eBooks

Handbuch Wellnesstourismus

für Ausbildung und Praxis

0813
2018
978-3-8385-4913-2
978-3-8252-4913-7
UTB 
Gabriele M. Knoll

Wellness ist weit mehr als eine Modeerscheinung rund um Massage, Sauna, Ayurveda, Thalasso und Aromatherapie. Wellness liegt im Trend, schließlich stehen Wohlbefinden, körperliche und geistige Fitness bei Jung und Alt gleichermaßen hoch im Kurs. Doch was verbirgt sich konkret dahinter und welche Chancen bietet dieses Phänomen Destinationen und Gästen? Gabriele M. Knoll beleuchtet den Wellnesstourismus im Detail: Sie stellt die Historie sowie ausgewählte europäische Destinationen vor und gibt Anregungen für aktuelle Angebote. Darüber hinaus skizziert sie die perfekte Wellnessdestination - angefangen von den Erwartungen der Gäste über das Ambiente vor Ort bis hin zum Management und der Vermarktung. Auch auf die Zertifizierung und Qualität geht sie ein. Zahlreiche Praxisbeispiele illustrieren den Stoff. Dieses Buch ist ein Must-have in der Wellnessausbildung und -praxis sowie im Tourismusstudium.

<?page no="2"?> UVK Verlag München Gabriele M. Knoll Handbuch Wellnesstourismus für Ausbildung und Praxis <?page no="3"?> Dr. Gabriele M. Knoll lehrt Nachhaltigen Tourismus an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve sowie Tourismusmanagement an den Hochschulen Fresenius in Düsseldorf und Köln. Sie hat bei diversen Tourismusprojekten im In- und Ausland mitgearbeitet und ist Autorin touristischer Fach- und Lehrbücher sowie zahlreicher Reiseführer. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag 2018 - ein Unternehmen der Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Lektorat: Rainer Berger, München Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © xenotar, iStock Fotos im Buch: Titelholzschnitt von Laurentius Phries: Traktat der Wildbäder, Straßburg 1519 (Abb. 2), alle weiteren Fotos von Gabriele M. Knoll Druck und Bindung: CPI - Clausen & Bosse, Leck UVK Verlag Nymphenburger Str. 48 80335 München Telefon: 089/ 452174-66 www.uvk.de Narr Francke Attempto Verlag GmbH & Co. KG Dischingerweg 5 72070 Tübingen Telefon: 07071/ 9797-0 www.narr.de UTB-Nr. 4913 ISBN 978-3-8252-4913-7 <?page no="4"?> Vorwort Wellness - ein Begriff, der inflationär gebraucht wird. Da kann sich eigentlich jedes Hotel, das einen hauseigenen Swimmingpool und im Keller eine Sauna besitzt, als „Wellnesshotel“ bezeichnen. Und es geht noch weiter bis zur Wellnesskuscheldecke und den Wellnesssocken, die die Discounter saisonal anbieten. In den letzten Jahrzehnten hat sich rund um Wellness ein markanter Wandel von dem Streben nach rein körperlichem Wohlbefinden zu einem ganzheitlichen Ansatz vollzogen. Wellness in allen Lebenslagen? Wellness als Bestreben, sein ganzes Leben in Einklang mit sich selber und seiner Umwelt zu bringen, gesellschaftliche Normen und Träume von „ewiger Jugend“ zu erfüllen? Welche Rolle spielt der Aufenthalt in der Natur? Oder hat Wellness seine Berechtigung in der Lebenssituation vieler, für einen Ausgleich zum stressigen Alltag in Beruf und Privatleben zu sorgen? Zur Work- Life-Balance beizutragen, zur Prävention moderner Zivilisationskrankheiten - und das nicht vorrangig, um im Alltag besser zu funktionieren nach der Devise „fit fürs Hamsterrad“, sondern als Wert an sich, als Chance, sich mehr Lebensqualität zu verschaffen. Gleichzeitig ist Wellness auch ein internationaler Trend und in diesem Buch gibt es einige Blicke über den deutschen Poolbzw. Massageliegenrand. Dank der Unterstützung einiger Tourismusinstitutionen war für mich auch eine geographische Herangehensweise an das Thema Wellness möglich und so können Beispiele aus wichtigen Landschaftsformen, wie dem Meer, Mittelgebirge und Hochgebirge in die Betrachtungen einfließen. An dieser Stelle sei der Nordsee Tourismus GmbH, Rheinland-Pfalz Tourismus, Schwarzwald Tourismus, Schweiz Tourismus und Wallonie Tourisme gedankt, die es mir ermöglicht haben, vor Ort mit Profis ins Gespräch zu kommen und die dortige Praxis etwas studieren zu können. Für eine Tourismushistorikerin darf natürlich auch ein Blick zurück nicht fehlen, der nicht minder für Anregungen dienen kann und zudem auch in der zeitlichen Dimension den Horizont etwas erweitern mag. Wachtendonk, im Juli 2018 Gabriele M. Knoll <?page no="6"?> Inhalt Vorwort .......................................................................................................................... 5 - 1 Wellbeing + Fitness = Wellness? ........................................................ 11 - 1.1 - Definitionen und Abgrenzungen zum Gesundheitstourismus ......... 11 - 1.2 - Der Dreiklang der Wellness: Gutes für Körper, Seele und Geist..... 17 - 1.3 - Wellnessmotive........................................................................................ 19 - 2 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell .............................. 25 - 2.1 - Indien: Ayurveda ..................................................................................... 25 - 2.2 - Mittelmeerraum: Thalasso, antike Thermen, orientalische Badekultur ......................................................................... 30 - 2.2.1 - Thalasso.................................................................................................... 30 - 2.2.2 - Badekultur der römischen Antike ......................................................... 32 - 2.2.3 - Orientalische Badekultur........................................................................ 35 - 2.3 - Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren ...................... 37 - 3 Badeorte mit Tradition und gut positioniert im aktuellen Wellnessgeschäft ............................................................ 45 - 3.1 - Spa, Belgien - der Name schon Programm......................................... 45 - 3.2 - Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste .................................... 49 - 3.3 - Mecklenburg-Vorpommern................................................................... 56 - 3.4 - Weitere Beispiele aus Europa ................................................................ 60 - 3.4.1 - Schweiz - Wellness als Tourismusförderung im Hochgebirge ......... 60 - 3.4.2 - Island und Finnland - Nordic Wellness .............................................. 68 - 3.4.3 - Gran Canaria............................................................................................ 73 - <?page no="7"?> 8 Inhalt 4 Wellnessangebote für den Körper ..................................................... 79 - 4.1 - Wasserbehandlungen .............................................................................. 82 - 4.1.1 - Kaltwasserbehandlungen........................................................................ 82 - 4.1.2 - Thermalwasser ......................................................................................... 91 - 4.1.3 - Wassergymnastik ..................................................................................... 96 - 4.2 - Felke - Medical-Wellness mit Lehm und mehr .................................. 99 - 4.3 - Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft ........................... 102 - 4.4 - Massagearten aus aller Welt ................................................................. 111 - 4.5 - Aromatherapie ....................................................................................... 119 - 4.6 - Gesundheitsbewusste Ernährung ....................................................... 121 - 4.7 - Beauty-Behandlungen........................................................................... 127 - 5 Wellnessangebote für die Seele ....................................................... 139 - 5.1 - Entspannung und Bewegung in der Natur ........................................ 139 - 5.2 - Entspannungstechniken ....................................................................... 149 - 5.3 - Lebensordnung...................................................................................... 154 - 5.4 - Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen ................................................................. 156 - 6 Wellnessangebote für den Geist ....................................................... 167 - 6.1 - Anforderungen und Defizite aus dem modernen Alltag ................. 167 - 6.2 - Klosteraufenthalte ................................................................................. 172 - 6.3 - Spirituelle Reisen ................................................................................... 175 - 7 Die perfekte Wellnessdestination ..................................................... 181 - 7.1 - Erwartungen von Gästen und Hoteliers ............................................ 181 - 7.2 - Atmosphäre und Gestaltung des Ambientes..................................... 185 - 7.3 - Wellness - Aspekte der Nachhaltigkeit.............................................. 191 - 7.4 - Wellnesstourismus managen................................................................ 195 - 7.5 - Wellnesstourismus vermarkten ........................................................... 199 - <?page no="8"?> Inhalt 9 8 Qualitätssiegel und Labels ................................................................. 209 - 8.1 - Deutscher Wellness Verband e.V. ...................................................... 209 - 8.2 - Wellness-Hotels & Resorts .................................................................. 212 - 8.3 - Wellness Stars ........................................................................................ 214 - 8.4 - Kneipp-Bund Gütesiegel...................................................................... 217 - 8.5 - Zertifizierungen Thalasso..................................................................... 219 - 8.6 - Europäische Wellnesszertifizierungen................................................ 221 - Stichwortverzeichnis ............................................................................................... 225 - <?page no="10"?> 1 Wellbeing + Fitness = Wellness?  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Geht die weit verbreitete „Rechnung“ Wellbeing + Fitness = Wellness wirklich auf?  Wellnessmodelle zeigen, dass ganzheitliche Ansätze Grundlage eines seriösen Wellnessangebots sind.  Wie lassen sich trotz gleitender Übergänge Wellness, Medical-Wellness und Gesundheitstourismus voneinander abgrenzen?  Kleiner Exkurs in die Geschichte der Wellness, als diese noch nicht so bezeichnet, wohl aber praktiziert wurde Wellness ist entschieden mehr als das kurzfristige Wohlbefinden nach einer entspannenden Massage, dem Liegen und Plätschern im wohltemperierten Wasser und einem frisch gepressten Orangensaft oder Tee im durchgestylten Ruheraum. Als Ausgangspunkt für die weiteren Ausführungen, die die Vielschichtigkeit des Begriffes Wellness anreißen sollen, sei die Definition von LANZ KAUFMANN vorangestellt: „Wellness ist ein Gesundheitszustand der Harmonie von Körper, Geist und Seele. Wesensbestimmende Elemente sind Selbstverantwortung, Fitness und Körperpflege, gesunde Ernährung, Entspannung, geistige Aktivität/ Bildung sowie soziale Beziehungen und Umweltsensibilität.“ (zit. In: BERG (2008), S. 12) 1.1 Definitionen und Abgrenzungen zum Gesundheitstourismus Weit verbreitet ist heutzutage die einfache „Gleichung“ Wellbeing + Fitness = Wellness, um die Herkunft des Begriffes Wellness zu erklären. So griffig diese Ableitung sein mag, so sehr verallgemeinert, reduziert sie und so wenig geht sie in die historische Tiefe. Die dazu notwendige wie interessante Zeitreise bieten die → Kap. 1.2 und → Kap. 2. <?page no="11"?> 12 Wellbeing + Fitness = Wellness? Trotzdem ist es berechtigt, die Anfänge der modernen Wellnessbewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika anzusiedeln, wenn auch Halbert L. Dunn, der „Erfinder“ der oben genannten „Gleichung“ bzw. dieses Kunstworts nicht der erste war, der sich mit Aspekten der Wellness beschäftigte. Aus den verschiedensten Blickwinkeln, von religiösen Intentionen, Förderung von spiritueller Gesundheit, bewusster Ernährung bis hin zu Gedanken an eine Auslese gesunder Menschen, betrachtete man die Aufgaben eines Wellnesskonzepts oder Wellnessmodells (vgl. ILLING (2009), S. 18ff.).  Persönlichkeiten ǀ John Harvey Kellogg (1852-1943) Der Mediziner gehörte den Siebenten-Tags-Adventisten an. Nach seiner Meinung, die sich auf die Bibelverse Korinther 6, Vers 19-20 gründete, war der menschliche Körper Tempel für den Heiligen Geist und demzufolge habe der Mensch alles für einen gesunden Lebensstil zu tun, um den Heiligen Geist nicht zu beleidigen. Grundlage dazu sollte eine gesunde Ernährung ohne Fleisch, Tabak und Alkohol sein. Deshalb experimentierte der Arzt mit den Zutaten für Lebensmittel und erfand die heute noch weltweit bekannten Cornflakes, die auf keinem Frühstücksbuffet eines Hotels in der Cerealien-Ecke fehlen. (vgl. ILLING (2009), S. 18) Aus den Vorlesungen, die Halbert L. Dunn in den 1950er-Jahren hielt, entstand sein 1961 veröffentlichtes Buch „High Level Wellness“. Darin definiert er den Begriff (zit. in a.a.O., S. 8): „Wellness is an integrated method of functioning which is oriented toward maximizing the potential of which the individual is capable. It requires that the individual maintain a continuum of balance and purposeful direction within the environment where he is functioning.“ Unter „maximizing“ sei ein aktiver Lebensstil zu verstehen, unter „capable“ die Selbstverantwortung des Individuums (a.a.O., S. 13). Dahinter steht das Bestreben des Mediziners Dunn, die Menschen zur Eigenverantwortung und zu einer gewissen Distanz zu den Entscheidungen seiner Berufskollegen zu ermutigen. Die Wellnessmodelle, die Donald B. Ardell und John W. Travis nach den Vorgaben Dunns im Auftrag der amerikanischen Regierung entwickelten, stellten die Selbstverantwortung des Individuums in den Mittelpunkt. <?page no="12"?> Definitionen und Abgrenzungen zum Gesundheitstourismus 13 In einem ersten Modell nennt Ardell folgende Elemente seines Wellnessmodells:  „Bewusste Ernährung  Stressmanagement  Umweltbewusstsein  Körperliche Fitness  Selbstverantwortung“ In einem zweiten ergänzten Modell stellt Ardell Normen und soziale Spielregeln in den Mittelpunkt:  „Selbstverantwortung und medizinische Prophylaxe  Sinn im Leben finden  Stressmanagement und keine Langeweile  Ernährung und Fitness  Normen und soziale Spielregeln“ (BERG (2008), S. 13) Für John Travis steht in seinem „Illness/ Wellness Continum“ der dynamische Prozess im Vordergrund, der durch die Harmonie von Körper, Geist und Seele zum Erreichen von Wellness und zu konstanter Gesundheit führt. Sein Wellnessmodell umfasst  „Selbstverantwortung und Liebe  Richtiges Atmen  Sensibilität der Sinne  Gesundes Essen  Angemessene Bewegung  Zulassen und Ausdrücken von Gefühlen  Geistige Aktivitäten  Freude am Arbeiten und Spielen  Der Sinn des eigenen Lebens  Spirituelles Bewusstsein“ (BERG (2008), S. 15) Bill Hettler, Mitbegründer des National Wellness Institute in Wisconsin und einer der Pioniere der Wellnessbewegung in den USA, erstellte 1976 ein Modell zu den sechs Dimensionen von Wellness, das das Verständnis von Wellness auch in Europa nachhaltig beeinflussen sollte. In seinen „The Six Dimensions <?page no="13"?> 14 Wellbeing + Fitness = Wellness? of Wellness“(  http: / / www.nationalwellness.org/ ? page=Six_Dimensions ) systematisiert er seinen ganzheitlichen Ansatz. Dabei unterscheidet er die Dimensionen - in folgender Reihenfolge - „Occupational“, „Physical“, „Social“, „Intellectual“, „Spiritual“ und „Emotional“. Aus dieser Aufzählung geht hervor, dass er mit seinem Modell einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt und Wellness in allen Facetten des Lebens verankert sieht. Bei den beruflichen Aktivitäten (Occupational) vertritt Hettler den Grundsatz, dass diese zur persönlichen Befriedigung und Bereicherung - nicht materieller Art! - dienen sollen. Es sei besser, zum einen eine Karriere zu wählen, die mit den persönlichen Werten, Interessen und dem Glauben übereinstimme, und zum anderen, funktionelle und übertragbare Fertigkeiten zu erwerben, als passiv und unbeteiligt zu bleiben. Die physische Dimension (Physical) von Wellness umfasst die Verantwortung des Einzelnen für seinen Körper, die Gesundheit, eine gesunde Ernährung ohne Tabak-, Drogen- und übermäßigen Alkoholkonsum sowie eine körperliche Fitness. Eine aktive Rolle im gesellschaftlichen Umfeld ist Kern der sozialen Dimension (Social). Hier sei erstrebenswert, mit anderen und seiner Umgebung in Harmonie, denn im Konflikt zu leben. Zu den Grundsätzen der intellektuellen Dimension (Intellectual) zählt Hettler auch eine Aufgeschlossenheit und Kreativität, ein Streben nach geistiger Aktivität, ein Bemühen um Erweiterung des Wissens und der Fähigkeiten - jedoch nicht alleine für das Individuum, sondern als Beitrag, als Bereicherung des Lebens in der Gemeinschaft. Probleme sollen gezielt und lösungsorientiert angegangen und nicht verdrängt werden. Die geistige Dimension (Spiritual) umfasst die Suche nach dem Sinn der menschlichen Existenz. Zu den Grundsätzen spiritueller Wellness gehört für den Autor, dass die eigenen Tätigkeiten und Ansichten in Einklang mit den persönlichen Werten und dem eigenen Weltbild stehen. Dies gilt nicht nur für die herausragenden Dinge und Ereignisse, sondern auch schon für den Alltag. Toleranz gegenüber anderen Anschauungen zählt ebenso dazu. Die letzte Dimension (Emotional) dieses Wellnessmodells betrifft das Seelenleben, das das Individuum auffordert, sich seiner Gefühle bewusst zu sein und sie zu akzeptieren und als Grundhaltung optimistisch durch das Leben zu gehen. Dieses Sechseck der Wellnessdimensionen findet sich in leicht abgewandelter Form im Europäischen Wellnessmodell aus dem Jahr 1990 wieder (vgl. BERG (2008), S. 15f.). „Der Denkansatz dieser „Lebensstiltherapie“ ist ganzheitlich. Das Lebensgefühl des Menschen hängt, diesem Modell/ Ansatz zufolge, von der Summe positiver und negativer Signale aus verschiedenen Dimensionen ab, die in vielfältigen Wechselbeziehungen zu einander stehen“ (a.a.O.). Es mag an der späteren Entstehungszeit und einem stärker werdenden Umweltbewusstsein liegen, dass im europäischen Wellnessmodell auch die natürliche Umwelt <?page no="14"?> Definitionen und Abgrenzungen zum Gesundheitstourismus 15 neben Körper, Seele, Geist, privaten Beziehungen sowie Beruf/ Arbeit in den Ansatz einbezogen wird. Als die großen Themen der Wellness werden genannt:  „Körperliches Fitsein  Geistige Beweglichkeit  Seelische Belastbarkeit  Positive Arbeitseinstellung  Harmonisches Privatleben  Einklang mit der Umwelt“ (BERG (2008), S. 15).  Wissen ǀ Wohlbefinden „Wohlbefinden ist die subjektiv empfundene Zufriedenheit in und mit dem eigenen und ganzheitlich gesunden Körper sowie mit der Position in allen menschlichen Außenbeziehungen (z.B. Beruf, soziales Umfeld).“ (ILLING (2009), S. 23) Der Versuch einer Abgrenzung von Wellnesstourismus, Angeboten der Medical-Wellness und des Gesundheitstourismus zeigt schon in der Definition von Gesundheit durch die WHO 1947 eine enge Verknüpfung der drei Begriffe. „Health is a state of complete physical, mental and social well-being and not merely the absence of disease or infirmity“ (zit. in: NAHRSTEDT (2009), S. 21).  Wissen ǀ Gesundheit „Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“ (ILLING (2009), S. 7) ILLING (vgl. a.a.O., S. 8f.) unterscheidet zwei Dimensionen von Gesundheit, zum einen eine biopsychosoziale, zum anderen eine medizinischwissenschaftliche. Beide Dimensionen sind für den Wellnesstourismus - IL- LING spricht von „Spa-Tourismus“ - relevant. <?page no="15"?> 16 Wellbeing + Fitness = Wellness? „Das biopsychosoziale Modell strebt ein Gleichgewicht verschiedener Existenzdimensionen an, das im europäischen und touristisch geprägten Wellness- Gedanken eine große Rolle spielt (ganzheitliches Wohlbefinden, ganzheitliche Gesundheit für Körper, Geist und Seele). Das medizinisch-wissenschaftliche Modell zielt auf Linderung und Heilung konkreter Leiden und verweist so auf das Geschehen in klinischen Einrichtungen, die unter dem Begriff Medical-Spa auch eine touristische Ausprägung gefunden haben“ (a.a.O., S. 9). Medical-Wellness rückt zunehmend in das öffentliche Interesse, auch ohne dem stark strapazierten Begriff der Wellness durch das Attribut „medical“ eine neue Gewichtung und damit eine neue Zugkraft bei Marketingstrategien zu geben. Damit reagiert der gesundheitstouristische Markt auf sein aktuelles Stagnieren und versucht so laut ILLING (vgl. a.a.O., S. 32), „in einer Medizinalisierung (Medical-Wellness), Spiritualisierung (Mental-Wellness) oder Ökologisierung (nachhaltiger Bewegung in gesunder Natur)“ neue Nachfrage zu entwickeln. Auch die Gesundheitspolitik in vielen Ländern Europas mit ihren Reformen und Kürzungen von Krankenkassenleistungen fordere die Eigenverantwortung des Einzelnen und fördere die Entwicklung derartiger Angebote im Rahmen von Medical-Wellness.  Wissen ǀ Medical-Wellness „Medical-Wellness ist ein Bündel komplexer Produkte im Kontinuum von Gesundheit, Wohlbefinden und Bodystyling, welche allesamt unter gesundheitswissenschaftlicher Aufsicht stehen und dem Primat des Heilens bzw. der Linderung von Krankheit, der Gesunderhaltung und der Steigerung der Lebensqualität verpflichtet sind. Die Kundenorientierung im Sinne der Befriedigung subjektiver Bedürfnisse wird ernst genommen und in einem Ambiente umgesetzt, das durch Großzügigkeit und Aufenthaltsqualität gekennzeichnet ist.“ (ILLING (2009), S. 33) Gesundheitstourismus umfasst zwei Schwerpunkte: zum einen das Ziel, die Gesundheit zu erhalten oder wiederzugewinnen, zum anderen einen Ortswechsel. Klinikaufenthalte mit medizinischen Behandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen oder Kuren können Bestandteile dieser Tourismusform sein. Voraussetzung für einen solchen von medizinischen Behandlungen geprägten Aufenthalt ist die Reise an einen Ort, der darauf spezialisiert ist und nicht als ständiger Wohnort des Patienten/ Gastes gilt. Gesundheitstourismus ist auch ein Teil des <?page no="16"?> Der Dreiklang der Wellness: Gutes für Körper, Seele und Geist 17 internationalen Tourismus, wenn beispielsweise wohlhabende Bürger eines Entwicklungs- oder Schwellenlands für eine Operation in eine Fachklinik nach Deutschland oder in anderes Land mit hohem medizinischem Standard reisen (Patiententourismus). Aspekte, die der Wellness zuzuordnen wären, wie beispielsweise eine Weiterbildung über gesunde Ernährung oder sportliche Bewegung, können ebenso Teil einer umfassenden Behandlung sein, aber sie spielen eine eher sekundäre Rolle. 1.2 Der Dreiklang der Wellness: Gutes für Körper, Seele und Geist Dieser Dreiklang ist keine Komposition des 20./ 21. Jahrhunderts und ein Aspekt des Marketings, um den aktuellen Wellnessboom noch mehr zu beflügeln! Ein Exkurs in die Geschichte beweist, dass das Bestreben, Gutes für Körper, Seele und Geist zu finden und zu praktizieren, als ganzheitlicher Ansatz schon mehrere tausend Jahre alt ist. Ayurveda, die Lehre vom Wissen (→ Kap. 2.1), sieht den Menschen dabei nicht nur als eine „isolierte“ Einheit von Körper, Geist und Seele, sondern auch als ein Wesen, das in einem sozialen, kulturellen und spirituellen Umfeld lebt - und dieses letztendlich in den gesamten Kosmos eingebunden ist. „Theorien über den historischen Ursprung von Ayurveda orientieren sich an den ältesten schriftlichen Aufzeichnungen des indischen Wissens, den Veden. Es heißt, dass dieses Wissen vom Schöpfer des Weltalls, Brahman selbst, stammt und von sogenannten Rsis (Sehern der Weisheit) jahrhundertelang durch mündliche Überlieferung erhalten blieb“ (  https: / / www.ayurveda-verband.eu/ ayurveda/ geschichte-philosophie/ ). Damit lässt sich auch belegen, dass durch die Ayurveda-Lehre - auch wenn es sich hierbei um eine frühe Form der Medizin handelt, der Ansatz eines ganzheitlichen Wellnesskonzeptes älter ist als jegliche schriftliche Überlieferung. Für die Antike (→ Kap. 2.2) wird der Nachweis der ganzheitlichen Betrachtung entschieden leichter, denn er lässt sich nicht nur in Schriften, sondern sogar in der historischen Bausubstanz finden. Die großen repräsentativen Thermenanlagen konnten auch Räumlichkeiten für Vorträge und Bibliotheken besitzen. „Mit den Thermen wird eine Stadt in der Stadt geschaffen, um den Bewohnern auch bei schlechtem Wetter und Kälte einen ausgedehnten gesellschaftlichen Konakt zu ermöglichen“ (BRÖDNER (1983), S. 99). Beauty-Behandlungen für die Frau - dabei sicherlich auch entscheidend für ihr seelisches Wohlbefinden - stellten ein wesentliches Motiv für das weibliche Geschlecht dar: „Kosmetik, Pflege von Gesicht, Haut und Haar, vor allem vor und nach dem Bade, war für die vor- <?page no="17"?> 18 Wellbeing + Fitness = Wellness? nehme und reiche Römerin ein wichtiger Bestandteil ihres Daseins“ (a.a.O., S. 115). Für das Mittelalter und sein Badewesen (→ Kap. 2.3) wird man aus dem Dreiklang Körper, Seele und Geist Letzteres wohl streichen können. Dafür wird das seelische Wohlbefinden und der Unterhaltungscharakter, den der Aufenthalt im Bad bieten kann, gleich ob es sich um eine Badestube oder der Besuch eines Heilbads handelt, in Literatur und Abbildungen aus jener Zeit immer wieder überliefert (→ Abb. 2, S. 38).  Wissen ǀ Wellness als Teil eines ökonomischen Demokratisierungsprozesses „Wellness war von der Antike bis in die Neuzeit, z. T. bis in die Gegenwart eine feudale Erlebniswelt und keine massengängige Dienstleistung. In der Geschichte des Wellness kann in anschaulicher Weise der ökonomische Demokratisierungsprozess abgelesen werden; die Entwicklung einer Dienstleistung (hier Wellness und Gesundheit) von einem Luxusgut zu einem Massengut. In der Zeit der Industrialisierung waren Pflege und Badekultur Gegenpole zur industriellen Realität. In der damaligen Zeit war Wellness schlicht die Abwesenheit von Lärm, von Staub und Ausbeutung, die Überhöhung von Harmonie und Natürlichkeit. Wellness wird auch heute noch vielfach antitechnisch und antizivilisatorisch verstanden, ein Zustand des Freiseins, der Abwesenheit von Produktionszwängen und somit ein allgemeines und kulturell variables Wohlbefinden.“ (BERG (2008), S. 9) In der Zeit der späten Industrialisierung, der Gründerzeit, entwickelte Pfarrer Sebastian Kneipp (→ Kap. 4.1.1 und → Kap. 5.3) seine Gesundheitslehre. Dies geschah jedoch nicht mit dem Blick in Arbeitersiedlungen und Hinterhöfe einer aufstrebenden Großstadt, sondern auf dem Land in der Gemeinde Wörishofen. Kneipps Wasserkur gilt zwar als bekanntester Teil seiner fünf Elemente umfassenden Gesundheitslehre, doch eines der fünf Elemente ist die Lebensordnung, die sich an Geist und Seele wendet. Bei den vielfältigen Anforderungen des beruflichen und privaten Alltags in der Gegenwart (→ Kap. 6.1) ist es nicht überraschend, dass der ganzheitliche Ansatz von Wellness auch einige Bedürfnisse aus unserer Zeit befriedigen kann. Die Wellnessbranche reagiert schon darauf. <?page no="18"?> Wellnessmotive 19 1.3 Wellnessmotive Eine große Übereinstimmung unter den Experten herrscht darüber, dass Wellness schon heute und erst recht für die Zukunft als ein Megatrend angesehen werden kann. Einige wesentliche Faktoren sprechen dafür, wie sie NAHRSTEDT (vgl. (2009), S. 22) folgendermaßen zusammenfasst:  der medizinische Fortschritt  die steigende Lebenserwartung  eine veränderte Lebensweise durch mehr Zeit für Freizeit und Tourismus  Verstärkung der Rolle des „Selbstzahlers“ im Gesundheitsbereich als Folge der Gesundheitsreform in Deutschland im Jahre 1996 BERG (vgl. BERG (2008), S. 2-25) differenziert auf Basis der Studie von HORX, HORX-STRATHERN/ GASPAR (2003) die Gründe für ein zunehmendes Interesse an Wellness, das eine sehr komplexe Auffassung des Begriffes und hohe wie vielfältige Ansprüche widerspiegelt. Zu den wichtigsten Wellnessmotiven gehört das Bedürfnis nach Entspannung und Stressbekämpfung. Die alltäglichen, oftmals wachsenden Anforderungen im Berufswie Privatleben sowie die Überflutungen durch die Medien- und Informationsgesellschaft verstärken gefühlt wie real ein Anwachsen des Stresses und des Zeitmangels. Dagegen werden Wellnessangebote gesucht, die Entspannung, Entstressung und Entschleunigung bringen können; beliebt sind dabei fernöstliche Praktiken wie beispielsweise Yoga oder auch nur die gerne genutzte Raumgestaltung eines Wellnessbereichs in einem asiatisch nachempfundenen Design (→ Box „Wellnessaufenthalt als Mini-Fernreise“ auf S. 191 und → Box „Sauna für die ganze Familie“ auf S. 109). Aus dem oben genannten Bedürfnis lässt sich noch dasjenige nach einer Work- Life-Balance herausgliedern. Das ständige Verfügbar-sein und die Verlockungen durch moderne Kommunikationsmittel sorgen dafür, dass die Trennung zwischen Arbeits- und Berufsleben für viele Berufsgruppen, sei es als Angestellte, aber noch stärker als Selbständige und Freiberufler, kaum mehr möglich ist. Diese Personen suchen Wellnessangebote, die helfen können, die Balance zwischen Arbeits- und Privatleben zu finden. Im stressigen Alltag mit seinen vielfältigen Anforderungen kann die Suche nach Verwöhnung und Zuwendung ebenfalls zu Wellnessanwendungen führen. „Mal etwas Gutes für mich tun“, bezeichnet BERG als den eher traditionellen Kern des Wellnessbegriffs (vgl. S. 23). „Jedoch wird künftig diesem Begriff eher durch aktive Gestaltung als durch passives Konsumieren Rechnung getragen. Verwöhnung und Zuwendung kann auch im Verzicht (z.B. Fasten statt <?page no="19"?> 20 Wellbeing + Fitness = Wellness? Schlemmen), in der Selbstentdeckung oder in sportlicher Betätigung liegen. Diese Dimension wird auch ,Lessness‘ bezeichnet.“ (BERG (2008), S. 23f.) Dem Bedürfnis nach Harmonie und Steigerung der sinnlichen Wahrnehmung kommen Möglichkeiten entgegen, sich aus Reizüberflutungen, „Vermassung von Produkten, Stillosigkeit moderner Industriearchitektur“ (a.a.O.) kurzfristig zu verabschieden und sich in einem nach der Devise „weniger ist mehr“ ästhetisch gestaltetem Ambiente (→ Kap. 7.3) aufzuhalten. Feng Shui liefert beispielsweise dafür beliebte Anregungen und Prinzipien. Zur Steigerung des Wohlbefindens, die besonders den Geruchssinn anspricht, gehört das breite Spektrum von gezielt eingesetzten Düften. Schon von außen sind Wellnessbereiche stets leicht zu identifizieren! Nicht nur Ruhe und Entspannung in der Passivität, auch das Bedürfnis nach körperlicher Erfahrung und „Abarbeitung“ sind Wellnessmotive. Als Ausgleich zu häufig bewegungsarmen Berufstätigkeiten in Gebäuden wird die körperliche Betätigung an der frischen Luft, in der Natur gesucht. „Die Erfahrung sportlicher Betätigung, der Gestus des ,Working Out‘ sowie die Ästhetisierung der Sportbekleidung werden die nächsten Jahre prägen“ (a.a.O., S. 24). Ein zunehmendes Interesse an Schönheit und körperlicher Attraktivität trägt gesellschaftlichen Veränderungen Rechnung. Längere Lebenserwartung und höhere Scheidungsraten sorgen u.a. dafür, dass Menschen sich mehrfach in ihrem Leben auf Partnersuche befinden und somit äußere Schönheit und Attraktivität länger gefragt sind. In diesem Zusammenhang bekommt der ohnehin schon weiter verbreitete Trend zur Jugendlichkeit, zum Jungbzw. Jüngeraussehen noch eine weitere Facette: Es gilt, den eigenen Marktwert zu erhöhen, um innerhalb der großen Konkurrenz - gerade für Frauen - erfolgreich bestehen zu können. Doch auch beim männlichen Geschlecht lässt sich ein zunehmendes Bedürfnis nach äußerer Attraktivität beobachten. „Zunehmend entwickeln Männer ein anderes, i.d.R. optimierendes Verhältnis zum eigenen Körper, Schönheit und Ästhetik wird zum gesellschaftlich und kulturell anerkannten Ideal“ (a.a.O.). In einem engeren Zusammenhang stehen mit diesen Trends auch das Bedürfnis nach erotischer Lebensqualität sowie Lebensverlängerung und „ewiger“ Jugend. Eine andere Nuance bekommt das Bedürfnis nach dem Jünger-seinwollen noch als Teil von Selbstverantwortung für die eigene Gesundheit, als Teil der privaten Prävention. Der normale Alterungsprozess wird von der Gesellschaft immer weniger hingenommen, für manchen erwächst daraus auch ein Druck, in die biologischen Prozesse etwas einzugreifen. „Wellness wird zu einer Übung der ,bewussten Verjüngung‘ (in den USA ist dieser Trend wesentlich ausgeprägter) mit einem hohen Nachholpotenial“ (a.a.O., S. 24f.). <?page no="20"?> Wellnessmotive 21  Wissen ǀ Prävention Bei der Prävention werden drei Varianten unterschieden:  Die Primärprävention: Sie umfasst Aktivitäten von Menschen im weitgehend gesunden Zustand zur Vermeidung von Krankheiten mit dem Ziel der Senkung der Neuerkrankungsrate. Eine Primärprävention kann u.a. auch durch Wellnessangebote oder auch mit einem stärkeren medizinischen Charakter durch Medical-Wellness unterstützt werden.  Zur Sekundärprävention gehört die Diagnose von Krankheitsfrühstadien z.B. durch Vorsorgeuntersuchung und daraus folgend therapeutischen Maßnahmen zur Vermeidung der Arbeitsunfähigkeit.  Bei der Tertiärprävention geht es darum, eine Verschlimmerung von Krankheiten zu verhindern, um die Leistungsfähigkeit wieder herzustellen oder auch Pflege zu vermeiden. (vgl. ILLING (2009), S. 13) Wellness-Aspekte, die stärker Seele und Geist denn den Körper berühren, sind die Bedürfnisse nach kreativer Selbstverwirklichung und das Streben nach Stärkung (Empowerment) und Selbstkompetenz. Dem ersten Aspekt misst BERG wenig Bedeutung zu; er weist darauf hin, dass das inflationär verwendete Etikett „Wellness“ bei immer mehr kreativen Betätigungen, wie Gärtnern, Kochen etc. auftaucht. Doch im zweiten Aspekt sieht er eine wichtige Erweiterung des Wellnessbegriffs für die Zukunft: „In einer lebenslangen Lernkultur wird die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und sich zu verändern, zu einer Kernkompetenz und damit auch zum Fokus des Wohlfühlens selbst. Stil- und Typ-Berater, Life-Coach bis hin zum Mentaltrainer, um nur einige Dienstleister zu nennen, werden dieses Bedürfnis versuchen zu befriedigen“ (a.a.O., S. 25). Heutzutage hat bereits das Bedürfnis nach spirituellem Sinn seinen festen Platz in der Nachfrage und den Angeboten von Wellness. Das spirituelle Vakuum vieler durch „vernachlässigte Religiosität, Wegfall sinngebender Klammer (z.B. Familie, Gemeinschaft) bietet eine Erweiterungsmöglichkeit für Wellness- Aktivitäten“ (BERG a.a.O.). Religiöse Elemente aus dem Fernen Osten, aber auch archaische und magische/ esotherische Praktiken können gefragt sein. Die christlichen Kirchen haben sich insbesondere mit entsprechenden Klosteraufenthalten auf die spirituelle Suche auf Zeit eingestellt. <?page no="21"?> 22 Wellbeing + Fitness = Wellness?  Praxis ǀ Gästeerwartungen „Es ist ein klares Bedürfnis, Wellness als Ganzes zu sehen für Körper, Geist und Seele. Viele wünschen sich, die Zeit auch für Geist und Seele zu haben, für das aber mehr Zeit nötig wäre. ‚Schon diese zwei Tage haben wir uns frei gekämpft‛, höre ich oft. Aber auch Rentner sind so viel beschäftigt, dass sie nicht einmal eine Woche Zeit finden.“  Interview mit Stefan Röösli, Hoteldirektor Hotel Le Bristol, Leukerbad, Schweiz Die Kontrolle der Lebensweise im Gesundheitskontext kann zum einen als Teil des Trends zur körperlichen Fitness, zur „ewigen Jugend“ gesehen werden, aber zum anderen auch als ein davon unbeeinflusstes Streben nach einem optimalen möglichen Gesundheitszustand. Der in der Regel bewegungsarme Alltag und eine häufig unausgewogene, ungesunde Ernährung wären Ansatzpunkte, mehr für das körperliche Wohlbefinden und die Gesundheit als „aktive Wellness“ zu tun. Viele dieser Trends lassen sich zusammenfassen unter dem Ziel einer Erhöhung der Lebensenergie/ „Energizing“, um die ständigen An- und Überforderungen des beruflichen und „privaten Alltags zu meistern (vgl. a.a. O.). Die Frage nach einem besseren Management der realen und gefühlten Anforderungen inklusive ihrer gezielten Reduzierung stellt der Autor nicht, doch da wäre sicherlich noch ein großes Potential, das sich u.a. auch unter dem Aspekt Selbstkompetenz mit praktischen Übungen zum „nein“ sagen angehen ließe!  Zusammenfassung ǀ Kapitel 1  Die einfache Formel Wellbeing + Fitness = Wellness greift nicht. Bei einem ganzheitlichen Ansatz und einem Wellnessverständnis, das einige Wurzeln in Jahrtausende alter Heilkunst und Badetraditionen hat, spielen Körper, Seele und Geist gleichermaßen eine Rolle.  Die Konzepte des modernen Wellnessbereichs haben wesentliche Impulse seit der Mitte des 20. Jahrhundert aus den USA erhalten.  Wellnessbehandlungen sollen nicht nur das momentane körperliche Wohlbefinden steigern. Zunehmend wird von Wellnessangeboten erwartet, dass sie auch Anregungen für eine gesündere Lebensgestaltung außerhalb des Wellnessaufenthalts geben. <?page no="22"?> Wellnessmotive 23  Literatur ǀ Kapitel 1 BERG, W. (2008): Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus. Oldenbourg, München. BRÖDNER, E. (1983): Die römischen Thermen und das antike Badewesen. Eine kulturhistorische Betrachtung. WBG, Darmstadt. ILLING, K.-T. (2009): Gesundheitstourismus und Spa-Management. Oldenbourg, München. NAHRSTEDT, W. (2009): Von Medical Wellness zu Cultural Wellness. IN: FISCHER, T.; SCHULZ, A: (Hrsg.): Handbuch Gesundheitstourismus. Grundlagen in Gesundheit, Freizeit und Tourismus. FISCHER, T.; LEHMANN, J. (Hrsg.): Schriften zur Bildungs- und Freizeitwissenschaft. 2. Aufl. S. 19-48. Shaker Verlag, Aachen. SMITH, M.; PUCZKO, L. (2014): Health, Tourism and Hospitality: Spas, Wellness and Medical Travel. 2. Aufl. Routledge, London. WIESNER, K. (2009): Wellnessmanagement zwischen Wellnepp und Medical Wellness. In: FISCHER, T; SCHULZ, A. (Hrsg.): Handbuch Gesundheitstourismus. Grundlagen in Gesundheit, Freizeit und Tourismus. S. 91-102. Shaker Verlag, Aachen.  Websites National Wellness Institute Wisconsin: http: / / www.nationalwellness.org/ ? page=Six_Dimensions Deutscher Berufsverband für Ayurveda: https: / / www.ayurveda-verband.eu/ ayurveda/ geschichte-philosophie/ <?page no="24"?> 2 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Welche traditionsreichen Anwendungen, die teils aus Jahrtausende alten Formen der Heilkunst Asiens stammen, sind auch für das aktuelle Wellnessangebot relevant?  Auch die Antike bereichert mit den Elementen ihrer Badekultur das heutige Wellnessgeschehen.  Welche Anregungen lassen sich aus den historischen Behandlungsformen holen, um dem Wellnessangebot eine besondere Note zu geben - um es unterscheidbar vom üblichen klassischen Standard zu machen? Im Unterschied zum theoretischen Exkurs in die Geschichte, die Entwicklung des Wellnessbegriffs und die Motive für Wellness (→ Kap. 1) gibt es hier einen Blick in die Praxis, d.h. auf konkrete historische Wellnesseinrichtungen und Traditionen, die heute noch gepflegt werden und zum aktuellen touristischen Angebot gehören. 2.1 Indien: Ayurveda Ayur Veda, das Wissen, die Lehre vom Leben ist eine geschätzte 3.000 bis 5.000 Jahre alte Heilkunst; ihre Anfänge sind zeitlich nicht einzugrenzen, da sie Jahrhunderte lang nur mündlich überliefert wurden. Die ältesten bekannten schriftlichen Überlieferungen stammen aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. Da eine Reihe von Anwendungen auch bei Wellnessprogrammen wiederzufinden sind, sollen einige grundlegende Informationen in ein höchst komplexes Lehrgebäude gegeben werden, soweit sie als Hintergrund für Wellnessanwendungen sinnvoll sind. Der ganzheitliche Ansatz der modernen Wellness, Körper, Seele und Geist positiv zu beeinflussen, Wohlbefinden und letztendlich auch Gesundheit zu fördern, ist bereits Grundlage dieses aus Indien kommenden Wissens vom Leben. <?page no="25"?> 26 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell  Wissen ǀ Die ayurvedische Philosophie „Die ayurvedische Philosophie basiert auf einer ganzheitlichen Denkweise und ist um die Förderung des Lebens an sich bemüht. Sie betrachtet den Menschen als ein Ganzes und als untrennbaren Bestandteil des Universums. Das Wohlergehen eines Individuums ist nach ayurvedischer Auffassung mit dem Wohlergehen der gesamten Gesellschaft, dem Lebensraum und dem Universum verknüpft. Das menschliche Leben wird als eine Einheit von Körper, Geist und Seele betrachtet. Diese drei Bestandteile stützen sich gegenseitig und bilden zusammen die Basis des Lebens.“ (  https: / / www.ayurveda-verband.eu/ ayurveda/ geschichte-philosophie/ ) Ayurveda versteht sich als eine Lehre mit drei großen Aufgabenbereichen: [1] „Ayurveda bietet als Gesundheitsvorsorge mit umfangreichen Richtlinien zu unserer Ernährungs- und Lebensweise einen essentiellen Beitrag zur Krankheitsvorbeugung. [2] Ayurveda geht als Lebensphilosophie auf alle Facetten eines individuellen Lebens ein und unterstützt uns in wichtigen Aspekten sozialer, emotionaler und seelischer Harmonie. [3] Ayurveda als Medizinwissenschaft ist ein ganzheitliches Konzept von Gesundheit, Krankheit und umfangreichen Heilmethoden. Die enge Verbindung von Wissenschaft und Philosophie im Ayurveda ist einmalig; sie beruht auf einer anspruchsvollen Theorie und einer ausgedehnten klinischen Praxis.“ (  https: / / www.ayurveda-verband.eu/ ayurveda/ einfuehrung/ ) Auf die Grundlagen dieser sehr komplexen Lehre, wie die fünf großen Elemente (Mahabhutani) oder das darauf basierende Konzept der drei Bioenergien (Tridosha) oder die sieben Gewebe (Dhatu), aus denen sich der menschliche Körper zusammensetzt, kann in diesem Buch nicht eingegangen werden - wohl aber über einige Beiträge, die Ayurveda dem modernen westlichen Wellnessangebot liefert. Einige Anwendungen gehören inzwischen oftmals zur Wellness, allen voran der dann stets abgebildete Stirnguss Shirodara. Aber auch Ernährung, Lebensstil und Psychologie sowie explizit „Ayurveda-Wellbeing“ gehören zum Lehrgebäude und Elemente daraus haben Eingang ins westliche Wellnessverständnis gefunden. <?page no="26"?> Indien: Ayurveda 27 Abb. 1: Dharabong - Gerät für den Stirnguss, Vita Classica Therme, Bad Krozingen <?page no="27"?> 28 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell Beim Stirnguss Shirodara, der fotogensten Therapieform, fließt über 20 Minuten lang ein Strahl aus warmem Öl (oder auch Buttermilch oder medizinischen Abgüssen) auf die Stirn. Als Wellnessanwendung dient er der Entspannung und ist Teil einer Schönheitspflege, im medizinischen Bereich zur Behandlung von Kopfschmerzen, Depressionen und Beschwerden des Nervensystems (vgl.  https: / / www.ayurveda-verband.eu/ ayurveda/ anwendungsbereiche/ ). Die Verwendung von Ölen - auch bei Massagen - wird durch die drei Konstitutionen der Menschen (Vata, Pitta und Kapha, die jeder Mensch möglichst ausgewogen in sich vereinen sollte) vorgegeben: „Sesamöl ist für Vata, Ghee und Kokosöl für Pitta und Senföl für Kapha am besten“ (SCHWAB (2000), S. 416). Mit der Auswahl des Öls wird auch auf den Hauttyp - und als medizinische Therapie - auf das Krankheitsbild Rücksicht genommen. Zu den gefragtesten Ayurveda-Massagen gehört Abhyanga, eine Ganzkörpermassage mit abgestimmtem Öl, natürlich werden auch Teilmassagen für Bauch, Rücken, Kopf, Gesicht und Füße angeboten. „Die verschiedenen Massagen werden eingesetzt zur Stressreduktion, bei Schlafstörungen, zur Stärkung von Haut, Knochen und Muskeln, bei Beschwerden des Bewegungsapparates und zur allgemeinen Verbesserung des Immunsystems“ (a.a.O.). Reinigungstherapien, um den Körper zu entgiften, zu entschlacken, kennt die Ayurveda ebenso; sie können nach einer einleitenden Behandlung durch Massagen eingesetzt werden. Aber auch für Ölmassagen gibt es noch eine klassische Nachbehandlung mit einer Trockenmassage (Udvarthana). „Hier wird der Körper mit warmen Pulvern, Mehlen, Kräutern und Gewürzen abgerieben. Die Trockenmassagen wirken äußerst reinigend und belebend. Sie werden zur Gewebsentgiftung, zum Abbau von Wassereinlagerungen, angesammeltem Ama und Fettpolstern angewendet“ (a.a.O.) - daraus lassen sich auch Einsatzmöglichkeiten im Wellness ableiten. Schwitzkuren gibt es ebenso in der ayurvedischen Therapie. Nicht nur für die Behandlung von Krankheiten, auch als Prävention und zur Steigerung des Wohlbefindens kann die ayurvedische Küche mit ihrer eigenen Philosophie beitragen. „Was wir essen, hat einen elementaren Einfluss auf unsere körperliche Gesundheit und seelische Zufriedenheit. Die ayurvedische Ernährung ist ein ganzheitliches System, in dem Körper, Geist und Seele gemäß den individuellen Bedürfnissen mit allen Nähr- und Vitalstoffen versorgt werden“ (a.a.O.). Dabei gibt es kein global gültiges Rezept für eine gesunde Ernährung, sondern diese werden auf die Essgewohnheiten des Kulturkreises, auf Klima und Jahreszeiten abgestimmt. Grundsätzlich stehen aber eine gute Bekömmlichkeit und optimale Verwertung der Speisen im Fokus. „Durch die appetitanregenden Gewürze, die leicht verdaulichen Kombinationen und die schonenden Zubereitungsformen kann der Stoffwechsel alle Bausteine in der Nahrung optimal aufschlüsseln und ein Höchstmaß an vitaler Lebensenergie gewinnen. Nah- <?page no="28"?> Indien: Ayurveda 29 rungsmittel, Gewürze und Küchenkräuter sind Teil der ayurvedischen Pflanzenheilkunde - die richtige Nahrung ist deshalb auch Grundlage für jede therapeutische Maßnahme. Ebenso weiß der Ayurveda um den starken Einfluss der täglichen Speisen mit ihren verschiedenen Geschmackskomponenten auf das psychische Wohlbefinden des einzelnen“ (a.a.O).  Praxis ǀ Ayurveda Mahlzeit „Im Ayurveda gilt der Grundsatz, man solle den Magen zu einem Drittel mit Flüssigkeit, einem anderen Drittel mit Speise füllen und den Rest leer lassen.“ (MICHALSEN (2017), S. 93) „Die innere Wärme ist zentral in der indischen Medizin, sie wird durch wärmende Suppen, Ingwertee und Gewürze angeheizt. Im Ayurveda sind die Gewürze vergleichbar mit den Kräutertees der deutschen Naturheilkunde - und täglicher Bestandteil eines gesunden Lebens.“ (a.a.O., S. 228). Geistig-seelische Gesundheit und ein dies fördernder Lebensstil sind Ziele, die Ayurveda verfolgt. „Die Aufgabe, Menschen auf ihrem Weg zu innerer Zufriedenheit, ganzheitlicher Gesundheit und spiritueller Erfüllung zu begleiten, ist ein wesentlicher Aspekt in der Arbeit mit Ayurveda und den vedischen Wissenschaften. [...] Ein großer Teil aller Krankheiten und Beschwerden in unserer westlichen Welt beruht auf psychischer und psychosomatischer Grundlage. Nicht Mangelernährung oder Infektionen sind Hauptursache für die körperlichen Beschwerden, sondern Stress, psychische Beschwerden und Traumata aus der Vergangenheit“ (a.a.O.). In der traditionsreichen Jahrtausende alten Medizin hat der Verband Europäischer Ayurveda-Mediziner und -Therapeuten auch der Wellness als „Ayurveda- Wellbeing“ einen Stellenwert eingeräumt: „Unter Wellbeing werden aus ganzheitlicher ayurvedischer Sicht all die Empfehlungen und Massnahmen zusammengefasst, die nicht primär der Behandlung von Krankheiten dienen, sondern der Gesunderhaltung und Vorbeugung. Im Gegensatz zu den therapeutischen Ayurveda-Massagen haben die Behandlungen keinen ausleitenden Charakter, sondern dienen dem Aufbau von Lebensenergie und Freude. Die entspannenden und gleichzeitig energiespendenden Behandlungen sind äußerst wohltuend und werden klassisch als Schönheits- und Verjüngungstherapie eingesetzt. Gerade in der heutigen Zeit mit starker Belastung durch Beruf, Familie und täglichen Pflichten sind die vitalisierenden Therapien und Massagen besonders wichtig geworden zum Stressausgleich. Sie stärken die innere Fülle, Harmonie und Schönheit“ (a.a.O.). <?page no="29"?> 30 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell Diese Öffnung der Ayurveda-Medizin in Richtung Wellness im Westen und die Popularität der Philosophie und Anwendungen beeinflusst inzwischen auch ihr Ursprungsland. In abgewandelter Form als „Ayurveda Wellness und Spa Kultur“ stößt sie auch in Indien auf größeres Interesse, wo sich entsprechende Anbieter für den internationalen wie heimischen Markt positionieren. „Indians now begin to know of ayurveda not as their ancient medical system, but as relaxation and rejuvenation therapy“ (ISLAM (2012), S. 230). „Likewise, for the Indian government, the creation of health and wellness tourism brings muchneeded foreign currency into the Indian economy“ (a.a.O.). Das indische Tourismusministerium spricht von „Mushrooming of wellness centers in the country“ und bemüht sich darum, ein Qualitätsmanagement in diesen Wachstumsmarkt zu bringen (vgl.  http: / / tourism.gov.in/ wellness-medical-tourism ). 2.2 Mittelmeerraum: Thalasso, antike Thermen, orientalische Badekultur 2.2.1 Thalasso Auch wenn das Wort Thalasso (Meer) aus dem Griechischen stammt, reichen die Anfänge der Meeresheilkunde wesentlich weiter zurück als in die griechische Antike. Meerwasser- und Algenkuren sind bereits aus der Zeit ca. 3000 v. Chr. aus China überliefert. Rund eineinhalb Jahrtausende später galt die Badekur auch bei den Ägyptern als eine medizinische Behandlungsform. Besser dokumentiert wird die Nutzung der Heilkräfte des Wassers in der griechischen und römischen Antike, einem Zeitraum von ca. 800 v. Chr. bis 600 n. Chr. Den Beginn der antiken Hydromedizin - und damit auch einer systematisch angewandten Meeresheilkunde, kann man Hippokrates (460-377 v. Chr.) zuschreiben, der bereits ausführliche Behandlungshinweise zur entzündungshemmenden Wirkung von Meereswasseranwendungen bei Rheuma- und Ischiaspatienten gibt.  Dichter Euripides „Das Meer wäscht alle Übel ab.“ Euripides (484-406 v. Chr.): Iphigenie bei den Taurieren <?page no="30"?> Mittelmeerraum: Thalasso, antike Thermen, orientalische Badekultur 31 Doch nicht nur das Meerwasser ist Grundlage der Thalassotherapie, hinzu kommen Meersalz, Schlick, Algen, Sand, Aerosol und das Meeresklima. „Unter Thalassotherapie wird nun nicht einfach der Aufenthalt am Meer verstanden und nicht etwa nur die Anwendung von Bädern im Meer, sondern ganz besonders die Anwendung der Kräfte des ,Meeresküstenklimas‛ mit seinem Aerosol, seiner Strahlung, seinen besonderen Temperatur- und Windverhältnissen“ (SCHULTZE (1977), S. 8).  Wissen ǀ Von der Komplexität der Thalassotherapie „Für das Verständnis der Thalassotherapie sind Erkenntnisse aus vielen Sachgebieten erforderlich. Aus Klimatologie, Meteorologie, Meteoropathologie, Wärmephysiologie, Physikalischer Therapie, Hydrotherapie (nach Kneipp), Heliotherapie, Sportmedizin, Pneumologie, Pädiatrie, Dermatologie, Innerer Medizin sind Gedanken in die Ausführungen eingeflossen.“ (MENGER (1997), S. 14) Durch die Abhängigkeit von der jeweiligen geographischen Situation unterscheiden sich die Anwendungen beispielsweise an der Mittelmeerküste von denen an der Nordsee. Während an der Nordsee mit einem Reizklima und seinen Faktoren Temperatur (Kältereize), Wind (Wärmeentzug) und UV-Belastung sowie den Schonfaktoren keine Hitzebelastung, keine Schwüle und Pollensowie Allergenarmut, keine Schadstoffe in der Luft (vgl. THALASSO PRAXIS- LEITFADEN (2013), S. 11) gearbeitet werden kann, sind die klimatischen Bedingungen am Mittelmeer andere. Einen Überblick über die Bedingungen und Anwendungen an der niedersächsischen Nordseeküste gibt → Kap. 3.4. Zurück zur Geschichte: Der Aufenthalt an den Küsten und die Nutzung von Meereswasser wurde auch im England des 17./ 18. Jahrhunderts propagiert und dies durchaus auch schon mit Empfehlungen, die über medizinische Indikationen hinausgehen. So rät der englische Schriftsteller und Geistliche Robert Burton (1577-1640) Melancholikern, das bewegte Meer und seine Küsten zu betrachten und er preist gleichzeitig die Sommerfrische an der See (vgl. a.a.O., S. 9). Das entspricht im modernen Sinne Wellness für Geist und Seele. Sicherlich überwiegen in dieser und der nachfolgenden Zeit die medizinischen Indikationen für einen Aufenthalt an den Meeresküsten. Ende des 18. Jahrhunderts werden auf Norderney erste Algenbehandlungen durchgeführt und an der Ostsee ist es Prof. Samuel Gottlieb Vogel, der im 1793 gegründeten Seebad Heiligendamm Rheuma und Hautausschläge mit Seebädern behandelt. Aber auch Trinkkuren mit dem Salzwasser werden verordnet. <?page no="31"?> 32 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell Eine neue Epoche der Thalassotherapie beginnt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der französischen Atlantikküste. 1867 wurde hier der Begriff Thalassotherapie von dem französischen Arzt Joseph La Bonnadière aus Arcachon geprägt. 1899 eröffnete der Mediziner Louis-Eugène Bagot mit dem „Institut marin“ in Roscoff/ Bretagne das erste Thalassozentrum in Frankreich - damit vermutlich auch das erste in Europa. Schwerpunkt der medizinischen Arbeit war anfangs die Anwendung der Hydrotherapie gegen Rheuma. Frankreich kann seitdem eine Vorreiterrolle in der neueren Entwicklung der Thalassotherapie zugesprochen werden. Die internationalen Qualitätskriterien, die Thalassozentren heute in Europa erfüllen müssen, nennt der Deutsche Thalasso-Verband:  „Das Thalasso-Zentrum muss direkt am Meer, also im direkten Einfluss des Meeresklimas liegen.  Für die Behandlungen muss frisch geschöpftes Meerwasser verwendet werden. Das Meerwasser darf nicht behandelt werden, so dass die Inhaltsstoffe erhalten bleiben.  Das Zentrum muss mindestens über ein Meerwasser-Schwimmbecken und eine ausreichende Anzahl von Kabinen verfügen, so dass jedem Kurgast täglich drei Einzelbehandlungen möglich sind.  Das Zentrum muss über einen oder mehrere Ärzte verfügen. Ein professionelles Team aus Masseuren, Hydrotherapeuten und Sportlehrern ist beschäftigt.  Hygiene- und Sicherheitskontrollen erfolgen permanent.  Es werden gesundheitsbildende Maßnahmen aus den Bereichen Entspannung, Ernährungsberatung und körperliche Aktivität begleitend angeboten.“ (  http: / / www.thalasso-verband.de/ original-thalasso/ thalasso-therapie/ ) Mit diesen Kriterien werden zwei wesentliche Aspekte festgelegt, zum einen dass seriöse Thalassotherapien nur in direkter Nähe zum Meer möglich sind und es nicht ausreicht, irgendwo im Binnenland etwas Meersalz in eine Badewanne zu schütten! Zum anderen wird mit dem letztgenannten Punkt der Wellnessaspekt neben dem Gesundheitsaspekt genannt. Wellnessangebote der Thalassotherapie zielen auf eine „Steigerung des Wohlbefindens über Stressabbau, Entspannung, Gewichtsreduktion und Linderung von Schlafstörungen“ (a.a.O., S. 12). 2.2.2 Badekultur der römischen Antike Beim römischen Badewesen der Antike spielen eindeutig der Wohlfühl- und Unterhaltungsaspekt eine wesentliche Rolle - die großen Thermenanlagen des <?page no="32"?> Mittelmeerraum: Thalasso, antike Thermen, orientalische Badekultur 33 Imperiums lassen daran keinen Zweifel. „Mit den Thermen wird eine Stadt in der Stadt geschaffen, um den Bewohnern auch bei schlechtem Wetter und bei Kälte einen ausgedehnten gesellschaftlichen Kontakt zu ermöglichen“ (BRÖD- NER (1983), S. 99). Auch wenn sich immer wieder Kaiser als Bauherren für repräsentative Thermenanlagen betätigten, die dann ihren Namen trugen, so gab es eine Vielzahl von Thermen jeder Größe in einer Stadt. Für die Regierungszeit von Kaiser Konstantin (312-337) sind dank eines Inventars in der Stadt Rom 856 öffentliche Bäder überliefert - selbstverständlich besaßen die Villen der Wohlhabenden ihre eigenen privaten Hausthermen. Um ein Raumprogramm für die verschiedenen Funktionen unterzubringen, mussten die großen Thermenbauten in den Städten entsprechende Ausmaße besitzen. So bedecken beispielsweise die Trajansthermen (Regierungszeit Kaiser Trajan 98- 117 n. Chr.) in Rom eine Fläche von 337 x 296 m. Die größten Thermen begann Kaiser Maximian 298 n. Chr., sein Nachfolger Diokletian vollendete sie 305/ 306. Die Seitenlängen der Diokletiansthermen betragen 376 x 361 m, damit umfasst die Anlage mindestens 135.736 m² - für Wellness, Körperpflege, Sport, Unterhaltung und Bildung! Wie groß die Fläche für den Gast wirklich war, lässt sich nicht genau ermitteln, denn es gehörten noch Sonnenterrassen auf den niedrigeren Gebäudeteilen dazu. Um die Dimensionen einer solchen Kaisertherme zu erahnen, wäre noch zu berücksichtigen, dass es für den Betrieb der Anlage noch eine untere Technikebene gegeben hat. Geschätzt 3.000 Besucher konnten sich gleichzeitig in dieser Therme aufhalten.  