Grundwissen Tourismusarchitektur
0612
2017
978-3-8385-4738-1
978-3-8252-4738-6
UTB
Heiner Haass
Wohin der nächste Urlaub geht, hängt nicht nur von dem Klima, der Landschaft und dem Service im Hotel ab, sondern auch von der Architektur vor Ort.
Neben der malerischen Altstadt steht vor allem die erlebbare Architektur von Hotels, Museen und Shoppingmalls im Mittelpunkt.
Das Buch skizziert Architektur als Wirtschaftsfaktor im Tourismus und geht auf das Spannungsverhältnis von Destinationsmanagement sowie Architektur
ein. Auch die Inszenierung und künstliche Erlebniswelten, etwa in Freizeitparks, finden Beachtung. Stadtplanerische Chancen und Risiken werden zudem beleuchtet.
Interviews mit einem Hotelmanager, einem Hotelarchitekt und einem Tourismusmanager vermitteln dem Leser die Praxisperspektive.
Auf dem Hotel Marina Bay Sands in Singapur befindet sich ein rund 340 Meter langer Dachgarten mit Pool, der die drei Hochhäuser des Hotels verbindet. Das Resort entwarf der Architekt Mosche Safdie (eröffnet 2010). Heiner Haass Grundwissen Tourismusarchitektur UVK Verlagsgesellschaft mbH ∙ Konstanz mit UVK/ Lucius ∙ München Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 2017 Lektorat: Rainer Berger Gestaltung: Claudia Rupp, Stuttgart Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © thewarit ∙ fotolia.com Druck und Bindung: CPI, Ebner und Spiegel, Ulm UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 4738 ISBN 978-3-8252-4738-6 Prof. Dr. Dipl.-Ing. Heiner Haass ist Architekt, Stadtplaner und Tourismusexperte sowie Sachverständiger für bauliche Anlagen der Sportschifffahrt. Er lehrt Tourismusarchitektur an der Hochschule Anhalt (Abteilung Bernburg). Hinweise-|-für Lehrende Der gesamte Stoff ist in 14 in sich geschlossene Themen aufgeteilt und bietet daher Stoff für eine einsemestrige Lehrveranstaltung mit rund 14 Vorlesungswochen. Es bieten sich zudem ein oder zwei eintägige Fachexkursionen bzw. eine mehrtägige Blockexkursion an. Die Inhalte der einzelnen Kapitel sind so angelegt, dass sie in einer 90-minütigen Vorlesung dargestellt werden können. Außerdem bieten die Themen ausreichend inhaltliche Bezüge für eine seminaristische Vertiefung oder zur Anfertigung von Hausarbeiten und Referaten. Es wird außerdem die fachübergreifende Stoffvermittlung aus Lehrgebieten der Architektur und des Tourismus empfohlen, soweit diese möglich ist. Das Buch bietet Studierenden die Möglichkeit, den Lernstoff in didaktisch aufbereiteten Abschnitten zu erfassen. Dabei helfen die blau unterlegten Boxen, diese geben wertvolle Hinweise und Empfehlungen für die praktische Arbeit. 7 Inhalt Prolog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1 Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 Begriffe, Baukultur, Tourismusarchitektur und-Architekturtourismus 22 Darstellung der beiden Disziplinen Architektur und-Tourismus . . 25 Feststellung von Besonderheiten und Gemeinsamkeiten beider Disziplinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2 Tätigkeitsfelder beider Disziplinen und interdisziplinäres Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Ableitung von Ansätzen zum interdisziplinären-Arbeiten . . . . . 31 Tätigkeitsfelder in Architektur und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . 33 Zukünftige gemeinsame Handlungs- und Steuerungsfelder . . . . 35 3 Was war zuerst: Architektur oder Tourismus? . . . . . . . . . . . 37 Die Entwicklung des Verhältnisses von Architektur und-Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 Architektur in der Tourismuswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4 Architektur als Wirtschaftsfaktor im Tourismus . . . . . . . . . . . 40 Wechselwirkung zwischen Architektur und-Tourismus . . . . . . . 40 Wie unterstützt „gute“ Architektur die regionale Wirtschaft? . . . 43 5 Verstärkungen und Überlagerungen des Tourismus durch Architektur - die Architekturwahrnehmung . . . . . . . . . 45 Überlagerung des Eigentlichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Wahrnehmungstheorien und Architekturpsychologie . . . . . . . . 48 6 Beispiele touristischer Destinationen mit Architektur . . . . . . . . 52 Der Bilbao-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Autostadt Wolfsburg als Beispiel einer touristischen Stadtentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 8 7 Destinationsmanagement und der Einfluss von Architektur . . . 57 Wirkungen guter Architektur im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . 57 Inwertsetzung touristischer Anlagen durch gute Architektur . . . . 61 Planungsgrundlagen für gute Tourismusarchitektur . . . . . . . . . . 67 8 Stadtplanung und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Interdisziplinäre Stadtplanung, zukünftige Aufgaben in-Stadtplanung und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 Neubau- und Umbauprojekte für den Tourismus . . . . . . . . . . 73 Touristische Stadtplanung als Motor der Stadtentwicklung . . . . 77 9 Corporate Architecture im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Was ist Corporate Architecture und wie funktioniert sie? . . . . . 81 Beispiele für Corporate Architecture . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 10 ArchitekTouren als Tourismusangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Kombination aus Architektur und Touren . . . . . . . . . . . . . . . . 88 Beispiele für ArchitekTouren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 Weintourismus und die Architektur von Weingütern . . . . . . . . 91 11 „Baustellentourismus“ - eine neue Form des Städtetourismus . . 94 Was ist Baustellentourismus und wie wird er-gemacht? . . . . . . 94 Beispiel Rote-Info-Box, Berlin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 12 Städtereisen als architektonische Besonderheit im Tourismus . . 98 Gemeinsame Ziele von Städten und Tourismus . . . . . . . . . . . 98 Was kann Architektur zum Städtereisen beitragen? . . . . . . . . 100 Baukultur und Geschichte, Traditionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 13 Inszenierungen und künstliche Erlebniswelten . . . . . . . . . . . 105 Echt und unecht: Inszenierungen und Kulissenwelten im Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Wie funktioniert Disneyland? Mechanismen von Kulissenwelten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 9 14 Landschaft und Wasser in Verbindung mit Architektur und Tourismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 Tourismusanlagen und Landschaft-- Zerstörung der Heimat? . . 115 Ländlicher Tourismus als wirtschaftlicher Motor . . . . . . . . . . . 118 Wasserflächen als innovative Bauflächen des Tourismus . . . . . 119 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 Bildnachweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 11 Prolog Interviews mit einem Hotelmanager, einem Hotelarchitekten und einem Tourismusmanager Dass sich einerseits Touristiker für gute Architektur interessieren und andererseits Architekten beginnen, sich über die touristische Qualität ihrer Bauwerke Gedanken zu machen, ist völlig neu. Beide Bereiche stehen zwar seit jeher in enger Beziehung, hatten aber bislang in Wissenschaft und Praxis noch nicht so recht zueinandergefunden. Nun zeigen sich aber erste positive Beispiele, wie sinnvoll und effektiv eine Verknüpfung von Architektur und Tourismus ist. Das vorliegende Buch Grundwissen Tourismusarchitektur beginnt daher mit Interviews von drei Praktikern, die aus einer gelungenen Kombination dieser beiden Bereiche erste positive Erfahrungen gesammelt haben. Perspektive 1-| Der Hotelier Interview-|-Hotelmanager Hermann Retter Retter Seminar Hotel Bio Restaurant, Pöllauberg, Steiermark / Österreich www.retter.at Herr Retter, Sie führen das 13-fach als bestes Seminar- und Tagungshotel in Österreich ausgezeichnete und mit dem Green Globe, Trigos, Green Brand und dem Biozertifikat Grüne Haube prämierte Hotel Retter seit 1984. Wie oft hatten Sie in dieser Zeit beruflich Kontakt mit Architekten? Mein beruflicher Kontakt mit Architekten ist permanent: Schon seit Beginn war ich auf der Baustelle involviert und später in den verschiedenen Aus- G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 12 baustufen des Hotels. Ich habe auch weitere Betriebe mit Bauaktivitäten geleitet. Konnten Sie in Ihrer beruflichen Laufbahn feststellen, ob und wie gute Architektur auf das touristische Geschäft wirkt? Ja, denn gute Architektur drückt die Persönlichkeit und die Werte des Hotels und des Hotelmanagers aus. Diese Aufgabe kann sehr schwierig sein und erfordert eine richtige Partnerschaft zwischen Architekten und Bauherrn. Kurzum: Die Chemie muss stimmen und Architekt und Bauherr sollten die gleiche Philosophie haben. Wie sind Ihre Erfahrungen mit Architekten? Stellt die Verständigung oder das Verständnis des anderen ein Problem dar? Ob man auf der gleichen Wellenlänge liegt, merkt man schon im ersten Gespräch. Es ist aber auch sehr wichtig, das Architekt und Bauherr voneinander lernen. Ganz wie in einer persönlichen Beziehung müssen also beide Seiten Lernbereitschaft aufbringen. Was empfehlen Sie anderen Hoteliers aus Ihrer Erfahrung mit Architekten und Architektur? Erstens sollte man sich nicht blenden lassen. Zweitens sollte man auch bei Architekten auf seine Menschenkenntnis vertrauen. Und drittens ist es wichtig zu wissen, dass es zwei Arten von Architekten gibt: Einerseits gibt es diejenigen, die sehr gut planen und entwerfen können, während die anderen sich auf die Ausführung und Bauleitung spezialisieren. Haben Sie den Eindruck, dass Architekten mit ihrer Bauaufgabe sich ein eigenes Denkmal setzen wollen oder haben Sie erfahren, dass Architekten auf den Bauherrn eingehen? Das Erstere eher weniger, denn die Situation lässt das auch gar nicht zu. Die Bauaufgabe wird immer in Workshops konkret mit den Architekten, den Fachplanern und unseren hoteleigenen Beratern abgestimmt. Durch Brainstorming und Vorbereitung werden Wirtschaftlichkeit, Inhalte und sogenannte Soft Facts, wie z. B. unsere Firmenphilosophie, erfolgreich miteinander vereinigt. P ROLOG 13 Konnten Sie feststellen, dass das Bauen mit Architekt teurer ist als ohne? Und: Ist das Planen / Bauen mit Architekt aufwändiger oder langfristiger? Nein, ganz im Gegenteil. Das Bauen mit Architekt ist effizient und sogar günstiger. Und die Qualität ist viel höher. Wo erkennen Sie Ansätze für eine effektive Zusammenarbeit zwischen Tourismus und Architektur? Was müssten beide tun, um besser zusammenzuarbeiten? Es kommt darauf an, welche Typen von Menschen zusammenkommen. Die Schritte für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind daher sehr individuell. Was können Architekten, außer Planung und Bauüberwachung, noch für den Tourismus leisten? Es sollte gesetzlich festgelegt sein, dass zu jedem Projekt ein Architekt verpflichtet wird. Dann ließen sich Bausünden verhindern, denn schlechte Architektur schadet dem Tourismus. Hat sich aufgrund des Engagements Ihres Hotels auch etwas touristisch in Ihrem Ort verändert und wo können Sie Ansätze für die touristische Ortsplanung erkennen? Ja, allerdings gab es dabei ein Problem: Bei Folgeaufträgen verwendete ein Architekt die mit uns entwickelte Handschrift in fremden Hotels, wodurch unsere Individualität verlorenzugehen drohte. Das Verständnis der Exklusivität ist daher sehr wichtig und wenn dies nicht befolgt wird, sollte man unter Umständen den Architekten wechseln. Gibt es ein Schlussstatement, das Sie Ihren Kollegen und den Architekten übermitteln wollen? Es macht Sinn, mit einem Architekten zu bauen, aber man sollte die Auswahl sehr sorgfältig treffen: Bauherr und Architekt müssen zueinander passen! Eine personelle Trennung von Entwurf und Umsetzung ist empfehlenswert. Man sollte keine Projekte mit einem Generalunternehmer machen. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 14 Schaubild-1: Hotel Retter, Pöllauberg- P ROLOG 15 Perspektive 2-| Der Architekt Interview-|-Projektentwickler Johannes Marx Architekturstudium Bauhausuniversität Weimar, seit 2009 betreut Herr Marx Liegenschaften und Projektentwicklungen der Rohde & Schwarz-Gruppe, u. a. zwei Hotels Herr Marx, Sie arbeiten als Projektentwickler für Hotelbauten. Können Sie in den letzten Jahren eine Veränderung in dieser Branche feststellen, die hin zu mehr Architekturqualität im Hotelbau führt? Allgemein lässt sich die Tendenz zu höherer architektonischer Qualität unseres Erachtens leider nicht feststellen. Gerade in den Innenstadtbereichen, wo bereits die Grundstückspreise in den letzten Jahren einer enormen Preissteigerung unterliegen, bleibt dem Entwickler für qualitative und anspruchsvolle Architektur oft wenig finanzieller Spielraum. Ferner sind auch die baulichen Anforderungen, insbesondere der großen Hotelketten, sehr eng gestrickt- - man besteht schließlich auf ein hotelübergreifendes Corporate Image. Ausschlaggebend für die Gestaltung des Produkts kann jedoch die Perspektive des Entwicklers sein. Ist man auf einen schnellen Verkauf aus, spielt die Gestaltung womöglich eine untergeordnete Rolle, da eine maximale Rendite anzustreben ist. Entwickelt man hingegen für Bestandshalter, sind diese gegenüber Produkten mit höherer Architekturqualität bei niedrigerer Rendite eher aufgeschlossen. Bauten im Tourismus unterliegen immer dem Ziel einer perfekten Inszenierung. Wie kann dieses, ohne in platte Effekthascherei abzugleiten, in Hotelprojekten realisiert werden? Bei den großen Ketten ist dies aufgrund der Einhaltung des CI, also des Images, schwieriger umzusetzen als bei lokalen Anbietern; denn bei diesen wird naturgemäß auf Einsparungen in der Projektentwicklung durch „copy + paste“ gesetzt. Die Lösung wäre also eine Fokussierung und Identifikation mit dem Ort, welche sich in Einrichtung und Dekoration widerspiegeln kann. In die richtige Richtung geht hier meiner Meinung nach das- - oder besser die- - 25hours-Konzepte ( www.25hourshotels.com). G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 16 Die touristische Branche hatte bislang kaum Berührungen zur Architektur. Wo und wie sehen Sie hier Möglichkeiten einer interdisziplinären Annäherung? Eine Möglichkeit könnte zukünftig sein, die Architekten über die Architektenkammern über entsprechende Kurse und Weiterbildungsangebote auf die Bedürfnisse der Tourismusbranche zu schulen. Hierbei sollte der Fokus nicht primär auf die Inneneinrichtung gelegt werden, denn diese wird ohnehin weitestgehend an die Wünsche des Betreibers angepasst. Vielmehr sollte das Augenmerk auf die äußere Gestaltung gelegt werden. Es gilt hier, gemeinsam die Frage zu beantworten, wie sich das gewünschte Produkt z. B. in einer ansprechenden und passenden Fassade, einem Eingangsportal oder Fenstergrößen wiederspiegeln kann, um eine Verbindung zwischen Innen und Außen zu schaffen. Wie kann aus Ihrer Erfahrung eine gedeihliche Zusammenarbeit aus Touristikern und Architekten aussehen und ablaufen? Wenn man von einer einjährigen Planungsphase und einer zweijährigen Realisierungsphase ausgeht, ist der Knackpunkt bei der Zusammenarbeit meist die Vorlaufsphase. Im Idealfall sollten die späteren Betreiber der Hotels möglichst früh in die Projekte eingebunden werden, um bereits im Vorentwurf die Möglichkeit zu haben, auf die Gestaltung Einfluss zu nehmen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sich der Touristiker frühestmöglich zu dem zukünftigen Standort bekennt. Hierzu sollte ein entsprechender Mietvertrag, mindestens jedoch ein ausführlicher LOI (Letter of Intent), mit dem Projektentwickler bzw. Eigentümer ratifiziert werden, um sowohl für den Architekten als auch für den Hotelbetreiber einen rechtssicheren Planungsrahmen zu schaffen. Wo sehen Sie Bedeutung und Möglichkeiten, Architektur und Gestaltung bereits in der Stadtplanung für den Tourismus einzubringen? Dies scheint mir generell schwierig. Die maßgeblichen Instrumente auf lokaler Ebene sind der Flächennutzungsplan und-- soweit vorhanden-- der Bebauungsplan. In Letzterem werden zwar Nutzungsarten wie Gewerbe, Wohnen oder Mischnutzungen sowie die maximal zulässige Bebauung mittels der Geschossflächenzahl vorgeben. Letztendlich P ROLOG 17 bleibt es jedoch dem Grundstückseigentümer bzw. dem Projektentwickler überlassen, welche Art des Gewerbes er für seine Liegenschaft für sinnvoll hält und entwickelt. Können Sie gemeinsame Aufgaben und Tätigkeitsfelder für Architektur und Tourismus erkennen? Ja, denn zum einen kann die Anziehungskraft einer touristischen Destination durchaus aus architektonischen Highlights bestehen. Die Beispiele hierfür sind evident: Sydney Opera, One World Trade Center, Elbphilharmonie und viele andere architektonisch anspruchsvolle Gebäude befruchten sicher das Tourismusgewerbe. Als Zweites gilt es, neben diesen Attraktionen sich auch für zukünftige Hotelbetriebe in einer mehr investorengetriebenen Entwicklung genauer abzustimmen. Wie eingangs beschrieben, sollten Hotelbetreiber und Planer daher so früh wie möglich gemeinsam an der Planung arbeiten, um zu einem optimalen Ergebnis für beide Seiten zu kommen. Geht man nach dem römischen Architekturtheoretiker Virtruv, der ein optimales Gebäude mit den Eigenschaften Firmitas (Festigkeit), Venustas (Schönheit) und Utilitas (Nützlichkeit) in gleichem Maß beschreibt, sollten Touristiker und Architekten insbesondere im Bereich der Nützlichkeit enger zusammenarbeiten. Schauen Sie bitte einmal 30 Jahre in die Zukunft voraus-- wie sehen Sie das Verhältnis zwischen Architektur und Tourismus? Der Vorteil einer heute und einer zukünftig entwickelten Immobilie ist, dass mittlerweile international ein Streben nach nachhaltiger Entwicklung zu erkennen ist. Daher wird die Architektur meines Erachtens die konstantere Variable in einem Zukunftsszenario sein. Der Tourismus wird zukünftig mehr Änderungen erfahren. Es gilt meines Erachtens daher, gemeinsam mit Architekten und Hotelbetreibern Gebäudetypen zu entwickeln, die möglichst flexibel auf Änderungen des Nutzerverhaltens reagieren können. Herr Marx, ich danke Ihnen für dieses Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 18 Schaubild-2: Elbphilharmonie, Hamburg P ROLOG 19 Perspektive 3-|-Der Destinationsmanager Interview-|-Tourismusmanager Christian Schützinger Studium der Publizistik und Sportwissenschaften an der Universität Salzburg, seit Mitte 2003 ist er Landestourismusdirektor und Geschäftsführer der Vorarlberg Tourismus GmbH in Dornbirn. Herr Schützinger, Sie sind Tourismusmanager im österreichischen Bundesland Vorarlberg. Ihr Gebiet ist weithin als eine attraktive Urlaubsregion bekannt. Welche Bedeutung geben Sie allgemein guter Architektur im touristischen Geschäft? Wenn Sie das touristische Geschäft im Sinne des Vertriebs verstehen, dann hat gute Architektur auf den ersten Blick keine allzu große Bedeutung. Von den gut zwei Millionen Übernachtungsgästen, die jährlich Vorarlberg besuchen, kommen rund 30.000 aufgrund der Architektur, also rund ein Prozent. Unsere Kernkompetenzen sind immer noch im Winter das Skifahren und im Sommer das Wandern. Die Hauptmotive unserer Gäste sind „die schöne Landschaft und die Gastfreundschaft der Bevölkerung“. Erst auf den zweiten Blick hat gute Architektur eine Bedeutung. Im Hinblick auf die Urlaubsmarke Vorarlberg sogar eine sehr große. Sie drückt eine gewisse Haltung der Bauherren des Landes aus, schafft ein bestimmtes Ambiente und wertet das Produkt „Urlaub in Vorarlberg“ auf. Neben dem Steigern der Gästezahlen und des Umsatzes kommen für gute Architekten sicher noch „weiche“ (indirekte) Effekte dazu. Welche können Sie erkennen? Wir arbeiten in Vorarlberg schon seit über zehn Jahren an der Entwicklung der Urlaubsmarke Vorarlberg, die in einem System mit den Regionen und Österreich in gegenseitiger Befruchtung steht. Zusätzlich beschäftigen wir uns mit dem Aufbau der Standortmarke Vorarlberg. In beiden Fällen hilft uns die Vorarlberger Baukultur, die Außenwirkung von Vorarlberg zu präzisieren. Wir sprechen in diesem Zusammenhang eher von Baukultur als von Architektur, da für das Gelingen eines Phänomens, wie es in Vorarlberg passiert ist, mehrere Faktoren zusammenspielen. Neben ausgezeichneten Architekten sind dies hervorragende Handwerker, die G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 20 bereit sind, Neues auszuprobieren, offene Bauherren und vorausschauende Gemeinden und Behörden. Tourismus und Architektur hatten bislang kaum Berührungspunkte. Wie könnte aus Ihrer Erfahrung dem Tourismus das Verständnis über gute Architektur nähergebracht werden? Das Verständnis über gute Architektur wird bei uns in Vorarlberg über das vai, das Vorarlberger Architektur Institut, vermittelt. In verschiedenen Formaten wendet es sich an ein Fachpublikum, aber auch an Interessierte aus anderen Branchen. Um in das Tourismussystem zu wirken, haben wir beispielsweise eine ARGE Baukultur gegründet. TourismusexpertInnen und Bau-Kulturschaffende tauschen sich hier zu Bewusstseinsbildung und potenziellen Kooperationsprojekten im Bereich der Vorarlberger Baukunst aus. Auch im Rahmen unseres Programms Plattform Kultur & Tourismus kommen wir immer wieder mit Architektur in Berührung. Für unsere Gäste aber auch für Einheimische haben wir die ArchitekTouren entwickelt. Auf diesen Routen kann man Architekturbeispiele zu verschiedenen Themen entdecken. Wie wichtig beurteilen Sie touristisch orientierte Orts- und Stadtplanung und wie kann sich der Tourismus in diese Planungsebenen einbringen? Ich bin mir nicht sicher, ob eine gute Orts- und Stadtplanung rein touristisch orientiert sein kann. Tourismus versteht sich im Idealfall als Teil des Lebensraumes, der vital und authentisch erlebt werden soll. Wenn dieser Lebensraum durch gute Planung ästhetisch ansprechend und funktional intelligent ist, freut das nicht nur die Gäste, sondern auch die Einheimischen. Die Gestaltungsbeiräte in den Gemeinden Vorarlbergs spielen hier eine bedeutende Rolle. Was außer der guten Gestaltung von Quartieren und Gebäuden könnte die Architektur noch für den Tourismus leisten? P ROLOG 21 Wenn die Gestaltung von Quartieren und Gebäuden durchdacht gemacht wird, leisten die Architekten bereits enorm viel. Einerseits, weil sich Architekten, die diesen Anspruch an ihre Arbeit haben, mit dem Ort, der Geschichte und anderen Rahmenbedingungen beschäftigen und darauf Bezug nehmen. Durch diese Auseinandersetzung wird ein Objekt einzigartig und unverwechselbar. Andererseits, weil diese Objekte und Orte eine ganz bestimmte, höchst interessante Zielgruppe ansprechen. Gibt es Projekte für die Zukunft, in denen Tourismus und Architektur zusammenarbeiten sollen? Sowohl auf betrieblicher Ebene als auch im Orts- und Gemeindegebiet wird es in Zukunft hoffentlich noch sehr viele Projekte geben, bei denen Bauherren einen Architekten zurate ziehen. Wir haben erst für die Wintersaison 2016/ 2017 über 120 Millionen Euro im Vorarlberger Tourismus „verbaut“. Viele der Bauherren haben mit Architekten und heimischen Handwerkern zusammengearbeitet. Was würden Sie Ihren Kollegen aus dem Tourismus insgesamt zur Zusammenarbeit mit Architekten empfehlen? Sich genug Zeit für die Planung zu nehmen. Die Auseinandersetzung mit der grundsätzlichen Frage „Welche Räume brauche ich? “ führt nicht selten zu den Fragen „Wer bin ich und wer sind meine Gäste? “-- und dann wird’s spannend! Herr Schützinger, ich danke Ihnen für dieses Gespräch und wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg. 22 1 Begriffe und Definitionen Begriffe, Baukultur, Tourismusarchitektur und-Architekturtourismus Architektur und Tourismus sind zwei Wissenschaftsdisziplinen, die bisher kaum gemeinsame Berührungspunkte hatten. Seit ca. Mitte der 1990er- Jahre nähern sich beide Disziplinen an, da man bemerkt hat, dass das touristische Geschäft von guter Architektur profitieren kann. Da hierbei von zwei unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten auszugehen ist, ist es zunächst erforderlich, einige Begriffe für beide Disziplinen eindeutig und im Sinn dieses Buches zu definieren. Das ist auch deswegen nötig, da es sich bei diesen Disziplinen um zwei völlig ungleiche Wissenschaftsbereiche handelt. Hinzu kommt, dass die Architektur insgesamt ein sehr fachspezifischer Bereich ist, der dem Touristiker eher fremd ist. So wird dieses Buch nicht Ziele und Inhalte eines Architekturstudiums vermitteln können, es wird aber das Verständnis der Prozesse und Wirkungen von Architektur vermitteln können. Baukultur umfasst alle Bauwerke und Aktivitäten ihrer Entstehung