktkonformität 87, 97 Marktmechanismus 74 Marktnachfrage 129 Marktöffnungspolitik 235 Markträumung 64 Marktsegmentierung 207 Marktstruktur 233 Marktverhalten 233 Marktversagen 97, 211 Marktvollkommenheit 60 Massenproduktionsvorteile 160 Maximalprinzip 31 Mengengerüst der Kosten 140 Mikroökonomik 22 Mindestpreise 82 Minimalkostenkombination 157 Minimalprinzip 31 Missbrauchsaufsicht 242 Modell 25 Monopol 185 monopolistische Konkurrenz 223 monopolistischer Bereich 209 Monopolkommission 236 N Nachfrage, allgemeine 123 Nachfragefunktion 61 Nachfragekurve, marshallsche 125 Nachfrageüberschuss 74 natürliches Monopol 211 Nebenwirkungen 83 Netze 211 Nichtrivalität 98 non-price competition 192, 227 Nutzen 114 Nutzenfunktion 114 O Oligopol 185 oligopolistische Interdependenz 217 Opportunitätskosten 31, 46 Ordnungspolitik 96, 103 Outputregel 168 <?page no="265"?> 266 Stichwortverzeichnis http: / / www.uvk-lucius.de/ service P Pigou-Steuer 101 Planung, dezentrale 92 Polypol 59 Präferenzbindungen 209 Preis-Absatz-Funktion 168, 200 geknickte 226 zweifach geknickte 209 Preisdifferenzierung, selbstselektive 206 Preiselastizität 130 Preiselastizität der Nachfrage 210 Preiselastizität des Angebots 176 Preisführerschaft 218, 237 Preisführerschaft, dominierende 221 Preisfunktionen, dynamische 79 statische 79 Preiskeil 83 Preis-Konsum-Kurve 125 Preisnehmer 60, 167 Preissetzer 224 Preissetzerverhalten 200 Preisstarrheit 218 Preisstarrheiten 227 Preisuntergrenze, langfristige 170 Primärfaktoren 32 Primärverteilung der Einkommen 78 Privateigentum 92 Produktion 31 Produktionsfaktoren 140 Produktionsfunktion 34 Produktionsfunktion, homogene 159 limitationale 155 neoklassische 143, 161 partielle 143 Produktionsschwelle 172 Produktionsstruktur 77 Produktionstheorie 140 Produktivität 34 Produktivität, partielle 143 Produktlebenszyklus 193 Produzentenrente 65, 202 R Rahmenbedingungen 41 Rationalverhalten 114 Recheneinheit 50 Rivalitätsneigung 187 S Schumpeter-Hypothese 193 Schweinezyklus 191 Signalwirkung 79 Skalenerträge, konstante 160 Soziale Marktwirtschaft 95 Sozialpolitik 96 Spieltheorie 217 Staatsaufgaben 96 Stabilitätspolitik 94 Stackelbergsche Marktformenschema 185 Strukturansatz 235, 242 Strukturpolitik 105 Subsidiaritätsprinzip 97 Substitution 155 <?page no="266"?> Stichwortverzeichnis 267 http: / / www.uvk-lucius.de/ service Substitutionseffekt 126 Subventionen 85 super-normal profits 188 T Tauschmittel 50 Taylorismus 44 Technischer Fortschritt 34, 174 Terms of Trade 47 Transaktionskosten 53, 186 Transformationskurve 36 U Überwälzung 84 Umverteilung 94 Umwelt 33 Ungleichgewicht 74 unsichtbare Hand 78 V Vergleichsmarktkonzept 243 Verhalten paralleles 219 Verhalten, abgestimmtes 219, 237 Verhalten, strategisches 218 Verhaltensansatz 235, 242 Verschiebung der Nachfragekurve 129 Verteilungsgerechtigkeit 53 Verteilungswirkungen im Monopol 203 W Wachstum, externes 239 Wachstum, internes 239 Wachstumspolitik 41 Wertaufbewahrung 51 Wettbewerb, dynamischer 192 Wettbewerb, funktionsfähiger 233 Wettbewerb, ruinöser 222 Wettbewerbsfunktionen, dynamische 231 Wettbewerbsfunktionen, statische 231 Wettbewerbsintensität 232 Wettbewerbsintensität, optimale 234 Wettbewerbspolitik 93, 96 Wettbewerbspolitik, Leitbilder der 231 Wettbewerbsschutzpolitik 235 Win-Win 66 Wirtschaftsordnung 92 Wirtschaftssubjekte 26 Wirtschaftssystem 92 Wirtschaftswachstum 39 Wohlfahrtsverlust 81, 84 Z Zahlungsmittel 51 Zentralverwaltungswirtschaft 92 Ziele, gesellschaftliche 104 <?page no="267"?