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Finanzierung und Investition

1204
2017
978-3-8385-4907-1
UTB 
Wilhelm Schmeisser
Dieter Krimphove
Horst Zündorf
Marc Toebe
Gerfried Hannemann

In diesem Lehrbuch finden Sie kompaktes, aktuelles Basiswissen über: Finanzierungsgrundlagen und Kapitalmärkte, Investitionsmethoden, Unternehmenswertanalyse, Innen-, Beteiligungs- und Kreditfinanzierung, Internationales Finanzmanagement. Das Lehrbuch bietet einen verständlichen Einstieg und ermöglicht, den Inhalt von aufbauenden Spezialveranstaltungen wie Finanzierung, Bankbetriebswirtschaftslehre und Risikomanagement in den Gesamtzusammenhang der Betriebswirtschaftslehre einzuordnen. Das Werk beinhaltet Merksätze, Definitionen und Boxen sowie zahlreiche Tabellen und Abbildungen machen Fakten deutlich. Mit einem umfangreichen Glossar eignet es sich ideal zur Prüfungsvorbereitung.

Schmeisser | Hannemann Krimphove | Toebe | Zündorf Finanzierung und Investition 2. Auflage Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas.wuv · Wien Wilhelm Fink · München A. Francke Verlag · Tübingen und Basel Haupt Verlag · Bern · Stuttgart · Wien Julius Klinkhardt Verlagsbuchhandlung · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Nomos Verlagsgesellschaft · Baden-Baden Ernst Reinhardt Verlag · München · Basel Ferdinand Schöningh · Paderborn · München · Wien · Zürich Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen · Bristol vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich 3672 Schmeisser_Titelei.indd 1 09.02.12 11: 58 3672 Schmeisser_Titelei.indd 2 09.02.12 11: 58 Wilhelm Schmeisser Gerfried Hannemann Dieter Krimphove Marc Toebe Horst Zündorf Finanzierung und Investition 2 ., v erbesser te Auflage UVK Verlagsgesellschaft mbH · Konstanz mit UVK/ Lucius · München Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. UTB-Band-Nr. 3672 ISBN 978-3-8 385 - 4907 - 1 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlagsgesellschaft mbH, Konstanz und München 201 8 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de 5 Vorwort Das Einführungsbuch „Finanzierung und Investition“ möchte Grundlage und / oder Begleitbuch zu einer entsprechenden Veranstaltung an Hochschulen und Universitäten sein. Es werden deshalb Fachausdrücke, Methoden und Instrumente in einen theoretischen Zusammenhang gestellt. Mithilfe eines ersten Theorieverständnisses soll der Studierende verstehen, dass unterschiedliche Finanzierungsziele, betriebliche Erfolgsmodelle auch zu differierenden Methoden führen. Das Lehrbuch „Finanzierung und Investition“ will des Weiteren den Studierenden die Argumentationsbreite des Faches vermitteln. Zu jedem Kapitel gibt es deshalb am Anfang zahlreiche Problemstellungen zur Orientierung sowie Fragen, Aufgaben und Literaturhinweise am Ende des Kapitels. Ausführliche Lösungen zu den Fragen, Aufgaben, Glossar und Zusatzinformationen können beim Verlag über das Internet abgefragt werden. Mit dem ersten Kapitel erhält jede(r) Student / in einen Überblick über die Finanzierungstheorien. Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen zur Finanzmathematik und den dynamischen Investitionsrechnungen gelegt. Im dritten Kapital werden mit der Finanzanalyse unterschiedliche Unternehmensbewertungsmodelle vorgestellt und mittels der Innenfinanzierung (Kapitel IV) deren Datenbasis aus dem Jahresabschluss ermittelt. Die Beteiligungs- und Kreditfinanzierung geben danach einen umfassenden Überblick über weitere Finanzierungsmöglichkeiten einer Unternehmung. Hier lernt der Student, wie enorm wichtig es für ihn / ihr ist das Wirtschaftsrecht in den Kapiteln V und VI zu verstehen und einzuordnen. Das Internationale Finanzmanagement (Kapitel VII) ist aufgrund der internationalen und globalen Wirtschaft und nicht zuletzt durch die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise unumgänglich geworden. Berlin, Cottbus, Hamburg, Nürnberg, Paderborn, April 2012 Die Verfasser 7 I n h a l t Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 1 Finanzierungstheorien und deren terminologische Grundlagen zur Finanzierung und Investition . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.1 Traditionelle Finanzierungslehre und Finanzierungstheorie: Eine güterwirtschaftlich geprägte Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.1 Grundidee und Grundbegriffe zur Investition und Finanzierung aus der Sicht der traditionellen Finanzierungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1.2 Zentrale Inhalte der traditionellen Finanzierungstheorie: Finanzierungsformen und Finanzplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.1.3 Finanzierungsziele und Finanzierungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1.1.4 Finanzplanung respektive Cash-Management . . . . . . . . . . . . . . . . 20 1.2 Kapitalmarkttheorien als „investitionsorientierte“ Betriebswirtschaftslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.1 Unternehmen als Instrument den Unternehmenswert maximierender Wirtschaftssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1.2.2 Investoren und Kapitalgeber als Zielträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.2.3 Bewertung von Geldströmen in Form der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1.2.4 Lösungen der Bewertungsproblematik aus kapitalmarktorientierter Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1.3 Neo-institutionalistische Perspektiven der Kapitalmarkttheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2 Investitionsentscheidung unter vollständiger Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.1 Notwendigkeit von Investitionsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.2 Terminologische Grundlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2.1.2.1 Investition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 8 I n h a l t 2.1.2.2 Investitionsprojekte und Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.1.2.3 Merkmale von Investitionsrechnungen bzw. -verfahren . . . . . . 31 2.1.2.4 Investitionsverfahren unter Sicherheit und unter Risiko . . . . . 33 2.1.2.5 Statische und Dynamische Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . 34 2.2 Statische Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 2.2.1 Methodische Prämissen der statischen Investitionsverfahren und Datengrundlagen aus dem Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.1.1 Methodische Prämissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2.2.1.2 Datengrundlagen aus dem Controlling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2.2.2 Statische Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.2.1 Überblick über die statischen Investitionsverfahren in Tabellenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.2.2 Kostenvergleichsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2.2.2.3 Vorteile und Grenzen statischer Investitionsverfahren . . . . . . . 41 2.3 Finanzmathematische Grundlagen unter der Verwendung der finanzmathematischen Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.3.1 Einfache Zinsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2.3.2 Zinseszinsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.3 Rentenrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2.3.4 Tilgungsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2.3.4.1 Tilgung einer gesamtfälligen Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.3.4.2 Tilgung einer Ratenschuld - Ratentilgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 2.3.4.3 Tilgung einer Annuitätenschuld - Annuitätentilgung . . . . . . . 49 2.3.5 Finanzmathematischen Tabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 2.4 Dynamische Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2.4.1 Methodische Prämissen der dynamischen Investitionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2.4.1.1 Überblick über die dynamischen Investitionsverfahren in Tabellenform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.4.1.2 Kapitalwertmethoden bei Einzelinvestition und deren Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2.4.1.3 Kapitalendwertmethoden bei Einzelinvestition . . . . . . . . . . . . . . 72 2.4.2 Ausblick: Von der Barwertmethode zu Methoden der Unternehmensbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 2.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 3 Strategische Bilanzanalyse als Instrument zur Beurteilung der Unternehmenswertentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.1 Ziele und Grenzen der Unternehmensanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3.1.1 Ziele der Unternehmensanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 9 I n h a l t 3.1.2 Grenzen der Unternehmensanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3.2 Strategische Bilanzanalyse und Unternehmenswert . . . . . . . . . . 85 3.3 Marktbasierte Performanceanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.3.1 Aktien-Performanceanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 3.3.2 Analyse der Markterwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.3.2.1 Überrenditeerwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 3.3.2.2 Wachstumserwartung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 3.4 Werttreiberanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3.5 Strategische Ressourcenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 3.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 4 Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.1 Bedeutung der Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.2 Quellen der Innenfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.2.2 Der Cashflow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 4.3 Operativer Cashflow . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 4.3.1 Zum Cashflow aus unternehmerischer Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . 102 4.3.2 Cashflow-Optimierung durch Working-Capital-Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 4.4 Selbstfinanzierung aus dem operativen Cashflow . . . . . . . . . . . . 106 4.4.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.4.2 Gewinnthesaurierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4.4.3 Finanzierung aus ausschüttungsgesperrten Beträgen . . . . . . . . . 107 4.4.3.1 Finanzierung aus Abschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.4.3.2 Finanzierung aus Rückstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.5 Selbstfinanzierung aus Desinvestitionen (Investiver Cash-In-Flow) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 4.6 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 5 Zur Beteiligungsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 5.1 Ökonomische Interessen der Beteiligungsfinanzierung . . . . . . 113 5.2 Zur Beteiligungsfinanzierung in den einzelnen Gesellschaftsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.2.1 Zur offenen Handelsgesellschaft (OHG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 5.2.2 Zur Kommanditgesellschaft (KG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 5.2.3 Zur GmbH & Co. KG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 5.2.4 Gesellschaft mitbeschränkter Haftung (GmbH) . . . . . . . . . . . . . . . 117 10 I n h a l t 5.2.5 Zu Unternehmergesellschaft (UG) (haftungsbeschränkt) . . . . . 119 5.2.6 Zur Aktiengesellschaft (AG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 5.2.7 Zur Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.2.8 Zur Eingetragenen Genossenschaft (eG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.2.9 Zur stillen Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 5.3 Neue Entwicklungen des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 5.4 Zur indirekten Beteiligungsfinanzierung durch Finanzierungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 5.4.1 Zu Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBG) . . . . . . . . . . 127 5.4.2 Zu Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 5.4.3 Zu Investmentgesellschaften (InvestG) / Kapitalanlagegesellschaften / Fondsgesellschaften . . . . . . . . . . . . 129 5.4.4 Zu Investment-Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 5.5 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 6 Kreditfinanzierung durch Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . 140 6.1 Finanzierungstechnische Bedeutung von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 6.1.1 Zur Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 6.1.2 Zum Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 6.1.3 Zur Finanzierungsfunktion von Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . 145 6.2 Zur Bedeutung von Kreditsicherheiten im Recht . . . . . . . . . . . . . 147 6.2.1 Grundlagen des Kreditsicherungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.2.1.1 Zum Grundgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 6.2.1.2 Zur Akzessorietät / Verbindung von Forderung und Sicherungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.2.1.3 Zur Sicherungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 6.2.1.4 Zu gesetzlichen Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2.1.5 Zum jeweiligen Sicherungsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 6.2.1.6 Persönliche und dingliche Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.3 Persönliche Sicherungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 6.3.1 Zur Bürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.3.1.1 Wichtige Vorschriften: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 6.3.1.2 Zur Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 6.3.2 Zum Kreditauftrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 6.3.3 Zum Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.3.4 Zur Schuld(mit)übernahme oder der so genannte Schuldbeitritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 6.3.5 Zur Schuldübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 6.4 Zu dinglichen Kreditsicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1 1 I n h a l t 6.4.1 Zum Pfandrecht an beweglichen Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.4.1.1 Wichtige Vorschriften: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.4.1.2 Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 6.4.2 Zur Sicherungsübereignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 6.4.2.1 Zum Anwartschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 6.4.2.2 Zur Weiterveräußerung des Sicherungsgegenstandes . . . . . . . . 167 6.4.3 Zum Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6.4.4 Wirtschaftliche Probleme des Eigentumsvorbehaltes . . . . . . . . 168 6.4.4.1 Verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt . . . . . . . . . . . 169 6.4.4.2 Verarbeitungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 6.4.5 Zu Grundpfandrechte (Hypothek und Grundschuld) . . . . . . . . . 170 6.4.5.1 Zur Hypothek . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 6.4.5.2 Zur Grundschuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 6.4.5.3 Sicherungswert von Hypothek und Grundschuld . . . . . . . . . . . . 172 7 Internationales Finanzmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 7.1 Finanzierungsaktivitäten international tätiger Unternehmen und internationale Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . 180 7.1.1 Aufgaben des internationalen Finanzmanagement . . . . . . . . . . 181 7.1.1.1 Besonderheiten des internationalen Finanzmanagement . . . . 181 7.1.1.2 Finanzierungsaktivitäten international tätiger Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 7.1.2 Internationale Finanzmärkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.1.2.1 Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 7.1.2.2 Internationale Geld-, Kapital- und Kreditmärkte . . . . . . . . . . . . . . 192 7.1.2.3 Internationale Devisenmärkte und Devisenhandel . . . . . . . . . . . 194 7.2 Finanzwirtschaftliche Risiken - Wechselkursrisiko . . . . . . . . . . 199 7.2.1 Grundsätzliches zum Wechselkursrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 7.2.2 Instrumente zur Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 7.2.3 Instrumente für den Schutz vor dem Debitorenrisiko im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 7.3 Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 7.3.1 Aufgaben des Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 7.3.2 Instrumente beim Cash Management . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 7.4 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 12 Finanzierungstheorien und deren terminologische Grundlagen zur Finanzierung und Investition 1 | 1.1 Traditionelle Finanzierungslehre und Finanzierungstheorie: Eine güterwirtschaftlich geprägte Perspektive 1.2 Kapitalmarkttheorien als „investitionsorientierte“ Betriebswirtschaftslehre 1.3 Neo-institutionalistische Perspektiven der Kapitalmarkttheorie Inhalt ▶ Sie sollen unterschiedliche Finanzierungs- und Investitionsdefinitionen, Finanzierungsziele, Finanzierungsarten, Methoden sowie Instrumente der Investition und Finanzierung aus dem Verständnis der Finanzierungstheorien entwickeln können und verstehen. ▶ Sie sollen verstehen, dass sich die Finanzierungstheorien aus einem unterschiedlichen, methodischen Grundverständnis der Betriebswirtschaft entwickelt haben. Jede Finanzierungstheorie hat zu ihrem modellartigen Grundverständnis ein „Erfolgsmodell“ wie das „Industrieunternehmen“ oder die „Börse“ zu Grunde gelegt, um daraus Grundbegriffe der Investition und Finanzierung, Instrumente sowie Fragestellungen abzuleiten. Trotzdem verwischen sich manchmal die Grenzen zwischen den Theorien. ▶ Dieses Kapitel stützt sich auf theoretische Überlegungen zur Investitionstheorie und Finanzierung von Schmidt / Terberger sowie Schäfer, die vertiefend zu diesem Kapitel nachgelesen werden können und sollten (vgl. zum Schluss des Kapitels die Literaturhinweise). ▶ Sie sollen erkennen, dass die Finanzmathematik und die dynamische Investitionstheorie als Grundlagen für die Kapitalmarkttheorie und die wertorientierten Unternehmensbewertungsmodelle dienen. Aber auch die derivativen Instrumente Übersicht ▼ 13 t r a d I t I o n e l l e F I n a n z I e r u n g s l e h r e u n d F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e wie Optionen und Futures sind kapitalmarktorientiert geregelt bzw. gehen vom empirischen Markterfolgsmodell der Börse aus (vgl. das zweite, dritte Kapitel und siebente Kapitel im Buch). ▶ Sie sollen die Kapitel Innenfinanzierung und Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung dagegen mehr der traditionellen Finanzierungslehre und der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie zuordnen können. Traditionelle Finanzierungslehre und Finanzierungstheorie: Eine güterwirtschaftlich geprägte Perspektive Industrietriebe bzw. Unternehmen werden in einer Marktwirtschaft zur Erstellung von Gütern, d. h. von Produkten und Dienstleistungen benötigt. Die menschlichen Bedürfnisse werden durch Bedarfe der Konsumenten in Form der Nachfrage nach Massengütern an den Gütermarkt gemeldet, so dass eine größtmögliche Bedürfnisbefriedigung der Konsumenten erreicht wird. Die Konsumenten können ihre Bedürfnisse und ihren Bedarf nach diesen Gütern durch ihre monetäre Nachfrage befriedigen. Grundidee und Grundbegriffe zur Investition und Finanzierung aus der Sicht der traditionellen Finanzierungslehre Die Betriebswirtschaft versteht sich seit über 110 Jahren als selbständige wirtschaftswissenschaftliche Disziplin. Zum einen leitet sie sich aus der Volkswirtschaft ab, zum anderen will sie ihre eigenständige wissenschaftliche und methodische Vorgehensweise aus der betriebswirtschaftlichen Empirie nachweisen. Vor über 150 Jahren sind die empirischen, betriebswirtschaftlichen Erfolgsmodelle, Industriebetriebe, in Gestalt von z. B. Siemens, Mercedes-Benz, Krupp, Thyssen und Bayer entstanden. Diese versorgen die Wirtschaft mit Massenprodukten und dienen ihr damit. Daher liegt es nahe, dass beim Erfolgsmodell „Industriebetrieb“ die leistungswirtschaftliche Sphäre als Ausgangspunkt der betriebswirtschaftlichen Betrachtung gewählt wird, hier insbesondere die Produktion, die die Wirtschaft mit Massenprodukten versorgen kann. Da die Unternehmen bestrebt sind, sich ihre wirtschaftlichen Handlungen in der Beschaffung, Produktion und im Absatz monetär abstrakt transparent zu machen, fällt diese Aufgabe dem Rechnungswesen zu. Nach dem Modellansatz der traditionellen Finanzierungslehre wird das Rechnungswesen durch die „Finanzwirtschaftlichen Sphäre“ wiedergegeben, also durch die Buchhaltung und die Bilanz, die Kosten- und Leistungsrechnung sowie die Investitions- und die Finanzrechnungen. Wenn die Produktion in Industriebetrieb die Massenproduktion von Gütern garantiert, dann muss dort permanent investiert werden, aber ▲ | 1.1 | 1.1.1 Permanent investieren 14 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n auch in den Beschaffungs- und Absatzbereich sowie in die Verwaltung. Die traditionelle Finanzierungslehre, die von der Leistungssphäre des Industriebetriebes ausgeht, wählt somit die Investition als Ausgangspunkt ihrer Betrachtung und fragt nach dem Kapitalbedarf eines Industriebetriebes, den dieser zur Massenproduktion benötigt. Die Finanzierung ist für die traditionelle Finanzierungslehre die Frage nach der Kapitaldeckung. Zentrale finanzwirtschaftliche Problemfelder der traditionellen Finanzierungslehre ist deshalb die Frage, wie die Unternehmung den Kapitalbedarf (Investition) und die Kapitaldeckung (Finanzierung) in ein Gleichgewicht bringen kann und wie die zukünftigen Auszahlungen und Einzahlungen mittels einer Finanzplanung (Cash-Management) zur Wahrung des finanziellen Gleichgewichts (Liquidität) beitragen können. Die finanziellen Ein- und Auszahlungsströme, die zwischen dem Unternehmen, den Beschaffungsmärkten, Absatzmärkten, Kapitalmärkten und dem Staat anfallen, können als notwendige Voraussetzungen für den betrieblichen Leistungsvollzug angesehen werden. Damit lässt sich ein Industriebetrieb als Idealbetrieb bzw. Modellbetrieb der Betriebswirtschaft in eine Leistungs- und eine Finanzsphäre unterteilen (Abb. 1.1). Endprodukte bzw. Massenprodukte auf Absatzmärkten bilden einen modellmäßigen Ausgangspunkt aller weiterer betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Man kann sich diesen güterwirtschaftlichen Leistungsprozess als einen Massenstrom von z. B. Autos vorstellen, der von den Beschaffungsmärkten über die Leistungsbereiche Beschaffung, Produktion versorgt wird, und die fertigen Autos, die auf den Absatzmärkten gegen Einzahlungsströme verkauft werden. Der Einzahlungsbzw. Umsatzstrom fließt in die Finanzsphäre zurück, und damit dem Güterstrom der Autos entgegen. Die Einzahlungsströme fließen dann als Auszahlungsströme in die Beschaffungsmärkte für Produktionsfaktoren (Material, Hilfsstoffe, Betriebsstoffe, Investitionen, Personal etc.), weiter in den Produktionskreislauf, um wieder Güter / Autos zu produzieren. Der Geld- / Finanzstrom stellt somit das Korrelat zum Güterstrom des Industrieunternehmens dar. Obwohl man dem Güterstrom zum theoretischen Ausgangspunkt gewählt hat bzw. der „Realwirtschaft“ die Vorrangstellung zugewiesen hat, ähnlich wie in der klassischen Volkswirtschaftslehre, beginnt der Zahlungsstrom nicht sofort zu fließen. In der Regel sind als erste Auszahlungen Gründungsinvestitionen für die Beschaffung von Produktionsfaktoren im Zeit- Nach traditionellem Finanzierungsverständnis, das sehr buchhalterisch orientiert ist, wird in die Aktivseite der Bilanz investiert, d . h . in das Anlage- und Umlaufvermögen, und diese Investitionen bestimmen den Kapitalbedarf der Unternehmung Die Finanzierung bzw . die Kapitaldeckung des Kapitalbedarfs findet man auf der Passivseite der Bilanz, als Bestandskonten des Eigenkapitals und des Fremdkapitals (Verbindlichkeiten) Merksatz ▼ Gründungsinvestitionen 15 t r a d I t I o n e l l e F I n a n z I e r u n g s l e h r e u n d F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e punkt t 0 des Gründungsunternehmens zu tätigen und das entsprechende Gründungskapital (Kapitalbeschaffungsproblem) zur Verfügung zu stellen, um den „Motor“ der Güter- und Geldströme im Industriebetrieb in Gang zu setzen. Anders formuliert, da zwischen der Beschaffung und dem Absatz eine gewisse Zeitspanne der leistungswirtschaftlichen Güterproduktion liegt, können die Auszahlungen nicht durch Einzahlungen aus dem Absatz der produzierten Güter gedeckt werden. Um diese Zeitspanne erstmalig finanziell zu überbrücken, benötigt das Unternehmen zunächst am Unternehmensgründungsanfang andere Einzahlungsströme, die sich nicht aus den Umsätzen ergeben, sondern in Form von Eigenkapital und / oder Fremdkapital je nach Unternehmensrechtsform, dem Unternehmen zugeführt werden müssen (vgl. Kapitel VI: Einlage- und Beteiligungsfinanzierung). Die Deckung des Kapitalbedarfs für Investitionen in das Anlage- und Umlaufvermögen des Industrieunternehmens ist das erste finanzwirtschaftliche Problem, das die traditionelle Finanzierungslehre zu lösen hat. Der Kapitalbedarf wird maßgeblich durch die Produktion, aber auch durch die Beschaffung von Produktionsfaktoren, durch die Rationalisierung und Automation der Logistik(Fließfertigung / Fließband) und den Absatzerfordernissen(Absatzwege und -kanäle) vorgegeben. Es ist die Aufgabe des Unternehmens zu produzieren, um den Bedarf der Haushalte zu decken. Das Produktions- und Absatzprogramm und die Zahlungsmodalitäten bestimmen den Investitionsumfang. Aus der Investitionsnotwendigkeit ergibt sich der Finanzierungs- und Kapitalbedarf. Eine zweite zentrale Aufgabe der traditionellen Finanzierungstheorie stellt das Liquiditätspostulat dar. Eine Illiquidität ergibt sich aus der Stockung oder Unterbrechung der Zahlungsströme. Soll ein Konkurs bzw. eine Insolvenz ( s iehe Glossar) eines Industrieunternehmens vermieden werden, | Abb . 1 1 Güterstrom und Geldstrom Quelle: Schmidt / Terberger, 1997, S. 13 Güterstrom Geldstrom Einzahlungen Auszahlungen Einzahlung Auszahlung Kapitalmarkt Beschaffung Lagerung Produktion Lagerung Absatz Absatzmärkte für produzierte Güter Beschaffungsmärkte für Produktionsfaktoren Investitionen finanzieren 16 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n dürfen keine Zahlungsstromstörungen auftreten, die den güterwirtschaftlichen Herstellungsprozess verhindern oder unterbrechen könnten. Gelingt es dem Unternehmen erst einmal, die benötigten (Start-)Einzahlungen von den Kapitalgebern zu beschaffen, so beginnt der Güterstrom der Massenproduktion zu fließen. Erst wenn die ersten Güter / Autos abgesetzt werden, erhält die Unternehmung Einzahlungen. Da für die Finanzierung Zins- und Tilgungszahlungen an die Fremdkapitalgeber geleistet werden müssen, kann der Einzahlungsstrom, der z. B. aus dem Verkauf von Autos ins Unternehmen hereinfliest, nicht in voller Höhe zur Wiederbeschaffung von Produktionsfaktoren auf den Beschaffungsmärkten verwendet werden. Es ist rechtlich notwendig, dass die Unternehmung den Zins- und Tilgungszahlungen an die Gläubiger nachkommt, da eine Zahlungsunfähigkeit (Illiquidität ) zur Einleitung eines Insolvenzverfahrens und das wiederum zur Auflösung des Unternehmens führen kann. Dann könnte das Unternehmen die Erfüllung seines Sachziels nicht mehr verwirklichen. Nach dieser obigen Definition wäre die Liquidität schon dann gewahrt, wenn ein Unternehmen Bestände aus dem Anlage- oder Umlaufvermögen veräußert, um z. B. die Forderungen seiner Gläubiger zu decken. Die unmittelbare Insolvenzgefahr für das Unternehmen wäre damit kurzfristig behoben, jedoch müsste der Produktionsprozess aufgrund der Notverkäufe von betriebsnotwendigem Vermögen wahrscheinlich eingestellt werden. Die formale Definition der Liquidität als Finanzierungsziel legt also nicht fest, wodurch Ein- und Auszahlungen ausgelöst werden dürfen und ist somit nicht umfassend bzw. hinreichend genug für praktische Erfordernisse definiert. Folglich wird sie um verbale Definitionen ergänzt, die ein finanzielles Gleichgewicht / Liquiditätsziel im engeren Sinne und im weiteren Sinne unterscheiden. Die Liquiditätsforderung im engeren Sinne beinhaltet, dass die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens zu jedem Zeitpunkt gewährleistet sein muss. Das Liquiditätspostulat im weiteren Sinne ist gewahrt, wenn die absolute Zahlungsfähigkeit erfüllt werden kann, ohne dass der güterwirtschaftliche Prozess eingeschränkt oder verhindert wird. Zentrale Inhalte der traditionellen Finanzierungstheorie: Finanzierungsformen und Finanzplanung Der Finanzbereich hat nach traditioneller Sicht zwei Fragen zu beantworten: ▶ Wie kann der Kapitalbedarf gedeckt werden bzw. welche Formen der Einlage- und Beteiligungsfinanzierung sowie der Kreditfinanzierung stehen der Unternehmung zur Verfügung? Liquiditätsziel Die formale Definition des Liquiditätsziels lautet demnach, dass die Einzahlungen zu jedem Zeitpunkt gleich oder größer den Auszahlungen sind plus den Kassenbestand Definition ▼ 1.1.2 | Liquiditätspostulat 17 t r a d I t I o n e l l e F I n a n z I e r u n g s l e h r e u n d F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e ▶ Wann muss Kapital beschafft werden und wo und wann treten Finanzierungslücken oder Liquiditätsengpässe im Industrieunternehmen auf, die geschlossen oder überbrückt werden müssen, um das Liquiditätsziel, aber auch das Rentabilitätsziel und damit die Erfüllung der Güterproduktion der Unternehmung nicht zu gefährden? Die erste Frage lässt sich dadurch beantworten, dass man nach den Finanzierungsquellen fragt. Ein Schwerpunkt der Finanzierung beinhaltet deshalb die Systematisierung und Beschreibung der Finanzierungsformen (Vgl . die Kapitel Innenfinanzierung, Kreditfinanzierung und Einlagen- / Beteiligungsfinanzierung). Die Antwort auf die zweite Frage ergibt sich, wenn man sich mit der aktuellen und den zukünftigen Liquiditätssituation(en) eines Unternehmens prognostisch bzw. zukunftsorientiert mittels einer Finanzplanung auseinandersetzt. Dazu gehört die Informationsbeschaffung über Ein- und Auszahlungsströme, über Zahlungsverpflichtungen und -notwendigkeiten sowie über die finanziellen Potenziale (Kreditlinien) des Unternehmens. Wie man eine geeignete Finanzierungsalternativen systematisch auswählt (z. B. mit einem Kapitalwert), erfährt in der traditionellen Finanzierungstheorie eine untergeordnete Bedeutung. Aus der Sicht der traditionellen Finanzierungstheorie ist es nur wichtig, dass die Finanzierungslücken überhaupt geschlossen werden können; zu welchem Preis (Zinssatz bei der Kreditaufnahme) und weiteren Kreditbedingungen, ist zweitrangig. Finanzierungsziele und Finanzierungsformen Finanzierungsziele, die nach traditioneller Finanzierungslehre erreicht werden sollen, sind die Rentabilität, der Return on Investment, das Liquiditätsziel in Form des finanziellen Gleichgewichts, die Unabhängigkeit des Unternehmens von Kapitalgebern, das Sicherheitsziel der Kapitalerhaltung bzw. die Risikominimierung bei der Investitionspolitik sowie das Substanzbzw. Kapitalerhaltungsziel durch die Innenfinanzierung. Die Systematisierung der Finanzierungsformen geht auf Karl Hax zurück. Die Finanzierungsformen können wie folgt unterteilt werden (Quelle: in Anlehnung an Schmidt / Terberger, 1997, S. 19): (1) Außenfinanzierung ▶ Eigenkapitalfinanzierung oder Beteiligungsfinanzierung im weiteren Sinne ● Eigenfinanzierung: Beschaffung von Eigenkapital von bisherigen Gesellschaftern ● Beteiligungsfinanzierung im engeren Sinne: Beschaffung von Eigenkapital von neuen Gesellschaftern ▶ Kreditfinanzierung | 1.1.3 18 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n ▶ Zwischenformen zwischen. Beteiligungs- und Kreditfinanzierung (Mezzanine Finanzierung) (2) Innenfinanzierung ( s iehe Glossar) ▶ Finanzierung aus dem Umsatzerlös ● Finanzierung aus Abschreibungen ● Finanzierung aus (Pensions-)Rückstellungen ● Finanzierung durch Einbehaltung von Gewinn (Selbstfinanzierung) ▶ Finanzierung durch Vermögensumschichtung Um den Geldstrom z. B. bei der Gründungsunternehmung aus Finanzsicht in Bewegung zu setzen, gibt es zwei Möglichkeiten. Das Unternehmen wendet sich entweder an den Kapitalmarkt, auf dem die Kapitalgeber ihre Finanzierungsmittel als Beteiligungskapital oder Kredit anbieten, oder es gelingt dem Unternehmen aus eigener Kraft, mithilfe interner Finanzierungsmittel (Eigenkapital) den Leistungsstrom im Industriebetrieb zum Fließen zu bringen. Bei der Außenfinanzierung lassen sich Eigenkapitalgeber und Fremdkapitalgeber unterscheiden. Eigen- und Fremdkapitalgeber haben völlig andere Ansprüche an das Unternehmen als Investoren, wie dies die folgende Tab. 1.1 auflistet: Eigenkapitalgeber erwerben mit einer Einlage oder Beteiligung am Unternehmen eine (Teil-)Eigentümerposition. Der daraus entstandene Teilanspruch entspricht dem Verhältnis der geleisteten Beteiligung zur Gesamthöhe des Eigenkapitals (Quotenanspruch bzw. eine Aktie ist ein Teilhaberpapier). Das Gehalt des Eigentümers ist an den Erfolg / Gewinn bzw. Misserfolg / Verlust des Unternehmens geknüpft. Erwirtschaftet das Unternehmen Gewinne, so ist der Eigentümer seinem Anteil entsprechend am Gewinn zu beteiligen. Erwirtschaftet das Unternehmen Verluste, so gehen diese zu Lasten der Eigentümer bzw. sein Eigenkapitalrespektive Gesellschafterkonto wird reduziert. Haftet der Eigentümer als Gesellschafter einer GmbH oder Eigenkapital versus Fremdkapital Eigenkapital Fremdkapital Anspruch Quotenanspruch Nominalanspruch Entlohnung erfolgsabhängig erfolgsunabhängig Haftung beschränkt oder unbeschränkt keine Befristung unbefristet befristet Leitungsbefugnis per se gegeben nicht vorhanden Quelle: in Anlehnung an Schmidt / Terberger, 1997, S. 20. Charakteristika von Eigen- und Fremdkapital Tab . 1 1 | 19 t r a d I t I o n e l l e F I n a n z I e r u n g s l e h r e u n d F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e Aktionär einer Aktiengesellschaft beschränkt, so muss er die Verluste nur so lange mittragen, bis sein eingebrachtes Eigenkapital aufgezehrt bzw. abgebucht ist. Haftet er in einer Personengesellschaft ( s iehe Glossar) unbeschränkt und solidarisch für andere Gesellschafter, dann muss er darüber hinaus mit seinem Privatvermögen für Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens aufkommen. Beteiligt sich ein Eigenkapitalgeber an einem Unternehmen, so stellt er sein Kapital dem Industriebetrieb theoretisch unbefristet zur Verfügung. Das eingegangene Beteiligungs- und Finanzierungsverhältnis endet erst, wenn sich das Unternehmen auflöst, das Beteiligungsverhältnis aufgekündigt wird (Personengesellschaft) oder die Beteiligung an der Kapitalgesellschaft ( s iehe Glossar) veräußert wird (Aktien werden verkauft). Die Position des Fremdkapitalgebers steht in völligem Gegensatz zur Eigenkapitalgeberposition. Der Fremdkapitalgeber erwirbt mit der Bereitstellung seiner Kreditmittel den Anspruch auf Rückzahlung des Nominalwertes des bereitgestellten Kredites. Da er die Gläubigerposition im Verhältnis zum Unternehmen einnimmt, ist seine „Entlohnung“ nicht an dem Gewinn oder Verlust des Unternehmens geknüpft, dafür erhält er einen vereinbarten Zins. Da er sein (Fremd-)Kapital in Form eines Kredites nur befristet dem Unternehmen zur Verfügung stellt, hat er stets Anspruch auf fristgerechte Rückzahlung eines Teils oder des gesamten Kapitals. Die Insolvenz ist der einzige Ausnahmefall, bei dem der Fremdkapitalgeber am Misserfolg des Unternehmens beteiligt wird. Auch die Innenfinanzierung lässt sich in Teilaspekten unterteilen. Es gilt zunächst der Grundsatz, dass eine Innenfinanzierung ohne Umsatz nicht möglich ist . Dabei muss es dem Unternehmen gelingen, durch den Absatz produzierter Güter finanzielle Überschüsse (Cashflows) zu erwirtschaften. Eine weitere Einnahmequelle der Innenfinanzierung stellt die Finanzierung durch Vermögensumschichtung dar. Buchhalterisch bedeutet dies einen bilanziellen Aktivtausch von Vermögensgegenständen vorzunehmen. Das Unternehmen veräußert dabei Vermögensgüter, die nicht mehr benötigt werden, und erhält Zahlungsmittel auf die Konten Kasse und / oder Bank. Es kann dann die „flüssigen Mittel“ wieder in den Produktionsbereich investieren. Mit Hilfe der Jahresabschlussanalyse - auch Finanzanalyse genannt (siehe dazu Kapitel III) - kann sich der Investor ein buchhalterisches Bild über die Vermögens-, Finanz- und Erfolgslage der Unternehmung machen. Der Investor kann sich aber auch ein Bild über den Wert des Unternehmens mit Hilfe der Substanzunternehmensbewertung machen, und zwar immer dann, wenn investitionstheoretisch fundierte, prognostizierte Zukunftserfolgswerte (Cashflows) nicht vorliegen. Unter Substanzwert versteht man den buchhalterischen Unternehmenswert eines Unternehmens. Der Unternehmenswert ist damit die Summe Keine Innenfinanzierung ohne Umsatz Der Unternehmenswert 20 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n aller auf der Aktivseite der Bilanz aufgeführten einzeln bewerteten Vermögensteile. Das Substanzwertverfahren geht von der Fiktion aus, man könnte das bewertete Unternehmen identisch nachbauen. Dabei werden aktuelle Wertansätze der Vermögenswerte im Sinne der heutigen oder zukünftigen Reproduktionskosten-Zeitwerte angestrebt. Finanzplanung respektive Cash-Management Um der Forderung des Liquiditätspostulats gerecht zu werden, bedarf es eines Instruments, das drohende Liquiditätsengpässe erkennen und somit verhindern hilft wie das Cash-Management (vgl. Kapitel VII), indem man beispielsweise umgehend Sanierungsmaßnahmen einleitet, um eine Insolvenz zu verhindern. In der Finanzwirtschaftslehre wurden statische Kennzahlen zur Liquidität im Rahmen der Bilanzanalyse bzw. Finanzanalyse entwickelt, die das Verhältnis der Deckung von Verbindlichkeiten durch Vermögensbestandteile angeben wie die Liquiditäts- und Anlagedeckungsgrade. Durch diese Kennzahlen lassen sich bestimmte Finanzierungsregeln zur kurzfristigen und langfristigen Liquiditätswahrung ableiten, z. B. dass ein Unternehmen kurzfristiges Umlaufvermögen durch kurzfristige Verbindlichkeiten finanzieren soll und Anlagevermögen durch Eigen- und / oder langfristiges Fremdkapital gedeckt werden soll („Goldene Bilanz- und Finanzierungsregeln“). Ein Instrument, das die Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens in der Zukunft beurteilt kann, ist die Finanz- oder Liquiditätsplanung. Man geht dabei vom täglichen Liquiditätsstatus aus, der die tagesaktuellen Finanzmittelbestände, insbesondere die Einzahlungsströme, den fälligen Auszahlungen, insbesondere Verbindlichkeiten, gegenüberstellt. Damit Liquiditätsengpässe nicht erst am Tag ihres Auftretens bemerkt werden, muss der tägliche Liquiditätsstatus durch den kurz-, mittel- und langfristigen rollenden Finanz- oder Liquiditätsplan ermittelt werden. Diese Finanzplanungsrechnungen können für die nahe Zukunft die absehbaren Ein- und Auszahlungen sowie Zahlungslücken wie Zahlungsüberschüsse prognostizieren. Eine Planung für die Zukunft ist zwar immer mit Unsicherheiten belastet, dennoch kann die Finanzplanung vor voraussichtlichen Liquiditätsengpässen frühzeitig warnen und es kann demnach rechtzeitig gegengesteuert werden, wenn man frühzeitig in Kredit-Verhandlungen mit Fremdkapitalgebern oder Eigenkapitalgebern eintritt. 1.1.4 | Die goldenen Regeln 21 K a p I ta l m a r K t t h e o r I e n a l s „ I n v e s t I t I o n s o r I e n t I e rt e “ B e t r I e B s w I rt s c h a F t s l e h r e Kapitalmarkttheorien als „investitionsorientierte“ Betriebswirtschaftslehre Unternehmen als Instrument den Unternehmenswert maximierender Wirtschaftssubjekte Die kapitalmarktorientierte Finanzierungstheorie soll Entscheidungshilfen geben, unter welchen Bedingungen sich das Investieren und Finanzieren in Gütern auf den Kapitalmarkt (Idealmarkt: Börse) lohnt. Damit verändert sich die Sichtweise auf das Instrument Unternehmen für den Investor grundlegend. Die Industrieunternehmung dient nicht mehr dem allgemeinen Wohl der Gesellschaft und Volkswirtschaft zur massenhaften Güterherstellung, sondern wird als „Instrument“ der Erreichung der formalen Ziele seiner Zielträger verstanden. Daraus leitet sich ab, dass Personen und Wirtschaftssubjekte als Zielträger bzw . Investor betrachtet werden, die das Unternehmen als Instrument zur eigenen Zielerreichung einsetzen. Nach der Annahme der entscheidungsorientierten Betriebswirtschaftslehre verfolgen Wirtschaftssubjekte überwiegend eigene, subjektive Interessen und Ziele, z. B. die Innenfinanzierung durch die Kennzahl Cashflow zu maximieren bzw. den Unternehmenswert zu maximieren. Die Zielsetzung der Cashflowmaximierung ist im Sinne einer Hypothese des Kritischen Rationalismus sehr allgemein gehalten, da die Randbedingungen bzw. Spezifikationen der Theorie(n) fehlen. Popper und Schanz sprechen hier von einem Modellplatonismus, weil diese mathematischen Modellkonstruktionen keinen empirischen Falsifikationstest unterzogen werden können, da die Kapitalmarkttheorie weder eine Richtung des angestrebten Sachziels des Wirtschaftssubjektes angibt (z. B. ein gegebenes Güterziel zu produzieren oder ein Innovationsziel zu implementieren), noch den zu erreichenden formalen Zielerreichungsgrad für das Wirtschaftssubjekt (Cashflow oder EBIT) beschreibt. Daraus folgt, dass das Prinzip der Cashflowmaximierung und die Möglichkeit der Anwendung dieses Prinzips auf jede Entscheidungssituation eines Unternehmens bzw. Wirtschaftssubjekts denkbar sind und weitere Realitäten nicht ins Kalkül gezogen werden. Es ist jedoch zu beachten, dass es sich bei dieser Zielsetzung lediglich um ein Ziel eines mathematischen Modells handelt und dass das Verhalten eines Wirtschaftssubjekts in der Realität anders aussieht oder „irrational“ sein kann. Diese nicht gegebenen Rationalisierungsannahmen werden leider zu oft bei der Anwendung der kapitalmarktorientierten Investitions- und Finanzierungstheorie vergessen bzw. durch Axiome „wegdefiniert“. | 1.2 | 1.2.1 Dieses Ziel kann man auch als das Streben nach einer wertorientierten Cashflow-Maximierung des Unternehmenswertes bzw . des Shareholder-Values des Eigenkapitals definieren (vgl . DCF-Unternehmensbewertungsmethoden, vgl . Kapitel II und IV) . Definition ▼ Unterschiedliche Zielsetzungen 22 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n Investoren und Kapitalgeber als Zielträger Zur Vereinfachung des kapitalmarktorientierten Modells der modernen Investitions- und Finanzierungstheorie konzentriert sich der Fokus der Zielträger oft lediglich auf zwei dieser Personengruppen. Diese lassen sich in Investoren und Kapitalgeber zusammenfassen und ermöglichen das mathematische Zielmaximierungsprinzip im Modell. Unter den Zielträgern fallen die Eigenkapitalgeber, die Fremdkapitalgeber sowie das Management eines Unternehmens ins Gewicht. In der Theorie wird dazu u. a. das Prinzipal- Agent-Problem diskutiert, um damit die empirische Wirklichkeit widerzuspiegeln, dass die Ziele des Managements von den Zielen der Investoren abweichen. Bewertung von Geldströmen in Form der Unternehmensbewertung Die Discounted Cashflow-Methode ist die klassische Unternehmensbewertungsmethode der kapitalmarktorientierten Finanzierungstheorie. Investitions- und Finanzierungsentscheidungen werden bei der DCF- Methode als Auslöser interpretiert, die die Veränderungen von Geld- und Finanzströmen auslösen und damit eine Unternehmensbewertung substantiell beeinflussen können. Um sich dieser obigen Aussage theoretisch weiter zu nähern, müssen zuerst die terminologischen Grundlagen einer kapitalmarktorientierten Perspektive der Investition und der Finanzierung geklärt werden. „Eine Investition ist eine Zahlungsreihe, die in der Regel mit einer Auszahlung beginnt, auf die zu späteren Zeitpunkten (unsichere) Einzahlungen folgen.“ (Schmidt / Terberger, S. 50) Die Auszahlung einer Investition in diesem Zusammenhang kann als ein zeitlicher Einkommensverzicht des Investors interpretiert werden, der hinreichend und notwendig ist, um das zukünftige Einkommen des Investors in Form eines höheren Unternehmenswertes investitionstheoretisch zu erzielen. Diese Erhöhung wird durch die anfallenden, zukünftigen Cashflows in der Finanzplanung / Cash-Management prognostiziert und durch die Unternehmensbewertung, z. B. Discounted Cashflow-Methode, beurteilt. Die Einzahlung entspricht den Krediten und / oder den Einlagen, die Kapitalgeber einem Investor zur Verfügung stellen. Die Folge ist ein Einkommensverzicht des Kapitalgebers. Dieser Wegfall des Einkommensverzichts des Kapitalgebers entspricht dem des Investors. Nach diesen obigen Definitionen ist folgende Schlussfolgerung deduzierbar, dass die Finanzierung das Spiegelbild der Investition Kapitalmarktorientierung 1.2.2 | 1.2.3 | „Eine Finanzierung ist eine Zahlungsreihe, die mit einer Einzahlung beginnt, auf die zu späteren Zeitpunkten (unsichere) Auszahlungen folgen “ (Schmidt / Terberger, S . 50) Definition ▼ 23 K a p I ta l m a r K t t h e o r I e n a l s „ I n v e s t I t I o n s o r I e n t I e rt e “ B e t r I e B s w I rt s c h a F t s l e h r e ist und umgekehrt. Dies impliziert eine gewisse Gleichartigkeit von Finanzierung und Investition. Das zu lösende theoretische Problem der Kapitaltheorie besteht nun nur noch in der Bewertung der Zahlungsströme, beispielsweise der Cashflows. Zentrale Fragen, die danach beantwortet werden müssen, sind die folgenden: Wird durch eine Investitions- oder Finanzierungsentscheidung der Cashflow erhöht? Welche Kombination von Investitions- und Finanzierungsmaßnahmen lässt den am höchsten bewerteten Cashflow erwarten? Mit der Lösung dieser dynamischen Investitionsprobleme befasst sich die kapitalmarktorientierte Finanzierungs- und Investitionstheorie. Diese kann allerdings nur, finanzmathematisch betrachtet, theoretische Teillösungen anbieten, was nicht zuletzt an der Komplexität der Bewertung von Ein- und Auszahlungs-Zahlungsströmen, aber auch an den unterschiedlichen Unternehmensbewertungsmodellen liegt. Entscheidend sind die drei investitions- und finanzorientierte Problemdimensionen der Kapitalmarkttheorie, nämlich die Breite / Höhe, zeitliche Struktur sowie Unsicherheit einer Zahlungsreihe bzw. einer Cashflows-Zahlungsreihe. Die Bewertung des Cashflows mit einem Zinssatz hängt oftmals von den strategischen Zielen der Entscheidungsträger ab. Hierbei entstehen häufig Zielbzw. Interessenkonflikte z. B. wegen des Prinzipal-Agent-Konflikts. Lösungen der Bewertungsproblematik aus kapitalmarktorientierter Sicht Die kapitalmarktorientierte Finanzierungstheorie hat für das Prinzipal- Agent-Problem eine Ideallösung entwickelt, und zwar in der Gestalt von Aktienoptionsprogrammen, die das Management anhalten sollen, sich wie Unternehmer bzw. Investoren zu verhalten. Dadurch ist es für ein Unternehmen möglich, sein investives und finanzielles Handeln mit Zahlungsströmen auf einem Markt - dem Kapitalmarkt / Börseatomistisch zu gestalten, nämlich genau so wie dies die Mikroökonomie vorsieht. Dieses finanzielle Handeln des Unternehmens am Kapitalmarkt ist dadurch charakterisiert, dass heutige Zahlungsströme gegen zukünftige getauscht bzw. gehandelt werden können. Jede Art von Fremdfinanzierung (Kredite, Darlehen, Hypotheken, Anleihen, Obligationen usw.) oder der Kauf von Aktien, Währungen, Gold, Optionen und Futures stehen für einen solchen Handel (vgl. Kapitel VII). Wie in mathematischen Modellen üblich (Optionspreistheorie), müssen gewisse Vereinfachungen mittels Prämissen vorgenommen werden, um die Komplexität des Kapitalmarktes zu verringern und um rechenfähig zu werden. In diesem Fall geht man von der Prämisse der Existenz eines vollständigen und vollkommenen Marktes aus, wie er aus der mikroökonomischen Theorie bekannt ist. Kennzeichnend für diesen Kapitalmarkt ist, dass für einen Die Kapitalmarkttheorie Aktienoptionsprogramme als Ideallösung Der vollkommene Markt | 1.2.4 24 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n gegebenen Preis jeder Zahlungsstrom, unabhängig von der Breite / Höhe, zeitlichen Struktur und Unsicherheit, gekauft oder verkauft werden kann. Der Preis (Zinssatz, Kapitalzinsfuß) ist für jeden Marktteilnehmer (Käufer / Verkäufer) gleich und kann durch niemanden (Hedgefonds) beeinflusst werden. Unter diesen kapitalmarkttheoretischen Prämissen entsteht eine Einigkeit bei der Zielfindung und Zielsetzung bei den Investoren. Der Grund hierfür liegt z. B. in dem gemeinsamen Ziel der marktorientierten Maximierung des Unternehmenswertes. Durch diese mathematischen Modell-Vereinfachungen ist eine Art objektive Lösung des Bewertungsproblems möglich. Unterstellt man entscheidungsorientiert sichere Erwartungen von Zukunftswerten bzw. Cashflows, bleibt als einziges zu lösendes investitionstheoretisches Problem lediglich die zeitliche Ein-Perioden-Struktur des Modells übrig. Diesem zeitlichen Problem wird finanzmathematisch durch Auf- und Abzinsen der unsicheren Zahlungsströme bzw. Cashflows über mehrere Perioden begegnet. Damit wird der „empirisch hinterfragbare Versuch“ unternommen, unsichere Ein- und Auszahlungszahlungsströme der Unternehmung, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Cash-Management anfallen sollen, vergleichbar zu machen. Die kapitalmarktorientierte Investitions- und Finanztheorie wurde stetig modellartig weiter entwickelt. Dazu kann man z. B. die unterschiedlichen Unternehmensbewertungsmodelle zählen. Mit jedem Unternehmensbewertungsmodell wurde die Hoffnung genährt, der „empirischen“ Realität schrittweise näher zu kommen. Beispielsweise wurden Unsicherheitsgrade bei Investitionsentscheidungen durch weitere Modellerweiterungen zu überwinden versucht. Die Entwicklung des Capital Asset Pricing Modell (CAPM) kann derartig interpretiert werden. Aber mit den unterschiedlichen Bewertungsmodellen wurde der effiziente und effektive Mythos der Kapitalmarkttheorie eher fortgeschrieben als kritisch im Sinne des Kritischen Rationalismus überprüft. Neo-institutionalistische Perspektiven der Kapitalmarkttheorie Die neo-institutionalistische Finanztheorie hat ihren Ursprung in der eingeschränkten rechtlichen und informatorischen empirischen Falsifikation der kapitalmarktorientierten Finanzierungstheorie nach Popper. Sie ist auf der einen Seite eine konsequente Weiterentwicklung der Kapitalmarkttheorie, da sie nun den Blickwinkel auf die Realität richtet und versucht, die auftretenden empirischen Finanzierungsprobleme in der Theorie zu berücksich- CAPM 1.3 | 25 n e o - I n s t I t u t I o n a l I s t I s c h e p e r s p e K t I v e n d e r K a p I t a l m a r K t t h e o r I e tigen. Die Prämissen des Modellplatonismus des vollständigen und vollkommenen mathematischen Kapitalmarkts werden immer mehr aufgegeben. Man könnte auch sagen, die dogmatische Überzeugung, dass der Markt, in diesem Fall der Kapitalmarkt, ein unübertreffliches Instrument ist, das alle Investitions- und Finanzierungsprobleme von selbst löse, ist ein Mythos, da man vergessen hat, dass hier ein Modell als Wirklichkeit ausgegeben wird. Die betriebswirtschaftliche Wirklichkeit, in der wir leben, wird durch Gesetze, Verträge mit Kreditsicherheiten, Ratings usw. geprägt und durch Schutzorganisationen wie Banken, Versicherungen, Aufsichtsbehörden und Gerichten geregelt, den sogenannten „Institutionen“. Finanzprobleme wie die Kreditaufnahme durch Unternehmen kann man nicht dem Kapitalmarkt überlassen, sondern z. B. nur den Banken. Es wird von Investoren und Managern vermutet, aber auch empirisch belegt, dass diese Akteure am Kapitalmarkt zielgerichtet versuchen den uninformierten Marktpartner zu hintergehen und nur ihre eigenen Vorteile bei Finanztransaktionen zu verfolgen. Niemand würde ohne die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin ) Versicherungen oder Banken das eigene Geld überlassen, wenn er nicht überzeugt wäre, dass zumindest die Finanzaufsicht (BaFin) begrenzt in der Lage ist, vorbeugend kriminelle Machenschaften von Institutionen zu verhindern bzw. diese nachträglich aufzudecken und zu verfolgen. Schließlich vertrauen wir auch dem TÜV mit seiner Produktprüfung, wenn wir unbedenklich Elektrogeräte bedienen und in zugelassene Autos für den Straßenverkehr steigen und damit fahren. Die anstehenden und entstehenden finanzierungspolitischen Unternehmensbewertungsprobleme werden nunmehr als Wahlbzw. Bewertungsprobleme von Institutionen bzw . der institutionellen Gestaltung von Regeln, z . B . von Wirtschaftsprüfern nach IAS-Standards, angesehen und interpretiert. Der Ausgangspunkt der Überlegungen der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie ist die Folgen eines unvollkommenen und unvollständigen Kapitalmarkts. Eine der unvermeidlichen Konsequenzen unvollständiger Kapitalmärkte sieht man in der asymmetrischen Informationsverteilung der Marktteilnehmer. D. h., dass wirtschaftliches Wissen begrenzt ist und nicht „Jedem“ zu jedem Zeitpunkt umfassend zur Verfügung steht, z. B. alle Kreditkonditionen zur Kreditfinanzierung, selbst wenn diese entscheidungsorientiert notwendig sind. Daraus entstehen Anreize zu opportunistischen Verhaltensweisen von Bankmanagern gegenüber den Eigentümern von Unternehmen oder nicht informierten oder schlecht informierten Marktpartnern am Kapitalmarkt, die je nach Umfang und Art einer investiven oder finanziellen Transaktion weitreichende Folgen für diesen Marktteilnehmer nach sich ziehen können. Dies ist der Fall, wenn Mängel an den Gütern oder Unternehmen bzw. Risiken durch Käufer oder Verkäufer bei Finanzinnovationen unterschlagen und zum eigenen finanziellen Vorteil BaFin Der unvollkommene Markt 26 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n verwendet werden. In diesem Zusammenhang spricht man in der Theorie von „moral hazard“, dem moralischen Risiko, und versteht hierunter, dass nicht alle potenzielle Risiken in rechtlichen (Finanz-)Verträgen vorbeugend geregelt werden können. Auf dieser Grundlage von Institutionen und Gesetzen versucht die neoinstitutionalistische Finanztheorie dem sogenannten „Lemon Problem“ von fraglichen Finanztransaktionen entgegenzuwirken. Eine Problemstellung der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie ist die Analyse von (wirksamen) Schutzmechanismen, die dem Abbau von Informationsasymmetrien dient sowie der Vermeidung von Anreizen zu opportunistischem Handeln von Finanzmarktteilnehmern. In der Theorie wird z. B. das Prinzipal-Agent-Problem ausführlich diskutiert und mit Hilfe des Corporate Governance-Ansatzes einer „Finanzorientierten Personalwirtschaft“ zu beseitigen versucht. Zum Abstellen von negativen Auswirkungen des Kapitalmarktes werden (Finanz-)Institutionen gegründet und / oder institutionelle juristische Regeln bzw. Gesetze entwickelt (vgl. das Kapitel Einlagen- und Beteiligungsfinanzierung). Exemplarisch für Finanzinstitute stehen Kreditinstitute und Börsen, aber auch der Deutsche Corporate Governance-Kodex, Compliance Regelungen, Ratings oder die Finanzorientierte Personalwirtschaft, die den Principal-Agent-Konflikt bei der Entgeltfindung mit Aktienoptionsprogrammen thematisiert. Weitere Beispiele für institutionelle Regelungen stellen das Insolvenzrecht, Vorschriften zur Rechnungslegung nach IFRS und US-GAAP dar oder die Kreditsicherheiten bei der Kreditfinanzierung. Ein Aspekt, der durch diese Eingriffe in das Marktgeschehen nicht unbeachtet bleiben darf, sind die Transaktionskosten. Diese fallen unmittelbar und in unterschiedlichsten Ausprägungen bei dem Abbau von Informations- Anreizproblemen an. Gleichzeitig werden aber auch die Grenzen der neo-institutionellen Finanztheorie aufgezeigt, da diese Theorie eine scheinbar unendliche Komplexität in der Property-Right-Theory in sich birgt. Die neo-institutionalistische Finanztheorie bietet keinesfalls eindeutige Lösungen bei Investitions- und Finanzierungsauswahlproblemen an. Ein Lösungsverfahren beispielsweise zur strategischen, wertorientierten Unternehmensbewertung im Sinne der neo-institutionalistischen Finanzierungstheorie ist das EVA-Verfahren (Economic Value Added), ( s iehe Glossar) eine Methode, die die langfristigen Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen für eine Innovation in der Investitionsbetrachtung berücksichtigt. Economic Value Added (EVA) ist demnach das Unternehmensergebnis minus Kapitalkosten. Moralisches Risiko 27 n e o - I n s t I t u t I o n a l I s t I s c h e p e r s p e K t I v e n d e r K a p I t a l m a r K t t h e o r I e Finanzierungstheorien und -modelle Moderne Investitions- und Finanzierungstheorie Traditionelle Finanzierungslehre Kapitalmarktorientierte Sicht Neo-Institutionalistische Sicht Güterwirtschaftlich geprägte Betrachtungsweise „Finanzierung als Hilfsfunktion“ Kapitalmarktorientierte Betrachtungsweise des vollständigen und vollkommenen Marktes „Lohnt die Investition und Finanzierung“ Unvollkommener und unvollständiger Markt mit Zukunft „Informations-, Anreiz- und Risikoproblem“ Zentrale finanzwirtschaftliche Probleme 1. Deckung des Kapitalbedarfs 2. Wahrung des „finanziellen Gleichgewichts Unternehmen als Instrument nutzenmaximierender Wirtschaftssubjekte Kapitalmarkt, Kapitalwert und Zins als Schlüsselbegriffe Zentrale Probleme 1. Informations- und Anreizprobleme als Ursache für Funktionsschwächen des (Kapital-)Marktes 2. Institutionelle Ausgestaltung von Finanzierungsbeziehungen als Instrument zur Minderung von Informations- und Anreizproblemen Zentrale Inhalte 1. Finanzierungsformen: a) Systematisierung und Charakterisierung b) Systematisierung pro Lebenszyklusabschnitt 2. Liquiditätsstatus und Liquiditätsplanung 3. Optimale Gestaltung der Finanzierung Zentrale Inhalte 1. Vollkommener und vollständiger Kapitalmarkt als Ausweg aus dem Dilemma präferenzabhängiger Bewertung 2. Irrelevanz der Finanzierung: Schlussfolgerung und Angriffspunkt der kapitalmarktorientierten Sicht Zentrale Inhalte 1. Aktienoptionsprogramme zur Lösung des Principal-Agent-Problems 2. Corporate-Governance als (Gesamt-) Lösungsvorschlag 3. Finanzorientierte Personalwirtschaft und Cash-Management zur Prognose von Humankapital (Immaterielle Werte) „Buchwert“ Unternehmensbewertung als Substanzbewertung „Marktwert“ DCF-Verfahren als Unternehmensbewertungsmodelle „Marktwert“ EVA-Verfahren und CVA-Verfahren als strategische Unternehmensbewertungsmodelle unter Berücksichtigung von immateriellen Werten | Abb 1 .2 Finanzierungstheorien und ausgewählte Unternehmensbewertungsmethoden 1 Schildern Sie drei Ihnen bekannte Finanzierungstheorien: a) Welche Ausgangsbetrachtungen wählen Sie? b) Welche zentralen Finanzierungs- und Investitionsprobleme lösen sie? c) Welche finanzwirtschaftlichen und investitionstheoretischen Problemstellungen werden von den einzelnen Finanzierungstheorien vernachlässigt? 2 Welche typischen Unternehmensbewertungsmodelle, Investitionsmethoden und Finanzierungsinstrumente werden in den einzelnen Finanzierungstheorien bevorzugt angewendet? Fragen ▼ ▲ 28 F I n a n z I e r u n g s t h e o r I e n P oPPer , K. r. (1976): Logik der Forschung, 6. Auflage Tübingen S chäfer , h. (2002): Unternehmensfinanzen. Heidelberg: Physica-Verlag, 2. Überarbeitete und erweiterte Auflage. (vgl. Bitte lesen Sie das erste Kapitel) S chanz , G. (1975): Einführung in die Methodologie der Betriebswirtschaft. Köln S chmeiSSer , W. (2010): Corporate Finance und Risk Management. München: Oldenbourg Wisschenschaftsverlag. S chmidt , r.; t erberGer , e. (1997): Grundsätze der Investitions- und Finanzierungstheorie. Wiesbaden: Gabler, 4. Aktualisierte Auflage. (Das Einführungskapitel beruht schwerpunktmäßig auf die ersten beiden Kapitel dieses Buches.) Literatur 1.4 | 29 Investitionsentscheidung unter vollständiger Information In diesem Kapital werden die statischen Investitionsmethoden, die finanzmathematischen Grundlagen sowie die dynamischen Investitionsmethoden vorgestellt, damit Sie lernen, ▶ wie diese Methoden als Investitionsentscheidungskalkül funktionieren und welche Überlegungen hinter diesen Rechenverfahren stehen, ▶ unter welchen impliziten Annahmen und unter welchen Bedingungen ihre Anwendungen zu Entscheidungen führen, ▶ dass die Kapitalwertmethode als allgemeines Grundverfahren zur Unternehmensbewertung dient und der Kapitalzinsfuß als Preis bzw. Kosten der Finanzierung der Investition(en) nach der kapitalmarktorientierten Investitions- und Finanzierungstheorie zu begreifen ist. ▶ Unternehmensbewertungen als aperiodisches, entscheidungsorientiertes Investitionskalkül zur Bewertung und späteren Kauf von Unternehmensteilen oder ganzer Unternehmen zu verstehen sind. 2.1 Grundsätzliches 2.2 Statische Investitionsverfahren 2.3 Finanzmathematische Grundlagen unter der Verwendung der finanzmathematischen Tabellen 2.4 Dynamische Investitionsverfahren Inhalt | 2 Übersicht ▼ ▲ 30 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Grundsätzliches Die finanzmathematischen Grundlagen zu den Investitionsrechnungen und die dynamischen Investitionsrechnungen gehören als „Instrumente“ und methodische „Voraussetzungen“ zum Shareholder-Value Ansatz ( s iehe Glossar) bzw. zu der aperiodischen Unternehmensbewertung. Mit der Unternehmensbewertung will der Investor prüfen, ob er seine Nutzenmaximierung erzielt. Damit gehört dieses Kapital zum kapitalmarktorientierten Investitionsansatz. Notwendigkeit von Investitionsentscheidungen Wirtschaftliche Betätigungen in Unternehmen sind dadurch geprägt, dass das Management permanenten Entscheidungen über Investitionen beschließen muss, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens aufrechtzuerhalten. Investitionen lösen regelmäßig zwei Fragestellungen aus, wenn vorher die Innovationsfrage geklärt wurde: (1) Lohnt sich die Investition? D. h., erhält das Unternehmen sein eingesetztes Kapital zurück, ist eine Mindestverzinsung gesichert und kann evtl. ein zusätzlicher Gewinn erwirtschaftet werden. Diese erste generelle Frage kann unter Umständen aber nur gemeinsam mit zwei weiteren Unterfragen beantwortet werden: (1 a) Wann wird sich diese Investition amortisiert haben? Letzterer Frage ist insbesondere dann entscheidend für die Beurteilung der ersten Frage, wenn eine bestimmte Laufzeit der Investition gegeben ist. Die Frage könnte dann auch lauten: (1 b) Hat sich diese Investition in einer gegebenen Laufzeit amortisiert? Wenn nun aber mehrere, alternative Investitionsobjekte zur Auswahl stehen, die als vorteilhaft angesehen werden könnten, muss noch eine Opportunitätsbetrachtung erfolgen: (2) Welche Investitionsalternative ist die Vorteilhafteste? Verschiedene Investitionsverfahren, die unten betrachtet werden, können dazu beitragen, anstehende Investitionsentscheidungen entscheidungstheoretisch zu begründen und rational transparenter zu machen. Terminologische Grundlegungen Investition Unter einer Investition kann man das Anlegen von Geldmitteln im Unternehmen verstehen. Bilanztechnisch ins Anlage- und Umlaufvermögen. Es wird in Realinvestitionen wie Grundstücke, Gebäude, Produktionsstätten, 2.1 | 2.1.1 | 2.1.2 | 2.1.2.1 | 31 g r u n d s ä t z l I c h e s Maschinen, Logistiksysteme, Waren aber auch in immaterielle Werte wie Patente, Lizenzen, Forschung- und Entwicklung, in Humankapital oder auch in Forderungen, um den Umsatz kurz- und langfristig zu steigern. Investition kann als Tätigkeit oder als Objekt betrachtet werden. Investitionsprojekte und Investitionsverfahren Als Investitionsprojekt bezeichnet man ein Objekt, das durch die Tätigkeit einer Investition erlangt oder erschaffen wird, sei es nun materieller (z. B. Immobilien, Maschinen) oder immaterieller Art (z. B. Software, Patentrechte). Statische und dynamische Investitionsverfahren werden benötigt, um zu entscheiden, wie Investitionsobjekte oder Investitionsprogramme und deren Strategien einzuordnen sind, Finanzierungsbzw. Kreditverträge auf ihre wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit hin zu untersuchen und / oder bei verschiedenen Projektobjekten deren Vorteilhaftigkeit in einer Rangfolge zu bringen. In der Unternehmenskrise, speziell im Sanierungsfall und in der Insolvenz, kann mit Hilfe der Investitionsverfahren die Grundsatzfrage beantwortet werden, ob das Unternehmen fortgeführt oder liquidiert werden soll. Detailfragen, die dann weiter zu diskutieren sind, sind der Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder bei der Einigung außerhalb Verfahrens wie ein Vergleich aussehen könnte oder wie Umschuldungsstrategien bewertet werden sollen. Merkmale von Investitionsrechnungen bzw. -verfahren Die Kapitalwertmethode (net present value = NPV) wird als die grundlegendste Methode zur Beurteilung von Investitionsobjekten, Strategien, Humankapitalbewertungsmodellen und Innovationen und insbesondere der Unternehmensbewertung betrachtet. Bei Unabhängigkeit der Investitionsentscheidung von den Finanzierungsentscheidungen, als Separationstheorem (Fisher-Separationstheorem) bezeichnet, stellt die zentrale Rahmenbedingung der dynamischen Investitionsrechnungsverfahren dar und damit die Shareholder Value-Philosophie von Rappaport. In diesem Fall gilt die Zielvorschrift eines Unternehmens ihren Unternehmenswert zu maximieren. In der Theorie gilt die Unternehmensbewertung als Spezialfall der Investitionsrechnung bzw. der Kapitalwertmethode, d. h. die Ermittlung des Wertes eines Teiles oder einer ganzen Unternehmung ist eine aperiodische Rechnung der Kapitalwertmethode. Probleme stellen bei der Unternehmensbewertung nur die (strategischen) Zukunftserfolge, der Kapitalisierungszinsfuß und die Erfolgsdauer der Unternehmung dar. Einen weiteren Problemfall der Unternehmensbewertung stellen die Start-up-Unternehmen dar, da sie keine Vergangenheit und damit kein Rechnungswesen bzw. keine Bilanzen aufweisen können. | 2.1.2.2 | 2.1.2.3 32 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Maximierung des Marktwerts des Unternehmens Die Kapitalwertmethode ist das Grundinvestitionsverfahren der Unternehmensbewertung (vgl. Rappaport 1986). „In diesem Fall maximieren alle Eigenkapitalgeber bei einem gegebenen Endvermögenswert am Ende eines Planungszeitraums ihr Konsumeinkommen für jede Periode innerhalb eines Planungszeitraums“ (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 92). Die Idee der Kapitalwertmethode ist es, jedes Investitionsobjekt danach zu beurteilen, ob in zukünftigen Perioden mehr Rückflüsse, Einzahlungsströme, Umsätze, Cashflows, EBITs, aus dem Investitionsobjekt erwartet werden können als in das Objekt (Ausgangsinvestition, Auszahlungsströme) investiert werden muss. Dies erfolgt unter Einbezug der Zahlungszeitpunkte und der Kapitalkosten bzw. der Zinseffekte. Merkmale von Investitionsverfahren : (1) Dynamische Investitionsrechenverfahren sind zahlungsstrombasiert, relevant sind somit Einzahlungs- und Auszahlungsströme. So ist beispielsweise die Investitionsanschaffungsauszahlung und nicht deren Abschreibung relevant, der Restverkaufserlös als Einzahlungsstrom und nicht der Restbuchwert des Bestandskontos bzw. der Wert lt. Anlagespiegels im Geschäftsbericht. Trotzdem sind die Einflüsse der Abschreibungen und der Restbuchwerte auf die Steuerzahlung des Unternehmens. Diese Zahlungsorientierung basiert auf Daten der Buchhaltung und erfordert eine genaue Auseinandersetzung mit den Abweichungen der Buchhaltungssätze zwischen den Bestands- und Erfolgskonten und damit zwischen Einzahlungen und Erträgen sowie Auszahlungen und Aufwendungen. Kalkulatorische Größen des Controllings sind nur bei den statischen Investitionsrechnungsverfahren zu beachten. Je nach Investitionsprojekt ist ein zweckmäßiger Cashflow, Free-Cashflow, EBIT zwecks (internationaler) Probleme des Vergleichs notwendig. (2) Bei der Durchführung einer Investitionsrechnung wird jedes Investitionsobjekt anhand eines Finanzplans (siehe Cash-Management) dargestellt, prognostisch analysiert und zu einer Nettozahlungsreihe (Cashflows, EBITS) verdichtet. (3) Zahlungsreihen haben mehrere Dimensionen: Höhe der Ein- und Auszahlungsreihen, Zeitpunkte der Ein- und Auszahlungsreihen, Sicherheit bzw. Risiko der Zahlungen und die Höhe der Kapitalkosten. (4) Der Investitionsplanungszeitraum erstreckt sich über die gesamte Projektlebensdauer, z. B. der Maschinenlebensdauer, des integrierten, innovativen Produktlebenszyklus, des Humankapitallebenszyklus eines Fußballspielers, der Lebensdauer eines Unternehmens etc. Kapitalwertmethode 33 g r u n d s ä t z l I c h e s (5) Alle Zahlungen fallen am Ende einer Periode an. Damit werden Zinseffekte innerhalb einer Periode ausgeblendet. Eine Periode kann ein Tag, eine Woche, ein Monat, ein Quartal, Halbjahre oder Jahre umfassen. (6) Entscheidungszeitpunkt laut Kapitalwertrechenverfahren ist Zeitpunkt Null. Dies ist der Zeitpunkt, in dem die Investitionsauszahlung getätigt wird, und entscheidungstheoretisch-finanzmathematisch der Barwert bzw. Kapitalwert berechnet wird. Investitionsverfahren unter Sicherheit und unter Risiko Investitionsverfahren suchen Antworten auf die sich bezüglich einer möglichen Investition stellenden Fragen, um anschließend eine Investitionsentscheidung treffen zu können. Hier werden ausschließlich Investitionsentscheidung unter Sicherheit betrachtet, d. h. das Unternehmen kann einem Investitionsprojekt z. B. über 10 Jahre Einzahlungs- und Auszahlungsströme zuordnen, das durch die Investitionsentscheidung ausgelöst worden ist. Auch der risikolose Zinssatz und der Risikoaufschlag sind bekannt, usw. und Risiken können nicht auftreten. Dies bedeutet die Zugrundelegung der Annahme, dass zukünftige, die Investition betreffende Zahlungsströme bekannt und damit determiniert sind. Davon zu unterscheiden sind Investitionen unter Risiko, die nicht determinierte Zahlungsströme nach sich ziehen. Solche Zahlungsströme werden in der Regel als stochastische Zufallsgrößen aufgefasst und münden dann in ein stochastisches Investitionsentscheidungsmodell. Zum Ablauf der Kapitalwertmethode unter Sicherheit in vier Schritten : 1 . Schritt: Identifizierung der relevanten Zahlungsströme des Investitionsprojektes, abgeleitet aus den Daten der Buchhaltung und / oder des Controllings / Rechnungswesens: Anschaffungsauszahlung / Investitionssumme und Einzahlungsüberschüsse in den Folgeperioden / Jahren gemessen in Cashflows / EBITs 2 . Schritt: Ermittlung der alternativ erzielbaren Kapitalkosten, und zwar des risikolosen Zinses und des Risikoaufschlags. 