Wissen ǀ Thermen im Alltag des Imperium Romanum „Sie waren seit dem Ende des 1. Jahrhundert n. Chr. sozusagen Brennpunkte des gesellschaftlichen Lebens im römischen Kaiserreich. Darüber hinaus aber waren diese Anlagen auch Zentren vielfältigen kulturellen Lebens. Nirgendwo sind so viele Statuen gefunden wie in den Säulengängen und Exedren der Thermen. Häufig waren Bibliotheken angeschlossen. Für Vorträge standen gesonderte Räume zur Verfügung. Sporteinrichtungen aller Art waren in der großen Palästra vorhanden, teilweise in Verbindung mit Zuschauertribünen. Gedeckte Hallen ermöglichten Bewegungsspiele auch während der ungünstigen Wetterperioden.“ (BRÖDNER (1983), S. 1f.) Das Raumprogramm einer repräsentativen Thermenanlage war für den Besucher logisch angeordnet, auch wenn die Grundrisse der Thermen - trotz aller Freude der Römer an genormtem Bauen - variieren. Eine strenge Symmetrie <?page no="33"?> 34 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell bestimmt die Anlage der Diokletiansthermen, die als Beispiel näher beschrieben werden soll. Vier Eingänge führen von der Nordseite in das Gebäude. Von zwei der Zugängen werden die Besucher sogleich in das Apodyterium, einen Umkleideraum, geleitet. Von den Eingängen gelangen sie entweder direkt in eine von einem Säulenumgang gerahmte Sporthalle (ca. 70 x 40 m) oder durch eine andere Halle zum Schwimmbecken (Natatio) von ca. 90 x 40 m. Von diesem Becken für mehr sportliche Betätigung im Wasser führt auf der Mittelachse der Gesamtanlage der Weg durch die Raumfolge Frigidarium - Tepidarium - Caldarium. Vom Frigidarium, dem Kaltwasserraum mit vier Becken in den Raumecken, gelangt man durch das Tepidarium mit seinen gemäßigten Temperaturen als Wärmeschleuse noch mit zwei Wasserbecken ausgestattet schließlich in den Warmwasserbereich, das Caldarium. Gut durchdacht von den Baumeistern ragt der Warmbadesaal aus der Gebäudeflucht heraus, so dass er auf drei Seiten von der Sonne beschienen werden kann. Natürlich ist das Caldarium nach Süden ausgerichtet. Neben den Räumen mit den unterschiedlich temperierten Wasserbecken gibt es mehrere Folgen von Räumen, die vermutlich für die Körperpflege und als Ruheräume genutzt wurden. Ob einige dieser Räumlichkeiten für den bereits genannten Bildungsaspekt genutzt wurde, ist bei dem herrschenden Mikroklima eher unwahrscheinlich. Für diese Funktion dürften entweder Räume im Obergeschoss oder von außen an das Haupt- Thermengebäude angebaute oder in einem Bezug zu ihm stehende Nebengebäude existiert haben. Aus Überlieferungen weiß man von gastronomischen Betrieben, die zu einer Therme gehörten, aber auch ein ambulantes Angebot durch fliegende Händler muss es gegeben haben. „In den Säulenhallen wimmelte es nach den Beschreibungen der Zeitgenossen von ‚Garköchen, Schankmädchen und Kupplern‘“ (BRÖDNER (1983), S. 123). Reiche Badebesucher brachten eigene Sklaven zur persönlichen Betreuung mit. „Diese werden auch für die nötige Badewäsche, für die Unterbringung der Garderobe, für Massage- und Hautschabegeräte (strigilles) sowie für das Wichtigste, für das Öl, gesorgt haben“ (a.a.O., S. 124). Auf die technische Ausstattung einer Thermenanlage - Heizung (Hypokausten als Fußbodenheizung), Lüftung, Klimatechnik sowie Wasserver- und -entsorgung - soll hier nicht weiter eingegangen werden; man bedenke nur, wie viel Wissen und Erfahrung in einem funktionierenden Badebetrieb von diesen Dimensionen gesteckt haben muss. Den ausgesprochen repräsentativen Charakter einer solchen Kaisertherme unterstrich neben der Größe des Baukörpers natürlich noch die verwendeten Baumaterialien, allen voran der Marmor. Die antike Badekultur erfährt heutzutage eine Renaissance in Thermenanlagen, bei denen Räumlichkeiten mit Elementen der antiken Baukunst, mit Säulen, Wandnischen, Skulpturen mit einem Bezug zum Baden dekoriert werden, kleinteilige <?page no="34"?> Mittelmeerraum: Thalasso, antike Thermen, orientalische Badekultur 35 Mosaike für die Gestaltung von Wand- oder Bodenpartien oder Sitzbänken verwendet werden, wie z.B. im Bäderhaus von Bad Kreuznach (→ Kap. 4.1.2), das mit diesem Ambiente eine „Zeitreise zurück in die Bäder des alten Roms“ bietet und sich als besonderes Erlebnis vermarkten lässt. Das Raumprogramm einer römischen Therme lässt sich bei den modernen Römisch-Irischen Bädern wiederfinden. Dabei wird dem Badenden der Wechsel zwischen unterschiedlich temperierten Saunabädern sowie der Aufenthalt in unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit geboten.  Wissen ǀ Römisch-irisches Bad „Das römisch-irische Bad bezeichnet eine Kombination zwischen der alten römischen und der irischen Badetradition. [...] Die Bäderanlagen förderten einerseits die Bewegung und die Körperhygiene, aber auch die sozialen Kontakte der Gäste. [...] Besonders gut sind aus medizinischer Sicht die Wechsel zwischen warmen und kalten Räumen und zwischenzeitliche andere Abkühlungen (z.B. eine kalte Dusche). So entsteht eine schonende Behandlung, die den Kreislauf entlastet. Durch den Besuch des römischirischen Bades werden die Atemwege besser durchblutet.“ (  https: / / www.wellness.de/ wellness-lexikon/ Roemisch-irisches-Bad.htm) „Die Räume eines irischen Bades sind feucht und enthalten warme Luft. Die Raumtemperatur liegt zwischen 45 und 55°C und die Luftfeuchtigkeit ist sehr hoch. Durch die ständige Zufuhr von Frischluft bildet sich kein Nebel, was das irische Bad vom irischen Dampfbad unterscheidet.“ (  https: / / www.wellness.de/ wellness-lexikon/ Irisches-Bad.htm) 2.2.3 Orientalische Badekultur Religiöse Vorschriften bestimmen die islamische Badekultur und dementsprechend die Gestaltung bzw. das Raumprogramm eines Hamam. Zu den Regeln für ein großes Bad im Unterschied zur kleinen Waschung vor dem Gebet in der Moschee gehört, dass nicht der kleinste Fleck am Körper trocken bleiben darf. Nur fließendes Wasser darf dabei verwendet werden (vgl. BRÖDNER (1983), S. 273). Aus diesem Grund gehören Badebzw. Schwimmbecken jeglicher Form nicht in einen Hamam. <?page no="35"?> 36 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell  Wissen ǀ Im Hamam um 1835 „Der Telektschi oder Badewärter schreitet nun zu einer ganz eigentümlichen Prozedur. Der ganze Körper wird gerieben und alle Muskeln gereckt und gedrückt. Der Mann kniet einem auf der Brust oder fährt mit dem Knöchel des Daumens das Rückgrat herab. Alle Glieder, die Finger und selbst das Genick bringt er durch leichte Manipulation zum Knacken. Wir mußten oft laut auflachen, aber der Schmerz nach dem mühseligen Ritt war verschwunden. Durch das Klatschen in die Hände gibt der Telektschi das Zeichen, daß er mit seiner Operation fertig ist. Man begibt sich nun in die kleinen, noch stärker erwärmten Zellen, welche die große Halle umgeben. Hier sprudelt klares Wasser in Marmorbecken, und zwar nach Belieben aus zwei Hähnen warmes und kaltes. Der Patient wird nun demselben Verfahren unterworfen wie die türkischen Pferde beim Striegeln, indem nämlich der Wärter einen kleinen Sack aus Ziegenhaar - Gebrek - über die rechte Hand zieht und damit den ganzen Körper anhaltend überfährt. Dies ist allerdings eine gründliche Reinigung, und man möchte sagen, daß man noch nie gewaschen gewesen ist, bevor man nicht ein türkisches Bad genommen hat.“ Erst nach diesen Prozeduren erfolgt das bekannte üppige Einschäumen mit Seife. (Helmuth von Moltke (um 1835), in: BRÖDNER (1983), S. 276) Da es sich bei den wichtigsten Räumlichkeiten eines Hamams um ein Dampfbad handelt, sind diese mit Steinplatten oder Mosaiken - gerne auch in üppiger Pracht - ausgekleidet. Eine Prozedur läuft in einer bestimmten Reihenfolge ab, bei der der Gast in den wesentlichen Teilen des Bads von einem Tellak, dem Bademeister, behandelt wird. Nach der obligatorischen Reinigung unter einer Dusche folgt ein Dampfbad, um den Körper vorzubereiten, indem die Haut weich wird und sich die Poren öffnen. Dann geht es mit einem Hüfttuch, dem so genannten Pestemal, bekleidet in den eigentlichen Hamam-Raum. In diesem Raum befindet sich in seiner Mitte der so genannte Nabelstein mit einer beheizten Liegefläche aus Marmor, während an den Wänden beheizte Sitzbänke und Waschbecken aufgereiht sind. Der Gast legt sich auf die zentrale Liegefläche und der Tellak beginnt mit einem Peeling. Dabei wird mit einem Handschuh aus Ziegenhaar, einer Kese, der Körper kräftig abgerieben. Nach dem Abspülen erfolgt die bekannte Seifenzeremonie, bei der der Tellak mit einem Seifenbeutel - natürlich mit warmem Wasser und korrekterweise Olivenseife - zunächst einen Berg Schaum zubereitet. Mit dieser luftigen Masse wird der Badegast <?page no="36"?> Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren 37 bedeckt und anschließend durch den Seifenschaum hindurch massiert. Warme Wassergüsse mit Schaum und Massage wechseln sich ab. Nach einer Dusche wechselt der Badegast in einen kühleren Raum, um sich dort auszuruhen und zu entspannen. Traditionell gehört zu einem Hamam-Besuch auch noch Schönheitspflege, da nach den Regeln des Islams das Entfernen bestimmter Körperhaare Pflicht ist. 2.3 Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren Mittelalter und Badetourismus? Auch wenn man es den Vorfahren vor 500 bis 600 Jahren kaum zutrauen mag, es gab ihn und für einen Aufenthalt im heilenden warmen Wasser begab man sich in Mitteleuropa auf beschwerliche Reisen. Eine Reihe von heutigen Badeorten wurden in dieser Funktion mindestens seit dem späten Mittelalter aufgesucht, wie es die Ortsbeschreibungen im „Badenfahrtbüchlein - Wie und wo man richtig badet“ von PICTORIUS (1560, Faksimile 1980) belegen. So berichtet er „von den bekanntesten Bädern der deutschen Lande“ u.a. von Badenweiler, Wildbad im Schwarzwald, Zeller Bad (Bad Liebenzell), Wiesbaden, Bad Ems und setzt seine Aufzählung mit Schweizer Orten, wie Bad Pfäfers (heute zu Bad Ragaz gehörend), Leukerbad und Baden im Aargau fort. Badehäuser, Wildbäder und systematische Badekuren, die von Badeärzten begleitet wurden, gab es bereits. Jede Therme, die heute Paracelsus- Therme heißt, wie z.B. diejenige von Bad Liebenzell oder andere medizinische Einrichtungen mit diesem Namen, erinnern an einen berühmten Badearzt des ausgehenden Mittelalters. Bei einer Badereise handelte es sich keinesfalls nur um einen Luxus, den sich Wohlhabende, vor allem der Adel, leisten konnte; oftmals gab es in den Badeorten so genannte „Armenbäder“, die von den Besuchern der „Herrenbäder“ durch Spenden finanziert wurden. Betrachtet man die zahlreichen Abbildungen vom mittelalterlichen Badebetrieb kommt man nicht umhin, den Menschen jener Zeit auch unsere modern scheinende Suche nach Wellness bereits zuzugestehen. Da wird überliefert, dass der Badende nicht nur einen Becher mit einem Getränk in den Zuber oder das Becken gereicht bekommt, sondern dass man auf einem Brett quer über das hölzerne Becken für mehrere Personen eine kleine Tafel mit Früchten und anderen Speisen aufgebaut hat. „Aussig Wasser, innig Wein, Lasset uns alle fröhlich sein“, konnte die aus dem Jahr 1481 überlieferte Devise lauten (PIC- TORIUS (1560/ 1980), S. 55). Spielleute mit ihren Instrumenten am Beckenrand gehören zum Aufenthalt im Wasser. „Badechoräle, die von der Gemeinschaft der Badenden gesungen wurden, dienten ebenso wie die Spielleute zur Unterhal- <?page no="37"?> 38 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell tung. Daneben hatten sie aber auch eine gewisse Bedeutung zur ‚psychischen Umstimmung‛ der Gesundheit suchenden Badegäste. - M. Muchheimin von Vri. Ein nüw Lied, in Badenfährten lustig zesingen. Getruckt im Jar 1617“ (a.a.O., S. 29). Da warnt der Medicus PICTORIUS in seinem Kapitel „Was genau zu beachten ist, wie man sich vor dem Bad vorbereite und was beim Einsitzen und nach dem Verlassen des Bads zu tun oder zu lassen sei“ (a.a.O., S. 35) auch, dass der Badende, während er badet, „die Werke der Liebe“ nicht zu oft ausüben solle (a.a.O., S. 45). Wie eine mittelalterliche Badediät aussehen sollte, hat er ebenso überliefert (→ Kap. 4.6). Wellness für die Seele war auf alle Fälle auch ein Aspekt im Mittelalter. Abb. 2: Mittelalterliches Badevergnügen mit Speisen, Trank und Musik <?page no="38"?> Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren 39 Der Unterhaltungsfaktor war auch für die im 12./ 13. Jahrhundert in den Städten entstehenden öffentlichen Badestuben nicht ganz unwichtig. Man suchte sie gerne als Orte der Unterhaltung und Entspannung am Samstagabend oder Vorabend eines Feiertags auf. „Man unterschied zwei Arten von Badestuben - die einen zur hygienischen Reinigung in Zubern und Wannen, die anderen zu therapeutisch-präventiven Zwecken und zur Abhärtung, also die Schwitzbäder und daraus entstehen die russischen Dampfbäder und die finnische Sauna, wie wir sie heute kennen“ (KRIZEK (1990), S. 65). In der Badestube wurden in hölzernen Gefäßen angewärmtes und kaltes Wasser, das mangels Wasserleitungen von Badegesellen aus nahen Teichen oder Fließgewässern und/ oder Brunnen herangeschleppt worden war, vorgehalten. „Auf den Regalen und Tischen standen eine Unmenge von Krügen, in denen Öl aufbewahrt war, Glasbehältnissen mit Blutegeln, Salbentöpfen und Medikamenten, Tonkrügen mit Badelauge“ (a.a.O.). Badeordnungen regelten die Ausbildung des Badepersonals: „Barbiere und Bader durchliefen zunächst eine zwei bis vier Jahre dauernde Lehre, bevor sie als Gesellen zu weiteren Examina in der einfacheren Chirurgie zugelassen wurden“ (a.a.O., S. 67). Trotz ihrer Berufsausbildung hatten die Bader keinen guten Ruf, durften beispielsweise nicht Ratsmitglieder werden und standen ähnlich den fahrenden Musikanten und Scharfrichtern am unteren Ende der sozialen Leiter - die lockeren Sitten in den Badestuben schienen das Bild mehr zu prägen als die dort erbrachten medizinischen Leistungen.  Praxis ǀ Wellness Hotel Tanne in Baiersbronn-Tonbach „In unserer Mönchstube verwöhnen wir Sie wie zu alten Zeiten. In den Schwarzwälder Klöstern gab es früher „Reibemönche“ und „Bademönche“. Aus ihnen ist dann über die Jahrhunderte hinweg der Masseur (Reiber) oder medizinische Bademeister geworden.“ (  http: / / hotel-tanne.de/ de/ 2013-11-27-10-05-25/ baden-in-der-m%C3%B6nchstube) <?page no="39"?> 40 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell <?page no="40"?> Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren 41 Abb. 3: Badestube (links) und Badezusätze (rechts), Hotel Tanne, Baiersbronn Gebadet wurde nicht nur in Badehäusern, sondern auch in einer Frühform des Kurbetriebs unter freiem Himmel in so genannten Wildbädern. Mitten in der Landschaft errichtete man nahe der meist warmen Quellen hölzerne Becken; dies konnte aber auch, je nach Quellenlage, innerhalb eines Ortes stattfinden, wie es historische Abbildungen überliefern. Zu den wildesten Wildbädern des Mittelalters gehören sicherlich die Anfänge des Badebetriebs in Bad Pfäfers. Da die heißen Quellen in der engen Taminaschlucht austreten, wurden aus den steilen Felswänden Wannen geschlagen, in denen die Kurenden tagelang saßen und auf Linderung oder Heilung warteten. Aber selbst an solchen Orten fanden die Badekuren unter der medizinischen Aufsicht eines Badearztes statt. Er verordnete u.a. eine bestimmte Aufenthaltsdauer im Thermalwasser. Aus praktischen Gründen gerade bei dieser außerordentlich mühseligen Anreise saßen die Badegäste die volle Zeit, vielleicht hundert Stunden oder mehr, im Wasser ab. Die schlimmste Folge war dann der Eintrag in einem Dokument „Suffocatus in balneo“ (im Bad ertrunken), im Schlaf tief gerutscht und dann aus dem Leben geschieden, wenn die anderen auch schliefen. Diese Todesursache im Bad ist aber nicht nur von abgelegenen Standorten wie dem Inneren einer Schlucht überliefert. <?page no="41"?> 42 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell  Zusammenfassung ǀ Kapitel 2  Die Jahrtausende alte indische Lehre vom Leben - Ayurveda - deckt mit ihren wesentlichen Bereichen und ihrem ganzheitlichen Ansatz auch zahlreiche Bedürfnisse westlicher Wellnesssuchender ab. Daraus hat sich in Europa eine neue Ayurveda-Wellness und Spa-Kultur entwickelt, die nun auch wieder zurück nach Indien gelangt und dort den Wünschen nach Entspannung und Verjüngung nachkommt.  Die hohe Badekultur der römischen Antike liefert Anregungen - inklusive architektonischer, gestalterischer Vorbilder bei der Konzeption von Themen- oder Erlebnissaunen bzw. Massageräumen. Der Erlebnischarakter wird gestärkt durch die dazu passenden Anwendungen.  Gleiches gilt für den orientalischen Hamam, der mit seiner Gestaltung und den charakteristischen Behandlungsformen jedoch eine durchgehend lebendig gebliebene Badekultur darstellt.  Ein bereits während des Mittelalters weit in Europa verbreiteter Badetourismus kann den modernen Wellnessangeboten mit den balneologischen Zeitreisen und Impulsen daraus ebenfalls einen Eventcharakter geben.  Literatur ǀ Kapitel 2 BERG, W. (2008): Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus. Oldenbourg, München. BRÖDNER, E. (1983): Die römischen Thermen und das antike Badewesen. Eine kulturhistorische Betrachtung. WBG, Darmstadt. CONNELL, J. (2011): Medical Tourism. CAB International, Oxfordshire, Cambridge (USA). GRÖTZ, S.; QUECKE, U. (Hrsg.) (2006): Balnea. Architekturgeschichte des Bades. Jonas Verlag, Marburg. HOBERT, I. (2003): Heilung aus dem Ozean. Vitalität, Kraft und Schönheit durch Algen- und Thalassotherapie. Oesch Verlag, Zürich. ISLAM, N. (2012): New age orientalism: Ayurvedic wellness and spa culture. In: Health Sociology Review 21 (2). S. 220-231. <?page no="42"?> Mitteleuropa: Badestuben, Wildbäder und Badekuren 43 KIBY, U. (1995): Bäder und Badekultur in Orient und Okzident. Antike bis Spätbarock. DuMont, Köln. KNOLL, G. M. (2006): Kulturgeschichte des Reisens. Von der Pilgerfahrt zum Badeurlaub. Primus/ WBG, Darmstadt. KRIZEK, V. (1990): Kulturgeschichte des Heilbads. Kohlhammer, Stuttgart. MENGER, W. (1997): Klimatherapie an Nord- und Ostsee. Frankfurt. (zit. In: DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. S. 8). MICHALSEN, A. (2017): Heilen mit der Kraft der Natur. Insel, Berlin. DIE NORDSEE GMBH (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schortens. PICTORIUS, G. (1560): Badenfahrtbüchlein. Wie und wo man richtig badet. Ein kommentierter, übersetzter und mit zeitgenössischen Bildern versehener Nachdruck des Werkes von D. Georgius Pictorius aus dem Jahre 1560. Herder (1980), Freiburg. PRIGNITZ, H. (1986): Wasserkur und Badelust. Eine Badereise in die Vergangenheit. Koehler & Amelang, Leipzig. SMITH, M.; PUCZKO, L. (2014): Health, Tourism and Hospitality: Spas, Wellness and Medical Travel. 2. Aufl. Routledge, London. SIMON, P.; BEHRENS, M. (1988): Badekur und Kurbad. Bauten in deutschen Bädern 1780-1920. Eugen Diederichs Verlag, München. SCHWAB, C. (2009): Ayurveda. In: RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. S. 399-419. Urban & Fischer, München. SCHULTZE, E.-G. (1977): Meeresheilkunde. Wissenschaftliche Reihe des Deutschen Bäderverbandes. Deutscher Bäderverband, Bonn. <?page no="43"?> 44 Wellness historisch und trotzdem noch aktuell  Websites Verband Europäischer Ayurveda-Mediziner und -Therapeuten e.V. (VEAT): https: / / www.ayurveda-verband.eu/ http: / / tourism.gov.in/ wellness-medical-tourism Deutscher Saunabund: http: / / www.saunabund-ev.de/ index.php? id=79 Wissenswertes zu Thalasso: https: / / fr.wikipedia.org/ wiki/ Louis-Eug%C3%A8ne_Bagot http: / / www.thalasso-verband.de/ original-thalasso/ thalasso-therapie/ https: / / www.wellness.de/ wellness-lexikon/ https: / / www.wellness.de/ wellness-lexikon/ Irisches-Bad.htm <?page no="44"?> 3 Badeorte mit Tradition und gut positioniert im aktuellen Wellnessgeschäft Der Blick in die Vergangenheit des Badebetriebs, der immer schon mehr als einen rein medizinischen Charakter besaß, soll nicht nur das historische Wissen vergrößern, sondern auch noch die eine oder andere Anregung für pfiffige Angebote und Marketingideen heutzutage geben. Aus dem Erfahrungsschatz vieler Jahrhunderte ließe sich auch in der Zukunft noch einiges schöpfen - vielleicht auch noch in einem historisch-regionalen Crossover?  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden Facetten des aktuellen Wellnesstourismus in Europa vorgestellt.  Was hat Spa mit Spa zu tun?  Welche Heilmittel, natürlichen Ressourcen werden in unterschiedlichen Regionen Europas auch für Wellnessanwendungen genutzt?  Welche besonderen Formen der Wellness bieten die Nordländer?  Beispiele für die Entwicklung von Wellnesstourismus als neues Marktsegment 3.1 Spa, Belgien - der Name schon Programm Das Städtchen in den Ardennen machte sich bereits im 16. Jahrhundert einen Namen mit dem Mineralwasser, das in unterschiedlichen Zusammensetzungen aus mehr als 300 Quellen im Ort und den umgebenden Bergen hervortritt. Durch halb Europa wurde es schon seit jener Zeit in platten Flaschen transportiert, von denen sich so mehr in Kiepen packen ließen - und das auch möglichst nachts, um die Qualität des schwefel-, eisen- und kohlensäurehaltigen Wassers nicht zu beeinträchtigen. Anfang des 17. Jahrhunderts gelangte es u.a. bis nach England, Russland sowie Italien und Spanien, Anfang des 18. Jahrhunderts sogar bis nach Amerika. Durch den Mineralwasserverkauf verbreitet sich der Name „Spa“ in viele europäische Regionen, wobei der Wasserverkauf in Eng- <?page no="45"?> 46 Badeorte mit Tradition land im 17. Jahrhundert entscheidend wird, als Kaufleute dem Quellnamen die Ortsbezeichnung hinzufügen. „Spa“ ist dann buchstäblich in aller Munde! Vor Ort werden die Mineralquellen bei Trinkkuren adliger Gäste u.a. aus Frankreich und Italien seit dem 16. Jahrhundert genutzt. Im 18. Jahrhundert besitzt der Kurbetrieb in Spa, wie auch in anderen Bädern Europas üblich, durchaus einen Wellnesscharakter; man gönnte sich standesgemäß Gutes für Körper, Geist und Seele: Neben dem Wasser trinken ist Bewegung in Form von Spaziergängen, Wandern - aus dem kunstvoll geschnitzten Wanderstöcken entwickelte sich die Souvenirherstellung aus Holz, die Jolités de Spa („nette Dinge aus Holz“) -, Reiten und Tanzen angesagt sowie weitere Aktivitäten sich zu amüsieren und das Leben zu genießen. Im 18. Jahrhundert erhält das Kurstädtchen in den Ardennen den Beinamen „Café de l’Europe“, in dem sich der europäische Adel trifft und sich einem vollen Tagesprogramm für Gesundheit und Geselligkeit unterwirft.  Wissen ǀ Ein volles Programm - der Tag eines Kurgastes in Spa im 18. Jahrhundert  Aufstehen mit der Sonne, im Sommer um 5: 00 Uhr  Besuch der Quellen („Pouhons“) für ein erstes Glas, dann Aufbruch zu einer Quellentour zu Fuß, zu Pferde, in einer Kutsche oder Sänfte. Im Laufe eines Tages trinkt man an verschiedenen Quellen/ Orten 16 bis 20 Gläser (die Zahl lässt sich auf einem Zahlenkranz aus Elfenbein festhalten). Die Quellentour dauert mehrere Stunden, Frühstück bzw. Stärkungen im Café.  Beginn des Diners um 11: 00 Uhr  Ab 14: 00 Uhr beginnt das gesellschaftliche Leben, indem man sich gegenseitig besucht, spazieren geht oder die Aufführung einer Komödie besucht. Karten- und Glücksspiele organisieren die Kurgäste zunächst in ihren Quartieren, später frönt man dem Spiel offiziell in der Wauxhall und der Redoute.  Ein leichtes Abendessen steht um 18: 00 Uhr an.  Bei schönem Wetter promeniert man ab 19: 00 Uhr im „Parc de 7 Heures“ (Sieben-Uhr-Park), lauscht Konzerten in Pavillons.  Ab 22: 00 Uhr herrscht Ruhe in Spa, es sei denn, ein Ball findet statt. (vgl. LEMAIRE, G.; NOÉ, M.; LOHEST, J. (2009), S. 24, 54ff.) <?page no="46"?> Spa, Belgien - der Name schon Programm 47 Spa besitzt heute eine Monopolstellung im Land, da es in Belgien nur noch ca. 30 Kilometer von Spa entfernt Chaudfontaine („Heiße Quelle“) als zweiten Badeort mit Traditionen gibt, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Dort wird heute das Thermalwasser nur noch von einem Schlosshotel für die typische Infrastruktur und Angebote eines Badehotels genutzt. Das örtliche Thermalwasservorkommen ist ebenso die Grundlage von Infoand Edutainment im „SourceOrama“ (  http: / / www.sourceorama.com/ ). Ähnlich wie in Spa wird das heilende Wasser auch in Flaschen gefüllt vermarktet. Bei der balneologischen Nutzung des Thermalwassers in Chaudfontaine in einem einzigen Hotel ist es durchaus gerechtfertigt, das Geschehen rund um Wellness in Spa als repräsentativ für Belgien insgesamt zu betrachten! Da sprechen in Spa auch die rund 180.000 Besucher jährlich in den Thermes de Spa eine deutliche Sprache. Oberhalb des historischen Zentrums von Spa löste 2004 die Anlage der 1868 eröffneten Ancien Thermes in der Stadtmitte ab. Den modernen Anforderungen an Flächen für Pools diverser Größen und Arten, Räumlichkeiten für medizinische wie Wellnessanwendungen sowie dem Bedarf an ausreichenden Parkplätzen konnte ein Standort unten im Tal nicht mehr entsprechen, so dass sich die Verlagerung auf den Hügel Annette et Lubin anbot. Die - nicht immer funktionierende - hoteleigene Standseilbahn des 4- Sterne-Hotels mit 120 Zimmern verbindet das alte mit dem neuen Badezentrum auf kürzestem Weg. Die Thermes de Spa bieten in einem Innen- und einem Außenbecken insgesamt 800 m² Wasserfläche mit Mineralwasser der Source Marie Henriette, das auf eine Temperatur von 32 °C gebracht wird. Auf zwei Geschossebenen befinden sich die Räumlichkeiten mit rund 60 Kabinen für medizinische sowie Wellnessanwendungen. Angeboten werden Bäder in verschiedenen Mineralwässern, z.B. eisenund/ oder kohlensäurehaltigen, mit und ohne Wassermassagen sowie Thermalduschen. Die Bäder im kohlensäurehaltigen Mineralwasser finden in Kupferwannen statt. Bei den klassischen und traditionellen Massagen wird teilweise auch das heilende Wasser als „Regenvorhang“ oder für Unterwassermassagen eingesetzt. Dieses Angebot von neun Massageformen wurde neu um Rituale aus aller Welt erweitert; dazu gehören zwei Anwendungen aus dem Orient mit Kräuterpackungen, das traditionelle japanische Hanakasumi, eine Bambus-Massage sowie zwei ayurvedische Massagen. Für die exotischen Anwendungen wurden auch einzelne Kabinen im Interieur entsprechend gestaltet. Die Nachfrage der Gäste hat sich seit der Eröffnung 2004 gewandelt: Während man anfangs Pauschalen für Thermeneintritt und Massagen bevorzugte, reserviert man heute seine Anwendungen mehr à la carte. Bei den jährlich ca. 40.000 Buchungen der rund 180.000 Besucher sind die halbstündige Rückenmassage und das Bad im Kohlensäurewasser die gefragtesten Anwendungen. <?page no="47"?> 48 Badeorte mit Tradition Den Trend, die Natur einzubeziehen, und wenn es nur Blicke in die nächsten Baumkronen sein können oder dann in die weitere Natur und bei den Thermes de Spa auch hinunter ins Tal mit der Stadtmitte, versucht man bei möglichst vielen Behandlungsräumen zu realisieren. So bieten die - nur - zwei Saunen natürlich einen Panoramablick ins Tal. Die beiden Saunen unterscheiden sich in der korrekten Bekleidung bzw. Nicht-Bekleidung in eine „Sauna textile“ und eine „Sauna nudiste“.  Wissen ǀ Verhalten belgischer Gäste in den Thermen von Spa „Ein Wochenendaufenthalt in den Thermen ist für Belgier unüblich, drei Stunden ja, aber nicht drei Tage. In die Sauna gehen sie zu 90 Prozent bekleidet, denn nackt sein liegt nicht in der Natur der Belgier. Sauna textile ist in Belgien normal. Die Flamen und die Niederländer sind unsere wichtigsten Zielgruppen. Die Niederländer kennen Spa als Mineralwasser. Spa ist heute international durch die Rennstrecke bekannt, nicht durch den Badebetrieb.“  Christel Pire, Empfang und Reservierung der Thermes de Spa Gebrauchsanweisung für die Sauna:  https: / / www.thermesdespa.com/ naturiste-space/ Seit rund 30 Jahren, und damit bereits in den Ancien Thermes, betreibt man ein Institut Maman - Bébé. Dieses hat sich auf zweitägige Wellnessaufenthalte für Mutter und Baby im Alter von zwei bis fünf Monaten spezialisiert. Für die Mütter gibt es verschiedene Massagen oder auch eine Watsu-Anwendung (→ Kap. 4.1), eine Thermaldusche, Gymnastik und unbegrenzten Zugang in den Thermenbereich. Der Säugling erhält ebenso eine Massage und für beide ist ein gemeinsames Bad im kohlensäurehaltigen Mineralwasser vorgesehen. Während der Anwendungen der Mutter gibt es für den Winzling selbstverständlich eine professionelle Betreuung. Die Nachfrage für dieses Mutter-Baby-Wellnessangebot ist groß, man ist zu 90 Prozent des Jahres ausgebucht. Nur fünf Paare können pro Woche dieses Angebot genießen. Für die nahe Zukunft planen die Thermes de Spa einen Ausbau ihrer Infrastruktur im Saunabereich und auch an Behandlungsräumen für individuelle Wellnessanwendungen. Dazu gehört ebenso eine Erweiterung des bestehenden Angebots an Massagen und Schönheitsbehandlungen. <?page no="48"?> Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste 49 3.2 Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste Größte Kompetenz in Sachen Thalasso hat die Region der Niedersächsischen Nordsee, die 2014 als erste Region in Europa die Anerkennung Zertifizierte Thalasso Region Niedersächsische Nordsee® vom Europäischen Prüfinstitut Wellness & SPA e.V. (→ Kap. 8.5) erhalten hat. Zu dieser Region gehören die nunmehr zertifizierten Thalasso-Nordseeheilbäder Deutschlands: die Inseln Norderney, Borkum, Juist, Langeoog, Wangerooge und Spiekeroog sowie auf dem Festland Neuharlingersiel (  http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idcat=163 ).  Praxis ǀ „Sie wissen nicht, dass es Thalasso heißt“ „Ein großer Teil unserer Gäste kommt an die niedersächsische Nordseeküste, weil sie die nahezu unberührte Natur schätzen und weil es ihnen körperlich und seelisch gut tut. Sie merken, dass die Luft anders ist und nach einiger Zeit auch, dass sie freier durchatmen können. Viele erinnern sich daran, dass sie in Kindertagen bereits für einen Familienurlaub oder Kururlaub an der Nordseeküste waren. Und in diesen Kururlauben sind sie schon mit Thalasso in Berührung gekommen - sie wissen es nur noch nicht. Einer unserer Kommunikationsschwerpunkte ist demnach die Aufklärung zum Thalasso, das heißt, dass wir nicht nur den Begriff Thalasso in die Köpfe kriegen, sondern auch die Vorteile dieser besonderen Heil- und Präventionsmethode.“  Katja Benke, Projektmanagement und PR, Die Nordsee GmbH, Schortens Die Elemente der Thalassotherapie an der niedersächsischen Nordsee (vgl. Thalasso Praxisleitfaden (2013), S. 20-28) werden nicht nur bei medizinischen Indikationen eingesetzt, sondern sie bilden auch die entscheidende Grundlage für die ortstypischen Aktivitäten im Rahmen von Wellnessangeboten (→ Box „Ortstypische Aktivitäten in der Thalassoregion“). Deshalb sollen sie auch kurz charakterisiert und ihre Anwendungsmöglichkeiten skizziert werden. Das Meerwasser gehört zu den Solen (→ Kap. 4.1.2), den salzhaltigen Lösungen mit einem Anteil von 1,4 bis 6 Prozent Kochsalz. Das Nordseewasser verfügt durchschnittlich über eine NaCl-Konzentration von ca. 3 Prozent, was fast dem dreifachen Salzgehalt des Ostseewassers entspricht. Neben einem Salzanteil sind im Meerwasser weitere Mineralstoffe und Spurenelemente zu finden. Als <?page no="49"?> 50 Badeorte mit Tradition besonders gesundheitsfördernd können Magnesium, Kalzium, Kalium, Chlor, Schwefel, Brom und Jod bezeichnet werden.  Wissen ǀ Meerwasser und Blut „Die Zusammensetzung des Meerwassers gleicht dem menschlichen Blutserum, denn Natrium, Kalium und Kalzium sind in Form von Chloriden, Karbonaten und Sulfaten auch die wichtigsten Salze des Blutplasmas.“ (DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden, S. 20.) Bäder im Meerwasser fördern die Hautdurchblutung und haben eine entzündungshemmende Wirkung. Während des Badens kommt es zur Lösung verhornter oder sich schuppender Hautschichten, mit zunehmendem Salzgehalt können Meerwasserbäder auch Juckreiz lindern - deshalb wird dieses Element auch erfolgreich gegen Hautkrankheiten eingesetzt. Es lässt sich zudem ableiten, dass dies ein beliebtes Mittel für die Hautpflege, für Wohlfühl- und Schönheitsbehandlungen ist. Gerade in höheren Konzentrationen eignet sich Meersalz in einer feinkörnigen Variante für Peelings und Abreibungen. „Dabei lösen die feinen Salzkristalle Schuppen und leichte Verhornungen und machen die Haut geschmeidig und zart“ (a.a.O., S. 21). Für die innere Anwendung eignet sich das Meersalz in zwei Formen: zum einen als naturbelassenes Salz mit hochwertigeren Inhaltsstoffen als industriell hergestelltes Kochsalz, zum anderen für eine medizinische Trinkkur oder als Bestandteil so genannter Wellnessgetränke. In der Küche finden Fleur de Sel, darunter versteht man die oberste Schicht, die in Salzgärten abgeschöpft wird, in denen man das Salzwasser allein durch die Sonnenwärme verdunsten lässt, sowie das Sel gris Verwendung. Hierbei sorgen kleinste Algen- und Tonteilchen für die namensgebende graue Farbe. Das Besondere dieser beiden Salzarten ist ein intensiver wie nuancenreicherer Geschmack, den man in der gehobenen Gastronomie auch ohne Wellnessgedanken nutzt. Das Meerwasser, das die Basis für Getränke darstellt, stammt dagegen in der Regel aus den Tiefen des Atlantiks. Ein höherer Mineralgehalt, vor allem an Salz, lässt sich ebenfalls in der Seeluft nachweisen; hierbei handelt es sich um ein maritimes Aerosol. „Über dem offenen Meer sowie in der Brandungszone werden die feinen Meerwassertröpfchen beim Brechen der Wellen vom Wind in die Luft gewirbelt. Aufgrund ihres Salzgehaltes spricht man auch von Schwebsalzen“ (a.a.O., S. 21). So sorgt ein Strandspaziergang u.a. für einen leichten Salzfilm auf der Haut, den man an den <?page no="50"?> Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste 51 salzig schmeckenden Lippen sogleich merkt. Die Natur hat damit für einen leichten Peeling-Effekt gesorgt - mit ähnlicher Wirkung wie bei einer bewussten und intensiveren Anwendung des Meersalzes. Die Intensität des salzigen „Windschliffs“ lässt mit der Entfernung von der Brandungszone schnell nach. Ist dort noch eine 100-prozentige Salzkonzentration in der Luft nachweisbar, hat sich diese bei einem Abstand von 10 bis 15 m zum Meer bereits halbiert und bei einer Entfernung von 100 bis 200 m beträgt sie gerade noch einmal 10 Prozent. Um möglichst viel der positiven Wirkung des maritimen Aerosols, nicht nur für die Haut, sondern auch für die Atemwege, zu nutzen, empfehlen sich sportliche Betätigungen besonders am Wasserrand.  Wissen ǀ Optimales Spazierengehen und sportliche Betätigung „Zügige Spaziergänge mit leichter Bekleidung direkt an der Flutkante sind besonders zu empfehlen, denn durch die leichte Anstrengung sowie durch Kältereize wird das Volumen jedes Atemzuges vergrößert. Bewusst langsames Durchatmen kann diese Wirkung noch verstärken. Eine angemessene Dosierung der Klimareize ist hierbei zu beachten.“ (DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden, S. 22) Abb. 4: Thalassogymnastik in den Dünen, Wangerooge <?page no="51"?> 52 Badeorte mit Tradition Die oberste Schicht des Wattenmeers, der Meeresschlick, zeichnet sich ebenfalls durch einen hohen Mineraliengehalt aus, der für medizinische wie für Wellnessanwendungen genutzt wird. In der „Heilerde des Meeres“ finden sich neben Mineralstoffen wie Kalzium und Magnesium viele weitere Salze, Spurenelemente, Vitamine, Tonerde, Spuren von Schwefel und organische Bestandteile, wie z.B. aus Algen (vgl. a.a.O., S. 22). „Im Vergleich zum Meerwasser sind die Wirkstoffe im Schlick zehnmal höher konzentriert [...]. In der Zeit zwischen Mai und August ist der Schlick besonders reich an organischen Bestandteilen“ (a.a.O.). Für medizinische wie Wellnessanwendungen muss der Meeresschlick aufbereitet werden. Er wird mit Meerwasser angerührt und aufgewärmt für Packungen eingesetzt und noch weiter verdünnt für Schlickbäder. Er lässt sich auch für kosmetische Produkte, wie z.B. Seifen (BadeWerk Neuharlingersiel), nutzen. Doch nicht nur in Warmanwendungen, bei denen man von einer außergewöhnlichen Wärmekapazität des Schlicks beispielsweise bei Erkrankungen des Bewegungsapparats profitieren kann, auch in der Kaltanwendung sind positive Wirkungen zu beobachten, wie beim Barfußgehen bei Wattwanderungen. Ähnliches inklusive einer stärkeren Fußreflexzonenmassage gilt auch für das Spazierengehen und die Bewegung im Sand. „Fitnessübungen, die im Sand durchgeführt werden, sind deutlich intensiver. Denn je weicher der Sand ist, umso höher wird die erforderliche Körperspannung“ (a.a.O., S. 23). Der hohe Gehalt an Mineralstoffen des Muschelkalks legt eine Nutzung bei Packungen sowie Körperpeelings nahe. Das Liegen und Ruhen im warmen, trockenen Sand kann sich positiv auf Rücken- und Gelenkschmerzen, aber nicht minder auch auf das seelische Wohlbefinden auswirken. Vielseitig nutzbar sind Algen in ihrer Form als Einzeller, den frei im Wasser schwebenden Mikroalgen wie den Makroalgen, die auf steinigem Untergrund wachsen und mehrere Meter lang werden können. „Sie enthalten wichtige Vitamine, Pigmente, Lipide, Mineralstoffe, Spurenelemente, Kohlenhydrate, Phytohormone, sowie essentielle und nicht-essentielle Aminosäuren. Algen eignen sich neben der äußeren auch für die innere Anwendung“ (a.a.O., S. 24). Bei Bädern, Packungen, Umschlägen und Peelings fördern sie die Durchblutung und Feuchtigkeit der Haut sowie die Entschlackung des Körpers. Zur Thalassotherapie gehört aber auch eine innere Anwendung der Algen, indem sie ein wichtiges Produkt in der Küche sind. Ca. 160 Algenarten sind für die Ernährung geeignet und können roh, getrocknet oder eingeweicht verzehrt werden, wobei das dabei zugeführte Jod die Verzehrmenge bestimmt (vgl. a.a.O.). Doch bei einer Algenkost sollte ebenfalls berücksichtigt werden, dass die Pflanzen auch Schadstoffe aus dem Meerwasser speichern. <?page no="52"?> Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste 53 Gerade die Fähigkeit Feuchtigkeit zu speichern, macht die Algen zu einer wichtigen Grundlage für diverse kosmetische Produkte, wie Cremes, Lotionen, Shampoos und Haarwasser.  Wissen ǀ Anwendungsziele in der Algenkosmetik „Im Mittelpunkt stehen in der Algenkosmetik folgende Anwendungsziele: [1] Reinigung (Vorbereitung, Peeling, Durchblutungsförderung) [2] Beruhigung (Entzündungshemmung, Stärkung, Schutz) [3] Revitalisierung (Remineralisierung, Befeuchtung, Gesunderhaltung) [4] Klärung (Ausgleich und Säuberung) [5] Befeuchtung (Glätten und Nähren) [6] Straffen (Festigung, Tonisierung) [7] Stimulierung (Wiederbelebung, Atmung, Erfrischung) [8] Aufbau (Regeneration, Unterstützung) [9] Anti-Aging (mit natürlichen Phytohormonen)“ (HOBERT (2003), S. 178 nennt zu diesen Anwendungszielen jeweils noch besonders geeignete Algenarten.) Die Thalassoanwendungen sind in die Klimatherapie des Nordsee-Reizklimas eingebettet. Da dies gerade für Aktivitäten unter freiem Himmel ein wesentlicher Aspekt ist, soll im Folgenden kurz darauf eingegangen und - als wichtiger Aspekt aus und für die Praxis - die Bedeutung der Adaption angerissen werden. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird diese Phase auch als Akklimatisation bezeichnet, was jedoch nicht korrekt ist; unter Akklimatisation versteht man eine bereits vollzogene Anpassung an das neue Klima (vgl. SCHULTZE (1977), S. 16). „Die Klimatherapie definiert sich als systematische Nutzung der örtlichen Luft- und Klimaverhältnisse zu Heilzwecken. Durch die gezielte Abhärtung in Form von Luft- und Seebädern werden die thermoregulatorische Reaktion und die Durchblutung des Körpers verbessert“ (a.a.O., S. 26). Elemente der Klimatherapie sind der Aufenthaltsort, die Jahreszeit, die Wetterlage, wobei sich durch Temperatur, Windstärke, Windrichtung und UV-Strahlung Unterschiede ergeben. Der Aufenthalt am Meer an sich stellt noch keine Klimatherapie dar, wohl <?page no="53"?> 54 Badeorte mit Tradition aber wären die Auswirkungen des Reizklimas insbesondere am Beginn eines Aufenthalts zu berücksichtigen. Erst durch gezielte Klimaexpositionsverfahren, wie Terrainkur, Frischluft-Liegekur, Luftbad, Heliotherapie oder Seebad und die Anleitungen eines Klimatherapeuten kann die vorübergehende Zeit am Meer zu einer Klimatherapie werden. Gerade bei selbstverordneten Wellnesstagen ohne entsprechende Betreuung muss diese Adaptionsphase, die bis zu einer Woche dauern kann (vgl. SCHULTZE (1977), S. 17), berücksichtigt werden. Die Dauer der Phase hängt ab von der Intensität des Klimawechsels, von Ort und Jahreszeit, von der individuellen Konstitution sowie dem Lebensalter. Die drei Grundsätze für eine Thalassotherapie lassen sich hier übertragen: [1] „Vorsichtig beginnen. [2] Langsam und individuell steigern. [3] In kleinen Schritten so weit wie möglich individuell steigern.“ (Thalasso Praxisleitfaden (2013), S. 27)  Wissen ǀ Ortstypische Aktivitäten in der Thalassoregion „Ortstypische, trainingswirksame Aktivitäten (am Strand oder wenige 100 m davon entfernt)  Sport- und Wassersport verschiedenster Art (Meerbad, Schwimmen, Nordic Walking, Strandgymnastik, Jogging, Radfahren, Segeln, Surfen, Reiten, Beach-Volley-Ball, Tennis u.a.m.)  Schonungswirksame Aktivitäten (Strand, Düne, Kuranlagen, Parks)  Spaziergänge (Watt-Wanderungen), Exkursionen zu Flora und Fauna  Sonnenbad, Luftbad  Gymnastische Übungen, Dehnübungen/ Yoga u.a.  Künstlerische Betätigung (Malen oder Singen am Meer, Fotografie)  Erlebnis von Ruhe, Stille, Einsamkeit  Landschaftsästhetik (weite, weiße Sandstrände, endlose Weite, Dünenlandschaften, rollende Wellen, kleinere Waldgebiete)“ (DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013), S. 12) <?page no="54"?> Thalasso-Nordseeheilbad - Inseln und Küste 55  Wissen ǀ Tipps für die Adaptionsphase „Zu Beginn der Klimatherapie werden die Aufenthalte in der Brandungszone langsam gesteigert. Dies beginnt mit kurzen Spaziergängen, es folgen Klimawanderungen und schrittweise Luftbäder. Als Faustregel für die Luftbäder gilt: ‚Pro Tag ein weiteres Kleidungsstück ausziehen. Im Winter dürfen Mütze, Handschuhe und Schuhe anbehalten werden.‘ Erst nach einer ausreichenden Adaptionsphase folgt das Baden im Meer, denn es ist gut 25 mal intensiver als ein Luftbad. Bei einer Klimatherapie im Winter würde beispielsweise erst am fünften Tag ein vorsichtiger Kontakt mit dem Meerwasser in Form von Wassertreten stattfinden, ein komplettes Meerbad würde nicht vor dem neunten Tag stattfinden.“ (DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schwärter druckt GmbH, o. O., S. 27). Das allgemeine touristische Thema Authentizität kann auch bei den Thalassoangeboten seinen Niederschlag finden, wie es einige regionstypische Anwendungen rund um Thalasso an der niedersächsischen Nordsee beweisen. Das Lokale bei der Gestaltung von Wellnesseinrichtungen - die „Hardware“ - wird in → Kap. 4.3 angerissen, hier sollen einige praktizierte Beispiele der „Software“ vorgestellt werden. Meerwasser und Naturschlick sowie andere „Gesundheitszutaten“ aus der Region lassen sich für ein großes Spektrum an Produkten einsetzen, die über das rein Kosmetische hinaus reichen. Sie können als wesentlicher Bestandteil bei Badezusätzen, Körperlotionen und Cremes, für Peeling und Pflegemasken genutzt werden. Klassische Anwendungen erhalten dadurch einen regionalen Bezug, indem man beispielsweise ein Rhasulbad mit Meerschlick in ein „Friesen- Rhasul“ verwandelt oder damit einen Aufenthalt im „Schlick-Dampfer“ wie im BadeWerk Neuharlingersiel gestaltet. Abgepackt in 500-Gramm-Portionen wird der frische Neuharlingersieler Naturschlick hier exklusiv als Souvenir und für Anwendungen nach dem Aufenthalt am Meer verkauft. Als wärmende Körperpackung oder verdünnt im Wasserbad sowie als kühlende Packung lässt er sich verwenden. Andere Pflegeprodukte basieren auf getrocknetem Schlick in Pulverform. Auch die heimische Vegetation liefert wichtige Grundlagen, wie z.B. der Sanddorn mit seinen besonders vitaminreichen, orangefarbenen Beeren, die Wildrose und der Strandflieder, für Kosmetikreihen. <?page no="55"?> 56 Badeorte mit Tradition Als zweiter wichtiger Bereich neben den äußeren Anwendungen wäre derjenige der Ernährung zu nennen, der nicht nur für die Thalassotherapie eine wichtige Rolle spielt. Saisonale Produkte aus der Region werden hierbei noch um einige im Binnenland „exotische“ bereichert, wie z.B. Algen, Queller oder Röhrkohl.  Literatur HOBERT, I. (2003): Heilung aus dem Ozean. Vitalität, Kraft und Schönheit durch Algen- und Thalassotherapie. Oesch Verlag Zürich. DIE NORDSEE GMBH, TOURISMUSVERBAND NORDSEE E.V. (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schwärter druckt GmbH, o. O. SCHULTZE, E.-G. (1977): Meeresheilkunde. Wissenschaftliche Reihe des Deutschen Bäderverbandes. Deutscher Bäderverband, Bonn.  Websites BadeWerk, Neuharlingersiel: www.badewerk.de Spiekeroog: http: / / www.spiekeroog.de/ spiekeroog-erleben/ inselbadduenenspa/ wellnessangebote.html 3.3 Mecklenburg-Vorpommern Nach der ausführlicheren Betrachtung von Wellness an der Nordsee (→ Kap. 2.2.1 und → Kap. 3.2) soll ein Blick an die Ostseeküste folgen. Hier hat Mecklenburg-Vorpommern auch eine Vorreiterrolle übernommen, denn 2004 erhielt es als erstes deutsches Bundesland ein Wellnessgütesiegel (→ Kap. 8). Mecklenburg-Vorpommern bietet dank geographischer sowie infrastruktureller Ausstattung gute Voraussetzungen für den gesundheitsbezogenen Tourismus. Das Reizklima der Ostsee eignet sich ebenfalls für Thalassoanwendungen, die waldreiche Landschaft sowie die Strukturschwäche in anderen Wirtschaftsbereichen jenseits des Tourismus sorgen für eine emissionsarme gesunde Luft. Bei Gesundheitswie Wellnessanwendungen stehen verschiedene natürliche ortsgebundene Heilmittel wie Sole, Kreide, Moor oder <?page no="56"?> Mecklenburg-Vorpommern 57 auch Produkte aus dem Meer zur Verfügung. Auf der Seite Infrastruktur und Manpower bietet Mecklenburg-Vorpommern eine „qualitativ hochwertige und moderne Hotellerie-, Klinik-, Rehabilitations- und Bäderinfrastruktur, qualifiziertes Personal und führende Position in der europäischen Bädertradition.“ (vgl. PRAXISLEITFADEN FÜR GESUNDHEITSTOURISMUS IN MECK- LENBURG-VORPOMMERN, S. 10 (  https: / / www.regierung-mv.de/ Landesregierung/ wm/ Service/ Publikationen? id=4913&processor=veroeff )  Wissen ǀ Nachfrage in Mecklenburg-Vorpommern „Auch in Mecklenburg-Vorpommern selbst hat sich die Wellness- Nachfrage deutlich positiv entwickelt. Bezeichneten nur 8 % der Nebensaisongäste im Jahr 2003 ihren Aufenthalt als Wellness-Reise, so waren es im Tourismusjahr 2009/ 2010 bereits 21 %. Im Winterhalbjahr stieg der Anteil sogar auf 38 % an. Somit ist die Nachfrage nach Wellness in der Nebensaison deutlich höher und trägt positiv zur Saisonverlängerung bei. Wellness- und Beauty-Angebote nutzten im Jahr 2009/ 2010 sogar 29 % unserer Gäste wenigstens gelegentlich.“ (PRAXISLEITFADEN (2012), S. 17) Dank diverser Studien gibt es Daten über soziodemographische Merkmale der Zielgruppe Wellnessurlauber in Mecklenburg-Vorpommern (MV); diese Gruppe umfasst ca. 3,7 Mio. Personen. Nach Bayern ist MV das zweitbeliebteste Ziel für eine Wellnessreise in Deutschland. „Hauptquellmärkte für den Wellnessurlaub in Mecklenburg-Vorpommern sind Brandenburg, Nordrhein- Westfalen, Niedersachsen und Bayern. Allein die Hälfte der Interessenten haben ihren Hauptwohnsitz in einem dieser 4 Bundesländer“ (Praxisleitfaden (2012), S. 18). Zwei Drittel der Wellnessinteressierten sind weiblich, das Durchschnittsalter in der gesamten Zielgruppe liegt bei 47,4 Jahren. Rund 70 Prozent der Personen sind verheiratet oder leben in einer festen Partnerschaft; daraus ist abzuleiten, dass einerseits Singles eine deutliche Minderheit unter den Wellnessinteressierten sind, andererseits Familien mit Kindern eine größere Untergruppe darstellen. Das Bildungsniveau der Zielgruppe Wellnessinteressierter liegt etwas über demjenigen der Gesamtbevölkerung. 46 Prozent besitzen die Mittlere Reife, 14 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Der Großteil der Interessenten ist ganztags (51 Prozent) oder halbtags (13 Prozent) berufstätig. Ein Wellnessurlaub wird vor allem von Berufstätigen als ein willkommener Ausgleich zum Alltag verstanden und kann gleichzeitig auch ein Anstoß dafür sein, das Gesundheitsbewusstsein für den Alltag zu schärfen (vgl. a.a.O.) <?page no="57"?> 58 Badeorte mit Tradition Bernd Fischer, Geschäftsführer des Tourismusverbands Mecklenburg-Vorpommern, listet 2014 die Alleinstellungsmerkmale und Angebotsstruktur in Übereinstimmung mit denjenigen der Landesregierung auf (vgl.  http: / / service. mvnet.de/ _php/ download.php? datei_id=133689 ) - u.a. „Mecklenburg-Vorpommerns natürliches Verwöhnprogramm: ‚gesunde Natur‘, frische, saubere Luft, Meer, Weite der Landschaft, Ruhe“ oder „Schon ein Strandspaziergang ist eine natürliche Wellnessbehandlung“. Ein Blick sei auf die ortsgebundenen natürlichen Heilmittel in MV geworfen. Dazu gehören „Sonne, Meer, Wald, Luft, Kreide, Sole, Moor“ (a.a.O.). Die umfassendste Anwendung der natürlichen Heilmittel erfolgt bei der Thalassotherapie (→ Kap. 3.3). Als Alleinstellungsmerkmal kann die Ostsee im Gegensatz zur Nordsee mit Kreide für Wellnessanwendungen aufwarten. Die Kreidefelsen von Rügen liefern nicht nur die Kulisse für ein berühmtes Gemälde von Caspar David Friedrich sowie die herausragende geologische Attraktion und damit einzigartige Naturerlebnisse im Nationalpark Jasmund, sondern auch den Rohstoff für Heilkreide. Im Landesinneren der Halbinsel Jasmund werden die Vorkommen der sogenannten Rügener Schreibkreide abgebaut und als Heilkreide aufbereitet - in Deutschland eignet sich nur diese Rügener Kreide für Gesundheits- und Wellnessanwendungen. Vor rund 67 Mio. Jahren schufen die Meeresorganismen mit ihren kalkigen Teilen ein Sedimentgestein mit besonders feiner Körnung. Aus der Rohkreide wird durch Aufschlämmen, das Trennen von unerwünschten Bestandteilen, einer Sortierung nach Korngrößen und abschließender Trocknung die Rügener Heilkreide (  http: / / www.heilkreide.de/ heilkreide_ruegener.php ).  Wissen ǀ Peloide Peloide (Griechisch pelos - Schlamm) sind organische oder anorganische Rohstoffe aus der Natur, die entsprechend aufbereitet, d.h. gereinigt, gegebenenfalls sortiert nach störenden Bestandteilen, anschließend je nach Anwendung mit Wasser in eine breiige Masse verwandelt werden. Im Gesundheits- und Wellnesstourismus werden die Peloide Moor/ Torf, Schlamm (z.B. Fango), Heilerde (z.B. Lehm), Schlick, Löss und Heilkreide für Packungen, Massagen oder Bäder benutzt. Die Mineralien der Peloide können von der Haut, dem größten Organ, aufgenommen werden und somit den Körper positiv beeinflussen, indem sie beispielsweise entzündungshemmend wirken und den Stoffwechsel fördern. Ihre Fähigkeiten, Wärme zu speichern und diese langsam und lange abzugeben, wird bei Anwendungen u.a. zur Entspannung genutzt. <?page no="58"?> Mecklenburg-Vorpommern 59 Wie andere Peloide, z.B. Lehm in den Felke-Anwendungen (→ Kap 4.2), der auf den Körper aufgetragen wird, sorgt auch die Rügener Heilerde für eine stärkere Durchblutung des Körpers mit der Haut als dem größten Organ, für eine Anregung des Herz- und Kreislaufsystems sowie des Stoffwechsels, sie fördert die Entsäuerung des Körpers und stärkt das Immunsystem. Neben den medizinischen Anwendungen in der Dermatologie, Physiotherapie und Prävention findet der weiße Schlamm, der nicht nur mit Wasser, sondern - wenn nachhaltige Feuchtigkeit gewünscht wird - auch mit Ölen angerührt werden kann, Anwendungen als Ganz- und Teilkörperpackungen, als Peelings und als Body-Wrapping. Die Rügener Heilkreide wird auch bei Teil- oder Vollbädern eingesetzt.  Praxis ǀ Body-Wrapping „Body-Wrapping ist ein Kompressionswickel mit einer Folie, der die Entschlackung anregt und zur Behandlung von Cellulite verwendet wird. Die Heilkreide besitzt ein besonderes Sorptionsvermögen und regt die Haut in ihrer Funktion als Ausscheidungsorgan an.“ (  http: / / www.heilkreide.de/ heilkreide_wohlbefinden.php ). Mitglieder des Vereins Rügener Heilkreide e.V. bieten Gästen „Kreidefit-Tage“. Hierbei handelt es sich um mehrtägige Gesundheitsangebote, bei denen die Pauschalen die drei Schwerpunkte gesunder Rücken, gesunder Säure-Basen- Haushalt und gesunde Haut um Module erweitert werden können, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen. Dazu gehören neben einem Einführungs- und Abschlussgespräch verschiedene Anwendungen, aber auch Beratung z.B. zur Identifikation von Stressfaktoren, zu Entspannungsmöglichkeiten, Bewegung und für die Nachhaltigkeit noch Informationsmaterial und Anregungen für den Alltag zu Hause. <?page no="59"?> 60 Badeorte mit Tradition  Literatur FISCHER, B. (2014): Qualität leben, Marke stärken - Qualitätsmanagement im Bereich Spa und Wellness in Mecklenburg-Vorpommern. (  http: / / service.mvnet.de/ _php/ download.php? datei_id=133689 ). MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, BAU UND TOURISMUS (2012): Praxisleitfaden für Gesundheitstourismus in Mecklenburg-Vorpommern. Schwerin. (  https: / / www.regierung-mv.de/ Landesregierung/ wm/ Service/ Publikationen? id=4913&processor=veroeff ).  Websites http: / / www.mecklenburg-vorpommern.de/ wirtschaft-arbeit/ tourismus/ https: / / www.ostsee-und-wellness.de/ wellnessland.html http: / / www.heilkreide.de/ heilkreide_ruegener.php 3.4 Weitere Beispiele aus Europa 3.4.1 Schweiz - Wellness als Tourismusförderung im Hochgebirge Von Natur aus ist das Walliser Dorf Leukerbad begünstigt wie kein zweiter Badeort in den Alpen. Eine geologische Zone mit Thermalwasseraustritten zieht sich durch den Untergrund des Dorfkerns. Ca. 65 Thermalquellen sind bekannt, die geschätzt insgesamt 3.000 Liter pro Minute schütten. Dabei handelt es sich um eine Spannbreite von lauwarmen Sickerquellen bis zur bedeutendsten, der St. Lorenz-Quelle mit 51 °C und allein schon einer Schüttung von 900 l/ Minute. Geschätzte 3,9 Mio. Liter Thermalwasser mit 48-51 °C stehen in Leukerbad täglich frisch zur Verfügung, was eine Spitzenposition zumindest für den Alpenraum bedeutet. Der Reichtum an dem heilenden Wasser (ein Calcium-Sulfat-Wasser mit leicht erhöhtem Gehalt an Natrium, Strontium, Eisen und Fluorid) im oberen Dalatal wird seit der Antike genutzt, wie es sich aus römischen Funden ableiten lässt. Seit dem 15. Jahrhundert gibt es schriftliche Überlieferungen über die Nutzung des Thermalwassers für den Badebetrieb. Den für seine Zeit vermutlich florierenden Bäderbetrieb kaufte der Walliser Bischof Mathäus Schiner am 10. Febru- <?page no="60"?> Weitere Beispiele aus Europa 61 ar 1501 auf und investierte als „Kurdirektor und Wirtschaftsförderer im Nebenberuf“ in das „Leugker Bad“, indem er die bestehenden Bäder ausbessern sowie zwei neue und einen großen Gasthof in der Dorfmitte neben der Lorenzkapelle errichten ließ. „Von weit und breit kommt man in diese bäder/ unnd wenn die hohen berge nit weren/ die man übersteigen muss/ kämen jährliche ein unzähliche menge do hin/ weit mehr als der ort unterbringen könnte“, so der Kosmograph Sebastian Münster 1541. Wie Badetourismus mit einem hohen Wellnessfaktor allgemein im Mittelalter praktiziert wurde, skizziert → Kap. 2.3. Inzwischen werden die am stärksten schüttende Thermalquellen der Alpen nur noch zu einem geringeren Teil für medizinische Anwendungen genutzt, denn in Leukerbad, wie in der übrigen Schweiz, sind drei Wochen dauernde Kuren nicht mehr üblich. Somit rettet auch hier der wachsende Wellnessbereich die Existenz des Kurorts - wie es in Deutschland nicht minder oft zu beobachten ist. Dabei muss der Wellnesssektor in Leukerbad ebenfalls seinen Beitrag dazu leisten, andere negative Trends im aktuellen Schweizer Tourismus zu „kurieren“ und der Schlüsselbranche Tourismus die gewünschte wirtschaftliche Bedeutung wiederzugeben. Allgemein für die Schweiz nennt Jean-Roland Roten, Präsident von Leukerbad Tourismus, im Jahresbericht 2016 folgende Aspekte:  „Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat in den vergangenen Jahren zu einem starken Rückgang von Gästen aus dem Ausland geführt.  