und versteht sich somit als Überbegriff für das gesamte Bauwesen. Bauen wird hierbei als Ergebnis der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft verstanden, so wie Literatur, Musik, Bildende Kunst o. a. Baukultur ist also ein Teil der Kultur einer Gesellschaft. Es wird hierbei nicht nur das Ergebnis des Bauens, das Bauwerk selbst, betrachtet, sondern auch der Entstehungsprozess, die Planung und der Bau werden als eine kulturelle Leistung verstanden. Daher wird in der Architektur auch von Planungskultur gesprochen, etwa wie und mit welchen Methoden und Akteuren oder unter welchen Bedingungen Planungsprozesse durchgeführt werden. Auch der kulturelle, historische und gesellschaftliche Hintergrund B EGRIFFE UND D EFINITIONEN 23 einer Planung ist Teil der Baukultur. Dieser sehr weit gefasste Begriff macht eine Annäherung an den Tourismus umso schwieriger, als dass er bereits Teile des Tourismus beinhaltet, aber auch Teile dem Tourismus völlig konträr gegenüberstehen, was im Folgenden näher zu betrachten ist. Insgesamt ist dieser Begriff eher konturenschwach und somit kaum als Substitut für den Begriff Tourismusarchitektur zu verwenden. Im Zusammenhang mit dem beginnenden Interesse des Tourismus an Architektur haben sich zwei weitere Begriffe herausgebildet, die die Interdisziplinarität dieses neuen Bereiches sehr gut verdeutlichen. Sie sind zugleich auch Teile eines interessanten Deutungsspiels dieser Begriffe. Den Begriff Tourismusarchitektur hört man zunehmend, wobei hiermit eigentlich zwei Dinge gemeint sind. Beim ersten Fall bildet die Architektur des Gebäudes unabhängig von den Funktionen eine touristische Attraktion, quasi als Overhead auf das Gebäude. Im zweiten Fall stehen die touristischen Funktionen im Vordergrund und geben eine eindeutige Formensprache vor. Als Beispiel kann ein gut gestaltetes Hotelgebäude genannt werden. In beiden Fällen wird eine gute bis spektakuläre Architektur des Bauwerks benötigt, um dieses selbst oder das sonstige Angebot touristisch vermarkten zu können. Beide Fälle stellen für den Architekten im Entwurf des Gebäudes eine besondere Herausforderung dar. Legt man den Grundsatz „form follows function“ der Modernen Architektur zugrunde, so wird deutlich, dass gute Architektur stets aus einer den Funktionen entsprechenden Formensprache entspringt. In dieser Zweidimensionalität wird bereits deutlich, welche große Wirkung und Bedeutung die Architektur im touristischen Geschäft hat. Dieses lief in der Vergangenheit eher „unterbewusst“ ab oder wurde vollständig ausgeblendet. Eine Durchdringung dieses Verhältnisses war unbekannt und es ist bis heute noch nicht erforscht. So verwundert es auch nicht, dass viele Hotelbauten nicht von Architekten entworfen wurden, weil die Hotelbranche in der Arbeit des Architekten eher ein Hemmnis oder eine Kostensteigerung des Projektes als einen Nutzen sah. So wurden in der Vergangenheit Hotelbauten mehrheitlich vom Planer des Generalunternehmers oder Bauträgers, häufig als vorfabrizierte Typenbauten, entworfen und geplant. Ein entsprechend nüchternes bis simples Planungsergebnis war die G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 24 Folge. Diese, eigentlich unverständliche, Situation hat sich mit dem Beginn des Massentourismus bis gegen Ende der 1990er-Jahre verfestigt. Unverständlich deswegen, weil man z. B. bei Olivetti bereits in den 1930er-Jahren erfahren hatte, welche entscheidende Wirkung Architektur, Gestaltung und Corporate Identity für ein Unternehmen hat. Die Analogie zwischen einem Wirtschaftsunternehmen und einem Hotelunternehmen ist völlig offenkundig, zumal beim Hotel der direkte und unmittelbare Kundenkontakt eine noch wesentlichere Rolle spielt als bei einer Konzernzentrale, die i. d. R. kaum Kundenbesuch erfährt. Der zweite große und zu klärende Begriff ist Architekturtourismus. Hiermit ist eine Reise gemeint, die dazu dient, Architektur zu besichtigen. Dieses wird zu einem Segment des Kulturtourismus, der sich zunehmenden Interesses erfreut. Dieses können Fachexkursionen, Themenreisen oder Workshops etc. sein. Allerdings erfordert das Angebot solcher Reisen zunächst die Existenz von besichtigungswerter Architektur am Ort oder die Auswahl eines entsprechenden Reisezieles. Diese Reisen können als fachliche Reisen für Architekten oder auch für Laien durchgeführt werden oder als Informationsbzw. Bildungsreisen für architektonisch Interessierte. Die Fachexkursionen waren immer schon Bestandteil der klassischen Architektenausbildung, da man aus der Besichtigung und fachkundigen Erläuterung durch Architekten sehr viel für das eigene Entwerfen lernen kann. Die eher laienorientierte Reise hat sich im touristischen Geschäft noch nicht so sehr etabliert. Da wird vorwiegend auf einer sonstigen Reise auch ein freundliches Ambiente aus guter Architektur „mitgenommen“. Es kann davon ausgegangen werden, dass sich das Interesse an Architektur der touristischen Wirtschaft wie aber auch der Touristen in den kommenden Jahren vergrößern wird. In dem Maß, in dem zum einen intensive Grundlagenforschung diese Abhängigkeit erforscht und zum zweiten weitere gute Beispiele gebauter Tourismusarchitektur zeigen, wie gearbeitet werden kann, werden auch verschiedene Reiseformen und -angebote dieses Thema vermehrt aufgreifen. So werden neben der klassischen Architekturexkursion zahlreiche neue Formen von Architekturreisen entstehen, so wie es auch in der Gestaltung touristischer Bauten und Anlagen (Hotels, Resorts, B EGRIFFE UND D EFINITIONEN 25 Bäder etc.) eine tiefgreifende Architekturverwandlung geben wird. Insgesamt wird sich das touristische Geschäft sehr viel stärker und intensiver mit der guten Gestaltung seiner Anlagen und Umgebungen auseinandersetzen und beschäftigen, sodass diese Entwicklung auch wiederum Auswirkungen und Einfluss auf den Tourismus insgesamt zeigen wird. Können Architektur und Tourismus eine Symbiose bilden, um gemeinsam und interdisziplinär für beide Bereiche positiv und nutzbringend zu arbeiten? Gibt es eine architektonische Tourismusplanung oder eine touristische Architekturplanung? Wie würden beide Planungsvarianten aussehen? Dieses soll im Folgenden geklärt und verdeutlicht werden. Darstellung der beiden Disziplinen Architektur und-Tourismus Beide Disziplinen, Architektur und Tourismus, haben unterschiedliche Inhalte, Aufgaben und Ziele, die sich z. T. konträr gegenüberstehen. Eine Feststellung von Besonderheiten und Gemeinsamkeiten hilft zunächst, beide Disziplinen abzugrenzen und gegenüberzustellen. Das Instrument einer Mindmap kann in anschaulicher Form Sachverhalte und Strukturen verdeutlichen. Gerade wenn es um interdisziplinäre Zusammenhänge wie im vorliegenden Thema geht, wird dieses virtuelle Instrument gerne genutzt. Bei der Aufstellung einer interdisziplinären Mindmap aus Architektur und Tourismus spielt die gemeinsame Schnittmenge beider Bereiche die größte Rolle. Hier werden Erkenntnisse gewonnen, die für das Verständnis des Themas und für die Arbeit in der Tourismusarchitektur notwendig sind. Bei der Erstellung einer derartigen Mindmap wird man sich mit dem Bereich der Architektur recht leicht tun, da es hierzu sehr viele Informationen und Unterlagen gibt, die diese Disziplin detailliert beschreiben. Etwas aufwändiger kann es schon mit der Sammlung von Informationen über den Bereich Tourismus werden. Zum einen fehlt hier die kohärente Wissenschaftsdisziplin, zum anderen ist dieser Bereich sehr vielseitig, so dass Informationen aus unterschiedlichen Bereichen wie Soziologie, Wirtschaft, Verkehr, Marketing etc. zu sammeln sind. Die gemeinsame Schnittmenge ist dann wiede- G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 26 rum einfach herzustellen, da hier direkt deutlich wird, welche Themen beide Disziplinen betreffen. Architektur und Tourismus sind zwei Disziplinen, die aus unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen kommen. Architektur ist ein Teilbereich der Bildenden Kunst und umfasst alles, was mit der Entstehung eines Bauwerkes im Zusammenhang steht. Es ist damit also nicht nur die Gestaltung und Formgebung eines Gebäudes gemeint, sondern auch technisch-konstruktive, wirtschaftliche, energetische und ökologische Planungsaufgaben. Die Architektur wird damit zu einer generalistischen Wissenschaft, wobei als Kernbereich der Entwurf eines Bauwerkes angesehen wird. Diese Disziplin unterliegt, so wie andere Wissenschaftsbereiche auch, einer ständigen Dynamik, die durch globale Trends bestimmt wird. So ist in diesen Zeiten vorwiegend der Bestandspflege, Sanierung und Neu-Inwertsetzung Aufmerksamkeit zu widmen und weniger dem Neubau. Hinzu kommt beim Planen und Bauen ein immer stärker werdendes Diktat der Wirtschaftlichkeit, der Energieeinsparung und der Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit. Aber trotz dieser Zwänge entstehen auch heute spektakuläre Bauten, die auch oder gerade deswegen für den Tourismus interessant sind. Die Architektur zählt zu den klassischen Ingenieurfächern, obwohl sie in weiten Teilen auch gestaltende und gesellschaftliche Inhalte umfasst. Dennoch ist das Studium der Architektur bei den technischen Fakultäten angesiedelt und wird mit einem entsprechend technischen Abschluss beendet. Dabei lernen Studierende, in technischen Kategorien und Prozessen zu denken und zu handeln. Die Hauptarbeit des Architekten stellt dabei der Prozess der Planung eines Bauwerkes dar. Planung bedeutet einen in der Zukunft liegenden Zustand aus heutiger Sicht dahin führend zu organisieren. Die Architektur bedient sich dabei ingenieurwissenschaftlicher Methoden und Instrumente und berechnet, analysiert und produziert dabei Daten und Fakten. Die Denkweise des Ingenieurs bzw. Architekten beruht dabei auf technischen und messbaren Fakten. Nur mit diesen Grundlagen kann er verlässlich arbeiten und planen. Der Tourismus ist hingegen ein vorwiegend gesellschaftswissenschaftliches Fach, das sich in weiten Teilen auch wirtschaftswissenschaftlicher Methoden und Instrumente bedient. Hier ist es zunächst wesentlich, dass Gesellschafts- B EGRIFFE UND D EFINITIONEN 27 wissenschaften völlig andere Arbeits- und Denkweisen benutzen als die Ingenieurwissenschaften. Während der Ingenieur technisch-konstruktiv auf den Grundlagen von Fakten und Daten für die Zukunft plant, arbeitet der Gesellschaftswissenschaftler mit Situationen und Prozessen des Jetzt. Er analysiert, vergleicht und wertet diese. Außerdem arbeitet er häufig mit Theorien und Hypothesen, die dann empirisch bewertet und geprüft werden. Als besonderes Problem dieser Betrachtung erweist sich außerdem, dass der Tourismus in Deutschland keine anerkannte Wissenschaftsdisziplin ist und kaum Grundlagenforschung an den bestehenden Hochschulen betrieben wird. Insofern fällt es dem Tourismus schwer, eine Wissenschaftsposition einzunehmen und damit für andere Disziplinen konturenscharf zu sein. Dieses Problem zeigt sich auch in einem beachtlichen Forschungsdefizit, das wiederum kaum eine stringente Entwicklung der Disziplin Tourismus zulässt. Dort, wo keine Forschung stattfindet, ist man lediglich auf die Entwicklungsprozesse der Praxis angewiesen, die jedoch eher marktwirtschaftlich orientiert sind und als anwendungsbezogene Forschung bezeichnet wird. Der Forschungsbereich in der Architektur beschränkt sich in dieser Disziplin vorwiegend auf baugeschichtliche und architekturtheoretische Themenbereiche und zeigt, ähnlich dem Tourismus, kaum eine tiefgehende Grundlagenforschung. Da beide Disziplinen diese eigentliche Wissenschaftsnähe vermissen lassen, ist eine wissenschaftliche Annäherung umso schwieriger und kann daher nur vorwiegend über den Praxisbereich der anwendungsbezogenen Forschung ablaufen. Tipp-|-Verständnis entwickeln Lesen Sie sich in beide Disziplinen über Websites der Fachverbände ein: Deutscher Tourismusverband e. V. -www.deutschertourismusverband.de Bundesarchitektenkammer -www.bak.de G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 28 Feststellung von Besonderheiten und Gemeinsamkeiten beider Disziplinen Wenn es nun um einen interdisziplinären Ansatz der Tourismusarchitektur geht, sind zunächst Besonderheiten und Gemeinsamkeiten beider Grunddisziplinen festzustellen. Einerseits sind beide Bereiche verschiedenartig, andererseits können aber auch gemeinsame Aspekte identifiziert werden, welche Ansätze zum interdisziplinären Arbeiten bieten. Neben den oben genannten Besonderheiten ist festzustellen, dass die Architektur eine etablierte Disziplin, auch mit wissenschaftlicher Forschung, ist. Der Tourismus ist hingegen (noch) kein etablierter Wissenschaftsbereich. Erst in den letzten Jahren haben sich verschiedene touristische Studiengänge innerhalb von wirtschaftlichen oder geographischen Fachbereichen etabliert. Im Bereich der Ausbildung, Lehre und Forschung wird sich in den kommenden Jahren im Tourismus sehr viel bewegen, da der Tourismus insgesamt volkswirtschaftlich als eine der Branchen mit Wachstumspotenzial angesehen wird. Allein schon aus diesem wirtschaftlichen Grund erscheint es notwendig, dem Tourismus mehr Beachtung zu schenken. Fest steht, dass in manchen Regionen Deutschlands der Tourismus bereits heute die zentrale und stärkste Wirtschaftsbranche und für die Entwicklung der Region der Hauptmotor ist. Hierbei kommen den Zulieferbranchen wie EZH, Transport und Handwerk etc. große Bedeutungen zu, da diese dann in großem Maß vom Tourismus abhängig sind. Insofern ist es angeraten, den Tourismus anzuerkennen und die weiße Industrie als Substitut der industriellen Entwicklung oder als eine weitere Entwicklungsstufe der Dienstleistung zu erkennen. Es soll nun festgestellt werden, welche Gemeinsamkeiten und Ansätze für eine interdisziplinäre Arbeit in der Tourismusarchitektur gefunden werden können. Zunächst besitzen beide Disziplinen durchweg positiv besetzte Assoziationen. Urlaub und Reisen sind etwas Schönes und Angenehmes und werden daher mit positiven Erfahrungen verbunden und wahrgenommen. Gleiches trifft auch auf schöne Häuser und Hotels zu. Diese erste Gemeinsamkeit ist grundlegend für eine Zusammenarbeit und erleichtert die Annäherung sehr. B EGRIFFE UND D EFINITIONEN 29 Als Zweites operieren beide Disziplinen zu einem großen Teil mit visuellen Methoden. Architektur wird fast ausschließlich visuell wahrgenommen und arbeitet mit entsprechenden graphischen oder anderen bildhaften Methoden. Im Tourismus läuft das Marketing größtenteils über visuelle Informationen ab. Das bedeutet, dass sowohl die im Tourismus tätigen Personen als auch die Gäste auf visuelle Wahrnehmungen eingestellt sind und diese Wahrnehmungsart akzeptieren. Als dritte Gemeinsamkeit fällt auf, dass beide Disziplinen einen ähnlich hohen gesellschaftlichen Stellenwert und eine ähnliche Akzeptanz besitzen. Dieses hängt zum einen mit dem positiven Image beider Disziplinen zusammen, zum anderen aber auch mit der Möglichkeit, beide Produkte, ein Gebäude und eine Reise zum Statussymbol und zum Imageträger zu machen. Es ist weiterhin auffällig, dass beide Disziplinen sich auf ideale Weise ergänzen, wenn es um den Städtetourismus geht. Hier passt die Art der Reise, ihre Ziele und die Gäste ideal mit der Destination Stadt zusammen. Beide Bereiche ergänzen sich perfekt, was auch durch die große Beliebtheit von Städtereisen dokumentiert wird. Schließlich beeinflussen sich beide Disziplinen gegenseitig positiv. Sehr deutlich ist dieses an der Bäderarchitektur oder der Hotelarchitektur zu sehen, wo die Architektur des Gebäudes einen direkten Einfluss auf das Geschäft der Destination ausübt. Welche besonderen Punkte bestehen zwischen den beiden Disziplinen? Die Assoziationen sind positiv und arbeiten mit durchweg friedlichen und positiven Bildern. Der Tourismus arbeitet grundsätzlich mit positiven und fröhlichen Bildern und Stimmungen, zunehmend auch mit Qualität in der Gestaltung, also mit Design und Architektur. Des Weiteren arbeiten beide Disziplinen mit visuellen Instrumenten und sind vorwiegend visuell wahrnehmbare Disziplinen. Architekturwahrnehmung wird vorwiegend visuell praktiziert und auch die Entwurfs- und Planungsprozesse laufen überwiegend mit visuell basierten Methoden ab. Im Tourismusmarketing wird ebenfalls mit Bildern, Motiven und Stimmungen gearbeitet. Websites und Reisekataloge könnten ohne dieses Medium nicht existieren G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 30 und verstehen es perfekt, Situationen und Stimmungen zu transportieren. Gute Architektur spielt dabei immer eine zentrale Rolle. Tipp-|-Werden Sie Gasthörer. Besuchen Sie universitäre Grundlagenveranstaltungen im Tourismus bzw. in der Architektur. 31 2 Tätigkeitsfelder beider Disziplinen und interdisziplinäres Arbeiten Ableitung von Ansätzen zum interdisziplinären-Arbeiten Die beiden Disziplinen Architektur und Tourismus zeigen eine Reihe interessanter Ansätze für gemeinsames und interdisziplinäres Arbeiten. So fällt auf, dass der Tourismus z. B. ministeriell in den Wirtschaftsressorts angesiedelt ist und ihm damit eine überwiegend ökonomische Aufgabe und Bedeutung zukommt. Deutlich ist aber auch, dass gerade in den letzten Jahren beachtliche Wandlungsprozesse im Tourismus stattgefunden haben, die nicht zuletzt auf die Erkenntnis des Nutzens von guter Architektur im Tourismus beruhen. Auch die ökologische Komponente des Tourismus und die Imagebedeutung für die meisten Städte und Orte kennzeichnen signifikant den aktuellen Tourismus. So liegt ein Ansatz für gemeinsames Arbeiten in einem Ressortwechsel von den Wirtschaftsministerien in den Städtebau- und Baubereich. Die inhaltlichen und faktischen Berührungen und Verknüpfungen sind hier wesentlich zahlreicher und umfassender als zu den Wirtschaftsressorts. Mit einem solchen Ressortwechsel würde eine vollständige Wandlung der Identität des Tourismus einhergehen, die aber eine Neuausrichtung und einen Entwicklungsschub bedeuten würde. Gleich wie sich in den 1980er- Jahren im kommunalen Bereich die Ämter für Wirtschaftsförderung etabliert haben und bis heute ihre Berechtigung beweisen, würde sich der Tourismus auch innerhalb der Stadtplanung als feste Planungs- und Entwicklungsaufgabe etablieren lassen. Auf kommunaler Ebene eröffnen sich weitere Ansätze für gemeinsame Arbeit in der Stadtentwicklung und Stadtplanung. Tourismusentwicklung erfüllt Aufgaben einer Querschnittplanung und sollte als Fachplanung / Fachbeitrag zur Stadtentwicklung aufgenommen werden. In der Praxis bedeutet dieses, G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 32 Fachleute heranzubilden, die sowohl touristische Entwicklungsplanung wie auch städtebauliche Planungen bearbeiten können. Hierin wird derzeit der wichtigste und praxisbezogenste Ansatz erkannt. Die Profiteure des touristischen Geschäfts sind neben den Leistungsträgern selbst auch die Kommunen. Hier sollten planerische Integrationen geschaffen werden, die wiederum von Fachleuten aus beiden Disziplinen erarbeitet werden müssen. Für viele Kommunen stellt dieses Geschäft in den nächsten Jahren den einzigen wirtschaftlichen Wachstumsbereich dar. In der Objektplanung touristischer Bauwerke werden Experten aus der Tourismusarchitektur benötigt, die ebenfalls aus beiden Bereichen Inhalte einbringen können. Diese Interdisziplinarität umfasst sowohl die Planung von Neubauten wie auch die Sanierung im Bestand. Auch im Facility-Management (FM) touristischer Anlagen werden diese Fachleute benötigt. Und schließlich stellt das neuerlich eingeführte Building-Information-Management (BIM) touristischer Anlagen ein Betätigungsfeld für diese Fachleute dar, in dem Anlagendaten sowohl aus betrieblich-touristischer Sicht wie auch aus anlagentechnischer Sicht aufzustellen, zu verwalten und zu bedienen sind. Tab. 1: Verknüpfung von Planungsebenen mit touristischen Ebenen Planungsebene Maßstab Querschnittsdisziplinen Touristische Ebene Raumplanung, Landesplanung, Regionalplanung 1: 250.000 - 1: 2000 Architekturwahrnehmung / -psychologie Nachhaltigkeit/ soziale Verträglichkeit/ Ökologie Ökonomie / Marketing Verkehrsplanung / Erschließung / Erreichbarkeit Tourismusregion, Tourismusverband Städtebau, Quartiersplanung 1: 2000 - 1: 500 Tourismusdestination Objektplanung 1: 200 - 1: 1 touristische Anlage wie z. B. Hotel, Museum, Arena Innenarchitektur, Design 1: 100 - 5: 1 touristische Raumgestaltung, Objektdesign, Detailplanung T ÄTIGKEITSFELDER BEIDER D ISZIPLINEN UND INTERDISZIPLINÄRES A RBEITEN 33 Tipp-|-Vergleichen Sie Maßstabsebenen. Lesen und vergleichen Sie einen regionaltouristischen Masterplan mit einem Regionalplan. Vergleichen Sie einen Businessplan eines Hotels mit seiner Bauplanung und versuchen Sie, inhaltliche Beziehungen zu erkennen. Tätigkeitsfelder in Architektur und Tourismus In beiden Bereichen gibt es klassische Berufsbilder. So sind im Tourismus der Hotelmanager, Reiseverkehrskaufmann / -frau oder z. B. der Animateur bekannt. In der Architektur findet ein Absolvent ein ähnlich breites Betätigungsfeld. Er kann vom Entwurf über Planung und Konstruktion bis zur Bauleitung und Organisation arbeiten. Aber auch weitere Tätigkeiten wie der Sachverständige, der Berater oder der öffentlich tätige Architekt sind bekannt. Interessant ist nun die Frage, ob es Tätigkeitsfelder gibt, die quasi als Schnittmenge aus beiden Bereichen gelten. Als mögliche gemeinsame Tätigkeiten in beiden Bereichen ist zunächst die touristische Stadtplanung zu nennen. Stadtplanung benötigt sogenannte Fachplanungen als fachliche Beiträge zu einzelnen Themen wie Verkehrsplanung, Schulplanung, Grünplanung etc. Warum sollte daher nicht auch der Tourismus einen Fachbeitrag zur Stadtentwicklung leisten, der sowohl den Einwohnern wie aber auch den Besuchern und Gästen zugutekommen kann. Da touristische Entwicklungen und Planungen immer als sogenannte Querschnittsaufgaben innerhalb der Stadtplanung betrachtet werden und stets durch mehrere und verschiedene Entwicklungsdisziplinen reichen, eignen sie sich bestens als Fachbeitrag zur Stadtplanung. Hier zeigen sich durchaus Ansätze für ein neues gemeinsames Arbeiten zwischen Tourismus und Stadtplanung bzw. Architektur. Als Fachexperten für diese Aufgaben könnten sich planerisch spezifizierte Touristiker oder touristisch geschulte Planer eignen. Weiterhin könnte es einige Tätigkeiten im Tourismusmarketing geben, die für beide Disziplinen gleichermaßen zur Verfügung stehen. Dieser Bereich G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 34 ergibt sich aus der zunehmenden Bedeutung der Städtereisen und deren Umfeld. So werden hierfür Städteführer gesucht, die einen architektonischen Hintergrund besitzen und entsprechendes Fachwissen mitbringen. Auch Experten im Kulturtourismus werden gesucht, die baugeschichtliche, kunsthistorische und architektonische Kenntnisse mitbringen. Was in Deutschland völlig fehlt, sind Aus- und Weiterbildungen, Beratungen und Schulungen in Baukultur und Tourismus, um sowohl den Praktikern im Tourismus bei Projekten zur Seite zu stehen wie auch den Architekten das touristische Geschäft nahezubringen. Hier sind Themen und Inhalte zu entwickeln, die praxisnah an die Touristiker und Architekten weitergegeben werden können. Dabei geht es weniger um Planungsschritte und Leistungsphasen der Architektenarbeit, sondern vorwiegend um die Vermittlung der Wirkungsweisen von Tourismusarchitektur, sowie um die Fragen, wie gebaute Umwelt wahrgenommen wird und wie diese Erkenntnisse im Tourismus sinnvoll und nutzbringend umgesetzt werden können. Weiterhin existiert zum Thema Baukultur und Tourismus so gut wie keinerlei wissenschaftliche oder Grundlagenforschung. Auch dieser Bereich muss dringend erschlossen werden und die zahlreichen und vor allem praxisbezogenen Fragen beantwortet werden. Hierbei können internationale Kontakte und Kooperationen, insbesondere zu diesem Thema, aus Österreich und der Schweiz von großer Hilfe sein. Denn dort ist man beim Thema Baukultur und Tourismus in der Entwicklung und vor allem in der wissenschaftlichen Forschung in diesem Themengebiet bereits ein großes Stück weiter. Schließlich bietet der Reisejournalismus viele Aufgaben des Tourismus und der Architektur. So können Berichte, Informationen, Kritiken und Analysen gemeinsam über das Reisen und über Architektur verfasst werden. Und auch das gemeinsame Marketing in Text und Bild ist eine gemeinsame Aufgabe, die neue Spezialisten benötigt. Tipp-|-Vergleichen Sie Tätigkeiten im Tourismus und in der Architektur. Sammeln Sie einige signifikante Tätigkeiten im Tourismus und in der Architektur und vergleichen Sie diese miteinander. T ÄTIGKEITSFELDER BEIDER D ISZIPLINEN UND INTERDISZIPLINÄRES A RBEITEN 35 Suchen Sie in beiden Gemeinsamkeiten und mögliche Berührungspunkte für interdisziplinäre Arbeit. Zukünftige gemeinsame Handlungs- und Steuerungsfelder Wo und wie können beide Bereiche zusammenarbeiten? Erkennbar sind hierfür einige Handlungsfelder, die einige, auch neue, Tätigkeiten in der Planung wie auch im Tourismus aufzeigen. Als Erstes ist zwischen beiden Disziplinen eine Positionsbestimmung erforderlich, die in der Politik, Verwaltung und in Forschung und Lehre beginnen muss. Tourismus ist nicht nur ein Teil der Wirtschaftslehre, sondern umfasst u. a. auch die Architektur und Stadtplanung. Dieses bedeutet eine neue Ressortierung in Verwaltungen und Kommunen. Hierdurch entstehen neue Tätigkeiten und Aufgaben, die aus Fachleuten beider Disziplinen besetzt werden müssen. In Lehre und Forschung kommen ebenfalls beide Disziplinen zusammen und müssen gemeinsame Ziele erarbeiten. Zentral dabei ist die Zusammenführung von Tourismussoziologie und -psychologie sowie Architekturpsychologie und Wahrnehmungstheorien. Die Architektur muss dabei ihre Vorbehalte gegenüber dem Tourismus und dem Disneylandeffekt aufgeben und konstruktiv an gemeinsamen Zielen eines werthaltigen Tourismus arbeiten. Der Tourismus muss seine Vorbehalte gegenüber der Architektur aufgeben und erkennen, dass er hierin einen Verbündeten hat, der ihm hilft, die eigenen Ziele zu verbessern und zu erreichen. In der touristischen Stadtplanung und in der architektonischen Tourismusplanung sind ebenfalls umfangreiche neue Tätigkeitsfelder zu erkennen. Gerade für hochwertige architektonische Destinationen spielen die Städte die zentrale Rolle und müssen sich mit der Entwicklung des kommunalen touristischen Geschäftes auseinandersetzen. Dieses ist in den vergangenen Jahren vernachlässigt worden, ist aber für eine positive Entwicklung beider Bereiche notwendig. In der Stadtplanung sollte ein touristischer Fachplan entwickelt werden und gleich wie andere Fachpläne in die Stadtentwick- G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 36 lung und Stadtplanung Eingang finden. Die Aufstellung und Erarbeitung dieser Pläne sollte eine Fachaufgabe für Experten aus beiden Disziplinen sein. Der touristische Fachplan wird eine sogenannte Querschnittsaufgabe der kommunalen Entwicklungsplanung sein und viele andere Entwicklungsbereiche wie Verkehr, Kultur, Sport, Gastronomie etc. durchqueren. Innerhalb der touristischen Objekte in Form von Gebäuden und Bauwerken werden Spezialisten benötigt, die aus dem Bereich Facility-Management (FM) kommen und sowohl gebäudetechnisches Wissen wie auch tourismuswirtschaftliches Wissen mitbringen. Wie wird ein Hotel richtig bewirtschaftet und welche Kosten und Faktoren spielen hier rein und wie können diese gemanagt werden? Diese Aufgaben fallen in die Tätigkeiten eines touristischen FM-Spezialisten. Das relativ neue Building-Information- Management (BIM) erfordert ebenso neue Spezialisten, die über Kenntnisse und Daten aus dem technischen, architektonischen aber auch aus dem tourismuswirtschaftlichen Bereich verfügen und diese miteinander verknüpfen und in Beziehung setzen können. Diese Spezialisten werden nicht nur beim Neubau und Umbau bestehender Anlagen benötigt, sondern auch im Betrieb und Unterhalt von bestehenden Anlagen, sowie in der Vernetzung von gleichartigen Betrieben (Controlling). Tipp-|-Suchen Sie Gemeinsamkeiten. Versuchen Sie, gemeinsame Tätigkeiten beider Disziplinen zu entwickeln und skizzieren Sie neue Berufsbilder. 