3 . Schritt: Berechnung des Barwertes / Kapitalwertes der Einzahlungsüberschüsse (Cashflows, etc.). 4 . Schritt: Vergleich des Bruttokapitalwertes mit der notwendigen Anschaffungsauszahlung. Das Ergebnis ist die Netto-Wertschaffung, der Nettokapitalwert (Net Present Value = NPV) Im Rahmen des Strategischen Managements, des Innovationsmanagements, der langfristigen bzw . strategischen Planung ist es zweckmäßig Perioden als Jahre zu definieren, z . B bei Offshore-Windparkprojekte in der Nordsee Definition ▼ | 2.1.2.4 ▲ 34 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Statische und Dynamische Investitionsverfahren Bei Investitionsverfahren unter Sicherheit wird grundsätzlich zwischen statischen und dynamischen Investitionsverfahren unterschieden. Der Unterschied lässt sich dadurch skizzieren, dass sich erstere Daten zu Nutze machen, die einen Stichtag oder statischen Zeitraum (eine Periode) betreffen, also z. B. Daten aus dem Controlling (Bilanz, G+V, Rechnungswesen, Kostenrechnung). Dagegen ziehen dynamische Verfahren ihren Nährwert aus einer Zeitreihe von veränderlichen Daten, d. h. von statischen Daten verschiedener Perioden. Die Art der Kennziffer, d. h. z. B. ob absolute oder relative Differenz, ob gewichtet oder nicht gewichtet, ist dabei offen gelassen. Der Kauf eines Anlageobjekts als Kapitalanlage steht als Investitionsentscheidung an. Zur weiteren Illustration werden die Modellannahmen so weit simplifiziert, dass die Wesensmerkmale von Investitionsentscheidungen deutlich werden. Es sind grundsätzlich vier Alternativen zu bewerten: ▶ keine Investition ▶ Kapitalanlage ▶ Objektanlage 1 ▶ Objektanlage 2 Abhängig vom Investitionsverfahren ist eine Einbindung der ersten beiden Alternativen nicht immer möglich. Zunächst werden die einfacheren „Statischen Investitionsverfahren“ behandelt. Anschließend werden einige finanzmathematische Grundsätze erläutert, die notwendig sind bzw. die Voraussetzungen bilden, um dann die dynamischen Investitionsverfahren besser verstehen zu können. Statische Investitionsverfahren Charakteristische Merkmale statischer Investitionsverfahren sind: ▶ Einfache Gewinnung der Daten aus dem Rechnungswesen ▶ Einperiodische Betrachtung ▶ Gegenüberstellung von ▶ Kosten und Erlösen bzw. ▶ Auszahlungen und Einzahlungen (Amortisationsrechnung) ▶ Isolierte Betrachtung für jeden Zeitpunkt 2.1.2.5 | Beispiele ▼ ▲ 2.2 | 35 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Statische Investitionsverfahren basieren auf internen oder externen Daten des Rechnungswesens, die unmittelbar aus der Buchhaltung und / oder dem Controlling bzw. der Kosten- und Leistungsrechnung abgeleitet werden können. Methodische Prämissen der statischen Investitionsverfahren und Datengrundlagen aus dem Controlling Methodische Prämissen Die hierfür verwendeten Daten sind statischer Natur, da sie wegen der einperiodigen Betrachtung über die Zeit nicht dynamisiert werden. Sie betreffen stets einen Stichtag oder festen Zeitraum, ohne Veränderungen oder unterschiedliche vom Zeitpunkt abhängige Werte zu berücksichtigen, d. h. es erfolgt auch keine Bewertung in Abhängigkeit der Zeit. Die statischen Methoden werden dabei durch folgende Annahmen unterstützt bzw. ergänzt: (1) Bestimmung des Investitionszeitraumes, d. h. Festlegung der Zeitpunkte von Beginn und Ende der Investition; meist ein Referenzjahr, das als repräsentativ gilt. (2) Ermittlung von statischen Werten einer Periode bzw. Durchschnittswerten ▶ Es werden ausschließlich Durchschnittswerte für die Nutzungsperiode verwendet ▶ Dabei können die Durchschnittwerte (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 30) ● die zu einem statischen Zeitpunkt ermittelten Werte sein, d. h. die Werte unterliegen keiner Veränderung, oder ● Datenwerte die direkt der Buchhaltung und / oder der Kosten- und Leistungsrechnung entnommen sind ▶ es werden Durchschnittswerte durch einfache statistische Verfahren ermittelt (3) Der Zinssatz ist gleich Null ▶ Es wird nur eine Periode berücksichtigt wird, weshalb eine Dynamisierung über den Zinssatz und die Zeit nicht erfolgt. ▶ Die Zeitpunkte des Zahlungsstromes bleiben unberücksichtigt, (4) Durchführung von Vergleichsrechnungen zwischen den zu bewertenden Alternativen ▶ Bei den verschiedenen statischen Verfahren werden Vergleichsrechnungen für alternative Investitionsprojekte durchgeführt, die auf Aufwendungen der Buchhaltung und / oder Kostenarten aus dem Controlling basieren. | 2.2.1 | 2.2.1.1 36 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Datengrundlagen aus dem Controlling Die Daten werden in der Regel aus dem Rechnungswesen entnommen, also z. B. aus der ▶ Bilanz ▶ Gewinn- und Verlustrechnung ▶ Kosten- und Leistungsrechnung ▶ Finanzbuchhaltung Für die Ermittlung von Durchschnittswerten wird zwischen zwei Verfahrensweisen unterschieden: (1) Primitive statistische Verfahren: Unechte Durchschnittswerte sind gleich die Anfangswerte, die jedoch in den Folgeperioden stark differieren können (2) Verbesserte statistische Verfahren: Echte Durchschnittswerte sind z. B. ▶ Werte eines repräsentativen Zeitraums (Geschäftsjahr), oder arithmetische Mittel über die Subperioden (Geschäftsjahre) des gesamten Betrachtungszeitraums Eine Berücksichtigung der Zeitkomponente findet implizit dadurch statt, dass über den Betrachtungszeitraum gleichförmige kalkulatorische Abschreibungen (Wertminderung) und kalkulatorische Finanzierungskosten (Zinsen) angesetzt werden können. Je nach Verfahren gehören zu den zu ermittelten Wertgrößen: Kosten: ▶ Anschaffungs- und Herstellungskosten ▶ Abschreibungen ▶ Finanzierungskosten ▶ Fixkosten ▶ Variable Kosten Ertragsgrößen: ▶ Deckungsbeiträge ▶ Gewinn vor / nach Steuern ▶ Kapitalgrößen, wie ▶ Eigenkapital ▶ Fremdkapital ▶ Relative Kennzahlen: ▶ Rentabilitätsgrößen 2.2.1.2 | Datengewinnung 37 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Statische Investitionsverfahren Überblick über die statischen Investitionsverfahren in Tabellenform Investitionsverfahren Kriterium: Minimierung oder Maximierung Kostenvergleichsrechnung Kosten Gewinnvergleichsrechnung Gewinn Rentabilitätsvergleichsrechnung Rentabilität Statische Amortisationsrechnung Amortisationsdauer Bei den genannten Vergleichsverfahren werden Kennziffern verschiedener zu bewertender Alternativen gegenübergestellt. Der Investitionsalternative mit der günstigsten Kennziffer ist stets der Vorzug zu gewähren Kostenvergleichsrechnung Beim Kostenvergleichsverfahren werden ausschließlich Kosten ins Kalkül gezogen. Dies hat zur Folge, dass Alternativen, wie „keine Investition“ bzw. „Investition ausschließlich am Geldmarkt“, nur bedingt mitbewertet werden können, nämlich nur dann, wenn mit kalkulatorischen Kosten und Opportunitätskosten operiert wird. Verglichen werden grundsätzlich nur die Gesamtkosten, aufgrund dessen dann auch die alternativen Entscheidungen zur Vorteilhaftigkeit (Minimiere die Gesamtkosten) zu fällen sind. Kosten der Kostenvergleichsrechnung Charakteristisch ist die stark isolierte Betrachtung der Kostensituation der einzelnen Objekte. Die zu vergleichenden Gesamtkosten können dargestellt werden als ▶ Periodenkosten (z. B. jährliche Gesamtkosten) oder ▶ Stückkosten Dabei können die Gesamtkosten folgendermaßen gegliedert werden: ▶ Nach Kostenarten und Kostengruppen, d. h. grundsätzlich ▶ nach Betriebskosten und Kapitalkosten, oder alternativ ▶ nach fixen und variablen Kostenarten: ▶ einmaligen Größen: ▶ Anschaffungs- und Herstellungskosten ▶ Liquidation( s iehe Glossar)serlöse, Restwerte | 2.2.2 | 2.2.2.1 | 2.2.2.2 | Tab . 2 1 38 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g ▶ periodische (jährliche) Größen ▶ statische Werte ▶ periodische fixe Kosten ▶ Kalkulatorische Abschreibungen ▶ Kalkulatorische Finanzierungskosten, Zinsen ▶ Personalkosten ▶ Durchschnittswerte ▶ periodische variable Kosten ▶ Raumkosten ▶ Wartungskosten ▶ etc. Bei einer Differenzierung der Gesamtkosten nach Kostenarten und Kostengruppen wird nach Kapitalkosten und Betriebskosten unterschieden. Es seien: GK Gesamtkosten K B Betriebskosten K K Kapitalkosten K ges = K B + K K (2.2.1) Zu den Betriebskosten gehören: ▶ periodische fixe Kosten und ▶ periodische variable Kosten K BF periodische fixe Kosten K BV periodische variable Kosten K B = K BF + K BV (2.2.2) Die Kapitalkosten werden determiniert durch: ▶ kalkulatorische Abschreibungen und ▶ kalkulatorische Zinsen K KA kalkulatorische Abschreibungen K KZ kalkulatorische Zinsen K K = K KA + K KZ (2.2.3) Kalkulatorische Abschreibungen 1 Kalkulatorische Abschreibungen erfassen periodische Wertminderungen des gebundenen Kapitals über die geplante Abschreibungsdauer. Die Zeit entspricht dabei i. d. R. der Nutzungsdauer. D. h. es erfolgt eine gleich bleibende Amortisation der Wertminderungen während des geplanten Nutzungszeitraums. Bei nachfolgender Betrachtung wird von einer linearen, d. h. konstanten Abschreibung ausgegangen. 1 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 32 ff. Betriebskosten Kapitalkosten 39 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Es sind folgende Abkürzungssymbole zu verwenden: AHK Anschaffungs- und Herstellungskosten L Liquidationserlöse bzw. Restwerte am Ende der Nutzungsperiode T Abschreibungs- / Nutzungsdauer in Anzahl Perioden K KA = (AHK - L) / T (2.2.4) Kalkulatorische Zinsen 2 KA geb durchschnittlich gebundenes Kapital× i kalkulatorischer Zinsfuß K KZ = KA geb i (2.2.5) Dass während der Nutzungsdauer durchschnittlich gebundene Kapital wird determiniert durch die Art der Kapitalfreisetzung (Amortisation): (1) Kontinuierliche Kapitalfreisetzung: Kontinuierliche Kapitalfreisetzung bedeutet eine gleichmäßige Tilgung während des Nutzungszeitraums. × KA geb,k = (AHK - L) / 2 + L = (AHK + L) / 2 (2.2.6) In der Praxis erfolgt eine Tilgung jedoch in äquivalenten Tilgungsbeträgen zu diskreten, äquidistanten Zeitpunkten (z. B. am Ende einer jeden Subperiode) während des Nutzungszeitraums. KA geb,d = (AHK - L) [(T + 1) / 2T] + L, falls T ungerade (2.2.7) KA geb,d = (AHK - L) / 2 + L, falls T gerade (2) Diskontinuierliche Kapitalfreisetzung: (3) Keine bzw. endfällige Kapitalfreisetzung: Keine Kapitalfreisetzung bedeutet eine Tilgung erst zum Ende des Nutzungszeitraums, so dass das gesamte Kapital über den ganzen Nutzungszeitraum gebunden ist KA geb,k = (AHK - L) + L = AHK (2.2.8) Die Bestimmung des kalkulatorischen Zinsfußes ist abhängig von der Art der Finanzierung: (1) Vollständige Kreditfinanzierung: Bei 100 %tiger Kreditfinanzierung wird der laufzeitkonforme, branchenbzw. unternehmensspezifische Sollzinssatz herangezogen. (2) Beteiligungsfinanzierung Bei Beteiligungsfinanzierung wird der kalkulatorische Eigenkapitalzinssatz verwendet. (3) Selbstfinanzierung Bei Finanzierung durch Eigenmittel werden die Opportunitätskosten einer alternativen Finanzanlage angesetzt, also z. B. eine Anleihenrendite mit vergleichbarer Laufzeit. 2 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 34 ff. 40 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Nun erhält man als Formel für die Kostenvergleichsrechnung im einfachen, kontinuierlichen Fall: K ges = [K BF + K BV ] + [(AHK - L) / T + ((AHK + L) / 2) i] (2.2.9) Anwendung Die Restriktion auf die Betrachtung der Kosten lässt lediglich eine spezifische Anwendung der Kostenvergleichsrechnung zu: Auswahlproblem: ▶ Ermittlung der relativen Kostenvorteile von disjunkten Investitionsprojekten Ersatzproblem: ▶ Gegenüberstellung der Kosten von ▶ Bereits eingesetzten Investitionsobjekten und ▶ als Ersatz geplanten neuen Investitionsobjekten ▶ Kleinere Ersatz- und Rationalisierungsinvestitionen, für die die Betrachtung der Gewinnsituation redundant ist, weil sie die Erlöse nicht oder nur sehr unwesentlich tangieren. Auswahlproblem 3 Im einfachen Fall wird davon ausgegangen, dass die zu bewertenden Investitionsalternativen die gleiche Leistungs- und Produktionskapazität aufweisen. Denn nur in diesem simplifizierten Fall darf man die absoluten Gesamtkosten (pro Periode) zum Vergleich heranziehen. Im davon abweichenden Fall, dass die Kapazität ungleich ist, muss ein Stückkostenvergleich angestellt werden, in dem die Gesamtkosten entsprechend der Leistungsmenge zu quotieren sind. Bei Annahme gleicher Kapazität seien: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte E j = E, ∀ j ∈ J gleiche Kapazität aller Investitionsobjekte K j , j ∈ J Kosten des Investitionsobjekts j Dann gilt für die Entscheidungsregel für die Wahl des Investitionsobjekts j*: j* = {j | min j ∈ J {K j | K j > 0, E j = E}, j ∈ J} (2.2.10) Ersatzproblem 4 Typische Fragestellungen für Ersatzprobleme lauten: ▶ Soll ein in der Vergangenheit getätigtes Investitionsobjekt bereits vor Ablauf der geplanten verbleibenden Nutzungsdauer durch ein neues Investitionsobjekt ersetzt werden? 3 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 40 ff. 4 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 46 ff. Kostenvergleichsrechnung Ersatzinvestition 41 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n ▶ Wenn diese Frage grundsätzlich zu bejaht wird, stellt sich die Frage nach dem günstigsten Zeitpunkt für eine Ersatzinvestition Grundsätzliche Vorgehensweise für das alte, bestehende Objekt gilt: ▶ Die Vergleichsperiode beginnt mit dem geplanten Ersatzzeitpunkt ▶ Die Anschaffungs- und Herstellungskosten sind gleich dem Liquiditätserlös zu Beginn der Vergleichsperiode Vorteile und Grenzen statischer Investitionsverfahren 5 Vorteile: ▶ Einfache Ermittlung der zu berücksichtigenden Daten ▶ Einfache Prognose: ▶ Die Werte unterliegen keiner Veränderung ▶ Keine Zinsannahmen Nachteile: Die oben erwähnten Vorteile determinieren auch die Nachteile der statischen Verfahren, insbesondere weil sich über eine längere Nutzungsdauer verteilende Zahlungsströme nicht diskontiert sind. Der reine absolute Kostenvergleich ist nur dann möglich, wenn die Ertragskomponenten identisch sind. Eine Berücksichtigung der Zeitkomponente findet grundsätzlich nicht statt Eine isolierte Betrachtung nur einer Investitionsalternative ist mit einem Vergleichsverfahren nicht möglich. Wegen dieses simplifizierten Abbilds der Realität eignen sich die statischen Verfahren vor allem für kleinere Einzelinvestitionen, d. h. ▶ Bei geringerer Bedeutung (d. h. geringer Mitteleinsatz), ▶ bei nicht valider Datengrundlage vor allem die Zukunft betreffend ▶ (z. B. bei zukünftigen Wartungskosten), und / oder ▶ wenn der administrative Aufwand klein gehalten werden soll Die Vergleichsverfahren funktionieren grundsätzlich nur unter der Prämisse, dass die den Investitionen gegenüberstehenden Erlöse äquivalent sind. Daher macht es keinen Sinn, die Alternativen „keine Investition“ oder „Kapitalmarktinvestition“ mit in das Verfahren einzubeziehen. Die Inputparameter der Kostenvergleichsrechnung können unmittelbar dem internen Rechnungswesen entnommen werden. Ein Unternehmer muss sich im Rahmen einer Neuinvestition eine Investitionsentscheidung zwischen zwei Maschinen treffen. 5 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 48 ff. | 2.2.2.3 Beispiele ▼ 42 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Gegeben sei ein Auswahlproblem. Es stehen zwei alternative Investments - Maschine A und Maschine B - zur Bewertung an. Die anzusetzenden Kostenkennziffern seien aus dem internen Rechnungswesen bekannt. Die geplante Nutzungsdauer T betrage 10 Jahre, der kalkulatorische Zinssatz i für das im Mittel gebundene Kapital sei mit 6 % angenommen. Weiter wird eine kontinuierliche Kapitalfreisetzung unterstellt. Maschine A Maschine B Anschaffungskosten AHK, I 0 1.000.000 € 1.200.000 € Restwert L 200.000 € 300.000 € Betriebskosten fix p.a. K BF 82.000 € 78.000 € Betriebskosten variabel p.a. K BV 110.000 € 93.000 € Leistung (Stück) p.a. 10.000 10.000 Dann gilt für die Betriebskosten von A und B: K B (A) = K BF (A) + K BV (A) = 82.000 € + 110.000 € = 192.000 € K B (B) = K BF (B) + K BV (B)= 78.000 € + 93.000 € = 171.000 € für die kalkulatorischen Abschreibungen K KA (A) = [AHK(A) - L(A)] / T = (1.000.000 € - 200.000 €) / 10 = 80.000 € K KA (B) = [AHK(B) - L(B)] / T = (1.200.000 € - 300.000 €) / 10 = 90.000 € für das im Mittel gebundene Kapital K geb, k (A) = [AHK(A) + L(A)] / 2 = (1.000.000 € + 200.000 €) / 2 = 600.000 € K geb, k (B) = [AHK(B) + L(B)] / 2 = (1.200.000 € + 300.000 €) / 2 = 750.000 € für die kalkulatorischen Zinsen K KZ (A) = K geb, k (A) i = 600.000 € 0,06 = 36.000 € K KZ (B) = K geb, k (B) i = 750.000 € 0,06 = 45.000 € für die kalkulatorischen Kosten K K (A) = K KA (A) + K KZ (A) = 80.000 € + 36.000 € = 116.000 € K K (B) = K KA (B) + K KZ (B) = 90.000 € + 45.000 € = 135.000 € und somit für Gesamtkosten K ges (A) = K B (A) + K K (A) = 192.000 € + 116.000 € = 308.000 € K ges (B) = K B (B) + K K (B) = 171.000 € + 135.000 € = 306.000 € Da K ges (B) < K ges (A), ist unter den vorweg getroffenen Annahmen gemäß der Kostenvergleichsmethode die Investition in Maschine B vorteilhafter zu bewerten als die in Maschine A. Variiert man den kalkulatorischen Zinssatz von 6 % zu 8 %, dann würde vice versa die Vorteilhaftigkeit umgedreht. Die entsprechenden Berechnungen sind den mit Hilfe von Excel erstellten Kalkulations-Tabellen zu entnehmen. Tab . 2 .2 | 43 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Kostenvergleichsrechnung Zinssatz i 6% Zwei Maschinen Maschine A Maschine B Stückkosten Kosten / Erlöse A B Wert Wert Laufzeit (Jahre) 10 10 Anschaffungskosten -1.000.000 € -1.200.000 € Restwert 200.000 € 300.000 € Investitionskosten Wertverlust -800.000 € -900.000 € Annuität / AfA 80.000 € 90.000 € Mittlere Kapitalbind. 600.000 € 750.000 € Zinsen 36.000 € 45.000 € Leistung 10.000 10.000 Kalkulatorische Kosten Abschreibungen -80.000 € -90.000 € Kalkulatorische Zinsen -36.000 € -45.000 € Kalkulatorische Kosten SUMME -116.000 € -135.000 € Betriebskosten - fix Raumkosten -5.000 € -5.000 € Personalkosten -60.000 € -60.000 € Wartungskoten -12.000 € -9.000 € Sonstige fixe Kosten -5.000 € -4.000 € Betriebskosten - fix SUMME -82.000 € -78.000 € Betriebskosten - var. Materialkosten -5,00 € -5,00 € -50.000 € -50.000 € Energiekosten -0,70 € -0,60 € -7.000 € -6.000 € Lohnkosten -4,20 € -2,80 € -42.000 € -28.000 € Reparaturkosten -0,90 € -0,70 € -9.000 € -7.000 € Sonstige var. Kosten -0,20 € -0,20 € -2.000 € -2.000 € Betriebskosten - var. SUMME -11,00 € -9,30 € -110.000 € -93.000 € Gesamtkosten 308.000 € 306.000,00 € GKB < GKA Leistung 10.000 10.000 Erlöse 35 € 35 € 350.000 € 350.000 € Kosten -308.000 € -306.000 € Gewinn 42.000 € 44.000 € GB > GA | Tab . 2 .3 44 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Kostenvergleichsrechnung Zinssatz i 6% Zwei Maschinen Maschine A Maschine B Stückkosten Kosten / Erlöse A B Wert Wert Laufzeit (Jahre) 10 10 Anschaffungskosten - - Restwert 200.000 € 300.000 € Investitionskosten Wertverlust -800.000 € -900.000 € Annuität / AfA 80.000 € 90.000 € Mittlere Kapitalbind. 600.000 € 750.000 € Zinsen 36.000 € 45.000 € Leistung 10.000 10.000 Kalkulatorische Kosten Abschreibungen -80.000 € -90.000 € Kalkulatorische Zinsen -36.000 € -45.000 € Kalkulatorische Kosten SUMME -116.000 € -135.000 € Betriebskosten - fix Raumkosten -5.000 € -5.000 € Personalkosten -60.000 € -60.000 € Wartungskoten -12.000 € -9.000 € Sonstige fixe Kosten -5.000 € -4.000 € Betriebskosten - fix SUMME -82.000 € -78.000 € Betriebskosten - var. Materialkosten -5,00 € -5,00 € -50.000 € -50.000 € Energiekosten -0,70 € -0,60 € -7.000 € -6.000 € Lohnkosten -4,20 € -2,80 € -42.000 € -28.000 € Reparaturkosten -0,90 € -0,70 € -9.000 € -7.000 € Sonstige var. Kosten -0,20 € -0,20 € -2.000 € -2.000 € Betriebskosten - var. SUMME -11,00 € -9,30 € -110.000 € -93.000 € Gesamtkosten 308.000 € 306.000 € GKB < GKA Leistung 10.000 10.000 Erlöse 35 € 35 € 350.000 € 350.000 € Kosten -308.000 € -306.000 € Gewinn 42.000 € 44.000 € GB > GA Tab . 2 .4 | 45 s t a t I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Kostenvergleichsrechnung Zinssatz i 8 % Zwei Maschinen Maschine A Maschine B Stückkosten Kosten / Erlöse A B Wert Wert Laufzeit (Jahre) 10 10 Anschaffungskosten - - Restwert 200.000 € 300.000 € Investitionskosten Wertverlust -800.000 € -900.000 € Annuität / AfA 80.000 € 90.000 € Mittlere Kapitalbind. 600.000 € 750.000 € Zinsen 48.000 € 60.000 € Leistung 10.000 10.000 Kalkulatorische Kosten Abschreibungen -80.000 € -90.000 € Kalkulatorische Zinsen -48.000 € -60.000 € Kalkulatorische Kosten SUMME -128.000 € -150.000 € Betriebskosten - fix Raumkosten -5.000 € -5.000 € Personalkosten -60.000 € -60.000 € Wartungskoten -12.000 € -9.000 € Sonstige fixe Kosten -5.000 € -4.000 € Betriebskosten - fix SUMME -82.000 € -78.000 € Betriebskosten - var. Materialkosten -5,00 € -5,00 € -50.000 € -50.000 € Energiekosten -0,70 € -0,60 € -7.000 € -6.000 € Lohnkosten -4,20 € -2,80 € -42.000 € -28.000 € Reparaturkosten -0,90 € -0,70 € -9.000 € -7.000 € Sonstige var. Kosten -0,20 € -0,20 € -2.000 € -2.000 € Betriebskosten - var. SUMME -11,00 € -9,30 € -110.000 € -93.000 € Gesamtkosten 320.000 € 321.000 € GKA < GKB Leistung 10.000 10.000 Erlöse 35 € 35 € 350.000 € 350.000 € Kosten -320.000 € -321.000 € Gewinn 30.000,00 € 29.000 € GA > GB Der Zinssatz als einer der wichtigsten zu bestimmenden Faktoren in der Investitionsrechnung ist ein sehr sensibler Parameter und besitzt daher eine hohe Wirkung auf das Ergebnis bzw. in letzter Konsequenz dann auf die Entscheidung. | Tab . 2 .5 ▲ 46 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g 1 Was sind statische Investitionsverfahren? 2 Wann werden statische Investitionsverfahren angewendet? 3 Welches sind die Vorteile statischer Investitionsverfahren? 4 Wann müssen Stückkosten verglichen werden und wie erfolgt dies praktisch an einem Beispiel? 5 Auf welche Kosten wirkt sich der Restwert aus und in welcher Art und Weise? Finanzmathematische Grundlagen unter der Verwendung der finanzmathematischen Tabellen Der Tatsache, dass der Zeitpunkt einer Zahlung für die Bewertung des zugrunde gelegten Zahlungsstroms wesentlich ist, wird dadurch Rechnung getragen, dass mit Hilfe von Zinsen und finanzmathematischen Methoden eine Vergleichbarkeit zu jedem beliebigen Zeitpunkt hergestellt werden kann. Dazu seien: Perioden: T ∈ IN 0 Laufzeit der Anlage bzw. Amortisationsdauer in Jahren t ∈ IN T Zeitpunkt Kapital und Erträge: K t Kapital zum Zeitpunkt t, t ∈ IN 0 R t zu erwartender Ertrag für die Periode t, t ∈ IN 0 Zinsen: i nom Nominalzinssatz pro Periode i Marktzinssatz pro Periode i = i nom wird hier vereinfachend unterstellt Zur Vereinfachung sei weiter unterstellt, dass alle Zahlungen grundsätzlich nicht in Subperioden erfolgen. Einfache Zinsrechnung Als Zinsen kann man das Entgelt für das für einen bestimmten Zeitraum überlassene Kapital bezeichnen. Die periodisch (jährlich) in Rechnung gestellten Zinsen für das unveränderte (Anfangs-)Kapital werden einfache Zinsen genannt. Bei Betrachtung nur einer Periode gibt es somit ausschließlich einfache Zinsen. Einfache Zinsen kommen bei einer einperiodigen Betrachtung zum Einsatz (vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 36 ff.): 2.3 | 2.3.1 | Fragen ▼ ▲ 47 F I n a n z m a t h e m a t I s c h e g r u n d l a g e n R = 1 + i Aufzinsungsfaktor (2.3.1) v = 1 / (1 + i) Diskontierungsfaktor (2.3.2) Für zum Zeitpunkt 0 eingesetztes Kapital werden dann bis zum Ende von Periode 1 erwirtschaftet: R = K 0 i Zins- oder Rentenzahlung (2.3.3) K 1 = K 0 + K 0 i = K 0 (1 + i) = K 0 r = K 0 v -1 (2.3.4) K 0 = K 0 r -1 = K 0 v (2.3.5) Zinseszinsrechnung Als Zinseszinsen (vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 47 ff.) werden Zinsen bezeichnet, die nicht auf das eingesetzte Kapital, sondern zusätzlich auf die bis zu diesem Zeitpunkt bereits geflossenen Zinsen gezahlt werden. Am Ende einer jeden Periode werden also die in der jeweiligen Periode gezahlten Zinsen dem bereits kumulierten Kapital zugeschlagen und bilden das Basiskapital für die nächste Zinsperiode. Das Basiskapital bzw. der Zinseszinsanteil des Basiskapitals sind streng monoton wachsende Funktionen der Periodenzahl. Bei einer Betrachtung über mehrere Perioden werden ab Ende der ersten Periode nicht nur das eingesetzte Kapital, sondern auch die bis dahin erwirtschafteten Zinsen verzinst, so dass für das Kapital am Ende der t-ten Periode ergibt: K t = K t - 1 (1 + i) = K t - 2 (1 + i) 2 = … = K 0 (1 + i) t (2.3.6) Alternativ kann auch geschrieben werden: K t = K 0 ( 1 + t i + Σ   k = 2 t ( tk ) i k ) (2.3.7) Auf diese Weise kann der Kapitalendwert (vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 47) interpretiert werden aus der Summe von ▶ Kapital, ▶ einfachen Zinsen, t Jahre lang, und ▶ Zinseszinsen, t - 1 Jahre lang gewichtet mit den Binomialkoeffizienten Die mehrperiodigen Faktoren über t Perioden sind dann analog: r t = (1 + i) t Aufzinsungsfaktor (2.3.8) v t = (1 / (1 + i)) t Abzinsungs- oder Diskontierungsfaktor (2.3.9) Rentenrechnung 6 Als Renten werden äquivalente, äquidistante Zahlungen über mehrere Perioden bezeichnet. Dabei wird zwischen ▶ vorschüssigen, d. h. Zahlungstermin ist jeweils der Periodenbeginn, und 6 Vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 47 ff. | 2.3.3 | 2.3.2 48 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g ▶ nachschüssigen, d. h. vice versa zahlbar zum Periodenende, Renten differenziert. Bei den Beispielen in diesem Text werden - ohne weitere Erwähnung - stets nachschüssige Renten unterstellt. Für den Kapitalendwert (vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 47) einer mehrperiodigen nachschüssigen Rente ergibt sich: K 1 = R Kapitalendwert nach 1 Periode (2.3.10) K 2 = R + R i = R (1 + i) (2.3.11) K T = R (1 + i + i 2 + … + i T - 1 ) (2.3.12) = R (r T - 1) / (r - 1) = R v 1 - T (1 - v T ) / (1 - v) Für den Kapitalbarwert einer mehrperiodigen nachschüssigen Rente ergibt sich: K 0 = R r -T (r T - 1) / (r - 1) (2.3.12) = R v (1 - v T ) / (1 - v) Analog ergeben sich für den nachschüssigen Endwertfaktor über t Perioden s T = (r T - 1) / (r - 1) = v 1 - T (1 - v T ) / (1 - v) (2.3.13a) Der reziproke Wert ist der sog. Restwert- oder Rückwärtsverteilungsfaktor s T-1 = (r - 1) / (r T - 1) = v T - 1 (1 - v) / (1 - v T ) (2.3.13b) und den nachschüssigen Barwertfaktor über t Perioden a T = r -T (r T - 1) / (r - 1) = v (1 - v T ) / (1 - v) = v T s T (2.3.14a) Der Reziproke hiervon wird als Kapitalwiedergewinnungsfaktor, Verrentungsfaktor oder auch Annuitätenfaktor bezeichnet a T-1 = r T (r - 1) / (r T - 1) = v -1 (1 - v) / (1 - v T ) = v T s T (2.3.14b) Tilgungsrechnung 7 Grundsätzlich unterscheidet man aus finanzmathematischer Sichtweise bei der Tilgung einer Anleiheschuld drei verschiedene Kapitalrückführungsarten. Dazu seien: K 0 Anleiheschuld zum Zeitpunkt 0 I t Zinsbetrag für die Periode t zum Zeitpunkt t, t ∈ IN 0 R t Tilgungsbetrag für die Periode t zum Zeitpunkt t, t ∈ IN 0 S t gesamte Zahlung für die Periode t zum Zeitpunkt t, t ∈ IN 0 7 Vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 133 ff. 2.3.4 | ▲ Beispiele ▼ 49 F I n a n z m a t h e m a t I s c h e g r u n d l a g e n S t = I t + R t D t Restschuld zum Zeitpunkt t, t ∈ IN 0 D t = K 0 - Σ   k = 0 t R k (2.3.15a) D T = 0 (2.3.15b) I t = D t - 1 I (2.3.16) Tilgung einer gesamtfälligen Schuld 8 Bei dieser Art der Tilgung wird während der gesamten Laufzeit der Anleihe keine Tilgung vorgenommen, sondern ausschließlich Zinszahlungen geleistet. Zum letzten Zinstermin wird dann neben der letzten Zinsrate die Gesamtschuld en bloc zurückgeführt. Dies führt zu folgenden Zahlungen: R t = ∀ t ∈ {1, …, T - 1} (2.3.17) I t = K 0 i ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.18) S t = I t + R t = K 0 i ∀ t ∈ {1, …, T - 1} (2.3.19a) S T = I t + R t = K 0 i + K 0 = K 0 v -1 (2.3.19b) D t = K 0 - Σ   k = 0 t R k = K 0 ∀ t ∈ {1, …, T - 1} (2.3.20) Tilgung einer Ratenschuld - Ratentilgung 9 Bei der Ratentilgung wird eine Schuld binnen der Laufzeit in T äquivalenten Raten zurückgeführt: R t = K 0 / T ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.21a) R = R t ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.21b) I t = D t - 1 i = (K 0 - (t - 1) R t ) i = K 0 (1 - (t - 1) / T) i ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.22) S t = I t + R = K 0 [(1 - (t - 1) / T) i + 1/ T] ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.23) D t = K 0 - Σ   k = 1 t R = K 0 - t (K 0 / T) = K 0 (1 - t / T) ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.24) Tilgung einer Annuitätenschuld - Annuitätentilgung 10 Bei der Annuitätentilgung wird eine Schuld ebenfalls binnen der Laufzeit in T Raten zurückgeführt. Sie unterscheidet sich aber grundsätzlich von der Ratentilgung dergestalt, dass nicht die Tilgungsraten, sondern die Summen aus Tilgungsrate und Zinszahlung einer jeden Periode äquivalent sind. Die- 8 Vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 133 ff. 9 Vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 135 ff. 10 vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 138 ff. | 2.3.4.3 | 2.3.4.1 | 2.3.4.2 50 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g ser Art der Tilgung kommt eine besondere finanzmathematische Bedeutung zu, da sie auch in anderen Bereichen, z. B. der Versicherungswirtschaft Anwendung findet. Annuität bezeichnet bei einer Anleihe den konstanten Wert eines Zahlungsstromes über die gesamte Laufzeit, der jeweils in einen abnehmenden Zinsanteil und einen steigenden Tilgungsanteil zerfällt: S = S t = I t + R t ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.25) A = S Annuität (2.3.26) Gemäß 2.3.3 kann die anfängliche Gesamtschuld K 0 auch als Kapitalbarwert einer T-periodigen nachschüssigen Rente interpretiert werden. Demnach gilt: K 0 = A a T = A v (1 - v T ) / (1 - v) (2.3.27) Somit erhält man für die Annuität: A = K 0 / a T = K 0 / (v (1 - v T ) / (1 - v)) (2.3.28) Zins- und Tilgungsbetrag der ersten Periode: I 1 = D 0 i = K 0 i ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.29) R 1 = A - I 1 = K 0 / a T - K 0 i = K 0 / (v 1 - T (1 - v T ) / (1 - v)) = K 0 / s T = K 0 v T / a T ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.30) Rekursive Berechnung der Tilgungsbeträge: I t = I t - 1 - R t - 1 i ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.31) R t = R t - 1 + R t - 1 i = R t - 1 (1 + i) = R t - 1 v -1 = R 1 v 1 - t = K 0 (v T / a T ) v 1 - t ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.32) Die Tilgung einer Annuitätenschuld richtet sich immer nach der anfänglichen Tilgungsrate R 1 / K 0 = v T / a T (2.3.33) Restschuldbeträge: D t = K 0 - Σ   k = 1 t R k = K 0 - R 1 Σ   k = 1 t v 1 - k = K 0 - R 1 v 1 - t (1 - v t ) / (1 - v) = K 0 (1 - (a t / v t ) / (a T / v T )) ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.34) Zinsbeträge: I t = D t - 1 i = K 0 (1 - (a t - 1 / v t - 1 ) / (a T / v T )) i ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.35a) I t = A - R t = K 0 / a T - K 0 (v T / a T ) v 1 - t = K 0 (1/ a T ) (1 - v T v 1 - t ) ∀ t ∈ {1, …, T} (2.3.35b) Annuität 51 F I n a n z m a t h e m a t I s c h e g r u n d l a g e n Finanzmathematischen Tabellen 11 Die vorgenannten finanzmathematischen Faktoren: ▶ Aufzinsungsfaktor r T ▶ Diskontierungsfaktor v T ▶ Endwertfaktor s T einer nachschüssigen Rente ▶ Barwertfaktor a T einer nachschüssigen Rente ● Kapitalwiedergewinnungsfaktoren 1 / a T sowie 1 / s T als die Kehrwerte der beiden zu vorgenannten Faktoren werden üblicherweise für periodische Zinszahlungen in Abhängigkeit der Periodenlänge T tabelliert, wobei für jeden Zinssatz eine eigene Tabelle angelegt wird. Mit deren Hilfe lassen sich dann Zinseszins- und Kapitalwertberechnungen auch mit einfachen Taschenrechnerkalkulationen leicht bewältigen. Im Anhang findet man zwei finanzmathematische Tabellen, welche die entsprechenden Faktoren mit den Zinsfüßen 6% und 8 % wiedergeben. Bankkredit über eine Laufzeit von 10 Jahren Gegeben sei eine Kreditschuld K 0 in Höhe von 1.000.000 €, die binnen der Laufzeit T von 10 Jahren zurückzuführen ist. Für die Rückzahlung kann zwischen den drei Alternativen - Gesamtschuldtilgung, Ratentilgung oder Annuitätentilgung - gewählt werden. Zu berechnen sind jeweils die jährlichen Belastungen S t und Restschuldbeträge D t , wenn ein Zinssatz i von 6 % angenommen werden kann. Die jährlichen Belastungen S t zerfallen jeweils in Tilgungsanteil R t und Zinsanteil I t . a) Für die Tilgung der gesamten Schuld am Ende der Laufzeit gilt: R t =0 ∀ t ∈ {1, …, 9} und R 10 = K 0 = 1.000.000 € I t = K 0 i = 1.000.000 € 0,06 = 60.000 € ∀ t ∈ {1, …, 9} S t = I t + R t = K 0 i + 0 = 60.000 € ∀ t ∈ {1, …, 9} und S 10 = I 10 + R 10 = K 0 i + K 0 = 1.060.000 € D t = K 0 - Σ   k = 0 t R k = K 0 = 1.000.000 € ∀ t ∈ {1, …, 9} und D 10 = K 0 - Σ   k = 0 t R k = K 0 - K 0 = 0 € b) Für die Tilgung der Ratenschuld gilt, d. h. ∀ t ∈ {1, …,10}: R = R t = K 0 / T = 1.000.000 € / 10 = 100.000 € D t = K 0 - Σ  k = 1 t R = K 0 - t (K 0 / T) = K 0 (1 - t/ T) = (1 - t/ 10) 1.000.000 € 11 Vgl. Däumler, Grundlagen der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, 2003, Tab. | 2.3.5 Beispiel ▼ 52 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g I t = D t - 1 i = [1 - (t - 1) / 10] 1.000.000 € 0,06 = [(11 - t) / 10] 60.000 € S t = I t + R = 100.000 € + [(11 - t) / 10] 60.000 € c) Für die Tilgung der Annuitätenschuld gilt: Anmerkung: Die finanzmathematischen Faktoren sind gerundet. Für den Diskontfaktor v und v T gilt: v = 1 / (1 + i) = 0,9434 v 10 = [1 / (1 + i)] 10 = 0,5584 Der Barwertfaktor einer 1bzw. 10-jährigen nachschüssigen Zeitrente mit jährlicher Zahlungsweise beträgt: a 1 = v (1 - v 1 ) / (1 - v) = 0,9434 a 10 = v (1 - v 10 ) / (1 - v) = 0,9434 (1 - 0,9434 10 ) / (1 - 0,9434) = 7,3601 Dies bedeutet, dass eine jährliche nachschüssige Zahlung in Höhe von 1 über einen Zeitraum von 10 Jahren bei einem Zinssatz von 6% zum jetzigen Zeitpunkt, d. h. ein Jahr vor Beginn der ersten jährliche Zahlung, gleich dem Wert 7,3601 besitzt. Mit Hilfe dieses Faktors lässt sich nun die Annuität A und in der Folge die anderen Zahlungsgrößen S t , I t , R t und D t ermitteln: K 0 = A a T A = K 0 / a T = 1.000.000 € / 7,3601 = 135.868 € S = A = 13.587 € Für die Zahlung am Ende des ersten Jahres ergibt sich: I 1 = K 0 i = 1.000.000 € 0,06 = 60.000 € R 1 = A - I 1 = 13.587 € - 6.000 € = 7.587 € oder mit Hilfe der Faktoren R 1 = K 0 v T / a T = 1.000.000 € 0,5584 / 7,3601 = 75.868 € D 1 = K 0 - R 1 = 1.000.000 € - 75.868 € = 924.132 € Die Beträge der Folgejahre werden dann rekursiv ermittelt, d. h. ∀ t ∈ {2, …, T} gilt: I t = I t - 1 - R t - 1 0,06 R t = R t - 1 + R t - 1 0,06 = 1,06 R t - 1 oder R t = R 1 v 1 - t = 0,9434 1 - t 75.868 € D t = K 0 (1 - (a t / v t ) / (a T / v T )) = (1 - (a t / 0,9434 t ) / (7,3601 / 0,5584)) 1.000.000 € In den nachfolgenden Tabellen werden die Ergebnisse der Teilaufgaben zusammengefasst. 53 F I n a n z m a t h e m a t I s c h e g r u n d l a g e n Tabelle zu b) Periodische Tilgung der Schuld während der Laufzeit in äquivalenten Raten Maschine Zinssatz i Ratenschuld -1.000.000 € A 6% Kapital Zinsen Tilgung Gesamtzahlung Restschuld = Kapital Jahr (Periodenbeginn) (Periode) (Periode) (Periode) (Periodenende) 0 -1.000.000 € 1 -1.000.000 € 60.000 € 100.000 € 160.000 € -900.000 € 2 -900.000 € 54.000 € 100.000 € 154.000 € -800.000 € 3 -800.000 € 48.000 € 100.000 € 148.000 € -700.000 € 4 -700.000 € 42.000 € 100.000 € 142.000 € -600.000 € 5 -600.000 € 36.000 € 100.000 € 136.000 € -500.000 € 6 -500.000 € 30.000 € 100.000 € 130.000 € -400.000 € 7 -400.000 € 24.000 € 100.000 € 124.000 € -300.000 € 8 -300.000 € 18.000 € 100.000 € 118.000 € -200.000 € 9 -200.000 € 12.000 € 100.000 € 112.000 € -100.000 € 10 -100.000 € 6.000 € 100.000 € 106.000 € 0 € Tabelle zu a) Tilgung der Gesamtschuld am Ende der Laufzeit Maschine Zinssatz i Gesamtschuld -1.000.000 € A 6% Kapital Zinsen Tilgung Gesamtzahlung Restschuld = Kapital Jahr (Periodenbeginn) (Periode) (Periode) (Periode) (Periodenende) 0 -1.000.000 € 1 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 2 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 3 -1.000.000 € 60.000, € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 4 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 5 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 6 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 7 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 8 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 9 -1.000.000 € 60.000 € 0 € 60.000 € -1.000.000 € 10 -1.000.000 € 60.000 € 1.000.000 € 1.060.000 € 0 € | Tab . 2 .6 | Tab . 2 7 54 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Dynamische Investitionsverfahren Der Nachteil mangelnder Berücksichtigung der Zeitkomponente statischer Investitionsverfahren wird bei den dynamischen Verfahren durch die Anwendung finanzmathematischer Methoden aufgehoben. Dem einfachen Grundsatz Geld heute ist nicht gleich Geld morgen wird hier Rechnung getragen. Dynamische Investitionsverfahren basieren ebenfalls auf internen oder externen Daten, allerdings nicht aus einer, sondern aus verschiedenen Perioden. Da nun hier die Daten mehrerer Perioden zusammengeführt werden, müssen diese mit Hilfe finanzmathematischer Methoden vergleichbar gemacht werden. Dies bedeutet, dass eine finanzmathematische Bewertung aller Zahlungsströme zu einem fixierten Periodenzeitpunkt erfolgen muss. Der Vorteil dynamischer Verfahren wird dadurch erkauft, dass nun nicht mehr statische Werte einer Periode, sondern der sich über die ganze Nutzungsdauer erschließende Zahlungsstrom betrachtet wird. Dafür werden die Werte einer jeden Periode (d. h. in der Regel 1 Jahr) ermittelt und zu 2.4 | Tabelle zu c) Tilgung der Schuld während der Laufzeit in Annuitäten Maschine Zinssatz i Annuitätenschuld -1.000.000 € A 6% Kapital Zinsen Tilgung Gesamtzahlung Restschuld = Kapital Jahr (Periodenbeginn) (Periode) (Periode) (Periode) (Periodenende) 0 -1.000.000 € 1 -1.000.000 € 60.000 € 75.868 € 135.868 € -924.132 € 2 -924.132 € 55.448 € 80.420 € 135.868 € -843.712 € 3 -843.712 € 50.623 € 85.245 € 135.868 € -758.467 € 4 -758.467 € 45.508 € 90.360 € 135.868 € -668.107 € 5 -668.107 € 40.086 € 95.782 € 135.868 € -572.325 € 6 -572.325 € 34.340 € 101.528 € 135.868 € -470.797 € 7 -470.797 € 28.248 € 107.620 € 135.868 € -363.177 € 8 -363.177 € 21.791 € 114.077 € 135.868 € -249.100 € 9 -249.100 € 14.946 € 120.922 € 135.868 € -128.178 € 10 -128.178 € 7.691 € 128.177 € 135.868 € -1 € Tab . 2 .8 | ▲ Vorteil dynamischer Verfahren 55 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n einem festen, a priori definiertem Zeitpunkt - i. d. R. Anfang oder Ende der Nutzungsdauer - finanzmathematisch bewertet. Weitere Erschwernisse können die Schätzung des zukünftigen Zahlungsstroms sowie die Schätzung von Zinsparametern sein, die bei langfristigen Investitionen sensible Wirkungen zeigen können. Methodische Prämissen der dynamischen Investitionsverfahren Die dynamischen Methoden verzichten auf einige vereinfachende Annahmen der statischen Methoden, so dass sich die Prämissen erweitern: (1) Bestimmung des Investitionszeitraumes (2) Ermittlung von Werten des Zahlungsstromes: ▶ Es werden Zeitreihen, d. h. die Werte einer jeden Periode (i. d. R. ein Jahr) während der zu betrachtenden Nutzungsdauer, ermittelt. ▶ Soweit es sich um nicht a priori vereinbarte bzw. zu vereinbarende Werte handelt (z. B. Umsatzerlöse oder Gewinnkennzahlen) gehen an deren statt Schätzwerte ein. ▶ Den Schätzungsmethode werden dabei keine Restriktionen auferlegt: ● Einfache Fortschreibung des Anfangswertes, d. h. konstante Zeitreihen, keine Veränderungen ▶ Einfache Extrapolation eines eventuell ermittelten linearen Trends ▶ Ermittlung eines deterministischen Schätzwertes mit Hilfe einfacher oder fortgeschrittener statistischer Methoden (3) Bestimmung des Bewertungszeitpunktes (Anfang oder Ende der Nutungsdauer) (4) Ermittlung von Zinsfaktor(en): ▶ Die Zeitpunkte des Zahlungsstromes sind relevant ▶ Abhängig vom Bewertungszeitpunkt werden alle Werte des Zahlungsstromes entsprechend ab- oder aufgezinst. ▶ Als Zinssatz wird in der Regel der der Nutzungsdauer entsprechende kalkulatorische Zinssatz am Geldmarkt angenommen. ▶ Eine Unterscheidung zwischen Haben- und Sollzins ist fakultativ ▶ Der Kalkulationszinssatz für Sollzinsen ist in der Regel der Zinssatz für erststellige Hypotheken versehen mit einem branchenüblichen und / oder unternehmensspezifischem (abhängig von Größe, Gewinnperspektiven, …) Risikoaufschlag (5) Finanzmathematische Bewertung aller Werte des Zahlungsstromes | 2.4.1 56 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Überblick über die dynamischen Investitionsverfahren in Tabellenform Methode Investitionsverfahren Kriterium Kapitalbarwert Kapitalwertmethode Kapitalbarwert Kapitalbarwert Annuitätenrechnung Annuität Kapitalbarwert Dynamische Amortisationsrechnung Amortisationsdauer Kapitalbarwert Methode des internes Zinsfußes interner Zinsfuß Kapitalbarwert Baldwin-Methode kritischer Zinssatz Kapitalendwert Kontenausgleichsverbot Kapitalendwert Kapitalendwert Kontenausgleichsgebot Kapitalendwert Auch hier werden bei all den genannten Methoden Kennziffern verschiedener zu bewertender Alternativen gegenübergestellt. Entscheidungsregel : ▶ Der Investitionsalternative mit der günstigsten Kennziffer ist dann stets der Vorzug zu gewähren. Die beiden letztgenannten Methoden seien nur am Rand erwähnt. Sie stellen auf den Vermögensendwert bei Kontenausgleichsverbot bzw. Kontenausgleichsverbot ab. Sie verzichten dabei auf die ansonsten implizit getroffene Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes und können nun dadurch unterschiedliche Zinssätze für Haben und Soll vereinbaren (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 201 ff.). In den nachfolgenden Kapiteln wird insbesondere auf die Kapitalwertmethode Bezug genommen und die Wirkungsweise an Hand von Beispielen illustriert. Kapitalwertmethoden bei Einzelinvestition und deren Varianten Kapitalwertmethode 12 12 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 114 ff. 2.4.1.1 | Tab . 2 .9 | Entscheidungsregel 2.4.1.2 | Für die Nutzungsdauer wird grundsätzlich ein fester Betrachtungszeitraum (z . B 10 Jahre) definiert, der in erster Linie vom zeitlichen Investitionshorizont und nicht von der Abschreibungsdauer oder der meist höheren wirtschaftlichen Nutzungsdauer determiniert wird Definition ▼ ▲ 57 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Der Bewertungszeitpunkt ist bei der als Barwertmethode bezeichneten Kapitalwertmethode der Beginn des Betrachtungszeitraumes. Ausgehend vom Betrachtungszeitpunkt werden alle relevanten zukünftigen Zahlungen des Zahlungsstromes innerhalb des Betrachtungszeitraumes, die sich aus verschiedenen Kosten und Nutzen zusammensetzen, periodenweise (i. d. R. jährlich) ermittelt. Zu diesen Zahlungen, die dem Investitionsobjekt zuzurechnen sind, gehören: (1) Kosten: ▶ (Anfangs-)Investitionen, Anschaffungs- und Herstellungskosten ▶ laufende fixe Kosten ▶ laufende Variable Kosten ▶ etc. (2) Erträge: ▶ Erträge in Form von Renten, Mieten, Gewinnen und Nutzungszahlungen ▶ Restwerte in Form von Marktwerten oder Buchwerten Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t D t = E t - K t Überschuss in Periode t L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T i Kalkulationszinssatz v t Abzinsungsfaktor um t Perioden Wichtige Prämisse für die Anwendung der Kapitalwertmethode ist die Annahme des vollkommenen Kapitalmarktes, in welchem vollständige Transparenz und Verfügbarkeit herrscht und keine Unterscheidung zwischen Haben- und Sollzins getroffen wird. Weitere Annahmen (nur zur Illustration): ▶ Die Zeitreihe der Ertragszahlungen ist ▶ äquivalent, d. h. uniforme, gleichwertige Beträge, und ▶ äquidistant, d. h. gleichmäßige Periodenlänge (z. B. jährlich, monatlich, …) ▶ Nachschüssigkeit von Investitionen und Kosten Diese simplifizierende Annahme wird zur Illustration und einfacheren Berechnung getroffen. In einem erweiterten Ansatz kann auf diese Annahme verzichtet werden. Bewertungszeitpunkt 58 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g C t Kapitalwert der Investition zum Ende der Periode t CK t Kapitalwert der Kosten zum Ende der Periode t CE t Kapitalwert der Erträge zum Ende der Periode t kf t Kapitalwertfaktor der Investition zum Ende der Periode t CK t = I 0 + Σ   k = 0 T K k v k - t (2.4.1) CE t = Σ   k = 0 T E k v k - t + L T v T - t (2.4.2) C t = CE t - CK t (2.4.3) = - I 0 + Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k - t + L T v T - t kf t = CE t / CK t (2.4.4) Eine Bewertung zum Zeitpunkt t = 0 liefert dann den entsprechenden Barwert C 0 = - I 0 + Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T (2.4.5) Dementsprechend lässt sich der Kapitalbarwert einer Investition interpretieren als (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 116): ▶ Barwert aller Erträge über den Zeitraum der geplanten Nutzungsdauer abzüglich des Barwerts aller Kosten über denselben Zeitraum ▶ Vermögenszuwachs einer Investition über den Zeitraum der geplanten Nutzungsdauer bewertet zum Zeitpunkt 0 (Beginn der Investition) ▶ Totalerfolg des Investitionsprojekts zum Zeitpunkt 0 ▶ Grenzpreis der Investitionsmöglichkeit. Dies ist der Preis, den ein Investor für diese Investition maximal bezahlen kann, ohne sich verlustig zu stellen, d. h. schlechter als ohne diese Investition. Seien die Zahlungsströme des Investitionsobjekts und die Laufzeit gegeben, dann ist der Kapitalbarwert des Investitionsprojekts ausschließlich abhängig vom Kalkulationszinsfuß. C 0 = C 0 (i) (2.4.6) Der Zinsfuß beeinflusst den Kapitalbarwert negativ in degressiver Weise (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 118): dC 0 / di < 0, denn d [(1 + i) -t ] / di < 0 (2.4.7) d 2 C 0 / (di) 2 > 0, analog (2.4.8) Als kritischer Zinsfuß i* wird derjenige Zinsfuß bezeichnet, für den der Kapitalbarwert den Wert Null annimmt, d. h. C 0 = 0. Bei beliebig hohem Zinsfuß nimmt der Kapitalbarwert den Wert der Anfangsinvestition an, da zukünftigen Zahlungen keinen Wert mehr zum Zeitpunkt jetzt besitzen: lim i →∞ C 0 = - I 0 < 0 (2.4.9) 59 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Für die Einführung der Kapitalwertrate wird unterstellt, dass alle Ertragsüberschüsse nicht-negativ sind: E t - K t ≥ 0 ∀ t ∈ IN T kr = Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T / I 0 (2.4.10) Entscheidungsregeln Äquivalente Entscheidungsregeln für eine vorteilhafte Investition sind: (1) C 0 > 0 Kapitalbarwert der Zahlungsströme ist größer Null (2) Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T > I 0 Barwert der zukünftigen Zahlungen ist größer als die Anfangsinvestition (3) CE 0 > CK 0 Kapitalbarwert der Erträge ist größer der der Kosten (4) kf 0 > 1 Kapitalbarwertfaktor ist größer eins (5) kr > 1 Kapitalwertrate ist größer eins Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit dem größten Barwert / der größten Kennziffer die vorteilhafteste Alternative. Dabei sind die Investition am Kapitalmarkt und / oder die Nicht-Investition ebenfalls als Alternativen zu betrachten Anwendung bzw. Entscheidungsprobleme Vorteilhaftigkeit einer Alternative Die Vorteilhaftigkeit einer Investition ergibt sich unmittelbar aus den oben genannten Entscheidungsregeln. Auswahlproblem Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kostenvergleichsmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit dem höchsten Kapitalbarwert: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte C 0j , j ∈ J Kapitalbarwert des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J {C 0j | C 0j > 0 }, j ∈ J} (2.4.11) Dementsprechend wird als Kapitalwertrate der Quotient aus dem Barwert aller zukünftigen Zahlungsströme zur Anfangsinvestition definiert (vgl . Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S . 120): Definition ▼ ▲ 60 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Ergänzungsinvestition Abschließend sei noch auf die Bedeutung einer Ergänzungsinvestition hingewiesen. Wenn die Zahlungsströme der zu vergleichenden Alternativen zu stark divergieren, d. h. ▶ zeitliche Verteilung t der Überschüsse E t - K t , ▶ Höhe Verteilung der Überschüsse E t - K t , ▶ Höhe der Anfangsinvestition I 0 , und / oder ▶ Länge der Nutzungsdauer T kann dies die Entscheidung im Auswahlproblem erschweren. Dann kann man sich der Methode Ergänzungsinvestition bedienen, die lediglich eine fiktive Investition darstellt und zur Aufgabe hat, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Zur Vertiefung dieser Problematik und Technik sei auf die weiterführende im Anhang verzeichnete Literatur hingewiesen (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 122). In den nachfolgenden Kapiteln werden noch kurz einige Varianten der Kapitalwertmethode dargestellt, von denen der Methode des internen Zinsfußes große Bedeutung zukommt. Annuitätenrechnung Während die Kapitalwertmethode den Totalerfolg eines Investitionsobjekts ausweist bzw. vergleicht, betrachtet die damit eng verwandte Annuitätenrechnung den Periodenerfolg. Der Investor versucht hierdurch, auf die Maximierung der periodischen Ertragsüberschüsse aus dem Investitionsobjekt abzustellen (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 128 ff.). ▶ Annuität bezeichnet bei einer Anleihe oder einem Kredit den konstanten Wert bzw. die konstante Rate eines Zahlungsstromes über die gesamte Laufzeit, der jeweils in einen abnehmenden Zinsanteil und einen steigenden Tilgungsanteil zerfällt. In Bankgeschäften wird diese Variante der Tilgung vereinbart, um gleichförmige Belastungen (aus Zins- und Tilgungsleistung) und damit Planungssicherheit zu gewähren. ▶ Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Investition als Annuitätenanleihe aufgefasst werden, und somit die Annuität auch hier zur Bestimmung der Vorteilhaftigkeit einer Investition dienen. Die bei der Kapitalwertmethode zusätzlich getroffenen Annahmen der Uniformität, Äquivalenz und Äquidistanz sind hier nicht fakultativ, sondern notwendigerweise zu machen. Der Kapitalbarwert wird unter finanzmathematischen Prämissen gleichmäßig auf die geplante Nutzungsdauer verteilt - d. h. hier T äquivalente Beträge in äquidistanten Intervallen. Diese äquivalenten Beträge sind Annuitäten, wie sie in analoger Verwendung in Bankgeschäften, in Pensionsgeschäften als Renten und in Versicherungsgeschäften als Prämien zu finden sind. Ergänzungsinvestitionen Periodenerfolg als Ziel 61 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien die ähnlich wie bei der Kapitalwertmethode: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t D t = E t - K t Überschuss in Periode t L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T i Kalkulationszinssatz v t Abzinsungsfaktor um t Perioden a T Barwertfaktor einer T-periodigen nachschüssigen Zeitrente C 0 Kapitalwert der Investition zu Beginn der ersten Periode A C Annuität des Kapitalbarwerts C 0 = - I 0 + Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T = a T A (2.4.12) A C = - I 0 + Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T / a T = C 0 / a T (2.4.13) Analog der Annuität des Kapitalbarwerts lässt sich die Annuität einer jeden Barwertkomponente des Kapitalwerts bilden. Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit: A C > 0 Annuität der Zahlungsströme ist größer Null Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit der größten Annuität des Kapitalbarwerts die vorteilhafteste Alternative. Anwendung bzw. Auswahlproblem Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit der höchsten Annuität: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte A Cj , j ∈ J Annuität des Kapitalbarwerts des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J {A Cj | A Cj > 0 }, j ∈ J} (2.4.14) Dynamische Amortisationsrechnung 13 Die zentrale Frage bei dieser Variante der dynamischen Investitionsrechnung lautet hier: ▶ Wann hat sich die Investition amortisiert? ▶ Ab welcher Periode rechnet sich die Investition? 13 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 147 ff. 62 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g ▶ Wie groß ist die Amortisationsdauer? Abweichend von der Barwertmethode wird a priori nicht notwendigerweise ein fester Betrachtungszeitraum definiert, da dieser hier zum Untersuchungsobjekt wird. Die Amortisationsdauer ist zu interpretieren als ▶ Amortisationszeit ▶ Kapitalwiedergewinnungszeit ▶ Kapitalrückflusszeit des Investitionsobjekts. Sie repräsentiert den Zeitraum bis zu dem Zeitpunkt, in dem der Kapitalbarwert der Investition den Wert Null erreicht (Nullstelle). In jeder weiteren Periode würde dann der Kapitalbarwert einen Zuwachs erfahren, sofern der Annahme positiver Überschüsse D t = E t - K t > 0 nicht widersprochen wird. Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Sollwert der Länge des Betrachtungszeitraumes T* Amortisationsdauer I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t D t = E t - K t Überschuss in Periode t L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T i Marktzinssatz für adäquate Kapitalanlage v t Abzinsungsfaktor um t Perioden C 0 Kapitalwert der Investition zu Beginn der ersten Periode C 0 = - I 0 + Σ   k = 0 T* (E k - K k ) v k + L T v T* = 0 (2.4.15) T* = ? (2.4.16) Auflösung der Gleichung nach der Amortisationsdauer T* ist in expliziter Weise nicht immer möglich, so dass in diesen Fällen auf numerische Approximationsverfahren oder iterative Verfahren zurückgegriffen werden muss. Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 149): T* < T Amortisationsdauer ist kleiner als die geplante Nutzungsdauer Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit dem größten internen Zinsfuß die vorteilhafteste Alternative. 63 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Anwendung bzw. Auswahlproblem Die Anwendung erfolgt analog der Kapitalwertmethode. Der Unterschied liegt lediglich in der Darstellung. Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit der geringsten Amortisationsdauer: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte T* j , j ∈ J Annuität des Kapitalbarwerts des Investitionsobjekts j j* = {j | min j ∈ J {T* j | T* j < T}, j ∈ J} (2.4.17) Abgrenzung zur statischen Amortisationsrechnung Bei der dynamischen Amortisationsrechnung bildet der Barwert aller Zahlungen das entscheidende Kriterium. Hingegen werden Bei der statischen Amortisationsrechnung diese Zahlungen nicht diskontiert. Man unterscheidet hier das Durchschnittsverfahren und das Kumulationsverfahren: (1) Beim Durchschnittsverfahren wird unterstellt, dass alle Zahlungen äquivalent und äquidistant verfolgen, d. h. der zugrundezulegende periodische Cashflow wird als unveränderlich angesehen: D t = E t - K t = D Annahme eines konstanten Cashflows pro Periode T* = (I 0 - L T ) / D (2.4.18) (2) Beim Kumulationsverfahren wird auf die Annahme der Äquivalenz verzichtet. Der Cashflow wird periodisch kumuliert. In jeder Periode wird dann der kumulierte Cashflow der Anfangsinvestition gegenübergestellt, bis er dessen Höhe schließlich erreicht hat: T* = min t ∈ IN0 {t | Σ   i = 0 t D i - (I 0 - L T ) > 0}, t ∈ IN 0 } (2.4.19) Methode des internen Zinsfußes Die Methode des Internen Zinsfußes ist rentabilitätsorientierte Bewertung und liefert als Ergebnis die klassische dynamische Rentabilitätskennziffer. Auch hier gilt vorrangig die Voraussetzung eines vollkommenen Kapitalmarktes. Der interne Zinssatz einer Investition 14 ▶ entspricht der (effektiven) Rendite einer Investition und ist somit gleich der Verzinsung des eingesetzten Kapitals (vgl. Hass / Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 162 ff.). ▶ wird auch als Internal Rate of Return (IRR) bezeichnet. 14 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 150ff. und Hass/ Fickel, Finanzmathematik, 2006, S. 153 ff. 64 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g ▶ ist derjenige kalkulatorische Zinsfuß, unter dessen Einsatz der Kapitalbarwert der Investition verschwindet. ▶ kann auch interpretiert werden als die durchschnittliche Verzinsung des durchschnittlich gebundenen Kapitals (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 152). Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t D t = E t - K t Überschuss in Periode t L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T i Marktzinssatz für adäquate Kapitalanlage i* Interner Zinssatz, Internal Rate of Return v* t Abzinsungsfaktor (IRR) um t Perioden C 0 Kapitalwert der Investition zu Beginn der ersten Periode C 0 = - I 0 + Σ   k = 0 T (E k - K k ) v k + L T v T = 0 (2.4.20) i* = ? (2.4.21) Auflösung der Gleichung nach dem Zinsfuß i* ist in expliziter Weise nicht immer möglich, so dass in diesen Fällen auf numerische Approximationsverfahren oder iterative Verfahren zurückgegriffen werden muss. Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit: i* > i Interner Zinsfuß ist größer als der adäquate Marktzins Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit dem größten internen Zinsfuß die vorteilhafteste Alternative. Anwendung bzw. Auswahlproblem Die Anwendung erfolgt wieder analog den vorgenannten Methoden. Der Unterschied liegt hier aber nicht ausschließlich in der Darstellung. Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit dem höchsten internen Zinsfuß: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte i* j , j ∈ J interner Zinsfuß des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J {i* j | i* j > i }, j ∈ J} (2.4.22) 65 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Wiederanlage des Kapitals Bezüglich der Prämisse der Wiederanlage des Kapitals unterscheidet sich die Methode des internen Zinsfußes von den vorgenannten Methoden. ▶ Für Kapitalwertmethode gilt die sog. anspruchslose Wiederanlageprämisse, d. h. eine zwischenzeitliche Kapitalanlage der frei gewordenen Geldmittel D t = E t - K t einer jeden Periode am Kapitalmarkt zum Marktzins i aus. Hier wiederum wird erwartet, dass diese eine geringere Rendite als die Kapitalanlage im Unternehmen oder am Private-Equity-Markt erzielt. ▶ Die Methode des internen Zinsfußes hingegen unterstellt hier die sog. anspruchsvolle Investitionsmöglichkeit, d. h. eine periodische Wiederanlage in ein äquivalentes Investitionsobjekt bzw. in eine Anlage in einem Markt mit demselben internen Zinsfuß bzw. derselben Rendite. Auf diese Weise kann es bei Wahlentscheidungen zu Widersprüchen zwischen der Kapitalwertmethode und der Methode des internen Zinsfußes kommen. Modifizierte Methode des internen Zinsfußes oder Baldwin-Methode Die Baldwin-Methode (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 165 ff.) fokussiert - abhängig von der Zahlungsart - auf den Kapitalbarwert und den Kapitalendwert. Dabei wird ausschließlich der Habenzinssatz verwendet. ▶ Alle Investitionsausgaben und Liquidationserlöse werden zu Beginn des Betrachtungszeitraums mit dem Kalkulationszinsfuß bewertet und entsprechend diskontiert. ▶ Alle Erträge bzw. Rückflüsse werden zum Ende des Betrachtungszeitraums mit dem Kalkulationszinsfuß bewertet und entsprechend aufgezinst. Die Berechnung des kritischen Zinssatzes erfolgt in mehreren Schritten: (1) Ermitteln des Kapitalbarwertes aller Investitionsausgaben und Kosten (2) Ermitteln des Kapitalendwertes aller Erträge bzw. Rückflüsse (3) Abzinsung des Kapitalendwertes über den Betrachtungszeitraum mit dem kritischen Zinssatz (4) Gleichsetzen des Kapitalbarwertes aller Kosten mit dem abgezinsten Kapitalendwert aller Erträge (5) Auflösung der Gleichung nach dem kritischen Zinssatz Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 Wiederanlage Widersprüche bei Wahlentscheidungen 66 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t D t = E t - K t Überschuss in Periode t L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T i Marktzinssatz für adäquate Kapitalanlage i B Baldwin Zinssatz v t Abzinsungsfaktor (Marktzinssatz) um t Perioden v Bt Abzinsungsfaktor (Baldwin-Zinssatz) um t Perioden C 0 Kapitalwert der Investition zu Beginn der ersten Periode CK 0 Kapitalwert der Kosten zu Beginn der Periode t CE T Kapitalwert der Erträge zum Ende der Periode t CK 0 = I 0 + Σ   k = 0 T K k v k (2.4.23) CE T = Σ   k = 0 T E k v k-T + L T (2.4.24) 0 = - CK 0 + CE T v B-T (2.4.25) = - ( I 0 + Σ   k = 0 T K k v k ) + ( Σ   k = 0 T E k v k - T + L T ) v B-T v B = (CK 0 / CE T ) 1/ T (2.4.26) = (( I 0 + Σ   k = 0 T K k v k ) / ( Σ   k = 0 T E k v k - T + L T )) 1/ T i B = (CE T / CK 0 ) 1/ T - 1 (2.4.27) = (( Σ   k = 0 T E k v k - T + L T ) / ( I 0 + Σ   k = 0 T K k v k )) 1/ T - 1 Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit: i B > i Baldwin Zinsfuß ist größer als der adäquate Marktzins Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit der größten Baldwin Zinsfuß die vorteilhafteste Alternative. Anwendung bzw. Auswahlproblem Die Anwendung erfolgt wieder analog den vorgenannten Methoden. Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit dem höchsten Baldwin Zinsfuß: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte i Bj , j ∈ J Baldwin Zinsfuß des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J {i Bj | i Bj > i }, j ∈ J} (2.4.28) Entscheidungsregel 67 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Dynamische Investitionsrechnung auf Basis des Kapitalbarwertes für zwei Maschinen A und B bei Zugrundelegung alternativer Zinssätze. Gegeben sei wieder das bekannte Auswahlproblem mit unveränderten Inputparametern. Es stehen zwei alternative Investments - Maschine A und Maschine B - zur Bewertung an. Die anzusetzenden Kostenkennziffern seien aus dem internen Rechnungswesen bekannt. Die geplante Nutzungsdauer T betrage 10 Jahre, der kalkulatorische Zinssatz i für das im Mittel gebundene Kapital sei mit 6 % angenommen. Weiter wird eine kontinuierliche Kapitalfreisetzung unterstellt. Maschine A Maschine B Anschaffungskosten AHK, I 0 1.000.000 € 1.200.000 € Restwert L T 200.000 € 300.000 € Betriebskosten fix p. a. K BF 82.000 € 78.000 € Betriebskosten var. p. a. K BV 110.000 € 93.000 € Leistung (Stück) p. a. 10.000 10.000 Ertrag (Stück) p. a. 35 € 35 € Für die Inputparameter ergeben sich damit ∀ t ∈ {1, …, 9}: K t (A) = K BF,t (A) + K BV,t (A) = 82.000 € + 110.000 € = 192.000 € K t (B) = K BF,t (B) + K BV,t (B) = 78.000 € + 93.000 € = 171.000 € E t (A) = E t (B) = 10.000 35 € = 350.000 € D t (A) = E t (A) - K t (A) = 350.000 € - 192.000 € = 158.000 € D t (B) = E t (B) - K t (B) = 350.000 € - 171.000 € = 179.000 € Der Diskontfaktor ist: v = 1 / (1 + i) = 1 / 1,06 = 0,9434 v 10 = (1 / 1,06) 10 = 0,5584 Der Barwertfaktor einer 10-jährigen nachschüssigen Zeitrente mit jährlicher Zahlungsweise ist demnach: a 10 = v (1 - v 10 ) / (1 - v) = 0,9434 (1 - 0,9434 10 ) / (1 - 0,9434) = 7,3601 Damit lässt sich der Kapitalbarwert für beide Alternativen ermitteln: C 0 (A) = CE 0 (A) - CK 0 (A) = - I 0 (A) + Σ   k = 0 T (E k (A) - K k (A)) v k + L T (A) v T = - 1.000.000 € + Σ   k = 0 10 158.000 € v k + 200.000 € v 10 = - 1.000.000 € + 158.000 € a 10 + 200.000 € v 10 = - 1.000.000 € + 158.000 € 7,3601 + 200.000 € 0,5584 = 274.575 € Beispiel ▼ | Tab . 2 10 68 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g C 0 (B) = CE 0 (B) - CK 0 (B) = - I 0 (B) + Σ   k = 0 T (E k (B) - K k (B)) v k + L T (B) v T = - 1.200.000 € + Σ  k = 1 10 179.000 € v k + 300.000 € v 10 = - 1.200.000 € + 179.000 € a 10 + 300.000 € v 10 = - 1.200.000 € + 179.000 € 7,3601 + 300.000 € 0,5584 = 284.978 € Beide Alternativen können - im Vergleich zur Nicht-Investition - als vorteilhaft betrachtet werden, da ihr Kapitalbarwert jeweils größer Null ist. Da Alternative B einen höheren Kapitalbarwert ausweisen kann ist diese aber - im Vergleich zur Investition B - vorteilhafter und daher gemäß dieser Methode unter den getroffenen Annahmen zu präferieren. In den Tabellen werden auch die Kennziffern bzw. Ergebnisse der alternativen Methoden zahlenmäßig dargestellt, und zwar jeweils für zwei verschiedene Zinssätze. Kennziffern der Investitionsrechnung ▲ Dynamische Investitionsrechnung Zinssatz i 6% Diskont -faktor 0,558395 Barwertfaktor 7,360087 Zwei Maschinen Maschine A Maschine B Kosten / Erlöse Zeitpunkt Wert Barwert Wert Barwert Laufzeit (Jahre) 10 10 Anschaffungskosten 0 -1 000 000 € -1.000.000 € -1 200 000 € -1.200.000 € Restwert T 200 000 € 111.679 € 300 000 € 167.518 € Investitionskosten 0 -888 .321 € -1 032 .482 € Wertverlust -800.000 € -900.000 € Annuität / AfA 80.000 € 90.000 € Mittlere Kapitalbind . 600.000 € 750.000 € Zinsen 36.000 € 45.000 € Leistung 10.000 10.000 Erträge {1, .., T} 350.000,00 € 2.576.030 € 350.000 € 2.576.030 € Kosten {1, .., T} -192.000,00 € -1.413.137 € -171.000 € -1.258.575 € Ertragsüberschüsse {1, .., T} 158 000,00 € 1 162 894 € 179 000 € 1 .317 .456 € Ergebnisse: Kapitalbarwert 0 274 573 € 284 974 € Annuität {1, .., T} 37 .306 € 38 719 € Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € -1.200.000 € Tab . 2 11 | 69 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Restwert 0 200.000 € 134.247 € 300.000 € 199.379 € Ertragsüberschüsse 0 158.000 € 865.753 € 179.000 € 1.000.621 € Kapitalbarwert 0 0 € 0 € Amortisationsdauer T* 6,841367 7,011891 Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € -1.200.000 € Restwert 0 200.000 € 70.306 € 300.000 € 112.844 € Ertragsüberschüsse 0 158.000 € 929.694 € 179.000 € 1.087.156 € Kapitalbarwert 0 0 € 0 € Interner Zinsfuß T 11,02% 10,27% Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € -1.200.000 € Kosten 0 -192.000 € -1.413.137 € -171.000 € -1.258.575 € Gesamtausgaben -1 192 000 € -2 .413 137 € -1 .371 000 € -2 .458 575 € Restwert T 200.000 € 200.000 € 300.000 € 300.000 € Erträge T 350.000 € 4.613.278 € 350.000 € 4.613.278 € Gesamteinnahmen T 550.000 € 4.813.278 € 650.000 € 4.913.278 € Gesamteinnahmen (BW) 0 2 .413 137 € 2 .458 575 € Baldwin Zinsfuß T 7,15% 7,17% Dynamische Investitionsrechnung Zinssatz i Diskont -faktor 0,463193 8% Barwertfaktor 6,710081 Zwei Maschinen Maschine A Maschine B Kosten / Erlöse Zeitpunkt Wert Barwert Wert Barwert Laufzeit (Jahre) 10 10 Anschaffungskosten 0 -1 000 000 € -1.000.000 € -1 200 000 € - Restwert T 200 000 € 92 639 € 300 000 € 138.958 € Investitionskosten 0 -907 .361 € - Wertverlust -800.000 € -900.000 € Annuität / AfA 80.000 € 90.000 € Mittlere Kapitalbind . 600.000 € 750.000 € Zinsen 48.000 € 60.000 € Leistung 10.000 10.000 Erträge {1, .., T} 350.000 € 2.348.528 € 350.000 € 2.348.528 € Kosten {1, .., T} -192.000 € -1.288.336 € -171.000 € - Ertragsüberschüsse {1, , T} 158 000 € 1 060 193 € 179 000 € 1 201 105 € Ergebnisse: Kapitalbarwert 0 152 832 € 140 063 € Annuität {1, .., T} 20 765 € 19 030 € Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € - | Tab . 