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Fürchte dich nicht - schreibe!

Die Heldenmethode für Haus- und Abschlussarbeiten

1001
2018
978-3-8385-5026-8
978-3-8252-5026-3
UTB 
Katja Reinicke

Pack das Monster Abschlussarbeit bei den Hörnern und werde Held deines Studiums! In 6 Stunden zur Grundstruktur der eigenen Haus- oder Abschlussarbeit - die "Heldenmethode" macht's möglich. Statt Panikattacken und Aufschieberitis: Verleg das Drama aus deinem Leben in die Abschlussarbeit - denn da gehört es hin! 12 bewährte Schreibtechniken und eine mitreißende Dramaturgie führen dich durch das Abenteuer Schreiben zum Happy End deines Studiums.

<?page no="0"?> Katja Reinicke Fürchte dich nicht - schreibe! <?page no="1"?> utb 5026 Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 0000 u t b 5 0 2 6 <?page no="2"?> Katja Reinicke ist Autorin und Schreibberaterin im Rahmen ihrer Bonner Kreativitäts- und Schreibberatung „SchreibGalaxien“. Als Dozentin und Lehrbeauftragte für Akademisches Schreiben ist sie an verschiedenen Hochschulen und Bildungseinrichtungen in Bonn, Koblenz und Düsseldorf tätig. <?page no="3"?> Katja Reinicke Fürchte dich nicht - schreibe! Die Heldenmethode für Haus- und Abschlussarbeiten A. Francke Verlag Tübingen <?page no="4"?> © 2018 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.francke.de E-Mail: info@francke.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Printed in Germany utb-Nr. 5026 ISBN 978-3-8252-5026-3 Umschlagabbildung: „Doctor Hero“ von Severus Heyn Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb. dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> Ein tiefes, großes Verlangen zu schreiben, eine wilde Entschlossenheit, alle Schreibblockaden zu bekämpfen und schreiben zu wollen. Zauberformel für ein sorgloses Studium (frei nach Dale Carnegie „Sorge dich nicht - lebe! “) <?page no="7"?> 7 Danksagung Danksagung Viele Freunde, Kollegen, Lehrer, Buchautoren und gemeinsame Schreiberfahrungen haben dieses Buch ermöglicht. Allen, bei denen ich lernen, mich austauschen konnte und Erfahrungen sammeln durfte, gilt dieser Dank. Die Dozenten an der Alice-Salomon-Hochschule im Studiengang Biografisches und Kreatives Schreiben haben die innovative Sicht auf Schreiben-Lernen und Schreiben-Lehren vermittelt, immer auf sehr persönliche, fundierte und emotional offene Weise - stellvertretend allen voran Claus Mischon und Gitta Schierenbeck. Allen, die Vertrauen in meine Fähigkeiten als Schreibberaterin für akademisches Schreiben an Hochschulen gesetzt haben, sei hier gedankt: Bettina Grävingholt von der damaligen Zentralstelle für Schlüsselkompetenzen der Universität Bonn, Kathrin Menningen, Melanie Schmid, Sophie Klaes und Wolfgang Beudels von der Hochschule Koblenz, Sarah Cziudaj und Katharina Kosmidis vom Studierendenwerk Bonn, Judith Jentgens und Karola Athmer von der Deutschen Akademie für Public Relations in Düsseldorf sowie Carola Lehmann vom Bildungswerk des Wissenschaftsladens in Bonn. Dank gilt vor allem auch den vielen Studierenden, die mit ihrer offenen, authentischen und vertrauensvollen Art wesentlich zum Entstehen der Ideen und des Konzeptes in diesem Ratgeber beigetragen haben. Dieses Buch ist auch gedacht als kleines Dankeschön an sie zurück. Bedanken möchte ich mich auch bei allen freien Lehrerinnen des kreativen Schreibens, bei denen ich persönliche Schreiberfahrung unter anderem der Heldenreise sammeln konnte, insbesondere Julia Cameron und Jürgen vom Scheidt. Stellvertretend für die Dozentinnen des wissenschaftlichen Schreibens, bei denen ich mich in Fortbildungen von der Dynamik und Energie des neuen akademischen Schreibens anstecken lassen konnte, seien hier Stefanie Haacke, Swantje Lahm und Nadja Sennefeld genannt. Großer Dank gilt auch allen Lehrenden und Studierenden, die in den Schreibzentren, -laboren und -werkstätten unermüdlich daran arbeiten, das akademische Schreiben leichter und erfolgreicher zu gestalten und ihre Erkenntnisse in Form von Konferenzen, Handouts und PDFs offen zugänglich machen. Dank geht an dieser Stelle auch an Hörspielschaffende des WDR, bei denen ich in zahlreichen Workshops die Heldenreise hautnah erleben durfte. Insbesondere danke ich Georg Bühren aus der Dramaturgie des Hörspiels beim <?page no="8"?> 8 Danksagung WDR, der mir während der Zusammenarbeit bei meinen Hörspielen in sehr konstruktiver Weise dramaturgisches Know-how vermittelte. Besonders hilfreich für die Manuskriptphase des Buches waren die Kommentare und Korrekturvorschläge meiner Schreibberatungs-Kolleginnen Stefanie Pohle aus Bonn und Katja Frechen aus Berlin sowie natürlich vor allem meiner Verlagslektorin Valeska Lembke. Innig danken möchte ich ganz besonders meiner Familie, insbesondere meinem Vater, der sich stetig stolz interessiert an meinem Projekt zeigte, meinem Mann mit seiner liebevollen Unterstützung und seinen klugen Feedbacks sowie meinen drei Kindern, die als Studenten und Schüler eine unersetzliche und kompetente Rückmeldung der Zielgeneration und -gruppe dieses Buches gegeben haben. Bonn / Tübingen, Mai 2018 Katja Reinicke <?page no="9"?> 9 Inhalt Inhalt Vorwort 13 Einleitung 17 A kt 1 D ie W elt änDert sich - D ein t hemA WirD zum D rAmA 25 Prolog Entdecke den Helden in dir! 27 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer 31 Regieanweisung Stell dich deiner Angst 31 Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ 35 Hintergrund Schreibangst im Studium 43 Schreib-Szene 2 Aufbruch 49 Regieanweisung Hab Mut zum Drama 49 Heldenaufgabe „Lockruf des Erfolgs“ 52 Hintergrund Abschied vom starren Schreibphasen-Korsett 55 Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner 63 Regieanweisung Akzeptiere dein Schicksal 63 Heldenaufgabe „Entscheidungsfreiheit“ 66 Hintergrund Die (inhärente) Heldenreise im akademischen Schreiben 69 Schreib-Szene 4 Der Auftrag 73 Regieanweisung Mach dir einen Plan 73 Heldenaufgabe „Planungshoheit“ 75 Hintergrund Die Notwendigkeit der Heldenmethode 80 A kt 2 s ein oDer n icht -s ein - D ie zentrAle F rAge stellt sich 87 Schreib-Szene 5 Point of no return 89 Regieanweisung Wähle einen klaren Standort 89 Heldenaufgabe „Perspektivwechsel“ 91 Hintergrund Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 93 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde 103 Regieanweisung Lerne deine Weggefährten kennen 103 Heldenaufgabe „Spielmacher“ 104 Hintergrund Die 12 Stationen der Heldenreise 107 <?page no="10"?> 10 Inhalt Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz 115 Regieanweisung Gewinne im Dreiertakt 115 Heldenaufgabe „Souveräner Taktgeber“ 118 Hintergrund Von der Heldenreise zur Heldenmethode 122 Schreib-Szene 8 Die Prüfung 131 Regieanweisung Nutze alle deine Kräfte 131 Heldenaufgabe „Farbe bekennen“ 134 Hintergrund Von „hirngerecht schreiben“ zu „emotionengerecht schreiben“ 140 A kt 3 D ie (e r -)l ösung nAht - D As grosse P läDoyer 145 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes 147 Regieanweisung Nimm dein Ziel ins Visier 147 Heldenaufgabe „Staranwalt“ 150 Hintergrund Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 158 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth 165 Regieanweisung Spinne den roten Faden 165 Heldenaufgabe „Bodyguard“ 166 Hintergrund Die Katharsis in der wissenschaftlichen Arbeit 174 Schreib-Szene 11 Der Sieg 179 Regieanweisung Behalte alle Fäden in der Hand 179 Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ 181 Hintergrund Schreibsiege 195 Schreib-Szene 12 Heimkehr 199 Regieanweisung Vertraue deinen Entscheidungen 199 Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ 201 Hintergrund Vom Studienabbrecher zum Schreibhelden 208 Epilog 211 Literatur 217 <?page no="11"?> Aufbau dieses Intensiv-Coachings Dieser Intensivkurs besteht aus einer Kombination von schneller Soforthilfe und Hintergrundinformationen, so dass der Leser selbst wählen kann, ob er das Gesamtpaket nimmt oder sich auf die notwendigen Kernteile des Ratgebers beschränkt - je nach zur Verfügung stehender Zeit oder Energie. Daher sind die einzelnen Stationen der Heldenmethode jeweils in drei verschiedene, auch optisch voneinander getrennte Bereiche aufgeteilt: Der notwendige Übungsteil mit der „Regieanweisung“ sowie der „Heldenaufgabe“ bildet den Hauptext. Am Ende jeder Regieanweisung bringt eine Zusammenfassung das Wesentliche auf den Punkt, während einige Exkurse Zusatzwissen liefern. Die Fallbeispiele sind grau umrahmt und wissenschaftliche Hintergründe zu den angewandten kreativen Methoden sowie zum Schreibprozess finden sich unter der Überschrift „Hintergrund“ mit einem fortlaufenden senkrechten Strich am Rand. So hat jeder Nutzer die freie Wahl, wie tief er in das Thema eintauchen möchte. Möglich ist auf jeden Fall eine Konzentration auf die „Lightversion“ des Leitfadens, die Übungsebene aus Regieanweisung und Heldenaufgaben, um beispielsweise in einer Notsituation angesichts eines nahenden Abgabetermins in möglichst kurzer Zeit schnell Hilfe zu erfahren. Die Bearbeitungsdauer der insgesamt 12 Übungen ist auf jeweils ca. eine halbe Stunde ausgelegt. Die reine aktive Schreibzeit beträgt damit rund 6 Stunden. Wer also nur die Übungen macht, hat die Möglichkeit, den Leitfaden innerhalb von - Lesezeit der Erläuterungen eingerechnet - ca. 10-12 Stunden durchzuarbeiten und dabei bereits Textabschnitte seiner Arbeit zu schreiben. Schnelleinstieg: Gehe sofort zu „Akt 1 - Schreib-Szene 1“ (S. 31) und beschränke dich auf die Regieanweisung und die Heldenaufgabe in jeder Schreib-Szene. <?page no="13"?> 13 Vorwort Erfolgreich studieren, eine glückliche Studienzeit und Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten - was klingt wie ein Märchen, kann Realität werden. Dabei gehen diese drei Dinge Hand in Hand: Wenn das Studium Erfolg bringt, macht das Studierende glücklich und das wiederum erzeugt Zufriedenheit und Spaß an dem, was sie tun: wissenschaftlich arbeiten. Auch umgekehrt funktioniert das Erfolgsmodell: Wer Spaß am wissenschaftlichen Arbeiten entfaltet, verbringt in genau diesem Moment eine glückliche Zeit mit seinem Studium und das wiederum ist die beste Voraussetzung für einen erfolgreichen Abschluss. Doch allzu oft herrschen Angst und Stress im Studium. Statt erfolgsorientiert zu arbeiten, ist der Blick auf die Gefahr des Scheiterns gerichtet. Ein Umdenken ist nötig: Spaß statt Stress, Mut statt Angst, Heldentum statt Opferrolle. Leider ist das Leiden am Studium sehr verbreitet. Rund ein Drittel der Studierenden in Deutschland bricht das Studium vorzeitig ab 1 . Die Not der universitären Ausbildung hat endlich die öffentliche Wahrnehmung erreicht, zuletzt im Februar 2018 mit der Studie der Barmer Ersatzkassen über eine dramatische Zunahme depressiver Erkrankungen bei Studierenden um 38 Prozent in den letzten 10 Jahren 2 . Fragen nach den Gründen tun sich auf - Bologna-Reform? Verarmung der Mittelschicht? Verschulung des universitären Studiums? Aber vor allem drängen Fragen nach Hilfsmaßnahmen zur Beantwortung. Dass Handlungsbedarf auf Hochschulseite besteht, kann man aus der Maßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen aus dem Jahre 2016 ableiten, die Universitäten mit einem Bonus von 4000 € für jeden erfolgreichen Studienabschluss zu belohnen 3 . Dieses Geld gilt es zielführend einzusetzen in der Unterstützung der Lehre im Sinne einer optimierten Wissensvermittlung ebenso wie in konkreten Beratungsangeboten beispielsweise durch die Einrichtung von Schreibzentren. Bisher ist aber der negative Trend nicht aufgehalten und noch keine Verbesserung in Sicht. Mit „Fürchte dich nicht - schreibe! “ habe ich mir zum Ziel gesetzt, einen Beitrag zu leisten, diesem Trend entgegenzuwirken auf Grundlage dreier Hypothesen: 1 Schmelzer, Heublein & Richter 2014. 