Der Bergtourismus verliert im Vergleich zum Städtetourismus weiter an Bedeutung.  Viele Gäste stammen aus dem günstigeren Euroraum und machen vermehrt dort Ferien, somit verlieren wir zunehmend Marktanteile an die umliegenden Nachbarländer.  Durch die Frankenstärke zieht es gleichzeitig viele Einheimische zunehmend ins Ausland.“ (vgl. LEUKERBAD TOURISMUS (2017) S. 3) Speziell Leukerbad als Hochgebirgsdestination mit Skitourismus und Bergwandern/ Bergsteigen als wichtigem Teil des Sporttourismus im Sommer hat unter folgenden Trends zu leiden:  „Klimawandel: Der Winter wird immer milder und die Schneefälle waren in den letzten Jahren rückläufig.  Wandel im Freizeitverhalten: Zahlreiche Leute suchen heute eine Alternative zu Skiferien und fahren ins Ausland für Badeferien am Meer.  Viele Kinder und Jugendliche lernen gar nicht mehr Skifahren, darunter leidet der klassische Wintersport zunehmend.“ (a.a.O.) <?page no="61"?> 62 Badeorte mit Tradition Damit kommt dem ganzjährig üppig sprudelnden Thermalwasser - mit minimalen Fixkosten - als Grundlage von Wellness eine besondere Bedeutung zu. Um den anstehenden Strukturwandel im Tourismus von Leukerbad durchzuführen und Kräfte neu zu bündeln, wurde 2016 die Betriebsgesellschaft My Leukerbad AG gegründet. „Insbesondere geht es darum, die Hauptprodukte von Leukerbad „Berg“ und „Thermalwasser“ aus einer Hand zu vermarkten und mögliche Synergiepotentiale zwischen den Leistungsträgern zu nutzen“ (  https: / / www.leukerbad.ch/ bergbahnen-sport/ my-leukerbad-ag/ ). Bereits seit 2003 engagieren sich die derzeit rund 300 Mitglieder der Thermalquellen-Zunft Leukerbad auch mit praktischer ehrenamtlicher Arbeit, um die Thermalquellen auch außerhalb ihrer Nutzung in den Bädern in den Fokus der Touristen zu rücken. So wurde 2003 der rund 3 Kilometer lange Thermalquellen-Weg mit einer Runde durch das Dorf und im folgenden Jahr der anschließende Thermalquellen-Steg in der Dalaschlucht eröffnet.  Praxis ǀ Die Thermalquellen-Zunft von Leukerbad „Zweck: Die Thermalquellen-Zunft fördert und vermittelt die medizinische, psychologische, pädagogische, wissenschaftliche, gesellschaftliche, wirtschaftliche, kulturelle, ökologische und historische Bedeutung und den damit verbundenen Wert der Thermalquellen von Leukerbad. Die Thermalquellen-Zunft setzt sich für den Erhalt und die sinnvolle Nutzung der Thermalquellen in Leukerbad ein. Die Thermalquellen-Zunft pflegt Geselligkeit und Kameradschaft. Gründung: Die Thermalquellen-Zunft Leukerbad wurde am 3. Tag des 3. Monats des 3. Jahrtausends um 3.03 Uhr nachmittags im 2003 im UNO- Jahr des Wassers gegründet.“ (  http: / / www.thermalquellenzunft.ch/ )  Praxis ǀ Thermalwasser in der Landschaft entdecken Folgende touristisch relevante Projekte hat die Thermalquellen-Zunft inzwischen realisiert: den Thermalquellen-Weg und den Thermalquellen- Steg. Das Credo der Zunft: „Der Thermalquellenlehrpfad stellt eine kulturelle Bereicherung für das Bäderdorf Leukerbad dar. Die Geschichte des Badens muss nicht in vergilbten Büchern nachgeschlagen werden.“ <?page no="62"?> Weitere Beispiele aus Europa 63 Auf dem ca. 3 Kilometer langen Thermalquellen-Weg erhält der Spaziergänger Wissenswertes von zweisprachigen Infotafeln (Deutsch und Französisch) über die gefassten Quellgruppen Leukerbads, die Geologie, die Geschichte oder die medizinischen und wirtschaftlichen Aspekte des Thermalwassers. Das attraktivste Stück des Themenwegs ist der 600 m lange Thermalquellen-Steg, der mit luftigen Stegabschnitten und einer 21 m langen Hängebrücke in die enge Dalaschlucht gebaut wurde. Dabei sind Quellaustritte u.a. an den rostfarbenen Ablagerungen an Felswänden zu erkennen. Der Thermalquellen-Weg und Steg sind von Mai bis Oktober begehbar. (  http: / / www.thermalquellenzunft.ch/ thermalquellenweg/ ) Wie wird das reiche Thermalwasservorkommen in der vom Schweizer Tourismus-Verband 2008 zertifizierten Schweizer Wellnessdestination Leukerbad außerhalb medizinischer Anwendungen genutzt? Dafür soll ein kleiner Exkurs in die Becken und Saunalandschaften der beiden großen Thermalbäder dienen. Das ältere Thermalbad, die Leukerbad Therme (ehemals Burgerbad), profitiert am südlichen Dorfrand vom Wasser der „Rossgillu“ (Rossquelle), einer Quelle, die man einst schon nutzte, um lahmenden Rössern und anderen Tieren auf die Sprünge zu helfen. 1968 begann man mit einer Anlage für Freiluft-Fußbäder, die Heilkraft für den Menschen einzusetzen. 1977 beschloss man, an dieser Stelle ein Thermal-Badecenter zu errichten, drei Jahre später wurde es auf der Grundlage einer Quellschüttung von 700 l/ Min in Betrieb genommen. Heute bezeichnet sich die Leukerbad Therme mit einer gesamten Wasseroberfläche von 1.147 m² aller Becken als die größte Thermalbadeanlage der Alpen. Sie bietet keine medizinischen Behandlungen, sondern versteht sich als eine Kombination aus Thermal- und Freizeitbad mit einem entsprechenden Angebot an Becken mit unterschiedlich temperiertem Wasser von 28 °C bis 45 °C. Noch größer ist der Gegensatz bei den beiden Becken für das Wassertreten nach Kneipp: das kalte Wasser besitzt für richtige Kältereize gerade einmal 7 °C, das warme und ungefilterte trübe hingegen 44 °C. Mit einer umfangreichen Sanierung des Freibads im Jahr 2014 wurde das neue Schwimmbecken mit pflegeleichtem rostfreiem Edelstahl im Unterschied zu den reparaturanfälligeren klassischen Kacheln ausgekleidet, anschließend wurde auch der Name des Freibads modernisiert: Es heißt nun Erlebnisbad. Als aktuell (2017) letzte große Investition wurde ca. 1 Mio. Schweizer Franken in die neue Saunalandschaft (→ Kap. 4.3) investiert. Der Wellness- und Fitnessbereich der Leukerbad Therme wird nicht von der 2016 gegründeten My Leukerbad AG <?page no="63"?> 64 Badeorte mit Tradition betrieben, zu der die wichtigsten Leistungsträger des Ortes gehören, sondern er ist untervermietet. Als Event, der ein historisch gesichertes Badeerlebnis bedeutet, bietet die Leukerbad Therme das Champagner Frühstück (→ Kap. 4.1.2) im Thermalwasser. Typisch für die Schweiz und ihre Schokoladenproduktion sind die Kindermassagen mit „Schoggi“. Da originale Schokolade wegen ihres Zuckergehalts klumpen würde, nimmt man eine Creme aus zermahlenen Kakaobohnen, die mit Mandelöl angerührt wurde. Die Kräuterflora des Hochgebirges und die Traubenkerne aus der Weinbauregion Walliser Rhônetal werden bei lokaltypischen Wellnessanwendungen eingesetzt.  Praxis ǀ Badegäste international In Leukerbad beobachtet man immer wieder asiatische Gäste auf den Dorfstraßen, die mit YouTube-Videos auf ihrem Smartphone, Passanten nach dem dazugehörenden Thermalbad fragen. Pools mit Aussicht auf eine eindrucksvolle Bergwelt, steile Felswände - eben ursprüngliche Natur - sind bei dieser Zielgruppe besonders gefragt. Die Leukerbad Therme (→ Titelbild des Buches) und die Walliser Alpentherme können damit dienen.  Praxis ǀ Saunagäste international „Die italienischen Gäste würden am liebsten mit dem Bademantel in die Sauna gehen. Die Schweizer Gäste schauen, dass alles in der Sauna korrekt läuft, während die Deutschen wissen, wie Sauna funktioniert. Die Russen finden die Sauna hierzulande immer zu kalt, es kann ihnen nicht heiß genug sein! “  Interview mit Stefan Röösli, Hoteldirektor Hotel Le Bristol, Leukerbad, Schweiz 1993 wurde in der Dorfmitte von Leukerbad die Walliser Alpentherme & Spa eröffnet mit Innen- und Außenschwimmbecken, Römisch-Irischem Bad, Therapie-Abteilung sowie einer kleinen Geschäftsstraße im Baukomplex. 2008 erfolgte ein größerer Umbau, der u.a. ein neues Innen- und Außenbecken brachte. In das nicht mehr gewünschte Hallensportbecken setzte man eine über 300 m² große Saunalandschaft unter dem Thema Walliser Saunadorf (→ Kap. 4.3). <?page no="64"?> Weitere Beispiele aus Europa 65 Abb. 5: Saunadorf, Alpentherme, Leukerbad In Leukerbad gibt es einige Bäderhotels mit eigenen Thermalbädern, dasjenige mit dem größten hoteleigenen Wellness- und Spa-Bereich des Ortes ist das 4-Sterne-Hotel Le Bristol. Der rund 2000 m² große Wellnessbereich steht ausschließlich den Gästen des 67 Zimmer-Hauses zur Verfügung. Die Becken werden aus dem 33 °C warmen Thermalwasser der eigenen Quelle gespeist. Eine Besonderheit in der Wasserlandschaft ist ein Thermal-Biotop, ein mit Platten gefasster Naturschwimmteich samt Wasserpflanzen. Die Wassertemperatur schwankt je nach Jahreszeit zwischen 7 °C und 17 °C, das kleine Biotop dient als Kaltwasserbecken für die Sauna und ist optisch ein gelungener Übergang zum Garten. Eine Kiesschicht im Becken steigert den naturnahen Charakter des künstlichen Feuchtbiotops und bietet zusätzlich noch eine kleine Fußmassage. Das Regionaltypische lässt sich im Angebot des Spas mit den „Walliser Behandlungen“ wiederfinden. Dabei werden Produkte aus dem Wallis, insbesondere dem klimatisch begünstigten Rhônetal genutzt. Es gibt Körperpeeling mit Weißtanne, Entspannungsmassage mit dem Kräuteröl aus einer Bergwiese, „Bio-Massage“ mit Walliser Aprikosenöl, Peeling mit Walliser Bio-Erdbeeren und Massage sowie Peeling mit Produkten aus dem Weinbau des Rhônetals. Der Nachwuchs unter den Gästen kann im Spa Junior („Spielerische und bezaubernde Pflegebehandlungen für Kinder von 5 bis 11 Jahren“) als nächste wellnessaffine Generation buchstäblich auf den Geschmack kommen - da oftmals <?page no="65"?> 66 Badeorte mit Tradition gerade die Kinder wesentlich mitbestimmen, wohin die Ferienreise geht, ist es nicht unklug, Angebot und Marketing auch auf diese Zielgruppe zu richten, wenn man ohnehin schon als Familienhotel etabliert ist. Hinter dem Angebot „Charlie und die Schokoladenfabrik“ verbirgt sich eine Massage mit Schokolade. Eine ähnliche Massage, wie sie die Eltern bekommen können, bietet eine kindgerechte Version. Wellness- und Kosmetikangebote für schönheitsbewusste Mädchen sind „Die Eiskönigin“ (Massage und Pflege des Gesichts) und „Hände wie eine Märchenfee“ mit Massage der Hände und Lackieren der Fingernägel. Ein ähnliches Angebot gibt es auch für die Füße der Prinzessinnen (  https: / / www.lebristol.ch/ images/ PDF/ WellnessAngebote.pdf ). Abb. 6: Außenbecken, Les Bains d’ Ovronnaz Auf einer nach Süden exponierten Sonnenterrasse über dem Rhônetal liegt im französischsprachigen Teil des Wallis als Ortsteil der Gemeinde Leytron Ovronnaz mit dem Thermalzentrum Les Bains d’Ovronnaz - Wellness & Spa Alpine Resort. 1990 wurde der erste Teil des Resorts in Betrieb genommen, nach weiteren Ausbauphasen im Bereich des Thermalbads (z.B. der Eröffnung einer großen Abteilung für medizinische Anwendungen und Wellness im Frühjahr 2000) sowie der angeschlossenen fünf Apartmenthäuser verfügt es aktuell über 170 Unterkünfte vom Studio bis zu 3-Zimmer-Ferienwohnungen. Alle Gebäude sind durch wettergeschützte und beheizte Passagen miteinander <?page no="66"?> Weitere Beispiele aus Europa 67 und mit dem Badezentrum verbunden. Dieses bietet Innen- und Außenbecken (auf einer Gesamtfläche von rund 600 m² größtenteils mit Panoramablick auf das Hochgebirge) sowie den Panoramic Alpine SPA auf 1.000 m². Zusätzlich ist das Thermalzentrum mit zwei kleineren Konferenzräumen für entsprechende Veranstaltungen eingerichtet. In der Wintersaison wartet das Thermalbad mit besonderen Events für seine Gäste auf: Jeden Mittwochabend gibt es das „Kino-Thermalbad“ („Cinebains“), bei dem man vom Außenbecken aus Filme auf einer großen Leinwand ansehen kann. Freitags wird ein Lounge-Abend mit Klang- und Lichtspielen in den Thermalbädern veranstaltet. Die Hauptsaison ist für Ovronnaz der Winter und dementsprechend gelten für das Thermalbad und den Panoramic Alpine Spa längere Öffnungszeiten und es werden Pauschalen für Bergbahn und Bäder angeboten. Im Sommer gibt es ein Package Wandern & Bäder. Den Bezug zur Natur und der Standort auf der Sonnenterrasse wird man in naher Zukunft stärker thematisieren und beispielsweise in eine neue eigene Produktlinie integrieren. Während man bei einer älteren Produktlinie stark auf Pflanzen aus ökologischem Anbau in Marokko setzte, sollen nun verstärkt Kräuter aus dem Wallis für Tees, Öle und andere Anwendungsformen genutzt werden. Die Leitfarbe für die neue Serie muss das Gelb sein, das schließlich die Sonne widerspiegelt und sich durchaus dominierend in der alpinen Flora der Umgebung findet, wo der hohe Gelbe Enzian die Wiesen in der Höhe bestimmt. Die Naturorientierung, die Wellness für die Seele bedeuten kann, kann man auch schon in kleinen Dingen realisieren. Im Sommer finden Behandlungen, wie beispielsweise Massagen, draußen in etwas geschützter liegenden Bereichen des Gartens statt, die aber immer noch Panoramablicke einschließen. In Saas-Fee existiert seit 2014 sogar eine Jugendherberge, die sich auf Wellness und Fitness spezialisiert hat: das WellnessHostel 4000 (  http: / / www.youthhostel.ch/ de/ hostels/ saas-fee ). Neben den klassischen Gästegruppen einer Jugendherberge richtet man sich - unterstützt durch sein Wellness- und Fitnessangebot auch an Sportgruppen und Sportvereine, die Trainingslager im Hochgebirge durchführen wollen.  Praxis ǀ Angebot einer Schweizer Wellnessjugendherberge  „Wellness auf 1900 m 2 mit finnischer Sauna, Bio-Soft-Sauna, Kräuter- Dampfbad, Whirlpool, Fussbecken, Nabelstein, Erlebnisduschen wie Sommerregen, Eisnebel, Bergbach oder Wasserfall, Schlucht-Balkon (aussen), Ruheraum, Kommunikations-Ruhebereich, Tee-Station <?page no="67"?> 68 Badeorte mit Tradition  Hallenbad mit 25-Meter-Becken, Whirlpool, Kinderbad, Erlebnisrutsche, Aussenterrasse  Fitness- und Kraftraum mit modernsten Nautilus-Geräten  Umfangreiches Massage-Programm“ (  http: / / www.youthhostel.ch/ de/ hostels/ saas-fee ) Die Eintritte in die Fitness- und Wellnessbereiche sind nicht in den Übernachtungspreisen einbegriffen. Präsentation der Wellnessjugendherberge im Video von der NZZ:  https: / / www.youtube.com/ watch? v=cPijXQJT0ZA 3.4.2 Island und Finnland - Nordic Wellness Zur Natur haben Skandinavier ein besonders intensives Verhältnis - im Sommer wie im Winter, die dort schließlich noch mit tieferen Temperaturen als im restlichen Europa verbunden sind. Für einen Blick auf den nordischen Weg zur Wellness bieten die Aufsätze von HUIJBENS (2011) und KONU; TUOHINO; KOMPPULA (2010) Grundlegendes sowie Praxiserfahrungen aus Island und Finnland. „What emerges as specifically Nordic in terms of wellness seems to thus revolve around the outdoors, being with nature and dealing with the cold“ (HUIJBENS (2011), S. 28). Die kalte frische Luft, Freiluftaktivitäten - inklusive Baden im Winter in Seen (! ) - und die Einsamkeit in der Landschaft sind wesentliche Teile der Nordic Wellness. Zum anderen greift man in den skandinavischen Ländern auch die international angesagten Wellnesstrends auf; doch soll im Folgenden das spezifisch Nordische zunächst am Beispiel von Island herausgestellt werden.  Wissen ǀ Nordic Well-being „The images of Nordic Well-being are typically oriented towards nature and outdoor experience and enjoyment combined with achievement, healthy local gastronomy, local culture and cleanliness of air, nature and water.“ (HUIJBENS (2011), S. 38) HUIJBENS Erkenntnisse basieren auf Feldarbeit im Jahr 2009 im Auftrag des isländischen Wirtschaftsministeriums sowie Gesundheitsministeriums zum Aus- <?page no="68"?> Weitere Beispiele aus Europa 69 bau der Mývatn Nature Baths im Nordosten der Insel (→ S. 70-71) als Destination in einer nahezu menschenleeren Landschaft - „A total of around 450 people live in the district of Skútustadahreppi with around 200 in the village of Reykjahlid“ (  https: / / www.myvatnnaturebaths.is/ ). Trotz seiner nördlichen Lage ist Island von Natur aus ausgesprochen begünstigt für Badetourismus, denn die natürlichen Vorkommen von warmem bis heißem Wasser dank der besonderen geologischen Situation (Geothermie - Wärme aus dem Erdinneren) liefern kostengünstig eine wesentliche Voraussetzung für Gesundheitsanwendungen und Wellness. Seit dem frühen Mittelalter gibt es eine Badetradition auf der Insel, die Isländer nutzen die zahllosen heißen Quellen oder auch Bachläufe mit warmem Wasser in Naturbädern bzw. Wildbädern. Dafür wird die direkte Umgebung des warmen sprudelnden Nass etwas zu einem Naturbecken erweitert, in das man sich setzen kann. Dies bedeutet dann bereits oftmals aber auch schon das Ende des Ausbaus jeglicher Bade-/ Wellnessinfrastruktur vor Ort - und aus dem warmen Wasser zu steigen, kostet ganz viel Überwindung, denn man steht anschließend in der sehr frischen Luft und nicht in einem wohltemperierten Raum. Nordic Wellness eben! Die vulkanischen Aktivitäten im Untergrund der Insel sorgen auch für bis zu 400 °C heiße Dämpfe, die man als Energiequelle seit den 1970er-Jahren auch zum Betrieb von ganzjährig nutzbaren Freiluftpools und größeren Badeanlagen mit moderner Infrastruktur inklusive Hotellerie mitten in der Wildnis nutzt. Bereits eine Erfolgsgeschichte und Location des internationalen Wellnesstourismus ist die Blue Lagoon auf der Halbinsel Reykjanes - gerade einmal 20 Minuten vom Keflavík International Airport, aber 50 Minuten von der Hauptstadt Reykjavík entfernt. Im Jahr 2014 wurden in der Blue Lagoon mehr als 700.000 Besucher geschätzt, rund 50.000 mehr als im Vorjahr - damit war theoretisch die gesamte Bevölkerung Islands zweimal in diesem Bad. Mitten in der kahlen Landschaft eines 800 Jahre alten Lavafelds, seit 2015 Teil des UNESCO Geoparks, wurde 1974 ein Kraftwerk errichtet, um die Erdwärme zu nutzen. In ca. 2.000 m Tiefe an der Grenze zwischen der Nordamerikanischen und Eurasischen Platte, d.h. auf dem Mittelaltlantischen Rücken, vermischt sich Meereswasser mit Grundwasser, das durch natürlichen Druck als ca. 200 °C heißer Dampf seinen Weg an die Erdoberfläche sucht. Ab 1976 stiegen die Einheimischen in das milchig blaue Seewasser, das nach der Nutzung als Energiequelle für Strom- und Fernwärmeerzeugung abgekühlt wieder auf das Lavafeld floss und man stellte fest, dass sein Gehalt an Mineralien, vor allen an Kieselerde, aber auch an Algen positive Auswirkungen auf Hautkrankheiten, vor allem die Schuppenflechte hatte. Das Angebot der medizinischen Anwendungen neben den Bädern (36-40 °C Wassertemperatur) wurde um Produkte <?page no="69"?> 70 Badeorte mit Tradition aus den natürlichen Rohstoffen erweitert - Gesundheitstourismus bzw. Medical- Wellness begannen, sich an der Blue Lagoon zu etablieren. 1987 wurde ein erstes Badehaus errichtet und zur Jahrtausendwende entstand die Infrastruktur, die die Blue Lagoon nun auch zu einem Ziel des internationalen Tourismus, zur „populärsten Tourismusattraktion Islands“ (vgl.  http: / / www.bluelagoon.com/ ) machen sollte. Die Zweigleisigkeit, medizinische Nutzung und Wellness, wurde beibehalten: 2005 eröffnete man das Blue Lagoon Clinic Hotel, 2017 wurde ein neues Luxushotel in Betrieb genommen, ein bereits ausgezeichnetes Design-Hotel (Sigrídur Sigthórsdóttir, Architektin der gesamten Blue-Lagoon-Anlagen von Beginn an) mit eigener Lagune in der unwirtlichen Lavalandschaft, so dass es den Betreibern sinnvoll erscheint, dem Gast die exakten GPS-Daten (N63°52.850' W22°26.481') mitzuteilen.  Praxis ǀ Aktueller Ausbau der Blue Lagoon „Blue Lagoon has embarked on an expansion that includes a redesign and enlargement of the main lagoon, as well as the construction of a retreat encompassing an underground spa, 62 elegant guest suites, and a restaurant.“ „The goal of the retreat is to create a place where nature, design, and hospitality become one, opening the door to an unparalleled journey of relaxation, rejuvenation, and exploration.“ „The project will be finished in the first half of 2018.“ (  http: / / www.bluelagoon.com/ plan-your-visit/ we-are-growing/ ? utm_source =Webpage&utm_medium=Frontpage%20notification%20banner&utm_campaign =Construction%20Notice ) Aber auch noch weit abgelegenere und extrem dünn besiedelte Standorte im Nordosten Islands, wie die Mývatn Nature Baths 489 Kilometer von Reykjavík entfernt (N65°37.500' W16°50.520') in der Geothermal Aera am Mývatn See und damit rund 100 Kilometer südlich des Polarkreises - aber immerhin an der isländischen Ringstraße Nr. 1 gelegen, versuchen, sich auf dem nationalen wie internationalen Wellnessmarkt zu etablieren. Ausgangspunkt sind hier die Traditionen des Badens in heißem Wasser, aber vor allem des Dampfbadens. Von Vorteil erwies sich dabei, dass der Dampf hier kaum den typischen Schwefelgeruch des Geothermiewassers aufweist. 2004 wurden die Mývatn Nature Baths um das alte Naturdampfbad mit einer Glasfaserbaracke eröffnet, die nun auch verstärkt auswärtige Besucher ansprach. Unter den Besuchern (33.323 im Jahr <?page no="70"?> Weitere Beispiele aus Europa 71 2004 bis 65.421 im Jahr 2008) schätzt man einen Anteil von rund 30 Prozent an ausländischen Gästen (HUIJBENS (2011), S. 34). Entsprechend der Nachfrage bei den internationalen Touristen, die ebenso durch die Naturattraktionen um den Mývatn See, seine Vogelwelt und die geologischen Sehenswürdigkeiten in die Region gelockt werden, erschien es angesagt, die Infrastruktur um die Mývatn Nature Baths um Wellnessangebote zu erweitern. Im Frühjahr 2009 wurde von der Mývatn Bathing Company ltd. (MNB) eine 300 m² große Erweiterung des bestehenden Einrichtungen mit Restaurant und Laden für Souvenirs und Naturkosmetik isländischer Hersteller in Betrieb genommen. Die Marketingstrategie der MNB „es würde reichen, die Leute an der Ringstraße aufzusammeln, denn das Wasser und die Bädertradition wären ohnehin schon vorhanden“ (vgl. a.a.O.), kritisiert Huijbens, aber er weist auch auf die Probleme hin, in einer solch dünnbesiedelten Region genügend Engagement und Unternehmergeist zu finden, um die Attraktionen Dampf und warmes Wasser neben Einsamkeit, Natur und Kälte für einen Gesundheits- und Wellnesstourismus erfolgreich zu vermarkten. Wellnesstourismus stecke hier noch in den Kinderschuhen, es fehle an ganzheitlichen Angeboten für Körper, Seele und Geist und das Spezifische des Nordic Wellbeing werde auch nicht ausgeschöpft: „This is what wellness tourism in Iceland can offer a specific Nordic wellbeing product, which then on the whole is valuable when attracting people to the North as it will add diversity and depth to an already existing nature experience tourism product“ (a.a.O., S. 39). Nach der Website gibt es bis zum Jahresbeginn 2018 noch kein weiteres Angebot in den Mývatn Nature Baths außerhalb des Badens im warmen Wasser und Dampf. Wohl kaum eine andere Nation wird so mit der Saunakultur und dazugehörenden Wellnessangeboten verbunden wie Finnland (→ Kap. 4.3.). Doch in diesem Kapitel soll der Blick auf ein charakteristisches Element der Nordischen Wellness gerichtet werden: der so genannten Lake Wellness. Diese halten die drei finnischen Autoren KONU, TUOHINO und KOMPPULA (2010) nach ihren Recherchen für ein Netzwerk von verschiedensten Wellbeing-Anbietern in den Jahren 2006 bis 2008 als ausbaufähiges touristisches Produkt für den Osten Finnlands. <?page no="71"?> 72 Badeorte mit Tradition  Wissen ǀ Well-being - ein ganzheitlicherer Ansatz als Wellness? Eine finnisch-australische Sichtweise „Well-being is defined more widely than wellness.“ „A person feels well-being when he/ she feels that his/ her life is fulfilling and worthwhile. Well-being as a concept includes factors that are connected to the basic things in life. These factors are measurable in one way or the other (including wealth, and availability of food and services). Also social contact, work, leisure activities and spiritual beliefs can increase people’s well-being. Well-being can also contain more abstract things, like freedom“ (KONU et al. (2010), S. 127). Auf die Unterschiede von Wellness und Wellbeing im Finnischen, die jedoch beide aus dem einen Begriff ‚hyvinvointi‘ abgeleitet werden, soll hier nicht weiter eingegangen werden, wohl aber kurz zum allgemeinen Verständnis der finnischen Tourismusbranche. Wellnesstourismus wird dort mit der 5-Sterne- Hotellerie und Luxusprodukten in Verbindung gebracht. Wellbeing-Tourismus umfasst Infrastruktur und Angebote in einem breiteren Rahmen, legt den ganzheitlichen Ansatz zugrunde, wie er in der amerikanischen und auch deutschen Literatur (→ Kap. 1) der Wellness zugeordnet wird. Auch wenn die Bemühungen um das neue Lake Wellnessprodukt nicht in einen hochpreisigen Tourismus oder expliziten Luxustourismus führen sollen, so findet man einen kreativen Weg, See-Wellness in der Landschaft, Wildnis dem zuzuordnen: „This interpretation is supported by Yeoman (2008), who suggests that the future tourist is increasingly aware of luxury as a concept of fulfilment instead of materialism“ (a.a.O., S. 129). Dem „Luxus“ Selbstverwirklichung soll nach den Interviews mit den Wellnessunternehmen der Region die Seenlandschaft im Osten Finnlands den geeigneten Raum geben, als Naturlandschaft von malerischer Schönheit und als einen „peaceful place“, der sich damit zum einen von den südfinnischen Städten, aber auch von „lively tourism resorts in Lapland“ unterscheiden würde. Als wesentliche Elemente einer Lake Wellness nennen KONU et al. - in dieser Reihenfolge:  „Spirit, mind and self development“ (Stärkung auf erholsamen Exkursionen in die Wälder und die Umgebung der Seen)  Gesundheit (durch Nordic Walking um die Seen, durch die Wälder; traditionelle und präventive Anwendungen) <?page no="72"?> Weitere Beispiele aus Europa 73  Gesunde Ernährung (aus lokalen Produkten und - explizit erwähnt - Fisch aus sauberem Wasser)  Innere und äußere Schönheit (finnische Sauna, Torf-Sauna)  Entspannung und Komfort/ Gemütlichkeit (Schwimmen im See, finnische Sauna, Baden in heißem Wasser, Erholung am offenen Feuer)  Maßgeschneiderte Bewegungs-/ Fitnessanwendungen (geführte Touren in und auf den Seen, Schlittentouren oder Schlittschuh-Touren auf zugefrorenen Seen) (vgl. a.a.O., S. 136). KONU vergleicht das finnische Konzept einer Lake Wellness mit demjenigen der Alpinen Wellness (→ Kap. 4.6): „Both concepts are resource based: Alps and Lakes“ (a.a.O.). Als besonderen Aspekt bei diesen geographischen Grundlagen - Ambiente, Kulisse oder auch Terrain der Bewegung, wie man die umgebende Natur verstehen mag - sieht KONU einen psychisch motivierten Trend von Reisenden, „sich von Landschaften anziehen zu lassen, die ihren Seelen gut tun, in denen sie sich klein fühlen und als Teil eines unendlichen, universellen Kreislaufs verstehen können“ (vgl. a.a.O., S.125). Das Bedürfnis nach mehr Kontakt zur Natur, der Wunsch nach einem Aussteigen, Entfliehen für einen sehr kurzen überschaubaren Zeitraum, den gestresste Großstädter, insbesondere der wellnessaffinen Gruppen, an den Tag legen, spiegelt sich durchaus in dieser Aussage wider. Dazu passt dann auch die kurzfristige Auseinandersetzung mit Milieus, die nicht ein „Pampering“ im wohltemperierten Wellnesstempel bedeuten, sondern das sich selbst Erleben bzw. ansatzweises Verwirklichen in einer Umgebung, die körperlich und mental neue Reize stimuliert. Dazu bietet Nordic Wellness alias Nordic Wellbeing perfekte Angebote vor allem im Winter. Auf den Begriff „Therapeutische Landschaft“ wird in → Kap. 5.1 eingegangen. 3.4.3 Gran Canaria Auf Gran Canaria wurde der Gesundheitsbzw. Wellnesstourismus nach seinen Anfängen Ende des 19. Jahrhunderts, als Briten wegen des Klimas und der Heilquellen in die alten, inzwischen wüst gefallenen Badeorte Azuaje und Los Berrazales auf die Insel kamen, nach rund einem Jahrhundert „wiederentdeckt“. Ein Versuch in den 1960er-Jahren, sich im Gesundheitstourismus mit medizinischem Sonnenbaden (Heliotherapie) in den Maspalomas Dünen zurückzumelden, endete erst einmal 1990, als diese Dünen - heute eine Tourismusattraktion auf der Insel - unter Schutz gestellt wurden. Ein wichtiger Grund, sich im ausgehenden 20. Jahrhundert wieder auf diesem Markt zu etablieren, waren rückläufige Touristenzahlen in der Sonne-und- Strand-Destination. Einen wichtigen Impuls setzte 1998 die Eröffnung des Spa- <?page no="73"?> 74 Badeorte mit Tradition Hotels „Thalasso Gloria Palace San Agustín“, das mit einer Fläche von mehr als 7.000 m² als das größte Thalassozentrum Europas galt (vgl. MEDINA- MUNOZ (2013), S. 419 und  http: / / www.grancanariawellness.com/ de/ c_gloria _palace_san_agustin_thalasso_hotel ). Weitere Spa-Hotels eröffneten und boten - geographisch sinnvoll - Wellnessbehandlungen rund um Thalasso an, hinzu kamen andere Betriebe rund um Wellness, wie Day-Spas oder Kosmetikinstitute und Fitnessstudios. 2003 schlossen sich Anbieter und das Tourist Board von Gran Canaria zur Gran Canaria Spa & Wellness Association zusammen. Für die Diversifizierung des touristischen Angebots mit dem Segment Wellnesstourismus wurde damit eine wichtige Grundlage gelegt. In ihrer Befragung von Wellnesstouristen auf Gran Canaria konnten ME- DINA-MUNOZ im Herbst 2009 eine unterschiedliche Nachfrage bei den verschiedenen Besuchergruppen der Einrichtungen konstatieren: Ausländische Gäste nutzen mehr als Einheimische und spanische Gäste Massagen und Entspannungsbehandlungen. Nationale wie lokale Gäste präferieren dagegen mehr die Angebote rund um das Wasser sowie Kalt-Warm-Anwendungen, wie z.B. Sauna. Geschlechtsspezifische Unterschiede zeigten sich beispielsweise darin, dass Frauen Massagen, Entspannungs- und Schönheitsbehandlungen bevorzugten, Männer dagegen mehr sportliche Aktivitäten. Wenn es sich jedoch um Geschäftsleute und andere im Management tätige Personen und damit erfahrungsgemäß mehr Männer handelte, dann nutzte diese Gruppe ebenfalls stark Massagen und Entspannungsanwendungen im Unterschied zu den Zeitgenossen, die nicht dieser Berufsgruppe zuzuordnen wären. Ihre Wahl Gran Canarias als Wellnessdestination begründeten die Befragten folgendermaßen, d.h. bezeichneten sie als sehr oder mäßig wichtig:  Die Ruhe und entspannte Atmosphäre im Hotel (91,3 Prozent)  Das günstige Klima (Sonne, Temperaturen) für Wellness und Entspannung (90,3 Prozent)  Die attraktive Umgebung (Strand, Berge, Meer) für Wellness und Entspannung (86,4 Prozent)  Aufenthalte im Wasser (Pools, Jacuzzis etc.) sowie hydrotherapeutische Anwendungen (82,2 Prozent) Dann folgen Aspekte wie „Die Wellnesszentren boten eine persönliche Aufmerksamkeit“ (80,3 Prozent), die Gelegenheit einer ausbalancierten und gesunden Diät (79,9 Prozent), das Preis-Leistungs-Verhältnis in Sachen Wellness (73,5 Prozent) und erst an 8. Stelle explizit die Anwendungen zu Entspannung und Wohlfühlen (73,5 Prozent) (vgl. a.a.O., S. 431). <?page no="74"?> Weitere Beispiele aus Europa 75  Zusammenfassung ǀ Kapitel 3  Das bereits im Mittelalter für sein heilendes Wasser europaweit bekannte Dorf Spa wurde zum Namensgeber. Durch das einzige nennenswerte Vorkommen an Thermalwasser besitzt Spa heute eine Monopolstellung in Belgien.  Seriöse Thalassoanwendungen verlangen die direkte Nähe zum Meer, denn die Heilmittel für medizinische Therapien wie auch Wellnessanwendungen sind das Reizklima der Küste, Meerwasser sowie Produkte aus dem Meer (Schlick, Algen).  Die Niedersächsische Nordseeküste ist bislang die einzige Landschaft, die als Thalassoregion zertifiziert wurde.  In Mecklenburg-Vorpommern wird das Peloid Rügener Heilkreide für Behandlungen genutzt.  Wellness in den Alpen, exemplarisch dargestellt an den beiden Waliser Bade- und Erholungsorten Leukerbad und Ovronnaz, zeigt ebenso in Anwendungen und Produktlinien starke Bezüge zur Region.  Wellness als Ganzjahresangebot könnte mit entsprechenden Marketingstrategien dazu beitragen, Rückgänge bei Wintersport oder Sommeraufenthalt im Hochgebirge zu minimieren.  Nordic Wellness bzw. Nordic Wellbeing bedeutet auf Island das Nutzen des üppig sprudelnden Wasser oder heißer Dämpfe dank Geothermie durch die Lage der Insel auf einem Hotspot, dem Grenzbereich zweier Erdplatten, und einem daraus resultierenden Vulkanismus.  Karge, vegetationsarme und kaum besiedelte Landschaften im Norden können dank ihrer Quellvorkommen samt Bade-Infrastruktur Ziele eines internationalen Wellnesstourismus sein.  Finnland etabliert im Osten des Landes „Lake Wellness“, d.h. die Saunatradition des Landes soll hier zur Wirtschaftsförderung durch Tourismus beitragen.  Auf Gran Canaria wird Wellnesstourismus seit Beginn des 21. Jahrhundert entwickelt, um dem stagnierenden Massentourismus der Sonne-Strand-Destination ein neues Marktsegment beizusteuern. <?page no="75"?> 76 Badeorte mit Tradition  Literatur ǀ Kapitel 3 ALONSO-ALVAREZ, L. (2012): The value of water: the origins and expansion of thermal tourism in Spain, 1750-2010. In: Journal of Tourism History, Vol. 4 (1). S. 15-34. HUIJBENS, E. H. (2011): Developing Wellness in Iceland. Theming Wellness Destinations the Nordic Way. In: Scandinavian Journal of Hospitality and Tourism, Vol. 11 (1). S. 20-41. KNOLL, G. (1998): Spa und die „Route des Sources“. In: KNOLL, G. (1998): Aachen, Lüttich und Maastricht. Fahrten im Dreiländereck - Von der Karlsstadt in die Ardennen und ins Limburger Land. S. 217-229. DuMont, Köln. KNOLL, G. (2001): Badebüchlein Leukerbad. 500 Jahre Badetourismus in Leukerbad. Leukerbad. KONU, H.; TUOHINO, A.; KOMPPULA, R. (2010): Lake Wellness - a practical example of a new service development (NSD) concept in tourism industries. In: Journal of Vacation Marketing, 16 (29). p. 125-139. LARGO, L.; SALZMANN, P. (2012): Thermen im Wallis. Die Kraft aus dem Berg, Visp. LEMAIRE, G.; NOÉ, M.; LOHEST, J. (2009): Spa alentours. Ville d’eau, d’histoire, de spectacles. Les Éditions de L’Octogone, Bruxelles. LEUKERBAD TOURISMUS (2017): 102. Jahresbericht 2016. Leukerbad. MEDINA-MUNOZ, D. R.; MEDINA-MUNOZ, R. D. (2013): Critical issues in health and wellness tourism: an exploratory study of visitors to wellness centres on Gran Canaria. In: Current Issues in Tourism, Vol. 16 (5). S. 415-435. DIE NORDSEE GMBH (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schortens. SIMON, P.; BEHRENS, M. (1988): Badekur und Kurbad. Bauten in deutschen Bädern 1780-1920. Eugen Diederichs Verlag, München. <?page no="76"?> Weitere Beispiele aus Europa 77  Websites Blue Lagoon/ Island: http: / / www.bluelagoon.com/ Mývatan Nature Baths: https: / / www.myvatnnaturebaths.is/ Gran Canaria: http: / / www.grancanariawellness.com/ de/ gran_canaria/ historia_isla_saludable Leukerbad: https: / / www.leukerbad.ch/ http: / / www.leukerbad-therme.ch/ index.php http: / / www.thermalquellenzunft.ch/ http: / / www.alpentherme.ch/ https: / / www.lebristol.ch Ovronnaz: http: / / www.bains-ovronnaz.ch/ Spa: https: / / www.thermesdespa.com/ home/ <?page no="78"?> 4 Wellnessangebote für den Körper Ein umfangreiches Wellnessangebot stammt aus der physikalischen Therapie, die wesentliche Elemente des klassischen Kur- und Bäderwesens, damit auch des Gesundheitstourismus oder auch der Medical-Wellness sind. Im Unterschied dazu handelt es sich bei Anwendungen im Wellnessbereich eher um singuläre Anwendungen, die ebenso Bestandteil eines bunten Mix aus verschiedenen Therapien im Rahmen eines Pauschalangebots sein können. Auch wenn die Anwendungen zunächst einmal dem Körper wohltun, lässt sich nicht davon trennen, dass auch die Seele und vielleicht auch der Geist davon profitiert.  Wissen ǀ Physikalische Therapie „Eine physikalische Therapie soll den Organismus dazu anregen, Störungen und Krankheitsprozesse zu beseitigen, Funktionen und Leistungen wieder zu regulieren, schädigende Einflüsse abzuwehren und sich Umweltanforderungen besser anpassen zu können. Dazu bedient sich die physikalische Therapie der folgenden Reiz- und Energieformen:  chemische (Bäder und Inhalationen)  elektrische (Nieder-, Mittel- Hochfrequenztherapie)  kinetische (Bewegungstherapie)  mechanische (Massagen, Hydrotherapie)  thermische (Hydrotherapie)“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 264)  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Spa - eine Quelle des Wohlbefindens auch ohne Wasser  Heilendes Wasser kalt und warm  Heiße Luft trocken und feucht  Schlammanwendungen <?page no="79"?> 80 Wellnessangebote für den Körper  Sauna- und Massage  und dies alles möglichst in regionaltypischen Anwendungen. Die Region, die Landschaft spiegelt sich im Wellnessangebot wider.  Gleiches gilt häufig für die Bereiche Ernährung, kann sich aber auch in Beauty-Anwendungen wiederfinden. In diesem Zusammenhang soll erst einmal der mit Wasserbehandlungen eng verbundene Begriff Spa näher betrachtet werden. Dabei wird deutlich, dass er nicht zwingend mit Wasser verbunden sein muss! Uneinigkeit herrscht in der Literatur und der allgemeinen Meinung, woher das Wort Spa abzuleiten sei. Die eine Fraktion vertritt die Ansicht, hier sei stellvertretend ILLING (2009, S. 27) zitiert, dass sich die Bezeichnung aus den Anfangsbuchstaben S, P, A lateinischer Vokabeln ableite:  „S steht für salus (Gesundheit, Wohlfahrt) oder sanus (heil, wohl, gesund, natürlich),  P steht für per (durch, mit Hilfe von, infolge von),  A steht für aqua (Wasser),“ Diese Deutung lässt sich widerlegen, denn das Lateinische kennt den Fall Ablativ, genauer einen Ablativus instrumentalis, der auf die Frage Womit? Wodurch? folgt. Aus „Salus aqua“ ergäbe sich dann das Kürzel SA, das mit seiner Herkunft aus dem Nationalsozialismus absolut indiskutabel wäre. Da erscheint es angemessener und vermutlich auch historisch korrekter, den Ursprung der Bezeichnung Spa im gleichnamigen belgischen Badeort zu sehen. Spa in den Ardennen (→ Kap. 3.1) geht als Ort eines international gefragten Heilwassers zwar „nur“ bis ins 16. Jahrhundert zurück, aber es besitzt einen eingängigen, griffigen und in jeder Sprache auszusprechenden Namen. BERG definiert Spa folgendermaßen: „im deutschsprachigen Raum ein Oberbegriff für Gesundheits- und Wellnesseinrichtungen. Analog zur Wortbedeutung im Englischen wird seit einiger Zeit auch im Deutschen ein Heilbad oder die Wellnessbereiche in Hotels bezeichnet“ (BERG (2008, S. 356). Nach US-amerikanischem Verständnis, wie es die International Spa Association (ISPA) mit ihrer Definition „Spas are devoted to enhancing overall well-being through a variety of professional services that encourage the renewal of mind, body and spirit.“ (  https: / / www.spafinder.com/ blog/ health-and-well-being/ spa-wellness-glossary/ ) belegt, muss nicht unbedingt Wasser ein Teil der Anwendungen/ Behandlungen sein. <?page no="80"?> Wellnessangebote für den Körper 81 ILLING (a.a.O.) fasst die wesentlichen Aspekte des Spas in seiner Definition zusammen: „Ein Spa ist ein Ort der besonderen Hinwendung zu Bedürfnissen im Kontinuum von Gesundheit, Wohlbefinden, Entspannung und Bodystyling, die durch geschultes Personal und häufig unter Zuhilfenahme von (Heil-)Wasser ganzheitlich befriedigt werden.“ Der Begriff Spa existiert mittlerweile auch in einer Reihe von Zusammensetzungen, die in alphabetischer Reihenfolge - ohne eine Einordnung nach Bedeutung - kurz genannt werden sollen (vgl. ILLING (2009), S. 29 u.a.). Darüber hinaus entstehen ständig kreative Wortschöpfungen, schließlich brauchen Flyer und Websites ihr werbewirksames Vokabular!  Beauty-Spa: Der Schwerpunkt liegt auf kosmetischen Behandlungen, die umfangreicher sind als diejenigen eines Schönheitsstudios.  Club-Spa: Ein Spa mit eingeschränktem Zugang, nur für Clubmitglieder.  Cruise-Spa: Dieses Spa befindet sich auf einem Kreuzfahrtschiff.  Day-Spa: Diese Bezeichnung macht deutlich, dass es zum Wellnessangebot keine Übernachtungsmöglichkeit gibt, es sich nur um einen Tagesaufenthalt handeln kann. Day-Spas können eigenständig sein oder zu einem Hotel, Gesundheitsclub oder Kaufhaus (Amerika) gehören.  Destination-Spa: Unter den Spas die größte räumliche Einheit, eine Destination mit dem Schwerpunkt Wellness.  Fitness-Spa: Der sportliche Aspekt steht hier im Vordergrund.  Hotel-Spa: hoteleigener Spa-Bereich.  Medical-Spa: Medizinische Behandlungen sind der wichtigste Teil des Angebots (Medical-Wellness). Dabei können klassische oder auch zusätzliche aus anderen Medizinkulturen stammende Anwendungen, z.B. aus der chinesischen oder indischen Medizin, von entsprechend ausgebildetem Personal gebucht werden. Ein Medical-Spa kann sich auf Diagnose, Vorsorge, kosmetische Behandlungen und Kombinationen davon spezialisieren.  Mineral-Springs-Spa: Die Grundlage des Spa-Betriebs ist ein besonders an Mineralien reiches Wasser, eventuell auch klassifiziertes Heilwasser oder Meereswasser im Zusammenhang mit Thalassoanwendungen.  Mobiles Spa: Ein ambulantes Spa-Angebot in den USA, bei dem eine Fachkraft zum Haus des Kunden, in ein Büro oder zu einer anderen Location/ Ort fährt und dort die Behandlungen durchführt.  Private Spa: Räumlichkeiten eines Spa-Bereichs in einer öffentlichen Anlage oder auch in einem Hotel-Spa, der exklusiv zur alleinigen Nutzung gemietet werden kann. <?page no="81"?> 82 Wellnessangebote für den Körper  Residental-Spa: Ebenso ein Spa-Bereich, der nur für eine bestimmte Personengruppe - hier die Bewohner einer Wohnanlage/ Residenz - zur Verfügung steht.  Spa-Hotel: Der Wellnessbereich gehört zum wesentlichen Angebot des Hotels, er sollte über eine entsprechende Größe und Vielseitigkeit der damit verbundenen Dienstleistungen verfügen.  Spa-Landschaft: Synonym für Saunalandschaft.  Spa-Retreat (Retreat-Spa): Diese - noch - recht seltene Variante des Spas sieht seine wesentliche Aufgabe darin, eine Rückzugsmöglichkeit für eine spirituelle Auszeit zu bieten, für die sich beispielsweise fernöstliche Entspannungspraktiken eignen. 4.1 Wasserbehandlungen 4.1.1 Kaltwasserbehandlungen Als „Urform“ von Wasserbehandlungen jenseits klassischer Kuranwendungen kann man das Wassertreten nach Kneipp bezeichnen. Auf solche Becken mit wadentiefem Kaltwasser für die Beine, aber auch anderen höher platzierten für die Arme stößt man hin und wieder auch in Parkanlagen - nicht nur in Kurorten - oder mitten in der Landschaft an Rastplätzen für Wanderer und Spaziergänger. Während diese Möglichkeiten eher als Entspannung und Wohltat für strapazierte Beine - als „Wellness mit Wasser am Wegesrand“ - einzuordnen sind, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass diese und andere Kneipp- Anwendungen ebenso als medizinische Indikationen erfolgreich eingesetzt werden - doch das wäre ein Thema für ein Buch zum Gesundheitstourismus. Im Folgenden sollen deshalb nur einige Aspekte der Kneipp’schen Anwendungen genannt werden, die auch im Wellnessbereich wiederzufinden sind. Abb. 7: Kneippbecken im Park, Bad Herrenalb (rechte Seite) <?page no="82"?> Wasserbehandlungen 83 <?page no="83"?> 84 Wellnessangebote für den Körper  Persönlichkeiten ǀ Sebastian Kneipp (1821-1897) 1848-52 Theologiestudium in Dillingen und München. Dabei stößt er auf die Schrift „Von der Kraft und Wirkung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen“ von Johann Siegmund Hahn. Die Selbstversuche des tuberkulosekranken Kneipp mit Tauchbädern in der eiskalten Donau bei Dillingen sind erfolgreich, so dass er sich intensiv mit der Hydrotherapie beschäftigt. 1855 kommt Kneipp als Beichtvater der Dominikanerinnen nach Wörishofen und erhält auch den Auftrag, die durch die Säkularisation zerstörte Wirtschaft des Klosters wieder aufzubauen. In der Folge verfasst er Schriften über landwirtschaftliche Themen. 1881 Kneipp wird Ortspfarrer von Wörishofen. 1884 motiviert ihn der Erzabt der Benediktinerabtei Beuron sein Wissen um die Wasserheilkunst aufzuschreiben; 1886 erscheint „Meine Wasserkur“, das Werk wird binnen weniger Jahre in 14 Sprachen übersetzt und heute noch in aktuellen Auflagen herausgegeben. 1880er/ 90er-Jahre: Die Erfolge der Kuren von Pfarrer Kneipp sprechen sich herum, so dass wesentliche Gebäude für die Hydrotherapie in Wörishofen errichtet werden. Kneipp gründet 1890 den Central-Kneipp-Verein Wörishofen, er beginnt mit der Herausgabe der „Kneippblätter“, hält Vorträge und initiiert mit einem befreundeten Apotheker die Kneipp-Werke. 1894 wird der internationale Verein Kneipp’scher Ärzte gegründet. Am 17. Juni 1897 stirbt Kneipp in Wörishofen. (KNEIPP-BUND (o. J.): Das kleine Kneipp-1x1) „Wassertreten ist eine der bekanntesten KNEIPP-Anwendungen. Regelmäßig durchgeführt wirkt es infektvorbeugend („abhärtend“) und ausgleichend - es beruhigt am Abend und erfrischt am Tage. Die Durchblutung besonders der feinen Haargefäße (Kapillaren) wird gefördert und die Venen werden durch das kalte Wasser gekräftigt.“ „So einfach es scheint, bis an die Waden im Wasser zu gehen, so dient doch gerade diese Anwendung a) zur Abhärtung; es wirkt diese Anwendung auf den ganzen Körper, kräftigt die ganze Natur; b) sie wirkt günstig auf die Ableitung des Harnes; c) sie wirkt recht gut auf die Brust, erleichtert das Atmen und wirkt günstig auf die Gasbildung im Leib; d) sie wirkt besonders gegen Kopfleiden, Eingenommenheit des Kopfes, Kopfschmerzen.“ (S. Kneipp) <?page no="84"?> Wasserbehandlungen 85 Das Wassertreten wirkt [...]  „venenkräftigend, den venösen Rückstrom fördernd - dadurch wird verschlacktes Blut zur Lunge transportiert und Kohlensäure abgeatmet.  Das sauerstoffreiche Blut wird dann bei der Wiedererwärmung in den ganzen Körper transportiert und versorgt alle Organe mit frischem, sauerstoffreichem Blut.  Entstauend auf Venen und Lymphsystem  nachfolgend (reaktiv) erwärmend, durchblutungsfördernd (hyperämisierend)  infektvorbeugend bei regelmäßiger Anwendung (abhärtend)  schlaffördernd am Abend  beruhigend  stoffwechselanregend.“ (Dr. Bachmann, in:  https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ artikel/ wassertreten/ )  Wissen ǀ Kneippen als immaterielles Kulturerbe 2015 hat die Deutsche UNESCO-Kommission das „Kneippen als traditionelles Wissen und Praxis nach der Lehre Sebastian Kneipps“ in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. „Die Tradition wird lebendig gehalten durch die Ausrichtung von Gesundheitstagen der Vereine, durch den Bau und den Unterhalt von Kneipp-Anlagen und durch die Vermittlung von Kneipp-Anwendungen in der Alltagspraxis. In der Sebastian-Kneipp-Akademie und der staatlich anerkannten Sebastian-Kneipp-Schule in Bad Wörishofen werden Menschen im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention ausgebildet, zumeist im ehrenamtlichen Freizeitengagement.“ (  https: / / www.unesco.de/ kultur/ immaterielles-kulturerbe/ bundesweitesverzeichnis/ eintrag/ kneippen-traditionelles-wissen-und-praxis-nach-der-lehresebastian-kneipps.html ) Weiteren Kaltwasseranwendungen gibt der Kneipp-Bund explizit auch einen Wellnesscharakter, wie es seine Bezeichnungen unzweifelhaft verdeutlichen:  „Kneipp-Muntermacher“ - das kalte Armbad gilt als die Tasse Kaffee der Naturheilkunde, regt an, ohne aufzuregen, wirkt beruhigend auf das Herz.  „Kneipp-Schönheitsguss“ - der Gesichtsguss für einen frischen und strahlenden Teint, wirkt hautstraffend. <?page no="85"?> 86 Wellnessangebote für den Körper  „Kneipp-Gefäßjogging“ - der wechselwarme Schenkelguss für schöne, gesunde Beine, er wirkt abhärtend und blutableitend, nervenberuhigend sowie schlaffördernd.  „Kneipp-Morgentau“ - das Tautreten aktiviert Körper und Geist, es stabilisiert u.a. das vegetative Nervensystem, das für Stress und Ruhe zuständig ist. (  https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ ) Wichtigste Voraussetzung bei den Kneipp’schen Kaltwasseranwendungen ist, dass die zu behandelnden Körperteile bereits warm sind und auch nach dem Kontakt mit dem kalten Wasser schnell wieder durch Bewegung oder Anziehen von Socken etc. oder Ruhephasen auf einer Liege oder in Bett erwärmt werden. Auf seiner Website (  https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ ) listet der Kneipp-Bund die wesentlichen Aspekte der Anwendungen (Wirkungen, geeignet/ nicht geeignet bei ..., Beschreibung der Anwendung, was dabei zu beachten sei) auf, was als medizinische Indikation sowie nicht minder beim Einsatz im Wellnessbereich zu berücksichtigen ist.  Wissen ǀ Kneipp-Bund e.V. „Der Kneipp-Bund e.V. ist Dachverband von mehr als 600 Kneipp- Vereinen mit etwa 160.000 Mitgliedern und damit die größte nichtkommerzielle Gesundheitsorganisation in Deutschland. Mit dem Satzungsziel „Gesunde Menschen“ hat er sich der Stärkung von Prävention und Gesundheitsförderung verschrieben. Basierend auf den Lehren von Sebastian Kneipp (1821-1897) vermittelt der Kneipp-Bund ein wertvolles und zugleich modernes Gesundheitskonzept. Es setzt sich zusammen aus den Elementen Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen, Lebensordnung.“ Kneipp Worldwide ist der internationale Verband, der Vereine und Einzelmitglieder in 40 Ländern zusammenschließt. (  https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneippbund/ dokumente/ presse/ allgemein/ Kneipp-Bund_-_Wer_wir_sind.pdf ) „Durch thermische, chemische, mechanische oder hydroelektrische Reize kann Wasser im menschlichen Organismus Reaktionen stimulieren, die alle Körperfunktionen positiv beeinflussen können“ (KNEIPP-BUND (o. J.), S. 10). Dies macht noch einmal deutlich, dass solche Anwendungen im Wellnessbereich durchaus mehr als ein schnelles und kurzfristiges Wohlfühlen bewirken und sie <?page no="86"?> Wasserbehandlungen 87 bei konsequentem und längerem Einsatz als Gesundheitsförderung und Prävention verstanden werden können - so wie die weiteren Elemente der Kneipp- Lehre Bewegung (→ Kap. 5.1), Lebensordnung (→ Kap. 6.1) sowie Ernährung und Heilpflanzen (→ Kap. 4.7). Für die Praxis ist es völlig müßig, hier Abgrenzungen zwischen Wellness, Medical-Wellness und Gesundheitstourismus vornehmen zu wollen! Abb. 8: Kneipp-Tretbecken und Armbecken, Bad Herrenalb Für Kneipp-Tretkuren eignet sich jedes Wasser, da der Temperaturreiz des kalten Wassers wesentlich ist. Wasser mit einem besonderen Gehalt an Mineralien und Spurenelementen wird in der Regel für Anwendungen erst einmal angewärmt und auf die gewünschte Badetemperatur gebracht. Dies ist oftmals auch bei Thermalwasser noch notwendig, da es per Definition (→ Box „Definition Mineralquellen“) gerade einmal eine Mindesttemperatur von 20 °C haben muss. Von Natur aus gibt es insbesondere in Vulkangebieten, wie z.B. Island (→ Kap. 3.4.2) Thermalwasser, das mit solch hohen Temperaturen an die Erdoberfläche gelangt, dass es für hydrotherapeutische wie Wellnessnutzungen erst einmal auf eine verträgliche Temperatur abgekühlt werden muss. <?page no="87"?> 88 Wellnessangebote für den Körper Abb. 9: Gebrauchsanweisung am Tretbecken, Manderscheid <?page no="88"?> Wasserbehandlungen 89 Zu den Kaltwasseranwendungen bei „originalen“ Temperaturen gehören im Rahmen der Thalassotherapie (→ Kap. 2.2.1 und → Kap. 3.2) Bäder im Meer. Das Wasser von Mineralquellen kann eine ähnliche Zusammensetzung haben, wie dasjenige von Thermalquellen, der Unterschied liegt in der Temperatur, mit der es zu Tage tritt.  Wissen ǀ Mineralquelle „Quelle, die in ihrem Wasser mindestens 1000 mg gelöste Stoffe (je kg) enthält und demzufolge Mineralwasser führt. Zu den M. gehören auch die Säuerlinge, die mindestens 250 mg freies Kohlendioxid enthalten. Als M. dürfen auch jene Quellen bezeichnet werden, von deren Wasser eine besondere pharmakologische Wirksamkeit ausgeht. Das Wasser der M. wird für Trink- und Badekuren genutzt. Das Vorkommen der M. ist i.d.R. an Verwerfungen durch Bruchtektonik oder an Vulkanismus gebunden.“ (LESER (2011), S. 568 f.) Bei den Mineralwässern wird die Sole noch einmal besonders unterschieden.  Wissen ǀ Sole [1] „Allgemeine Bezeichnung für stark salzhaltiges Wasser (v.a. NaCl), also für Salzlösungen. [2] In der Bäderkunde ein Quellwasser, welches mehr als 1,5 % Kochsalz enthält und Heilwirkungen entfaltet.“ (LESER (2011), S. 855 f.) Die salzhaltigen Quellen im Nahetal zwischen Bad Münster und Bad Kreuznach sind seit der Antike bekannt. Im späten Mittelalter begann man, das Salz zu gewinnen. Ab dem frühen 18. Jahrhundert ließen die Landesherren, die pfälzischen Kurfürsten, Salinen mit den heute noch existierenden Gradierwerken errichten. In Bad Kreuznach besitzen die 9 m hohen Holzgestelle eine Gesamtlänge von 1098 m und stellen damit die größte Ansammlung von Gradierwerken in Europa dar. Die Holzkonstruktionen besitzen innen stachelige Wände mit Ästen aus Schwarzdorn, über die man das salzhaltige Wasser rinnen lässt. An der großen Oberfläche des Dornengeflechts lagern sich die Wassertropfen ab und durch die Verdunstung wird der Sole ein beachtlicher Teil des Wassers entzogen. Mehrere <?page no="89"?> 90 Wellnessangebote für den Körper Gradiervorgänge sind nötig, um die gewünschte Konzentration der Sole zu erhalten. Winzige salzhaltige Wassertropfen (Aerosole) gelangen bei diesem Prozess auch in die Luft und schaffen somit ein heilkräftiges Mikroklima. Im klassischen Kurbetrieb werden solche Freiluftinhalatorien für therapeutische Zwecke genutzt, aber heutzutage haben sie auch einen Platz in der Medical-Wellness oder „nur“ Wellness gefunden. Als Inhalationspark wurden im Kurpark gleich am Flussufer kürzere Gradierwerke aufgestellt, bei denen sich der Kurgast bzw. jeder Besucher in den heilsamen „Nebel“ setzen kann. Durch den freien Zugang und das Nutzen der salzhaltigen Luft ohne ärztliche Verordnung und Kontrolle kann man dies durchaus auch als eine Wellnessanwendung ansehen.  Praxis ǀ „Suboptimale“ Nachbarschaft Das Sitzen und Einatmen der gesunden Aerosole soll in Ruhe geschehen; es wäre damit eine Möglichkeit, zu entspannen. Doch gleich neben den Gradierwerken im „Inhalationspark“ befindet sich eine Brunnenanlage mit einem recht großen Becken, das sich im Sommer wunderbar zum Planschbecken für kleine Kinder umfunktionieren lässt und von Familien auch gerne entsprechend genutzt wird. Einen Steinwurf vom Freiluftinhalatorium entfernt wurde eine Salzgrotte gebaut, in der die mit Salzquadern aus dem Toten Meer ausgekleideten Räume bei entsprechendem Mikroklima (Raumtemperatur ca. 23 °C und ca. 40 Prozent Luftfeuchtigkeit) ebenso therapeutische Wirkungen haben. Als medizinische Indikationen werden u.a. Atemwegs-, Hautsowie Herz- und Gefäßerkrankungen genannt, aber auch als „Wellnessindikation“ Stress und Stärkung des Immunsystems. Dazu gibt es mit der „AtemWoche“ ein passendes Pauschalangebot: „Unter therapeutischer Anleitung trainieren Sie die richtige Atemtechnik, um die körpereigenen Abwehrkräfte zu stärken. Entspannung finden Sie in den crucenia Salzgrotten.“ Die Sole wird in Bad Kreuznach auch in der Hydrotherapie genutzt, sie kann korrekt auch als Thermalwasser bezeichnet werden, denn das Wasser kommt aus dem Theodorshaller Brunnen, dem neuen Hauptbrunnen aus der Tiefe eines Vulkangesteins von 505 m mit einer Temperatur von 27 °C. Das Thermalwasser besitzt als Hauptbestandteile Natriumchlorid (Kochsalz) und Calciumchlorid, sowie als wertvolle Spurenelemente und Nebenbestandteile Brom, Jod, Strontiumsalze, Kalium und Barium. Dieses Wasser versorgt das Thermalbad, das Gesundheitszentrum, das Freiluftinhalatorium sowie zwei Kliniken in Bad Kreuznach. <?page no="90"?> Wasserbehandlungen 91 Der Salzgehalt des Thermalwassers sorgt für einen stärkeren Auftrieb, so dass Badende ihr Körpergewicht weniger spüren als im Süßwasser und Wassergymnastikübungen fast schwerelos erscheinen. Weitere Wellnessanwendungen mit Sole sind entspannende Heilerdepackungen in Haslauer Wannen (Wasserbetten) sowie Wellnessbäder mit Kräuterzusätzen sowie Kohlensäurezusätzen.  Praxis ǀ Gradierwerke für Wellness „Aus der Technik der Salzgewinnung ist eine Wohlfühlanwendung geworden, denn als medizinische Anwendung ist die Teilchengröße des Salzes zu groß, um in die Lungen zu kommen. Wir bieten als traditionelle Wohlfühlanwendung Freiluftinhalation, Thermalbad, Wannenbäder, Heilerdepackungen und Trinkkuren. Bad Kreuznach ist ein klassischer Kurort mit ca. 40.000 Anwendungen im Jahr, davon sind ca. 20 Prozent Wellnessanwendungen.“  Interview mit Dr. Michael Vesper, Geschäftsführer Gesundheit und Tourismus für Bad Kreuznach GmbH 4.1.2 Thermalwasser Das Thermalwasser wird zwar alleine über seine Temperatur definiert, aber für den praktischen Nutzen ist sein Gehalt an Mineralien und Spurenelementen mindestens gleichbedeutend.  