37 3 Was war zuerst: Architektur oder Tourismus? Die Entwicklung des Verhältnisses von Architektur und-Tourismus Die Anfänge des Reisens standen unter dem Vorzeichen des Erkundens und des Kennenlernens fremder Länder und Städte. Dieser eher reportageorientierte Sinn einer Reise akzeptierte das Reiseziel so, wie es war. Die Frage nach Authentizität oder Verfälschung stellte sich damals noch nicht, war doch gerade das Originale, Exotische oder Andersartige das Spannende und Interessante einer Expedition oder Reise. In aufwendigen Handzeichnungen wurden fremde Landschaften, Städte und auch Pflanzen und Tiere dokumentiert und nach Hause mitgebracht. Diese Art des Reisens hatte ein konkretes sachliches Ziel und eine klaren Zweck. Mit Aufkommen des modernen Massentourismus verlor dieses Ziel mehr und mehr an Bedeutung und der Wunsch nach Erholung kam hinzu. Der Globus ist geographisch lückenlos erforscht und bekannt. Inzwischen steht der Wunsch nach Erholung als Ziel im Tourismus mehr im Vordergrund als die Erkundung neuer und fremder Regionen und Städte. Die Frage, was zuerst war, lässt sich damit ganz klar beantworten: Zuerst waren die Städte und Landschaften als Originale, die dann von Reisenden besucht und erkundet wurden. Mit fortschreitender Globalisierung und modernen Reiseverkehrsmitteln wurde die Welt insgesamt bekannter und ein neuer Zweck des Tourismus kam hinzu, der Wunsch nach Erholung durch Inszenierung in fremder Umgebung. Inzwischen diversifizierte sich der Tourismus in unterschiedliche Reisebereiche wie Geschäftsreisen, Konferenzreisen, Urlaubsreisen, Bildungsreisen, G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 38 Eventreisen etc. Jede dieser Reisen hat einen bestimmten Anlass und Zweck. Die Städte als Destinationen erfüllen diese unterschiedlichen Bedarfe am besten und bieten für entsprechende Inszenierungen die vielfältigsten Räume und Flächen an. So nimmt auch die Verstädterung von Tourismusorten zu, um allen diesen vielfältigen Ansprüchen gerecht zu werden. Tourismus ist für die meisten Städte inzwischen sehr wichtig, weil hierdurch Wirtschaftskraft und Umsätze entstehen und Arbeitsplätze geschaffen werden. Zum erweiterten Städtetourismus zählen Geschäftstourismus, Konferenzen, Messen und Großveranstaltungen. Das Wirkungsgefüge aus diesen Elementen ist gewaltig und wirtschaftlich für die meisten Städte unverzichtbar. Tipp-|-Lernen Sie, Architektur als Multiplikationsfaktor für den Tourismus zu erkennen. Betrachten Sie gute Beispiele, in denen die Architektur das touristische Geschäft unterstützt. Architektur in der Tourismuswissenschaft Die Tourismuswissenschaft ist eine typische Querschnittsdisziplin, die sich selbst innerhalb der Gesellschafts- und Wirtschaftswissenschaften ansiedelt und sich einer Fülle anderer Disziplinen bedient wie z. B. der Geographie, der Soziologie, der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre, des Verkehrswesens, der Umweltwissenschaften und der Raumsowie Stadtplanung. Eine ganze Reihe weiterer interdisziplinärer Bezüge sind bekannt und bewährt. In der deutschen Wissenschaftslandschaft ist es versäumt worden, den Tourismus in der Neuordnung der Hochschullandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg als eigenständige Wissenschaft zu etablieren. In den Aufbaujahren der 1950er- und 1960er-Jahre waren sicherlich andere Disziplinen vorrangiger als der Tourismus. Versäumt wurde jedoch, den Tourismus innerhalb der großen Hochschulreformen der 1970er-Jahre zu etablieren. Tourismus wurde damals erst vereinzelt als (Neben-)Fach innerhalb der geographischen oder wirtschaftlichen Studiengänge eingeführt. Dabei blieb es bis ca. Mitte der W AS WAR ZUERST : A RCHITEKTUR ODER T OURISMUS ? 39 1990er-Jahre, in denen sich, zunächst als Vertiefungen, ganze Studiengänge im Tourismus entwickelt haben. Seitdem erfährt der Tourismus neben der anwendungsorientierten Lehre auch zunehmende Bedeutung in der wissenschaftlichen (Grundlagen-)Forschung. Diese Entwicklung zeigt sich auch in einer zunehmenden Akzeptanz dieser Disziplin in der Bereitstellung von öffentlichen Geldern für touristische Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (FuE). Als verwunderlich muss es daher bezeichnet werden, dass Architektur und Tourismus bislang nicht zu intensiven Kooperationen zueinandergefunden haben. Die Gründe hierfür wurden bereits behandelt, aber neben dem Disziplinenunterschied steht zudem die Tatsache, dass Tourismus nicht ohne bauliches Ambiente und bauliche Strukturen arbeiten kann. Diese, im Moment noch rudimentäre, Erkenntnis erscheint als eine der zentralen Bedingungen für das Verhältnis zwischen Architektur und Tourismus. Johann Wolfgang von Goethes Italienreise bezieht den Großteil ihres Erfolges aus der Andersartigkeit der Städte, Orte und ihrer Lebenskulturen. Selbst im modernen Tourismus spielt der Ortswechsel mit anderem Ambiente eine entscheidende Rolle. Insofern kommt hier wiederum die These aus → -Kapitel 3, dass es zuerst die Städte und Landschaften waren, die Neugierige angezogen haben, zum Tragen. Und in der Diversifikation des modernen Reisens kommt dem Ort die zentrale Bedeutung zu. Es geht von der Frage, welche Stadt die Olympischen Spiele ausführen soll oder in welcher Stadt ein Kongress ausgetragen wird, bis zu der Frage, welche Stadt für einen spektakulären Museumsneubau geeignet ist. In viele dieser Entscheidungen greift das Verhältnis Architektur/ Tourismus, wenn auch unbewusst, nur am Rand ein. Zwar wird gerade diese Abhängigkeit zwischen Ort bzw. Architektur und touristischer Attraktivität auf anderen Ebenen wie Wirtschaftskraft, Verkehr, Ökologie etc. entschieden, Grundlage ist jedoch das, noch unerkannte und unerforschte, Verhältnis aus Architektur und Tourismus. Es ist insofern höchste Zeit, dieses Verhältnis und diese Abhängigkeit in der Grundlagenforschung aufzuarbeiten. Hiermit wird ein neues Kapitel im Tourismus und in der Architektur eröffnet, dass nicht nur wichtig und spannend ist, sondern auch in der Architektur und im Tourismus viele neue Aufgaben und Arbeiten eröffnen wird. 40 4 Architektur als Wirtschaftsfaktor im Tourismus Wechselwirkung zwischen Architektur und-Tourismus Die klassische Architektur zeigt derzeit ein nur sehr eingeschränktes Interesse am Tourismus. Vielmehr sieht sie den Tourismus als banal und trivial an und versteht hier vorwiegend eine Konsumorientierung. Die Architektur geht weiterhin davon aus, dass aus dem Tourismus kaum erwähnenswerte Architekturen hervorgehen und touristische Anlagen eher im Sinn von Disneyland kaum gestalterische und architektonische Ansprüche erfüllen. Allerdings steht die Architektur dem Tourismus auch ziemlich planlos gegenüber und ist kaum in der Lage, schlüssige und gute Konzepte, sowohl in der Stadtplanung wie auch in der Objektplanung, zu entwickeln. Derzeit besteht ein einseitiges Interesse des Tourismus an der Architektur, da man erkannt hat, dass gute Architektur durchaus etwas Positives für den Tourismus darstellen kann. Es gilt also diese Wechselwirkungen etwas näher zu betrachten. Eindeutige Wechselwirkungen zwischen Architektur und Tourismuswirtschaft bestehen zweifelsohne. Diese Wirkungen zeigen sich am deutlichsten im wirtschaftlichen Bereich, in dem im Idealfall eine Win-win-Situation geschlossen wird. Diese Wechselwirkung ist im Folgenden etwas näher zu betrachten. Strukturell ist diese Win-win-Situation etwas Besonderes, weil beide Seiten aus verschiedenen Disziplinen kommen. Klassische Win-win-Situationen finden vorwiegend innerhalb eines Bereiches statt, im Fall Tourismusarchitektur läuft dieses interdisziplinär ab. Das erfordert eine sehr intensive und detaillierte Konstruktion und Vorbereitung dieses Modells. So muss jeder Partner eindeutig seine Vorteile des Modells erkennen und gewillt sein, seinen Teil der erwarteten Leistung beizutragen. A RCHITEKTUR ALS W IRTSCHAFTSFAKTOR IM T OURISMUS 41 Für die Architektur liegen die Vorteile im breit angelegten Marketing, in der Imagebildung und Identity, wie auch ggf. in einer einfacheren Förderung von Folgeprojekten. Insgesamt ist aber festzustellen, dass die Vorteile für die Architektur in diesem Modell sicherlich kleiner ausfallen als die Vorteile für den Tourismus. Diese liegen in einem sehr guten Marketing, in der Imagebildung bzw. Corporate Architecture, in der Themenvielfalt der Programmbzw. Angebotsentwicklung, in der Gästebindung, in der Preisgestaltung, in der Nachhaltigkeit des Tourismusgeschäftes, in der Qualität der Angebote und in der Argumentation der Gesamtentwicklung. Es wird deutlich, dass hier die Vorteile konkreter sind und überwiegen. Dennoch ist eine Winwin-Situation für beide Partner möglich, die auch der Architektur genügend attraktive Effekte bietet. Deutlich wird hierbei auch, dass für beide Partner die Effekte über das Instrument des Marketings erzielt werden. Insofern kommt noch dieser dritte Partner in das Win-win-Modell hinzu, der hier als größter Profiteur zu betrachten ist. Marketing benötigt Produkte oder Fakten, um erfolgreich arbeiten zu können. Diese werden sowohl durch die Architektur geschaffen als auch durch touristische Themen und Angebote rund um die Architektur oder zusätzlich zur Architektur. Es ist des Weiteren festzuhalten, dass zwischen der Region und ihrer Baukultur (Architektur) immer ein Kontext bestand und besteht. Während früher nur aus örtlich vorkommenden Materialien gebaut wurde und damit auch die Baugestaltung eine eigene Identität hervorbrachte, verlor sich diese Ortindividualität in späteren Zeiten. Es wurden Baustoffe und Geräte sowie auch Bautechniken global transportiert und vermischten regional gewachsene Eigenheiten miteinander. Die Identität des Ortes ging verloren, indem austauschbare Materialien auch austauschbare Architekturen hervorbrachten. Heute versucht man wieder, den individuellen Charakter einer Region zu erkennen und durch entsprechende Architektur hervorzuheben. Dieses ist ein wertvoller Ansatz und eine Chance für gute Tourismusarchitektur. Architekten waren im touristischen Geschäft nicht sehr gefragt und der Tourismus stand diesem Berufsstand eher skeptisch gegenüber. So wurden bis vor wenigen Jahren noch die meisten touristischen Bauten wie Cam- G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 42 pingplätze, Feriencenter oder Hotels nicht von Architekten entworfen und geplant. Die Tourismuswirtschaft hatte vorwiegend das Geschäft im Auge und vermied alles, was dazu führte, dieses Geschäft zu beeinträchtigen. Dabei spielte das Image der Architektur, ein Kostentreiber am Bau zu sein, in diese Situation hinein und verstärkte dieses Missverhältnis noch zusätzlich. Erst vor wenigen Jahren begann dieses Verhältnis aufzubrechen, indem der Wunsch der Gäste nach mehr Qualität, auch architektonischer Qualität, bekannt wurde und sich zunehmend verbreitete. Ein schlecht gestaltetes Hotel wird heute von Gästen mit Missachtung gestraft, sodass die Tourismusbranche nicht mehr ohne die Architektur auskommt. Welche Wechselwirkungen zwischen Tourismus und Architektur noch bestehen, wurde in der Grundlagenstudie der Plattform pla‘tou, 1 2007, erarbeitet. U. a. wurde hier festgestellt, dass hochwertige Architektur über ein beachtliches Innovationspotenzial verfügt, qualitative Architektur maßgeblich zur Nachhaltigkeit von touristischen Angeboten beiträgt und gute Architektur im Tourismus zur Nachahmung motiviert und andere zum eigenen Handeln anstiften kann. Weitere Erkenntnisse sind der genannten Studie zu entnehmen. Insgesamt zeigen diese Erkenntnisse jedoch, dass die Skepsis der Tourismusbranche gegenüber der Architektur völlig unbegründet ist. Vielmehr unterstützt die Architektur das touristische Geschäft. Die Touristiker, die sich mit guter Architektur auseinandersetzen, bestätigen diese Nutzeffekte. Architektur wird darauf zu einem Helfer im Tourismus. Die vielfältigen Wechselwirkungen beeinträchtigen sich nicht. Beide Partner profitieren in dieser Beziehung voneinander. Tipp-|-Erkennen Sie Nutzeffekte. Notieren Sie alle Nutzeffekte und Abhängigkeiten zwischen Architektur und Tourismus auf und verdeutlichen Sie sich die Abhängigkeiten anhand von Beispielen. A RCHITEKTUR ALS W IRTSCHAFTSFAKTOR IM T OURISMUS 43 Wie unterstützt „gute“ Architektur die regionale Wirtschaft? Die Möglichkeiten der Unterstützung regionaler Wirtschaft durch Architektur sind sehr vielfältig. Zum einen sind es direkte Effekte wie Handwerks- und Bauleistungen, welche durch die Schaffung von Architektur entstehen. Zum anderen aber auch zahlreiche indirekte Effekte, die im Vergleich bis zu 10-mal höher sein können. Es gilt also, das Hauptaugenmerk auf diesen Bereich zu legen. Ebenso indirekt wirkt auch der Tourismus als ein „weicher“ Standortfaktor mit einer sehr breiten Palette an Möglichkeiten. Insofern zeigen Tourismus und Architektur gleichermaßen ökonomische Wirkungen als weiche Standortfaktoren, vor allem in den Bereichen Hotellerie bzw. Gastronomie, Einzelhandel, Transport und Dienstleistungen. Da Tourismus und Architektur hier gleichermaßen arbeiten, ist es leicht, beide Bereiche miteinander zu verbinden und ihre ökonomische Wirkung noch zu verstärken. In drei Bereichen können Tourismus und Architektur zusammenarbeiten. Erstens bietet gute Architektur wirkungsvolle Kulissen für touristische Inszenierungen. Dieses Verhältnis, es wurde weiter oben bereits dargestellt, ist hier aus wirtschaftlicher Sicht von Bedeutung. Der wirtschaftliche Erfolg einer touristischen Inszenierung ist umso größer, je interessanter oder spektakulärer die Inszenierung des Raums und der Kulissen ist. Hinzu kommen Faktoren wie Erreichbarkeit, Ganzjährigkeit und Unverwechselbarkeit. Zweitens erzählt gute Architektur Geschichten, die in der touristischen Inszenierung wichtig sind. Ein authentischer oder ein inszenierter Ort erzählen beide Geschichten, die durch gute Architektur noch verstärkt werden. Hinzu kommt gegebenenfalls, dass spektakulär gute Architektur ohnehin eine anziehende Wirkung hat. Drittens kann gute Architektur im Tourismus auch als Marketinginstrument eingesetzt werden. Wirtschaftliche Angebote brauchen ein gutes Marketing, um effizient arbeiten zu können. Allein die visuelle Wirkung von Architektur ist als Marketingfaktor gut einsetzbar und weckt das Interesse der Kunden. Es ist also insbesondere die visuelle Wirkung der Architektur, die das Marketing der regionalen Wirtschaft unterstützt. Hinzu kommt ein Imagefaktor G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 44 guter Architektur. Wenn Architektur dann noch mit einem berühmten Namen verbunden ist, wirkt dieser Imagefaktor aus perfekte Art und Weise. Insgesamt unterstützen Architektur und Tourismus die regionale Wirtschaft wesentlich intensiver und weiter als bisher angenommen. Es liegt also nahe, diese Abhängigkeit mehr zu nutzen und ihre Wirkungsweisen weiter zu erforschen und zu analysieren. 45 5 Verstärkungen und Überlagerungen des Tourismus durch Architektur - die Architekturwahrnehmung Überlagerung des Eigentlichen Gute Architektur kann und soll das touristische Geschäft stärken und unterstützen. Schwierig wird es immer, wenn in dieser Win-win-Situation einer der beiden Partner den anderen „überlagert“ oder erdrückt. Dieses kann sowohl das touristische Angebot sein, das durch eine spektakuläre Architektur in den Hintergrund gedrängt wird, wie aber auch eine gute Architektur, die durch ein extremes touristisches Geschäft überlagert wird. Vermutlich wird in der Praxis eher der Fall eintreten, dass die spektakuläre Architektur das eigentliche touristische Angebot überlagert. Dieser Effekt kann aufgrund verschiedener Probleme entstehen. Zum einen ist das Verhältnis aus Architektur und touristischem Angebot nicht richtig aufeinander abgestimmt. Dann erhält einer der Partner eine übergroße Bedeutung, die wiederum den anderen Partner „erdrückt“. Aus dieser Problemsituation wird deutlich, wie wichtig eine frühzeitige Abstimmung der Bedeutung beider Angebote, des Bauwerks und des touristischen Angebotes, ist. Diese Abstimmung muss bereits in der Konzeptphase des Projektes beginnen. Dieses abgestimmte Zusammenspiel aus architektonischer Wirkung und touristischem Geschäft ist eine bis dato weitgehend unbekannte Situation im Tourismus und in der Architektur. Jedoch liegt hierin auch wiederum die Chance für einen großen Erfolg des Projektes. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 46 Wichtig dabei ist, dass beide Produkte, das Bauwerk und das Tourismusangebot, in ihrer inhaltlichen, visuellen und semantischen Wahrnehmung nicht zu weit auseinanderliegen. Hier sollte in der frühen Konzeptphase eine gemeinsame Linie gefunden werden, die Architektur und Tourismus gleichermaßen darstellt. Dieses ist eine sehr klare und eindeutige Win-win- Situation. Immer wenn die architektonische Semantik die Themen des Tourismus aufgreift und widerspiegelt, sollte dieses gut gelungen sein. So steht die Architektursprache und -form in einem direkten Verhältnis zur Funktion des Bauwerks und symbolisiert das touristische Angebot des Gebäudes. Eine funktionale gegenseitige Verstärkung oder Ergänzung ist das Ergebnis. Für die Architektur dürfte diese Aufgabe nichts gänzlich Neues sein, da u. a. der Beisatz „form follows function“ dieses schon seit den 1950er-Jahren verfolgt. Jedoch zeigen viele Bauwerke, wie schwierig eine konsequente Beachtung und Umsetzung dieser Vorgabe ist. Für den Tourismus dürfte diese Vorgabe doch eher unbekannt und neuartig sein, da die Erfahrungen mit Architektur neuerer sind und noch nicht überall im Tourismus etabliert sind. Es ist weiterhin möglich, dass während des Betriebs der eine der beiden Partner sein Marketingkonzept völlig ändert, seine Marketingaktivitäten ändert oder ausweitet bzw. eine andere Zielgruppe ins Auge fasst. Nun löst er sich vom ursprünglichen Miteinander beider Partner und beginnt einen marketingmäßigen Alleingang, der zulasten des anderen Partners geht. Schließlich kann sich auch der Ort (Destination) der Architektur und des touristischen Angebotes ändern und damit für ein Überlagern des Eigentlichen, nämlich der Architektur bzw. des Touristischen, sorgen. So könnte auch eine Stadt ggf. vom Erfolg und Image der Architektur und des Touristischen abrücken und in ihrer Werbung auf andere (touristische) Qualitäten und Angebote hinarbeiten. Viele internationale Beispiele derartiger Überlagerungen zeigen, dass man Gefahr laufen kann, mit den Namen von Stararchitekten das eigentliche Angebot zu überlagern und dann mitunter andere Besucher und Gäste anzusprechen, als das eigentlich gewollt war (z. B. Frank O. Gehry für das Guggenheim-Museum in Bilbao, Coop Himmelb(l)au für die BMW Welt oder Zaha Hadid mit dem Phaeno in Wolfsburg). V ERSTÄRKUNGEN UND Ü BERLAGERUNGEN DES T OURISMUS DURCH A RCHITEKTUR 47 Hier werden Stararchitekten als Zugpferde für den Tourismus des Ortes verwendet und mancher Gast kommt vorwiegend wegen der Architektur hierher und kaum wegen des eigentlichen touristischen Angebotes. Schaubild-3: BMW Welt, München Auch dieses ist ein neues Phänomen im Tourismus, das einzelne Personen, Stararchitekten, einerseits als Imageträger einer Destination fungieren. Andererseits können die Destinationen mit diesem Namen (die Personen selbst sind vor Ort nicht zu sehen) sehr gut werben. Neu ist das im Tourismus, da man einen Personenkult bislang von Großevents, Konzerten o. ä. kannte, wo die Personen selbst auch zugegen sind. Hier bildet der Name ein Image, das so nachhaltig ist, dass es über mehrere Jahre (viele) Besucher und Gäste anzieht. Tipp-|-Erkennen Sie negative Beziehungen. Suchen Sie Fälle, in denen sich Architektur und Tourismus gegenseitig behindern und negative Ergebnisse entstehen. Wo liegen hier welche Probleme? G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 48 Versuchen Sie herauszufinden, wie Architektur das touristische Angebot überlagern oder erdrücken kann. Wahrnehmungstheorien und Architekturpsychologie Um über und mit guter Architektur arbeiten zu können, ist es erforderlich, zunächst einmal die Abläufe und Vorgänge der Wahrnehmung gebauter Umwelt kennenzulernen. Dabei ist die Metapher der „dritten Haut“ sehr hilfreich, mit der die Behausung des Menschen gemeint ist. Hilfreich dabei ist der Vergleich mit der zweiten Haut, der Bekleidung, mit der der Mensch immer seinen Stil, sein Stilempfinden und seine gesellschaftliche Position zum Ausdruck bringt. Kleidung wird häufig auch ganz bewusst als Kostüm in einer persönlichen Inszenierung eingesetzt. Durchaus vergleichbar verhält es sich mit Architektur, insbesondere im Wohnungsbau und ganz besonders auch im Tourismus. Diese drückt das Niveau, den Stil und das gesellschaftliche Level aus, das gezielt die entsprechende Gästeschicht ansprechen soll. Die Haut oder Hülle sendet eine Botschaft an den Empfänger, hier an den Gast, aus. Die Wahrnehmungstheorie ist dann das Werkzeug, mit dem diese Botschaft entschlüsselt wird. Zu unterscheiden ist hier zunächst zwischen dem Sehen als das bloße Erkennen und unbewusste visuelle Aufnehmen sowie dem Wahrnehmen als das bewusste Reflektieren des Gesehenen. Die visuelle Wahrnehmung läuft in drei Stufen ab: Zunächst das Sehen als erste Stufe, das die Empfindung des Sehreizes ausmacht. Dabei werden Formen, Strukturen, Teilungen und Farben aufgenommen. Die zweite Stufe ist das Organisieren es Gesehenen, also das Zusammenfügen und Strukturieren, was in Bruchteilen von Sekunden geschieht. In der dritten Stufe werden diese Informationen mit erlernten und abgespeicherten Informationen abgeglichen. Die organisierten Informationen werden entschlüsselt und Bedeutungen zugeordnet. V ERSTÄRKUNGEN UND Ü BERLAGERUNGEN DES T OURISMUS DURCH A RCHITEKTUR 49 Etwas Spitzes oder Rotes löst sofort Alarm aus. Der Mensch wird sofort aufmerksam und vorsichtig, weil man gelernt hat, dass diese Form und Farbe etwas Gefährliches umfassen kann. Etwas Gerundetes in blau oder grün wirkt vertrauensbildend, beruhigend und gibt Sicherheit, weil man mit dieser Form und diesen Farben derartige Erfahrungen gelernt und gesammelt hat. Diese Entschlüsselung bzw. Dekodierung von Formen und Farben ist ein Ergebnis der jeweiligen kulturellen Zivilisation. Es ist ein Abgleich zwischen dem Gesehenen und dem Bekannten bzw. Erlernten, der in Bruchteilen von Sekunden abläuft. Dieser Abgleich findet permanent, außer im Schlaf, statt. Dabei können diese Assoziationen in unterschiedlichen Kulturkreisen durchaus verschieden ausfallen. So wird in Europa Schwarz als der Ton der Trauer und des Todes interpretiert, in anderen Kulturkreisen der Welt als Farbe der Freude und des Friedens. Mit dem Ton Weiß verhält es sich genau umgekehrt. Für eine schlüssige Wahrnehmung von Architektur kommen viele derartiger Schlüsselreize zusammen. Zentral sind Formen, Teilungen und Farben. Die Farbenlehre oder Farbpsychologie ist in der Architektur und im Design daher eine der wesentlichen Grundlagen für gute Gestaltungen. Kalte Farben weichen scheinbar zurück, warme Farben drängen nach vorne. Ein Warm-kalt-Kontrast der Farben ist daher immer sehr wirkungsvoll. Kontraste aus zwei oder mehreren Komplementärfarben sind immer sehr überzeugend und werden daher sehr gern in der Werbung eingesetzt. Und schließlich ist noch die Frage zu klären, was ist überhaupt „gute“ Architektur? Wie kann diese feststellen und erkennen? Ohne hier in eine architekturtheoretische Diskussion einsteigen zu wollen, ist es aber hilfreich, wenigstens einige grundlegende Kriterien guter Architekturgestaltung kennenzulernen. Wesentlich ist zunächst die Übereinstimmung von Funktionen mit der Gestaltung. Besteht hier ein Widerspruch, sodass z. B. unklar ist, für welche Nutzungen ein Raum gedacht ist, ist das Architekturkonzept zumindest fragwürdig. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 50 Gute Architektur erklärt sich eigentlich durch sich selbst. Es können weiterhin einige Prüfkriterien genannt werden, nach denen man sehr leicht erkennen kann, ob das Architekturkonzept schlüssig ist, und ob auch die Gestaltung eines Bauwerks funktioniert. Wissen |-Prüfkriterien „guter Architektur“ Sind die Bauwerksteile eindeutig definiert oder fließen sie ineinander? Entsprechen Farben und Farbwechsel den Konturen und Formen des Bauwerks? Werden unterschiedliche Bauteile deutlich erkennbar voneinander abgesetzt? Entsprechen die Größen von Öffnungen und Durchbrüchen dem Volumen des gesamten Baukörpers? Sind Zuordnungen und Zonierungen der einzelnen Räume und Bereiche logisch und entsprechen diese den Funktionen? Passen die Proportionen der Räume zu ihren Aufgaben? Entspricht die Konstruktion den Funktionen und der Gestaltung? Ist die Konstruktion klar erkennbar oder ist sie durch Hilfskonstruktionen oder Verkleidungen „verwässert“? Der Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin hat ideelle Ordnungskriterien aufgestellt wie malerisch-linear, flächenhaft-tiefenhaft, offene und geschlossene Formen, Vielheit und Einheit, Klarheit und Unklarheit etc. 2 Weiterhin spielen Raumsymbolik, Ortsidentität und Ortsbindung in der Architekturpsychologie eine große Rolle und sind aktuell eines der bedeutendsten Forschungsfelder dieser Disziplin. Es ist die Frage zu klären, inwieweit eine Raumstruktur das Verhalten der Nutzer beeinflussen kann, oder ob durch bestimmte Gestaltungen das Verhalten der Nutzer gesteuert werden kann. Interessante und eindeutig positive Erkenntnisse hat man in dieser Richtung bereits vor einigen Jahren in der Quartiersgestaltung gemacht. Dort konnte der Vandalismus im Straßenraum durch bestimmte Raumgestaltungen deutlich gesenkt werden. Diese Erkenntnis lässt zumindest darauf schließen, dass einige Verhaltensmuster durchaus raumdeterminiert sind. V ERSTÄRKUNGEN UND Ü BERLAGERUNGEN DES T OURISMUS DURCH A RCHITEKTUR 51 Für den Tourismus bedeutet dieses beachtliche Potenziale, wenn es darum geht, potenzielle Gäste anzusprechen oder ein bestimmtes (Ausgabe-)Verhalten von Gästen zu beeinflussen etc. Die Architekturpsychologie steht in diesem Gebiet noch ganz am Anfang und es bleibt abzuwarten, was die Forschungen der nächsten Jahre zu diesem Thema hervorbringen. Tipp-|-Versuchen Sie, Architektur zu entschlüsseln. Betrachten Sie (moderne) Architektur und versuchen Sie, formale Gesetzmäßigkeiten und Regeln zu erkennen. Meistens liegt der Schlüssel guter Architektur in der Klarheit und Logik ihrer Formen. Versuchen Sie, dieses in touristischen Beispielen zu erkennen. 52 6 Beispiele touristischer Destinationen mit Architektur Der Bilbao-Effekt Der Bilbao-Effekt wird gerne herangezogen, wenn es darum geht, die positiven Wirkungen von guter Architektur auf einen Ort aufzuzeigen. Entstanden ist dieser Begriff durch den Bau des Guggenheim-Museums in der nordspanischen Stadt Bilbao 1997 durch den US-amerikanischen Architekten Frank O. Gehry. Die Stadt erlebte durch diesen spektakulären Museumsbau einen ungeahnten Besucheransturm, der bis heute anhält und für eine weltweite Bekanntheit der Stadt sorgt. Vom Bilbao-Effekt wird daher immer gesprochen, wenn es um eine gezielte Aufwertung eines (bis dato unbekannten) Ortes durch spektakuläre Architektur geht. Inzwischen weiß man, dass vier Bedingungen an einen derartigen Erfolg geknüpft sind: zentrale Lage im Ort der Zusammenhang mit einem Gewässer innovative Architektur spektakuläre bis provokante Architektur Seit der Fußball-WM 2010 wird dieser Effekt auch in anderen Bereichen als nur im Tourismus verwendet. So wurde kein Bilbao-Effekt für Südafrika und Kapstadt durch die Fußball-WM erkannt. Der Bilbao-Effekt zeigt sehr deutlich die Win-win-Situation für Architektur und Tourismus, in der beide Partner aus diesem Effekt profitieren. Die Architektur und der Architekt erhalten Publicity und Berühmtheit durch das B EISPIELE TOURISTISCHER D ESTINATIONEN MIT A RCHITEKTUR 53 Schaubild-4: Guggenheim-Museum, Bilbao G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 54 Gebäude. Dieses wird in den Regel auch in der Fachwelt und in der Fachpresse hoch gelobt und gibt dem Architekten damit eine internationale Reputation. Für den Architekten und ggf. andere am Bau Beteiligte ist damit eine Win-Situation geschaffen. Der Ort (Destination) profitiert in verschiedener Hinsicht vom Effekt. Einmal erhöhen sich seine Bekanntheit und sein Image. Er wird zu einer Art Mekka des Architekturtourismus und neben den Besuchern des touristischen Angebotes kommen auch viele „nur“ Architekturinteressierte. Das Angebot selber, etwa ein Museum o. a. profitiert ebenfalls vom Effekt, weil sehr viele neue und zusätzliche Besucher angezogen werden. Hinzu kommen die Architekturinteressierten, die sich dann auch das Museum von innen und die Exponate ansehen. Insgesamt erhöht sich das Gästeaufkommen am Ort erheblich und der Wert der Destination steigt beachtlich, was auch in einer Steigerung der Kostenstruktur und des Preisniveaus des Ortes erkennbar wird. Tipp-|-Entwickeln Sie einen Bilbao-Effekt. Entwickeln Sie für einen Ihnen bekannten Tourismusort unter Verwendung guter Architektur. Orientieren Sie sich dabei am Beispiel Bilbao. Autostadt Wolfsburg als Beispiel einer touristischen Stadtentwicklung Als ähnliches Beispiel kann in Deutschland die Stadt Wolfsburg genannt werden. Wolfsburg wurde 1938 als Sitz des Volkswagenwerkes gegründet und hieß bis 1945 „Stadt des Kdf-Wagens bei Fallersleben“. Heute hat Wolfsburg rund 125.000 Einwohner und hatte 2010 das höchste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf aller deutschen Städte. Inzwischen gilt Wolfsburg als die Autostadt in Deutschland. Die Entwicklung hierhin wurde zielgerichtet unter das Thema Auto gestellt. Es gibt in Wolfsburg zahlreiche kulturelle Gebäude wie z. B. das Theater, das Kunstmuseum, das Alvar-Aalto-Kulturhaus, das Phaeno und das CinemaxX. Weiterhin gibt es einige kommer- B EISPIELE TOURISTISCHER D ESTINATIONEN MIT A RCHITEKTUR 55 zielle Bauwerke wie z. B. das Designer-Outlet Wolfsburg, einige sportliche Bauten wie die EisArena, das BadeLand, die Volkswagen-Arena und den Allersee. Schließlich wurde im Jahr 2000 die Autostadt von Volkswagen eröffnet und verzeichnet seitdem jährlich ca. 360.000 Besucher. Es ist ein Themen- und Erlebnispark, der das Motto „Menschen, Autos und was sie bewegt“ verfolgt. Schließlich ist Wolfsburg Sitz verschiedener Bildungseinrichtungen sowie einiger Verwaltungen. Die gesamte Stadt profitiert vom Wachstum der Marke Volkswagen, was auch zu einem erhöhten Tourismus und Geschäftstourismus führt. In Wolfsburg existiert ein gut abgestimmtes Angebot aus Technik, Kultur, Shopping, Gastronomie und Sport, was für Städtereisende von großem Interesse ist. Den entscheidenden Entwicklungsschub brachte im Jahr 2000 die Eröffnung der Autostadt. Alle nachfolgenden Großprojekte konnten nur entstehen, weil Volkswagen mit der Autostadt eine Initialzündung dieser Entwicklung gesetzt hatte. An diesem Beispiel ist sehr interessant, wie Industrie und Tourismus gemeinsam am selben Ziel arbeiten können und wie sich dieses realisieren lässt. An diesem Beispiel wird auch deutlich, wie wichtig die Rolle und Aufgabe der Stadt bei diesen Entwicklungen ist. So muss die Stadt an dieser Entwicklung grundsätzlich interessiert sein und mit ihren Möglichkeiten die Entwicklung unterstützen, indem sie vor allem Flächen, Bauland und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Tipp-|-Architektonische Chancen nutzen Vergleichen Sie die verschiedenen Gebäude in Wolfsburg mit den baulichen Möglichkeiten an anderen Orten. Welche Chancen erkennen Sie? G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 56 Schaubild-5: Phaneo, Wolfsburg 57 7 Destinationsmanagement und der Einfluss von Architektur Wirkungen guter Architektur im Tourismus Bekannt ist seit einigen Jahren, dass gute Architektur durchaus Gäste anzieht. Die Vorteile hierdurch können sowohl in einer quantitativen Steigerung der Gästezahlen liegen wie auch in einer qualitativen Zunahme der Ansprüche und Bedarfe der Besucher. Hier spielen gerade Aspekte wie Ästhetik, Formgebung und Design der Umgebung eine große Rolle. Die Studie der Gruppe pla‘tou zeigt, dass 88-Prozent der befragten Touristiker angaben, eine gute Investition in Architektur getan zu haben, und dass der Erfolg diese Investitionen rechtfertigt. Architektur und Tourismus haben eine durchaus lange gemeinsame Geschichte, die mit Poststationen als erste Kette von Beherbergungsbetrieben beginnt. Ohne diese Bauten und Gebäude wäre dieser Beginn des organisierten Reisens kaum möglich gewesen. Es geht weiter über Grandhotels als Ersatz für aristokratische Paläste, die den gewohnten Luxus der Gäste auch auf Reisen nicht vermissen ließen, sowie schließlich die schlichten Geschossbauten der modernen Hotelanlagen, die als Inbegriff eines demokratischen Massentourismus stehen. Sicherlich gibt es viele weitere Beispiele dafür, dass ohne Bauwerke, Gebäude und Häuser sich der Tourismus nicht hätte entwickeln können. Diese Abhängigkeit des Reisens von baulichen Destinationen ist einerseits vollkommen offensichtlich und auch logisch. Die Geschichte des Reisens war immer mit baulichen Anlagen, z. B. als Herbergen, verbunden. Andererseits ist es erstaunlich, dass dieses funktionale Verhältnis noch nicht detailliert im modernen Tourismus analysiert und aufgearbeitet wurde. Ganz im Gegenteil wurde die ästhetische Architekturgestaltung touristischer Destinationen regelrecht vermieden. Es ist G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 58 insofern umso wichtiger, mit der grundlegenden Aufarbeitung dieses Wirkungsgefüges zu beginnen, und sowohl Architektur wie auch Tourismus an diesen Fragen arbeiten zu lassen. Die Studie der Gruppe pla‘tou 3 konnte auch feststellen, dass sich Gäste im Tourismus neuerdings wesentlich stärker auf die ästhetische Qualität ihres Reiseziels und seiner Umgebung konzentrieren als noch vor wenigen Jahren. Gäste wünschen nicht nur allein die Funktion, Masse und Preis, sondern zunehmend auch eine höhere Qualität der Angebote. Der Tourismus hat dieses erkannt und geht mit vielen neuen Angeboten hierauf ein. Ein gutes Beispiel ist der Weintourismus, in dem die Verbindung aus Reisen, Genuss und Qualität perfekt funktioniert. Die gute Architektur des Weingutes spielt hierbei eine ganz entscheidende Rolle für das Wohlfühlen des Gastes und den Erfolg der Reise. 4 Der Weintourismus zeigt auch sehr deutlich, wie schnell sich Bedarfe, Wünsche und Ansprüche der Reisenden ändern und in welch kurzer Zeit sich diese neue Art des Reisens mit ästhetischem Qualitätsanspruch etabliert hat. Der Weintourismus zeigt auch sehr gut, dass es hierbei nicht nur allein auf die Architektur des Weingutes ankommt, sondern auch auf ein Corporate Design, das die gesamte Gestaltung des Ambientes umfassen muss, wie z. B. Mobiliar, Weingläser, Kleidung des Personals etc. Es geht sogar noch weiter, sodass auch die Art und Qualität der Ansprache, Betreuung und Bedienung der Gäste dem hohen Gestaltungsniveau des Ambientes entsprechen muss. Hierdurch entsteht ein Gesamtpaket aus baulicher Gestaltung, durchgehender Designlinie sowie qualitäts- und stilvoller Gästebetreuung, was diese neue Art von Themenreisen erfolgreich macht. Wie stark visuell orientiert das touristische Marketing abläuft, wird dadurch deutlich, dass ca. 80 Prozent aller werblichen Bilddarstellungen im Tourismus Gebäude zeigen. 5 Hieran wird deutlich, wie wichtig die Abhängigkeit von Reisen und Gebäude (Architektur) ist. Erstaunlich ist jedoch, dass gerade in Katalogen der Reisebranche meistens die Architektur der gezeigten Hotels vorwiegend einfach bis schlecht ist und dennoch werden z. T. teure Reisen in diese Anlagen und Häuser zahlreich gebucht. Das bedeutet, dass das architektonische Anspruchsniveau der Reisenden (noch) sehr niedrig ist. D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 59 Schaubild 6: oben: Innenansicht 7132 Therme Vals unten: Haupteingang des 7132 Hotels in Vals G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 60 Die Frage nach dem Aussehen und der Qualität der Umgebung der Destination und des Hotels selbst spielen eine herausragende Rolle bei der Auswahl der Reise. Dieses Wirkungsprinzip sollte erkannt und deutlich herausgearbeitet werden. Es ist eine der zentralen Grundlagen des touristischen Marketings. Der Gast wird mit diesen Bildern auf eine vorgegebene Qualität von Architektur eingestimmt und entwickelt mit diesen Stimulantien eigene Vorstellungen darüber, was ihn erwarten wird. Die Erfüllung dieser Erwartungen ist letztlich der Schlüssel zum Erfolg oder Misserfolg der Reise. Hierdurch werden auch sein Ausgabeverhalten und seine Zufriedenheit am Ort bestimmt. Es sollte daher dieses Wirkungsprinzip genauestens studiert und sehr präzise eingesetzt werden. Gute und interessante Architektur kann auch alleine als Zweck und Ziel einer Reise verstanden werden. Dabei produziert die Architektur einen Hype um das Gebäude, der zahlreiche Gäste anlockt. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Vals-Therme von Peter Zumthor im schweizerischen Wallis. Das Gebäude ist eine Ikone und zieht zahlreiche Gäste an, die vorrangig wegen der außergewöhnlichen Architektur des Gebäudes kommen. Diese Art von Reise betrifft eine spezielle, stark architektonisch interessierte Klientel, die zahlenmäßig doch sehr begrenzt ist. Es besteht hierbei die Gefahr der Überlagerung des Eigentlichen ( → Kapitel 5), sodass ein solcher Hype um ein Gebäude tourismuswirtschaftlich eher ungünstig ist und vermutlich auch nicht sonderlich hochwertig. Gewinne und Vorteile für den Besucher aufgrund guter Architektur sind: ein interessantes Reiseziel mit hoher Attraktivität eine komfortable Leistung in Form eines stimmigen Packages aus Bauwerk und Service eine gute Tourismusinfrastruktur vor Ort gute Verkehrsinfrastrukturen am Ort eine hohe Servicequalität Exklusivität und Alleinstellung der Reise (USP) Gewinne und Vorteile für die Destination sind: eine hohe Position im Ranking der Reiseziele hohe Gäste- und Besucherzahlen D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 61 gute Entwicklungs- und Planungsmöglichkeiten große Wirtschaftseffekte und Entwicklungs- / Förderungsmöglichkeiten guter Ausbau der Infrastruktur hohe Möglichkeiten der Förderung Die Grundlagenstudie „Architektur macht Gäste“ der Plattform pla‘tou aus dem Jahr 2007 6 bietet erstmals konkrete Zahlen zu den tourismuswirtschaftlichen Effekten guter Architektur im Hotelgewerbe. So sagten in dieser Befragung 88 Prozent der Hotelbetreiber bzw. -eigentümer, dass sich die Investition in gute Architektur rentiert. Ein eindeutiges Ergebnis, dass in seiner Klarheit schon überzeugen dürfte. Weiterhin gaben 51 Prozent-der-Betriebe an, dass ihre wirtschaftlichen Kennzahlen mit guter Architektur über dem Branchendurchschnitt liegen, 7 Prozent gaben eine Verringerung der Kennzahlen an. Auch dieses Ergebnis spricht eindeutig für Vorteile durch den Einsatz von guter Architektur. Ca. 25 Prozent Steigerung gaben die Hotelunternehmen bei Umstrukturierungen mit guter Architektur an. Und auch dieses Ergebnis ist als wirtschaftliche Steigerung eines Unternehmens signifikant hoch. Noch eindeutiger ist das Ergebnis einer 80-prozentigen Nutzung guter Architektur als Marketingfaktor. Hier liegen offensichtlich sehr große Nutzungsreserven von guter Architektur im Tourismus. Und schließlich haben sich bei 97 Prozent der Befragten die Erwartungen einer Marktdifferenzierung erfüllt und für 95 Prozent hat sich Attraktivität für neue Gästeschichten eröffnet. Diese nur wenigen Auszüge aus der Grundlagenstudie zeigen doch bereits sehr deutlich, welche Vorteile durch gute Architektur im Tourismus bestehen und wo diese liegen. Es sind überwiegend Marketingeffekte, die hier genutzt werden, und in diesem Bereich sind auch die größten Gemeinsamkeiten und Nutzeffekte zu finden. Es kann aber auch vermutet werden, dass neben diesen Marketingeffekten noch weitere Beziehungen und Vorteile in der Verbindung von Architektur bzw. Design und Tourismus zu finden sind. Eine entsprechende Grundlagenforschung dieses Bereiches sollte begonnen werden und diese Fragen beantworten. Erkennbar sind bereits weitere Abhängigkeiten im Service, in der Angebotsentwicklung, in der Preisgestaltung, in der Kombinationsvielfalt und in der Entwicklung neuer Themen und Inhalte des Reisens. Auch der Sinn einer Reise kann hierdurch eine ganz neue Bedeutung und Zielrichtung erhalten. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 62 Tipp-|-Analysieren Sie die Wirkung guter Architektur auf den Tourismus. Entwickeln Sie Wirkungsstrukturen guter Architektur im Tourismus und machen Sie sich klar, wie diese Wirkungen ablaufen. Stellen Sie beispielhaft einen Ablaufplan aus Architektur und Tourismus auf und zeigen Sie die Verknüpfungspunkte im Wirkungsablauf. Inwertsetzung touristischer Anlagen durch gute Architektur In diesem Thema liegt der eigentliche Schlüssel zum Erfolg von guter Tourismusarchitektur, indem sie den wirtschaftlichen Wert einer touristischen Destination erheblich steigern kann. Dieser Fall stellt auch zugleich den größten Erfolg in der Win-win-Situation dar. Der klassische Fall ist eine Hotelanlage, die aufgrund ihres Alters weitgehend unattraktiv geworden ist und dieses u. a. an rückläufigen Gästezahlen bemerkt. Nun ist der richtige Zeitpunkt gekommen, diese Anlage durch gute Architektur neu in Wert zu setzen. Beide Partner können hiervon profitieren, indem der Hotelier wieder steigende Gästezahlen schreibt und die gute Architektur ständig durch die Gäste Betrachter und Nutzer findet. Diese Win-win-Situation soll hier etwas weiter untersucht werden, um strukturelle und methodische Details zu erfahren. Für die gute Architekturplanung einer touristischen Anlage spielt zunächst die Betriebsform eine große Rolle. Diese unterschiedlichen Betriebsformen eröffnen viele Varianten und auch verschiedene finanzielle Variationen. Es gibt: gewerbliche Anlagen, wie Hotels, Campingplätze oder Resorts öffentliche Anlagen als Non-Profit-Unternehmen Vereinsanlagen, die für den Tourismus eher ausscheiden private Anlagen, die als profitabel oder non profit betrieben werden können Sonderformen, wie Stiftungen oder Betriebsanlagen etc. sonstige Betriebsformen D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 63 Die unterschiedlichen Betriebsformen bieten auch unterschiedliche Möglichkeiten der Planung und des Bauens. Insbesondere lange Planungszeiten der Architekten erfordern einmal die terminlichen Möglichkeiten des Bauherren, sich im Vorfeld umfassend mit dem Projekt auseinanderzusetzen. Hierzu kommt aber auch die finanzielle Bereitschaft, lange Planungszeiten finanzieren zu wollen und zu können. Diese Faktoren sind bei den genannten Betriebsformen sehr unterschiedlich. Allein durch das Betriebsmanagement der einzelnen Formen ergeben sich hier sehr gegensätzlichen Möglichkeiten. Der gewerblich geführte Betrieb hat die besten Voraussetzungen und Möglichkeiten für Architekturplanung. Voraussetzung ist aber auch das unternehmerische und persönliche Interesse des Bauherren an guter Architektur. Sofern dieses nicht vorhanden ist, kann dieses durch gute Architektur entwickelt werden. Schaubild-7: Zeche Zollverein, Essen G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 64 Ein weiterer wesentlicher Faktor der Inwertsetzung durch gute Architektur ist die Steigerung der Aufenthalts- und Lebensqualität eines Ortes. Es ist bekannt, dass sich diese Steigerung nicht nur für die Einwohner positiv bemerkbar macht, sondern auch direkte und indirekte Effekte für die Gäste verursacht. Dabei macht sich die bessere Lebensqualität für die Gäste bemerkbar, indem wesentlich mehr und bessere Angebote, ggf. vorwiegend im indirekten Bereich, für die Gäste vorhanden sind. So kann eine Bäckerei, die für den täglichen Bedarf der Einwohner arbeitet, auch für die Gäste ein Café einrichten und wird damit auch zu einem touristischen Dienstleister. Dieses Prinzip lässt sich auf kommunaler Ebene in sehr vielen Bereichen erkennen und umsetzen. Vor allem wird hierdurch aber auch vorhandene Bausubstanz weiterhin inwertgesetzt und kann sogar noch erweitert oder verbessert werden. Dieses „Aufpolieren“ eines gesamten Ortes kann eine umfassende Wirkung nicht nur im Tourismus zeigen, sondern kommt auch den Einwohnern zugute. Das einzelne Gebäude wie ein Hotel, Restaurant, Café, Geschäft o. a. fügt sich dann in einem guten architektonischen Ensemble ein. Allerdings kann das Gesamte nur so gut sein wie seine einzelnen Elemente. Daher ist sowohl der Ortsbzw. Stadtplanung wie auch dem einzelnen Gebäude Aufmerksamkeit zu schenken. Und schließlich wird durch diese Maßnahmen auch die Kaufkraft in einem Ort erhöht, indem zum einen mehr Konsumenten durch die Gäste auftreten und zum zweiten die Qualität des Konsums und der Nachfrage durch die Touristen gesteigert wird. Dieses Prinzip der Kaufkrafterhöhung wird durch gute Architektur zusätzlich gesteigert. Es ist nicht nur das erweiterte oder zusätzliche Angebot, sondern auch die Art und Form der Präsentation, also die Architektur. Dieses ist durchaus eine zweiseitige Entwicklung, indem zwar einerseits das Preis- und Lohnniveau steigt, andererseits aber auch die Kosten mitansteigen, was für die Lebenshaltung der Einwohner unerfreulich ist. Das bedeutet, dass gute Architektur am Urlaubsort auch eine Kostensteigerung mit sich