2 Mihm 2018. 3 O.-V. Prämien für NRW-Unis 2015. <?page no="14"?> 14 Vorwort Hypothese 1: Das Problem und damit seine Lösung liegen nicht im Bereich der Wissensvermittlung und damit irgendwie in der möglichen mangelnden Eignung der Studierenden fürs Studium auf kognitiver Ebene, sondern das ganze Dilemma ist vorrangig ein emotionales. Hypothese 2: Das drohende und in einem Drittel der Fälle eintretende Scheitern der Studierenden liegt in einer tiefen Verunsicherung und Entmutigung begründet und kann demzufolge auch nicht durch eine Intensivierung der kognitiven Lehrinhaltsvermittlung, sondern nur durch eine Steigerung der Selbstsicherheit und eine entschiedene Ermutigung überwunden werden. Hypothese 3: Da die Ursache in einer emotional motivierten Lern- und Schreibblockade liegt, lassen sich Selbstsicherheit und Ermutigung in der überwiegenden Zahl der Fälle durch ein passendes emotional ausgerichtetes Lern- und Schreibkonzept erzielen - mit der „Heldenmethode für Haus- und Abschlussarbeiten“. Die Heldenmethode folgt dabei dem erfolgreichen Drehbuchprinzip Hollywoods: der Heldenreise. Die Lösung lautet: Pack deine Abschlussarbeit bei den Hörnern und werde zum Helden deines Studiums! Nutze die Angst und wandle sie um in pure Schreibenergie! Wie - das zeigt dir die Heldenmethode in 12 Schritten 4 direkt an deiner Haus- oder Abschlussarbeit. Das heißt: Dies ist kein Übungsbuch, sondern ein konkreter Leitfaden, der dich durch die entscheidenden Stationen der Textarbeit begleitet und sofort, von der ersten Szene an, zum Schreiben an deiner eigenen Hausarbeit, Bachelor- oder Masterthesis oder deiner Dissertation führt. Von Aufgabe zu Aufgabe entsteht unmittelbar die Grundstruktur des Textes. Der vorliegende Leitfaden entstand aus mehrjähriger Erfahrung in der Schreibberatung an der Hochschule Koblenz und dem Studierendenwerk Bonn sowie privaten Hochschulen. Sowohl in individuellen Einzelberatungen als auch in Gruppenseminaren und Schreibwerkstätten zu verschiedenen Themen des wissenschaftlichen Schreibens hat sich für mich der Wunsch ergeben, die dabei 4 Diese Schritte werden im Weiteren „Szenen“ genannt, entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch zu den Unterteilungen eines Aktes - beim Film üblicherweise „Sequenz“ (s.-a. Field 1996, S. 106). <?page no="15"?> 15 Vorwort gewonnenen Erkenntnisse für einen größeren Kreis von Studierenden sowie Schreibberatern und Lehrenden nutzbar zu machen. Allen Eindrücken voran ging die Erkenntnis, dass es nottut, den Studierenden eine sehr praktisch orientierte Hilfslinie an die Hand zu geben, die nicht ein zusätzliches Mehr an zu speicherndem Wissens-Input bedeutet, sondern im Gegenteil die Fähigkeiten und Kenntnisse nutzt, die bereits vorhanden sind, um diese zielführend einzusetzen. Ziel war also, eine Arbeitsmappe für einen Intensivkurs zu erstellen, der das Leben und Schreiben der Studierenden nicht komplizierter, sondern einfacher macht. Grundmethode dieses „vereinfachenden Schreibens“ ist in meinen Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben, durch Schreiben zu lernen: „Learning by doing“ lautet die Zauberformel. Gender-Hinweis: Weibliche und männliche Varianten wechseln in lockerer Weise einander ab ohne beabsichtigte Zählung oder Struktur. Gemeint sind immer in jedem Fall alle Geschlechter. <?page no="17"?> 17 Einleitung Das Drama Abschlussarbeit „Nicht noch mehr Formalia! “ ist ein vielfach flehender Ausspruch heutiger Studierender, wenn sie die akademische Schreibberatung oder Workshops zum wissenschaftlichen Schreiben an ihrer Hochschule aufsuchen in der Hoffnung auf die rettende Unterstützung bei einer Hausarbeit, einem Referat oder ihrer Abschlussarbeit. Formalia sind fraglos eine wichtige Grundlage wissenschaftlichen Arbeitens. Es gehört zu den Aufgaben des Dozenten, Studierenden dieses „Gerüst“ ihres Schreibens zu vermitteln. Dabei erhält er mittlerweile reichlich Unterstützung: Glücklicherweise erachten mehr und mehr Hochschulen die Einrichtung von Schreibberatungen und -seminaren als wichtigen Bestandteil des universitären Lebens - seit 25 Jahren nimmt die Zahl der universitären Schreibzentren, -werkstätten und -labore stetig zu. Auch die Fachbereiche sind inzwischen gut bestückt mit Ein- oder Zweitagesworkshops zum wissenschaftlichen Arbeiten. Hier regnet es Informationen (genannt „Handouts“) auf die - oft fangfrischen - Studierenden nieder. Es wird damit für Studierende immer einfacher, Formalia und Wissen zum akademischen Schreiben zu erhalten. Diese Formalia dann auch zu beherzigen, ist für Studierende auch machbar. Darin liegt also nicht das Problem. Das Flehen um Verzicht auf noch mehr Ballast, den es zu bewältigen gilt, entspringt nicht der Faulheit oder gar intellektuellen Minderbemitteltheit der Studierenden, sondern hat eine völlig andere Ursache: Der Formalia-Ballast hilft nicht. Einem Studenten, der mit seiner Haus- oder Abschlussarbeit steckenbleibt und zu scheitern droht, nutzt die Ermahnung, wie er richtig zitiert oder welche Zeilenabstände er einhalten soll, meist ebenso wenig wie halbherzig strukturierende Angaben zur Gliederung, die sich auf das Schema „Einleitung, Analyse, Ergebnisdiskussion und Fazit“ beschränken. Die Studierenden werden im Notfall, und dieser tritt leider viel zu oft ein, entweder auf jene inhaltsleeren formalen Anforderungen ihrer Arbeit zurückgeworfen oder auf der anderen Seite vielfach von wohlwollenden, aber ohnmächtigen und oftmals zeitlich heillos überlasteten fachlichen Betreuern mit noch mehr inhaltlichen Fakten und Tipps gefüttert, wie sie ihr jeweiliges Thema anpacken sollen. <?page no="18"?> 18 Einleitung Das Ergebnis ist ein Übermaß an Inhalten bei einem Übermaß an einengenden formalen Kriterien. Der Overkill droht. Das Paradoxe an dieser Situation ist, dass die zu beachtenden Überlebenshilfen schneeballartig zunehmen, während ihre Wirkung erfahrungsgemäß exponentiell abnimmt. Wie lässt sich das erklären? Die Wahrheit ist: Das Drama der Haus- oder Abschlussarbeit ist in vollem Gange, aber leider nicht an der Stelle, an die es gehört, denn dieser Overkill tobt sozusagen an der Oberfläche des Geschehens, während im Innern, da wo das Problem seiner Lösung harrt, gähnende Leere herrscht und die Antwort auf die zentrale Frage: „Wie bekomme ich mein Thema in den Griff? “ ausbleibt. Die Arbeit (und damit leider auch die studierende Person dahinter) wird sozusagen von außen mit Informationen überfüttert, bis sie unter deren Last zusammenzubrechen droht, während ihr innerer Kern verhungert. Das alles ist sehr bildlich gesprochen und entbehrt selbstverständlich nicht einer gewissen Polemik - aber im wirklichen Leben erfahren die Studierenden nicht selten genau diesen beklemmenden Widerspruch, der sich noch dazu wie ein Flächenbrand von ihrem universitären auf den persönlichen Lebensraum auszudehnen droht: Während im Rahmen des Studiums sophistische intellektuelle Logik gepaart mit dem „richtigen“ Fachwissen gefragt sind, für die sie nicht die erforderliche Sicherheit aufbringen können, und sich ein Scheitern beim Verfassen ihrer Arbeit aufgrund panischer Gelähmtheit anbahnt, lodert in ihrem privaten Umfeld bereits das emotionale Chaos. Wahre private Dramen entstehen in Form von schlaflosen Nächten, tiefgehenden Selbstzweifeln bis hin zu ernsthaften depressiven Verstimmungen. Die faktischen Schäden im persönlichen Umfeld können von Entzweiungen von Freundschaften über Auflösungen von Verlobungen bis zu ernsthaften Familienzerwürfnissen reichen. Manche Hauskatze ist in der Zeit der Masterarbeit ihrer Besitzerin vor dem sicheren Hungertod zum Nachbarn geflohen und Studentenwohnungen sind über Monate der Vermüllung anheimgefallen. Nicht zuletzt haben große Gruppen von Studierenden kurz vor Schluss das Fach gewechselt oder das Studium ganz geschmissen. Dies ist eine längst nicht vollständige Liste der Dramen, die aus dem Stress, dem Druck und vor allem dem Selbstzerwürfnis entstehen, die die Überforderung durch die Ansprüche einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit mit sich bringen kann - und wir alle wissen, dass die schlimmsten Dramen hier noch gar nicht aufgelistet sind. <?page no="19"?> 19 Einleitung Aber um diese Art von Drama geht es hier gar nicht, sondern im Gegenteil: Diese Dramen soll mein Coaching vermeiden helfen. Und die Strategie dazu lautet: Werde zum Helden deines Studiums und verleg das Drama rund um die Abschlussarbeit von außen nach innen: in die Bachelor- oder Masterarbeit selbst. Denn da gehört es hin! Zu Nutzen und Ziel des Leitfadens Wie das Drama Abschlussarbeit zu bewältigen ist, zeigen die Lektionen dieses „Lehrstücks für Schreibhelden“ in 3 Akten und 12 Schreib-Szenen. Der Leitfaden orientiert sich an der Heldenreise, die in den letzten Jahrzehnten zunehmend Bedeutung für künstlerisches und literarisches Arbeiten gewonnen hat. Gerade im letzten Jahr (2017), bereits während der Entstehung dieses Buches, tauchten parallel ein Vortrag und ein Artikel auf, die genau diese Idee offensichtlich auch verfolgen: die Nutzung dieses psychologisch-dramaturgischen Prinzips für das wissenschaftliche Arbeiten 5 . Ein Umdenken findet statt. Die Erkenntnis wächst, dass wissenschaftliches Schreiben und insbesondere auch das Schreiben studentischer Haus- und Abschlussarbeiten kein trockenes, armseliges, blutleeres Geschäft sein muss. Im Gegenteil: Die Wissenschaft profitiert von Forscherinnen und Forschern, die mit ganzem Herzen und voller Leidenschaft dabei sind. Diese Negation, dieses über Jahrzehnte gepflegte Vorurteil, selbst seitens der meisten Hochschullehrerinnen, dass Wissenschaft sich ausschließlich durch faktische und fachliche Korrektheit und den Verzicht auf Emotionalität auszeichnet, wird langsam überholt. Eine wichtige Säule einer guten Haus- oder Abschlussarbeit können und sollen weder die Heldenmethode noch ein Besuch in der Schreibberatung ersetzen: die Betreuung der Arbeit durch den Hochschullehrer. Das vorliegende Buch empfiehlt den Studierenden ebenso wie in der individuellen Schreibberatung üblich einen engen Kontakt und Austausch mit dem jeweiligen Fachdozenten und eine offene, intensive Absprache hinsichtlich Themengestaltung und Fachfragen. Dieser Ratgeber ist fachübergreifend und damit selbstverständlich nicht fachbereichskompetent. Gerade der enge Kontakt zum fachlichen Betreuer wird in diesem Rahmen als Basis für eine gelungene und gelingende Haus- oder Abschlussarbeit angesehen, erlebt und wärmstens empfohlen. Außerdem soll 5 Bertram & Herk 2017; Böhm & Zapp 2017. <?page no="20"?