Wissen ǀ Thermalquelle [1] „Quelle, deren Wassertemperatur über dem Jahresmittel der Lufttemperatur des jeweiligen Gebietes liegt (allgemeingültige Definition) [2] Quelle, deren Wasser Temperaturen von mehr als 20 °C aufweist (in Mitteleuropa gebräuchliche Definition)“ (DIERCKE (2011), S. 957) „Durch die unterschiedlichen im Wasser vorkommenden Mineralstoffe wie Calcium, Natrium, Jod und Magnesium, ist jede Quelle einzigartig. Und je nach Zusammensetzung ändert sich auch die Wirkung auf den Körper. Das heilende Nass wird in den Heilbädern und Kurorten zum Baden, Trinken oder Inhalieren <?page no="91"?> 92 Wellnessangebote für den Körper genutzt. Tritt das Wasser mit einer Temperatur von mindestens 20 Grad Celsius aus, darf es offiziell Thermalwasser genannt werden. Thermalwasser ist aufgrund seiner Herkunft aus den tieferen Erd- und Gesteinsschichten reich an Mineralstoffen wie Schwefel, Calcium, Natrium, Fluor, Sulfaten und Kohlensäure. Es kann auch geringe Mengen an radioaktiven Elementen, wie Radon, enthalten. Für Badekuren wird das Thermalwasser auf 34 bis 38 °C erwärmt. Es wird auch für Inhalations- und Trinkkuren genutzt“ (Deutscher Heilbäderverband (2017), S. 12). Da besitzt Bad Bertrich in der Vulkaneifel als USP die einzige Glaubersalztherme Deutschlands. Mit 32 °C tritt das Wasser konstant mit 123 Litern/ Minute aus der Erde, aus einer Tiefe von ca. 2.000 m. Im Jahr 2010 wurde die neue Therme eröffnet, die zu diesem Anlass auch ihren heutigen Namen „Vulkaneifel Therme“ erhielt, um bewusst ein regionale Bezüge herzustellen. Die umgebende Landschaft inspirierte die Architekten bei der Gestaltung. So hat das große Becken der Therme eine runde Form erhalten, die an ein Eifelmaar erinnert; im Whirlpool gibt es Bodensprudler, denn in natürlichen Mineralquellen blubbert es auch von unten. Wellnessanwendungen mit dem Wasser der Glaubersalztherme sind Wassergymnastik in Einzel- oder Gruppenbehandlung sowie Thermalmineralwannenbäder mit klassischen Badezusätzen, wie z.B. Baldrian, Fichtennadeln, Heublumen, Kamille, Melisse und Rosmarin - je nach gewünschter Wirkung.  Praxis ǀ Amtsschimmel 1 am Thermalwasser „Dieselbe Leistung und drei verschiedene Steuersätze! Eine Fangopackung oder Massage auf Rezept ist steuerfrei. Wird dieselbe Massage privat als medizinische Anwendung gekauft, fallen 7 Prozent Steuer an, wird diese Massage als „Sportmassage“ bezeichnet und im Schwimmbad gebucht, fallen 19 Prozent an.“ Amtsschimmel 2 am Thermalwasser „Das Thermalwasser darf nicht als Duschwasser in den Reinigungsduschen nach dem Baden genutzt werden, wohl aber nach den Anwendungen. Ein Mineralwert liegt höher als beim „offiziellen“ Trinkwasser, d.h. Thermalwasser ist zum Baden und Trinken gut, aber nicht zum Reinigen nach dem Bad! “  Interview mit Michael Krämer, Geschäftsführer Vulkaneifel Therme, Bad Bertrich <?page no="92"?> Wasserbehandlungen 93 Die fünf Themensaunen der Vulkaneifel Therme lassen auch keinen Zweifel daran, dass man sich in der Eifel befindet. Die „Vulkansauna“ wurde von einem Bühnenbildner gestaltet und ist mit 100 °C Raumtemperatur die heißeste. Da man den Eindruck erwecken möchte, sich in einem Vulkanschlot aufzuhalten, gibt es in dieser Sauna logischerweise auch kein Tageslicht. Weitere Erlebnissaunen im Außenbereich sind die „Vulcanusschmiede“ (80 °C) und die „Eifelhütte“ (90 °C). Die Schmiede des Gottes Vulcanus war ursprünglich stilecht mit Schmiedewerkzeug dekoriert, doch das musste wieder entfernt werden, weil die Gäste oft den Drang verspürten, die heißen Gegenstände anzufassen. Als jüngste Außensauna entstand 2015 der Nachbau einer Eifeler Wanderhütte. Im Innenbereich befindet sich eine Lavalichtsauna (60 °C). Als besondere Attraktion hat hierfür ein Glaskünstler Fenster mit einer wechselnden Farbschau gestaltet. Die Schiefersauna (90 °C) erinnert daran, dass die Vulkaneifel ein Teil des Rheinischen Schiefergebirges ist. Zur Saunalandschaft gehören des Weiteren ein Dampfbad (50 °C), Tauchbecken, Ruheraum, Lesezimmer, Kaminzimmer und ein Saunagarten. Die Saunalandschaft der Vulkaneifel Therme erhielt vom Deutschen Saunabund das Zertifikat Premium. Als Alleinstellungsmerkmal des Palais Thermal in Bad Wildbad kann das historische wie exotische Ambiente des aus dem 19. Jahrhundert stammenden Gebäudes gelten. In den 1840er-Jahren wurde es als Graf-Eberhard-Bad errichtet. Zum Ende des Jahrhunderts erhielt es bei umfangreichen Umbauten seine heute noch existierende maurische Innengestaltung mit einigen Jugendstilelementen. Ende der 1970er-Jahre wurde das Graf-Eberhard-Bad geschlossen. Nach einer denkmalgerechten Modernisierung und Erweiterung um das Neue Eberhardbad wurde es 1995 - nun auch mit modernster Technik ausgestattet - als Palais Thermal wieder in Betrieb genommen.  Praxis ǀ Historisches Palais Thermal zieht „Doch bald nach der Eröffnung stellte sich heraus, dass die Saunalandschaft für die Nachfrage nicht ausreichte. Nach einem halben Jahr wurde die Saunalandschaft schon wieder vergrößert. 80 Prozent unserer Gäste haben über eine Stunde Anfahrt und kommen aus einem Bereich von Straßburg, Pforzheim, Stuttgart und Ulm. In Westeuropa ist kein vergleichbares Bad in der historischen Substanz erhalten.“  Interview mit Frank M. Rieg, Geschäftsführer Staatsbad Wildbad Bäder- und Kurbetriebs GmbH <?page no="93"?> 94 Wellnessangebote für den Körper Abb. 10: Maurische Halle (oben) und Panoramasonnendeck (unten), Palais Thermal, Bad Wildbad <?page no="94"?> Wasserbehandlungen 95 2011 folgte der nächste Ausbau in die Höhe: Ein Panoramasonnendeck mit Außenpool entstand unter dem markanten Zeltdach sowie eine Panoramasauna und weitere Einrichtungen für die Saunagäste. Heute bietet der 6.000 m² große Wellnessbereich „im Erdgeschoß (historischer Bereich): 10 Thermalpools von 32-38 °C als Whirlpools, Massagebecken, Sprudelbecken, Wärmebänke, Cafeteria, Maurische Halle. Im 1., 2., und 3. Geschoss: Saunabereich mit Bewegungsbecken, Außenbecken, Panoramasonnendeck, Solarien, 5 finnische Saunen 75-95 °C mit und ohne Aufguß, Römisches Dampfbad, Tepidarium (Bio-Sauna), Fürsten(ruhe)suiten, Tauchbecken, Kneipp’sche Fußbecken, Wellnessanwendungen, Klangmeditationen“ (  https: / / www.palais-thermal.de/ ambiente/ ). Das Palais Thermal ist heute auch eine mit 5 Sternen ausgezeichnete Therme der Wellness Stars (→ Kap. 8.3). Das Wildbader Thermalwasser wird nicht nur im Palais Thermal, sondern auch in der Vital Therme genutzt. Das Wasser wird aus fünf Brunnen mit einer Temperatur zwischen 35 und 42 °C in Menge von 12 Litern/ Sekunde gefördert. „Mit diesem Reichtum ist es möglich, die Becken der Thermen innerhalb von 24 Stunden fast vollständig mit frischem Thermalwasser erneuert zu haben und darüber hinaus duschen die Badegäste auch unter Thermalwasser. Dies ist nahezu einzigartig bei öffentlichen Hallen- und Thermalbädern. Nach der Klassifikation für Heilwässer wird das Thermalwasser als fluoridhaltige Natrium-Calcium- Chlorid-Hydrogencarbonat Akratotherme bezeichnet“ (  https: / / www.badwildbad.de/ kur-schwarzwald/ thermalwasser/ ).  Praxis ǀ Trends „Zwei wesentliche Trends: Das Wasser in den Becken muss immer wärmer werden. Während früher 32 °C üblich waren, werden heute bis 38° Celsius erwartet. Saunaaufgüsse müssen immer öfter stattfinden und immer spezieller werden, das heißt Schauspielkunst des Aufgießens ist gefragt sowie ein Animationsaufguss.“  Interview mit Frank M. Rieg, Geschäftsführer Staatsbad Wildbad Bäder- und Kurbetriebs GmbH Die Vital Therme versteht sich als „Gesundheitszentrum“ für die klassischen Kuranwendungen, für den Bereich Wellness bezeichnet sie sich als „Fitnesstherme“ (  https: / / www.bad-wildbad.de/ thermen-schwarzwald/ fitnesstherme/ ) mit einem vollen Programm für medizinische Bewegungsübungen im Thermalwasser, aber auch als Fitnessprogramm für Bewegungsmuffel. Ein besonderes Angebot ist dabei das Aquabiking (→ Kap. 4.1.3). <?page no="95"?> 96 Wellnessangebote für den Körper Kreativ wird man inzwischen in Thermalbädern, besondere Events für die Gäste zu veranstalten; dies hat in der Regel mehr mit Unterhaltung im oder am Wasserbecken zu tun, denn mit entspannenden Wellnessangeboten für die Sinne. Als kleinen wie kurzen Ersatz für Urlaub in fernen Ländern an fernen Stränden bietet - sicherlich ein besonders umfangreiches Angebot in der „größten Therme der Welt“ - die Therme Erding als „Urlaubsresort mit Sommergarantie“ regelmäßige Events in einer langen Themenwelt-Nacht, z.B. „Paradise Dreams“, „Afrika“, „Karibische Nacht“ oder auch „Fantsia“ etc.  Praxis ǀ Steckbrief Therme Erding  Die staatlich anerkannte Ardeo-Quelle liefert aus einer Tiefe von 2.350 m 63 °C heißes, fluorid- und schwefelhaltiges Wasser.  1999 wurde die Therme Erding eröffnet.  Erweiterungen folgten 2007, 2009, 2014 und aktuell.  Nutzfläche für den Gast 185.000 m² (Gesamtwasserfläche 5.800 m²).  Ca. 1,8 Mio. Gäste besuchen jährlich die Therme. (  http: / / www.therme-erding.de/ info-service/ presse/ pressetexte/ die-therme-erding/ ) Aber es geht natürlich auch im kleineren Rahmen und in entspannterer Atmosphäre, wie es der Terminkalender der Leukerbad Therme in der Schweiz zeigt. Sinnliche zweieinhalb Stunden bietet in der dunklen Jahreshälfte bei Neumond das „Aqua mystica“, ein „[m]ystisches Badeerlebnis mit geheimnisvollen Lichteffekten, musikalischem Klangteppich sowie Happen und Trunk aus dem Feuertopf“ (  http: / / www.leukerbad-therme.ch/ events.php ). Ein anderer regelmäßig stattfindender Event ist das „Champagnerfrühstück im Pool“. Historisch korrekt nach dem Bade- und Kurbetrieb vergangener Jahrhunderte (→ Kap. 2.3) wird ein komplettes Frühstück mit Champagner (Dieses Getränk ist jedoch nicht unbedingt als historisch zwingend vorgegeben! ) im Thermalschwimmbecken auf hölzernen Tabletts serviert. Mehr über Praxis und Angebote von Schweizer Thermen sind an den Beispielen von Leukerbad und Ovronnaz in → Kap. 3.4.1 zu finden. 4.1.3 Wassergymnastik Bewegungen im Wasser haben auf den Körper spezielle Auswirkungen, die therapeutisch genutzt werden. Der Auftrieb des Wassers nimmt dem Körper einerseits einiges von seinem Gewicht, d.h. bei Übungen werden die Gelenke <?page no="96"?> Wasserbehandlungen 97 und die Wirbelsäule sowie die Muskeln und Sehnen weniger belastet, aber gleichzeitig schonend gekräftigt. Die Wirkung des Auftriebs ist in salzhaltigem Wasser noch stärker. Andererseits können viele Gymnastikübungen im Wasser effektiver und ebenfalls schonender sein als auf dem Trockenen, wenn Bewegungen gegen den Wasserwiderstand durchgeführt werden. Eine gewisse Kreativität zeigt sich in den Bezeichnungen und Variationen von Aquagymnastik als Beispiele mögen Angebote - in der Regel von Gruppenkursen - der Vital Therme in Bad Wildbad dienen: „Aqua-Fitness mit Atemübungen“, „Aqua-Hantel-Training“, „Aqua-Rücken und Hüft-Fitness“, „Aqua- Ganzkörpertraining“, „Powerworkout mit Aqua-Noodle“ und für alle, die gerne unter der Dusche oder in der Badewanne singen und auch die Akustik einer Schwimmhalle ausprobieren möchten „Aqua-Sing - ein fröhliches Fitnesstraining zum Mitsingen“ (  https: / / www.bad-wildbad.de/ thermen-schwarzwald/ fitnesstherme/ ). Auf die positiven Effekte wird werbewirksam hingewiesen: „Es macht einfach Spaß, sich im Wasser zu bewegen - und gesund ist es allemal. Aqua- Fitness gilt als eine der gesündesten Sportarten überhaupt. Bei regelmäßigem Training ist der Effekt spür- und sichtbar. Bessere Kondition, kräftigere Muskulatur, weniger Bauch, straffere Haut und oft auch weniger Schmerzen bei Krankheiten am Bewegungsapparat - und das ohne den lästigen Muskelkater im Nachhinein.“ Nicht alltäglich ist in dieser Therme das Angebot von Gruppenkursen in Aquabiking - andernorts auch Aquacycling genannt. Dabei handelt es sich um ein gelenkschonendes Konditions- und Muskelaufbautraining auf eigens für diesen Zweck konstruierten Fahrradgestellen, den Aquabikes, im 32 °C warmen Thermalwasser. Im Unterschied zum normalen Radfahren auf dem Trockenen wird hierbei auch die Brust-, Schulter- und Armmuskulatur einbezogen und durch die Bewegungen, die man bei einer gewöhnlichen Fahrradfahrt im Straßenverkehr nicht machen sollte, auch der Gleichgewichtssinn trainiert. Aquabiking fördert die Leistungsfähigkeit von Herz und Kreislauf und sorgt für mentales Wohlbefinden. Es steigert den Kalorienverbrauch und eignet sich so zur Gewichtsreduzierung. Außerdem lässt sich mit der hautstraffenden und massierenden Wirkung des Wassers Zellulitis bekämpfen - so das Marketing (  https: / / www.badwildbad.de/ thermen-schwarzwald/ besondere-angebote/ aqua-biking-kurse-id_488/ ). Ein neuer Trend, der medizinische Aspekte sowie Körper- und Selbsterfahrung im Rahmen einer ganzheitlichen Wellness einschließt, ist Wassershiatsu, kurz auch Watsu genannt. Diese meditative Massageform wurde aus dem traditionellen Zen Shiatsu in den heißen Quellen von Kalifornien entwickelt. Während einer Watsu-Session, die im warmen Thermalwasser stattfindet, trägt der Watsu- Praktizierende seinen Patienten oder Wellnesssuchenden in seinen Händen und bewegt dessen Körper. Zum einen entlastet die tragende Kraft des Wassers die <?page no="97"?> 98 Wellnessangebote für den Körper Wirbelsäule vom Gewicht des Körpers. „Bewegungen fallen leicht, Schmerzen werden gelindert, körperliche und emotionale Spannungen sowie Stress lösen sich im wahrsten Sinne des Wortes auf. Das Wissen um diese positive Wirkung von Wasser auf Körper, Geist und Seele ist die Basis Aquatischer Körperarbeit, einer Reihe ganzheitlicher aus dem WATSU weiterentwickelter Therapieformen“ (  https: / / www.palais-thermal.de/ wellness/ wassershiatsu/ ). Der Ablauf einer Watsu-Session sieht folgendermaßen aus: Bevor die oder der Watsu-Praktizierende mit dem Gast in das warme Wasser steigt, ist es sinnvoll, in einem Gespräch körperliche Beschwerden und Befindlichkeiten mitzuteilen, z.B. wie weit der Kopf ins Wasser tauchen, Wasser in die Ohren gelangen darf. „Danach gibt es für den Gast nichts mehr zu tun. Er erhält bei Bedarf Auftriebshilfen (sog. Floats) an den Beinen befestigt. Diese verhindern das Absinken der Beine und entlasten somit den unteren Rücken, da die Beine nicht selbst gehalten werden müssen. Der Kopf wird vom Praktizierenden gestützt. Mit Hilfe von sanften Dehnungen, Massagen, Gelenkmobilisationen, Wirbelsäulenarbeit, Shiatsu-Elementen, Wellenbewegungen u.v.m. lockert bzw. löst der Praktizierende Blockaden des Körpers und bringt die Energien wieder zum Fließen. Die Atmung vertieft sich und es wird ruhig im Inneren - ein Zustand tiefster Entspannung kann erreicht werden“ (  http: / / www.watsu-bad-wildbad.de/ watsu-im-palais-thermal/ index.html ). „Nach Absprache besteht die Möglichkeit, diese Erfahrung auch unter Wasser zu machen (WasserTanzen). Dafür erhalten Sie eine Nasenklemme. Am Ende der Session werden Sie nach und nach in eine sitzende Position gebracht und die Floats werden sanft von ihren Beinen entfernt. Sie werden vorsichtig an den Beckenrand angelehnt und Ihre Füße langsam wieder auf den Boden gestellt. Jetzt ist es für Sie an der Zeit, aus der Tiefenentspannung aufzutauchen und wieder auf eigenen Beinen zu stehen“ (a.a.O.). Auf die Watsu-Session sollte eine Ruhephase folgen.  Wissen ǀ Watsu Die Wassertemperatur bei Watsu/ Wassershiatsu sollte möglichst hoch sein bzw. im wärmsten Becken stattfinden, da sich der Behandelte für den Zeitraum der Anwendung von bis zu 60 Minuten nicht selber bewegt. Die empfundene Kühle wirkt dann kontraproduktiv. <?page no="98"?> Felke - Medical-Wellness mit Lehm und mehr 99 Die besondere Herausforderung für den „Watsu-Neuling“ ist die Situation, sich vollkommen wie buchstäblich in die Hände eines fremden Menschen zu begeben und ihn seinen Körper im Wasser bewegen zu lassen. Für das Erleben der Schwerelosigkeit und tiefen Entspannung braucht es je nach Persönlichkeit etwas Zeit, vor allem in der ersten Session, sich auf diese Erfahrungen einzulassen. Eine gute Vorbereitung schon bei der Buchung ist wesentlich, damit die Anwendung gegen körperliche und vor allem seelische Blockaden auch wirken kann, man weiß, auf was man sich einlässt! 4.2 Felke - Medical-Wellness mit Lehm und mehr Warme Bäder und auch Packungen mit Lehm sowie anderen Peloiden (Definition → Kap. 3.3) wirken sich besonders nachhaltig auf den Körper aus, da sie zum einen die Wärme sehr gut speichern und diese dann lange abgeben können. Von dieser Langzeitwirkung profitieren Muskeln und Organe. Zum anderen entzieht Lehm dem Körper Giftstoffe und versorgt ihn gleichzeitig mit Mineralstoffen. Dieses Prinzip machte der Bad Sobernheimer Pastor Emanuel Felke (1856- 1926) zum Kern seiner Therapie, die nach ihm Felke-Kur genannt wird. Dabei brachte Felke um 1900 die Behandlungsmethoden seines Berufskollegen Kneipp (→ Kap. 4.1.1 und → Kap. 5.3) zusammen mit denjenigen des Arztes Paracelsus (1493/ 4-1541), des Naturheilers bzw. „Wasserdoktors“ Vincenz Prießnitz (1799- 1851) sowie des Arztes und Begründers der Homöopathie Christian Friedrich Samuel Hahnemann (1755-1843). Zentrales Anliegen von Felke ist es, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu stärken (  https: / / www.menschel.com/ heilerdefelke/ felkes-idee.html ). Die Elemente der Felke-Kur sind in einem ganzheitlichen Heilverfahren mit die Elemente Lehm, Licht, Luft und Wasser; hinzu kommen körperliche Bewegung an der frischen Luft, auch bei Regen, eine ausgewogene vegetarische Vollwertkost (→ Kap. 4.7), in besonderen Fällen auch das Heilfasten (→ Kap. 4.7) und eine „innerliche Neubesinnung“ (vgl. WESTPHAL (1999), S. 7 und 13). Die positiven Effekte des Lehms aus dem Nahetal, einem ortsgebundenen Heilmittel, das für die Felke-Kuren in Bad Sobernheim und nahe gelegenem Meddersheim genutzt wird, ergeben sich aus einem spezifischen Gemisch von Sand- und Tonbestandteilen. <?page no="99"?> 100 Wellnessangebote für den Körper  Praxis ǀ Lehmkur „‚Sich erden‘ ist hier buchstäblich möglich. Dabei ist das Verhältnis von medizinischen zu Wellness-Anwendungen bei unseren Gästen ungefähr 70 Prozent zu 30 Prozent. Bei Wellness kann das „Serail-Bad“* als Einstieg dienen. Lehmbäder machen aber nur bei einem Aufenthalt ab einer Woche und 5/ 6 Anwendungen in serieller Abfolge Sinn. Der kurze Wellness-Aufenthalt ist medizinisch und erholungstechnisch witzlos.“  Interview mit Dr. Matthias Menschel, Menschels Vitalresort * Beim Serailbad - auch als Rhasulbad bekannt - wird der Körper mit einer Lehm- Pflegepackung eingerieben. In der Wärme des Raumes kann diese trocknen und die charakteristische Eigenschaft des Lehms entfalten, indem sie beginnt, Körpergifte zu entziehen. Dann wird die Kabine mit Kräuterdampf gefüllt, die Heilerde kann wieder geschmeidig werden und mit kreisenden Bewegungen massiert man seinen Körper. Dabei wird die Haut entschlackt, gefestigt und gepeelt, Stoffwechsel und Muskeltonus werden stimuliert, der Entgiftungsprozess noch einmal gesteigert. Nach der Massage folgt eine Reinigungsdusche, abschließend wird der Körper mit Pflegeölen eingerieben. (  https: / / www.menschel.com/ wellness-spa/ verwoehnbehandlungenmassagen/ lehm-serailbad.html ) Die Heilerde, der Lehm, wirkt nicht nur durch seine Mineralstoffe, die er in den Körper abgibt, sondern auch durch ihr Aufsauge- und Aufnahmevermögen für die im Körper befindlichen Giftstoffe, denn während des Trockungsvorgangs entsteht ein hoher Saugdruck auf der Haut. Letztere Vorgänge werden durch das Adsorptions- (Anlagerung) und Absorptions- (Aufsauge-)Vermögen initiiert, bei denen die Gift- und Schadstoffe an der Oberfläche angelagert bzw. im Inneren des Lehms gebunden werden. „Seit Jahrzehnten beweist diese Heilerde in der Praxis und auch in der wissenschaftlichen Analyse seine Heilkraft. Die Schwere des Lehms aktiviert Stoffwechsel, Verdauung und Lymphsystem. Regelmäßig angewendet verbessert der Lehm die Blutzirkulation und damit die Sauerstoffversorgung und Funktion der Gewebe. Die heilende Erde entgiftet den Organismus, entsäuert, stabilisiert und kräftigt. Sie hilft bei rheumatischen und degenerativen Erkrankungen, lindert Haut- und Krampfaderleiden“ (  https: / / www.menschel.com/ heilerde-felke/ lehm-und-heilerde.html ). Die charakteristische Lehmanwendung bei der Felke-Kur sind die Sitzreibebäder. Um Licht und Luft eine Gelegenheit zum Einwirken zu geben, finden diese Bäder in den Sommermonaten im Freien statt. Dazu wurden Sitzwannen ins Grüne, in den Garten oder die Naheaue gestellt, um dort selber den heilenden Lehm auf den Körper zu verteilen. <?page no="100"?> Felke - Medical-Wellness mit Lehm und mehr 101 Abb. 11: Felkewannen, BollAnts-Spa im Park, Bad Sobernheim Einige der medizinischen Effekte der Felke-Kur finden sich in den Versprechungen von Wellnesswerbung wieder, können aber in Wellness-Anwendungen nicht mehr als ein Hineinschnuppern sein - (→ Box „Lehmkur“). Ähnlich ist die Situation bei anderen Peloiden, wie z.B. Moor oder Fango, die einen festen Platz in der Medizin, der physikalischen Therapie haben, aber in „Light-Versionen“ als Packungen auch in den Wellness-Angeboten zu finden sind. Die Heilerde des Moors muss aufbereitet, insbesondere mit Wasser, und in der Regel mit den örtlichen Mineral- oder Thermalwässern in einen flüssigen Zustand versetzt werden. Für Therapiezwecke wird die dickflüssige Masse „auf 40 bis 48 Grad erhitzt. Das Moor gibt die Wärme langsamer ab als Wasser, weshalb ein Moorbad länger genossen werden kann als ein Wasserbad. In Verbindung mit der wohltuenden Wärme entfaltet es seine heilende Wirkung. Das Moor ist reich an Nährstoffen und Huminsäure. Muskeln und Gelenke werden entspannt, die Durchblutung gefördert, Schadstoffe gebunden und der Stoffwechsel normalisiert“ (DEUTSCHER HEILBÄDERVERBAND (2017), S. 13). Wegen ihrer starken Belastung des Kreislaufs dürfen Moorvoll- und -teilbäder theoretisch nur unter ärztlicher Betreuung angewandt werden. Doch natürlich nutzt die Branche die Heilkräfte des Moors auch im Wellnessbereich, wie im 1809 gegründeten Moorbad Bad Nenndorf. Im so genannten Moorbadehaus nutzt man die Heilerde für kosmetische Anwendungen, denn neben der guten <?page no="101"?> 102 Wellnessangebote für den Körper Durchblutung des Körpers durch die lang anhaltende Wärme hat das Moor eine leichte Gerbwirkung. Dadurch wird die Haut geglättet und gestrafft. (  http: / / cms.staatsbadnenndorf.de/ index.php? id=moorbadehaus ). Die entschlackende und entspannende Wirkung des Moors lässt sich mit Moorpackungen nutzen. Auch das Peloid Fango wird im medizinischen wie Wellnessbereich verwendet. Das Spektrum von Anwendungen ist hierbei größer als bei denjenigen des Naturrohstoffes Moor. So gibt es beispielsweise als Wellnessanwendung in der Vulkaneifel Therme (Bad Bertrich) eine „Vulkan-Natur-Fango-Seifenschaumbürstung“. Dafür wird eine hautpflegende Seife mit Vulkan-Natur-Fango zu einer cremigen Textur aufgeschäumt, wobei das ursprünglich trockene Fangopulver mit dem Wasser der Glaubersalztherme angerührt wurde und somit dessen Wirkstoffe noch zugesetzt bekam. Durch diese Bürstung lockert sich die Muskulatur, fördert den Blut- und Lymphfluss und strafft das Gewebe (  http: / / www.vulkaneifeltherme.de/ wellness/ ). Fango lässt sich im Wellnessbereich wegen folgender Wirkungen einsetzen: Verbesserung des Hautbilds (Straffen der Haut, Entfetten und Reinigen), Entschlackung des Körpers und Förderung des Stoffwechsels. Als Ziele der Anwendungen werden die Gewebestraffung bei Cellulite sowie Anti-Aging genannt und für den Beauty-Bereich gibt es ebenso reichlich Erfolgsversprechen. Die positiven Wirkungen von Fango auf Muskulatur und Gelenke lassen sich unter dem Aspekt allgemeine Steigerung der Fitness, Stressabbau und Prävention von Burn-out vermarkten. 4.3 Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft Als Keimzelle des modernen Wellnessgeschehens kann man durchaus die kleine Sauna als Katakombe im Hotelkeller bezeichnen, die klaustrophobische Neigungen verstärkt und kaum zu der gewünschten Entspannung führen kann. Leider gibt es davon noch immer recht viele in selbst ernannten und nicht zertifizierten Wellnesshotels! Im allgemeinen Sprachgebrauch wird unter dem Begriff „Sauna“ zum einen die Räumlichkeit verstanden, aber in erweiterten Formulierungen auch ihre Nutzung. Darum soll im Folgenden erst einmal - in der international verbindlichen Definition, die vom Vorstand des Deutschen Sauna-Bundes in Zusammenarbeit mit der Internationalen Sauna-Gesellschaft (ISG), Helsinki, erarbeitet und verabschiedet wurde - zwischen Saunaraum und Saunabaden unterschieden werden (  http: / / www.saunabund-ev.de/ index.php? id=631 ). <?page no="102"?> Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft 103 Kuttersauna, BadeWerk Baumhaussauna, Hotel Tanne Kräutersauna, Hotel Wiesler Kräutersaunasäckchen, Hotel Wiesler Köhlersauna, Hotel Tanne Schwarzwaldsauna im Baumhaus, Hotel Tanne Abb. 12: Saunaräume mit lokalem Charakter <?page no="103"?> 104 Wellnessangebote für den Körper „Der Saunaraum ist ein Raum aus Holz mit aufsteigenden Stufenbänken und mit dem durch einen typischerweise steingefüllten Saunaofen festgelegten Raumklima von etwa 80 bis 105 Grad Celsius ca. 100 cm über der obersten Bank, sowie einer geringen Luftfeuchtigkeit, welche durch Aufgüsse kurzfristig erhöht werden kann. Das Saunabad ist ein gesundheitsförderndes und entspannendes Heißluftbad, in dem Überwärmung und Abkühlung miteinander abwechseln. Dabei wird in einem Raum aus Holz, mit einem typischen Klima von etwa 80 bis 105 Grad Celsius ca. 100 cm über der obersten Bank, sowie einer geringen, durch Aufgüsse kurzfristig erhöhten Luftfeuchte, der ganze Körper mehrmalig erwärmt und anschließend durch Außenluft und kaltes Wasser abgekühlt“ (a.a.O.). Die medizinisch nachgewiesenen positiven Wirkungen des Saunabadens sind eine allgemeine Abhärtung und eine Verbesserung der Abwehrmechanismen insbesondere gegenüber grippalen Infekten. Herz-Kreislauf-Erkrankungen können minimiert werden, da es durch Saunagänge langfristig zu deutlichen Gefäßerweiterungen kommt. Positive Wirkungen sind auch auf der Haut sowie dem Muskel- und Skelettsystem zu beobachten; degenerative Erkrankungen des Bewegungssystems lassen sich damit behandeln. Voraussetzung für alle positiven Effekte des Saunabadens ist sein korrekter Ablauf: „Die Sauna ist ein typisches Wechselbad mit Erwärmung des ganzen Körpers im Saunaraum und gezielten Abkühlungen an frischer Luft und mit kaltem Wasser. Wichtig für die Beruhigung des vegetativen Nervensystems ist das Einhalten von Ruhephasen zwischen den Saunagängen. Die Wiedererwärmung und die Blutgefäßerweiterung nach dem Kaltreiz können durch ein knöchelhohes warmes Fußbad gefördert werden“ (vgl. DEUTSCHER SAUNA-BUND: Pressemitteilung vom 18.6.2015). Manches Werbeversprechen in Wellnessangeboten basiert tatsächlich auf medizinwissenschaftlich gesicherten Grundlagen, doch von einer gelegentlichen Anwendung darf man diese Erfolge natürlich nicht erwarten!  Wissen ǀ Saunabaden gegen Falten „Im Rahmen des Anti-Aging ist es eine positive Nachricht, dass langjährige Saunagänger laut wissenschaftlicher Studien deutlich weniger Falten aufweisen als Nicht-Saunagänger.“  Dr. med. Rainer Brenke, Facharzt für Innere Medizin, Physikalische und Rehabilitative Medizin, Naturheilverfahren; ärztlicher Berater des Deutschen Sauna-Bundes So lautet das Fazit von Dr. med. Rainer Brenke: „Insgesamt gesehen geht das Saunabaden in seinen Wirkungen weit über die Ziele von „Wellness“ hinaus. <?page no="104"?> Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft 105 Sowohl der Einsatz im Sinne einer gesundheitlichen Prävention als auch der Möglichkeit als Heilmittel sollten daher mehr als bisher propagiert und evaluiert werden.“ Saunabad und Dampfbad sind verwandte Anwendungen, sie unterscheiden sich durch die umgebende Luftfeuchtigkeit: In einem Dampfraum ist die Luft mit Wasserdampf gesättigt. Deshalb sind Dampfbäder „kreislaufbelastender als Saunabäder und eignen sich nur für Herz-Kreislauf-Stabile. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit kommt es schneller zur Wärmestauung, da die Schweißverdunstung erschwert ist“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (200), S. 309). Zum Saunabaden gehören die Aufgüsse, die die Luftfeuchtigkeit im Raum kurzzeitig erhöhen und bestimmte Auswirkungen auf den Körper (→ Box) haben. In einer professionellen Sauna gehört der Aufgussplan zu den Selbstverständlichkeiten. Er gibt an, welche Düfte bei den Aufgüssen zu einer bestimmten Uhrzeit verwendet werden. Dabei geht es nicht allein um sinnliche Erlebnisse, sondern auch um Aspekte der Aromatherapie (→ Kap. 4.5), die entspannenden oder belebenden Wirkungen von Duftölen. Gesundheitsfördernd können auch Duftöle, beispielsweise von Eukalyptus in einem Saunagang sein, die den Atemwegen bei einer Erkältung nützen.  Wissen ǀ Welche Wirkungen hat ein Aufguss? „Der physikalische Grundsatz lautet: Verdunstung kühlt - Niederschlag wärmt! Die gewöhnliche Wirkung eines Aufgusses ist ein zusätzlicher Hitzereiz. Beim Niederschlag des Wasserdampfes auf der kühlen Haut des Badenden wird die Wärmeenergie wieder freigegeben, die bei der Verdunstung des Wassers auf den heißen Ofensteinen verbraucht wurde. Die kühlende Verdunstung des Schweißes auf der Haut und des Sekrets der Atemwegsschleimhäute wird durch den plötzlichen Anstieg der Luftfeuchte im Saunaraum unterbrochen. Dadurch entsteht das Gefühl von erhöhter Hitzeeinwirkung auf der Haut. Das Wedeln und Schlagen mit dem Saunatuch beim Aufguss reißt die in Ruhe 4 bis 8 mm starke Haftschicht (auch Temperaturausgleichsschicht; Isolierschicht) über der Haut des Badenden weg. Eine Verminderung der Wärmeübertragung auf die Haut findet dadurch nicht mehr statt.“ (  http: / / www.saunabund-ev.de/ index.php? id=163) <?page no="105"?> 106 Wellnessangebote für den Körper Zu den wichtigsten Regeln für das richtige Saunabaden (  http: / / www.saunabundev.de/ index.php? id=143 ) gehört das Wissen um den eigenen Gesundheitszustand. Bei vielen körperlichen Beschwerden kann das Saunabaden hilfreich sein, aber es gibt auch Erkrankungen, bei denen es nicht empfehlenswert oder sogar schädlich sein kann. Ein saunaerfahrener Arzt kann den Sauna-Neuling entsprechend beraten. Die empfohlene Aufenthaltsdauer im Saunaraum von 10 oder 15 Minuten ist kein Gesetz: Anfänger werden die Hitze früher verlassen, Sauna- Profis halten genussvoll länger durch. Entscheidend ist das persönliche Wohlbefinden (vgl. a.a.O.). Über die funktionale Gestaltung und den Saunabau gibt der Deutsche Sauna- Bund grundlegende Informationen (  http: / / www.saunabund-ev.de/ index.php? id =617 ). Hier soll im Folgenden auf den Wohlfühleffekt durch eine ästhetische Gestaltung von Saunaräumen eingegangen werden, dem im Wellnessbereich schließlich eine besondere Bedeutung zukommt. Als Erlebnissauna sind solche kreativ und manchmal auch aufwendig gestalteten Räumlichkeiten in den Werbebroschüren und Marketingkonzepten zu finden. Der große Trend geht schon seit einiger Zeit zu Saunaräumen mit Tageslicht - die „Katakombe“ hat ausgedient! Je nach Gebäude und seinem Standort mag sich dies auf eine nach innen gerichtete Glaswand mit Glastüre beschränken, aber eine Panorama-Sauna trifft mehr den weit verbreiteten Wunsch. Entspannung in der Sauna mit Blicken in die Natur oder auch weitere Landschaft - was in Hinblick auf die Landschaftstherapie (→ Kap. 5.1) zusätzliche Impulse geben kann, gilt als attraktiv und gefragt. Bei der Leukerbad Therme (  http: / / www.leukerbad-therme.ch/ index.php ) in Leukerbad (Schweiz) hat man die umgebende Berglandschaft stimmig und konsequent in die Neugestaltung der Saunalandschaft im Jahr 2015 mit einbezogen - denn sie besitzt einen optimalen Standort außerhalb der Dorfmitte mit einem unverbauten Blick auf den kesselartigen Talabschluss. Entsprechend wurden die Saunaräume auf die gegenüberliegende Talseite ausgerichtet und jeder Raum besitzt ein Schaufenster auf die Bergwelt (  http: / / www.leukerbad-therme.ch/ angebote/ wellness/ sauna-unddampfbad.php ). Passend dazu hat man den Räumen die Namen von Bergspitzen wie Trongji oder Trublä gegeben, die man von hier aus gut sehen kann. Aus dem angrenzenden Ruheraum und von einem Balkon kann man nicht minder gut mit Blick auf die steilen Berghänge und Felswände schauen und meditieren. Bei den Räumlichkeiten außerhalb der Saunen ist der lokale Bezug ebenso unübersehbar: Ein Teil der Wände wurde mit altem heimischem Tannen- und Fichtenholz ausgekleidet, das an die Wände von Almhütten erinnert, als Bodenbelag wurden Platten aus den Gesteinen der Region gewählt und im Ruheraum kann man sich in eine Berghütte versetzt fühlen. <?page no="106"?> Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft 107 Ein ganzes Bergdorf hat man in der zweiten öffentlichen Therme in Leukerbad, der Walliser Alpentherme (→ Abb. 5, S. 65), als ca. 300 m² große Saunalandschaft unter der Bezeichnung „Walliser Saunadorf“ aufgebaut. In einem großen Raum nahezu ohne Tageslicht stehen kleine Gebäude, die an typische Bauten in diesem Kanton erinnern, so  „ein um den Dorfplatz angesiedelten historischen Spycher (Kräuter-Sanarium ca. 70°C),  ein alpines Chalet (Aufguss-Sauna ca. 90°C),  ein urchiges Walliser Haus (Nebel-Schwitzbad ca. 48°C),  ein steinernes Mühlenhaus (Steinbad ca. 40°C) mit Mühlrad und Gletscherbach sowie  ein Brunnenplatz mit Thermalwasserquelle und eine typische Dorfbeiz für erfrischende Drinks zwischendurch“ (  http: / / www.alpentherme.ch/ walliser-saunadorf.html ). Der Aufgussplan bietet teilweise lokaltypischen Düften und Peelings.  Praxis ǀ Walliser Alpentherme, Leukerbad: Das Saunadorf und seine Schattenseite Düster und schummrig, so ist die wenig einladende Stimmung in der dunkel gehaltenen Anlage des Walliser Saunadorfs. Düstere Ecken für heimliche Zweisamkeit braucht das Publikum dieser Saunalandschaft bestimmt nicht! Das Tageslicht wird weitgehend ausgeschlossen, die Fenster der ehemaligen großen Schwimmhalle der Therme wurden mit kräftigen Farben verdunkelt und so herrscht Nachtstimmung in einem kaum beleuchteten Dorf. Eine ansprechende Lichtinszenierung wurde versäumt. Da kann man sich gerade als Einzelgast zu Zeiten mit wenigen Saunabesuchern höchst unwohl und fast schon in die Katakomben Roms versetzt fühlen. Orte der Entspannung sollten anders beleuchtet sein (→ Abb. 5, S. 65). Kreativität bei der Saunagestaltung ist aber auch mit geringerem Aufwand möglich. Um Saunaräumen/ Saunalandschaften einen regional- oder lokaltypischen Charakter zu geben, sie in eine Themensauna oder Erlebnissauna zu verwandeln, werden auch schon einmal Bühnenbildner engagiert oder gleich Architekten, um ungewöhnliche Bauten zu planen. So besitzt das BadeWerk in Neuharlingersiel/ Ostfriesland (  http: / / www.badewerk.de/ startseite-badewerkneuharlingersiel.html ) eine Saunaanlage nach der Devise „Ostfriesischer geht es kaum! “ Hier heißen die Sauna- oder Dampfbadräume beispielsweise „Hafen- <?page no="107"?> 108 Wellnessangebote für den Körper Sauna“ (ein Raum mit schieferfarbenen Fliesen, der an Schlick erinnert, einem Ofen mit Altholzreling sowie mit einem Blick auf ein hinterleuchtetes Bild vom Neuharlingersieler Hafen) oder „Strandhallen-Sauna“ - angelehnt an die Gestaltung einer traditionellen Strandhalle für die Versorgung und als Aufenthalt von Badegästen am Meer („So wurde für den Boden eine Fliese in Altholzstruktur gewählt, um die ausgewaschene Strandholzoptik darzustellen. In dem großzügigen und lichtdurchfluteten Raum ist der Sauna-Ofen in eine Kochstelle eingefasst. Ab 11: 30 Uhr werden dort stündlich frische Aufgüsse mit wechselnden Düften und Zusätzen angeboten. Blau-weiße Wandfliesen und aufgehängte Kochaccessoires wie Töpfe, Pfannen und Löffel sorgen überdies dafür, dass frühere Zeiten in Erinnerung gebracht werden“ (  http: / / www.badewerk.de/ unserbadewerk/ sauna-ebbe.html ). Der Clou im Außenbereich ist die „Kutter-Sauna“ („Saunieren in einem Kutter - dort, wo sonst der Kapitän am Steuer steht, können Sie den Blick aufs Wasser genießen. Die holzverkleidete Einrichtung des Steuerhauses und die Messingleuchten geben Ihnen unmittelbar das Gefühl, auf See zu sein“ (a.a.O.). Mit seinem Bug ragt der Sauna-Kutter aus dem Gelände des BadeWerks heraus in den Teich des Kurparks, so dass man beim Blick aus der Sauna den Eindruck hat, auf einem Schiff zu sein (→ Abb. 12, S. 103). Ein Bühnenbildner wurde für die Vulkaneifel Therme von Bad Bertrich engagiert, um das Motto Vulkanismus (→ Kap. 4.1.2) bei der Gestaltung der Saunaräume sichtbar zu machen. Da hat der Gast das Gefühl, in einem Vulkanschlot und durch Lichtinstallation sowie entsprechend bearbeiteten Fenstergläsern im glühenden Erdinneren zu sitzen. Das Thema Schwarzwald zieht sich als grüner Faden durch das Hotel Tanne in Baiersbronn-Tonbach (  http: / / hotel-tanne.de/ de/ ) - nicht nur durch den Wellnessbereich, sondern in moderner Interpretation auch durch das gesamte Haus. Für den Ausbau des Wellness-Bereichs 2007 hat man u.a. einen Künstler und Ausstatter engagiert, um einen Bezug zur Natur, zum Schwarzwald umzusetzen. Die Hotelbesitzer haben dabei die alten Waldberufe der Region, wie Flößer, Köhler, Bergleute und Waldarbeiter, als Vorbild genommen. So gibt es nun eine Sauna in einem rekonstruierten Holzkohlemeiler und das Sanarium scheint Teil eines Erzbergwerks zu sein. Ein kleines Floß wurde zum Fußbecken. Im Außenbereich ist es möglich, Wannenbäder in großen ausgehöhlten Baumstämmen mit Panoramablick ins Tonbachtal zu nehmen. 2010 errichtete man eine finnische Baumhaus-Sauna in einem künstlichen Baum - ein echter Baum wäre aus statischen Gründen nicht möglich gewesen. Mittelalterliche Badetradition lässt man in der Mönchsstube (→ Kap. 2.3) wieder lebendig werden. Auch in Bad Herrenalb steht der Wellnessbereich der Siebentäler Therme (  http: / / www.siebentaelertherme.de/ ) unter dem Motto Schwarzwald. Der Fußboden in der Schwarzwaldsauna ist mit einer dicken Schicht Tannenzweige be- <?page no="108"?> Sauna - von der Katakombe zur Saunalandschaft 109 deckt, die den Saunagang zu einem Kräuterdunstbad machen. Die Gestaltung des Raumes mit einem Kachelofen in der Mitte lehnt sich an das „Badehäusl“ an, das im 18. Jahrhundert auf den Bauernhöfen im Alpen- und Voralpenraum aufkam (  http: / / www.siebentaelertherme.de/ therme/ aktuelles/ ? id=24 ). In der Heu- Kraxenstube wird pollenfreies Schwarzwaldheu genutzt, dessen Inhaltsstoffe aus den ätherischen Ölen durch aufsteigenden Wasserdampf in die Atemwege gelangen und zuvor ihre entspannende Wirkung auf den Körper ausüben können. Neben diesen Beispielen aus dem Sauna- und Dampfbaden mit regionalem Bezug bieten einige Saunalandschaften auch balneologische Zeitreisen. Das Abtauchen in die Badekultur der Antike und des Orients, wenn dies auch nicht buchstäblich mit dem Untertauchen in ein Wasserbecken zu verstehen ist, eignet sich auch für attraktive Angebote wie es das Beispiel Bad Kreuznach (→ Kap. 2.2.2 und → Kap. 2.2.3) zeigt.  Praxis ǀ Sauna für die ganze Familie? „In Polen wie in unserem Hotel gibt es ein Problem mit der Sauna. Das Kocierz Hotel & Spa ist kinder- und familienfreundlich. Da fremde Kinder einen nicht nackt sehen sollen, geht man deshalb nicht in die Sauna! Unser Plan ist die Betreuung der Kinder zu besonderen Zeiten, wenn sie auch im Swimmingpool des Hotels erlaubt sind. Die Gäste sind seit ungefähr zwei Jahren mehr gestresst und stören sich an Kleinigkeiten und an Kindern. Aber trotzdem hat die Familie Priorität.“  Interview mit Anna Rusimek, Spa-Managerin im Kocierz Hotel & Spa, Polen Weitet man geographisch den Horizont rund um das Saunieren, kommt man an der finnischen Saunakultur nicht vorbei. Es ist kein Zufall, dass die International Sauna Association (ISA) ihren Sitz seit 1977 in Helsinki hat - 1958 wurde dieser Verband jedoch in Deutschland von den Gründungsmitgliedern Deutschland, Österreich, Finnland und Japan ins Leben gerufen (  https: / / saunainternational.net/ tietoja/ ) - womit nun auch die besonders saunaaffinen Nationen genannt wären und es auch nicht mehr verwundert, dass die finnische Botschaft Berlin mit zwei eigenen Saunen ausgestattet ist! Die traditionelle Form der finnischen Sauna ist die Rauchsauna (Savusauna). In der estnischen Variante wurde die Rauchsauna 2014 sogar zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO erklärt. In der Urform besitzt die Rauchsauna keinen Ofen mit Ofenrohr, sondern ein Steinhaufen im Raum wird mit einem Feuer aus Holzscheiten erhitzt. Wenn das Feuer erloschen ist, wird zum einen die Asche entfernt, zum anderen der Rauch durch eine Öffnung in der Decke aus dem Raum gelassen. Anschließend <?page no="109"?> 110 Wellnessangebote für den Körper müssen die Bänke vom Ruß gesäubert werden. Mit einem ersten kräftigen Aufguss wird der Rest des Rauchs aus dem Raum getrieben und der erste Saunagang kann stattfinden. Die in den Steinen gespeicherte Hitze reicht für mehrere Saunagänge. Bei den Aufgüssen ist es in Finnland eher unüblich, Duftöle zuzusetzen, doch den Duft von Teer, der an das Innere eines alten Segelbootes erinnert, holt man sich gerne durch ein paar Tropfen Teer im Aufguss in den Raum. Zur traditionellen Saunaausstattung gehören auch frische Birkenzweige mit Blättern, die „Vihta“ oder „Vasta“: Mit ihnen schlägt man sich auf den Körper, um so die Durchblutung zu fördern und einen Peeling-Effekt auf der Haut zu erreichen. Die Blätter an den Zweigen sorgen dafür, dass die Schläge als weich empfunden werden; im Winter gibt es die Vihta tiefgekühlt im Supermarkt. Wenn auch Saunaräume in Finnland in Privathäusern und Wohnungen weit verbreitet sind, so stellt doch die Blockhütte am See und im Wald ein, wenn nicht sogar das charakteristische wie touristische Motiv Finnlands dar. Natürlich gehören auch zur finnischen Sauna die Abkühlphasen draußen an der frischen Luft, das Schwimmen im See oder Einreiben mit Schnee, um an die gewünschten Kältereize zu kommen. Durch die geographisch vergleichbare Lage ist die russische Sauna (Banja) in ihren Elementen und Ritualen ähnlich. Auch hier gehört die Hautbehandlung mit Birkenzweigen, den „Wenik“, zum Saunabaden. Der Besuch der Banja dient nicht allein dem Wohlbefinden, die russische Sauna ist auch ein Ort der Begegnung, der Kommunikation nicht nur für die Familie und den Freundeskreis; so können Geschäftsabschlüsse durchaus auch in diesem speziellen Mikroklima stattfinden.  Praxis ǀ In der schweizerisch-russischen Banja „Das authentisch zelebrierte „Wenik-Ritual“ ist ein Sauna-Erlebnis der ganz besonderen Art. Dieses ca. zweistündige Ritual findet zusätzlich zum regulären Saunabetrieb in der russischen Banja mehrmals wöchentlich in kleinen Gruppen von 6 bis zu 12 Personen statt. Unser speziell geschultes Personal, die sogenannten „Banschiki“, geleiten Sie durch einen festgelegten Ablauf. Nach dem ersten Saunagang, der klassisch mit einem Schluck Wodka begonnen wird, folgt im zweiten Durchgang die traditionelle Wenik-Massage, ein Abschlagen des Körpers mit frischen Birkenzweigen, welches die Blutzirkulation anregt und durch die ätherischen Öle der Birkenblätter ein wohliges Gefühl der Entspannung hinterlässt. <?page no="110"?> Massagearten aus aller Welt 111 In den Ruhepausen zwischen den Sauna-Gängen werden Sie mit Tee und Kleinigkeiten verwöhnt. Das Salz-Honig-Peeling im dritten Saunagang reinigt und pflegt die Haut.“  http: / / www.parkresort.ch/ de/ sole-uno/ saunalandschaft/ aussenbereich/ #content-top (Parkresort in Rheinfelden/ Schweiz) 4.4 Massagearten aus aller Welt Die Massage lässt sich als eines der ältesten Heilverfahren bezeichnen. Ihre Geschichte reicht zurück bis in die Zeit um 2700 v. Chr., als sie in China als eine der vier klassischen medizinischen Behandlungsformen in der Chinesischen Medizin beschrieben wurde. Dabei wurden ihr durchaus schon moderne Wellnessaspekte zugeordnet, denn sie diente der Krankheitsvorbeugung durch eine gesunde Lebensführung und der Steigerung des Wohlbefindens (vgl. KOLSTER (2019, S. 2). Um 1800 v. Chr. trat die Massage in Form von Ölmassagen als Bestandteil der ayurvedischen Heilkunst (→ Kap. 2.1) im Nordwesten Indiens auf. In der griechischen Antike wurde die Massage ebenso angewandt, Hippokrates (460-377 v. Chr.) meinte, dass die „Kunst des Streichens“ jeder Arzt beherrschen müsse. Die Anfänge der Sportmassage liegen im 2. Jahrhundert v. Chr. in den Olympischen Spielen der Antike, als sich Sportler vor und nach den Wettkämpfen massieren ließen. Für die Körperkultur der Römer und ihr Badewesen in den Thermen behielt die Massage ihre Bedeutung auch im Alltagsleben der Bürger. Im Mittelalter lebte derjenige, der massierte, auch schon einmal gefährlich: Die „Massage als Heilmethode wurde zunehmend populärer, allerdings verband man mit ihr gleichzeitig den Gedanken des Übernatürlichen. Der kirchliche Glaube sah die Heilkraft durch Massage als teuflische Kraft an, und nicht wenige Heilkundige, die diese Praktiken anwendeten, wurden hingerichtet“ (a.a.O.,). Im 16. Jahrhundert erlangte die Massage durch den französischen Chirurgen Ambroise Paré (1517-1590) wieder ein besseres Ansehen und einen Platz in der Medizin. <?page no="111"?> 112 Wellnessangebote für den Körper  Praxis ǀ Französische Begriffe in der Massage „Auf den Arzt Ambroise Paré ist nicht nur die Renaissance der Massage zurückzuführen, die er in verschiedenen Techniken anwendete, um die Wundheilung nach Operationen zu fördern. Damit war er so erfolgreich, dass er zum Hofarzt von vier Königen ernannt wurde. Noch heute wird an der Vielzahl der französischen Begriffe in der Massagetherapie wie z.B. Effleuragen (Streichungen), Pétrissagen (Knetungen) und Tapotagen (Klopfungen) der französische Einfluss sichtbar.“ (KOLSTER (2010), S. 2) Der schwedische Gymnastiklehrer Per Henrik Ling (1776-1839) erreichte die Anerkennung der Massage durch die Schulmedizin, er erschuf die so genannte Schwedische Massage, deren Grundtechniken heute in der als klassische Massage bezeichneten Form noch Gültigkeit besitzen. „Die klassische Massage setzt anatomische Kenntnisse voraus und beinhaltet Streichungen, Reibungen, Hautverschiebungen, Knetungen, Zirkelungen, Klopfungen, Schüttelungen und Vibrationen“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 264). Dabei werden folgende Wirkungen erreicht: eine durchblutungsfördernde, wärmende, dehnende durch die Streichungen, ein Erreichen unterschiedlicher Gewebeschichten (Reibungen), das Lösen von Verklebungen zwischen Haut und Unterhaut oder Unterhaut und Muskelfazie (Hautverschiebungen), eine entweder tonisierende oder beruhigende Wirkung durch Knetungen („Sie sind die wichtigsten und therapeutisch wirkungsvollsten Griffe der klassischen Massage“ (a.a.O., S. 265). Die klein kreisenden Bewegungen bei den Zirkelungen eignen sich für das Lösen von Stoffwechselschlackeanreicherungen und anderen Knötchen an der Muskulatur. Klopfungen, Schüttelungen und Vibrationen sorgen in unterschiedlicher Weise für eine bessere Durchblutung und Lockerung der Muskulatur, die entweder anregend oder entspannend wirken. Im Folgenden sollen Massageformen kurz vorgestellt werden, die ebenso häufig in den Wellnessangeboten zu finden sind. Eine klassische Massage mit Aromaölen bietet zusätzlich die Wirkung von ätherischen Ölen, die entsprechend ausgewählt, die entspannende oder tonisierende Wirkung verstärken. Ebenfalls mit einer olfaktorischen Komponente wird bei der Kräuterstempelmassage auf den Körper eingewirkt. Die Kräuterstempel sind kleine Baumwollsäckchen oder Tücher, die prall mit Kräutern, Gewürzen und Pflegewirkstoffen gefüllt sind und vor der Anwendung auf eine Temperatur zwischen 65 °C und 80 °C erhitzt werden. Diese Massage erreicht auch einen Peelingeffekt. Eine Lymph- <?page no="112"?> Massagearten aus aller Welt 113 drainage besteht aus kreisenden Bewegungen auf der Haut, um eine gestörte Abflussfunktion der Lymphgefäße zu beseitigen. Die Breuß-Massage ist eine spezielle sanfte Massage für die Wirbelsäule, bei der zur Steigerung der Lockerung und Entspannung Johanniskrautöl verwendet werden kann. Mit Reflexzonenmassagen wird das vegetative Nervensystem beeinflusst, so dass damit auch Organe und ihre Funktionen behandelt werden können. So lassen sich bei der Fußreflexzonenmassage durch eine punktuelle Druckmassage an den Füßen bestimmte Körperpartien stimulieren, denn die Füße sind Spiegelbilder des gesamten Körpers: „Reflexzonen der Organe sind hauptsächlich an der Fußsohle zu finden, Reflexzonen der Muskulatur, Knochen und Nerven dagegen auf dem Fußrücken. Die Organe der rechten Körperhälfte befinden sich am rechten Fuß, die der linken am linken Fuß. Organe der Körpermitte liegen an der Innenseite des Fußes, paarig angelegte Organe an beiden Füßen. Der Kopf spiegelt sich an den Zehen wider und als Einheit nochmals an den großen Zehen“ (a.a.O., S. 280). An den Händen finden sich vergleichbare Reflexzonen. Durch die Reflexzonenmassagen werden die u.a. die Selbstheilungskräfte des Körpers stimuliert.  Wissen ǀ Massageumgebung „Es ist wichtig, dem Patienten ein hohes Maß an professioneller Fürsorge zu vermitteln.“ Dazu gehört:  Eine Atmosphäre, die zur Entspannung beiträgt und auch die Privatsphäre wahrt.  Der Massageraum muss hell, sauber, gut belüftet und angenehm temperiert sein. Die Beleuchtung darf den Patienten jedoch nicht blenden.  Im Raum sollte eine Temperatur von 20-22 °C herrschen. Empfindet dies der Patient als zu kühl, helfen eine elektrische Wärmedecke als Unterlage oder eine Wärmflasche an den Füßen. Ein frierender Mensch kann sich kaum entspannen. (KOLSTER (2010), S. 66) <?page no="113"?> 114 Wellnessangebote für den Körper Abb. 13: Massageraum, BadeWerk, Neuharlingersiel <?page no="114"?> Massagearten aus aller Welt 115 Im Wellnessbereich haben sich auch aus Hawaii stammende Massagen mit heißen oder kalten Lavasteinen etabliert - zum einen bestehen die Vulkaninseln eben aus Lavagesteinen, zum anderen wird ihnen auch eine besondere spirituelle Kraft zugesprochen. Als erster Teil einer Hot Stone Massage wird der Körper mit Aromaöl eingerieben bzw. massiert, dann werden die heißen Steine auf die Wirbelsäule (das „klassische“ Fotomotiv dieser Anwendung) gelegt und schließlich erfolgt ein zweiter Massageteil mit den Steinen. Durch diese Behandlung kann die Wärme tief in den Körper eindringen und damit Muskelverspannungen lösen sowie Blutkreislauf und Stoffwechsel stimulieren. Die Cold Stone Massage setzt auf den anregenden Effekt durch das Gegenteil, durch den Kältereiz. Ein stärkerer Kraftakt für den Masseur bedeutet die rhythmische Lomi Lomi - auch Lomi Lomi Nui genannte - Massage, denn hierbei bearbeitet er den Körper nicht nur mit seinen Händen, sondern gleich mit den ganzen Unterarmen und Ellbogen. Gewöhnlich dauert Lomi Lomi auch als „leichte“ Wellnessanwendung zwei Stunden und aktiviert das Nervensystem, den Blutkreislauf und den Lymphfluss. Diese Therapie aus der traditionellen hawaiianischen Heilkunst zielt auf die körperliche, seelische und geistige Reinigung.  Praxis ǀ Fachpersonal im Wellnessbereich „95 Prozent der Mitarbeiter der Vulkaneifel Therme haben entweder eine Ausbildung als Masseur, medizinischer Bademeister, Physiotherapeut oder Gymnastiklehrerin. Das sind dieselben Leute, die auch für ein hohes Niveau bei den Wellnessanwendungen sorgen. Die Vulkaneifel Therme bietet auch noch den klassischen Kurmittelbereich an, aber 70 Prozent des Umsatzes machen wir mit Wellness. Durch die medizinischen Anwendungen haben wir hier Profis und keine Wellnessmasseure etc. Es ist schwierig für diese Berufe: Hier wird Arbeit am Wochenende verlangt, in den Kliniken gibt es für die Profis die Fünf-Tage-Woche.“  Interview mit Michael Krämer, Geschäftsführer Vulkaneifel Therme, Bad Bertrich Aus dem Orient stammt die Seifenschaummassage, die mit Bürsten aus Naturfasern oder Luffa-Handschuhen ausgeführt wird. Diese Art der Massage fördert sehr die Durchblutung und wie kaum eine andere Methode das Peeling der Haut. <?page no="115"?> 116 Wellnessangebote für den Körper  Praxis ǀ Trends „Es wird immer mehr die Massage gefragt - dabei alle Arten, doch die klassische Ganzkörpermassage von 50 Minuten Dauer wird am meisten gebucht. Die Leute wollen von der Wellnessanwendung einen echten Nutzen erfahren. Sie wollen am Körper berührt werden, dabei sind die Wünsche bei Männern und Frauen gleich.“  Interview mit Frank M. Rieg, Geschäftsführer Staatsbad Wildbad Bäder- und Kurbetriebs GmbH Abb. 14: Japanisches Bad, Vita Classica Therme, Bad Krozingen Exotische Anwendungen lassen sich auch als Event im aufwendig passend gestalteten Ambiente vermarkten, wie es das Beispiel der Private Spas in der Vita Classica Therme von Bad Krozingen zeigt (  https: / / www.badkrozingen.info/ Vita-Classica/ Wellness-Massagen ). Dabei legt die Geschäftsführung der Therme großen Wert darauf, Entspannungstechniken anderer Länder nicht nur zu kopieren, sondern ihnen auch einen möglichst authentischen Rahmen zu geben. Da war es nur konsequent, sich für die Gestaltung des Japanischen Bads Unterstützung aus der Gozenyu-Therme der japanischen Partnerstadt <?page no="116"?> Massagearten aus aller Welt 117 Naori zu holen. So entstand ein mit Zedernholz und teilweise mit Quarzitplatten ausgekleideter Raum mit typisch japanischen Fenstern, die den Blick in einen Bambusgarten frei geben. An einer Seite des Japanischen Bads wurde ein 60 cm tiefes Granitbecken aufgemauert, wo ein Gast, wenn das Arrangement für zwei Personen gebucht wurde, im warmen Thermalwasser bei grünem Tee und japanischen Knabbereien auf seine Massage warten kann, während die andere Person behandelt wird. Zur Entspannung nach der Behandlung wartet auf der anderen Seite des Raums ein Futon, das typische japanische Bett sowie andere aus Japan importierte Möbel. Bei der Auswahl an Aromaöl und Kosmetika für das Peeling und die Massage als Ganzkörpermassage mit oder ohne Behandlung des Gesichts stehen Variationen von Kirschkern- und Meersalzprodukten zur Verfügung. Als Luxusvariante bietet man die Pauschale Japanisches Bad „Goldrausch“, bei dem 23,75 karätiges Gold im Massageöl erwärmend, vitalisierend sowie regulierend auf das Nervensystem wirkt. 2001 begann mit dem Japanischen Bad der Betrieb im so genannten „Wohlfühlhaus“ der Therme Vita Classica. Mit gleichem Aufwand in der Gestaltung der Räumlichkeiten entstanden das Indische Bad, das Türkische Bad und als derzeit letztes 2011 das Marokkanische Bad. Im Indischen Bad erlebt der Gast Ayurveda-Anwendungen (→ Kap. 2.1), bei denen intensive Kontakte nach Kerala für die angestrebte Authentizität sorgen. Als medizinischer Berater fungierte der Ayurveda-Arzt Dr. Verghese Franklin, der auch die in Bad Krozingen verwendeten Massageöle erstellt. Rosenholzmöbel und Mandala-Wandmalereien geben dem Indischen Bad das korrekte Ambiente; aus dem Behandlungsraum fällt der Blick auf einen ayurvedischen Garten mit Holzzuber für ein Bad im Bad Krozinger Thermalwasser sowie einen kleinen Teich. Tücher, Bademäntel und Teesorten für die ayurvedischen Anwendungen werden aus Kerala eingeführt. Verschiedene Massagen auch mit dem Öl-Stirnguss (Shirodhara) werden als Einzel- oder Paar-Arrangements angeboten. Die Räume des Türkischen Bads wurden aufgrund der charakteristischen Anwendungen wasserresistent mit Platten aus verschiedenen Natursteinen ausgekleidet. Hier bietet ein Hamam- Meister u.a. ein Waschungsritual mit Bürsten- oder Ballonmassage auf einem beheizten Marmorstein an. Im Marokkanischen Bad wird dem Gast das Erlebnis von Wellness aus der Kultur der Berber - natürlich im entsprechend gestalteten Ambiente - geboten. Produkte aus dem nordafrikanischen Land, allen voran das Arganöl, aber auch Safran und Kaktusfeigenkerncreme, werden bei den Variationen von Berbermassagen angewendet. <?page no="117"?