bringen kann. Hier sollte es Aufgabe der kommunalen Politik und der örtlichen oder regionalen Tourismusorganisationen sein, eine gewisse regulierende Funktion auszuüben. D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 65 Schaubild-8: Hotel in ehemaligem Gefängnis, Katajanokka-Hotel, Helsinki G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 66 Bei der Neu-Inwertsetzung vorhandener Architektur im Tourismus spielt die Vorgeschichte des Objektes und des Angebotes eine nicht unbeachtliche Rolle. Zu fragen ist, was war in dem Gebäude vorher, wie lange steht es ggf. leer und was ist in den letzten Jahren hier passiert? Diese Bedingungen setzen die Vorzeichen der Neuentwicklung und des geschäftlichen Neuanfangs. Problematisch sind stets völlige Nutzungsänderungen, also etwa von einem Fabrikgebäude zu einer Ferienanlage. Hier kommt meistens der Standort als das größte Problem zum Tragen. Weiterhin ist ein völlig neues Image aufzubauen. Allerdings kann dieses auch sehr feinfühlig und positiv inszeniert werden und so gibt es durchaus alte Fabrikanlagen, die zu sehr modernen und interessanten Hotels umgebaut wurden. Hilfreich für diese Inszenierungen ist immer ein gut geplanter Baustellentourismus, der bereits in der Bauphase auf das neu entstehende Bauwerk hinweist und dieses am Markt positioniert. Und gerade in derartigen Crossover-Projekten stecken zahlreiche große Potenziale in der Entwicklung. Je gegensätzlicher die Nutzungen (früher und geplant) sind, desto großartiger kann der Erfolg des Neuen werden, denn gerade in starken Gegensätzen liegen oft große planerische Chancen. Diese sollten zuvor in einer Machbarkeitsstudie analysiert werden. Aber auch im architektonischen Kontrast eröffnen sich vielfältige Chancen, indem in einem alten Gebäude moderne Hightech-Architektur eingebaut werden kann. Es ergibt sich oftmals hieraus auch eine klare Linie, die in Marketing und im Betrieb umgesetzt werden kann. Tipp-|-Verfolgen Sie den Umbau eines Hotels. Beobachten Sie den Betrieb eines Hotels vor und nach seinem Umbau. Vergleichen Sie das Management und das Preisniveau vorher und nachher. Analysieren Sie das Hotelmanagement vor und nach dem Umbau und zeigen Sie, an welcher Stelle und in welchen Bereichen die Architektur Einfluss nimmt. D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 67 Planungsgrundlagen für gute Tourismusarchitektur Wesentliche Planungsgrundlagen für gute Architektur im Tourismus sollten interdisziplinär erarbeitet werden. Der Tourismus selbst ist hierbei der wichtigste und beste Partner. Denn die Touristiker wissen sehr genau, was ihre Kunden wünschen und benötigen. Zum einen wissen sie dieses aus ihrer Arbeit mit den Gästen und aus ihren Beobachtungen und Gesprächen. Zum anderen bietet die Marketingarbeit im Tourismus eine ideale Grundlage, um zu erkennen, was im Tourismus gerade en vogue ist und was nicht. Insofern ist der Architekt gut beraten, wenn er als Erstes mit dem Touristiker über seine Beobachtungen und Erfahrungen spricht und diese sehr genau aufnimmt. Aber auch der Touristiker kann viel vom Architekten über die Planung und das Entstehen eines Bauwerkes lernen. Er kann Planungsphasen und -schritte, Sachzwänge aus konstruktiver und rechtlicher Vorgabe kennenlernen und er muss die finanziellen Möglichkeiten, die dem Architekten gesetzt sind, erkennen und bewerten. In dieser gegenseitigen Befruchtung wird sehr gut erkennbar, wie intensiv interdisziplinäre Arbeit aus Tourismus und Architektur aussehen kann. Entscheidend ist das Ergebnis, nämlich ein gut gelungenes Bauwerk. Wesentlich für diese interdisziplinäre Zusammenarbeit ist das gegenseitige Zuhören und Akzeptieren des anderen. Der Architekt sollte dieses gelernt haben und in der Lage sein, die Darstellungen des Touristikers für seine Arbeit umzusetzen. Dabei helfen bereits erste bildhafte und visuelle Darstellungen, um das gegenseitige Verständnis zu erleichtern. Dann sollte in der Regel daraus ein gutes Planungsergebnis entstehen können. Dieses Ergebnis kann an Erfolgsfaktoren abgeglichen werden. Die Erfolgsfaktoren guter Architektur im Tourismus sind in der Grundlagenstudie der Plattform pla‘tou 7 2007 genannt und analysiert worden. Diese wurden festgestellt als: innovatives Unternehmertum Gestaltungsbewusstsein des Bauherrn Branchenkenntnisse des Bauherrn G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 68 Auftragskompetenzen des Bauherrn stringente Umsetzung des Projektes identifizierte Mitarbeiter des Bauherrn Nutzung der Architektur im Marketing und in Medien Da es keine generellen Planungsgrundlagen für gute Architektur gibt und Architekturplanung immer etwas Individuelles und an der Aufgabe Orientiertes ist, lassen sich auch kaum generelle Regeln guter Architekturplanung im Tourismus aufstellen. Ein guter Architekt wird Gestaltungsprinzipien, Entwurfslehre und Architekturpsychologie und -soziologie gelernt haben und daraus Erkenntnisse für seine eigene Arbeit gewonnen haben. Es können aber einige allgemeine methodische Regeln gegeben werden, die bei jedem Bauwerk gleichermaßen beachtet werden sollten. Architektonische Planungen beginnen immer mit der Aufstellung eines Zielprogramms und eines Zielkataloges. Dieses „Pflichtenheft“ enthält alle Angaben, Daten und Zahlen, die für die weitere Planung des Projektes wichtig sind. Der Bauherr hat an diesen wichtigen Planungsgrundlagen sehr intensiv mitzuarbeiten, da er am besten weiß, was er will und was er braucht. Die o. g. Erfolgsfaktoren muss er dabei verinnerlicht haben, um effektiv (mit-)arbeiten zu können. Wichtig ist auch, den Grad der Inszenierung im Tourismus festzulegen. Diese grundlegende Entscheidung von authentisch, originär bis zur Kulissenwelt ist Basis der architektonischen Arbeit. Der Architekt muss dieses gemeinsam mit dem Touristiker entwickeln und beide müssen sich über die Wirkungsweisen ihrer Inszenierung im Klaren sein. Es gibt zahlreiche Methoden, um diese Wirkungen zu erkunden, wie z. B. Simulationen, Modelle, 3D-Animationen etc. Hierbei sollte auch die Nachhaltigkeit eines architektonischen Konzepts analysiert werden. Auch die betrieblichen Eckdaten und Kriterien für den späteren Betrieb müssen bereits im Vorfeld der Planung bekannt sein. Dieses wird bei Umbauprojekten einfacher zu machen sein als bei Neubauprojekten. Hier kann man sehr gut mit Vergleichsdaten anderer Betriebe arbeiten. Aus den betrieblichen Abläufen und Größen etc. können zahlreiche Planungsvorgaben für den eigenen Entwurf abgeleitet werden. In diesem Punkt können beide, der Touristiker und der Architekt, sehr gut zusammenarbeiten und jeden einzel- D ESTINATIONSMANAGEMENT UND DER E INFLUSS VON A RCHITEKTUR 69 nen Funktionsablauf im Bauwerk durchspielen und gedanklich optimieren. Ein solches „Planspiel“ macht auch einen guten Entwurf und die gute Architektur aus. Des Weiteren müssen ständig die Baukosten im Auge behalten und aktualisiert werden. Innerhalb der Entwurfsplanung wird der Architekt die Kostenberechnung durchführen, nach der sich die Baukosten richten werden. Diese Berechnung darf nicht nur einmal in der Entwurfsplanung aufgestellt werden, sondern muss im weiteren Planungs- und Bauprozess ständig überprüft und aktualisiert werden. Dieses ist eine der Grundpflichten der Architektenleistung. Außerdem muss der Architekt seinen Bauherrn laufend und unaufgefordert über die Entwicklung der Baukosten informieren. Im Vorfeld der Planungen müssen auch bereits mögliche Förderprogramme bekannt sein und ggf. eingebunden werden. Auch hier können Architekt und Touristiker wieder ideal zusammenarbeiten, indem sie die Recherche möglicher Programme und die Beantragung von Mitteln gemeinsam bearbeiten. Wichtig ist jedoch, dass mit dem eigentlichen Projekt nicht begonnen wird, bevor ein Förderbescheid vorliegt. Dieses würde als „vorzeitiger Maßnahmenbeginn“ zum Ausschluss einer Förderung führen. Diese beiden letzten Punkte sind Grundleistungen der Architektentätigkeit, die im Vertrag zwischen Touristiker und Architekt vereinbart werden sollten. Das Interview mit einem Hotelbesitzer im → - Prolog zeigt sehr praxisnah, wie eine gute und gedeihliche Zusammenarbeit ablaufen kann und wie beide Partner sich gegenseitig in ihrer Arbeit unterstützen können. Tipp-|-Erstellen Sie ein Pflichtenheft für den Umbau eines Hotels. Überlegen Sie, was alles wichtig für den Umbau eines Hotels ist und notieren Sie diese Punkte stichpunktartig. Welche Punkte sind durch die Leistungen der Architektur zu erbringen? 70 8 Stadtplanung und Tourismus Interdisziplinäre Stadtplanung, zukünftige Aufgaben in-Stadtplanung und Tourismus Gute Architektur im Tourismus sind nicht nur gut gestaltete Bauwerke oder andere einzelne Objekte, vielmehr beginnt gute Tourismusarchitektur mit der Orts- oder Stadtplanung, besser noch mit der touristischen Entwicklung einer Region. Stadtentwicklung ist die vorausschauende Ordnung und Lenkung einer Stadt. Dabei stehen die langfristigen städtebaulichen Leitbilder, also die Entwicklungsziele der Stadt, im Vordergrund. Hierin ist festgeschrieben, in welche Richtung sich die Stadt in den kommenden Jahren entwickeln will und mit welchen Mitteln sie diese Entwicklung erreichen will. Für einen Ort, der sich als Tourismusort versteht, wird die touristische Entwicklung im Vordergrund stehen und man wird bemüht sein, alles zu tun, was dazu führt, diese Entwicklung baulich zu begleiten. In dieser Verbindung der touristischen Entwicklung mit der Entwicklung des Stadtraumes liegt eine der zukünftigen Aufgaben einer touristischen Stadtplanung. Es wird eine interdisziplinäre Aufgabe sein und es ist noch nicht vollständig erkennbar, welche Beiträge hierzu der Tourismus und die Stadtplanung jeweils leisten werden. Das heißt, hier liegt Neuland, das erst noch bestellt werden muss. Man wird Schnittstellen beider Aufgaben feststellen müssen und Möglichkeiten einer gemeinsamen Zielsetzung suchen müssen. Bei der touristischen Stadtplanung sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen der touristisch funktionale Aspekt, wie ausreichende Bettenkapazitäten, Gastronomieangebote oder interessante Besucherangebote. S TADTPLANUNG UND T OURISMUS 71 Zum anderen der gestalterische Aspekt, der die architektonische Gestaltung des Ortsbildes und der Einzelgebäude umfasst. Beide Aspekte sind im Einklang miteinander zu entwickeln und aufeinander abzustimmen. Bei alledem ist auch zu berücksichtigen, dass die Maßstäblichkeiten und Dimensionen des Ortes mit Art und Weise des touristischen Angebotes zusammenpassen. So kann einerseits in einem ländlich geprägten und orientieren Urlaubsort auch nur ein entsprechendes touristisches Angebot passen, andererseits erwartet der Gast in einer städtischen Umgebung auch zentrale und städtische Angebote. Die Orts- oder Stadtplanung ist für die Entwicklung touristischer Destinationen und Angebote eine der zentralen Aufgaben. Zunächst können touristische Angebote nur entwickelt werden, wenn die Kommune die Voraussetzungen hierfür schafft. Dieses betrifft zum einen die Entwicklungsplanung der Gemeinde, in der die allgemeinen Ziele der Entwicklung der nächsten Jahre erarbeitet und festgeschrieben werden. Hier werden Entscheidungen getroffen, ob der Ort sich dem Tourismus widmen will und wie er dieses umsetzen will. Zum anderen wird innerhalb der Kommunalpolitik entschieden, welche touristischen Angebote von welchen Anbietern und Dienstleistern entwickelt werden sollen. Und schließlich wird auch die Frage der Standorte und wo diese Angebote innerhalb des Ortes entstehen sollen, innerhalb der Kommunalpolitik beantwortet. Dieses ist bereits der Übergang in die nächste Stufe der Entwicklungsplanung, die Planung innerhalb der Orts- oder Stadtplanung. Hierbei geht es um vorwiegend planerische Entscheidungen, die mit der Klärung des Standortes beginnen. Der Standort einer touristischen Destination ist dann im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung festzuschreiben. Fragen der Erschließung und Verbzw. Entsorgung sind zu klären, Rettungswege zu erarbeiten und Nachbarschaftsfragen zu klären. Dieser Planungsprozess kann bis zu einigen Jahren Zeit erfordern, bevor dann mit der eigentlichen Bauplanung begonnen werden kann. Es darf insgesamt keine übereilte Entwurfsplanung des Bauwerks stattfinden. Auch für Alternativen und Entscheidungen sind ausreichend Zeit vorzusehen. Diese ausreichenden Zeitfenster für die Planungen zeigen später, im Bauablauf, eindeutig positive Effekte. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 72 Die Planungsvorbereitungen innerhalb der Bauleitplanung entsprechen der normal üblichen und der im Baugesetzbuch vorgesehenen Schritte. Die Bedeutung dieser kommunalen Vorbereitungen und Entscheidungen sind für den Tourismus der erste Schritt einer Projektentwicklung und zugleich für eine Gemeinde der Einstieg in eine touristische Entwicklung. Da derzeit die wirtschaftlichen Entwicklungen in Städten und Gemeinden eher rückläufig sind und auch die Einnahmen von Gewerbesteuern rückläufig sind, können Projekte des Tourismus als derzeit einziger Entwicklungsbereich betrachtet werden, der den Kommunen weitere und neue Gewerbesteuereinnahmen ermöglichen kann. Die „weiße Industrie“ wird das wirtschaftliche Zugpferd der kommunalen Haushalte in den nächsten Jahren werden. Die wichtigste Planungsaufgabe innerhalb der Ortsplanung ist immer die Klärung der Standortfrage für ein touristisches Vorhaben. Hierbei kommen Überlegungen und Analysen wie Ermittlung von Quell- und Zielgebieten, verkehrliche Anbindungen und Erreichbarkeiten, technische Erschließung etc. die größte Bedeutung zu. Hinzu kommen die Fragen des Ortsbildes und der Gestaltung und Verträglichkeit am angedachten Standort. Und schließlich spielt der politisch beschlossene Wille zur Entwicklung einer touristischen Anlage die wichtigste Rolle in der Standortentwicklung. Es müssen Methoden und Instrumente des Tourismus und der Ortsplanung zum Einsatz kommen und zu einer eindeutigen und klaren Aussage über das Ja oder Nein kommen. Auch die Entwicklung und Bewertung von alternativen Standorten sollte immer mitbetrachtet werden, um beim Scheitern des einen Standortes nicht ganz von vorne anfangen zu müssen. Bei der Standortplanung für eine touristische Anlage im ländlichen Raum geht man zunächst von einer Gästequote aus der Region von maximal 25 Prozent der Einwohnerzahl aus. Dieses ist stark von der Attraktivität des Angebotes abhängig. Ist der gewählte Standort bereits verkehrlich erschlossen, rechnet man mit einem Einzugsradius bei Autobahnanbindung von max. 100 Kilometer, bei Bundesstraßenanbindung von maximal 70 - 80 Kilometer und bei einer Anbindung mit Land- oder Kreisstraßen mit einem Radius von maximal 40 Kilometer. Sofern diese Anbindungen gewährleistet sind, kommt der Standort, zumindest aus der Sicht der Erreichbarkeit, in Betracht. S TADTPLANUNG UND T OURISMUS 73 Als Nächstes kommt die Struktur der Umgebung hinzu: Wie sieht die unmittelbare Umgebung aus? Ist es Wasser oder Gebirge, liegen große Städte in der Nähe und sind Ruhe und Abgeschiedenheit gesichert? Wird es sich um ein Outdoor- oder Indoorangebot handeln? Diese und weitere Kriterien sind zu untersuchen und zu bewerten. Sie werden für verschiedene touristische Angebote auch unterschiedlich bewertet. Ein Sportresort benötigt keine Ruhe und Abgeschiedenheit und kann andere Standorte nutzen als ein Kurhotel. Tipp- |- Erkennen Sie die Chance für Architektur und Tourismus in einer interdisziplinären Stadtplanung. Machen Sie sich anhand eines Gedankenmodells deutlich, in welchen Leistungen und Phasen Tourismus und Stadtplanung zusammenarbeiten können. Entwickeln Sie dieses beispielhaft für eine Ihnen bekannte Stadt. Neubau- und Umbauprojekte für den Tourismus Neubau- und Umbauprojekte im Tourismus umfassen zunächst alle direkt touristisch genutzten Bauwerke wie Hotels, Resorts, Campingplätze, gastronomische Anlagen, Sportanlagen etc. Hinzu kommen alle indirekt touristisch genutzten Bauwerke wie Verkehrsanlagen, Flughäfen, Bahnhöfe, Museen, Sportstadien etc. Die hier vorgenommene Betrachtung von Architektur im Tourismus umfasst vorwiegend die direkt touristisch genutzten Bauwerke. Hierzu sollen im Folgenden die Abläufe von Planung und Bau geschildert werden, um dem Touristiker ein besseres Verständnis für Sachzwänge und Bedingungen des Planens und Bauens entwickeln zu können. Jedes Bauprojekt benötigt zunächst einen Bauherrn, der als Auftraggeber bestimmte Rechte, aber auch Pflichten zur Mitwirkung am Bauprojekt hat. Bei Bauwerken im Tourismus werden die Bauherren meistens aus dem gewerblichen Bereich oder aus dem kommunal-öffentlichen Bereich kommen. Der Bauherr hat dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen des G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 74 Projektes erfüllt sind, wie Sicherung der Finanzierung, Klärung der Eigentumsverhältnisse und Mitwirkung bei Entscheidungen zum Projekt etc. Im touristischen Planen und Bauen spielt dieses Verhältnis zwischen Bauherr und Architekt eine ganz besondere Rolle, da es zunächst von gegenseitiger Unkenntnis der beiden Bereiche geprägt ist. Anders als im privaten Wohnungsbau, wo die Ziele, Aufgaben, Rechte und Pflichten sowie auch die Raumprogramme und Baukonstruktionen meistens von Beginn an bekannt sind, werden sich touristische Projekte in der Planungsphase verändern und entwickeln. So sind lange Vorplanungsphasen wichtig. Gute Teamarbeit ist erforderlich, um den touristischen Bauherrn nicht nur alleinig mit seinem Architekten arbeiten zu lassen, sondern um immer wieder den Input anderer an der Planung beteiligter zu fordern. Turnusmäßige Planungsgespräche oder -workshops können dieses offene Planungsverfahren unterstützen. Hilfreich ist es stets, wenn der Bauherr gewisse fachliche Interessen und Kompetenzen mitbringt. Dieses erleichtert und beschleunigt die Planung und den Bau ganz wesentlich. Und letztlich muss der Bauherr wissen, was er will. Dabei soll er nicht Konstruktions- und Gestaltungsfragen vorgeben oder genaue Detailvorgaben machen. Er sollte aber möglichst genau wissen, was er wirtschaftlich und touristisch machen will und was er hierzu benötigt. Diese Vorgaben in einen ersten Entwurf umzusetzen, ist die Aufgabe des Architekten. Dieser hat zunächst eine umfassende Informations- und Beratungspflicht seinem Bauherrn gegenüber und muss diesen in diesem Punkt über die baurelevanten Sachverhalte und Entwicklungen informieren und beraten. Neben den Planungsfragen betrifft dieses aber die rechtliche Seite wie Genehmigungen und behördliche Auflagen und auch die Kostenentwicklung des Projektes. Der Architekt ist auch rechtlich und wirtschaftlich betrachtet der Sachverwalter des Bauherrn, auf den der Bauherr als Laie sich unbedingt verlassen können muss. Um diese gemeinsame Arbeit sinnvoll zu organisieren, sind vom Gesetzgeber neue Leistungsphasen vorgesehen, in die sich die gesamten Architektenleistungen einordnen lassen. Diese beginnen mit den ersten Vorplanungen bis zur Genehmigung und gehen dann weiter über die Konstruktionsplanung bis zur Bauausführung des Objektes. In jeder dieser neun Leistungsphasen S TADTPLANUNG UND T OURISMUS 75 hat der Architekt eng mit seinem Bauherrn zusammenzuarbeiten und diesen stets über den Fortschritt zu informieren. Auch die Einhaltung der Bauzeiten und des Finanzbudgets spielt dabei eine große Rolle. In folgende neun Leistungsphasen teilt sich die Architektenleistung: Leistungsphase 1 | Grundlagenermittlung Leistungsphase 2 | Vorplanung Leistungsphase 3 | Entwurfsplanung Leistungsphase 4 | Genehmigungsplanung Leistungsphase 5 | Ausführungsplanung Leistungsphase 6 | Vorbereitung der Vergabe Leistungsphase 7 | Mitwirkung bei der Vergabe Leistungsphase 8 | Objektüberwachung Leistungsphase 9 | Objektbetreuung Grundlage dieser Aufteilung ist die für Architekten und Ingenieure verbindliche Honorarordnung (HOAI), in der die Leistungsarten und -bilder sowie die zugehörigen Honorarsätze vorgegeben werden. Diese Ordnung sollte auch verbindliche Grundlage aller Architektenverträge zwischen Bauherr und Architekt sein, da sie für beide Parteien eine rechtsverbindliche Grundlage und eine sichere Vertragsgrundlage schafft. Sehr wesentlich ist auch die Tatsache, dass ein seriöser Architekt niemals Bauaufträge selbst vergibt oder beauftragt. Auch die Empfehlung von einzelnen Unternehmen an den Bauherrn wäre unseriös. Vielmehr sind die Auftragsvergaben Ergebnis von neutralen Ausschreibungen ( → -Leistungsphasen 6 und 7), die der Architekt im Auftrag des Bauherren organisiert und durchführt. Durch diese Regel wird die Neutralität des Bauprojektes gewahrt und eventuelle Vorteilsnahmen aus Bauaufträgen verhindert. Neben der Planungskompetenz, die der Architekt mitbringt, ist er auch für den wirtschaftlichen Ablauf des Bauprojektes verantwortlich. Hierzu muss er ständig die Baukosten im Auge behalten und im Sinn seines Bauherrn steuern. Dieses kann er nur in Verbindung mit den Planungs- und Bauzeiten, die er ebenfalls steuern und überwachen muss. Schließlich existieren noch viele Irrtümer über die Kosten eines Architekten. Die Honorarordnung (HOAI) legt die Höhe des Honorars fest und G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 76 ermöglicht eine genaue und nachvollziehbare Berechnung. Dabei ist ein Architektenhonorar grundsätzlich an der Höhe der anrechenbaren Kosten der Kostenberechnung des Projektes in der → - Leistungsphase 3 bemessen. Grundsätzlich zeigt die Erfahrung, dass ein seriöser und verantwortungsvoller Architekt einen Großteil seines Honorars durch sorgsame Arbeit herausarbeitet und seinen Bauherrn vor unnötigen Kostensteigerungen und Mehrkosten im Projekt bewahrt. Auch können im Architektenvertrag Zu- oder Abschläge für das Unter- oder Überschreiten einer Bausumme vereinbart werden. Vereinbart werden können auch Honorarzuschläge, bspw. für besonders zügiges Planen und Bauen und für den Fall, dass der Bau früher als geplant fertig wird. Insgesamt zeigt die Erfahrung aus dem Bauen mit Architekt im Tourismus, dass dieses grundsätzlich ein guter und richtiger Weg ist, der auch erfolgreich für den Touristiker ist. Jedoch ist ein noch nicht gelöstes Problem der Schutz des Bauherrn davor, dass der Architekt seinen Entwurf nicht auch anderweitig verwendet oder einsetzt. Hierdurch reproduziert er das architektonische USP z. B. eines Hotels und schafft in der Region Verwechselbarkeiten, die dem touristischen Geschäft erheblich schaden. Es ist somit eine der wichtigsten Aufgaben dieser neuen Disziplin Tourismusarchitektur, in Zusammenarbeit mit der Architektenschaft Regelungen für dieses Problem zu suchen und zu entwickeln. Neben diesen klassischen Tätigkeiten eines Architekten bei Neubau- und Umbauprojekten gibt es noch eine Reihe weiterer Tätigkeiten, die Architekten ausüben können und die auch bei Bauprojekten im Tourismus vorkommen können. Einige dieser Tätigkeiten zeigt die folgende Aufstellung: Projektsteuerung Projektentwicklung und Machbarkeitsstudien Tätigkeit bei einem gewerblichen Unternehmen Facility-Management Instandhaltung und Modernisierung des Gebäudebestandes mit EDV Facility-Management im Altbaubestand Gebäudeverwaltungs- und Bestandsmanagement Wertermittlungen Sicherheits- und Gesundheitskoordinator (SiGeKo) Energieberatung Messebau S TADTPLANUNG UND T OURISMUS 77 Wettbewerbsbetreuung PR-Beratung und Marketing Spezialisierungen im Bereich Landschafts- und Umweltrecht, Gebietsentwicklungspläne, Wasserrecht Forschung und Lehre (wissenschaftliche Mitarbeit, Lehrauftrag, Schuldienst) EDV-Entwicklung und -Beratung Fachjournalismus Stadt- und Architekturführer Touristische Stadtplanung als Motor der Stadtentwicklung Der Städtetourismus ist in Deutschland das zweitwichtigste Segment des Tourismus. Kennzeichen sind die hohe Attraktivität durch kurze Reisezeiten (z. B. Wochenende), Spontanität, viele und pauschale Angebote, hohe Verfügbarkeiten etc. Städtereisen sind zunehmend beliebt bei inländischen und ausländischen Touristen. Sie sind gut kombinierbar mit Shopping, Kultur, Events, Gastronomie, Historie, Technik und vielem mehr. Interessant ist daher ein Ausblick auf künftige und weitere Entwicklungsmöglichkeiten der Städte im Tourismus. So ist eine Erweiterung und Aktivierung der stadtstrukturellen und baulichen Entwicklung, auch unter dem Gesichtspunkt der touristischen Entwicklung, erkennbar. Aber auch die weitere Entwicklung des Hotel- und Gastronomiebereichs: Hier besteht in vielen, vor allem