> 20 Einleitung hier in keiner Weise an wissenschaftlicher Korrektheit und Transparenz, der Einhaltung formaler Standards und dem Grundsatz, dass subjektive Wertung in einer wissenschaftlichen Arbeit nichts zu suchen hat, als Fundament jeder Arbeit gerüttelt werden. Diese beiden bisherigen Standbeine der Unterstützung für Studierende bei der Erstellung ihrer wissenschaftlichen Arbeiten sind wunderbar und unverzichtbar. ABER - und dieses „Aber“ sollte ganz groß geschrieben werden - der Erfolg bleibt leider immer noch zu oft aus. Unterstützung durch Formalia, wissenschaftliche Standards und fachliche Betreuung bieten offensichtlich noch keine ausreichende Erfolgsgarantie. Denn es fehlt die hinlängliche emotionale Unterstützung: Es gilt, und das ist das große Anliegen dieses Intensivkurses, die emotionale Mutblockade der jungen wissenschaftlichen Autoren zu beseitigen, auf dass sie selbstbewusste und in dieser Hinsicht auch kommunikative, teamorientierte und korrekt arbeitende - mit anderen Worten: souveräne! - und damit erst bereichernde Mitglieder der wissenschaftlichen Gemeinschaft werden. Denn diese Korrektheit bedeutet ja noch lange nicht, dass der Wissenschaftler nicht auch emotional und leidenschaftlich bei der Sache ist! Und das wird von den Lehrenden leider viel zu oft ängstlich verschwiegen - aus lauter Sorge, wenn sie den Studierenden Emotionen bei der Arbeit zugestehen, dass diese dann nicht die erforderliche Ernsthaftigkeit und Neutralität aufbringen, die ja nun einmal Inbegriff allen wissenschaftlichen Arbeitens ist. Was aber bei dieser furchtsamen Geheimhaltung unter den Teppich gekehrt wird, ist, dass an allen Ecken und Enden eines wissenschaftlichen Themas echte Menschen mit echten, starken Emotionen stehen: Bei der Entstehung eines Themas, denn jedes Thema beginnt mit irgendeinem notleidenden Menschen oder einer Gruppe derselben. Jedes! Diese Not kann physischer, psychischer, sozialer, politischer, ideologischer oder künstlerischer Natur sein, aber auf dem Grund eines jeden Themas steht eine starke Relevanz, eine dringliche Intention. Und am Ende jedes wissenschaftlichen Themas steht der Nutzen der erzielten Lösung im Dienste eines oder mehrerer Menschen, deren Not auf eine irgendwie geartete Weise nun ein Stück gemindert oder gar verschwunden ist. Immer! Und mittendrin stehen mindestens zwei Menschen, die diesen Prozess der Problemanalyse bis hin zur Lösung begleiten oder bearbeiten: der betreuende Lehrende und der schreibende Student. <?page no="21"?> 21 Einleitung Wenn nun diese Emotionalität geleugnet wird, dann geschieht Verdrängung - seit Freud ein gut bekannter und zu Recht gefürchteter psychologischer Prozess, mit unbewältigten Emotionen umzugehen. Der erste erkennbare Beweis, dass verdrängte Emotionen an der falschen Stelle plötzlich aufploppen, ist die Angst vor dem Schreiben einer Haus- oder Abschlussarbeit bis hin zur völligen Verzweiflung und Aufgabe des Studiums. Das hat nichts mit fehlender Intelligenz zu tun, sondern eben mit fehlender Emotionalität am richtigen Ort. Dieser Ratgeber versucht nun genau an dieser Stelle hilfreich anzusetzen. Deshalb gibt es hier keine Kapitel zur Formatierung, zur Vermeidung von Plagiaten oder zum Umgang mit Textverarbeitungsprogrammen - dazu gibt es bereits sehr hilfreiche Fachbücher. Dieses Buch versucht, dem emotionalen Chaos den Boden zu entziehen, das Studierende in den Misserfolg, ins Versagen zwingt. Mein Coaching will stattdessen Mut machen und Strategien für die Rückeroberung der Souveränität im Schreibprozess aufzeigen. Die Emotionen gehören eben doch in die wissenschaftliche Arbeit - nur nicht in die Wortwahl oder als subjektive Bewertungen, sondern in die Grundmotivation! Leidenschaft und Interesse sind Brüder und beide sind Cousins der Relevanz des Themas! Emotionen fördern den Transformationsprozess vom Problem zur Lösung, indem sie die Motivatoren für die fachliche Analyse sind. Der Schwerpunkt meines Coachings liegt daher auf der Bewältigung der emotionalen Reise „Haus- oder Abschlussarbeit“ in Verzahnung mit bewährten Standardübungen aus der akademischen Schreibberatung sowie neu konzipierten Übungen bzw. Übungsabfolgen oder -kopplungen. Der leichte und teilweise etwas emotional-saloppe Ton ist bewusst gewählt, um die emotionale Ebene anzusprechen. Außerdem ist dieses Konzept ja aus der Schreibberatungspraxis entstanden, in der auf Basis der Face-to-Face-Beratungssituation in individuellen Beratungsgesprächen eine emotionale Ebene per se vorhanden ist. Die ganze non-verbale Kommunikation, mithilfe derer die Schreibberatende eine Atmosphäre des Vertrauens schafft, fällt in der Buch-Kommunikation über den reinen Text komplett weg. Sie ist aber wichtig als Träger der Emotionen. Daher tragen sowohl der in diesem Buch gewählte lockere Ton als auch das Du und die durchaus freie Wortwahl dazu bei, dieses emotionale Manko des reinen Geschriebenen etwas aufzufangen. Im selben Sinne kommen auch die hier angebotenen und für den Erfolg notwendigen Schreibübungen nicht alle in der Live-Beratung zum Einsatz - weil es dort eben auf der meta- oder interpersönlichen Ebene für diese Informationen eigene Transfermöglichkeiten gibt. Im Selbstlernprozess sollte aber definitiv keine der Übungen ausgelassen <?page no="22"?> 22 Einleitung werden, um dieses „Mehr“ in der persönlichen Beratungssituation optimal zu ersetzen. Mein Ziel ist es somit, nicht nur kognitive Fertigkeiten zum Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit zu vermitteln, sondern eine innere Haltung, ein „emotionales Wissen“ zu erzeugen, was in der Beratung durch die Persönlichkeit des Beratenden und seine individuelle Art der Ermutigung auf non-verbaler Ebene geschieht. Aus Dozentensicht besteht verständlicherweise der Wunsch oder gar die Forderung, Fragestellung und Arbeitshypothese erst als Ergebnis umfangreicher Literatur- und Datenanalyse vorzunehmen. Mit diesem Ratgeber möchte ich Studierende jedoch ermuntern, in Einklang mit Otto Kruse, einem der Gründerväter des wissenschaftlichen Schreibens mit kreativen Schreibtechniken 6 , diesen Schritt schon sehr früh zu wagen - weil gerade diese Recherchephase für viele Studierende zum Abbruch der Arbeit führt, da die Vielzahl an Informationen ihnen nicht bewältigbar erscheint. Ein weit verbreiteter Umgang seitens der Professoren mit diesem Problem ist, es als Auswahlkriterium zu formulieren: Wer an dieser Hürde scheitere, der gehöre halt zur Spreu und nicht zum Weizen. Je früher sich diese trenne, desto besser - auch für die Studierenden (diese zynische Haltung habe ich selber gehört). Solche Fürsorglichkeit klingt in den Ohren der meisten Studienanfänger wie blanker Hohn. Aus der Praxis der Schreibberatung ergibt sich ein ganz anderes Bild: Gerade die Hypersensiblen und Hochintelligenten kapitulieren allzu oft an diesem Punkt. Da trennt sich leider damit nicht die Spreu, sondern der Superweizen und geht der Wissenschaft verloren. Um diesen Effekt zu verhindern, drückt die Heldenmethode in einer Hinsicht kein Auge zu: Der Erstellung einer selbstbewussten, logischen, starken Struktur zu einem frühen Punkt des wissenschaftlichen Prozesses wird der Vorrang vor allumfassender Einbeziehung der relevanten fachlichen Daten gegeben. Das heißt ja nicht, dass diese nicht zu einem späteren Zeitpunkt wieder Eingang in die Arbeit finden 7 . Aber der Vorteil ist, dass der kognitive Forschungsprozess nicht an diesem potentiellen Blockadepunkt unterbrochen, sondern sozusagen lediglich kurzzeitig zur Seite gelegt und geschickt umschifft wird, während der eigentliche Forschungsgeist Raum hat zum Entflammen. Somit steht am Ende dieses Ratgebers auch nicht die komplette Haus- oder Abschlussarbeit mit ihren 12 bis 120 Seiten, sondern es steht ihre argumenta- 6 Kruse 2007, S. 67. 7 Kruse 2007 bezeichnet diese Strategie als „rekursives Schreibmodell“ (S. 115). <?page no="23"?> 23 Einleitung tive Grundstruktur inklusive einiger wesentlicher Textteile: der argumentative Aufbau, Gliederung, Einleitung und ein Entwurf des Fazits sowie eine kommentierte Gliederung, die als „Fahrplan“ für die textliche Ausformulierung der Kapitel dient. Darüber hinaus erlernen die Leserinnen die Schreibtechniken „Cluster“ und „Freewriting“, um alle weiteren Texte möglichst zeitsparend und erfolgreich im Flow zu schreiben. Schließlich gibt es im Epilog noch zusätzliche abschließende sehr knapp gehaltene Hinweise zum Fertigstellen der Arbeit und dem Umgang mit Quellen und Zitaten, um auch ohne weitere Fachliteratur zum wissenschaftlichen Schreiben erst einmal auszukommen. Einige praktische Hinweise zum Nutzen dieses Leitfadens Papier, möglichst auch in DIN-A3, Stifte und farbige Marker sollten neben dem Computer bereit liegen. Ebenso wird eine Stoppuhr benötigt wie z. B. der Timer im Handy. Außerdem - wie immer beim Arbeiten - etwas zu trinken und Gesundes zu knabbern. Dazu wäre eine Phase der Ungestörtheit von Besuchern, Telefonaten oder sonstigen Aufgaben wünschenswert: einfach mal offline gehen und das „Bitte nicht jetzt! “-Schild an die Tür hängen. <?page no="25"?> 25 Akt 1 Die Welt ändert sich - Dein Thema wird zum Drama <?page no="27"?> 27 Prolog Entdecke den Helden in dir! Liebe Studierende: Lasst euch nicht entmutigen, sondern rüstet euch zum Kampf und nehmt euer Schicksal, sprich euer Studium beherzt in die Hand! Werdet zu Helden eures Studiums! Vorweg kann ich euch, die ihr euch in der Gefahr seht, zu scheitern, schon eine ermutigende Voreinschätzung eurer Qualitäten und eurer Befähigung zur wissenschaftlichen Arbeit quasi blanko ausstellen: Der typische potentiell „Scheiternde“ ist hochintelligent - so intelligent, dass seine Introspektionsfähigkeit auch die Bereitschaft mit sich bringt, alle einmal gemachten Aussagen wieder in Zweifel zu ziehen und damit seine eigenen wissenschaftlichen Erkenntnisse immer wieder aufs Neue zu überprüfen oder zu verwerfen. Viele der Ratsuchenden in der Schreibberatung haben meiner Erfahrung nach sehr feine, hoch differenzierte Antennen zur intellektuellen (und damit meist auch emotionalen) Wahrnehmung. Dies ist ein zweischneidiges Schwert, da damit sowohl hoch differenzierte Forschungsergebnisse und -aussagen möglich sind, aber auf der anderen Seite auch Zweifel und Widersprüche immer wieder drohen, die Zufriedenheit mit dem Geschafften - sprich: Geschriebenen - zu gefährden. In eurer intellektuellen Fähigkeit zur Selbstzerfleischung, die sich darin äußert, einmal geschriebene Seiten immer wieder zu verwerfen, sich einfach nicht für eine Sicht der Dinge entscheiden zu können oder aus der Wahrnehmungsfähigkeit für viele verschiedene, widerstreitende Zugänge zum Thema gar nicht erst mit dem Schreiben beginnen zu können, liegt auf der anderen Seite euer höchstes Gut: Auf die intellektuelle Tiefe und Differenziertheit eurer Aussagen könnt ihr euch immer verlassen! Schreiben, und damit auch wissenschaftliches Schreiben, ist ebenso wie jedes Handeln, alles Leben und auch das wissenschaftliche Arbeiten von Prozesshaftigkeit geprägt: Alles ist in ewigem Wandel und das ist das Wundervolle daran. Ohne diesen Wandel gäbe es keine Wissenschaft, sondern nur in Stein gehauene, ewige Gesetze, die man lediglich auswendig zu lernen hätte. Das, was ihr erlebt, wenn tausend Ideen zu einem Bachelorthema in euch um Aufmerksamkeit ringen, wenn euch ein Übermaß an Meinungen an dem Lösungsweg für eure <?page no="28"?