> 118 Wellnessangebote für den Körper  Praxis ǀ Authentische Wellnesserlebnisse „Ich bin mit einem Architekten nach Japan gereist, wo wir vieles angesehen und ausprobiert haben: Beckentypen, drinnen und draußen. Wir haben das japanische Onsen als Vorbild genommen. Durch die Kontakte zu unserer Partnerstadt auf Kyshu konnten wir hier ein zu 98 Prozent authentisches Bad errichten. Der Erfolg des Japanischen Bads spornte uns an, andere ‚neue‘ Massagen aus aller Welt zu finden. 2003/ 4 bin ich mit einem Architekten an die Keralaküste gereist, 2007 haben wir unser Indisches Bad eröffnet. Wir haben unsere Therapeuten nach Indien geschickt, aber auch indische Therapeuten hier für zwei Monate gehabt. In guter Partnerschaft gibt es weiterhin einen regelmäßigen Austausch mit Indien. Mir ist aber auch klar, ‚originales‘ Ayurveda geht nur in Indien und Sri Lanka. Für das Türkische Bad habe ich selber Recherchen in der Türkei betrieben, aber auch Kontakt zur türkischen Gemeinde in Mannheim gesucht. 2009 wurde unser Hamam eröffnet. Durch eine Frau aus Bad Krozingen, die mit einem Marokkaner verheiratet ist, entstand der Plan, ein Marokkanisches Bad zu errichten. Doch da gab es viele EU-Probleme mit dem Baumaterial, den Arbeitskräften und auch mit dem Arganöl. Das ließ sich alles leichter mit Südspanien arrangieren. Aber trotzdem lautet unsere Devise ‚So authentisch wie möglich‘ und das ist auch der Wunsch der Gäste. Die Pauschalen werden über Übernachtungsarrangements oder als Day Spa stark nachgefragt.“  Interview mit Rolf Rubsamen, Geschäftsführer Vita Classica Therme Bad Krozingen Weitere fernöstliche Massagen, vor allem aus Thailand, sind aus den Wellnessangeboten nicht mehr wegzudenken, wie Nuad Thai als traditionelle Thai- Behandlung. Im Heimatland wird sie „Nuad Phaen Boran“ („uralte heilsame Berührung“) genannt und auf einer Matte auf dem Boden ausgeführt. Diese Ganzkörpermassage wurde ursprünglich für körperlich arbeitende Menschen entwickelt, deren Muskulatur besonders gefordert wird. Bei Nuad Thai werden Energielinien auf den Sehnen, Muskeln und Gelenken gedehnt und massiert. Neben der traditionellen Thai-Massage wird die „klassische“ Thai-Massage praktiziert, die die traditionelle mit Aromaöl-Massage kombiniert. Sie eignet sich besonders für die Tiefenentspannung. Zur thailändischen Massagekultur gehören natürlich auch Teilkörperanwendungen, wie z.B. die Nuad-Thai-Fußmassage. <?page no="118"?> Aromatherapie 119 Aus Japan stammt Shiatsu, eine Kombination der traditionellen Akupressur mit speziellen Massagegriffen. Auch diese Behandlung findet auf einer Bodenmatte statt, da der Masseur mit seinem Körpergewicht arbeitet, „ohne seine Muskeln zu strapazieren. Er benutzt zur Behandlung seine Fingerkuppen, Ellenbogen, Hände oder Füße. Bestimmte Punkte werden mit kreisenden Bewegungen massiert, die je nach Druckstärke unterschiedliche Reaktionen hervorrufen können. Außerdem werden Rotationen der Extremitäten durchgeführt; des weiteren werden Dehnungsgriffe und Ausstreichungen eingesetzt. Die Kunst des Shiatsu besteht darin, diese Techniken zu einer harmonischen Ganzheitsbehandlung zusammenzufügen“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 292f.). 4.5 Aromatherapie Wellness mit allen Sinnen erleben - dieses Bemühen verlangt auch Wohlgerüche. Bei der oftmals asiatisch angehauchten Gestaltung von entsprechenden Räumlichkeiten kommt man sowieso nicht ohne Räucherstäbchen oder Duftlampen aus. Doch es geht bei der Aromatherapie um mehr als nur ein Wohlgefühl und sie ist weit mehr als eine Modeerscheinung unserer Tage. Der Einsatz von Düften und Räucherwerk besitzt eine Jahrtausende alte Geschichte. Götter, Herrscher und Tote wurden mit dem Verbrennen aromatischer Substanzen, z.B. Weihrauch, geehrt. Da liegt es auch ganz in der Tradition des Mittelmeerraumes, dass die Heiligen Drei Könige die edlen Harze des Weihrauchbaums und Myrrhestrauchs als Geschenke nach Bethlehem trugen. Die Ägypter nutzten flüchtige, ätherische Öle in der Medizin, Kosmetik und zum Mumifizieren der Leichen, bei den Indern gehören sie zu Ayurveda und in der römischen Antike wurden sie ebenso für medizinische und kosmetische Zwecke genutzt. Dass Düfte Gefühle - positive wie negative - auslösen können, gehört zu unseren Alltagserfahrungen. Dabei gelangen die Aromen vom Riechzentrum der Nasenschleimhaut über Riechnerven ins Riechhirn, das auch als ein „emotionaler Gehirnteil“ bezeichnet wird, da er beim Zustandekommen von Gefühlen eine wichtige Rolle spielt. Die Aufnahme von Duftstoffen kann die Gefühlslage eines Menschen verändern, ihn sogar unbemerkt manipulieren, wie es in manchen Kaufhäusern bereits praktiziert wird, um zum Kaufen zu animieren (vgl. MÄRKT (2000), S. 104f.). In Wellnessanwendungen werden Aromaöle in drei Bereichen eingesetzt: in der Raumluft, bei Bädern sowie Massagen. Neben den direkten Einwirkungen auf <?page no="119"?> 120 Wellnessangebote für den Körper die Haut, die Bäder und Massagen bedeuten, spielt hierbei das Einatmen der Düfte, die sich im Raum verteilen, eine nicht minder bedeutende Rolle.  Wissen ǀ Geeignete Aromaöle zum ...  Erfrischen der Raumluft: Bergamotte, Lavendel, Lemongras, Salbei, Zirbelkiefer, Zitrone  Allgemeine Beruhigung: Basilikum, Geranie, Kamille, Lavendel, Melisse, Mimose, Myrrhe, Neroli, Orange, Rose, Sandelholz, Weihrauch, Zeder  Schlafstörungen und nervöse Anspannung: Basilikum, Kamille, Koriander, Lavendel, Majoran, Rose, Ylang-Ylang, Zypresse (vgl. MÄRKT, M. (2000), S. 105) Bei Bädern mit Badezusätzen aus Aromaölen, die man selber zusammenstellen und nicht schon auf eine fertige Badeölmischung zurückgreifen möchte, ist etwas Chemie für Anfänger zu berücksichtigen. Da sich Aromaöl nicht mit Wasser vermischt, ist es nötig, einen Emulgator zu verwenden; als unverdächtige Naturprodukte bieten sich beispielsweise Honig oder Sahne an. „Es werden 3-5 Tropfen ätherisches Öl auf 5 Esslöffel Emulgator durch Schlagen verteilt, bevor sie dem Badewasser zugesetzt werden“ (a.a.O.). Soll das Bad entspannend und beruhigend wirken, empfehlen sich Baldrian, Bergamotte, Geranie, Lavendel, Melisse, Rose, Sandelholz, Orange oder Wacholder als Zusätze, beim Wunsch nach einer den Kreislauf anregenden Wirkung dagegen Angelika, Kalmus, Kampfer, Rosmarin oder Zitrone. Für den Einsatz bei Massagen (→ Kap. 4.4) oder - weniger intensiv - sanftem Auftragen auf die Haut ist es ebenso möglich, eine größere Palette an Massageölen zu erhalten, indem man sie selber mischt. Als Basisöle eignen sich beispielsweise Aloeöl, Jojobaöl, Mandelöl, Olivenöl oder Weizenkeimöl, denen man je nach gewünschter Wirkung das passende Aromaöl zusetzt. Gegen die vermutlich häufigste Folge von bewegungsarmem Alltag vor dem Computer, Muskelverspannungen, eignen sich Ölzusätze von Birke, Eisenkraut, Kiefer, Lavendel, Lemongras, Rosmarin, Wacholder, Zimt oder Zitrone. Auch wenn es sich bei Wellnessanwendungen 100 Prozent naturreine Aromaöle - im Unterschied zu „naturidentischen“ bzw. synthetischen - um Naturprodukte handeln sollte, können sie Allergien auslösen und dürfen bei bestimmten Krankheiten, wie z.B. Bluthochdruck, nicht genutzt werden, auch wenn sie nur <?page no="120"?> Gesundheitsbewusste Ernährung 121 eingeatmet werden. Entsprechende Grundkenntnisse und ein verantwortungsvoller Umgang mit Aromaölen wird auch im Wellnessbereich vorausgesetzt. 4.6 Gesundheitsbewusste Ernährung Kaum ein Gesundheitskonzept, das auch im Wellnessbereich angewendet wird, wie z.B. Ayurveda, Thalasso, Kneipp oder Felke, kommt ohne das Einbeziehen gesunder Ernährung aus. „Die enorme Zunahme von Zivilisationskrankheiten, wie Stoffwechsel- und Kreislauferkrankungen, Gicht, Altersdiabetes, Herzinfarkt, Übergewicht, Erkrankungen der Verdauungsorgane oder Karies, ist auf eine denaturierte, einseitige, zu fett- und kalorienreiche Kost und einen zu hohen Fleischverzehr zurückzuführen. Jede vierte Krankheit basiert auf einer falschen Ernährung“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 238).  Wissen ǀ Ernährung „Ernährung ist einer der Grundbausteine menschlichen Lebens und bezieht sich auf die Zufuhr organischer und anorganischer Nahrungsmittel von außen, um den Energiebedarf des Körpers abzudecken. Wesentliche Bausteine sind Eiweiße, Kohlenhydrate, Fette, Ballaststoffe, Vitamine, Mineralstoffe und Wasser. Die Ernährung kann sowohl zur Gesundheitsförderung als auch zur Krankheitsprävention erhebliche Beiträge leisten. Im Kontext aller gesundheitstouristischen Settings kommt ihr relativ große Bedeutung zu.“ (CASSENS (2013), S. 78) Das Bewusstsein um die Bedeutung der Ernährung reicht zurück bis in die Antike, als Ärzte bereits eine „diatia“ propagierten, eine gesunde, maßvolle Lebensführung. Daraus entwickelte sich der Begriff der Diätetik, der auf Ordnung, Maß und Ausgewogenheit in der Ernährung zielt. Betrachtet man die zahllosen Wellnessangebote, sieht man, dass dieser Aspekt bei Pauschalen, die über ein Wohlfühlwochenende hinausgehen, eine Rolle spielt. Mit der „richtigen“ Ernährung beschäftigten sich die Badeärzte ebenfalls im ausgehenden Mittelalter, wie es der Speiseplan empfiehlt, den Georgius Pictorius in seinem Badenfahrtbüchlein überliefert. Diese „Diät“, die man heute eher nicht als eine solche bezeichnen würde, die wohl aber zum ebenso praktizierten <?page no="121"?> 122 Wellnessangebote für den Körper Wellnessgedanken des Badelebens jener Zeit (→ Abb. 2, S. 38) passt, brächte einen Koch heute in Verlegenheit, vor allem beim Besorgen der Zutaten!  Wissen ǀ Badediät anno 1560 „Von der Diät oder der Ordnung im Essen und Trinken für die Badenden. Das IX. Kapitel Die Regeln, die im Essen und Trinken von den Badenden eingehalten werden sollen, beschreibt Hippokrates, doch es scheint mir von Nöten zu sein, diese Anordnungen weiter auszuführen und sagen, daß ich es für gut halte, Speisen zu essen, die in ihrer Komplexion weder zu heiß noch zu trocken, nicht zu schwer verdaulich, aber auch nicht zu kalt und zu feucht sind; sie sollten also essen: Zwiebel, Rettich, Knoblauch, Senf, gepfefferte oder gewürzte Speisen, Hirsch-, mageres Rind-, Hasen- oder Ziegenfleisch, Wasservögel, ausgewachsene Tauben, ausgewachsene Hasen, Köpfe, Gekröse, Plötze (Fische), junge Tauben, frische Milch, Salat und dergleichen, besonders das richtige gehefte und durchgebackene Brot, nicht zu frisch oder altbacken, Kalb, Lamm, Zicklein und junge Hammel, Waldvögel, junge Wildschweine, junge Rehe, junge Hasen, junge Tauben, so verblutet, Schuppenfische aus fließendem Wasser, frische, weich gekochte oder in Wasser aufgestockte Eier, Erbsbrühe, Gersten-, Reis- und geröstete Hafersuppen, alles mit Fleischbrühe angemacht und was sonst noch an leichter Speise vorhanden wäre. Ein weißer, leichter nicht zu starker Wein ist der geeignetste oder eine ziemlich leichte Schorle- Und wenn man ißt, soll man vermeiden, zu viel zu essen, denn Verdauungsproblem erwachsen daraus. Man soll sich auch beim Baden und nach dem Herausgehen hüten, kaltes Wasser zu trinken, denn oft entsteht deswegen die Wassersucht, wie der Meister lehrt.“ (PICTORIUS (1560/ 1980), S. 54ff.) Der Wunsch nach einer bewussten wie gesunden Ernährung, zumindest schon einmal an den Tagen, an denen man sich eine Auszeit gönnt, gehört zunehmend für die Gäste zu einem gelungenen Aufenthalt im Wellnesshotel. „Essen ist das neue Yoga“ - zu diesem Schluss kommt 2017 eine Befragung von 3.535 Gästen der Wellness-Hotels & Resorts gemeinsam mit dem Wellnessreiseveranstalter beauty24 GmbH. Dabei zeigte sich, dass sich gerade die Generation der bis 29- Jährigen „über stetig neue Hypes rund um Ernährungsphilosophien“ definiert. <?page no="122"?> Gesundheitsbewusste Ernährung 123 „Superfood, slow food, low carb, seasonal oder natural food - Wellnesshotels sollten Ernährungstrends nutzen, um die junge Zielgruppe mit attraktiven Angeboten anzusprechen. So gehören für mehr als jeden fünften der unter 29- Jährigen (21,3 Prozent) Kochkurse mit Lebensmittelkunde unbedingt zum Wellnessurlaub dazu (im Vergleich zu gesamt 13,4 Prozent). Bei der Qualität legen sie zudem mehr Wert auf Biolebensmittel (28,7 Prozent im Vergleich zu gesamt 24,8 Prozent) [...] „Mehr als jeder Sechste (17,3 Prozent) wünscht sich zudem eine Ernährungsberatung zu Foodtrends“ (WELLNESS HOTELS (2017). Unter der Gesamtmenge der Befragten sind es jedoch nur noch 10,55 Prozent, die sich im Wellnessurlaub eine Beratung zu den neuen Foodtrends wünschen. Eine leichte kalorienarme Küche erwarten 32,28 Prozent der Befragten insgesamt gegenüber 37,9 Prozent der Jüngeren, die auch einen stärkeren Wert auf regionale Lebensmittel (51,09 Prozent zu 43,31 Prozent) legen als die älteren Gäste. „Egal, Hauptsache lecker! “ meinen 35,43 aller Befragten, unter den jüngeren sind es 32,79 Prozent. Für den Tagesablauf haben 50,39 Prozent der Wellnessgäste insgesamt den Wunsch nach flexiblen Essenszeiten im Hotel und 22,05 Prozent hätten gerne das Angebot vieler kleiner Mahlzeiten. Doch es gehört auch zu manchem Wellnessprogramm, dass nicht einmal nur das altbekannte „FdH“ (Friss die Hälfte) gilt, sondern Fasten als Grundlage vorgesehen ist. Dabei ist nicht eine absolute Verweigerung von jeglicher Nahrung, schon gar nicht für einen längeren Zeitraum, gemeint, denn Flüssigkeit braucht der Körper unbedingt, auf feste Nahrung kann dagegen verzichtet werden. So gibt es denn auch verschiedene Varianten des Fastens, die im Wellnessbereich angeboten werden, wie das Fasten nach Buchinger oder andere Formen des Heilfastens. Das Fasten ist für den menschlichen - und auch tierischen - Körper nichts Fremdes oder grundsätzlich Schädliches, denn eine unregelmäßige Nahrungsaufnahme, weil nicht jederzeit ausreichend Jagdbeute und andere Lebensmittel zur Verfügung stehen konnten, gehört zum einen zu den Lebenszyklen auf diesem Globus, auch wenn dies aktuell für die im Überfluss lebenden Gesellschaften nicht mehr gilt. Zum anderen hat sich das Fasten als ein fester Bestandteil in vielen Religionen etabliert. Medizinisch betrachtet, kann sich durch das Fasten auch ein Schutzmechanismus für den Körper entwickeln: Es stärkt u.a. die Immunabwehr (vgl. MICHALSEN (2017), S. 92f.). <?page no="123"?> 124 Wellnessangebote für den Körper  Wissen ǀ Fasten als „Operation ohne Messer“ „Fasten ist im Gegensatz zum Hungern ein freiwilliger Verzicht auf feste Nahrung. Die Flüssigkeitszufuhr wird während des Fastens erhöht […].“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ artikel/ fasten/ ) „Beim Fasten als „Operation ohne Messer“ entfernt die Natur alles Überflüssige, Belastende unter Schonung der lebensnotwendigen Körperbestandteile. Durch die Entlastung und Umstimmung werden chronische Krankheiten günstig beeinflusst. Unterscheide Vorbeugendes Fasten - empfehlenswert für Gesunde.“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ lexikon/ ) Zu den praktizierten Formen des Fastens auch im Wellnessbereich gehört das Buchinger-Fasten, benannt nach dem Arzt Otto Buchinger (1878-1966). Diese Therapie ist eine niederkalorische Trinkdiät, die mit einer Fastendauer von 5 bis 10 Tagen für Gesunde durchgeführt wird, während längere Anwendungen im medizinischen Bereich anzusiedeln sind und demzufolge unter ärztlicher Aufsicht stattfinden; aber auch die kürzeren Fastenkuren als eine präventive Maßnahme sollten unter fachkundlicher Betreuung stehen. Beim Buchinger- Fasten „nehmen Sie frisch gepresste Obstsäfte, Gemüsebrühen, Kräutertees und Mineralwasser zu sich (250 Kalorien), die den Körper mit Vitaminen und Mineralien versorgen. Der Körper ernährt sich aus den eigenen Depots in erster Linie aus dem Fettgewebe. Es erfolgt eine tiefgreifende Entschlackung und Regeneration der Gewebe, überflüssige Pfunde gehen verloren (300 bis 500g täglich)“ (  https: / / www.menschel.com/ heilfasten/ fasten-nach-buchinger.html ). Zusätzliche Darmpflege und Kräuterpackungen auf die Leber fördern die Ausscheidung und Entgiftung, tägliche körperliche Bewegung regt den Stoffwechsel an, stärkt das Herz-Kreislauf-System und verhindert einen Abbau von Muskulatur während der Fastentage. Das Fasten ist ein ganzheitliches Konzept, welches auch geistige und seelische Aspekte einschließt (vgl. a.a.O). Medizinisch nachgewiesen sind neben dem Gewichtsverlust, der bei der Anwendung als Wellnessangebot in der Regel einen hohen Stellenwert besitzt, die positive Wirkung auf chronische Krankheitsbilder wie Gefäßleiden, Bluthochdruck, Magen-Darm- Beschwerden, Allergien, Stoffwechselstörungen und rheumatischen Erkrankungen, außerdem beugt das Heilfasten nachweislich Neuerkrankungen vor (vgl. a.a.O). <?page no="124"?> Gesundheitsbewusste Ernährung 125  Praxis ǀ Was spricht für Fasten nach Buchinger? „Wir bieten Heilfasten nach Buchinger an, weil wir davon überzeugt sind, dass diese Fastenkur die beste und effektivste ist. Schon nach kurzer Zeit stellt sich der Körper auf den Fastenstoffwechsel um. Das bedeutet, er gewinnt seine Energie dann überwiegend aus Fetten und nicht mehr überwiegend aus Glukose. Molke-Fasten, Schrothkur, Basenfasten, Obstfasten etc. sind zwar auch als Arten der Fastenkur bekannt, doch hier aktiviert der Körper nicht bzw. weniger stark den Fastenstoffwechsel. Die Entgiftungs- und Entsäuerungswirkung ist beim Heilfasten nach Buchinger am effektivsten. Das puristische Wasserfasten oder Teefasten hingegen sind radikale Methoden, die aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht zu empfehlen sind.“ (  https: / / www.menschel.com/ heilfasten/ heilfasten-oder-fasten.html ) Gerade auf eine reduzierte Flüssigkeitsaufnahme setzt die Schroth-Kur, ein Naturheilverfahren, das auf den Fuhrmann Johann Schroth (1798-1856) zurückgeht. Der Wechsel von Trink- und Trockentagen soll den Körper zur Selbstheilung anregen, entschlacken und entgiften. Die Mayr-Kur, die der österreichische Arzt Franz Xaver Mayr (1875-1965) entwickelte, basiert auf der Erkenntnis, dass ein schlecht funktionierendes Verdauungssystem von der Mundhöhle bis zum Darm für Krankheiten und einen allgemein schlechten Zustand verantwortlich sind. Zu den von ihm vorgeschlagenen Therapien gehören verschiedene Formen des Fastens.  Praxis ǀ Prof. Dr. Michalsen: Meine Erfahrung aus Praxis und Forschung  „Dem Körper schadet vor allem der Nahrungsüberfluss.“  „Regelmäßig fasten heißt, gesünder und länger zu leben.“  „Nach einem modifizierten Fasten mit Trinknahrung steigern sich die kognitiven und Gedächtnisfunktionen.“  „Fasten entwässert, lockert die Gesichtsmuskulatur und beruhigt die Haut.“  „Zwischendurch zu snacken ist eine sehr neumodische Kulturerrungenschaft - und ungesund.“ <?page no="125"?> 126 Wellnessangebote für den Körper  „Sämtliche Abnehm-Diäten, egal, welcher Logik sie folgen, führen über einen längeren Zeitraum zur Gewichtszunahme. Nicht so das Heilfasten.“ (MICHALSEN (2017) diverse S.)  Praxis ǀ Wertung des Fastens „Fasten ist eine gute Gelegenheit, den Körper fit zu halten und zu entgiften, abzunehmen, Krankheiten zu heilen und zu verhindern und seine Lebens- und Eßgewohnheiten positiv zu verändern. Fasten kann tiefgreifendere Umstellungen zur Folge haben, da man in der Fastenzeit Gefühle intensiver als sonst erlebt, vermehrt träumt und sich mehr mit sich selbst beschäftigt. Fasten bedeutet auch seelische Reinigung; diese kann mit Hilfe von Meditation unterstützt werden.“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 241) Bei der Vollwerternährung liegt der Fokus auf der Qualität der Nahrungsmittel, d.h. es werden bevorzugt pflanzliche und nur gering verarbeitete Lebensmittel verwendet. „Nahrungsmittel mit Zusatzstoffen oder aus bestimmten Technologien, wie Lebensmittelbestrahlung oder Gentechnik, werden gemieden“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 257). Als Schlagworte und Qualitätskriterien, wie sie auch in der Gastronomie außerhalb von Wellnesspauschalen, zu finden sind, gelten hier Regionalität und Saisonalität. „Etwa die Hälfte der täglichen Nahrung sollte aus Frischkost bzw. Rohkost bestehen“ (a.a.O.) und möglichst aus ökologischem Anbau stammen. Eine schonende Zubereitung verhindert unnötige Verluste an Vitaminen und anderen wertvollen Inhaltsstoffen. Fleisch, Fisch und Eier sollten nur gelegentlich zu sich genommen werden (a.a.O.). Völlig auf frischer Rohkost basiert die vollwertige Ernährung nach Bircher-Benner, die am bekanntesten durch das nach ihm benannte Müsli ist. Nach Meinung des Schweizer Arztes Maximilian Oskar Bircher-Benner (1867- 1939) besitzt „lebensfrische Rohkost eine Heilkraft und stellt deshalb die wertvollste Nahrung dar. Hierzu gehören Obst, Gemüse, Nüsse, Körner, Kräuter, kaltgepreßte Pflanzenöle, Honig und Vorzugsmilch“ (a.a.O., S. 238). Vegetarische Kost in verschiedenen Variationen ist in der gesundheitsorientierten Küche ebenfalls anzutreffen. Hierbei gibt es u.a. die Einstellungen der Ovo- Lakto-Fisch-Vegetarierer, die Eier, Milch, Milchprodukte und Fisch zu sich nehmen, dann die Ovo-Lakto-Vegetarier, die kein Fleisch, keinen Fisch sowie <?page no="126"?> Beauty-Behandlungen 127 Produkte aus beiden Lebensmitteln verzehren wollen, wohl aber Eier, Milch und Milchprodukte. Die strengste Form des Vegetarismus praktizieren Veganer, denn sie lehnen jegliche Produkte tierischer Herkunft ab und ernähren sich ausschließlich von pflanzlichen Lebensmitteln (vgl. a.a.O., S. 256). Der Säure-Basen-Haushalt kann ebenso ein Thema in der gesundheitsbewussten Ernährung sein. Ein nicht ausgewogener Säure-Basen-Haushalt, insbesondere ein Säureüberschuss im Körper, schmälert das Wohlbefinden und kann Erkrankungen fördern, wie z.B. Nierenkrankheiten oder Osteoporose. Als Anstoß, die Ernährungsgewohnheiten einmal auf den Prüfstand zu stellen und Anregungen für Verbesserungen zu geben, werden entsprechende Arrangements, wie z.B. „Säure-Basen-Balance Wellnesswoche“, „Entsäuerungskur“ oder „Basen-Fasten“ in das Programm von Wellnesshotels oder Resorts aufgenommen. Neben den natürlichen Lebensmitteln, die Grundlage der oben vorgestellten Auswahl an Ernährungsweisen sind, hat das Streben nach vermeintlichen Verbesserungen von Lebensmitteln zur Kreation neuer Produkte geführt, wie der Functional Food, den Produkten mit einer Kennzeichnung Light, „Low-Fat“, „Diät“ oder „Ohne ...“ bzw. „Mit extra ...“. Auch der Getränkemarkt hat inzwischen zahlreiche so genannte Wellnessgetränke im Sortiment. Sie sollen eine Förderung der Gesundheit oder mindestens des Wohlbefindens suggerieren. „Auch wenn zur Verstärkung der Anmutung Markennamen gewählt werden, die Wellness, Vitalität (Vita), Nutrition, Fitness, Balance oder aktiv als Namensbestandteil aufweisen. Meist gibt es nur eine gesundheitsfördernde Zutat (Aloe Vera muss inzwischen für alles herhalten), weniger Fett oder Zucker, probiotische Kulturen oder zusätzlich volle Körner“ (WIESNER (2007), S. 54). Solches lässt sich dann durchaus auch in der „Wellnessecke“ eines Frühstücksbüffets im Hotel wiederfinden - in einem zertifizierten Wellnesshotel hoffentlich nicht! 4.7 Beauty-Behandlungen Fester Bestandteil von Wellnessangeboten sind Beauty-Behandlungen, bei denen es jedoch weniger um die Optik und eine kurzfristige Verbesserung des Aussehens geht. „Arbeitete ein(e) KosmetikerIn noch vor wenigen Jahren überwiegend dekorativ an Gesicht, Beinen oder Dekolte, so zielen die heutigen Beauty- und Care-Behandlungsangebote im Sinne einer ganzheitlichen Pflegebehandlung auf den gesamten Körper von Kopf bis Fuß“ (WIESNER (2007), S. 60). Eine spezifische Wellnesskosmetik gebe es nicht, wohl haben sich aber im Rahmen des Wellnessbooms die Behandlungsvarianten der Kosmetik vervielfältigt, meint WIESNER (a.a.O.). <?page no="127"?> 128 Wellnessangebote für den Körper Der Aspekt Entspannung dürfte dabei an Bedeutung gewonnen haben; ein Indiz dafür sind beispielsweise die Gesichtsmassagen, die selbstverständlich zu einem umfangreicheren Arrangement in der Gesichtspflege gehören. Auch die Gestaltung der Räumlichkeiten für die Kosmetikanwendungen macht in der Regel deutlich, dass es sich um eine „Oase des Wohlbefindens“ handelt (→ Kap. 7.2). Zur Entspannung, für ein Gefühl des Gut-aufgehoben-Seins und sich kompetent verwöhnen zu lassen, sorgt ein freundliches wie kompetentes Personal - mit warmen Händen. Weitere Kriterien für ein gutes Beauty-Angebot sind (vgl. WIESNER (2007), S. 59):  Vorstellen, persönliche Ansprache und vorbereitendes individuelles Beratungsgespräch mit dem Gast  Abklären eventueller gesundheitlicher Probleme, Allergien etc.  Klären der Erwartungen und Wünsche an die Behandlung  Festlegen einer individuellen und möglichst optimalen Behandlung  Hoher zeitlicher Anteil manueller Zuwendung durch die Kosmetikerin  Während einer Packung persönliche Anwesenheit oder zumindest zu Beginn, Klären, ob alles den Wünschen entspricht (bequeme Lage, Temperatur - nicht unter der Klimaanlage, Musikberieselung gewünscht oder nicht etc.)  Zeitlich angemessene Dauer der Behandlungen, so wie sie in Flyern und auf der Website vorgegeben werden  Pflegeprodukte, die während der gesamten Behandlung zum Einsatz kommen, sollten aus einer gemeinsamen Serie stammen, damit sie gut aufeinander abgestimmt sind; die Kosmetikerin sollte die Pflegeprodukte kurz vorstellen  Wohlfühlambiente (Gestaltung der Räumlichkeiten, Optik, Temperatur, Ruhe, dezente musikalische Berieselung, Duft)  Nicht zuletzt die Einhaltung unübersehbar hygienischer Standards  Praxis ǀ Steigerung des Wohlfühlens durch kleine Aufmerksamkeiten Während des ersten Gesprächs zur Vorbereitung der Behandlung bietet man einen frisch gepressten Saft oder einen Kräutertee an. Eine Karaffe mit Wasser, eine Schale mit Obst oder ein Teller mit schon mundgerechten Stücken steht bereit. Die Behandlungsliege könnte je nach Jahreszeit bereits durch eine Wärmedecke vorgewärmt sein oder eine Wärmflasche bereit liegen. <?page no="128"?> Beauty-Behandlungen 129 Bei einer Beauty- oder Care-Behandlung erwarten die Gäste sicherlich nicht die Kosmetikmarken, die in jedem Drogeriemarkt zu kaufen sind, sondern hochwertigere und exklusivere Marken. Je nach Philosophie der Therme und dem dazugehörenden Beauty-Bereich kann auch Naturkosmetik gut ins Konzept passen, wie beispielsweise Produkte mit Meersalz, Schlick, Algen oder Sanddorn sowie Wildrosen - als charakteristische Gewächse in den Dünen der Nordsee - bei Kosmetik im Zusammenhang mit einem Thalasso-Arrangement. So hat das BadeWerk in Neuharlingersiel in Zusammenarbeit mit einem Apotheker seine eigene Produktlinie auf der Basis von Naturschlick kreiert. Der originale Neuharlingersieler Naturschlick wird erwärmt für Gesichtsmasken, gekühlt für Körperpackungen verwendet. Man kann das Naturprodukt mit Meerwasser aufbereitet in einem 500 Gramm Töpfchen oder als Thalasso-Seife für eine Fortsetzung der Anwendungen nach dem Aufenthalt am Meer erwerben. „Die Thalasso-Seife „Rose“ (ca. von Valentinstag bis Muttertag) und „Winter-Edition“ (in den kalten Monaten) sind nicht dauerhaft erhältlich“ (  http: / / www.badewerk.de/ thalasso/ unsere-thalasso-produkte.html ). Zu der Limitierungsstrategie gehören diverse nur vorübergehend erhältliche Seifen, wie auch die Thalasso-Seife „Sturmflut“, die sich mit ihrer Farbwahl Schwarz, Dunkelblau und Weiß sowie eine herberen Duft als Pflegeprodukt besonders für den Herrn vermarkten lässt.  Praxis ǀ Menschels Vitalresort „Unsere Philosophie lautet: keine Lebensmittel in den Anwendungen, wie z.B. Schokoladen-Packungen oder Molkebäder. Kosmetik ist im Vitalresort leicht rückläufig in den letzten Jahren.“  Interview mit Dr. med. Matthias Menschel, Menschels Vitalresort Zu den Standardangeboten im Wellnessbereich gehört das Peeling, in der Regel als vorbereitende Maßnahme für eine anschließende Hautbehandlung. Als Beispiel einer umfangreichen Gesichtspflege möge das Arrangement „Klassische Gesichtspflege“ (Dauer ca. 60 Minuten) der Cassiopeia Therme in Badenweiler dienen: „Warme Kompresse, Reinigungsmilch, Peeling, Tonic, Gesichts- und Dekolletémassage, Maske, Tagespflege. Wahlweise mit Rosen- oder Vinocosmetik.“ Soll die Behandlung über das Kosmetische und Wohlfühlen hinausgehen, wird das Ziel Anti-Aging gesetzt, das sich ebenso als ein roter Faden durch Wellnessangebote ziehen kann. Hier ein Beispiel aus der Vita Classica Therme/ Bad Krozingen: „Anti-Aging Longevity Complex TM - Anspruchsvolle Haut wird in kurzer Zeit gestrafft und erneuert; mit Inhaltsstoffen aus der Maquibeere (antioxydative Wirkung), Spinat (B9-Folsäure) und Chiasamen <?page no="129"?> 130 Wellnessangebote für den Körper (Omega 3); Ergebnis wird durch Anti-Aging Gesichtsmassage-Technik maximiert“. Ganz- oder Teilkörperpackungen zum Festigen, Straffen und zur Elastizitätssteigerung der Haut oder auch eine Anti-Cellulite Ganzkörperpackung „Behandlung gegen Fettdepots und Cellulite; entschlackende Inhaltsstoffe schwemmen überschüssiges Wasser und Giftstoffe aus, die Hautelastizität wird verbessert und das Gewebe gestrafft“ gehören zum Wellnessangebot in Bad Krozingen.  Praxis ǀ Trends bei Wellnessbehandlungen „Von den gebuchten Behandlungen in unserem Haus sind ca. 60 Prozent therapeutische Anwendungen und 40 Prozent Wellnessbehandlungen. Dabei sind die beliebtesten der Kräuterstempel, gefolgt vom Wiesenkräuterpeeling und Gesichtsbehandlungen. Maniküre und Pediküre erleben zurzeit einen Boom. Natürlich verwenden wir Kosmetikprodukte, die nicht in Drogeriemärkten zu finden sind.“  Michael Erfurth, Hotelier Erfurths Bergfried Ein lokaler oder regionaler Bezug lässt sich oftmals auch bei den im Beauty- Bereich verwendeten Pflege- und Kosmetikprodukten beobachten. Beliebt ist der Bezug zum Weinbau, da sich die Trauben - insbesondere ihre Kerne für Traubenkernöl oder aufbereitet als Traubenkernmehl oder -schrot für Peeling in Form von Seife oder Creme, aber auch die Weinrebenblätter und Rotwein aus dem Hohenloher Land als wesentliche Rundlage für ganze Produjktlinien eignen, wie beispielsweise die Wein Wellness von SanVino (  http: / / www.sanvino.de/ ). „Die in den SanVino Rezepturen enthaltenden Rotwein- und Rebenextrakte unterstützen das Immunsystem der Haut und dienen dem Schutz und der Regeneration der Zellen“ (  http: / / www.sanvino.de/ produkte/ ).  Praxis ǀ Philosophie von SanVino (2002 gegründet) „Unsere Traubenkern-Rohstoffe kommen aus Baden-Württemberg und werden in lokalen Betrieben weiterverarbeitet. <?page no="130"?> Beauty-Behandlungen 131 Mit der Verwertung der Traubenkerne richtet sich unser Blick auf eine effiziente Nutzung der Ressourcen und nachwachsender Rohstoffe. Unsere Verpackungsmaterialien sind recycelbar und verzichten auf überflüssiges Füllmaterial. Die SanVino Rezepturen basieren auf natürlichen Inhaltsstoffen und sind frei von Parabenen, Silikonen und Mineralölen. Eine übersichtliche Anzahl von Produkten und ein konsequent ausgearbeitetes Spa-Konzept mit wohltuenden und regenerierenden Anwendungen geben SanVino den Charakter von Klarheit und den Anspruch, "Zurück zu den Wurzeln.“ (  http: / / www.sanvino.de/ philosophie/ grundidee/ ) Da lässt sich mit solchen Produkten natürlich auch gleich „Ein Tag mit Traube“ (wie in der Vulkaneifel Therme in Bad Bertrich) gestalten mit „Tageskarte Therme & Sauna, Körperpeeling mit einer Creme aus fein gemahlenen Traubenkernen, Traubenkernöl und anschließender Ganzkörpermassage mit Traubenkernöl-Körperbalsam, 1 x Vitalsalatteller im Bistro der Vulkaneifel Therme“ - auf dem dann mindestens einige Weintrauben liegen müssten! Mancher Anbieter von Wellnessleistungen entwickelt auch seine eigene exklusive Produktlinie, wie beispielsweise das Bäderhaus in Bad Kreuznach. Da man sich mit der Lage im Nahetal ebenfalls in einem Weinbaugebiet befindet, wurde daraus die Pflegeserie „Vinum Cura“, eine Produktlinie aus Traube der Region und dem lokalen Thermalwasser (  http: / / baederhaus.de/ pflegeserie/ ), Um eine eigene Produktlinie zu entwickeln, bedarf es professioneller Unterstützung, doch die Initiative dazu kann durchaus auch von kreativen, aber ursprünglich fachfremden Einzelpersonen ausgehen. So hat die Physiotherapeutin Eva Wiesler im Seehotel Wiesler (Titisee), nachdem im Hotel-Spa anfangs die Produkte von Thalgo („Etwas mit Algen war damals ‚in‘“ - so Eva Wiesler) und auch SanVino verwendet wurden, 2014 ihre erste eigene Linie auf Kirschbasis entwickeln lassen. Schließlich besteht durch die bestens bekannte Schwarzwälder Kirschtorte und das hochprozentige Kirschwasser ein enger Bezug zwischen diesem Obst und dem Schwarzwald. Doch für die Verwendung der Kirsche, insbesondere des Kirschkernöls, sprechen zum einen auch ihre Inhaltsstoffe sowie charakteristischen Eigenschaften - zum anderen lassen sich Aspekte der Nachhaltigkeit in dem entsprechend ausgezeichneten und zertifizierten Hotel gemäß der Philosophie des Hauses praktizieren (→ Box). <?page no="131"?> 132 Wellnessangebote für den Körper Abb. 15: Kosmetik, Hotel Wiesler, Titisee-Neustadt  Praxis ǀ Warum Kirschkernöl? „Kirschkernöl enthält eine ausgewogene Mischung an gesättigten und ungesättigten Fettsäuren (bis 55 % Lino- und 11 % Linoläure) und ist für regenerierende Hautpflege sehr gut geeignet. Bio-Extrakte aus der Sauerkirche haben feuchtigkeitshaltende, remineralisierende, adstringierende und glättende Eigenschaften, sie wirken tonisierend und erfrischend auf die Haut. Kirschkernöl und Bio-Sauerkirschenextrakt haben antioxidative Eigenschaften. Sonstiges:  Keine Tierversuche  CO 2 klimaneutral  Ätherische Parfümöle aus Blüten oder Frucht  Konservierung durch Vitamin A oder C  Verwendung von biologisch hergestellten Produkten  Schadstoffarme Verpackung  Bio-Sauerkirschen aus England (Grafschaft Kent) <?page no="132"?> Beauty-Behandlungen 133  Rohstoffeinkauf unter sozialen Bedingungen  90 % Frauenanteil unter frauenfreundlichen Arbeitsbedingungen“  Eva Wiesler, Pressematerial Doch nicht nur das Kirschkernöl wird bei Massagen verwendet, auch Kirschkerne und Stiele lassen sich in Baumwollsäckchen als Kräuterstempel nutzen. Zum ganzheitlichen Erlebnis passend wird ein Kirschkernduft im Behandlungsraum versprüht. Inzwischen hat Eva Wiesler ihre vegane Naturkosmetik um weitere Produktlinien erweitert (  httphttps: / / www.seehotel-wiesler.de/ Wellness-Beauty/ Eva-Wiesler- Beauty-Spa/ Beauty-Wellness ).  Zusammenfassung ǀ Kapitel 4  Wasserbehandlungen stellen klassische Anwendungen im Wellnesswie Gesundheitstourismus dar. Beide nutzen die positiven Wirkungen des kalten Wassers sowie des Thermalwassers für gesundheitsfördernde Bewegungstherapien. Zum einen wird das Körpergewicht im Wasser reduziert, was den Bewegungsapparat schont, zum anderen sorgt das Wasser bei vielen Übungen durch seinen Widerstand für eine größere Effektivität.  Bei den Peloide (Lehm, Fango, Heilkreide etc.) werden einige Anwendungen aus medizinischen Therapien in „Light-Versionen“ ebenso im Wellnessbereich genutzt.  Das Schwitzen in Form von Sauna- und Dampfbädern bei unterschiedlich hohen Temperaturen und unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit allein genügt heute kaum mehr. Themen- oder Erlebnissaunen entsprechen dem Zeitgeist, dabei lässt sich auch der Trend, Regionaltypisches bis Exotisches in die Gestaltung der Saunalandschaften einfließen zu lassen, realisieren.  Massage - eine Jahrtausende alte Heilkunst - nimmt einen großen Teil in den Wellnessanwendungen ein. Exotische Massagen mit den dazugehörenden Produkten im entsprechend gestalteten Ambiente bedeuten hier die Luxusklasse. <?page no="133"?> 134 Wellnessangebote für den Körper  Aromatherapie unterstützt andere Wellnessanwendungen (Bäder, Massagen und Saunabäder), indem Wirkstoffe von ätherischen Ölen freigesetzt werden, die der Körper aufnimmt und bestimmte Funktionen dadurch stimuliert.  Eine gesundheitsbewusste Ernährung hat zunächst einmal denselben Grundsatz wie die gehobene Gastronomie, die auf die Vorzüge regionaler und saisonaler Produkte setzt. Daneben gehören diverse Formen des Fastens zu Wellnessarrangements. Bei der üblichen Kürze eines Wellnessaufenthalts können nur Impulse zu einem bewussteren Umgang mit Lebensmitteln gegeben werden.  Bei den Beauty-Behandlungen im Rahmen von Wellnessprogrammen lässt sich ebenfalls der Trend zu lokalen/ regionalen Bezügen feststellen, indem zum einen in den Destinationen entsprechende Kosmetika genutzt und auch eigene Produktlinien dafür entwickelt werden. Zum anderen werden an Beauty-Behandlungen im Wellnessbereich oftmals mehr als nur die Erwartung eines besseren/ jüngeren/ gesünderen Aussehens geknüpft, häufig geht es um eine ganzheitliche Pflegebehandlung und um die Steigerung des allgemeinen Wohlbefindens.  Literatur ǀ Kapitel 4 CASSENS, M. (2013): Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung. Ein Lehrbuch. Oldenbourg, München. DEUTSCHER HEILBÄDERVERBAND (Hrsg.) (2017): Gesundheitskompetenz in Heilbädern und Kurorten 2017. Berlin. JOHANN-WOLFF-VORBECK, U. (2000): Ernährungsformen. In: RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. S. 237-258. Urban & Fischer, München. JOHANN-WOLFF-VORBECK, U. (2000): Physikalische Therapie. In: RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. S. 263-315. Urban & Fischer, München. KNEIPP-BUND (o. J.): Das kleine Kneipp-1x1. <?page no="134"?> Beauty-Behandlungen 135 KOLSTER, B. (2010): Massage. Klassische Massage. Querfriktionen. Funktionsmassage. 3. Aufl. Springer, Heidelberg. KREMPEL, O. (2006): Produktideen für Kur- und Wellnessbetriebe. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 25-48. Erich Schmidt Verlag, Berlin. LESER, H. (Hrsg.) (2011): Diercke. Wörterbuch Geographie. Raum - Wirtschaft und Gesellschaft - Umwelt. 15. Aufl. Westermann, Braunschweig. MÄRKT, M. (2000): Aromatherapie. In: RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. S. 103-107. Urban & Fischer, München. PICTORIUS, G. (1560): Badenfahrtbüchlein. Wie und wo man richtig badet. Ein kommentierter, übersetzter und mit zeitgenössischen Bildern versehener Nachdruck des Werkes von D. Georgius Pictorius aus dem Jahre 1560. Herder (1980), Freiburg. STEGER, F. (2004): Antike Diätetik - Lebensweise und Medizin. In: NTM International Journal of History & Ethics of Natural Sciences, Technology & Medicine, Vol. 12, 3. S. 146-160. MICHALSEN, A. (2017): Heilen mit der Kraft der Natur. 7. Aufl. Insel, Berlin. WELLNESS HOTELS; BEAUTY24 GMBH (2017): Medieninformationen Trends 2017. WESTPHAL, J. (1999): Kuren nach Felke mit den Elementen der Natur. Die Licht-, Luft- und Lehmtherapie. Fit fürs Leben Verlag, Druckservice Wümme, o. O. WIESNER, K. (2007): Wellnessmanagement. Angebote, Anforderungen, Erfolgsfaktoren. Erich Schmidt Verlag, Berlin.  Websites Spafinder: https: / / www.spafinder.com/ spaguide/ types/ index.jsp? https: / / www.spafinder.com/ blog/ health-and-well-being/ spa-wellness-glossary/ <?page no="135"?> 136 Wellnessangebote für den Körper Bad Kreuznach: http: / / www.bad-kreuznach-tourist.de/ gesundheit-kur-wellness/ Vulkaneifel: http: / / www.vulkaneifeltherme.de/ https: / / www.palais-thermal.de/ Therme Erding: http: / / www.therme-erding.de Kneipp: https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ https: / / www.kneippbund.de/ gesundheitsidee/ ernaehrung/ https: / / www.kneippvisite.de/ anwendungen/ artikel/ fasten/ Deutscher Heilbäderverband: http: / / www.deutscher-heilbaederverband.de/ http: / / www.deutscher-heilbaederverband.de/ die-kur/ kurlexikon/ Felke: https: / / www.menschel.com/ http: / / www.bollants.de Moorbad: https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ moorbad Bad Nenndorf: http: / / cms.staatsbadnenndorf.de/ index.php? id=moorbadehaus Deutscher Sauna-Bund (Pressemitteilung vom 18.6.2015) http: / / www.saunabund-ev.de/ index.php? id=1 BadeWerk, Neuharlingersiel: http: / / www.badewerk.de/ startseite-badewerk-neuharlingersiel.html http: / / www.badewerk.de/ unser-badewerk/ sauna-ebbe.html Leukerbad-Therme: http: / / www.leukerbad-therme.ch/ angebote/ wellness/ sauna-unddampfbad.php Walliser Alpenrherme: http: / / www.alpentherme.ch/ walliser-saunadorf.html Hotel Tanne, Schwarzwald: http: / / hotel-tanne.de/ de/ <?page no="136"?> Beauty-Behandlungen 137 Siebentäler Terme, Bad Herrenalb: http: / / www.siebentaelertherme.de/ Sauna International: https: / / saunainternational.net/ Massagearten: http: / / www.wellness-massage-portal.de/ formen-arten-massage.html Bad Krozingen, Schwarzwald: https: / / www.bad-krozingen.info/ Vita-Classica/ Wellness-Massagen SanVino Traubenkernöl: http: / / www.sanvino.de/ Bäderhaus Bad Kreuznach: http: / / baederhaus.de/ pflegeserie/ Seehotel Wiesler, Schwarzwald: https: / / www.seehotel-wiesler.de/ Wellness-Beauty Wellnesstrends 2017: https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness-trends-2017 <?page no="138"?> 5 Wellnessangebote für die Seele Einen großen Stellenwert besitzt in diesem Zusammenhang die Natur; sie erhält eine besondere Bedeutung als „guter Ort“ nach GERHARD; KISTEMANN (2016) und ist Grundlage für die Landschaftstherapie. Therapeutische Landschaften - „entdeckt“ vom Kulturgeographen GESLER 1992 - sind ein Begriff aus der geographischen Gesundheitsforschung. So exotisch dieser Wissenschaftszweig erscheinen mag, im praktischen Wellnessgeschäft ist er schon angekommen, wie es Blicke in das GesundLand Vulkaneifel zeigen werden. Nicht nur die Seele, auch der Körper wird von den nachfolgend behandelten Wellnessangeboten profitieren, doch es ist müßig zu versuchen, dieses abzugrenzen und bei dem ganzheitlichen Verständnis von Wellness auch ziemlich überflüssig! Dem seelischen Gleichgewicht widmen sich auch die Ansätze von Kneipp zur Lebensordnung - im moderneren Anglizismus wäre dies das Schlagwort der Work-Life-Balance.  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Welchen hohen Stellenwert besitzt die Natur auch für den modernen und gestressten Großstädter?  Landschaften und Natur besitzen einen therapeutischen Wert.  Welche Angebote gibt es, in der Natur wieder zu sich selbst zu finden?  Welche Entspannungstechniken helfen draußen in der Natur wie in geschlossenen Räumen?  Wieder Ordnung in sein Leben zu bringen, kann auch eine Aufgabe von Wellness sein. 5.1 Entspannung und Bewegung in der Natur Selbst bei „Wellnesstempeln“ spielt inzwischen die Natur eine zunehmend größere Rolle, denn es ist aus der Mode gekommen, alles buchstäblich unter einem Dach zu vereinen. Selbst bei Wellnessanwendungen in Räumen wird der Blick <?page no="139"?> 140 Wellnessangebote für die Seele von der Massageliege, von der Badewanne oder aus der Sauna (→ Kap. 4.3) nach draußen ins Grüne ermöglicht. Oftmals werden auch die verschiedenen Saunen in Hütten untergebracht, so dass es für den Gast immer auch einen Kontakt mit der gestalteten Natur in Form einer Gartenanlage sowie dem Wetter gibt. Die damit verbundenen sinnlichen Erfahrungen, dem Wetter, kurzfristig Temperaturunterschieden ohne die übliche Bekleidung ausgesetzt zu sein, im Winter draußen zu schwimmen, solche Reize aus der Natur zu erleben, sind für den modernen Menschen unserer Breiten schon etwas Ungewohntes. Die Natur bzw. die Landschaft besitzt einen weitaus größeren Mehrwert denn der einer Kulisse. Dies umfasst das Konzept der Therapeutischen Landschaften. Der Begriff stammt aus der geographischen Gesundheitsforschung und wurde 1992 vom Kulturgeographen GESLER in einem Aufsatz erstmals publiziert. Doch die Beschäftigung mit den Auswirkungen von Natur- und Landschaftserfahrungen auf das Individuum lässt sich schon bei Philosophen seit der Antike, wie Seneca im 1. Jahrhundert n. Chr., und beispielsweise in der Zeit der Aufklärung Immanuel Kant (1724-1804) nachweisen. Die Entdeckung des Werts der Natur für die Seele des Menschen fand also schon vor rund zwei Jahrtausenden statt!  Wissen ǀ Gutes Leben braucht „gute“ Orte „Unsere zentrale These, die auch unser Buch zum Zusammenhang von Landschaft, Identität und Gesundheit leitet, lautet, dass das gute Leben notwendig auch eine räumliche Dimension hat. Es ist für unser Wohlbefinden nicht gleichgültig, in welchem Verhältnis wir zu unserer Umgebung stehen, Landschaft und Natur, Orte, in denen wir uns aufhalten, sind wesentliche Rahmenbedingungen für ein gelingendes menschliches Leben. In diesem Zusammenhang gibt es zudem eine gesellschaftliche Debatte über den Zusammenhang von menschlichen Naturverhältnissen und dem guten Leben, die auch die ethischen Begründungen für den Natur- und Landschaftsschutz berührt [...]. Es gibt nicht nur gute Werte, Beziehungen, Lebensstile, Konsumhaltungen und vieles mehr - es gibt gewissermaßen auch ‚gute Orte‘, in denen wir in einer Art von Resonanz gleichsam ‚aufblühen‘, eben gut leben können.“ (GEBHARD; KISTEMANN (2016), S. 1) Was macht Landschaften therapeutisch? Von welchen Landschaften ist dabei die Rede? Es handelt sich dabei keineswegs um Naturlandschaften, d.h. Räume, die nicht vom Menschen verändert wurden - die in West-/ Mitteleuropa <?page no="140"?> Entspannung und Bewegung in der Natur 141 kaum zu finden wären, sondern um Kulturlandschaften. „Therapeutische Landschaften sind nicht nur tatsächliche Natur-Landschaften, die im Sinne von materiellen Wirkursachen Identität, Gesundheit und Wohlbefinden befördern können, sondern sie sind auch als kulturelle und mentale Erzeugnisse konzipiert. Die Wirkungen von Therapeutischen Landschaften lassen sich also nicht ohne ihre kulturelle Prägung und symbolische Aufladung verstehen“ (a.a.O., S. 7f.). Damit umfasst der Begriff der Therapeutischen Landschaft nicht nur die physisch geographischen Aspekte, sondern ebenso die anthropogenen Elemente sowie die symbolische und kulturelle Bedeutung beider Bereiche. Über die Zusammenhänge zwischen Landschaft und Gesundheit des Menschen, die positiven Effekte von Landschaftserlebnissen „liefert die aktuelle Forschung nun gehäuft empirische Hinweise darauf, dass Landschaftserleben einen eigenständigen Beitrag zu Gesundheit und Wohlbefinden bieten kann. Dabei werden ökologische, ästhetische, physisch aktivierende, psychische, soziale, pädagogische und symbolische Wirkkomponenten unterschieden [...]. Für die physische Gesundheit [...] gibt es nachgewiesene Effekte z.B. bezüglich des Herz-Kreislauf-Systems, Motorik, Stresssymptomen, Kondition und Diabetes mellitus. Und für die psychische Gesundheit [...] gibt es nachgewiesene Effekte v.a. in den Bereichen Stress, geistige Müdigkeit, Konzentration, Stimmungsaufhellung, subjektives Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit. Auch sozial-integrative Effekte konnten nachgewiesen werden“ (a.a.O., S.8). Zusammenfassend muss betont werden, dass es bei den nachgewiesenen Effekten nicht allein um physische Faktoren geht, wie z.B. die Elemente eines Heilklimas, die sich ganz ohne das Zutun des Menschen positiv auf seine Gesundheit auswirken, sondern auch um sinnliche, emotionale Erfahrungen aus dem Landschaftserlebnis. Daraus ergeben sich Wohlbefinden und Gesundheit für Körper, Geist und Seele. In Studien konnte herausgestellt werden, dass dabei natürliche Landschaften einen positiveren Effekt auf die psychische Gesundheit haben als künstliche Landschaften bzw. entsprechend gestaltete Innenräume. „Als bedeutendste Wirkung wurde die kurzfristige Erholung von Stress und geistiger Müdigkeit identifiziert“ (VÖLKER (2016), S. 96); „Landschaften können als ‚Stimmungsaufheller‘ fungieren (a.a.O., S. 101). Dabei kann auch schon allein der Anblick von natürlichen Landschaften möglichst mit Wasserflächen das Wohlbefinden steigern - aber auch derjenige von Grünanlagen und Parks als gärtnerische Werke. Daraus lässt sich schließen, öffentliches (und natürlich auch privates) Grün steigert die Lebensqualität, fördert zumindest das Wohlbefinden und im Idealfall bei längerem oder häufigerem Kontakt auch die Gesundheit. <?page no="141"?> 142 Wellnessangebote für die Seele Abb. 16: Landschaftstherapeutischer Park, Bad Bertrich <?page no="142"?> Entspannung und Bewegung in der Natur 143 Als ein aktuelles Beispiel aus der Praxis, aus dem GesundLand Vulkaneifel, ohne hierbei eine Unterscheidung zwischen Besuchern und Bewohnern des Kurorts Bad Bertrich machen zu können, sei der Landschaftstherapeutische Park Römerkessel (  http: / / www.gesundland-vulkaneifel.de/ gesundland/ therapeutischelandschaft/ landschaftstherapeutischer-park-roemerkessel.html ) vorgestellt. 2012 wurde er nach Plänen des Münchener Psychologen Reinhard Schober angelegt, bzw. ein bereits existierender Park im Osten des Badeorts entsprechend zum „ersten Landschaftstherapeutischen Park Europas“ (a.a.O.) umgestaltet. Umrahmt vom Bogen des Mühlenbachs bietet der Park sieben kleine thematische Gärten, die - so eine Infotafel am Eingang - „einige gesundheitsschädliche Freudedefizite der Gesellschaft - mit den bekannten Folgen - ausgleichen“ möchten. Als Ziel des Besuchs dieses Parks wird angegeben, den „Freudenpegel zu heben“. Auf weiteren Tafeln an Beginn des Wegs, dem so genannten „Einstimmungsplatz“, folgt eine „Anleitung zur Landschaftstherapie“, bei der die Besucher ermuntert werden, sich einen der sieben Gärten als Aufenthaltsort auszusuchen. „Tun Sie im Garten, wonach Ihnen zumute ist“, „Lassen Sie die Atmosphäre auf sich wirken. Die Achtsamkeitstafeln in jedem Garten geben einige Hinweise. Warten Sie nicht ab, sondern interpretieren Sie ruhig etwas hinein. Schließen Sie ab und zu die Augen! “, rät man dem Gast. Des Weiteren werden hilfreiche Vorübungen angeregt: [1] „Machen Sie sich bewusst, wie Sie sich allgemein fühlen. Welche Wünsche haben Sie für Ihr Lebensgefühl? Über Warum und Wieso brauchen Sie nicht nachzudenken. [2] Sensibilisierung bereichert. Versuchen Sie auch feinere und unbedeutendere Landschaftselemente zu beachten. Auch solche, die Ihnen nichts sagen. Sie werden sehen: Auf einmal tun sie es doch. [3] Auf Sinneseindrücke kommt es bei der Landschaftstherapie an. Noch mehr geht es aber um Gedanken und Assoziationen, die Ihnen beim Erleben durch den Kopf gehen. Lassen Sie das zu. Woran erinnert Sie etwas? Für was ist das ein Symbol? Vor allem: Ist das etwas, das Sie gerade brauchen, womit Sie sich gerne identifizieren möchten? [4] Nehmen Sie sich Zeit, Zeit, Zeit.“ Die Themengärten, so der Fürsten-, Kräuter-, Entspannungs-, Lava-, Bewegungs-, Terrassen- und auf einer kleinen Anhöhe der Stille Garten, motivieren zum Verweilen, Entdecken der Details und Infotafeln geben spezifische Impulse für den jeweiligen Ort. Das GesundLand Vulkaneifel bietet auch geführte Rundgänge mit zertifizierten Landschaftsmentoren und Entspannungscoachs (→ Kap. 5.2) an. Dies findet in <?page no="143"?> 144 Wellnessangebote für die Seele lockeren Gesprächsrunden statt, bei denen sich der/ die Landschaftsmentor/ in mit einbezieht, Anregungen gibt und ebenso Entspannungsübungen anleitet.  Praxis ǀ Schulungskonzept Landschaftsmentor Inhalt: „Der Kontakt mit unserer Umwelt ist im urbanen Raum oft ein großer Stressfaktor: Verkehrslärm und die große Dichte der Urbanität sind die Ursachen. Umgekehrt bieten Ruhe und Weite ländlicher Räume die Möglichkeit für innere Beruhigung, Verlangsamung und Bewusstwerdung.“ Leitfrage des Schulungskonzepts, das auf der Themenzentrierten Interaktion nach Ruth C. Cohn basiert: „Wie kann ich andere dazu einladen, dabei begleiten und darin unterstützen, sich das GesundLand Vulkaneifel in einem für sie entwicklungsfördernden Sinne wahrzunehmen, zu erfahren und nutzbar zu machen? “ Elemente des Konzepts:  „Die Landschaftsmentorin/ der Landschaftsmentor macht sich den eigenen Kontakt und den Umgang mit der Landschaft bewusst.  Er/ sie verfügt über intensive Kenntnisse der Landschaft und der Möglichkeiten, mit ihr in Kontakt zu kommen (Wanderwege, Fahrradrouten, Orte der Landschaftserfahrung).  Sie/ er entwickelt die Fähigkeit und Kenntnisse, Menschen bei ihrem bewussten Weg, sich die Landschaft förderlich zunutze zu machen, zu begleiten und sie darin zu unterstützen.  Sie/ er erwirbt Kenntnisse und Handwerkszeug in der Arbeit mit Gruppen, da die Arbeit üblicherweise nicht mit einzelnen sondern mit Gruppen stattfinden wird.“ (GESUNDLAND VULKANEIFEL) In enger Zusammenarbeit zwischen dem GesundLand Vulkaneifel und der Eifelklinik in Manderscheid, einer Rehabilitationsklinik für psychosomatische Erkrankungen, entstand 2015 in der Reihe der „Muße-Pfade“ der Achtsamkeitspfad Kylltal (  httphttp: / / www.gesundland-vulkaneifel.de/ gesundland/ therapeutische-landschaft/ achtsamkeitspfad-kleine-kyll.html ). Gefördert wurde der Pfad aus Mitteln der EU (Leader-Projekt) und des Landes Rheinland-Pfalz. Der Achtsamkeitspfad führt über das Gelände der Eifelklinik, die diesen Weg in ihren Therapien gleichfalls nutzt. Dass für den 6,5 Kilometer langen Rundkurs ca. drei <?page no="144"?> Entspannung und Bewegung in der Natur 145 Stunden veranschlagt werden, zeigt bereits, dass es sich hier nicht um einen sportlichen Parcours handelt, sondern die Langsamkeit gefordert ist. Sieben Erlebnispunkte wurden am Lauf der Kleinen Kyll eingerichtet. Eine viersprachige Informationstafel (neben Deutsch noch in Niederländisch, Englisch und Französisch) gibt in kurzen Texten Aspekte vor, über die sich der Wanderer an dieser Stelle einmal Gedanken machen sollte. So z.B. vor der Überquerung des Baches auf Trittsteinen oder durch eine Furt - eine Brücke gibt es hier nicht - über den Mut, zu neuen Ufern aufzubrechen. Schon einmal aus dem Alltagstrott, dem Selbstverständlichen auszuscheren und sich mit allen Sinnen für den Augenblick zu öffnen, Eindrücke aus der Natur, dem Plätschern des Bachs, dem Wetter, den Pflanzen und Tieren dieses Ortes zu widmen und dabei in einer Hängematte schaukelnd die kleine Welt um sich herum zu erfassen, dazu bietet der Achtsamkeitspunkt „Zu neuen Ufern“ stimmige Anregungen und selbstverständlich auch die Hängematten auf der Wiese in der Bachaue. Jeweils ein Zitat aus der Literatur oder dem Weisheitenschatz anderer Kulturen unterstützt die Aussagen und Anregungen der Infotafeln. Abb. 17: Hängematten am Achtsamkeitspfad, Kylltal <?page no="145"?> 146 Wellnessangebote für die Seele Als Förderprojekt des Landes Baden-Württemberg hat man im Schwarzwald im Luftkurort Waldachtal, exakter Waldach-Lützelhardt, einen Wald zum WellnessWald umfunktioniert - aber die Ausschilderung zu ihm hin vergessen (Stand Sommer 2017). Der entsprechend ausgestattete WellnessWald (  http: / / www.waldachtal.de/ urlaub/ wellnesswald-stationen/ ) sowie ein 4 Kilometer langer WellnessWeg als „Natur-Geh-Meditation“ um den Ochsenkopf sei ein „Weg des Waldes zur Gesundheit, ein Ort der Ruhe und kein Spielplatz. Es geht vor allem um Wahrnehmen, Wohlfühlen und innere Einkehr“, so die ersten Infotafeln im Gelände. Auf nicht alltägliche Weise werden im WellnessWald die Sinne angesprochen, so z.B. mit dem Erlebnis einer Windharfe oder Klangresonanzen im Stein. An zentraler Stelle im Wald befindet sich der auf einer Lichtung ein „Wald-Gesundheits-Pavillon“. In seiner Nachbarschaft wird zum Sehen und Tasten ermuntert mit dem Ziel: „Wahrnehmung der Wirkung unterschiedlicher Materialien auf das eigene Wohlbefinden“. „Betrachte die Materialien Holz, Basalt, Sandstein und Klinker. Fühle ihre unterschiedlichen Oberflächen und Strukturen an den Tastsäulen. Gehe nun den Weg des Materials, das Dir heute am meisten zusagt. Du kommst hinaus zum zugehörigen Rebalancing- Platz.“ Die Bewegung drinnen wie draußen in der Natur gehört als eines von fünf Elementen auch zum Gesundheitskonzept von Sebastian Kneipp. „Bewegung fördert nicht nur die Fitness, sondern auch die Gelassenheit, und hebt die Stimmung. Sebastian Kneipp war ein engagierter Verfechter des Barfußgehens. Er hielt wenig von Hektik und Stress, da beides auf Kosten der Gesundheit geht, und empfahl daher maßvolle Bewegung an der frischen Luft. Übersetzt in die heutige Zeit, bedeutet dies Ausgleichssport: Wandern, Schwimmen, Radfahren, Reiten, Joggen, Walken, Golf, Tennis, Skilanglauf, Gymnastik und Vieles mehr - Sportarten, die Spaß machen, die den Kreislauf auf Trab halten und die jeder ganz nach Neigung, Alter und Gesundheit wählen kann“ (  https: / / www.kneippbund.de/ gesundheitsidee/ bewegung / ). Fließend sind hierbei die Übergänge von medizinischer Therapie und Wellnessaktivität, aber positive Auswirkungen auf die Seele werden auch an dieser Stelle explizit genannt: „Ein Mangel an Bewegung muss heute als echte Krankheitsursache gewertet werden, zumal sie in Kombination mit weiteren Risikofaktoren doppelt negativ im Hinblick auf eine Herz-Kreislauf-Erkrankung wirkt. Körperliche Bewegung hingegen wirkt ausgleichend auf das vegetative Nervensystem und stellt ein ganz natürliches ‚Ventil für die Seele‘ dar“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ bewegung/ ). <?page no="146"?