2 12 70 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Restwert 0 200.000 € 109.859 € 300.000 € 160.645 € Ertragsüberschüsse 0 158.000 € 890.141 € 179.000 € 1.039.355 € Kapitalbarwert 0 0 € 0 € Amortisationsdauer T* 7,784698 8,115597 Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € - Restwert 0 200.000 € 70.306 € 300.000 € 112.844 € Ertragsüberschüsse 0 158.000 € 929.694 € 179.000 € 1.087.156 € Kapitalbarwert 0 0 € 0 € Interner Zinsfuß T 11,02% 10,27% Anschaffungskosten 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -1.200.000 € - Kosten 0 -192.000 € -1.288.336 € -171.000 € - Gesamtausgaben -1 192 000 € -2 288 .336 € -1 .371 000 € - Restwert T 200.000 € 200.000 € 300.000 € 300.000 € Erträge T 350.000 € 5.070.297 € 350.000 € 5.070.297 € Gesamteinnahmen T 550.000 € 5.270.297 € 650.000 € 5.370.297 € Gesamteinnahmen (BW) 0 2 288 .336 € 2 .347 .424 € Baldwin Zinsfuß T 8,70% 8,63% Ebenso wie bei der statischen zeigt sich auch bei der dynamischen Investitionsrechnung die hohe Sensibilität des Parameters Zinssatz. Es wird aber durch den Vergleich der Beispiele auch deutlich, dass das Ergebnis der Investitionsrechnung abhängig ist ▶ von der Wahl des Zinssatzes, sondern unter Umständen auch ▶ von der Wahl der Methode selbst. Dies ist - wie bereits erwähnt - darauf zurückzuführen, dass die Methode des internen Zinsfußes von einer konsequenten Wiederanlage der freiwerdenden Mittel eben zum internen Zinsfuß und nicht zum üblichen Marktzinsfuß ausgeht. Abhängig davon, wie realistisch diese Annahme ist, findet die Methode des internen Zinsfußes ihre Berechtigung. So findet man diese Methode bei einer reinen Kapitalanlage weit verbreitet. Bei der Methode der Amortisation ist einfach die Fragestellung eine andere. Die Rendite fließt hier nur implizit in das Ergebnis ein. Liquiditätsentwicklung bei der dynamische Investitionsrechnung für zwei Maschinen A und B In nachfolgender Tabelle wird die Entwicklung des Kapitals bzw. von Zins- und Tilgungsanteilen deutlich gemacht. Am Ende einer jeden Zinsperiode (eines Jahres) wird festgestellt, wie groß das bei einer getätigten Investition anfänglich negative Kapital nun durch die periodischen Überschüsse bereits 71 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n geworden ist. Am Ende der geplanten Nutzungsdauer sollte bei einer vorteilhaften Investition das Kapital nicht mehr negativ sein. Für das Kapital am Ende einer Periode gilt dabei stets (vgl. Kapitel III): Maschine A Zinssatz i 6% Kapital Kalk Zinsen Kalk Tilgung Kalk Surplus BW: Kalk Surplus Ertragsüberschuss Kapital Jahr (Periodenbeginn) (Periode) (Periode) (Periode) (Periode) (Periode) (Periodenende) 0 -1.000.000 € 1 -1.000.000 € 60.000 € 98.000 € 0 € 0 € 158.000 € -902.000 € 2 -902.000 € 54.120 € 103.880 € 0 € 0 € 158.000 € -798.120 € 3 -798.120 € 47.887 € 110.113 € 0 € 0 € 158.000 € -688.007 € 4 -688.007 € 41.280 € 116.720 € 0 € 0 € 158.000 € -571.287 € 5 -571.287 € 34.277 € 123.723 € 0 € 0 € 158.000 € -447.564 € 6 -447.564 € 26.854 € 131.146 € 0 € 0 € 158.000 € -316.418 € 7 -316.418 € 18.985 € 139.015 € 0 € 0 € 158.000 € -177.403 € 8 -177.403 € 10.644 € 147.356 € 0 € 0 € 158.000 € -30.047 € 9 -30.047 € 1.803 € 30.047 € 126.150 € 74.668 € 158.000 € 0 € 10 0 € 0 € 0 € 358.000 € 199.905 € 358.000 € 0 € 274 573 € Maschine A Zinssatz i 8% Kapital Kalk Zinsen Kalk Tilgung Kalk Surplus BW: Kalk Surplus Ertragsüberschuss Kapital Jahr (Periodenbeginn) (Periode) (Periode) (Periode) (Periode) (Periode) (Periodenende) 0 -1.000.000 € 1 -1.000.000, € 80.000 € 78.000 € 0 € 0 € 158.000 € -922.000 € 2 -922.000 € 73.760 € 84.240 € 0 € 0 € 158.000 € -837.760 € 3 -837.760 € 67.021 € 90.979 € 0 € 0 € 158.000 € -746.781 € 4 -746.781 € 59.742 € 98.258 € 0 € 0 € 158.000 € -648.523 € 5 -648.523 € 51.882 € 106.118 € 0 € 0 € 158.000 € -542.405 € 6 -542.405 € 43.392 € 114.608 € 0 € 0 € 158.000 € -427.797 € 7 -427.797 € 34.224 € 123.776 € 0 € 0 € 158.000 € -304.021 € 8 -304.021 € 24.322 € 133.678 € 0 € 0 € 158.000 € -170.343 € 9 -170.343 € 13.627 € 144.373 € 0 € 0 € 158.000 € -25.970 € 10 -25.970 € 2.078 € 25.970 € 329.952 € 152.832 € 358.000 € 0 € 152 832 € | Tab . 2 13 | Tab . 2 14 72 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g 1 Was sind dynamische Investitionsverfahren? 2 Erklären Sie die Wirkungsweise des Zinsfußes auf die einzelnen Komponenten des Zahlungsstromes! 3 Was bedeutet der interne Zinsfuß in einem Anleihekontrakt? 4 Wie wirkt sich der Nutzungszeitraum auf das Ergebnis der einzelnen Methoden aus? 5 Welche Umstände lassen den Einsatz der dynamischen Amortisationsrechnung sinnvoll erscheinen? Kapitalendwertmethoden bei Einzelinvestition 15 Mit der Verwendung unterschiedlicher Zinssätze für Haben und Soll erzielt man eine zusätzliche Annäherung an die reale Marktwirtschaft. Die beiden in diesem Kapitel skizzierten Methoden unterscheiden sich dadurch, auf welche Weise die Mittelverwendung der geplanten Ertragsüberschüsse Verwendung findet. Kapitalendwertmethode unter dem Kontenausgleichsverbot Das Kontenausgleichsverbot (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 206 ff.) ist Basis der Vermögensrentabilitätsmethode von Henke. ▶ Einnahmenüberschüsse werden stets für weitere Vermögensbildungsmaßnahmen zum Habenzinssatz verwendet - und zwar unabhängig vom aktuellen Stand des Kapital(end)wertes. ▶ Analog werden Ausgabenüberschüsse immer zum Sollzinssatz finanziert - ebenfalls unabhängig vom aktuellen Stand des Kapital(end) wertes. Es werden über alle Perioden zwei getrennte Vermögenskonten geführt, die am Ende der letzten Periode saldiert werden. Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t mit K 0 : = I 0 E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t mit E T : = L T D t = E t - K t Überschuss in Periode t 15 Vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 206. Fragen ▼ ▲ 2.4.1.3 | Kontoausgleichsverbot 73 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n i S Soll-Zinssatz für negative Vermögenswerte i H Haben-Zinssatz für positive Vermögenswerte v St Abzinsungsfaktor (Soll-Zinssatz) um t Perioden v Ht Abzinsungsfaktor (Haben-Zinssatz) um t Perioden C t Kapitalwert der Investition zum Ende der Periode t D -t = min{D t , 0} negativer Überschuss in Periode t D +t = max{D t , 0} positiver Überschuss in Periode t CD -t Kapitalwert der negativen Überschüsse zum Zeitpunkt t CD +t Kapitalwert der positiven Überschüsse zum Zeitpunkt t Anmerkung: Anfangsinvestitionen und Liquiditätserlöse beeinflussen hier direkt die Überschüsse. CD -t = Σ   k = 0 t D -k v Sk - t (2.4.29) CD +t = Σ   k = 0 t D +k v Hk - t (2.4.30) C t = CD -t + CD +t (2.4.31) Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit: C T > 0 Saldierter Kapitalendwert ist größer als Null Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit dem größten saldierter Kapitalendwert die vorteilhafteste Alternative. Anwendung bzw. Auswahlproblem Das Kontenausgleichsverbot ist dann existent, wenn frei werdende Mittel aus den periodischen Ertragsüberschüssen nicht zur Tilgung von Investitionskrediten herangezogen werden können, weil z. B. Kreditverträge mit festen Laufzeiten und entsprechender Zinsbindung vereinbart worden sind. Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier die Alternative mit der höchsten Kapitalendwert: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte C Tj , j ∈ J Kapitalendwert des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J { C Tj | C Tj > 0 }, j ∈ J} (2.4.32) Kapitalendwertmethode unter dem Kontenausgleichsgebot Die Kapitalendmethode vice versa unter dem Kontenausgleichsgebot (vgl. Schäfer, Unternehmensinvestitionen, 2005, S. 208 ff.) ist dann die Variante der Vermögensrentabilitätsmethode. Sie ist zurückzuführen auf die TRM 74 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Sollzinsmethode von Teichroew, Robichek und Montalbano. Dieses zielt auf den Kapitalendwert ab und sieht vor, dass abhängig davon, ob in der Kumulation Einnahmen- oder Ausgabenüberschüsse erzielt worden sind, zwischen Haben- und Sollzinssatz differenziert wird. Einnahmenüberschüsse werden zuerst für den Abbau von Verbindlichkeiten und dann erst für weitere Vermögensbildungsmaßnahmen zum Habenzinssatz verwendet. Analog werden Ausgabenüberschüsse vorrangig aus kumulierten Vermögenswerten bestritten und danach zum Sollzinssatz finanziert, wodurch das Vermögen weiter geschmälert wird. Es darf über alle Perioden nur ein Vermögenskonto geführt werden, welches demzufolge beide Vorzeichen annehmen kann. Getrennte konnten dienen lediglich als Hilfestellung. Formale Einführung und Methodik Die Inputparameter seien: T Länge des Betrachtungszeitraumes, Anzahl der Perioden I 0 (Anfangs-)Investition zum Zeitpunkt t = 0 L T Liquidationserlös bzw. Restwert zum Zeitpunkt T K t , t ∈ IN T Kosten in Periode t mit K 0 : = I 0 E t , t ∈ IN T Erträge in Periode t mit E T : = L T D t = E t - K t Überschuss in Periode t i S Soll-Zinssatz für negative Vermögenswerte i H Haben-Zinssatz für positive Vermögenswerte v St Abzinsungsfaktor (Soll-Zinssatz) um t Perioden v Ht Abzinsungsfaktor (Haben-Zinssatz) um t Perioden C t Kumulierter Kapitalwert der Investition zum Zeitpunkt t, wobei hier nur Zahlungen bis zum Zeitpunkt t einfließen D -t = min{D t , 0} negativer Überschuss in Periode t D +t = max{D t , 0} positiver Überschuss in Periode t C -t Kumulierter Kapitalwert der Überschüsse zum Zeitpunkt t, sofern er negativ ist C +t Kumulierter Kapitalwert der Überschüsse zum Zeitpunkt t, sofern er positiv ist Auf diese Weise kann nur einer der Werte C -t und C +t von Null verschieden sein. Anmerkung: Anfangsinvestitionen und Liquiditätserlöse beeinflussen hier ebenfalls die Überschüsse. Die Entwicklung des Vermögenswertes erfolgt in rekursiver Darstellung. D t = D -t + D +t (2.4.33) C t = C -t - 1 v S-1 + C +t - 1 v H-1 + D t (2.4.34) Nur ein Vermögenskonto 75 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n C -t = min{C t , 0} (2.4.35) C +t = max{C t , 0} (2.4.36) Entscheidungsregel Entscheidungsregel für eine vorteilhafte Investition ist somit: C T > 0 Kumulierter Kapitalendwert ist größer als Null Bei Beurteilung mehrerer alternativen Investments ist die Investition mit dem größten kumulierten Kapitalendwert die vorteilhafteste Alternative. Anwendung bzw. Auswahlproblem Das Kontenausgleichsgebot ist findet dann Anwendung, wenn frei werdende Mittel aus den periodischen Ertragsüberschüssen unmittelbar (d. h. hier jeweils zum Periodenende) zur Tilgung von Investitionskrediten herangezogen werden. Dies ist dann der Fall, wenn Investitionen über sofort tilgbare Kredite finanziert sind, also z. B. über ein Tageskonto. Bei einem Auswahlproblem wird analog der Kapitalwertmethode die günstigste Alternative bevorzugt. Dies ist hier wiederum diejenige mit dem höchsten Kapitalendwert: J = {1, …, n} Menge der zu bewertenden Investitionsobjekte C Tj , j ∈ J Kapitalendwert des Investitionsobjekts j j* = {j | max j ∈ J { C Tj | C Tj > 0 }, j ∈ J} (2.4.32) Dynamische Investitionsrechnung auf Basis des Kapitalendwertes für zwei Maschinen A und B bei Zugrundelegung verschiedener Zinssätze für Soll und Haben. Nachfolgende Tabellen verdeutlichen die Liquiditätsentwicklung. Beispiel ▼ Kontenausgleichsverbot Kapitalendwertmethode: Maschine A Soll Zinssatz iS Haben Zinssatz iH Ausgleichsverbot 8% 6% Ertragsüberschuss negativer Kapitalwert negativer Kapitalwert positiver Kapitalwert positiver Kapitalwert Kapitalwert Kapitalwert Jahr (per Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) 0 -1.000.000 € -1.000.000 € -2.158.925 € 0 € 0 € -1.000.000 € -2.158.925 € 1 158.000 € -1.080.000 € -2.158.925 € 158.000 € 266.938 € -922.000 € -1.891.987 € 2 158.000 € -1.166.400 € -2.158.925 € 325.480 € 518.766 € -840.920 € -1.640.159 € 3 158.000 € -1.259.712 € -2.158.925 € 503.009 € 756.340 € -756.703 € -1.402.585 € | Tab . 2 15 76 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g 4 158.000 € -1.360.489 € -2.158.925 € 691.190 € 980.466 € -669.299 € -1.178.459 € 5 158.000 € -1.469.328 € -2.158.925 € 890.661 € 1.191.905 € -578.667 € -967.020 € 6 158.000 € -1.586.874 € -2.158.925 € 1.102.101 € 1.391.377 € -484.773 € -767.548 € 7 158.000 € -1.713.824 € -2.158.925 € 1.326.227 € 1.579.558 € -387.597 € -579.367 € 8 158.000 € -1.850.930 € -2.158.925 € 1.563.801 € 1.757.087 € -287.129 € -401.838 € 9 158.000 € -1.999.004 € -2.158.924 € 1.815.629 € 1.924.567 € -183.375 € -234.357 € 10 358.000 € -2.158.924 € -2.158.924 € 2.282.567 € 2.282.567 € 123.643 € 123.643 € -2.158.924 € -2.158.924 € 2.282.567 € 2.282.567 € 123.643 € 123.643 € -1.000.000 € -1.000.000 € 1.274.573 € 1.274.573 € 69.042 € 69.042 € Kapitalendwertmethode: Maschine B Soll Zinssatz iS Haben Zinssatz iH Ausgleichsverbot 8% 6% Ertragsüberschuss negativer Kapitalwert negativer Kapitalwert positiver Kapitalwert positiver Kapitalwert Kapitalwert Kapitalwert Jahr (per Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Laufzeit) 0 -1.200.000 € -1.200.000 € -2.590.710 € 0 € 0 € -1.200.000 € -2.590.710 € 1 179.000 € -1.296.000 € -2.590.710 € 179.000 € 302.417 € -1.117.000 € -2.288.293 € 2 179.000 € -1.399.680 € -2.590.710 € 368.740 € 587.716 € -1.030.940 € -2.002.994 € 3 179.000 € -1.511.654 € -2.590.709 € 569.864 € 856.865 € -941.790 € -1.733.844 € 4 179.000 € -1.632.586 € -2.590.709 € 783.056 € 1.110.780 € -849.530 € -1.479.929 € 5 179.000 € -1.763.193 € -2.590.709 € 1.009.039 € 1.350.322 € -754.154 € -1.240.387 € 6 179.000 € -1.904.248 € -2.590.708 € 1.248.581 € 1.576.305 € -655.667 € -1.014.403 € 7 179.000 € -2.056.588 € -2.590.709 € 1.502.496 € 1.789.497 € -554.092 € -801.212 € 8 179.000 € -2.221.115 € -2.590.709 € 1.771.646 € 1.990.621 € -449.469 € -600.088 € 9 179.000 € -2.398.804 € -2.590.708 € 2.056.945 € 2.180.362 € -341.859 € -410.346 € 10 479.000 € -2.590.708 € -2.590.708 € 2.659.362 € 2.659.362 € 68.654 € 68.654 € -2.590.708 € -2.590.708 € 2.659.362 € 2.659.362 € 68.654 € 68.654 € -1.199.999 € -1.199.999 € 1.484.974 € 1.484.974 € 38.336 € 38.336 € Tab . 2 16 | 77 d y n a m I s c h e I n v e s t I t I o n s v e r F a h r e n Kontenausgleichsgebot Kapitalendwertmethode: Maschine A Soll Zinssatz iS Haben Zinssatz iH Ausgleichsgebot 8% 6% Ertragsüberschuss negativer Kapitalwert positiver Kapitalwert Kapitalwert Jahr (Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Periode) 0 -1.000.000 € -1.000.000 € 0 € -1.000.000 € 1 158.000 € -922.000 € 0 € -922.000 € 2 158.000 € -837.760 € 0 € -837.760 € 3 158.000 € -746.781 € 0 € -746.781 € 4 158.000 € -648.523 € 0 € -648.523 € 5 158.000 € -542.405 € 0 € -542.405 € 6 158.000 € -427.797 € 0 € -427.797 € 7 158.000 € -304.021 € 0 € -304.021 € 8 158.000 € -170.343 € 0 € -170.343 € 9 158.000 € -25.970 € 0 € -25.970 € 10 358.000 € 0 € 329.952 € 329.952 € 0 € 329.952 € 329.952 € 0 € 184.243 € 184.243 € Kapitalendwertmethode: Maschine B Soll Zinssatz iS Haben Zinssatz iH Ausgleichsgebot 8% 6% Ertragsüberschuss negativer Kapitalwert positiver Kapitalwert Kapitalwert Jahr (Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Periode) (zum Ende der Periode) 0 -1.200.000 € -1.200.000 € 0 € -1.200.000 € 1 179.000 € -1.117.000 € 0 € -1.117.000 € 2 179.000 € -1.027.360 € 0 € -1.027.360 € 3 179.000 € -930.549 € 0 € -930.549 € 4 179.000 € -825.993 € 0 € -825.993 € 5 179.000 € -713.072 € 0 € -713.072 € 6 179.000 € -591.118 € 0 € -591.118 € 7 179.000 € -459.407 € 0 € -459.407 € 8 179.000 € -317.160 € 0 € -317.160 € 9 179.000 € -163.533 € 0 € -163.533 € 10 479.000 € 0 € 302.384 € 302.384 € 0 € 302.384 € 302.384 € 0 € 168.850 € 168.850 € | Tab . 2 17 | Tab . 2 18 ▲ 78 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g 1 Was bedeutet Endwertmethode? 2 Welche Umstände erfordern eine Aufgabe des vollkommenen Kapitalmarktes? 3 Welche Situationen gebieten das Kontenausgleichsverbot bzw. das Kontenausgleichsgebot? 4 Diskutieren Sie die Wirkung der Endwertmethoden, wenn die Zinsmarge gegen Null geht! Ausblick: Von der Barwertmethode zu Methoden der Unternehmensbewertung Unter einer Unternehmensbewertung versteht man z. B. die Ermittlung eines Gesamtwertes für eine Unternehmung, die auf der Barwertmethode bzw. der DCF-Methode unter Einbezug der Herleitung des WACC-Zinssatzes beruht, und als eine aperiodische Rechnung zu charakterisieren ist. Hinzukommt, dass Sie unter der Philosophie des Shareholder Value Perspektive zu interpretieren ist (vgl. Schmeisser, Corporate Finance und Risk Management, 2010, S. 1 ff.). Die Barwertmethode beinhaltet alle zukünftigen Zahlungsströme einer Investition und bewertet diese finanzmathematisch zum Zeitpunkt des Beginns der Nutzungsdauer. Bewertungsmethoden entsprechen dabei der auch in der Praxis angewandten Discounted Cashflow (DCF)-Methode. Ertragswertmethode, Substanzwertmethode und der EVA-Methode, um hier nur einige Methoden aufzuzählen. Der Planungszeitraum umfasst in der Regel keine feste Nutzungsdauer, sondern beinhaltet alle zukünftigen Zahlungen ad infinitum, so dass man rechnerisch mit unendlichen Renten operieren muss. Darin liegt aber auch die Problematik derartiger Bewertungen und Abschätzungen. Da zukünftige Zahlungsströme eines Unternehmens oft mit erheblichem Risiko versehen sind - die einfache Extrapolation eines Trends ist sicher nicht hinreichend - werden die vereinfachenden Annahmen - z. B. konstanter Kosten und Erträge - nicht haltbar sein. Je weiter entfernt in der Zukunft die zu bewertenden Planzahlungen liegen, desto größer die Streuung dieser Zahlungen und somit das damit verbundene Risiko. An Stelle einfacher Erwartungswertschätzer treten stochastische Zufallsgrößen auf, die mit Hilfe fortgeschrittener statistischer Methode zu einem Modell vereint werden, dass auch das Risiko adäquat abbildet und die Investitionsentscheidung zu einer Risk-Management-Entscheidung werden lassen. Fragen ▼ ▲ 2.4.2 | Betrachtet man ein Unternehmen als Investitionsprojekt, erhält man eine Bewertung des Unternehmens zum definierten Zeitpunkt . Definition ▼ ▲ 79 l I t e r a t u r d äumler , K.-d. (2003): Grundlagen der Investitions- und Wirtschaftlichkeitsrechnung, 11. Auflage, Berlin: nwb Verlag h aSS , o.; f icKel , n. (2006): Finanzmathematik. 8. Auflage, München / Wien: Oldenbourg Verlag S chäfer , h. (1999 / 2005): Unternehmensinvestitionen. Heidelberg: Pysica-Verlag Literatur | 2.5 80 I n v e s t I t I o n s e n t s c h e I d u n g Anhang Finanzmathematische Tabelle Zinssatz 6% Laufzeit Aufzinsngsfaktor Abzinsungsfaktor Endwertfaktor Restwertverteilungsfaktor Barwertfaktor Annuitätenfaktor T (1 + i) T v T s T 1 / s T a T 1 / a T 1 1,060000 0,943396 1,000000 1,000000 0,943396 1,060000 2 1,123600 0,889996 2,060000 0,485437 1,833393 0,545437 3 1,191016 0,839619 3,183600 0,314110 2,673012 0,374110 4 1,262477 0,792094 4,374616 0,228591 3,465106 0,288591 5 1,338226 0,747258 5,637093 0,177396 4,212364 0,237396 6 1,418519 0,704961 6,975319 0,143363 4,917324 0,203363 7 1,503630 0,665057 8,393838 0,119135 5,582381 0,179135 8 1,593848 0,627412 9,897468 0,101036 6,209794 0,161036 9 1,689479 0,591898 11,491316 0,087022 6,801692 0,147022 10 1,790848 0,558395 13,180795 0,075868 7,360087 0,135868 11 1,898299 0,526788 14,971643 0,066793 7,886875 0,126793 12 2,012196 0,496969 16,869941 0,059277 8,383844 0,119277 13 2,132928 0,468839 18,882138 0,052960 8,852683 0,112960 14 2,260904 0,442301 21,015066 0,047585 9,294984 0,107585 15 2,396558 0,417265 23,275970 0,042963 9,712249 0,102963 16 2,540352 0,393646 25,672528 0,038952 10,105895 0,098952 17 2,692773 0,371364 28,212880 0,035445 10,477260 0,095445 18 2,854339 0,350344 30,905653 0,032357 10,827603 0,092357 19 3,025600 0,330513 33,759992 0,029621 11,158116 0,089621 20 3,207135 0,311805 36,785591 0,027185 11,469921 0,087185 21 3,399564 0,294155 39,992727 0,025005 11,764077 0,085005 22 3,603537 0,277505 43,392290 0,023046 12,041582 0,083046 23 3,819750 0,261797 46,995828 0,021278 12,303379 0,081278 24 4,048935 0,246979 50,815577 0,019679 12,550358 0,079679 25 4,291871 0,232999 54,864512 0,018227 12,783356 0,078227 26 4,549383 0,219810 59,156383 0,016904 13,003166 0,076904 27 4,822346 0,207368 63,705766 0,015697 13,210534 0,075697 28 5,111687 0,195630 68,528112 0,014593 13,406164 0,074593 29 5,418388 0,184557 73,639798 0,013580 13,590721 0,073580 30 5,743491 0,174110 79,058186 0,012649 13,764831 0,072649 35 7,686087 0,130105 111,434780 0,008974 14,498246 0,068974 40 10,285718 0,097222 154,761966 0,006462 15,046297 0,066462 45 13,764611 0,072650 212,743514 0,004700 15,455832 0,064700 50 18,420154 0,054288 290,335905 0,003444 15,761861 0,063444 Tab . 2 19 | 81 a n h a n g Finanzmathematische Tabelle Zinssatz 8% Laufzeit Aufzinsngsfaktor Abzinsungsfaktor Endwertfaktor Restwertverteilungsfaktor Barwertfaktor Annuitätenfaktor T (1 + i) T v T s T 1 / s T a T 1 / a T 1 1,080000 0,925926 1,000000 1,000000 0,925926 1,080000 2 1,166400 0,857339 2,080000 0,480769 1,783265 0,560769 3 1,259712 0,793832 3,246400 0,308034 2,577097 0,388034 4 1,360489 0,735030 4,506112 0,221921 3,312127 0,301921 5 1,469328 0,680583 5,866601 0,170456 3,992710 0,250456 6 1,586874 0,630170 7,335929 0,136315 4,622880 0,216315 7 1,713824 0,583490 8,922803 0,112072 5,206370 0,192072 8 1,850930 0,540269 10,636628 0,094015 5,746639 0,174015 9 1,999005 0,500249 12,487558 0,080080 6,246888 0,160080 10 2,158925 0,463193 14,486562 0,069029 6,710081 0,149029 11 2,331639 0,428883 16,645487 0,060076 7,138964 0,140076 12 2,518170 0,397114 18,977126 0,052695 7,536078 0,132695 13 2,719624 0,367698 21,495297 0,046522 7,903776 0,126522 14 2,937194 0,340461 24,214920 0,041297 8,244237 0,121297 15 3,172169 0,315242 27,152114 0,036830 8,559479 0,116830 16 3,425943 0,291890 30,324283 0,032977 8,851369 0,112977 17 3,700018 0,270269 33,750226 0,029629 9,121638 0,109629 18 3,996019 0,250249 37,450244 0,026702 9,371887 0,106702 19 4,315701 0,231712 41,446263 0,024128 9,603599 0,104128 20 4,660957 0,214548 45,761964 0,021852 9,818147 0,101852 21 5,033834 0,198656 50,422921 0,019832 10,016803 0,099832 22 5,436540 0,183941 55,456755 0,018032 10,200744 0,098032 23 5,871464 0,170315 60,893296 0,016422 10,371059 0,096422 24 6,341181 0,157699 66,764759 0,014978 10,528758 0,094978 25 6,848475 0,146018 73,105940 0,013679 10,674776 0,093679 26 7,396353 0,135202 79,954415 0,012507 10,809978 0,092507 27 7,988061 0,125187 87,350768 0,011448 10,935165 0,091448 28 8,627106 0,115914 95,338830 0,010489 11,051078 0,090489 29 9,317275 0,107328 103,965936 0,009619 11,158406 0,089619 30 10,062657 0,099377 113,283211 0,008827 11,257783 0,088827 35 14,785344 0,067635 172,316804 0,005803 11,654568 0,085803 40 21,724521 0,046031 259,056519 0,003860 11,924613 0,083860 45 31,920449 0,031328 386,505617 0,002587 12,108402 0,082587 50 46,901613 0,021321 573,770156 0,001743 12,233485 0,081743 | Tab . 2 .20 82 Strategische Bilanzanalyse als Instrument zur Beurteilung der Unternehmenswertentwicklung 3 | 3.1 Ziele und Grenzen der Unternehmensanalyse 3.2 Strategische Bilanzanalyse und Unternehmenswert 3.3 Marktbasierte Performanceanalyse 3.4 Werttreiberanalyse 3.5 Strategische Ressourcenanalyse Inhalt ▶ Sie sollen die Jahresanschlussanalyse oder Bilanzanalyse als Instrument zur Beurteilung der Unternehmenswertentwicklung verwenden lernen. ▶ Sie sollen verschiedene Methoden der Unternehmenswertentwicklung von Unternehmen unterscheiden, berechnen und kritisch beurteilen können. Ziele und Grenzen der Unternehmensanalyse Ziele der Unternehmensanalyse ( s iehe Glossar) Unternehmen verfolgen wirtschaftliche Ziele. Oberziel ist die langfristige Maximierung des Gewinns (Erfolgs) unter der Nebenbedingung der Aufrechterhaltung der Liquidität (Zielsystem). Übersicht ▼ ▲ 3.1 | 3.1.1 | Zielsystem von Unternehmen 83 T r a d i T i o n e l l e F i n a n z i e r u n g s l e h r e u n d F i n a n z i e r u n g s T h e o r i e Die Analyse dient i. d. R. der Auswertung von Informationen eines Unternehmens durch fremde Dritte. Es handelt sich daher um eine externe Analyse, die sich auf folgende Daten stützt: ▶ Informationen, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften publiziert oder die von Unternehmen freiwillig veröffentlicht werden, ▶ Informationen, die von Dritten erstellt und zugänglich gemacht werden. Adressaten der externen Bilanzanalyse sind ebenso wie die des Jahresabschlusses insbesondere die aktuellen und potenziellen Anteilseigner, Kreditgeber, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer, Gewerkschaften sowie die interessierte Öffentlichkeit. Die Unternehmensanalyse ist sowohl retrospektiv (vergangenheitsorientiert) als auch prospektiv ausgerichtet (zukunftsorientiert). Ziel der retrospektiven Unternehmensanalyse ist es festzustellen, ob ein Unternehmen den wirtschaftlichen Zielen in der Vergangenheit gerecht werden konnte. Die vergangenheitsorientierte Unternehmensanalyse besteht im Wesentlichen aus der klassischen Bilanzanalyse und fußt auf den Elementen des Jahresabschlusses (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Kapitalflussrechnung, Anhang). Sie hat die Aufgabe, das Unternehmen unter dem Gesichtspunkt von Erfolg und Liquidität zu analysieren. Die prospektive Unternehmensanalyse untersucht abweichend zur klassischen Bilanzanalyse, ob ein Unternehmen in den folgenden Geschäftsjahren den wirtschaftlichen Unternehmenszielen gerecht werden kann, also zukünftig leistungsfähig ist. Dieser Aspekt der Unternehmensanalyse gewinnt aufgrund des sich in den letzten Jahrzehnten verbreiteten Gedanken Rappaports („Creating Shareholder Value“), wonach die Unternehmensziele streng an den Zielen der Anteilseigner auszurichten sind, verstärkt an Bedeutung. Shareholder Value bezeichnet den „Marktwert des Eigenkapitals“, berechnet als Barwert der künftig an die Anteilseigner fließenden Zahlungen (Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen). Insoweit meint zukünftiges Leistungspotenzial eines Unternehmens die Fähigkeit, dauerhaft einen möglichst hohen Zahlungsstrom für die Anteilseigner generieren zu können. Die Unternehmensanalyse ist ein komplexes Instrument zur Beurteilung der Lage und der Entwicklung eines Unternehmens unter diesem Zielsystem. Definition ▼ ▲ Zeitbezug der Unternehmensanalyse vergangenheitsorientiert prospektiv 84 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e Im Zuge der stärkeren Beachtung des Shareholder Value-Ansatzes und einer konsequenteren kapitalmarktorientierten Rechnungslegung intensivierten sich Investor Relations (Finanzkommunikation). Die rein finanzielle Rechnungslegung wurde zu einem umfassenden Business Reporting weiterentwickelt. Prospektive Informationen finden sich teilweise in der Lageberichterstattung und im freiwillig publizierten Value Reporting. Die prospektive Unternehmensanalyse nutzt neben der Informationsquelle Investor Relations auch weitere Informationsquellen, insbesondere zur qualitativen Analyse des Unternehmens. Sie kann als strategische Bilanzanalyse bezeichnet werden, ausgestaltet als ▶ marktbasierte Performanceanalyse ( s iehe Glossar), ▶ Werttreiberanalyse ( s iehe Glossar), ▶ strategische Ressourcenanalyse ( s iehe Glossar). Erfolgspotenzial setzt das Bestehen und die Kombination von Werttreibern voraus. Die Analysemethoden sind auf die Beschreibung und Einschätzung dieser Treiber ausgerichtet. Insoweit ist die strategische Bilanzanalyse als wertorientierte Bilanzanalyse zu charakterisieren, die sich wegen der zugrunde liegenden Datenbasis in geringerem Maße als die finanz- und erfolgswirtschaftliche Bilanzanalyse standardisieren lässt und nur prinzipiell beschrieben werden kann. Grenzen der Unternehmensanalyse Zusammenfassung und Auswertung vergangenheitsbezogener Daten lassen grundsätzlich nur Aussagen über die vergangene Entwicklung und die stichtagsbezogene Lage eines Unternehmens zu. Da die Rechnungslegung ein Instrument der Rechenschaftslegung der Unternehmensleitung über die Verwendung der Unternehmensressourcen ist, können die Analyseinformationen nur unterstützend bei der Beurteilung herangezogen werden, ob die Mittelverwendung der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele diente. Die durch Bilanzanalyse gewonnenen Informationen, wie z. B. Bilanzkennzahlen, haben für sich betrachtet eine nur geringe Aussagekraft. Erforderlich sind Vergleichsmaßstäbe (Benchmarks) für Zwecke des Drittvergleich oder Zeitreihen, die vergangene Entwicklungstendenzen aufzeigen können. Finanzkommunikation Gegenstand der jeweiligen zukunftsbezogenen Analyse ist das Erfolgspotenzial eines Unternehmens, das die Voraussetzung für künftigen Erfolge und die Aufrechterhaltung der Liquidität bildet. Merksatz ▼ 3.1.2 | 85 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e u n d u n T e r n e h m e n s w e r T Prognosen über die künftige Entwicklung eines Unternehmens, die auf Erfahrungswerten basieren, unterstellen, dass eine in der Vergangenheit sichtbare Tendenz auch in die Zukunft extrapoliert werden kann. Dies ist streng genommen nicht zulässig. Erfahrungswissen reicht nicht aus, um eine gesetzmäßige Ähnlichkeit der Vergangenheit mit der Zukunft annehmen zu dürfen (Induktionsproblem oder Humesches Problem). Insbesondere die zunehmende Marktdynamik und ein sich ständig änderndes Unternehmensumfeld machen deutlich, dass die Voraussetzungen für eine Induktion nicht erfüllt sind. Da wirtschaftliche Entscheidungen aber dennoch getroffen werden müssen, bilden Vergangenheitsdaten wegen fehlender Alternativen regelmäßig die Grundlage für Prognosen mit entsprechend eingeschränkter Aussagekraft. Zur Plausibilisierung der Daten sind zusätzlich zukunftsgerichtete Informationen, wie die der strategischen Bilanzanalyse, heranzuziehen, deren Verlässlichkeit aber i. d. R. nicht sichergestellt ist. Strategische Bilanzanalyse und Unternehmenswert Der Marktwert des Eigenkapitals eines Unternehmens ergibt sich am Kapitalmarkt über den Mechanismus der Preisbildung für die Unternehmensanteile. Der Preis spiegelt die Erwartungen der Akteure am Kapitalmarkt über die künftigen Auszahlungen eines Unternehmens an ihre Eigentümer wider. Würde die Preisbildung unter Geltung eines vollkommenen Kapitalmarktes (bezogen auf jeweils eine künftige Periode) erfolgen, dann kann sich der zum jeweiligen Betrachtungszeitpunkt ergebende Wert als „wahrer“ Unternehmenswert in dem Sinne bezeichnet werden, als dass für die (risikoaversen) Anteilskäufer und -verkäufer keine Arbitragemöglichkeiten bestehen. Da die Voraussetzungen eines vollkommenen Kapitalmarkts in der Realität nicht erfüllt sind, ist der Unternehmenswert eine von den gesetzten Prämissen abhängige Variable eines Bewertungsmodells. Bewertungsmodelle komprimieren die künftig aus dem Unternehmen erwarteten Zahlungsströme auf eine einzige Größe, den Barwert. Nach dem Modell des Ertragswertverfahrens wird der Barwert (Wert des Eigenkapitals) beispielsweise wie folgt ermittelt: | 3.2 Erfordernis des Treffens wirtschaftlicher Entscheidungen trotz Humeschen Problems Zum „wahren“ Marktwert eines Unternehmens Zum Marktwert als Variable der Bewertungsprämissen 86 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e BW = Σ   t = 1 n G t _   (1 + k) t + G n + 1 __   k - w _   (1 + k) n BW = Barwert G t = Gewinnausschüttung der Periode t G n = Gewinnausschüttung ab Periode n + 1 k = Diskontsatz w = konstante Wachstumsrate der Gewinnausschüttung (w < i) Aus der Analyse eines Unternehmens wurden folgende Prämissen abgeleitet (Angaben in Mio. €): t1 t2 t3 t4 - ∞ Gewinnausschüttungen 4 5 3 1 Diskontsatz (k): 9 % p. a. konstante Wachstumsrate (w) ab t4: 1,5 % BW = 4 _   1,09 + 5 _   1,09 2 + 3 _   1,09 3 + 1 __   0,09 - 0,015 __   1,09 3 = 20,49 Der Barwert der künftigen Ausschüttungen (Zukunftserfolgswert) des Unternehmens beträgt 20,49 Mio. €. Der am Kapitalmarkt für börsennotierte Gesellschaften ermittelte Marktwert des Eigenkapitals weicht i. d. R. von seinem inneren Wert ab, der durch ein Bewertungsmodell oder durch Fundamentalanalyse bestimmt werden kann. Unvollständige oder unterschiedlich interpretierbare Informationen erzeugen bei Analysten, Marktakteuren oder der Unternehmensleitung abweichende Erwartungen und Einschätzungen hinsichtlich der Fähigkeit des Unternehmens, Ausschüttungspotenzial zu generieren. Daher existiert der „wahre“ Wert eines Unternehmens nicht. Zur strategischen Bilanzanalyse zählen u. a. die marktbasierte Performanceanalyse, die Werttreiberanalyse und die strategische Ressourcenanalyse. Während die marktbasierte Performanceanalyse die Erwartungen der Investoren an ein Unternehmen in den Vordergrund stellt und diese z. B. in Relation zum inneren Wert des Unternehmens setzt oder aus ihnen die Wachstumser- Beispiel ▼ ▲ Die strategische Bilanzanalyse versucht, Gründe für abweichende Erwartungen oder Fehleinschätzungen von Investoren offenzulegen. Sie liefert damit implizit einen Beitrag zur langfristigen Angleichung von Marktwert und innerem Wert eines Unternehmens. Merksatz ▼ 87 m a r k T B a s i e r T e P e r F o r m a n c e a n a l y s e wartungen des „Kapitalmarktes“ ableiten will, sind die Werttreiberanalyse und die strategische Ressourcenanalyse auf die strategischen Erfolgsfaktoren ausgerichtet, die das Fundament des inneren Werts eines Unternehmens bilden. Marktbasierte Performanceanalyse Die marktwertbasierte Performanceanalyse geht im Kern der Frage nach, in welchem Verhältnis der am Kapitalmarkt beobachtbare Wert des Eigenkapitals zu den Chancen und Risiken des betrachteten Unternehmens steht, welche strategischen Faktoren aus Sicht der externen Investoren Einfluss auf die Wertbildung haben und welche Wachstumserwartungen sich im Zukunftserfolgswert widerspiegeln. Aktien-Performanceanalyse Die Aktienrentabilität (Total Return to Shareholder oder oft auch Total Shareholder Return) wird wie folgt bestimmt (vgl. sowie im Folgenden Coenenberg / Haller / Schultze, 2009, S. 1187 ff.): TRS t = P t -P t - 1 + D (t - 1, t) ___   P t - 1 P t = Aktienkurs zum Zeitpunkt t (t = Jahr oder Quartal) P t - 1 = Aktienkurs zum Zeitpunkt t - 1 D (t, t - 1) = Dividende (Ausschüttung) in t für die Vorperiode Der Aktienkurs an der X-Börse der A-AG beträgt zum Zeitpunkt t 190 € / Anteil, zum Zeitpunkt t - 1 hingegen 100 € / Anteil. Die Ausschüttung D (t, t - 1) beträgt 5 € / Aktie. Total Return to Shareholder = 190 - 100 + 5 __   100 = 0,95 (95 %) Marktwert des Eigenkapitals Zukunftserfolgswert Innerer Wert Marktbasierte Performanceanalyse Werttreiberanalyse Strategische Ressourcenanalyse Erwartungen über künftige Gewinnauszahlungen eines Unternehmens | Abb 3.1 | 3.3 Analyse der Erwartungen der Investoren Beispiel ▼ | 3.3.1 88 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e Eine Aktie der A-AG konnte innerhalb der betrachteten Zeitspanne an der X-Börse einen Wertzuwachs von 95 % generieren. Zur Erklärung der Aktienrentabilität können multiplikativ verknüpfbare Komponenten wie folgt definiert werden (vgl. Bruckner / Leithner / McLean / Taylor / Welch, 1999, S. 98 ff.): a) Branchen-Rendite BR t = BP t - BP t - 1 + BD (t - 1, t) ____   BP t - 1 BP = Durchschnittskurs der Branche BD = Durchschnittsdividende der Branche Der Aktienindex der X-Börse von Unternehmen, die der gleichen Branche wie die A-AG angehören, beträgt zum Zeitpunkt t 138, zum Zeitpunkt t - 1 hingegen 100. Die durchschnittliche Dividende der Branche beträgt 3,64 € / Aktie. Branchen-Rendite = 138 - 100 + 3,64 ___   100 = 0,4164 (41,64 %) Die Rentabilität der A-AG ist um 53,36 %-Punkte höher als die der Branche (95 % - 41,64 %) bzw. mehr als doppelt so hoch wie die Branchen-Rendite (0,95 / 0,4164 = 2,28), was auf besondere Leistungspotenziale des Unternehmens zurückzuführen ist. b) Relative Dividendenrentabilität (bezogen auf den Beurteilungszeitpunkt) RD t = (1 + d (t - 1, t) ) __   (1 + Bd (t + 1, t) ) - 1 d = Dividendenrentabilität bezogen auf den Beurteilungszeitpunkt = D (t - 1, t) __   P t Bd = branchendurchschnittliche Dividendenrentabilität bezogen auf den Beurteilungszeitpunkt = BD (t - 1, t) __   BP t Für die obigen Angaben ergibt sich folgende Relative Dividendenrendite: RD = 1 + 5 _   190 __   1 + 3,64 _  138 - 1 = 0,0263 _   0,0264 - 1 = 0,9999 - 1 = - 0,00005 (- 0,005 %) ▲ ▲ Beispiel ▼ Beispiel ▼ 89 m a r k T B a s i e r T e P e r F o r m a n c e a n a l y s e Die Dividendenrentabilität einer Aktie der A-AG (bezogen auf den Beurteilungszeitpunkt t) entspricht fast die der Branche, obwohl die absolute Dividende der A-AG den branchendurchschnittlichen übersteigt. Der kleine negative Effekt (-0,005 %) erklärt sich aus den Erwartungen der Investoren, die künftig weiterhin hohe Ausschüttungen der A-AG erwarten und daher zum Beurteilungszeitpunkt den Kurs der Aktie „treiben“. c) Performance-Erwartung ca) kurzfristige Perspektive (kf) PE kft = EP t __   EPS t - 1 __   BEPS t __   BEPS t - 1 - 1 EPS = Earnings per Share (Ergebnis je Aktie) BEPS = branchendurchschnittliche Earnings per Share Die Anzahl der Aktien der A-AG beträgt 600 Mio. Stück. Das Jahresergebnis beläuft sich auf 4,2 Mrd. € (im Vorjahr 3,9 Mrd. €). Das branchendurchschnittliche Ergebnis je Aktie beträgt in t 5 € / Anteil, in t - 1 hingegen 4,8 € / Anteil. PEkf = 4,2 Mrd. € ___   600 Mio. Stück ____     3,9 Mrd. € ___   600 Mio. Stück D (t - 1, t) ____   5 _   4,8 - 1 = 1,077 _   1,042 - 1 = 1,03383 - 1 = 1,03384 - 1 = 0,03384 (3,384 %) Die kurzfristige Performance des Gewinns je Aktie treibt die Aktienrentabilität ceteris paribus um 3,384 %. cb) langfristige Perspektive (lf) PE lf = PER t __   PER t - 1 __   BPER t __   BPER t - 1 - 1 PER = Price-Earnings-Ratio BPER = branchendurchschnittliches Price-Earnings-Ratio ▲ ▲ Beispiel ▼ 90 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e Für obige Daten ergibt sich folgendes: PE kf = 190 _   7 _   100 _  6,5 _   138 _   5 _   100 _  4,8 - 1 = 1,764 _   1,3248 - 1 = 1,3317 - 1 = 0,3317 (33,17 %) Die langfristige Performance des Gewinns je Aktie treibt die Aktienrentabilität ceteris paribus um 33,17 %. Die Teilkomponenten ergeben mittels der folgenden Erklärungsgleichung den Wert der Aktienrentabilität: TRS = (1 + BR) * (1 + RD) * (1 + PE kf ) * (1 + PE lf ) - 1 Unter Heranziehung der errechneten Werte für die vier Teilkomponenten ergibt sich dann folgende Erklärungsgleichung (vgl. Coenenberg / Haller / Schultze, 2009, S. 1189): TRS = (1,4164) * (0,9999) * (1,03384) * (1,3317) - 1 = 0,95 (95 %) Analyse der Markterwartungen Überrenditeerwartung Zur Bestimmung des Zukunftserfolgswertes (ZEW) eines Unternehmens ( s iehe Glossar) kann unter der Bedingung, dass das Kongruenzprinzip (Clean Surplus Accounting) gilt, wonach die Summe aller Erträge und Aufwendungen der Summe aller Einzahlungen und Auszahlungen entspricht, das Residualgewinn ( s iehe Glossar) -Modell herangezogen werden. Danach ergibt sich der Zukunftserfolgswert wie folgt: ZEW = V 0 + Barwert RG - MW FK V 0 = Vermögen im Bewertungszeitpunkt t = 0 (Anfangsvermögen) RG = Gewinn nach Steuern + Zinsen - Tax Shield (auf Zinsen) - V t - 1 * WACC Beispiel ▼ Beispiel ▼ ▲ ▲ 3.3.2 | 3.3.2.1 | Zukunftserfolgswert und Residualgewinn-Modell 91 m a r k T B a s i e r T e P e r F o r m a n c e a n a l y s e Barwert RG = Summe der periodenbezogenen RG diskontiert mit den WACC (Weighted Average Cost of Capital unter Berücksichtigung des Tax Shields der Zinsen) MW FK = Marktwert des Fremdkapitals zum Bewertungszeitpunkt Ein Unternehmen führt im Zeitpunkt t 0 nur eine einzige Investition durch, die je zur Hälfte mit Eigen- und Fremdkapital finanziert wird. Folgende Prämissen (Planungswerte) liegen vor: WACC: 10 % p. a. („atmende Finanzierung“ Anschaffungsauszahlungen: 90 Mio. € Prämissen (in Mio. €): t 1 t 2 t 3 Gewinn nach Steuern 12 8 4 Zinsen abzl. Tax Shield 1,575 1,05 0,525 Abschreibungen 30 30 30 Die Berechnung ergibt: ZEW = 90 + 12 + 1,575 + 90 * 0,1 ____   1,1 + 8 + 1,05 - 60 * 0,1 ___   1,1 2 + 4 + 0,525 - 30 * 0,1 ___   1,1 3 - 45 = 52,83 Der Zukunftserfolgswert des Unternehmens beläuft sich unter Zugrundelegung der Planungsprämissen auf 53,98 Mio. €. Die Überrenditen (RG t / V t - 1 ) betragen für t = 1 bis 3 jeweils 5,09 % (t 1 : 4,575 / 90; t 2 : 3,05 / 60; t 3 : 1,252 / 30) Der Zukunftserfolgswert kann in Beziehung zum Marktwert des Eigenkapitals gesetzt und analysiert werden, welche Gewinnerwartungen die Investoren im Aktienkurs verarbeiten. Einerseits kann das Management die Planungsprämissen an den Erwartungen spiegeln, anderseits können externe Analysten plausibilisieren, ob die Marktbewertung realistisch ist. Unter der Annahme, dass die Prämissen für die WACC gelten, kann die Wertdifferenz Anhaltspunkte über die erwartete Überrendite der Investoren liefern. Der Marktwert des Eigenkapitals des Unternehmen im Zeitpunkt t 0 beträgt 60 Mio. €. Es ergibt sich eine Wertdifferenz von 7,14 Mio. € (60 Mio. € - 52,83 Mio. €). Wie sich zeigt, übersteigen die erwarteten Residualgewinne die Planungswerte des Unternehmens um 2,88 Mio. € pro Periode: ▲ Beispiel ▼ Beispiel ▼ WACC 92 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e 2,88 = (1,1) 3 * 0,1 __   (1,1) 3 - 1 * 7,14 Damit beträgt die erwarteten Überrendite 8,23 % ((4,575 + 2,88) / 90) für t = 1, 9,89 % ((3,05 + 2,88) / 60) für t = 2 und 14,70 % ((1,252 + 2,88) / 30) für t = 3. In diesem Kontext ist das zur internen Steuerungszwecken entwickelte EVA- Verfahren (Economic Value Added-Verfahren)zu sehen (EVA ® der Consultants Stern Stewart & Co.). Dieses Verfahren will das theoretische Residualgewinnkonzept praxisnah ausgestalten. Danach ergibt sich der Residualgewinn wie folgt: EVA = NOPAT - Kapitalkosten für das eingesetzte Geschäftskapital Der NOPAT (Net Operating Profit After Taxes) wird aus dem Jahresergebnis eines Unternehmens abgeleitet: EBIT (Earnings Before Interest And Taxes) ± außerordentliche und aperiodische Ergebnisbestandteile = periodenbezogener ordentlicher EBIT (p. o. EBIT) - Steuern auf den p. o. EBIT = NOPAT Der NOPAT ist eine Nach-Steuergröße. Wird das EVA-Konzept mit dem WACC-Ansatz verbunden, enthält der NOPAT nicht das Tax Shield der Zinsen. Insoweit ist die Bezeichnung NOPLAT zutreffender (Net Operating Profit Less Adjusted Taxes) (vgl. Mandl / Rabel, S. 317) Das EVA-Konzept liefert einen Anhaltspunkt für die Wertschaffung innerhalb einer Periode. Ein positiver EVA-Wert („Übergewinn“) steht für einen Wertzuwachs, da ein höheres Geschäftsergebnis die Renditeanforderungen der Eigentümer übertrifft. Ein negativer EVA deutet im Gegensatz dazu auf eine Wertvernichtung hin. Insoweit liegt eine aus dem Abschluss generierbare, objektivierte Größe Wachstumserwartung Ausgehend vom Residualgewinn-Modell für den unendlichen Fall und unter der Annahme eines konstanten Wachstumsfaktors w (w < WACC) kann das vom Markt implizit berücksichtigte Wachstum wie folgt beziffert werden (vgl. auch Coenenberg / Haller / Schultze, 2009, S. 1190): g = WACC - 1 _________         (ZEW + MWFK - V 0 - Σ  t = 1 n RG t __   (1 + WACC) t ) * (1 + WACC) n __   __   RG __   RG = konstanten Residualgewinn ▲ Interne Steuerung und Performancemessung mittels des Economic Value Added NOPAT EVA-Konzept 3.3.2.2 | Ein erwarteter Unternehmenswachstumsfaktor als zentrale Marktbewertungsprämisse 93 w e r T T r e i B e r a n a l y s e Die Investoren am Kapitalmarkt bewerten das Eigenkapital eines Unternehmens im Zeitpunkt t 0 mit 75,45 Mio. €. Prämissen: Marktwert des Fremdkapitals in t 0 : 45 Mio. € Verschuldungsgrad in t 0 : 1 Zinssatz (i) des Fremdkapitals: 5 % p.a. WACC: 10 % p. a. t 1 t 2 t 3 t 4 - ∞ RG (Mio. €) 5,25 3,5 1,75 2 Der Kapitalmarkt erwartet in t 0 ein Unternehmenswachstum w in Höhe von 3 %: 0,03 = 0,1 - 1 ______       ( 75,45 + 45 - 90 - 5,25 _   1,1 + 3,5 _   1,1 2 + 1,75 _  1,1 3 ) * (1,1) 3 _   2 Die Höhe des Wachstumsfaktors eines Unternehmens ist nicht losgelöst vom Wachstum seiner Branchen oder dem Wachstum der Volkswirtschaft (i. d. R. zwischen 1,5 % und 5 %) zu sehen. Ein Unternehmenswachstum, das dauerhaft über diesen Vergleichswerten liegt, ist nicht plausibel und deutet auf eine Überbewertung des Unternehmens hin. Für Cisco Systems Inc. ergab sich z. B. ausgehend von 2006 eine langfristig implizierte Wachstumsrate von 5,3 %. Für DaimlerChrysler wurde ausgehend von 2005 ein Wert von 2,2 % ermittelt. Während für Cisco keine plausiblen Wachstumserwartungen bestanden und wohl eine Überbewertung vorlag, ist das Management im letzteren Fall gehalten, erhöhte Anstrengungen zu unternehmen, um die im Marktwert eingepreisten erwarteten Wachstumseinbrüche zu kompensieren (vgl. Coenenberg / Salfeld, S. 49, 59; vgl. Coenenberg / Haller / Schultze, 2009, S. 1191). Werttreiberanalyse Die Werttreiberanalyse setzt an den fundamentalen Treibergrößen eines Unternehmens, den Geschäftsaktivitäten an. Da Unternehmen i. d. R. in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig sind, muss die Analyse auf der Ebene der einzelnen Segmente durchgeführt werden. Damit wird die Werttreiberanalyse zu einer Analyse des Geschäftsportfolios. Die Analyse kann als eine Kombination von qualitativen und quantitativen Elementen ausgestaltet werden. Beispiel ▼ ▲ Wachstumsfaktor eines Unternehmens Analyse des Geschäftsportfolios eines Unternehmens | 3.4 94 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e Im Mittelpunkt der qualitativen Analyse stehen die Stärken und Schwächen sowie die Chancen und Bedrohungen der Segmente (SWOT-Analyse). Die SWOT-Analyse beruht auf Informationen aus dem Unternehmen und dem Unternehmensumfeld, wie z. B. Brancheninformationen. Die wichtigste Informationsbasis stellt neben den von Analysten bereitgestellten Daten der Geschäftsbericht dar. Allerdings werden Informationen von strategischer Relevanz nur selten explizit preisgegeben. Daher sind SWOT-Analysen generell nur begrenzt und nicht in standardisierter Form durchführbar (vgl. Coenenberg / Haller / Schultze, 2009, S. 1194 ff. mit praktischen Hinweisen und Geschäftsberichtsauswertungen). Die quantitative Analyse greift im Wesentlichen auf Instrumente der klassischen Bilanzanalyse zurück. Wichtige Kennzahlen sind z. B.: Segment-Wachstumsquote = Zugang zum langfristigen Segmentvermögen ________       Segmentabschreibungen Cashflow-Investitionsgrad = Nettoinvestitionen ins Segmentanlagevermögen ________       Segmentcashflow Kapitalumschlag = Segmentumsatz ______       Capital Employed des Segments (Capital Employed = Eigen- und Fremdkapital) Umsatzrentabilität = Segment EBIT ___     Segmentumsatz Segment-EBITA (Earnings Before Interest, Taxes and Amortization [Amortization = Abschreibung auf den Geschäfts- und Firmenwert]) Segment-ROCE (Return On Capital Employed) = Segment EBIT ______       Capital Employed des Segments Segment-WACC Nur die kontextabhängige Verbindung der qualitativen Ergebnissen mit den Erkenntnissen der SWOT-Analyse führt schließlich zu zukunftserfolgswertorientierten Aussagen. Strategische Ressourcenanalyse Die zeitpunktbezogene Differenz zwischen dem Zukunftserfolgswert eines Unternehmens und dem Eigenkapital, das ein Unternehmen in seiner Bilanz ausweist, wird als Geschäftswert bezeichnet. Ein nicht bilanzierter Geschäftswert erfasst das intellektuelle Kapital eines Unternehmens 3.5 | 95 s T r a T e g i s c h e r e s s o u r c e n a n a l y s e Der Teil des Geschäftswertes, der nicht auf stille Reserven oder identifizierbare immaterielle Vermögenswerte entfällt, stellt den Barwert des Cashflow aus dem Unternehmen dar, der aus Sicht der Investoren künftig durch bisher nicht greifbare immaterielle Werte generiert wird. Die strategische Ressourcenanalyse setzt hier an. Sie untersucht die strategischen Potenziale und Fähigkeiten der Analyseobjekte. Im Prinzip geht es um die Identifikation der zukünftigen potenziellen Wettbewerbsvorteile und die Beurteilung, ob dadurch Unternehmenswachstums generiert werden kann. Unklar bleibt allerdings, ob es einem Unternehmen überhaupt gelingen wird, diese Wettbewerbspotenziale zu nutzen. Künftige Wettbewerbsvorteile basieren auf Potenzialen, die noch nicht das Konkretisierungsstadium der Identifizierbarkeit erreicht haben. Es handelt sich um „intellektuelles Kapital“ ( s iehe Glossar) , das in folgende Kategorien eingeordnet werden könnte (vgl. Arbeitskreis „Immaterielle Werte im Rechnungswesen“ der Schmalenbach-Gesellschaft, 2001, S. 990 f.): ▶ Human Capital (u. a. Wissen, Kompetenz, Motivation), ▶ Customer Capital (u. a. Kundenloyalität, Marktanteile, Marken, Abnahmeverträge), ▶ Supplier Capital (u. a. vorteilhafte Verträge mit Zulieferern oder Bezugsrechte ( s iehe Glossar)), ▶ Investor Capital (u. a. Ausprägung von Investor Relations, gutes Rating), ▶ Process Capital (u. a. Fähigkeiten zur Netzwerkbildung oder in der aufbau- und ablauforganisatorischen Abwicklung der Wertschöpfungsprozesse in Produktion, Vertrieb, Entwicklung ect.), ▶ Location Capital (vor allem Standortvorteile), oder ▶ Innovation Capital (u. a. Produkt- und Verfahrensinnovationen, Patente, Rezepturen, ungeschützte technische Erfindungen). Die Schwierigkeit besteht neben der Identifizierung des intellektuellen Kapitals insbesondere darin, einzuschätzen, ob damit eher ein niedriges oder ein höheres Wachstumspotenzial verbunden sein könnte. Dabei ist es hilfreich, schrittweise den wissensbezogenen Managementprozess von der Wurzel der Entstehung über die Entwicklung und Speicherung bis hin zur wertsteigernden Verwertung von Wissen zu analysieren. Die Bedeutung einer ressourcenorientierten Analyse wird wegen der Entwicklung hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft zunehmen. Damit werden auch die Anforderungen der Investoren bezüglich zusätzlicher Informationen zum intellektuellen Kapital wachsen. Die Investor Relations von kapitalmarktorientierten Unternehmen wird darauf auszurichten sein. Intellektuelles Kapital identifizieren 96 s T r a T e g i s c h e B i l a n z a n a l y s e Die strategische Bilanzanalyse ist ein anspruchsvolles Instrumentarium der prospektiven Beurteilung von Unternehmen. Sie verbindet quantitative und qualitative Analyseelemente, deren Ergebnisse Spielraum für Interpretationen lassen. Charakteristisch für die strategische Bilanzanalyse ist vor allem ihr geringer Standardisierungsgrad. Damit ist einzelfallbezogen zu entscheiden, welche Daten und wie diese Daten generiert werden sollen. Es handelt sich um eine Analysetechnik, deren Anwendung sowohl fundierte Kenntnisse und als auch ausreichende Erfahrungen erforderlich macht. Im Gegensatz zur klassischen Bilanzanalyse, die rechenschaftsbezogen komprimierte Daten für Zwecke der Einschätzung vergangener Zeiträume liefern will, fokussiert die strategische Bilanzanalyse auf zukünftige Zeiträume. Die damit verbundenen Aussagen sind daher unsicher und liefern allenfalls Anhaltspunkte über bestehende Divergenzen zwischen Marktwerten und inneren Werten von Unternehmen oder über mögliche Gründe, warum Investoren bestimmte Erwartungshaltungen einnehmen. Trotz der Einschränkungen sollten auch vage Informationen im Vorfeld des Treffens wirtschaftlicher Entscheidungen berücksichtigt werden, um die Planungen auf ein möglich breites Fundament zu stellen, d. h. die möglichen Zukunftslagen vollständig abzubilden. Dem Entscheidungsträger obliegt dann schließlich die Verantwortung, den Lagen entsprechende Eintrittswahrscheinlichkeiten zuzuordnen. Zusammenfassung 1 In welcher Beziehung steht die strategische Bilanzanalyse zum Marktwert eines Unternehmens? 2 Warum ist es sinnvoll, strategische Bilanzanalyse zu betreiben? 3 Welche Analysemethoden kommen für die strategische Bilanzanalyse in Frage? 4 Wo setzen die Analysemethoden an und was ist ihr Ziel? 5 Das von den Investoren erwartete Unternehmenswachstum ist eine zentrale Marktbewertungsprämisse. Inwieweit kann diese plausibilisiert werden? 6 Welche Einschränkungen gelten bezüglich prospektiver Analyseaussagen? 7 Warum sollten die Ergebnisse der prospektiven Unternehmensanalyse im Prozess wirtschaftlicher Entscheidungsfindung einbezogen werden? Fragen ▼ ▲ 97 l i T e r a T u r A rbeitskreis (2001): Immaterielle Werte im Rechnungswesen der Schmalenbach-Gesellschaft, Kategorisierung und bilanzielle Erfassung immaterieller Werte. In: Der Betrieb, 2001, S. 989 ff. b rösel , G. (2010): Bilanzanalyse. 13. Auflage, 2010. b ruckner , k.; l eithner , s.; M c l eAn , r.; t Aylor , c.; W elch , J. F. (1999): What is the market telling you about your strategy? In: The McKinsey Quarterly, 1999, S. 98ff. c oenenberG , G. A.; h Aller , A.; s chultze , W. (2009): Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse. 21. Auflage, Stuttgart c oenenberG , G. A.; s AlFeld , r. (2007): Wertorientierte Unternehmensführung. 2. Auflage, Stuttgart e ilenberGer , G. (2003): Betriebliche Finanzwirtschaft. 7. Auflage, München k ütinG , k.; W eber , c.-P. (2011): Bilanzanalyse, 10. Auflage, Stuttgart M Andl , G.; r Abel , k. (1997): Unternehmensbewertung. Wien Literatur | 3.6 98 Bedeutung der Innenfinanzierung Nach dem heute allgemein anerkannten Shareholder Value-Ansatz sind die Unternehmensziele an den Zielen der Anteilseigner (Eigenkapitalgeber) auszurichten. Da oft auch die Ziele der Anteilseigner konkurrieren, wird auf die Maximierung des Unternehmenswertes abgestellt (Alfred Rappaport, „Creating Shareholder Value“, 1986, Chicago-School). Als Unternehmenswert ist Innenfinanzierung 4 | 4.1 Bedeutung der Innenfinanzierung 4.2 Quellen der Innenfinanzierung 4.3 Operativer Cashflow 4.4 Selbstfinanzierung aus dem operativen Cashflow 4.5 Selbstfinanzierung aus Desinvestitionen (Investiver Cash-In-Flow) Inhalt ▶ Sie sollen das Ausmaß und die Höhe der Innenfinanzierung der Unternehmung mit Hilfe der Cashflow-Rechnung berechnen können. ▶ Sie sollen den Cashflow mit Unterstützung der Kapitalflussrechnung interpretieren können. ▶ Sie sollen begreifen, dass der Cashflow ein grundsätzlicher Bestandteil der dynamischen Investitionsrechnungen und der Unternehmensbewertungen ist, der erst einmal durch die Methoden und Instrumente des Rechnungswesens zu ermitteln ist. Übersicht ▼ ▲ 4.1 | 99 Q u e l l e n d e r i n n e n F i n a n z i e r u n g der „Marktwert des Eigenkapitals“, ermittelt als Barwert der künftig an die Anteilseigner fließenden Zahlungen (Gewinnausschüttungen und Kapitalrückzahlungen), zu verstehen. Dem Ziel der Unternehmenswertmaximierung ist das Unterziel „Aufrechterhaltung der Liquidität “ zugeordnet, da der Wert des Unternehmens gerade von seiner Fähigkeit determiniert wird, erwirtschaftete (Buch-) Gewinne auch tatsächlich auszahlen zu können. Mittel- und langfristig kann dieses Unterziel nur durch die Innenfinanzierungsquellen eines Unternehmens sichergestellt werden. Quellen der Innenfinanzierung Überblick Die Innenfinanzierung ist neben der Außenfinanzierung ursächlich für den Cashflow eines Unternehmens. Die Finanzierungsquellen zeigen, woher die Finanzmittel stammen (Mittelherkunft). Grundsätzlich können die Finanzmittel für Investitionsauszahlungen, die Bedienung von Fremdkapital oder Ausschüttungen verwendet werden (Mittelverwendung). Letzteres gilt allerdings nicht für die Innenfinanzierungsquellen, die auf Ausschüttungssperren beruhen. Die wichtigste Innenfinanzierungsquelle (im Sinne der originären Selbstfinanzierung) stellt der operative Cashflow dar. Dieser wird gespeist aus dem Cashflow der am Absatzmarkt veräußerten Gütern- und Dienstleistungen und optimiert durch das Working-Capital-Management ( s iehe Glossar) (Cash-Cycle-Management und Rationalisierungsmaßnahmen zur Verringerung des Cash-Out-Flow). Zur Innenfinanzierung zählt auch der Prozess der Transformation von Sachgütern in Finanzmittel (Desinvestitionen). Diese Innenfinanzierungsquelle wird regelmäßig dem Bereich „Cashflow aus der Investitionstätigkeit“ zugeordnet. Unternehmen bestimmter Rechtsformen finanzieren sich regelmäßig aus ausschüttungsgesperrten Finanzmittel, die dem operativen Cashflow entstammen. Dazu zählen insbesondere Zuführungsbeträge zu langfristigen Rückstellungen (Schulden) und Abschreibungsbeträge auf das Sachanlagevermögen. Diese Zusammenhänge lassen sich wie folgt darstellen: | 4.2 | 4.2.1 Liquidität aufrechterhalten Innenfinanzierung bedeutet die Beschaffung von Finanzmitteln aus dem Unternehmen heraus. Dieser Prozess ist mit dem Zuwachs an Kapital oder einer Vermögensumschichtung verbunden. Definition ▼ ▲ 100 i n n e n F i n a n z i e r u n g Der Cashflow ( s iehe Glossar) Der Cashflow ergibt sich daher als Differenz zwischen den Finanzmittelbeständen am Ende und am Anfang einer Periode, ist also die Saldogröße der Finanzmitteltransaktionen eines Unternehmens innerhalb dieser Periode. Daher gilt auch: Finanzmittelbestand am Ende der Periode = Finanzmittelbestand am Anfang der Periode + Cashflow der Periode Der innerhalb einer Periode generierte Cashflow hat mehrere Ursachen. Daher ist es erforderlich, den Cashflow aufzuspalten. Üblicherweise erfolgt die Aufspaltung in Finanzierungsquellen (Finanzierungsformen) (Cashflow aus) Außenfinanzierung (Cashflow aus) Innenfinanzierung Desinvestitionen Working-Capital-Management Cashflow aus unternehmerischer Tätigkeit Investiver Cashflow Operativer Cashflow Ausschüttungsgesperrte Beträge Abschreibungen Langfristige Rückstellungen Fremdkapital Eigenkapital Investitionen Bedienung von Fremdkapital (Zins/ Tilgung) Gewinnausschüttung Mittelherkunft Mittelverwendung Abb 4.1 | Cashflow bezeichnet die Summe der dem Unternehmen innerhalb einer Periode zugeflossenen (Cash-In-Flow) und abgeflossenen Finanzmittel. Definition ▼ ▲ 4.2.2 | 101 Q u e l l e n d e r i n n e n F i n a n z i e r u n g ▶ Cashflow aus operativer Tätigkeit, ▶ Cashflow aus der Investitionstätigkeit, ▶ Cashflow aus Finanzierungstätigkeit. Der Cashflow aus operativer Tätigkeit ist der bedeutendste Cashflow- Bestandteil. Dieser bildet die Hauptquelle der Innenfinanzierung und ist Grundlage der Prognose künftiger Ausschüttungen an die Eigentümer eines Unternehmens. Damit beeinflusst diese Finanzierungsquelle entscheidend den Unternehmenswert. Die aufgespalteten Cashflow-Bestandteile sind grundsätzlich direkt zu ermitteln, d. h. es sind die jeweiligen Ein- und Auszahlungen zu bestimmen. Eine Ausnahme bildet der operative Cashflow. Dieser kann auch indirekt ermittelt werden, d.h. ausgehend vom Jahresergebnis einer Periode. Ein Unternehmen erwirtschaftet in einer Periode t 1 ein Jahresergebnis von 50.000 €. Folgendes ist noch bekannt (Wertangaben in €): Finanzmittelbestand t 0 : 10.000 Finanzmittelbestand t 1 : 24.500 Informationen zum operativen Bereich: Bei der Ermittlung des Jahresergebnisses wurde eine Abschreibung in Höhe von 10.000 berücksichtigt. Bilanzpostenänderungen (Bestand t 1 - Bestand t 0 ): Forderungen aus Lieferungen und Leistungen: +20.000 Vorräte: -5.000 sonstige Rückstellungen: -7.000 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen: +30.000 Informationen zum investiven Bereich: Einzahlungen aus Desinvestitionen: 5.000 Auszahlungen für Investitionen: 50.000 Informationen zum finanziellen Bereich: Einzahlungen aus Bankkrediten: 17.500 Auszahlungen für die Tilgung von Bankkrediten: 6.000 Ausschüttungen an Eigentümer: 10.000 Cashflow-Ermittlung und Spaltung: Cashflow der Periode: 34.500 - 10.000 = 24.500 Cashflow-Spaltung: a) Cashflow aus operativer Tätigkeit: Jahresergebnis 50.000 + Abschreibungen 10.000 (nicht auszahlungswirksamer Aufwand) Cashflow aus operativer Tätigkeit Beispiel ▼ 102 i n n e n F i n a n z i e r u n g - Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen 20.000 (Kapitalbindung, da Gewährung eines Lieferantenkredits) + Minderung der Vorräte 5.000 (Kapitalfreisetzung) - Minderung der sonstigen Rückstellungen 7.000 (Begleichung von Schulden) + Zunahme der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 30.000 (Erhalt eines Lieferantenkredits) = 68.000 b) Cashflow aus der Investitionstätigkeit: Einzahlungen aus Desinvestitionen 5.000 Auszahlungen für Investitionen 50.000 = -45.000 c) Cashflow aus Finanzierungstätigkeit: Einzahlungen aus Bankkrediten 17.500 Auszahlungen für Tilgung die von Bankkrediten 6.000 Ausschüttungen 10.000 = 1.500 Cashflow = 68.000 - 45.000 + 1.500 = 24.500 Operativer Cashflow Zum Cashflow aus unternehmerischer Tätigkeit Der operative Cashflow wird überwiegend aus den Markttransaktionen des Unternehmens generiert. Dazu zählen die Einzahlungen aus Verkäufen von Gütern und Dienstleistungen (Cash-In-Flow) und die Auszahlungen für Rohstoffe, Vorleistungen und Personal. Die Ein- und Auszahlungen des operativen Bereichs können sowohl aus der zu betrachtenden Periode als auch aus vorgelagerten Perioden stammen. Sie sind zu unterscheiden von den Komponenten des Jahresergebnisses. Nicht alle Komponenten des Jahresergebnisses sind auch in der Periode ihre Verursachung zahlungswirksam. Daher enthält der operative Cashflow regelmäßig auch solche Zahlungen, die in Vorperioden verursacht wurden. Die direkte Ermittlung des operativen Cashflows durch Gegenüberstellung von Ein- und Auszahlungen erfordert detaillierte Informationen über den Zahlungsstrom der jeweils interessierenden Kategorie des operativen Bereichs, z. B.: ▶ Einzahlungen aus Umsatzerlösen, ▶ Einzahlungen aus anderen Erträgen, ▶ Auszahlungen für Rohstoffe, ▲ 4.3 | 4.3.1 | ( s iehe Glossar) 103 o P e r a T i v e r c a s h F l o w ▶ Auszahlungen für andere Vorleistungen, ▶ Auszahlungen Personal. Die dafür erforderlichen Informationen können beispielsweise durch ein dreigliedriges Rechnungswesen bereitgestellt werden (vgl. bereits Lehmann, 1925, S. 341 ff.). Die indirekte Ermittlung des operativen Cashflow setzt am Jahresergebnis an und erfordert daher Informationen über folgende Sachverhalte (-/ +): ▶ nicht zahlungswirksame Erträge (-) ▶ (Buchgewinne aus dem Abgang von Sachanlagevermögen, Erhöhung der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in der Periode), ▶ nicht zahlungswirksame Aufwendungen (+) ▶ (Abschreibungen, Buchverluste aus dem Abgang von Sachanlagevermögen, Erhöhung der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in der Periode), ▶ Einzahlungen aus Erträgen, die aus Vorperioden stammen (+) ▶ (Abnahme der Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in der Periode), ▶ Auszahlungen für Aufwendungen, die aus Vorperioden stammen (-) ▶ (Abnahme der Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen in der Periode). Im Rahmen der Cashflow-Erklärungsrechnung (Kapitalflussrechnung) bilden die Finanzmittel den zu erklärenden Posten bzw. den sogenannten Fonds. Für ein Unternehmen liegt eine nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten strukturierte Bilanz für das Geschäftsjahr t 2 mit Vorjahreswerten vor: Die Anwendung der indirekten Methode setzt voraus, dass die Änderungsbeträge aller Bilanzposten bekannt sind. Durch die Verbindung der Änderungsbeträge der Bilanz mit dem Jahresergebnis kann ein vorab definierter Bilanzposten bezüglich seiner Zugangs- und Abgangsursachen erklärt werden. Definition ▼ Beispiel ▼ ▲ 104 i n n e n F i n a n z i e r u n g Die Abschreibungen des Geschäftsjahres betragen 178 T€. Der Cashflow aus der Investitionstätigkeit beläuft sich auf -353 T€. Die Veränderung des Finanzmittelfonds (Cashflow) für das Geschäftsjahr t 2 wird mittels einer Kapitalflussrechnung wie folgt erklärt: Abb 4.2 | Abb 4.3 | ▲ 105 o P e r a T i v e r c a s h F l o w Cashflow- Optimierung durch Working- Capital-Management Das Working-Capital-Management (WCM) trägt zur Verbesserung der situativen Liquidität eines Unternehmens durch ein koordiniertes Debitoren- und Kreditorenmanagement sowie ein Management der Vorratshaltung bei. Es beeinflusst den Cashflow aus der operativen Geschäftstätigkeit insbesondere dadurch, dass der Cash-Cycle und somit der Finanzmittelbedarf durch zeitliche Verschiebung von Auszahlungen sowie frühzeitige Realisierung von Einzahlungen verringert wird. In der Folge wird der zum Realgüterzyklus korrespondierende Nominalgüterzyklus so gestaltet, dass eine Verringerung der Kapitalbindung für den Beschaffungs- und Produktionsbereich erreicht wird. Die Working -Capital-Rechnung stellt daher eine wichtige Ergänzungsrechnung im Rahmen der Finanzplanung dar. Durch eine zusätzliche Verkürzung des Realgüterzyklus mittels optimierter Vorratshaltung und rationelleren Produktionsverfahren (z. B. Justin-Time-Produktionsverfahren) kann der Finanzmitteleinsatz weiter reduziert werden. Ergänzt durch ein Cash-Pooling können Gemeinkosten- und Zinseinsparungen häufig Aufwandssenkungen von mehreren Prozent des Umsatzes erreichen. Der Dispositionsspielraum der finanziellen Führung kann sich nicht selten in der Größenordnung von 10 % bis 30 % des Beteiligungskapitals oder 50 % bis 100 % der jährlichen Investitionen in Sachanlagen erweitern (vgl. Eilenberger, 2005, S. 338). Rationalisierung ist ein Teilbereich des WCM. Ziel der Rationalisierung ist es, ein bestehendes oder ein höheres Produktions- und Absatzvolumen eines Unternehmens mit einem geringeren Finanzmitteleinsatz sowie einer geringeren Finanzmittelbindung zu realisieren und damit Finanzmittel für andere Zwecke einzusparen oder freizusetzen. Rationalisierungsmaßnahmen erfordern einen vergleichsweise geringen Finanzmitteleinsatz. Gleichzeitig können signifikante Effekte erzielt werden. Bei einem Periodenumsatz von beispielsweise 1 Mio. €, dem ein Finanzmitteleinsatz von 500.000 € zugrunde liegt, wird das Kapital zweimal umgeschlagen. Wird durch Rationalisierungsmaßnahmen die Umschlagshäufigkeit z. B. auf vier gesteigert, dann steht bereits die Hälfte des ursprünglichen Kapitaleinsatzes für eine alternative Finanzmittelverwendung zur Verfügung (vgl. Eilenberger, 2005, S. 337). Rationalisierungsmaßnahmen sind in allen Unternehmensbereichen möglich. Dazu zählen insbesondere der Einkauf (Verringerung der Lagerbestände), die Fertigung (Kostenreduktion durch neue Fertigungsverfahren und Produktionsabläufe) und der Vertrieb (z. B. Vertragsmanagement). Insbesondere im Personalbereich bestehen oft wesentliche Rationalisierungspotentiale, so z. B. durch das Outsourcing solcher Funktionen, die von externen Dritten besser und billiger ausgeführt werden können als durch das Unternehmen selbst (z. B. Marktforschung, Werbung, Mahnwesen, Inkasso, Datenverarbeitung). | 4.3.2 Working Capital Rationalisierung Häufigste Anwendung von Rationalisierungsmaßnahmen 106 i n n e n F i n a n z i e r u n g Selbstfinanzierung aus dem operativen Cashflow Grundlagen Eigentümer von Unternehmen haben Anspruch auf Gewinnausschüttungen. Werden Gewinne ausgeschüttet, gehen die Finanzmittel für das Unternehmen verloren. Der Gewinn ist die erfolgswirksame Veränderung des Eigenkapitals eines Unternehmens innerhalb einer betrachteten Periode. Erfolgswirksam sind alle Eigenkapitaländerungen, die nicht auf Einlagen oder Entnahmen der Gesellschafter basieren. Während bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften keine kodifizierten Entnahmebeschränkungen existieren, haben Shareholder von Kapitalgesellschaften keinen direkten Zugriff auf das Gesellschaftsvermögen (Trennung der Vermögensebene von Kapitalgesellschaft und Anteilseignern). Gesellschafter von Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) haben grundsätzlich Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags. (§ 29 Abs. 1 GmbHG), Gesellschafter von Aktiengesellschaften (AG) hingegen auf den Bilanzgewinn (§ 58 Abs. 4 AktG). Gewinnthesaurierung Neben gesetzlichen Ausschüttungsrestriktionen für Aktiengesellschaften bezüglich der Bildung einer gesetzlichen Rücklage (§ 150 AktG) bestehen zusätzlich oft noch satzungsmäßige oder gesellschaftsvertragliche Thesaurierungspflichten. Ergänzend kann die Hauptversammlung einer AG weitere Mittel von der Verteilung auf die Gesellschafter ausschließen (§ 58 Abs. 3 AktG). Die so gewonnenen Finanzierungsmittel sind (zunächst) frei von Mitbestimmungsrechten der Eigentümer und Gläubiger und vergrößern so den autonomen Entscheidungsspielraum des Managements. Die mittels der Gewinnthesaurierung gebundenen Finanzmittel erhöhen das Eigenkapital (Kapitalrücklagen sowie Gewinnrücklagen) und verbessern die Bonität und die Kreditfinanzierungsmöglichkeiten. Das Volumen der Gewinnthesaurierung ist dann zu begrenzen, wenn es bei ausreichender Liquidität keine weiteren sinnvollen Verwendungsmöglichkeiten mehr gibt. Das ist dann der Fall, wenn das Unternehmen die Mittel nicht mehr rentabel investieren kann. 4.4 | 4.4.1 | 4.4.2 | Gewinnthesaurierung bedeutet, dass Finanzmittel, vor allem die des operativen Cashflow, der Ausschüttung an die Eigentümer entzogen und dem Unternehmen langfristig zur Verfügung gestellt werden. Definition ▼ Thesaurierung des Gewinns ▲ 107 s e l B s T F i n a n z i e r u n g a u s d e m o P e r a T i v e n c a s h F l o w Finanzierung aus ausschüttungsgesperrten Beträgen Finanzierung aus Abschreibungen Investitionen (Transformation von Finanzmitteln in Sachanlagen) erfordern Auszahlungen. Daher stellen die später im Rechnungswesen berücksichtigten Abschreibungen nicht zahlungswirksamen Aufwand dar. Voraussetzungen für eine Amortisation von Investitionen über Abschreibungen sind: ▶ Ein Teil des operativen Cashflows des Unternehmens entfällt auf die Abschreibungsbeträge. ▶ Die auf die Abschreibungsbeträge entfallenden Finanzmittel dürfen nicht entnommen bzw. ausgeschüttet werden. Insbesondere die letzte Voraussetzung ist nur bei Kapitalgesellschaften sichergestellt, da Abschreibungen den ausschüttbaren Gewinn mindern. Die Ausschüttungsrestriktion ermöglicht zumindest die nominale Kapitalerhaltung bei Kapitalgesellschaften. Der so gebildete Finanzmittelbestand kann bis zum Zeitpunkt einer Reinvestition der noch genutzten Vermögensgegenstände für Zahlungen aller Art, insbesondere zur Finanzierung andere Investitionen, verwendet werden. In diesem Zusammenhang ist der in der Praxis kaum nachweisbare Kapazitätserweiterungseffekt (oft auch Lohmann-Ruchti-Effekt ( s iehe Glossar)) zu sehen, der bereits von Marx angedeutet, insbesondere aber 1926 von Polak beschrieben wird (vgl. Schneider, 2001, S. 767). Der Kapazitätserweiterungseffekt entsteht insbesondere dadurch, dass die kumulierten Abschreibungsgegenwerte aus mehreren Investitionsobjekten, in die noch nicht reinvestiert wird, für die Erweiterung der betrieblichen (Perioden-)Kapazität eingesetzt werden. Voraussetzungen für eine stetige Reinvestition der Abschreibungsgegenwerte sind: (vgl. Schneider, 1992, S. 164) ▶ die Abschreibungen müssen durch Einzahlungen gedeckt sein und ▶ die Abschreibungen müssen dem Abbau der Totalkapazität entsprechen. | 4.4.3 | 4.4.3.1 Abschreibungen dienen der Rückgewinnung des investierten Kapitals (Transformation von Sachanlagen in Finanzmitteln). Die Abschreibungsbeträge müssen daher über die Marktleistung des Unternehmens erwirtschaftet werden. Definition ▼ ▲ 108 i n n e n F i n a n z i e r u n g Ein Unternehmen plant unter folgenden Prämissen: ▶ Anschaffung jeweils einer Maschinen pro Periode über einen Zeitraum von vier Perioden, ▶ 8.000 € Anschaffungskosten pro Maschine, ▶ vier Jahre Maschinennutzungsdauer, ▶ lineare Abschreibung (Abschreibungsbetrag pro Periode und Maschine 2.000 €). Das Unternehmen ist ab der vierten Periode in der Lage, seine Kapazität aus den Abschreibungsgegenwerten zu erhöhen. Nach einer Ersatzinvestition kann in der sechsten Periode erneut eine Kapazitätserweiterung erfolgen. Die folgende Tabelle zeigt die Struktur des gesamten Kapazitätserweiterungseffekts (vgl. Eilenberger, 2003, S. 330). Finanzierung aus Rückstellungen Die Auszahlung erfolgt erst im späteren Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld. Daher kommt es zu einer Gewinnminderung, die bei Kapitalgesellschaften eine wirksame Ausschüttungssperre in Höhe der Zuführungsbeträge bewirkt. Damit verbunden ist ein steuerlicher Effekt. Trotz späterer Auszahlung wird eine sofortige Steuerminderzahlung bewirkt. Die dadurch verfügbaren Finanzmittel stehen, je nach Fristigkeit, in der freien Disposition der finanziellen Führung. Grundsätzlich sind unter finanzwirtschaftlichen Aspekten kurz-, mittel- und langfristige Rückstellungen zu unterscheiden. Beispiel ▼ ▲ 4.4.3.2 | Rückstellungen sind Schulden eines Unternehmens, die hinsichtlich ihres Be- oder Entstehens und / oder der Höhe nach unsicher sind. Sie stellen eine wirtschaftliche Belastung für das Unternehmen dar. Die Bildung / Erhöhung einer Rückstellung (Zuführung zu Rückstellungen) korrespondiert mit einem Aufwand, der nicht auszahlungswirksam ist. Definition ▼ ▲ 109 s e l B s T F i n a n z i e r u n g a u s d e s i n v e s T i T i o n e n ( i n v e s T i v e r c a s h i n - F l o w ) Das Schwergewicht der finanzwirtschaftlichen Bedeutung liegt allerdings bei den langfristigen Rückstellungen, insbesondere den Pensionsrückstellungen, die aufgrund von Direktzusagen an Arbeitnehmer gebildet werden müssen. Diese bewirken eine länger dauernde Bindung der Finanzmittel an das Unternehmen und stehen daher für eine Finanzmittelverwendung auch langfristiger Art zur Verfügung. Hinsichtlich der Finanzmittelverwendung ist die Unternehmensleitung, abgesehen von den Pflichtbeiträgen an den Pensions-Sicherungs-Verein (PSVaG), frei, da weder Eigentümer noch Gläubiger mitbestimmen können. Selbstfinanzierung aus Desinvestitionen (Investiver Cash-In-Flow) Die Finanzierung aus Desinvestitionserlösen vollzieht sich - im Gegensatz zur laufenden bzw. schrittweisen Desinvestition im Rahmen der Abschreibungsfinanzierung - in einem abschließenden Verkaufsakt. Gründe für Desinvestitionsentscheidungen können unterschiedliche Ursachen haben: (vgl. Eilenberger, 2005, S. 336) a) planmäßige Desinvestitionen Eine planmäßige Liquidation von Vermögensgegenständen erfolgt dann, wenn sich deren wirtschaftliche Nutzungsmöglichkeit aus der Sicht des Unternehmens verringert hat, die Vermögensgegenstände von anderen Wirtschaftseinheiten jedoch noch sinnvoll einsetzbar sind. Dies gilt ebenso für solche Finanztitel, die nur als vorübergehende rentable Finanzmittelanlage vorgesehen waren und daher die Desinvestition bereits beim Kauf für einen bestimmten Zeitpunkt geplant war. Bei Forderungspapieren in Form von Schuldverschreibungen erfolgt hingegen eine „selbständige“ Desinvestition zum Tilgungszeitpunkt auf Grund der durch Endfälligkeit ausgelösten Rückzahlung durch den Schuldner. b) außerplanmäßige / außerordentliche Desinvestitionen Hier runter fallen Verschrottungen aufgrund von Havarien u. ä. sowie spontane (nicht planmäßige) Desinvestitionen aufgrund von Notlagen. Langfristige Rückstellungen | 4.5 Durch Desinvestitionen werden die in Vermögensgegenständen gebundenen Finanzmittel freigesetzt. Dabei handelt es sich überwiegend um solche Vermögensgegenständen, die dem Unternehmen ursprünglich dauerhaft zu dienen bestimmt waren. Desinvestitionen gehören nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens und stellen daher keinen Umsatzprozess dar. Definition ▼ ▲ 1 10 i n n e n F i n a n z i e r u n g Desinvestitionen in Notlagen werden dann erforderlich, wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, sich Finanzmittel aus anderen Quellen zu beschaffen und daher zur Aufrechterhaltung der Zahlungsbereitschaft Vermögensgegenstände verkaufen muss. In einem solchen Fall werden zunächst die Realgüter monetisiert, die nicht zur Leistungserstellung benötigt werden und als Liquiditätsreserve dienen, z. B. Wertpapiere oder Edelmetalle, die mit dem Ziel gehalten werden, in Zeiten angespannter Liquiditätslage in Nominalgüter umgewandelt zu werden (nicht notwendiges Betriebsvermögen). Reicht das Desinvestitionsvolumen nicht aus, so sind Verkäufe von Realgütern unausweichlich, die für die Leistungserstellung erforderlich sind (betriebsnotwendiges Vermögen). Dazu zählen neben Einsatzstoffen auch Potentialfaktoren. Damit verbunden ist die Gefahr einer Einschränkung der Leistungserstellung oder eine Erhöhung ihrer Störanfälligkeit, wenn beispielsweise der „eiserne Bestand“ veräußert wird und das Unternehmen dadurch den „Realgüterpuffer“ verliert. Ein zunehmendes Ausmaß der Notverkäufe hat häufig die Liquidation der Unternehmung zur Folge, da ab einem bestimmten Mindestbestand an Potential- und Repetierfaktoren die Leistungserstellung nicht mehr sinnvoll oder überhaupt nicht mehr möglich ist. Die Finanzierung aus Desinvestitionserlösen hat somit unterschiedliche Qualitäten. Sie ist unter den oben dargelegten Aspekten zu beurteilen. Grundsätzlich besteht das Problem, im Rahmen des Entscheidungsprozesses den zu erwartenden Desinvestitionserlös zu schätzen. Dieser ist abhängig vom Desinvestitionsanlass und den Marktverhältnissen, so dass Notverkäufe für seltene Spezialanlagen unter Umständen zu Einnahmen führen, die weit unter dem tatsächlichen Zeitwert des Desinvestitionsobjektes liegen. Dagegen werden marktgängige Vermögensgegenstände keine Verwertungsprobleme aufweisen und erlauben eine gute Abschätzung des Desinvestitionserlöses. 