> 28 Prolog Entdecke den Helden in dir! 28 Masterarbeit (ver-)zweifeln lässt, ist der sichere Beweis dafür, dass ihr auf dem richtigen Weg seid: Das nämlich ist wissenschaftliches Denken bis ins Mark! Auf der einen Seite. Und dann kommt da noch die andere Seite eures zweischneidigen Schwertes, eures Talentes, die andere Seite wissenschaftlichen Arbeitens: eure Bereitschaft zur Kapitulation. Diese Bereitschaft zeugt von eurer Fähigkeit zu der Erkenntnis, dass ihr kein absolutes Ergebnis, keine unumstößliche Wahrheit am Ende eurer Arbeit verkünden werdet, sondern lediglich einen derzeitigen Status Quo. Schon morgen kann der nächste Kommilitone alle diese nach bestem Wissen und wissenschaftlichem Gewissen gezogenen Schlussfolgerungen über den Haufen schreiben. Leider. Gott sei Dank. Denn damit seid ihr auch entlastet, erlöst: es geht „nur“ darum, innerhalb eurer Möglichkeiten das Beste aus dem Thema zu machen. Eure Möglichkeiten sind begrenzt: begrenzte Zeit, begrenzte Seitenanzahl, begrenzte zugängliche Literatur, begrenzte Stunden, um Literatur auszuwerten. Von vorne bis hinten ist eure Arbeit begrenzt. Ist das nicht herrlich? Ihr wisst von vorneherein, dass ihr nur ein Stückwerk abgeben werdet. Zum einen. Aber auf der anderen Seite geht es darum, so wie im wirklichen Leben, das Allerbeste daraus zu machen. Das Allerbeste heißt in diesem Fall: das Spannendste, Mitreißendste, Leidenschaftlichste aus dem Thema zu machen, was unter all diesen formalen Begrenzungen möglich ist. Dasselbe gilt auch für den Inhalt: Ihr könnt nicht alle Wege durch das Thema gehen, nicht alle Meinungen dazu auflisten, nicht alle Quellen zitieren, ihr müsst euch beschränken. Aber diese Beschränkung soll kein Verzicht auf das Interessante an dem Thema sein und nur den langweiligen Müll aufnehmen, sondern es geht um den Kern des Themas. Aber was ist der Kern? Das könnt nur ihr alleine entscheiden. Ihr müsst selber erspüren, in welchem Punkt euer Thema packend ist - spannend: ein Widerspruch, ein brennendes ungelöstes Problem, eine himmelschreiende Ungerechtigkeit oder die händeringende Suche nach der Behebung eines zerstörerischen Mangels. Jedes Thema birgt seine eigene Dramatik. Findet heraus, wo das Thema euch bewegt, inwiefern es bei diesem Thema um etwas Wichtiges geht. Denn diese Überzeugung sollte bei euch herrschen: Es geht dabei um etwas! Nicht (nur) um euer Bestehen oder die Note, sondern auch etwas an diesem Thema ist von <?page no="29"?> 29 Prolog Entdecke den Helden in dir! brennendem Interesse. Wenn nicht, könntet ihr euch (und euren Dozenten auch) die ganze Sache sparen. Und mit diesem brennenden Interesse sind wir auch schon beim Einstieg in das Thema - dem Beginn des ersten Aktes im Drama eurer wissenschaftlichen Arbeit, denn es ist zu vermuten, dass dieses Spannende, das Faszinierende an dem Thema noch gar nicht zu sehen ist. Es ist vermutlich verdeckt von einer großen, lähmenden Angst. Diese Angst nehmen wir - sie bietet den perfekten Einstieg ins Thema. 89101112 8 Campbell 2015, S. 28. 9 Campbell 2015, S. 87. 10 Campbell 2015, S. 31. 11 Campbell 2015, S. 410. 12 Vogler 2004, S. 22. Ein Held? ! Das Wort ‚Held‘ kommt mit dem griechischen ‚heros‘ ursprünglich aus dem antiken Sagen- und Legendenkreis. Der Mythenforscher Joseph Campbell benutzt es in diesem archaischen Sinne (das englische Wort ‚hero‘ ist ja auch noch weniger Übersetzungsnotwendigkeit unterworfen als das deutsche Wort ‚Held‘) für den Erlöser, der einem tyrannischen Ungeheuer entgegentritt „als Träger des leuchtenden Schwertes, dessen Hieb, Berührung oder Existenz das Land befreien soll“ 8 . Die griechische Wurzel des Wortes ‚heros‘ bedeutet ‚schützen und dienen‘ 9 . Für Campbell ist der Held deshalb „der Mensch, ob Mann oder Frau, der fähig war, sich über seine persönlichen und örtlich-historischen Grenzen hinaus zu kämpfen zu den allgemein gültigen, eigentlich menschlichen Formen“ 10 . Den Helden der Gegenwart sieht Campbell seiner ursprünglichen Aufgabe für das Kollektiv beraubt: „alles ist im Individuum“ und dieses sucht den Sinn der Welt, abgeschnitten von den Verbindungsfäden zur Weltenseele 11 . In dieser Suche nach dem Sinn der Welt, nach dem verlorenen Kollektiv besteht die Gefahr, dass Heldentum immer den Ruch des Patriotismus und Nationalismus trägt. Insofern ist das Wort ‚Held‘ im deutschen Kulturraum nicht ohne Ambivalenz zu benutzen. Der Drehbuchautor Christopher Vogler zählt Deutschland neben Australien zu den „herophoben Kulturen“, weil man hier „mit heroischen Aspekten zurückhaltend“ umgehe 12 . Zu viele negative Assoziationen schwingen mit seit den „Helden der Arbeit“ im Sozialismus, zwei Weltkriegen und dem Missbrauch von Symbolen des Heldenmythos <?page no="30"?> 30 30 Prolog Entdecke den Helden in dir! 1314 13 Vogler 2004, S. 23. 14 Warnecke 2018, S. 11. im Dritten Reich 13 . Deutsche Helden haben sich durch diese leidvollen Erfahrungen und eine nachfolgende kritische Auseinandersetzung mit Heldenfiguren deutlich gewandelt: Der Held des deutschen Films ist eigentlich ein untypischer, „unheldischer“ Held, wenn man so will, der eher die gegenteiligen Wesenszüge des antiken Helden-Typus aufweist: zurückhaltend, einzelgängerisch, zerbrechlich, nachdenklich, unscheinbar. Sein Heldentum liegt weniger in spektakulären Rettungsaktionen als im stillen Wirken im Hintergrund, um - ja, das dann doch - eine oder sogar ‚die‘ Welt zu retten. Vogler sieht in diesem Zusammenhang einen „unsentimentalen Realismus“, der eher „leidenschaftslose, kühle Antihelden“ bevorzuge 14 . Seit dem Siegeszug Hollywoods in unsere Kinosäle und Wohnzimmer ist mit dem amerikanischen Filmhelden, insbesondere der Action- und Fantasy-Filme bis hin zu den Blockbustern der Marvel-Comic-Verfilmungen, der „Held“ auch in Deutschland wieder salonfähig geworden und darf auch auffallende Farben tragen. Welchen Helden braucht es nun für die Heldenmethode? Zunächst einmal auch definitiv die weibliche Ausgabe als Heldin. Zum anderen einen vornehmlich emotional und mental starken Helden. Beim Abfassen wissenschaftlicher Arbeiten spielen weder Muskelspannung noch Make-Up eine bedeutende Rolle - es sei denn im übertragenen Sinne als Bereitschaft, es mit einem starken Gegner aufzunehmen, in den Ring zu steigen, sich zu zeigen und sichtbar zu werden: Helden brauchen Mut zur wissenschaftlichen Eigenpositionierung. <?page no="31"?> 31 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer Regieanweisung: Stell dich deiner Angst In diesem ersten Schritt geht es darum, die Angst zu lokalisieren, die dich bisher daran hindert, deine Arbeit in befriedigender Weise zu schreiben. Angst ist „zunächst ein wichtiges, sogar notwendiges Gefühl“ 15 . Sie schärft unsere Sinne, um Gefahren angemessen wahrnehmen zu können und so zu überleben. Dabei spricht man von Furcht, wenn sich das Gefühl auf etwas Konkretes, Fassbares bezieht, während Angst sich auf etwas rational nicht immer Begründbares bezieht 16 . Der ursprüngliche Impuls unserer Urahnen bei Gefahr war Kampf oder Flucht 17 . In Prüfungssituationen ist allerdings die Möglichkeit, den physiologischen Anzeichen von Angst nachzugeben und in körperlicher Aktivität auszuleben, beschränkt 18 . Die Heldenmethode unterstützt dich dabei, eine Ebene zu schaffen, in der deine Angst in Aktion umschlagen kann - zugunsten deiner Prüfungsarbeit. Manchmal beginnt diese Angst schlagartig in dem Moment, in dem die Abschlussarbeit angemeldet wird und die Uhr beginnt zu ticken. Als Erstes ist es wichtig, diesen Angstzustand als solchen wirklich zu erkennen. Viele Studierende spüren in ihrem Innern, dass sie an einem Punkt angekommen sind, an dem sie ohne Hilfe nicht mehr weiterkommen. Dass sie diesen Punkt im Unterbewussten erreicht haben, ist daran zu erkennen, dass sie eine Schreibberatung aufsuchen oder einen Schreibworkshop besuchen oder sich ein Buch zum akademischen Schreiben kaufen, wobei allerdings die Ursache des Problems, die Angst, meist im Dunkeln bleibt. Dein Verstand wollte bisher vermutlich noch nicht akzeptieren, dass du ein wirkliches Problem hast, deine Arbeit ohne Weiteres zu schreiben, und suchte sich daher, weil der Verstand eben der Sitz von Klugheit und Strategie ist, Stellvertretererklärungen für das beunruhigende Gefühl drohenden Scheiterns. 15 Vogler 2004, S. 23. 16 Warnecke 2018, S. 11. 17 Warnecke 2018, S. 14. 18 Warnecke 2018, S. 14. <?page no="32"?> 32 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer Von diesen kleinen Selbsttäuschungen, deren Aufgabe prinzipiell ist, die Angst im Rahmen zu halten, um die große Panik zu vermeiden, gibt es sehr vielfältige. Hier eine kleine Auswahl von „Stellvertreter-Problemen“: ▶ Ich konnte noch nie richtig schreiben, das hat mir schon meine Deutschlehrerin immer gesagt ▶ Ich habe Depressionen, bin deswegen in Behandlung und nehme Medikamente ▶ Mein/ e Freund/ in betrügt mich ▶ Ich habe das Fach gewechselt und kenne die neuen Anforderungen noch nicht ▶ Ich habe eine Sehnenscheidenentzündung an der rechten Hand ▶ Direkt neben meiner Wohnung ist eine Baustelle ▶ Ich kann nicht gut formulieren ▶ Ich habe ADHS ▶ Mein Vater / meine Mutter ist nicht in Deutschland geboren Damit du mich nicht falsch verstehst: Diese Liste enthält zum Teil sehr ernstzunehmende Konflikte, das liegt auf der Hand. Aber selbst diese Konflikte sind nicht die Ursache deines Schreibproblems. Sie sind möglicherweise die Ursache von ernsthaften Konzentrationsproblemen und müssen deshalb unbedingt gelöst werden. Aber das liegt außerhalb aller Regeln und Empfehlungen zum Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten. Das eine hat mit dem anderen nicht ursächlich etwas zu tun. Der Einfluss, den Baustellenlärm, Beziehungsstress oder eine Krankheit auf den Schreibprozess lediglich haben, ist, dass sie ihn zusätzlich erschweren, weil Kraft, Energie und Konzentrationsfähigkeit fehlen. Und nun kommen wir zu einem wesentlichen Zusammenhang dieser Problemliste und der Schreibblockade. Alle diese Probleme haben mehr oder weniger mit Angst zu tun, und leider kommt es nicht selten vor, dass die Angst vor dem Versagen im Studium sich hinter anderen Problemen versteckt und diese in den Vordergrund drängt, während das eigentliche Problem gar nicht richtig erkannt wurde. Darüber hinaus entstehen aus der ungelösten Angst einige Probleme erst. Das Gebot der Stunde ist nun, die Angst vor dem Versagen im Studium als Angst vor dem Schreiben, vor der konkreten Schreibarbeit zu erkennen und sie da anzupacken, wo sie herkommt, bevor sie sich in die oben genannten anderen Lebensbereiche schleicht: in deinem wissenschaftlichen Thema selbst. Bildlich gesprochen - mit dem Bezug zur Heldenreise - klopft dein wissenschaftliches Thema verzweifelt an deine Tür, aber du bemerkst es <?page no="33"?