> Entspannung und Bewegung in der Natur 147  Wissen ǀ Empfehlung „Finden Sie heraus, welche Sportart für Sie geeignet ist und was Ihnen Freude macht. Bewegung trägt nachweislich zum Abbau von Stress und Spannungen bei, fördert darüber hinaus die Gehirndurchblutung und damit das Denkvermögen und verhilft zu einem gesteigerten Lebensgefühl (Glückshormone - Endorphine - werden vermehrt produziert! ).“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ bewegung/ ) Pfarrer Sebastian Kneipp wäre begeistert gewesen, auch wenn er einen solch spezialisierten Weg nicht für nötig gehalten hätte, da die Natur für das von ihm propagierte Barfußgehen genügend passenden Untergrund geboten hätte. Touristisch aufbereitet und als attraktives Ziel für die ganze Familie gibt es seit 1992 den Barfußpfad Bad Sobernheim (  http: / / www.barfusspfad-bad-sobernheim.de/ ) . Durchschnittlich 90.000 Besucher kommen jährlich aus einem Einzugsgebiet von 60/ 70 Minuten Autofahrt und damit einer Region, die das Rhein-/ Maingebiet, den Raum Mannheim/ Ludwigshafen, das südliche Nordrhein-Westfalen sowie die Benelux- Länder umfasst. Stilecht für die Lage im Nahetal und in Bad Sobernheim beginnt der kostenpflichtige Barfußpfad mit einem 38 m langen Lehmtretbecken. Eine bis zu 30 cm tiefe Lehmschicht kann sich in dem Becken befinden; durch den glitschigen Bodenbelag kann der Wanderer von Handläufen gesichert stapfen. Lehm hat im Nahetal eine besondere Bedeutung erlangt, denn hier entwickelte der Bad Sobernheimer Pastor Emanuel Felke (1856-1926) die nach ihm benannte Kur (→ Kap. 4.2), die in dem gesamten Spektrum von Gesundheitstourismus über Medical-Wellness bis zu Wellness eingesetzt wird. Den Barfußpfad bezeichnet man als eine „Kurz-Kur auf 3.500 Metern“, doch es wird mehr geboten als nur eine Fußmassage durch die verschiedenen Bodenbeläge, wie Lehm, große und kleine Kiesel, Holz und standortgerecht für ein Weinbaugebiet auch Flaschenkorken. Geschicklichkeit wird gefordert und das Gleichgewichtsgefühl gestärkt, indem der Pfad beispielsweise über Schaukelwege oder Holzkonstruktionen führt. Für einen intensiveren Kontakt mit der Natur und etwas Abenteuer sorgt eine Furt durch die Nahe. An dieser Stelle ist bei normalem Wasserstand selbst im Sommer nicht unbedingt der Grund zu sehen, reicht das fröhlich dahin plätschernde Wasser auch einem Erwachsenen bis an den Oberschenkel. Zwei Handseile bieten moralische und praktische Stütze, für Vorsichtige führt wenige Meter entfernt eine Holzbrücke über das Flüsschen. <?page no="147"?> 148 Wellnessangebote für die Seele Abb. 18: Barfußpfad, Bad Sobernheim Auf dem Barfußpfad werden nicht nur die Sinne durch die fremd gewordene Fortbewegungsart angesprochen, sondern auch an sieben Stationen erklärt, „was auf dem Barfußpfad sicht- und tastbar ist“: Es gibt Informationen zur Geologie des Nahe-Berglands.  Praxis ǀ Stimmige Souvenirs vom Bad Sobernheimer Barfußpfad  Backförmchen als Fußabdruck mit käsehaltigen Rezepten für echte „Käsefüße“  Holzbürstchen in Fußform  Seife und Tabletten fürs Fußbad in Fußform Beachtlichen Aufwand erfordert der Unterhalt der Barfußpfadstationen, denn sie müssen inklusive der Seilbrücke am Ende des Wegs jedes Jahr im Herbst wegen der zu erwartenden Hochwasser im Winter abgebaut werden. Das bedeutet im Frühjahr für den städtischen Bauhof wieder eine Woche Arbeit, um alles für die nächste Saison herzurichten. An Ausbauten bzw. Veränderungen in der näheren Zukunft ist geplant, den Eingangsbereich auszubauen, vor allem auch um für den Naheradweg einen Servicepoint einzurichten. Des Weiteren fehlen behindertengerechte Toiletten und es scheint nötig, den Kühl- und Altglasanhänger der Gartengastronomie zu kaschieren. <?page no="148"?> Entspannungstechniken 149 5.2 Entspannungstechniken Entspannungstechniken erleben im Wellnessbereich eine große Nachfrage, gehören sie oftmals mit zu Pauschalen für einen längeren Wellnessaufenthalt als gerade für ein Wochenende. Auch wenn Entspannungstechniken vielleicht schon einen mehr oder weniger großen Platz im Alltagsleben haben, so bietet sich bei Mini-Kursen im Wellnessurlaub die genussvolle Gelegenheit, dies in einem entsprechend gestalteten, mehr die Sinne ansprechenden Ambiente als beispielsweise in einer Schulturnhalle zu tun - insbesondere wenn es sich um exotische, fernöstliche Techniken handelt! Zum anderen kann der gesundheitsinteressierte Gast in für ihn unbekannte Formen der Entspannung einmal hineinschnuppern. Ziel der Entspannungstherapie mit ihren verschiedenen Wegen ist es, die Körperwahrnehmung zu entwickeln. „Durch Entspannungsübungen sollen das Körper- und Bewegungsempfinden verbessert und Spannungszustände gelöst werden“ (RICHTER (2000), S. 293). Um diese Ziele zu erreichen, gibt es eine Reihe von Entspannungstechniken, die teilweise seit Jahrtausenden zu bestimmten Kulturen gehören. Entspannung und Konzentration gehören dabei eng zusammen. Das Autogene Training stellt im Kreis der traditionsreichen Verfahren der Entspannung ein recht junges dar. Der Psychiater Johann Heinrich Schultz (1884-1970) entwickelte es auf der Basis der Hypnose und Autosuggestion, um seine Ängste aus der Zeit des Ersten Weltkriegs zu überwinden - 1932 erschien sein grundlegendes Werk „Das Autogene Training. Konzentrative Selbstentspannung“. Bei dieser Methode kommt es zu einer Beeinflussung und damit Regulierung des Organismus mit Hilfe von Sprachformeln: „Durch die Übungen werden sechs Regionen angesprochen, und zwar die Muskulatur, die Blutgefäße, das Herz, die Atmung, die Leiborgane und der Kopf“ (JOHANN- WOLFF-VORBECK (2000), S. 232). „Das Autogene Training ist zur Erholung, Gesundung, Selbstbeherrschung, Selbstbestimmung, Leistungssteigerung und Schmerzlinderung sinnvoll einsetzbar“ (a.a.O.), aber es gibt auch Kontraindikationen - die natürlich auch für die Anwendung im Wellnessbereich gelten - bei schwereren psychischen Störungen. <?page no="149"?> 150 Wellnessangebote für die Seele  Wissen ǀ Autogenes Training „1. Übung: Man nimmt die vorgeschriebene Haltung, z.B. den Droschkenkutschersitz ein und sagt sich etwa 3-6 mal: „Ich bin ganz ruhig! Ruhig, gelöst, entspannt! “ „2. Übung: Der rechte Arm (beim Linkshänder der linke) ist ganz schwer! “ „Der linke Arm (rechte) ist ganz schwer! “ „Das rechte Bein ist ganz schwer! “ [...] Fünf weitere Übungen mit entsprechenden Formeln folgen. „Beim Üben muß die Formel nicht laut gesprochen werden, es genügt ein leises Sprechen oder geistiges Vorstellen. Nach jedem Üben, außer vor dem Einschlafen, folgt die Zurücknahme. Dazu ballt man eine Faust, beugt zuerst beim tiefen Einatmen die Arme, streckt sie danach beim Ausatmen, macht die Augen auf und sagt sich: ‚Ich bin ganz frisch‘. Wenn die Zurücknahme nicht energisch genug erfolgt, können Nebenwirkungen auftreten, z.B. könnte ein Gefühl der Schwere über einen längeren Zeitraum zurückbleiben.“ (JOHANN-WOLFF-VORBECK (2000), S. 233) Eine umfangreiche Aufzählung von Anwendungen aus den Wellnessprogrammen von Anbietern wie Reiseveranstaltern, die von Pauschalen zum Gesundheitstourismus nicht unbedingt zu trennen sind, gibt BERG (2008, S. 176 ff.). Zu den Wellnessanwendungen, die die Entspannung fördern, seien einige im Folgenden kurz angerissen. Eine besondere Attraktivität durch einen Reiz des Exotischen, Fernöstlichen besitzen chinesische Entspannungs- und Konzentrationstechniken. Dazu gehört Qigong als „eine chinesische Atem- und Meditationstherapie mit der die Lebensenergie durch bestimmte Bewegungsübungen angeregt wird. [...] Die Therapie wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislauf- System aus und führt u.a. zu Entspannung, Wohlbefinden, Stressabbau und dadurch zu einer Steigerung der Gesundheit und inneren Harmonie“ (BERG (2008), S. 190). Konzentration und emotionale Ausgeglichenheit werden ebenso durch die Übungen zur „Kultivierung von Körper und Geist“ - so das chinesische Verständnis von Qigong - mit Hilfe der rund 2.000 Jahre alten Bewegungskunst gefördert. Qigong und Tai-Chi (auch Taijiquan oder Tai-Chi Chuan genannt), das im Deutschen als „Schattenboxen“ bezeichnet wird, haben sich vor dem Hintergrund der östlichen Philosophie und Tradition entwickelt und „verstehen sich als Wege <?page no="150"?> Entspannungstechniken 151 der Lebenspflege bzw. als Übungswege, die geistige/ seelische und körperliche Aspekte des menschlichen Lebens in Einklang bringen“ (  http: / / ddqt.de/ taijiquanqigong/ ); Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan e.V. (DDQT), 2003 gegründet). „Taijiquan wird in langsamen fließenden und runden Bewegungen geübt. Die Konzentration auf den eigenen Körper beruhigt den Geist und führt zu einer Meditation in der Bewegung. Regelmäßiges Üben von Taijiquan trägt zu einem besseren Körpergefühl bei. Es vertieft den Atem, beugt Haltungsschäden vor, lindert Wirbelsäulen- und Gelenkprobleme, reduziert die Stressanfälligkeit, verbessert den Gleichgewichtssinn, erhöht die Konzentrationsfähigkeit und stärkt das Herz-Kreislauf-System“ (  http: / / ddqt.de/ taijiquan-qigong/ taijiquan/ ). Aus Indien stammt Yoga, eine mehrere Jahrtausend alte Übungslehre, die alle Kräfte von Körper, Geist und Seele vereint, wie es auch die Übersetzung aus dem Sanskrit deutlich macht. Yoga steht für „Verbindung“ oder „Einheit“ und ist mehr als körperliche Bewegung oder „nur“ eine Entspannungsmethode. „Yoga ist ein ganzheitlicher Übungsweg, der alle Dimensionen menschlichen Seins umfasst und verbindet. Die Ursprünge dieses Übungsweges fußen auf einer altindischen Weisheits- und Lebenslehre. Diese Lehre findet sich in indischen Schriften wie der Bhagavad-Gita, den Upanishaden und dem Yoga-Sutra und ist eine der sechs klassischen Schulen (darshana) der indischen Philosophie. Die älteste Form der Yoga-Praxis ist die Meditation. Die Körperübungen (āsana) entstanden erst im Laufe der Zeit“, so der Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V. (BDY) (  https: / / www.yoga.de/ yoga/ ). Im Bereich Gesundheit und Wellness wird häufig der Hatha-Yoga („kraftvoller Yoga“) praktiziert, der für die Menschen mit westlichem Lebensstil angepasst und weiterentwickelt wurde. Er umfasst Körperübungen (āsana), Atemübungen (prānāyāma), Reinigungsübungen (kriyā) und Meditationen. „Verschiedene Hatha-Yoga-Stile, die im Laufe der Jahre und Jahrzehnte entstanden sind, haben sich heute unter eigenen Namen und Bezeichnungen etabliert. Bei diesen verschiedenen Hatha-Yoga-Stilen können die Schwerpunkte in der Yoga-Praxis unterschiedlich sein. So werden z.B. in einigen Stilen eher statische Körperhaltungen (āsana) geübt, in anderen Stilen eher fließende Abläufe (vinyāsa). In einigen Stilen steht eine körperlich fordernde Yoga-Praxis im Vordergrund, andere Stile haben eine starke Ausrichtung auf den Atem oder die philosophisch-spirituelle Weiterentwicklung der Praktizierenden“ (a.a.O.). Die Entspannung fördernde und in akuten Stresssituationen regulierende Wirkung des Yoga wird auch von den Krankenkassen als „verhaltensbezogene primärpräventive Maßnahme zur Förderung von Stressbewältigungskompetenzen“ anerkannt (  https: / / www.yoga.de/ gesundheit-und-pravention/ pravention/ ). Als weitere Methode, die sich positiv auf die Entspannung, aber ebenso auf eine Reihe von Körperfunktionen wirkt, gilt die Atemtherapie - auch sie ist in ge- <?page no="151"?> 152 Wellnessangebote für die Seele sundheitstouristischen wie Wellnessangeboten zu finden. Besonders attraktiv und vielleicht auch effektiver, da mehr Sinne angesprochen werden, sind Übungen in der Natur, z.B. mitten im Hochgebirge und mit Blick auf den größten Gletscher der Alpen - so im Angebot von Bettmeralp Tourismus.  Praxis ǀ Sinneserlebnisse nicht leicht zu vermarkten „Viele sind nicht so affin auf das Ganze. Das ist esoterischer Plunder, sagen sie. Das ist die Schwierigkeit, dass wir nicht richtig verstanden werden. Die Sinneserlebnisse haben nichts mit Esoterik zu tun, sondern mit dem Wohlbefinden des Einzelnen. Sich wieder spüren, Energie tanken aus der Natur und sich für eine kleine Weile nur auf sich zu konzentrieren und mal innehalten für eine kurze Zeit - das ist ja auch der Hauptaspekt von Ferien. Wir haben dann unsere Marke neu definiert. Der Slogan ‚Das befreiendste Naturerlebnis der Alpen‘ lautet nun in kurz ‚Befreiend‘ bzw. ‚Feel free‘ und ist für die ganze Angebotsschiene kompatibel.“  Nadine Blatter, Marketing Aletsch Arena/ Wallis Für die Entspannung sorgen folgende Wirkungen der Atemtherapie (vgl. RUT- TE, STURM (2018), S. 26 f.):  Während der Übungen erhält das Gehirn weniger Signale und reagiert daraufhin auch mit einer Verminderung der Signale an die Organe. Die Spannung der Skelettmuskulatur nimmt ab.  Die Gefäße in der Peripherie werden erweitert, was ein leichtes Sinken der Herzfrequenz und dadurch eine Verringerung des arteriellen Blutdrucks zur Folge hat.  In der Entspannung wird das Atemzugvolumen kleiner, die Atemfrequenz nimmt ab. Der Atemrhythmus wird gleichmäßiger, die Pausen zwischen den Atemphasen werden länger. Die Atemform während einer Entspannungsübung unterscheidet sich aber nicht oder nicht wesentlich von der Atemform, die normalerweise bei körperlicher Ruhe zu finden ist.  Die Schweißdrüsensekretion gedämpft - ein weiteres Zeichen von Entspannung.  Untersuchungen mit dem EEG belegen einen „entspannten Wachzustand“. <?page no="152"?> Entspannungstechniken 153 Auf der psychischen Ebene konstatieren RULLE, STURM (a.a.0., S. 27): „Eine gelungene Entspannung vermittelt einen Eindruck von Erholung und geistiger Frische. Negative Gefühle wie z.B. Angst können abgebaut werden, angenehme Empfindungen verstärken sich. Durch die Verminderung der Wahrnehmungsschwelle für Außenreize steigt die Konzentrationsfähigkeit und das motorische Aktivitätsniveau sinkt. Die Folge kann innere Ruhe und Gelassenheit sein. Die Atemtherapie selbst kann entspannend wirken. Es können aber auch innerhalb der Atemtherapie Entspannungstechniken angewandt werden. Aus Japan stammt das Waldbaden, dort Shinrinyoku genannt, das ebenso im Kanton Wallis - wie praktisch in allen Waldgebieten - möglich ist. Ein ausgedehnter Arvenwald in der Destination Aletsch Arena bietet dafür ein hervorragendes Ambiente, denn die Arve oder Zirbelkiefer/ Zirbe (Pinus cembra,  http: / / www.gehoelze.ch/ Arve.pdf ) besitzt ein besonders intensiv wohlduftendes Holz. Die entscheidende Voraussetzung für Shinrinyoku sind die ätherischen Öle in den Gehölzen und deren Bestandteile in der Luft, die schon einen kurzfristigen Aufenthalt im Wald zu einer natürlichen Aromatherapie machen. 1982 „erfand“ die japanische Forstbehörde das Waldbaden, das mittlerweile populär geworden ist und in Japan als Teil eines guten Lebensstils gilt. Japan, dessen Landoberfläche zu 67 Prozent von Wald bedeckt ist, bietet damit für Shinrinyoku optimale Bedingungen; 2003 gaben 25,6 Prozent der Befragten in einer Umfrage an, schon einmal an einem Shinrinyoku-Trip teilgenommen zu haben. Inzwischen haben Studien auch die positiven Wirkungen des Waldbadens bei Entspannung, Stressbewältigung und dem Risiko stressbedingter Erkrankungen bestätigt; es gibt sogar Hinweise darauf, „that forest bathing trips may have a preventive effect on cancer generation and development“ (Qing Li (2010), S. 16).  Wissen ǀ Shinrinyoku - anschaulich Science of „forest bathing“: fewer maladies, more well-being? Bei korrekterer Übersetzung des Begriffes und auch bei dem zugrunde liegenden Phänomen müsste man eigentlich von „Waldduschen“ sprechen! (  https: / / www.youtube.com/ watch? v=9jPNll1Ccn0 ) In Deutschland wird das Waldbaden gerade in der Naturtherapie entdeckt und entsprechend erste Ausbildungen angeboten. Shinrinyoku lässt sich auch als ein Teil der Landschaftstherapie (→ Kap. 5.1) verstehen. <?page no="153"?> 154 Wellnessangebote für die Seele  Praxis ǀ Qualifizierung zum Entspannungscoach „Der Entspannungscoach  soll die Fähigkeit entwickeln, Stress bzw. Stresssymptome beim Gast zu erkennen, zu verstehen und den Gesundheitsgast kompetent zu beraten.  wird medizinisches, psychologisches, soziologisches Grundwissen bezüglich Stressentstehung, der Stressreaktionen und nachhaltige Strategien des Stressmanagements erwerben.  wird das, im späteren Kontakt mit den Gesundheitsgästen erforderliche Stressmanagement selbst erleben und verschiedene Entspannungsmethoden erfahren, einschätzen können und teilweise selbst anleiten können.  wird in die Lage versetzt, persönliche Coaching-Gespräche mit dem Gesundheitsgast zu führen - einfühlsam, authentisch, wertschätzend, auf Augenhöhe. Fokus soll das persönliche Gesundheitsmanagement des Gesundheitsgastes sein, so dass dieser selbst Ziele entwickelt und Lösungen findet.  wird die wertschätzende Haltung und Methoden der Themenzentrierten Interaktion (TZI) kennenlernen.  wird den Gesundheitsgästen die Angebote der Region zur Stressreduktion und Stressbewältigung (u.a. auch landschaftstherapeutische Angebote) erklären und - individuell auf den Gast zugeschnitten - empfehlen können.“ (GESUNDLAND VULKANEIFEL Schulungskonzept) 5.3 Lebensordnung Es ist keineswegs eine Forderung oder ein guter Rat, den Sebastian Kneipp erstmals formuliert und in sein Gesundheitskonzept aufgenommen hat. Seit der griechischen Antike mahnen Ärzte und Philosophen zu „diatia“, zu einer geregelten Lebensweise. <?page no="154"?> Lebensordnung 155  Wissen ǀ Aspekte der Medizin in der Antike - keinesfalls überholt „Die rational-wissenschaftliche Medizin der Antike, im Sinn einer auf Naturbeobachtung und vernunftsgemäßen Naturverständnis basierenden Medizin, unterscheidet drei mögliche Formen der Therapie: Zum einen die Applikation von Pharmaka, zum anderen das Handanlegen durch einen chirurgischen Eingriff und schließlich die Diätetik, deren Ziel die Erziehung des Menschen zu einer gesunden Lebensweise ist.“ (STEGER (2004), S. 147) Kneipp hat in seiner Gesundheitslehre beim Element „Lebensordnung“ vor allem das Maß - „Im Maße liegt die Ordnung, jedes Zuviel und jedes Zuwenig setzt an Stelle der Gesundheit Krankheit“ - bzw. die Balance im Blick: „Wird Gesundheit als die stets neu herzustellende Ausgewogenheit zwischen den gesund erhaltenden Kräften im Menschen auf der einen und den belastenden Anforderungen der Umgebung auf der anderen Seite verstanden, dann zielt Ordnungstherapie darauf ab, diese Balance zu erhalten oder wiederherzustellen. Dies geschieht durch jeden Einzelnen selbst, indem er, im Sinne Kneipps, eine gesunde Lebensweise anstrebt, zu der auch das Bemühen um seelische Ausgeglichenheit, Stresstoleranz und soziale Kompetenz gehört“ (  https: / / www.kneippbund.de/ gesundheitsidee/ lebensordnung/ ). Die seelische Gesundheit zu stärken, ist ein Grundanliegen und ein Problem unserer Zeit, in der die Zahl der Krankheitstage durch seelische Störungen, wie z.B. Depressionen und Burn-out schon auf einem hohen Niveau (aktuell rund 20 Tage in Deutschland, wie es die Gesundheitsreporte von gesetzlichen Krankenkassen belegen) liegen sowie einer ebenfalls steigenden Zahl von Frühverrentungen (  https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneipp-bund/ dokumente/ presse/ allgemein/ Positionspapier_-_Seelische_Gesundheit.pdf ) Diese Trends haben beachtliche wirtschaftliche Auswirkungen, auf die hier nicht weiter eingegangen werden kann, aber sie deuten an, welche Bedeutung der Bereich Lebensordnung - nicht nur in der Gesundheitslehre Kneipps - besitzt. Einen kleinen Beitrag dazu zu leisten und Anstöße zu Umsetzungen im Alltag können weniger intensiv als es in gesundheitstouristischen Angeboten möglich ist, auch Wellnessaufenthalte geben. Jeder, so KNEIPP, sei gefordert, eine gesunde Lebensweise anzustreben, zu der das „Bemühen um seelische Ausgeglichenheit, Stresstoleranz und soziale Kompetenz gehört“ (a.a.O.). Dabei umfasst die Ordnungstherapie als naturheilkundliches Heilverfahren „alle indirekten (pädagogischen) und direkten (naturheilkundlich-ärztlichen) Maßnahmen, die geeignet sind, jene Ausgewogenheit zwischen Ressourcen und Anforderungen - und damit Gesundheit - zu erhal- <?page no="155"?> 156 Wellnessangebote für die Seele ten oder wiederherzustellen. Hierzu nimmt sie ordnend Einfluss auf die biologischen, die psychosozialen und die spirituellen Regulationsvorgänge im Menschen. Das fünfte Element beinhaltet als Voraussetzung für psychische Gesundheit die Fähigkeit, sich selbst in der eigenen biologischen und seelischspirituellen Wesenheit zu sehen und zu akzeptieren und sich inmitten der Beziehungen zu den Mitmenschen und zur belebten und unbelebten Natur in Ausgewogenheit weiter zu entwickeln“ (a.a.O). In der heutigen Zeit umfasst die Lebensordnung nach KNEIPP zwei wesentliche Aspekte, zum einen die oben skizzierte Seelenhygiene, zum anderen die Chronohygiene. Letztere betrifft den Umgang des Einzelnen mit der Zeit, sein Zeitmanagement „mit Blick auf den angemessenen Wechsel von Anspannung und Entspannung, Aktion und Ruhe, Tag und Nacht. Autogenes Training, Atemtherapie, Muskelrelaxation oder Yoga können unterstützend und stabilisierend für den entspannenden Teil zum Einsatz kommen“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ lebensordnung/ ).  Praxis ǀ Leitgedanken für Gestresste  „Setzen Sie sich positive Leitbilder (z.B. körperliche und geistige Gesundheit, Zufriedenheit, ruhige und überlegte Reaktionsweise im Umgang mit Menschen).  Werden Sie souverän - gestalten Sie Ihr Leben so weit wie möglich nach Ihren eigenen Vorstellungen.  Halten Sie Maß in Ruhe und Arbeit - die richtige Dosis spielt eine entscheidende Rolle.“ (  https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ lebensordnung/ ) 5.4 Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen Die Schwierigkeit, Wellnessangebote und Anwendungen ausschließlich dem Körper, der Seele oder dem Geist zuzuordnen - insbesondere bei einem ganzheitlichen Ansatz, hat sich bei den voran gestellten Kapiteln bereits gezeigt. Was gut für den Körper ist, wirkt sich nicht minder positiv für die Seele aus und könnte auch den Geist inspirieren. So würde man einen Wellnessaufenthalt in einem Kloster (→ Kap. 6.2), der explizit als solcher bezeichnet wird, durch den Ort trotzdem vermutlich eher zu spirituellen Angeboten zählen, aber es kann <?page no="156"?> Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen 157 durchaus auch einen Schwerpunkt im Wohlbefinden für Körper und Seele haben. Als ein Beispiel seien die Aktivitäten des Klosters Arenberg in Koblenz vorgestellt. Das „Wellnesskloster“, so wie es sich selbst auf der Website (  http: / / www.klosterarenberg.de/ das-wellness-kloster.html ) bezeichnet, hat dabei eine eigene Aufgabe gefunden: „Die Arenberger Dominikanerinnen bieten Wellness-Angebote als Grundlage für spirituelle Einsichten. In ihrem Gästehaus verbinden sie Spiritualität, Wellness und Naturverbundenheit zu einem ganzheitlichen Heilungsangebot“ (a.a.O.). „Als Kloster eröffnen wir Ihnen Erfahrungen der Ruhe und Stille, des zweckfreien Daseins und der Einfachheit - Gegenpole zu unserer rastlosen und leistungsorientierten Zeit. Das Leben kann sich dadurch neu ordnen und vertiefen. Die spirituellen Impulse am Morgen und Abend, die Meditationsangebote, das stille Verweilen im Garten oder die Möglichkeit, gemeinsam mit andern schweigend eine Mahlzeit einzunehmen, laden dazu ein, Gott, sich selbst und den Nächsten wieder aufmerksamer wahrzunehmen“ (a.a.O). Ihren Gästen bieten die Arenberger Dominikanerinnen nicht nur Seelsorge, sondern auch Leibsorge. „Ausgehend von unserem ganzheitlichen, christlichen Verständnis des Menschen bieten wir Ihnen vielfältige Gelegenheiten, sich auch im Leib zu spüren und berühren zu lassen“ (  http: / / www.kloster-arenberg.de/ leibsorge.html ). Dafür besitzt das Kloster ein „Vitalzentrum“, in dem den Gästen ein „umfangreiches Fitness- und Wellnessangebot, welches moderne Wohlfühlangebote, professionelle Physiotherapie und klassische Kneippanwendungen miteinander verbindet“, gemacht werden kann. Dazu gehören mit den Rohstoffen aus dem klostereigenen Kräutergarten Wärmenanwendungen durch Kräuterstempel und Heusack oder als Ingredienzien für Bäder. „Verabschieden Sie sich von Ihrem Alltagsstress und fühlen Sie sich wie am Meer in unserem Brandungs-Wannenbad“ - und das in den Bergen des Westerwalds! Es handelt sich dabei um ein Sprudelmassagebad. Aromaölmassagen sowie Shiatsu-Behandlungen werden angeboten. Natürlich fehlt eine finnische Sauna im klösterlichen Vitalzentrum nicht. Für mehr Bewegung im Wasser bietet man ein eigenes Schwimmbad mit Aquafitnessübungen, einen Fitnessraum für Gymnastikstunden und für Bewegung draußen stehen Klosterpark und die Natur des Westerwalds zur Verfügung. Bei gesundheitlichen Problemen kann ein Arzt konsultiert werden, der eine Praxis auf dem Klostergelände führt. Die umfangreichen Wellnessangebote des Klosters werden in Pauschalen vermarktet (  http: / / www.kloster-arenberg.de/ PROSPEKTE-2018/ Flyer%20Winter_2018.pdf ). Diese beinhalten selbstverständlich auch die klassischen spirituellen Angebote eines Klosters (→ Kap. 6.2). Wenn bereits Klöster dem modernen Streben und Jagen in unserer Leistungsgesellschaft etwas entgegensetzen, Inseln der Ruhe und Besinnung für jedermann <?page no="157"?> 158 Wellnessangebote für die Seele schaffen, kann man nur erwarten, dass die Tourismusbranche dies auch schon als ein Betätigungsfeld entdeckt hat. Angebote, kurzzeitig aus dem Hamsterrad, aus Zwängen, Verpflichtungen und selbst gesteckten Zielen, herauszukommen, finden ihre Interessenten und dieser Trend findet seinen Platz im Slow Tourism. Langsame Formen des Reisens haben schon verkehrsbedingt eine lange Tradition von der Pilgerreise über die Grand Tour bis hin zu Reisen weitgehend auf der Grundlage der eigenen Muskelkraft, auch bis hin zum Rucksacktouristen. Die zeitgenössische Variante des Slow Tourism entwickelte sich parallel zur Entdeckung der Langsamkeit, auch als Protest bei der Ernährung - Slow Food als Gegensatz zu Fast Food. Aber auch der Widerstand gegen Massentourismus, gegen Konsumdenken und Handeln ohne Berücksichtigung der Nachhaltigkeit drücken sich in diesem Trend aus. „However, it can be understood as an alternative, responsible form of tourism practice that rejects modernist preoccupations with speed and consumerist ideologies. It seeks alternative modes of travel that consciously embrace principles of ecological and social sustainability, including low carbon travel“ (MARKWELL, WILSON (2016), S. 860). Im Zusammenhang mit dem Slow Tourism erlebt das fremd gewordene Wort Muße eine Renaissance. Susanne Leder gibt in ihren Ausführungen zu „Muße und Selbstfindung im Urlaub“ (2013) einen kleinen Abriss über den Bedeutungswandel des Begriffes in seiner mehr als zweitausendjährigen Geschichte.  Wissen ǀ Muße „Muße = das tätige Nichtstun; spezifische Form der schöpferischen Verwendung von Freizeit, unabhängig, d.h. in Freiheit von Zwängen durch fremdbestimmte, selbstentfremdete Arbeit durch die Forderungen und Bedürfnisse der Gesellschaft, aber auch von den ebenso selbstentfremdeten Konsumzwängen der Freizeitindustrie, als Möglichkeit und zugleich Grundbedingung der Selbstfindung, der (kreativen) Selbstverwirklichung, des Selbstseins wie auch der Partizipation und Verwirklichung von Kultur, auch Kunst, ja der Freiheit selbst.“ (Meyers Enzyklopädisches Lexikon (1976), Bd. 16, S. 660, zit. In: LEDER (2013), S. 25) In der Antike war die Muße, ein Privileg und Statusmerkmal freier und wohlhabender Bürger, die sich diesen Luxus der Selbstverwirklichung leisten konnten. Auch in den folgenden Jahrhunderten blieb die Muße den oberen Schichten, dem Adel vorbehalten, sich den Schönen Künsten und einer nicht monetären Beschäftigung zu widmen, war weitgehend ihnen vorbehalten. Mit der In- <?page no="158"?> Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen 159 dustrialisierung änderte sich dies, denn hier sollte sich der Leistungsgedanke (in nachmessbaren, zählbaren Dingen) entwickeln. „Prestige wurde seither durch (viel) Arbeit und den daraus erwirtschafteten Ertrag erzielt - müßiges Nichtstun hingegen erlangte negatives Ansehen. Diese Einstellung trifft bis heute noch weitgehend zu, wobei sich die negativen Auswirkungen der nichtmüßigen Leistungsgesellschaft zeigen. Als Gegenreaktion wird aber inzwischen der Ruf nach mehr Zeit und innerer Ruhe lauter“ (LEDER (2013), S. 25). LEDER (a.a.O., S. 26) ordnet der Mußeorientierung in unserer heutigen Gesellschaft drei Trends zu: [1] „Rückbesinnung auf die Natur (als Gegenpol zur Technisierung) [2] Wiederentdeckung der Heimat (als Gegenpol zur Globalisierung) [3] Besinnung auf Rustikalität und Ursprünglichkeit (als Gegenpol zum Massenkonsum).“ Angebote zur Muße sind im Tourismus - und nicht nur im Wellnesswie Gesundheitstourismus - schon längst zu finden. Kraft aus der Natur schöpfen, Energie tanken, dazu bietet sich für den entsprechend sensibilisierten Menschen der Kraftort, Kraftpunkt oder magische Punkt in der Landschaft an. Dass dafür eine imposante Hochgebirgslandschaft schon von Natur aus und aus sachlichen geologisch/ geographischen Fakten prädestiniert ist, lässt sich nachvollziehen. So leistet beispielsweise die Aletsch Arena mit ihren Kraftorten auf Gipfeln einen esoterischen Beitrag zum Wellnesstourismus. „Eigentlich verwundert es nicht, dass die einzigartige Naturlandschaft der Aletsch Arena auch ein ganz besonderer Kraftort ist. Wo die Natur derart Ausserordentliches geschaffen hat, muss ihre Kraft auch in besonderem Masse spürbar sein. Bestätigt wurde dies durch den Naturenergetiker Philippe Elsener. Er hat den Kraftort Aletsch Arena untersucht und jene Kraftpunkte gefunden, an denen die positive Energie der Erdstrahlen besonders ausgeprägt ist. Als aufbauend und festigend, anregend und erholsam beschreibt er die Wirkung der Kraftpunkte auf den Aussichtsbergen Moosfluh, Bettmerhorn oder Eggishorn“ (  https: / / www.aletscharena.ch/ naturphaenomen/ sinneserlebnisse/ kraftpunkte/ ). Infotafeln (Texte auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch) wurden an den Kraftorten aufgestellt, die einfache Meditationsübungen anleiten. „Spüren Sie die Erde? Stellen Sie sich vor, Sie schlagen Wurzeln. Sie lassen das Gefühl in Ihren Körper fließen“; „Nehmen Sie nun den Himmel über Ihnen wahr. Strecken Sie sich gedanklich in die Höhe. Auch von oben fließt Energie.“ Als Fazit dieser Übungen: „Sie nehmen alles um sie herum stärker wahr. Das Sehen, Hören, Riechen, Spüren wird intensiver“. Zu diesen Erkenntnissen kommen jedoch die wenigsten Touristen an dieser Stelle. Leider liegen die Kraftorte genau an dem Pfad, der zum nahen Gipfel führt und demzufolge intensiv began- <?page no="159"?> 160 Wellnessangebote für die Seele gen wird, so dass es an der Ruhe und wohl auch an dem Mut fehlen dürfte, sich an diesem „touristischen Wildwechsel“ persönlichen Naturerfahrungen hinzugeben. <?page no="160"?> Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen 161 Abb. 19: Kraftorte, Eggishorn, Aletsch Arena (links/ rechts) <?page no="161"?> 162 Wellnessangebote für die Seele Schon auf dem Weg in die Höhe des Eggishorns (2.869 m NN) wird der Besucher spätestens in der Gipfelstation der Seilbahn darauf eingestimmt, sich die magischen Kräfte des „View Point“ oder auch nur sein exponierter Standort in der Höhe, über den Dingen des Alltags zu Nutze zu machen. In einem Korb warten kleine Steine, so genannte Glückssteine auf ihn. Der Gast wird ermuntert, sich einen zu nehmen und diesen mit seinen Wünschen, Sorgen, Ängsten oder positiven Gedanken zu beschriften. Auf dem Gipfel kann er ihn entweder in einen ausgehöhlten Baumstamm, der gerne auch als Abfallbehälter missverstanden wird, legen oder sich einen vielleicht herausragenderen Platz suchen, an dem der Wind die ausgeschriebenen Gedanken besser erreichen und in die Ferne tragen kann, oder man mit dem Gefühl wieder hinabsteigt, seine Sorgen oben auf dem Berg abgeladen zu haben. „Sorgen und Ängste symbolisch am Gipfel zurücklassen oder Dankbarkeit und Glück in dieser faszinierenden Landschaft noch einmal ganz bewusst erleben - hat man seinen Glücksstein erst deponiert, kehrt man sicherlich unbeschwerter und befreiter nach Hause zurück“ (  https: / / www.aletscharena.ch/ naturphaenomen/ sinneserlebnisse-sommer/ glueckssteine/ ). Eine Aktion, die Gutes für die Seele bedeuten kann sowie psychologisch wertvoll ist - ohne Nebenwirkung oder die Notwendigkeit einer fachkundigen Betreuung! In der eindrucksvollen Hochgebirgskulisse oberhalb des Weltnaturerbes Alteschgletscher werden Yoga unter freiem Himmel, Atemtherapie und Schnupperkurse im Jodeln angeboten. Für das Waldbaden (→ Kap. 5.2) empfiehlt man den „mystischen“ Aletschwald (  https: / / www.aletscharena.ch/ leben/ gruppenangebote/ inaktiv_sinneserlebnisset/ inaktiv_freiheit-spueren/ ).  Zusammenfassung ǀ Kapitel 5  Emotionale Beziehungen zur Natur und sinnliche Erfahrungen darinnen sind für die körperliche wie seelische Gesundheit wichtig.  Die Forschungen zu therapeutischen Landschaften haben ergeben, das „echte“ Landschaften positive Wirkungen auf den Menschen auslösen. Nicht nur der Aufenthalt draußen, auch schon die Blicke in die Natur können positive Effekte haben. Künstliche Landschaften, wie z.B. Palmen im Wellnessbereich, taugen nur als Staubfänger.  Die Bewegung in der Landschaft lässt sich auch als „Geh-Meditation“ nutzen und ist gut für Körper, Seele und den Geist.  Zum besseren Nutzen der positiven Impulse aus dem Landschaftserlebnis gibt es ausgebildete Landschaftsmentoren und Entspannungscoachs. <?page no="162"?> Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen 163  Entspannungstechniken dienen dazu, den Körper bewusst wahrzunehmen, und haben das Ziel, Spannungszustände zu lösen.  Qigong, Tai-Chi und Yoga sind fernöstliche Wege, Entspannung und mehr positive Effekte für den Körper zu finden.  Atemtherapie und als relativ neue Form das Waldbaden (Shinrinyoku) bieten ebenso Entspannung auf der physiologischen wie psychischen Ebene.  Anregungen zur Lebensordnung gibt Sebastian Kneipp in den fünf Elementen seiner Gesundheitslehre. Dabei gilt es vor allem, die innere Balance zu finden und die seelische Gesundheit zu stärken, um den Anforderungen des Alltags unbeschadet begegnen zu können. Zweiter wichtiger Aspekt ist die Chronohygiene, ein Zeitmanagement, das Anforderungen und individuelle Bedürfnisse in die Waage bringt.  Mut zur Muße! Der neue Trend Slow Tourism bietet dafür ein Betätigungsfeld für Anbieter wie Nachfrager.  Kraftorte in der Hochgebirgslandschaft können ein esoterischer Beitrag zum Wellnesstourismus sein.  Literatur ǀ Kapitel 5 ANTZ, C.; EISENSTEIN, B.; EILZER, C. (Hrsg.) (2011): Slow Tourism. Reisen zwischen Langsamkeit und Sinnlichkeit. Martin Meidenbauer. München. BERG, W. (2008): Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus. Oldenbourg, München. GEBHARD, U.; KISTEMANN, T. (Hrsg.) (2016): Landschaft, Identität und Gesundheit. Springer VS, Wiesbaden. GESLER, W. M. (1992). Therapeutic landscapes: Medical issues in light of new cultural geography. Social Science and Medicine 34(7), 735-746. JOHANN-WOLFF-VORBECK, U. (2000): Autogenes Training. In: RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. S. 232-235. Urban & Fischer, München. <?page no="163"?> 164 Wellnessangebote für die Seele LEDER, S. (2013): Muße und Selbstfindung im Urlaub. In: QUACK, H.- D.; KLEMM, K. (Hrsg.): Kulturtourismus zu Beginn des 21. Jh. S. 19-31. Oldenbourg, München. MARKWELL, K.; WILSON, E. (2016): Slow Tourism. In: JAFARI, J.; XIAO, H. (Ed.): Encyclopedia of tourism. p. 860f. Springer International Publishing Switzerland. QING, Li (2010): Effect of forest bathing trips on human immune function. In: Envir Health Priv Med 15. S. 9-17. RICHTER, I. (Hrsg.) (2000): Naturkundliche Therapieverfahren. Einführung in die wichtigsten Behandlungsformen. 2. Aufl. Urban & Fischer, München. RUTTE, R.; STURM, S. (2018): Atemtherapie. Springer, Heidelberg. STEGER, F. (2004): Antike Diätetik - Lebensweise und Medizin. In: NTM International Journal of History & Ethics of Natural Sciences, Technology & Medicine, Vol. 12, 3. S. 146-160. VÖLKER, S. (2016): Natur, Landschaft und mentale Gesundheit. In: GEBHARD, U.; KISTEMANN, T. (Hrsg.) (2016): Landschaft, Identität und Gesundheit. S. 93-108. Springer VS, Wiesbaden. VOIGT, C.; BROWN, G.; HOWAT, G. (2011): Wellness tourists: in search of transformation. In: Tourism Review Vol. 66 (1/ 2). S. 16-30. <?page no="164"?> Andere Wege, zu sich selbst zu finden und kurzzeitig auszusteigen 165  Websites GesundLand Vulkaneifel: http: / / www.gesundland-vulkaneifel.de/ gesundland/ therapeutischelandschaft/ landschaftstherapeutischer-park-roemerkessel.html http: / / www.gesundland-vulkaneifel.de/ gesundland/ therapeutischelandschaft/ achtsamkeitspfad-kleine-kyll.html WellnessWald, Waldachtal, Schwarzwald: http: / / www.waldachtal.de/ urlaub/ wellnesswald/ Waldbaden: http: / / www.waldbaden.org/ definition-waldbaden/ index.html Barfußpfad, Bad Sobernheim: http: / / www.barfusspfad-bad-sobernheim.de/ Kneipp: https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneippbund/ dokumente/ presse/ allgemein/ Positionspapier_-_Seelische_Gesundheit.pdf https: / / www.kneippbund.de/ gesundheitsidee/ bewegung/ https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ bewegung/ https: / / www.kneippvisite.de/ 5-elemente-nach-kneipp/ lebensordnung/ Deutscher Dachverband für Qigong und Taijiquan e.V. (DDQT): http: / / ddqt.de/ Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland e.V (BDY): https: / / www.yoga.de/ Kloser Arenberg: http: / / www.kloster-arenberg.de/ das-wellness-kloster.html Aletsch Arena als Kraftort: https: / / www.youtube.com/ watch? v=IWtD876_3Y0 <?page no="166"?> 6 Wellnessangebote für den Geist Wie schon einleitend im Kapitel Wellness für die Seele gesagt, lässt sich keine eindeutige Trennungslinie zwischen Wohltuendem für die Seele und den Geist - wie für den Körper - ziehen. Doch Schwerpunkte für ihren Ansatz, ihr vorrangiges Ziel können durchaus herausgestellt werden. Die Zusammenhänge sahen bereits die alten Römer mit ihrer Redewendung „Mens sana in corpore sano“ (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper), die in ihrer Badekultur (→ Kap. 2.2.2) schließlich schon vieles des modernen Wellnessbetriebs vorweg nahmen.  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Welche Wellnessangebote können eine positive Reaktion auf Defizite aus dem modernen Alltag sein und wichtige Impulse bzw. Anregungen für den Geist zu einer Verbesserung des persönlichen Wohlbefindens geben?  Bieten christliche Klöster als Orte der Stille und des Rückzugs auch dem Wellnesssuchenden neben ihren klassischen charakteristischen Merkmalen etwas Spezifisches für den nichtreligiösen Menschen?  Spiritualität - auch ein Wellnessmotiv? 6.1 Anforderungen und Defizite aus dem modernen Alltag Schlagworte wie Stress, Zeitnot, ständige Erreichbarkeit durch die modernen Kommunikationsmittel und nicht mehr abschalten können, ein hoher Erwartungsdruck von außen, eine entsprechende Erwartungshaltung des Individuums, die Suche nach einer Work-Life-Balance, dann die Wünsche nach mehr Selbstbestimmung in seinem Alltag, mehr Achtsamkeit, „Digital Detox“, gesünderem Lebensstil mit mehr Bewegung, ausgewogener Ernährung als Gegensatz zur Fast Food - die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. <?page no="167"?> 168 Wellnessangebote für den Geist Wellness als Prävention und eine Form „urlaubskompatibler“ Gesundheitserziehung kann bei einer Reihe dieser Phänomene Impulse geben, die in erster Linie den Geist ansprechen - nachfolgende positive Wirkungen auf Seele und Körper sind dabei durchaus erwünscht.  Wissen ǀ Erwartung an einen Wellnessurlaub „Das Bewusstsein für die eigene Gesundheit zieht sich als roter Faden durch den ganzen Wellnessurlaub. Wellness wird als Gesundheit, die Spaß macht, verstanden.“  Michael Altewischer, Geschäftsführer der Wellness-Hotels & Resorts, Medieninformation 05 (2017) Den persönlichen Lebensrhythmus mit seinem Alltag in Einklang zu bringen, ist Wunsch vieler und dies schlägt sich auch auf die Erwartungen an einen Wellnessurlaub als kleinen Test oder Schnupperkurs nieder, wie es eine Onlinebefragung Winter 2017 von 3.535 Gästen von beauty24, Wellness-Hotels & Resorts und Trusted Shops zu Tage förderte. 17,7 Prozent der Befragten gaben dabei an, dass ihr Alltag und ihr Lebensrhythmus nicht zueinander passen würden und wiederum 96 Prozent aus dieser Gruppe bezeichneten diese Situation für sie als belastend. „Auszeiten vom Stress und der Hektik des Alltags sowie verschiedene Tipps zum Thema „Innere Uhr“ helfen, die Lebensrhythmen und den Alltag aufeinander abzustimmen. Das Interesse daran wächst von Gästeseite. 72,3 Prozent der Wellnesshoteliers bieten allerdings aktuell gar keine Angebote rund um dieses Thema an. Besonders im Wellnessurlaub möchten viele Gäste die Chance nutzen und ihren Tagesablauf individuell gestalten“ (beauty24, Wellness-Hotels & Resorts: Medieninformation 2017, 05 Wellness-Trends). Die damit verbundenen Aspekte spiegeln sich auch in anderen Begriffen wider - in der altmodisch klingenden Variante der Lebensordnung und im modernen Anglizismus als Work-Life-Balance. Grundlegende Gedanken zu einer Ordnung des eigenen Lebens entwickelte bereits Pfarrer Sebastian Kneipp (→ Kap. 4.1.1). Im zeitgemäßen Konzept dieser Gesundheitslehre heute vertreten durch den Kneipp-Bund stellt eines der grundlegenden fünf Elemente die Lebensordnung (→ Kap 5.3) dar. BERG (2008, S. 23) konstatiert Gleiches für das Bedürfnis nach Work-Life-Balance: „[D]ie moderne Arbeitswelt bringt Konflikte zwischen den privaten-häuslichen und beruflichen Bereichen mit sich. Wellness-Angebote werden im Kern immer häufiger Angebote enthalten, die die Balance zwischen dem Privatleben und dem Beruf wiederherstellen.“ Für diesen Konfliktbereich nicht ganz unerheblich ist die von vielen als störend bis belästi- <?page no="168"?> Anforderungen und Defizite aus dem modernen Alltag 169 gend empfundene ständige Erreichbarkeit durch die modernen Kommunikationsmittel - die aber alle eine Taste zum Ausstellen besitzen! Digital Detox wäre ein guter Rat, der sich bereits in ersten Reiseempfehlungen und im Destinationsmarketing niedergeschlagen hat. So empfiehlt Schweiz Tourismus in einer Pressemitteilung im September 2017 schon Orte für „Digital Detox“ - digitale Enthaltsamkeit, an denen Entschleunigung, Eintauchen in andere Welten als die Alltagswelt des Großstädters mit viel Natur (Landschaftstherapie kann hier zum Zuge kommen, → Kap. 5.1) und manches Mal sogar ohne Handy - in der Schweiz: Natel-Empfang (  http: / / corner.stnet.ch/ media-de/ #/ pressreleases/ rueckzugsorte-fuer-digital-detox-in-der-schweiz-2127365 ) - möglich ist.  Praxis ǀ Dr. Menschel „Gehen Sie mal ohne Handy aus dem Zimmer! “ „Wichtig ist das Motto ‚Genussvoll gesund leben‘, d.h. vor allem Bewegung in den Alltag integrieren und Achtsamkeit sich selber gegenüber entwickeln und pflegen.“  Interview mit Dr. med. Matthias Menschel, Menschels Vitalresort Als Ausgleich und gegen Defizite aus dem Alltag kann ein Bedürfnis nach Empowerment und Selbstkompetenz entstehen. Für dessen Befriedigung könnten spezielle Dienstleistungen auch im Wellness-Sektor dienen: „Unmaterielle Dienstleistungen (z.B. Lehrgänge, Seminare und Ratgeber werden den traditionellen Wellness-Begriff erweitern. In einer lebenslangen Lernkultur wird die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und sich zu verändern zu einer Kernkompetenz und damit auch zu einem neuen Fokus des Wohlfühlens selbst. Stil- und Typ-Berater, Life-Coach bis hin zum Mentaltrainer, um nur einige Dienstleister zu nennen, werden dieses Bedürfnis versuchen zu befriedigen“ (BERG (2008), S. 25). Stress ist ein vielschichtiges Problem unserer Zeit; wer keinen Stress hat, macht sich fast schon verdächtig! „Für die Gesundheit ist Stress der gravierendste Risikofaktor des 21. Jahrhunderts“, sagt MICHALSEN (2017, S. 190). „Wichtigste Stressfaktoren sind der Job (46 Prozent), hohe Eigenansprüche (43 Prozent), Termindichte in der Freizeit (33 Prozent), Straßenverkehr (30 Prozent) sowie die ständige digitale Erreichbarkeit (28 Prozent)“ (a.a.O.). „Im Wesentlichen entscheiden vier Begleitumstände darüber, ob Stress eine gesunde Herausforderung ist, ein Training für den Körper oder ein Krankmacher. Diese vier Faktoren sind: <?page no="169"?> 170 Wellnessangebote für den Geist [1] die Dauer, [2] die Dosis, [3] die Frage, wie weit wir selbst die Kontrolle behalten können, [4] ob wir uns nach unserem Verständnis den Stress aus sinnvollen Gründen aufladen oder nicht.“ Inzwischen gehören auch Freizeit und Urlaub für manchen zu einer stressigen Zeit, weil man sich zu viel vornimmt oder meint, vornehmen zu müssen, und die Taktung des beruflichen Alltags schon einmal übernimmt.  Wissen ǀ Stress-Symptome „Körper: kalte Hände, Rücken-, Kopfschmerzen, verspannte Schultern, Verdauungsstörungen, Schlafstörungen, Tinnitus, Verdauungsprobleme, Unruhe, Müdigkeit, Augenbrennen Verhalten: Übermäßiger Genuss von Alkohol, Zigaretten, Kaffee; unkontrolliertes Essen (Heißhunger), Zähneknirschen, Unfähigkeit, Arbeiten zu beenden Gefühl: Angst, Leere, Zweifel, Gereiztheit, Wut, Feindseligkeit, grundloses Unglücklichsein, Überheblichkeit Geist: Vergesslichkeit, Konzentrationsstörung, nachlassende Kreativität, Humorverlust, Entscheidungsschwierigkeiten“ (MICHALSEN (2017), S. 193) Wenn auch im vorangegangenen Abschnitt der Blick auf den negativen Stress, den Distress, gelenkt wurde, darf nicht unterschlagen werden, dass es auch einen positiven, den Eustress gibt, der wiederum durch ungewohnte, aber als angenehm bewertete Sinneseindrücke, körperliche oder sportliche Herausforderungen oder anregende Begegnungen hervorgerufen werden kann (vgl. KIEFL/ BACHLEITNER (2005), S. 56). Ein anderes Problemfeld unserer modernen Zivilisation, das auch von Gesundheitswie Wellnesstourismus beackert werden muss, ist der weit verbreitete Bewegungsmangel. Unsere Umwelt ist bewegungsfeindlich geworden und viele haben sich gerne damit arrangiert. Wer steigt noch Treppen, wenn es einen Lift gibt, und sitzt dann seinen Acht-Stunden-Tag lang meistens vor dem PC und setzt sich dann wieder in sein Auto für den Heimweg, der vielleicht auch noch durch Staus verlängert wird? Zu den Effekten regelmäßiger Bewegung zählt CASSENS (vgl. 2013, S. 75) neben der Stärkung physischer Ressourcen <?page no="170"?> Anforderungen und Defizite aus dem modernen Alltag 171 (Kraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Koordination und ggf. Schnelligkeit) sowie positiver Auswirkungen aus medizinischer Sicht auch die Stärkung des psychosomatischen Wohlbefindens (subjektive Lebensqualität) und eine Bindung an selbstwirksames, resilientes Verhalten. Unter Resilienz versteht CASSENS (nach FRÖHLICH-GILDHOFF und RÖNNAU-BÖSE (2011)) die „Fähigkeit eines Individuums, erfolgreich mit belastenden und negativen Stressfolgen umgehen zu können“. Ein Begriffs-Trio, das ebenso einen Stellenwert in der Wellness für den Geist beanspruchen darf, sind die fast schon altmodischen Wörter Muße, Langsamkeit und Achtsamkeit, die im Zusammenhang mit Wellness und Naturheilkunde eine Renaissance erleben. Unter Muße bzw. Mußezeit versteht man in der Tourismussoziologie nach KIEFL/ BACHLEITNER (2005, S. 109) eine frei verfügbare Zeit, die „vor allem durch Erholung, Entspannung, Bequemlichkeit, Passivität und Untätigkeit gekennzeichnet ist. Mussezeit ist ein wertender Begriff (positiv im Sinne von Kontemplation, negativ im Sinne von Trägheit, Faulheit). Es handelt sich jedenfalls um einen Zeitraum, in dem Handlungen oder Nicht- Handlungen frei wählbar sind, so dass ein Gefühl des Freiseins von Verpflichtungen entsteht.“ Damit wird deutlich, dass die Pflege der Muße, der Müßiggang keine physische Fortbewegungsart ist - der Geist kann sich währenddessen aber durchaus bewegen und sich weiter entwickeln. Auf den Aspekt Muße wird weiter im Zusammenhang von Aufenthalten im Kloster eingegangen (→ Kap. 6.). Entschleunigung mit dem Ziel, zu einer Langsamkeit zu gelangen, die mehr dem Wohl des Menschen zuträglich ist, lässt sich auch als ein weiterer Aspekt der Wellness betrachten. Die Anforderungen der Leistungsgesellschaft kritisch zu prüfen und ein eigenes Tempo in die Bewältigung des Alltags zu bringen, dies verlangt nach intellektueller Auseinandersetzung. Impulse dazu können sich in Wellnessangeboten wiederfinden, die das Thema Entschleunigung umfassender, d.h. auch mit Vorträgen von Fachleuten, ähnlich den Zielen Empowerment und Selbstkompetenz präsentieren und praktizieren. In einer gesünderen Bewältigung des Alltags rückt ebenso die Achtsamkeit (mindfulness) zunehmend in den Fokus. Achtsamkeit als „das Rezept zur Stressreduktion“, so MICHALSEN (2017, S. 215), beschäftigt sich mit der Wahrnehmung des eigenen Körpers: „Dabei konzentriert man sich nicht auf etwas, man wiederholt auch keine Worte, sondern man nimmt wahr, eingeübt in der Stille: Was passiert gerade im Körper, in den Gedanken und in den Gefühlen - ohne es zu bewerten.“ <?page no="171"?> 172 Wellnessangebote für den Geist  Wissen ǀ Stressreduktion durch Achtsamkeit/ MBSR (engl.: Mindfulness based stress reduction) „Dieses effektive Anti-Stress-Programm wurde in den 1970er Jahren von Dr. Jon Kabat-Zinn an der Universitätsklinik in Worcester, Ma (USA) entwickelt. Es ist ein Trainingsprogramm für unseren Geist und beinhaltet meditative Übungen in Ruhe und Bewegung. Damit wird eine größere innere Ruhe erreicht und gleichzeitig die Wahrnehmung von Gedanken, Gefühlen und Körperempfindungen vertieft. Wissenschaftlich fundierte Ansätze aus Psychologie und Stressforschung ergänzen das Programm.“ „MBSR ist geeignet für alle Menschen die nach effektiven Möglichkeiten der Stressbewältigung in ihrem täglichen Leben suchen,  die körperlich erkrankt sind und/ oder unter psychischen und/ oder psychosomatischen Beschwerden leiden,  die einen aktiven Beitrag zum Erhalt ihrer inneren Ausgeglichenheit und Gesundheit leisten möchten.“ (  https: / / www.mbsr-verband.de/ mbsr-mbct/ mbsr.html) 6.2 Klosteraufenthalte Sich zu einer persönlichen Aus-Zeit in ein Kloster zurückzuziehen, ist kein Reiseverhalten, das erst der Wellnessboom ausgelöst hat, aber er hat es sicherlich beflügelt. Es gibt inzwischen auch einige Klöster, die sich nicht nur der geistigen Wellness als Variante einer ihrer traditionellen Aufgaben verschrieben haben, sondern auch mit Wellnessanwendungen für den Körper an das Publikum herantreten wie beispielsweise die Dominikanerinnen vom Kloster Arenberg (→ Kap. 5.4). Auch das Heilfasten, das häufig zu den Angeboten gehört, besitzt in einem Kloster einen authentischen Ort, schließlich ist der vorübergehende Verzicht auf bestimmte Nahrungsmittel Teil der christlichen Lehre und Tradition. Da für ein Heilfasten keinerlei Infrastruktur notwendig ist, eignet es sich besonders gut für den Einstieg einer Ordensgemeinschaft in den gesundheits- und wellnessorientierten Tourismus. Mit meditativen Entspannungstechniken oder auch Fastenwandern lässt sich das Heilfasten unterstützen. Gastfreundschaft zu praktizieren, ist eine andere aus der Tradition stammende Aufgabe von Klöstern. Besaßen viele Klöster einst ein eigenes Gästehaus für die Fremden, Reisenden, Pilger, so verfügen fast alle Ordensgemeinschaften heute in ihren Immobilien wegen des Nachwuchsmangels über viele leer stehende <?page no="172"?> Klosteraufenthalte 173 Räume. Da bleibt auch ein Kloster nicht von dem ökonomischen Zwang befreit, mindestens die Kosten für den Unterhalt seiner Bausubstanz zu erwirtschaften.  Wissen ǀ Vorsicht vor gängigen Klischees! „Klosterleben ist mehr als nur Stille, Schweigen und Gebet, aber auch etwas anderes als eine Gruppe von ständig fröhlich und coolen Alternativen. Auf solche Eigenschaften sollte man sich als Ordensgemeinschaft nicht festlegen lassen, zumindest wenn man spirituell und pastoral mehr anzubieten hat. Was am Ende gefragt ist, ist schlichtweg Authentizität. Schwestern und Brüder in Klöstern sind nicht nur fromm und vergeistigt, sondern haben zumeist schon eine belastbare Expertise auf religiösem, sozialpsychologischem und theologischem Gebiet, die sie nicht unter den Scheffel stellen müssen.“ (EGGENSBERGER, T. (2015), S. 21, Dominikaner und Professor für Sozialethik an der Theologisch-Philosophischen Hochschule Münster) Mit welchen Erwartungen kommen die Gäste in ein funktionierendes Kloster? Die vorübergehende Flucht aus ihrem Alltag hat drei Hauptmotive (vgl. LE- DER (2011), S. 131), wie sie in einer Befragung ermittelte:  47 Prozent der Befragten suchen Ruhe/ Stille  22 Prozent der Befragten suchen Religion/ Spiritualität  22 Prozent der Befragten suchen Rückzug aus dem Alltag Eine Sinnsuche, das Bedürfnis nach Entschleunigung, Selbstfindung, innerer Einkehr und Kontemplation, Fasten - auch im übertragenen Sinne, wie beispielsweise beim Medienkonsum - zählen zu den weiteren Motiven. LEDER (a.a.O.) nennt folgende Mußeaspekte für den Klosterurlaub: „Besinnung auf das Wesentliche, Ruhe und Stille, frei sein von Fremdbestimmung, den Kopf frei bekommen, Abstand vom Alltag, Reduktion der Alltagskomplexität, Fokussierung auf das innere Ich, Selbstwahrnehmung und Selbstbestimmung, Ansprache von Körper, Geist und Seele, Langsamkeit und Entschleunigung, besinnliches Nichtstun und religiöse bzw. spirituelle Einkehr.“ Einkehrtage bieten dem Gast unabhängig seiner Religionszugehörigkeit eine Gelegenheit, in einem gewissen Umfang am Klosterleben teilzunehmen, sich in den Tagesablauf einzufügen, an den Arbeiten zu beteiligen und auch die Got- <?page no="173"?> 174 Wellnessangebote für den Geist tesdienste zu besuchen. Bei Exerzitien findet eine geistliche Betreuung statt, es gibt Gespräche in der Gruppe oder individuell mit einer Ordensperson, Vorträge, Meditationen über Bibeltexte oder auch Gespräche über persönliche Anliegen, ebenso Phasen des Schweigens, der Stille.  Wissen ǀ Exerzitien „Was macht man in dieser Zeit? Basis ist das Stillschweigen. Nur so können Exerzitien zu intensiven Tagen des Betens und des Verweilens in der Gegenwart Gottes werden, um dann den eigenen Glaubensweg wieder entschiedener weitergehen zu können. Wesentliche Elemente sind dabei Meditationen (Betrachtungen) von Texten der Hl. Schrift, mehrere Gebetszeiten am Tag, die Stille und Gespräche mit dem Begleiter/ der Begleiterin - mit dem Ziel, das eigene Leben enger mit Gott zu verbinden, Christus mehr nachzufolgen. Dass man deshalb auf Handy, Laptop, TV und andere Ablenkungen verzichtet, geschieht nicht, um dem Einzelnen die Freiheit zu rauben, sondern sie ihm in wertvoller Weise neu zu schenken! “ (  http: / / www.kloesterreich.at/ angebote/ besinnung-einkehr-exerzitien/ ) Bei der klassischen Nachfrage für einen Klosterurlaub, eine Aus-Zeit mit innerer Einkehr und Exerzitien zu nehmen, ist - so KNOP (2012, S. 125ff.) eine rückläufige Tendenz in deutschen Klöstern festzustellen. Diejenigen, die aus religiösen Motiven in ein Kloster gehen, nehmen ab, während die Zahl derer, die die Stille an einem solchen Ort suchen, zunimmt. Dabei verschieben sich auch die Ansprüche der Gäste; sie suchen zunehmend Gesprächsbedarf bei persönlichen Problemen und Lebenskrisen. Darauf reagiert manche Ordensgemeinschaft und nimmt Angebote für bestimmte Zielgruppen in ihr Programm, wie z.B. für Trauernde oder Singles, die an Weihnachten nicht allein sein wollen. In den letzten Jahren habe aufgrund der Nachfrage das Angebot im Segment der Gesundheitskurse stark zugenommen, konstatiert KNOP. Einige Klöster arbeiten dabei auch schon mit Krankenkassen zusammen, die die Gesundheitskurse für ihre Mitglieder bezuschussen. Rein physiotherapeutische Angebote werden von den Klosterbesuchern weniger nachgefragt, sondern mehr solche, die einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen: „Nicht nur der Leib, auch die Seele soll gesunden und gestärkt werden - eindeutig eine Kompetenz der Klöster. So werden Entspannung (in Form von Meditation, Qigong etc.) gemeinsam mit gesunder Ernähung (z.B. Hildegardisch kochen) und Körperübungen (z.B. Nordic Walking oder Aquafitness) angeboten, um den ganzheitlichen Aspekt zu erzielen“ (a.a.O., S. 126). Auch wenn die mentale Gesundheit, eine Steigerung des Wohl- <?page no="174"?