1 Erläutern Sie die Notwendigkeit der Innenfinanzierung von Unternehmen! 2 Was ist der Cashflow einer Periode und wie setzt sich dieser zusammen? 3 Erläutern Sie kurz die Quellen des operativen Cashflows! 4 Nennen Sie die Voraussetzungen für die Finanzierung aus ausschüttungsgesperrten Beträgen! Welche Finanzierungsmöglichkeiten bestehen in diesem Zusammenhang? 5 Erläutern Sie das Working- Capital-Management! 6 Was wird unter Lohmann-Ruchti-Effekt verstanden und welche Voraussetzungen sind dafür erforderlich? Notlage Fragen ▼ ▲ 1 1 1 l i T e r a T u r e ilenberGer , G. (2003): Betriebliche Finanzwirtschaft. 7. Auflage, München l ehMAnn , M. r. (1925): Die Dreikontenreihentheorie. In: ZfhF, Heft 8, 1925, S. 341 - 361 s chneider , d. (1992): Investition, Finanzierung und Besteuerung. 7. Auflage, Wiesbaden s chneider , d. (2001): Betriebswirtschaftslehre Band 4, Geschichte und Methoden der Wirtschaftswissenschaften. München Literatur | 4.6 1 12 Die Einlagenfinanzierung - auch Beteiligungsfinanzierung - genannt ist ein Unternehmensfinanzierungsinstrument, bei dem sich der oder die Kapitalgeber an einem Unternehmen beteiligen und dem Unternehmen durch ihre Beteiligung Geld und Finanzmittel zuführen. Das Unternehmenskapital vergrößert sich bei dieser Form der Unternehmensfinanzierung nicht durch die unternehmenseigene Erarbeitung von Kapital, wie es offenkundig insbesondere in Rücklagen oder verborgenen stillen Reserven vorkommt. Die Beteiligungsfinanzierung erhöht das Eigenkapital des Unternehmens dadurch, dass entweder ▶ die bisherigen Gesellschafter des Unternehmens ihre schon bestehende Einlage am Unternehmen erhöhen, oder ▶ das Unternehmen Gesellschafter aufnimmt, die dann - mit dem Erwerb ihrer Einlage - dem Unternehmen Kapital zuführen. Hauptanwendungsfall der Beteiligungsfinanzierung ist die Unternehmensgründung und die Zufuhr von Finanzmitteln durch die sog. Kapitalerhöhung des Unternehmens. In beiden Fällen kann die Beteiligung nicht nur in Geldeinlagen ( s iehe Glossar) sondern auch in Sacheinlagen ( s iehe Glossar) (z. B. Grundstücke, Maschinen, Fahrzeuge) und / oder in Rechten (noch ausstehende Forderungen, Beteiligungen, Nutzungsrechte etc.) aber auch in Dienstleistungen Zur Beteiligungsfinanzierung 5 | 5.1 Ökonomische Interessen der Beteiligungsfinanzierung 5.2 Zur Beteiligungsfinanzierung in den einzelnen Gesellschaftsformen 5.3 Neue Entwicklungen des Europarechts 5.4 Zur indirekten Beteiligungsfinanzierung durch Finanzierungsgesellschaften Inhalt Eigenkapitalerhöhung 1 13 Ö k o n o m i s c h e i n T e r e s s e n d e r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g und sogar in Know-how bestehen. Allerdings ist der tatsächliche Wert der letzten beiden Beteiligungswerte in der Praxis oft schwer zu bewerten. Da im Fall der Beteiligungsfinanzierung das Unternehmen von außen mit Eigenkapital versorgt wird, beinhaltet die Beteiligungsfinanzierung alle Elemente der Eigenwie auch der Außenfinanzierung. Ökonomische Interessen der Beteiligungsfinanzierung Hinter dieser eher blass wirkenden Definition der Beteiligungsfinanzierung verbergen sich in der Praxis weit reichende Chancen und Möglichkeiten nicht nur für das finanzierte Unternehmen, sondern gerade auch für den Finanzier: Dem Unternehmen bietet es die Beteiligungsfinanzierung die Möglichkeit, (1) sein Unternehmensvermögen - und damit die Basis seiner geschäftlichen Tätigkeit - zu bilden und zu erweitern (2) Ein weiterer Vorteil dieser Finanzierungsart für die Unternehmen besteht in der Verteilung der Risiken des Scheiterns der Geschäftstätigkeit des Unternehmens auf Viele. Denn namentlich haftet jedes von außen zugeführte Vermögen den Schuldnern des Unternehmens. (3) Diese Art der Zuführung von Unternehmenskapital reduziert das Zahlungsausfallrisiko des Unternehmens und bietet so dem Unternehmen die Möglichkeit, am Kapitalmarkt zinsgünstige Darlehen und Kredite aufzunehmen (siehe oben). Auch für Geld- und Kapitalgeber (Finanzier) beinhaltete die Beteiligungsfinanzierung zahlreiche wirtschaftliche Vorteile: (1) Finanziers erwerben einen Anteil an einem Unternehmen. Sie sind daher unternehmerisch tätig, ohne selbst ein eigenes Unternehmen kostenintensiv gründen zu müssen. Außenfinanzierung Eigenkapital/ Beteiligungsfinanzierung Zuführung von Fremdkapital von Kapitalgebern über Geld- und Kapitalmarkt � bei Gründung durch Eigentümer � Nachschuss von Kapital � Aufnahme weiterer Gesellschafter � Börsengang � Kapitalerhöhungen Innenfinanzierung Kapitalfreisetzungen Umsatzerlöse � Vermögensumschichtung � Rationalisierung � Rückstellungen � Selbstfinanzierung � Abschreibungen | Abb 5.1 Finanzierungsquellen von Unternehmen Definition ▼ | 5.1 1 14 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g (2) Damit ersparen Sie sich das vollständige aufbringen von u.U. erheblichem Gründungskapital. (3) Da das Kapital zur Gründung eines eigenen Unternehmens i. d. R. sehr hoch ist, bietet gerade die Beteiligungsfinanzierung auch wenig kapitalstarken Anlegern sich geschäftlich / unternehmerisch zu beteiligen. (4) Mit ihrer Finanzbeteiligung an einem Unternehmen begrenzen Anleger - im Umfang ihrer Einlage - auch ihr eigenes Geschäftsbzw. Verlustrisiko. Je nach Unternehmensbzw. Gesellschaftstyp fällt der Umfang ihrer Haftung sehr unterschiedlich aus. So beschränkt sich die Haftung von Aktionären und Gesellschaftern einer GmbH in der Regel auf deren Gesellschaftsanteil. D. h. nur diesen verlieren sie im Fall des Scheiterns des Unternehmens an dem sie sich beteiligt haben. Gesellschafter einer OHG haften demgegenüber neben ihrer Einlage auch mit ihrem persönlichen Vermögen für die Schulden der OHG. (5) Der besondere Vorteil der Beteiligungsfinanzierung für den Finanzier besteht aber nicht nur in ihrer in der Höhe voraussehbaren und begrenzten Haftung. Sie nehmen vielmehr an den geschäftlichen Erfolgen des Unternehmens teil. Ihr Anteil am Unternehmen gibt ihnen nämlich das Recht auf (anteilige) Beteiligung an dessen Jahresgewinn. Macht das Unternehmen daher Gewinn, bedeutet die Beteiligungsfinanzierung für den Finanzier eine für ihn ertragreiche Investitionen seines Kapitals mit begrenztem Risikoanteil. (6) Gleiches gilt auch bei der Auflösung des Unternehmens (Liquidation). Auch an dem liquidierten Unternehmensvermögen sind die Kapitalgeber anteilsmäßig beteiligt. (7) Ferner erlangen die Kapitalgeber bei der Beteiligungsfinanzierung - durch ihre Stellung als Eigentümer und Anteilsinhaber - am Unternehmen zahlreiche Informations-, Beratungs-, Mitentscheidungs- und sogar Veto-Rechte zu bestimmten unternehmerischen Entscheidungen. a) Gerade die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte ( s iehe Glossar) setzten Unternehmen durch eine gezielte Beteiligungspolitik auf dem Markt strategisch sinnvolle ein. b) Aus strategischer Sicht nicht zu unterschätzen ist ebenfalls die Möglichkeit mittels einer Unternehmensbeteiligung weitreichende Informationen über dessen Geschäftspolitik zu erlangen. So sind heute - in Zeiten starker Marktstrukturveränderung - etwa durch die Zunahme von Fusionen Unternehmensbeteiligungen gerade auch zu der Nutzung von Information und Mitbestimmungsrechten populär. Die Kapitalgeber erwerben bei der Beteiligungsfinanzierung - neben den Rechten der anteiligen Gewinn- und Verlustbeteiligung und der Information und Mitwirkung - i. d. R. die Rechtspositionen der Geschäftsführung, Kontrolle und Vertretung der Gesellschaft. ▲ 1 15 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n Zur Beteiligungsfinanzierung in den einzelnen Gesellschaftsformen Die Art und der Umfang der Risiko-, Gewinn-, Mitentscheidungs- und Mitwirkungsbeteiligungen sind, je nach der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung der Gesellschaftsform ( s iehe Glossar), unterschiedlich. Selbst die Art und Dauer der Kapitalüberlassung hängt u. a. von der jeweiligen Rechts- und Gesellschaftsform des finanzierten Unternehmens ab. So kann die Dauer der Beteiligungsfinanzierung bei einem Einzelkaufmann und einer Personengesellschaft (OHG, KG) - im Unterschied zum Anteilserwerb einer GmbH - je nach Vertragsgestaltung, sehr kurzfristig ausfallen. Auch die Übertragbarkeit von Unternehmensanteilen (Fungibilität ( s iehe Glossar)), sowie die Möglichkeit der Kapitalerweiterung des Unternehmens differenzieren je nach der Gesellschaftsform des Unternehmens. Auf öffentlichen Märkten oder an Börsen gehandelte Unternehmensbeteiligungen - etwa Aktien - ermöglichen einen rascheren Anteilserwerb als bei einer GmbH, die hierzu die Genehmigung der Hauptversammlung vorsieht. Die Kenntnis der rechtlichen Ausgestaltung von Beteiligungsverhältnissen und deren korrekte Auswahl entscheiden daher über die wirtschaftliche Effizienz der Unternehmensfinanzierung für Finanziers und Unternehmen. Zur offenen Handelsgesellschaft (OHG) Die OHG ist eine typische Unternehmensform für den Betrieb eines Handelsgewerbes im Sinne des § 1 HGB. Zu beachten ist, dass die OHG bereits mit der Aufnahme eines Handelsgewerbes entsteht und nicht erst mit ihrer Eintragung in ein Handelsregister. Die Unternehmensfinanzierung mittels Beteiligung an einer OHG ist in der Weise möglich, dass eine bestehende OHG Gesellschafter aufnimmt oder die bereits vorhandenen Gesellschafter ihre Einlage erhöhen. | 5.2 OHG KG GmbH AG Geno st Ges UG (haftungsbeschränkt) Personengesellschaft Kapitalgesellschaft | Abb 5.2 Gesellschafts- / Rechtsformen | 5.2.1 Handelsgewerbe 1 16 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g In der Praxis erscheint die Unternehmensfinanzierung mittels Aufnahme neuer Gesellschafter ungünstig. Da nämlich jeder Gesellschafter einer OHG gleich geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt ist (§ 114; § 125 HGB), steigt mit der Zahl der Gesellschafter auch die der Leitungs- und Vertretungsbefugten. Somit geht mit der Aufnahme neuer Gesellschafter ein verkomplizieren der Leitung der OHG einher. Um der Gefahr zunehmender Handlungsunfähigkeit der OHG entgegenzuwirken, kann der OHG-Gesellschaftsvertrag lediglich die Wirkungen der Geschäftsführung und Vertretung davon abhängig machen, dass mehrere Gesellschafter gemeinschaftlich agieren müssen. Dem eben geschilderten Problem der Zunahme der Personen der Leistungsberechtigten ist damit aber nur bedingt abgeholfen. Hieran zeigt sich, dass die OHG eher auf den Betrieb eines Handelsgewerbes durch zwei oder drei OHG-Mitglieder angelegt ist. Ferner steht die Regelung der §§ 128, 130 HGB der Neuaufnahme von Gesellschaftern der Praxis entgegen. Denn die neu aufgenommenen Gesellschafter haften nach den eben genannten Vorschriften auch für die vor ihrem Eintritt in das Unternehmen begründeten Verbindlichkeiten. Ohnehin haftet jeder Gesellschafter einer OHG nicht nur mit seinem geleisteten Kapitalanteil ( s iehe Glossar) sondern ebenfalls persönlich, das heißt mit seinem gesamten eigenen Privatvermögen. Um dem Gläubigern in der Insolvenz einer OHG nicht einen ungehinderten attraktiven Zugriff auf das Gesellschaftssowie das private Vermögen der Gesellschafter der OHG zu geben, legt die Spezialregelung des § 93 Insolvenzordnung (InsO) die Geltendmachung von ihrer Forderungen, während der Zeit des Insolvenzverfahrens, ausschließlich in die Hände des Insolvenzverwalters. Daneben bedarf die Aufnahme neuer Gesellschafter eines Beschlusses aller Gesellschafter der OHG. Ebenfalls eines Beschlusses aller Gesellschafter bedarf die Möglichkeit der Finanzierung durch die Erhöhung der Einlagen, die durch bereits vorhandene Gesellschafter zu realisieren ist. Obige Ausführungen verdeutlichen, dass die OHG in der Praxis keine geläufige Gesellschaftsform der Beteiligungsfinanzierung ist. Zur Kommanditgesellschaft (KG) Die Gesellschaftsform der KG bietet - hinsichtlich der Möglichkeit der Beteiligungsfinanzierung - gegenüber der OHG weitgehendere Möglichkeiten: so gelten zwar auch für die KG die Rechtsvorschriften der OHG (§ 161 Abs. 2 HGB). Die Kommanditgesellschaft führt jedoch eine Unterscheidung hinsichtlich der Stellung und Haftung der Gesellschafter ein, die eben die unternehmerische Leitung einer KG nicht durch die Aufnahme neuer, finanzierender Gesellschafter, wie bei der OHG, vervielfältigt und damit unmöglich macht. 5.2.2 | 1 17 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n Das Recht der Kommanditgesellschaft unterscheidet nämlich zwischen den vollhaftenden Komplementären ( s iehe Glossar) und den Kommanditisten ( s iehe Glossar). Während die Komplementäre rechtlich den Gesellschaftern einer OHG entsprechen, haften die Kommanditisten grundsätzlich nicht mit ihrem Privatvermögen, sondern nur mit ihrer Einlage (§ 171, 172 HGB). Auch im Fall der Insolvenz der KG haften die Kommanditisten nur in Höhe ihrer Einlage. Entsprechend ihrer verminderten Haftung sind die Kommanditisten nicht zur Geschäftsführung und Vertretung der KG berechtigt (§§ 164 HGB bzw. § 170 HGB). Die Unternehmensleitung konzentriert sich daher dauerhaft auf die Komplementäre. Allerdings ist die Kommanditisten-Neuaufnahme oder -Wechsel bzw. die Kapitalerhöhung in einer KG - ähnlich wie bei der OHG - nicht ohne weiteres möglich. Denn es bedarf auch hier der Zustimmung aller Gesellschafter. Gleichzeitig geht der neu eintretende Kommanditist das Risiko ein, auch für die vor seinem Eintritt begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (§ 173 HGB). Zur GmbH & Co. KG Die GmbH & Co. KG ist keine Sonderform der GmbH sondern eine Kommanditgesellschaft im Sinne der §§ 161 ff. HGB. Bei der GmbH & Co. KG ist die GmbH Komplementär. Die anderen Beteiligten sind die Kommanditisten. Für die GmbH & Co. KG gelten daher die oben erwähnten Regelungen. Gesellschaft mitbeschränkter Haftung (GmbH) Die GmbH besitzt eine eigenständige Rechtspersönlichkeit, das heißt sie kann - unabhängig von ihren Mitgliedern - eigene Rechte und Pflichten begründen und innehaben. Dies macht sie gegenüber ihren Mitgliedern zu einer am Markt selbstständig agierenden Unternehmensform. Ihr Zweck ist in der Praxis häufig auf den Betrieb eines Handelsgewerbes ausgerichtet. Die GmbH kann aber auch jeden rechtlich zulässigen Zweck, wie etwa kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche und karitative Zwecke verfolgen (§ 1 GmbHG). Die Mitglieder einer GmbH haften gegenüber den Gläubigern - anders als bei der OHG und dem Komplementär der KG - nicht mit ihrem persönlichen Vermögen. Bei Gesellschaftsgläubigern haftet ausschließlich nur die Gesellschaft beziehungsweise das Gesellschaftsvermögen (§ 13 GmbHG). Das Gesellschaftsvermögen bildet hauptsächlich die Stammeinlagen ( s iehe Glossar) der Gesellschafter. Es muss zum Schutz der Gläubiger gemäß § 5 GmbHG mindestens 25.000 € betragen, wobei die Stammeinlage eines jeden Gesellschafters mindestens 100 € betragen muss. Nach der Höhe der | 5.2.4 | 5.2.3 1 18 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Stammeinlage bestimmt sich auch der Geschäftsanteile des GmbH-Gesellschafters (§ 14 GmbHG). Das Stammkapital ( s iehe Glossar) der GmbH stellt keine schlichtweg unantastbare Sicherungsreserve dar. Auch dieses Kapital kann zur Realisierung des Unternehmenszwecks eingesetzt werden. Unzulässig ist nur die Rückführung des Stammkapitals an die GmbH-Gesellschafter (§ 30 GmbHG). Zur Sicherung und zum Erhalt des Stammkapitals ist nach § 42 Abs. 1 GmbHG das Stammkapital als gezeichnetes Kapital auf der Passivseite der Unternehmensbilanz auszuweisen. Dies verhindert, dass die GmbH einen Gewinn aus dem Stammkapital an die Gesellschafter ausschüttet (bilanzielle Ausschüttungssperre). Der Gesellschaftsvertrag kann gemäß §§ 26, 27 GmbHG zusätzlich zur Stammeinlage eine beschränkte oder unbeschränkten Nachschusspflicht ( s iehe Glossar) vorsehen. Eine Nachschusspflicht ist dem deutschen Rechtssystem grundsätzlich fremd (siehe: § 707 BGB). Ihre Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag ist nur ausnahmsweise und zwar bei der GmbH und der eingetragenen Genossenschaft (eG) möglich (§ 26 GmbHG, bzw. §§ 22a, 98 GenoG) (dazu siehe unten: Anschnitt 2.8). Die Nachschusspflicht der Gesellschafter dient dazu Geschäftsverluste auszugleichen bzw. anteilsmäßig das Gesellschaftskapital zu erhöhen. Damit besitzt die Nachschusspflicht einen eigenen Stellenwert für die Unternehmensfinanzierung im Rahmen der Beteiligungsfinanzierung. Die nachträgliche Einfügung von Nachschusspflichten der GmbH bedarf der Zustimmung aller Gesellschafter (§ 53 Abs. 3 GmbHG). Als Gegenwert zu Beitragsleistung erhalten die GmbH-Gesellschafter u. a. das Recht, zur unternehmerischen Mitbestimmung (§§ 45, 46 GmbHG) und zur Partizipation am Unternehmensgewinn (§ 29 GmbHG). Die Finanzierung der GmbH erfolgt durch die Aufnahme von Gesellschafter und / oder durch das Instrument der Kapitalerhöhung. Beides ist nur sehr schwerfällig möglich. Die Erhöhung des Kapitals oder / und das Hinzukommen eines neuen Gesellschafters bedeutet nämlich die Minderung des bestehenden wirtschaftlichen Wertes der Anteile der Gesellschafter. Denn die Kapitalerhöhung und / oder die Aufnahme neuer Mitglieder stärkt zwar die Finanzkraft des Unternehmens. Reduziert jedoch das Verhältnis der vormals verfügbaren Anteile am Gesellschaftskapital. Hierdurch verringern sich die Rechte (insbesondere auf Gewinnpartizipation, Mitbestimmung) der ursprünglichen Mitglieder der GmbH. Tritt in eine GmbH die bislang aus 4 Gesellschaftern mit einem jeweiligen Geschäftsanteil von d.i. 50.000 € also von 25 % des Stammkapital (100.000 €) der Gesellschaft Kapitalerhöhung Beispiel ▼ 1 19 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n ein neuer Gesellschafter ebenfalls mit einer Einlage von 50.000 € ein, so erhöht sich zwar das Stammkapital der GmbH auf nun 150.000 €. Die Einlage eines jeden Gesellschafters - an der sich die Gewinnverteilung etc. orientiert ist aber nun nur noch 33 % wert. Sowohl die Kapitalerhöhung als auch die Aufnahme weiterer Mitglieder, verlangen einen besonderen Schutz der „Alt-Gesellschafter“. Diesen Schutz stellt das Gesetz dadurch her, dass die Gesellschafterversammlung beide Maßnahmen mit einer ¾ Mehrheit beschließen müssen und dieser Beschluss notariell zu beurkunden ist. Ferner bedarf es der notariell aufgenommene oder beglaubigten Erklärung des Übernehmens der Einlage und einer entsprechenden Eintragung in das Handelsregister (§ 55 Abs. 1 u. 2 GmbHG). Die Kapitalerhöhung muss ihrerseits durch die auf das nun erhöhte Kapital zu leistenden Stammeinlagen gedeckt sein (§ 55 ff. GmbHG). Selbst die Übertragung bestehender Anteile auf einen anderen Interessenten (Abtretung) bedarf nach § 15 GmbHG - sofern der Gesellschaftsvertrag nicht noch weitere Anforderungen aufstellt, z. B.: die Genehmigung des Mitgliedschaftswechsels durch die übrigen Gesellschafter - der notariellen Beurkundung. (zu dem Effekt bei der Kapitalerhöhung einer AG siehe unten: ) Zu Unternehmergesellschaft (UG) (haftungsbeschränkt) Bedingt durch die Niederlassungsfreiheit ( s iehe Glossar) des Europarechts (Art. 49 ff. AEUV) sahen sich der deutsche Behörden dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden durch die Nichteintragung jener ausländischer Gesellschaftsformen die keine 25.000 € vor ihrer Eintragung aufbringen müssen, diese unzulässig diskriminieren. Um diesen Vorwurf zu entgehen, und gleichzeitig das Vertrauen des Rechtsverkehrs in den Kapitalbestand einer GmbH nach deutschem Recht aufrechtzuerhalten hat der deutsche Gesetzgeber im Jahr 2008 die so genannte Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) [UG (haftungsbeschränkt)] in das deutsche Recht eingeführt (§ 5a GmbHG). Es handelt sich hierbei um keine eigene Rechtsform, sondern lediglich um eine Abwandlung der GmbH: die UG muss keine 25.000 €, sondern lediglich 1 € als Mindeststammkapital aufbringen. Sie entspricht damit der britischen Limited (Ltd.). Damit die Marktteilnehmer die mit 25.000 € kapitalisierte GmbH nicht mit der nicht kapitalisierten UG verwechseln, darf sich die UG nicht GmbH nennen. Sie muss vielmehr den Zusatz UG (haftungsbeschränkt) in ihrer Firma führen. Den Nachteil des bei der UG anfänglich fehlenden Stammkapitals gleicht der deutsche Gesetzgeber dadurch aus, dass die UG Bilanzrücklagen bilden muss, die jeweils 25 % des Jahresüberschusses entsprechen. Durch diese Thesaurierung erhöht sich so die Kapitalausstattung der UG mit der Zeit (§ 5 ▲ | 5.2.5 Die Mini-GmbH 120 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Abs. 3 GmbH). Die UG kann sich sogar - in dem Fall das ihr Eigenkapital 25.000 € erreicht - zu einer echten GmbH umwandeln. Nach einem entsprechenden Gesellschafterbeschluss (i. S. d. § 57c GmbHG) darf dann die UG: ▶ die 25 %tige Thesaurierung des Jahresüberschusses aufgeben, ▶ über den zukünftig erwirtschafteten Jahresüberschuss frei verfügen und ▶ in ihrer Firma nun den Rechtsformzusatz „GmbH“ führen. Zur Aktiengesellschaft (AG) Im Unterschied zu den oben aufgeführten Rechtsformen (OHG, KG, GmbH & Co KG, GmbH, UG) aber auch zur eG kennt gerade die Aktiengesellschaft die rechtlichen Hindernisse beim Erwerb bei der Übertragung von Gesellschafteranteilen (hier: Aktien) nicht. Hierin besteht ihr besonderer Vorteil der Beteiligungsfinanzierung. Die Aktiengesellschaft ist wie die GmbH eine juristische Person und wie die GmbH eine Kapitalgesellschaft (§ 1 AktG). Ebenso wie die GmbH muss die AG gemäß § 3 AktG kein Handelsgewerbe betreiben. Sie kann auch auf anderen Gebieten unternehmerisch tätig sein. Nur die Aktiengesellschaft haftet ausschließlich für ihre Verbindlichkeiten (§ 1 AktG). Das bedeutet dass ihre Gesellschafter, die Aktionäre - im Unterschied zur OHG und KG - für die Schulden der Aktiengesellschaft grundsätzlich nicht einstehen müssen. Eine gesetzlich vorgeschriebene Nachschusspflicht der Gesellschafter besteht für die Aktiengesellschaft - im Gegensatz aber zur GmbH und zur eingetragenen Genossenschaft - nicht. Bei der Aktiengesellschaft zerfällt das Grundkapital in Aktien, deren Mindestbetrag bei der Gründung gemäß § 7 Aktiengesetz mindestens 50.000 € erreichen muss. Da Aktien auch in kleinerem Umfang erworben werden können (siehe § 8 Abs. 2 AktG), ermöglicht gerade die AG eine Beteiligung am Unternehmen mit geringem Kapitalaufwand. Nach der Zahl der Aktien richtet sich der Umfang der unternehmerischen Mitbestimmung (§ 134 AktG) wie auch die Partizipation des Aktieninhabers an Dividenden (§ 60 AktG) oder / und Liquidationserlösen (Art. 8 AktG). Im Gegensatz zu den üblichen Stammaktien ( s iehe Glossar) besitzt der Inhaber von so genannten Vorzugsaktien ( s iehe Glossar) einen Anspruch auf vorzugsweise Auszahlung seiner Dividende oder seines Liquidationsbetrages (§ 139 ff. AktG). Sein Stimmrecht kann dabei ausgeschlossen sein (§ 12 Abs. 1 S. 2 AktG). Der finanzierungstechnische Vorteil der Aktiengesellschaft besteht darin, dass die Aktien grundsätzlich frei handelbar sind. Lediglich die so genannte Namensaktie ( s iehe Glossar) bedarf zu ihrer Übertragung nicht nur - wie bei der üblichen Inhaberaktie ( s iehe Glossar) - des Eigentumsübertragungsaktes nach §§ 129 ff. BGB sondern auch eines Indossaments bzw. einer Abtretung alle aus ihr resultierenden Rechte. 5.2.6 | 121 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n Im Fall einer so genannten vinkulierten Namensaktie ( s iehe Glossar) ist zudem die Zustimmung der Gesellschaft zur Aktienübertragung erforderlich. Die Übertragbarkeit einer vinkulierten Namensaktie ähnelt somit der der Mitgliedschaft in einer GmbH. Aktiengesellschaften haben den Vorteil, sich an der Börse zulassen zu können. Mit der Börsenzulassung können Sie die Einrichtungen und Handelserleichterungen der Börse nutzen (§ 3 Abs. 2 AktG). Hierdurch werden die Unternehmensanteile der AG leichter und schneller handelbar. Zahlreiche Unternehmen versprechen sich von einem Gang an die Börse (going public) eine Verbesserung ihrer Finanzierungssituation. Dem stehen allerdings zahlreiche gesetzliche Pflichten gegenüber, die gegen eine mögliche Veränderung der Finanzierungslage des Unternehmens abzuwägen sind: Die Erhöhung des (haftenden) Grundkapitals (§ 182 AktG) bzw. die Zeichnung neuer Aktien (effektive Kapitalerhöhung) bedarf grundsätzlich auch eines ▶ Mehrheitsbeschlusses von grundsätzlich ¾ (§ 182 AktG). ▶ Dieser Beschluss ist notariell zu beurkunden (§§ 30 AktG) und ▶ ins Handelsregister einzutragen (§§ 188f. AktG). Die Ausgabe neuer Aktien ist - wie die Ausgabe von Geld - für die bisherigen Aktionäre mit einer inflationären Abwertung ihrer Anteile verbunden (Kapitalverwässerung oder Verwässerungseffekt ( s iehe Glossar)). Die Ausgabe neuer Aktien senkt nicht nur, im Verhältnis zu der Gesamtzahl der nun vorhandenen Anteile den Geschäftsanteil des „Alt“-Aktionärs und die damit verbundenen Rechte insbesondere auf Dividendenzahlung. Sie verdünnt auch sein Stimmrecht und mit ihm seine Einflussmöglichkeit auf die Geschäftspolitik der AG. going public Rechtspflichten des Unternehmers Vor Börseneinführung going public (amtlicher Handel) Bei Börseneinführung be coming public Nach Börseneinführung being public Verbot v. Insidergeschäften Veröffentlichung von Stimmrechtsänderungen bei 5%, 10%, 25%, 50% und 75% Veröffentlichung neuer börsenpreiserheblicher Unternehmenstatsachen Sog. rechtl. Börsenreife nur AG oder KGaA Offenlegung Jahresabschluss Börseneinführungsprospekt Veröffentlichung von: Geschäftsbericht Börsenzulassungensprospekt Ad-hoc-Publizität | Abb 4.3 122 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Die Aktiengesellschaft X. beabsichtigt zur Ausweitung ihrer Geschäftstätigkeit - ihr Grundkapital von derzeit 4.000.000 € - auf 5.000.000 € also um 1.000.000 € durch die Ausgabe neuer Aktien - zu einem Ausgabekurs von 90 € je neu ausgegebener Aktie - zu erhöhen. Mit welchen finanziellen Einbußen (in €) müssen die bisherigen Anteilseigner nach der Kapitalerhöhung rechnen? Vor der Kapitalerhöhung Grundkapital 4.000.000 € Stückzahl der Aktien 80.000 Nennwert einer Aktie 50 € Börsenkurs einer (alten) Aktie 120 € Nach der Kapitalerhöhung Grundkapital 5.000.000 € Stückzahl der Aktien [80.000] + 20.000 „neue“ Aktien Ausgabe-Kurs einer neuen Aktie 90 € Börsenwert einer alten od. neuen Aktie nach der Kapitalerhöhung ? ? ? Formel: Kurswert nach Kapitalerhöhung (sog. „Mischkurs“) = (Kurswert alten Aktien + Kurswert neuer Aktien) / (Stückzahl alter Aktien + Stückzahl neuer Aktien) Formel - Kurswert Kurswert = Anzahl aller Aktien × Börsen-Kurs Kurswert der Aktien vor Kapitalerhöhung 960.000 = 80.000 × 120 Kurswert der Aktien nach Kapitalerhöhung 180.000 = 20.000 × 90 Also: (960.000 + 180.000) / (80.000 + 20.000) = 114 Damit verschlechtert sich - durch die Kapitalerhöhung um 100.000 € mittels Ausgabe neuer Aktien à 90 € - der Wert der Aktien von 120 € auf 140 € also um 6 € je Aktie. Was könnte den Wertverlust der „Alten“ Aktionäre kompensieren? Den Wertverlust der bisherigen Aktienwerte (Kapitalverwässerung) gleicht ein sog. Bezugsrecht aus: Das Bezugsrecht gibt jedem „Alt“-Aktionär die Berechtigung, neu ausgegebenen Aktien, entsprechend dem Verhältnis seines Anteils zum bisherigen Grundkapital, i. d. R. zu deren Ausgabepreis - vor dem Erwerb der neuen Aktien durch Dritte - zu beziehen. Die Ausübung des Bezugsrechts ermöglicht dem „Alt“-Aktionär seinen ursprüng- Beispiel ▼ Tab. 5.1 | Alte Aktien verlieren an Wert ▲ 123 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n lichen Anteil am Stimmrecht bzw. an den Dividenden aufrecht zu halten. § 186 Abs. 1 AktG sieht ein solches Bezugsrecht des Altaktionärs grundsätzlich vor. Speziell das Aktienrecht eröffnet dem Unternehmen ferner die Möglichkeit, Unternehmensgewinne die sich in Kapitalrücklagen oder Gewinnrücklagen ausdrücken in haftendes Eigenkapital umzuwandeln (so genannte nominelle Kapitalerhöhung; § 207 ff. AktG). Hierzu ist zwar auch ein Dreiviertel-Mehrheitsbeschluss und seine Eintragung (§ 211 AktG), nicht aber die Satzungsänderung der Aktiengesellschaft notwendig. Zur Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Mischform aus KG und der AG. Sie ist wie die Aktiengesellschaft eine juristische Person und Kapitalgesellschaft, die unterschiedliche Gesellschafter kennt: die persönlich haftenden Gesellschafter und die Kommanditaktionäre. Auf die persönlich haftenden Gesellschafter findet grundsätzlich das Recht der KG Anwendung, während die nicht persönlich haftenden Kommanditaktionäre sowie für die Rechtsbeziehungen der KGaA selbst das Aktiengesetz Anwendung findet (§ 278 Abs. 2 und 3 AktG). Es gelten daher die obigen Ausführungen zu den jeweiligen Rechtsformen. In der Praxis spielt die Unternehmensformen der KGaA eine nur geringe Rolle: für die meisten Unternehmen bietet die Unternehmensformen der KGaA keine weiteren Vorteile. Sie betreiben ihre Geschäfte und decken ihren Finanzbedarf ausreichend durch die Wahl der Gesellschaftsform einer GmbH oder einer AG. Von Interesse ist die Gesellschaftsform der KGaA für mittelständische Familienbetriebe. Auf der einen Seite können sich als KGaA geführte Familienunternehmen, wie eine Aktiengesellschaft, an der Börse Kapital beschaffen. Familienmitglieder die als Komplementäre der KGaA tätig sind erhalten andererseits - trotz ihres geringen Kapitaleinsatzes - die Leitungsbefugnis am Unternehmen, auch wenn externe Kommandit- Aktionäre über 50 % des Grundkapitals halten. Zur Eingetragenen Genossenschaft (eG) Weitaus enger als bei der AG sind die genossenschaftlichen Bindungen der eingetragenen Genossenschaft zu ihren Mitgliedern; den Genossen. Ob daher die eG zu den Kapitalgesellschaften (AG GmbH) oder eher zu den Personengesellschaften (OHG, KG, UG) zählt ist umstritten. Der Unternehmenszweck einer eingetragenen Genossenschaft besteht nach § 1 GenoG nicht - wie bei den anderen Rechts- und Gesellschaftsformen - der Gewinnerzielung. Ihr Zweck besteht ausschließlich darin, den Wirtschaftsbetrieb ihrer Mitglieder (der Genossen) zu unterstützen (Förderauftrag ( s iehe Glossar) der Genossenschaft). Familienunternehmen | 5.2.7 | 5.2.8 124 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Diese Förderung kann auch - gerade bei Kreditgenossenschaften, wie etwa in Raiffeisen- und Volksbanken - in der Förderung der Unternehmensfinanzierung ihrer Mitglieder bestehen. Die Form der Finanzierung geschieht dann durch die Gewährung von (zinsgünstige) Krediten. Um eine Beteiligungsfinanzierung handelt es sich dabei allerdings nicht. Eine Beteiligungsfinanzierung ist bei einer eG entsprechend der anderen Zwecksetzung der eG unter besonderen Konditionen möglich: Mit dem Erwerb weiterer Kapitalanteile durch einen Gesellschafter, steigt seine Einflussnahme auf die Geschäftspolitik der eG nicht. Denn nach § 43 Abs. 3 GenoG besitzt jedes Genossenschaftsmitglied - unabhängig seines eingezahlten Kapitals - grundsätzlich nur eine Stimme. Da sich die Einflussmöglichkeit durch die Aufnahme neuer Geschäftsanteile nicht vergrößert, bedarf es eines Schutzes der Gesellschafter - wie bei der GmbH oder der AG - im Fall der eG grundsätzlich nicht. Die bisherigen Gesellschafter oder beitrittswillige Dritte können der eG lediglich durch eine schriftliche Erklärung, die der Zustimmung der Genossenschaft (bzw. ihres Vertretungsorgans) bedarf, beitreten bzw. in dieser erleichterten Form neue Anteile erwerben (§ 15 ff. GenoG). Die Erhöhung eines Geschäftsanteils stellt allerdings eine Satzungsänderung im Sinn des §§ 16 Abs. 2 Ziff. 2 dar und bedarf der Dreiviertelmehrheit der Mitglieder der Genossenschaft. Speziell um den Finanzbedarf einer eG durch die Form der Beteiligungsfinanzierung zu befriedigen, ermöglicht § 8 Abs. 2 GenoG der Genossenschaft seit 2006 die Aufnahme so genannter investierender Mitglieder. Diese Möglichkeit geht auf Art. 1 Abs. 4 der europäischen Verordnung über die Europäische Genossenschaft zurück und gilt daher europaweit. Investierende Mitglieder sind jene Genossen, die den Förderauftrag der Genossenschaft nicht nutzen, sich aber mit ihrem Kapital an der Genossenschaft beteiligen. Investierende Mitglieder besitzen gegenüber den anderen Genossen nur eine eingeschränkte Mitbestimmung. Deren Beteiligung besteht also lediglich in der Partizipation der finanzierenden Mitglieder am Genossenschaftsgewinn. Da die Genossenschaft eine eigenständige Rechtspersönlichkeit besitzt, haften ihre Mitglieder nicht (§ 2 GenoG). Allerdings kann die Genossenschaftssatzung auch eine beschränkte oder unbeschränkte Nachschusspflicht den Genossen auferlegen (§ 22a, § 98 GenoG). Im Fall der Insolvenz der Genossenschaft sind dann die Mitglieder verpflichtet, die Schulden der Genossenschaft durch begrenzte oder unbegrenzte Beträge auszugleichen. Zur stillen Gesellschaft Die stille Gesellschaft (§§ 230 bis 237 HGB sowie §§ 705 bis 740 BGB) ist insofern eine Sonderform des Gesellschaftsrechts da sie nicht nach außen in Erscheinung tritt: 5.2.9 | 125 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g i n d e n e i n z e l n e n g e s e l l s c h a F T s F o r m e n So ist sie weder in das Handelsregister einzutragen noch trägt die Firma eines Unternehmens einen Hinweis, der auf ihre Existenz einer stillen Gesellschaft schließen lässt. Es entsteht kein gemeinschaftliches Gesellschaftsvermögen und die Beteiligungseinlage einer nach der Gründung neu hinzukommenden Beteiligung tritt auch nicht zum Gesellschaftsvermögen, sondern wird zum Vermögen des Unternehmensinhabers. Das Unternehmen braucht die Kapitaleinlage auch nicht in seiner Unternehmensbilanz getrennt als solche ausweisen. Jedoch ist dies insbesondere im Fall der Insolvenz aus Beweisgründen zwingend angeraten (§ 236 HGB). Nur in Ausnahmefällen - eigens bei der „stillen“ Beteiligung an einer AG - ist eine stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft zu veröffentlichen. Denn nach h.M. (BGH v. 8.5.2006 - II ZR 123/ 05) stellt auch die stille Beteiligung an einer Aktiengesellschaft einen Unternehmensvertrag (Teilgewinnabführungsvertrages) i. S. d. §§ 292 Abs. 1, Ziff. 2 AktG dar. Der Teilgewinnabführungsvertrages bedarf zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung der Hauptversammlung (§ 293 AktG) und der Eintragung in das Handelsregister (§§ 292, 294). Gerade In der Nichterkennbarkeit der Beteiligungsfinanzierung liegt ein Vorteil der stillen Gesellschaft: ▶ Die Finanzierungsmaßnahme - und insbesondere der aktuelle Finanzbedarf des Unternehmens - bleibt unerkannt. So dass das Unternehmen gegenüber weiteren Kredit- und Kapitalgebern sowie Geschäftspartnern als ausreichend eigenfinanziert erscheint. ▶ Während im Fall der Finanzierung durch Fremd-Darlehen unabhängig des Geschäftserfolges des Unternehmens Zinsforderungen des Darlehnsgebers anfallen, entsteht bei stillen Gesellschaft die Verpflichtung, an Kapitalgeber Beträge zu zahlen aber nur in der Situation in der das Unternehmen Gewinn gemacht hat. Den Umstand, dass die Beteiligungsform der stillen Gesellschaft nach außen nicht in Erscheinung tritt (Innengesellschaft ( s iehe Glossar)) entspricht der Tatsache, dass der stille Gesellschafter - soweit nichts anderes bestimmt ist - weder zur Vertretung noch zur Führung der Geschäfte des Unternehmens befugt ist. Die vom stillen Gesellschafter zu erbringende Einlage kann gemäß § 706 Abs. 3 BGB in Geld-, Sachaber auch Dienstleistungen bestehen. Als Gegenleistung ist der stille Gesellschafter zwingend am Gewinn des Unternehmens zu beteiligen (§ 236 HGB). Die Beteiligung des Gesellschafter am Unternehmensverlust kann und wird in der Praxis oft ausgeschlossen (§ 231 HGB). Nimmt der stille Gesellschafter entsprechend gesellschaftsvertraglicher Abmachungen nicht an den Unternehmensgewinnen, sondern auch an den Verlusten sowie auch am Gesellschaftsvermögen einschließlich des Stille Beteiligung Gesellschaftsvertrag 126 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Anlagevermögens, der stillen Reserven und ggf. des Geschäftswerts teil, und / oder räumt ihm das Unternehmen geschäftsführerische Kontroll- und Mitwirkungsrechte ein, wird er zum „Mitunternehmer“ i. S. d. § 15 Abs. 1 Ziff. 2 EStG. Im Fall der atypischen stillen Gesellschaft haftet der stille Gesellschafter gegenüber den Schuldnern des Unternehmens auch für Verluste, die über die Höhe seiner Einlage hinausgehen. Meldet das Untenehmen Insolvenz an, ist der stille Gesellschafter, bezüglich der Rückerstattung seiner Kapitaleinlage, genauso wie jeder andere Gläubiger des Unternehmens zu behandeln (§ 236 HGB). Wie dieser erhält er nur eine „Quote“. Bei einer Rückerstattung muss er sich seinen Anteil am Verlust anrechnen lassen. Kapitaleinlage = 43.000 € Verlustanteil = 21.500 € im Insolvenzverfahren anzumeldende Forderung des st. Gesellschafters = 21.500 €; davon Insolvenzquote (hier: 5 %) = 1.075 € Neue Entwicklungen des Europarechts Die hier vorgestellte Aufzählung und Einteilung der deutschen Gesellschaftsformen ist durch zahlreiche Entwicklungen des „Europäischen Gesellschaftsrechts“ ins Wanken geraten: Spezielle mit der Rechtsprechung des Europäischengerichtshofs (EuGH im Fall Überseering: EuGH v. 05. 11. 2002 (Rs. C-208/ 00) Überseering BV gegen Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC) Slg. I, S. 9919; Einzelheiten siehe: Krimphove: Europarecht, S. 63 Rn. 152 ff.) hat der EuGH eine Entwicklung eingeleitet, die Rechts- und Gesellschaftsformen aller europäischen Mitgliedsstaaten den Zugang auf den deutschen Markt eröffnet. Dies geschieht insbesondere zum Leidwesen der Gesellschaftsgläubiger. Denn diese müssen sich jetzt etwa erkundigen, ob, und gegebenenfalls wie das mit ihnen zusammenarbeitende Unternehmen mit Kapital ausgestattet ist, und einen verlässlicher Vertragspartner darstellt. Die Lösung derartig komplexer Fragen besteht in der Schaffung eines einheitlichen europäischen Gesellschaftsrechts. An diesem Ziel arbeitet der europäische Gesetzgeber bereits 40 Jahre. Aufgrund der politischen Widerstände der meisten europäischen Mitgliedsländer ist eine rasche Verabschiedung eines solchen gesellschaftsrechtlichen Vorhabens nicht in Sicht. Beispiel ▼ ▲ 5.3 | 127 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e ll s c h a F T e n Zur indirekten Beteiligungsfinanzierung durch Finanzierungsgesellschaften Die Schwerfälligkeit der Beteiligungsfinanzierung bei den oben genannten Rechts- und Gesellschaftsformen - insbesondere deren grundsätzlichen Schwierigkeiten der Kapitalerhöhung bzw. der Aufnahme neuer Gesellschafter - führte bereits in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts dazu, dass Unternehmen mit den ökonomischen Problemen einer zu geringen Eigenkapitalausstattung zu kämpfen hatten. Dies betraf insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen, zu deren Beteiligungsfinanzierung üblicherweise die Gesellschaftsformen der OHG, KG aber auch die stille Gesellschaft zur Verfügung stehen. Einzelne gesetzliche Erleichterungen führten dazu, dass man kleinen und mittleren Unternehmen einen erleichterten Zugang zu Kapitalgesellschaften insbesondere zur GmbH zur Verfügung stellte. Eine endgültige Problemlösung war allerdings hiermit nicht erreicht. Um die Eigenfinanzierung der Unternehmen zu unterstützen hat der Gesetzgeber zwar keine neuen Rechts- und Gesellschaftsformen, jedoch neue Unternehmens-Typen wie die Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (UBG) und die Kapitalanlagegesellschaft (KAG) geschaffen. Diese Unternehmens Typen verfolgen generell den Zweck, Unternehmen Fremdkapital zur Verfügung zu stellen und das finanzielle Risiko ihrer Mitglieder überschaubar gering zu halten. Bei diesem Finanzierungsmodell handelt es sich um eine „indirekte“ Beteiligungsfinanzierung. Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Praxis soll diese hier kurz dargestellt sein: Zu Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBG) Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind Unternehmen, die - wie private Anleger auch - anderen Unternehmen Kapital dadurch zur Verfügung stellen, dass sie an ihnen Anteile / Beteiligungen erwerben (§ 2 Ab. 2 UBGG). Zu Ihren Aufgaben zählt neben dem Anteilserwerb, das Halten, Verwalten und die Veräußerung von Kapitalbeteiligungen in Form von Aktien, Geschäftsanteile an einer GmbH, Kommanditanteile, Beteiligungen als Komplementär, als stiller Gesellschafter im Sinn des § 230 HGB und Genussrechte (§ 1a II UBGG). Diesen Zweck erfüllen die als AG, GmbH, KG oder KGaA geführten UBG dadurch, dass sie die Beteiligungsbeiträge ihrer Anleger organisiert, sammelt und Unternehmen zur Verfügung stellt. Für die Anleger hat dies den Vorteil, dass ▶ sie sich auch mit geringeren Beträgen an einem Unternehmen indirekt beteiligen können, ▶ ihr Risiko geringer ausfällt, als wenn sie sich unmittelbar an einem Unternehmen beteiligen (direkt Beteiligung) und, | 5.4 | 5.4.1 128 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g ▶ sie von den Gewinnen der UBG wirtschaftlich, in Form von Dividenden und oder Liquidationsbeträgen, profitieren. Die der art risikoreichen Geschäften der UBG (siehe oben) erfordern, das Risiko des wirtschaftlichen Scheiterns der UBG für ihre Mitglieder gering zu halten. Aus diesem Grund hält das UBGG (Unternehmensbeteiligungsgesellschaftsgesetz) zahlreiche Anlegerschutzvorschriften vor: ▶ So muss die UBG ihren Sitz im Inland haben und über ein Grundkapital von mindestens 1 Mio. € verfügen. (§ 2 UBGG). ▶ Das Unternehmen muss extra von der obersten Landesbehörde anerkannt worden sein (§ 1, i. V. m. § 15 UBGG). Diese übernimmt auch die Aufsicht über die Tätigkeit der UBG. ▶ Ferner dürfen UBG gemäß § 5 keine Beteiligungen an Unternehmen halten, die gleichzeitig Mutter oder Tochterunternehmen der UBG sind. ▶ Grundstücke darf sie nur zu ihrem eigenen Bedarf erwerben (§ 3 Abs. 5 UBGG). ▶ Für alle Geschäfte gelten zudem die strengen Restriktionen des § 4 UBGG. Da Unternehmensbeteiligungsgesellschaften auch Anteile von Unternehmen erwerben, halten und verwalten können, die nicht an einer Börse notiert sind, versprach man sich von der Schaffung des Unternehmensbeteiligungsgesellschaftsgesetzes (UBGG) eine breite Förderung insbesondere mittelständische Unternehmen. Zu Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften Speziell den sog. Newcomern unter den Unternehmen sollen sog. Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften vermehrt Eigenkapital zur Verfügung stellen. Nach dem Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12. August 2008 gewähren Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften Unternehmen (sog. Zielgesellschaften), die zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs nicht älter als 10 Jahre sind und deren Eigenkapital nicht mehr als 20 Mio. € beträgt, einen erleichterten Zugang zur ihrer Finanzierung mit Fremdkapital (dem sog. Wagniskapital). Um diese Aufgabe erfüllen zu können profitieren Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften von erheblichen Steuervorteilen. Diese bestehen in einer Befreiung von Gewerbesteuer, der Gewährung von Verlustabzugsmöglichkeiten und Steuervergünstigungsmaßnahmen für Privatpersonen. Allein die oben genannte Begrenzung der Zielsetzung auf Unternehmen die jünger als 10 Jahre sind und deren Eigenkapital nicht mehr als 20 Millionen € beträgt reduziert den praktischen Einsatzbereich von Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften. Zudem hat die Europäische Kommission am 30. 9. 2009 (ABl. L 6 v. 09.01.2010, S. 32 ff., 45) verbindlich festgestellt, dass die 5.4.2 | 129 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Gewerbesteuerbefreiung und die Verlustabzugsmöglichkeiten nach europäischem Recht (Art. 107, 108 AEUV / ex 87, 88 EG-V) unzulässige Beihilfeleistungen des deutschen Staates darstellen, und damit nichtig sind bzw. nicht gewährt werden dürfen. Aufgrund dieser beiden Umstände hat die Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft derzeit keine praktische Bedeutung für die Eigenkapitalbeschaffung bzw. Finanzierung von Unternehmen. Aus diesem Grund soll die Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft hier nicht näher vorgestellt sein. Zu Investmentgesellschaften (InvestG) / Kapitalanlagegesellschaften / Fondsgesellschaften Eine weitere Form der Förderung der Unternehmensfinanzierung stellen Investmentgesellschaften (InvestG) - auch als Kapitalanlagegesellschaften bzw. Fondsgesellschaften bezeichnet - dar: Die InvestG hat die Aufgabe aus den Beiträgen ihrer Mitglieder Sondervermögen ( s iehe Glossar) (Investmentfonds) zu bilden, um dieses Kapital anderen Unternehmen gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen. Das Kapital hierzu erlangt die Investmentgesellschaft durch den Verkauf von Investmentzertifikaten. Dies sind Anteilsscheine der Anleger an der Investmentgesellschaft. Neben ihrer Hauptaufgabe, der Verwaltung des Investmentvermögens, kann die Investmentgesellschaft weitere Finanzdienstleistungen erbringen. Diese Finanzdienstleistungen bestehen u. a. in der Verwaltung von Immobilien und Anlagevermögen, Verwahrung ausländischer Aktien bis hin zur Anlageberatung (siehe § 7 Abs. 2 InvGG). Durch den Erfolg der Geschäftstätigkeit der Investmentgesellschaft steigt der Wert der Beteiligung an der InvestG. Die Anleger profitieren von dem Gewinn durch die Auszahlung von Dividendenbzw. Fondsausschüttungen. Ebenso wie die UBG ermöglicht es den Anlegern, sich schon mit geringem Kapital zu beteiligen. Die Aufnahme der einzelnen Beteiligungen in einen Investmentfonds und ebenso die Pflicht der InvestG dem Investmentfonds mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns für die Anleger zu verwalten (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 Kreditwesengesetz (KWG)), ermöglicht eine Risikomischung (siehe § 1 InvGG) und begrenzt somit das Verlustrisikos jedes einzelnen Anlegers. | 5.4.3 Wagniskapital 130 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Hierüber hinaus bestehen zahlreiche vermögensrechtliche Schutzvorschriften: ▶ So muss die Investmentgesellschaft vor Beginn ihrer Geschäftstätigkeit über ausreichend Eigenkapital, in Höhe von 300.000 €, verfügen (§ 11 InvGG). ▶ Sie darf ferner das Vermögen der Investmentgesellschaften nicht mit dem von ihr gehaltenen Sondervermögen vermischen (§ 30 Abs. 2 und 3 InvGG). ▶ Dieses Sondervermögen haftet nicht für Verbindlichkeiten der Investmentgesellschaft (§ 31 Abs. 2 S. 1 InvGG; dies gilt ebenfalls im Insolvenzfall der Investmentgesellschaft und in der Zwangsvollstreckung gegen sie (§§ 38 Abs. 3 und Abs. 5 InvGG). ▶ Eine Depotbank, die das Vermögen in ihr Depot aufnimmt, ist in jedem Fall einzuschalten (§§ 20ff. InvGG). ▶ Die Depotbank hat dabei die Geschäftstätigkeit der Investmentgesellschaft zu kontrollieren (§ 27 InvGG). ▶ Die Depotbank unterliegt ebenfalls, wie die Investmentgesellschaft selber, der Aufsicht durch die BaFin (§ 21 bzw. §§ 6, 5 InvGG). ▶ Investmentbzw. Kapitalanlagegesellschaften dürfen nur in Form einer AG oder einer GmbH errichtet und geführt werden. (§ 6 Abs. 1 S. 2, § 3 InvGG). ▶ Auch sie ist keine eigenständige Rechtsbzw. Gesellschaftsform, sondern lediglich die organisatorische Möglichkeit. Dabei kann die Investmentgesellschaft - anders als die oben genannten Rechts- und Gesellschaftsformen - ohne Restriktionen neue, weitere Anleger aufnehmen bzw. neue Anteile schaffen und verkaufen. Sie besitzt hierdurch die Möglichkeit, sich selbst unbegrenzt zu finanzieren. Ihr Kapital wächst daher mit der Zunahme der Investoren. InvestmentG Fonds-Sondervermögen Unternehmen Anleger Anleger Anleger Depot-Bank Abb 5.4 | 131 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Wie auch bei dem Problem der Kapitalerhöhung in den Rechts- und Gesellschaftsformen sinkt dadurch der Wert der einzelnen Beteiligung. Ein solcher Wertverlust kann dadurch ausgeschlossen werden, dass die Parteien einen so genannten „geschlossene Fonds“ vereinbaren. Zu Investment-Aktiengesellschaften Das deutsche Recht kennt neben den oben beschriebenen klassischen Fondsder Investmentbzw. Kapitalanlagegesellschaften auch die Einrichtung so genannter Investmentaktiengesellschaften. Investmentaktiengesellschaften besitzen den gleichen Anlage-Zweck wie die oben beschriebenen Fonds. In ihrer Organisation und rechtlichen Dogmatik stellen Sie allerdings die gesellschaftsrechtliche Variante zu den oben beschriebenen Investmentgesellschaften dar: Investmentaktiengesellschaften sind Aktiengesellschaften deren satzungsgemäße Aufgabe ausschließlich in der gemeinschaftlichen Anschaffung und Verwaltung ihres Gesellschaftskapitals liegt. Dieses verwaltet die Aktiengesellschaft für die Anteilsinhaber (=Aktionäre) der Investmentaktiengesellschaft. Der geschäftliche Zweck der Investmentaktiengesellschaften besteht darin, aus der Verwaltung des Gesellschaftsvermögens einen Gewinnen zu erzielen und sie, die Anteilseigner, an dem Vermögensgewinn teilhaben zu lassen (§ 2 Abs. 5 i. V. m. §§ 96 ff., insbes. § 96 Abs. 2 Satz 2 InvGG). Investmentaktiengesellschaften können nur als Aktiengesellschaften betrieben werden (§ 96 Abs. 1 InvGG). Aus diesem Grund gelten für sie die Regeln des Aktiengesetzes soweit nicht das InvGG in den §§ 96 ff. Sondervorschriften enthält. In ihrer gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung sind Investmentaktiengesellschaften keine Kapitalanlagegesellschaften und grundsätzlich auch keine Kreditinstitute. Zur Sicherheit des Rechtsverkehrs und zur Stärkung des Vertrauens in den Finanzmarkt bedürfen Investmentaktiengesellschaften dennoch der Erlaubnis durch die BaFin (§ 97 InvGG). Des Weiteren gelten grundsätzlich die Vorschriften des KWG und die des InvGG entsprechend (§ 99 InvGG). ▶ Das Anfangskapital der Investmentaktiengesellschaften beträgt aus eben diesem Grunde 300.000 € (§ 97 Abs. 1 Ziff. 1 InvGG). ▶ Eine bereits erteilte Erlaubnis kann die BaFin ebenfalls nach den Vorschriften des KWG (§§ 35 in Verbindung mit 33 KWG) entziehen. ▶ Sämtliche Aktien müssen denselben Anteil am Grundkapital der Investmentaktiengesellschaft verkörpern (§ 96 Abs. 1 Satz 3 InvGG). Die Ausgabe von Aktien ohne Stimmrecht ist unzulässig (§ 96 Abs. 1 Satz 2 InvGG) | 5.4.4 Gesellschaftsrechtliche Ausgestaltung 132 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g ▶ Investmentaktiengesellschaften können über ein festes Grundkapital (§§ 104 ff. InvGG) oder ein variables Grundkapital verfügen (§§ 107 ff. InvGG). Diese Unterscheidung hat Bedeutung für die Sicherung des Grundkapitals durch die Möglichkeit des Erwerbs eigener Aktien. Dies ist bei einer Investmentaktiengesellschaften mit variablem Grundkapital leichter möglich (§§ 104 ff. InvGG)]. Die Rücknahmepflicht von Anteilen ist bei der Investmentaktiengesellschaften mit festem Grundkapital naturgemäß ausgeschlossen. Einen Ausgleich der Anteilseigner gewährleistet die Möglichkeit der Anleger, ihre Anteile an der Börse zu vertreiben (sog. Sekundärvertrieb). Zu diesem Zweck müssen die Aktien im amtlichen Handel oder geregelten Markt Börsenrechtlich zugelassen und in einem Wertpapierhandelsprospekt veröffentlicht sein (§ 101 Abs. 3 InvGG). Die Investmentaktiengesellschaften mit variablem Grundkapital ermöglicht und verpflichtet demgegenüber den jederzeitigen Rückkauf von Aktien (§ 105 Abs. 1 i. V. m. § 105 Abs. 3 InvGG). ▶ § 101 InvGG verpflichtet die Investmentaktiengesellschaft bereits in den ersten sechs Monaten nach der Erteilung der Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb 90 % ihrer Aktien öffentlich zum Erwerb anzubieten. In der bundesrepublikanischen Praxis hat die Einrichtung der Investmentaktiengesellschaft kaum Bedeutung erlangt. Insbesondere fehlt diesem Institut nicht nur die Abgrenzungsschärfe zu den Investmentfonds sondern auch die wirtschaftliche Notwendigkeit - neben der bestehenden Möglichkeit durch Fonds - die Finanzierung mit einer Investmentaktiengesellschaft zu betreiben. Hierüber hinaus beseitigt § 101 InvGG das wirtschaftliche Interesse an der Gründung einer Investmentaktiengesellschaft. Denn die Gründer haben kaum ein wirtschaftliches Interesse an der Gründung einer Aktiengesellschaft, wenn sie deren Anteile bereits vor der Erreichung der Gewinnphase zu 90 % öffentlich ausgeben müssen. Bisher wenig Bedeutung 133 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Das deutsche Recht bietet zahlreiche Möglichkeiten der Beteiligungsfinanzierung. Diese Möglichkeiten sind inhaltlich abhängig von der Rechtsbzw. Gesellschaftsform an der sich ein Finanzier mit seinem Kapital beteiligt. Beteiligungsformen wie die offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft die GmbH, die GmbH & Co. KG, die Unternehmergesellschaft, wie auch die Aktiengesellschaft, die Kommanditgesellschaft auf Aktien oder die eingetragene Genossenschaft bieten je nach ihrem Geschäft- und Tätigkeitsbereich sehr unterschiedliche Alternativen der Beteiligungsfinanzierung. Ursache der sehr unterschiedlich rechtlichen Gestaltung ist die vom Recht festgelegte mehr oder weniger enge Beziehungen der Gesellschafter untereinander: während die stille Gesellschaft, die AG oder auch die KG (sog. Personengesellschaften) ihre Mitglieder in eine enge wirtschaftliche Kooperation zusammenfasst, und damit eng aneinander bindet, schwächt die Rechtsform der eG und der GmbH diese starke persönliche Bindung und geschäftliche Kooperation ihrer Mitglieder ab. Nahezu aufgegeben ist die enge persönliche Verbundenheit und Zusammenarbeit der Mitglieder untereinander bei der AG. Hier kommt es nicht so sehr auf die Person des Mitglieds und seine geschäftliche Erfahrung, sonder auf seinen Kapitalbeitrag an. Entsprechend dem Kriterium der persönlichen Verbundenheit ergeben sich Unterschiede der einzelnen Rechts- und Gesellschaftsformen insbesondere hinsichtlich ihrer Gründungsvoraussetzungen, der Haftung ihrer Mitglieder, der Partizipation der Mitglieder am Gewinn oder am Verlust der Unternehmung, der Möglichkeit der Mitglieder zur Geschäftsführung, Vertretung, und Mitwirkung. Letztlich existieren wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Rechts- und Gesellschaftsformen hinsichtlich der Kapitalaufbringung, der Übertragbarkeit der Mitgliederanteile, sowie bezüglich der Möglichkeit der Kapitalerhöhung bzw. der Aufnahme weiterer Gesellschafter: Nachfolgende Tabelle gibt eine knappe Übersicht der wesentlichen rechts und Gesellschaftsformen hinsichtlich der für die Beteiligungsfinanzierung essenziellen Unterschiede an: Zusammenfassung 134 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Stille Gesellschaft OHG KG GmbH AG Geno Wesen Beteiligung an Handelsgewerbe eines anderen Personengesellschaft Betrieb eines kaufm. Handelsgewerbes Kapitalgesellschaft Verfolgung sämtl. Zwecke Mindestkapital 25.000 € Kapitalgesellschaft Verfolgung industrieller Wirtschaftszwecke; Mindestkapital 50.000 € Möglichkeit zum Börsennotierung Mischform Zweck: (keine eigene Gewinnerzielung) sondern: Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder Entstehen formfreie Gründung Aufnahme des kauf. Handelsgewerbes Vertrag (formfrei) + Aufnahme des kauf. Handels-gewerbes notarieller beurk. Gesellschaftsvertrag, und Eintragung Gesellschaftsvertrag (schriftl.), + Eintragung Haftung der Mitglieder nur mit Anteil mit Gesellschaftsanteil und mit Privatvermögen Komplementäre mit Gesellschaftsanteil und mit Privatvermögen Kommanditist ( - ) ( - ) (ggf. Nachschusspflicht) ( - ) ggf. Nachschusspflicht bei Insolvenz der Geno Gewinn-/ Verlustbeteiligung nur Gewinnbeteiligung nach Gesellschaftsvertrag oder nach Köpfen nach Gesellschaftsvertrag, bzw. angemessene Beteiligung Gewinnbeteiligungen nach Jahresüberschuss Verlustbeteiligung ggf. mit eventueller Nachschusspflicht Gewinnbeteiligungen Dividende grundsätzlich Verlustbeteiligung erst durch Verlust des Anteils bei Insolvenz der AG Förderleistungen der Geno: Rückvergütungen, Preisnachlässe etc. Verlustbeteiligung nach Statut: eventuell Abzug vom Geschäftsguthaben ggf. mit eventueller Nachschusspflicht Geschäftsführung ( - ) Jeder Gesellschafter nur Komplementär ( - ) Vertretung ( - ) Jeder Gesellschafter nur Komplementär ( - ) Mitwirkung (Stimmrechte) ( - ) Jeder Gesellschafter Jeder Gesellschafter Mitglieder in Mitglieder(Haupt)- Versammlung Mitglieder in Mitglieder (Haupt)- Versammlung Mitglied nur eine Stimme Kapitalaufbringung (Eigenfremdfinanzierung) Mitgliedschaftserwerb: Privatvermögen der Gesellschafter Selbstfremdfinanzierung der st Ges z. B.: durch Gewinne, od. Kredite Neuaufnahme neuer stiller Gesellschafter (Problem: Zunahme des Unternehmensleitungsrechts) Kapitalerhöhung Mitgliedschaftserwerb: Privatvermögen der Gesellschafter Selbstfinanzierung der st Ges z. B.: durch Gewinne, od. Kredite (bei begrenzter Zahl von persönlich haftenden komplementären nicht so kreditwürdig wie OHG) Neuaufnahme v. Gesellschafter insbes. Kommanditisten Kapitalerhöhung Anteilserwerb Selbstfremdfinanzierung [aufgrund beschränkter Haftung der Gesellschaft und keine Haftung ihrer Mitglieder eingeschränkte, ggf. teure Kreditvergabe] Nachschusspflicht mögl. Aufnahme weiterer Gesellschafter; Kapitalerhöhung Anteilserwerb der Gründungsmitglieder Anteilserwerb neuer Aktionäre ggf. üb. Börse/ bei Börsenzulassung Selbst- Fremdfinanzierung: Gewinne, Kredite (i. d. R. große Kreditwürdigkeit wegen Gläubigerschutzvorschriften bei Börsenzulassung) Aufnahme weiterer Gesellschafter; Kapitalerhöhung Anteilserwerb der Genosse Selbstfremdfinanzierung Aufnahme weiterer Gesellschafter (als Beteiligungsgesellschaft unbeliebt, da unabhängig der Höhe des Anteils nur eine Stimme) [in der Praxis Bedeutung der Nachschusspflicht in der Insolvenz der Geno] Tab. 5.2 | 135 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Fungibilität Übertragung der Anteile nur mit Zustimmung der Gesellschafter Unproblematisch ggf. institutionell über Markt od. Börse nur mit Zustimmung der Gesellschafter Kapitalerhöhung / Aufnahme weiterer Gesellschafter i. d.R. formfrei, Zustimmung aller Gesellschafter Satzungsänderung = ¾ Mehrheit, Publizierung Eintragung ins Handelsregister Gesellschaftsformen und ihre unterschiedliche Bedeutung für die Beteiligungsfinanzierung Da dem Gesetzgeber die Möglichkeiten der Unternehmens-finanzierung insbesondere in den sechziger bis achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts nicht ausreichend erschien, hat er mit der Unternehmensbeteiligungsgesellschaft (UBG), der Investmentgesellschaft, Kapitalgesellschaft oder auch der so genannten Fondsgesellschaft, sowie in der Investmentaktien-gesellschaft Unternehmensformen geschaffen, die Anlegern eine mittelbare Beteiligungsfinanzierung ermöglichen. Diese beteiligen sich an der Gesellschaft, die dann das hierdurch erlangte Kapital zur Finanzierung anderer Unternehmen einsetzen. Das geschäftliche Risiko der wirtschaftlichen Erfolglosigkeit bzw. der Insolvenz des von der Gesellschaft finanzierten Unternehmens geht darin auf die oben genannte Gesellschaft über, wobei diese den Vorteil nutzt durch die Zusammenfassung zahlreicher Anleger das Verlustrisiko des einzelnen zu minimieren. 