> 33 Regieanweisung: Stell dich deiner Angst 33 nicht oder versuchst vor lauter Panik, dir einzureden, das Geräusch käme vom Nachbarn, und stellst mit klopfendem Herzen deine Kopfhörer lauter. Tatsächlich schreit dein Thema nach Wertschätzung und Erlösung, du aber hörst seinen Hilfeschrei nicht. Stattdessen bricht dir der Schweiß aus vor Angst, mit in den Untergangsstrudel des ungelösten Themas zu geraten, ohne ein Ahnung davon zu haben, wie du dem wirklich entkommen könntest. Du fürchtest dich vor den Folgen des ungelösten Problems: negative Reaktion durch den Professor und Versagen im Studium durch eine schlechte Note, die Ablehnung der Arbeit oder sogar noch eine Stufe drunter, das Unvermögen, die Arbeit zu Ende zu bringen und abzugeben oder möglicherweise sogar erst damit zu beginnen. Was da im Innern tobt, ist die nackte Angst. Die Frage ist bloß: Wovor denn nun genau? Meiner Erfahrung nach liegt die Panik im allerinnersten Kern deiner Schreibaufgabe verborgen: Sätze zu schreiben. Sätze mit Inhalt zu schreiben, Sätze zu dem dir gestellten Thema zu schreiben, nicht ahnend, dass solche Sätze das Thema aus seinem Problem erlösen. Die Betonung liegt auf „Sätze“ im Sinne vollständiger grammatischer Konstruktionen mit einem Punkt am Ende. Denn viele Studierende schreiben zu diesem Zeitpunkt Unmengen an Stichworten auf, aber das Perverse an Stichworten ist, dass sie keine wirklichen Inhalte verkörpern. Stichworte sind wie eine Schubkarre bunter Steine, die man auf einen Haufen wirft - Baustoff für ein Haus. Aber damit ist noch längst kein Gebäude errichtet. Um das zu tun, ein stabiles, tragfähiges Haus zu bauen, sprich: einen sinnvollen, überzeugenden Text zu schreiben, braucht es eine Idee, einen Plan, eine Struktur, eine Hierarchie. In der Architektur ist das eine statische Berechnung und ein Auswählen der Fundamentsteine sowie die tragfähige Konstruktion des Dachstuhls; im wissenschaftlichen Schreiben sind das hierarchische Denkstrukturen von Voraussetzungen, Grundlagen, Bezügen und Schlussfolgerungen der Wörter zueinander. Du musst anfangen, einen Plan zu entwickeln. Ein Plan heißt: eine Idee, eine Vision, ein Ziel. Später mündet dieser Plan in die Gliederung, aber jetzt ist es erst einmal die Überzeugung, strategisch tätig zu werden. Da du aber gerade geblockt bist durch eine noch unbestimmte Angst vor einem gewissen Aspekt deines wissenschaftlichen Themas, versuchen wir im ersten Schritt, diese Angst in Sätze zu packen. Du musst aktiv werden, herauskommen aus deinem Versteck, du musst dich zeigen. Dein Thema hat angeklopft, steht nun hilfesuchend vor deiner Tür und macht keinerlei Anstalten, von dort zu weichen, bis du es nicht hereingelassen hast, um ihm Schutz zu geben. <?page no="34"?> 34 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer Mit anderen Worten: Dein Einsatz ist gefordert. Nicht, um dem Professor einen Gefallen zu tun oder deinen Eltern oder deiner Eitelkeit oder deiner Sehnsucht nach Zukunftsperspektive, sondern dem Thema deiner Arbeit selbst. Dieser Einsatz bedeutet auch: Du musst kämpfen, du musst dich für das Thema leidenschaftlich mit Körper und Geist engagieren, damit es aus seinem ungelösten Problem befreit wird! Wenn du begreifst, dass es an diesem Punkt gar nicht um dich geht, sondern um die Aufgabenstellung deiner Arbeit, dann bist du auf dem richtigen Weg: das Problem dort zu lösen, wo es entstanden ist. Dann ist die Gefahr, dass es sich ein neues Betätigungsfeld sucht, bis du es endlich gelöst hast, sehr gering. Dein Vorteil ist außerdem, dass es hier als kleines wissenschaftliches Problemthema begrenzt ist, während es im Zustand behandlungsbedürftiger Depressionen oder bei Trennung vom Lebenspartner eine ganz andere Dimension erreicht hat. Dabei soll an dieser Stelle betont werden, dass selbstverständlich nicht alle Beziehungsprobleme oder Depressionen ursächlich mit dem Schreibproblem verbunden sind - aber leider doch zu viele. Diese Verknüpfung kannst du kappen und dir damit das Leben (und Schreiben) deutlich erleichtern. Um es noch mehr auf den Punkt zu bringen: Erkenne, dass du Angst davor hast, dein Thema in dein Haus zu lassen, sprich, dich mit deinem Thema zu identifizieren und für seine Belange zu kämpfen. Es klingt paradox, aber indem du dich mit deinem Thema identifizierst, lässt du dein eigenes Selbst außen vor - und das ist der erlösende Schritt, ein mögliches Scheitern deines Themas von einem Scheitern deiner Person abzukoppeln - vom ersten Satz an. Es geht nicht um dich! Es geht „nur“ um eine wissenschaftliche Arbeit von 20 bis maximal 120 Seiten. Dir selber kann nichts passieren. Untergehen kann nur dein Thema - und für dein Thema kannst du dich nun mutig und voller Tatendrang zum Helden aufschwingen. Sieh es als Spiel, als Abenteuer! Und einmal den Ruf des Abenteuers vernommen, bleibt dir wie jedem mutigen Helden nicht wirklich eine andere Wahl, aber dir winkt zur Belohnung ein großer Schatz: die bestandene Arbeit, der Abschluss, ein weiterer Schritt in eine befriedigende Zukunft. Erkenne, dass es eigentlich gar nicht um dich geht: Dein Thema hat ein Problem und braucht deine Hilfe. Sei bereit, dich deiner Angst zu stellen - nimm es als Spiel, als Abenteuer! <?page no="35"?> Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ Schreibtechnik 20 Sätze Wirkungsweise und Ziel der Übung Um die Energie deiner Angst in Handlungskraft umzusetzen und den Angstauslöser bekämpfen zu können, müssen wir die Gründe für deine Angst in deinem Thema ausfindig machen, die dich blockieren. Finde heraus: Was ist es genau? Dazu dient die folgende Übung. Sie zieht zum einen ihren klärenden Effekt aus der unermüdlichen Wiederholung der Suche nach den angstauslösenden Faktoren. Zunächst scheint die Liste der Gründe, warum deine Prüfungsarbeit dir Angst macht, endlos anzuwachsen, aber ab einem bestimmten Punkt stellt sich mit zunehmender Zahl der Gründe ein Gefühl der Beliebigkeit der Angstursachen ein - und damit nimmt ihr jeweiliges Gewicht gleichzeitig ab. Auf der anderen Seite lernst du, die Angst konkret zu lokalisieren - auf eine Facette, eine bestimmte Herausforderung deines Themas und damit nicht der Haus- oder Abschlussarbeit im Ganzen. Dein Gegner gewinnt an Gestalt. Einen diffusen, körperlosen Gegner kann man nicht besiegen - deshalb ist es wichtig, ihn klar zu benennen. Eigentlich hast du als Studierende mit der Zulassung zum Studium bereits eine erste „Lizenz zum Schreiben“ erhalten: Deine Abiturprüfung oder vielleicht sogar schon eine erfolgreich abgelegte Bachelorprüfung „erlaubt“ dir, wissenschaftliche Fragen zu stellen. Du hast dir somit bereits das Recht erarbeitet, im wissenschaftlichen Umfeld eine eigene Position zu beziehen - aber oft ist dir das nicht mehr bewusst. Dabei ist Schreiben insbesondere im universitären Kontext ein mutiger, bewusster Akt der Entscheidung: Ich bin bereit, Position zu beziehen. Ich bin bereit, meinen Gedanken Ausdruck zu verleihen. Ich bin bereit, meine Thesen zur Disposition zu stellen. Ich bin bereit, meine Ideen der Prüfung und Kritik auszusetzen. Letztlich bin ich damit vor allem bereit, zu scheitern. Um das zu wagen, den eigenen Untergang zusammen mit seinem Schreibauftrag (aber eben auch nur in dieser Kopplung - der Studierende selber geht selbstverständlich nicht unter! ), braucht es wahren Heldenmut, der letztlich gespeist wird von der uralten Weisheit: Nur wer wagt, kann gewinnen. Nur 35 Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ <?page no="36"?> 36 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer wer bereit ist, seiner Angst zu begegnen, kann sie überwinden und in Stärke verwandeln. Die Übung ist angelehnt an Julia Camerons Seminarprogramm „Der Weg des Künstlers“ 19 . Julia Cameron ist nicht nur Bestseller-Sachbuchautorin zum Thema Aktivierung der Kreativität, sondern auch erfolgreiche Drehbuchautorin in Hollywood. Mit dieser Übung holst du dir deine Berechtigung zum wissenschaftlichen Schreiben zurück - die „Lizenz zum Schreiben“. Arbeitsanleitung Teil 1 Vervollständige den folgenden Satz 20-mal: Das Thema meiner Bachelor- / Masterarbeit macht mir Angst, weil … Wichtig ist dabei, dass du wirklich Gründe für die Angst gegenüber deinem Thema im engeren Sinne suchst - nicht nach Angstauslösern zum Thema Abschlussarbeit allgemein oder sogar zur Gefahr eines Studienabbruchs im Ganzen. Versuche, nicht weniger als 20 Satzergänzungen zum Ausgangssatz zu schreiben. Schreib schnell und spontan drauf los, ohne groß nachzudenken. Wenn dir nichts Neues mehr einfällt, bevor die 20 Sätze voll sind, dann wiederhole einfach bereits Geschriebenes. Wenn du die Liste vervollständigt hast, suche einen Grund heraus, der dir zentral oder wichtiger oder stärker als die anderen erscheint. Dieser Grund ist nun Ausgangspunkt für den zweiten Teil dieser Übung. Arbeitsanleitung Teil 2 Schreibe erneut 20 Sätze, indem du nun folgenden Satzanfang vervollständigst: Diese/ n (zentralen Angstauslöser XYZ) kann ich auch als Stärke sehen, weil-… Arbeitsanleitung Teil 3 Mit all diesen neu gefundenen Stärken im Kopf gehst du nun in den dritten Teil der Übung. Schreibe nochmals 20 Sätze, die beginnen mit den Worten: 19 S. u.-a. die Übung „Wunschliste“, Cameron 2009, S. 179. <?page no="37"?> Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ 37 Diese/ n (Angstauslöser XYZ) kann ich als besondere Stärke somit eigentlich positiv nutzen, indem-… Du hast nun erlebt, in den Ursachen deiner Angst verborgene Stärken zu entdecken. Dein Wandel zum Helden hat begonnen. Mit diesen konkreten Ideen, wo in der Ursache deiner Angst das Potential zu einem positiven Nutzen liegt, gehen wir in die nächste Phase deines „Masterdramas“: die Themeneingrenzung und -spezifizierung. Allgemeine Bemerkungen zu den Fallbeispielen Es wird empfohlen, die Übungen der Heldenmethode erst einmal ohne Konsultation der Fallbeispiele selber zu probieren, da eine gewisse Gefahr besteht, dass in Folge der Suggestivkraft der angebotenen Antworten du diese auf dein Thema überträgst. Am effizientesten sind nämlich die Übungen für dich, wenn du sie so eng wie irgend möglich an deiner eigenen Persönlichkeit angelehnt beantwortest bzw. ausführst. Die Fallbeispiele sind lediglich dafür gedacht, mögliche Blockaden zu überwinden. Insofern ist es völlig ok, den Übungsteil durchzuarbeiten, ohne überhaupt in den Fallbeispiel-Teil hineingeschaut zu haben. Andererseits ist es auch ok, sich die Fallbeispiele anzusehen, um dann den eigenen Arbeitsteil ohne unnötige Verzögerungen bewältigen zu können. Als Gegenstand der Fallbeispiele soll hier ein Märchenthema dienen: „Stroh-zu- Gold-Spinnen - Risiken und Chancen“. Zum einen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es in dieser Form mit keinem von irgendeinem Studierenden bearbeiteten Thema übereinstimmt. Alle Leserinnen haben also die gleiche Distanz und müssen denselben Transfer von dem Beispiel auf das eigene Forschungsthema leisten. Außerdem ist das Thema ein wenig ‚spooky‘, so dass keine echte Gefahr besteht, „inhaltlich“ zu entscheiden, sondern dieses Thema bestens geeignet ist, die reine Wirkungs- und Arbeitsweise der verwendeten Schreibübungen und -techniken aufzuzeigen. Wir alle kennen das Märchen „Rumpelstilzchen“ der Gebrüder Grimm. Für diejenigen, denen es nicht geläufig ist, hier eine kleine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse und Inhalte: <?page no="38"?