> Spirituelle Reisen 175 befindens auch für den Geist nicht explizit erwähnt wird, so darf man bei dieser Umgebung einer klösterlichen Gemeinschaft und der Bereitschaft für Gespräche und Seelsorge davon ausgehen, dass dieser Aspekt nicht ausgeklammert wird.  Wissen ǀ Klösterreich „Klösterreich“ nennt sich der 1999 von vierzehn österreichischen Klöstern und der Superiorenkonferenz der männlichen Ordensgemeinschaften Österreichs gegründete Verein zur Förderung der kulturellen und touristischen Aktivitäten der Klöster, Orden und Stifte Österreichs. Aktuell sind 26 Klöster, vor allem in Österreich sowie einzelne in Deutschland, Tschechien, Ungarn und der Schweiz Mitglied. Unter dem Motto „Frauen- und Männerklöster öffnen einen Freiraum für Körper, Geist und Seele, teilen mit Ihnen Schätze des Glaubens, des Gebetes und ihr reichhaltiges kulturelles Erbe. Nehmen Sie etwas von diesen Schätzen einer bewährten Tradition mit in Ihr Leben“ bieten sie Möglichkeiten, das breite Spektrum der klösterlichen Tradition kennen zu lernen: „Sie können am Leben der jeweiligen Gemeinschaft teilnehmen, sich weiterbilden, Spiritualität einüben, Ihre Gesundheit stärken oder einfach nur in Ruhe und Stille ausspannen. Gastfreundschaft kann sowohl durch Tagesbesuche (Ausstellungen, Klostergärten, Veranstaltungen und vieles mehr) als auch bei Nächtigungsangeboten erlebt werden.“ (  http: / / www.kloesterreich.at/ home/ ) 6.3 Spirituelle Reisen Spiritualität ist zu einem Modewort geworden, das für manchen/ viele eine Flucht aus dem Alltag in eine temporäre Gegenwelt bedeutet, in der man sich von den Defiziten seines Alltags befreien möchte. In Dimensionen anderer Gedankengebäude und -welten einzutauchen, dies auch noch mit einer äußeren Reise zu verbinden, lässt auch den Tourismus nicht unberührt und führt zu einem bunten Spektrum an spirituellen Reisen. Schon eine allgemein gültige Definition des Begriffes Spiritualität ist nicht möglich, da zum einen innerhalb der christlichen Kirchen unterschiedliche Vorstellungen bestehen, auch zwischen den verschiedenen Religionen existieren verschiedene Vorstellungen, und zum anderen, so ANTZ (2011, S. 259) bedarf es „in seiner verheißungsvollen Unbestimmtheit keiner Ausrichtung auf ein religiöses Bekenntnis.“ So bleibt der Begriff Spiritualität für das touristische Geschehen sehr diffus, denn als Reisemotiv kann er die unterschiedlichsten <?page no="175"?> 176 Wellnessangebote für den Geist Facetten einer Sinnsuche, Aus-Zeit und Entfernung aus dem persönlichen Alltag umfassen. MELCHERS/ MOSER (vgl. 2012, S.11-15) stellen als gemeinsame Motive des spirituellen Tourismus heraus:  Familiär-Werden mit dem Besonderen, sich an einen Ort zu begeben, wo ein „Held, Heiliger, eine Berühmtheit, Begebenheit war oder ist“ (a.a.O., S. 11). Dieser Ort eignet sich zu einer inneren Einkehr, sein Besuch kann Anerkennung bedeuten. „An einem solchen Ort (gewesen) zu sein, wertet sozial auf und ist Ausweis hervorgehobener (‚höherer‘, ‚geistiger‘) Interessen und Ambitionen“ (a.a.O).  Einen Lebensanstoß empfangen, um Entscheidungshilfen in persönlichen Krisen, Mut zur Veränderung der eigenen Situation zu bekommen. Ziele des spirituellen Tourismus können Schauplätze der Geschichte sein, an denen große historische Veränderungen stattgefunden haben oder ihren Ausgang gefunden haben. „Kommt der erwünschte Anstoß nicht zustande, hat man immerhin etwas Interessantes gesehen und sein Fremd- und Selbstbild als weitgereister Mensch erhärtet“ (a.a.O., S. 12).  Wirkungen spüren; die besuchten Orte mögen Emotionen auslösen, die als positiv empfunden werden können vom Schaudern oder Gerührt sein bis zum Schwärmen. Man möchte etwas erleben, „das im Alltag oder im normalen Denken keine Rolle spielt. Gerne teilt man das Erlebnis - zwecks Intensivierung - mit Gleichgesinnten“ (a.a.O., S. 13).  Mit Erfahrungen und Mitgebrachtem verbinden; „die Frage hinter diesen Einordnungen und Bewertungen ist, was von den beeindruckenden Erlebnissen der spirituellen Reise wirklich in das Alltagsleben und seine Routinen übernommen werden kann“ (a.a.O.).  Kulturellen und Lebenssinn in einem Zeitalter der „Sinninflation“ erfahren, d.h. der Sinn suchende Tourist möchte, dass für ihn Gültige, Bereichernde kennenlernen und als solches einordnen.  Zu den Erwartungen an eine spirituelle Reise kann für den modernen Touristen auch das Komplettpaket zum gesuchten Sinnerlebnis gehören, das entweder dramaturgisch geschickt eine Annäherung an den Höhepunkt der Reise bietet, Wesentliches vielleicht auch entsprechend inszeniert oder ein möglichst authentisches Erlebnis einschließt. Zu den ältesten und heute immer noch praktizierten Formen des spirituellen Tourismus gehören - auch religionsübergreifend - die Pilgerreisen und Wallfahrten, wobei eine Pilgertour, wie z.B. das Wandern auf dem Jakobsweg, auch als Selbsterfahrung verstanden wird und der traditionelle religiöse Bezug keine Rolle spielt. „Geschätzte 200 Mio. Pilger sind in allen Religionen jedes Jahr weltweit unterwegs und generieren ca. 80 Bio. US $ Umsatz. Auch in Europa <?page no="176"?> Spirituelle Reisen 177 ließen sich 2015 bspw. über 260.000 Pilger in Santiago de Compostela registrieren“ (ANTZ/ MAY (2017), S. 92). Dabei machen die erwähnten 260.000 in Nordspanien angekommenen Pilger nur den geringsten Teil derer aus, die auf einzelnen Etappen des Europa umspannenden Wegenetz des Jakobswegs unterwegs waren. Zu den jüngsten Formen des spirituellen Tourismus, der nicht minder Massen bewegt, gehören in Deutschland die Kirchentage, die generationsübergreifend hohe Besucherzahlen generieren. Spirituelles Reisen zählt ebenfalls zu den Produkten im Auslandsmarketing der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT): „Man muss nicht gläubig sein, um sich auf den Weg zu machen. Spirituelles Reisen heute, das ist Ankommen bei sich selbst. Reisen zu Kirchen, Klöstern und magischen Orten oder unterwegs auf Pilgerpfaden - Deutschland hat viele Orte, die beeindrucken, inspirieren und entdeckt werden wollen“ (  http: / / www.germany.travel/ de/ freizeiterholung/ spirituelles-reisen/ spirituelles-reisen.html ). Dabei unterscheidet man die Kategorien Dome, Kirchen und Synagogen, Klöster und Klostergärten sowie magische Orte und stellt in einer Hitparade sechzehn spirituelle Highlights in Deutschland heraus. An ihnen lassen sich die oben genannten Reisemotive wiederfinden. Als mystische Orte von Natur aus - im wahrsten Sinne des Wortes - zählen für das Auslandsmarketing der Hexentanzplatz im Harz und die Externsteine dazu. Besonders spirituell inspirierende Naturerlebnisse werden beispielsweise einigen Abschnitten von Pilgerwegen zugesprochen. Als ein Beispiel für Orte von großer Bedeutung für Geschichte und explizit Glaubensgeschichte findet sich in dieser Reihe die Wartburg. Zu den weiteren Bauten des Mittelalters, die sich als spiritueller Ort vermarkten lassen, gehört neben einer Reihe von Kirchen auch das Kloster Eberbach, dessen Bausubstanz nicht nur einen authentischen Charakter besitzen, sondern als Kulisse für den Film „Der Name der Rose“ noch einmal einen besonderen emotionalen Wert besitzt. Für das Reisemotiv Suche nach einem Ort besonderer historischer Bedeutung kann der Raum der Stille im Brandenburger Tor gelten. <?page no="177"?> 178 Wellnessangebote für den Geist  Zusammenfassung ǀ Kapitel 6  Der Alltag bietet heutzutage viele Gründe, sich auch einmal auf eine Sinnsuche zu begeben und eine spirituelle Reise zu unternehmen. Spiritueller Tourismus gehört längst zum touristischen Geschäft.  Dabei ist der Begriff Spiritualität nicht eindeutig zu definieren und er muss auch nicht unbedingt im religiösen Bereich angesiedelt werden.  Die Suche nach Stille ist das Hauptmotiv für einen Klosteraufenthalt auf Zeit. Die Ordensgemeinschaften entwickeln zunehmend Angebote neben ihrem klassischen Betätigungsfeld von Einkehrtagen und Exerzitien; Meditationskurse aus anderen Kulturen oder ein stärkeres Engagement im Bereich Gesundheit und Wellness können dazugehören.  In den spirituellen Reisen zu Orten, die besonders berühren können - aufgrund ihrer Geschichte und Geschichten - können sich unterschiedliche Reisemotive widerspiegeln.  Pilgerreisen und Wallfahrten sind die ältesten Formen des spirituellen Reisens nicht nur im christlichen Abendland, sondern weltweit und auch heute noch von touristischer Relevanz.  Esoterik und spirituelle Reisen haben auch im Auslandsmarketing der Deutschen Zentrale für Tourismus ihren Platz.  Spirituelle Reisen sind nicht auf Orte des Christentums beschränkt, auch andere Religionen und ihre Kultstätten können Ziele sein, wie z.B. Meditieren in einem japanischen Zen-Kloster oder bei einem hinduistischen Guru in Indien.  Literatur ǀ Kapitel 6 ANTZ, Chr. (2011): Spirituelles Reisen. Kirche und Tourismus auf dem Weg zu einer gemeinsamen Emotionalität. In: ANTZ, C.; EISENSTEIN, B.; EILZER, C. (Hrsg.) Slow Tourism. Reisen zwischen Langsamkeit und Sinnlichkeit. S. 257-276. Martin Meidenbauer. München. ANTZ, Chr.; MAY, C.. (2017): Reisen zu sich selbst. In: EISENSTEIN, B.; SCHMUDDE, R.; REIF, J.; EILZER, C. (Hrsg.): Tourismusatlas Deutschland. S. 92f. UVK, München. <?page no="178"?> Spirituelle Reisen 179 ANTZ, Chr.; REIF, J. (2017): Die (Wieder-)Entdeckung der Langsamkeit. In: EISENSTEIN, B.; SCHMUDDE, R.; REIF, J.; EILZER, C. (Hrsg.): Tourismusatlas Deutschland. S. 90f. UVK, München. CASSENS, M. (2013): Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung. Ein Lehrbuch. Oldenbourg, München. EGGENSBERGER, T. (2015): Neues hinter alten Mauern. Klöster öffnen sich als Einkehrorte für Touristen. In: Gemeinde creativ. S. 20f. GEISSLER, K. A. (2008): Zeit - verweile doch ... Lebensformen gegen die Hast. Herder, Freiburg. GÖTTEL, S. 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Ökonomisches Potential der Werte- und Sinnsuche. S. 111-129. Erich Schmidt Verlag, Berlin. LEDER, S. (2011): Neue Muße im Tourismus: Entschleunigen im asketischen Kloster oder im luxuriösen Almdorf. In: ANTZ, Chr.; EISEN- STEIN, B.; EILZER, Chr. (Hrsg.) Slow Tourism. Reisen zwischen Langsamkeit und Sinnlichkeit. S. 123-136. Martin Meidenbauer. München. <?page no="179"?> 180 Wellnessangebote für den Geist MELCHERS, C. B.; MOSER, P. (2012): Spiritueller Tourismus: Beweggründe - Formen - Pflege touristischen Marken. In: PECHLANER, H.; HOPFINGER, H.; SCHÖN, S.; ANTZ, C. (2012): Wirtschaftsfaktor Spiritualität und Tourismus. Ökonomisches Potential der Werte- und Sinnsuche. Berlin. S. 9-19. Erich Schmidt Verlag, Berlin. PECHLANER, H.; HOPFINGER, H.; SCHÖN, S.; ANTZ, C. (2012): Wirtschaftsfaktor Spiritualität und Tourismus. Ökonomisches Potential der Werte- und Sinnsuche. Erich Schmidt Verlag, Berlin. TMA/ Sachsen-Anhalt: Spiritueller Tourismus (PDF)  Websites beauty24, Wellness-Hotels & Resorts: Medieninformation 2017: http: / / corner.stnet.ch/ media-de/ #/ pressreleases/ rueckzugsorte-fuer-digital-detoxin-der-schweiz-2127365 Mindfulness based stress reduction-Verband: https: / / www.mbsr-verband.de/ achtsamkeit.html Klösterreich, Österreich: http: / / www.kloesterreich.at/ home/ Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT): Spirituelle Reisen: http: / / www.germany.travel/ de/ freizeit-erholung/ spirituelles-reisen/ spirituellesreisen.html <?page no="180"?> 7 Die perfekte Wellnessdestination In diesem Kapitel folgt keine theoretische Abhandlung zu Management und Marketing, denn das bieten andere Autoren wie BERG und ILLING hinreichend; stattdessen soll hier der enge Praxisbezug weitergeführt werden und es Anregungen von dort geben. Da es sich dabei um Destinationen handelt, die auch in anderen Kapiteln bereits mit wesentlichen Aspekten vorgestellt wurden, stehen die in diesem Kapitel vorgestellten Strategien für die Leserschaft auch schon auf einer breiteren Basis. Es kann hier auch nicht zwischen den verschiedenen Formen von Destinationen unterschieden werden - zwischen dem Wellnessresort und dem Kurort, der sich auch dem Wellnessbereich verschrieben hat, da mit „klassischen“ Kurgästen und Reha-Patienten heute kaum mehr ein anerkannter Kurort oder ein Heilbad wirtschaftlich überleben könnte.  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Was erwarten Gäste vom Wellnesshotel? Was denken die Hoteliers über die Erwartungen ihrer Gäste?  Was macht ein Wohlfühlambiente aus?  Ist Nachhaltigkeit bei hohem Wasserverbrauch, Bergen von benutzten Handtüchern und Erwartungen an Wärme bis Hitze möglich?  Aspekte des Managements von Wellness  Blick in die Praxis: Marketing von Wellnessangeboten in einigen Destinationen 7.1 Erwartungen von Gästen und Hoteliers Die Erwartungen und Wünsche beider Seiten, der Nachfrager wie Anbieter, ermittelt jährlich die Kooperation von Wellness-Hotels & Resorts und die beauty24 GmbH. Die folgenden Ausführungen basieren auf einer Onlinebefragung, die Anfang 2017 unter 3.535 wellnessaffinen Gästen und 101 Wellnesshoteliers durchgeführt wurde (  https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness-trends- 2017 ). <?page no="181"?> 182 Die perfekte Wellnessdestination Gesundheit als Wellnessziel spielt eine große Rolle. Dabei geht es nicht vorrangig um medizinische, präventive Aspekte in Hinblick auf eine Verbesserung der Gesundheit, sondern um das Bemühen, seinen persönlichen Lebensrhythmus mit dem eigenen Alltag in Einklang zu bringen, Achtsamkeit sich selber gegenüber zu praktizieren. Der Wunsch, etwas gegen den akuten Stress zu tun, hat sich allein in dem Befragungszeitraum von 2015 bis 2017 verdoppelt. So möchte man bei einem Wellnessurlaub Anregungen für die persönliche Lebensordnung (→ Kap. 5.3) bekommen. Dabei wird von den Gästen erwartet, dass sie bereits diesen Aufenthalt nach ihren persönlichen Bedürfnissen, nach ihrer inneren Uhr gestalten können. Dem lässt sich beispielsweise mit längeren Frühstückszeiten, ausgedehnten Öffnungszeiten des Wellnessbereichs und Sportangeboten zu verschiedenen Tageszeiten entgegenkommen. „Während das Ziel einer Verbesserung der Gesundheit für 44,5 Prozent die Hauptmotivation für Fitness ist, geben nur 10 Prozent eine Verbesserung des optischen Erscheinungsbilds als Grund an“ (a.a.O.). Dies lässt die Nachfrage für Schönheitsbehandlungen sinken, so dass von 75 Prozent der Befragten Pools, verschiedene Saunen und eine Massageabteilung zum Wellnessangebot gehören, aber nur für 45 Prozent eine Kosmetikabteilung. Pauschal buchen, aber individuellen Service bevorzugen, lässt sich als weiteren Trend ausmachen. „Ein Wellnessurlaub wird heute im Paket gebucht, nur jeder Zehnte bestellt alle Leistungen einzeln. Etwas mehr als ein Drittel bevorzugt das Wellnessarrangement, mit dem alle Leistungen komplett gebucht werden, ein weiteres Drittel bucht zusätzlich noch ein paar Leistungen on top“ (a.a.O.). Der Vorliebe für Pauschalangebote widersprechen nach eigenen Recherchen aber auch die Erfahrungen mancher Anbieter, deren Gäste aus einem bestehenden Arrangement wiederum ein nach ihren Wünschen verändertes zusammenstellen und Preisvorteile natürlich mitnehmen wollen. Die Befragung von WELLNESS- HOTELS & RESORTS/ BEAUTY24 brachte als weitere Ergebnisse eine steigende Erwartung an das Rundum-Paket im Wellnesshotel angesichts der großen Konkurrenz: „Die unbegrenzte Nutzung des gesamten Wellnessbereichs sollte im Wellnessurlaubs-Paket inklusive sein, das sagen nahezu 90 Prozent der Befragten. Die Liste der erwarteten Selbstverständlichkeiten geht weiter über Bademantel & Slipper, Saunatücher, Obst und Getränke im Wellnessbereich bis hin zur Wasserflasche auf dem Zimmer. Für über die Hälfte der Befragten gehört auch unbedingt eine physiotherapeutische Anwendung wie eine Rückenmassage dazu. Die beliebteste Verköstigung während eines Wellnessurlaubs ist die Halbpension mit einem Dinner am Abend, mehr als einem Drittel genügt aber auch das Frühstücksbüfett“ (a.a.O). Auf die Bedeutung der Ernährung „Essen ist das neue Yoga“ wurde in → Kap. 4.6 eingegangen. <?page no="182"?> Erwartungen von Gästen und Hoteliers 183  Praxis ǀ Preisgestaltung - Erfahrungen eines Wellnessreiseveranstalters „Unsere Gäste buchen zu 77 Prozent zwei Übernachtungen für einen Wellnessurlaub und sind zu 88 Prozent zu zweit. Im Durchschnitt geben sie dafür insgesamt 410 Euro aus. Das sind also gut 200 Euro pro Person. Das bestätigt auch unsere Umfrage“, erklärt Roland Fricke, Geschäftsführer von beauty24. Fast 44 Prozent möchten für ein solches Wellnesspaket zwischen 121 und 200 Euro bezahlen, über ein Fünftel würden mit 201- 250 Euro etwas tiefer in die Tasche greifen. Aber auch günstige Angebote sind verlockend. Immerhin vier von zehn Deutschen schlagen bei den so genannten Streichpreisen zu. Wenn Wellnessreisen vergünstigt angeboten werden, lassen sich Frauen sogar eher zum Kauf animieren als Männer. Aber da nicht alles Gold ist, was verlockend glänzt, achten vier von fünf Wellnessgästen ganz genau auf die enthaltenen Leistungen. (  https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness-trends-2017) Wenn es auch bei Wellnessanwendungen in erster Linie um eine Steigerung des persönlichen Wohlfühlens geht, so kann eine soziale Komponente durchaus dazugehören, wie es sich in der Auszeit mit Partnern und Freunden widerspiegelt. „Zusätzlich zur gemeinsamen Auszeit mit dem Partner können sich auch immer mehr Menschen vorstellen, mit der Familie oder Freunden einen Wellnessurlaub zu genießen: Wellness sozialisiert sich“ (a.a.O.). In der ermittelten Skala stehen für 72 Prozent der Befragten der Wellnessaufenthalt mit dem Partner/ der Parnerin eindeutig an erster Stelle, gefolgt von 39 Prozent mit Freundinnen/ Freunden. 21 Prozent möchten Wellness alleine genießen, 14 Prozent mit der Familie. Daraus ergibt sich auch ein Blick auf die junge Zielgruppe, bei dieser Untersuchung als Personen unter 30 Jahren definiert. Sie sind es vor allem, die Wellnessangebote mit Freunden und Partnern nutzen möchten und „nahezu ein Viertel von ihnen ist im Wellnessurlaub auch mit der Familie unterwegs“ (a.a.O.). Altersbedingt handelt es sich bei den jungen Familien dann um solche mit Kleinkindern. Als Gegenreaktion auf diesen Wunsch spezialisieren sich Wellnesshotels auf ein Adults-only-Konzept, das Kinder und Jugendliche unter einer selbstbestimmten Altersgrenze von 14 oder 16 Jahren nicht nur im Wellnessbereich, sondern auch im gesamten Hotel ausgrenzt. Der Wunsch nach gemeinschaftlichen Aktivitäten spiegelt sich in der jungen Zielgruppe auch im Fitnessangebot wider: „Die Gäste ab 30 Jahren im Wellnesshotel wünschen sich eher individuelle Aktivitäten wie Spazierengehen, Radfahren oder Wandern, die <?page no="183"?> 184 Die perfekte Wellnessdestination Jüngeren ziehen eher Gruppenangebote wie Trend-Work-outs, Jumping Fitness bis hin zu Zumba vor. Angebote also, die sie aus dem Fitnessclub gewohnt sind. Bei der jüngeren Generation steht die Selbstoptimierung im Fokus“ (a.a.O.). Abb. 20: Massageraum für zwei parallele Anwendungen, Bad Herrenalb Wellnessgästen sind für ihre Onlinebuchungen Sicherheit und Vertrauen ausschlaggebend, sie orientieren sich an Gütesiegeln: Mehr als die Hälfte der Befragten (53 Prozent) gaben an, dass ihnen ausgezeichnete Onlineshops bei der Buchung von Wellnessreisen wichtig sind. 26 Prozent bezeichnen eine solche Auszeichnung als „sehr wichtig“ (a.a.O.). Eine weitere wesentliche Entscheidungshilfe sind potentiellen Gästen Kundebewertungen; für 63 Prozent der Befragten sind sie ein wichtiges Kriterium, für 10 Prozent sogar das Wichtigste. <?page no="184"?> Atmosphäre und Gestaltung des Ambientes 185  Praxis ǀ Visuelle Aspekte bei der Buchung eines Wellnessaufenthalts „Der Gast will wissen, wie die Zimmer, Restaurants und der Spa-Bereich aussehen, er will keine Bilder von glücklichen Gästen. Die Bilder vom Ambiente sind buchungsrelevant, darum sollte es ausreichend viele Bilder von Profifotografen geben. Bei den Hotelbildern kann man sagen: Fakten vor Gefühle! Für 86 Prozent sind Bilder aus dem Wellnessbereich, für 85 Prozent aus den Zimmern und nur für 9 Prozent emotionale Bilder ein Grund, sich für ein bestimmtes Hotel zu entscheiden.“  Roland Fricke, Geschäftsführer beauty24, Pressekonferenz ITB 2016 7.2 Atmosphäre und Gestaltung des Ambientes Die Anforderungen an Wellnessräumlichkeiten lassen sich auf einen zunächst einmal einfachen Nenner bringen: Funktionalität und Wohlfühlambiente. Während sich über Funktionalität wenig diskutieren lässt - hier sprechen nüchterne Fakten, ergibt sich aus dem Bemühen rund ums Wohlfühlen schon reichlich Gesprächsbedarf, da es sich schließlich um sehr persönliche Wahrnehmungen und Empfindungen handelt und daraus abgeleitet der Notwendigkeit, ein für viele Gäste und damit diverse Zielgruppen ansprechendes Entspannungsambiente zu schaffen. Bei der funktionalen Gestaltung eines Wellnessbereichs geben die beiden wesentlichen Gruppen, die Gäste und die Mitarbeiter, mit ihren spezifischen Bedürfnissen die Leitlinien vor. Für die erste große Gruppe gilt, dass sie in entspannter Atmosphäre und Ruhe insbesondere ihre Behandlungen genießen möchte. Das Personal möchte und sollte möglichst effektiv arbeiten können. Funktionalität in der Raumfolge und eine damit verbundene Wegplanung hat beide Interessen möglichst in Einklang zu bringen. Auf welchem Weg gelangen beispielsweise die gebrauchten Handtücher zur Wäscherei oder in ein Zwischenlager, wenn sie extern gewaschen werden? Kreuzen Mitarbeiter mit Handtuch- Bergen in den Armen den Weg der Wellnessgäste? Wie ist die Versorgung mit Materialien für Anwendungen organisiert? Gibt es die erforderlichen Produkte in einem gemeinschaftlichen Lager oder lassen sie sich in den spezialisierten Anwendungsräumen für Massagen oder Schönheitsbehandlungen gleich inklusive Nachschub vorrätig halten? Gelten besondere Lagerbedingungen, die eventuell einen Kühlschrank erfordern oder bestimmte höhere Temperaturen? Lässt sich dies in einem Behandlungsraum einrichten, ohne dass das Wohlfühlambiente gestört wird? Befinden sich die Ablageflächen für die benötigten Materialien <?page no="185"?> 186 Die perfekte Wellnessdestination in einer ergonomisch guten Lage, aus der sie sicher - ohne Tritthilfen - geholt werden können? Abb. 21: Ambiente mit regionalem Bezug, BadeWerk, Neuharlingersiel <?page no="186"?> Atmosphäre und Gestaltung des Ambientes 187 Abb. 22: Ruheraum, Hotel Wiesler, Titisee-Neustadt Abb. 23: Fußbecken, InselBad & DünenSpa, Spiekeroog <?page no="187"?> 188 Die perfekte Wellnessdestination Wird berücksichtigt, dass Gäste nach dem Umkleiden nicht mehr im Bademantel durch den öffentlichen Bereich des Empfangs, wo sie andere in Straßenkleidung antreffen, gehen müssen, um in den Wellnessbereich zu gelangen? Hat man bei einem Hotel-Spa vielleicht den Empfang und die Erstberatung der Gäste, den Schreibtisch bzw. die Büroecke der Spa-Managerin und eine Sitzgruppe für Gäste zum Tee trinken zwischen den Anwendungen auch noch in einer anderen Ecke eines überschaubaren Raumes platziert? Viel Aufmerksamkeit verlangt der Ruhebereich. Er darf nicht neben einem Fitnessraum eingerichtet werden. Wenn der Ruhebereich kein abgeschlossener Raum ist, sondern gleichzeitig ein viel genutzter Durchgang beispielsweise zum Pool oder Gastronomiebereich, ist dieser Standort ebenso falsch gewählt. Wie ist es in dem Ruhebereich wirklich um Stille bestellt? Gibt es eine Geräuschkulisse durch Haustechnik oder eine Lärmbelästigung von außen durch Nähe zu einem Parkplatz? Fördern Fenster, Türen, die geöffnet werden können, nicht nur den Zugang zu einem Garten, Park, sondern auch das Eindringen unerwünschten Lärms? Wieweit sind die Räume, in denen sich die Gäste nur in Badekleidung oder auch nackt aufhalten, von außen einsehbare Bereiche? Blicke nach draußen in Garten, Park, Landschaft sind erstrebenswert - aber nicht in umgekehrter Richtung!  Praxis ǀ Aktive Ruhezonen „Ruhezonen zum Erholen müssen ruhig, harmonisch und trotzdem mit einer gewissen Lebendigkeit gestaltet sein. Das Auge sollte zur Ruhe kommen und trotzdem Reize finden. Kommunikative Zonen, in denen es möglich ist, sich zu unterhalten, ohne andere Gäste zu stören, und Rückzugsräume für das individuelle Befinden verlangen nach viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Außenbereiche werden zunehmend eingebunden. Idealerweise schließt eine Wellness-Anlage die Umgebung als Ganzes ein und nimmt sie im Innenraum wieder auf.“ (SCHLETTERER, H. (2006), S. 149) Die Umgebung - Natur, Landschaft, Panorama - mit einzubeziehen, hat als neuer Trend in der Gestaltung von Saunabereichen (→ Kap. 4.3) schon Einzug gehalten: Tageslicht wird einbezogen durch Fenster oder hohe Glastüren, die den Blick nach draußen in die Landschaft ermöglichen, von der umgekehrt aber auch kein Einblick in das Innenleben der Sauna oder anderer Bereiche, in denen man sich unbekleidet aufhält, möglich sein darf. Ist es nicht möglich, Sichtkontakte zur Natur und Umgebung herzustellen, dann wäre mit einer entsprechen- <?page no="188"?> Atmosphäre und Gestaltung des Ambientes 189 den Beleuchtung und großen Naturfotografien aus der Umgebung eine ähnliche Wirkung zu erreichen - auch wenn die Landschaftstherapie (→ Kap. 5.1) Unterschiede zwischen realer Natur und abgebildeter macht. Bei der ästhetischen Gestaltung eines Wellnessbereichs, die ihm das Wohlfühlambiente geben soll, lassen sich wie bei allen anderen Aufgaben der Innenarchitektur Moden feststellen oder auch regionale Besonderheiten, wie „Der Gast möchte im Schwarzwald Holz haben“ (Michael Erfurth, Hotelier und Gründungsmitglied der Wellness Stars).  Praxis ǀ Trends zur Gestaltung von Wellnessbereichen „Gerade Linien, Klarheit, Glas, Beleuchtung als Akzent, das entspricht dem Trend und den Wünschen. Der Gast liebt Platz und Zeit, was sich in der Inneneinrichtung widerspiegeln sollte. Das Wohlfühlambiente sollte besonders im Ruhebereich deutlich sein; deshalb gibt es bei uns dort auch keine Musik.“  Herr Michael Erfurth, Hotelier Erfurths Bergfried Eine wesentliche Rolle spielen bei der Innengestaltung die verwendeten Materialien. Sie sollten in einer Beziehung zur Umgebung stehen, beispielsweise lokale Hölzer oder Gesteine nutzen. „Schichte Räume mit edlen Oberflächen bringen Ruhe oder auch sehr dezenten Luxus. Pflanzen, gestalterische Elemente mit Naturmaterialien, wie z.B. eine Steinwand als interessanter Punkt für das Auge im Ruheraum, erzeugen gleichzeitig die Verbindung zur Umwelt und das richtige Maß an Spannung und Entspannung. Pflanzen, Wasser und bewegte Elemente bringen die notwendige ruhige Lebendigkeit“ (SCHLETTERER (2006), S. 149). Aber auch Aspekte aus dem kulturellen Umfeld können Ideen für eine kreative wie lokal-/ regionaltypische Gestaltung liefern, wie z.B. Saunabänke in Form von Strandkörben in einer Nordsee-Therme, Strandgut aus Holz für das Design von Dekorationsartikeln oder kleinen funktionalen Accessoires, wie Kerzenhaltern oder Kleiderhaken. Raum und Garten lassen sich auch nach einem bestimmten Konzept gestalten, das durch die Anwendungen vorgegeben wird, wie z.B. japanische Massagen am Beispiel der Vita Classica Therme in Bad Krozingen (→ Kap. 4.4) oder der gesamte Bereich von Themen- oder Event-Saunalandschaften. <?page no="189"?> 190 Die perfekte Wellnessdestination  Praxis ǀ Bitte nicht! Würden Sie im Ruheraum eines Wellnessbereichs eine Christusfigur oder eine Madonna sehen wollen? Oder eine andere religiöse Skulptur auf das Niveau eines Nippesfigürchen reduziert wissen? Dies geschieht aktuell in mindestens jedem zweiten Wellnessbereich mit Buddha. Mag man seinen Spabereich auch als Wellnesstempel verstehen und vermarkten, die Figur eines Religionsstifters, so sehr sie auch Ruhe ausstrahlen mag, gehört hier nicht hin. Wenn Sie dem Ambiente noch einen stärkeren Anreiz zur Meditation geben wollen, dann realisieren Sie den Trend zur Natur! Ruhe und Stille lassen sich beim Blick in die Landschaft, notfalls auch auf entsprechende große Fotografien gewinnen. Erkenntnisse der Farbpsychologie sollten nicht minder in die ästhetische Gestaltung einfließen - ohne daraus gleich eine Farbtherapie zu machen. Positive Stimmungen, die beispielsweise ein Sonnentag in der Natur mit seinem jahreszeitlich geprägten Farbenreichtum auslösen kann, lassen sich bei auch künstlich inszenieren. Dabei kann man gerade in lichtarmen Monaten diesem Defizit, das sich bei manchen Menschen stark bemerkbar macht, mit entsprechender Beleuchtungsinstallation entgegenwirken. Bei der Verwendung von Farben sollte die alte Weisheit „weniger ist in der Regel mehr“ berücksichtigt werden. Farben werden derzeit eher sparsam verwendet, die Möglichkeiten, mit den Naturfarben der Materialien zu spielen, ergeben ein ohnehin schon feines Spektrum.  Praxis ǀ Vorsicht bei der Raumluft Es besteht die Gefahr von Allergie auslösenden Düften! Deshalb ist es ratsam, zu recherchieren, welche Aromen, die zum Ambiente der Räumlichkeiten passen, die geringste Gefahr darstellen und trotzdem die - in der Regel gewünschte - entspannende Wirkung besitzen. <?page no="190"?> Wellness - Aspekte der Nachhaltigkeit 191  Praxis ǀ Wellnessaufenthalt als Mini-Fernreise Wellness wird in Polen noch als ganz besonderes Ereignis, als Luxus angesehen und durchaus auch als Ersatz für eine Reise, für die viele in diesem Land weder Zeit noch Geld haben. Dementsprechend bemüht sich das Hotel-Besitzerpaar von seinen Reisen nach Asien authentische Ausstattung für den Spa-Bereich mitzubringen. Die dunkelbraune Kleidung des Personals ist ebenso asiatisch inspiriert. Auch Behandlungsformen, die aus Asien stammen, wie Thaimassage und Yoga, befriedigen das Bedürfnis nach Exotischem aus fernen Ländern und werden gerne gebucht. Ein Aufenthalt im Spa ist bei polnischen Hochzeiten sehr beliebt. Nach den vielen langen und auch schon stressigen Feiern sucht man hier Erholungsmöglichkeiten, die es sonst nicht gibt - das gilt nicht nur für das Brautpaar, sondern auch noch für enge Angehörige.  Interview mit Anna Rusimek, Spa-Managerin im Kocierz Hotel & Spa, Polen 7.3 Wellness - Aspekte der Nachhaltigkeit Auf Nachhaltigkeit in der Hotellerie - auf die ökologische, soziale und ökonomische - kann hier im Allgemeinen nicht eingegangen werden, da sei auf REIN/ STRASDAS (2017) verwiesen. Einige Gedanken über Nachhaltigkeit speziell im Wellnessbereich inklusive der Sichtweisen aus der Praxis sollen jedoch folgen. Ein besonders hoher Strom- und Wasserverbrauch ist charakteristisch für den Wellnesssektor: Hohe Temperaturen in den Saunalandschaften und den Bereichen, in denen sich die Gäste unbekleidet oder nur in Badebekleidung aufhalten, gehören dazu, ebenso die mit dem Baden, den Anwendungen und Saunagängen verbundenen Duschen, aber auch ein großes Aufkommen an Handtüchern. Da lässt sich Nachhaltigkeit vor den Handtuch-Bergen praktizieren, indem es im Wellnessbereich keine frei verfügbaren Handtuchstapel mehr gibt, sondern die Gäste gebeten werden, die Handtücher aus ihren Zimmern mitzubringen und zu nutzen („Sie prassen sonst mit den Handtüchern! “ Hotel Tanne Baiersbronn). Eine gewisse Bremswirkung hätte auch schon die Tatsache, wenn nach weiteren Handtüchern extra gefragt werden müsste. <?page no="191"?> 192 Die perfekte Wellnessdestination Um den Wasserverbrauch in den Duschen zu reduzieren, kann man auf entsprechende Duschköpfe zurückgreifen, die in sparsamerer Weise das Wasser durchfließen lassen. Nachfüllbare Duschgel-Spender vermeiden den Plastikmüll durch Portionspackungen. Bei einer genauen Kenntnis der Gästegewohnheiten im Hotel lässt sich die reguläre Öffnungszeit einer Saunalandschaft auf die Zeit der größten Nachfrage beschränken; selbstverständlich wird nach Voranmeldung auch außerhalb dieser Zeit die Sauna geheizt. Die Öffnungszeiten und eine Begründung des Vorgehens sollten klar kommuniziert werden - etwas Bewusstseinbildung in Sachen Nachhaltigkeit wird ein Hotelier, der sein Haus nach diesen Prinzipien führt, sicherlich erfolgreich durchführen können, zumal ihm längerfristig die Zeit ohnehin zuarbeiten wird. Für den Wärmebedarf können Wellnesshotels und in noch stärkerem Maße Thermen von den hohen Temperaturen ihres Thermalwassers profitieren, indem sie das Wasser beispielsweise über eine Gasabsorptionswärmepumpe laufen lassen, ihm so die überschüssige Wärme entziehen und diese für andere Zwecke nutzen, wie z.B. für den hauseigenen Heizkreislauf. Das abgekühlte Wasser könnte anschließend in Tauchbecken, Abkühlduschen oder auch bei der Toilettenspülung verwendet werden.  Praxis ǀ Philosophie eines nachhaltig arbeitenden Wellnesshotels Das Seehotel ist ein familiär geführtes 4 Sterne-Haus direkt am Titisee. Seit Anfang der 1990er-Jahre wird das Seehotel umweltfreundlich geführt und wurde bereits 2006 nach dem europäischen Umweltaudit EMAS zertifiziert. Umfassend wird sehr viel Wert auf Umweltverträglichkeit gelegt, schonenden Umgang mit den Ressourcen, nachhaltiges Umweltmanagement, ca. 260 regional erzeugte und über 60 biologische Produkte. Das gesamte Hotel wird mit Holzhackschnitzel beheizt, inklusive des neuen Pools, der zusätzlich noch Energie durch Solarthermie erhält. Auf dem Dach befindet sich eine Photovoltaikanlage, die über 10 Prozent des Stromverbrauchs des Hotels erzeugt. <?page no="192"?> Wellness - Aspekte der Nachhaltigkeit 193 Auszeichnungen (Auswahl): Zertifiziert nach ISO 90014, Bio-Zertifizierung, Viabono-Umwelthotel seit 1998, Umweltpreisträger des Landes Baden-Württemberg 2006, Finalist des Royal Accomodation Award for Sustainable Tourism in Europa 2006, Finalist europäischer EMAS Award 2009, 2014 Holiday Check Award als eines der 23 besten Wellnesshotels weltweit. Zwei Leitsätze prägen das Handeln und die Linie des Hotels: [1] Natur erhalten - Natur lieben [2] Genieße Dein Leben (SEEHOTEL WIESLER (→ Kap. 4.7)) Als ein Beispiel für einen kreativen Ansatz, Nachhaltigkeit im Wellnessangebot zu praktizieren, eignet sich der Garten der Sinne in Babberich (Niederlande). Jutta Schlütter-Boßmann, ausgebildete Gesundheitspädagogin der Sebastian- Kneipp-Akademie und in der Jugendhilfe tätig, kam 2007 die Idee zu diesem Garten, der als ein Mehr-Generationen-Projekt angelegt werden sollte. Auf dem Gelände des geplanten Gartens in der Rheinbzw. Waalaue standen Obstbäume des professionell betriebenen Obstguts der Familie. Als die Apfelpreise in den Keller fielen, beschloss man, auf dem ca. 1 Hektar großen Bereich einen Grundwasserteich von 3.000 m² anzulegen. („Die Genehmigung dazu hat zwei Jahre gedauert, da ist die niederländische Bürokratie nicht besser als die deutsche! “, so Schlütter-Boßmann.) Der Teich wurde zum Mittelpunkt des Kneipp’schen Gartens. Bei der Frage der Gestaltung war eine kostengünstige Lösung angesagt und die Idee von Recycling sowie Vintage-Stil lag nahe. In dem vom Wohnhaus entfernteren Bereich hat man der heimischen Flora einen Raum gegeben und bewusst heimische Hecken gepflanzt, die von der Vogelwelt auch gut angenommen wurde. Der Rundweg um den Teich erhielt verschiedene Bodenbeläge (u.a. Sand, Kies, große Steine, Holzblöcke) für das Barfußgehen. Einzelne Bereiche des großen Gartens eignen sich für besondere Aktivitäten, wie derjenige um einen großen gemauerten Brotbackofen. Eine kleine Saunahütte, ein Badesteg mit Sitzgruppe oder auch eine Beetanlage, die die fünf Elemente der Kneipp’schen Gesundheitslehre in kreativer Weise darstellt und sich gut als Gesprächsanlass eignet, sind in dem naturnahen Garten zu finden. Bei der Natur-Wassertretstelle für die typische Kneippsche Altwasseranwendung hat man den Weg bzw. die Runde am Teich mit eine dicken Schiffstau als Geländer gesichert. Eine Reihe weiterer im Garten verwendeter Hölzer ist ehemaliges <?page no="193"?> 194 Die perfekte Wellnessdestination Treibgut vom Rhein, so beispielsweise auch die große Metallschale fürs Feuer, die Teil eines angeschwemmten Tanks war. Abb. 24: Garten der Sinne, Babberich  Praxis ǀ Den nachhaltiger Kneipp-Garten erleben Den Garten der Sinne in Babberich (Niederlande) beleben Jutta Schlütter- Boßmann und Margit Reintjes, beide Gesundheitspädagoginnen der Sebastian-Kneipp-Akademie, mit Angeboten für alle Altersgruppen, von Kindern bis zu Senioren. Zu den fünf Säulen der ganzheitlichen Prävention nach Sebastian Kneipp bieten sie altersgerechte Annäherungen und dies in buchbaren Gruppenangeboten, bei denen das gemeinsame Tun einen großen Stellenwert besitzt. „Wir fördern die Aufnahme von Nahrungsmitteln in möglichst naturbelassener Form in geselliger Runde unter Verwendung von saisonalen, regionalen und möglichst hofeigenen Produkten nach den Standards der Vollwerternährung. Alltagstaugliche und schmackhafte Gerichte werden gemeinsam zubereitet.“ (  http: / / www.garten-der-sinne.eu/ index.html ) <?page no="194"?> Wellnesstourismus managen 195 7.4 Wellnesstourismus managen An Beispielen aus der Praxis sollen einige Aspekte zur Angebotsentwicklung im Wellnessbereich skizziert werden. Für welche Zielgruppen welche Angebote, lautet die Kernfrage. Die eine Zielgruppe für Wellness gibt es nicht, sondern es ist sinnvoll, sich auf verschiedene Zielgruppen auszurichten und diese werden auch noch nach Destination und Angebotspalette unterschieden. Der „Wellness Sensor“ der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK), der in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wellness Verband e.V. erstellt wird, nennt vier Zielgruppen: „verantwortungsbewusste Eltern, gestresste Performer, autonome Individualisten und proaktive Gesundheitsbewusste.“ Konkrete und auf eine Destination bezogene Zielgruppen hat die Schwarzwald Touristik GmbH für ihr Marketingkonzept 2020 unter dem „Aktivitätsthema Wellness-Thermen-Gesundheit“ ermittelt. Ihre Zielgruppen im Bereich Wellness sind „wohlhabende Familien, anspruchsvolle Singles und Personen mittleren Alters, wohlhabende Best Ager und junge Leute ohne Kinder“. Grundlegende Gedanken zur Bestimmung der Zielgruppen seien im Folgenden am Beispiel Thalasso ausgeführt (Informationen zu Thalasso → Kap. 2.2.1 und 3.2). Da die Thalassotherapie zum einen bei Kranken, zum anderen mit dem Schwerpunkt Prävention auch bei Gesunden angewendet werden kann, ist dies die erste Entscheidung für die Entwicklung von Angeboten - gleiches gilt auch bei Therapien mit Peloiden (→ Kap. 4.2.) und anderen Heilmitteln, die ebenfalls im Gesundheitstourismus, in Medical-Wellness und Wellness angesiedelt sein können. Welche Altersgruppen sollen angesprochen werden, welche Altersdifferenzierung ist eventuell angesagt, beispielsweise wenn es um Bewegungstherapie geht. Mit welchen Schwerpunkten möchte sich die Destination positionieren? Gibt es Alleinstellungsmerkmale? Welche Infrastruktur steht zur Verfügung? Welche Kooperationspartner könnten ins Boot geholt werden? Mögliche Themenschwerpunkte für Wellnessangebote, die auch auf andere Heilmittel, Therapien und Destinationen übertragbar wären, könnten sein: Anti-Stress, Anti- Aging, Bewegung in der Natur, Burn-out, Ernährung, Entspannung, fit und in Form, Gewichtsreduktion, Massage, Meditation, Rückengesundheit, Schlaf gut, Spiritualität etc. (vgl. THALASSO PRAXISLEITFADEN, S. 30). „Aus den Hauptindikationen für die Thalassotherapie an der Nordsee ergeben sich für unsere Region drei klassische Produktlinien: [1] Angebote für die Haut, [2] Angebote für die Atemwege, [3] Angebote bei chronischem Erschöpfungssyndrom (umfasst Burn-out und Schlafstörungen).“ (vgl. a.a.O., S. 31) <?page no="195"?> 196 Die perfekte Wellnessdestination Wenn dann Angebotspakete, Pauschalen entwickelt werden sollen, ist festzulegen, ob sie sich an Zielgruppen aus dem Gesundheitstourismus, Medical-Wellness oder Wellness richten sollen. Bei dem ganzheitlichen Ansatz der Thalassotherapie sollte sich das Ganzheitliche auch in den Angeboten widerspiegeln. Das GesundLand Vulkaneifel bezieht in seinem Produktleitfaden auch für den Produktbereich Wellness die Landschaft mit ein: „Im Wellness-Sektor - in dem es sich vornehmlich um ein infrastrukturgebundenes Angebot handelt - ist die Einbindung von gesundheitsfördernden Natur- und Landschaftserlebnissen ein Novum. Umso größer ist das Potenzial, eine echte Alleinstellung mit der Marke GesundLand Vulkaneifel im Sinne eines einzigartigen, nicht kopierbaren Produktes zu erzeugen - und damit dem Trend zu Regionalem und Authentischem zu entsprechen“ (GESUNDLAND VULKANEIFEL (2011), S. 45). So gehört für diese Destination neben den Eintritten in Wellnesseinrichtungen und Wellnessanwendungen auch das Natur- und Landschaftserlebnis (→ Kap. 5.1), beispielsweise „geführte Morgentauwanderung, geführte Wanderung zu den Sonnenauf- und Untergangsplätzen, Führung in den landschaftstherapeutischen Parks, Führung mit dem Landschaftsmentor, Wellnessanwendung in der Natur etc.“ (a.a.O.) in eine Wellnesspauschale.  Praxis ǀ Pauschalen zusammenstellen „Der Anbieter des Produkts muss sich entscheiden, ob die Ergänzungsleistungen in das Produkt integriert oder als optionaler Baustein angeboten werden.  Pro Basispaket: Werden die Leistungen optional angeboten, entsteht der Vorteil der individuellen Auswahlmöglichkeit für den Gast, auch ist die Bewerbung des Produktes zu einem »günstigen« Preis möglich.  Contra Basispaket: Der Nachteil des Basispakets ist, dass der Preis in einem schmalen Leistungspaket transparent ist. Sollte kein Preis- und auch kein echter Leistungsvorteil gegeben sein, weicht der Gast ggf. auf die Buchung einer Übernachtung ohne Zusatzleistungen aus. Somit werden Ergänzungsleistungen ggf. weniger oder seltener gebucht.“ (GESUNDLAND VULKANEIFEL (2011), S. 47) <?page no="196"?> Wellnesstourismus managen 197  Praxis ǀ Der Preis Der Preis …  „sollte unter der Summe der Preise der einzelnen Leistungen liegen.  sollte in verschiedenen Vertriebskanälen nahezu identisch sein.  sollte im Hinblick auf die Konkurrenzprodukte wettbewerbsfähig sein.“ (GESUNDLAND VULKANEIFEL (2011), S. 48) Qualität und Leistungsversprechen müssen sich durch die gesamte Dienstleistungskette ziehen, dazu gehört selbstverständlich auch die Kompetenz des Personals. Dabei haben Wellnessanbieter ohne eine Ausrichtung auf medizinische Anwendungen und den „klassischen“ Kurbereich oftmals das Problem, gerade an Wochenenden und Feiertagen, also außerhalb der Werktage, Fachpersonal für entsprechende Angebotsbausteine in „Wellnesspaketen“ bereitzustellen.  Praxis ǀ Das Problem Fachpersonal „Wellnesstherapeut ist keine geschützte Berufsbezeichnung - ein großes Manko im Wellnessbereich, da wollen sich viele auch nicht in die Karten schauen lassen. Probleme gibt es vor allem in der Hotellerie durch die uninteressanten Arbeitszeiten für Profis wie Physiotherapeuten, Kosmetikerinnen etc.“  Interview mit Dr. med. Matthias Menschel, Menschels Vitalresort Als „oberstes Gebot in Wellness-Anlagen“ bezeichnen LAUPRECHT/ RE- SPONDECK (2006, S. 116) die Dienstleistung. „Um Erfolg zu garantieren, ist der serviceorientierte Umgang mit dem Kunden eine unentbehrliche Grundlage“ (a.a.O.). Soziale Kompetenz und Fachwissen sind gleichermaßen gefragt, die in entsprechenden Schulungen aufgefrischt und erweitert werden sollten. „Dienstleistung wird zwar durch die Mitarbeiter vermittelt, doch im eigenlichen Sinne ist dies Aufgabe der Inhaber bzw. Betreiber der Anlage. Nur sie können die Gesamtheit der Mitarbeiter motivieren und die Philosophie in der ganzen Anlage umsetzen“ (a.a.O., S. 117). <?page no="197"?> 198 Die perfekte Wellnessdestination Die Personalqualifikation gilt nicht nur für die klassischen Wellnessanwendungen, sondern ebenso für den Bereich des Naturerlebens und der Landschaftstherapie (→ Kap. 5.1) und damit wären ausgebildete und zertifizierte Entspannungscoachs oder Landschaftsmentoren einzubeziehen. Mit der Regionalität lassen sich bei Wellnessangeboten zumindest regionale Alleinstellungsmerkmale einbringen - im Unterschied zu den 08/ 15-Angeboten von Unterkunft/ Verpflegung/ Massage und Eintritt in eine Therme. Im Gesund- Land Vulkaneifel sind dies beispielsweise „Eifelfango“ und „Eifel-HotStone- Massage“. Im Wellnessangebot des Schwarzwalds ist es die Schwarzwald Balance. Als Reaktion auf Bewegungsmangel, ungesunde Ernährung und Stress hat man das regional spezifische Wellnessangebot „Schwarzwald Balance“ entwickelt. „Basische Ernährung mit Produkten aus dem Schwarzwald, Bäder und Massagen zur Entsäuerung, Kosmetik- und Pflegeprodukte aus Kiefernspitzen und Holunderblüten sowie gezielte Wellnessprogramme versprechen innerhalb weniger Tage Abhilfe“ - so das Versprechen (  https: / / www.schwarzwald-tourismus.info/ presse/ Pressemeldungen-nach-Themen/ Wellness/ Schwarzwald-Balance-Wellness-aus-dem- Wald ). Hinzu kommt eine gezielte körperliche Aktivität in gesunder Umgebung. Auch mit diesem Programm wird der ganzheitliche Ansatz von Wellness verfolgt und in buchbare Angebote umgesetzt. Einen umfassenderen Einblick in die Vielfalt auf dem Wellnessmarkt geben beispielsweise WIESNER (2007) und KREMPEL (2006, S. 25-49). „Ideen, Dienstleistungen oder Produkte werden sich nur dann durchsetzen, wenn sie einer breiten Käuferschicht nahegebracht werden können und diese auch bereit ist, entsprechende Summen dafür auszugeben. Dabei ist immer zu beachten, dass Produktideen und Dienstleistungen im Wellnessmarkt nur dann erfolgreich umgesetzt werden können, wenn sie die Sinneswahrnehmung auf vielfältigste Art und Weise stimulieren“ (a.a.O., S. 25). WIESNER (2009) weist darauf hin, dass bei einer Wellnessreise - Gleiches ließe sich auch schon einem Kurzaufenthalt zuschreiben - viele Partner an dem Produkt mitwirken. „Da jedoch jeder Gast nur das Gesamterlebnis bewertet, müssen alle Teilleistungen, auch wenn sie von unterschiedlichen Partnern erbracht werden, dem gleichen Qualitätsmaßstab - nämlich der Kundenerwartung - entsprechen. Ein Wellnessreisender muss sich nicht nur im Hotel und in der Therme, sondern während der gesamten Reise rundum wohl fühlen, um zu einer positiven Gesamtbewertung zu kommen“ (a.a.O., S. 96f.). Alle Elemente der Leistungskette und auch die Räumlichkeiten sowie der geographische Raum, das Umfeld, in dem die Leistungen erbracht werden, sollten ein stimmiges Paket ergeben. <?page no="198"?> Wellnesstourismus vermarkten 199 7.5 Wellnesstourismus vermarkten Welche Wege, Strategien gibt es, dieses stimmige Paket zu vermarkten? Allgemeine Ausführungen, von 7 Ps des Marketings konkret auf den Gesundheits- und Wellnesstourismus bezogen bis hin zu Pflichten eines Reiseveranstalters, bietet BERG (2008, S. 197-285). ILLING (2009, S. 309-343) behandelt unter „Marketing als Managementaufgabe“ die Aspekte Distribution und Zuweiser, Marketingkommunikation und Marketingcontrolling. Die ausgewählten Destinationen, die mit verschiedenen Aspekten in diesem Buch vorgestellt wurden, sollen im Folgenden mit einigen Grundzügen ihrer Marketingstrategien präsentiert werden und auch zu diesem Thema Einblicke in die Praxis erlauben. Die Schwarzwald Tourismus GmbH stellt ihrem Marketingkonzept die folgenden Leitlinien (SCHWARZWALD TOURISMUS GmbH (2016), S. 6) voran: „Wir wollen [...] [1] eine starke einheitliche Dachmarke Schwarzwald. [...] Die Dachmarke ist gleichzeitig ein Qualitätsversprechen. [2] uns in unserem Tourismusmarketing an den Bedürfnissen der Gäste orientieren und nicht an denen der Anbieter. [3] einen natürlichen und erholsamen Schwarzwald [4] einen zeitgemäßen und innovativen Schwarzwald [5] unseren Gästen eine hohe Qualität bieten. In diesem Sinne soll der Gast wissen, dass er im Schwarzwald ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis erhält. Dabei setzen wir nicht auf einen Billig-Massentourismus, sondern auf einen Qualitätstourismus, der den Anbietern eine hohe Wertschöpfung bringt.“ Bezogen auf den Wellnessbereich, seine Wellnesshotels, Thermen und das Projekt Schwarzwald Balance liegt der Schwarzwald unter den Top 10 im Ranking der deutschen Destinationen und „nun geht es darum, sich eine größere regionale Unverwechselbarkeit und Profilierung anzueignen und sich in Richtung einer Spitzenposition vorzuarbeiten“ (a.a.O., S.21). Als strategische Maßnahmen sieht man die Notwendigkeit, das Aktivitätsthema Wellness, Thermen, Gesundheit neu zu konzipieren. Ein Schwerpunkt wird dabei die neue inhaltliche Erweiterung und Ausrichtung des Projekts Schwarzwald Balance sein. Einen Schwerpunkt im Wellnessmarketing wird man bei Schwarzwald Tourismus auf die Zielgruppe Personen unter 35 Jahren legen. <?page no="199"?> 200 Die perfekte Wellnessdestination Im GesundLand Vulkaneifel stellt ebenso die Landschaft der Region einen wesentlichen Faktor in der Marketingplanung dar. Schon das Logo des Gesund- Land Vulkaneifel, ein stilisierter Vulkan mit einer herzförmigen Wolke über dem Krater, beides umgeben vom Grün einer Landschaft, spiegelt dies wider. Mit diesem Logo, der Wort-Bild-Marke, werden in Zukunft Produkte ausgezeichnet, die den Werten und Qualitätsanforderungen der Marke entsprechen (vgl. PRA- XISLEITFADEN (2011), S. 23). Folgende Grundlagen für eine Vermarktung stellt das GesundLand Vulkaneifel heraus (a.a.O, S. 51):  „Attraktiver Titel - Werblicher, eindeutiger Name für das Produkt.  Werbliche Produktbeschreibung in Lang- und Kurzversion - Emotionale und für die Zielgruppen attraktive Beschreibung des Gesamtproduktes. Der Markenstil sollte wahrnehmbar sein. GesundLand Vulkaneifel sollte in jeder Beschreibung mindestens einmal genannt sein.  Informative Leistungsbeschreibung - Informative und zielgruppenspezifische Beschreibung der einzelnen Leistungen, u.a. genauer Ablauf und Zeitdauer der Anwendung.  Übersetzung - Anfertigung der Texte in Englisch und Niederländisch (Ist erst mit der Übersetzung des Internetauftritts des GesundLand Vulkaneifel erforderlich.).  Bildmaterial - Ansprechende, zielgruppengerechte Bildsprache (Nutzungsrechte werden auf das GesundLand Vulkaneifel übertragen.).  Darstellung der GesundLand Vulkaneifel-Produkte wird durch das Corporate Design geregelt - mindestens erforderlich sind: Einbindung des Logos des Gesund- Land Vulkaneifel im Hotelprospekt, Einbindung des Logos des GesundLand Vulkaneifel auf der Internetseite des Hotels, Einbindung eines Links zum GesundLand Vulkaneifel, auf der Internetseite des Hotels (Die Regeln für die Darstellung aus dem Corporate Design-Manual sind hierbei zu berücksichtigen.).“ Für die Planung von Vermarktung und Vertrieb geht man im GesundLand Vulkaneifel den klassischen Weg über „das Erfassen aller notwendigen Informationen für die Herstellung der Buchbarkeit, z.B. Vertriebswege, Zeitraum der Buchbarkeit, Anreisetage, Vorausbuchungsfrist, Bearbeitung von Buchungsanfragen etc.“ und „erschließt - bedingt durch die Neupositionierung - neue Vertriebswege“ (a.a.O., S. 50). Dazu gehört der Direktvertrieb durch den Leistungsanbieter sowie die Vermarktungs- und Vertriebskanäle von Empfehlungsplattformen, Social Media und Thematische (Hotel-)Kooperationen. <?page no="200"?> Wellnesstourismus vermarkten 201  Wissen ǀ GesundLand Vulkaneifel: Zielgruppenspezifische Kommunikation und Vertrieb „Kompetent in den Gesundheitsthemen und Freude an Natur- und Landschaftserlebnissen - um diese Wahrnehmung bei dem Gast zu erzielen, heißt es für uns: Konsequente Präsentation durch Prospekte, Anzeigen, auf Internetportalen nach innen und außen gemäß den Grundlagen unseres Corporate Designs. Die Organisation des GesundLand Vulkaneifel bietet dazu Unterstützung und vermarktet Produkte, die den Anforderungen der Marke entsprechen.“ Zu den Maßnahmen für Vermarktung und Vertrieb gehören:  „Internet-Auftritt: Webseite www.gesundheitslandschaft-vulkaneifel.de (in Zukunft auch www.gesundland-vulkaneifel.de) mit einem besonderen Feature: Ein Online-Expertennetzwerk, in dem Profile der Leistungsanbieter abgebildet werden.  Pressearbeit: Artikel in der (Fach-)Presse  Werbung: Anzeigen in Fachzeitschriften und sonstigen gesundheitsbezogenen Medien  Magalog: Umfassende Informationen zum GesundLand Vulkaneifel- Angebot sowie Gesundheitsthemen und Karten aufwendig und umfassend ausgestaltet  Angebotsfolder: dünne Broschüre mit bepreisten und buchbaren Produkten  Testimonial (in Planung): Persönlichkeit aus der Wissenschaft bzw. aus dem Fernsehen wird der Region zur Seite gestellt, deren Bekanntheit sowie medizinische Glaubwürdigkeit sich auf die Wahrnehmung des GesundLand Vulkaneifel überträgt  Messen und Veranstaltungen: Angebotspräsentation auf touristischen und gesundheitsbezogenen Messen  Vertrieb: System sich ergänzender Vertriebswege, mit dem die diversen Zielgruppen der Bereiche Therapie, Prävention, Wellness und Erholung & Selfness spezifisch angesprochen werden. Die systematische Akquisition und Pflege von Geschäfts- und Kooperationspartnern erfolgt in den vier Produktbereichen. (Hinweis: Das Vertriebssystem befindet sich im Aufbau.)“ (a.a.O., S.23) <?page no="201"?> 202 Die perfekte Wellnessdestination Bei der Vermarktung von Thalasso stellt Die Nordsee GmbH die Emotionalisierung besonders heraus, um die wenig bekannten Produkte und Anwendungen ins Bewusstsein zu rücken: „Thalasso ist ein beratungsintensives Produkt, da der Begriff einem Großteil der Zielgruppe noch nicht vertraut ist. Es muss erklärt werden, was Thalasso bedeutet und die Produkte und Anwendungen müssen aktiv vermarktet und verkauft werden“ (Praxisleitfaden, S. 42). „Emotionalisieren Sie Ihre Vermarktung, verkaufen Sie Ihren Kunden ‚Wohlbefinden‘ und nicht einfach einen ‚Eimer Schlick‘“ (a.a.O.). Es wird empfohlen, Produktproben zum Riechen und Anfassen im Empfangsbereich bereitzuhalten und anzubieten oder beispielsweise auch mit einem Meerwasserdrink oder Meersalz- Pralinen die Gäste auf den Geschmack einer Thalassoanwendung zu bringen. Dann sollten für den Hausgast eines Hotels oder den Besucher einer Therme gleich Flyer mit Angeboten und Empfehlungen zur Verfügung stehen, vielleicht auch ein tagesaktuelles Angebot genannt werden können oder ein persönliches „Thalassorezept“ für Kunden erstellt werden, um ihm individuelle Anwendungen und Produkte zu empfehlen.  Wissen ǀ Thalasso - als ganzheitliches und sinnliches Erlebnis für das ganze Jahr über präsentieren „Erklären Sie dem Gast einfach und prägnant, aber dennoch wissenschaftlich fundiert die positiven Wirkungen von Thalasso auf Körper und Psyche. Denn Thalasso ist ein Erlebnis für alle Sinne: Man schmeckt das Salz auf den Lippen, hört die Nordseewellen am Strand, fühlt den warmen Schlick auf den Haut und riecht den Duft der wohltuenden Aromaöle. Indem Sie saisonale Angebote entwickeln, die auch inhaltlich auf die Jahreszeiten abgestimmt sind, bringen Sie Abwechslung in Ihr SPA-Menü. Machen Sie im Vertrieb auf Ihre aktuellen Angebote aufmerksam und informieren Sie Ihre Partner vor Ort.“ (PRAXISLEITFADEN (2013), S. 44) Um potentielle Gäste anzusprechen und ihnen bei einer Reiseentscheidung zugunsten eines Thalassoaufenthalts an der niedersächsischen Nordseeküste diesen ins rechte Licht zu rücken, gibt es auch die Website der Nordsee GmbH (  www.die-nordsee.de ) als Vertriebsweg. Direkt zum Thalassobereich führt der Nordsee führt eigene Internetadresse (  www.thalasso-nordsee.info ), auf der der Gast nicht nur Informationen abrufen oder Prospekte bestellen kann, sondern auch gleich Thalassoangebote der Nordsee-Gesellschafter und Partner buchen <?page no="202"?