> www.uvk.de Der Einfluss der Kirche auf die Wirtschaft Ökonomie und Kirche - das ist kein Widerspruch. Klöster häuften früher durch geschicktes Handeln ein gewaltiges Vermögen an. Heute finden religiöse Werte durch den Corporate-Governance-Kodex Eingang in die Geschäftswelt und christliche Parteien prägen die Wirtschaftspolitik. Auf das Spannungsfeld zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gehen Päpste durch Sozialenzykliken seit dem 19. Jahrhundert ein: Leo XIII. forderte 1891 Lohngerechtigkeit sowie Arbeitnehmerrechte und gab damit der Sozialpolitik in Europa Aufwind. Weitere Sozialenzykliken folgten, wenn das freie Spiel der Marktkräfte zu sozialen Problemen führte. 2009 verwies Benedikt XVI. nach der Finanzkrise darauf, dass Globalisierung von einer »Kultur der Liebe« beseelt sein müsse. Damit brachte er die Globalisierung mit Verteilungsgerechtigkeit und Gemeinwohl in Zusammenhang. Auf die Sozialenzykliken der Päpste gehen die Autoren im Detail ein: Sie beleuchten den geschichtlichen Kontext ebenso wie deren Auswirkungen auf Wirtschaft und Politik. So skizzieren sie einen dritten Weg der Päpste - ein alternatives Wirtschaftskonzept zwischen Kapitalismus und Sozialismus. Hans Frambach, Daniel Eissrich Der dritte Weg der Päpste Die Wirtschaftsideen des Vatikans 2015, 283 Seiten, Flexcover ISBN 978-3-86764-600-0 19,99 € <?page no="268"?> www.uvk.de Neues Vertrauen schaffen Das Vertrauen in unsere Währungen sinkt: Die Zentralbanken fluten die Finanzmärkte mit billigem Geld. In Deutschland boomt die Wirtschaft, während in anderen Euro-Ländern hohe Arbeitslosigkeit und Staatspleiten drohen. Kann ein System mit Niedrigzins, Deflationsgefahr und geliehenem Wohlstand dauerhaft bestehen oder sollte eine Suche nach alternativen Geldsystemen beginnen? Schließlich haben Menschen seit jeher auch andere Tausch- und Finanzsysteme verwandt. Und: Heute sind Miles & More-Punkte, realer Warentausch oder digitale Währungen wie Bitcoins bereits Realität. Auch die Systemfrage stellt sich: Sollten allein Zentralbanken Geld ausgeben oder auch die Geldausgabe frei für Jedermann möglich sein? Lernen Sie durch das Buch mehr über das aktuelle Geldsystem und seine Alternativen in Form von Ersatz- oder Komplementärwährungen, die neues Vertrauen schaffen könnten. Ottmar Schneck, Felix Buchbinder Eine Welt ohne Geld Alternative Währungs- und Bezahlsysteme in einer immer turbulenteren Finanzwelt 2015, 250 Seiten, Flexcover ISBN 978-3-86764-601-7 19,99 € <?page no="269"?> www.utb-shop.de Hablas español? Do you speak English? Ideal für alle Berufseinsteiger Das Taschenbuch vermittelt das notwendige Grundwissen: Es enthält Wortschatzlisten und geht auf die Arbeitssuche, wichtige interkulturelle Aspekte des Arbeitslebens und das Präsentieren auf Spanisch ein. Der Autor vermittelt prägnant das notwendige wirtschaftsenglische Know-how durch Beispieldialoge und Wortschatzlisten. Themen sind u.a. Kontakte knüpfen, telefonieren, E-Mails schreiben, verhandeln und präsentieren. Zudem gibt er interkulturelle Tipps zu Erleichterung der Kommunikation. Andrés Moncho Brunengo Wirtschaftsspanisch für Berufseinsteiger kompakt 2015, 54 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4407-1 € (D) 7,99 Kurt Bangert Wirtschaftsenglisch für Berufseinsteiger kompakt 2015, 48 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4294-7 € (D) 7,99 <?page no="270"?> www.utb-shop.de Das Must-have für Studierende Rödiger Voss Wissenschaftliches Arbeiten ... leicht verständlich! 2015, 200 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-8649-1 Bei der Planung und Bearbeitung wissenschaftlicher Arbeiten treten eine Vielzahl von Fragen auf, wie z. B. »Wie finde ich ein passendes wissenschaftliches Thema? «, »Wie gehe ich mit Wikipedia als Quelle richtig um? « oder »Wie kann ich aus meiner wissenschaftlichen Arbeit einen Vortrag gestalten? «. 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