> 38 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer Ein armer Müller hat eine schöne Tochter, auf die er sehr stolz ist und mit deren Vorzügen er gern prahlt. So behauptet er dem König gegenüber, seine Tochter könne Stroh zu Gold spinnen. Das gefällt dem König, der die schöne Müllerstochter in eine mit Stroh gefüllte Kammer sperren lässt und ihr befiehlt, über Nacht alles Stroh zu Gold zu spinnen. Wenn es ihr nicht gelänge, müsse sie sterben. Das Mädchen ist völlig verzweifelt, denn natürlich hat ihr Vater nur geprahlt. Während sie schluchzt und wehklagt, taucht ein kümmerliches kleines Männlein auf und verspricht ihr zu helfen. Die Müllerstochter gibt ihm dafür ihr Halsband, und tatsächlich steht der König am nächsten Morgen staunend vor einem Berg Gold. Der Anblick entfacht in ihm den Wunsch nach mehr; das Mädchen wird in eine größere Kammer mit noch mehr Stroh gesperrt und muss wieder, unter Androhung der Todesstrafe, alles zu Gold spinnen. Wieder hilft der Kobold und bekommt diesmal den Ring der Müllerstochter als Lohn. Der König ist nun so entzückt, dass er das Goldmädchen zur Frau nehmen will, sollte ihr das Kunststück ein drittes Mal gelingen. (Allerdings, wenn nicht, dann ...) Und wieder taucht das Männlein auf, um seine Hilfe anzubieten. Die Müllerstochter ist verzweifelt, denn sie besitzt nichts mehr, was sie ihm geben könnte. Doch das Männlein weiß genau, was es will, nämlich ihr erstes Kind, das sie dem König als dessen Gemahlin gebären wird. Die Müllerstochter sieht keinen Ausweg und hofft wohl auch, ihr Versprechen nie einlösen zu müssen. Also verspricht sie dem Männlein das Verlangte. Tatsächlich wird sie nach der dritten Nacht des Stroh-zu-Gold-Spinnens die Frau des Königs. Fast schon hat sie ihren unheimlichen Helfer vergessen, als dieser an der Wiege ihres ersten Kindes auftaucht und es als seinen zugesprochenen Lohn einfordert. Weinend kann sie einen Aufschub von drei Tagen erwirken. Sollte sie bis dahin den Namen des Männleins wissen, darf sie ihr Kind behalten. Die junge Königin lässt im ganzen Land Boten ausschicken, um die ungewöhnlichsten Namen zu erkunden. Einer der Boten berichtet von einem kleinen Männlein, das auf dürren Beinen um ein Feuer sprang und dabei rief: „Heute back’ ich, morgen brau’ ich, übermorgen hol’ ich mir der Königin ihr Kind. Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’.“ <?page no="39"?> 39 Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ Die Königin weiß nun den rettenden Namen, doch foppt sie den bösen Kobold, indem sie zuerst fragt: „Heißest du Kunz? Heißest du Hinz? “ Schließlich aber: „Oder heißest du etwa Rumpelstilzchen? “ Wütend ruft das Männlein: „Das hat dir der Teufel gesagt! “ und zerreißt sich vor lauter Wut selbst. 20 Thema der fiktiven Hausarbeit für die Beipielebene soll also nun eine weltlich-realistische Adaption des Märchenthemas mit einer Untersuchung sein, welche Möglichkeiten und Gefahren es gibt, Stroh zu Gold zu spinnen - fantastische, märchenhafte oder auch utopische Lösungen inklusive. Denkbar ist zum Beispiel eine chemische Betrachtungsweise - welche chemische Reaktion ist geeignet, Stroh in Gold zu verwandeln? -, oder eine gesellschaftspolitische - welche Auswirkungen auf den Goldmarkt und damit auf die Weltwirtschaft hätte eine patentierte Methode, ohne großen Aufwand Stroh zu Gold zu spinnen? Oder auch: Welche Auswirkungen hätte eine solche Erfindung auf die Landwirtschaft? Der Fantasie sind prinzipiell hier keine Grenzen gesetzt. Aber du musst dieses Thema ja auch gar nicht bearbeiten - in den Fallbeispielen werden dir mit diesem Märchenstoff nur die Ausführung und der Ablauf der in den Heldenaufgaben verwendeten Übungen anschaulich vorgestellt. Fallbeispiel „Lizenz zum Schreiben“ / 20 Sätze Arbeitsanleitung Teil 1 Vervollständige den folgenden Satz 20-mal: Das Thema meiner Bachelor- / Masterarbeit macht mir Angst ... … weil es um Leben oder Tod geht … weil der Teufel (Rumpelstilzchen? ) seine Hand im Spiel hat … weil meine Eltern finden, ich sollte über etwas Sinnvolleres schreiben 20 20 Jacob und Wilhelm Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Nr. 55. Zusammenfassung aus Märchenatlas 2018. <?page no="40"?> 40 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer … weil ich keine blasse Ahnung von Stroh-zu-Gold-Spinnen habe … weil ich mich in chemische Prozesse einarbeiten müsste, die ich bisher nicht verstehe … weil ich gar keinen Bock auf Recherche von landwirtschaftlichen Daten / Statistiken habe … weil ich noch nie Märchen mochte und dieses schon gar nicht … weil ich nicht weiß, wie ich damit rund 80 Seiten füllen soll … weil ich vielleicht keine richtige Lösung finde … weil ich es gar nicht für wünschenswert halte, mehr Gold zu produzieren, und nicht Teil dieser Ermöglichung werden will mit meiner Arbeit … weil ich es vielleicht einfach nicht auf einen überzeugenden Punkt bringen kann … weil ich vielleicht Leute gegen mich aufbringe, wenn ich zu kritisch bin … weil ich mich vielleicht nicht mit den anderen Forschern auf diesem Gebiet messen kann … weil ich mich dabei ziemlich alleine fühle … weil meine Mutter so viel darüber weiß und ich mich unter Erwartungsdruck fühle … weil ich fürchte, meine eigene Meinung dazu gar nicht äußern zu können … weil ich keine Idee habe, womit ich beginnen soll … weil ich nicht weiß, was ich mit meiner Arbeit bewirken werde … weil ich nicht weiß, ob ich die Disziplin aufbringe, so viele Quellen zu lesen, ohne den Überblick zu verlieren … weil ich gar nicht sicher bin, ob es ein lohnendes Thema mit einem nennenswerten Ergebnis ist Mein präferierter Grund, der mir zentral oder wichtiger oder stärker als die anderen erscheint, ist eine Mischung aus den Sätzen 10 und 12: Das Thema macht mir Angst, weil ich die Verwandlung von Stroh zu Gold kritisch sehe und vielleicht gegen mächtige herrschende Forschungsmeinungen vorgehen muss. Dieser Grund ist nun Ausgangspunkt für den zweiten Teil dieser Übung. Arbeitsanleitung Teil 2 Schreibe erneut 20 Sätze, indem du nun folgenden Satzanfang vervollständigst: Diesen zentralen Aungstauslöser XYZ kann ich auch als Stärke sehen, weil … <?page no="41"?> 41 Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ Diese kritische Haltung kann ich auch als Stärke sehen, weil … … es für mich eine aufregende persönliche Herausforderung sein könnte … ich vielleicht plötzlich eine Position in den Reihen der „herrschenden Forschungsmeinung“ beziehen könnte … es ganz bestimmt nicht langweilig wird … auf diese kritische Weise auf jeden Fall ein nennenswertes Ergebnis herauskommt … die Arbeit richtig gut werden könnte … die Arbeit Beachtung finden könnte … die Arbeit mich in meinem Selbstgefühl hebt … die Arbeit mich stolz macht … die Arbeit ein Teil meines Lebens wird … die Arbeit auch meine Familie stolz macht … ich einen sinnvollen Beitrag zur Forschung leiste … ich etwas Bedeutendes lerne: keine Angst vor den Mächtigen zu haben … es kein Thema gibt, das nicht zwei Seiten hat … es kein Thema gibt, das nicht kritisch betrachtet werden kann … es kein Thema gibt, das „zu Ende“ entwickelt ist … es mir wichtig ist, das Bedenkenlose in diesem Stroh-zu-Gold-Spinnen anzuprangern … ich mit meiner Arbeit ein kleines Stück die Welt besser mache … sich aus diesem Thema für mich ein weiterführendes Thema entwickelt … vielleicht dieses Thema mein berufliches Lebensthema werden könnte Arbeitsanleitung Teil 3 Schreibe nochmals 20 Sätze, die beginnen mit den Worten: Diese/ n (Angstauslöser XYZ) kann ich als besondere Stärke somit eigentlich positiv nutzen, indem ... Die Angst vor einer kritischen Stellungnahme zu „Stroh-zu-Gold-Spinnen“ kann ich somit als besondere Stärke eigentlich positiv nutzen, … indem ich die Fachwelt provoziere … indem ich auf mich aufmerksam mache … indem ich mich in dieses für mich interessante Thema einarbeite … indem ich vielleicht Kontakte zu Mitstreitern knüpfe <?page no="42"?> 42 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer … indem ich etwas über diesen Prozess des Stroh-zu-Gold-Spinnens lerne und selber zum Fachmann werde … indem ich lerne, mit dieser persönlichen Angst vor arrivierten Spezialisten umzugehen … indem ich mich bekannt mache … indem ich für mich ein Schema entwickle, mit Herausforderungen klarzukommen … indem ich vielleicht auch die Gegensicht mit neuen Augen sehe … indem ich toleranter und offener werde … indem ich lerne, wissenschaftlich sachlich mit widerstreitenden Ansichten umzugehen … indem ich lerne, eine Sache durchzusetzen … indem ich mich für eine Sache einsetze … indem ich mich von anderen Meinungen distanziere … um den Goldspinnerinnen zu helfen … um die Arbeitsbedingungen der Landwirte zu verbessern … um den Wahnsinn des Goldmarktes zu beenden … um die Verschwendung wertvoller Rohstoffe zugunsten eines Goldberges unterbinden zu helfen … um mich wertvoll und als Spezialist zu fühlen Mit diesen konkreten Ideen, wo in der Ursache deiner Angst das Potential zu einem positiven Nutzen liegt, gehen wir in die nächste Phase deines „Masterdramas“: die Themeneingrenzung und -spezifizierung. Reflexion Je unterschiedlicher die Persönlichkeiten, die diese Übung machen, umso unterschiedlicher werden die gefundenen Antworten sein. Insofern sollten die Sätze des Fallbeispiels - wie auch die Beispielergebnisse der weiteren Übungen - nur als Anschauung dienen, nicht als zwangsläufiges Vorbild - die Ergebnisse können bei dir vollkommen andere sein! <?page no="43"?> Hintergrund: Schreibangst im Studium 21222324 21 Warnecke 2018, S. 9. 22 Warnecke 2018, S. 14. 23 Böglin 2012, S. 9. 24 Bräuer 1998, S. 197. Aufgrund meiner Erfahrung in der Schreibberatung lege ich diesem Ratgeber die These zugrunde, dass das Hauptproblem beim Schreiben, vor allem im universitären Kontext, Angst ist. Angst lähmt, macht blind und kann den Erfolg ernsthaft verhindern, indem sie dazu führt, dass sich Studierende der Prüfung gar nicht erst stellen 21 . Die bisherigen Methoden zum akademischen Schreiben sind alle für die einzelnen Schreibaspekte des akademischen Schreibprozesses sehr hilfreich, aber bisher nicht in einem Gesamtpaket zusammengefügt, das Wege zur Überwindung dieser Angst kompakt und aufeinander abgestimmt anbietet. Deshalb hat dieser Intensivkurs das Ziel, die Studierenden in die Lage zu versetzen, wieder „Herr der Lage“ zu werden 22 . Was die Möglichkeiten der Überwindung von Schreibblockaden angeht, ist Martha Böglins Beobachtung zuzustimmen, die aufgrund ihrer Erfahrung in Schreibwerkstätten feststellt, dass „das Gros der Probleme, die sich dem Studierenden stellen, technischer Art ist“ 23 . Daher funktionieren auch die modernen, aus dem kreativen Schreiben entlehnten Schreibübungen so gut - sie strukturieren sozusagen „automatisch“ den Schreibprozess. Dennoch würden sie als rein technische Schritte ebenso wenig funktionieren, wie es formale Vorgaben schaffen: Sie funktionieren, weil sie aus dem kreativen, hirnphysiologisch ausgerichteten Schreiben kommen, die rechte Hirnhälfte und damit die Emotion berühren und diese mit „ins Boot nehmen“. Die Heldenmethode als System von solchen aufeinander abgestimmten Übungen ist eine strukturgebende Hilfe, deren Ansatz aber darüber hinaus am Kernproblem greift: der Emotion, insbesondere der Angst. Insofern hilft nicht bloße „Technik“, sondern emotional verankerte, hirnphysiologisch angepasste Technik. Gerd Bräuer als einer der Väter des kreativen akademischen Schreibens („Schreibend lernen“) in Deutschland hat schon früh postuliert, dass Schreiben nicht nur eine „hauptsächlich regel- und produktorientierte Tätigkeit ist“ 24 , sondern „vor allem eine individuell geprägte Angelegenheit“, für die der Schreibende das „Risiko ein- 43 Hintergrund: Schreibangst im Studium <?page no="44"?> 44 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer gehen [muss], auch außerhalb gewohnter Arbeits- und Erfahrungsbereiche schreibend zu imitieren, adaptieren, improvisieren oder Bekanntes durch fremde Medien wie Bildlichkeit, Mündlichkeit, Musikalität oder Theatralität aufzubrechen und bei all diesem Mühen die Kraft des Alleinseins und die von Verbündeten zu spüren“ 25 . Entsprechend beruht die hier angebotene Heldenmethode noch auf einer weiteren Beobachtung und Erfahrung: Der Ausdruck der Probleme und die Lösung akademischer Arbeiten mag technischer Art sein, die Akzeptanz dieser Mittel und die Bereitschaft, sie anzuwenden, ist ausschließlich emotionaler Art. Im Rahmen eines Seminars zum wissenschaftlichen Arbeiten für Studienanfänger nach dem Heldenreisenkonzept hat die Brooklyn University die Beobachtung gemacht, dass „when framed by the hero’s journey, the research process becomes student-centered, self-directed, self-defined, investigative and exploratory, with a focus on research as a process that, in tandem with writing, is iterative, ongoing, sometimes painful, and yet ultimately leads to knowledge and growth.