in kleinen und mittleren Städten noch ein großer Entwicklungsbedarf. Messe- und Kongresstourismus ist ein Segment, das noch über beachtliche Entwicklungsmöglichkeiten verfügt. Gerade auch der Seminar- und Tagungstourismus stellt für ländliche Regionen ein attraktives wirtschaftliches Potenzial dar. Das höchste Potenzial wird in der Entwicklung von städtischem Wasser und Wasserfronten gesehen. Hier verfügen sehr viele Städte in Deutschland über beachtliche und ungenutzte Potenziale, die es zu entwickeln gilt. Hotels und Ferienwohnungen an oder auf dem Wasser liegen im Trend. Aber auch attraktive Angebote wie Gastronomie, Shopping und Kultur sowie Events in Wassernähe sind sehr beliebt. Einige Städte entwickeln sogar Seebühnen oder schwimmende G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 78 Eventflächen. Und schließlich ist das Wasser auch ein Verkehrsweg, auf dem man sehr erholsam Städte bereisen kann, dieses mit einem (Fluss-) Kreuzfahrtschiff oder im eigenen oder gecharterten Sportboot. Auch die Entwicklung von Sportevents und bewegungsorientierten Freizeitangeboten ist ein Entwicklungsbereich der Zukunft. Hier kommt dem Wellness- und Gesundheitstourismus große Bedeutung zu, der sich wiederum sehr gut mit Wasser und Grün etc. kombinieren lässt. Diese Verbindungen bieten auch interessante architektonische Möglichkeiten, sowohl in ländlichen Räumen als auch in Städten. Wie touristische Stadtentwicklung integrativ arbeitet, lässt sich sehr gut am Beispiel eines Kreuzfahrtterminals darstellen. In früheren Zeiten lag dieser Terminal außerhalb der Stadt in einem Industrie-, Fischerei- oder Gewerbehafen. Der Terminal war damit standortmäßig wie auch architektonisch höchst unattraktiv und bot auch nicht mehr als nur das Boarding der Passagiere. Die wirtschaftlichen Effekte für die Stadt waren kaum messbar. Erkennt man aber, dass dieser Terminal für die Stadt ein gewaltiger Wirtschaftsfaktor ist, muss er zunächst an einen innerstädtischen Standort verlegt werden. Weiterhin muss er viel mehr als nur das Boarding der Passagiere bieten. Geschäfte, Restaurants, kulturelle Angebote, Informationen, Hotels zählen zu einem internationalen Kreuzfahrtterminal. Damit wird der Terminal zu einem vergleichbar lukrativen Angebot wie ein Flughafen, an dem alle diese Angebote und noch viel mehr vorhanden sind. So gehört hierher auch ein Aussichtsdeck, das ein Ship Watching, ähnlich einem Flughafen, ermöglicht. Es dürfte für viele sehr interessant und spannend sein, zu beobachten, wie ein riesiger Cruise Liner an seinem Liegeplatz anlegt. Im Ergebnis wird dieser Terminal zum Zentrum der Stadt werden. Nicht nur Passagiere kommen hierher, sondern auch viele Besucher und Zuschauer, die das urbane Leben am Wasser genießen wollen. Schließlich wird der Terminal zu einem großen Arbeitgeber und erwirtschaftet einen Großteil der Wirtschaftskraft der Stadt. Solche Konzepte entstehen aus der touristischen Stadtplanung, indem Touristiker und Stadtplaner zusammenarbeiten. Ein anderes interessantes Entwicklungsfeld ist auch der Verkehrsbereich. Gerade alternative und innovative Verkehrsmodelle in den Innenstädten sind für den Städtetourismus von größter Attraktivität. Sie stellen damit ein großes S TADTPLANUNG UND T OURISMUS 79 Schaubild-9: Kreuzfahrtterminal, Recife, Pernambuco, Brasilien G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 80 Entwicklungspotenzial für die Städte selbst wie auch für den Besuch einer Stadt dar. Hierbei lassen sich innovative Verkehrsmodelle sehr gut im touristischen Betrieb für ihre Alltagstauglichkeit prüfen. So werden Tourismusorte zu Vorreitern innovativer Verkehrssysteme. Es ist sicherlich nicht mehr allein das Ziel des autofreien Ortes, aber intelligente und komfortable Systeme werden in Zukunft bedeutender. Schließlich werden Events und Großveranstaltungen in Städten an touristischer Bedeutung zunehmen. Diese können zu sehr unterschiedlichen Themen angelegt sein und reichen von sportlichen Veranstaltungen über kulturelle Events bis zu traditionellen und themenspezifischen Veranstaltungen. Tipp-|-Beispiel für touristische Stadtplanung Zeigen Sie ein Beispiel eines Kreuzfahrtterminals, wie touristische Stadtplanung funktioniert und welche Aufgaben dabei zu erfüllen sind. Spielen Sie hierzu in einem Planspiel die Entwicklung eines Kreuzfahrtterminals in einer Hafenstadt durch. 81 9 Corporate Architecture im Tourismus Was ist Corporate Architecture und wie funktioniert sie? Corporate Architecture ist eine Unterkategorie des Corporate Design, das wiederum zur Corporate Identity zählt. Das Ziel der Corporate Architecture ist eine Identität des Ortes und des Gebäudes zu erreichen, die durch architektonische Zeichen die Philosophie eines touristischen Ortes und Produktes transportieren soll. Das erste Unternehmen, das diese Art von Marketing betrieb, war der Konzern Olivetti im Jahr 1930. Der Wirkungsmechanismus der Corporate Architecture ist die Wiedererkennung von Formen, Farben und Symbolen. Der sogenannte Bilbao-Effekt wird auch gern als gutes Beispiel für eine Corporate Architecture herangezogen, indem mit dem Erscheinungsbild des dortigen Guggenheim-Museums die gesamte Stadt in Zusammenhang gebracht wird. Es wird hierbei beim Betrachter eine visuelle Assoziativkette in Gang gesetzt, die durchweg positiv besetzt ist und somit auch wirtschaftlich im Marketing genutzt werden kann. Im Tourismus wird das Gebäude (Architektur) benötigt oder benutzt, um das touristische Geschäft zu stärken. Seine visuelle Erscheinung wird dabei in touristisches Marketing eingebunden und als Bild oder Logo verwendet. Das Corporate Design, als übergeordnete Kategorie für alles zu Gestaltende, ist im Tourismus wichtig und muss in konsequenter Form umgesetzt werden. Dabei ist eine durchgängig gleiche Gestaltlinie nicht nur im Gebäude, sondern auch in Werbematerialien, in der Webpräsenz und der Kleidung der Mitarbeiter wichtig. Dieses funktioniert, weil ein Großteil der Werbung im G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 82 Tourismus über visuelle Medien abläuft. Grundlegend für die Verwendung einer Corporate Architecture ist die Tatsache, dass eine Analogie zwischen der guten Architektur und der Qualität des touristischen Angebotes hergestellt wird. Was gut aussieht, muss auch selbst gut sein! Mit dieser Theorie arbeitet die Corporate Architecture und sendet dem Kunden (vorab) ein Qualitätssignal und -versprechen. Corporate Architecture wirkt aber auch noch auf anderen Ebenen. So auch im Betrieb der touristischen Destination, indem sich der Gast auch vor Ort gut aufgehoben und betreut fühlt. Dieses läuft in hochwertiger Architektur einfacher ab als in langweiliger Umgebung. Tipp-|-Verdeutlichen Sie das Wirkungsgefüge aus Corporate Identity und Corporate Architecture. Skizzieren Sie in einem Modell das Wirkungsgefüge aus Corporate Identity und Corporate Architecture. Zeigen Sie dabei die Position der Corporate Architecture und ihre Wirkung auf den Kunden. Beispiele für Corporate Architecture In der folgenden Beispielsammlung wird gezeigt, wie wirkungsvoll und interessant Tourismus mit Corporate Architecture zusammenarbeiten kann. Die vorgestellten Beispiele sind auf fast alle Bereiche des Tourismus übertragbar und funktionieren überall dort, wo Bauwerke und Architektur im Tourismus verwendet werden. Beispiel 1: Design-Hotel Design-Hotels vereinen Architektur mit Luxus und Komfort. Diese Hotels sind durchgängig designed und gestylt-- von der Lobby bis in die Zimmer mit einer durchgehenden Gestaltungslinie ausgestattet. Dabei gehen Gemütlichkeit, Funktionen und Servicefreundlichkeit keinesfalls verloren. Ganz im Gegenteil spielen Funktionalität und Servicequalität bei diesen Designhotels eine zentrale Rolle. C ORPORATE A RCHITECTURE IM T OURISMUS 83 In New York ist The James Hotel ( -www.jameshotel.com) ein sehr gutes Beispiel für eine gelungene Corporte Architecture. Die ästhetische Einheit von Gebäude und Innenarchitektur ist einfach ablesbar und erkennbar. Die Innenarchitektur spricht eine klare, aber nicht kühle Sprache und bietet alle Annehmlichkeiten für den Hotelgast. Der rein dekorative Anteil der Ausstattung hält sich dezent zurück und zeigt sich eher in einigen weniger großen Elementen als in vielen kleinteiligen Dekorationsartikeln. Die Orientierung des Gastes im Haus wird einfach und übersichtlich. Zur Philosophie des Hotels zählt auch das „art at the james program“, eine Mischung aus lokalen, nationalen und internationalen Künstlern, die ständig im Hotel ausstellen und dem Haus insgesamt von den öffentlichen Bereichen bis in die Zimmer hinein eine individuelle Note geben. Beispiel 2: Museumsarchitektur in Spanien Als Beispiel für eindrucksvolle und interessante Museumsarchitektur sind die verschiedenen Museumsbauten in Spanien aus den 1990er-Jahren zu nennen. In dieser Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs in Spanien entstanden eine Reihe wichtiger Kulturbauten namhafter Architekten, so z. B. das Guggenheim Museum in Bilbao von Frank O. Gehry oder die Ciudad de las Artes de les Ciencias in Valencia von Santiago Calatrava. In einer sehr eindrucksvollen Ausstellung hat das Instituto Cervartes in München 2016 verschiedene Museumsbauten in Spanien gezeigt. 8 Als besonders spektakulär ist das CAC, Ciudad de las Artes y de las Ciencias. Der Bau wurde in einem ausgetrockneten Flussbett errichtet und besteht aus fünf Bereichen. Die Anlage erweckt das Interesse des Betrachters, indem sie mit großen und ruhigen Formen den Standort und das Element Wasser aufgreift und in ihrer Großform organische Formen widerspiegelt. Die Funktionen eines Wissenschaftsmuseums werden so auf perfekte Art und Weise verdeutlicht und Form und Angebot passen zueinander. Diese Einheit setzt sich auch im Inneren der Gebäude fort und ergänzt hierdurch die Corporate Architecture der Anlage. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 84 Schaubild-10: Mercedes-Benz Museum, Stuttgart C ORPORATE A RCHITECTURE IM T OURISMUS 85 Beispiel 3: Architektur einer Ferienanlage Das Hafendorf Marinapark Scharmützelsee ( - www.ferienpark-scharmuetzelsee.de) ist ein interessantes Beispiel, wie mit einer konsequenten Gestaltungslinie Corporate Architecture erzielt werden kann. In der wasserreichen Landschaft Brandenburgs entstand diese Anlage aus mehreren Dutzend skandinavischen Holzhäusern in falunroten Fassaden. Die Häuser sind im Inneren skandinavisch nüchtern eingerichtet, auch mit einem Kaminofen. Die Verbindung von Wasser, Landschaft und einheitlichen Häusern ist durchaus beeindruckend. Zu fragen ist aber, weshalb dänische Häuser in Brandenburg, unweit Berlin, stehen. Wäre die gleiche Anlage mit ortstypischen Gebäuden nicht authentischer gewesen? Als Mangelpunkt müssen die wasserseitigen Steganlagen betrachtet werden, die durchaus funktional und gestalterisch besser gemacht hätten werden können. Insofern zeigt dieses Beispiel, wie formale Konsequenz gemacht werden kann, jedoch auch mit einigen Schwächen und Problemen. Schaubild-11: Marinapark Scharmützelsee, Wendisch Rietz, Bad Saarow G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 86 Beispiel 4: Architektur eines Kreuzfahrtschiffes Die Architektur eines Kreuzfahrtschiffs ist Tourismusarchitektur in Reinform. Neben den allgemeinen Zielen guter Architektur, das heißt die Funktionen bestimmen die Formen, kommt noch die Inszenierung der Urlaubsstimmung hinzu. Dabei muss nicht unbedingt die aktuelle oder trendige Architektursprache im Vordergrund stehen, vielmehr müssen die Gestaltungskonzepte stimmig sein und passen. Eine durchgängige Gestaltungslinie, die Stimmung und Emotionen vermittelt, ist wichtig. Hinzu kommt, dass ein Schiff eine lange Nutzungsdauer hat und daher keinen Modetrends folgen darf, die in wenigen Jahren unattraktiv geworden sind. Das Kreuzfahrtschiff „Europa 2“ der Reederei Hapag Lloyd: Die Gestaltung zielt mit Luxus und hochwertiger Markenausstattung auch auf jüngeres Publikum mit hohen ästhetischen Ansprüchen ab. Das Schiff ist im Berliz-Cruise- Guide mit der Höchststufe fünf Sterne bewertet, die nicht nur für die hohe Servicequalität und Luxusangebote stehen, sondern auch für die Architektur des Schiffs und die formale Einheit von außen und innen. Eine einfache Orientierung der Gäste an Board und in den verschiedenen Decks garantiert hohe Funktionalität und ist gerade bei der Schiffsarchitektur besonders wichtig. Die Europa 2 stellt derzeit in Bezug auf gute Schiffsarchitektur die Spitze der Entwicklung dar. C ORPORATE A RCHITECTURE IM T OURISMUS 87 Schaubild-12: MS Europa 2, Hapag Lloyd Cruises 88 10 ArchitekTouren als Tourismusangebot Kombination aus Architektur und Touren Eine Sonderstellung nehmen sogenannte ArchitekTouren innerhalb des Tourismus ein. Es sind im Grunde Fachexkursionen, die Fachleuten oder Interessierten angeboten werden. Hierbei steht das Thema Architektur und deren Besichtigung, Erläuterung und Diskussion im Vordergrund. Angeboten werden diese Reisen einmal durch entsprechende Organisationen wie z. B. Berufsverbände der Architekten oder Architektenkammern, die diese als Fortbildungen für ihre Mitglieder durchführen. Des Weiteren werden solche Exkursionen immer im Rahmen des Architekturstudiums durchgeführt, um Studierenden die Wahrnehmung, die Beurteilung und die Entwurfsfähigkeiten am konkreten Bauwerk nahezubringen. Solche Reisen werden z. B. als Mitmachaktionen vorbereitet, zu denen Architekten ihre Bauwerke vorschlagen können. Damit wird die Architek- Tour auch immer einen werbenden und akquisatorischen Effekt haben. Die Architekten der besuchten Bauten können sich und ihre Arbeit vorstellen. Der Beruf des Architekten wird damit weit in die Öffentlichkeit hinausgetragen. Die Reisen, meistens durch die Architektenkammern organisiert, finden viel Resonanz in der Öffentlichkeit und haben ein breites Medienecho. Interessant ist, dass hier gerade Kinder als eine Zielgruppe angesprochen werden. Dieses zum einen durch die Daueraktion „Architektur macht Schule“, in der das Thema Architektur in die Schulen hineingebracht wird, zum anderen aber auch aufgrund von kinderbezogenen Architekturthemen. Andere Themen wie energetisches Bauen, Renovierung und Sanierung oder altersgerechtes Bauen werden ebenfalls gern in ArchitekTouren gezeigt. A RCHITEK T OUREN ALS T OURISMUSANGEBOT 89 Interessant sind auch Publikationen für oder über ArchitekTouren, die gerne dieses Thema aufgreifen und mit sehr viel Bildmaterial arbeiten. Ein aktuelles und gutes Beispiel ist eine Publikationsreihe, die sich mit guter Architektur als Urlaubsdomizil auseinandersetzt. 9 Urlaubsarchitektur wird diese Gattung genannt und bringt dem (meist fachkundigen) Leser durchweg interessant gestaltete Ferienhäuser nahe. Leider erreichen diese Publikationen nur selten und damit wenige interessierte Laien. Ein sehr interessantes Beispiel für eine Destination für ArchitekTouren ist das Vorarlberg. Hier besteht eine hohe Dichte an innovativer Architektur in gewachsener Landschaft, was den Reiz ausmacht. ArchitekTouren zu verschiedenen Themen werden angeboten: Natur und Landschaft Kunst und Kultur Holz und Material alt und neu Ortsräume Handwerk und Innovation Schaubild-13: Architektur in Vorarlberg, Haus Ganahl G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 90 Tipp-|-Entdecken Sie die Besonderheiten aus Architektur und Reisen. Suchen Sie Synergien aus Architektur und Reisen und analysieren Sie dabei Wirkungen und Abhängigkeiten. Beispiele für ArchitekTouren Die Reiseform einer ArchitekTour besteht in Deutschland bereits seit einigen Jahren. Hier sind verschiedene Anbieter am Markt, welche sich mit ihren Angeboten vorwiegend an bereits interessierte Personen richten. Häufig werden solche Touren durch die Architektenkammern oder -verbände der Länder angeboten. Als Beispiel in Deutschland sind die ArchitekTouren der Architektenkammer Sachsen-Anhalt zu nennen. Als Land mit einer umfangreichen Geschichte und Tradition werden nicht nur die romanischen Bauten in der Straße der Romanik gezeigt, sondern beispielsweise auch die Moderne des Bauhauses. Aus Anlass des 10-jährigen Jubiläums der Landesinitiative Architektur und Baukultur konzipierte die Architektenkammer eine Ausstellung mit dem Namen „100 Bauten aus 1000 Jahren“. 10 Sie spiegelt die Geschichte und das Werden und Wachsen des Landes auf einzigartige Weise wider. Im Oktober 2011 wurde die Ausstellung erstmals präsentiert, nun wandert sie durch verschiedene Städte Sachsen-Anhalts. Unzählige Schauplätze deutscher und europäischer Geschichte, die bedeutende und alle Epochen umfassende Architektur der großartigen Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts werden aufgezeigt. 100 Bauten, u. a. Schlösser, Kirchen, Kathedralen, Stifte, Plätze, Höfer und Häuser, welche von bekannten oder weniger bekannten Architekten, Landschaftsarchitekten und Baumeistern erdacht wurden. Die Vielfalt und Schönheit alter, aber auch der neuen Architektur wird aufgegriffen. Ein weiteres Beispiel sind architektonisch orientierte Stadtführungen wie z. B. in Wien 11 . Die ArchitekTouren sind hier in vier verschiedene Themenbereiche unterteilt. A RCHITEK T OUREN ALS T OURISMUSANGEBOT 91 Im ersten, dem zeitgenössischen Bereich, findet man alle neueren Bauten. Dies sind aktuelle Neubauten und Bauten der letzten 30 Jahre. Der Wiederaufbau nach 1945 ist das zweite Themengebiet. Inhalte sind das Rote Wien, die Moderne und Wien um 1900. Das dritte Themengebiet befasst sich mit der Ringstraßenära, Klassizismus und Biedermeier, Barock sowie Gotik. Die Stadträume mit dem Stephansplatz, dem Wiental, Gürtel und Donaukanal bilden den vierten und letzten Themenbereich. Weintourismus und die Architektur von Weingütern Der Weintourismus hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Qualitätstourismus entwickelt, dessen Gäste großen Wert auf Qualität, Service und auch auf das Ambiente legen. Weintourismus funktioniert deswegen so gut, weil der sinnliche Genuss des Weins sehr nahe am ästhetischen Genuss der Umgebung liegt. Und es kommt noch die gegenteilige Ergänzung dieser Genüsse hinzu. In der architektonisch hochwertigen Umgebung eines Weingutes ist man eher dispositioniert, auch den Wein qualitativ hochwertig zu genießen. Interessant an diesem Phänomen ist die Tatsache, dass es sich hierbei um eine eindeutig touristische Inszenierung handelt, die jedoch imagemäßig, qualitativ und preislich auf einem hohen Niveau stattfindet. Allgemein ist anerkannt, dass hochwertige Architektur als Wertschöpfungsinstrument im Weintourismus fungiert. Das hochwertige Ambiente fügt sich nahtlos in den Qualitätstourismus des Weines ein und ist ebenfalls ein (visueller) Konsumartikel. Interessant ist hierbei eine Angleichung des Qualitätsniveaus, das heißt hochwertiger Wein wird auch in hochwertiger Architektur präsentiert. Diese Abhängigkeit in den Qualitäten ist durchgehend durch alle Niveaustufen des Weins und der Architektur. Im Weintourismus ist dieses Verhältnis deswegen so praktikabel, weil weitere Angebote in dieses Qualitätsverhältnis eingebunden werden können. So können z. B. hochwertige Autos, Kleidung oder Kulinarik in diese Abhängigkeit eingebunden werden. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 92 Schaubild-14: Bodega Ysios, Guardia, Álava, A RCHITEK T OUREN ALS T OURISMUSANGEBOT 93 Als ein plastisches Beispiel der Verbindung aus Wein und Architektur sind die Weingüter in Spanien zu sehen. Die namhaftesten Architekten haben hier gearbeitet und in den vergangenen Jahren für Millionen von Besuchern gesorgt. Doch man beobachtet (mit Sorge), dass ein „Abnutzungseffekt“ eintritt und die Besucherzahlen stark zurückgehen. Es zeigt sich, dass eine monostrukturale und sehr speziell entwickelte (architektonische) Inszenierung im Tourismus nur eine begrenzte Wirkungsdauer hat. Man ist derzeit in Spanien bemüht, neue und andere bzw. weitere Aufenthaltsangebote zu entwickeln, die für ausgleichende Besucherzahlen sorgen sollen. Eine durchaus schwierige Aufgabe, da die gesamten Inszenierungen (monostruktural) auf Wein ausgerichtet sind, und es schwer wird, nun eine andere neue Imagemarke zu kreieren. Hier sind touristisches und architektonisches Feingefühl erforderlich, um der bestehenden Marke „Wein“ eine weitere Marke verträglich und nachhaltig hinzuzufügen-- thematisch nahe am Wein, was eher erfolgsarm ist, oder positiv konträr und additiv, was durchaus zu einem Erfolg führen kann. Tipp-|-Analysieren Sie Architektur im Luxussegment am Beispiel des Weintourismus. Warum spielt gute Architektur im Weintourismus eine große Rolle? Welche Wirkungsprinzipien kommen hier zum Tragen? 94 11 „Baustellentourismus“ - eine neue Form des Städtetourismus Was ist Baustellentourismus und wie wird er-gemacht? Was ist Baustellentourismus? Es geht darum, das Entstehen, die Baustelle eines zukünftigen Bauwerks zu inszenieren. Es ist auch eine Art Premarketing, also eine Vermarktung des eigentlichen Bauwerks, bevor dieses fertig ist. Hierbei kommen mehrere Aspekte zur Wirkung. Zum einen geht es um die bloße Ankündigung, dass hier demnächst etwas Neues angeboten wird und besucht, benutzt werden kann. Dieses Premarketing hat meistens eine beachtliche Wirkung, weil es einen Spannungsbogen aufbaut. Hinzu kommt die Möglichkeit, den Entstehungsprozess des Bauwerkes mitverfolgen zu können. Dieser zweite Aspekt ist etwas Außergewöhnliches und verschafft eine Identifizierung mit dem Angebot, bevor dieses fertiggestellt ist. Der Gast verbindet sich mit dem Bauwerk, weil er die Entstehung sieht und verfolgen kann. Der dritte Aspekt ist das Gästeaufkommen mit allen seinen positiven Wirkungen bereits vor der eigentlichen Eröffnung des Angebotes. Das eigentlich Interessante an diesem Tourismusphänomen ist das Dabeisein und das Miterleben des Entstehens eines später beachtenswerten Bauwerkes. Zusätzlich kommen viele (Fach-)Besucher, die aus bautechnischem und architektonischem Interesse die Baustelle besuchen wollen. (ArchitekTouren und Baustellentourismus) Diese Art des Tourismus ist noch weitgehend unbekannt und die großen Potenziale dieser Angebote werden bei Weitem noch nicht ausgeschöpft. Das bekannteste Beispiel für den Baustellentourismus in Deutschland war wohl die Rote-Info-Box auf dem Potsdamer Platz in Berlin Anfang der 1990er-Jahre, als dort das neue Regierungsviertel als Europas größte Bau- „B AUSTELLENTOURISMUS “ - EINE NEUE F ORM DES S TÄDTETOURISMUS 95 stelle entstand. Viele hunderttausend Besucher, Fachleute und Laien kamen in dieser Zeit hierhin, um das Entstehen dieser einmaligen Quartiersentwicklung verfolgen zu können. Die Inszenierung, die hier praktiziert wurde, war exzellent, denn auch ein Baustellen-Merchandising trug zum Erfolg dieses Angebotes bei. Baustellentourismus kann immer dort inszeniert werden, wo im Tourismus etwas gebaut wird. Selbst der Umbau eines bestehenden Hotels kann zum Baustellentourismus inszeniert werden und so während der Bauzeit die Gäste des Hotels weiterhin an dieses binden. Baustellentourismus ist immer eine geschickte Inszenierung der Baustelle. Dafür muss eine Konzeption entwickelt werden, die neben der täglichen Besichtigung der Arbeiten auch Führungen, Erklärungen und Mitmachaktionen umfasst. Angebote für Fachleute und Laien, für Kinder und für Familien können das Angebot abrunden. Je mehr der Bauherr aus seiner Baustelle macht, desto besser ist es für seinen Baustellentourismus und für das Marketing seines Hotels. Außerdem kann Baustellentourismus im Tourismusgewerbe auch zur wirtschaftlichen Überbrückung der Ausfälle während der Bauzeit beitragen und helfen, diese zu reduzieren. Die Entwicklung eines derartigen Konzeptes für einen Baustellentourismus können weder der Bauherr selbst noch ein Architekt aufstellen. Hier ist die Einbindung und Mitarbeit eines Eventberaters erforderlich, der genau erkennt, was an der Baustelle das Besondere und Interessante ist, und der dieses sehr feinfühlig in Szene setzen kann. Als Besonderheit des Baustellentourismus ist vor allem die Frage der Haftungsrisiken zu klären. Beim Beispiel Potsdamer Platz wurde dieses sehr klar und gut gelöst, indem die Besucher nicht auf die Baustelle selbst geführt wurden, sondern von der Infobox, also außerhalb der Baustelle, auf diese geschaut haben. Ähnliches sollte beim Baustellentourismus grundsätzlich gemacht werden, um Unfälle und daraus entstehende Haftungen auszuschließen. Tipp-|-Marketing und Baustellentourismus Warum ist Baustellentourismus ein ideales Marketinginstrument? Stellen Sie Aufgaben und Vorteile stichpunktartig zusammen. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 96 Beispiel Rote-Info-Box, Berlin Als am Anfang der 1990er-Jahre das neue Regierungsviertel in Berlin als Europas größte Baustelle entstand, entschied man sich auch dafür, die Öffentlichkeit am Entwicklungsfortgang dieser Arbeiten teilhaben zu lassen. Den Wettbewerb zum Entwurf eines Info- und Beobachtungsbaus gewann das Architekturbüro Schneider + Schuhmacher. Ihre Rote-Info-Box wurde europaweit berühmt und das klassischste Beispiel für einen gut organisierten Baustellentourismus. „Dem Bau der Info-Box in Berlin ging ein geladener Wettbewerb im Jahr 1994 voraus, dessen Ziel es war, einen Entwurf zu finden, der dem weltweiten Interesse an den baulichen Veränderungen im wiedervereinigten Berlin am Potsdamer Platz entsprach. Die knallrote Kiste war prägnant und leicht zu identifizieren. Sie war eine einfache und zugleich kraftvolle Geste, die sich mit ihren Stelzen vom umtriebigen Chaos der größten Baustelle Europas abhob. Im Oktober 1995 wurde die Info-Box eröffnet, nach kurzer Zeit schon war sie zum Publikumsmagneten geworden: Im Februar 1998 konnte sie ihren viermillionsten Besucher begrüßen. Im Januar 2001 wurde das Gebäude planungsgemäß deinstalliert.“ 12 Die verschiedenen Angebote, die hier rund um die Baustelle vorgehalten wurden, zeigten ein fein ausbalanciertes Merchandising. Eine profane Baustelle, dazu in dieser Größe, galt bis dato noch als etwas Geheimnisvolles und Unbekanntes. Nun inszenierte man erstmals das Geschehen auf einer Baustelle und bot die Teilhabe als eine perfekte Inszenierung an. Der Erfolg dieser Infobox zeigt, wie wirkungsvoll gut gemacht Inszenierungen im Tourismus arbeiten können. Und derartige ähnliche Baustellen gibt es in Deutschland täglich zu Hunderten. Sie müssen nur ebenso wirkungsvoll inszeniert werden. 13 „B AUSTELLENTOURISMUS “ - EINE NEUE F ORM DES S TÄDTETOURISMUS 97 Schaubild-15: Rote-Info-Box, Berlin 98 12 Städtereisen als architektonische Besonderheit im Tourismus Gemeinsame Ziele von Städten und Tourismus Städte und Architektur sind für den Tourismus eine untrennbare Symbiose, die auch wirtschaftliche Stabilität gewährleistet. Einige gemeinsame Ziele führen zur Erfüllung dieser Wirkungen. Dabei müssen sich beide Partner über ihre Möglichkeiten und Aufgaben im Klaren sein. Auch kann die Kommune kaum touristische Dienstleistungen erbringen, wie auch der touristische Dienstleister keine Planungs- oder Bauaufgaben erfüllen kann. Eine eindeutige und klare Positionsbestimmung ist für beide wichtig und stellt den Einstieg in das gemeinsame Arbeiten dar. Die Symbiose aus Architektur und Tourismus ist immer ein Gewinn für Besucher und für Städte, weil diese, gerade die größeren Städte, als Destinationen attraktiv sind. Ihre hohe Attraktivität beziehen sie aus vielfältigen Erlebnis- und Spaßfaktoren, Alleinstellungen und Besonderheiten (USP) und vielfältigen Paket- und Pauschalangeboten. Besonders beliebte Aktivitäten des Städtetourismus sind Shopping, der Besuch von Events und verschiedenen Gastronomie- und kulturellen Angeboten. Neuerdings punkten die Städte auch mit Illuminationen und Licht, mit Wasser im Stadtraum und mit gut gestalteten Wasserfronten und Promenaden. Hierdurch werden die Stadträume mit ihren Raum- und Baustrukturen zu attraktiven Destinationen und präsentieren sich mit Themen wie Historie, Technik, Tradition, Kunst und Museen, Natur und Architektur. Gute Gestaltung in der Stadtplanung, ihre Inszenierung und in der Gebäudeplanung ist nicht nur eine Kulisse oder die Bühne für den Tourismus und seine Inszenierungen, sondern auch ein touristisches Produkt selbst. Zusätzlich kann Architektur auch als Katalysator des touristischen S TÄDTEREISEN ALS ARCHITEKTONISCHE B ESONDERHEIT IM T OURISMUS 99 Angebotes fungieren und dieses in seinem Marketing und in seiner touristischen Leistung noch verstärken. Diese Wirkung kann aber auch zu einer Überlagerung des Eigentlichen ( → -Kapitel 2) führen. Hier sind eine feinfühlige und angemessene Architektur sowie ein sensibles Marketing erforderlich. Der Erfolg guter Architektur im Tourismus beginnt bereits in der Stadtentwicklung und -planung. Hier werden die Weichen gestellt und Entscheidungen vorbereitet, die für die spätere Entwicklung einer touristischen Destination grundlegend sind. Stadtentwicklung beginnt bei der Kommunalpolitik, die entscheiden und festlegen soll, in welche Richtung sich eine Kommune entwickelt. Die Kommunalpolitiker entscheiden also, ob eine touristische Destination am Ort gewünscht ist oder nicht. Fällt dieser politische Wille positiv aus, beginnt im nächsten Schritt die kommunale Verwaltung mit der Umsetzung dieser Vorgabe. Hierbei werden u. a. die planungsrechtlichen und umweltrechtlichen Bedingungen zur Entwicklung der touristischen Destination erarbeitet. Diese Ergebnisse fließen dann in die kommunale Bauleitplanung ein und schaffen die erste rechtsverbindliche Verankerung des Projektes in der Stadtentwicklung. In diesem Schritt ist es bereits angeraten, den Investor bzw. Betreiber der Destination in die Vorbereitungen der Bauleitplanung mit einzubeziehen. Als besonders geeignetes Modell hierfür bietet sich der Vorhaben- und Erschließungsplan (VUE) an, der durch den Investor selbst in Abstimmung mit der Kommune erstellt wird. Sobald die Bauleitplanung für das Projekt rechtskräftig ist, kann darauf folgend die Objektplanung begonnen werden, die mit dem Entwurf des Bauwerks beginnt. Innerhalb der Objektplanung hat der Investor bzw. Bauherr frühzeitig in Abstimmung mit seinem Architekten eine öffentlich-rechtliche Baugenehmigung einzuholen. Mit Vorliegen dieser Baugenehmigung kann mit dem eigentlichen Ausführungsarbeiten des Bauwerks begonnen werden. Der Ablauf dieser Entwicklungsprozesse zeigt, wie wichtig touristische Entwicklungen für eine Stadt sind und wie beachtliche wirtschaftliche Effekte hierdurch in eine Stadt hineingebracht werden können. Verkennen die Kommunalpolitiker zu Beginn dieses Prozesses diese großen Chancen, bleiben die genannten Potenziale für Jahrzehnte dieser Stadt verschlossen. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 100 Tipp-|-Nutzen Sie die Symbiose aus Städten und Tourismus. Stellen Sie dar, wie sich Städte touristisch inszenieren können. Welche Faktoren sind dabei wichtig und welche Rolle spielen gute Architektur und Bauwerke? Was kann Architektur zum Städtereisen beitragen? Gute Architektur erhöht die Attraktivität von Städten als touristische Destination. Bei den Kurzreisen liegen die Städtereisen nach Verwandten- und Bekanntenbesuchen an zweiter Stelle der Beliebtheit. Gefolgt werden sie von kulturellen Reisen (Oper, Theater, Musical u. a.), Fun-, Spaß-, Partyreisen und von Shoppingtrips. Sicherlich werden alle diese Kurzreisearten besonders auch in Städten ausgeübt, sodass diese Nennungen auch noch in den Bereich der Städtereisen fallen. Städtereisen sind damit ein buntes Paket vieler verschiedener Angebote, die auf konzentrierter Fläche einer Stadt angeboten werden. Dabei übernimmt die Stadt die Aufgabe einer Bühne oder eines Aktionsraumes, in dem die Inszenierung der Städtereise stattfindet. Die Stadt selber mit ihren Bauwerken muss nicht immer das Thema der Reise sein, sie kann auch lediglich als Kulisse oder Bühne dienen. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Stadt und ihrer Architektur als Reiseinhalt oder als Kulissenraum für die touristische Inszenierung. In beiden Fällen spielt die gute und interessante Architektur eine zentrale Rolle. Wenn jedoch die Stadt mit ihrer Baustruktur und ihren Bauwerken das Thema der Reise bildet, dann trägt sie ganz unmittelbar zum Erfolg dieser Reise bei. Diese Städte werden dann gezielt nach der Qualität ihrer Bauwerke ausgewählt und in ein Reiseprogramm aufgenommen. Eine solche Reise ist eher eine fachliche Reise, die unter dem Thema Bauwerke und deren Besichtigung mit Erklärungen abläuft, also eher einer ArchitekTour. Der erste Fall, die Stadt als Kulisse oder Bühne einer Reise, ist der weitaus häufigere Fall, die Fachexkursion der eher seltenere Fall. Wird die Stadt als Kulisse oder Bühne für eine Städtereise genutzt, kommen hier die Möglich- S TÄDTEREISEN ALS ARCHITEKTONISCHE B ESONDERHEIT IM T OURISMUS 101 Schaubild-16: Place du Tertre, Montmartre, Paris G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 102 keiten der emotionalen Nutzung und Verwertung der Stadträume zum Tragen. Romantische Stimmungen an entsprechenden Orten der Stadt werden durch zusätzliche Inszenierungen aufgegriffen und verstärkt. So sind z. B. romantische Abende in Paris, kulturelle Reisen nach Verona oder musikalische Reisen nach Salzburg oder Prag gern genutzte Reiseziele, die diese Inszenierungen erlauben. Tipp-|-Der Beitrag der Architektur zum Städtereisen Beschreiben Sie kurz den positiven Beitrag der Architektur zum Städtereisen an einem Ihnen bekannten Beispiel. Baukultur und Geschichte, Traditionen Die touristische Darstellung von Geschichte und Baukultur ist eine sehr spannende Aufgabe. Sie beginnt mit historischen Bauwerken und Bauformen, die immer an die Existenz regionaler Baumaterialien gekoppelt waren. Dort, wo z. B. umfangreiche Wälder vorherrschten, entwickelte sich der Holz- und Fachwerkbau. In bergigen Regionen wurde das Bauen durch Fels und Steine bestimmt. Diese Gesetzmäßigkeit brachte gerade in Mitteleuropa eine Fülle traditioneller Bauwerksformen hervor. Die Architektur verlor diese Qualität, als es möglich wurde, Baustoffe mit Schiff, Bahn und LKW über große Distanzen zu transportieren und sich die Verwendung von regionalen Baumaterialien internationalisierte. Überall dort, wo diese Bautraditionen noch ablesbar sind, können sie touristisch genutzt werden. Gleichzeitig erzählen diese historischen Bauten auch automatisch Geschichten, die ebenfalls sehr gut touristisch genutzt werden können. Die deutschen Kulturlandschaften bieten noch eine zweite Besonderheit, die für das touristische Geschäft in dieser Hinsicht hilfreich ist. Die Siedlungsdichte ist in Europa und insbesondere in Deutschland sehr hoch. Dabei wechseln die verschiedenen Regionen sehr häufig und bieten so eine große Fülle interessanter und verschiedenartiger Kulturräume. Diese sind auch durch häufig wechselnde Bautraditionen und Bauformen erkennbar. Insgesamt ist Mitteleuropa sehr geschichtsträchtig und für außereuropäische Besucher daher besonders interessant. S TÄDTEREISEN ALS ARCHITEKTONISCHE B ESONDERHEIT IM T OURISMUS 103 Einen besonderen Bereich nehmen die historischen Bauwerke an einem Ort ein, der in der Lage ist, historische Geschichten über sich selbst oder über ein Ereignis erzählen zu können. Hier liefert das Bauwerk das Storytelling gleich mit und ist somit authentisch. Burgen und Schlösser sind ein allseits bekanntes und beliebtes Beispiel hierfür. Geschichte besucher- und familienfreundlich erzählt und zusätzlich am „Original-Schauplatz“ nacherlebt, ist für sich schon ein Erfolgsgarant. Dieses reicht durch alle Epochen der europäischen Geschichte vom Neandertaler bis in die jüngste Vergangenheit (z. B. Regierungsbauten in Bonn). Als besonderer Pluspunkt dieser Bauten kommt die Authentizität des Schauplatzes hinzu. Jetzt liegt es nur noch am Können und der Qualität des Gästeführers, seine Besucher zu faszinieren. Als ein ebenfalls interessantes Thema hat sich in der jüngsten Vergangenheit die Technikgeschichte gezeigt. Hier werden technische Bauwerke wie Wasserkraftwerke, Stauanlagen, Schiffshebewerke oder andere Bauwerke entsprechend inszeniert und erfreuen sich touristisch zunehmender Beliebtheit. Es haben sich auch schon verschiedene regionale Vereine gebildet, die den Erhalt solcher Technikbauwerke, auch zur (touristischen) Nutzung, fördern. So ist z. B. auch das Schiffshebewerk Dortmund-Henrichenburg am Mittellandkanal ein gutes Beispiel dafür, dass auch historische Technikbauwerke heute touristisch besucht werden. Ebenfalls touristisch interessant ist die Route der Industriekultur im Ruhrgebiet, die sehr eindrucksvoll die Industriearchitektur aus der Blütezeit dieser Region und den Tourismus miteinander verbindet und präsentiert. Insgesamt ist dieses touristische Segment in Deutschland noch sehr jung und entsprechend schwach entwickelt. Da Deutschland jedoch über eine sehr breite und weit gefächerte Industriegeschichte des 19. Jahrhunderts verfügt, liegen hier noch eine Fülle an Chancen und Potenzialen für den Tourismus. Tipp-|-Geschichte, Baukultur und Tourismus Verdeutlichen Sie sich die hohe Attraktivität und Bedeutung regionaler Baukulturen für den Tourismus. Welche positiven Faktoren wirken hier zusammen? G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 104 Schaubild-17: LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg 105 13 Inszenierungen und künstliche Erlebniswelten Echt und unecht: Inszenierungen und Kulissenwelten im Tourismus Gute Architektur erkennt man sehr schnell-- eigentlich sogar sofort. Sie ist schlüssig und erklärt sich von selbst. Meistens ist spektakuläre Architektur eher eine Effekthascherei und wenig gut. Schlichte Architektur, die die Funktionen des Gebäudes unterstreicht, ist meistens gut. Das Motto „weniger ist mehr“ stimmt in den meisten Fällen und erklärt, was gut ist. Umständliche und ausschweifende Gestaltungen, die kaum eine Funktion erfüllen, sondern nur um der Gestaltung willen vorhanden sind, sind fragwürdig. Die Grundlagenstudie pla‘tou zeigt sehr deutlich, dass auch der Gast ehrliche Architektur erkennt und schätzt. Er sucht die authentische Architektur, die zum Ort passt und die Besonderheiten eines Ortes unterstreicht und stärkt. Sicherlich ist dieses eine schwierige Aufgabe, für den Architekten und für den Touristiker. Der unternehmerische Erfolg beweist jedoch, dass derartige Konzepte richtig sind. Im Tourismus, wie auch in anderen Lebensbereichen, sind häufig Inszenierungen zu finden. Diese sind betrieblich notwendig und erfordern auch architektonische Inszenierungen. Derartige Inszenierungen im Tourismus sind differenziert zu betrachten. Während noch vor einigen Jahren so etwas strikt abgelehnt wurde, weil es nicht authentisch oder original ist, ist es heute anerkannt, dass man durchaus gute Inszenierungen auf verschiedenen Ebenen braucht, um das touristische Geschäft zu erhalten. Früher galten Inszenierungen immer als künstlich und kitschig und bezogen sich vorwiegend auf bauliche Umgebungen im Tourismus. Das klassische Beispiel ist Disneyland. Hier dominiert das Hyperreale oder sogar Surreale und zeigt sich in G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 106 einem Wildwuchs von baulichen Artefakten. Alle Regeln guter Architektur wurden über Bord geworfen und es herrscht das ästhetische Chaos. Dieses ist, insbesondere im Tourismus, weitgehend relativiert. Das Beispiel des McArthurGlen-Designer-Outlet in Neumünster als Outlet- Standort zeigt sehr plastisch, was mit dieser Art von Inszenierung gemeint ist. Meistens in Industriegebieten mit Autobahnanschluss entstehen dieser Einkaufscenter im Stile einer kleinen Stadt mit traditionell gestalteten Stadthäusern, historischen Straßenleuchten und Straßenschildern und Plätzen. Alles unterliegt aber einem strikten und einheitlichen Grundrissschema, das der Laie als Besucher kaum wahrnimmt. Tourismus ist nach Felizitas Romeiß-Stracke (2003) 14 das Herzstück der Experience Economy, einer Erlebnisökonomie. Danach müssen Inszenierungen nicht die oben beschriebenen Welten vermitteln, sondern auch Erlebnisse und Erfahrungen bis hin zu Lernprozessen. Dadurch wird das Thema Inszenierungen weitertransportiert und betrifft nicht nur allein die bauliche Planung von Destinationen, sondern auch Angebote, Programme und Abläufe der unterschiedlichen Aktivitäten am Urlaubsort. Gut gemachte Animation und Aktivitäten müssen ebenso inszeniert werden wie gute Architektur. Dieses Vorgehen ist durchaus neu, denn noch Ende der 1990er-Jahre wurden Forderungen von Fachleuten nach Integration der Architektur in den Tourismus ignoriert. Inzwischen werden touristische Bauten, gerade die, die von Stararchitekten gebaut wurden, von dem Freizeitforscher Horst Opaschowski als „Kathedralen des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. 15 Wer im Tourismus diesem Trend nicht folgt, muss befürchten, abgehängt zu werden. Darum flüchten viele Urlaubsorte in den Wunsch, eine „Erlebniswelt“ zu errichten, Anspruch, Thema und Nachhaltigkeit sind dabei nebensächlich. Der Architekt Lino Venturi erkannte seinerseits die Möglichkeiten der Architektur, bei Inszenierungen mitzuwirken, und formulierte zu dieser Zeit der Postmodernen Architektur die These „Learning from Las Vegas“, nach der nun die Architektur lernen konnte, wie man eine richtige Inszenierung aufzieht. 16 Romeiß-Stracke stellte 2005 vier Aspekte von Inszenierungen im Tourismus auf, die durchaus heute auch für architektonische Inszenierungen Gültigkeit besitzen: 17 I NSZENIERUNGEN UND KÜNSTLICHE E RLEBNISWELTEN 107 Destinationen sollen durch bessere Inszenierungen attraktiver werden. Dieser erste Schritt soll aus der Findung eines Leitthemas bestehen, das dann in einem Inszenierungskonzept Niederschlag finden soll. Das Konzept muss die initiierenden Angebote und Attraktionen beschreiben und die Choreographie der Inszenierung festschreiben. Die Umsetzung beinhaltet die Lenkung und Steuerung der Besucher und das Management, das letztlich zum Erfolg führen muss. Auch ein Controlling, das ständig die Besuchermeinung zum Management rückkoppelt, gehört hierzu. Innerhalb des Konzeptes sind initiierende Angebote und Attraktionen besonders zu entwickeln. Ihre Lage ist wichtig und ihr Aussehen, weiterhin, was dort angeboten und wie es angeboten wird. Sind es eher rezeptiv aufnehmbare Angebote (Dienstleistungen) oder Angebote zur Betätigung durch die Besucher? Eine einfache Methode der Inszenierung ist die (mitunter überzogene) Aufwertung banaler Orte und Aktivitäten. So werden diese mit plakativen Gestaltungsmitteln hervorgehoben, um dort etwa eine Dienstleistung oder anderes dem Gast „schmackhaft“ zu machen. Erreicht wird dieses durch das Wecken von Emotionen, Sehnsüchten oder Erinnerungen, Assoziationen und Bedürfnissen. Erfolgsgarantiert ist auch die Inszenierung von Events, gleich welcher Art, ob sportlich oder kulturell, gastronomisch, traditionell oder anders. Diese Events müssen als etwas „Besonderes“ und „Einmaliges“ inszeniert werden, damit der Besucher das Gefühl erhält: „… ich war dabei …“. Zum Erfolg gehören eine gute Servicekette, Merchandising, einprägsame Gestaltungen der Räume und ein erhöhtes (exklusives) Preisniveau. Der Ablauf des Events muss als Choreographie oder Dramaturgie eingeübt sein. Insgesamt wird das Thema Inszenierungen im Tourismus gerne auf das Schlüsselwort „Erlebniswelt“ reduziert. Erlebniswelten findet man heute zu allen möglichen Themen. Gemeint ist damit immer eine perfekte Inszenierung des Themas mit allen Details, die für einen nachhaltigen Betrieb sorgen. Es muss aber auch gesagt werden, dass dieses Vorgehen nicht generell schlecht ist. Es existieren inzwischen sehr gut gemachte Inszenierungen, die mit hohem Anspruch architektonische Qualität mit kulturellem Angebot verbinden und dieses einer interessierten Besucherschicht nahebringen. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 108 Oftmals werden Inszenierungen im Tourismus auch als Verkitschung oder Verkünstlichungen bezeichnet. Es ist eine berechtigte Frage, ob das wirklich so ist. Dabei wird das Echte, Originale und Unverfälschte eher als Gegenkonzept betrachtet und derzeit gern als nachhaltiger und sozialverträglicher bezeichnet. Die Frage ist jedoch, wo fängt die Verfälschung an und wo hört das Echte auf? Eine Frage, die besonders in der Inszenierung des Tourismus von großer Bedeutung ist. Man könnte auch fragen, ob der Tourist nicht immer den Wunsch nach Inszenierungen hat, ganz gleich in welcher Qualität und Quantität. Urlaube haben immer etwas Besonderes, sind anders als das eigene Zuhause und benötigen damit eine Inszenierung. Diese Inszenierungen reichen von kitschig platt bis feinfühlig und subtil. Ein moderner Tourismus ist ohne Inszenierungen kaum denkbar. Die Anfänge des Reisens kamen ohne diese Erlebnisse aus und suchten das Echte und Originale. Mit dem Aufkommen des Massentourismus kam auch der Wunsch nach Erholung auf und eine neue Art des Reisens entstand. Die Art der Inszenierungen sollten allerdings zum Zielpublikum passen. Das berühmteste Beispiel ist hier Las Vegas, die Spielerstadt, in die die Besucher mit entsprechenden Erwartungen reisen. Die Inszenierung passt hier perfekt. Inszenierungen im Tourismus bedeuten immer, das Vorhandene in Szene zu setzen und damit szenisch zu arbeiten. Dabei werden vorhandene Situationen und Strukturen erhöht, nicht aber überspitzt. Die Durchführung einer Inszenierung im Tourismus ist daher sehr schwierig und auch riskant. Wichtig ist die Authentizität. Falsch ist es, wenn ein Attribut an einen Ort gebracht wird, an dem es nicht original und authentisch ist. Tipp-|-Inszenierung und Storytelling Bringen Sie touristische Inszenierung und Storytelling in einen Bezug zur Architektur. Beschreiben Sie an einem Beispiel, wie beide Bereiche zusammenarbeiten und wirken können. I NSZENIERUNGEN UND KÜNSTLICHE E RLEBNISWELTEN 109 Wie funktioniert Disneyland? Mechanismen von Kulissenwelten Die sechs Themenparks von Disneyland nahmen 1955 im kalifornischen Anaheim ihren Anfang. Der jüngste Park wurde 2016 in Shanghai eröffnet. Das Original hat jährlich rund 23 Millionen Besucher und steht auf einer Fläche von 34 Hektar. Die Baukosten lagen damals bei 17 Millionen US- Dollar. Die Ideen von Walt Disney zur Stadtplanung der Zukunft sollten hier umgesetzt werden und so hieß das Projekt auch „Experimental Prototyp Community (oder City) of Tomorrow = EPCOT 18 . Disney war sehr interessiert an gesellschaftlichen Entwicklungen und wollte mit seinem Projekt innovativ in diesem Bereich wirken. Das Ziel war ein ständiger Freizeitpark im Gegensatz zu den bislang bekannten Kirmessen und Jahrmärkten. Das Ergebnis war eine Imitation einer amerikanischen Provinzstadt um 1910 mit nostalgischer Kleinstadtarchitektur. Der Begriff Disneyland fand später Eingang in die Architekturkritik aufgrund dieser Imitation und zugleich maßstäblichen Verkleinerung der Gebäude. Diese Metapher wurde im Zusammenhang mit dem New Urbanism und der Rekonstruktion in der Architektur verwendet und ist bis heute im Gebrauch. Disneyland insgesamt ist der Vorläufer moderner Inszenierungen im Tourismus. Dabei findet meistens eine Entgeographisierung statt. Der Ort ist unwesentlich, die Inszenierung allein zählt und ist damit ortsunabhängig. Dabei ist die Frage berechtigt, ob das museale Konservieren von Umwelten und Bauwerken nicht ebenso künstlich und unauthentisch ist wie die Inszenierungen des Tourismus? Markennamen wie z. B. „Autostadt“ suggerieren isolierte räumliche Einheiten, die nur dem Thema unterstehen und weitgehend ortsunabhängig sind. Hinzu kommt das Zeitalter der digitalen Welt, das nun virtuelle Reisen ermöglicht und einen aufwendigen und teuren Ortswechsel erübrigt, um eine Inszenierung zu erleben. Interessant ist auch der Blick zurück und die Feststellung, dass es auch schon früher Illusionswelten gab und diese gerne angenommen wurden. Seit Beginn der Neuzeit war man in der Lage, mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln Illusionswelten zu erschaffen. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 110 Schaubild-18: Schloss Disneyland Resort, Anaheim I NSZENIERUNGEN UND KÜNSTLICHE E RLEBNISWELTEN 111 Schaubild-19: Schloss Ludwigsburg mit barockem Garten G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 112 Den Anfang bildeten die Barockgärten und Parkanlagen des Barocks und Rokokos mit dem Ausdruck, die Natur zu beherrschen und nachzubilden. Geometrische und unnatürliche Formen wurden unter dem Einsatz von antiken Skulpturen und Wasser etc. verwendet. Diese Formen wurden stark überformt und fanden somit großen Zuspruch. Der englische Landschaftspark im 19. Jahrhundert ist ebenfalls ein Kunstgebilde, das vielfältige Landschaftselemente nachbildet. Er bildet meistens eine Sammlung unterschiedlicher Landschaftsteile (Vulkan, Wasserfall, Wälder, Höhlen etc.). Diese Parks wurden erstmals auch für die Öffentlichkeit geöffnet. Kulissenarchitektur in Form von Grotten und Höhlen, Wasserläufen, Vulkanen etc. wurden künstlich gebildet (z. B. der Wörlitzer Park bei Dessau). Die Weltausstellungen des 19. und 20. Jahrhunderts in London, Paris und Amsterdam zeigten viele technische Neuerungen, die auch Illusionen schaffen konnten. Moderner Stahlbau des Eiffelturms, Dampfmaschinen für Eisenbahnen oder auch die Entdeckungen der Fotografie und des Films waren für viele Illusionen. Die Ausstellungen erlangten Besucherrekorde von 15 bis 50 Millionen Besuchern. In dieser Zeit entstanden auch die vielen Seebäder und Thermalbäder, die als Kunstwelten zur Erholung des aufblühenden Großbürgertums und des Adels dienten. Hier entstanden u. a. Hotels, Badehäuser, Promenaden, Konzerthallen und Festsäle, die illusionistisch wirkten. Disneyland und diesem Vorbild folgende Kunstwelten wie etwa Center Parcs, Snow Domes runden diese Entwicklung aktuell ab und wirken nach denselben Mechanismen. Diese Mechanismen arbeiten mit folgenden Instrumenten und Werkzeugen: Sie sind grundsätzlich thematisch fokussiert und werden komplett um dieses Thema inszeniert und organisiert. Dieses erfolgt mit allen gebotenen Mitteln der Inszenierung, also auch der Schaffung von Architektur in Form von Kulissen oder Bauwerken etc. Es werden vollständige Illusionswelten geschaffen, die auch aus Atmosphären und Stimmungen bestehen. Die räumliche Umgebung bildet dabei mitunter die größte und wichtigste Atmosphäre. I NSZENIERUNGEN UND KÜNSTLICHE E RLEBNISWELTEN 113 Es werden Mythen und Geschichten gebildet. Das Storytelling ist ein wichtiges Instrument der Inszenierung. Über das Storytelling werden persönliche Erlebnisse und Erinnerungen an den Besuch möglich, die für ein unbedingt positives Image und für Mehrfachbesuche sorgen. Verstärkt werden können diese Effekte durch die Umnutzung eines Stadtquartiers zum Freizeitpark, z. B. Canary Wharf in den Docklands (London) und in der Speicherstadt (Hamburg). Hier sind insbesondere die Umplanungen alter und brachgefallener Hafenquartiere beliebt, die bereits über Geschichte und Geschichten verfügen. Wie wichtig die Inszenierung von Erlebnissen im Tourismus ist, wurde bereits mehrfach erwähnt. Zudem wird man selbst diese Erwartung kennen, mit der man in den Urlaub fährt. Dieser Urlaub soll etwas ganz Besonderes werden und mit bleibenden Erinnerungen abschließen. Werden diese Erwartungen im Urlaub und am Urlaubsort erfüllt, fällt das Urteil positiv aus. Die Inszenierung derartiger Erlebnisse besteht aus zwei Komponenten. zum einen aus Erlebnissen (Events, Exkursionen, Menschen kennenlernen und anderes mehr) zum anderen aus der Qualität des Ambientes, also der Architektur am Urlaubsort. Diese Art von Erlebnissen läuft rein visuell ab und erfordert einfach und gut wahrnehmbare Architekturen. Passt beides zueinander, ist die Corporate Architecture erfüllt und das gesamte Konzept der Destination passt zusammen. Tipp-|-Kulissenwelten im Tourismus Analysieren Sie, wie weit eine Kulissenwelt gehen darf, um noch mit guter Architektur im Einklang zu stehen. Entwickeln Sie hierfür Beispiele. G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 114 Schaubild-20: Canary Wharf mit O2-Arena im Vordergrund, London 115 14 Landschaft und Wasser in Verbindung mit Architektur und Tourismus Tourismusanlagen und Landschaft-- Zerstörung der Heimat? Tourismus und seine Anlagen in der Landschaft werden generell als Konflikt betrachtet. Neben dem Problem der Landschaftsbeeinträchtigung oder -zerstörung kommt auch dem Bedrängen der Einwohner durch das touristische Geschäft eine große Bedeutung zu. Bekannt sind Urlaubsorte, in denen während der Hauptsaison ein Vielfaches der Einwohner an Gästen auftaucht. Wenn auch der Gast einerseits als Kunde und Urheber der Wirtschaftskraft verstanden wird, so kann er nun aber auch zu einer Belastung werden. Die Gefahr, die sich bei dieser Problemlage einstellen kann, besteht darin, dass die Identität des Ortes für seine Bewohner verloren gehen kann. Die ursprüngliche Identität des Ortes, die gerade für die Touristen so attraktiv war, löst sich auf und das touristische Geschäft ist langfristig gefährdet. Da der Tourismus für den ländlichen Raum mitunter überlebenswichtig ist, spielt hier die Architektur eine große Rolle. Ferien auf dem Bauernhof zeigen nicht nur, wie auf dem Bauernhof gearbeitet wird, sondern auch, wie auf dem Hof gelebt, gearbeitet und gewohnt wird. Hier kommt der ländlichen Architektur eine zentrale Bedeutung für dieses Tourismusmodell zu. Verschiedene Themen der Landwirtschaft können sehr unterschiedlich in Bauwerken dargeboten werden. Das Thema Weintourismus bezieht Weingüter ein und richtet sich an andere Gäste als das Thema Bauernhof, das eher familiär G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 116 orientiert ist. Gerade dem neu aufkommenden Weintourismus kommt das Image eines Luxustourismus zu und so erwartet der Gast auch eine entsprechende Architektur des Weingutes. Es gibt bereits viele gute Beispiele, wie Betreiber dieses Verhältnis in gute Architektur umgesetzt haben. Tourismus im ländlichen Raum wird für viele Regionen überlebenswichtig, da Tourismus als vorwiegende Branche des Überlebens betrachtet wird. Das wird durch den Klimawandel in Mitteleuropa noch verstärkt, indem z. B. Küstenregionen der Ostsee deutlich wärmeres und trockeneres Klima bekommen und damit für eine längere Reiseperiode im Jahr zur Verfügung stehen werden. Es wird hierdurch nicht nur der Architektur von Orten und Gebäuden wichtige Aufgabe zukommen, sondern auch der Landschaftsarchitektur und Freiraumgestaltung von touristischen Orten und Anlagen (Resorts). Das Problem touristischer Anlagen in der Landschaft sind neben der Landschaftszerstörung noch die unterschiedlichen Raumansprüche aus Landschaftsschutz und Tourismus. Hieraus erwächst der größte und schwierigste Konflikt dieser beiden Bereiche. Eine generelle Lösung hierfür gibt es nicht, wie man aus jahrelangem Probieren und Suchen von Miteinander oder Verboten gelernt hat. Es sind immer fallindividuelle Einzellösungen, die vorrangig in einem Nutzungskompromiss liegen. Oftmals bleiben dabei gute gestalterische Lösungen auf der Strecke. Insgesamt sind folgende Belastungen aus Freizeit und Tourismus auf Landschaftsräume festzustellen: ökologische Belastungen Belastungen in wirtschaftlicher und nachhaltiger Hinsicht Dichtephänomene durch Übernutzung (Crowding) Attraktivitätsverlust durch vorgenannte Dem gegenüber stehen immer Kompromisslösungen zur Entlastung von Landschaftsräumen, die wie folgt aussehen können: Bündelung von Aktivitäten und Angeboten Staffelung, temporäre Verbote und Sperrungen Gästelenkung und -steuerung Verbote und Sperrungen L ANDSCHAFT UND W ASSER IN V ERBINDUNG MIT A RCHITEKTUR UND T OURISMUS 117 Schaubild-21: Gelungene Architektur im ländlichen Raum: Hof im Kalch, Tramin, Südtirol G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 118 Solche Kompromisslösungen suchen meistens Landschaftsentlastung durch geschickte Planung, Steuerung und Lenkung der Aktivitäten. Auch zeitliche und Kapazitätsbeschränkungen werden hierbei oftmals eingesetzt. Ein allseits bekanntes Beispiel für diesen Konflikt ist der Wintersporttourismus in den Alpen, der oftmals an die Grenze der Verträglichkeit für Landschaft und Natur stößt. Auch die baulichen Anlagen wie Hotels, Resorts und Lifte etc. belasten die sensible Hochgebirgslandschaft oftmals über die Maßen. Hinzu kommt die hohe Reisemobilität in diesen Landschaftsräumen, die eine zusätzliche Belastung mit sich bringt. Hier sind innovative Fahrzeuge und Reisemittel zu entwickeln und auch die Verkehrskonzepte in den Urlaubsorten sind umzugestalten. Autofreie Urlaubsorte sind dabei eine radikale aber wirkungsvolle Variante. Ländlicher Tourismus als wirtschaftlicher Motor Ökotourismus und ländlicher Tourismus (Agrotourismus) bleiben ein Nischenmarkt, da hier kaum inszeniert werden kann. Hier spielen andere Mechanismen eine Rolle und das Ursprüngliche, auch in der Architektur des Bauernhofes, kommt in den Vordergrund. Der zentrale Marketingaspekt ist das Ökolabel, das intakte ländliche Qualitäten benötigt. Hier kommt einer dörflichen ursprünglichen Architektur des Bauernhofes zentrale Bedeutung zu. Damit erlangt diese Art des Tourismus eine fast schon historische Reminiszenz an vergangene Zeiten, denn niemand käme auf die Idee, Urlaub in einem modernen Hightech-Agrarbetrieb zu machen. Die Ansprüche des Tourismus sind in Bezug auf Landschaft dieselben wie die der Architektur. Es existieren zunächst Raumansprüche, die in Konkurrenz zur Landschaft und zur Natur stehen. Dieses ist der immerwährende Konflikt aus Landschaft einerseits und Tourismus und Architektur andererseits. Zur Lösung dieses Konfliktes gibt es keine allgemein gültigen Rezepte und Lösungen. Es müssen immer Einzelfalllösungen sein, die in Form eines Kompromisses arbeiten. Man ist derzeit von härteren Entweder-oder-Lösungen abgerückt und sucht den verträglichen Kompromiss für beide Seiten. L ANDSCHAFT UND W ASSER IN V ERBINDUNG MIT A RCHITEKTUR UND T OURISMUS 119 Wesentlich dabei sind sanfte oder smarte Konzepte, die die Ansprüche des Tourismus und der Architektur auf ein verträgliches Mindestmaß zurückfahren. Diese sanften Lösungen können durchaus auch sehr interessant und für den Gast attraktiv sein. Sanfte Lösungen im Tourismus arbeiten mit Kompromissen in verschiedenen Bereichen wie Größe der Anlage, Angebotsformen, zeitliche Staffelungen oder Kapazitätsbegrenzungen etc. Die Tourismusarchitektur auf dem Land wird aber auch als Möglichkeit der Strukturstärkung ländlicher Regionen erkannt. Das industrielle Wachstum ist insgesamt begrenzt und trifft insbesondere die ländlichen Räume. Es werden daher alternative Wirtschaftsbranchen gesucht, die zur Stärkung der ländlichen Räume dienen. Dem Tourismus kommt dabei eine besondere Rolle zu. Der Tourismus, ehemals auch als die weiße Industrie bezeichnet, erscheint derzeit als die stärkste und einzige Branche, die sowohl den ländlichen Räumen wie auch den städtischen Räumen noch größere Wirtschaftlichkeit verleihen kann. Wasserflächen als innovative Bauflächen des Tourismus Ein weiterer Zukunftsbereich liegt neben dem ländlichen Tourismus in der Entwicklung von Wasserflächen für den Tourismus. Dieser internationale Trend, Wasserflächen innerstädtisch und regional zu entwickeln, beginnt auch in Deutschland attraktiv zu werden. Viele Städte am Wasser haben ihre Lagegunst und ihre Tradition am Wasser (wieder-)entdeckt und entwickeln in sogenannten Waterfront-Projekten ihre Lagen. Bei guter Inszenierung dieser städtebaulichen Entwicklungen können hier Städtebau, Geschichte, Technik und Tradition zusammengeführt und auch touristisch genutzt werden. Und gerade diese Mischung ist es, die derartige Projekte attraktiv und interessant macht. Wasser bietet aber zusätzliche Nutzungsmöglichkeiten, z. B. Bootfahren, Baden, Angeln, Spielen etc. Insofern liegen hier auch wiederum mehrere günstige Faktoren gemeinsam vor, die in guter Planung mit guter Architektur zu nutzen sind. Eine Wasserfläche ist in horizontaler Dimension zunächst ein Element der Landschaftsarchitektur. Sie zählt zu den naturräumlichen G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 120 Ausstattungen der Landschaft. In ihrer touristischen Nutzung interessant wird sie durch bauliche Ausstattungen und Anlagen wie Sitzplätze, Ufergastronomie, Bootshäfen oder auch durch Promenaden und Plätze am Wasser. Auch hier werden wiederum sehr authentische Orte und Anlagen geschaffen, die aber in ihrer Inszenierung eine sehr hohe touristische Attraktivität besitzen. Innerstädtische Wasserflächen sind daher grundsätzlich Orte mit hohem Kommunikationspotenzial, es sind städtische Hotspots und damit auch touristisch gut zu vermarkten und zu nutzen. Die visuelle Qualität der umgebenden Architektur sowie die Nutzungsangebote sind entscheidend für die Annahme, Akzeptanz und Nutzung durch die lokale Bevölkerung und durch Touristen. Und schließlich bilden Wasserflächen auch vorzügliche „Bauplätze“ für schwimmende Tourismusarchitektur. Das zeigen bereits Beispiele, in denen der Urlaub in einem schwimmenden Haus verbracht werden kann. Diese gelungene Verbindung aus Wasser, innovativer und guter Architektur und Urlaub scheint ein Erfolgsrezept zu werden, sodass der Wunsch, auch außerhalb des Urlaubs so zu wohnen, stark zunimmt. Ein erster Hausboot-Kongress 2016 zeigt das zunehmende Interesse an dieser Hausform und eine sich neu entwickelnde Branche. 19 Aber das Engagement von Verwaltung und Architektur in diesen neuen Bauweisen und Formen ist noch sehr zurückhaltend und man ist kaum daran interessiert, notwenige einheitliche Sicherheitsstandards für die erhöhten Risiken auf dem Wasser einzuführen. Insofern fehlen baurechtliche Standards und vor allem Normen zur Sicherheit. Auch ist die Rettung von brennenden schwimmenden Häusern, insbesondere die Personenbergung auf dem Wasser völlig ungeklärt. L ANDSCHAFT UND W ASSER IN V ERBINDUNG MIT A RCHITEKTUR UND T OURISMUS 121 Schaubild-22: Hausboote in Groningen, Niederlande 122 Anmerkungen 1 vgl. www.platou.at/ portal3/ de/ other-content-area/ einstiegsseite.html (abgerufen am 28.02.2017) 2 aus Jonak, U.: Architekturwahrnehmung: Sehen und Begreifen, Wiesbaden 2015 3 vgl. -www.platou.at/ portal3/ de/ other-content-area/ einstiegsseite.html (abgerufen am 28.02.2017) 4 Lun, L.; Dreyer, A.; Pechlaner, H.; Schamel, G.: Wein und Tourismus, Bozen 2013 5 Analyse im stud. Projekt „Werbung im Tourismus“, Hochschule Anhalt, WS-2003/ 2004, Prof. Dr. Heiner Haass 6 vgl. - www.platou.at/ portal3/ de/ other-content-area/ einstiegsseite.html (abgerufen am 28.02.2017) 7 vgl. -www.platou.at/ portal3/ de/ other-content-area/ einstiegsseite.html (abgerufen am 28.02.2017) 8 vgl. -www.abendblatt.de/ kultur-live/ article107795356/ Neue-Museumsarchitektur-in-Spanien.html (abgerufen am 19.06.2012) 9 vgl. Hamer, J.; Pfau, C.: Urlaubsarchitektur-- die schönsten Ferienhäuser zum Mieten, München 2013, 2014, 2015 10 vgl. www.architektourtourismus.de/ index.php? id=401; 2016 (abgerufen am 10.09.2016) 11 vgl. -www.atours-vienna.at (abgerufen am 19.06.2012) 12 vgl. www.schneider-schumacher.de/ projekte/ project-details/ 96-info-box. project#content (abgerufen am 11.04.2017) 13 vgl. -www.schneider-schuhmacher.de/ projekte/ project-details/ 96-info-box. project (abgerufen am 19.06.2012) 14 Romeiß-Stracke, F.: Abschied von der Spaßgesellschaft. Freizeit und Tourismus im 21. Jahrhundert, Amberg 2003 15 Opaschowski, H. W.: Kathedralen des 21. Jahrhunderts. Erlebniswelten im Zeitalter der Eventkultur, Hamburg 2000 16 Venturi, R.: Learning from Las Vegas, Cambridge/ Massachusetts 1977 17 Romeiß-Stracke, F.: Was kommt nach der Spaßgesellschaft? , Lüneburg 2005 18 vgl. -https: / / disneyworld.disney.go.com/ destinations/ epcot/ ? CMP=OKCwdw_gmap_39 (abgerufen am 28.02.2017) 19 -www.hausboot-konferenz.de (abgerufen am 28.02.2017) 123 Literatur Antz, C., Dreyer, A. & Linne, M. (2006): Tourismus und Wein in der Weinregion Saale-Unstrut. Analyse, Handlungsempfehlungen, Perspektiven. Tourismusstudien Sachsen Anhalt, 25, Im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Sachsen Anhalts, Bereich Tourismuswirtschaft, Magdeburg, Wernigerode Architektenkammer Baden-Württemberg (o. J.): Gebäudeplanung als Baustein zum Unternehmenserfolg. Broschüre der Architektenkammer Baden-Württemberg, Stuttgart. 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Uni-Edition, Berlin 126 Bildnachweise Schaubild-1: Hotel Retter, Pöllauberg -|-© Retter Seminar Hotel Bio Restaurant Schaubild-2: Elbphilharmonie, Hamburg-|-© Thomas Fluegge, iStock Schaubild-3: BMW Welt, München-|-© Gregobagel, iStock Schaubild-4: Guggenheim-Museum, Bilbao-|-© LucVi, iStock Schaubild-5: Phaneo, Wolfsburg-|-© audit, fotolia.com Schaubild-6: Innenansicht 7132 Therme Vals und Haupteingang des 7132-Hotels in Vals | © 7132 Hotel, Vals Schaubild-7: Zeche Zollverein, Essen-|-© PattySia, fotolia.com Schaubild-8: Hotel in ehemaligem Gefängnis, Katajanokka-Hotel, Helsinki-|- © Katajanokka-Hotel, Helsinki Schaubild-9: Kreuzfahrtterminal, Recife, Pernambuco, Brasilien -|-© mtcurado, iStock Schaubild-10: Mercedes-Benz Museum, Stuttgart-| Daimler AG Schaubild-11: Marinapark Scharmützelsee, Wendisch Rietz, Bad Saarow-| Marc Bernot Schaubild-12: MS Europa 2, Hapag Lloyd Cruises-|- © Hapag-Lloyd Cruises Schaubild-13: Architektur in Vorarlberg, Haus Ganahl |-© Schallert Wüst Architekten ZT Schaubild-14: Bodega Ysios, Guardia, Álava -|-© Pernod Ricard Bodegas Schaubild-15: Rote-Info-Box, Berlin |-© Jörg Hampel Photodesign Schaubild-16: Place du Tertre, Montmartre, Paris |-© dennisvdw, istock Schaubild-17: LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg.|-© Anette Hudemann, LWL-Industriemuseum Schaubild-18: Schloss, Disneyland Anaheim-|-© Disneyland Resort Anaheim Schaubild-19: Schloss Ludwigsburg mit barockem Garten-|-© santosha57, fotolia.com Schaubild-20: Canary Wharf mit O2-Arena im Vordergrund, London-| © Victor Moussa, fotolia.com Schaubild-21: Hof im Kalch, Tramin, Südtirol-|-© Hof im Kalch Schaubild-22: Hausboote in Groningen, Niederlande-|-© Creative_Nature_nl, iStock 127 A 3D-Animationen 68 Abgleich 49 Abnutzungseffekt 93 Agrotourism 118 Aktionsraum 100 Alpen 118 Alvar-Aalto-Kulturhaus 54 Architekt, Berufsverband 88 Architektenkammer 16, 88 Architektenleistung 74 Architektenverträge 75 architektonische Semantik 46 ArchitekTour 20, 90, 88, 100 Architektur, Anspruchsniveau 58 Architekturgestaltung 49, 57 Architektur, gute 50 Architekturkritik 109 Architektur macht Schule 88 Architekturpsychologie 35, 50 Architektur, spektakuläre 45, 105 Architekturtheorie 17 Architekturtourismus 24, 54 Architektur, USP 76, 98 ARGE Baukultur 20 Assoziation 28, 49 Aufenthaltsqualität 64 Authentizität 37 Authentizität des Schauplatzes 103 autofreier Ort 80 Autostadt 54, 55 B Bäderarchitektur 29 banale Orte, Aufwertung 107 Barockgärten 112 Bauhaus 90 Bauherr 73 Baukosten 69 Baukultur 19, 22, 102 Bauleitplanung 99 Baustellentourismus 66, 94, 95, 96 Bauwerksform 102 Besucher, Lenkung und Steuerung 107 Bilbao-Effekt 52 BMW Welt 47 Bodega Ysios 92 Building-Information-Management (BIM) 32, 36 Bundesarchitektenkammer 27 Burgen 103 C Calatrava, Santiago 83 Canary Wharf 113, 114 Center Parcs 112 Choreographie 107 Ciudad de las Artes de les Ciencias, Valencia 83 Coop Himmelb(l)au 46 Corporate Architecture 41, 81, 82, 83, 85, 113 Corporate Design 58, 81 Index G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 128 Corporate Identity 24, 81 Corporate Image 15 Crossover-Projekte 66 Crowding 116 D Dekodierung 49 Denkweise des Ingenieurs bzw. Architekten 26 Design-Hotel 82 Destination 35, 46, 47, 54, 57, 60, 71, 82, 89, 98, 99, 100, 107 Destination, Gewinne und Vorteile 60 Dichtephänomene 116 Disneyland 105, 109, 110, 112 Disneylandeffekt 35 Disney, Walt 109 Docklands, London 113 Dramaturgie 107 dritte Haut 48 E Effekthascherei 105 Einkaufscenter 106 Elbphilharmonie 17, 18 Endmaße 22 Ensemble 64 Entgeographisierung 109 Entlastung von Landschaftsräumen 116 Erlebnisökonomie 106 Event 107 Eventberater 95 Experimental Prototyp Community of Tomorrow (EPCOT) 109 F Fachexkursion 88 Fachwerkbau 102 Facility-Management (FM) 32, 36 Farbpsychologie 49 Förderbescheid 69 Freiraumgestaltung 116 Fußball-WM 52 G Gästequote 72 Gastronomie 77 Gastronomie, am Ufer 120 Gefängnis 65 Gehry, Frank O. 46, 52, 83 Geschäftstourismus 55 Gesetzgeber 74 Gestaltungsfragen 74 Gesundheitstourismus 78 Gewinne und Vorteile für den Besucher 60 Gewinne und Vorteile für die Destination 60 Gliederung 25 Goethe, Johann Wolfgang von 39 Grandhotel 57 Groningen 121 Grundlagenforschung 34 Guggenheim-Museum, Bilbao 46, 52, 83 H Hadid, Zaha 46 Handwerk 19 Hapag Lloyd Cruises 87 Hausboote 120, 121 Haus Ganahl 89 I NDEX 129 Henrichenburg 104 Hof im Kalch 117 Honorarordnung (HOAI) 75 Hotelanlage 57 Hotelarchitekt 15 Hotelarchitektur 29 Hotel Retter 14 I Identität des Ortes 115 Illumination 98 Illusionswelten 112 Image 29, 43, 46, 47, 66, 116 Innenarchitektur 83 Inneneinrichtung 16 Innovation 42 Inszenierung 43, 91, 95, 96, 98, 100, 105, 106, 107, 108 Inwertsetzung 64 K Katajanokka-Hotel 65 Kaufkraft 64 Kleidung 48 Klimawandel 116 Kommunalpolitik 71, 99 Kongresstourismus 77 Konstruktionsfragen 74 Kontext 41 Konzeptphase 45 Kostenberechnung 69 Kreuzfahrtschiff 78, 86 Kreuzfahrtterminal 78, 79 Kulisse 43, 98, 100, 112 Kulturtourismus 24 Kunstwelten 112 Kurzreisen 100 L ländlicher Raum 115, 119 ländlicher Tourismus 118 Landschaftsarchitektur 116 Landschaftsbeeinträchtigung 115 Landschaftsentlastung 118 Landschaftsschutz 116 Landschaftszerstörung 116 Las Vegas 108 Lebensqualität 64 Lenkung und Steuerung, Besucher 107 Letter of Intent (LOI) 16 Licht 98 Ludwigsburg 111 Luxustourismus 116 LWL-Industriemuseum Schiffshebewerk Henrichenburg 104 M Marinapark Scharmützelsee 85 Marketing 81 Marketingfaktor 61 Marktdifferenzierung 61 Massentourismus 37, 57 Maßnahmenbeginn 69 Materialien, örtliche 41 Mercedes-Benz Museum 84 Merchandising 96, 107 Messetourismus 77 Mindmap 25 Modernen Architektur 23 Montmartre 101 MS Europa 2 87 Museumsarchitektur 83 G RUNDWISSEN T OURISMUSARCHITEKTUR 130 N Nachahmung 42 nachhaltige Entwicklung 17 Nachhaltigkeit 42 Neubauprojekte 73 Neu-Inwertsetzung 26, 66 New Urbanism 109 Nutzeffekte 42 O O2-Arena 114 Ökolabel 118 Ökotourismus 118 Olivetti 24 Olympische Spiele 39 Ordnungskriterien 50 Ortsbindung 50 Ortsidentität 50 Ostsee 116 Outlet 106 P Pflichtenheft 68 Phaeno 54, 56 Place du Tertre 101 Planspiel 69 Planungsgespräche 74 Planungsgrundlagen 67 Planungsphase 16 pla‘tou 57, 58, 61, 67, 105 Plattform Kultur & Tourismus 20 Positionsbestimmung 35 Poststationen (historisch) 57 Premarketing 94 Promenade 98 Q Qualitätssignal 82 Qualitätstourismus 91 R Raumstruktur 50 Raumsymbolik 50 Realisierungsphase 16 Recife 79 Regierungsviertel, Berlin 96 Reisejournalismus 34 Reputation 54 Retter, Herrmann 11 Ringstraße, Wien 91 Romeiß-Stracke, Felizitas 106 Rote-Info-Box 94, 97 Route der Industriekultur, Ruhrgebiet 103 S Sachsen-Anhalt 90 sanfte Lösungen 119 Schiffshebewerk 104 Schlösser 103 Schloss Ludwigsburg 111 Schlüsselreize 49 Seebäder 112 Seebühne 77 Seminartourismus 77 Siedlungsdichte 102 Simulationen 68 Snow-Domes 112 Speicherstadt, Hamburg 113 Stadtentwicklung 70, 78, 99 Städtereisen 100 Städtetourismus 29, 77 Stadtplanung 31, 33, 70, 71, 98, 109 I NDEX 131 Standort 71, 72 Standortfaktor 43 Stararchitekten 46, 106 Stil 48 Storytelling 103, 113 Straße der Romanik 90 Struktur der Umgebung 73 Symbiose aus Architektur und Tourismus 98 T Tagungstourismus 77 Technikgeschichte 103 Themenpark 109 Thermalbäder 112 Tourismusarchitektur 23, 62, 70, 86 Tourismusarchitektur, auf dem Land 119 Tourismusarchitektur, schwimmende 120 Tourismusentwicklung 31 Tourismusmarketing 33, 59 Tourismussoziologie 35 Tourismuswissenschaft 38 Tramin 117 U Überlagerung 46 Umbauprojekte 73 Umweltrecht 99 Unverfälschtheit 108 V Vals, 7132 Hotel und Therme 60 Vandalismus 50 Verfälschung 37 Verkehrsmodelle, Innenstädte 78 Verkitschung 108 Virtruv 17 Vorarlberg 19, 89 Vorarlberger Architektur Institut 20 Vorlaufsphase 16 W Wahrnehmungstheorie 35, 48 Wahrnehmung von Architektur 49 Wallis 60 Warm-kalt-Kontrast 49 Wasser 77, 98, 119 Waterfront-Projekte 119 Weintourismus 58, 91, 116 weiße Industrie 119 Weiterbildung 34 Wellnesstourismus 78 Weltausstellung 112 Wien 90 Wintersporttourismus 118 Win-win-Situation 40, 45, 62 Wirtschaftsministerium 31 Wölfflin, Heinrich 50 Wolfsburg 54 Wörlitzer Park, Dessau 112 Y Ysios 92 Z Zeche Zollverein 63 Zivilisation 49 Zumthor, Peter 60 Zusammenspiel 45 www.uvk.de Vom geografischen Ort zur Marke Christoph Engl Destination Branding von der Geografie zur Bedeutung 2016, 312 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-725-0 Nur wenn Destinationen ihre Marke gekonnt aufbauen und diese langfristig gezielt managen, gehen sie nicht im globalen Wettbewerb unter und erzielen nachhaltig Spitzenleistungen. Dieses Buch verrät Ihnen zehn wirkungsvolle Grundrezepte des erfolgreichen Markenmanagements für Destinationen. Es beantwortet zudem die Frage, womit Destinationen ihre Attraktivität aufbauen können und wie wichtig dies für die Markenbildung ist. Auch auf die Bedeutung eines exzellenten Wahrnehmungsmanagements geht das Buch ein und zeigt schließlich eindrucksvoll, wo und wie die Kraft der Marke in der Destination und darüber hinaus wirkt. Ein Buch für Destinationsmanager, Wirtschaftsförderer, politische Entscheider und Brancheninteressierte.