> Wellnesstourismus vermarkten 203 kann. Auch in Facebook ist Thalasso an der Nordsee vertreten (  www.facebook.de/ ThalassoNordsee ). Für Leukerbad in der Schweiz sind die Dachorganisationen Valais/ Wallis Promotion und Schweiz Tourismus wesentliche Partner für die Marktbearbeitung, zum einen für den Schweizer Markt als dem mit Abstand wichtigsten sowie den nachrangigen internationalen - als Beleg mögen die Zahlen der Übernachtungen 2016 in der Hotellerie mit 79 Prozent Schweizer, 21 Prozent ausländischen Gästen gelten, in der Parahotellerie betragen die Anteile 82 Prozent zu 18 Prozent (LEUKERBAD TOURISMUS (2016), S. 16). Wellness gehört bei Leukerbad Tourismus zu strategischen Geschäftsfeld Thermalwasser/ Gesundheit (Fokus 50+). Mit dem Partner Valais/ Wallis Promotion (VWP) verfolgt man aktuell in einem Marketingmix von verschiedenen On- und Offlinemaßnahmen folgende Hauptziele:  „Leukerbad als DIE Thermalbadedestination im Wallis zu positionieren  Schweizer Gäste über 365 Tage in die Destination zu locken  Den Anteil an Stammgästen weiter auszubauen und neue Gäste für die Destination zu gewinnen  Die perfekte Kombination unseres USP’s Thermalwasser mit dem Berg- und Schneeerlebnis weiter hervorzuheben  Unsere Bekanntheit in der Westschweiz weiter auszubauen  Die erfolgreiche Vermarktung über TV-Spots in enger Abstimmung mit VWP konnte erneut durchgeführt werden“ (LEUKERBAD TOURISMUS (2016), S. 5) Als eine Marketingmaßnahme seien die „Thermalen Gesundheitstage“ genannt, bei denen Leukerbad Tourismus mit den Partnern, die im Geschäftsfeld Thermalwasser und Gesundheit aktiv sind, diese neuntägige Veranstaltung durchgeführt hat. Mit Vorträgen und Kursen um das Thema wenden sich die Veranstalter nicht nur an Gäste, um ihnen einen Mehrwert zu bieten und in der Nebensaison die Zahl der Übernachtungen zu steigern, sondern auch an die Einheimischen, um sie für das Thema Gesundheit und Thermalwasser in Leukerbad zu sensibilisieren. Für das Auslandsmarketing profitiert Leukerbad als eine von Schweiz Tourismus offiziell zertifizierte Wellnessdestination von deren Aktivitäten, wie Präsenz auf den internationalen wie dem Schweizer Markt. So ist der Ort beispielsweise auf der Facebook-Seite von Schweiz Tourismus mit thermalwasserrelevanten Themen vertreten. Natürlich betreibt Leukerbad Tourismus auch ein eigenes Onlinemarketing und beobachtet das Nutzerverhalten auf seiner Webseite (  www.leukerbad.ch ). „Rund 49,9 % (403.161) waren im Jahr 2016 zum ersten Mal auf unserer Webseite. Es ist erfreulich, dass wir fast 50 % <?page no="203"?> 204 Die perfekte Wellnessdestination neue Besucher auf unsere Webseite lenken konnten. Insgesamt wurden über 3 Mio. (! ) Seiten aufgerufen. Zu den beliebtesten gehören die Webcams von den Thermalbädern und dem Wintersportbericht.“ (a.a.O., S. 10) Als Beispiel einer internationalen Kooperation, die ihr regionales Potential aus Natur, Kultur und Gesundheit für den globalen Wellnessmarkt ausschöpfen möchte, sei kurz auf die Aktivitäten von Alpine Wellness eingegangen. 2004 wurde von nationalen Tourismusvereinen aus Österreich, Deutschland (Bayern), Italien (Südtirol) und der Schweiz die Entwicklungsgesellschaft Alpine Wellness International GmbH gegründet. Ihr Ziel war es, Alpine Wellness als ein Premiumprodukt mit einem unverkennbaren alpinen Charakter bei Unterkunft und Wellnessanbietern zu entwickeln und als Marke aufzubauen. „‚Alpine Wellness‘ should be regarded as the European - especially Alpine - answer to the successful wellness offers originating mainly from Asia and the Orient. ‚Alpine Wellness‘ is a specialized concept and adds the specific characteristics of the European Alps to the antecedent definition of wellness“ (PECHLANER, FISCHER (2006), S. 67). Die Alpine Wellness International GmbH wurde inzwischen wieder aufgelöst und die Vermarktung ihres Labels an entsprechende nationale und regionale Marketingorganisationen übergeben. „In den vier Alpenländern sind zahlreiche Orte und Betriebe bereits zertifiziert, weitere sollen folgen. „Alpine Wellness“ stehe nicht nur für die positive Wirkung der Alpen, sondern soll die Rückkehr zu den Wurzeln und zum Wissen um die regionale Natur, Kultur und Lebensqualität bedeuten. Auch wenn „Alpine Wellness International“ künftig über die nationalen und regionalen Plattformen vermarktet wird, bleiben die Leitidee und die Zusammenarbeit bei den Themen Qualitätssicherung und Angebotsentwicklung zwischen den ehemaligen Gesellschaftern der vier Alpenländer weiter bestehen. Quelle und Infos: www.alpinewellness.com“ (  http: / / www.cipra.org/ de/ news/ 1944 ). <?page no="204"?> Wellnesstourismus vermarkten 205  Zusammenfassung ǀ Kapitel 7  Die Erwartungen der Gäste gehen zunehmend über ein kurzfristiges Wohlbefinden hinaus. Viele möchten auch Anregungen für eine bessere Gestaltung des Alltags aus dem Wellnessaufenthalt mitnehmen. Gesundheit ist mehr gefragt als ein gutes Aussehen. Wellness genießt man am liebsten mit Partner/ Partnerin.  Zum Glück ist die Gestaltung des Ambientes nicht nur reine Geschmackssache und irgendwelchen Moden unterworfen, denn es gibt auch psychologische Erkenntnisse über eine gute Gestaltung von Räumlichkeiten, die der Entspannung dienen sollen. Erster Grundsatz sollte eine optische Beruhigung für das Auge sein und dem kommt der aktuelle Trend Purismus/ Minimalismus gerade entgegen. Bei der Gestaltung von Saunalandschaften wird gerne ein Thema mit regionalem Bezug gewählt.  Nachhaltigkeit ist im Wellnessbereich gerade durch den hohen Verbrauch an Energie und Wasser eine besondere Herausforderung.  Nicht mehr nur die klassische Zielgruppe unter den Wellnessliebhabern, die Generation 50+, steht besonders im Fokus; immer mehr rücken auch die Erwachsenen 35in das Blickfeld, denn in ihrer Lebenssituation können Aspekte der Wellness durchaus die Lebensqualität erhöhen - oder wieder „fit fürs Hamsterrad“ machen.  Um dem Wellnessangebot einen Alleinstellungscharakter zu geben, bieten Regionalität und Authentizität gute Grundlagen, die kreativ umgesetzt werden können.  Oberstes Gebot ist Qualität in allen Bereichen.  Ein großer Pluspunkt für das Marketing von Wellness ist zum einen, dass sie saisonunabhängig angeboten werden kann, und sich zum anderen gut mit anderen Aktivitäten kombinieren lässt und sich so auch der ganzheitliche Ansatz des aktuellen Wellnessverständnisses umsetzen lässt. <?page no="205"?> 206 Die perfekte Wellnessdestination  Literatur ǀ Kapitel 7 BERG, W. (2008): Gesundheitstourismus und Wellnesstourismus. Oldenbourg. München. BUNDESMINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT UND TECHNOLO- GIE (Hrsg.) (2011): Innovativer Gesundheitstourismus in Deutschland. Branchenreport „Kurorte und Heilbäder“. (PDF unter www.bmwi.de) CASSENS, M. (2013): Gesundheitstourismus und touristische Destinationsentwicklung. Ein Lehrbuch. Oldenbourg, München. DIE NORDSEE GMBH (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schortens. GbR GESUNDLAND VULKANEIFEL (Hrsg.) (2011): Informationsbroschüre mit praktischem Leitfaden zur Produktentwicklung. Daun. HARTMANN, R. (2014): Marketing in Tourismus und Freizeit. UVK Lucius/ UTB, München. ILLING, K. (2009): Gesundheitstourismus und Spa-Management. Oldenbourg München. KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. Erich Schmidt Verlag, Berlin. KREMPEL, O. (2006) Produktideen für Kur- und Wellnessbetriebe. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 25-19. Erich Schmidt Verlag, Berlin. KYRER, A.; POPULORUM, M. A. (Hrsg.) (2008) Trends und Beschäftigungsfelder im Gesundheits- und Wellnesstourismus. Berufsentwicklung, Kompetenzprofile und Qualifizierungsbedarf in wellness-bezogenen Freizeit- und Gesundheitsberufen. LIT Verlag, Wien. LAUPRECHT, C.; RESPONDECK, M. (2006): Relative Bedeutung und Einsatz von Hard-, Soft- und Humanware im Wellness-Unternehmen. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 109- 120. Erich Schmidt Verlag, Berlin. <?page no="206"?> Wellnesstourismus vermarkten 207 LEUKERBAD TOURISMUS (2017): 102. Jahresbericht 2016. Leukerbad. LINSER, F. (2006): Bedürfnisse des Wellnessgastes. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 103-108. Erich Schmidt Verlag, Berlin. DIE NORDSEE GMBH (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schortens. PECHLANER, H.; FISCHER, E. (2006): Alpine Wellness: A Resourcebased View. In: Tourism Recreation Research Vol. 31 (1). S. 67-77. REIN, H.; STRASDAS, W. (Hrsg.) (2017): Nachhaltiger Tourismus. 2. Aufl. UVK Lucius/ UTB, München. RULLE, M.; HOFFMANN, W.; KRAFT, K. (2010): Erfolgsstrategien im Gesundheitstourismus. Analyse zur Erwartung und Zufriedenheit von Gästen. Erich Schmidt Verlag, Berlin. SCHLETTERER, H. (2006): Design und Ästhetik von Wellnessanlagen. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 145-152. Erich Schmidt Verlag, Berlin. SCHWARZWALD TOURISMUS GmbH (Hrsg.) (2016): Kurzfassung Marketingkonzept 2020. Freiburg. WAGNER, S. (2006): Nachfrageverhalten bei Kur und Wellness. In: KRCZAL, A.; WEIERMAIR, K. (Hrsg.) (2006): Wellness und Produktentwicklung. Erfolgreiche Gesundheitsangebote im Tourismus. S. 49-66. Erich Schmidt Verlag, Berlin. WIESNER, K. (2007): Wellnessmanagement. Angebote, Anforderungen, Erfolgsfaktoren. Erich Schmidt Verlag, Berlin. WIESNER, K. (2009): Wellnessmanagement zwischen Wellnepp und Medical Wellness. In: FISCHER, T; SCHULZ, A. (Hrsg.): Handbuch Gesundheitstourismus. Grundlagen in Gesundheit, Freizeit und Tourismus. S. 91-102. Shaker Verlag, Aachen. <?page no="207"?> 208 Die perfekte Wellnessdestination  Websites Wellness-Trends 2017: https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness-trends-2017 Garten der Sinne: http: / / www.garten-der-sinne.eu/ index.html Wellness-Sensor: http: / / www.wellnessverband.de/ wellnessprofis/ infodienste/ marktdaten/ 100308_wellnessensor.php GesundLand Vulkaneifel: www.gesundland-vulkaneifel.de Schwarzwald Balance: https: / / www.schwarzwald-tourismus.info/ presse/ Pressemeldungen-nach- Themen/ Wellness/ Schwarzwald-Balance-Wellness-aus-dem-Wald Wellness- und Gesundheitstourismus in Rheinland-Pfalz: https: / / rlp.tourismusnetzwerk.info/ inhalte/ marketing/ marketingthemen/ gesundheit wellness/ Rheinland-Pfalz Tourismus, Von der Zielgruppe zur Persona: https: / / rlp.tourismusnetzwerk.info/ download/ 2016-05-18_Kurzfassung- Zielgruppen_Tourismusnetzwerk.pdf Nordsee: www.die-nordsee.de www.thalasso-nordsee.info Leukerbad, Schweiz www.leukerbad.ch Alpine Wellness: www.alpine-wellness-hotels.com www.cipra.org/ de/ news/ 1944 <?page no="208"?> 8 Qualitätssiegel und Labels Siegel, die geprüfte Qualität rund um Wellness versprechen, sind nicht unbedingt Mangelware. Aber wer prüft die Prüfer? Auch im Wellnessbereich gibt es „selbstgestrickte“ Qualitätssiegel, bei denen Prüfer - womöglich noch aus dem eigenen Umfeld - etwas kritisch unter die Lupe genommen haben wollen und anschließend, ohne ihre Kriterien offengelegt zu haben, ein Qualitätssiegel vergeben - das vielleicht auch noch von „ewiger“ Gültigkeit! ? Grundlage einer seriösen Zertifizierung ist zum einen der Prüfprozess durch eine unabhängige wie in diesem Bereich kompetente Institution, die ihre Kriterien offenlegt. Zum anderen kann ein seriöses Qualitätssiegel nur für eine klar begrenzte und relativ kurze Zeit von wenigen Jahren gelten, denn auch Qualität ist vergänglich.  Auf einen Blick In diesem Kapitel werden folgende Aspekte und Fragen behandelt:  Welche Kriterien werden für eine Zertifizierung im Wellnessbereich geprüft?  Wie steht es um die Unabhängigkeit der prüfenden Institutionen?  Welchen Wert hat eine erfolgreiche Zertifizierung - für den Gast, für den Betrieb?  Regionalität, Individualität und Authentizität können auch bei der Zertifizierung eine Rolle spielen. 8.1 Deutscher Wellness Verband e.V. Als Erster auf dem deutschen Markt setzt sich der Deutsche Wellness Verband e.V. mit Sitz in Düsseldorf seit den frühen 1990er-Jahren für Transparenz und geprüfte Qualität im „Wellnessdschungel“ ein. 1992 hat der Verband - nach eigener Auskunft - erstmals die Bezeichnung „Wellnesshotel“ in den Sprachgebrauch eingeführt und im folgenden Jahr die ersten Qualitätsstandards für diese spezialisierte Hotellerie festgelegt. Neben dem Engagement für Qualität in der Wellnessbranche hat es sich der Verband auch zu seiner Aufgabe gemacht, den damit verbundenen Etikettenschwindel aufzudecken und mit Hilfe von <?page no="209"?> 210 Qualitätssiegel und Labels Medienarbeit für Bewusstsein sowie Wissen bei den potentiellen Gästen zu sorgen. 2002 startete der Deutsche Wellness Verband e.V. eine zweite Qualitätsoffensive mit dem Ziel eines anerkannten Wellnesszertifikats. Dabei führt der Verband die Zertifizierungen jedoch nicht selber durch, sondern externe Sachverständige von ausgewiesenen und dafür selbst zertifizierten Unternehmen für Qualitätsprüfungen und Qualitätssicherung im Wellnessbereich leiten den Zertifizierungsprozess. Zu dieser Zertifizierung unter der Vorgabe „Klasse statt Masse“ gehören die Unabhängigkeit des Verbands, Kompetenz der Prüfer, Werthaltigkeit der Zertifizierung, Mindestvoraussetzungen für die Zertifizierung, ein Abwicklungsprocedere, Basis- oder Premium-Zertifikat nach Auswahl, die Vorbereitung und Bewerbung für die Zertifizierung und schließlich die Prüfsiegel (vgl.  http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ zertifizierung.php ). Bei einem bestandenen Test wird das „Deutsches Wellness Zertifikat“ als Basis- oder auch Premium-Zertifikat verliehen. Es ist zwei Jahre gültig und kann dann auf Antrag des Betriebs „im vollen Umfang“ neu überprüft werden.  Praxis ǀ Offizielle Tester und Mystery Check „Will ein Hotelier das Qualitäts-Zertifikat des Deutschen Wellness Verbandes, so entscheidet er sich zunächst, ob er sich um ein Basis- oder um ein Premium-Zertifikat bewerben möchte. Für das Basis-Zertifikat müssen 75 % der rund 600 Prüfkriterien erfüllt werden. Dabei kommt der Prüfer nicht anonym, sondern als Inspektor. Das Basis-Zertifikat bescheinigt also einen guten Grundstandard. Es signalisiert dem Gast, dass es sich tatsächlich um ein Wellnesshotel mit entsprechender Ausrichtung, Infrastruktur, Programmauswahl und Mitarbeiterqualifikation handelt. Für das Premium-Zertifikat müssen ebenfalls mindestens 75 % der rund 1.500 Prüfkriterien erfüllt werden. Der Prüfer kommt unangemeldet und anonym. Er bleibt zwei bis drei Tage im Hotel. In großem Umfang werden die Dienstleistungen in allen Abteilungen des Hotels - insbesondere im Wellness- und Spa-Bereich - kritisch unter die Lupe genommen. Das Premium-Zertifikat erhöht die Sicherheit für den Gast, dass es sich um ein wirklich gutes Wellnesshotel handelt.“ (  http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ faq.php ) <?page no="210"?> Deutscher Wellness Verband e.V. 211 Drei Prüfbereiche sind dabei im Fokus der Sachverständigen, die stets aus der Perspektive des Gastes den Betrieb unter die Lupe nehmen:  „Bereich Hotel (Rezeption, öffentliche Bereiche, Zimmer, Außengelände)  Bereich Essen & Trinken (Restaurants, Bars, Fitness-/ Wellness-Bar)  Bereich Wellness-Anlagen (Badelandschaft, Saunalandschaft, Fitness, Relax, Kosmetik, Anwendungen und Behandlungen, Gruppenprogramme, Trainings, CheckUps, Aufenthaltsbereiche innen/ außen)“ (  http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ faq.php ) „Jeder dieser Bereiche wird nach folgender Prüfsystematik durchgecheckt:  Informations- & Servicequalität  Kundenfreundlichkeit & Fachkompetenz  Ausstattung & Angebot  Funktion & Qualität  Pflege & Sauberkeit  Gesundheits- & Umweltschutz  Erwartung & Erfüllung“ (a.a.O.) Hierzu gehören bei einer Badelandschaft unter anderem folgende Kriterien, die anonym getestet werden:  „Öffnungszeiten (ideal: 7: 00 bis 22: 00 Uhr)  Zugang/ Sicherheit (z.B. Erreichbarkeit vom Zimmer; Schließsysteme; Trennung Schuh-/ Nassbereich etc.)  Ambiente (u.a. stressreduzierend; Lärmschutz)  Schutz vor Tabakrauch (im ganzen Wellnessbereich! )  Ausstattung (Umkleiden, Pools, Saunen, Dampfbäder, Duschen, Sanitäreinrichtungen etc.)  Wartung, Pflege, Hygiene, Sauberkeit aller Einrichtungen im Nassbereich  Information (z.B. Öffnungszeiten; Zugang; nackt/ textil; zusätzliche Kosten/ Münzen; Programmangebot, Erläuterung der Aktivitäten etc.)  Service (z.B. kostenlose Badeschuhe und Bademäntel, zwei Handtücher täglich; Vortritt vor Außerhaus-Gästen)  Funktion (z.B. Sauna: wie angekündigt geöffnet; richtige Betriebstemperatur; Aufgusssystem vorhanden; Beleuchtung; Sanduhr; Messinstrumente; Fußbecken, Tauchbecken) <?page no="211"?> 212 Qualitätssiegel und Labels  Programmangebot (welche Wellness-Aktivitäten werden im Nassbereich angeboten; Gruppenangebote, Individualangebote)  Fachkompetenz der Wellness-Mitarbeiter im Nassbereich (z.B. beim Aquajogging: Zeugnisse, die Befähigung für entsprechende Angebote nachweisen (diese werden schon in der Vorprüfung per Selbstauskunft erfasst); Anamnese und Abklären von Kontraindikationen; Erklärung der Übungen; Hinweis auf persönliche Grenzen; Eingehen auf Kundenwünsche/ -bedürfnisse; keine Überforderung eines Gastes; Wellness-Tipps für Zuhause)“ (a.a.O.) Aber auch das Preis-Leistungs-Verhältnis im zu untersuchenden Betrieb wird gecheckt, um dem Gast Beurteilungshilfen für das Preisgefüge zu geben. „Viele Gäste wissen aufgrund mangelnder Erfahrung gar nicht, was sie für ihr Geld erwarten dürfen - weder im Hotel, noch in den Wellnessabteilungen. Dies wird zum Teil von Anbietern missbraucht“ (a.a.O.) „Auch im Wellness-Bereich werden teilweise nicht gerechtfertigte Preise verlangt. Anwendungen, die eine persönliche Betreuung bzw. Behandlung durch fachlich qualifizierte Mitarbeiter erfordern, müssen dem Gast selbstverständlich berechnet werden. Aufgrund unserer Erfahrungswerte sind Behandlungspreise von ca. 1 Euro/ Minute angemessen. Sobald die persönliche Betreuung nicht gegeben ist, sollte der Preis auch niedriger sein. Hochspezialisierte Top-Experten können für ihre Arbeit auch höhere Preise verlangen“ (  http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ faq.php ). 8.2 Wellness-Hotels & Resorts 1997 schlossen sich deutsche und österreichische Wellnesshotels der 4- und 5- Sterne-Kategorien unter dem „Wellness-Baum“ als Logo zusammen zur Wellness-Hotels & Resorts GmbH. Die Gesellschaft mit Sitz in Düsseldorf stellte Kriterien auf, die für eine erfolgreiche Zertifizierung erfüllt werden müssen. Als unabhängige Institution führt der TÜV Rheinland die Prüfung der Bewerber durch. Nach eigenem Verständnis bürgt der Wellness-Baum „u.a. für ruhige Naturlage, mindestens vier Sterne-Niveau, attraktive und gepflegte Wellness-Bereiche, geschultes Personal, nachhaltigen Umgang mit Energieressourcen und eine spezielle Wellness-Vital-Küche“ (  https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness_hotels_deutschland_gepruefte_qualitaet ). <?page no="212"?> Wellness-Hotels & Resorts 213  Praxis ǀ Der „Wellness-Baum“ wächst und gedeiht auch in anderen Biotopen „Die von uns entwickelten Wellness-Kriterien setzen in der Branche Standards, an denen sich auch die beiden größten deutschen Hotelverbände DEHOGA und IHA orientieren: Sie haben die Kriterien unseres „Wellness-Baums“ als Maßstab für die offizielle Definition eines Wellness- Hotels in Deutschland übernommen“ (  https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ wellness_hotels_deutschland_gepruefte _qualitaet ) Neben den erwartbaren Kriterien wie u.a. „klare Ausrichtung auf den Wellness- Gast, umfassend qualifizierte und freundliche Mitarbeiter in allen Hotelbereichen, attraktive, gepflegte Spa- und Wellness-Bereiche, Wellness-Vital-Küche auf Gourmet-Niveau, vertragliche Verpflichtung des Hotels zur fortlaufenden Qualitätsprüfung und Qualitätssicherung in allen Bereichen“ (a.a.O.) wird besonderer Wert auf „Kultur- und Erlebnisangebote sowie ein umweltbewusstes Hotelmanagement“ gelegt. Zu den Kultur- und Erlebnisangeboten gehört das Einbeziehen der Natur. Nicht nur die naturnahe Lage „ in der freien Natur, in oder an einem Park gelegen (z.B. Kurpark) oder höchstens fünf Minuten Gehweg Natur-/ Parkanbindung“ (a.a.O.) werden verlangt, sondern auch Bewegung unter freiem Himmel wie u.a. Nordic Walking oder andere Outdoor-Aktivitäten müssen angeboten werden. Durch die Hotelstandorte in den unterschiedlichen Landschaften Deutschlands lassen sich Wanderurlaub und Wellness in Angeboten kombinieren. Die Nähe zu Seen und dem Meer bieten das Einbinden von Wassersport, die Lage im Gebirge das Einbeziehen von Wintersport. Auch die Möglichkeiten zum Reiten oder Golfspielen in der Umgebung von Wellnesshotels bestehen vielerorts. Zu den sportlichen Aktivitäten, die individuell gebucht und durchgeführt werden können, kommt ein Erlebnisprogramm zur „Förderung des Gemeinschaftserlebnisses ohne Gruppenzwang innerhalb oder außerhalb des Hauses (z.B. Wanderungen, Veranstaltungen o.ä.)“ (a.a.O.). Entspannung durch Bewegung - je nach Saison und Wetterlage draußen oder drinnen - umfasst nach dem Kriterienkatalog auch die Gelegenheiten, Yoga, Qigong oder Tai-Chi im Wellnessurlaub zu lernen, um es dann in seinen Alltag zu integrieren. Bei einer Zertifizierung für die Aufnahme in die Wellness-Hotels & Resorts ist auch die praktizierte Nachhaltigkeit ein Bereich, der bei den Kandidaten geprüft wird. Zur umweltbewussten Betriebsführung gehören nicht nur Maßnahmen zur Wasser- und Energieeinsparung, ein Abfallmanagement, der Einsatz <?page no="213"?> 214 Qualitätssiegel und Labels umweltfreundlicher Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel sowie die entsprechenden Schulungen der Mitarbeiter, sondern auch die Sensibilisierung der Gäste für Nachhaltigkeit während ihres Wellnessurlaubs: „Der Gast erhält Hinweise, wie er sich umweltschonend verhalten kann“ (a.a.O). Bei den erforderlichen emissionsfreien Bereichen im Hotel ist man - Ende 2017 - noch nicht ganz auf dem neuesten Stand, wenn man verlangt, dass es „ausgewiesene rauchfreie Bereiche in Restaurants“ geben muss. Ein „festes Kontingent an ausgewiesenen Nichtraucher-Zimmern“ ist längst auch schon außerhalb der Wellnesshotellerie gang und gäbe. Spezifisch und sicherlich auch im Interesse zahlreicher Gäste im Wellnesshotel sind geforderte beschallungsfreie Bereiche (Ruheräume und/ oder Bibliothek) sowie beduftungsfreie Zonen. 8.3 Wellness Stars In den Jahren 2003/ 4 entwickelte die HKM Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart das Qualitätssiegel Wellness Stars. Auch wenn man sich laut Pressemitteilung vom 27.09.2017 als „die größte Zertifizierungsmarke im Wellnessbereich deutschlandweit“ bezeichnet, liegt der Schwerpunkt der zertifizierten Betriebe eindeutig im Südwesten Deutschlands. Zu den 100 zertifizierten Unternehmen gehören 50 Hotels (43 davon in Baden-Württemberg), 37 Thermen (20) sowie 13 Medical-Wellness-Betriebe (8). Wie aus der Aufzählung hervorgeht, werden mit diesem Qualitätssiegel nicht nur Wellnesshotels, sondern auch Thermen und Einrichtungen der Medical-Wellness ausgezeichnet; bei diesen wird zwischen Medical-Wellness-Stars- Thermen und Medical-Wellness-Stars-Kliniken, Sanatorien, Hotels sowie Gesundheits- und Rehabilitationszentren unterschieden. Zum einen prüft die Wellness Stars Deutschland GmbH die Bewerber für eine Erstwie Nachzertifizierung. „Die Kriterien werden kontinuierlich durch einen Fachbeirat, der sich aus Betrieben der jeweiligen Segmente (Hotels, Thermen, Kliniken) zusammensetzt, fortgeschrieben und den aktuellen Kundenerwartungen angepasst“ (Wellness Stars Katalog 2016, S. 6). Dabei werden in den Betrieben ca. 400 Kriterien - Mindestkriterien, die erfüllt werden müssen, sowie weitere Punkte gebende Kriterien - überprüft. „Die Bewertung erfolgt aus der Perspektive des Gastes. Geprüft werden im Wellness-Bereich unter anderem die Ausstattung, die Durchführung der Wellness-Anwendungen, die Qualifikation des Personals und der Servicegedanke der Einrichtung. Ebenso wichtig sind Authentizität, Wellness-Kompetenz, ganzheitliche Angebote, der Aspekt der Regionalität und der Nachhaltigkeit. Es wird ausschließlich die tatsächlich vorhandene Qualität geprüft“ (a.a.O). <?page no="214"?> Wellness Stars 215 Zusätzlich führen unabhängige Tester der TÜV Rheinland Cert GmbH in regelmäßigen Abständen Mystery Checks durch mit dem Schwerpunkt der Qualitätsüberprüfung des Spa-, Wellness- und Behandlungsbereichs. Die für drei Jahre gültigen Qualitätseinstufungen werden in den Segmenten von 3 bis 5 Wellness-Sternen vergeben, die dem Gast Hilfestellung bieten, Betriebe miteinander zu vergleichen. Zu den 400 Qualitätskriterien der Wellness-Stars-Hotels gehören beispielsweise bei den Grundvoraussetzungen als Minimum ein 3-Sterne-Standard der Deutschen Hotelklassifizierung. Die Wellnessphilosophie muss im ganzen Haus spürbar sein. Neben den erwartbaren Kriterien abgestuft nach den Bedingungen für eine 3bis 5-Wellness-Sterne-Klassifizierung wie Ausstattung des Wellnessbereichs, Angebote an Behandlungen und Kompetenz der Mitarbeiter werden auch regional spezifische Anforderungen gestellt. Individualität bzw. Regionalität und Authentizität sind gefordert. Dazu gehört schon einmal die Einbindung in die Landschaft, indem der Wellnessbereich direkt an einer Grünfläche oder einem Park liegen muss. Durch ihre Lage im ländlichen Raum lässt sich der Panoramablick in die Umgebung für viele dieser Betriebe realisieren und auch inszenieren, wie beispielsweise mit der Baumhaus-Sauna des 4- Wellness-Sterne-Hotels Tanne in Baiersbronn und dem Blick in ein Schwarzwaldtal. Gleiches bietet sich auch bei Kräuterbädern in Holzwannen unter freiem Himmel, die aus Tannenstämmen herausgearbeitet wurden. Elemente des Schwarzwälder Alltags wurden als „Tonbacher Waldbad“ im gesamten Wellnessbereich kreativ umgesetzt (→ Kap. 4.3). Im Food-&-Beverage-Bereich wird Regionalität erwartet, indem die gesundheitsorientierten Menüzusammenstellungen auf regionalen und saisonalen Produkten basieren. Zur Authentizität trägt natürlich auch die Gestaltung des Wellnesswie des übrigen Hotelbereichs bei, indem man entweder auf klassische regionale Materialien und Mobiliar in der Ausstattung setzt, oder aber diese Grundlagen modern interpretiert, wobei der Bezug zur Landschaft und ihren unverwechselbaren Traditionen trotzdem erkennbar bleibt, wie z.B. im 4-Wellness-Sterne Seehotel Wiesler in Titisee. Regionalität und Individualität zeigt sich in diesem Betrieb auch in hoteleigenen Kosmetiklinien für Wellness- und Beautyanwendungen, die auf der Basis von Schwarzwälder Produkten entwickelt wurden (→ Kap. 4.8). Auch das Segment der Wellness-Stars-Thermen wird in Betriebe mit 3-, 4- oder 5-Wellness-Stars unterteilt. Dabei werden neben der Ausstattung, dem Angebot an Wasserflächen, Saunen und Anwendungen auch der Service, die Kundenorientierung, die Sicherheit und Sauberkeit in den einzelnen Bereichen bewertet. „Aber auch die naturnahe Lage, ausreichender Parkraum, die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV sowie die Einzigartigkeit der Architektur fließen in die Gesamtbewertung ein“ (a.a.O., S. 8). Die größten Unterschiede zwischen den <?page no="215"?> 216 Qualitätssiegel und Labels Sterne-Kategorien bestehen in der zeitlichen Dauer von Angeboten und Serviceleistungen während eines Tags, so müssen beispielsweise der Wasserbereich und der Saunabereich bei einer 3-Wellness-Stars-Therme acht Stunden täglich geöffnet sein, bei je einem Stern mehr erhöht sich die Zahl um je zwei Stunden. Eine entsprechende Staffelung gilt es auch für die tägliche Öffnung des Anwendungs- und Beauty-Bereichs von vier bis acht Stunden. Keine grundsätzlichen Unterschiede gibt es in den Anforderungen bei den Aspekten Sicherheit und Sauberkeit, Umkleidebereich sowie der Gastronomie. Ein Kiosk, Bistro oder Restaurant sind gefordert, ebenso ein durchgehendes Angebot an „Vitalgerichten“ und zu allen Mahlzeiten auch ein vegetarisches Gericht. Unterschiedliche Mindestnoten müssen beispielsweise beim Gesamteindruck erreicht werden, der die Therme nach Ausstattung, Material, Farbgebung, Raumkonzept, Architektur, Authentizität, Dekoration, Düfte und Sauberkeit beurteilt. Kundenorientierung, Qualitätsmanagement und Nachhaltigkeitsmanagement sind weitere Kriterien einer Klassifizierung. Als Beispiele für das Einbeziehen der direkten Umgebung, der Geschichte und der Region vor allem in die Architektur sollen drei aktuell als 5-Wellness-Stars eingestufte Thermen in Baden-Württemberg genannt werden (mehr → Kap. 4.3 und → Kap. 4.4). Diese drei Anlagen belegen auch, dass es möglich ist, Individualität in der Außenwie Innenarchitektur zu zeigen, dass nicht unbedingt funktionales modernes Design nötig ist, um die begehrten Punkte zu sammeln. Die Cassiopeia Therme in Badenweiler befindet sich zum einen neben den Ruinen einer antiken römischen Therme, zum anderen wurden Teile des Markgrafenbads (erbaut 1874/ 75) in den modernen Badetempel integriert, der wiederum Gestaltungsweisen der Antike aufgreift. Ein vollständig erhaltenes historisches Bad kann ebenso, wenn die Technik auf den modernsten Stand gebracht wurde und es den weiteren Anforderungen entspricht, den 5-Sterne-Wellness-Star- Status erhalten, wie es das Palais Thermal in Bad Wildbad beweist. An das historische Graf-Eberhard-Bad von 1847 im maurischen Stil mit Jugendstilelementen wurde zusätzlich eine umfangreiche Wellnesslandschaft in zeitgenössischer Gestaltung angebaut. Bei der Therme Vita Classica in Bad Krozingen verfügt man nicht über historische Architektur, dafür hat man hier für Wellnesserlebnisse aus aller Welt das passende Ambiente geschaffen: So findet die japanische Wellnessanwendung, für deren Authentizität Recherchen und Kontakte nach Japan stattfanden, in entsprechend gestalteten Räumlichkeiten samt angrenzendem japanischen Garten statt. Ähnliches wird dem Gast beim Eintauchen in die indische, türkische und marokkanische Wellnesskultur geboten. Die Anforderungen an Betriebe, die sich zu den Medical Wellness Stars zählen wollen, bieten ihren Gästen „ein auf sie abgestimmtes Präventions- und Gesundheitsangebot in einem Wohlfühlambiente mit medizinisch-therapeu- <?page no="216"?> Kneipp-Bund Gütesiegel 217 tischer Betreuung unter ärztlicher Aufsicht. Ortstypische Heilmittel sind Bestandteil der Programme“ (KATALOG WELLNESS STARS 2016, S. 7). 500 Qualitätskriterien sind hier zu erfüllen, es wird ebenso zwischen einem 3-, 4- und 5-Wellness-Stars-Niveau unterschieden. 8.4 Kneipp-Bund Gütesiegel Die verschiedenen Einrichtungen, die sich dem Kneipp-Gesundheitskonzept (→ Kap. 4.1, → Kap. 4.7, → Kap. 5.1 und → Kap. 5.3) verschrieben haben und dies unterschiedlichen Zielgruppen nahebringen, können sich vom Kneipp- Bund zertifizieren lassen. Die Mitgliedschaft in einem Kneipp-Verein ist Voraussetzung. Zu diesem breiten Spektrum zählen - in alphabetischer Reihenfolge - Badebetriebe, Campingplätze, Gästehäuser, Gesundheitshöfe, Kindertageseinrichtungen, Kurbetriebe, Schulen und Senioreneinrichtungen sowie weitere Einrichtungen (  https: / / www.kneippbund.de/ guetesiegel-zertifizierung/ ). Die Prüfungen für eine Zertifizierung führen Qualitätsbeauftragte des Kneipp-Bunds durch. Nach bestandener Prüfung gilt das Gütesiegel für vier Jahre, alle zwei Jahre muss der Betriebsinhaber schriftlich eine Selbstauskunft als Nachweis der Erfüllung aller geforderten Kriterien geben. Nach dem Gesundheitskonzept geht es um die fünf Elemente der Kneipplehre Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen und Lebensordnung, die je nach Funktion des Betriebs entweder als Therapie bzw. Rehabilitation oder als Prävention bzw. Entwicklung/ Einüben eines gesundheitsförderndes Alltagsverhalten angewandt werden. Die Badebetriebe, die das Gütesiegel des Kneipp- Bunds anstreben, müssen sich nicht in einem Kneipp-Kurort befinden, aber es werden an sie dieselben Anforderungen gestellt, wie an diejenigen in Kneipp- Kurorten. Die Betriebsformen, die sich dem Wellnesstourismus zuordnen lassen und bei denen die Anwendung des Kneipp-Gesundheitskonzepts präventiven wie pädagogischen Charakter besitzt, sollen im Folgenden mit ihren spezifischen Anforderungen für eine erfolgreiche Zertifizierung skizziert werden. Für gesundheitsbewusste Ferien bieten sich Gästehäuser, Gesundheitshöfe und auch Campingplätze an. Als Standorte für Gästehäuser eignen sich streng genommen nur ländliche Räume, da diese das richtige Umfeld für die Anforderungen „Bewegung in der Natur, gesunde Ernährung, frisches Wasser, zur Ruhe kommen, dem Alltagsstress entfliehen, Körper, Seele und Geist in Einklang bringen“ (a.a.O.) bieten können. Weitere Voraussetzung ist die Klassifikation mit mindestens 3 Sternen <?page no="217"?> 218 Qualitätssiegel und Labels nach DEHOGA oder DTV. Bei den Gästehäusern (  https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneipp-bund/ dokumente/ guetesiegel_zertifizierung/ Richtlinien_2014/ Richtlinien_Gaestehaus_2014.pdf ) wird bei der Einrichtung Wert darauf gelegt, dass die Möblierung bevorzugt aus dem Naturmaterial Holz gefertigt wurde. Zur spezifischen Ausstattung gehört Gesundheitsliteratur für den Gast. Wichtigste Vorgabe bei der Einrichtung ist die Ausstattung des Hauses bzw. Zimmer mit den Anlagen zur Wassertherapie für Schlauchgüsse, Arm- und Fußbäder. Zu den Außenanlagen, die naturnah und selbstverständlich gepflegt sein sollen, gehören die Möglichkeiten zum Tau laufen, Wassertreten, Armbaden und Ruhen. Daneben müssen einige Sportgeräte für Aktivitäten draußen wie drinnen den Gästen zur Verfügung stehen. Das weitere Angebot wird ebenso von den fünf Elementen der Kneipp-Gesundheitslehre bestimmt, d.h. die Verpflegung sollte überwiegend vollwertig sein, die Produkte möglichst aus der Region stammen. Regelmäßige Informationen in Form von Gesprächsrunden, Vorträgen, praktischen Demonstrationen und Beratung müssen angeboten werden. Der Betriebsinhaber muss den Abschluss Kneipp-Gesundheitstrainer der Sebastian-Kneipp-Akademie nachweisen und für seine Angebote entsprechend qualifiziertes Personal engagieren. Bei den Gesundheitshöfen handelt es sich um Bauernhöfe, die gesundheitsbewussten Urlaub nach Kneipp anbieten (  https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneipp-bund/ dokumente/ guetesiegel_zertifizierung/ Richtlinien_2014/ Richtlinien_Gesundheitshof_2014.pdf ). Besonders bei den Außenanlagen soll sich das Charakteristische eines Bauernhofs widerspiegeln. Erwartet werden ein ökologisch bewirtschafteter Hausgarten mit Kräuterbeet sowie die Möglichkeiten zum Umgang mit Haus- und Kleintieren. Besonders reizvoll dürften die Möglichkeiten zum Tau laufen, Wassertreten oder Armbaden in Hofnähe sein, wofür die Natur direkt, wie z.B. Gewässer, genutzt werden können - soweit alles zur Unfallverhütung getan wurde (vgl. a.a.O.) Für Campingplätze stellt der Kneipp-Bund die Anforderungen, dass sie nach den Qualitätskriterien von DTV, DCC oder ADAC mit mindestens 3 Sternen klassifiziert sind und „auf naturnahem Gelände mit ansprechenden Grünanlagen in ruhiger ländlicher Umgebung“ liegen (  https: / / www.kneippbund.de/ fileadmin/ user_upload/ kneipp-bund/ dokumente/ guetesiegel_zertifizierung/ Richtlinien_2014/ Richtlinien_Campingplatz_2014.pdf ). Zur spezifischen Ausstattung, wie sie auch zu anderen Kneipp-Einrichtungen gehören, wie die Anlagen für die verschiedenen Anwendungen der Wassertherapie, kommen hier noch mindestens ein Gruppenraum, eine Leseecke mit Gesundheitsliteratur sowie ein zweckmäßig ausgestatteter Gymnastikraum hinzu. Für Bewegung an der frischen Luft müssen Spiel- und Sportgeräte zur Verfügung stehen und „die Außenanlagen haben Aufforderungscharakter“ (a.a.O.). Wie beim Gesundheitshof soll sich auf dem Gelände auch ein Kräuter- und Duftgarten befinden. Die Angebote zur Ferien- <?page no="218"?> Zertifizierungen Thalasso 219 gestaltung orientieren sich an den fünf Elementen der Kneipp-Gesundheitslehre und sollen gleichermaßen Kinder, Jugendliche und Erwachsene ansprechen. „An mindestens zwei Tagen pro Woche finden mindestens drei verschiedene Bewegungsangebote und mindestens zwei Entspannungsangebote statt“. Zusätzlich gibt es „Angebote zu Aktivitäten wie Kräuterwanderungen, Tanz, Meditation, Spielen, Kreativworkshops, Musik und Ausflügen sowie Vorträge zu Kneipp’schen Themen, Ausleihe von Gesundheitsliteratur sowie Beratung und Tipps zu den fünf Elementen“ (a.a.O.). Das Streben nach gesunder Ernährung macht natürlich auch nicht vor dem Kiosk oder Laden des Campingplatzes halt: Hier wird ein Sortiment „möglichst aus vollwertigen, vielseitigen und naturbelassenen Lebensmitteln“ erwartet, vielleicht noch um eine Tee- oder Saftbar bereichert. Fachliche Kompetenz bei den Mitarbeitern des Campingplatzes und/ oder eine Zusammenarbeit mit ortsansässigem medizinischem Personal garantieren die korrekte Ausführung von Anwendungen. Die Qualitätssicherung wird auch auf einem vom Kneipp-Bund zertifizierten Campingplatz in allen Bereichen statt. 8.5 Zertifizierungen Thalasso Im Bereich der Thalassoanwendungen gibt es noch die Anlaufschwierigkeiten einer geographisch weiter reichenden Zertifizierung. „In Deutschland soll die Thalasso-Therapie unter dem Begriff ‚Original-Thalasso-Therapie‘ als Marke herausgearbeitet werden. Hinter diesem Bestreben steht der Verband Deutscher Thalasso-Zentren e.V. mit Sitz in Rostock. Der bereits im Jahr 2001 gegründete Verband vertritt vier große Thalasso-Einrichtungen an Nord- und Ostsee und hat ein eigenes Zertifizierungssystem für ‚Original-Thalasso-Zentren‘ entwickelt“ (DIE NORDSEE (2013), S. 18). Doch noch 2013 muss man in dieser Publikation feststellen, dass sich „bisher weder auf Einrichtungsnoch auf Ortsebene ein einheitliches Qualitätssystem in Deutschland durchsetzen“ konnte (a.a.O). Um seriöse Thalassoanbieter von fragwürdigen unterscheiden zu können und verbindliche Qualitätsstandards durchzusetzen, hat sich die Region der Niedersächsischen Nordsee (→ Kap. 3.2) auf europäischer Ebene zertifizieren lassen. Das unabhängige Europäische Prüfinstitut Wellness & Spa e.V. (EPWS e.V.) hat 2014 diese Küstenregion als „Zertifizierte Thalasso Region Niedersächsische Nordsee ® “ anerkannt. Die Zertifizierung gilt für drei Jahre. Zu den acht Kriterien, die gleichermaßen medizinische Aspekte sowie solche der Wellness umfassen, gehören europaweit gültig folgende: <?page no="219"?> 220 Qualitätssiegel und Labels  „Es gibt ein therapeutisches Konzept für definierte Indikationen unter ärztlicher Betreuung.  Der Behandlungsort liegt direkt am Meer und in unmittelbarem Einfluss des Meeresklimas.  Meerwasser steht zum Inhalieren und/ oder Baden zur Verfügung.  Es werden Anwendungen mit Meeresprodukten wie Schlick oder Algen angeboten.  Heliotherapie nutzt die natürliche Sonnenstrahlung. Bei ungünstigen Wetterverhältnissen können künstliche UV-Strahlen das Sonnenlicht ersetzen.  Die schadstoff- und allergenarme Seeluft wird für ausgedehnte Frischluft- Aufenthalte genutzt.  Dosierte Aufenthalte und Training in der Brandungszone.  Begleitende gesundheitsfördernde Maßnahmen mit den Schwerpunkten Entspannung, gesunde Ernährung und Bewegung.“ (Praxisleitfaden (2013), S. 18. Es erfolgt eine Überprüfung des Thalassostandorts auf drei Ebenen: [1] Gesundheitsbzw. Thalassoinfrastruktur [2] Kooperationspartner Gesundheitsbereich [3] Kooperationspartner Beherbergungsbereich Dabei setzen diese thalassospezifischen Qualitätsstandards bereits etablierte Qualitätssysteme wie die Initiative ServiceQualität Deutschland, die Sterne- Klassifikation des DTV und des DEHOGA sowie die staatliche Prädikatisierung der Kurorte voraus. Nur Thalassoangebote von Orten, die auch die Mindestanforderungen erfüllen, werden in die entsprechende Vermarktung durch Die Nordsee GmbH mit aufgenommen (vgl. a.a.O., S. 19). Grundvoraussetzung für jede seriöse Thalassoanwendung - sei es als medizinische Therapie oder auch als Wellnessangebot - ist der Standort der Einrichtung in direkter Meeresnähe. In der zertifizierenden Thalasso Region Niedersächsische Nordsee ® heißt dies: „der Ort ist Nordseebad oder Nordseeheilbad mit direkter Lage am Meer“ und „alle Thalasso Partnerunternehmen liegen im zu prädikatisierenden Ort, davon mindestens 4 in Lage bis 1000 m zum Meer“ (  https: / / www.die-nordsee.de/ leitfaden , PDF S.14). Irgendwo im Binnenland Meeressalzkristalle in eine Badewanne zu streuen, ergibt keine seriöse Thalassoanwendung! <?page no="220"?> Europäische Wellnesszertifizierungen 221 2015 hat die Wellness Stars Deutschland GmbH das Qualitätssiegel Medical Wellness Stars Thalasso ist beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. 8.6 Europäische Wellnesszertifizierungen Ein Blick über den deutschen Tellerrand bzw. Poolrand in Sachen Wellnesszertifizierung zeigt in der Schweiz eine große Offenheit für Kreativität und neue Wege in einem selbstverständlich nicht minder qualitätsorientierten Angebot. Zum einen traut man hier auch Betrieben, die mit weniger als 3 Hotel-Sternen klassifiziert wurden, ein kompetentes Engagement im Wellnessbereich zu: „Die Grundvoraussetzung bleibt somit die Klassierung in einer der Basis-Kategorien (1 bis 5-Sterne oder Swiss Lodge) von hotelleriesuisse. Allerdings können neu auch Swiss Lodges oder 1- und 2-Sterne Hotels diese Spezialisierungskategorie anstreben“ (  https: / / www.hotelleriesuisse.ch/ files/ pdf12/ Kriterienkatalog_Wellness_dt_Formular.pdf ). Verstärkt wird die Ermutigung, neue Wege zu wagen, ebenso in dem Prinzip „Hardware follows Software“. „Die neuen Kriterien erlauben es auch Betrieben ohne typische Spa-Infrastrukturen, eine Spezialisierung als Wellness Hotel oder als Medical Wellness Hotel zu erreichen. Dies deshalb, da die Kriterien neu nach dem Prinzip „Hardware follows Software“ entwickelt wurden. Damit sollen neue und innovative Konzepte belohnt werden. Zudem ermöglicht dies auch kleinen Betrieben eine dieser Spezialisierungskategorien zu erreichen“ (a.a.O.), ein breites Dienstleistungsangebot kann die klassische Infrastruktur ersetzen. Das Europäische Prüfinstitut Wellness & Spa e.V. (EPWS) bietet Zertifizierungen von Hotels, Einrichtungen und Orten in fünf Kategorien an: Wellness & Spa, Medical Wellness, Wellness & Golf, Thalasso & Spa (→ Kap. 8.5) sowie Ayurveda Spa. Dabei können in jeder Kategorie drei Prädikatsstufen - „Leading“, „Premium“, „Qualitiy“ - geprüft und entsprechende Zertifikate verliehen werden. <?page no="221"?> 222 Qualitätssiegel und Labels  Wissen ǀ Staatlich geprüfte Kompetenz und Unabhängigkeit des EPWS „Alle Zertifizierungsverfahren des Europäischen Prüfinstituts Wellness & SPA werden von Dr. med. H.J. Schmeisser MBA, dem einzigen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ‚öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Bewertung von Wellness-Konzepten und Wellness-Einrichtungen‘ überwacht und geleitet. Ein Sachverständiger ist darauf vereidigt, seine Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen und seine Gutachten unabhängig und unparteiisch zu erstatten.“ (  http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idcat=6&idart=) Unter der Vorgabe „Der anspruchsvolle Wellness Gast sucht hochqualifizierte Wellness-Angebote“ (  http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idcat=35 ) gilt der kritische Blick des EPWS nicht allein dem Wellnessbereich, sondern dem gesamten Hotel. Zur Basis einer Zertifizierung gehören international anerkannte Qualitätsstandards wie beispielsweise ISO 9000. Voraussetzung für den zu prüfenden Betrieb ist ein Vier-Sterne-Superior-Niveau oder Vergleichbares. Die Basiskriterien entsprechen dem Erwartbaren, wie die Ausrichtung auf Ruhe suchende Wellnessgäste, attraktive Wellnesseinrichtung in Größe und Ausstattung, entsprechende Öffnungszeiten, Wohlfühlambiente sowie ein kompetentes Personal. Dass man sich als Interessenvertreter des Gastes sieht, zeigt sich in den Aspekten „Bestens differenziertes Wellnessangebot ohne ‚Wellnepp‘- Angebote“ sowie „Qualitätsadäquates Preis-Leistungs-Verhältnis“, die man zu seinen Basiskriterien hinzugenommen hat. Die Basiskriterien werden weiter differnziert in Grundkriterien (  http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idart=36 ). Bei denjenigen der Kategorie Wellness & Spa lässt sich auch der ganzeheitliche Ansatz des Wellnessgedankens (→ Kap. 1.2) wiederfinden. Eine gesunde Ernährung („frisch, möglichst vollwertig, schmackhaft, möglichst aus biologischen oder naturnahen Anbau“), aber auch Aspekte zur Gesundheitsförderung wie Bewegung, Entspannung in praktischer Anwendung, aber auch als „begleitende Information zur nachhaltigen Umsetzung im Lebensalltag“ gehören dazu. Als „Nahrung“ und Anregung für Geist und Seele werden „ansprechende Angebote für Naturerlebnisse und kulturelle Veranstaltungen im Haus und/ oder der Umgebung“ für eine erfolgreiche Zertifizierung verlangt. Eine Möglichkeit, die Rahmenbedingungen und den Wert einer Zertifizierung im Wellnessbereich abzuschätzen, bietet der Vergleich (Stand 2015) verschiedener Institutionen durch den Arzt und Betriebswirt Dr. Hans Jörg Schmeisser (  http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idcat=19&idart=9 ). Aus dem Jahr <?page no="222"?> Europäische Wellnesszertifizierungen 223 2013 stammt ein Vergleich von 53 Wellnesssiegeln (  https: / / www.test.de/ Wellness- Siegel-Nur-neun-Siegel-sind-wirklich-hilfreich-4612145-0/ )  Wissen ǀ ESPA European Spas Association „Der EHV wurde 1995 als Dachverband nationaler Heilbäderverbände Europas in Brüssel gegründet. Er ist eine gemeinnützige und nichtstaatliche Vereinigung, basierend auf Belgischem Gesetz (VoG). Er repräsentiert seither die Interessen Europäischer Kurbäder in Brüssel, dem politischen Zentrum des Kontinents. […] Unsere Mission:  Kurzentren innerhalb des Europäischen Gesundheitsmarktes anpassen  Mehr Gerechtigkeit im Wettbewerb durch Qualität  Eine klare Unterscheidung zwischen Kurorttherapie und Freizeitdienstleistungen (Wohlbefinden) fördern“ (  http: / / www.espa-ehv.eu/ content/ who-we-are/ Ueber_uns )  Zusammenfassung ǀ Kapitel 8  Zertifizierungen untermauern das Qualitätsversprechen der Anbieter und schaffen eine gewisse Vergleichbarkeit ihrer Angebote.  Die Kriterien einer seriösen Zertifizierung sind klar definiert und werden aus der Sicht bzw. den Erwartungen der Gäste festgelegt.  Zertifizierungen gelten stets für einen bestimmten Zeitraum von einigen wenigen Jahren und müssen dann durch Wiederholungsprüfungen aktualisiert werden.  Wenn die kostenpflichtige Mitgliedschaft in einem prüfenden Verband oder einer sonstigen Organisationsform Voraussetzung für das Zertifikat sind, können Zweifel an einer unabhängigen Überprüfung angebracht sein - müssen es jedoch nicht zwangsläufig.  Eine neutrale Begutachtung erfolgt - wahrscheinlicher - durch einen unabhängigen, vereidigten Sachverständigen. <?page no="223"?> 224 Qualitätssiegel und Labels  Websites ǀ Kapitel 8 Vergleich der aktuellen Zertifizierungen: http: / / www.wellness-audits.eu/ cms/ front_content.php? idcat=19&idart=9 Deutscher Wellness Verband e.V.: http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ faq.php http: / / www.wellnessverband.de/ hotellerie_und_tourismus/ zertifizierung.php#pruefsiegel Kneipp-Bund: https: / / www.kneippbund.de/ guetesiegel-zertifizierung/ Wellness-Hotels & Resorts: https: / / www.wellnesshotels-resorts.de/ de/ home Wellness Stars: https: / / www.wellness-stars.de/ Qualitaetskriterien-Wellness-Bewertung Thalasso-Zertifizierung: DIE NORDSEE GmbH (Hrsg.) (2013): Thalasso Praxisleitfaden. Handbuch für Gastgeber und Betriebe. Schortens https: / / www.die-nordsee.de/ leitfaden http: / / www.espa-ehv.eu/ Wellness in der Schweizer Hotellerie: https: / / www.hotelleriesuisse.ch/ files/ pdf12/ Kriterienkatalog_Wellness_dt_Formular.pdf https: / / www.hotelleriesuisse.ch/ de/ pub/ services/ klassifikation/ spezialisierungen.htm http: / / www.youthhostel.ch/ de/ hostels/ saas-fee <?page no="224"?> Stichwortverzeichnis A Abarbeitung 20 Abhärtung 53 Achtsamkeit 171, 172 Achtsamkeitspfad 144 Adults-only-Konzept 183 Aerosol 50 Aletsch 152, 153, 159, 161, 162, 165 Arena 152, 153, 159 Algen 52, Kosmetik 53 Alpentherme 64, 65, 107 Alpine Wellness 204 Altewischer, Michael 168 Anti-Aging 53, 102, 104, 129 Antike 17, 30, 32, 109, 155 Apodyterium 34 Aqua -biking 97 -cycling 97 -gymnastik 97 Architektur 216 Ardell, Donald B. 12 Ardennen 80 Arenberg 172 Kloster 157 Aromatherapie 119 Atemtherapie 151 Atmosphäre 185 Aufgüsse 105 Aus-Zeit 172 autogenes Training 149, 150 Ayurveda 17, 25 Küche 28 Massagen 28 Wellbeing 29 B Babberich 193 Bad Bertrich 92, 102, 108, 142, 143 Ems 37 Herrenalb 84, 108, 184 Kreuznach 89 Krozingen 116, 118, 129 Liebenzell 37 Nenndorf 101 Pfäfers 37 Ragaz 37 Sobernheim 101, 147 Wildbad 93, 95, 116 Wörishofen 84, 85 Bad Dampf 105 Diät 122 indisch 117 japanisch 116 Kuren 41 orientalisch 35 Orte mit Tradition 45 römisch-irisch 35 Stuben 37, 39 türkisch 117 Badegäste 64 Badekultur 32 <?page no="225"?> 226 Stichwortverzeichnis Bader 39 BadeWerk 52, 55, 103, 107, 108, 114, 129 Baiersbronn 39, 108 Balance 155 Banja 110 Barfußpfad 147, 148 Beauty-Behandlungen 127 Beauty-Spa 81 Belgien 45 Benke, Katja 49 Bewegung 146 Bewegungsmangel 170 Bircher-Benner 126 Blatter, Nadine 152 Blue Lagoon 69, 70 Body-Wrapping 59 Brenke, Rainer 104 Breuß-Massage 113 Buddha 190 C Caldarium 34 Campingplätze 218 Chaudfontaine 47 Club-Spa 81 Cold Stone 115 Cruise-Spa 81 D Dampfbad 36, 105 Day-Spa 81 Demokratisierungsprozess 18 Destination-Spa 81 Deutscher Wellness Verband e.V. 209 Digital Detox 167, 169 Distress 170 Düfte 119 Dunn, Halbert L. 12 E Effleuragen 112 Eggensberger, Thomas 173 Einkehrtage 173 Empowerment 21, 169 Energizing 22 Entschleunigung 171 Entspannung 19, 128, 149 Entspannungscoach 154 Entspannungstechniken 149 Erding 96 Erfurth, Michael 130, 189 Ernährung 121 Ernährung, Trends 123 Ernährung, vegetarische 126 Ernährung, Vollwert 126 Etikettenschwindel 209 Euripides 30 Europäisches Prüfinstitut Wellness & Spa e.V. 219, 221 Eustress 170 Exerzitien 174 F Fachpersonal 115, 197 Fango 102 Fasten 123 Fasten, Buchinger 124, 125 Felke, Emanuel 99, 147 Felke-Kur 99 Felkewanne 101 Finnland 68 Fitness-Spa 81 Freiluftinhalatorien 90 Fricke, Roland 185 <?page no="226"?> Stichwortverzeichnis 227 Frigidarium 34 Functional Food 127 Fußreflexzonenmassage 113 G Garten der Sinne 193 Gästeerwartung 22 Gästehäuser 217 Gastfreundschaft 172 Gegenwart 18 Gesundheit, Definition 15 Gesundheitshöfen 218 Gesundheitskontext 22 Gesundheitstourismus 11, 15, 16, 70, 73, 79, 87, 147, 150 Gesundheitsvorsorge 26 Glaubersalztherme 92 Glückssteine 162 Gradierwerk 89, 91 Graf-Eberhard-Bad 93 Gran Canaria 73, 74 Grünanlagen 141 Gründerzeit 18 H Hamam 35, 36, 118 Harmonie 20 Hawaii 115 Heilerde 101 Heilkreide 58 Hochgebirge 60 Hot Stone 115 Hotel Tanne 39, 41, 103, 191, 215 Hotel Wiesler 103, 131, 132, 187 Hotel-Spa 81 I Illness-Wellness-Continum 13 immaterielles Kulturerbe 85 Imperium Romanum 33 Indien 25, 30 Island 68 J Japan 119 Jugend (ewig) 20 Jugendherberge 67 K Kaltwasserbehandlung 82 Kellogg, John Harvey 12 Kirschkernöl 132 Klimatherapie 53 Klopfungen 112 Kloster 157, 173 Urlaub 174 Klösterreich 175 Kneipp, Sebastian 18, 84, 146, 147 Kneipp Akademie 85 immaterielles Kulturerbe 85 Tretbecken 84, 87, 88 -Bund e.V. 86 -Bund Gütesiegel 217 Garten 194 Knetungen 112 Kocierz Hotel & Spa, Polen 191 Konzentration 149 Körperwahrnehmung 149 Kosmetik 129 Krämer, Michael 92, 115 Kräuterstempelmassage 112 Kylltal 144 <?page no="227"?> 228 Stichwortverzeichnis L Labels 209 Lake Wellness 71, 72 Landschaften 140, 188 Erlebnisse 141 Mentor 144 natürliche 141 landschaftstherapeutischer Park 142, 143 Langsamkeit 171 Le Bristol 64, 65 Lebensenergie 22 Lebensordnung 154 Lebensphilosophie 26 Lebensqualität 20 Lebensrhythmus 168 Lebensverlängerung 20 Lebensweise 22 Lehm 147 -kur 100 Leibsorge 157 Leistungsgedanke 159 Les Bains d’Ovronnaz 66 Leukerbad 60, 62, 203 Therme 63, 96, 106 Light 127 Lomi Lomi 115 Lymphdrainage 113 M Manderscheid 88, 144 Massage 47, 111, 112, 120 Cold Stone 115 fernöstlich 118 Hot Stone 115 Umgebung 113 Massagen 47 Mayr, Franz Xaver 125 Mayr-Kur 125 Mecklenburg-Vorpommern 56 Medical Spa 81 Wellness 15, 16, 21, 99 Wellness Stars 216 Medizinwissenschaft 26 Meeresschlick 52 Meersalz 50 Meerwasser 50 Menschel, Matthias 100, 125, 129, 169, 197 Mineralquelle 89 Mineral-Springs-Spa 81 Mineralwasser 45 Mittelalter 18, 37 Mobiles Spa 81 Moor 101 Muschelkalk 52 Muße 158, 171 Muße, Orientierung 159 Mývatn Nature Baths 70 N Nachhaltigkeit 191, 213 Nahetal 89 Natatio 34 Naturlandschaften 140 Neuharlingersiel 52, 55, 107, 129 Nordic Wellness 68 Nuad Thai 118 O Öle 28, 112, 120, 132 Orient 115 Ostfriesland 107 Ovronnaz 66 <?page no="228"?> Stichwortverzeichnis 229 P Palais Thermal 93, 94 Paracelsus 37 Park 188 Parks 141 Patiententourismus 17 Pauschal 182, 196 Peeling 36, 50, 51, 65, 110, 111, 112 Peloide 58 Personalqualifikation 198 Pétrissagen 112 physikalische Therapie 79 Pilgerreisen 176 Prävention 21 Preis-Leistungs-Verhältnis 212 Private Spa 81 Q Qigong 150 Qualität 219 Qualitätskriterien 218 Qualitätssicherung 219 Qualitätssiegel 209, 221 Qualitätsstandards 209, 219, 222 Qualitätswettbewerb 223 R Raumluft 119, 190 Reflexzonenmassagen 113 Regionalität 198 Reinigungstherapien 28 Residental-Spa 82 Retreat-Spa 82 Reykjanes 69 Rhasulbad 100 Rieg, Frank M. 93, 95, 116 Römerkessel 143 römisch-irisches Bad 35 Röösli, Stefan 22, 64 Rubsamen, Rolf 118 Ruhebereich 188 Ruhezonen 188 Rusimek, Anna 109, 191 S Salzgrotte 90 Sand 52 SanVino 130 Sauna 102, 109 Sauna Bad 104 Gäste 64 Rauch 109 Raum 104, 106 russische 110 Tageslicht 106 Wirkung 104 Säure-Basen-Haushalt 127 Savusauna 109 Schönheit, körperliche 20 Schroth, Johann 125 Schroth-Kur 125 Schwarzwald 108, 146, 199 Schweiz 60, 203 Seelsorge 157 Seifenschaummassage 115 Selbstverwirklichung 21 Serailbad 100 ServiceQualität, Initiative 220 Shiatsu 97, 119 Shinrinyoku 153 Shirodara 28 Siebentäler Therme 108 Slow Tourism 158 Sole 89, 90 <?page no="229"?> 230 Stichwortverzeichnis Spa 45, 46, 47, 48, 80 Retreat 82 Hotel 82 Landschaft 82 Spazierengehen 51 Spiritualität 175 spirituelle Reisen 175 spiritueller Sinn 21 Stirnguss 28 Streichungen 112 Stress 169 Reduktion 172 Symptome 170 Bekämpfung 19 T Tai-Chi 150 Tapotagen 112 Tepidarium 34 Thalasso 30, 49, 129, 195, 202 Adaptionsphase 55 Anwendung 53 Elemente 49 Qualitätskriterien 32 Therapie 31 typische Aktivitäten 54 Zentrum (europ.) 74 Zertifizierung 219 therapeutische Landschaften 140 Thermal -quelle 60, 91 -wasser 91, 92 Therme 33, 214 Erding 96 Thermes de Spa 47 Tourismusförderung 60 Travis, John W. 12 Trends 95, 116, 130, 189 Trinkkuren 46 Trockenmassage 28 TÜV Rheinland Cert GmbH 215 U Udvarthana 28 UNESCO 85 V Vermarktung 199 Vesper, Michael 91 Vita Classica Therme 116 Vital Therme 95 Vulkaneifel 144, 196, 200, 201 Therme 108 W Wahrnehmung, sinnliche 20 Waldbaden 153 Wasser -behandlung 82 -gymnastik 96 Shiatsu 97 Treten 84 Verbrauch 191 Watsu 97, 98 Wellness Stars 214 Wellness -Baum 212, 213 Charakter 46 Definition 11, 12 Destination 181 Dimensionen 14 Dreiklang (Körper, Seele, Geist) 17 Erwartungen Hotel/ Gäste 181 Hostel 67 Jugendherberge 68 <?page no="230"?> Stichwortverzeichnis 231 Modell (europ.) 14 Modelle 12 Motive 19 Reiseveranstalter 183 -tourismus 15, 58, 69, 71, 72, 73, 74, 159, 170, 195, 199, 217 Urlaub 168 Urlauber 57 Zertifizierungen (europ.) 221 Wiesbaden 37 Wiesler, Eva 133 Wohlbefinden 15 Work-Life-Balance 19, 168 Y Yoga 151 Hatha 151 Z Zertifikat, Basis/ Premium 210 Zertifizierungsprozess 210 Zielgruppe 183, 195, 201 <?page no="231"?> www.utb-shop.de Ein Trendsport unter der Lupe Gabriele M. Knoll Handbuch Wandertourismus für Studium und Praxis 2016, 250 Seiten, Broschur ISBN 978-3-8252-4548-1 Jahr für Jahr schnüren immer mehr Menschen ihre Wanderstiefel, um Berge und Flachland zu erkunden. Das Handbuch geht diesem Phänomen auf den Grund: Es beleuchtet Historie, Motive und aktuelle Trends des Wanderns. Zudem stellt es einige internationale Destinationen vor und beschreibt das Management und Marketing. Auch auf die Dramaturgie und das Qualitätsmanagement von Wanderwegen wird eingegangen - illustriert durch Beispiele aus aller Welt. Das Buch richtet sich an Studierende des Tourismus und der Geographie sowie an Praktiker in Wanderdestinationen und Unternehmen.