1 Fall: Unternehmensgründung Nach erfolgreicher Beendigung Ihres Bachelor-Studienganges International Business-Engineering möchten Sie - in einen gepachteten 130 m 2 großen, in der Innenstadt von Düsseldorf gelegenen Geschäftslokal, mit Ihrer Freundin einen international operierenden „Computer-Shop“ aufmachen in dem sie nicht nur Hardware sondern auch Ihre eigenentwickelten Buchhaltungsprogramme über das Netz möglichst weltweit vertreiben wollen. Machen sie sich - in der Situation in der sie ausschließlich über die noch ungeteilte Bewunderung Ihrer Freundin und der aufopfernden Sorge Ihrer Mutter verfügen - ein paar Gedanken, welche Gesellschaftsform Ihrem Unternehmerischen Eifer auf die Sprünge helfen kann. Fragen ▼ 136 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g a) Vorüberlegungen / Kostenbedarf Der Einstieg ins Wirtschaftsleben ist teuer: Allein das 130 m 2 große Ladenlokal in der Innenstadt von Düsseldorf bezahlen Sie mit einer Pacht von 15,90 € pro m 2 das sind im Monat 2.067 €. Hinzukommen noch Abgaben, Gebühren, Löhne, Gehälter, Steuern und und und… Zum geschäftlichen Überleben in den ersten vier Monaten ist sicherlich die Aufnahme eines Kredit i. H. v. 16.500 € realistisch. Danach sollte man schauen, ob die eingespielten Gewinne die Kosten des Geschäfts tatsächlich tragen. Die Überlegungen die sich nebenbei stellt: Muss es denn tatsächlich ein so großes und damit so teures Geschäftslokal in der Innenstadt Düsseldorfs sein, schließlich beabsichtigen Sie ja auch den Handel über das Internet abzuwickeln. Aber egal, sie wollen nicht kleckern sondern klotzen. Dann müssen sie aber auch jetzt zu sehen, wie sie an das Geld kommen: b) Kreditvergabe mit hohen Zinsen Sie können sich die 16.500 € von einem Kreditinstitut leihen (§ 677 BGB). Wenn die Bank das bei ihrer finanziellen Situation tatsächlich mitmacht, dürften die Zinsen hierfür aber sehr hoch sein. Denn (siehe die einleitenden Ausführungen zu dem Kapitel Kreditsicherheiten) die kreditgebende Bank wird das Risiko, dass sie zahlungsunfähig werden - und das Darlehen daher nicht mehr zurückzahlen können - durch einen hohen Zinssatz (Delcredere-Zins) kompensieren. Das Risiko ihrer Insolvenz ist gerade in der Gründungsphase eines so ehrgeizigen Unternehmens nicht von der Hand zu weisen. Da sie zudem keine Vermögenswerte haben, die sie zu Kreditsicherheiten der Bank anbieten können, wird die Bank - wenn überhaupt - ihnen einen eher bescheidenen Kredit in Höhe von etwa 23 % gewähren wollen. c) Bürgschaft als Kreditsicherheit Nun könnten sie ihre Mutter oder ihre Freundin dazu bewegen, für ihre Darlehenschulden zu bürgen (§ 765 BGB). Im Falle ihrer Zahlungsunfähigkeit könnten sich die Bank dann direkt an denen bzw. die Bürgen halten. Angesichts der Aussicht für ihre Schulden - das heißt für sie in Höhe von 16.500 € - einstehen zu müssen, findet die wahre Liebe zu ihrer Freundin schon hier ihre Grenzen. Da insbesondere Banken in der Regel mit dem Bürgen eine so genannte selbstschuldnerische Bürgschaft abschließen - also das Geld von dem Bürgen - unabhängig ihrer Zahlungsunwilligkeit und Fähigkeit - direkt verlangen können, sollten Sie nicht auf die Bereitschaft ihrer Freundin, für Sie zu bürgen zählen. Hier bleibt nur die liebevolle Sorge Ihrer Mutter als rettender Anker, Finanzierungsinstrument: Allerdings hängt der Abschluss eines Bürgschaftsvertrages nicht nur von Willen des Bürgen, sondern auch von der Bereitschaft der Bank ab, die vorgeschlagene Person als Bürgen zu akzeptieren. Dies erscheint immer dann höchst fraglich, wenn der Bürger selbst kaum über finanzielle Mittel verfügt. Ist ihre Mutter Hausfrau ohne eigene Verdienste und Vermögen, so scheidet aus diesem Grunde die Absicherung des Darlehens durch eine Bürgschaft aus. 137 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Schminken Sie sich auch die Vorstellung ab, ihr Vater oder ihrer beiden Eltern seien familienrechtlich verpflichtet, ihnen ein Geschäft einzurichten oder ihre ersten unternehmerischen Schritte sonst wie zu finanzieren. Das Gesetz geht davon aus, dass auch Söhne irgendwann erwachsen werden. [Nur Mütter sehen das anders.] Und nachdem sie bis zum Abschluss Ihres Bachelorstudiums - immerhin mit 23 Jahren - auf der Tasche ihrer Eltern gelegen haben wird es auch Zeit. d) Beteiligungsfinanzierung: Gründung einer AG? In ihrer bescheidenen finanziellen Situation sollten sie auch keinen Gedanken daran verschwenden eine Aktiengesellschaft gründen zu wollen. Sollten sie dies dennoch tun, und sogar den Gang ihres Unternehmens an die Börse planen wollen, könnte vielleicht der Beginn eines Bachelorstudiums in Wirtschaftspädagogik für sie der richtige Erfolgsweg sein. e) Gründung einer OHG Möglich erscheint die Gründung einer OHG: Sie beteiligen ihre Mutter und ihre Freundin mit einer Geschäftseinlagen von je 4000 € an dem Unternehmen die restlichen 8.500 € müssen dann von ihnen kommen. Um diese aufzubringen reicht vielleicht schon die Aufnahme eines Darlehens von lediglich 5.000 €? ! Da ihre Mutter und ihre Freundin lediglich etwas weniger wie ¼ des Kapitals beigetragen haben, wären sie auch nur mit 25 % an zukünftigen Gewinn zu beteiligen. Natürlich müssen Sie Drei in einem Gesellschaftsvertrag sich mit diesen Regelungen einverstanden erklären. Dies scheint ein wenig schwierig, denn jeder Gesellschafter von ihnen haftet nicht nur mit seinem eingezahlten Geschäftskapital [d. h. Mutter 4000 €; Freundin 4000 €, Sie 6.500 €]. Die Gesellschafter einer OHG, die sie schon Mitaufnahme ihrer geschäftlichen Tätigkeit sind, haften auch mit ihrem persönlichen Vermögen. Die Bedeutung der Haftungsfragen ist gerade in ihrem Tätigkeitsbereich nicht von der Hand zu weisen: Stellen Sie sich mal bitte vor, eine von ihnen entwickelte Buchführungssoftware stellt sich wieder erwartend als Schrott raus, da einige speziell für das Unternehmen notwendige Anwendungen nicht ausführen kann, oder - noch schlimmer - es nicht kompatibel mit der vorhandenen Software anderer Unternehmen ist. Im Letzteren Fall zerhackt ihr tolles Buchführungsprogramm die gesamte Lohnbuchhaltung eines Unternehmens mit 6.320 Arbeitnehmern. Sollen wir wirklich den Schaden aufrechnen, den diese kleine Programmierung vielleicht bei anderen Unternehmen auslösen könnte? Nun sind Juristen immer Bedenkenträger. Und gerade mit deren zu tun wird wahrscheinlich in der Wirtschaft ebenso wenig passieren wie mit dem Programmierungsfehler; was auf eine Parallelität beider Erscheinungen hinweisen könnte. f) Haftungsbegrenzung durch Gründung einer GmbH Abgesehen davon gibt es ja gerade auch zur Reduktion der Haftung die Rechtsform der GmbH. Nun brauchen sie nach deutschem Recht allein schon zur 138 z u r B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g Anmeldung der GmbH einen Mindestkapital Betrag von 25.000 €. Wohl gemerkt geht dieses Geld schon für die Anmeldung der GmbH drauf. Wenn Sie mit Ihrer angemeldeten GmbH dann Tätigwerden wollen können sie zwar die 25.000 € anknabbern, laufen aber Gefahr binnen weniger Tage kein Geld mehr zu haben um ihre Schulden bezahlen zu können. Letztere Situation nennt man Insolvenz. Diese ist, um ihre Gläubiger zu schützen, sofort - spätestens aber in drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung - beim Insolvenzgericht anzumelden. Tun sie dies, nicht (auch ihr fahrlässiges Nichtwissen zählt), machen sie sich gleich schon in den ersten Wochen ihrer unternehmerischen Karriere wegen einer Insolvenzverschleppung nach § 15a InsO; (vor dem 01. 11. 2008 § 130b HGB) strafbar. Sollten Sie also tatsächlich mit dem Gedanken spielen 25.000 € - vielleicht sogar per Darlehen - aufzunehmen um allein mit diesem Betrag ihre GmbH anzumelden, so ist ihnen dringlich zu raten gleich die Insolvenzanmeldungen nachzuschieben. g) Oder doch besser einer UG (haftungsbeschränkt) Kein Problem meinen Sie, es gibt doch die UG. Richtig! Die UG bedarf zu ihrer relativ kostengünstigen Gründung nur eines Mindestkapitals von einem € und dies kriegen sie sicher noch hin. Allerdings: Wer soll denn mit ihnen Geschäfte machen. Im Rechtsverkehr müssen sie mit dem Zusatz „UG (haftungsbeschränkt)“ firmieren. Damit wissen rechtlich versierte Banken und Unternehmen, dass hinter dieser Unternehmens und Gesellschaftsform „wenig“ haftendes Eigenkapital steckt. Dass sie allein aufgrund der Wahl dieser Gesellschaftsform Aufträge akquirieren und größere Darlehensbeträge an Land ziehen können ist genauso unwahrscheinlich wie rechtlich ungebildete Wirtschaftsstudenten zu treffen. Entgegen vielerlei Meinung ist daher die UG aus Sicht der Praxis keine geeignete Rechtsform für Existenzgründer. h) Gründung einer KG Immer noch Lust zum weitermachen? dann versuchen sie‘s doch einmal mit der Rechtsform der KG. Sie setzen sich als Komplementär ein, während die beiden Damen Kommanditisten mit einer Einlage von 6.000 € werden. Ihre Einlage beträgt dann nur noch 4.500 €. Sie können sogar versuchen in dem Gesellschaftsvertrag - der wie bei der OHG nicht notariell sein muss - den Gewinnanteil von Mutter und Freundin auf je 25 % und ihren auf 50 % festzulegen, denn schließlich tragen Sie als Komplementär das Risiko der vollen, das heißt auch der persönlichen Haftung mit ihrem gesamten Vermögen. Als einziger Komplementär besitzen sie auch die Möglichkeit die Kommanditgesellschaft alleine zu vertreten und deren Geschäfte (mit Ausnahme der ganz wichtigen wie Auflösung, Kapitalerhöhung etc.) vollständig selber zu erledigen. Vielleicht haben Mutter und Freundin ohnehin keine Ahnung vom Geschäft und daher von sich aus auch keine Lust ihnen reinzureden. 139 z u r i n d i r e k T e n B e T e i l i g u n g s F i n a n z i e r u n g d u r c h F i n a n z i e r u n g s g e s e l l s c h a F T e n Noch ein Tipp für die Praxis fragen Sie doch einfach mal bei der zuständigen IHK nach Fördermittel für die Gründung kleiner und mittelständische Unternehmen. Die Mitarbeiter der IHK kennen sich sehr gut aus und können sie, was hier nicht möglich war, weitaus intensiver beraten. Zudem gibt es oft Wirtschaftsförderungsprogramme, die aussichtsreiche Unternehmensgründer zum Beispiel mit Gründungsdarlehen zu günstigen Zinsen versorgen. 2 Fall: Bezugsrecht bei Kapitalerhöhung bleiben wir beim oben aufgeführten Beispiel indem die Aktiengesellschaft X ihr Grundkapital von 4.000.000 € - auf 5.000.000 € durch die Ausgabe neuer Aktien - zu einem Ausgabekurs von 90 € je neu ausgegebener Aktie - erhöht. Von den 80.000 ursprünglichen Aktien hielt der Aktionäre A 10 % = 8.000 Aktien, die Gesamtzahl der Aktien erhöhte die Aktiengesellschaft um 20.000 Stück auf 100.000 Aktien. a) Wie hoch ist das Bezugsrecht des A an neuen Aktien? Mit anderen Worten, wie viele (neue) Aktien kann A erwerben? b) Was muss A hierfür ausgeben? c) Was kann A machen, wenn er die neuen Aktien nicht erwerben kann oder will? k lunzinGer (2009): Grundzüge des Gesellschaftsrechts. 15. Auflage, München k riMPhove (2009): Towards an EU Directive on Protected Funds/ National Report for Germany. In: Kortmann, Hayton, Faber, Reid, Biemans (2009): Towards an EU Directive on Protected Funds: Law of Business and Finance. Vol. 10, Nijmegen k riMPhove (2010): Europarecht. Stuttgart k riMPhove ; W elP (2004): Das Recht der Unternehmensfinanzierung. In: Schmeisser; Bretz; Kessler; Krimphove: Handbuch Krisen- und Insolvenzmanagement. S. 171 ff. Literatur | 5.5 ▲ 140 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Kreditfinanzierung durch Kreditsicherheiten 6 | 6.1 Finanzierungstechnische Bedeutung von Kreditsicherheiten 6.2 Zur Bedeutung von Kreditsicherheiten im Recht 6.3 Persönliche Sicherungsrechte 6.4 Zu dinglichen Kreditsicherheiten Inhalt ▶ Kaum einem Unternehmen wird es gelingen, seine ganze Produktions- und Dienstleistungsangebot mit eigenen, Mitteln zu finanzieren. Gerade zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit wird ein Unternehmen seine Wirtschaftstätigkeit kaum aus eigenen Mitteln bestreiten können. Hier eröffnet erst eine durch Kreditsicherheiten unterstützte Finanzierung dem Unternehmens Zugang zum Markt. Neben diesem, rein faktischen Grund, ist die komplette Eigenfinanzierung sowohl aus unternehmerischen als auch aus steuerlichen Gründen nicht wünschenswert: Eine komplette Eigenfinanzierung bindet zu viel eigenes Kapital, das der Realisierung anderer wirtschaftliche/ unternehmerischer Zwecken zur Verfügung stünde. Fremdes Kapital dient - neben der Aufnahme und Ausführung eigener wirtschaftlicher Aktivität - auch zur Reduktion des unternehmerischen Risikos. Denn im Fall des Scheiterns des Unternehmens, also im Fall seiner Insolvenz, nimmt grundsätzlich auch das Fremdkapital an der Haftung teil. Das Mittragen dieses Risikos, eines fremden Unternehmens, lassen sich die Banken und Kreditgeber durch einen entsprechend hohen Zins ausgleichen. Insofern ist eine durch Kreditsicherheiten gestützte Fremdfinanzierung eine betriebs- und finanzwirtschaftliche Kostenfrage. ▶ Das Thema Kreditsicherheiten hat neben den betriebswirtschaftlichen Konsequenzen auch markt- und wettbewerbspolitische Bedeutung. Dies verdeutlicht der Vergleich der Bedeutung von Kreditsicherheiten bei Unternehmen unterschiedlicher Größenordnung. Während Industrieunternehmen großzügig Grundstücke Übersicht ▼ 141 F i n a n z i e r u n g s T e c h n i s c h e B e d e u T u n g v o n k r e d i T s i c h e r h e i T e n oder Teile ihrer Produktionsanlagen als Kreditsicherungsmittel einsetzen und daher geringere Darlehenszinsen aushandeln können, verfügen gerade kleine und mittlere Unternehmen i. d. R. nicht über ausreichende Kreditabsicherungsmöglichkeiten. Für die Finanzierung dieser Unternehmen verlangen Banken höhere Zinsen, was ihre Finanzierung teurer und damit ihre wirtschaftlichen Chancen, wirtschaftliche Effektivität im Vergleich zu Großunternehmen schwieriger macht. ▶ Derartige Größen- oder Strukturnachteile kann ein umfangreiches Angebot an risikoabsichernden Kreditsicherheiten ausgleichen. Es kommt dabei dem Staat nicht nur zu, vielfältige, geeignete Kreditsicherungsmittel zu schaffen und der Wirtschaft zur Verfügung zu stellen. Vielmehr hat auch das jeweilige Unternehmen, aus der Vielzahl zur Verfügung stehender Kreditsicherungsmittel, das jenige zu identifizieren und auszuwählen, welches in der jeweiligen Situation am geeigneten erscheint. Nur dies ermöglicht den Unternehmen letztlich a) ihre weitere unternehmerische Tätigkeit und ihren Bestand am Markt zu sichern und damit b) einer effizienten Unternehmens- und Wettbewerbsstruktur, die aus der Mischung von kleinen, mittleren und Großunternehmen besteht, aufrechtzuerhalten. Der nachfolgende Text schildert zunächst die ökonomische Funktion von Kreditsicherungsmitteln. Er macht den Leser mit deren rechtlichen Besonderheiten und wirtschaftlichen Einsatzgebieten vertraut, um so die ökonomische Auswahl des jeweils adäquaten, infrage kommenden, effizienten Kreditsicherungsmittels zu erleichtern. Der Text enthält zahlreiche Fallbeispiele, mit deren Hilfe sich die zum Teil nur sehr schwer verständlichen Rechtskonstruktionen plausibel und fassbar darstellen lassen. Finanzierungstechnische Bedeutung von Kreditsicherheiten Kreditsicherungsmittel werden in der Praxis nur dann relevant, wenn es zum so genannten Sicherungsfall ( s iehe Glossar) kommt. Dies ist der Fall, wenn das Unternehmen seine ausstehenden Forderungen nicht bezahlen kann. Denn in diesem Fall kann der Inhaber einer Kreditsicherheit diese - in welcher Form auch immer - verwerten, d. h. wie Juristen es ausdrücken: sich aus dem Sicherungsgut befriedigen. Die Situation, geschuldetes Geld nicht zurückzahlen zu können, tritt in zwei Fällen ein. (1) Entweder hat ein Unternehmen ein Darlehen aufgenommen, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder zurückzahlen muss. (§ 488 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 BGB) oder ▲ | 6.1 ( s iehe Glossar) 142 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n (2) ein Unternehmen hat die Bezahlung eines fälligen Zahlungsanspruches [etwa aus einem Kauf-, Werk-, Pachtvertrag], zeitlich hinausgeschobenen, i. S. der Vereinbarung eines Zahlungsziels bzw. eines Zahlungsaufschubes, oder rechtlich ausgedrückt einer Stundung (siehe: § 271 BGB). Die beiden Fälle bezeichnet die Wirtschaft mit dem Begriff Kredit: Kennzeichnend für den Kredit i. o. S. ist, dass der Gläubiger einer Forderung hat, auf deren Erfüllung er warten muss. In dieser Situation trägt er, der Gläubiger, das Risiko, dass der Schuldner, zu dem hinausgeschobenen Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung, diese nicht zahlen kann oder will. Um nicht die Frage, wie ein Gläubiger in diesem Fall an sein Geld kommen kann, den Parteien zu überlassen - was sicherlich zu einer gewaltsamen, wirtschaftlich ineffektiven Durchsetzung des Rechts des Stärkeren führen würde - hat der deutsche Gesetzgeber zwei sehr formelle Verfahren entwickelt: das Verfahren der Zwangsvollstreckung und das der Insolvenz. Speziell in ihnen zeigt sich die ökonomische Funktion von Kreditsicherheiten. Aus diesem Grund seien die beiden Verfahren dargestellt: Zur Zwangsvollstreckung ( s iehe Glossar) Im Verfahren der Zwangsvollstreckung wendet sich der Gläubiger, wegen einer ihm zustehenden Forderung (etwa: auf Zahlung des Kaufpreises § 433 Abs. 2 BGB; oder Darlehensrückzahlung § 488 BGB), gegen seinen Schuldner. Mit einem sog. vollstreckbaren Titel (z. B.: Urteil; bzw. dem auf einen Mahnbescheid folgenden Vollstreckungsbescheid, einem gerichtlich protokollierten Vergleich, oder einer Unterwerfungserklärung (794 ZPO)) kann der Gläubiger - durch das Vollstreckungsorgans des Gerichtsvollziehers - in das Vermögen des Schuldners vollstrecken. Dabei pfändet der Gerichtsvollzieher Vermögensgegenstände des Schuldners, die er dann versteigert, um mithilfe des hierdurch erzielten Versteigerungserlöses die Forderung des Gläubigers zu begleichen. Bestehen gegen den Schuldner offene Forderungen unterschiedlicher Gläubiger, so erhält derjenige Gläubiger vor anderen Gläubigern seine vorrangige Befriedigung, der sein Recht zuerst anmeldet. Das Verfahren der Zwangsvollstreckung hat aber auch Nachteile: Zunächst setzt die Zwangsvollstreckung einen vollstreckbaren Titel voraus. Dieser muss erst - man denke nur an ein Urteil - der Gläubiger langjährig und kostenaufwändig Erstreiten. Im Verhältnis zu den Forderungen anderer Gläubiger gilt das Prioritätsprinzip ( s iehe Glossar). D. h. betreiben andere Gläubiger wegen ihrer Forderungen die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners so geht Ihnen die Befriedigung der ersten Zwangsvollstreckung vor. Unter Umständen ist dann aber der Schuldner vermögenslos und ihre Zwangsvollstreckung geht ins Leere. 6.1.1 | 143 F i n a n z i e r u n g s T e c h n i s c h e B e d e u T u n g v o n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Da die Gläubiger die Zahlungsfähigkeit des Schuldners grundsätzlich nicht kennen kann, schafft das Prioritätsprinzip zunächst den Anreiz, sich vor und auch nach der Kreditgewährung über die finanzielle Situation des Schuldners beständig zu informieren. Die Erlangung dieser Informationen ist mit erheblichen Kosten verbunden. Die Sorge der Gläubiger vor einer Überschuldung des Schuldners und vor einem „Zuspätkommen“ in der Zwangsvollstreckung motiviert Gläubiger sogar dazu, die Zwangsvollstreckung bereits zu einem Zeitpunkt zu beantragen, bei dem die Erfüllung ihrer Forderung noch nicht gefährdet ist. Eine Lawine weiterer Prozesskosten und aufwändige Zwangsvollstreckungsverfahren wird so in Gang gesetzt. Was zu einer verfrühten und im Einzelfall zu einer wirtschaftlich grundlosen Zerschlagung des Schuldnervermögens und dessen wirtschaftlicher Existenz führt. Das Verfahren der Zwangsvollstreckung erscheint nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn lediglich ein oder wenige Gläubiger ihr Geld verlangen und eine komplette Überschuldung des Schuldners noch nicht vorliegt. Um die oben geschilderten ökonomischen Nachteile des Zwangsvollstreckungsverfahrens zu minimieren hat die Rechtsordnungen, speziell für den Fall der Befriedigung mehrerer Gläubiger, bei nichtausreichender Vermögensmasse des Schuldners, an Stelle der Zwangsvollstreckung das Insolvenzverfahren gesetzt. Zum Insolvenzverfahren Der ökonomische Vorteil des Insolvenzverfahrens gegenüber der Zwangsvollstreckung besteht insbesondere darin, dass die Gläubiger nicht mehr - nach dem „Prioritätsprinzip“ - auf die Beobachtung ihres Schuldners und des Verhaltens anderer Gläubiger angewiesen sind. Die Forderung eines jeden Gläubigers wird im Insolvenzverfahren allerdings nur mit einer sog. „Quote“ befriedigt. Der Nachteil dieser gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger ist, dass die Quote i. d. R. sehr gering ausfällt. Derzeit beläuft sich die Insolvenzquote im Durchschnitt auf 5 %, so dass die Gläubiger nur einen sehr geringen Teil ihres ausstehenden Geldes zurückerhalten. Somit entstehen auch im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren Anreize zur Beschaffung von Informationen. Denn die Gläubiger werden bereits vor Abschluss eines Vertrages erfahren wollen, ob ihre Forderung vollständig oder nur zu einem Teil erfüllt wird. Bereits existente wie auch zukünftige Gläubiger, müssen z. T. erhebliche Informationskosten aufwenden, um die Insolvenzanfälligkeit des Schuldners abschätzen zu können. Vor allem der Umstand, dass den Gläubigern im Insolvenzverfahren nur eine geringe Quote zusteht hat insbesondere Auswirkungen für den Abschluss von Finanzierungsverträgen: Die Kreditgeber werden eine Risi- | 6.1.2 144 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n ko-Prämie („Delkredere-Zins“ ( s iehe Glossar)) verlangen, um ihr Risiko auszugleichen, dass der Schuldner zahlungsunfähig wird. Die Höhe der Prämie spiegelt sich in der Höhe der Zinsforderung eines Darlehens bzw. eines gestundeten Geldbetrages wieder: Je länger die Laufzeit des Darlehens und je schlechter die wirtschaftliche Situation des Schuldners, desto höher ist das Risiko des ihn Finanzierenden, dass der Schuldner bei Fälligkeit der Forderung nicht zahlen kann, und desto höher ist jeweils der Delkredere-Zins: (1) G gewährt dem mittellosen und überschuldeten S ein Darlehen von 15.000 € für 2 Jahre. Das sehr hohe Zahlungsausfallrisiko lässt sich die durch einen Delkredere-Zins von 23 % ausgleichen. (2) Die Bank B gewährt ihrem vermögenden Dauerkunden Y ein dreitägiges Darlehen in Höhe von 5.000 €. Zur Kompensation des minimalen Zahlungsausfallrisikos genügt daher eine Zinszahlung von 3 %. Aus diesen Überlegungen wird deutlich, dass sich die Höhe des Darlehenszinsatzes nicht allein aus einem Verhandlungsergebnis, sondern entscheidend auch aus dem Risiko des Zahlungsausfalls des Schuldners innerhalb der Frist in der seine Forderung offen steht, ergibt. (1a) Darlehen 2 Jahre = 15.000 €. + Delkredere-Zins 23 % = 6.900 € einschließlich d. Risikos durch die Aufnahmen von. Folgekrediten seine Zahlungsunfähigkeit zu erhöhen + Ausgehandelter Zins 3 % = 900 € (Rück-)Zahlung = 22.800 € Die Delkredere / Risiko-Prämie verteuert daher ein Darlehen bzw. einen durch Stundung offene Forderung erheblich. Die hierdurch entstehenden Kreditkosten nehmen dem fremdfinanzierten Unternehmen zum einen die Möglichkeit, sich wirtschaftlich frei zu bewegen. Zum anderen erhöht Beispiele ▼ Beispiel ▼ ▲ ▲ 145 F i n a n z i e r u n g s T e c h n i s c h e B e d e u T u n g v o n k r e d i T s i c h e r h e i T e n jeder Kredit wiederum das Zahlungsausfallrisiko des Kreditnehmers. Folgekredite müssen daher notwendigerweise für ihn teurer werden. Ist das Zahlungsausgleichrisiko dem Kreditgeber zu hoch, wird das Unternehmen am Markt keinen weiteren Kredit mehr bekommen. Seine Finanzierung über fremde Darlehen fällt dann aus. Der Erstkreditgeber kann rechtlich seinen Kreditzins im Nachhinein nicht mehr erhöhen. Kreditgeber müssten somit im Fall einer weiteren Kreditaufnahme des Schuldners (Folgekredite) antizipieren und schon beim Abschluss ihres Darlehensvertrages ihren „Delkredere-Zins“ entsprechend erhöhen. Hier bewahrheitet sich die Ansicht Mark Twain (1835 - 1910) nach der einen Bank „Eine Einrichtung (ist), von der Sie sich Geld leihen können - vorausgesetzt, Sie können nachweisen, dass Sie es nicht brauchen.“ Die hohen Kreditkosten insbesondere für risikoanfällige Unternehmen wie etwa kleine und mittelständische Unternehmen oder Newcomern, bewirkt, dass diese ihre Kredite wesentlich teuer bezahlen müssen als Wirtschaftseinheiten oder Unternehmen mit einer bestehenden Finanzkraft. Dies führt für kleine und mittelständische oder für sich erst am Markt etablierenden Unternehmen zu einer - im Vergleich zu Großunternehmen - reduzierten Finanzierungsmöglichkeit. Dieser Finanzierungs-Nachteil kleiner und mittelständischer Unternehmen beeinträchtigt die Markt- und Wettbewerbsstruktur. Denn ließe man seitens der Rechtsordnung die oben beschriebenen Verhältnisse bestehen, verursacht dieses Finanzierungsungleichgewicht die zur Verdrängung - an sich funktionstüchtiger - kleiner und mittelständischer Unternehmen bzw. Newcomern vom Markt. Damit leitet die ungleichgewichtige Unternehmensfinanzierung mithin das Entstehen einer eng-oligopolistischen oder sogar monopolistischen Marktstruktur ein und verschuldet die Reduktion des Wettbewerbsgeschehens, mit all den ökonomisch nachteiligen Folgen eines nicht mehr funktionstüchtigen Wettbewerbers. Zur Finanzierungsfunktion von Kreditsicherheiten Abhilfe bietet hier Kreditsicherheiten. Sie bieten nämlich dem Gläubiger die Möglichkeit, sich zur Bezahlung seiner ausstehenden Forderungen - neben der oben als ökonomisch problematisch beschriebenen Verfahren der Zwangsvollstreckung und der Insolvenz - an die Kreditsicherheit zu halten. Diese wird er im Fall der Zahlungsunwillig- oder -unfähigkeit seines Schuldners - etwa durch Verkauf oder durch eine amtliche Versteigerung - verwerten, um aus diesem Erlös seine Forderungen zu begleichen. Er ist dann, nicht wie im Fall der Zwangsvollstreckung, auf ein Restvermögen des Schuldners oder wie im Fall der Insolvenz, auf eine geringe Quote angewiesen. Risikoanfälligkeit | 6.1.3 146 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n ▶ Kann sich der Gläubiger allein aufgrund der bei ihm vorhandenen Kreditsicherungsmittel befriedigen, entfällt für ihn auch das problematische Erfordernis der kostenaufwändigen Informationsbeschaffung hinsichtlich der Zahlungsfähigkeit des Schuldners. ▶ Gleichzeitig erspart er sich die zeit- und kostenaufwändige Inanspruchnahme von Gerichten zur Geltendmachung seiner Forderung. ▶ Da er, auch im Fall der Nichtzahlung seines Schuldners (sog. Sicherungsfall) durch die Verwertung der Kreditsicherheit abgesichert ist, reduziert sich sein Zahlungsausfall-Risiko und somit der von ihm an den Gläubiger zu entrichtende Zins. Gesicherte Kredite können daher günstiger als ungesicherte gewährt werden. (1b) lassen wir den mittellosen und überschuldeten S im Beispiel 1 sein über zwei Jahre laufendes Darlehen von 15.000 € mit der Sicherungsübereignung seines gebrauchten Firmen-Lasters (Wert ca. 28.000 €) gegenüber dem Darlehensgeber G absichern, so ist G - bzw. seine Darlehensrückzahlungsforderung ausreichend gesichert: Kann nämlich S nach zwei Jahren das Darlehen nicht zurück bezahlen so braucht G den Lkw nur zu verkaufen. Er kann dann das für seine Forderung ausstehende Geld von dem Kaufpreis einbehalten. Entsprechend günstig sieht die Finanzierung im Beispiel 1b aus: Darlehen 2 Jahre = 15.000 € + Delkredere-Zins (bei nahezu vollständiger Absicherung/ außer etwa Zerstörung / Diebstahl des Sicherungsgegenstandes) 3 % = 900 € + Ausgehandelter Zins 3 % = 900 € (Rück-)Zahlung = 16.800 € ▶ Im Gegensatz zu ungesicherten Krediten erreichen dingliche Sicherheiten einen risikoangemessenen „Delkredere-Zins“ bzw. einen risikoadäquaten Zinssatz. ▶ Selbst das Risiko, dass der Schuldner durch die Aufnahme von Folgekrediten das Risiko seiner Zahlungsunfähigkeit weiter erhöht, stellt sich bei einem durch ein Kreditsicherungsmittel gesicherten Kredit für den Gläubiger nicht, denn der Gläubiger kann seine ausstehende Forderung aus dem verwerteten Kreditsicherungsmittel begleichen. Der Gläubiger braucht daher auch die Erhöhung des Risikos der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch dessen Aufnahme von Folge- Beispiel ▼ ▲ 147 z u r B e d e u T u n g v o n k r e d i T s i c h e r h e i T e n i m r e c h T kredite nicht einzukalkulieren. Dieser Umstand wirkt sich ebenfalls verbilligend auf die Kreditvergabe aus. Auf einem Kreditmarkt sorgt dann der Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage bei gesicherten Krediten für eine Verminderung des Zinssatzes und zur Verbilligung der Kredite. ▶ Der Einsatz von Kreditsicherungsmitteln vergrößert letztlich die Finanzierungsmöglichkeiten, gerade auch von kleine und mittelständische Unternehmen oder von Newcomern. (Zu den ökonomischen Auswirkungen von Kreditsicherheiten im Einzelnen siehe: Krimphove: Europäische Kreditsicherheiten - Eine rechtsvergleichende, ökonomische Analyse bestehender Kreditsicherungsrechte in Europa. (Krimphove / Tytko (2002): Praktiker-Handbuch der Unternehmensfinanzierung, S. 51 ff., Stuttgart). Zur Bedeutung von Kreditsicherheiten im Recht Um der jeweiligen, individuellen Finanzierungssituation von Unternehmen verschiedener Größenordnung, ungleicher Marktstärke und unterschiedlicher Zugehörigkeit zu diversen Marktsektoren gerecht zu werden, stellt der deutsche Gesetzgeber - in einem Ausmaß wie sonst kein anderer nationaler Gesetzgeber in der Europäischen Union (vgl. Krimphove, 2002, S. 517 ff.) - eine Vielzahl verschiedenartiger Kreditsicherungsmittel - wie die Bürgschaft, den Garantievertrag, den Schuldbeitritt auch Schuld(mit) übernahme genannt, das (Faust-)Pfandrecht, dem Eigentumsvorbehalt, der Sicherungsübereignung und die Sicherungsabtretung an unbeweglichen Sachen und Forderungen, der Hypothek und der Grundschuld - den Unternehmen zum Zweck ihrer kostengünstigen Finanzierung zur Verfügung. Grundlagen des Kreditsicherungsrechtes Der erste Zugriff auf das Kreditsicherungsrecht mag etwas kompliziert erscheinen. Allen Kreditsicherungsmitteln liegen jedoch folgende immer gleich bleibende Bedingungen zugrunde: Zum Grundgeschäft Das deutsche Recht erfordert grundsätzlich den Bestand des sog. „Grundgeschäfts“. Dies kann wie gesehen, in der Vereinbarung eines Darlehensvertrages (§ 488 BGB), oder in der Vereinbarung eines Zahlungsaufschubes (sog. „Zahlungsziels“) (§ 271 BGB z. B. dem Abschluss eines Kaufvertrages 433 BGB) liegen (siehe oben: Abschnitt 1). | 6.2 Alle Kreditsicherungsmittel | 6.2.1 | 6.2.1.1 148 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Das Grundgeschäft ist ein Vertrag. Dieser kommt durch zwei übereinstimmende, und inhaltlich aufeinander abgegebene, Willenserklärungen der Parteien zu Stande. Ein solches Grundgeschäft kann insbesondere wegen eines Irrtums der Parteien verzichtbar (§§ 142, 119 BGB), oder auch wegen Wuchers ( s iehe Glossar) (§ 138 Abs. 2 BGB) nichtig sein: Nach § 138 Abs. 2 liegt Wucher nur dann vor, wenn jemand die Zwangslage, die Unerfahrenheit oder eine erhebliche Willensschwäche ausnutzt, um sich einen Vorteil versprechen zu lassen der in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung steht. Zur Beantwortung der Frage, ob ein auffälliges Missverhältnis i. o. S. zu bejahen ist, hat auch der Jurist die oben dargestellten ökonomischen Grundsätze zurate zu ziehen: ist daher das Ausfallrisiko des Schuldners besonders hoch, kann der Vertragspartner auch einen, seinem Risiko entsprechenden hohen Zinssatz verlangen (siehe oben: Abschnitt 1 (m. w. H.)). Die Rechtsprechung nimmt allerdings eine kritische Grenze an, ab deren Überschreitung von einem auffälligen Missverhältnis zwischen der Darlehensgewährung und dem Zinssatz auszugehen ist. Diese lag bei ca. 30 %. In einer Niedrigzinsphase kann die Grenze des auffälligen Missverhältnisses auch schon auf 18,6 % herabsinken. (BGH NJW-RR 1990, 1199) Zu Recht wird man von einem Wucher dann annehmen können, wenn der Kreditgeber etwa das Doppelte des marktüblichen Zinses verlangt. (BGH NJW-RR 1989, 1068) Zur Akzessorietät / Verbindung von Forderung und Sicherungsrecht In einigen Fällen [Bürgschaft, Pfandrecht, Hypothek] macht das deutsche Recht den Bestand des Kreditsicherungsrechts von dem Bestand des Grundgeschäfts abhängig. Ist das Grundgeschäft nichtig, oder besteht die Forderung nicht bzw. nicht mehr, weil sie schon beglichen ist, so besteht auch das Sicherungsrecht nicht. Es konnte mangels Forderung nicht entstehen, bzw. es fiel mit dem Erlöschen der Forderung automatisch weg. Man nennt diese unmittelbare Zusammengehörigkeit von Forderung und Sicherungsrecht, Akzessorietät ( s iehe Glossar). Zur Sicherungsabrede Neben dem Grundgeschäft - also dem Anlass eine finanzielle Schuld zu Gunsten des Gläubigers abzusichern (z. B.: Darlehensvertrag, Stundungsabrede ( s iehe Glossar)) - bedarf es noch eines weiteren Geschäftes; der sog. Sicherungsabrede. Diese ist in der Praxis besonders wichtig, denn in ihr legen die Parteien u. a. fest: (1) welches Kreditsicherungsrecht (z. B.: Bürgschaft, Sicherungsübereignung, Hypothek) die Forderung absichern soll und - falls dieses nicht schon zwingend vom Gesetz vorgeschrieben ist - 6.2.1.3 | 6.2.1.2 | 149 z u r B e d e u T u n g v o n k r e d i T s i c h e r h e i T e n i m r e c h T (2) welchen genauen Inhalt das Sicherungsrecht haben soll. Letzterer Aspekt ist insbesondere bei der Sicherungsübereignung von Bedeutung. Hier vereinbaren die Parteien, wie mit dem Sicherungsgegenstand zu verfahren ist, falls der Schuldner seine Forderung bezahlt. Idealerweise vereinbaren die Parteien speziell bei der Sicherungsübereignung, ob das Eigentum an den Sicherungsgegenstand automatisch zurückfällt, oder sich der Sicherungsnehmer lediglich verpflichtet, dem Sicherungsgeber das Eigentum an dem Sicherungsgut zu verschaffen (siehe Abschnitt 6.4.2). Oft finden sich in der Sicherungsabrede auch die Vereinbarung von Auskunfts- und Informationspflichten des Sicherungsnehmers. Diese hat beispielsweise den Sicherungsgeber über eine Verschlechterung des Sicherungsgutes unverzüglich zu informieren. Ebenfalls können die Parteien in der Sicherungsabrede bestimmte Nutzungs- und Obhutspflichten des Sicherungsnehmers festlegen. Auch die Sicherungsabrede ist ein Vertrag. Für sie gelten daher auch die oben erwähnten gesetzlichen Regelungen zur Wirksamkeit eines Vertrags: Insbesondere besteht auch für die die Sicherungsabrede die Möglichkeit, sie wegen Irrtums anzufechten (§§ 142, 119 / 123 BGB). Eine Sicherungsabrede kann ferner - im Fall der Übersicherung des Gläubigers - nach § 138 BGB sittenwidrig und damit nichtig sein. Fehlt eine Sicherungsabrede oder/ und ein Grundgeschäft, so ist der Gläubiger um die geleistete Sicherheit ungerechtfertigt bereichert. In diesem Fall muss er dann die erworbene Sicherheit nach § 812 BGB herausgeben. Zu gesetzlichen Sicherungsrechte Ausnahmsweise bedarf es zum Entstehen eines Kreditsicherungsrechts keiner Sicherungsabrede. In einigen Fällen sieht das deutsche Recht, das Interesse bestimmter Personen an einer Sicherung ihrer ausstehenden Forderungen als so gravierend an, dass es ihnen - per Gesetz - bestimmte Sicherungsrechte einräumt. Dies sind die so genannten gesetzlichen Sicherungsrechte. In der Praxis sind die gesetzlichen Pfandrechte des Hinterlegungsberechtigten (§ 233 BGB), des Vermieters, Verpächters (§§ 562, 592 BGB), des Pächters (§ 583 BGB), des Werkherstellers (§ 647 BGB), des Gastwirts (§ 704 BGB), des Kommissionärs (§ 397 HGB), der Frachtführer, Spediteure und des Lagerhalters § 441, 464, 475b HGB) besonders wichtig. Zum jeweiligen Sicherungsgeschäft Neben den allgemeinen - für alle Kreditsicherungsrechte geltenden Bedingungen - richten sich die Charakteristika eines jeden Kreditsicherungsrechtes nach dessen besonderen Vorschriften. Diese stellten die folgenden Kapitel ausführlich dar. Zunächst ist jedoch eine Unterscheidung einzuführen. | 6.2.1.4 | 6.2.1.5 150 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Persönliche und dingliche Sicherungsrechte Das deutsche Recht kennt die Unterscheidung zwischen persönlichen und dinglichen Sicherungsrechten: bei den persönlichen Sicherungsrechten tritt ein Dritter für die Verbindlichkeit eines Schuldners gegenüber dessen Gläubiger ein. Der Dritte „schuldet“ hier persönlich neben oder anstatt des Schuldners. Persönliche Sicherungsrechte sind insbesondere: die Bürgschaft, der Garantievertrag, die Schuld(mit)übernahme, bzw. der Schuldbeitritt und die Schuldübernahme. Im Gegensatz zu den persönlichen Sicherheiten zeichnen sich dingliche Kreditsicherungsrecht [darunter das an beweglichen Gegenständen: das Pfandrecht, (Faust-)Pfandrecht, der Eigentumsvorbehalt die Sicherungsübereignung und das an unbeweglichen Sachen: Hypothek und Grundschuld)] dadurch aus, dass der Gläubiger (und Sicherungsnehmer) den Sicherungsgegenstand verwerten bzw. verwerten lassen kann, um mit dem aus der Verwertung erzielten Erlös seine Forderung zu tilgen. Hier schuldet kein Dritter für die Verbindlichkeit des Schuldners, sondern es „haftet“ der Sicherungsgegenstand (z. B.: die Uhr, der Firmen-LKW, das Grundstück) für die Erfüllung der Forderung. Dingliche Kreditsicherungsrechte sind zudem verkehrsfähig. Das heißt sie können im Rechtsverkehr gehandelt und erworben werden. Nachfolgende Darstellung beschäftigt sich zunächst mit den persönlichen Sicherungsrechten. Sie erläutert danach die Möglichkeiten, Kredite mit dinglichen Sicherungsrechten abzusichern. Persönliche Sicherungsrechte Gerade die Wahl persönlicher Sicherungsrechte - wie etwa eine Garantie, den Schuldbeitritt oder eine Bürgschaft - bietet sich für Unternehmen mit geringem Eigenkapital an. Denn persönliche Sicherungsrechte verlangen nicht, dass der Schuldner in größerem Umfang Eigentum besitzt, das er als Sicherheit seinem Gläubiger, dem Sicherungsnehmer überlassen kann. Andererseits wird ein Bürge, Garantiegeber, Schuldübernehmer etc. zur Stellung einer persönlichen Sicherheit (Bürgschaft, Garantieversprechen, Schuldübernahme etc.) auch nur bereit sein, wenn er sich hiervon einen Gewinn verspricht. Der die persönliche Sicherheit stellende, z. B.: eine bürgende Bank oder einem Umschuldungsbzw. Finanzierungsunternehmen wird somit von dem Schuldner in der Regel eine - als Marge, Aufschlag, Provision oder Zins bezeichneten - Vergütung verlangen. Deren Höhe entspricht dem Risiko des Zahlungsausfalls des Schuldners (siehe Abschnitt 6.1 (m. w. H.)). Der Schuldner seinerseits wird also die Verwendung persönlicher Kreditsicherheiten (im Einzelfall teuer) zu bezahlen haben. 6.2.1.6 | 6.3 | 151 P e r s Ö n l i c h e s i c h e r u n g s r e c h T e Der Gesetzgeber hat von den persönlichen Sicherungsrechten die Bürgschaft am detailliertesten ausgearbeitet. Nicht nur aus diesem Grund sei das Kreditsicherungsrecht der Bürgschaft gleich zu Anfang ausgiebig und nachhaltig dargestellt. Eine Vielzahl ihrer rechtlichen Problematiken teilt die Bürgschaft auch mit anderen Kreditsicherheitsrechten, so dass ihre exemplarische Darstellung allgemeine Bedeutung für das gesamte Kreditsicherheitsrecht - auch das der dinglichen Sicherungsmittel - beanspruchen kann. Zur Bürgschaft Wichtige Vorschriften: § 765 BGB (1) Durch den Bürgschaftsvertrag verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. § 766 BGB Zur Gültigkeit des Bürgschaftsvertrages ist schriftliche Erteilung der Bürgschaftserklärung erforderlich. § 1 HGB (1) Kaufmann im Sinne des Gesetzbuchs ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt. (2) Handelsgewerbe ist jeder Gewerbebetrieb, es sei denn, dass das Unternehmen nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Gewerbebetrieb nicht erfordert. § 350 HGB Auf die Bürgschaft … finden, sofern die Bürgschaft auf der Seite des Bürgen … ein Handelsgeschäft ist die Formvorschriften des § 766 Satz 1 BGB keine Anwendung. § 343 HGB (1) Handelsgeschäfte sind alle Geschäfte eines Kaufmanns, die zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehören. § 344 HGB (1) die von einem Kaufmann vorgenommenen Rechtsgeschäfte gelten im Zweifel als zum Betrieb eines Handelsgewerbes gehörig. § 771 BGB Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). | 6.3.1 | 6.3.1.1 Info ▼ 152 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n § 773 BGB Die Einrede der Vorausklage ist ausgeschlossen: 1. wenn der Bürge auf die Einrede verzichtet. § 768 BGB Der Bürge kann die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen. Zur Begriffsbestimmung Im Fall der Bürgschaft verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger für die Verbindlichkeit eines Schuldners einzustehen (§ 765 BGB). Die Bürgschaft entsteht durch eine entsprechende vertragliche Vereinbarung zwischen den Bürgen und des Gläubigers der zu sichernden Forderung. Nur die Erklärung des Bürgen muss schriftlich sein (§ 766 BGB). Ist der Bürge ein Kaufmann und fällt die Bürgschaftserklärung in seinen Geschäftsbereich (§§ 343, 344 HGB) bedarf es der Form der Bürgschaftserklärung nicht (§ 350 HGB). Wie die Hypothek und das Pfandrecht ist die Bürgschaft akzessorisch; d. h. die Höhe und der Bestand der Bürgschaft ist abhängig von der Höhe und dem Bestand der durch sie gesicherten Forderung (siehe unten: Abschnitt 6.4). Aufgrund der Akzessorietät besteht der Anspruch gegen den Bürgen nur in der Höhe der sich aus dem Grundgeschäft ergebenden Forderung (§ 767 Abs. 1 BGB). Hatte der Schuldner A. auf den Kaufpreis von 56.876 € bereits 43.000 € bezahlt, besteht die Bürgschaftsschuld des B gegen den X auch nur in Höhe von 13.876 €. Die Höhe der Bürgschaftsschuld erhöht sich nach § 767 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur für die vom Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung. Allerdings haftet der Bürge auch nach § 767 Abs. 1 S. 2 BGB für Verzugszinsen (BGH NJW 89, 27). Die Parteien können bereits mit der Vereinbarung der Bürgschaft eine feste Grenze bestimmen, über die hinaus der Bürge nicht mehr haften muss. Eine solche Bürgschaft bezeichnet die Rechtslehre als „Höchstbetragsbürgschaft“ (BGH NJW 89, 1484). Zur selbstschuldnerischen Bürgschaft Verlangt der Gläubiger sein Geld, muss er sich grundsätzlich zunächst an den Schuldner - und nicht an den Bürgen - wenden. Der Bürge kann ▲ Verpflichtung des Bürgen 6.3.1.2 | Sch Gl B Abb 6.1 | 153 P e r s Ö n l i c h e s i c h e r u n g s r e c h T e seine Inanspruchnahme vor der des Schuldners, durch die sog. Einrede der Vorausklage verhindern (§ 771 BGB). Diese Möglichkeit des Schuldners besteht dann nicht (§ 349 HGB), ▶ wenn sich ein Kaufmann i. S. d. §§ 1 ff. HGB verbürgt hat und die Bürgschaft in seinen Geschäftsbereich fällt (§§ 343, 344 HGB) oder ▶ die Parteien schließen die Einrede der Vorausklage aus (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Es entsteht dadurch eine selbstschuldnerische Bürgschaft, bei der der Gläubiger unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen des Bürgen nehmen kann. Dies geschieht in der Kreditvergabepraxis oft, da insbesondere Banken in ihren Formularen eine selbstschuldnerische Bürgschaft vorsehen. Der Bürge kann seine Inanspruchnahme auch dadurch ausschließen, dass er sich auf jene Gegenrechte (z. B.: Anfechtung, Aufrechnung Mängelgewährleistung) beruft, die der Schuldner gegenüber dem Gläubiger geltend machen könnte (§§ 768, 770 BGB). Allerdings müssen diese Gegenrechte auch tatsächlich im Verhältnis des Gläubigers und Schuldners bestehen. Zu den gesetzlichen Forderungsübergängen bei Zahlung der Bürgschaft durch den Bürgen Bezahlt der Bürge seine Bürgschaftsverpflichtung gegenüber dem Gläubiger des Grundgeschäfts, so fragt sich, auf welche Weise der Bürge hierfür Ersatzleistungen bekommen kann. Die nahe liegende Möglichkeit ist, dass er und der Schuldner für den er gebürgt hat ein vertragliches Rechtsverhältnis vorher vereinbart haben, aufgrund dessen der Bürge Ersatzleistungen von dem Schuldner verlangen kann. Als ein solches Rechtsverhältnis zwischen dem Schuldner und dem Bürgen kommt insbesondere ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht (§ 675 BGB). Oft haben die Parteien jedoch kein vertragliches oder vertragsähnliches Rechtsverhältnis begründet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Schuldner und Bürger verwandt oder eng befreundet sind, und die Vornahme der Bürgschaft nur eine rechtlich unerhebliche „Gefälligkeit“ darstellt. § 774 BGB - sichert den Bürgen zusätzlich: Denn unabhängig der Frage, ob ein vertraglicher Anspruch des Bürgen gegen den Schuldner aus einem zwischen ihm und dem Gläubiger geschlossenen Schuldverhältnis / Geschäftsbesorgungsvertrag besteht, lässt § 774 BGB die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner - schon per Gesetz - auf den Bürgen übergehen (sog. cessio legis oder gesetzlicher Forderungsübergang). Bezahlt daher der Bürge die Bürgschaftsschuld, steht ihm - nach § 774 BGB - automatisch der Anspruch für den er sich verbürgt hat zu. Ersatzleistungen 154 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n (1) Fall: Zustandekommen einer Bürgschaft / Akzessorietät / Grundgeschäft Diese sehr abstrakten, rechtlichen Zusammenhänge möchte das nachfolgende Fallbeispiel veranschaulichen: Der Gemüsehändler A kauft vom Kraftfahrzeughändler B einen Lastkraftwagen, den er (A) für seinen Gemüsehandel benötigt. Der Lastkraftwagen kostet 56.876 €. Da A nicht soviel Geld hat, bittet er seinen Freund - den Obst- und Gemüsegroßhändler X - ihm zu helfen. X erklärt dem B - in einem Telefongespräch -, dass er (X) für den gesamten Kaufpreis bürgen möchte. B findet diese Idee großartig und stimmt diesem Vorschlag des X sofort zu. a) Kommt eine wirksame Bürgschaft zustande? Lösung: Eine Bürgschaft kommt wirksam zu Stande, wenn ein Bürgschaftsvertrag zwischen den Bürgen X und dem Gläubiger B geschlossen ist. Wichtig ist, dass das Gesetz als Parteien einer Bürgschaft den Bürgen und dem Gläubiger (des Grundgeschäfts) vorsieht, und nicht den Schuldner des Grundgeschäfts. Da die Bürgschaft akzessorisch ist, ist ferner für die Wirksamkeit der Bürgschaft Voraussetzung, dass ein wirksames Grundgeschäft zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner besteht. Für diese Verbindlichkeit des Schuldners muss sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger verbürgt haben. Der Schuldner A hat vom Gläubiger B einen Lastwagen zu einem Preis von 56.876 € gekauft. In dieser Höhe besteht die Verpflichtung des Schuldners A an den Gläubiger B den Kaufpreis zu zahlen (§ 433 Abs. 2 BGB). Ein wirksames Grundgeschäft liegt daher vor. Fraglich ist ob ein wirksamer Bürgschaftsvertrag zwischen den Bürgen X und dem Gläubiger B zu Stande kam. Dies ist insbesondere fraglich, weil X und B die Bürgschaft in einem Telefonat - also mündlich - vereinbarten. § 766 BGB verlangt zur Wirksamkeit eines Bürgschaftsvertrages, dass die Bürgschaftserklärung schriftlich ist. Achtung: § 766 BGB sieht lediglich die Schriftlichkeit der Bürgschaftserklärung - also der Erklärung des Bürgen - vor. Nicht erforderlich ist, dass die Parteien den gesamten Bürgschaftsvertrag schriftlich schlossen. Mit dem Schriftformerfordernis aus § 766 BGB möchte der Gesetzgeber erreichen, dass derjenige der sich für eine fremde Schuld verbürgt besonders gewarnt wird und dies nicht leichtfertig tut. Beispiel ▼ A B X Abb 6.1 | ▲ 155 P e r s Ö n l i c h e s i c h e r u n g s r e c h T e X erklärt seine Bürgschaft mündlich per Telefon. Nach § 766 BGB müsste daher seine Erklärung und damit der ganze Bürgschaftsvertrag zwischen X und B ungültig sein. Allerdings verlangt das deutsche Recht eine Warnung im Sinne des § 766 BGB nicht, wenn der Handelnde keiner Warnung bedarf. Dies ist insbesondere der Fall, wenn es sich um einen Kaufmann handelt. Denn das deutsche Recht geht davon aus, dass Kaufleute im Abschluss von Rechtsgeschäften besonders erfahren sind. In diesem Sinne ist gemäß § 350 HGB (Handelsgesetzbuch) § 766 BGB nicht anwendbar, wenn für den Bürgen die Abgabe der Bürgschaft ein Handelsgeschäft ist. Um dies bejahen zu können ist nun zu prüfen, ob die Vornahme der telefonischen Bürgschaft für den X ein Handelsgeschäft ist. Was ein Handelsgeschäft ist ergibt sich aus § 343 HGB. X ist Obst und Gemüsehändler. Ob der Abschluss einer Bürgschaft auch zu seinem Handelsgeschäft gehört, ist unklar. Für den Fall jedoch, dass dies unklar ist, hilft § 344 HGB. Bestehen Zweifel ob das Rechtsgeschäft (hier Bürgschaft) zum Handelsgeschäft eines Kaufmanns gehört, bejaht dies § 344 HGB. § 344 HGB möchte auf diese Weise - mithilfe einer gesetzlichen Fiktion - im Rechtsverkehr weitschweifende und umfangreiche Nachforschungen ersparen. Damit nun § 344 HGB eingreift müsste X Kaufmann im Sinne des § 1 HGB sein. X betreibt einen Obst und Gemüsegroßhandel. Damit betreibt er ein Gewerbe, das auch einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. X ist also Kaufmann im Sinne des § 1 HGB. Die Abgabe seiner Bürgschaft erfolgte im Rahmen seines Handelsgeschäftes (§§ 343, 344 HGB). Folglich greift 350 HGB ein und das Schriftformerfordernis aus § 766 BGB besteht nicht. Da so ein Schriftformerfordernis des § 766 BGB entfällt, konnte X seine Bürgschaftserklärung auch wirksam mündlich, per Telefon, abgeben. Seine Bürgschaftserklärung ist daher wirksam und der Gläubiger B konnte diese wirksam annehmen. Also liegt auch ein wirksamer Bürgschaftsvertrag vor. X hat sich daher wirksam gegenüber B in Höhe von 56.876 € verbürgt. (2) Fallabwandlung: Einrede der Vorausklage / Einrede der Mängelgewährleistung Schon bei der Lieferung hatte der Motor des Lastkraftwagens einen versteckten Schaden. Dieser tritt nun in Erscheinung. Der an A verkaufte Lastkraftwagen fährt nach 3 Monaten seit seiner Auslieferung plötzlich nicht mehr. A hat seinen Gemüsehandel in der Zwischenzeit aufgegeben und ist wegen seiner hohen Schulden in die Türkei geflohen. Ihm ist es egal, was mit dem Lastkraftwagen geschieht. a) Muss X die volle Summe (56.876 €.) zahlen? Beispiel ▼ 156 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Lösung: X müsste zahlen, wenn ein wirksamer Bürgschaftsvertrag vorläge mit dem sich X für eine aus dem Grundgeschäft bestehende Verbindlichkeit des Schuldners A gegenüber dem Gläubiger B verbürgt hätte. Ein wirksamer Bürgschaftsvertrag und ein wirksames Grundgeschäft liegen vor (siehe oben). Folglich müsste der Bürge X grundsätzlich die Bürgschaftsschuld in Höhe von 56.876 € an den Gläubiger B zahlen. ▶ Einreden: Gegen diesen Zahlungsanspruch könnte jedoch der belastete Bürge X mehrere Einreden erheben: Die Einrede gibt dem Verpflichteten ein „Gegenrecht“. Auf dieses muss er sich - im Gegensatz zur Einwendung - ausdrücklich berufen, anderenfalls findet die Einrede keine Beachtung. Im Recht der Bürgschaft existieren gleich mehrere, unterschiedliche Einreden: ▶ Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) Jeder Bürge kann sich gegenüber dem Zahlungsanspruch des Gläubigers aus der Bürgschaft damit verteidigen, dass er den Bürgen darauf verweist, zunächst die Begleichung der Verbindlichkeit bei dem Hauptschuldner zu suchen. § 771 BGB Der Bürge kann die Befriedigung des Gläubigers verweigern, solange nicht der Gläubiger eine Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner ohne Erfolg versucht hat (Einrede der Vorausklage). § 771 BGB nimmt daher grundsätzlich den Hauptschuldner vor dem Bürgen in die Pflicht. X kann daher grundsätzlich gegenüber dem Bürgschaftsanspruch des B vorbringen, B solle sich zunächst an seinen Schuldner A wenden. Allerdings muss X - wie oben beschrieben - diese Einrede auch selbst ausdrücklich vortragen! ▶ Ausschluss der Einrede der Vorausklage Die Einrede der Vorausklage könnte jedoch nach § 773 BGB ausgeschlossen sein. Auch zum Ausschluss der Einrede der Vorausklage gibt es mehrere Möglichkeiten: ▶ „Selbstschuldnerische Bürgschaft“ Die wohl häufigste Alternative des Ausschlusses der Einrede der Vorausklage aus § 771 BGB liegt vor, wenn der Bürge freiwillig auf die Einrede verzichtet hat (§ 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB). In diesem Fall spricht man von einer „ selbstschuldnerischen Bürgschaft“. In der Praxis findet eine solche Vereinbarung bereits auf dem Formular zum Abschluss eines Bürgschaftsvertrages statt. In diesem Fall geht man grundsätzlich davon aus, dass der Bürgschafts-Nehmer (d. h. der Gläubiger) den Bürgen nicht gesondert darauf hinweisen muss, dass dieser eine selbstschuldnerische Bürgschaft eingeht. 157 P e r s Ö n l i c h e s i c h e r u n g s r e c h T e In unserem Abwandlungsfall hat der Bürge X mit dem Gläubiger am Telefon nicht über die Vereinbarung einer selbstschuldnerischen Bürgschaft gesprochen. Es ist von einem freiwilligen Verzicht des X auf die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) daher nicht auszugehen. Mit anderen Worten X hat keine selbstschuldnerische Bürgschaft vereinbart. Folglich ist aus diesem Grunde die Einrede der Vorausklage des Bürgen X nicht ausgeschlossen, und der Gläubiger muss sich - zumindest nach dem derzeitigen Stand der Prüfung - zunächst an seinen Schuldner A wenden. ▶ Weitere Ausschlussgründe der Einrede der Vorausklage Allenfalls ist darüber nachzudenken, dass die Einrede der Vorausklage des X dadurch entfällt das der Hauptschuldner A im jetzigen Zeitpunkt nur noch schwer zu ermitteln ist. § 773 Abs. 1 Nr. 2 BGB gewährt eine solche Alternative. Danach ist die Einrede der Vorausklage ausgeschlossen, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Hauptschuldner infolge einer nach Übernahme der Bürgschaft eintretenden Änderung des Wohnsitzes, der gewerblichen Niederlassung oder des Aufenthaltsorts des Hauptschuldners wesentlich erschwert ist. Da der Hauptschuldner A in die Türkei geflohen ist und auch dort nicht ausfindig zu machen ist, liegt eine wesentliche Erschwernis der Feststellung seines Wohnsitzes vor. Die Einrede der Vorausklage (§ 771 BGB) entfällt daher für den Bürgen X nach § 773 Abs. 1 Nr. 2 BGB, so dass sich der Gläubiger unmittelbar an den Bürgen X wenden kann. Der Bürge X könnte jedoch noch weitere Einreden gegen den Anspruch des B geltend machen: ▶ Einrede der Mängelgewährleistung gegen den Zahlungsanspruch des Gläubigers in Höhe von 56.876 € könnte der X jedoch einwenden das Grundgeschäft (also der Kauf eines Lastkraftwagens) sei „ nicht in Ordnung“. ▶ Einreden und Einwendungen gegen das Grundgeschäft Einreden und Einwendungen gegen das Grundgeschäft wirken sich wie folgt aus: Der Einwand, dass das Grundgeschäft nicht, nicht mehr oder nicht in voller Höhe existiert, bedeutet, dass - wegen der Akzessorietät - die Bürgschaft ebenfalls nicht, bzw. nicht mehr oder nicht in voller Höhe besteht. § 770 BGB gibt dem Bürgen das Recht die Einrede geltend zu machen, das Grundgeschäft sei durch Anfechtung vernichtbar (§§ 119, 123, 142 BGB) oder der Schuldner könne gegen den Gläubiger die Bürgschaftsschuld durch eine Aufrechnung mit einer Gegenforderung die Bürgschaftsschuld reduzieren. Zudem ermöglicht § 768 BGB dem Bürgen alle Einreden geltend zu machen die dem Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger zustehen. Ob die Mängelgewährleistungseinrede ein Anwendungsfall des § 770 BGB oder § 768 BGB ist, ist zum Teil noch unter deutschen Juristen umstritten. Praktische Auswirkungen hat dieser Streit allerdings nicht. 158 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Der Lkw war bereits bei Lieferung schadhaft, somit steht dem Schuldner (A) die Einrede der Mängelgewährleistung zu (§ 434 in Verbindung mit § 437 BGB). Diese Mängelgewährleistungseinrede darf nach §§ 768 BGB oder 770 BGB nun auch der Bürge X gegen den Anspruch des Gläubigers geltend machen. Achtung: Bei diesem Recht des Bürgen X kommt es nicht darauf an, ob der Hauptschuldner die Einrede selber ausspricht, oder ob er diese überhaupt geltend machen will. Die Möglichkeit, dass der Hauptschuldner eine Einrede gegen das Grundverhältnis (Anfechtung, Aufrechnung Mängelgewährleistung) rechtlich geltend machen kann, genügt um dem Bürgen die Möglichkeit dieser Einrede zukommen zu lassen. Achtung: Der Bürge selber darf die Einrede des Hauptschuldners dazu nutzen, sie im Rahmen seiner Bürgschaftsverpflichtung dem Gläubiger entgegenzusetzen. Jedoch hat der Bürge nicht das Recht, die Einreden des Schuldners selbstständig geltend zu machen. Das heißt der Bürge kann das Grundgeschäft nicht anfechten, aufrechnen, wandeln oder die Forderung mindern! Bezahlt der Bürge X die Bürgschaftsschuld in voller Höhe, stünde ihm - nach § 774 BGB - automatisch der Kaufpreisanspruch zu, den der Gläubiger B gegen den Schuldner A nach § 433 Abs. 2 BGB gehabt hat. Zum Kreditauftrag ( s iehe Glossar) In der Praxis wird vielfach übersehen, dass derjenige, der einen Anderen damit beauftragt, einem Dritten ein Darlehen oder eine Finanzierungshilfe zu gewähren, dem Beauftragten als Bürge dient. Diese Rechtsfolge tritt durch die Beauftragung ein. Eines Bürgschaftsvertrages zwischen dem Finanzier und dem Gläubiger bedarf es nicht! Weist also die Hauptgeschäftsstelle des Z-Konzerns, ihre rechtlich selbstständige Tochtergesellschaft, die YQ-GmbH an, Herrn K einen Kredit in Höhe von 100.000 € zu gewähren, so ist der Z-Konzern ein Bürge gegenüber der YQ-GmbH für die Darlehensschuld des Herrn K. ▲ ▼ ▲ 6.3.2 | K YQ-Gmbh Z Anweisung § 488 BGB Abb 6.3 | 159 P e r s Ö n l i c h e s i c h e r u n g s r e c h T e Zum Garantievertrag Mit dem Garantievertrag verspricht der Garantierende für den Eintritt eines bestimmten Erfolges einstehen zu wollen. Besteht dieser Erfolg in der Zahlung einer ausstehenden Forderung eines Dritten oder des Schuldners an den Gläubiger, spricht man von der sog. Forderungsgarantie ( s iehe Glossar). Ein Gewährsmann übernimmt gegenüber einem Dritten die Garantie für die ordnungsgemäße Finanzierung eines Projekts. Der Garantievertrag gleicht der Bürgschaft. Dennoch sind die Vorschriften der Bürgschaft auf den Garantievertrag nicht entsprechend anwendbar. Das bedeutet insbesondere, weder die Garantieerklärung noch der Garantievertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit einer Form. Das Garantieversprechen ist ferner nicht akzessorisch. Der Garantierende haftet somit auch bei bestehenden Einreden des Schuldners gegen die Forderung. Wann eine Bürgschaft oder wann ein Garantievertrag vorliegt, ist durch Auslegung des Parteiwillens in jeden Einzelfall festzustellen: Geht der Haftungsverpflichtete von dem Bestehen einer konkreten Forderung und deren bestimmter Höhe aus, liegt grundsätzlich eine Bürgschaft vor. Will eine Partei - auch unabhängig des Bestandes einer Forderung und ihrer konkreten Höhe - für die Realisierung eines (Zahlungs-) Erfolgs einem Gläubiger gegenüber einstehen, so ist von dem vorliegen eines Garantievertrages auszugehen (BGH NJW 69, 2569). Zur Schuld(mit)übernahme oder der so genannte Schuldbeitritt Bei der Schuld(mit)übernahme bzw. dem Schuldbeitritt erhält der Gläubiger einen neuen, weiteren Schuldner. Der alte und der neue hinzukommende Schuldner werden Gesamtschuldner im Sinne der §§ 421 ff. BGB. Die Forderung des Gläubigers ist damit mehrfach gesichert. Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist gesetzlich nicht geregelt. Er geschieht mit einem Vertrag besonderer Art im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB. Das deutsche Recht kennt auch zahlreiche Fälle des Schuldbeitritts per Gesetz; z. B.: §§ 546 Abs. 2, 604 Abs. 4, 613a Abs. 2, 830, 840, 2058, 2382, 2385 BGB, §§ 25, 28, 130 HGB und § 28 Wechselgesetz. Der rechtsgeschäftliche Schuldbeitritt ist grundsätzlich formfrei. § 766 BGB gilt hier nicht. Nur der Beitritt zu einem Verbraucherkreditgeschäft bedarf der Schriftform. Auch die Schuld(mit)übernahme ähnelt der Bürgschaft insofern, dass sie wie die Bürgschaft zur Sicherung eines Anspruchs gegenüber einem | 6.3.3 Beispiel ▼ ▲ | 6.3.4 160 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Gläubiger einen weiteren mithaftenden verschaffen. Allerdings ist der Schuldbeitritt nicht akzessorisch. Er begründet daher eine eigenständige, von dem Grundgeschäft und seiner Forderung unabhängige Verpflichtung des Beitretenden. Wie bei der Abgrenzung des Garantievertrages von der Bürgschaft, ist auch hier der einzelne Wille der Parteien entscheidend. Es kommt darauf an, ob die Parteien den Bestand einer Forderung in einer bestimmten Höhe vorausgesetzt haben (dann Bürgschaft), oder ob die Parteien, insbesondere der Haftung verpflichtende, eigenständig und losgelöst von dem Grundgeschäft und seiner Forderung für die Schuld eines Dritten, einstehen möchten (dann Schuldbeitritt). Die frühere Rechtsprechung, nach deren eine Schuldbeitritt einen eigenen wirtschaftlichen Vorteil des Beitretenden verlangte, ist mittlerweile aufgegeben (Heinrichs, in: Palandt, Vor. § 414 Rn. 4). Zur Schuldübernahme Bei der Schuldübernahme vereinbart der Schuldner mit einem Dritten, dass der Dritte nun für ihn schuldet. Es tritt - im Gegensatz zur Schuld(mit) übernahme - ein neuer Schuldner an die Stelle des alten Schuldners. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Geschäftes sind für den Gläubiger gravierender als die eines Schuldbeitritts, eines Garantievertrages oder einer Bürgschaft. Denn bei der Schuldübernahme bekommt der Gläubiger keinen weiteren Schuldner. Sein ehemaliger Schuldner wird lediglich durch einen neuen Schuldner ausgewechselt. Dem Gläubiger kann es daher passieren, dass er, durch die Vereinbarung zwischen dem Schuldner (Alt-Schuldner) und dem Dritten (Neu-Schuldner), einen - zahlungsfähigen - Schuldner verliert und dafür einen neuen - zahlungsunfähigen - bekommt. Zum Schutz des Gläubigers in dieser Situation gibt das Gesetz (§ 415 BGB) dem Gläubiger die Möglichkeit zur Mitsprache: nach § 415 BGB ist die Schuldübernahme, die ein Dritter mit dem Schuldner vereinbart, erst dann wirksam, wenn der Gläubiger sie genehmigt hat. Zu dinglichen Kreditsicherheiten Neben den persönlichen Sicherheiten kennt das deutsche Recht eine Anzahl an dinglichen Kreditsicherheiten. Zu nennen sind hier insbesondere das Pfandrecht (an beweglichen Sachen und Forderungen), der Eigentumsvorbehalt, die Sicherungsübereignung (von beweglichen Sachen und von Forderungen), die Hypotheken und Grundschulden. Ein neuer Schuldner 6.3.5 | 6.4 | ( s iehe Glossar) 161 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Zum P fandrecht an beweglichen Sachen Wichtige Vorschriften: § 1204 BGB (1) Eine bewegliche Sache kann zur Sicherung einer Forderung in der Weise belastet werden, dass der Gläubiger berechtigt ist, Befriedigung aus der Sache zu suchen (Pfandrecht). § 1205 BGB zur Bestellung des Pfandrechts ist erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Gläubiger übergibt und beide darüber einig sind, dass dem Gläubiger das Pfandrecht zustehen soll. … . § 1206 BGB Anstelle der Übergabe der Sache genügt die Einräumung des Besitzes, wenn sich die Sache unter dem Mitverschluss des Gläubigers befindet, oder falls sie im Besitz eines Dritten ist, die Herausgabe nur an den Eigentümer und den Gläubiger gemeinschaftlich erfolgen kann. § 1253 BGB (1) Das Pfandrecht erlischt, wenn der Pfandgläubiger das Pfand dem Verpfänder oder dem Eigentümer zurückgibt. § 1228 BGB Die Befriedigung des Pfandgläubigers aus dem Pfand erfolgt durch Verkauf. Dazu ist der Pfandgläubiger berechtigt, sobald die Forderung ganz oder zum Teil fällig ist. § 1250 BGB (1) Mit der Übertragung der Forderung geht das Pfandrecht auf den neuen Gläubiger über. Das Pfandrecht kann nicht ohne die Forderung übertragen werden. (2) Wird bei der Übertragung der Forderung die Übertragung des Pfandrechts ausgeschlossen, so erlischt das Pfandrecht. Begriffsbestimmung Ein wichtiges Kreditsicherungsmittel im deutschen Recht ist das Pfandrecht an beweglichen Sachen. Wie die Bürgschaft ist es akzessorisch. Das heißt seinen Bestand und seine Höhe hängen von den Bestand und der Höhe der Ihnen zu Grunde liegenden Forderung ab. Das Pfandrecht gibt seinem Inhaber die Befugnis, die für eine bestehende Schuld verpfändete Sache im Rahmen der Zwangsversteigerung verwerten | 6.4.1 | 6.4.1.1 | 6.4.1.2 Info ▼ ▲ 162 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n zu lassen, und sich aus dem Erlös zu befriedigen (§§ 1204, 1247, 1228 ff. BGB). Der Inhaber eines Pfandrechts hat daher keine Geldforderungen gegen den Pfandgeber, sondern das Recht, dass der Pfandgeber die Verwertung seiner Sache in der Zwangsversteigerung dulden muss (sog. Duldungsanspruch) (§ 1228 BGB). Achtung! Der Pfandnehmer oder Pfandgläubiger hat in keinem Fall das Recht, nach der Fälligkeit der Schuld, die Pfandsache für sich zu behalten. Denn Eigentümer der Pfandsache bleibt nach wie vor der Pfandgeber. Beim Pfand räumt der Pfandgeber nämlich dem Pfandnehmer nicht das Eigentum an der Pfandsache ein. Er gibt diesem lediglich den Besitz an der Pfandsache. Spielt sich daher im Verwertungsfall - also dann wenn die Forderung fällig wird - der Pfandnehmer als Eigentümer auf, indem er die Sache behält, verschenkt oder veräußert, so begeht der Pfandgläubiger den Straftatbestand einer Unterschlagung nach § 246 Strafgesetzbuch. Zur Begründung des Pfandrechts Das Pfandrecht entsteht grundsätzlich durch einen Vertrag (Pfandbestellungsvertrag) und durch die Übergabe der Pfandsache (§ 1205 ff. BGB). Der Pfandbestellung liegt die sog. Sicherungsabrede und, da das Pfand akzessorisch ist, ein wirksames Grundgeschäft zu Grunde. Mithin lassen sich - wie im Schaubild dargestellt - folgende Geschäfte unterscheiden: Das Grundgeschäft und die Sicherungsabrede sind Verträge. Diese wirken allerdings schuldrechtlich. Auch der Pfandbestellungsvertrag i. S. d. § 1205 BGB ist ein Vertrag. Auf ihnen finden daher alle Vorschriften die allgemeinen über Verträge gelten [Formvorschrift, Anfechtbarkeit, Sittenwidrigkeit, Nichtigkeit, Möglichkeit zur Stellvertretung etc.] Anwendung. Da der Pfandbestellungsvertrag keine schuldrechtlichen Pflichten herbeiführt, sondern eine Änderung des dinglichen Rechtes - nämlich der Begründung eines Pfandrechtes - schafft, nennt sich dieser Vertrag auch: „ dinglicher“ Vertrag. Pfandrecht Käufer Verkäufer Sicherungsgeber Sicherungsnehmer Pfandgeber = Eigentümer Pfandnehmer = Pfandgläubiger Grundgeschäft, hier: Kaufvertrag, auch Darlehen möglich Sicherungsabrede Einigung (1205 BGB) Übergabe = Realakt Abb 6.4 | 163 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Zur Pfandrechtsbestellung nach § 1205 BGB ist zudem noch eine Übergabe erforderlich. Die Übergabe selbst ist kein Vertrag und kein Rechtsgeschäft. Sie ist nur ein „Realakt“; das heißt eine tatsächliche Handlung. Zum Faustpfandrecht ( s iehe Glossar) Die Übergabe besteht grundsätzlich in der tatsächlichen Aushändigung der Sache. Der Eigentümer darf selber keinen Besitz behalten. Neben der Möglichkeit der Aushändigung der Sache (§ 1205 BGB) kennt das BGB noch die Möglichkeit, die Übergabe zu ersetzen (§ 1206 BGB). In jedem Fall muss der Eigentümer seinen Besitz an der Sache aus der Hand geben. Er darf diesen Besitz auch nicht während der Pfandzeit wiedererlangen. Denn gibt der Pfandnehmer die Pfandsache an den Eigentümer und Verpfänder zurück, erlischt das Pfandrecht (§ 1253 Abs. 1 BGB). Da das Pfand nur wirksam ist, wenn der Pfandnehmer den Pfandgegenstand in seiner Hand (Faust) hält, spricht das deutsche Recht vom „Faustpfandrecht“. Zum Pfandrecht als eigenes Rechtsgut Das Pfandrecht ist im deutschen Recht ein eigenständiges Rechtsgut. Als solches schützt es das deutsche Recht. So kann auch jeder Pfandgläubiger von einem unrechtmäßigen Besitzer der Pfandsache die Herausgabe der Pfandsache verlangen (§ 985 analog i. V. m § 1227 BGB). Zerstört ein Dritter schuldhaft die verpfändete Sache, so hat nicht nur der Eigentümer einen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger (§ 823 Abs. 1 BGB / Eigentumsverletzung). Auch der Pfandnehmer hat einen Schadensersatzanspruch gegen den Zerstörer, denn § 823 Abs. 1 BGB schützt das Pfandrecht als „sonstiges Recht“ (OLG Stuttgart 41, 185). Der Schaden des Pfandnehmers besteht allerdings nur dann in voller Höhe, wenn es zur Pfandreife d. h. zur Fälligkeit der Forderung kommt. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Pfandnehmer nur eine Kreditsicherheit verloren. Diese kann ihm aber jederzeit der Pfandgeber an einer anderen Sache neu einräumen (RGZ 116, 268). Die Sicherungsabrede bestimmt in den meisten Fällen, dass der Eigentümer hierzu verpflichtet ist. (1) Der Eigentümer E hat dem G seine antike Uhr - im Werte von 1200 € - wegen einer Schuld - i. H. v. 1100 € - verpfänden. Das Zimmermädchen des Hotels Z in dem G wohnt, wirft die Uhr aus Unachtsamkeit vom Tisch des G und zerstört sie damit vollkommen. E hat gegen das Hotel einen Schadensersatzanspruch von 1200 €. Das Pfandrecht des G setzt sich - nach h.M. - nun an den 1200 € Schadenersatz fort. Durch diese Lösung erleidet E und vor allem G keine finanzielle Benachteiligung. Beispiel ▼ ▲ 164 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Das Recht schützt das Pfandrecht als eigenständiges Gut sogar in der Weise, dass es als eigene Rechtsposition übertragen werden kann. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Pfandrecht akzessorisch zur Forderung ist. Streng genommen kann das Pfandrecht also nie an einen anderen übertragen werden. Zur Übertragung des Pfandrechtes wird daher lediglich die ihnen zu Grunde liegenden Forderung übertragen. Das Pfandrecht als akzessorisches Recht „klebt“ an der Forderung und geht automatisch mit ihr über (§ 1250 BGB). Zur wirtschaftlichen Problematik des Pfandrechts Das Pfandrecht hat den Nachteil, dass der Pfandgeber - wegen der Notwendigkeit der Übergabe der Sache an den Pfandnehmer (Faustpfandrecht) - die Sache wirtschaftlich nicht mehr nutzen kann. Der Pfandnehmer darf grundsätzlich während der Pfandzeit auch keinen Gebrauch von der Pfandsache machen. Ihm obliegen stattdessen sogar Schutz-, Anzeige- und Obhutspflichten hinsichtlich des Pfandgegenstandes. (2) Zur Sicherung seines zweijährigen Darlehens in Höhe von 15.000 € verpfändet der mittellose und überschuldete S der Bank G seinen Firmenwagen. Hierzu muss er seinen Pkw zur Verfügung stellen. Das heißt er fährt ihn auf dem Kundenparkplatz der Bank, und kann ihn nun nicht mehr für seine Geschäftstätigkeit nutzen. Die Bank ihrerseits sieht ihre knappen Kunden Parkplätze durch diesen Pfandgegenstand zugestellt und muss fernerhin noch Sorge dafür tragen, dass nicht etwa herabfallend Kastanien oder angetrunkene Jugendliche den Pkw auf ihrem Kundenparkplatz beschädigen. Dies ist eine wirtschaftlich unsinnige Situation. Um hier Abhilfe zu schaffen, hat die deutsche Rechtsprechung - nicht der deutsche Gesetzgeber - das Sicherungsrecht der Sicherungsübereignung entwickelt. Zur Sicherungsübereignung Im Gegensatz zum Pfandrecht überträgt der Sicherungsgeber bei der Sicherungsübereignung dem Sicherungsnehmer (Darlehensgeber) nicht nur den Besitz an dem Sicherungsgut. Die Sicherungsgeber überlässt dem Sicherungsnehmer für die Zeit der ausstehenden Forderungen sogar das Eigentum am Sicherungsgegenstand. Den Besitz an dem Sicherungsgegenstand muss im Fall der Sicherungsübereignung der Sicherungsgeber behalten, um dem Sicherungsgegenstand wirtschaftlich nutzen zu können. Beispiel ▼ ▲ 6.4.2 | 165 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n In Beispiel 2 überträgt S das Eigentum an seinem Firmenwagen der Bank G. Es muss aber weiterhin im Besitz des Pkws bleiben. Hierzu muss er sich quasi den Gegenstand von dem Sicherungsnehmer(der Bank) „zurückleihen“. Eine solche komplexe Eigentumsübertragung ist nach § 929, 930 BGB möglich: Der Schuldner, Eigentümer und Sicherungsgeber einigt sich daher mit dem Gläubiger/ Sicherungsnehmer darüber, dass das Eigentum am Sicherungsgut auf dem Gläubiger übergehen soll (Einigung nach § 929 BGB). Die sonst notwendige Übergabe der Sache ersetzt eine weitere Einigung, nämlich die Einigung zwischen dem Sicherungsnehmer und Sicherungsgeber, dass der Sicherungsgeber weiterhin im Besitz der Sache bleiben soll (sog. Besitzmittlungskonstitut). Durch diese beiden Einigungen wird der Sicherungsnehmer Eigentümer des Sicherungsgegenstandes. Der Sicherungsgeber behält jedoch den unmittelbaren Besitz an dem Sicherungsgegenstand und kann diesen weiter für seine Zwecke verwenden. Da bei dieser Konstellation der Besitz beim Sicherungsgeber verbleibt, ist nicht nach außen erkennbar, wer nun Eigentümer ist. Auf Grund fehlender Publizität ( s iehe Glossar) des Eigentumswechsels bzw. der Eigentumszuordnung kennt nur das deutsche Recht das Kreditsicherungsmittel der Sicherungsübereignung. Alle anderen europäischen Rechtsordnungen lehnen die Sicherungsübereignung ab. (Krimphove, Europäische Kreditsicherheiten, 2002, S. 517 ff., 537 f. (m. w. H.)). Tritt der Sicherungsfall ein, das heißt bezahlt der Schuldner nach Ablauf der ihm gesetzten Frist die Forderungen nicht, kann der Sicherungsnehmer, der - anders als beim Pfandrecht - Eigentümer der Sache geworden ist, mit ▼ ▲ 1. zu sichernde Forderung (z.B.: § 488 BGB) 2. Sicherungsabrede 3. Einigung nach §§ 929 i.V.m. 930 BGB 4. Besitzmitlungskonstitut 930 BGB (als Übergabeersatz) Sch Sicherungsgeber Besitzer Grundgeschäfte (obligatorisch) Erfüllungsgeschäfte (dinglich) Gl Sicherungsnehmer Eigentümer � � � � | Abb 6.5 166 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n der Sache wie mit seiner eigenen verfahren. Das heißt er kann sie verkaufen und den Erlös behalten, sie verschenken oder auch selber nutzen. Probleme bei der Sicherungsübereignung bildet die Frage, wie der Sicherungsgeber sein Eigentum zurückerhält, wenn er die Forderung bezahlt hat. Hier sind zwei Wege denkbar: ▶ Zum einen kann der Sicherungsnehmer sich in der Sicherungsabrede verpflichten, in diesem Fall den ▶ Sicherungsgeber das Eigentum zurück zu übertragen (schuldrechtliche Lösung). In diesem Fall bekommt der Schuldner, wenn er die Forderung bezahlt, lediglich einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Sicherungsnehmer auf Rückübertragung des Eigentums nach § 929 S. 2 BGB. Kommt der Sicherungsnehmer dieser Verpflichtung nicht oder nicht rechtzeitig nach, droht ihm allenfalls ein Schadensersatzanspruch. ▶ Eine den Sicherungsgeber weitaus mehr schützende Alternative besteht darin, dass das Eigentum bei der Bezahlung der Forderung automatisch an denen Sicherungsgeber zurückfällt (dingliche Lösung). [Rechtlich geschieht dies dadurch, dass der Sicherungsgeber und der Sicherungsnehmer ihre Einigung nach §§ 929, 930 BGB „auflösend bedingen“. Die Bedingung ist dann die Bezahlung der Forderung. Tritt diese Bedingung ein löst dieser Umstand die Einigung nach §§ 929, 930 auf. Damit fehlt ein wesentlicher Akt der Eigentumsübertragung und das Eigentum fällt automatisch zurück.] Zum Anwartschaftsrecht ( s iehe Glossar) Haben sich die Parteien für die „dingliche Lösung“ entschieden, so hängt der Rückfall des Eigentums ausschließlich von der Handlung des Schuldners (Bezahlung der Forderung) ab. In diesem Fall hat der Schuldner und Sicherungsgeber eine so verfestigte Aussicht auf die Wiedererlangung seines Eigentums, dass die Rechtsprechung bereits diese Aussicht als das so genannte Anwartschaftsrecht schützt und dem Anwartschaftsberechtigten bereits eine eigene Rechtsposition einräumt. Zerstört oder entwendet ein Lagerarbeiter oder ein Dieb den Sicherungsgegenstand, der sich noch beim Sicherungsnehmer befindet, so hat auch der Sicherungsgeber - der noch nicht wieder Eigentümer ist - einen Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 1 BGB (sonstiges Recht) gegen den Lagerarbeiter oder Dieb. Sch SG Gl SN Abb 6.6 | 6.4.2.1 | 167 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Allerdings greift diese Konsequenz nur, wenn die Parteien die dingliche Lösung gewählt haben. Die schuldrechtliche Lösung gewährt dem Sicherungsgeber nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf Eigentumsrückübertragung, nicht aber eine solche rechtliche verfestigte Position eines automatischen Eigentums-Rück-Erwerbs. Bei dieser Alternative hat der Sicherungsgeber kein rechtlich geschütztes Anwartschaftsrecht. Die Parteien werden gut daran tun, in der Sicherungsabrede (siehe Abschnitt 6.2.1.3) eine der beiden Alternativen zu vereinbaren. Dies erspart oft langwierige und komplizierte juristische Streitigkeiten. Zur Weiterveräußerung des Sicherungsgegenstandes Da der Sicherungsnehmer bis zu dem Zeitpunkt in dem die Forderung noch nicht bezahlt ist Eigentümer des Sicherungsgegenstandes ist, kann er den Sicherungsgegenstand jederzeit als Berechtigter verkaufen. Haben die Parteien die schuldrechtliche Lösung gewählt, und bezahlt der Schuldner die Forderung beim Gläubiger, so muss der Veräußerer Schadenersatz nach § 280 BGB zahlen, denn er hat diesen Rückgabeanspruch durch seine Weiterveräußerung an einen Dritten vereitelt. Vereinbarten die Parteien dagegen die „dingliche Lösung“, so hat der Veräußerer, dass in dieser Alternative bestehende Anwartschaftsrecht des Sicherungsgebers verletzt. Er muss in diesem Fall auch Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 BGB (sonstiges Recht) leisten. Der Sicherungsnehmer hat in der Zeit zu der seine Forderung noch nicht bezahlt ist kein Eigentum an dem Sicherungsgegenstand mehr; wohl aber Besitz. Veräußert er ihn weiter, verstößt er nicht nur gegen die Sicherungsabrede des Sicherungsübereignungsvertrages. Er macht sich vielmehr einer Unterschlagung nach § 246 S. DGB strafbar und ist zudem wegen dieser Eigentumsverletzung zum Schadenersatz nach § 823 Abs. 1 und 2 BGB verpflichtet. | 6.4.2.2 Sch SG Gl SN X (Erwerber) Erwerb v. Berechtigten (§§ 929, 931 BGB) Schädigung eines „Sonstigen Rechts“ i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB, nämlich des Anwartschaftsrechtes Erwerb v. Nicht- Berechtigten (§§ 929, 1; 932 BGB) Kein guten Glauben wenn A Fahrzeugschein nicht vorzeigt X erwirbt jed. - vom Berechtigten - das Anwartschaftsrecht Z (Erwerber) | Abb 6.7 168 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Zum Eigentumsvorbehalt Das Kreditsicherheitsrecht der Kaufleute par exellence ist der Eigentumsvorbehalt. Mit ihnen sichert der Verkäufer seine Kaufpreisforderung, die der Käufer - zum Zeitpunkt des Empfangs der Ware - noch nicht bezahlt hat. Die Vereinbarung des Eigentumsvorbehaltes schiebt den Erwerb des Eigentums durch den Käufer solange auf, bis der Käufer den Kaufpreis bezahlt hat. [Juristisch ausgedrückt: die Parteien eines Eigentumsvorbehaltes versehen die Einigung über den Eigentumsübergang im Sinne des § 929 ff. BGB mit der Bedingung, dass der Kaufpreis in voller Höhe bezahlt wird. Da diese Bedingung den Eintritt des Rechts (Eigentumserwerb) aufschiebt heißt diese Bedingung auch aufschiebende Bedingung. Den Inhalt der Bedingung können die Parteien frei wählen. Machen die Parteien den Erwerb des Eigentums nicht nur von der Bezahlung der jeweiligen Kaufpreisforderung, sondern von der Bezahlung aller dem Konzern zustehenden Forderungen abhängig, spricht man vom Konzernvorbehalt. Ein so genannter Kontokorrentvorbehalt liegt vor, wenn der Eigentumserwerber, den Differenzbetrag der sich aus der gegenseitigen Aufrechnung von Forderung des Käufers und Verkäufers zu einem bestimmten Zeitpunkt ergibt (Kontokorrent-Betrag) ausgleicht. Wie im Fall der Sicherungsübereignung hängt auch beim Eigentumsvorbehalt der Erwerb des Eigentums allein davon ab, dass der Vorbehaltskäufer die aufschiebende Bedingung des Eigentumserwerbs nach §§ 929 ff. BGB erfüllt. Auch in diesem Fall hat der Vorbehaltskäufer daher ein Anwartschaftsrecht. Ebenso wie bei der Sicherungsübereignung schützt die Rechtsprechung dieses Anwartschaftsrecht nach § 823 Abs. 1 BGB (sonstiges Recht). Sein Anwartschaftsrecht kann der Vorbehaltskäufer als ein „wesensgleiches Minus“ zu dem Eigentumsrecht, wie jeden anderen Gegenstand auch, verkaufen und an einen Dritten zum Eigentum übertragen. Zahlt dann der Dritte oder der Vorbehaltskäufer dem Vorbehaltsverkäufer den Kaufpreis, so verwandelt sich das Anwartschaftsrecht bei dem Dritten zu dessen Eigentum. Wirtschaftliche Probleme des Eigentumsvorbehaltes Das generelle Problem des Eigentumsvorbehaltes besteht darin, dass der Vorbehaltsverkäufer sein Eigentum - trotz Vereinbarung eines Eigentumsvorbehaltes - schon dann verliert, wenn der Vorbehaltskäufer die Ware an seine Kunden weiterveräußert. Wissen nämlich die Kunden nicht, dass der Vorbehaltskäufer die Ware nur unter Eigentumsvorbehalt erworben hat, und daher noch nicht ihr Eigentümer ist, können sie nach deutschem Recht selbst vom Nicht-Eigentümer das Eigentum gutgläubig erwerben. 6.4.3 | 6.4.4 | Kontokorrentvorbehalt 169 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Die Möglichkeit den gutgläubigen Erwerb vom Vorbehaltskäufer zu verhindern besteht darin, dass der Vorbehaltsverkäufer die Ware als sein Eigentum, etwa mit einem Etikett, kennzeichnet. Dies ist jedoch sehr aufwändig und teuer. Einer solchen Vorsichtsmaßnahme steht auch die Überlegung entgegen, dass der Vorbehaltskäufer seine Kaufpreisschuld beim Vorbehaltsverkäufer gerade erst mit dem Erlös der weiterveräußerten Vorbehaltsware erfüllen kann und soll. Das Vorbehaltsgeschäft sieht daher wirtschaftlich den Weiterverkauf der Vorbehaltsware vor. Verlängerter und erweiterter Eigentumsvorbehalt Damit der Vorbehaltsverkäufer - auch beim Weiterverkauf der Vorbehaltsware - weiterhin geschützt ist, hat die Rechtsprechung folgende Konstruktionen erdacht: Der Vorbehaltsverkäufer erlaubt dem Vorbehaltskäufer die Weiterveräußerung der Vorbehaltsware (§ 185 BGB). Er lässt sich aber - quasi als Ausgleich für diese Erlaubnis - alle zukünftigen Kaufpreisforderungen, die der Vorbehaltskäufer aus dem Weiterverkäufen der Ware gegenüber seinen Kunden erlangen wird, abtreten (§ 433 Abs. 2 BGB i. V. m § 398 BGB). Dieses Verfahren nennt die Rechtslehre den „verlängerten Eigentumsvorbehalt“. Soll der Eigentumsvorbehalt nicht nur die offen stehende Kaufpreisforderung zwischen Vorbehaltsverkäufer und Vorbehaltskäufer absichern, sondern noch weitere in ihrem Verhältnis bestehende Forderungen, spricht man von einem erweiterten Eigentumsvorbehalt. Dieser kommt in der Praxis häufig vor. Allerdings kann der erweiterte Eigentumsvorbehalt - eigens in einer laufenden Geschäftsbeziehung - dazu führen, dass sämtliche Forderungen nie beglichen werden können und die Vereinbarung des erweiterten Eigentumsvorbehaltes einen Eigentumsübergang dauerhaft verhindert. Dies schränkt die Rechte des Vorbehaltskäufers wesentlich ein, so dass die Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehaltes - wenn der Vorbehaltsverkäufer ihn in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufgenommen hat - nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unzulässig ist. (OLG Frankfurt NJW 1981, 130). Eine vertragliche Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts erscheint demgegenüber grundsätzlich möglich. Er unterliegt dann nur den schwer zu erreichenden Grenzen der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 138 BGB. Verarbeitungsklausel ( s iehe Glossar) Oft droht dem Vorbehaltsverkäufer der Verlust seines Eigentums an der Vorbehaltsware, nicht etwa durch deren Weiterverkauf, sondern durch deren Verarbeitung nach § 946 ff. BGB, denn auch durch die Verarbeitung verliert der Vorbehaltskäufer sein Eigentum. Die Rechtsprechung schützt den Vorbehaltsverkäufer durch Anerkennung einer zwischen ihm und Gutgläubiger Erwerb | 6.4.4.1 | 6.4.4.2 170 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n dem Vorbehaltsverkäufer vereinbarte „ Verarbeitungsklausel“. In der Verarbeitungsklausel legen die Parteien fest, dass rechtlich der Vorbehaltskäufer die Sache nur für den Vorbehaltsverkäufer verarbeitet. Weder erwirbt der Vorbehaltskäufer das Eigentum noch verliert es der Vorbehaltsverkäufer (BGHG 20, 159). Der Baumarkt O verkauft dem Bauunternehmer N wärmedämmende Yton-Steine, die dieser auf seinen Grundstücken verbaut. Gemäß § 950 BGB erlangt der Verarbeitende - hier N - allein durch seine Verarbeitung das Eigentum an den Steinen (sog. derivativer Eigentumserwerb). Die Verarbeitungsklausel sorgt nun dafür, dass als Verarbeitender im Rechtssinne nicht der tatsächlich die Steine verbauende N gilt. Dieser verarbeitet - laut Verarbeitungsklausel - lediglich für O. Da O nun der verarbeitende im Sinne des § 950 BGB ist, verliert er durch den Einbau des N sein Eigentum nicht. Zu Grundpfandrechte (Hypothek und Grundschuld) Die Hypothek und die Grundschuld sind nichts anderes, als Pfandrechte an unbeweglichen Sachen; nämlich an Grundstücken. Somit beinhalten sie strukturelle Parallelen zum Pfandrecht an beweglichen Sachen nach § 1204 ff. BGB (siehe oben: Abschnitt 6.4.1), aber auch zur Bürgschaft (siehe Abschnitt 6.3.1). Auf die entsprechenden obigen Erörterungen kann daher verwiesen werden so dass hier nur auf die finanzwirtschaftlichen Besonderheiten einzugehen ist. Neben der Grundschuld fällt Die Hypothek zu den in der Praxis wichtigsten dinglichen Sicherungsrechten an einem Grundstück (Grundpfandrecht). Beide Sicherungsrechte verleihen ihrem Inhaber das Recht, den ihm geschuldeten Geldbetrag durch die Zwangsversteigerung eines fremden Grundstücks zu erlangen (§§ 1113 ff. BGB). Der Eigentümer des Grundstücks muss in diesem Fall die Zwangsversteigerung seines Eigentums dulden (§ 1047 BGB). Zur Hypothek Die Hypothek zählt neben der Grundschuld zu den in der Praxis wichtigsten dinglichen Kreditsicherungsrechten. Entsprechend dem oft hohen Wertes eines Grundstücks, können es Kreditgeber und Nehmer zur Absicherung umfangreicher Forderungen heranziehen. Die Beststellung einer Hypothek erfolgt durch eine entsprechende notariell beurkundete Einigung der Parteien (§ 873 BGB) sowie durch den Eintrag der Hypothek in das Grundbuch (Dritte Abteilung) (§ 1115 BGB), (Buch- Beispiel ▼ ▲ 6.4.5 | 6.4.5.1 | Pfandrechte an unbeweglichen Sachen 171 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n hypothek). In der Regel - d. h. sofern der Grundstückseigentümer und der Hypothekenerwerber dies nicht in der Form des § 1116 Abs. 2 BGB ausschließen - erstellt das Grundbuchamt über die Hypothek einen Brief, den Hypothekenbrief. Hierbei handelt es sich um eine sog. Briefhypothek. Die Hypothek ist streng akzessorisch; d. h. ihr Bestand und ihre Höhe hängen unmittelbar von dem jeweiligen Bestand und der jeweiligen Höhe der Forderung ab, zu deren Sicherung die Parteien sie bestellt haben (§ 1113 BGB). Dies bedeutet in der Praxis der Kreditsicherung im Wesentlichen zweierlei: ▶ Der Hypothekeninhaber kann die Hypothek nie selbständig, sondern immer nur gemeinsam mit der Forderung - quasi als deren Anhang - übertragen (§ 1153 BGB). ▶ Die „Übertragung“ einer Buchhypothek erfolgt mit der schriftlichen Abtretung der Forderung (§§ 398 i. V. m. 1154 BGB) und durch den Eintrag der Rechtsänderung in das Grundbuch (§§ 1116 i. V. m. § 1154 Abs. 2 BGB). Kostengünstiger ist die „Übertragung“ einer Briefhypothek (§ 1116 Abs. 1 BGB). Bei ihrer „Übertragung“ ersetzt die Aushändigung des Briefes an den Hypothekenerwerber die kostspielige Eintragung der Rechtsübertragung ins Grundbuch. Forderungsschuldner und Hypothekenbesteller müssen nicht identisch sein. Ein (nichtvermögender) Schuldner kann auch einen Dritten veranlassen, an dessen Grundstück eine Hypothek zu bestellen und dadurch eine für ihn (dem Dritten) fremde Schuld abzusichern. Wie im Falle der Bürgschaft, geht auch das Recht der Hypothek auf denjenigen Eigentümer über, der die Forderung des Schuldners begleicht (§ 1143 BGB). Der Erlös aus der Zwangsvollstreckung steht dem Hypothekeninhaber nur in Höhe der Forderung zu (§§ 1113, 1118 f. BGB). Übersteigt die Höhe der Forderung den aus der Zwangsversteigerung erzielten Erlös, steht dem Inhaber der Hypothek nur der erzielte Betrag (abzüglich der Verfahrenskosten) zu. Der Inhaber der durch die Hypothek gesicherten Forderung (z. B.: Darlehensrückzahlungsforderung § 488 Abs. 1 Satz BGB) kann dann versuchen den - nun nicht mehr dinglich gesicherten - Restbetrag vom Schuldner zu erhalten. Bestehen für mehrere Forderungen bzw. mehrere Gläubiger verschiedene Grundpfandrechte (mehrere Hypotheken und/ oder mehrer Grundschulden) so entscheidet über die Möglichkeit der Befriedigung der Gläubiger die jeweilige im Grundbuch eingetragenen Rangstelle des Grundpfandrechts (§ 879 BGB): Die an erster Stelle eingetragene Hypothek oder Grundschuld erhält, eine aus dem Versteigerungserlös, als erster einen Betrag zum Ausgleich seiner Forderung. Zur Begleichung der dann folgenden nachrangigen Grundpfandrechte steht der Restbetrag, mit der Gefahr zur Verfügung, dass dieser nicht oder nicht vollständig ausreicht. Zwangsvollstreckung 172 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Zur Grundschuld Wie die Hypothek ist die Grundschuld ein Grundpfandrecht, welches den Eigentümer des Grundstücks an dem die Grundschuld bestellt ist, im Fall der Nichtzahlung einer ausstehenden Forderung verpflichtet, die Zwangsvollstreckung in sein Grundstück zu dulden (1147, i. V. m. 1191 BGB). Die Regeln über die Hypothek sind daher grundsätzlich auch auf die Grundschuld anwendbar (§ 1192 BGB). Im Gegensatz zur Hypothek besteht bei der Grundschuld keine Abhängigkeit von Sicherungsgegenstand (hier Grundschuld) und Forderung. Die fehlende Akzessorietät der Grundschuld ermöglicht den Parteien zwar speziell das Auswechseln und Austauschen von Forderungen für eine bereits bestehende Grundschuld. Im Gegensatz zu Hypothek muss eine Grundschuld daher nicht kostenintensiv für jede zu sichernde Forderung neu bestellt werden. Das Auseinanderfallen von Forderung und dem Sicherungsmittel bei der Grundschuld beinhaltet jedoch erhebliche wirtschaftliche Gefahren: Beispielsweise bewirkt die Aufgabe der Verknüpfung von Forderung und Sicherungsrecht, dass beide Rechtspositionen unabhängig voneinander existieren und sogar verschiedenen Rechtsträgern zufallen können. Mit dieser „Verdoppelung von Rechtsansprüchen“ kann erstens der Gläubiger der gesicherten Forderung und zweitens der Inhaber der Grundschuld den Schuldner und Grundstückseigentümer zweimal in Anspruch nehmen. Um dieser Gefahr vorzubeugen, kennen andere europäische Sachenrechtsordnungen das Kreditsicherungsmittel der Grundschuld nicht. Die deutsche Rechtsprechung erlaubt den Parteien der oben angegebenen Gefahr doppelter Rechtsansprüche dadurch zu begegnen, dass sie eine „schuldrechtliche“ Verknüpfung von Forderung und Grundschuld mittels der vertraglichen Vereinbarung einer Sicherungsgrundschuld einführen. Die Sicherungsabrede einer Sicherungsgrundschuld untersagt den Parteien eine isolierte Abtretung der Forderung (§ 399 BGB). Allerdings kann dieses schuldrechtlich wirkende Verbot die sachenrechtliche sog. dingliche Wirksamkeit der isolierten Forderungsabtretung im Rechts- und Wirtschaftsverkehr nicht verhindern. Die Übertretung der Sicherungsabrede löst nur Schadenersatzansprüche der Parteien in deren Verhältnis untereinander aus. Sicherungswert von Hypothek und Grundschuld Rein wirtschaftlich dient sowohl die Hypothek als auch die Grundschuld der Absicherung umfangreicherer Kredite (siehe oben: Abschnitt 6.4.5). Denn i. d. R. besitzt ein Grundstück einen weitaus höheren Wert als eine bewegliche Pfandsache, ein Gegenstand der Sicherungsübereignung oder ein Bürge. Dies gilt jedoch nicht uneingeschränkt. So kann das mit einer Hypothek belastete Grundstück nichts mehr wert sein, etwa weil es radioaktiv verseucht ist. Damit sinkt nicht nur der Wert des Grundstückes son- 6.4.5.2 | 6.4.5.3 | 173 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n dern auch seine Eignung zur Sicherung einer ausstehenden Forderung. Der Sicherungsnehmer muss sich also - schon zum Beginn der Bestellung einer Hypothek - über den Wert des Grundstücks im Klaren sein. Zum „Haftungsverband“ ( s iehe Glossar) Neben der Bemessung des tatsächlichen Grundstückswertes besitzt die Feststellung des Haftungsumfangs der Hypothek im Einzelfall erhebliche betriebswirtschaftliche Bedeutung für die Wahl der Hypothek als Sicherungsmittel. Für ein landwirtschaftliches Grundstück ist ▶ das Bauernhaus. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§§ 93 i. V. m. 94 (1)) und unterfällt/ unterfallen damit der Hypothekenhaftung. ▶ Das Korn auf dem Halm zählt ebenfalls - als Erzeugnis des Grundstücks (§§ 93 i. V. m. 94 (1)) - zu Hypothekenhaftung. ▶ Das in Säcken verpackte Getreide Ist zwar vom Grundstück getrennt [§§ 93 i. V. m. 94 (1) greifen hier nicht 1]. §1120, 1ter Halbsatz bezieht es jedoch ausdrücklich in die Hypothekenhaftung mit ein. ▶ Auch wenn der Bauer einen Sack davon bereits veräußert hat unterliegt dieser Sack - jetzt nach § 1121 der Hypothekenhaftung. ▶ Nur jener Sack (Sack II) den der Bauer vor der Beschlagnahmung seines Grundstücks verkauft und sogleich bei Käufern gelassen hat wird nach § 1121 Abs. 1 BGB von der Hypothekenhaftung frei. ▶ Ein Liegestuhl oder ein Sonnenschirm, ist weder Grundstücksbestandteil (§§ 93 i. V. m. 94 (1)), noch dient er der „wirtschaftlichen“ Nutzung des landwirtschaftlichen Grundstücks und ist damit kein Zubehör im Sinne des § 97 i. V. m. § 1120 2ter Halbsatz. Diese Gegenstände unterfallen nicht dem Haftungsverband ▶ Eine Leiter zum Ernten von Kirschen dient demgegenüber der „wirtschaftlichen“ Nutzung des landwirtschaftlichen Grundstücks. Sie ist damit Zubehör i. S. d. § 97 i. V. m. § 1120 2ter Halbsatz. Ihr Wert erhöht den Wert des Kreditsicherungsrechts der Hypothek. Haftender Gegenstand einer Hypothek ist nicht nur das Grundstück (§ 1113 BGB) selber, und seine mit ihm verbundenen, wesentlichen Bestandteile (§§ 94, 93 BGB) (z. B.: Gebäude). Das deutsche Hypothekenrecht erweitert die Hypothekenhaftung grundsätzlich auch auf Erzeugnisse, Zubehörteile und sonstige Bestandteile des Grundstückes, sofern diese nicht vor der im Wege der Zwangsversteigerung erfolgten Beschlagnahme veräußert oder / und vom Grundstück entfernt worden sind (§§ 1120 ff. BGB). Auch über diesen kon- Info ▼ ▲ 174 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n kreten Umfang der Hypothekenhaftung müssen sich die Parteien im Vorfeld einer Hypothekenbestellung bewusst werden, denn aus diesen rechtlichen Zusammenhängen ergeben sich der Umfang und die Eignung der Hypothek als Kreditsicherungsmittel für eine konkret ausstehende Forderung. Rangstellen Letztlich entscheidend für den Wert der Hypothek ist auch deren Rangstelle. Denn dieser bestimmt die Möglichkeit der vollständigen Sicherung der Forderung. So werden Hypotheken auf einer vierten Rangstelle kaum noch in der Lage sein ein ausstehende Forderungen zuverlässig zu sichern. Dementsprechend hoch ist das Risiko des Kreditgebers, seine Forderung nicht oder nicht in vollem Umfang zurückbezahlt zu erhalten. Diesem Risiko entsprechend wird der Kreditgeber dann die Zinsleistung eines hypothekarisch gesicherten Darlehens festsetzen. Banken gewähren üblicherweise nur dann Darlehen, wenn diese durch eine Hypothek oder Grundschuld der zweiten Rangstelle gesichert sind. Der Schuldner hat folgende Forderungen durch Hypotheken und Grundschulden an dem Grundstück seines Vaters ansichern lassen: ▶ Rang I, Darlehen 12 % X-Bank Hypothek 89.000 € ▶ Rang II, Darlehen 10 ½ % Y-Bank Hypothek 73.000 € ▶ Rang III, Zahlungsziel 9 Mon. A-Bau 9 % Grundschuld 16,000 € ▶ Rang IV, Darlehen 18 % Privat Hypothek 8.000 € Das Grundstück ist ein nicht bebaubares Anwesen im Außenbezirk mit einem Wert von 170.000 €. Wird das Grundstück - auf Betreiben der Y Bank - zwangsversteigert ist schon die Grundschuld an 3te Rangstelle nur bis zu einem Betrag von 8.000 € - also nur zu Hälfte - gesichert. Info ▼ ▲ Staatlicherseits zur Verfügung stehenden Verfahren der Gläubigerbefriedigung; die Zwangsversteigerung bzw. das Insolvenzverfahren sind insbesondere aus Sicht des Gläubigers wirtschaftlich nachteilig: Entweder machen sie - wie im Fall der Zwangsversteigerung - eine vollständige Befriedigung des Gläubigers von dessen zeitlich vorrangiger Anmeldung seiner Ansprüche abhängig (Prioritätsprinzip) und verpflichten den Gläubiger somit zu einer kostenintensiven Beobach- Zusammenfassung 175 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n tung der Finanzsituation seines Schuldners und zugleich des Verhaltens anderer Gläubiger, oder die staatlichen Institute der Gläubigerbefriedigung verweisen ihn - wie im Fall der Insolvenz - lediglich auf eine, der tatsächlichen Forderungshöhe in der Regel nicht entsprechenden „Quote“. Diese wirtschaftlichen Nachteile treten dann nicht ein, wenn der Gläubiger die Bezahlung seiner Forderung durch Kreditsicherungsmittel absichern kann. Denn Kreditsicherheiten ermöglichen im Sicherungsfall - also bei Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit des Schuldners - die von der Zwangsversteigerung bzw. dem Insolvenzverfahren unabhängige, gesonderte Befriedigung ausstehender Forderung(en) durch die Verwertung des Sicherungsgegenstandes (wie bei der Hypothek, der Grundschuld, des Pfandrechtes oder der Sicherungsübereignung) oder durch die Inanspruchnahme weiterer neben dem Schuldner haftender Personen (wie im Fall der Bürgschaft, des Schuldbeitritts oder des Garantievertrages). Kreditsicherheiten senken somit das Zahlungsausfallrisiko und damit die Informationskosten der Gläubiger. Im Fall ihrer Vereinbarung können Gläubiger daher Zinsleistungen zur Kompensation ihres Kreditausfallrisikos (sog. Delkredere-Zins) senken und so Kredite auf dem Markt günstiger anbieten. Schuldner erhalten durch den Einsatz von Kreditsicherheiten verbilligte Kredite und somit umfangreichere Finanzierungsmöglichkeiten. Kreditsicherheiten nehmen daher entscheidenden Einfluss auf die Finanzierungssituation eines Unternehmens. Sie können aus wettbewerbspolitischer Sicht auch Finanzierungsdefizite kleiner und mittelgroßer Unternehmen gegenüber Großbzw. Industrieunternehmen ausgleichen. Die der Kreditsicherung zugrunde liegende Anlässe können beruhen auf: ▶ Einem Rückzahlungsanspruch eines aufgenommenen Darlehns (§ 488 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 3 BGB) oder ▶ Auf einen Zahlungsanspruch [etwa aus einem Kauf, Werk-, Pachtvertrag], dessen Fälligkeit der Gläubiger zugunsten des Schuldners zeitlich hinausgeschobenen, gestundet hat (siehe: § 271 BGB). Zum Schutz bestimmter Gläubiger kennt das deutsche Recht auch gesetzliche Pfandrechte, die etwa dem Vermieter oder dem Werkunternehmer - automatisch - das heißt ohne eine besondere Sicherungsabrede per Gesetz zustehen. Folgende Übersicht veranschaulicht im Vergleich die Wirkungsweise deutscher Kreditsicherungsrechte: 176 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Schuldübernahme Schuldbeitritt Garantievertrag Bürgschaft Sicherungsübereignung Pfandrecht Hypothek vorausgehende Sicherungsabrede Bestellung Wirkung Akzessorietät Vertrag D - Gl. § 414 Vertrag § 305 Vertrag § 305 § 765 insbes. § 766 (§§ 350, 351 HGB) Vertrag D- Sch. bedarf der Genehmigung des Gl. § 415 (falls nicht ausdrückl. nur bei Eigeninteresse des Beitretenden) (falls nicht ausdrückl. nur bei Eigeninteresse des Garantierenden) D tritt an die Stelle des bish. Sch. Dieser scheidet als Sch. aus. Gl. bekommt zusätzl. Sch. Garantierender haftet neben Sch. Bürge haftet nach Sch. ABER: § 771 (§§ 349, 351 HGB) Ausschluss der Einrede der Vorauskl. § 930 § 1205 §§ 873, 1115 f. Buchod. BriefHy Eigentumsübergang auf SNehmer nur bei Vereinbarung in Sicherungsabrede + limitierte Akzessorietät da gut gl. + gut gl. einredefreier Erwerb mögl. + strenge Akzessorietät bei Sicherungshypothek § 1184 Duldung des Verkaufes (i.d.R. öffentl. Versteigerung) Duldung in die Zwangsvollstreckung § 1147 § 1191 § 929 ff. mit aufschiebend bedingter Einigung des Veräußerers beim Übereignungsvertrag Übertragung des Anwartschaftsrechtes (als wesensgl. Minus) auf Erwerber / Eigentum bleibt beim Veräußerer Duldung in die Zwangsvollstreckung §§ 1147 i.V.m. 1192 Grundschuld Eigentumsvorbehalt + + — (—) Tab. 6.1 | 177 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n Schuldübernahme Schuldbeitritt Garantievertrag Bürgschaft Sicherungsübereignung Pfandrecht Hypothek vorausgehende Sicherungsabrede Wechsel des Sicherungsgegenstandes Übertragbarkeit des Sicherungsrechtes Verwertung — — — — — — — — — Besitz beim SGeber Eigentum und Besitz (mittelb.) beim SNehmer unmittelb. Besitz beim SNehmer (Faustpfand) — durch SNehmer §§ 929 ff. durch SGeber §§ 932 ff. als Eigentümer (§ 903) Veräußerung §§ 1228, 1233, insbes. § 1235 Erlöschen der Forderung. § 1247 S 1 Inanspruchnahme des Sch. und des Bürgen Inanspruchnahme des Sch. und des Garantierenden Inanspruchnahme der Sch. Inanspruchnahme des D § 1147 Zwangsvollstreckung §§ 1192, 1147 Zwangsvollstreckung als Eigentümer (§ 903) — Besitz meist beim Erwerber Eigentümer nur durch vertrl. Abrede gehindert Erwerber mögl. i.S.v. erweiterter, weitergegebener EV od. Übertragung des Anwartschaftsrechtes 873; 873, 1155 gut gl.: (892) Brief 873, (892) Buch Grundschuld Eigentumsvorbehalt nur mit Forderung § 1250 kein gut gl. Erwerb eines Pfandrechtes (mögl. aber: gut gl. Entstehen) § 1207; gut gl. Erwerb des Vorranges § 1208; gut gl. Erwerb des Gegenst. bei Veräußerung § 1244 §§ 873, 1153f. gut gl.: §§ 1155, 892 Brief § 892 Buch gut gl. einredefrei: - Einrede gegen Hy § 1157 gegen Forderung § 1138 kein gut gl. bei Sicherungshypothek § 1184 | Tab. 6.2 178 k r e d i T F i n a n z i e r u n g d u r c h k r e d i T s i c h e r h e i T e n Schuldübernahme Schuldbeitritt Garantievertrag Bürgschaft Sicherungsübereignung Pfandrecht Hypothek vorausgehende Sicherungsabrede Rückübertragung des Rechtes Ausgleichsansprüche des SGebers entspr. Sicherungsabrede a) obligatorisch = Verpfl. zur Rückübertrag gem. § 929,S.2 b) dingl. auflösende Bed. der WE des SG beim Eigentumsübertragungsvertrags § 930 — (Erlöschen der Schuld) — (Erlöschen der Schuld) — (Erlöschen der Schuld) Erlöschen automatisch da Akzessorietät Erlöschen automatisch da Akzessorietät § 1252, Rückgabe § 1223 (Überschuss an SG § 1247 S 2) Erlöschen der Hy bei Befriedigung des Gl aus Grundstück § 1181; Rückfall an Eigentümer § 1163 bei Befriedigung der Forderung Auf Grund § 812 od. des Sicherungsvertrages vertragl. gegen Sch. od/ u SN vertragl. gegen Sch. vertragl. gegen Sch. vertragl. gegen Sch. gesetzl. § 774; vertragl. gegen Sch. vertrl. Rückübertragungsverpfl. bei dauernder Nichtzahlung — vertragl. gegen Sch. gesetzl. § 1164 (Sch. gegen E) Grundschuld Eigentumsvorbehalt gesetzl. § 1225 vertragl. gegen Sch. gesetzl. § 1143 vertragl. E gegen Sch. gesetzl. § 1164 (Sch. gegen E) D = Dritter, E = Eigentümer, Gl = Gläubiger, Sch = Schuldner, SGeber = Sicherungsgeber, SNehmer = Sicherungsnehmer Tab. 6.3 | 179 z u d i n g l i c h e n k r e d i T s i c h e r h e i T e n 1 Welchem ökonomischen Zweck dienen Kreditsicherheiten? 2 Warum bedarf nur ein bestimmter Teil des Bürgschaftsvertrages der Schriftform? 3 Wann kann das Schriftformerfordernis in Bürgschaftsrecht ausnahmsweise entfallen? 4 Aus welchen Gründen verzichtet der Gesetzgeber in diesem Fall auf die Einhaltung einer Schriftform? 5 Was ist eine „selbstschuldnerische Bürgschaft“? 6 Wem nutzt eine selbstschuldnerische Bürgschaft? 7 Was bedeutet der Ausdruck „ Akzessorietät“ im Deutschen Recht? Und in welche Rechtsnormen kommt der Grundsatz der Akzessorietät bei der Hypothek zum Ausdruck? 8 Was ist eine Briefhypothek? Was ist eine Buchhypothek? 9 Der Landwirt hat auf seinem Grundstück zu Gunsten der Bank eine Hypothek für die Forderung der Bank gegen seine Ehefrau in Höhe von 40.000 € bestellt. a) Dem Landwirt gehören zwei Traktoren mit denen er sein Feld bestellt. b) Das Korn was noch auf dem Halm ist. (Das Getreide ist noch nicht abgemäht) c) 14 Gartenzwerge die auf seinem landwirtschaftlichen Grundstück verteilt hat. Die Bank B. möchte wissen, welche der Positionen 1, 2, 3, in denen Haftungsverband der Hypothek fallen; m.a.W. auf welches Vermögen 1, 2, 3, die Bank bei der Geltendmachung der Hypothek zurückgreifen kann. (Bitte führen Sie die einschlägigen Normen auf! ) 10 Was kann der Inhaber einer Hypothek rechtlich machen, um sein Geld zu bekommen, wenn der Schuldner nicht zahlt? Nennen Sie Bitte auch den einschlägigen § des deutschen Rechts! 11 Welche Bedeutung hat die Rangstelle einer Hypothek? Bitte zeigen Sie die Bedeutung der Rangstelle anhand eines kleinen Beispiels: dazu können Sie eine Hypothek in Höhe von 40.000 € - bei einem Grundstück im Wert von 100.000 € - einmal an erster Stelle und dann an dritter Stelle setzen. 12 Welche Rechtsfolgen treten sowohl bei der Bürgschaft als auch bei der Hypothek ein, wenn der Bürge beziehungsweise der Eigentümer des Grundstücks die Forderung bezahlt? Fragen ▼ ▲ 180 Internationales Finanzmanagement 7 | 7.1 Finanzierungsaktivitäten international tätiger Unternehmen und internationale Finanzmärkte 7.2 Finanzwirtschaftliche Risiken - Wechselkursrisiko 7.3 Cash Management Inhalt ▶ Im Kapitel VII werden grundlegende Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten / Instrumente bei der Steuerung der Finanzaktivitäten von international engagierten Unternehmen sowie wichtige Kategorien und ausgewählte Vorgehensweisen erläutert. Das betrifft Finanzierungsprozesse und Funktionsweise der internationalen Finanzmärkte (vgl. Abschnitt 7.1), Währungsrisiken, Devisenmärkte und Hedginginstrumente (vgl. Abschnitt 7.2), Zahlungs- und Kreditrisiko bei Verkäufen im Außenhandel und angebotene Sicherungsinstrumente (vgl. Abschnitt 7.3) sowie Ziele / Aufgaben und ausgewählte Instrumente des Cash-Management international tätiger Konzerne (vgl. Abschnitt 7.4). ▶ In Anbetracht der Begrenzung dieser Publikation auf Basiswissen wird bewusst auf die Beschäftigung mit einer Reihe von Fragen verzichtet, wie den Möglichkeiten der Finanzspekulation mit Derivaten, dem Handel mit Aktien, Anleihen usw., speziell an den internationalen Börsen, der Funktionsweise supranationaler Finanzinstitutionen, aber auch der Technik des Hedgings bei Zinsen und Aktienkursen. Die Außenhandelsfinanzierung wird nur punktuell berührt und nicht auf Finanzderivaten basierende Verfahren der Wechselkursabsicherung bleiben weitgehend ausgespart, wie Factoring. Übersicht ▼ 7.1 | Finanzierungsaktivitäten international tätiger Unternehmen und internationale Finanzmärkte 181 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Aufgaben des internationalen Finanzmanagement Besonderheiten des internationalen Finanzmanagement Das seit vielen Jahren ständig wachsende internationale Engagement von Unternehmen, insbesondere von großen, wird allgemein auch mit dem Begriff der Globalisierung bezeichnet. Diese basiert nicht zuletzt auf der Liberalisierung der internationalen Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte, aber auch des Güterverkehrs weltweit u. a. m. Für die internationale Finanzierung sind heute nicht mehr nur andere (ausländische) nationale Finanzmärkte ausschlaggebend, sondern in erster Linie die internationalen Finanzmärkte, für die speziell in Europa seit Jahrzehnten der Begriff „Euromärkte“ verwendet wurde. Er entwickelte sich einige Zeit nach dem 2. Weltkrieg aus dem US-Dollar-Markt in Westeuropa. Dieser entstand durch permanente Exportüberschüsse der Europäer mit den USA. Das führte schließlich zu einer bis dato nicht üblichen Finanzierungspraxis, nämlich der Vergabe von Dollarkrediten an europäische Unternehmen durch europäische Banken, die in London und Luxemburg und an anderen speziell reglementierten Orten saßen. Damit war der Euromarkt entstanden. Im Laufe der Zeit dehnte sich diese Kreditierungsweise auf weitere Währungen und Finanzplätze auf anderen Kontinenten aus. Die Bezeichnung blieb aber dieselbe. Spätestens seit Einführung der Gemeinschaftswährung € und der Eurozone wurde der Name aber missverständlich. Es gab neue Wortschöpfungen, wie Xenomärkte oder (aus dem amerikanisch-englischen Bereich kommend) Offshoremärkte. Sie haben sich aber bislang den erstgenannten Begriff nicht völlig verdrängen können. Die Fachsprache benutzt immer wieder auch die Bezeichnung „Euromärkte“ bzw. davon abgeleitete Kategorien, wie „Eurogeldmarkt“, „Eurowährungen“ usw. Wir tun es hier gezwungenermaßen weiterhin auch, setzen aber zur besseren Abgrenzung Anführungs- und Ausführungsstriche. Die auf den internationalen Finanzmärkten gehandhabten klassischen und innovativen Finanzinstrumente bzw. Techniken und Usancen verlangen spezielles Know-how. Sie begründen damit ganz wesentlich die Notwendigkeit eines besonderen, nämlich internationalen Finanzmanagement ▶ Finanzmanagement sowie die Prozesse der Kapitalbeschaffung und Kapitalstrukturierung unter internationalem Blickwinkel betrachtet (vgl. Abschnitt 7.1.1) und danach werden die internationalen Finanzmärkte gemäß der allgemein akzeptierten prinzipiellen Gliederung (Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte sowie Devisenmärkte) vorgestellt (vgl. Abschnitt 7.1.2). | 7.1.1 | 7.1.1.1 Euromärkte ▲ 182 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t in den betroffenen Unternehmen. Die innovativen Instrumente werden generell als Finanzderivate bezeichnet, weil sie von primären, klassischen Formen abgeleitet sind. Zu ihnen gehören Options, Futures und Swaps aber auch Asset Backed Securities, (die bei der Auslösung der weltumfassenden Finanzkrise durch US-Banken 2008 eine unrühmliche Rolle spielten), und viele andere Konstrukte. Management umschließt prinzipiell die Funktionen Planung und Kontrolle, Koordination sowie Führung. Dabei gibt es bei der Handhabung immer drei Dimensionen: die prozessuale, die strukturelle und die personelle. Die Phasen des Managementprozesses werden in der Fachliteratur mit Planung (weiter gegliedert in Zielbildung, Problemanalyse, Alternativensuche, Prognose und Bewertung), Entscheidung, Durchsetzung und Kontrolle festgelegt. Das gilt auch für das Management der Finanzen im Unternehmen. Wenn wir den Begriff „international“ benutzen, differenzieren wir beim Finanzmanagement, anders als im internationalen Marketing, nicht zwischen der Bedeutung von international, multinational, transnational oder global. International agieren heißt, über die Grenzen eines Landes hinauszugehen. Eine klassische Erscheinungsform dafür bildet der Außenhandel (Export, Import). Wir können ganz allgemein von einem internationalen Unternehmen sprechen, wenn seine Wertschöpfung im Ausland eine existenzielle Bedeutung für den langfristigen Bestand besitzt. Dann sollte auch ein internationales Management der Finanzprozesse praktiziert werden. Die hauptsächlichen Finanzziele von Unternehmen stellen sich als Gewinn, Rentabilität, Liquidität, Unabhängigkeit und Risikobegrenzung dar. Generell unterscheiden sich dabei nationale Unternehmen nicht von internationalen. Bei der Verwirklichung der Finanzziele sind aber Aspekte, Risiken und Chancen der Internationalisierung zu beachten. Gewinn ergibt sich bekanntlich aus Erträgen, denen aber Kosten der Erwirtschaftung gegenüberstehen. Wenn letztere im internationalen Geschäft höher sind, müssen auch höhere Erträge erreichbar sein. Es sollten auch größere Risiken entsprechend abgegolten werden. (1) Aspekte internationaler Finanzanlagen Wenn eine Finanzanlage in eine Anleihe Argentiniens erfolgen soll, die auf amerikanische Dollar lautet, sehen wir uns als Investor dem Wechselkursrisiko zwischen Euro (€) Internationales Finanzmanagement wird „…als zielgerichtete Steuerung aller internationalen Zahlungen bzw. Zahlungsströme im Unternehmen…“ definiert (Büschgen, 1997, S. 3). Definition ▼ Beispiel ▼ ▲ Die wichtigsten Finanzziele 183 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n und US-Dollar ($) gegenüber. Eine Absicherung des Kurses $ / € bedeutet aber Kosten. Außerdem ist das Marktpreisrisiko nicht zu unterschätzen - der Kurs der Anleihe kann bei schlechter wirtschaftlicher Entwicklung in Argentinien sinken. Das bekämen wir bei vorfristigem Verkauf des Wertpapiers zu spüren. Schließlich gibt es hier noch das Ausfallrisiko. Argentinische Staatspapiere haben in der jüngeren Vergangenheit schon zu Totalverlusten geführt. Also erwarten wir eine außergewöhnliche Verzinsung. Das Finanzmanagement wird also eine Risikoabschätzung versuchen und die Gewinnchancen möglichst realistisch mittels der Kennzahl Rendite quantifizieren: Erwartete Kursentwicklung der Anleihe (wenn wir z. B. in zwei Jahren schon wieder verkaufen wollen) plus zugesicherte Verzinsung werden ins Verhältnis gesetzt zum Ausgabepreis plus sonstige Kosten (wie die Kosten der Wechselkursabsicherung für zwei Jahre). Die im Jahr 2008 ausgebrochene internationale Finanzkrise hat eine neue Dimension der Risiken der internationalen Finanzmärkte sichtbar werden lassen: Finanzinstitute haben ihren Innovationsfantasien freien Lauf gelassen, staatliche Aufsichtsbehörden haben die Flut der neuen Produkte nicht wirklich kontrolliert und quasi alles zugelassen, dass Haftungsversprechen der Banken und Versicherungen war vielfach nichts mehr wert und Ratingagenturen übernahmen keine materielle Verantwortung für Fehleinschätzungen. Die Spezifika der Ziele des internationalen Finanzmanagements kann man wie folgt umreißen: Das Gewinn- / Rentabilitätsziel verlangt, die weltweit benötigten Finanzmittel / Kapitalien mit minimalen Kosten zu besorgen und unternehmensintern die Finanzströme zu optimieren. Zinsen, Dividenden, Steuern, Kosten für Emissionen, Transfers und Kurssicherung sollen im weltweiten Umfeld gewinnorientiert gehandhabt werden, Kapitalstrukturen vom o. g. Ziel ausgehend gestaltet werden. Bei den Zinsen geht es vor allem um die weitgehende Vermeidung von Soll-Zinsen, aber auch um möglichst niedrige Soll-Zinssätze und möglichst hohe Haben-Zinssätze. Die Fremdwährungsproblematik besitzt besondere Bedeutung: Jeder Wechsel aus einer Währung in eine andere verursacht gegenüber Inlandsgeschäften (Geschäften innerhalb der Euro-Zone) zusätzliche Aufwendungen. Konvertierungen erfolgen entweder zum Geldkurs oder zum Briefkurs. Wenn also Unternehmenseinheiten in verschiedenen Ländern zur selben Zeit einerseits € gegen Dollar verkaufen und andererseits € gegen Dollar kaufen, trägt der Konzern eine Aufwendung im Umfang der „Geld-Brief“-Differenz (siehe Abschnitt 7.1.2.3). Weiterhin fallen Bankgebühren an, die vermieden werden könnten, dasselbe gilt für Kosten einer Wechselkursabsicherung. ▲ Gewinnziel 184 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Das Liquiditätsziel besteht darin, in allen Teilen des Unternehmens die jederzeitige Zahlungsfähigkeit zu sichern und dabei mit optimalen Reserven zu wirtschaften. Es sind unterschiedliche Liquiditätsanforderungen nach Währungen in Rechnung zu stellen wie auch die Leistungsfähigkeit nationaler Finanzmärkte. Je nach praktiziertem Führungsstil werden den Tochtergesellschaften mehr oder weniger Freiräume gewährt. Das Ziel der Erhaltung der Unabhängigkeit ist durch eine entsprechende Streuung der Beschaffung der Eigen- und Fremdkapitale zu verfolgen, wobei auch die gewählten Gesellschaftsformen wichtig sind. Der Einfluss externer Kapitalgeber soll i. d. R. begrenzt bleiben, das zentrale Finanzmanagement muss alle für den Konzern insgesamt wichtigen Entscheidungen auch bei den Tochtergesellschaften ausreichend beeinflussen können. Das Unabhängigkeits-Ziel kann, wenn es um die Ausnutzung des Leverage- Effektes durch einen höheren Anteil von Fremdkapital geht, mit dem Rentabilitätsziel kollidieren. Um das Ziel der Risikoabwehr zu verwirklichen, sind nach Gesellschaften bzw. Ländern differenzierte Vorgaben für die einzelnen Risiken zum akzeptablen Risikoniveau, dem einzusetzenden Mix der Absicherungsinstrument und der Arbeitsteilung zwischen Zentrale und den lokalen Gesellschaften zu machen (einschließlich der Beteiligung von Banken, Börsen und Versicherungen). Das internationale Finanzmanagement eines Unternehmens unterliegt soziokulturellen Einflüssen: ▶ Bei internationalen Aktivitäten treffen immer verschiedene Sprachen aufeinander; Vertragsfeinheiten, formuliert in einer Sprache, lassen sich unter Umständen nur unvollkommen in einer anderen Sprache ausdrücken; auch wenn ein Vertrag in zwei Sprachen ausgefertigt wird, kann es bei seiner Umsetzung zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien kommen. Je nach erreichtem wissenschaftlich-technischem Niveau gibt es ggf. in einer Sprache noch keinen Ausdruck für einen englischen oder deutschen Fachbegriff usw. ▶ Die Verhandlungs- und Vertragskultur ist in verschiedenen Gegenden der Welt voneinander abweichend. Das kann viel Zeit kosten und zu Missverständnissen führen. Probleme ergeben sich, weil die Seiten unterschiedlich offen ihre Ziele erklären, unterschiedlichen Wert auf die Herausbildung von Vertrauen zwischen den agierenden Personen legen (und nicht nur auf die Geschäftssache fokussieren), schriftliche Abmachungen eng oder weit auslegen usw. Insbesondere die amerikanischeuropäische und die asiatische Geschäftskultur stehen sich ziemlich konträr gegenüber. Die Asiaten lehnen beispielsweise den harten Verhandlungsstil (hard selling) ab. Liquiditätsziel Ziel der Erhaltung der Unabhängigkeit Risikoabwehrziel 185 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n ▶ Auch Finanztransaktionen werden durch Usancen beeinflusst und das umso stärker, je enger sie mit dem internationalen Güteraustausch zusammenhängen. Usancen bedeuten generell anerkannte und traditionell praktizierte Verhaltens- und Verfahrensweisen des kaufmännischen Geschäftslebens eines Landes, einer Region oder eines Kulturkreises. Sie werden freiwillig ausgeübt. Nicht selten basieren sie auf religiösen Vorschriften. Sie sind nicht gesetzlich geregelt, das UN-Kaufrecht (United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods / CISG) nimmt in Artikel 9 aber explizit darauf Bezug. ▶ Inzwischen sind auch einige Problemfelder weltweit einheitlich geregelt, so in Gestalt von Dokumentationen, die man als Usancen gemäß ICC-Übereinkunft bezeichnen kann. Die Internationale Handelskammer (ICC) Paris hat z. B. den Umgang mit dem Finanzierungsinstrument Dokumenten- Akkreditiv (Letter of Credit) auf eine schriftliche Basis gestellt, die „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive“. Sie werden von Zeit zu Zeit aktualisiert und die Banken aus aller Welt wenden sie an und schaffen damit ein hohes Maß an Rechtssicherheit. ▶ In enger Wechselwirkung mit den soziokulturellen Faktoren steht schließlich die jeweilige ausländische Rechtsordnung (einschließlich der Rechtspraxis): Vorschriften zu Kapital- und Devisenverkehr, Steuern, Rechnungslegung, Subventionen usw. Unkenntnis oder Missachtung von spezifischen Rechtsnormen bzw. der Besonderheiten der Gerichtsverfahren usw. können sehr kostspielig ausgehen. Die Installierung der Europäischen Währungsunion beeinflusst vor allem in folgender Hinsicht die internationale Finanzierung von Unternehmen in den Mitgliedsstaaten: ▶ Weil das Wechselkursrisiko zwischen den Teilnehmerländern wegfällt, können Kosten bei Transaktionen in diesen Ländern gespart werden, sofern der € benutzt wird. ▶ Es verbessert sich die Chance, die Gemeinschaftswährung (als heimische Währung) gegenüber Geschäftspartnern in Drittländern durchzusetzen. ▶ Das Tempo der Abwicklung von grenzüberschreitenden Zahlungen innerhalb der Eurozone ist gewachsen. An der Problematik des internationalen Finanzmanagements hat sich mit der Euroeinführung aber, abgesehen vom Wegfall des Wechselkursrisikos, grundsätzlich nichts geändert (auf das Währungsbzw. Wechselkursrisiko in Abschnitt 7.2). In den meisten international tätigen Unternehmen geht es nicht oder nicht vorrangig um die Emission von Wertpapieren auf internationalen Märkten, Auslandsdirektinvestitionen zwecks Auslandproduktion oder den Kauf ganzer Unternehmen in anderen Ländern sondern um die Finanzierung Finanzierung in der Währungsunion 186 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t von Auslandsgeschäften im Sinne von Außenhandelsgeschäften. Hier verkürzt sich der Blickwinkel des Finanzmanagements auf zwei Aspekte, nämlich ▶ die Höhe des Zahlungseinganges / -ausganges und ▶ den Zeitpunkt für Ein- und Ausgänge. In beiden Aufgabenfeldern muss daran gearbeitet werden, dass „Soll“ und „Ist“ möglichst deckungsgleich sind. Die oben formulierten zwei Fragen lassen sich wie folgt weiter spezifizieren: (1) Inwieweit müssen wir bei Käufen oder Verkäufen Leistungen vorfinanziert? (2) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit einer termingemäßen Zahlung durch den Geschäftspartner? (3) Werden wir in voller Höhe und in der vereinbarten Währung Zahlung erhalten? (4) Ist ein Zahlungseingang ernsthaft in Gefahr und welche Konsequenzen ergeben sich ggf. für das Vorhalten von Liquidität und die Kosten? (5) Was kostet oder erlöst ein Betrag in ausländischer Währung zum Zeitpunkt der Zahlung in heimischer Währung? (6) Welche Maßnahmen zur Risikoabsicherung sind möglich bzw. sinnvoll? Finanzierungsaktivitäten international tätiger Unternehmen Diese Aktivitäten können wie folgt eingeteilt werden: in internationale Kapitalbeschaffung, internationale Kapitalstrukturpolitik und internationale Finanzdisposition (vgl. Perlitz, 1993, S. 435 ff.). Internationale Kapital- oder Finanzmittelbeschaffung kann entweder mit den Kategorien Eigen-, Fremd- und Selbstfinanzierung systematisiert oder aber mit den Kategorien Innen- und Außenfinanzierung veranschaulicht werden. Innenfinanzierung im (internationalen) Unternehmen bedeutet Beschaffung von Kapital / Finanzmitteln (als Nominalgüter) durch (1) Erträge / Einzahlungen in Form von ordentlichen und außerordentlichen Umsatzerlösen (national und international) und (2) Erträge / Einzahlungen in Gestalt von Zinsen und Kredittilgungen (aus national und international früher vorgenommenen Finanzanlagen), soweit diese in der Periode nicht als Zahlungsmittel für betriebliche Produktionsmittel benötigt oder als Gewinne ausgeschüttet werden. Hier ist die Verwendung der in der einen Einheit (z. B. Tochtergesellschaft) des internationalen Konzerns (z. B. im Lande A) erwirtschafteten Mittel in einer anderen Einheit (z. B. im Lande B oder C usw.) ausgeschlossen. Mit anderen Worten: Bei der Innenfinanzierung stehen also jene Zuflüsse zum Kapital im Mittelpunkt des Interesses, die durch die Kategorie Cashflow repräsentiert werden: Gewinnthesaurierung / Finanzierung aus Abschreibungen / Finanzierung aus langfristigen Rückstellungen. 7.1.1.2 | Die internationale Dimension Innenfinanzierung 187 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Wovon hängt die Nutzung der einzelnen Quellen ab? Gewinnthesaurierung im internationalen Unternehmen wird in einzelnen Einheiten ggf. durch die nationale Steuergesetzgebung forciert und / oder durch die Begrenzung der repatriierbaren Gewinne. Finanzierung aus Abschreibungen unterliegen im jeweiligen Gastland einer Konzerngrundeinheit den Vorschriften über Nutzungsdauer, Abschreibungshöhe (z. B. maximale Prozentsätze), Abschreibungsverfahren (z. B. degressiv), Abschreibungsbemessungsgrößen (z. B. Anschaffungswert oder Wiederbeschaffungswert) usw. Langfristige Rückstellungen sind länderspezifisch ggf. praktizierbar; ihre Zweckmäßigkeit wird dann aber von den nationalen gesellschafts- und steuerrechtlichen Vorschriften beeinflusst. Die Außenfinanzierung eines internationalen Unternehmens bedient sich nicht nur der Zuführung von Eigen- oder Fremdkapital von (konzernexternen) Dritten, sondern auch der Umschichtung / Umleitung von Kapital zwischen Einheiten des Unternehmens (auch mit Sitz in verschiedenen Ländern), wobei i. d. R. eine „Spitzeneinheit“ (Zentrale oder Finanzinstitut) mitwirkt. In Anbetracht dieser beiden Möglichkeiten für die Außenfinanzierung kann von konzernexterner bzw. konzerninterner Außenfinanzierung gesprochen werden. Bei der konzerninternen Außenfinanzierung werden Kapitalumschichtungen zwischen Konzernmitgliedern (die in verschiedenen Ländern angesiedelt sind) realisiert. Je nach Zweckmäßigkeit erfolgen sie als Einlage (Eigenkapital) oder Darlehen / Kredit (Fremdkapital). Neben den klassischen Formen, wie Erwerb von Anteilen oder Darlehen, können hier auch weniger transparente Instrumente zum Einsatz kommen, wie die Beschleunigung oder Verzögerung (verglichen mit den jeweiligen Fälligkeitsterminen) länderübergreifender Zahlungen zwischen Konzerneinheiten. Das bezeichnet man auch als Leading oder Lagging, eine sehr kurzfristig-variable Form der Liquiditätssteuerung (siehe auch Abschnitt 7.3). Weiterhin kann extern auch Kapital zugeführt werden, indem speziell große internationale Gesellschaften mit der Methode der Transferpreise, d. h. mit konzerninternen Verrechnungspreisen, arbeiten. Das hilft, Kapitalverkehrsrestriktionen zu umgehen. Zu diesem Zweck lassen sich aber auch Finanz-Swaps, speziell als Kredit-Swaps, einsetzen (vgl. Abschnitt 7.2, Währungsswap). Ganz gleich, wie konzerninterne Außenfinanzierung gehandhabt wird, sie reduziert immer den konzernexternen Kapitalbedarf und damit die Kosten der Finanzierung sowie die Abhängigkeit von Dritten. Die konzernexterne Außenfinanzierung beinhaltet die Zuführung von Eigen- oder Fremdkapital (für eine Konzerneinheit) von dritter Seite (vgl. Perlitz, 1993, S. 97). Gewinnthesaurierung Abschreibungen Rückstellungen Außenfinanzierung 188 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Zur Realisierung eines solchen Zieles kann eine Einheit eines internationalen Unternehmens unter folgenden Alternativen wählen: ▶ Finanzmittelbeschaffung auf dem inländischen Geld-, Kredit- oder ▶ Kapitalmarkt, ▶ Mittelbeschaffung auf ausländischen (lokalen) Finanzmärkten, ▶ Mittelbeschaffung auf den internationalen Finanzmärkten, d. h. auf den speziellen internationalen Finanzplätzen („Euromärkte“ / Offshoremärkte). Außerdem lassen sich konzernexterne und -interne Finanzierung kombinieren, indem z. B. die Spitzeneinheit des Konzerns (zu besonders günstigen Konditionen) Mittel von dritter Seite beschafft und an eine Grundeinheit weiter reicht. Quelle: Perlitz, 1993, S. 436) Abschreibungserlöse und vergleichbare Aufwandsgegenwerte Gewinnthesaurierung Eigenkapital Fremdkapital lokales Eigenkapital (joint ventures) lokales Eigenkapital Fremdkapital aus dem Ausland Muttergesellschaft zwischengeschaltete Holdinggesellschaft Muttergesellschaft Schwestergesellschaft insbes. Finanzierungsgesellschaft) Staat private Kapitalgeber Heimatland der Muttergesellschaft Drittland internationale Finanzmärkte Innenfinanzierung (Cash-Flow) konzerninterne Außenfinanzierung konzernexterne Außenfinanzierung Deckung des Kapitalbedarfes durch: Abb 7.1 | Kapitalbeschaffung im internationalen Unternehmen 189 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Kriterien der Finanzierungsentscheidungen sind vor allem die Kosten und die Risiken (Risiko der Zinsänderung / der Wechselkursänderung). Die Finanzierungskosten hängen in erster Linie ab von ▶ den Zinskosten, ▶ den Provisionen usw. von Banken, ▶ den Steuern, ▶ den Kapitalverkehrskosten, ▶ den Absicherungskosten gegen die o. g. Risiken. Internationale Kapitalstrukturpolitik können wir (vereinfachend) mit Entscheidungen zur Relation von Eigenkapital zu Fremdkapital (dem statischen Verschuldungsgrad) gleichsetzen. Die Unternehmenspolitik muss dabei im internationalen Maßstab vor allem ländertypische Risiken und Regulierungen beachten wie auch die spezifische Unternehmensphilosophie für das Gebiet der Finanzierung. (1) Auslandsrisiken und Eigenkapitalquote: Hauptsächlich in Ländern, die politisch sehr instabil sind und / oder ein hohes Währungsrisiko aufweisen, wird ein internationales Unternehmen bei seinen Auslandstochtergesellschaften eine niedrige Eigenkapitalquote bevorzugen. Das muss nicht zwangsläufig die Bonität der „Töchter“ negativ beeinflussen, weil die Banken i. d. R. den Gesamtkonzern beurteilen. Die Bonität kann aus konkretem Finanzierungsanlass auch mit einer Patronatserklärung verbessert werden, in der die Konzern-„Mutter“ mehr oder weniger deutlich verspricht, für die Verpflichtungen der „Tochter“ notfalls einzustehen. Allerdings müssen auch die Finanzierungsmöglichkeiten im Gastland ins Kalkül gezogen werden, damit es nicht zu Finanzierungslücken kommt. (2) Länderspezifische Regelungen und Eigenkapitalanteil: Steuervorschriften, Kapital- und Devisenverkehrsregelungen usw. können in einem konkreten Land dazu führen, dass eine niedrige Eigenkapitalquote angestrebt wird. Kapitalverkehrseinschränkungen können z. B. zum Verbleib von Gewinnen der Tochtergesellschaft in dieser selbst (Thesaurierung) führen. Damit erhöht sich die Eigenkapitalquote sukzessiv. (3) Konzernkapitalstruktur: Grundsätzlich kann sich das Management eines internationalen Unternehmens zwischen zwei Varianten entscheiden: ▶ Erste Variante: Es wird sichergestellt, dass die Kapitalstruktur (als Summe der Kapitalausstattung im gesamten Konzern) eine hohe Bonität gewährleistet. Das verlangt aber für alle Einheiten des Konzerns Freiheit bei Transfers. Internationale Kapitalstrukturpolitik 190 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t ▶ Zweite Variante: Die einzelnen Unternehmen, die zum Konzern gehören, werden ausgehend von ihrer Umwelt so mit Eigenkapital (unterschiedlich) ausgestattet, dass sie selbständig, operieren können. Die internationale Finanzdisposition (als Finanzmanagement mit dem zeitlichen Horizont der nächsten Tage bzw. Wochen) stellt nur ein Segment der generellen Finanzdisposition im Konzern dar. Auf internationaler Ebene beschäftigt man sich hier vor allem mit drei Aufgaben. Diese sind: ▶ das internationale Cash Management, ▶ das internationale Währungsmanagement, ▶ das internationale Zinsmanagement. Weil die Abschnitte 7.2 und 7.4 die Grundsätze, Instrumente und Techniken des Währungsmanagement bzw. des Cash Management zum Gegenstand haben soll dies nur Grundsätzliche angerissen werden. Das internationale Cash Management kann auch als laufende Kassendisposition auf zentraler Ebene bezeichnet werden. Primäres Ziel ist es, die Liquidität (im Planungszeitraum) in Wechselwirkung mit der Einhaltung der Rentabilitätsziele zu sichern. Letzteres wird erreicht, indem ▶ die Kassenhaltung (zentral, dezentral) auf das für notwendig erachtete Maß reduziert und ▶ Überschüsse schnell zinsbringend angelegt bzw. Finanzierungslücken kostengünstig extern geschlossen werden. Wichtige Instrumente stellen Pooling und Netting dar. Das internationale Währungsmanagement soll in erster Linie Risiken aus Auf- oder Abwertungen fremder Währungen, die Verluste zur Folge haben, abwehren bzw. in den Auswirkungen abschwächen und Chancen auf Kursgewinne wahrnehmen. Dazu steht eine Reihe von Instrumenten zur Verfügung, u. a. Devisen- Forwards, -Futures, -Options, -Swaps, Finanz-Hedges. Das internationale Zinsmanagement dient der Abwehr von unerwarteten Aufwendungen infolge des Zinsänderungsrisikos bzw. zielt auf die gewinnorientierte Ausnutzung von Zinsunterschieden auf den einzelnen Geld-, Kapital- und Kreditmärkten. Es sind die Anlagen freier Mittel (Aktiva) und die Beschaffung von Fremdkapital (Passiva) zu steuern. Dabei stehen (positiven) Zinsunterschieden bei fremden Währungen die Kurssicherungskosten gegenüber. Die wichtigsten Absicherungsinstrumente sind Cap, Floor, Forward Rate Agreement und Interest Rate Swap. Wenn Sie dazu mehr wissen wollen, können Sie sich z. B. bei Beike / Schlütz, 2005, S. 498 ff. und 507 ff. informieren. Internationale Finanzdisposition Liquditätsziel hat Vorrang Die wichtigsten Absicherungsinstrumente 191 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Internationale Finanzmärkte Grundsätzliches Internationale Finanzmärkte umfassen alle ausländischen Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte sowie die internationalen Devisenmärkte. Der Begriff ausländische Finanzmärkte kann einerseits i. e. S. interpretiert werden. Dann sind damit die Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte gemeint, die den jeweiligen nationalstaatlichen Regelungen unterliegen. Weitergefasst (also i.w.S.) sind auch die Offshore- oder „Euromärkte“ eingeschlossen. Die Besonderheiten dieser Märkte bestehen vor allem darin, dass sie ▶ Zinsdifferenzen zu den nationalen Finanzmärkten aufweisen, ▶ steuerliche Vorteile bei der Kapitalbeschaffung (gegenüber nationalen Finanzmärkten) beinhalten, ▶ die unbeschränkte internationale Beweglichkeit der Finanztransaktionen gewährleisten und ▶ unabhängig von nationalen geldpolitischen Lenkungsmaßnahmen der Zentralbanken und der nationalen Bankenaufsichtsorgane funktionieren. Die Zinsbildung auf den „Euromärkten“ erfolgt frei auf der Basis von Angebot und Nachfrage. Es haben sich spezielle Zinssätze mit Orientierungswirkung (Referenzzinssätze) herausgebildet, wie der LIBOR (London Interbank Offered Rate), der am Eurofinanzplatz London täglich für die wichtigsten konvertierbaren Währungen („Eurowährungen“) fixiert wird. „Eurowährungen“ können auch außerhalb des Emissionsraumes (des Währungsgebietes) ge- und verliehen werden usw. „Eurodollar“ z. B. sind alle Dollar-Forderungen und -Verbindlichkeiten zwischen Partnern außerhalb der USA. | 7.1.2 | 7.1.2.1 Ganz allgemein kann man diese Letztgenannten damit definieren, dass „…in einem Land die Währungen anderer Länder eingelegt, aufgenommen oder auch zwischen den Finanzinstitutionen intensiv gehandelt…“ werden (Büschgen, 1997, S. 168). Definition ▼ ▲ Besonderheiten Zinsbildung 192 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Quelle: in Anlehnung an Büschgen, 1997, S. 91). Internationale Geld-, Kapital- und Kreditmärkte Internationale Geldmärkte bestehen aus den ausländischen Geldmärkten und den „Eurogeldmärkten“. Hier treffen Angebot und Nachfrage nach kurzfristigen Mitteln zusammen. Die ausländischen Geldmärkte sind grundsätzlich in Struktur und Funktionsweise dem inländischen (z. B. deutschen) Geldmarkt gleich. Die „Eurogeldmärkte“ gliedern sich ebenfalls in ein Bankensegment, den Banken-„Eurogeldmarkt“ und ein Unternehmenssegment (der Nichtbanken), den Unternehmens-„Eurogeldmarkt“. Der Erstere spielt für die Liquiditätsdisposition der (großen) internationalen Banken eine besondere Rolle. Hier werden Geldleihen realisiert, die auf Guthaben bei Notenbanken fußen und „Eurogeldmarktpapiere“ durch Banken emittiert. Der Unternehmens-„Eurogeldmarkt“ ist über das Cash Management der multinationalen Unternehmen (Anlage von Liquiditätsüberschüssen usw.) mit dem der Banken verzahnt. Außerdem existiert ein Segment für „Eurogeldmarkt“-Papier-Emissionen der Nichtbanken. Hier sind z. B. die „Euronotes“ zu nennen, die als „note issuance facilities“ (NIF) oder „revolving underwriting facilities“ (RUF) usw. in Erscheinung treten. Ihnen unterliegen langfristige Refinanzierungsgarantien von Banken (standby arrangements), sodass eine (kurzfristige) Emission auf die andere folgen kann. Akteure auf den internationalen Geldmärkten, speziell den Offshoremärkten (oder „Euromärkten“) sind neben den Banken auch die großen Finanzintermediäre (Versicherungen, Pensionsfonds) und die multinationalen Nichtbanken. Die Liquiditätsbeschaffung und -anlage (zwecks Liquiditätsdisposition) erfolgt vor dem Hintergrund eines hohen Grades informeller Organisation, der sich in strengen Usancen ausdrückt. Internationale Finanzmärkte Internationale � Geldmärkte � Kapitalmärkte � Kreditmärkte ausländische Märkte „Euro- Märkte“ Internationale Devisenmärkte Kassa- Märkte Termin- Märkte Abb 7.2 | Systematik internationaler Finanzmärkte 7.1.2.2 | Euronotes 193 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Der Geldhandel weist grundsätzlich folgende Formen auf: ▶ Tagesgeld, das nur von einem Tag auf den nächsten zur Verfügung gestellt wird, ▶ Tägliches Geld (Call Money), das unbefristet ausgereicht wird, mit eintägiger Kündigungsfrist, ▶ Termingeld, das mit festen Laufzeiten (Festgeld) oder Kündigungsfristen (Kündigungsgelder) gewährt wird (siehe auch Büschgen, 1997, S. 133 / 134). Internationale Kapitalmärkte gliedern sich (analog zum Geldmarkt) ebenfalls in zwei Segmente: Ausländische Kapitalmärkte, wo als Instrument z. B. die Auslandsanleihen fungieren, und die „Eurokapitalmärkte“. Auf diesen bedient man sich vor allem der „Euroanleihen“. Diese können in jeder frei konvertierbaren Währung aufgelegt werden. Die Mittelüberlassung erfolgt für eine Frist von mehr als einem Jahr. Kapitalanlegende und kapitalverwendende Wirtschaftssubjekte kommen miteinander zu direkten vertraglichen Vereinbarungen. Die Banken übernehmen ggf. Beratungs-, Vermittlungs- und Abwicklungsfunktionen. An den ausländischen Kapitalmärkten existieren dieselben Möglichkeiten der Kapitalaufbringung wie im Inland: Externe Eigenfinanzierung und Fremdfinanzierung. Die Auslandsanleihen als wichtiges Instrument zur Beschaffung von Liquidität im Ausland besitzen folgende grundsätzliche Merkmale: Sie werden von einem gebietsfremden Emittenten in der Währung des Emissionslandes herausgebracht, z. B. als Schweizer-Franken-Anleihe eines französischen Unternehmens, aufgelegt in der Schweiz. An den „Eurokapitalmärkten“ haben sich verschiedene Anleiheformen herausgebildet, z. B.: ▶ normale festverzinsliche und planmäßig zu tilgende Schuldverschreibungen - Straight Bonds, ▶ Anleihen mit variablem Zinssatz (der in bestimmten Intervallen an den Marktzinssatz angepasst wird) - Floating Rate Notes, ▶ abgezinste Null-Kupon-Anleihen - Zero Bonds. Internationale Geldmärkte Ausländische Geldmärkte Unternehmens- Geldmarkt Banken- Geldmarkt „Eurogeldmärkte“ Banken- „Eurogeldmarkt“ Unternehmens- „Eurogeldmarkt“ | Abb 7.3 Grobstruktur der internationalen Geldmärkte Auslandsanleihen 194 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Diese „Euroanleihen“ (Offshore-Anleihen) lauten auf andere Währungen als die des Landes, wo emittiert wird und der Schuldner hat i. d. R. seinen Sitz nicht dort. Emittenten können nur „1. Adressen“ sein (Regierungen, multinationale Unternehmungen usw.), Bonität / Rating müssen dem entsprechen. Auch bei den internationalen Kreditmärkte werden zwei Bereiche unterschieden, nämlich ausländische Kreditmärkte und „Eurokreditmärkte“. Bei den ausländischen Kreditmärkten gibt es hinsichtlich der Spielregeln grundsätzlich keine Unterschiede zum inländischen Markt. An den „Eurokreditmärkten“ werden nicht verbriefte Kredite in Währungen aus anderen Ländern gewährt. Es handelt sich in erster Linie um so genannte Roll-Over-Kredite, bei denen in regelmäßigen Zeitabständen Zinssatzanpassungen erfolgen. Generell gilt für diese Märkte, dass immer zumindest eine Bank als Vertragspartner handelt. Die Banken erbringen (vor dem Hintergrund ihrer Refinanzierungsmöglichkeiten) Transformationsleistungen betreffs der Größe der gewünschten Kredite, ihrer Laufzeit, Verzinsung usw. Internationale Devisenmärkte und Devisenhandel Als Devisenhandel wird der An- und Verkauf von ausländischem Geld (Devisen) gegen inländisches Geld oder andere Devisen bezeichnet. Unter dem Begriff „Devisen“ fasst man Ansprüche auf Zahlungen in ausländischen Währungen (Fremdwährung) an ausländischen Plätzen zusammen. Sie existieren in erster Linie in Form von Sichtguthaben; aber auch Wechsel und Schecks zählen dazu. Dem Devisenhandel liegen hauptsächlich folgende grenzüberschreitende wirtschaftliche Aktivitäten zu Grunde: Warenlieferungen und / oder Dienstleistungen, Kreditauszahlungen bzw. -tilgungen, Zinszahlungen, Gewinntransfer, Devisenspekulation. Unter dem Devisenmarkt schließlich versteht man das Aufeinandertreffen von Angebot und Nachfrage nach allen denkbaren Währungen zwecks Kauf und Verkauf. Es handelt sich vorrangig um einen Interbankenmarkt. Er Roll-Over-Kredite Internationale Kreditmärkte Ausländische Kreditmärkte Interbanken Kreditmarkt Nichtbanken Kreditmarkt „Eurokreditmärkte“ Nichtbanken „Eurokreditmarkt“ Interbanken „Eurokreditmarkt“ Abb 7.4 | Zur Struktur internationaler Kreditmärkte 7.1.2.3 | 195 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n wird nach Währungen segmentiert, aber auch nach Währungsbörsen, Over- The-Counter-Handel (OTC) usw. In der relevanten Fachliteratur finden wir als Synonym zu Devisen / Fremdwährung aber auch den Begriff Valuta. (Siehe auch Eilenberger, z. B. auf den S. 19, 64, 77, 153 usw., wo von Valutarisiko, Valutaposition, Valutagewinn oder Valuta-Zahlungsströmen die Rede ist.) Im Devisenhandel und bei der Beschreibung währungswirtschaftlicher Sachverhalte finden diverse Kursbegriffe Anwendung: Die Bezeichnungen Währungskurs und Wechselkurs werden in der Wirtschaftspraxis als Synonyme betrachtet. Sie sind ein spezieller Preis, der beziffert, wie viel eine Einheit einer Währung von einer anderen kauft. Außerdem existieren weitere Kursbegriffe: Unter zeitlichem Aspekt unterscheiden wir den Devisenkassamarkt und den Devisenterminmarkt. Devisenkassageschäfte werden zum Kassakurs (Spot Rate, „Tageskurs“) des jeweiligen Tages vereinbart und, z. B. in Europa, zwei Werktage / Bankarbeitstage später erfüllt (Valutierung zwei Tage). Am „Handelstag“ wird das Geschäft über Lieferung und Abnahme eines bestimmten Devisenbetrages abgeschlossen, am „Abwicklungstag“ folgt das Erfüllungsgeschäft. Devisentermingeschäfte beinhalten einen vereinbarten (späteren) Erfüllungstermin und einen speziellen Terminkurs (Forward Rate), also einen heute fixierten Preis für eine weiter als zwei Bankarbeitstage in der Zukunft liegende Erfüllung. Termingeschäfte werden aus drei Gründen durchgeführt: Kurskategorien | Tab. 7.1 Preisnotierung Mengennotierung Devisenkurs Sortenkurs Geldkurs Briefkurs Cross Rate Kassakurs Terminkurs Referenzkurs Nominaler Kurs Realer Kurs �� �� �� �� �� Erfüllung � 2 Bankarbeitstage später Handelstag: Abwicklungstag: Mo Di Mi Do Fr Sa So Mo Di 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 2 4 5 6 7 8 9 3 | Abb 7.5 Handelstag: Abwicklungstag 196 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t ▶ wegen der Absicherung gegen das Preisrisiko, Kurse sind spezielle Preise, dieses Agieren heißt auch Hedging (oder Hedge), ▶ um Spekulationsgewinne mit geringem Kapitaleinsatz, aber großer Hebelwirkung zu erzielen; das wird Trading genannt, ▶ um risikolose Gewinne aus Arbitrage zu erwirtschaften, wobei vor allem kurzfristige Unterschiede zwischen Kassa- und Terminpreisen genutzt werden (siehe auch Beike / Schütz, 2005, S. 465 - 470). Fremdwährungen (d. h. ausländische Währungen) nehmen für Unternehmen i. d. R. die Form von Buchgeld an, erscheinen also als Devisen. Diese werden mit Devisenkursen notiert. Banknoten (Sorten) spielen kaum eine Rolle und werden zu ungünstigeren Sortenkursen von den Banken ver- und gekauft. Der Wechselkurs als Preisnotierung bringt zum Ausdruck, wie viele inländische Geldeinheiten für den Erwerb einer Fremdwährungseinheit aufzuwenden sind: = Anzahl inländische Geldeinheiten ______       1 ausländische Geldeinheit z. B. 0,7692 € je 1 $ Unter dem Wechselkurs in Form der Mengennotierung wird dagegen die Relation zwischen einer Einheit inländischer Währung und dem Äquivalent in ausländischer Währung verstanden. = Anzahl ausländische Geldeinheiten ______       1 inländische Geldeinheit z. B. 1,3000 $ je 1 € Mit der Einführung der Gemeinschaftswährung € / € vollzog sich ein Wechsel von der Preiszur Mengennotierung. Wenn ein Unternehmen mit einer Bank Devisen handelt, so kauft diese zum Geldkurs (Bid Rate) € an, man kann auch sagen, sie verkauft zu diesem Kurs Devisen: z. B. 1,3000 $ gegen 1 €. Der Briefkurs (Offer Rate) wird gestellt, wenn eine Bank € verkauft, also Devisen ankauft: z. B. 1 € gegen 1,3040 $. Zwischen „Geld“ und „Brief “ liegt immer eine Differenz, Spread oder Spanne genannt. Der Geldkurs ist immer kleiner als der Briefkurs. Im Interbankenhandel arbeiten die Devisenhändler nur mit den beiden letzten Stellen nach dem Komma. Wenn also ein Händler auf Anfrage für € / $ die Zahlen „00 zu 40“ nennt, so kauft er € für 1,3000 Dollar und verkauft welche für 1,3040. Die zuerst genannte Währung ist immer diejenige, die bei der Kursberechnung gleich 1,0000 gesetzt wird. Der Währungskurs kann als Preis einer Währung, ausgedrückt in einer anderen, definiert werden. Er existiert in zwei Varianten: als Mengenwechselkurs und als Preiswechselkurs. Definition ▼ ▲ Beispiel ▼ 197 F i n a n z i e r u n g s a k t i v i t ä t e n i n t e r n a t i o n a l t ä t i g e r u n t e r n e h m e n Bitte beachten Sie: Bei Absicherungsoperationen wird der Einfachheit halber gewöhnlich mit dem Mittelkurs gerechnet, also gemäß Beispiel mit 1,3020 $ / €, wenn es um den Aufwand oder Ertrag in einheimischer Währung geht. Große Beträge wechseln den Besitzer zu „Marktkursen“, die zum jeweiligen Zeitpunkt am internationalen Devisenmarkt erzielt werden. Der Devisenhandel mit der Masse der Nichtbanken vollzieht sich dagegen auf Basis der Referenzkurse € FX. Diese Werte bestimmen die Banken täglich nach einem fixierten Verfahren; sie werden anschließend immer publiziert. * DZB = Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank ** WGZB = Westdeutsche Genossensch.