“ 26 Der Prozess des akademischen Schreibens bringt die ganze Palette emotionaler Hochs und Tiefs ins Rollen und ist damit ein Teil des Lebens, des Menschen und damit auch seiner Mischung aus Ratio und Emotio, aus kognitiven Fähigkeiten und seelischen Befindlichkeiten. Die Heldenmethode entspringt darauf aufbauend der Idee, dass jedes Schreiben, so wie jedes Tun und auch jedes Leben, einem dramaturgischen Prinzip folgt. So stellt Marietheres Wagner fest: „Dramaturgie existiert auch außerhalb von Texten. Denn Dramaturgie ist zunächst ein Teil dessen, was wir uns vorstellen oder zu wissen meinen.“ 27 Entsprechend der Herausforderung in einem Heldenepos gilt es ebenso beim akademischen Schreiben eine Aufgabe, eine Bedrohung, ein Rätsel zu lösen, das die Heldin vor die Wahl stellt: ja oder nein, annehmen oder ablehnen, kämpfen oder nicht. Es gibt hier kein „sowohl als auch“. Die Heldin, die Schreibende kann nicht beides - sie kann nicht im selben Moment schreiben und nicht schreiben, sie kann nicht auf Abenteuerreise aufbrechen und gleichzeitig die Annehmlichkeiten zu Hause weiter genießen. Ausgangspunkt jeden Schreibprojektes ist diese Entscheidung für die Lösung der Aufgabe - anstelle der Konzentration auf eigene etwaige Fehler oder Unzulänglichkeiten. Bevor der Stift das Papier berührt oder die Finger die Computertastatur, gibt es eine Idee im Kopf zu dieser Aufgabe, zu dem Thema: einen Titel, ein Stichwort, ein Problem. Für Studierende ist diese Idee in den meisten Fällen das Thema der Haus- 252627 25 Bräuer 1998, S. 198. 26 Georgas, Regalado & Burgess 2017, S. 120. 27 Wagner 2014, S. 11. <?page no="45"?> 45 oder Abschlussarbeit. Entweder ist es selbst gewählt oder vom Dozenten zugeteilt oder mit der Professorin abgesprochen. Diese Idee schwebt eine Weile im Raum, bis sie in irgendeiner Form schriftliche Gestalt annimmt. Wie auch immer die ersten Schritte auf dem Weg zu dem fertigen Text aussehen - davor tut sich oft, auf jeden Fall bei einer hartnäckigen Schreibblockade, eine Mauer aus Angst auf. An diesem Punkt hilft nur eins: Abenteuerlust. Das Schreiben darf nicht getrieben sein vom Willen zu siegen - noch nicht! -, sondern erst einmal von Neugier. Worum geht es? Was muss ich tun? Welche Gefahren lauern auf mich? Welche Chancen habe ich? Sobald diese Impulse freigesetzt werden können, ist der Forschungsprozess bzw. die „Abenteuerreise Haus- oder Abschlussarbeit“ bereits in vollem Gange. Denn für erfolgreiches Schreiben ist der sogenannte „Flow“ unerlässlich. Im Flow geschriebene Texte sind überzeugende Texte: „Naturgemäß werden das die besten Arbeiten“ 28 . Aber das bedeutet nicht, dass ununterbrochen wie in einem nicht abreißenden Fluss Wörter auf das Papier oder in den Computer sprudeln (obwohl das phasenweise sehr wohl der Fall sein kann und sein sollte), sondern damit ist auch gemeint, dass sich die Studierende in einem positiven kreativen Prozess befindet, dem keine oder zunehmend weniger Blockaden im Weg stehen. Flow meint hier also eher, dass eine Übereinstimmung, eine Identifikation zwischen Student und Text, zwischen Studentin und ihrem Forschungsthema besteht, die dazu führt, dass sie gedanklich mit Freude involviert ist und daher Ideen zum Thema entwickelt. Wie ein Wellenreiter auf seinem Surfbrett sich einerseits ganz auf die Bewegung des Wassers, die Höhe der Wellen, die Dynamik der Strömung einlässt und andererseits steuernd versucht, seinen Körper mithilfe des Plastikbretts oberhalb der Wasseroberfläche zu halten, so geht es Studierenden beim Schreiben ähnlich. Auch beim Schreiben gilt es, zum einen sich vollkommen auf die Macht der Fakten einzulassen und sich auf all ihre Dynamik ohne Widerstände einzuschwingen, aber gleichzeitig ist es lebensnotwendig, den Verlauf der Argumentation in der Hand zu behalten. Für diese Art von Flow bei gleichzeitiger Beherrschung des Prozesses braucht es eine Mischung aus leidenschaftlicher Demut auf der einen Seite und kühl berechnendem Machtanspruch auf der anderen Seite. Kurz: Für einen erfolgreichen Schreibprozess braucht man Mut gepaart mit vollkommener Hingabe. Einen Helden im Sinne der antiken Heroen oder der Helden Hollywoods zeichnet diese doppelte Bereitschaft 28 28 Wolfsberger 2016, S. 134. Hintergrund: Schreibangst im Studium <?page no="46"?> 46 Schreib-Szene 1 Ruf zum Abenteuer aus, zum einen seinen Auftrag notfalls mit dem eigenen Leben zu bezahlen, zum anderen bis zuletzt an den Sieg zu glauben und dafür zu kämpfen. Bei dem Actionhelden James Bond lässt sich diese Mischung zusammenfassen unter dem Motto „Die Lizenz zum Töten“: Die moralische Motivation seines Einsatzes führt dazu, dass James Bond jederzeit dazu bereit ist, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen, und rechtfertigt auf der anderen Seite ultimative Mittel im Kampf. Sie verleiht dem Agenten 007 so die Entscheidungshoheit über den Einsatz dieser ultimativen Mittel ohne Rücksprache mit seinem Auftraggeber, dem britischen Geheimdienst. Für Studierende geht es selbstverständlich nicht um ultimative Entscheidungen dieser Qualität im Sinne einer Herrschaft über Leben und Tod, aber letztlich nimmt auch ihnen der betreuende Professor oder die betreuende Professorin nicht die Entscheidung ab, wie denn nun das letzte Urteil = die Beantwortung der zentralen Forschungsfrage, gefällt wird. Insofern ist eine der Grundvoraussetzungen erfolgreichen wissenschaftlichen Schreibens, diese „Lizenz zum Schreiben“ zu akzeptieren. Das bedeutet dann im Umkehrschluss, dass die Schreibende sowohl sich voll und ganz mit dem Forschungsthema identifiziert und die Lösung des Forschungsproblems während der Dauer der Aufgabenstellung zur absolut vorrangigen Aufgabe macht als auch bereit ist, alleine die volle Verantwortung zu übernehmen und Entscheidungen über die Struktur der Arbeit, die Richtung der Vorgehensweise und die Antworten eigenständig zu fällen. Diese Selbstverantwortlichkeit lähmt die meisten Studierenden im ersten Schritt, was dann zu oben bereits erwähnten Panikattacken und Schreibblockaden führt - gewissermaßen versucht 007, sich im Bett zu verkriechen. Jeder Held macht eine Wandlung durch auf seiner Reise, er ist niemals mehr derselbe, der er vorher war 29 , aber vorher war er auch kein Held und vorher hat er auch nicht die Welt gerettet - oder sein Forschungsthema. Das Risiko der Veränderung ist nichts im Vergleich zu dem unglaublichen Lohn, den er bei bestandener Prüfung erhält: den Schatz, die Prinzessin, die Rettung der Welt - die gelungene Haus- oder Abschlussarbeit. Schreiben bedeutet, Ideen haben, Pläne aufstellen, Zusammenhänge erkennen und eine Absicht formulieren. Was die meisten Studierenden befällt, die Probleme beim Schreiben und Angst vor einer klaren Positionierung haben, ist Unentschiedenheit. Sie meiden es, eine Wahl zu treffen, weil sie innerlich festhalten 29 29 Vogler 2004, S. 275. <?page no="47"?> 47 an der Idee, gewinnen zu können, ohne das Wagnis einzugehen, verletzt zu werden oder gar unterzugehen. Dabei ist diese Haltung trügerisch und dringt dennoch bis in jedes Detail des Schreibprozesses vor und verhindert ihn. Der Text soll gut werden (der Auftrag soll erledigt werden mit Bravour, der Sieg soll eingefahren werden), aber auf der anderen Seite besteht keine Risikobereitschaft, sich Blessuren zu holen (Fehler zu machen, Thesen auszuprobieren, drauflos zu schreiben, Entwürfe zu wagen und auch wieder zu verwerfen). Mit Peter Elbows Worten ist es jedoch unmöglich, beim Schreiben Großes zu wagen und dabei gleichzeitig keinerlei Angriffsfläche zu bieten. Mit dieser Haltung verfolgen Schreibende zwei verschiedene Ziele in der irrigen Vorstellung, sie gingen Hand in Hand: „My point is this: if you care about quality you have to chose between two quite different paths: the path of going for genuinly high quality or the path of fighting badness, carlessness and garbage. It would seem as though the two goals would go hand in hand: we fight badness in order to get excellence. But I insist that we can’t pursue both goals or paths - at least not at the same time“ 30 . In diesem Ratgeber halten wir es mit Peter Elbow in seinem Buch „Writing with power“ und haben Mut zum Fehler, zum Irrweg, im Wissen, dass wir diesen zu einem späteren Zeitpunkt korrigieren können. Im Moment des Schreibens wollen wir uns von Versagensangst, und dazu gehört auch die Sorge, Fehler zu machen oder nicht „gut“ zu schreiben, frei halten. Mit Mut zur Lücke nutzen wir daher den unbeschwerten kreativen Impuls: Wir gehen Schritt für Schritt vor, schreiben uns Zeile für Zeile hinein in das unbekannte Abenteuer „Forschungsthema“ und teilen den Weg hinein in die Welt des Schreibprojektes, über die Mauer der Angst hinweg in einzelne kleine, genau gesagt in 12 Schritte. Der erste ist bereits in dieser ersten Szene vollbracht: Die Angst wurde akzeptiert und ihre Gestalt genauer definiert, und das mit schreibenden Mitteln und damit bereits hinein in das wissenschaftliche Thema. Die „Power“, die jeder Studierende so dringend beim Schreiben benötigt, entsteht schon durch die Wahl und damit die erste machtvolle Entscheidung, die er trifft: Statt sich mit Selbstzweifeln zu beschäftigen und auf seine möglichen Fehler zu schauen, ist sein Blick auf den möglichen Erfolg gerichtet. Der erste Schritt ist getan und ohne es richtig zu vergegenwärtigen, ist die Studierende bereits über die Mauer gestiegen und hat quasi im Sog der ersten Schreibaufgabe das Heft des Schwertes, den Stift in die Hand genommen und damit schon mal vorsichtig tastend Anspruch angemeldet: Anspruch auf die eigene „Lizenz zum Schreiben“. 30 30 Elbow 1998, S. XIX. Hintergrund: Schreibangst im Studium <?page no="49"?