-Zentralbank Cross Rates findet vor allem Anwendung, wenn zwischen zwei „kleinen“ Währungen direkte Kurse im Markt nicht genannt werden, z. B. zwischen schwedischer Krone (SEK) und neuseeländischem Dollar (NZD). Falls eine deutsche Bank die eine Devise direkt gegen die andere verkaufen möchte, lässt sie sich den Kurs beider Währungen zum US-Dollar ($) von Partnern im Markt sagen und bildet „über Kreuz“ die gewünschte Notierung. (2) Prinzipielle Ableitung einer Cross Rate ▶ 1 SEK könnte gegen 0,1000 $ verkauft und, ▶ 1 NZD für 0,5000 $ gekauft werden, ▶ die Cross Rate beträgt also 0,1: 0,5 = 0,2 NZD / 1 SEK. ▲ Teilnehmer am Wechselkurs-Fixing in D | Tab. 7.2 EURO-Referenzkursfixing ABN Amro Bank Lb Baden-Württemberg Landesbank Hessen-Thüringen Landesbank Rheinland-Pfalz Landesbank Saar Norddeutsche Landesbank UBS Union de Banques Suisses Westdeutsche Landesbank WGZ-Bank** Bayerische Landesbank Berenberg Bank Bremer Landesbank DZ BANK* Deutsche Postbank HSH Nordbank Beispiel ▼ 198 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Quelle: http: / / secure.deutschebank.de/ pbc/ marktinformationen/ maerkte-devisen/ html Die Cross Rate von kanadischen Dollars und australischen Dollars von 1,01626 besagt: Soviel AUD müssen für einen CAD bezahlt werden. Solche Cross-Rate-Tabellen findet man z. B. auch unter www.bloomberg.com im Internet. Wir sprechen von nominalen Kursen, wenn die im Internet oder in Zeitungen genannten Werte gemeint sind. Die realen Kurse berücksichtigen demgegenüber die Kaufkraft auf der Basis eines „Warenkorbes“ mit abgestimmtem Inhalt. Wenn man in zwei Ländern die Summe der Preise (in der jeweiligen Währung) in Relation setzt, erhält man den realen Kurs. Der differiert mit dem nominalen mehr oder weniger. (Man kann die Abweichung prinzipiell auch mit Hilfe des Unterschiedes bei den Inflationsraten von zwei Volkswirtschaften berechnen.) 1 Wie kann man bei der internationalen Finanzierung einen Beitrag zur Erhöhung / Verbesserung des Gewinns und der Rentabilität leisten? 2 Welche Erscheinungsformen des Wechselkurses findet man in der Praxis und wie kann man diese Kategorien kurz charakterisieren? cross rates v. 07. 03. 11 08.57 Uhr Tab. 7.3 | EUR USD GBP CHF CAD AUD EUR USD GBP CHF CAD AUD 1 0,71551 1,16347 0,77351 0,73621 0,72459 1,3976 1,6258 1,0812 1,02912 1,0124 1 0,8595 0,61508 1 0,66503 0,63291 0,62286 ,2928 0,9249 1,5037 1 0,95265 0,93703 1,3583 0,9717 1,58 1,0497 1 0,984 1,3801 0,98775 1,6055 1,0672 1,01626 1 ▲ Fragen ▼ ▲ 199 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Finanzwirtschaftliche Risiken - Wechselkursrisiko Im zweiten Abschnitt des Kapitels 7, werden finanzwirtschaftliche Risiken betrachtet, wobei der Fokus auf dem Wechselkursrisiko liegen soll. Weiterhin werden Instrumente zur Absicherung gegen dieses Risiko vorgestellt. Dabei geht es primär um das grundsätzliche Funktionieren der zur Auswahl stehenden Vorgehensweisen und Mittel. Im folgenden Abschnitt wird geklärt, was gegen das Adressenausfallrisiko von ausländischen Debitoren unternommen werden kann. Grundsätzliches zum Wechselkursrisiko Die finanzwirtschaftlichen Risiken können wie folgt charakterisiert werden: Sie zeigen sich in „ … Vermögensverluste(n), die durch die Unsicherheit zukünftiger Zahlungsströme eintreten können (… Zahlungsstromrisiken)“ und in Gestalt von „Vermögensverluste(n), die durch negative Wertentwicklung von Finanztiteln (Aktien, festverzinsliche Wertpapiere, Devisenpositionen) entstehen können (Finanzwertrisiken).“ (Wolke, 2007, S. 99) Letztere werden wiederum in drei Gruppen eingeteilt: 1. Marktpreisrisiko, 2. Kreditrisiko und 3. Liquiditätsrisiko (vgl. Wolke, 2007, S. 100 ff.). (1) Marktpreisrisiko Es wird auch Preisrisiko genannt und beinhaltet in der Finanzsphäre, also in Verbindung mit finanzwirtschaftlichen Aktivitäten, ganz allgemein die Gefahr, dass Aufwendungen steigen und / oder Erträge sinken. Dieses Risiko weist vier Ausprägungen auf: das Zins(änderungs-)risiko, das Aktienkursrisiko, das Immobilienpreisrisiko und das Wechselkursrisiko. Das Zins(änderungs-)risiko zeigt sich z. B. in der Gefahr, dass bei steigenden Marktzinsen festverzinsliche Wertpapiere im Kurs / Wert sinken. Weiterhin können bei der Refinanzierung von Forderungen aus Lieferungen und Leistungen eventuell die Aufwendungen steigen (wobei gewöhnlich nicht die Möglichkeit besteht, die höheren Kosten nachträglich in den Preis einzurechnen), das Fremdkapital kann also teurer werden. Das Risiko kann mit den Instrumenten Zins-Swaps, Zinsoptionen und Zinsfutures kompensiert werden. (Siehe dazu Wolke, 2007, S. 122 ff.) Das Aktienkursrisiko tritt ganz allgemein ein, wenn der Kurs von Aktien sinkt, die als Finanzanlage gehalten werden. D. h., die geplanten Zielgrößen bei Vermögen und Gewinn werden verfehlt. Auch hier kann mit Optionen und Futures abgesichert werden. Von den bei Immobilien auftretenden Risiken sind mit dem Immobilienpreisrisiko jene Gefahren nicht gemeint, gegen die man sich mit einer Gebäudeversicherung schützen kann. Vielmehr ist hier vor allem das Schwanken von Immobilienpreisen das Problem, wenn Grundstücke und Gebäude als Finanzanlagen gehalten werden. | 7.2 | 7.2.1 Zinsänderungsrisiko Aktienkursrisiko Immobilienpreisrisiko 200 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Das Wechselkursrisiko tangiert Unternehmen vor allem in Gestalt von Forderungen und Verbindlichkeiten in Fremdwährung, wenn sich der Wechselkurs so ändert, dass geplante Erträge in der eigenen Währung unterschritten und / oder geplante Aufwendungen überschritten werden. (2) Kreditrisiko Man versteht darunter den partiellen oder totalen Ausfall von Zinszahlungen auf ausgereichte Kredite bzw. von Tilgungsleistungen für Kredite, primär durch Unternehmensilliquidität verursacht. Dieses Risiko kann als Teil des (umfassender interpretierten) Ausfallrisikos verstanden werden, denn beispielsweise Insolvenzen von Unternehmen, von denen Aktien oder Anleihen gehalten werden, führen zu analogen Verlusten. Für den Umgang mit diesem Risiko sind risikoadjustierte Kreditzinsen (fundiert durch die Bewertung der Kreditwürdigkeit des Schuldners und die davon abgeleitete Ausfallwahrscheinlichkeit) und Sicherheiten (Bürgschaften, Grundpfandrechte usw.) wichtig. Darüber hinaus gibt es weitere Möglichkeiten der Absicherung in Gestalt von Optionen und Swaps, die aber nur von einigen deutschen Großbanken angeboten werden. Diese Kreditderivate funktionieren grundsätzlich genau so wie jene, die beispielsweise gegen das Wechselkursrisiko eingesetzt werden. Die Grundformen sind die Credit Default Option bzw. der Credit Default Swap.Der Verkäufer (der Option, des Swap) trägt also das Risiko, und zwar in diesem Fall des Kreditausfalls und ggf. auch der Zinsänderung am Markt. (Siehe auch Wolke, 2007, S. 166 - 170.) (3) Liquiditätsrisiko Wenn dieses Risiko eintritt, kann ein Unternehmen nicht zu jedem Fälligkeitstermin seine finanziellen Verpflichtungen erfüllen. Das Vermögen wird gemindert (durch Mahn- / Inkassogebühren, Verspätungszinsen, Gerichtskosten usw.) wie auch die Bonität. Es kann zum Insolvenzfall kommen. Zahlungsstrombezogen lässt sich das Liquiditätserfordernis auch so ausdrücken: Zu keinem Zeitpunkt sollten für ein Unternehmen die Auszahlungen größer sein als die Einzahlungen plus die abrufbaren, im Inland oder Ausland zugesagten Kredite. Im internationalen Konzern wird die Zahlungsfähigkeit der einzelnen Konzerneinheiten durch die Art und Weise des Cash Management entscheidend mitbestimmt (vgl. Abschnitt 4). Die oben beschriebene Liquidität wird auch als Unternehmensliquidität bezeichnet, im Unterschied zur Marktliquidität. Gestörte, illiquide Märkte wirken auf die Unternehmen zurück, denn sie verhindern die Erzielung fairer Marktpreise beim Verkauf von Gütern oder Wertpapieren. Das bedeutet für Unternehmen, die in vielen Märkten Geschäfte tätigen, eine größere Gefahr als für nur in einem Markt präsente, weil es höhere Anforderungen an die Marktbeobachtung stellt. Wechselkursrisiko Ausfallrisiko 201 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Die Risiken der Unternehmensliquidität können in a) aktivische und b) passivische unterschieden werden: Zu a) Hierbei handelt es sich um das schon o. g. Liquidationsrisiko von Vermögenswerten, das Risiko der Verspätung oder des Ausfalls von Zins- und Tilgungszahlungen für ausgereichte Lieferantenkredite bzw. das Risiko bei zukünftigen Umsatzerlösen als Rückflüsse (heute) getätigter Investitionen. Zu b) Diese Risiken beschreiben Gefahren der Refinanzierung: Eventuell können fällige Kredite nicht durch neue Kredite abgelöst werden (Substitutionsrisiko) oder sie sind nicht verlängerbar (Prolongationsrisiko). Die schwerwiegendste Gefahr besteht hier bei Kündigung von Kreditlinien. Wenn ein Unternehmen in der Bonität herabgestuft wird, steigen die Sollzinsen für Kreditaufnahmen (Finanzierungskostenrisiko). (Siehe auch Wolke, 2007, S. 181 / 182) Auf Auslandsmärkten agierende Unternehmen müssen gewöhnlich bereit sein, auch fremde Währungen zu benutzen. Damit entstehen für sie aus Kursverbesserungen spezielle Chancen, nämlich auf größere Erträge (z. B. im Verkauf im Export) bzw. niedrigere Aufwendungen (z. B. im Einkauf im Import), umgerechnet in die eigene Währung. Genau so wahrscheinlich ist aber das Risiko einer Kursverschlechterung, die zu Mehraufwendungen oder Mindererträgen (in der heimischen Währung) führt. Gewinne oder Zinsen in fremden Währungen, die konvertiert werden müssen, sind analog betroffen. Das Wechselkursrisiko (Währungskursrisiko) beinhaltet vor allem in der operativen Geschäftstätigkeit Gefahr für Unternehmenserfolg und -liquidität durch den Wechsel von einer Währung in eine andere. Es handelt sich um die Gefahr der Schwankung der Kurse um ihre (erwarteten) Mittelwerte. Die Entwicklung von Wechselkursen ist nicht zuverlässig vorhersehbar, es wirken zu viele wirtschaftliche und politische Einflüsse. Sofern offene Devisenpositionen (in einem zukünftigen Zeitraum fällige Forderungen und Verbindlichkeiten, die zusammen nicht Null ergeben) vorliegen und ein Wechselkurs sich anders als erwartet (und z. B. im Verkaufspreis berücksichtigt) entwickelt, liegt der Risikofall vor. Für Exporteure beginnt das Risiko bereits mit dem Exportvertrag, sofern er einen festen Preis in fremder Währung enthält, aber keinerlei Klausel betreffs eines Rechtes auf Preiskorrektur wegen Abwertung der Fremdwährung in der Zeit bis zum Zahlungseingang. Entscheidend ist also nicht das „Aufmachen“ der Forderung durch Fakturierung bei Lieferung. Analoges gilt für Importeure bei Aufwertung. Folgende zeitliche Systematisierung des Wechselkursrisikos ist möglich: ▶ Währungsumrechnungsrisiko / Translation Risk ▶ Währungstransaktionsrisiko / Transaction Risk ▶ Ökonomisches Wechselkursrisiko / Economic Risk Exporteure 202 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Das Währungsumrechnungsrisiko wird in Verbindung mit der Aufstellung der Unternehmensbilanz jährlich sichtbar, also für einen abgelaufenen Zeitraum. Es erfolgt eine statisch-vergangenheitsorientierte, bilanzbezogene Betrachtung. Es betrifft vor allem den Wert von Bilanzpositionen in konsolidierten Jahresabschlüssen (unter Einbezug von Auslandstochterunternehmen, deren Bilanzen aus Fremdwährung umgerechnet werden). Für internationale Konzerne regeln die IAS 21 (International Accounting Standard) das Verfahren, speziell die Art der zu verwendenden Kurse (historische Kurse, Bilanzstichtagskurs, Kurs des Tages des Geschäftsvorfalls oder Kurs am Tage der Neubewertung). Der IAS 21 legt auch fest, wie Umrechnungsgewinne / -verluste auszuweisen sind (in GuV-Rechnung oder als Posten im Eigenkapital). Es geht also primär um Umrechnungen ohne Währungsumtausch. Insofern ist auch nichts gegen das Risiko zu veranlassen. (Soweit Gewinne oder Verluste im Geschäftsjahr durch Zahlungsein- und -ausgänge sowie Umtausch realisiert werden, handelt es sich um das im Jahresabschluss sichtbar werdende Transaktionsrisiko.) Für einen Konzern könnte sich das prinzipiell wie folgt darstellen: (3) Verlust aus Fremdwährungsumrechnung ▶ Eröffnung einer Forderung in Fremdwährung Konzern-„Mutter“ (in D) gibt am 31. 12. 2009 „Tochter“ (in USA) ein mehrjähriges Darlehen über 12 Mio. $, Kurs (= Stichtagskurs 31. 12. 2009) = 1,20 $ / 1 €. Abschlussbilanzwert (bei „Mutter“) 31. 12. 2009 = 10 Mio. €. ▶ Bewertung im folgenden Abschluss Stichtagskurs 31. 12. 2010 = 1.30 $ / 1 €, Bilanzwert (bei „Mutter“) 31. 12. 2010 = 9,231 Mio. € Umrechnungsverlust in 12 Monaten = 769 T€ Das Währungstransaktionsrisiko liegt eine statisch-gegenwartsbezogene, zahlungsbezogene Sicht auf die Dinge zu Grunde. Es hat Positionen in Fremdwährung zum Gegenstand, die verbindlich fixiert sind, also Forderungen und Verbindlichkeiten sowie Kassapositionen (Bar- und Buchgeld). Die Forderungen und Verbindlichkeiten resultieren meist aus der Lieferung oder dem Bezug von Waren und Leistungen und betreffen Export- und Importunternehmen. Den zeitlichen Rahmen bestimmt der Horizont der Finanzplanung der Unternehmen. Für ein Devisenmanagement stehen diverse Instrumente zur Verfügung. Wenn in der Praxis vom Wechselkursrisiko die Rede ist, wird gewöhnlich das Transaktionsrisiko gemeint. (Bei der nach- Beispiel ▼ ▲ 203 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o folgenden Beschäftigung mit Absicherungsinstrumenten wird dieses Risiko anhand von Beispielen weiter verdeutlicht.) Das ökonomische Wechselkursrisiko (auch strategisches Wechselkursrisiko genannt) wird aus einer dynamisch-zukunftsbezogenen Sicht auf die Dinge zu bestimmen versucht. Es betrifft die Beeinträchtigung / Minderung zukünftiger Zahlungsströme / Cashflows (in diskontierter Höhe) durch zukünftige Wechselkursänderungen / -entwicklungen. Es geht also hier um eine spezielle Seite des zukünftigen Erfolgs einer Unternehmung im Zusammenhang mit Standorten, Absatz- und Bezugsmärkten, resp. ihren Währungen. Es wird versucht, die zukünftige preisliche Wettbewerbsfähigkeit in einem Fremdwährungsraum unter Beachtung der wahrscheinlichen längerfristigen Entwicklung von Wechselkursen abzuschätzen. Zwei Szenarios sind dabei immer zu untersuchen: (1.) Preisstellung in heimischer Währung (Pass Trough Pricing) und Preisstellung in Fremdwährung (Pricing To Market). (Vgl. auch Büter, 2007, S. 335 - 338) Weil es hier um Langzeitbetrachtungen geht, werden oft Lösungen durch Verlagerung von Wertschöpfungsketten in strategisch wichtige Auslandsmärkte gesucht: Möglichst viele Kosten sollen in der Währung anfallen, in der auch die Umsatzerlöse generiert werden. Eine etwas andere Differenzierung der Risikoproblematik in Verbindung mit Fremdwährungen bietet das nachfolgende Modell der Währungsrisiken (siehe dazu Eilenberger, 2004, S. 17 ff.). Diese nehmen unterschiedliche Erscheinungsformen an, die als Valutarisiko, Konvertierungsrisiko, Transferrisiko und Währungseventualrisiko bezeichnet sind. Quelle: in Anlehnung an Eilenberger, 2004, S. 17 Das Valutarisiko besteht einerseits in der Gefahr der Abwertung von Währungen, in denen Forderungen / Aktiva existieren bzw. andererseits in der Gefahr der Aufwertung jener Währungen, in denen Verbindlichkeiten / Passiva vorliegen. Es wird am Tag der Erfüllung (Valutierung) wirksam. Es zeigt Wettbewerbsfähigkeit Währungsrisiko Valutarisiko Transferrisiko Konvertierungsrisiko Währungseventualrisiko Kursrisiko Paritätsänderungsrisiko Erfüllungsrisiko Leistungsrisiko | Abb 7.6 Komponenten des Währungsrisikos Valutarisiko 204 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t sich so, dass der kalkulierte Preis in heimischer Währung letztlich nicht erreicht wird. Im Export bleiben die Erlöse darunter oder im Import liegen die Kosten darüber. Es entspricht der allgemeinen Vorstellung vom Wechselkursrisiko (Transaktionsrisiko). Für die Unterscheidung in Paritätsänderungsrisiko und Kursrisiko ist maßgeblich, inwieweit für eine Währung Angebot und Nachfrage bei der Kursbildung gelten. Vom Paritätsänderungsrisiko sprechen wir dabei in jenen Fällen, wo Währungen aufgrund von Entscheidungen von Währungsbehörden (zumindest als einseitige Willenserklärung) durch feste Devisenkurse miteinander verbunden sind. (Siehe z. B. die Fixierung eines in der Vergangenheit viele Jahre stabilen Kurses von 7,80 Hongkong-Dollar zu einem US-Dollar durch die Behörden von Hongkong.) Existieren frei flexible Kurse (Floating-Kurse), so fallen sie unter die Kategorie Kursrisiko. Das Transferrisiko beinhaltet die Gefahr des Eingriffes administrativer (staatlicher) Stellen in die laufende Abwicklung des internationalen Zahlungsverkehrs durch Unternehmen. Dabei wird die Ausfuhr von Devisen und / oder heimischer Währung (zeitweilig) verboten, es kann zu monate- oder sogar jahrelangen Zahlungsstockungen kommen. Außen- oder innenpolitische Krisen können die Ursache sein. Die Zahlungsfähigkeit der Importeure in der inländischen Währung spielt für das Problem keine Rolle. Häufig werden auch Methoden praktiziert, wie der Zwang zur Nutzung von Konten der Zentralnotenbank für alle Zahlungen mit dem Ausland oder der Einholung der Genehmigung durch verschiedene staatliche Stellen, was dann i. d. R. erkennbar auf große Zeitverzögerungen hinausläuft. Das führt beim Gläubiger zu zusätzlichen Kosten, weil seine Liquidität anderweitig wiederhergestellt werden muss. Das Konvertierungsrisiko kommt zum Tragen, wenn eine Regierung (insbesondere für Gebietsansässige / Deviseninländer) den Umtausch von nationaler Währung in Devisen (oder auch von Devisen untereinander) verbietet oder partiell einschränkt. Wir unterscheiden zwischen Vollkonvertierbarkeit und Teilkonvertierbarkeit. Bei letzterer existieren einseitige staatliche Einschränkungen: Umtausch-Sondergenehmigungen sind erforderlich in Abhängigkeit von Volumina und Zeitpunkt der Konvertierung, vom berechtigten Adressatenkreis, von der Art der zugrundeliegenden Warengeschäfte u. a. m. Ausländer mit frei konvertierbaren Währungen unterliegen dagegen nur selten Beschränkungen. Das Währungseventualrisiko weist zwei Komponenten auf: Es zeigt sich als Erfüllungsrisiko (im Devisenhandel), wenn der Eingang zukünftiger Zahlungsströme in Devisen ungewiss ist, weil bei ausländischen Geschäftspartnern Leistungsstörungen auftreten. Es handelt sich um ein spezielles Problem und betrifft die am Devisenmarkt aktiven Institutionen, also primär Paritätsänderungsrisiko Zahlungsfähigkeit der Importeure Konvertierungsrisiko Währungseventualrisiko 205 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Banken. Das Ergebnis ist eine Liquiditätslücke, deren Schließung weitere Verträge (mit schlechteren Konditionen) erfordert. Ursache kann technisches oder menschliches Versagen sein (operationelles Risiko), aber in Krisenzeiten auch der Zusammenbruch von Banken (siehe Lehman Brothers Ltd., USA 2009). Dabei kann es passieren, dass nur eine Seite leistet und das Geld in die Insolvenzmasse fließt. Das Leistungsrisiko beinhaltet (im Eventualfall) die Inanspruchnahme für abgegebene Bürgschaften oder Garantien in Devisen. Diese müssen dann am Kassamarkt angeschafft werden. Dabei sind die Beträge eventuell höher als geplant und der Wechselkurs ist ungünstiger als bei Begründung der Verpflichtung. Anders gesagt, das Wechselkursrisiko wird plötzlich virulent. In Form der Gewährleistungsverpflichtungen kommt das Problem auch nicht selten auf Nichtbanken zu. Devisenmanagement (Währungsmanagement) betreiben internationale Unternehmen vor allem zum Zwecke der Steuerung / Handhabung des Wechselkursrisikos in der Erscheinungsform des Transaktionsrisikos. Dabei geht es sowohl um die Abwehr negativer Folgen des Risikos als auch die Nutzung von Währungschancen. Unternehmen können in Erwartung für sie günstiger Kursentwicklungen auf Absicherungsoperationen ganz oder teilweise verzichten (was spekulativen Charakter trägt) bzw. solche Absicherungsinstrumente wählen, die es möglich machen, an günstigen Kursentwicklungen zu partizipieren. Dementsprechend stehen Unternehmen grundsätzlich drei Varianten beim Devisenmanagement / der Währungspolitik offen: (1) Passive Wechselkurspolitik: die geschäftlichen Aktivitäten werden dem Marktgeschehen ausgesetzt; es herrscht die Erwartung, dass sich über einen längeren Zeitraum Gewinne und Verluste aus Wechselkursänderungen ausgleichen. Es kann dabei aber die Gefahr bestehen, dass die Anhäufung von Währungsverlusten über eine längere Zeitspanne zur Insolvenz führt, weil Kursgewinne zu lange auf sich warten lassen. (2) Aktive Wechselkurspolitik: das Unternehmen ist prinzipiell immer bemüht, durch den Einsatz entsprechender Absicherungsinstrumente das Risiko aus Veränderungen der Devisenkurse weitest möglich zu eliminieren. (3) Spekulative Wechselkurspolitik: sie wird auch als selektive / partielle Politik bezeichnet und beinhaltet Absicherungsmaßnahmen in Abhängigkeit von der Einschätzung der Gefahr. Damit ist also nicht die „reine“ Devisenspekulation gemeint. Leistungsrisiko Devisenmanagement 206 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Partielle Wechselkurssicherung kann unter drei Aspekten betrieben werden: ▶ für die einzelne Fremdwährung muss nicht immer die gesamte Position abgesichert werden / es kann nach Währungen selektiert werden / es kann ein Teil der Laufzeit einer Forderung / Verbindlichkeit (in Devisen) im Risiko stehen bleiben. Ein Wechselkursrisiko existiert immer bei Transaktionen zwischen zwei Währungen auf. Es kann nicht generell vermieden, sondern nur einseitig eingeschränkt oder zwischen den Partnern aufgeteilt oder Dritten gegen Bezahlung übertragen werden. Unternehmen können demzufolge vor allem bei einem aktiven Währungsmanagement zwischen mehreren Positionen / Strategien wählen. (Siehe auch Büschgen, 1997, S. 317 / 318, 321 - 344, 348 / 349) Strategien gegen das Wechselkursrisiko: a) Risikovermeidung b) Risikokompensation c) Risikoreduzierung d) Risikovorbeugung Zu a) Risikovermeidung: Wenn Geschäfte in fremden Währungen generell vermieden werden, kann das Wechselkursrisiko gar nicht erst entstehen. Also stellt die Wahl der Fakturierungswährung das wichtigste Instrument für diesen Zweck dar. Die Vereinbarung der eigenen Währung in allen Verträgen mit dem Ausland setzt aber eine starke Verhandlungsposition voraus. Ggf. sind auch Zugeständnisse beim Preis zu machen, denn bei solcher Praxis handelt es sich um eine unentgeltliche Risikoabwälzung auf den Geschäftspartner. Ein solches Herangehen kann dazu führen, dass u.U. Geschäftsabschlüsse nicht zustande kommen. Die Chancen der Umsetzung einer solchen Haltung hängen auch von der Kurserwartung ab. Wenn z. B. die Fachleute sich einig sind, dass der € in der nächsten Zeit Schwäche zeigen wird, ließe er sich gut als Fakturierungswährung im Export anbieten. Der ausländische Käufer benötigte dann weniger eigene Währung, um die € zu kaufen. Wird eine Aufwertung antizipiert, ist er (theoretisch) für Importgeschäfte gut einsetzbar: Der ausländische Verkäufer rechnet dann mit einem höheren Ergebnis in seiner Währung nach dem Umtausch der €. Betragsdimension Währungsdimension Zeitdimension Abb 7.7 | Aspekte der partiellen Wechselkurssicherung Risikovermeidung 207 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Ein anderes Instrument, das sich genau so eignet, sind Kurssicherungsklauseln. Damit lässt sich die Verteilung des Risikos beliebig aushandeln. In der extremen Form wirkt die Klausel wie der Preis in eigener Währung. In der Praxis spielt ein solcher Vertragspassus aber kaum eine Rolle; er ist vor Gericht wahrscheinlich auch oft nicht durchsetzbar oder von vornherein verboten. Zu b) Risikokompensation: Dieses Vorgehen beinhaltet Verträge mit anderen Marktpartnern (als dem Importeur oder Exporteur usw.), die bereit sind, das Wechselkursrisiko gegen Vergütung zu übernehmen. Dabei handelt es sich in erster Linie um Kreditinstitute, die direkt oder indirekt (bei börsengehandelten Instrumenten) agieren. Versicherungsgesellschaften bieten eventuell auch Produkte an. Überwiegend geht es dabei darum, eine offene Position in einer Fremdwährung durch den Aufbau einer Gegenposition ergebnisbezogen zu neutralisieren. Anders gesagt: Dem Verlust aus der Kassaposition entspricht (mehr oder weniger) der Gewinn aus der Terminposition (oder umgekehrt). Die Instrumente umfassen Forwards, Futures, Optionen, Financial-Hedges, Wechselkursversicherung, Leading und Lagging sowie Verkäufe von Devisenforderungen (z. B. mittels Export-Factoring usw.). Zu c) Risikoreduzierung: Hierbei wird eine Aufteilung des Wechselkursrisikos auf Verkäufer und Käufer mit anderen Mitteln angestrebt: Im „Grundgeschäft“ können vor allem die Zahlungsbedingungen genutzt werden: Je schneller gezahlt wird, desto geringer das Kursrisiko. Wenn Anzahlungen durchgesetzt werden, nimmt das dem Verkäufer einen Teil der Gefahr. Der im Voraus gezahlte Betrag kann sofort getauscht werden, wodurch hierfür i. d. R. das Risiko wegfällt. Wenn es gelingt, einen Exportkredit mit der Zahlungsbedingung Dokumenten-Akkreditiv zu kombinieren, ergibt sich gewöhnlich für den Verkäufer auch ein beschleunigter Geldeingang durch Bevorschussung des ganzen Betrages seitens der Bank. Es liegt auf der Hand, dass die der Strategie der Risikoreduzierung zugordneten Mittel nicht in jedem Fall eingesetzt werden können und die Resultate sind unsicherer. Allerdings verbietet sich ein analoges Handeln unter Liquiditätsaspekt für einen Käufer / Importeur. Zu d) Risikovorbeugung: Auch das spezielle Wechselkursrisiko müsste beim Aufbau eines alle Unwägbarkeiten unternehmerischer Tätigkeiten berücksichtigenden Aus- Risikoreduzierung Risikokompensation Risikovorbeugung 208 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t gleichsfonds einfließen. Auslandgeschäfte mit größeren Risiken erfordern grundsätzlich einen speziellen Risikozuschlag im Preis und damit höhere Erträge. In den Angebotskalkulationen sollte also auch das Wechselkursrisiko „eingepreist“ sein und solche Mehrerlöse sollten in risikoabsichernden betrieblichen Reserven fließen. Die Art und Weise der Bildung bzw. Höhe hängt vom Bilanzrecht, der Haltung der Unternehmensleitung und Größe und Wettbewerbskraft des Unternehmens ab. Insbesondere wenn ein Unternehmen sich in der Wechselkursfrage passiv verhält, ist finanzielle Vorsorge geboten. Ein Risikobeitrag im Preis trifft aber das Problem beim einzelnen Geschäft nie so genau, wie beispielsweise ein Forward oder eine Option. Er kann sich eventuell auch für bestimmte Zeiten nachträglich als zu klein berechnet herausstellen. Da es auch bei der Risikovorbeugung auf die Ausgestaltung des „Grundgeschäfts“ hinausläuft, könnte man die Positionen c) und d) auch zusammenfassen. Ein Management des Wechselkursrisikos (Devisenmanagement) findet angesichts der Auswahl der für eine Risikokompensation angebotenen Instrumente massenhaft nur in der Sphäre der (operativen) Außenhandelshandelsgeschäfte statt (Hedging). Zu den Grundregeln im Devisenmanagement gehört es, die Beträge / Positionen in Fremdwährungen, die im Wechselkursrisiko stehen, exakt zu bestimmen. Hier unterscheiden wir u. a.: ▶ Effektivpositionen - für diese stehen Höhe und Zeitpunkt der Zahlung in der jeweiligen Währung schon fest. Sie bestehen aus Forderungen, Verbindlichkeiten und Bar- und Buchgeld in fremden Währungen. ▶ Offene / geschlossene Position - Wenn sich Forderungen und Verbindlichkeiten in einer Fremdwährung (stichtagsbezogen) aufheben bzw. Gewinne und Verluste daraus bei Kursänderung, sprechen wir von einer geschlossenen Position. Strategie Wirkungsfeld Risikovermeidung Risikokompensation Risikoreduzierung/ -vorbeugung Vertragsgestaltung des „Grundgeschäfts“ (Export, Import usw.): Währung Verträge mit 3. Partnern betr. Absicherungsinstrumente: Forwards usw. Vertragsgestaltung des „Grundgeschäfts“ (Export/ Import usw.): Zahlungsbedingung, Preis � � � � Abb 7.8 | Kurzfassung: Wechselkursrisiko- Absicherungsstrategien Grundregeln im Devisenmanagement 209 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o ▶ Bleibt ein (Währungs-)Saldo, so steht dieser als offene Position im Risiko der Kursänderung. Eine solcherart definierte Größe pflegt man auch als Nettoposition zu bezeichnen (bzw. „offene Gesamtposition“). ▶ Von einer Gesamtposition eines Unternehmens spricht man, wenn alle Positionen nach einzelnen Fremdwährungen in die eigene Währung, also €, umgerechnet wurden. Sie kann aktiv, passiv oder ausgeglichen sein. Eine €-Gesamtposition ist aber nicht hilfreich, um den konkreten Absicherungsbedarf zu bestimmen. Immer zu beachten: Für Hedging muss von der einzelnen Fremdwährung ausgegangen werden ▶ Auslandsposition / Auslandsstatus - stichtagsbezogene Gegenüberstellung aller Auslands-Aktiva und -Passiva, auf € lautend oder aus Devisen in € umgerechnet. Effektivposition = Forderungen + Verbindlichkeiten + Kassaposition (in einer Währung) Geschlossene = Kurs-Gewinne - Verluste (aus Kursänderungen) = Null Position (aus einer Währungsgesamtposition) Bruttoposition = Summe aller Forderungen / Verbindlichkeiten (in einer Währung) Offene Position = Gewinne - Verluste* ≠ Null Nettoposition = offene Gesamtposition (bzw. Saldo) in konkreter Währung Gesamtposition = Saldo in € (aus allen anderen Währungspositionen umgerechnet) * aus Kursänderung Gegenstand konkreter Entscheidungen des Managements hinsichtlich Absicherungsstrategie bzw. zu nutzender Instrumente ist die offene Position / Nettoposition einer Währung, ermittelt aus Forderungen und Verbindlichkeiten für einen kurzen Zeitraum, am besten für einzelne Tage (Valuta-Tagesposition, vgl. Eilenberger, 2004, S. 71 - 74). Instrumente zur Absicherung Ein international tätiges Unternehmen kann zwischen verschiedenen Instrumenten zur Absicherung gegen das Wechselkurs- / Währungskursrisiko wählen und diese auch mixen. Es handelt sich primär um Finanz- Derivate. (1) Finanzhedge Bei der Handhabung eines Finanzhedging (auch genannt Zinsarbitrage / Financial Hedging) muss zwischen bei dem Vorgehen bei einer Gläubigerposition bzw. einer Schuldnerposition unterschieden werden: | Abb 7.9 Arten von Währungsposition | 7.2.2 210 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Hedge als Gläubiger: Um das Wechselkursrisiko in Verbindung mit einer in der Zukunft fälligen Fremdwährungsforderung (z. B. aus Export) zu eliminieren, kann man die zukünftige Konvertierung durch eine „Ersatzhandlung“, nämlich Kreditaufnahme, in die Gegenwart vorverlegen. Damit nutzt man den heutigen Kassakurs. Folgende Schritte müssen getan werden: ▶ Aufnahme eines Fremdwährungskredites (in der entsprechenden Währung) im Ausland zum Zeitpunkt t o , (an dem die Forderung begründet wird); Laufzeit wie bei Forderung (offene Position), ▶ am selben Tag erfolgt der Umtausch in die heimische Währung; damit wird der Tageskurs für die o. g. Forderung fixiert; das Kursrisiko ist eliminiert; ▶ Anlage des Betrages für die Laufzeit (oder Ablösung eines Kredites bzw. Verzicht auf einen ansonsten benötigten Kredit); ▶ wenn die Zahlung aus dem Ausland eingeht, wird sie für die Tilgung des Fremdwährungskredits (inklusive Zinszahlung) benutzt. (4) Finanzhedging einer Forderung Zeitpunkt t o Forderung über 757.500 $; Laufzeit 90 Tage / Aufnahme eines Kredites über 750.000 $, Zinssatz 4 % p. a. / Umtausch in 500.000 € bei einem Kassakurs von 1,5000 $ / €, Zeitpunkt t 90 1. Zahlungseingang über 757.500 $ 2. Kredittilgung + Zinsen für 90 Tage = 757.500 $ = 750.000 + 7.500 Die Kosten einer solchen Risikoabsicherung ergeben sich vor allem aus der Differenz zu zahlender und zu bekommender (oder eingesparter) Zinssätze und ggf. aus der Vermittlungsprovision für eine Bank, falls nur mit deren Hilfe der Kredit am „Euromarkt“ besorgt werden kann. Der wichtigste Vorteil von Fremdwährungskrediten / -anlagen sind die gegebenenfalls über ein Jahr hinausgehenden Laufzeiten, die damit abgesichert werden können. Nachteilig ist, dass nur sehr große Unternehmen direkten Zugang zu den „Euromärkten“ (für Kreditaufnahme oder Geldanlage in Fremdwährung) besitzen. Die Vermittlung der Hausbank verursacht zusätzliche Kosten. Beispiel ▼ ▲ Kosten einer Risikoabsicherung 21 1 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Hedge als Schuldner: Bei Absicherungsbedarf als Schuldner angesichts einer Verbindlichkeit in Fremdwährung kann grundsätzlich analog vorgegangen werden. In einem solchen Fall würde mit Begründung der Schuld der Fremdwährungsbetrag taggleich angeschafft, durch Kauf zum Kassakurs. Das setzt verfügbare Liquidität voraus, und sei es durch einen Kredit in der heimischen Währung. Folgende Aktivitäten sind erforderlich: ▶ Bei Entstehung der Verbindlichkeit in t 0 wird der zukünftig benötigte Fremdwährungsbetrag im Devisenhandel gekauft und im Ausland bzw. „offshore“ angelegt, aber vermindert um die durch eine befristete Geldanlage des Devisenbetrages erwirtschaftbaren Zinsen. ▶ Zu diesem Zweck wird zuvor ein Kredit in heimischer Währung aufgenommen, der zukünftig aus dem Erlös des Verkaufes der importierten Ware getilgt wird. ▶ Bei Fälligkeit der Devisenverbindlichkeit in t x wird die Zahlung mittels des aus der Geldanlage vorhandenen Währungsbetrags beglichen (angelegtes Volumen plus angefallene Zinsen). (2) Forward Devisentermingeschäfte oder (Devisen-)Forward-Geschäfte sind so genannte „unbedingte“ Termingeschäften. Das ist aber nicht mehr uneingeschränkt exakt, wie noch erklärt wird. „Unbedingte“ Geschäfte müssen grundsätzlich am Ende ihrer Laufzeit von den Partnern physisch durch Lieferung und Abnahme der Ware erfüllt werden. Bei den „bedingten“ hat dagegen eine Seite ein Wahlrecht, wie wir im Weiteren noch sehen werden. Forwards über Devisen stellen Verträge dar, in denen Lieferung / Abnahme eines Devisenbetrages zu einem bereits heute fixierten Kurs für einen Fälligkeitstermin vereinbart wird, der mindestens drei Werktage (Bankarbeitstage) voraus liegt. Die maximale Laufzeit beträgt bei den meisten gehandelten Devisen ein Jahr. Partner der Unternehmen / Nichtbanken, die heute bereits Devisen kaufen (verkaufen) wollen, die sie in der Zukunft erst benötigen (erhalten), sind die Banken. Es handelt sich um individuell vereinbarte OTC-Geschäfte (Over The Counter). Der Devisenterminkurs (Forward Rate) unterscheidet sich vom Kassakurs (Spot Rate) durch den so genannten Swapsatz: Terminkurs = Kassakurs ± Swapsatz (1) Kurssicherungsinstrumente unbedingte Termingeschäfte bedingte Termingeschäfte Devisen- Forwards Devisen- Futures Devisen- Optionen | Abb 7.10 Unbedingte / bedingte Termingeschäfte Devisen-Terminkurs 212 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Der Swapsatz leitet sich aus der Differenz der Geldmarktzinssätze der beteiligten Währungen für die jeweilige Frist des Forward- Geschäftes her. Die Nachfrage spielt am Devisenterminmarkt bei der Kursbildung keine Rolle, weil es mit Finanzhedgings ein direkt konkurrierendes Instrument gibt. Gewöhnlich werden Forwards für Standardlaufzeiten abgeschlossen (1, 2, 3, 6, 12 Monate), die auch für den Geldmarkt gelten. Die Kosten der Forwardgeschäfte finanzieren die Bank aus der Differenz zwischen Geld- und Briefkurs, also aus der Spanne. Der Swapsatz lässt sich mit folgender Formel (siehe auch Büter, 2007, S. 344) in einen Jahreszinssatz (als Näherungswert) umrechnen: Swapsatz (%) = (Terminkurs - Kassakurs) _____     Kassakurs * 360 * 100 ___     Laufzeit in Tagen (2) Der Terminkurs ist gegenüber dem Kassakurs bei ▶ Swapsatz-Subtraktion → durch einen Deport / Discount bzw. ▶ Swapsatz-Addition → durch einen Report / Prämie gekennzeichnet. Der Swapsatz wird abgezogen, wenn die Fremdwährung (die abgesichert werden soll) niedriger als die eigene Währung verzinst wird; umgekehrt - umgekehrt. Anders ausgedrückt (Deport und Report): ▶ Auslandszinssatz < Inlandszinssatz => Deport ▶ Auslandszinssatz > Inlandszinssatz => Report Die gewünschte Absicherung gegen das Wechselkursrisiko wird erreicht, indem mit dem verbindlichen Terminkurs eine feste Kalkulationsbasis für Preise bei Auslandsgeschäften gegeben ist. So schreibt z. B. ein Exporteur seinen geplanten Erlös fest: (5) Hedge mit Forward bei Exportgeschäft Ein deutscher Exporteur verkauft per 01.04. Ware nach Argentinien mit einem Zahlungsziel von 6 Monaten mit einem Preis von 200.000 $. Zwecks Absicherung kauft er € (= verkauft Dollar) per 180 Tage zu folgendem Kurs: Kassakurs per 01. 04.: € / $ 1,3000 Swapsatz per 01. 10.: 0,0200 $ => Terminkurs per 01. 10.: € / $ 1,3200 Per 01.10. dient er die Dollar der Bank an und erhält 151.515 € gutgeschrieben. Ein Importeur kann mittels Forward seine Kosten von der Wechselkursentwicklung entkoppeln. Er würde (in Anlehnung an obiges Beispiel) die Fremdwährung per 01. 04. vertraglich zum Terminkurs binden und am 01. 10. kaufen und transferieren. Berechnung des Swapsatzes Beispiel ▼ ▲ 213 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Eine Geschäftskonstruktion, wie oben für Export oder Import dargestellt, wird Sola- oder Outright-Geschäft genannt. Forwards / Devisentermingeschäfte weisen als Absicherungsinstrument vor allem folgende Stärken / Schwächen auf: Positiv negativ ▶ Flexibel hinsichtlich Laufzeit, Volumina, Währung ▶ grundsätzlich keine Gestellung von Sicherheiten ▶ prinzipiell keine Möglichkeit der Teilhabe an günstigen Kursentwicklungen ▶ zusätzliche Kosten bei verzögertem Forderungseingang Wenn eine Fremdwährungsforderung nicht termingemäß eingeht, muss der Devisenverkäufer über eine Prolongation des Termingeschäftes mit seiner Bank verhandeln. Er kann aber den Forward auch von Anfang an mit einer Option zur Verlängerung abschließen. Das verteuert den Hedge jedoch. Dem Zwang zur (physischen) Erfüllung, der Forwards charakterisiert, kann in jüngster Zeit mit Hilfe eines neuen Instrumentes ausgewichen werden: den Contracts for Difference (CFD). Onlinebroker-Unternehmen (wie ABN Amro Marketindex, CMC Markets oder Cortal Consors) bieten außerbörslich, also als OTC-Geschäft, Kontrakte an, in denen der Erwerber auf steigende oder fallende Kurse bei Aktien, Aktienindizies, Anleihen, Rohstoffen und auch Währungen setzen kann. In Höhe eines selbst gewählten EURO- Betrages kann z. B. auf eine Aufwertung des € gegenüber einer fremden Währung spekuliert werden. Die Operation kann täglich beendet werden. Es erfolgt keine effektive Lieferung des Basiswertes. Lediglich die Kursdifferenz zum Vortag (multipliziert mit der Eurosumme) wird (kumuliert über die Tage des Haltens der Position) zahlungswirksam. Wie bei Futures wird mit Margins gearbeitet. CFD eignen sich in Verbindung mit offenen Kassapositionen damit auch für Hedgings. Wer beispielsweise in der Zukunft USD erwartet, kann heute einen entsprechenden EURO-Betrag in einem Vertrag auf Kursverfall des USD „setzen“. Wenn die Forderung eingeht, und man gegen einen verschlechterten Kassakurs (aufgewertete) € kaufen muss, steht der in der Fremdwährung mit CFD infolge der EURO-Aufwertung erzielte Gewinn kompensierend dagegen (umgekehrt-umgekehrt). Am Beispiel eines Exports kann das (Kosten außeracht) wie folgt aussehen: Vorteile / Nachteile von Forwards | Tab. 7.4 CFD OTC 214 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t (6) Exportabsicherung mit Contract for Difference ▶ Exportliefervertrag Zeitpunkt t 0 : Kontrakt über Güterverkauf im Wert von 220.000 $, 30 Tage Ziel, Kassakurs € / $ 1,1000 => damit Erlös von 200.000 € kalkuliert Zeitpunkt t 30 : Kassakurs € / $ 1,2000, Erlös aus $-Konvertierung 220.000 / 1,2000 = 183.333 € => Verlust von 16.667 € (gegenüber der Kalkulation) ▶ Contract for Difference t 0 : CFD über € / $ (in Erwartung eines steigenden €-Kurs) auf Basis von 200.000 €, diese entsprechen 220.000 $, bei Kassakurs € / $ 1,1000 t 30 : CFD-Position über 200.000 € wird aufgelöst, bei Kassakurs € / $ 1,2000 => a) Gewinn ($) = 20.000 => b) Gewinn (€) = 16.667 Allerdings muss sich der Markt für dieses Instrument noch weiter entwickeln, z. B. was die Zahl der Kontraktanbieter und die Transparenz der berechneten Kosten (im Sinne fairer Preise) betrifft (siehe auch Zeitschrift „die bank“, Nr.12 / 2008, S. 14 - 17; Zeitung „Die Welt“ vom 10.06.2009, S. 15). Es gibt neuerdings aber auch eine direkte Weiterentwicklung bei den Forwards in Gestalt der Nondeliverable Forwards (NDF). Die Besonderheit dieser Modifikation: Bei Fälligkeit erfolgt keine Lieferung des Basiswertes, also z. B. der benannten Devise, gegen Zahlung sondern einen Barausgleich. NDF sind für Währungen in Anwendung, die nicht als frei konvertierbar klassifiziert werden können - und in denen bislang (im Emissionsland) eine Terminabsicherung der betreffenden Währung in „klassischen“ Forwards nicht angeboten wird. Das können chinesische Yuan, chilenische Pesos, südkoreanische Won oder taiwanesische Dollars usw. sein. NDF funktionieren grundsätzlich wie Forwards (vgl. http: / / en.wikipedia.org/ wiki/ Nondeliverable_forward, Stand: 28.02.2011). Im Kontrakt mit einer Bank wird ein Betrag in nichtkonvertierbarer Währung (aus einem „Grundgeschäft“, z. B. im Export) festgelegt, zusammen mit dem Kassakurs (zum $ oder €), sowie dem Terminkurs für die gewünschte Frist. (Letzterer berechnet sich auch anhand der Zinsdifferenz beider Währungen.) Außerdem wird vereinbart, von welcher Institution bei Fälligkeit der dann geltende Kassakurs kommt (Zentralbank usw.). Der Unterschied zwischen diesem Tageskurs und dem Terminkurs lt. Vertrag ergibt auf Basis des Zahlungsvolumens und des Tageskurses einen Betrag in der konvertierbaren Devise, der überwiesen wird. Hat der Exporteur einen Kursverlust, zahlt die Bank; hat er einen Kursgewinn, überweist er an die Bank. Beispiel ▼ ▲ NDF 215 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o (7) Export-Hedge mit Nondeliverable Forward Zeitpunkt t 0 Eine deutsche Firma liefert auf 90 Tage Ziel Waren nach Taiwan für TWD 30.000000 / Abschluss eines NDF / der Terminkurs (90 Tage) lautet auf $ / TWD 30,00 / kalkulierter und abgesicherter Preis = 1 Mio. $ / (TWD Taiwanesische Dollar) Zeitpunkt t 90 ▶ Kurs bei Fälligkeit $ / TWD 32.00 ▶ Erlös: 30 Mio.: 32,00 = $ 937.500 ▶ Differenz: (30 Mio. : 30,00) - (30 Mio.: 32,00) = $ 62.500 ▶ durch NDF ausgeglichener Kursverlust = $ 62.500 Solche Länder (außer den schon genannten), für die NDF vereinbart werden, sind z. B. Argentinien, Brasilien, Indonesien, Indien, Kolumbien, Russland, Venezuela, Vietnam. (3) Devisen-Future Unter einem Devisen-Future, (Währungs-, Currency-Future) versteht man eine standardisierte vertragliche Vereinbarung über ▶ Kauf oder Verkauf einer Währung in Höhe eines standardisierten Betrages oder als Mehrfaches zu einem bei Vertragsabschluss festgelegtem Devisenkurs mit einer fixierten Laufzeit des Vertrages. Der Preis eines Future hängt (wie der Devisenterminkurs) vor allem vom Kassakurs und den Zinssätzen der Währungen ab. Future-Geschäfte können nur an Börsen getätigt werden, Vertragspartner für Käufer / Verkäufer ist immer die Clearingstelle der Future-Börse. Die Kontrahenten müssen Sicherheiten durch Einzahlung auf ein sogenanntes Margin-Konto leisten (in relativ geringem Umfang, also einige Prozente des Vertragswertes). Börsentäglich werden die Gewinne (bzw. Verluste) aus dem Halten einer Future-Position mit diesem Konto verrechnet: Für den Verkäufer eines Future entsteht z. B. ein Verlust, wenn die jeweilige Währung inzwischen stärker notiert, denn nun kostet ein Rückkauf mehr als mit dem Verkauf des Kontraktes (am Ende der Laufzeit) erlöst würde. Wenn Verluste auflaufen, muss das Konto wieder aufgefüllt werden. Eine Future-Kontraktspezifikation kann wie folgt aussehen: ▶ Underlying = 125.000 € / ▶ Notierung = $ mit vier Kommastellen pro 1 € / ▶ Tick-Size (bezeichnet die Kursveränderung, die mindestens erreicht Beispiel ▼ ▲ Future-Geschäfte 216 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t werden muss, damit eine neue Notierung angegeben wird. In unserem Beispiel muss die vierte Stelle nach dem Komma steigen oder sinken.) = 0,0001 $ / €, was 12,50 $ entspricht (Erklärung: 1 Kontrakt (125.000 €) entspricht bei einem Kurs von € / $ 1,0000 125.000 $. Fällt der Dollar auf 1,0001, so steigt der Betrag auf 125.012,50.) ▶ Liefermonate = nächste sechs Monate aus dem jeweiligen Zyklus (März, Juni, September; Dezember) / ▶ Letzter Handelstag = zwei Tage vor dem zweiten Donnerstag des jeweiligen Liefermonates / ▶ Liefertag = jeweiliger genannter Donnerstag / ▶ Andienung = effektive Lieferung (s. a. €O FX-Future an der Chicago Mercantile Exchange) Eine Futur-Verpflichtung kann jederzeit egalisiert werden - man spricht von Glattstellung. Der Verkäufer eines Futures muss dazu denselben Kontrakt (was Betrag, Währung und Laufzeit betrifft), kaufen; ein Käufer wird analog zum Verkäufer. Mit dem Schließen einer Future-Position wird der bis dato erzielte Gewinn (Verlust) festgeschrieben. Devisen-Futures werden i. d. R. nicht benutzt, um am Ende tatsächlich Devisen zu kaufen oder zu verkaufen, sondern als Komponente im „klassischen“ Hedging (Hedge): Dem Risiko einer (zukünftig zu realisierenden) Fremdwährungs-Kassaposition wird das Risiko einer gegenläufigen Terminposition gegenübergestellt, was das Kursrisiko beseitigt. Bei einem Hedging mit Futures läuft immer eine Transaktion am Devisenmarkt parallel. Gewinn (oder Verlust) am Kassamarkt und Verlust (oder Gewinn) am Futur-Markt sind i. d. R. nicht völlig deckungsgleich, weil die beiden Kurse (Kassakurs bzw. Future-Kurs) erst am letzten Tag der Laufzeit eines Future völlig identisch sind. Es gelten grundsätzlich folgende Regeln der „Kombination“ von Kassa- und Future-Operationen: (8) Kassa- und Future-Operation bei Ex- oder Import gegen Dollar ▶ Kassaposition Verbindlichkeit, z. B. in USD, d. h. zukünftiger Verkauf von EUR am Kassamarkt, infolge z. B. eines Importes (als Grundgeschäft) Forderung infolge Export (als Grundgeschäft) z. B. in USD, also zukünftiger Eurokauf zum Tageskurs Beispiel ▼ 217 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o ▶ Terminposition Verkauf von EUR-Futures bei Begründung der Verbindlichkeit in USD Kauf von EUR-Futures bei Fälligkeit der Verbindlichkeit aus dem Grundgeschäft Kauf von EUR-Futures gegen USD bei Begründung der Exportforderung) Verkauf der EUR-Futures bei Fälligkeit der Forderung aus dem Grundgeschäft Dieser Zusammenhang soll mittels eines (vereinfachten) Zahlen-Beispiels verdeutlicht werden. Ein deutsches Unternehmen verkauft Maschinen per 10.02. zu einem Preis von 1.950.000 $ mit 6 Monaten Zahlungsziel nach den USA. Der Kassakurs steht bei € / $ 1,3000, der Fututure-Kurs (Euroverkaufs-Futures gegen USD) bei 1,3080. Zur Absicherung werden 12 Futures-Kontrakte (über je 125.000 €) an der Chicago Mercantile Exchange (CME) gekauft, die noch eine Laufzeit von mehr als 6 Monaten haben. Am 10.08. werden die hereinkommenden 1,95 Mio. Dollar zum Tageskurs gegen € verkauft und die Future-Position wird glattgestellt. Der USD hat an Wert verloren (der EURO gewonnen). (9) Exportabsicherung mit Futures ▶ Handelsposition 10.02. Kassakurs € / $ 1,3000 kalkulierter Preis (in €) = 1,95 Mio. $ / 1,3000 = 1.5 Mio. € ▶ Future-Position 10.02. Future-Kurs € / $ 1,3080 Wert der 12 Kontrakte (in $) =1.5 Mio. € * 1,3080 = 1.962 Mio. $ ▶ Handelsposition 10.08. Kassakurs € / $ 1,3750 Erlös (in €) = 1,95 Mio. $ / 1,3750 = 1.418.181 € kalkulierter Preis um 81.819 € unterschritten / Verlust ▶ Future-Position 10.08. Future-Kurs € / $ 1,3755 Kaufpreis der Futures am 10.02 = 1.962 Mio. $ Erlös der Futures am 10.08. = 1,5 Mio. € * 1,3755 = 2.063.250 $ Gewinn von 101.250 $, macht zum Tageskurs = 73.636 € Verlust bei Handelsposition > Gewinn bei Future-Position, weil am 10. 02. die Kursdifferenz größer ist als am 10. 08. ▲ ▲ ▲ ▼ Beispiel ▼ 218 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Bei der Handhabung von Futures als Absicherungsinstrumente gegen das Wechselkursrisiko treten Probleme vor allem in folgender Hinsicht auf: ▶ Liquidität wird gebunden, weil Sicherheiten-Gestellung erfolgen muss, ▶ der Kreis der angebotenen Währungen ist beschränkt, die standardisierte Kontraktgröße zwingt zu Über- oder Unterversicherung, ▶ Fristen von mehr als neun bzw. zwölf Monaten sind i. d. R. nicht absicherbar, in Abhängigkeit vom Börsenplatz. ▶ Der Vorteil des Futures besteht vor allem darin, dass sie (während der Laufzeit) an jedem beliebigen Börsenarbeitstag zu einem fairen Preis glattgestellt werden kann. (4) Devisen-Optionen Devisen-Optionen geben dem Inhaber (Käufer) das Recht, einen Betrag (Volumen) einer definierten Währung (Basiswert, Optionsgegenstand, Underlying) während der Laufzeit täglich (amerikanische Option) oder am letzten Tag der Laufzeit (europäische Option) zu einem fixierten Wechselkurs (Basispreis, Ausübungspreis, Strike Price) zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Der Optionskäufer zahlt immer an den Verkäufer (als Kosten- und Risikoentgelt) eine Options-Prämie ( Optionspreis). Übt der Käufer die Option zu Absicherungszwecken, also bei für ihn ungünstiger Entwicklung am Kassamarkt, aus, beeinflusst die Prämie seinen „Einstandskurs“ je Währungseinheit: Wie viel kostet oder erlöst also ein € in einer fremden Währung unter Beachtung der Prämie? Anschaffungskosten (Call) = Basispreis + Optionspreis (3) Verkaufserlös (Put) = Basispreis - Optionspreis Optionen Call/ Kaufoption Put/ Verkaufopt. Käufer eines Call Verkäufer eines Call Käufer eines Put Verkäufer eines Put hat das Recht, die Währung zu kaufen (Long Call) hat die Verpflichtung, die Währung zu liefern (Short Call) hat das Recht, die Währung zu verkaufen (Long Call) hat die Verpflichtung, die Währung abzunehmen (Short Call) Abb 7.11 | Arten von Optionspositionen Futures als Absicherungsinstrumente Eistandskosten einer Option 219 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Bei günstiger Kassakursentwicklung kann der Käufer die Option ggf. wieder verkaufen, allerdings liegt der Optionspreis dann niedriger als beim vorangegangenen Kauf. Das geht aber i. d. R. nur bei börsengehandelten Optionen. Eventuell muss man also auch verfallen lassen. Die Prämie als Kostengröße muss dann trotzdem (beim Kassageschäft) in Ansatz gebracht werden. Optionspreise / -prämien werden seit Einführung des € (und der Mengennotierung) als Prozentsätze angegeben. (10) Ermittlung des Optionspreises ▶ Basispreis € / $ 1,3045 ▶ Optionspreis 3,25 Prozent (in $- Cent je €) => ▶ ergibt (1,3045 * 0,0325) = € / $ 0,0424 Eine Euro- Call-Option berechtigt zum Kauf von € gegen eine Fremdwährung, z. B. Dollar. Sie entspricht dann einer Dollar-Put-Option und wird von einem Exporteur benötigt. Eine Euro-Put-Option dient dem Verkauf von € durch einen Importeur (z. B. gegen Dollar) und sie könnte durch eine Dollar-Call-Option ersetzt werden. Devisen-Optionen werden an vielen Börsen gehandelt, zu standardisierten Kontraktgrößen (z. B. 125.000 €), Laufzeiten (3, 6, 9 Monate) und Verfallstagen (analog zu den Futures). Optionen sind problemlos glattstellbar, indem ein Käufer zum Verkäufer von Kontrakten desselben Inhaltes wird (bzw. ein Verkäufer zum Käufer). Der Gewinn oder Verlust aus beiden Transaktionen ergibt sich als Differenz der beiden Optionsprämien(-preise), die erste wurde gezahlt, die zweite eingenommen. Interessenten können aber auch mit Banken Freiverkehrsoptionen (Over the Counter / OTC) ganz individuell vereinbaren, aber nur in sehr großen Beträgen. Der Preis einer Option besteht aus zwei Komponenten: Optionsprämie = Innerer Wert + Zeitwert (4) Eine „amerikanische“ Option, die im Unterschied zur „europäischen“ an jedem Tag der Laufzeit (und nicht nur am Ende) ausgeübt werden kann, besitzt z. B. inneren Wert (Intrinsic Value), wenn folgende Bedingung erfüllt ist: Die Summe der o. g. Größen definiert den Break-Even-Kurs, d. h. den Punkt, ab dem sich eine Ausübung der Option lohnt. Definition ▼ Beispiel ▼ ▲ ▲ Euro-Call-Option Euro-Put-Option Zusammensetzung der Optionsprämie 220 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Call : Basispreis < Kassakurs (5) Put : Basispreis > Kassakurs Die Wertgröße ergibt sich aus der jeweiligen konkreten Differenz. Der Zeitwert (Time Value), der während der Laufzeit immer existiert, aber am Ende Null beträgt, bringt, allgemein ausgedrückt, die Erwartung auf eine Kursentwicklung (am Devisenkassamarkt) zum Ausdruck, die die Verwertung der Option sinnvoll macht. Die prinzipielle Handhabung von Devisen-Optionen soll nachfolgend für einen Importeur veranschaulicht werden. Der Einfachheit halber wird wieder nicht zwischen Geld- und Briefkurs unterschieden. (11) Euro-Put-Option für Importeur Ein Importeur muss in 120 Tagen Güter mit dem Preis von 3,9 Mio. $ bezahlen. Um sich gegen die Gefahr einer Abwertung des Euros (= Aufwertung des USD) zu schützen, erwirbt er Euro-Puts gegen Dollar (Put-EUR / USD-6 Monate). Der Kurs, der gesichert werden soll, ist 1 € = 1,2600 Dollar. Dabei würden die Kosten in € 3.095.238.000 betragen. Die Absicherung erfolgt mit folgenden Parametern: Optionstyp amerikanisch Underlying (Basiswert) € Laufzeit 6 Monate Strike Price (Basispreis) € / $ 1,3000 Volumen 3 Mio. € / 24 Kontrakte Prämie (Optionspreis) 0,03 Der Optionspreis lautet also: 3 Prozent von € / $ 1,3000 = 3,9 Dollarcents je €. Der Break-Even-Kurs beträgt damit 1,3000 - 0,0390 = € / $ 1,2610. Damit sind die Kosten auf 3.092.780 € limitiert. Wenn 4 Monate später der Tageskurs bei 1,2500 steht, kosten 3,9 Mio. Dollar per Kassa 3.120.000 €. Ein Kauf käme a. teurer (3.220.470 €), weil die Kosten der Option jetzt auch Kassa zu beachten wären. Der „Einstandskurs“ betrüge nur 1,2500 - 0,0390 = € / $ 1.2110. An einer Ausübung kann es also keinen Zweifel geben. Der Importeur bezahlt den o. g. Betrag von 3.092.780 €. Hätte kein Hedging, a. ein Kassakauf stattgefunden, wären gegenüber der Kalkulation bzw. Absicherung Mehrkosten in Höhe von 3.120.000 -3.092.780 = 27.220 € entstanden. Beachten Sie bitte: Das Beispiel 12 vereinfacht auch beim Optionspreis ein wenig. Weil dieser mit Eröffnung der Long Put Position bezahlt werden Bedingung für Vorhandensein eines inneren Wertes Time Value Tab 7.5 | Beispiel ▼ ▲ 221 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o muss, kann der benötigte Eurobetrag ganz exakt nur mittels Referenzkurs dieses Tages bestimmt werden. Wir haben aber mit dem Basispreis gerechnet und unterstellen, dass dieser in etwa dem Tageskurs entsprach. Optionen gibt es auch auf Underlyings, wie Futures oder Optionen. Das sind die sogenannten Compound Options. Eine Currency Future Option z. B. gibt das Recht, Future-Kontrakte innerhalb der Laufzeit der Option zum fixierten Basispreis zu kaufen oder zu verkaufen - wenn man ausübt. (Siehe dazu Stocker, 2001, S. 189 ff.) Vorteile von Optionen sind vor allem ▶ Infolge des Wahlrechts kann an günstigen Entwicklungen am Kassamarkt partizipiert werden. ▶ Durch Kombination von Optionen lassen sich z. B. beliebige Bandbreiten für Devisenkurse (Mindest- und Höchstwert) kostengünstig absichern, z. B. mittels „Zylinderoption“. Dabei wird gleichzeitig eine Long Position (=Käufer) und eine Short Position (=Verkäufer) eingenommen. ▶ Es kann immer zwischen verschiedenen Strike Prices (Basis- / Ausübungspreisen) gewählt werden. ▶ Der wesentliche Nachteil besteht in der relativ hohen Optionsprämie, die auch bei Nichtausübung anfällt. (5) Währungs-Swap Ein Währungs-Swap (Currency Swap) verkörpert eine Variante der Financial Swaps (vgl. Eilenberger, 2004, S. 172 ff.). Dabei tauschen zwei in unterschiedlichen Ländern ansässige Unternehmen Kapitalbeträge, die i. d. R. auf die jeweilige (nationale) Währung lauten. Die Beträge ergeben sich unter Zugrundelegung eines vereinbarten Kurses. Dieser bleibt für die Laufzeit des Swaps stabil, am Ende werden die ursprünglich gewechselten Beträge zurückgegeben. Auf wechselseitige Zahlung von Zinsen kann hierbei verzichtet werden. Wenn es aber einen Unterschied bei den Zinskosten gibt, führt das zumindest zur Entrichtung einer Gebühr (Fee) durch die begünstigte Seite. Die getauschten Beträge werden i. d. R. vom Empfänger im jeweiligen Emissionsland der Währung angelegt. Wenn Zinsen in der entsprechenden Fremdwährung an den Partner gezahlt werden, spricht man von einem kombinierten Währungs- und Zins-Swap. Solche Transaktionen werden gewöhnlich durch Banken vermittelt. Den Swaps liegen hauptsächlich folgende Interessen zugrunde: ▶ Finanzierung von Investitionen von Auslands-Tochterunternehmen, ▶ dabei Absicherung gegen das Wechselkursrisiko durch Umgehung von Konvertierungen, ▶ eventuell in Verbindung mit unterschiedlichen Erwartungen betreffs der Zinsentwicklung und der damit gegebenen Möglichkeiten zur Reduzierung der Finanzierungskosten. 222 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Die Vorteile eines solchen Instruments bestehen vor allem in der langfristigen Ausschaltung des Wechselkursrisikos (10 Jahre und mehr überbrückbar) und in der Erzielung komparativer Kostenvorteile (in Gestalt bessere Zinskonditionen). Als Nachteile sind generell das Bonitätsrisiko (mit Blick auf den Partner) und die Zugangsbarrieren für kleine und mittlere Unternehmen, u. a. angesichts von Mindestvolumina von mehreren Millionen Währungseinheiten, zu nennen. In einer einfachen Form sieht ein Swap wie folgt aus: (6) Wechselkursversicherung Durch die Euler Hermes Kreditversicherungs-AG kann für deutsche Firmen auch das Wechselkursrisiko abgesichert werden, wenn die Forderungen auf US-Dollar, Pfund Sterling oder Schweizer Franken lauten. Andere frei konvertierbare Währungen verlangen den Nachweis, dass das Geschäft nicht zustande gekommen wäre, hätte man sie nicht als Zahlung akzeptiert. Ein ausgereichter Kredit muss länger als zwei Jahre laufen. Die ersten 24 Monate sind sogenannte Vorlaufzeit, die am Markt abgesichert werden muss, also mit Forwards usw. Gedeckt wird der Referenzkurs am letzten Tag der zwei Jahre. Kursverluste werden zu 100 Prozent ersetzt, sofern sie drei Prozent übersteigen. Bis zu drei Prozent liegt das Risiko allein beim Versicherungsnehmer. Bei Gewinnen gilt Abführungspflicht in analogen Grenzen (siehe dazu Eilenberger, 2004, S. 208 / 209). (1) Kapitaltausch am Anfang: (2) Zinszahlungen: (3) Kapitaltausch am Ende: Deutsches Unternehmen Deutsches Unternehmen Deutsches Unternehmen US- Unternehmen US- Unternehmen US- Unternehmen US-Dollar Euro Zinsen in Dollar Zinsen in Euro (1 Euro : 1,30 Dollar) Euro US-Dollar Abb 7.12 | Transaktionen bei Währungs- und Zins-Swap Euler Hermes Kreditversicherungs-AG 223 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o Instrumente für den Schutz vor dem Debitorenrisiko im Ausland Aus verschiedenen Gründen (andere Sprachen, Rechtsordnungen usw.) ist das Debitorenrisiko (auch Schuldner- oder Adressenausfallrisiko genannt) im internationalen Geschäft besonders groß. Es kann als Komponente des Geschäftsrisikos („Business Risk“), für das auch die Bezeichnung „wirtschaftliches Risiko“ zu finden ist, klassifiziert werden. Damit ist das Debitorenrisiko nur als ein anderer Begriff für Zahlungsrisiko zu betrachten. Es zeigt sich im Wirtschaftsleben als Zahlungsunfähigkeit, aber auch als (nicht selten betrügerische) Zahlungsunwilligkeit. Die Ursachen dafür können in seiner wirtschaftlichen Lage begründet sein (Insolvenz, Liquiditätsprobleme) bzw. in Mängeln an der Ware, die geliefert wurde oder aber in krimineller Absicht. Andererseits können staatliche Regulierungsmaßnahmen die Konvertierung oder Transferierung behindern und damit zu langen Überfälligkeiten führen. Teilweise wird anstelle von Zahlungsrisiko der Begriff Kreditrisiko genutzt: Das impliziert die Unsicherheit, ob ein ausgereichter Kredit (Bankkredit, Lieferantenkredit) mit Zins- und Tilgungszahlungen korrekt bedient wird. Das Debitorenrisiko als Lieferantenkreditrisiko kann man wie folgt veranschaulichen: Für die Absicherung gegen dieses Risiko stehen in der Praxis diverse Instrumente zur Verfügung, die allerdings unterschiedlich wirksam sind. (1) Zahlungsbedingungen als Sicherungsinstrumente im internationalen Geschäft Bei Auslandsgeschäften ist der Exporteur nicht nur mit den o. g. Risiken konfrontiert. Er hat es vielmehr auch mit dem sogenannten Abnahmerisiko zu tun. Trotz klarer vertraglicher Vereinbarung nimmt der Importeur u. U. die Ware nicht an - und bezahlt dann natürlich auch nicht. Der Importeur aber hat es mit dem Lieferrisiko (Nichtlieferung, Falschlieferung) zu tun, speziell, wenn er schon bezahlt hat (bei Vorauszahlung, Anzahlung). | 7.2.3 Debitorenrisiko ist nur als ein anderer Begriff für Zahlungsrisiko Debitorenrisiko Geschäftsrisiko Zahlungsrisiko Kreditrisiko (als Sonderfall) | Abb 7.13 Debitorenrisiko Abnahmerisiko Lieferrisiko 224 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Mit Hilfe bestimmter Zahlungsbedingungen lässt sich dieser Interessenkonflikt mehr oder weniger gut lösen. Zahlungsbedingungen (Terms of Payment) sind Vereinbarungen, die (im weiteren Sinn) zum Kaufpreis gehören. In Außenhandelsverträgen können sie sehr speziell ausfallen. Sie umfassen den Zahlbetrag, die Währung, Fälligkeiten, Art und Weise der Zahlungen, Erfüllungsort, Regelungen betreffs des Aufrechnungs-, Verrechnungsrechts bzw. des Zurückbehaltungsrechts an der Ware sowie die bankmäßigen Abwicklungsmodalitäten und Zahlungssicherungsverfahren. Die Banken sind im internationalen Geschäft unverzichtbar als Mittler und / oder Garant der Zahlung in Verbindung mit dem Transport und / oder der Prüfung von Dokumenten. Besondere Bedeutung besitzt die Absicherung des Zahlungseinganges, die sehr unterschiedlich je nach Zahlungsbedingung ausfällt. Am höchsten ist sie, wenn Banken Akkreditive herauslegen oder Garantien gewähren. Bei Clean Payment, so dem Lieferantenkredit, besteht dagegen keine Sicherheit, abgesehen von der Bonität und Seriosität des Geschäftspartners. Die im internationalen Geschäft üblichen Zahlungsbedingungen werden gewöhnlich wie folgt gegliedert: ▶ Vorauszahlung / Anzahlung (Advanced Payment) ▶ Zahlung durch Nachnahme / Zahlung gegen einfache (offene) Rechnung / Offenes Zahlungsziel (= Formen des Clean Payment) ▶ Dokumenten-Inkasso (Collection) mit den Erscheinungsformen ● Dokumente gegen Zahlung (Documents Against Payment) ● Dokumente gegen Akzept (Documents Against Acceptance). ▶ Dokumenten-Akkreditiv (Documentary Credit / Letter of Credit). Wie schon gesagt: Sicherheit (betr. Zahlungseingang) bieten in mehr oder weniger großem Maße nur die beiden zuletzt genannten Bedingungen, sieht man von der nur unter Ausnahmeverhältnissen durchsetzbaren Vorauszahlung ab. Bei Inkasso und Akkreditiv tritt die Übergabe von Dokumenten an die Stelle der Übereignung der Ware als zahlungsauslösende Voraussetzung. Die maßgeblichen Exportdokumente, die dabei zur Anwendung kommen, sind: ▶ Transportdokumente im Postverkehr: Paketeinlieferungsschein / Parcel Receipt, Posteinlieferungsschein / Post Receipt, ▶ Frachtbriefe (Consignment Note / Cargo Bill): ● Straßenverkehr / CMR-Frachtbrief / Bill Of Road Risiken, die die Zahlung tangieren: beim Exporteur beim Importeur Zahlungsrisiko (dar.: Kreditrisiko) Lieferrisiko Abb 7.12 | Die Zahlung betreffende Terms of Payment Internationale Zahlungsbedingungen Inkasso und Akkreditiv 225 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o ● Spedition / InternationaleSpediteur-Übernahmebescheinung / Forwarder´s Certificate Of Receipt, ● Bahnverkehr / CIM-Eisenbahnfrachtbrief / Bill Of Freight, ● Luftverkehr / Luftfrachtbrief / Air Waybill, ● Seeschifffahrt / Seefrachtbrief / Sea Waybill, ▶ Konnossemente (im Seeverkehr) / Bill Of Lading: Seekonnossement / Marine Bill Of Lading als „klassische“ Variante, aber auch Konnossemente von Spediteuren / Forwarders, ▶ Lagerdokumente: Lagerscheine / Warrant (verschiedener Art), ▶ Transportversicherungsdokumente: Versicherungspolicen / Insurance Policy, ▶ Handels- und Zolldokumente: Handelsrechnung / Commercial Invoice / Zollrechnung / Customs Invoice / Konsulatsfaktura / Consular Invoice ▶ Quantitäts- und Qualitätsdokumente (Packliste, Gewichtsbescheinigung, diverse Qualitätszertifikate, wie Gesundheitszertifikat, Analysenzertifikat, Inspektions- und Abnahmezertifikat), Ursprungszeugnisse / Certificate Of Origin. Das Dokumenten-Inkasso in Form von Dokumente gegen Zahlung verschafft dem Exporteur (speziell bei Verwendung eines Konnossements als Transportdokument) die Verfügungsgewalt über die Ware bis zur Bezahlung. Beachte: Wer (als Berechtigter) über ein Konnossement verfügt, kann die Herausgabe der Ware verlangen und kann über sie disponieren. Der Importeur (Schuldner) erhält die Papiere von einer Bank im Importland zur Einsichtnahme vorgelegt (präsentiert). Wenn er sie für gut befindet und bezahlt, werden sie sein Eigentum, sodass er sich dann die Ware (vom Spediteur, der Reederei usw.) aushändigen lassen kann. Existenz und Inhalt dieser Dokumente beseitigen für ihn das Risiko der Nichtlieferung. Der Exporteur bleibt aber dem Abnahmerisiko ausgesetzt: Wenn der Importeur die Papiere nicht für gut befindet oder böswillig die Annahme verweigert, sieht der Verkäufer kein Geld und hat seine Ware im Ausland im „Zollfreihafen“ usw. unfreiwillig lagern. Wenn (bei Einräumung eines Zahlungsziels) die Form Dokumente gegen Akzept zur Anwendung kommt, wird gegen das hier existierende Kreditrisiko nur das in einem Wechsel verbriefte Versprechen auf zukünftige Zahlung gesetzt, abgesichert durch die Strenge des Wechselrechtes. Weil auch viele Auslandsgeschäfte transportseitig auf Basis eines Frachtbriefes ablaufen (und damit „automatisch“ Auslieferung an den Importeur erfolgt), haben sich in Gestalt der „Zahlung per Nachnahme“ bzw. des „Frachtbriefinkassos“ Zahlungsbedingungen herausgebildet, die quasi eine Modifikation des Dokumenten-Inkasso verkörpern. Die Regeln für den Umgang mit Konnossement 226 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t internationalen Inkassotransaktionen sind von der Internationalen Handelskammer Paris als Einheitliche Richtlinien für Inkassi / ERI festgelegt. Beim Dokumenten-Akkreditiv handeln Banken des Exporteurs und des Importeurs nicht nur als Mittler (wie oben) sondern zumindest eine von ihnen gibt ein unbedingtes Zahlungsversprechen und tritt in Sachen Zahlung an Stelle des Käufers. Das Versprechen ist an die (zeitlich befristete) Vorlage / Einreichung exakt vorgeschriebener Exportdokumente (und zwar nach Art, Anzahl und wichtigen Inhalten) gebunden. Erfüllt der Exporteur seine Verpflichtung auch in Form der beizubringenden Papiere, hat er die Zahlung sicher und ist vor jeglicher subjektiver Willkür des Importeurs geschützt. Dokumenten-Akkreditive sind in unterschiedlicher Ausgestaltung in Verwendung, so als Sichtakkreditive (Dokumente gegen Zahlung / Sight Payment) und als Nachsichtakkreditive (Dokumente gegen Bankakzept / Available By Acceptance oder gegen Versprechen der Bank auf hinausgeschobene Zahlung / Available By Deferred Payment). Bei Wahl einer erstklassigen Akkreditivbank existiert in jedem Falle das Zahlungsrisiko (das Kreditrisiko ggf. eingeschlossen) für den Exporteur nur noch theoretisch. Akkreditive sind also aus Sicht eines Exporteurs ein gleichermaßen sicheres Mittel zur Abwehr des Zahlungsrisikos / Kreditrisikos wie es Vorauszahlungen darstellen. Sie wahren zugleich die Interessen des Importeurs weitgehend. Weil Importeure aber prinzipiell an Clean Payment interessiert sind, ist speziell die Durchsetzung des Akkreditivs in erster Linie eine Frage der Stärke des Exporteurs (Büter, 2007, S. 295 ff.). Banken handhaben weltweit Akkreditive auf der Grundlage der „Einheitlichen Richtlinien und Gebräuche für Dokumenten-Akkreditive / ERA 600“ der Internationalen Handelskammer Paris. (2) Garantien und Bankakzepte im internationalen Geschäft Wenn es um die Absicherung gegen das Debitorenrisiko geht, können auch Bankgarantien benutzt werden. Sie verkörpern Zahlungsversprechen (von Banken) in abstrakter Form, d. h. losgelöst vom zugrunde liegenden Geschäft, für den Fall, dass z. B. der Importeur nicht zahlt. Sie sind gewöhnlich so ausgestaltet, dass auf „Erstes Anfordern“ des Begünstigten der Garantiebetrag zu zahlen ist. Das aber heißt, dass das Geld auf die reine Behauptung hin, dass befürchtete („negative“) Ereignis sei eingetreten, fließen muss. Damit wird das Problem von Garantien mit solcherart Inhalt deutlich: Sie können zu Missbrauch verleiten. Mit Blick auf das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis sind vor allem zwei Arten international bedeutsam: 227 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o ▶ Anzahlungsgarantie (Advance Payment Bond) Sie sichert einen Importeur ab, denn er kann über die Garantie seine Anzahlung zurückholen, wenn die betreffende Warenlieferung nicht vertragsgemäß erfolgt. Solche Anzahlungen werden im Kaufvertrag vereinbart. Sie bewegen sich zwischen zehn und dreiunddreißig Prozent. ▶ Zahlungsgarantie (Payment Guarantee) Sie wird zugunsten eines Exporteurs bei Verwendung von Clean- Payment-Zahlung abgegeben und zwar auf Antrag des Importeurs an seine Bank. Im Falle der Zahlungsunfähigkeit / -unwilligkeit des Importeurs kann der Exporteur sich so den ausstehenden Preis (oder Rest des Preises) von der garantierenden Bank geben lassen. Eine Zahlungsgarantie hat damit denselben Wert wie ein Akkreditiv oder eine Versicherung des Kredits. Beachten Sie aber bitte: Banken gewähren nur Kunden mit erstklassiger Bonität Garantien. Man kann also eine risikobehaftete Zahlungsbedingung häufig nicht mittels einer Bankgarantie verbessern. Eine der Garantie analoge Wirkung besitzt ein Bankakzept auf einem Wechsel (Tratte), der vom Exporteur (gemäß vorheriger Absprache zwischen Importeur und Bank) zu eigenen Gunsten gezogen wird oder vom Importeur (bei Weiterreichung an den Exporteur) bzw. ein Bankaval auf einem Solawechsel des Importeurs zu Gunsten des Exporteurs. Die absichernde Wirkung geht in erster Linie von der Bonität der akzept- oder avalleistenden Bank aus, weniger von der „Wechselrechtsstrenge“. Solche Bankakzepte / -avale sind mit der Einräumung eines Akzeptkredites verbunden. Auch das machen Banken aber nur gegenüber erstklassigen Firmen Anstelle von Garantien können Verkäufer und Käufer auch Standby Akkreditive / Standby Letter Of Credit benutzen. Wie jedes andere Akkreditv wird es von einer Bank auf Antrag eines Unternehmens bei einer anderen Bank im Ausland eröffnet. Die Eröffnungsbank verpflichtet sich, einen benannten Begünstigten (z. B. den Exporteur) zu entschädigen, wenn der Geschäftspartner eine Leistung (nämlich die Zahlung) nicht vereinbarungsgemäß erbringt. Dazu ist der Schadensfall durch Erklärungen anzuzeigen und mit entsprechenden, im Standby Letter Of Credit aufgeführten Dokumenten wäre z. B. eine Behauptung zu widerlegen, der Verkäufer habe nicht geliefert. Dieses Instrument hat gegenüber den „klassischen“ Bankgarantien den Vorzug, dass es überall in der Welt gemäß ERA auf einheitliche Art und Weise benutzt wird. Die Internationale Handelskammer hat zwar Einheitliche Richtlinien für auf Anforderung zahlbare Garantien / ERG veröffentlicht, ihre Anwendung ist aber in vielen Ländern nicht gesichert. Bankakzepte/ -avale 228 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t (3) Exportkreditversicherung Wo bei Exporten sehr langfristige Kredite eingeräumt werden müssen, um wettbewerbsfähig zu sein, wie bei Investitionsgütern, insbesondere sehr hochwertigen, und Anlagen (Industrieanlagen, Infrastrukturprojekten usw.), da verkörpern die bisher beschriebenen Instrumente zur Absicherung gegen das Schuldnerausfallrisiko keine praktikable Lösung. Hier benutzt man Exportkreditversicherungen. Diese werden von der privaten Versicherungswirtschaft angeboten (Allgemeine Kreditversicherungs-AG, Mainz, Speziale Kreditversicherungs-AG Köln, die zum Gerling-Konzern gehört usw.) aber auch als staatlich gelenktes und gestütztes Exportförderungsinstrument in Gestalt der Bürgschaften (bei staatlichen Abnehmern) bzw. Garantien (bei privatwirtschaftlichen Importeuren) der Euler Hermes Kreditversicherungs-AG, Hamburg. Die staatliche Exportkredit-Versicherung schützt deutsche Exporteure und Banken weitgehend gegen Zahlungsausfälle bei Ausfuhrgeschäften. Die Vorzüge dieses Institutes bestehen vor allem darin, dass ▶ hier (im Unterschied zu den privaten Versicherern) auch politische Risiken gedeckt werden und ▶ die Versicherung grundsätzlich regional uneingeschränkt, von bestimmten Staaten abgesehen, und über fünf Jahre hinaus (10 Jahre und länger) erfolgt, also ggf. sehr langfristig. Wenn wir das Versicherungsangebot von Euler Hermes näher betrachten, stellen wir fest, dass unter dem Begriff Exportkreditversicherung folgende Formen zusammengefasst werden: (1) Fabrikationsrisikodeckung (2) Ausfuhrrisikodeckung (3) Finanzkreditdeckung Fabrikationsrisiko und Ausfuhrrisiko sind Begriffe, mit denen das Risiko zeitlich unterteilt wird. Ersteres reicht vom Beginn der Produktion bis zum Versand, letzteres vom Versand bis zum Zahlungseingang. Das Finanzkreditrisiko existiert vor Generell können wir demzufolge das Instrument Exportkreditversicherung so definieren: Es handelt sich um eine Absicherung gegen wirtschaftliche und politische Risiken, die in Gestalt des Importeurs bzw. des Importlandes potentiell existieren. Dabei muss sich im Schadensfall der Versicherte beteiligen (Selbstbehalt i. d. R. 10 - 15 %). Definition ▼ ▲ Fabrikationsrisiko und Ausfuhrrisiko 229 F i n a n z w i r t s c h a F t l i c h e r i s i k e n - w e c h s e l k u r s r i s i k o dem Hintergrund eines Bankkredites an den Importeur („Bestellerkredit“), der durch den Exporteur initiiert wird. Es besteht von der Ausreichung bis zur vollständigen Rückzahlung und umfasst Tilgungs- und Zinszahlungen. Die Varianten der Schadenstatbestände sind grundsätzlich folgende: wirtschaftliches Risiko politisches Risiko Fabrikationsrisiko Unzumutbarkeit der Versendung oder Fertigstellung wegen Bonitätsverschlechterung beim Importeur Unmöglichkeit der Abnahme / Versendung der Ware wegen Krieg usw., Regierungsmaßnahmen usw. im Ausland bzw. deutschen Embargos Ausfuhrrisiko Konkurs / Vergleich des Importeurs; Zwangsvollstreckung ohne Erfolg; Unzumutbarkeit / Aussichtslosigkeit der Zahlungseintreibung; „Nichtzahlungstatbestand“ (Überfälligkeit seit 6 Monaten z. T. müssen also vom Exporteur Karenzfristen überbrückt werden.) usw. Uneinbringlichkeit (der Zahlung) wegen (staatlichem) Zahlungsverbot/ Moratorium bzw. fehlender Konvertierbarkeit / Transferierbarkeit oder Krieg Finanzkreditrisiko „Nichtzahlungstatbestand“ bei 6-monatigem Zahlungsverzug grundsätzlich wie beim Ausfuhrrisiko Die Beschlagnahme der Güter im Ausland oder die rechtswidrige Ziehung von Exporteurgarantien sind gleichfalls versicherte Schadenstatbestände. Je nachdem, vor welchem Risiko geschützt werden soll, unterscheiden sich die versicherbaren Werte: Risiko-Deckung Deckungs-Gegenstand Fabrikationsrisiko-Deckung Selbstkosten Ausfuhrrisiko-Deckung vereinbarter Preis und Zinsen auf Kreditteil der Forderung Finanzkreditrisiko-Deckung Kreditforderung und Zinsen (4) Lieferantenkredite Lieferantenkredite, auch Handelskredite (vgl. Jonas, 1970) (oder im Außenhandel Exporteurkredite) genannt, werden von Herstellern und Großhändlern ihren gewerblichen Kunden gewährt. Ihnen liegen kurzfristige Zahlungs- Risiken, die von Euler Hermes gedeckt werden Deckungsgegenstände bei der Euler Hermes Versicherung | Tab. 7.6 | Tab. 7.7 Handelskredite 230 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t ziele zu Grunde. Häufig sind eigene Mittel die Basis, die Refinanzierung kann aber auch bei Banken beschafft werden, so im Export auch bei der AKA Ausfuhrkredit-Gesellschaft m.b.H. Ein solcher Kredit hat immer den Verkauf von Waren / Leistungen zur Voraussetzung; er dient also der Absatzförderung. Kreditempfänger sind primär kleine Firmen, die kaum Bankkredite bekommen, und denen Zeit für den Weiterverkauf eingeräumt wird, so dass die Rückzahlung aus dem Verkaufserlös erfolgen kann. Der auf dem jeweiligen Markt herrschende Handelsbrauch macht eine Kreditvergabe ggf. zwingend. Die Obergrenze des Kredites ist durch den Verkaufspreis gegeben. Die benutzten Zahlungsbedingungen sehen bei Gewährung eines Zahlungsziels grundsätzlich die Einräumung von Skonto vor. Es handelt sich um Zahlungskonditionen im Rahmen des Clean Payment. Zwei Instrumente werden also benutzt: Buchkredit und Akzeptkredit, wobei ersterer bei weitem überwiegt. Ein Wechsel wird, abgesehen von erstmaliger Lieferung, vor allem dann gefordert, wenn die Kreditwürdigkeit des Käufers gering ist bzw. sich verschlechtert hat und / oder der Verkäufer den Wechsel wegen Refinanzierung diskontieren lassen will. Kreditvereinbarung, -ausreichung und -kontrolle erfolgen formlos: Der Lieferantenkredit wird zwischen Verkäufer und Käufer ausgehandelt, anfangs für jeden einzelnen Vertrag. Wenn die Zahlungen regelmäßig in voller Höhe fließen, gilt das Zahlungsziel später bis auf Widerruf automatisch für jede neue Lieferung. Eine Verlängerung oder Verkürzung kann ebenfalls ohne formelle Vorschriften unverzüglich beschlossen werden. Der Verkäufer führt den Stand der Verschuldung seines Kunden auf einem Kundenkonto und setzt dafür ein Limit. Der Kredit wird nur anhand der persönlichen Bonität des Kreditnehmers sowie seiner wirtschaftlichen Lage (Erträge, Vermögen, Liquidität) ausgereicht. Hier immer auf dem aktuellen Stand zu sein und Betrug zu verhindern, ist speziell im Auslandsgeschäft schwierig. Auch Bankauskünfte über den Debitor, eingeholt bei der Importeurbank durch die Exporteurbank, helfen nicht in jedem Fall echt weiter. Das Fehlen von zuverlässig belastbaren Sicherheiten, wie Akkreditiven, Bankgarantien, Pfandrechten usw. steigert das Kreditrisiko außerhalb des Heimatmarktes 1. Verkauf auf … Tage Ziel 2. Ware gegen Kasse (Barzahlung) 3. Ware gegen Wechsel-Akzept / i. d. R. 30 oder 60 Tage / Zahlung innerhalb einer vereinbarten, aber im Vertrag nicht genannten Frist von z. B. 10 Tagen oder zwei Wochen / i. d. R. vorübergehend bei Neukunden Abb 7.15 | Zahlungsbedingungen beim Lieferantenkredit 231 c a s h m a n a g e m e n t also erkennbar. Der Verkäufer / Exporteur besitzt bei Fehlentwicklungen bei einem Schuldner nicht sehr viele Möglichkeiten, Verluste zu vermeiden. Zu den wichtigsten Instrumenten der Steuerung des Debitorenrisikos bei der Vergabe von Lieferantenkrediten gehören 1. Kontrolle des Forderungseinganges / rasches Reagieren mit Mahnungen bei Überfälligkeit, 2. Sicherung einer Forderung durch Eigentumsvorbehalt, 3. besondere Vereinbarungen mit Blick auf Moratorien und Vergleiche, 4. Verlängerung einer Forderungslaufzeit nur gegen Akzept, 5. Lieferung auf Kredit nur (noch) gegen Akzept, 6. Barzahlung, (ggf. in spezieller Form, wie Spediteurinkasso,) oder Vorauszahlung. 1 Was sind Merkmale und Erscheinungsformen des Wechselkursrisikos? 2 Wie sichern Devisen-Futures und Devisen-Optionen grundsätzlich gegen Kursverluste und was unterscheidet sie? 3 Ein Importeur, der in 90 Tagen 700 T$ zahlen muss, schließt einen Forward ab: Kassakurs € / $ 1,3600; Terminkurs (90 Tage) € / $ 1,3400: a) Was würden die USD es bei sofortigem Kauf kosten? b) Und wie viel € sind in drei Monaten zu bezahlen? c) Wenn eine Eurogeldanlage 4,0% p.a. bringt - wie müsste man Zinsen in den Vergleich einbeziehen? d) Wenn in 90 Tagen der Kassakurs bei € / $ 1,4000 steht - was bedeutet das für den Käufer des Forward? 4 Wie ist die Zahlungs-Sicherungsfunktion eines Dokumenten-Akkreditivs ausgestaltet? Cash Management ▶ In diesem Abschnitt soll erklärt werden, was Cash Management bedeutet, welche Ziele damit angestrebt werden und wie die wichtigsten Instrumente (oder Techniken) funktionieren. ▶ Cash Management knüpft an altbekannten unternehmerischen Aktivitäten an, wie der Planung, Durchführung, Steuerung und Kontrolle der Liquidität. Jederzeitige Zahlungsfähigkeit verkörpert eine grundlegende Voraussetzung für den Fortbestand eines Unternehmens. Daneben hat die Gewinnsteigerung in den letzten Jahrzehnten aber enorm an Bedeutung gewonnen. Die Liquiditätssicherung soll nicht länger zu Lasten der Rentabilität durchgesetzt werden: Nur so viel Liquidität, wie Fragen ▼ ▲ | 7.3 Übersicht ▼ 232 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t unbedingt erforderlich; überschüssige Mittel müssen den Liquiditätsbedarf anderer Unternehmen im Konzern decken und damit Zinsaufwendungen vermeiden bzw. durch Anlage außerhalb des Konzerns Zinserträge generieren. Hinzu kommt die gewachsene Internationalität der Wirtschaft, die den täglichen Umgang mit diversen Währungen hervorgebracht hat. Damit müssen Wechselkursverluste möglichst minimiert und Chancen auf Wechselkursgewinne größtmöglich genutzt werden. Außerdem gilt es, Kosten durch Konvertierungsgebühren einzusparen und Ertragsminderungen durch Valutierungsfristen der Banken (Stichwort „float“) gering zu halten. Die heutige Art und Weise des Cash Management baut auf dem Potenzial der modernen Mikroelektronik, speziell der Computer, auf. Aufgaben des Cash Management Beim internationalen Cash Management wird diese Charakteristik um den Währungsaspekt erweitert: „In großen, international tätigen Konzernen geht es dabei vor allem um die Harmonisierung einer Vielzahl in unterschiedlichen Währungen laufend auftretender Zahlungsströme zum Zwecke der Kosten- und Risikoreduktion.“ (Volkart, 2008, S. 105) Die Abgrenzung zum Treasury Management sieht der zitierte Autor darin, dass unter diesem Begriff die Liquidität in mittel- und langfristiger Sicht gesteuert wird. Die Ziele des Cash Management lassen sich im Einzelnen benennen? ▶ Sicherung der Zahlungsfähigkeit ▶ Minimierung der Kassenhaltungskosten ▶ Minimierung der Zahlungsstromkosten ▶ Minimierung der Finanzierungskosten ▶ Minimierung der Zinskosten ▶ Maximierung der Geldanlageerlöse ▶ Minimierung des Währungsrisikos, speziell des Wechselkursrisikos Dabei ist zu betonen: Es geht darum die situative Liquidität sicherzustellen und nicht die durchschnittliche im Zeitraum. Um die o. g. Ziele zu verwirklichen, müssen vor allem folgende Aufgaben durch ein hard- und softwarebasiertes Cash Management System gelöst werden (Aufgaben des Cash Management): (1) Kurzfristige Liquiditätsplanung, (2) Liquiditäts-Disposition, ▲ 7.3.1 | Zum Begriff des Cash Management finden sich in der Fachliteratur unterschiedliche Definitionen, hier soll eine Beschränkung auf (Volkart, 2008, S. 105) vorgenommen werden, der wie folgt zu Cash Management formuliert: Es „… umfasst die Bewirtschaftung der flüssigen Mittel sowie der sie verändernden Einnahmen- und Ausgabenströme.“ Definition ▼ ▲ 233 c a s h m a n a g e m e n t (3) Gestaltung der Zahlungsströme (4) Management des Wechselkursrisikos Die kurzfristige Liquiditätsplanung (auch Cash Forecast genannt) beschäftigt sich mit der tagesgenauen Erfassung der zukünftigen Ein- und Auszahlungen, also einem Liquiditätsstatus, nach einzelnen Konten oder Kontenarten, nach Währungen usw. für die Planungsperiode. Weil die Einzahlungen aus dem Verkauf von Leistungen (Umsatzerlöse) auf Rechnung immer in einem gewissen Maße unsicher sind (kommen sie termintreu und / oder vollständig? ), ist eine solche Planung i. d. R. nur für wenige Tage zuverlässig. Das Problem verschärft sich mit dem Anteil von Fremdwährungen am Umsatz, sofern das Währungsrisiko nicht abgesichert wird, weil Umrechnungen von Salden in eine andere Währung nur vermutete zukünftige Werte erbringen. Die verfügbare große Datenbasis gestattet es, unterschiedliche Zahlungsströme zu betrachte und zu prognostizieren (Cashflow Typing). Das kann z. B. nach einzelnen Unternehmen des Konzerns, Währungen Geschäftsarten oder nach dem Grad der Zahlungssicherheit gemacht werden. Die Disposition über die verfügbaren Mittel baut auf der o.g. Planung auf. Es geht um tagesbezogene Entscheidungen zum Ausgleich der Liquidität nach Unternehmen, wenn notwendig der Einbeziehung von Fremdfinanzierung bzw. um die Anlage nicht benötigter Mittel, immer anhand der tageskonkreten Zinssätze. Die Banken unterstützen dabei durch die Bereitstellung von Kontokorrent- und Diskontkrediten usw. bzw. mit Angeboten betreffs Anlageprodukte und durch Kontostandsinformationen. Gegebenenfalls ist auch bei Liquiditätsengpässen die Reihenfolge der Auszahlungen festzulegen: Was wird heute bezahlt und was erst morgen oder nächste Woche? Solche Probleme können z. B. auftreten, wenn ein Zahlungseingang in einer Fremdwährung sich verzögert, der direkt für die Bezahlung einer Verbindlichkeit benutzt werden soll. Zur täglichen Dispositionsarbeit gehören z. B. ▶ die Berechnung des Kontostandes unter Beachtung der Beträge, die sich im Prozess der Valutierung durch die Bank befinden, ▶ der Abgleich von Ist- und Plan-Umsätzen bzw. der Ist- und Plan-Kontostände( letzteres wird auch als Skontierung bezeichnet), ▶ die Berechnung der zur Disposition stehenden Salden nach Konten und für das gesamte Unternehmen, ▶ die Durchführung der Kontenausgleiche durch (elektronische) Aufträge an die Bank (mittels der Managementkomponente „Money Transfer): Umbuchungen / Überweisungen zwischen Kontokorrentkonten des Konzerns im In- und Ausland, ▶ die Durchführung der notwendigen Kredit- und Geldmarktoperationen. tägliche Dispositionsarbeit 234 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Die Gestaltung der Zahlungsströme ist darauf ausgerichtet, zwei Prämissen umzusetzen: (1) Der Zahlungsverkehr muss kostensparend abgewickelt werden. (2) Liquidität sollte so lange wie möglich im Unternehmen belassen werden und so früh wie möglich (von außerhalb) zufließen. Kosten (Aufwendungen) fallen bei Ein- und Auszahlungen im Unternehmen an, also intern und gegenüber Banken: Allgemeine Gebühren, Spread zwischen Geld- und Briefkurs bei Konvertierungen, Zinsmindereinnahmen durch Float (vor dem Hintergrund der Zeitdifferenz zwischen dem Eingang einer Zahlung bei der Bank und der zinswirksamen Verbuchung / Valutierung auf dem eigenen Konto). Eine Beschleunigung (Leading) von Einzahlungen bzw. Verzögerung (Lagging) von Auszahlungen kann durch Verwendung entsprechender Zahlungsinstrumente erreicht werden. National kommen hier primär Überweisung, Scheck und Lastschrift zur Anwendung. Im internationalen Verkehr benutzt man vorrangig die Überweisung in Verbindung mit dem internationalen Zahlungsauftrag, den Bankorderscheck und das Dokumentenakkreditiv. Es ist aber zu sehen, dass unterschiedliche Zahlungsträger auch unterschiedlich stark eine andere Problematik, nämlich das Zahlungsrisiko, tangieren. Durch exakte Vertragsgestaltung lässt sich die Benutzung des gewünschten Instruments bzw. der Art und Weise der Übertragung, wie Überweisungen per SWIFT (Society for World Wide Interbank Financial Telecommunication), einem speziellen internationalen Banken-Kommunikationssystem, absichern. Die elektronische Abwicklung des Zahlungsverkehrs hilft, Fehler bei der Erstellung der Zahlungsträger zu vermeiden (Datenspeicherung für Wiederholungen / Repetetive Payment), so beim umfangreichen „Internationalen Zahlungsauftrag im Außenwirtschaftsverkehr“. Verspätete Auszahlungen im externen Zahlungsverkehr können immer auch durch interne Anweisungen seitens des Managements bewusst bewirkt werden. Hier können auch Avise über ausgelöste Zahlungen von konzernexternen Käufern nützlich sein, weil sie die Vorschau auf die Eingänge in den nächsten Tagen präzisieren. Unter Zahlungsverzug gegenüber Dritten leidet aber gegebenenfalls das Rating (Image / Bonität). Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs auf elektronischem Wege bietet jedoch auch extern neue Möglichkeiten für spätere Zahlungen, denn die „Postlaufzeiten“ verkürzen sich. Sofern ein Unternehmen nicht nur gelegentlich und geringfügig international aktiv ist, muss es für das Management des Wechselkursrisikos bei den benutzten Fremdwährungen sorgen. Dabei müssen in der Planung die begründeten Forderungen und Verbindlichkeiten währungskonkret Zahlungsverzug 235 c a s h m a n a g e m e n t erfasst werden. Absicherungsbedarf besteht (im jeweiligen Zeitraum) für den Saldo / net exposure. Die dafür angewandten Instrumente umfassen vor allem Forward, Future, Option und Swap. Ihrer Handhabung sollte eine Strategieentscheidung zu Grunde liegen, die sich vor allem am Grad der Risikoneigung des Unternehmensmanagement ausrichtet. Instrumente beim Cash Management Für die Erreichung der Ziele „jederzeitige Zahlungsfähigkeit“ und „größtmöglicher Beitrag zum Gewinn auf Basis der gehaltenen Liquidität“ sind vor allem die speziellen Instrumente / Techniken Pooling und Netting bedeutsam. Beide werden konzernintern verwendet. Netting kann aber auch konzernextern bilateral zur Anwendung kommen, wenn ein anderes Unternehmen sowohl Abnehmer als auch Lieferant für den Konzern darstellt. Die erfolgreiche Handhabung des Pooling hängt aber wieder stark von der Zusammenarbeit mit den Banken ab. Diese besondere Art der Kooperation wird Balance Reporting genannt. (1) Pooling Für Pooling findet man in der Literatur als Synonym auch den Begriff Cash Pooling. Die deutsche Bezeichnung zentrale Kassenhaltung drückt dasselbe aus. Die angestrebten Effekte sind grundsätzlich folgende: ▶ Auf diesem Wege werden die Salden diverser Konten nicht einzeln verzinst, was bei Guthaben zu Mehrerträgen durch bessere Zinssätze (Zinsstaffel) führt. ▶ Es treten gewöhnlich weiterhin positive Effekte durch die Vermeidung von Überziehungen (und damit Zahlung hoher Sollzinsen) auf, weil im Konzern vorhandene Guthaben für Liquiditätslücken an anderer Stelle eingesetzt werden. ▶ Nicht für Zahlungen benötigte Mittel können ertragsgünstig angelegt werden. Bei der Steuerung der Liquidität kann nach Transaktionskasse (Abdeckung des laufenden Zahlungsverkehrs) und Vorsichtskasse (Auffangen unerwarteter Schwankungen speziell beim Zahlungseingang) unterschieden werden. In großen Unternehmen bedeutet das praktisch, dass die Tochtergesellschaften Mittel im Ausmaß ihrer laufenden Transaktionen behalten, während Vorsichtskassenhaltung nur in der Zentrale betrieben wird. | 7.3.2 Diese Technik lässt sich prinzipiell wie folgt definieren: Es handelt sich um einen konzerninternen Ausgleich der Liquidität durch tägliche (automatische) Übertragung der Salden verschiedener Zahlungsverkehrskonten (Ursprungskonten / Unterkonten) auf ein Zielkonto (Masterkonto / Sammelkonto). Damit weist nur noch dieses zentrale Konto einen Saldo auf, der „bewirtschaftet“ werden muss. (Vgl. Perridon / Steiner / Rathgeber, 2009, S. 146.) Definition ▼ ▲ 236 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Bei der Art und Weise, wie das Pooling praktisch umgesetzt wird, wird prinzipiell wie folgt unterschieden: a) Fiktives Cash Pooling, auch virtuelles Pooling oder Notional Cash Pooling genannt, zeichnet sich durch die (banktägliche) Berechnung eines Gesamtsaldos auf Basis der Stände der real existierenden Einzelkonten aus, ohne dass eine Übertragung erfolgt. Nur der fiktive Saldo wird verzinst. Es handelt sich um eine Dienstleistung einer Bank gegenüber dem Kundenunternehmen, d. h., es kann nur bankkonkret praktiziert werden. Zinsen bei fiktivem Pooling Aber: Längst nicht alle Banken bieten diesen Service an, nicht in allen Staaten ist er erlaubt. b) Cross Currency Pooling wird so verstanden, dass im Rahmen eines fiktivem Pooling durch eine Bank auch die Salden für Fremdwährungskonten (täglich) ermittelt, in die Basiswährung (z. B. die „Funktionale Währung“ gemäß IAS 21) umgerechnet und solcherart zusammengefasst verzinst werden. Dabei ist zu sehen, dass die Umrechnungen ständig von den Wechselkursschwankungen (von Tag zu Tag) beeinflusst werden. c) Effektives Cash Pooling wird auch als physisches Pooling oder Cash Concentration bezeichnet. Hierbei fließen von sogenannten Ursprungskonten die freien Beträge auf das Masterkonto (bei der Konzern-Muttergesellschaft). Die Konten werden automatisch ausgeglichen, entweder auf Null gestellt (Sweeping / Covering oder Zero Balancing) oder bis zu einem Beispiel ▼ Habenzinssatz: 3,125% Sollzinssatz: 5,75% Konto Stand Zinsertrag ohne Pooling Zinsertrag mit Pooling 1 400 2 300 3 - 500 12,5 9,375 fiktiver Pool: 200 - 28,75 Gesamt - 6,125 6,25 Abb 7.16 | ▲ Cross Currency Pooling Effektives Cash Pooling 237 c a s h m a n a g e m e n t definierten Grund- oder Sockelbetrag geleert bzw. aufgefüllt (Target Balancing oder Conditional Balancing). In großen Konzernen wird es gewöhnlich in Verbindung mit der Netting-Technologie praktiziert. Transaktionen beim effektiven Pooling d) Pooling im internationalen Unternehmen wird auch Multicurrency Pooling (währungsübergreifendes Pooling) genannt. Es gestaltet sich auf Grund der benutzten (verschiedenen) Fremdwährungen schwierig. Gewöhnlich muss nach Währungen und / oder Regionen getrennt gesteuert werden. Masterkonten werden zweckmäßigerweise bei Banken an internationalen Banken-Zentren, wie London oder Singapur unterhalten oder eine Tochtergesellschaft im Emissionsland einer Währung (z. B. den USA) konzentriert und verteilt weltweit die liquiden USD. Damit erschließen sich vielfältige Möglichkeiten für die Finanzierung von Tochtergesellschaften im Ausland oder Anlagen an den internationalen Finanzmärkten. Zugleich müssen nicht nur diese Entscheidungen getroffen werden. Vielmehr stellt sich auch immer die Frage, welcher Betrag einer Währung umgetauscht werden sollte und in welche andere Währung unter Berücksichtigung von Kurserwartungen und Zinssätzen usw. (2) Netting Mit dem Begriff Netting, auch Clearing genannt, bezeichnet man „…die gegenseitige buchmäßige Verrechnung von grenzüberschreitenden Forderungen und Verbindlichkeiten…“ zwischen Unternehmen eines Konzerns (Perlitz, 1993, S. 447). Die Zahlungsströme bestehen nur noch aus den Nettobeträgen. Das Ziel besteht darin, die konzerninternen Zahlungen / Transfers (zwischen den zugehörigen Unternehmen) auf das unumgängliche Maß zu beschränken. (Mit fremden Unternehmen kann speziell bilaterales Clearing auch praktiziert werden, dazu bedarf es aber nicht nur entsprechender Beispiel ▼ Salden der Unternehmen: Transaktionen: A 400 an Zentrale B 300 an Zentrale 200 im Pool Anlage der C 500 von Zentrale (in Zentrale) Mittel A 400 B 300 C - 500 � � � � | Abb 7.17 ▲ Multicurrency Pooling 238 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Zahlungsverflechtungen sondern auch des erklärten Willens dazu.) Netting / Clearing spart Kosten, die ansonsten bei den Transfers, Konvertierungen und ggf. für Absicherung / Hedging (gegen das Wechselkursrisiko) vor allem gegenüber den Banken anfallen würden. Die Daten stellt grundsätzlich die Finanzbuchhaltung (der teilnehmenden Konzerneinheiten) zur Verfügung: Das betrifft Wert, Währung und Fälligkeit der einzelnen Forderung oder Verbindlichkeit. Bei der Nutzung dieser Technik muss zwischen mehreren Dimensionen gewählt werden: ▶ bilaterales oder multilaterales Netting ▶ nationales oder internationales Netting ▶ Forderungsnetting oder Verbindlichkeitsnetting. Große Unternehmen geben diese Aufgabe gewöhnlich in eine spezielle Struktureinheit, genannt Netting Center. Hier werden für die beteiligten Unternehmen alle benötigten Daten gesammelt, abgestimmt und in Verrechnungsmatrizen eingearbeitet. Damit werden für jedes Clearingmitglied die Nettoforderungen oder -verbindlichkeiten gegenüber allen anderen Teilnehmern sichtbar. Um den Prozess nicht unnötig zu komplizieren, werden Forderungen und Verbindlichkeiten i. d. R. für den gesamten Konzern zu festgelegten einheitlichen Terminen fällig, beispielsweise am 10. Arbeitstag jedes Monats. Bei mehreren Währungen kann Netting getrennt erfolgen, z. B. für €, US-Dollar, britisches Pfund usw. Oder es wird durch das Netting Center alles in eine einheitliche Währung umgerechnet. Die dann ermittelten Nettosalden / Zahlungen fließen den Empfängern wiederum in der jeweils benötigten (fremden) Währung zu. Cashflow vor und nach Netting 1. Schritt: Erfassung der Forderungen / Verbindlichkeiten: Ursprünglicher Cashflow Einheit an von A B C D Zahlungen A - 11 6 13 30 B 8 - 4 10 22 C 16 4 - 5 25 D 5 4 2 - 11 Eingänge 29 19 12 28 88 Zahlungen -30 -22 -25 -11 Nettobetrag -1 - 3 -13 17 Netting-Systematik Beispiel ▼ Tab. 7.8 | 239 c a s h m a n a g e m e n t 2. Schritt: Bilaterales Netting / Clearing: Cashflow nach bilateralem Netting Einheit an von A B C D Zahlungen A - 3 - 8 11 B - - - 6 6 C 10 - - 3 13 D - - - - - Gesamt 10 3 0 17 30 3. Schritt: Multilaterales Clearing / Netting: Cashflow nach multilateralem Netting Einheit an von A B C D Zahlungen A - - 1 1 B - - - 6 6 C - 3 - 10 13 D - - - - - Gesamt 0 3 0 17 20 Interpretation der Schritte: (1) Der erste Schritt beinhaltet die schon erwähnte Erfassung (per aktuellem Stichtag) der Zahlen lt. Buchhaltung (Debitoren / Creditoren) der Unternehmen durch die Zentrale. Im Beispiel werden 12 Zahlungsverpflichtungen ausgewiesen, das Volumen lautet 88. (2) Im zweiten Schritt wird zweiseitig aufgerechnet, A zahlt den Saldo von 3 an B usw. Es bleiben fünf Zahlungen übrig, das zu bewegende Volumen beträgt 30. (3) Als letzter Schritt wird ein multilaterales Clearing probiert. Das birgt bei einer größeren Zahl von teilnehmenden Unternehmen mehr Möglichkeiten als bei wenigen. Im Beispiel gibt es eine Verrechnung der Verpflichtungen von C an A mit denen von A an B und D. Damit verkürzt sich die Zahl der Transfers auf 4 und das Zahlungsvolumen sinkt auf 20. (3) Balance Reporting Als Balance Reporting wird der Baustein eines Cash Management Systems bezeichnet, mit dem Kontostände bei Banken von (Kunden-) Unternehmen (elektronisch) abgefragt oder diesen von der Bank mitgeteilt werden können. | Tab. 7.9 | Tab. 7.10 ▲ 240 i n t e r n a t i o n a l e s F i n a n z m a n a g e m e n t Man kann darunter aber auch weitergefasst den interaktiven Prozess der Kooperation von Banken und Nichtbanken bei der Schaffung einer optimalen Datenbasis für das Cash Management verstehen. Ohne diese Informationen sind die bereits erläuterten Ziele und Aufgaben des Cash Management nicht zufriedenstellend erreichbar oder lösbar. Das gilt besonders für die Disposition zur Gewährleistung der situativen Zahlungsfähigkeit und die Gestaltung des Zahlungsverkehrs unter Beachtung der einzelnen Währungen. Auch die Handhabung des Pooling fußt auf dieser Zusammenarbeit. Grundsätzlich gilt: Je aktueller die Daten, desto bessere Möglichkeiten ergeben sich bei der Senkung der Aufwendungen bzw. der Steigerung der Erträge durch Cash Management. Über den tatsächlichen Stand der Zahlungseingänge und -ausgänge eines Unternehmens geben dessen Bankkonten zuverlässig Auskunft. Nur über Guthaben kann problemlos disponiert werden Die bankinterne unverzügliche Verarbeitung jeder neuen Information (Zufluss / Abfluss) zu einem Konto in „Real Time“ ist also für ein ambitioniertes Cash Management ideal und technisch auch kein Problem mehr. Die Kosten eines solchen Verarbeitungs- und Informationssystems sind jedoch nicht vernachlässigbar und müssen auch in eine Kosten-Nutzen-Betrachtung einfließen. Schon wenn die Banken nur einmal täglich die Kontostände aktualisieren (sogenannte „Batch“-Verarbeitung), tritt durch die elektronische Übermittlung (an Stelle von per Brief zugesandten Kontoauszügen) eine wesentliche Steigerung der Datenaktualität ein. Die Informationen können nicht nur Kontokorrentkonten (in diversen Währungen) betreffen, sondern auch Darlehens- und Termingeld-Konten, kurzfristige Geldgeschäfte (wie Anlage oder Leihe „Overnight“ usw., Devisenkauf oder -verkauf mit Forward (Devisentermingeschäft) usw. Es kann über Fälligkeiten, Tilgungsstand, Restschulden, (wahrscheinliche) zukünftige Zinsen u. a.m. informiert werden. 1 Welche Aktivitäten charakterisieren die (tägliche) Finanz-Disposition? 2 Was bedeutet Pooling und was unterscheidet fiktives Pooling vom effektiven Pooling? 3 Was bringt das multilaterale Netting, wenn folgende Forderungen / Verbindlichkeiten in der nächste Woche in USD fällig werden: Einheit W zahlt an die Einheiten X, Y, Z folgende Beträge: 3, 7, 1 Einheit X an W, Y, Z: 5, 2, 10 Einheit Y an W, X, Z: 5, 6, 0 Einheit Z an W, X, Y: 9, 1, 3 Fragen ▼ ▲ 241 l i t e r a t u r B eike , R.; S chlütz , J. (2005): Finanznachrichten lesen - verstehen - nutzen. Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag B üSchgen , h. e. (1997): Internationales Finanzmanagement. 3. Auflage, Frankfurt a. M.: Fritz Knapp Verlag B üteR , c. (2007): Außenhandel. Grundlagen globaler und innergemeinschaftlicher Handelsbeziehungen. Heidelberg e ilenBeRgeR , g. (2004): Währungsrisiken, Währungsmanagement und Devisenkurssicherung von Unternehmungen. Frankfurt a.M. J onaS , h. (1970): Der Handelskredit. In: Janberg (Hrsg.), Finanzierungs-Handbuch, 1970, Wiesbaden P eRlitz , M. (1993): Internationales Management. Stuttgart / Jena P eRRidon , l.; S teineR , M.; R athgeBeR , a. (2009): Finanzwirtschaft der Unternehmung. Verlag Vahlen München S tockeR , k. (2001): Wechselkursmanagement auf Euro-Basis. Grundlagen-Instrumente- Strategien. Wiesbaden: Gabler Verlag V olkaRt , R. (2008): Corporate Finance. Grundlagen von Finanzierung und Investition. Zürich: Versus Verlag W olke , t. (2007): Risikomanagement. Oldenbourg Verlag München Literatur | 7.4 242 Register A Ablauf der Kapitalwertmethode 33 Aktiengesellschaft (AG) 120 Aktien-Performanceanalyse 87 Aktienrentabilität 87 Akzessorietät 148 Amortisationsdauer 62 Analyse der Markterwartungen 90 Außenfinanzierung 17 B Balance Reporting 239 Beschleunigung (Leading) von Einzahlungen 234 Betriebswirtschaftliche Erfolgsmodelle 13 Bezugsrecht 95 C Cashflow 100 Cash Management 231 Cross Rates 197 D Delkredere-Zins 144 Deutsche Corporate Governance-Kodex 26 Devisen-Future 215 Devisenhandel 194 Devisen-Optionen 218 Discounted Cashflow-Methode 22 Dokumenten-Akkreditiv 207, 224, 226 Dokumenten-Inkasso 224 dreigliedriges Rechnungswesen 103 Dynamische Investitionsverfahren 29, 54 E Eigentumsvorbehalt 168 Einfache Zinsrechnung 46 Entscheidungsregel 62 Ergänzungsinvestition 60 Ertragswertverfahren 85 EVA-Verfahren 26, 92 F Finanzanalyse 19 Finanzderivate 182 Finanzhedge 209 Finanzielles Gleichgewichts (Liquidität) 14 Finanzierung 22 Finanzierung aus Abschreibungen 107 Finanzierung aus Desinvestitionen 109 Finanzierung aus Rückstellungen 108 Finanzierungsformen 17 Finanzierungsfunktion von Kreditsicherheiten 145 Finanzierungsziele 17 Finanzierung von Auslandsgeschäften 186 Finanzkrise 183 Finanzmathematische Grundlagen 29, 46 Finanzorientierte Personalwirtschaft 26 Finanzplanung (Cash-Management) 14 Floating Rate Notes 193 Förderauftrag 123 Forderungsgarantie 159 Forward 211 G Gesetzliche Sicherungsrechte 149 Gewinnthesaurierung 106 GmbH & Co. KG 117 Grundgeschäft 147 Grundpfandrechte 170 H Haftungsverband 173 Handelsgewerbe 115 Humesches Problem 85 Hypothek 170 I Induktionsproblem 85 Inhaberaktie 120 Innenfinanzierung 18, 98 Innengesellschaft 125 Innerer Wert eines Unternehmens 86 Insolvenz 15 Insolvenzverfahren 143 Intellektuelles Kapital 95 Internationale Finanzmärkte 191 Internationale Geldmärkte 192 Internationale Kapitalmärkte 193 Internationales Finanzmanagement 182 Internationale Zinsmanagement 190 Investition 22, 30 Investitionsprojekt 31 Investitionsverfahren 31 Investment-Aktiengesellschaften 131 K Kapazitätserweiterungseffekt 107 Kapitalanteil 116 Kapitalbedarf 14 Kapitaldeckung 14 Kapitalflussrechnung 103 Kapitalgesellschaft 19 243 r e g i s t e r Kapitalmarktorientierte Finanzierungstheorie 21 Kapitalwertmethoden bei Einzelinvestition 56 Kapitalwertmethode (net present value = NPV) 31 Kommanditgesellschaft (KG) 116 Kommanditisten 117 Komplementär 117 Konzernexterne Außenfinanzierung 187 Kostenvergleichsverfahren 37 Kurssicherungsklauseln 207 L Lagging 187 Leading 187 LIBOR (London Interbank Offered Rate) 191 Liquidation 37 Liquiditätsstatus 20 Lohmann-Ruchti-Effekt 107 M Marktbasierte Performanceanalyse 84, 87 Marktwert 85 Marktwertbasierte Performanceanalyse 87 Marktwert des Eigenkapitals 85 Mengennotierung 196 Merkmale von Investitionsverfahren 32 Methode des internen Zinsfußes 65 Methodische Prämissen der dynamischen Investitionsverfahren 55 Methodische Prämissen der statischen Investitionsverfahren 35 Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte 114 N Nachschusspflicht 118 Nachteile der statischen Verfahren 41 Namensaktie 120 Neo-institutionalistische Finanztheorie 24 Netting 237 Niederlassungsfreiheit 119 O Offenen Handelsgesellschaft (OHG) 115 Ökonomische Interessen der Beteiligungsfinanzierung 113 Operativer Cashflow 102 P Patronatserklärung 189 Personengesellschaft 19 Persönliche Kreditsicherheiten 141 Pooling 235 Preisnotierung 196 Prinzipal-Agent-Problem 22 Prioritätsprinzip 142 Prognosen 85 Prospektiven Unternehmensanalyse 83 Publizität 165 R Residualgewinn-Modell 90, 92 Retrospektiven Unternehmensanalyse 83 S Schuld(mit)übernahme 159 Selbstschuldnerische Bürgschaft 152 Separationstheorem (Fisher-Separationstheorem) 31 Shareholder Value 83 Shareholder Value Ansatz 30 Shareholder Value-Philosophie von Rappaport 31 Sicherungsabrede 148 Sicherungsfall 141 Stammaktie 120 Stammeinlage 117 Stammkapital 118 Statische Investitionsverfahren 29, 34, 37 Stille Gesellschaft 124 Straight Bonds 193 Strategien gegen das Wechselkursrisiko 206 Strategische Bilanzanalyse 82 Strategische Ressourcenanalyse 84, 94 Stundungsabrede 148 T Tilgung einer Annuitätenschuld 49 Tilgung einer gesamtfälligen Schuld 49 Tilgung einer Ratenschuld 49 traditionelle Finanzierungslehre 13 Transferpreise 187 Transferrisiko 204 U Überrenditeerwartung von Investoren 90 Unternehmensanalyse 82 -, Grenzen der 84 Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (UBG) 127 Unternehmensbewertungsmethoden 21 V Verarbeitungsklausel 169 Verbindung von Forderung und Sicherungsrecht 148 Verzögerung (Lagging) von Auszahlungen 234 Vinkulierten Namensaktie 121 Vorzugsaktie 120 244 r e g i s t e r W Wachstumserwartungen von Investoren 92 Währungs-Swap 221 Währungstransaktionsrisiko 202 Währungsumrechnungsrisiko 202 Wertorientierte Bilanzanalyse 84 Werttreiberanalyse 84, 93 Working-Capital-Management 99, 105 Wucher 148 Z Zeitbezug der Unternehmensanalyse 83 Zero Bonds 193 Ziele des Cash Management 232 Zielsystem von Unternehmen 82 Zinseszinsrechnung 47 Zukunftserfolgswert eines Unternehmens 90 Zwangsvollstreckung 142 Glossar Akzessorietät Abhängigkeit des Bestandes und der Höhe eines Rechtes von dem eines anderen Rechtes. Akzessorietät kommt insbesondere beim Pfandrecht, bei der Hypothek oder der Bürgschaft vor. Besteht bei diesen Rechten die Forderung, für die die Hypothek und das Pfandrecht bestellt wird oder für die sich ein Bürge verbürgt hat, nicht, entfällt auch das Sicherungsrecht. Ist die dem Sicherungsrecht zu Grunde liegende Forderung bereits zur Hälfte getilgt, existiert der Anspruch des Gläubigers aus dem Sicherungsrecht (aus der Hypothek, aus dem Pfandrecht bzw. aus der Bürgschaft) auch nur zur Hälfte. Anwartschaftsrecht Rechtsposition des Erwerbenden, bei dem der Erwerb des Rechtes oder der Sache letztlich nur von einer Handlung des Erwerbenden selber abhängig ist. Das Anwartschaftsrecht entsteht im Fall des Eigentumsvorbehaltes oder bei der dinglichen Lösung der Sicherungsübereignung hinsichtlich des automatischen Rückfalls des Eigentums am Sicherungsgegenstand. Da das Anwartschaftsrecht eine derart verfestigte Erwerbsposition ausdrückt, sieht die Rechtsprechung das Anwartschaftsrecht als ein „wesensgleiches Minus“ zum Eigentumsrecht an. Dementsprechend schützt die Rechtsprechung das Anwartschaftsrecht als sog. „sonstiges Recht“ - wie das Eigentumsrecht - in § 823 Abs. 1 BGB. Bezugsrecht Das Recht des Aktionärs, im Fall der Kapitalerhöhung - durch die Ausgabe weiterer Aktien oder der Aufnahme neuer Aktionäre - Aktien des Unternehmens (zu Sonderkonditionen) zu erwerben. Das Gesetz gewährt in den oben genannten Fällen jedem Aktionär ein solches 2 4 5 2 4 6 Glossar Bezugsrecht, um den Wertverlust seiner bisher gehaltenen Aktien durch die Kapitalerhöhung (→ Verwässerungseffekt) zu kompensieren. Der Aktionär muss sein Bezugsrecht nicht ausüben, er kann dieses auch verfallen lassen oder verkaufen. Cash Flow Cash Flow bezeichnet die Summe der dem Unternehmen innerhalb einer Periode zugeflossenen (Cash-In-Flow-) und abgeflossenen (Cash-Out-Flow-) Finanzmittel. Der Cash Flow einer Periode errechnet sich als Differenz zwischen den Finanzmittelbeständen am Ende und am Anfang einer Periode. Er stellt die Saldogröße der Finanzmitteltransaktionen eines Unternehmens innerhalb einer Periode dar. Um die Ursachen des Cash Flow offenzulegen, erfolgt üblicherweise eine Aufspaltung in den Cash Flow aus operativer Tätigkeit, den Cash Flow aus der Investitionstätigkeit und den Cash Flow aus Finanzierungstätigkeit. Delkredere-Zins Banken und Kreditgeber müssen ihr Risiko, dass der Schuldner bei Fälligkeit der Darlehensrückzahlung nicht zahlen kann, absichern. Dies können sie sinnvollerweise durch die Wahl geeigneter Kreditsicherheiten. Kann der Schuldner keine Kreditsicherheiten stellen, bleibt zur Absicherung des Zahlungsausfallrisikos - d.i. des Delkredere- Risikos - die Vereinbarung eines erhöhten Zinses für die Gewährung des risikobelasteten Darlehens. Dieser erhöhte Zinssatz bezeichnet man als Delkredere-Zins. d ingliche Kreditsicherheiten Neben den persönlichen Sicherheiten kennt das deutsche Recht eine Anzahl an dinglichen Kreditsicherheiten. Zu nennen sind hier insbesondere das Pfandrecht (an beweglichen Sachen und Forderungen), der Eigentumsvorbehalt, die Sicherungsübereignung (von beweglichen Sachen und von Forderungen), die Hypotheken und Grundschulden. Im Fall der dinglichen Kreditsicherheiten haftet der als Sicherheit gegebene Gegenstand für die Bezahlung der Forderung. Glossar 2 4 7 EVA-Verfahren Das EVA-Verfahren (Economic Value Added-Verfahren ® der Consultants Stern Stewart & Co.) ist ein Verfahren zur internen Steuerung von Unternehmen. Es basiert auf dem Residualgewinnkonzept, zielt aber auf eine praxisnahe Ausgestaltung. Der Residualgewinn (EVA) wird wie folgt berechnet: EVA = NOPAT - Kapitalkosten für das eingesetzte Geschäftskapital. Der NOPAT (Net Operating Profit After Taxes) ist eine Nach-Steuergröße und wird aus dem Jahresergebnis wie folgt abgeleitet: EBIT (Earnings Before Interest And Taxes) ± außerordentliche und aperiodische Ergebnisbestandteile = periodenbezogener ordentlicher EBIT (p. o. EBIT) - Steuern auf den p. o. EBIT = NOPAT Faustpfandrecht Das Recht des Pfandinhabers - gegen den Willen des Eigentümers - aus der Vollstreckung seines Eigentum zu befriedigen, das heißt, mit dem Erlös der Vollstreckung in fremdes Eigentum seine ausstehende Forderungen begleichen zu können. In Deutschland setzt das Pfandrecht immer die Übergabe des Pfandgegenstandes an den Pfandnehmer voraus. Die Rückgabe des Pfandgegenstandes an den Pfandgeber bringt das Pfandrecht sogar zum Erlöschen. Da also im deutschen Recht der Pfandgegenstand immer beim Pfandnehmer zu bleiben hat, spricht der Volksmund vom Faustpfandrecht. Förderauftrag Die eingetragene Genossenschaft (eG) verfolgt grundsätzlich nicht den Zweck, zur Erhöhung eigener Gewinne am Markt tätig zu sein. Ihr Geschäftsweg ist nach § 1 GenoG darauf gerichtet, die Wirtschaftstätigkeit ihrer Mitglieder (Genossen) zu fördern. Forderungsgarantie Das vertraglich abgegebene Versprechen des Garantierenden, für den Eintritt der Zahlung einer ausstehenden Forderung an den Gläubiger einstehen zu wollen. 2 4 8 Glossar Fungibilität Übertragbarkeit von Unternehmensanteilen, besonders hoch bei Kapitalgesellschaften, insbesondere bei der Aktiengesellschaft, deren Anteile an oder außerhalb der Börse grundsätzlich von jedem Interessenten zu erwerben sind. Geldeinlage Vom Gesellschafter in das Vermögen der Gesellschaft zu zahlender Beitrag. Dieser besteht bei der Geldeinlage in Geld bzw. konvertiblen Währungen. Gesellschaftsform Die rechtliche Ausgestaltung des Zusammenschlusses mehrerer juristischer oder/ und natürlicher Personen zur Verfolgung eines Unternehmenszweckes (z.B.: OHG, KG, GmbH & Co KG, GmbH, UG (haftungsbeschränkt) AG, KGaA, eG). Haftungsverband Die Gesamtheit aller Rechtsobjekte, die mit dem ursprünglichen Sicherungsgegenstand in die Haftungsmasse fallen. Bei einer Hypothek (Sicherungsgegenstand) zählen hierzu auch auf dem belasteten Grundstück stehende Gebäude (§§ 93 i.V.m. 94 Abs. 1 BGB, die Erzeugnisse des Grundstücks (§§ 93 i.V.m. 94 Abs. 1 BGB) sowie Zubehör im Sinne des § 97 i.V.m. § 1120 2ter Halbsatz BGB. Als Gegenstände der Mithaftung erhöhen sie den Sicherungswert der Hypothek. Inhaberaktie Ein/ e Wertpapier/ Aktie, das die Ausübung der Rechte des Aktionärs allein von der „Inhaberschaft“ der Aktie abhängig macht. Dementsprechend einfach ist der Erwerb einer Inhaberaktie. Hierzu genügt der Erwerb des Aktienpapiers bzw. der in ihm verbrieften Forderung. Dieser Eigentumserwerb ist vollendet mit der Aufnahme der Aktie in das Depot. Glossar 2 4 9 Innenfinanzierung Innenfinanzierung bedeutet die Finanzierung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft aus unternehmensinternen Quellen. Die Innenfinanzierung gehört zur Eigenfinanzierung, der zweiten Finanzierungsquelle eines Unternehmens neben der Außenfinanzierung. Die wichtigste Innenfinanzierungsquelle stellt der operative Cash Flow dar. Dieser wird gespeist aus dem Cash Flow der am Absatzmarkt veräußerten Güter und Dienstleistungen, und optimiert durch das Working-Capital-Management (Cash-Cycle-Management und Rationalisierungsmaßnahmen zur Verringerung des Cash-Out-Flow). Zur Innenfinanzierung zählt zudem der Prozess der Transformation von Sachgütern in Finanzmittel (Desinvestitionen). Innengesellschaft Eine Gesellschaft, die nach außen als solche nicht in Erscheinung tritt. Damit regelt die Innengesellschaft nur das Verhältnis zwischen den Gesellschaftern untereinander bzw. zwischen ihnen und der Gesellschaft, nicht aber das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten bzw. das der einzelnen Gesellschafter zu Dritten. Typischer Fall der Innengesellschaft ist die stille Gesellschaft oder auch die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Insolvenz (auch: Gesamtvollstreckung, vormals: Konkurs): Verfahren zur kollektiven und gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger im Fall der Zahlungsunfähigkeit, drohenden Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Schuldners. Die Insolvenz kennt das Prioritätsprinzip nicht. Vielmehr befriedigt sie alle Gläubiger gleichmäßig aus dem verbleibenden Schuldnervermögen, der so genannten Insolvenzmasse. Dabei erhalten die Gläubiger eine einheitliche Quote. Deren Höhe ist abhängig von konjunkturellen Bedingungen. In der Regel ist sie so gering (3 bis 8%), das im Insolvenzverfahren die Gläubiger den Großteil ihrer Forderungen nicht erlangen können. 2 5 0 Glossar intellektuelles Kapital Intellektuelles Kapital ist der Teil des Zukunftserfolgswertes, der nicht auf stille Reserven oder identifizierbare immaterielle Vermögenswerte entfällt. Intellektuelles Kapital ist insbesondere Gegenstand der strategische Ressourcenanalyse und kann eingeteilt werden in Human Capital (u. a. Wissen, Kompetenz, Motivation), Customer Capital (u. a. Kundenloyalität, Marktanteile, Marken, Abnahmeverträge), Supplier Capital (u. a. vorteilhafte Verträge mit Zulieferern oder Bezugsrechte), Investor Capital (u. a. Ausprägung von Investor Relations, gutes Rating), Process Capital (u. a. Fähigkeiten zur Netzwerkbildung oder in der aufbau- und ablauforganisatorischen Abwicklung der Wertschöpfungsprozesse in Produktion, Vertrieb, Entwicklung etc.), Location Capital (vor allem Standortvorteile), oder Innovation Capital (u. a. Produkt- und Verfahrensinnovationen, Patente, Rezepturen, ungeschützte technische Erfindungen). Kapitalanteil Anteil des Umfangs der Mitgliedschaft/ Beteiligung des Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen. Damit ist der Kapitalanteil - insbesondere bei Kapitalgesellschaften - gleichzeitig Bemessungsmaßstab für Mitbestimmungsrechte, Gewinnbeteiligungsrechte und die Verpflichtung des Gesellschafters, sich an dem Verlust der Gesellschaft zu beteiligen. Kapitalgesellschaft Ein rechtsfähiger Zusammenschluss von juristischen und natürlichen Personen zur Verfolgung eines gemeinsamen, in der Regel wirtschaftlichen Zweckes. Die Kapitalaufbringung, -erhaltung und -vermehrung steht in der Regel im Vordergrund der Gesellschaft, so dass sich die Einflussmöglichkeit der Gesellschafter durch die Erhöhung ihrer Kapitaleinlage erhöht. Das Abstellen auf den finanziellen Aspekt der Kapitalgesellschaft führt zu dem gleichzeitigen Zurücktreten persönlicher Bindungen. Insbesondere bei der Aktiengesellschaft sind daher Anteile an ihr unproblematisch übertragbar. Glossar 2 5 1 Kommanditist Der nur beschränkt (d.h. nur mit seiner Einlage) haftende Gesellschafter einer KG. Komplementär Der persönlich (d.h. mit seinem ganzen eigenen Vermögen, wie ein Mitglied einer OHG) haftende Gesellschafter einer KG. Kreditauftrag Rechtsgeschäft, bei dem ein Auftraggeber einen anderen damit beauftragt, einem Dritten ein Darlehen oder eine Finanzierungshilfe zu gewähren. Im Fall des Kreditauftrages (§ 778 BGB) haftet der Auftraggeber, für die Verpflichtung des Dritten aus dem Darlehen und der Finanzhilfe, dem Beauftragten wie ein Bürge. Liquidation Auflösung des Unternehmens mit dem Ziel, alle in dem Unternehmen / in der Gesellschaft gebundenen Vermögenswerte „flüssig“ (= liquide) zu machen, um dadurch ausstehende Forderungen des Unternehmens begleichen zu können bzw. das hierdurch erzielte Kapital den Gesellschaftern ausschütten zu können. Lohmann-Ruchti-Effekt Der Lohmann-Ruchti-Effekt ist ein in der Praxis kaum nachweisbarer Kapazitätserweiterungseffekt. Dieser beschreibt die Möglichkeit der Erweiterung der Produktionskapazitäten eines Unternehmens aus solchen Finanzmitteln, die kumulierten Abschreibungsgegenwerten mehrerer Investitionsobjekte entstammen, in die noch nicht reinvestiert wird. Voraussetzung für eine stetige Reinvestition der Abschreibungsgegenwerte ist, dass die Abschreibungen durch Einzahlungen gedeckt sind und dem Abbau der Totalkapazität entsprechen. 2 5 2 Glossar marktwertbasierte Performanceanalyse Die marktwertbasierte Performanceanalyse stellt die Chancen und Risiken eines Unternehmens ins Verhältnis zu dem am Kapitalmarkt beobachtbaren Wert des Eigenkapitals. Das Ziel der Analyse besteht darin festzustellen, welche strategischen Faktoren aus Sicht der externen Investoren Einfluss auf die Wertbildung haben und welche Wachstumserwartungen sich im Zukunftserfolgswert des betrachteten Unternehmens widerspiegeln. Dazu zählen Aktien-Performanceanalysen und Analysen der Überrendite- und Wachstumserwartungen. Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte Gesellschaftsrechtliche Möglichkeit der Einflussnahme von Gesellschaftern auf die Geschäfts- und Unternehmenspolitik. Die Intensität der Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte bestimmt sich - mit Ausnahme der eG - grundsätzlich an der Höhe der erbrachten Einlage des Gesellschafters. Ihre Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte üben die Gesellschafter in der Hauptbzw. Gesellschafterversammlung aus. Die gesellschaftsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte sind von der arbeitsrechtlichen Mitbestimmung zu unterscheiden. Diese bezieht sich ausschließlich auf personelle - und nicht auf unternehmerische - Angelegenheiten. Nur in den Fällen der arbeitnehmerseitigen Mitwirkung nach dem Montan-Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsergänzungsgesetz, dem Mitbestimmungsgesetz [bei mehr als 2000 Arbeitnehmern in Kapitalgesellschaften], und dem Drittelbeteiligungsgesetz (ehem. Betriebsverfassungsgesetz 52) erhalten Arbeitnehmer ausnahmsweise und auch nur in speziellen Sektoren tätigen Unternehmen mit einer besonderen Rechtsform und Größe die Möglichkeit, in unternehmerischen Fragen in Aufsichtsräten und als Arbeitsdirektor mitzuwirken. Nachschusspflicht Die Verpflichtung der Gesellschafter, anteilsmäßig das Gesellschaftskapital zu erhöhen und damit für entstandene Verluste der Gesell- Glossar 2 5 3 schaft einzustehen. Die Nachschusspflicht kann alle Verluste decken (uneingeschränkte Nachschusspflicht) oder auch nur einen Teil derselben (eingeschränkte Nachschusspflicht). Die Existenz ergibt sich aus dem Gesetz. Dieses sieht sie nur für die GmbH (§ 26 GmbHG) und die eingetragenen Genossenschaft (eG) (§§ 22a, 98 GenoG) vor. Zahlreiche Einzelheiten hinsichtlich der Ausgestaltung der Nachschusspflicht ergeben sich aus der Satzung der Gesellschaft. Namensaktie Im Gegensatz zur Inhaberaktie muss der Rechtsinhaber nach § 67 Abs. 1 AktG im Aktienregister der Gesellschaft eingetragen sein, um die Rechte eines Aktionärs (Mitbestimmungs-, Mitwirkungsrechte, Gewinnverteilung etc.) ausüben zu können. Niederlassungsfreiheit Das nach Art. 49 ff. AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union ) europarechtlich festgelegte Recht von Wirtschaftseinheiten (z.B.: Personen- und Kapitalgesellschaften wie auch von Einzelpersonen), grenzüberschreitend in Europa unternehmerisch tätig zu werden, insbesondere durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen und Tochtergesellschaften oder den Sitz einer eigenen Niederlassung in einem europäischen Mitgliedstaat. o perativer Cash Flow Der operative Cash Flow entstammt überwiegend den Markttransaktionen des Unternehmens und ist damit die wichtigste Finanzierungsquelle eines Unternehmens. Der Cash-In-Flow wird durch Verkäufe von Gütern und Dienstleistungen, der Cash-Out-Flow durch den Erwerb von Rohstoffen, Vorleistungen und der Beschäftigung von Personal verursacht. Die Ein- und Auszahlungen des operativen Bereichs können sowohl aus der zu betrachtenden Periode als auch aus vorgelagerten Perioden stammen. Sie sind zu unterscheiden von den Komponenten des Jahresergebnisses. Nicht alle Komponenten des Jahresergebnisses sind auch in der Periode ihre Verursachung zah- 2 5 4 Glossar lungswirksam. Daher enthält der operative Cash Flow regelmäßig auch solche Zahlungen, die in Vorperioden verursacht wurden. Personengesellschaft Ein Zusammenschluss von juristischen und natürlichen Personen zum Betrieb eines Handelsgewerbes. Personengesellschaften (OHG, KG) erklären das Gesetz (§ 124 HGB) für bestimmte Bereiche (teil-)rechtsfähig. In der Regel besteht zwischen den Mitgliedern von Personengesellschaften eine enge persönliche Bindung, die u.a. eine Übertragung des Geschäftsanteils von der Zustimmung aller übrigen Gesellschafter abhängig macht. persönliche Kreditsicherheiten Bei den persönlichen Kreditsicherheiten [Bürgschaft, Kreditauftrag, Garantievertrag, Schuld(mit)übernahme, sog. Schuldbeitritt, Schuldübernahme] erhält der Gläubiger einen zusätzlichen oder einen neuen Schuldner. Dieser schuldet für die Verbindlichkeit eines Dritten. Prioritätsprinzip Rechtliches Gestaltungsprinzip, nachdem derjenige, der seinen Anspruch als erstes anmeldet, ihn auch als erstes befriedigt bekommt, soweit hierzu das Vermögen des Schuldners ausreicht. Zeitlich später kommende Gläubiger müssen sich zur Befriedigung ihrer Forderung mit dem verbleibenden Restvermögen des Schuldners begnügen. Publizität Die Erkennbarkeit von rechtlichen Tatbeständen, insbesondere von Rechtszuordnungen. Die Zuordnung des Eigentums zum Eigentümer sichert das deutsche Zivilrecht (§ 1006 BGB) durch den Besitz. Dies bedeutet, dass für jeden Besitzer einer Sache vermutet wird, dass er auch der Eigentümer sei. Das Rechtsinstitut der Publizität spart unnötige Transaktionskosten, die anderenfalls dann entstünden, wenn sich die Parteien über die rechtliche Zuordnung eines Gegenstandes kostenaufwändig erst im Klaren werden müssten. Glossar 2 5 5 Residualgewinn Der Residualgewinn einer Periode ist der Gewinn nach Steuern zuzüglich Zinsen abzüglich eines Verzinsungsbetrags auf das eingesetzte Kapital zu Beginn der Periode. Wird der WACC (Weighted Average Cost of Capital) als Verzinsungssatz genutzt, ist zusätzlich das Tax Shield der Zinsen zu korrigieren. Bei Geltung des Kongruenzprinzip (Clean Surplus Accounting), wonach die Summe aller Erträge und Aufwendungen der Summe aller Einzahlungen und Auszahlungen entspricht, kann das Residualgewinn-Modell der Bestimmung des Zukunftserfolgswerts eines Unternehmens zugrunde gelegt werden. Sacheinlage Die von dem Gesellschafter an die Gesellschaft zu leistende Einlage muss nicht in jedem Fall in Geld bestehen (Geldeinlage). Der Gesellschaftsvertrag kann auch festlegen, dass der Gesellschafter seine Einlagepflicht in Form von Sachen - z.B. Grundstücke, Pkw, Maschinen etc. - leisten kann. Das Problem bei diesen Sachanlagen besteht oftmals in der Festsetzung dessen konkreten Wertes. Shareholder Value-Ansatz Der Shareholder Value-Ansatz wurde von Alfred Rappaport („Creating Shareholder Value“, 1986, Chicago-School) formuliert und ist heute allgemein anerkannt. Kernanliegen des Ansatzes ist es, dass die Unternehmensziele an den Zielen der Anteilseigner (Eigenkapitalgeber) auszurichten sind. Da aber oft auch die Ziele der Anteilseigner konkurrieren, wird auf die Maximierung des Unternehmenswertes abgestellt. Als Unternehmenswert wird i. d. R. der „Marktwert des Eigenkapitals“ verstanden. Sicherungsfall Situation, in der der Schuldner eine ausstehende Forderung des Gläubigers nicht begleichen kann oder will. 2 5 6 Glossar Sondervermögen Das Kapital der Anleger, die dieses in einen Fonds (eine Fonds- Beteiligung) einer Investmentgesellschaft anlegen. Zum Schutz dieses Anlegerkapitals - vor Verlusten der Investmentgesellschaft, speziell vor Wertverlusten anderer von der Investmentgesellschaft gehaltenen Fonds - ist dieses Kapital stets von dem Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt zu halten. Selbst der Zugriff von Gläubigern der Investmentgesellschaft auf das Anlegerkapital ist im Fall deren Insolvenz ausgeschlossen. Es bildet daher das so genannte Sondervermögen. Stammaktie Übliche Form der Aktie, die - im Gegensatz zur Vorzugsaktie - mit Mitwirkungs- und Stimmrechten des Aktionärs ausgestattet ist. Stammeinlage Anteil des einzelnen Gesellschafters am Stammkapital der Gesellschaft. Stammkapital Die Summe der Beiträge (Sach- und Geldeinlagen), die von jedem Gesellschafter zu leisten sind. Das Stammkapital entspricht bei der Aktiengesellschaft deren Grundkapital. Im Fall der GmbH muss das Stammkapital (gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG) 25.000 € betragen. strategische Ressourcenanalyse Die strategische Ressourcenanalyse untersucht die strategischen Potenziale und Fähigkeiten eines Unternehmens. Ziel ist die Identifikation von zukünftigen potenziellen Wettbewerbsvorteilen sowie die anschließende Einschätzung, ob die Potenziale Unternehmenswachstum generieren können. Diese Potenziale sind der Teil des Geschäftswertes, der nicht auf stille Reserven oder identifizierbare immaterielle Vermögenswerte entfällt, aber im Barwert des Cash Flow eines Unter- Glossar 2 5 7 nehmens enthalten ist. Aus Sicht der Investoren haben diese bisher nicht greifbaren immateriellen Werte erheblichen Einfluss auf die Cash Flow-Prognose. Es handelt dabei im Wesentlichen um „intellektuelles Kapital“. Sicherungsrede D ie Sicherungsrede ist ein Teil des komplexen Kreditsicherungsgeschäfts. Insbesondere vereinbaren die Parteien in ihr, welches Sicherungsrecht sie zur Sicherung welcher Forderung einsetzen möchten, wie der zur Sicherheit überlassene Gegenstand zu behandeln ist, insbesondere welche Informationspflichten die Parteien des Sicherungsgeschäftes treffen und was das rechtliche Schicksal des Sicherungsgegenstandes ist, wenn der Schuldner seine Forderung beim Gläubiger beglichen hat. Unternehmensanalyse Eine Unternehmensanalyse ist ein komplexes Instrument zur Beurteilung der Lage und der Entwicklung eines Unternehmens. Die Analyse dient i. d. R. der Auswertung von Informationen eines Unternehmens durch fremde Dritte. Es handelt sich daher um eine externe Analyse, die sich auf frei zugängliche Informationen oder Informationen stützt, die von Dritten erstellt und zugänglich gemacht werden. Adressaten der externen Bilanzanalyse sind ebenso wie die des Jahresabschlusses insbesondere die aktuellen und potenziellen Anteilseigner, Kreditgeber, Kunden, Lieferanten, Arbeitnehmer, Gewerkschaften sowie die interessierte Öffentlichkeit. Die Ergebnisse der Unternehmensanalyse sind oft Grundlage wirtschaftlicher Entscheidungen. Verarbeitungsklausel Eine vertragliche Absprache, in der die Parteien vereinbaren, wer bzw. für wen die Sache verarbeitet werden soll. Die Verarbeitungsklausel bewirkt, dass das Eigentum an der verarbeiteten Sache nicht automatisch nach § 950 BGB an den tatsächlich Verarbeitenden fällt, sondern an den, den die Verarbeitungsklausel rechtlich als Verarbeiter nennt. 2 5 8 Glossar Verwässerungseffekt Durch die Ausgabe neuer Aktien (Kapitalerhöhung) und der Aufnahme neuer Aktionäre reduzieren sich die Einflussmöglichkeiten und Gewinnmöglichkeiten der „Alt-Aktionäre“, denn der Bestand der von ihnen gehaltenen Aktien macht nun einen kleineren Anteil im Verhältnis zu der Gesamt-Aktienmenge/ zum gesamten Kapital der Gesellschaft aus. Das Bezugsrecht gewährt dem „Alt-Aktionär“ die Möglichkeit, durch den Erwerb zusätzlicher Aktien diesen Wert- und Einflussverlust zu kompensieren. vinkulierte Namensaktie Sonderform der Namensaktie, zu deren Übertragung es nach § 68 Abs. 2 AktG der Zustimmung der Aktiengesellschaft bedarf. Diese Anforderung reduziert die Übertragbarkeit und Verkehrsfähigkeit (Fungibilität) der Aktie und stellt sie in diesem Punkt wirtschaftlich einem Gesellschaftsanteil an einer GmbH gleich. Vorzugsaktie Sonderform der Aktie, die im Gegensatz zur Stammaktie dem Aktionär die bevorzugte Dividendenausschüttung gewährt, demgegenüber kein Stimmrecht in der Hauptversammlung einräumt. Werttreiberanalyse Die Werttreiberanalyse untersucht die fundamentalen Treibergrößen eines Unternehmens, die Geschäftsaktivitäten. Da Unternehmen i. d. R. in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig sind, erfolgt die Analyse auf Ebene einzelner Segmente. Damit wird die Werttreiberanalyse zu einer Analyse des Geschäfts-Portfolios. Sie wird oft als eine Kombination von qualitativen und quantitativen Elementen ausgestaltet. Den Kern der qualitativen Analyse bildet die Untersuchung der Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Bedrohungen der Segmente (SWOT-Analyse). Die quantitative Analyse greift im Wesentlichen auf Instrumente der klassischen Bilanzanalyse zurück. Glossar 2 5 9 Working-Capital-Management Das Working-Capital-Management (WCM) bedeutet die gezielte Beeinflussung der Liquidität eines Unternehmens durch ein koordiniertes Debitoren- und Kreditorenmanagement (Cash-Cycle-Management) durch die Optimierung der Vorratshaltung und durch eine Verringerung der Kapitalbindung im Beschaffungs- und Produktionsbereich. Wucher Tatbestand, bei dem die Leistung zu der Gegenleistung in einem auffälligen Missverhältnis steht und bei dem der Wucherer die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen, eine erhebliche Willensschwäche oder die Zwangslage des Gewucherten ausnutzt. Wuchergeschäfte sind gemäß § 138 Abs. 1 und Abs. 2 BGB sittenwidrig und damit nichtig. Wuchergeschäfte in Finanzierungssituation können nicht nur durch die Forderung eines erhöhten Zinses entstehen. [Die Grenze der Zinshöhe zum Wucher lag bei ca. 30 %; in einer Niedrigzinsphase kann diese Grenze allerdings auf 18,6 % herabsinken (BGH NJW-RR 1990, 1199). Wucher ist dann anzunehmen, wenn der Kreditgeber etwa das Doppelte des marktüblichen Zinses verlangt (BGH NJW-RR 1989, 1068)]. Zukunftserfolgswert Der Zukunftserfolgswert eines Unternehmens ist der Barwert der Cash Flows, die künftig voraussichtlich an die Investoren fließen. Es handelt sich um einen prämissenabhängigen Unternehmenswert. Zwangsvollstreckung (auch Einzelzwangsvollstreckung): das Verfahren der staatlichen Durchsetzung privatrechtlicher Ansprüche. Die Ansprüche können dabei gehen: auf Zahlung, auf Herausgabe, auf vom Schuldner vorzunehmende Handlungen, auf Informationsverschaffung oder auf ein Unterlassen. Die Zwangsvollstreckung setzt einen Titel (z.B. Urteil 2 6 0 Glossar bzw. Vollstreckungsbescheid, gerichtlich protokollierter Vergleich, oder einer Unterwerfungserklärung (794 ZPO)) voraus. Auch die Befriedigung eines Zahlungsanspruches des Gläubigers erfolgt in der Regel durch die Pfändung von Sachen (Geld) oder Forderungen (Lohn-, Gehaltsforderung). Derjenige Gläubiger, der als erstes das Zwangsvollstreckungsverfahren betreibt, erhält dadurch die größere Chance zur vollständigen Befriedigung seiner Forderung.