> Hintergrund: Schreibangst im Studium 49 Schreib-Szene 2 Aufbruch Regieanweisung: Hab Mut zum Drama Nun hast du eine konkretere Vorstellung davon, wie dein Thema aussieht und was euch beide bedroht: Im Verlauf der drei Teile der Heldenaufgabe „Lizenz zum Schreiben“ hast du deinen Gegner besser kennengelernt, kannst mindestens einige Eigenschaften von ihm klar benennen und du hast sogar schon eine Idee von der „Rückseite der Medaille“ gewonnen, von dem Potential, das sich in diesem Problem verbirgt. Denn so ist es: Es gibt nichts absolut Gutes und nichts absolut Schlechtes; die Dinge unserer Welt haben die Eigenschaft, das Potential zu beidem - zu Erleuchtung wie zu Verderben - in sich zu tragen. Spätestens seit dem Durchbruch der Einstein’schen Relativitätstheorie ahnen wir (von „wissen“ wage ich nicht zu reden, denn angeblich gibt es nur eine Handvoll Menschen weltweit, die diese Theorie wirklich verstehen), dass die Dinge sich mit dem Beobachter verändern. Auch aus physikalischer Sicht also kannst du sicher sein: Was du aus deinem Thema machst, liegt in letzter Konsequenz bei dir selber. Frei nach der Weisheit „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ liegt es in deinen Augen, in deiner Betrachtung, deiner Perspektive und letztlich damit in deiner Macht, ob du die „Schönheit“ deines Themas auf seiner Kehrseite erkennst. Übertragen auf deine Aufgabe, eine wissenschaftliche Aufgabe schreibend zu lösen, bedeutet das: Die Kehrseite des Problems bildet seine Lösung. Und der Weg dahin liegt in deinem Stift, in den Tasten deiner Computertastatur. Für eine solche freie Wahl des Betrachtungswinkels braucht es Mut - denn nun begibst du dich ein Stück weit auf unsicheres Terrain: Dein Dozent, deine Dozentin stehen dir nicht unbegrenzt zur Verfügung, sitzen nicht neben dir am heimischen Computer, während du deine Quellen sichtest und auswertest, sie oder er kann dich auch nicht permanent per Telefon oder E-Mail unterstützen. Ist nicht, geht nicht. Nur du allein kannst deine Arbeit schreiben, bei dir allein liegt die Lösung deines Themas. Du musst die Rückseite der Medaille eines scheinbar unlösbaren Problems ganz allein entdecken. Nochmals physikalisch gesprochen, geht dabei erfreulicherweise nach dem Energieerhaltungssatz keine Energie verloren. In Anwendung auf dein Problem bedeutet das: so groß = gefährlich das Problem ist, so groß = befriedigend ist die Lösung. Oder anders <?page no="50"?> 50 Schreib-Szene 2 Aufbruch ausgedrückt: je größer das Problem, desto größer die Lösung. Jetzt dämmert dir vielleicht, dass in diesem „nur du kannst es lösen“ und „du musst etwas wagen“ nach demselben physikalischen Gesetz im Umkehrschluss höchst Befriedigendes lauert: Nur du bist nachher der Held der Lösung, hast dich zur Fachfrau deines Themas entwickelt und allein dir gilt nachher der Ruhm - nicht deinem Dozenten. Wenn du nun erkennst, dass es bei diesem Kampf nicht nur um die Gefahr zu verlieren geht, sondern mindestens zu gleichen Teilen um die Chance des Gewinnens, hast du schon den ersten Schritt zum Sieg getan. Alle weiteren Kapitel dieses Buches führen dich sicher Schritt für Schritt zu diesem Ziel: die Lösung für dein Thema zu finden. Deine Bereitschaft, den Blickwinkel auf deine Aufgabenstellung bewusst zu verändern, ist ein Akt der Verantwortung. Wenn du nun erkannt hast, dass das eigentliche Problem mitten in deinem wissenschaftlichen Thema liegt, dann ist der nächste Schritt, sich ebenso mitten hinein in die Lösung zu begeben. Hierin liegt nun erneut ein wichtiger innerer Schritt verborgen, der immer noch nichts direkt mit dem Schreiben deiner Arbeit zu tun hat: Noch einmal geht es darum, eine Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die nicht ursächlich etwas mit dem Gelingen oder Verderben deiner wissenschaftlichen Arbeit zu tun hat, sondern mehr mit deiner inneren Befindlichkeit, mit deiner Persönlichkeit insofern, als sich dir die Frage stellt, ob du den Mut hast, zu scheitern. Aus meiner Erfahrung in der Schreibberatung kann ich behaupten: Die Probleme, die dir beim Abfassen deiner Master- oder Hausarbeit begegnen, sind nicht so einzigartig, dass keine Wiederholung droht. Mit anderen Worten: Vermutlich verspürst du nicht zum ersten Mal in deinem Leben heftigste Fluchtimpulse und stellst dir gerade nichts himmlischer vor, als diese Arbeit einfach in die Ecke pfeffern und dort verschimmeln zu lassen, während du dich auf die angenehmen Seiten des Lebens konzentrieren kannst. Du kennst diesen Fluchtimpuls nur zu gut und jetzt hast du die Chance, ihn nicht nur für das Erstellen deiner aktuellen Arbeit zu überwinden, sondern vielleicht für alle weiteren gleich mit. Denn diese Methode, den Ruf zum Abenteuer anzunehmen, lässt sich auch wieder rückübertragen auf das „richtige“ Leben - auf alle weiteren Schreibarbeiten der Zukunft ohnehin. Aber was rede ich - da du ja jetzt gerade dieses Buch in der Hand hältst und dich ernsthaft mit dem Ziel trägst, diese Arbeit erfolgreich fertigzustellen, ist das der sicherste Beweis dafür, dass du das Zeug dazu hast, genau das mit Bravour zu schaffen. In dir ist das Heldinnen-Ich erwacht und will es jetzt wissen <?page no="51"?> 51 Regieanweisung: Hab Mut zum Drama 51 - und die Hilfestellungen und Übungen in diesem Buch sind dein Mentor auf dieser Heldenreise. Wenn du ihren Ratschlägen folgst, bin ich der festen Überzeugung, dass du deine Arbeit beginnen, sie durch ihre kniffligen Momente hindurchlavieren und zu einem befriedigenden Ende bringen wirst. Nicht zuletzt befriedigend, um nicht zu sagen über alle Maßen beglückend für dich, der du dich mutig in einen Kampf gegen deine eigene Angst gestürzt hast und als Sieger daraus hervorgehen wirst. Lass dir unterstützend und ermutigend sagen, dass erfahrungsgemäß es sehr selten Haus- oder Abschlussarbeiten gibt, die abgelehnt oder mit einer sehr schlechten Note gerade noch so angenommen werden. Der Grund für ein Scheitern liegt meist in der Angst der Studierenden, die Arbeit überhaupt abzugeben oder gar zu beginnen. Und auch die schlecht benoteten Arbeiten kranken meist an einer halbherzigen Übernahme des Themas. Diese Überlegungen zeigen: Du hast es in der Hand! Also geht es an diesem Punkt, wo du den Ruf zum Abenteuer vernommen hast (du hast ein Thema übernommen), um den nächsten Schritt: Du stellst dich der Gefahr. Und indem du im ersten Schritt, sprich in der ersten Szene bereits den Gegner in Form deiner konkreten Angst vor deinem Thema ins Visier genommen hast, ahnst du bereits, dass darin auch eine Lösung schlummert. Diese Lösung gilt es aus dem Problem heraus das Licht der Welt erblicken zu lassen wie einen Diamanten, der aus seiner rauen, abschreckend scharfkantigen Hülle befreit wird. Dieses ganz konkrete Ziel führst du dir nun Schritt für Schritt vor Augen. Um das zu tun, musst du so weit wie irgend möglich an dein Thema heranrücken, innerlich in die Rolle deines Themas schlüpfen. Das bedeutet, du musst die Relevanz des Problems in deinem Thema erspüren und das befreiende und stolz machende Moment darin erkennen, das Problem, das darin liegt, zu lösen. Im ersten Schritt musst du buchstäblich auf dein Thema zugehen und es kennenlernen. Welche Bestandteile hat dieses Thema? Welche Facetten, Aspekte? Welche Personen, Institutionen spielen eine Rolle? Welche gesellschaftlichen Bedeutungen sind damit verbunden? Welche Dynamiken? Welche Berührungspunkte hast du bisher persönlich zu dem Thema? Was hast du dazu gelesen? Was sind deine Gefühle dabei? Welche Fragen stellen sich dir? Alle diese Eigenschaften deines Themas kommen hervorragend bei der Schreibmethode „Cluster“ zum Vorschein. Um das Thema direkt von seiner packenden Seite zu betrachten, die dazu führen soll, dass du dich für ein paar Wochen mit Haut und Haar für dieses Thema einsetzt, sollte dein Blick direkt auf das Faszinosum dieses Themas gerichtet sein. In die Mitte des Clusters solltest du also die Frage stellen: Was <?page no="52"?> 52 Schreib-Szene 2 Aufbruch fasziniert mich an XYZ? Die weiteren Fragen werden sich je nach Wichtigkeit von selber dazugesellen. Sich dem Problem zu stellen, bedeutet in diesem ersten Schritt, seine Relevanz, seine Bedeutung anzuerkennen. Mit diesem ersten Cluster zeigst du dem Thema deine Wertschätzung. Mit der Frage nach dem faszinierenden Moment wischst du alle Beliebigkeit von Fakten zu dem Thema zur Seite. Das ist die erste und vielleicht wichtigste Maßnahme, um dein Thema zu einem Gelingen zu führen, indem du es aus dem Sumpf der Nichtigkeit herausziehst und stolz verkündest: Ja, du bist es wert, dass ich dir einen Teil meines Lebens widme. Und: Ja, du bist es wert, dass man um dich kämpft. Die Lösung des Problems liegt in deiner Hand: Erhebe den Blick über den Tellerrand der Gefahr hinaus und wage den Blick auf die Chancen deines Themas, auf die Schönheit seiner Lösung. Erkenne die Relevanz deines Themas und sei bereit, dafür zu kämpfen! Heldenaufgabe „Lockruf des Erfolgs“ Schreibtechnik Cluster Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe In dieser Übung geht es darum, die andere Seite der Medaille zu betrachten: Was verbirgt sich hinter meiner Angst? Welche Energie wird von der Angst verdeckt oder blockiert, die ich nun endlich befreien und für mich positiv nutzen kann? Das Cluster ist eine assoziative Schreibmethode, die auf Gabriele L. Rico zurückgeht. Grundidee ist, dass beide Gehirnhälften (Hemisphären) aktiviert werden und dadurch die Grundlage für ganzheitliches Denken und runde Texte gelegt wird. Die linke Hemisphäre ist für Organisation, Struktur und Analyse zuständig. Hier wird zerlegt und werden Gesetzmäßigkeiten definiert und Grenzen festgelegt. In der rechten Hemisphäre dagegen hat das „kreative Chaos“ seinen Platz mit Emotionen, Musik und bildhaftem Denken. Hier wird <?page no="53"?> Heldenaufgabe „Lockruf des Erfolgs“ 53 synthetisch in Gemeinsamkeiten gedacht und Regeln und Grenzen werden gesprengt. Da die linke Hirnhälfte in unserer Gesellschaft und Bildungskultur mehr gefordert und gefördert wird, gilt es, Verfahren zu nutzen, die auch die rechte Hirnhälfte ins Boot holen. Beide Hirnhälften sind für einen kreativen Prozess notwendig - und eine wissenschaftliche Arbeit ist auch ein kreativer Prozess. Durch das Muster, das beim Cluster entsteht, wird automatisch die rechte Hirnhälfte aktiviert. Dies kündigt sich nicht durch ein Summen oder ein warmes Gefühl im Kopf an, aber man kann ihre Beteiligung wahrnehmen, wenn scheinbar unsinnige oder abstruse Vorschläge aufs Papier purzeln - das sind die unorthodoxen, regelüberschreitenden Vorschläge der rechten Hirnhälfte. Meist meldet sich dann die linke Hälfte sofort in Form einer missbilligenden Reaktion („das gehört gar nicht hierher“, „was soll das denn? ! “) - dann ist der innere Zensor aktiv. Genau den wollen wir ausschalten, um uns einem freien Assoziationsprozess zu öffnen. Also gilt beim Cluster: alles hinschreiben - egal was! Ziel ist, dass frei assoziiert wird, eine vorschnelle Bewertung der Ideen und Wörter wird vermieden. Achtung: bitte nicht strukturieren, bewerten, ordnen beim Clustern. Es gibt keine Hierarchie und keine falschen Ideen. Jede Assoziation, die sich einstellt, wird an der Stelle notiert, wo sie auftaucht. Lass deinen Ideen, ihrer Fantasie und Kreativität freien Lauf. Es können auch zusätzliche Verbindungen oder Abzweigungen im Cluster auftauchen. Das Clustern endet, wenn das Blatt voll ist oder - so ist es von Rico gedacht - wenn du einen Schreibimpuls spürst. Dann schreib deinen Text zügig auf. Die einzelnen Begriffe des Clusters müssen nicht im Text vorkommen. 31 Arbeitsanleitung In der Mitte eines querliegenden Din-A3-Blattes schreibst du den Begriff, zu dem du Ideen entwickeln möchtest, üblicherweise eine Kernversion deines Themas. Wenn die noch nicht feststeht, nimmst du das Resultat aus Übung 1, Teil 2: „die verborgene Stärke des Angstauslösers XYZ“. Dieser Begriff wird genutzt, um Assoziationsketten zu bilden. Die assoziierten Wörter werden schnell niedergeschrieben und nicht zensiert. Sie werden jeweils umkreist und mit Strichen verbunden (das ist wichtig, damit ein Muster entsteht, das wiederum die rechte Hirnhälfte mit ins Boot nimmt! ). Wenn man kurz ins Stocken gerät, wird 31 Nach: Meyer 2018. <?page no="54"?> 54 Schreib-Szene 2 Aufbruch das letzte Wort so lange umkreist, bis einem das nächste einfällt - so bleiben die Schreibhand und der Gedankenfluss in Bewegung. Folge deiner Inspiration und widerstehe (vorerst) dem Impuls, zu strukturieren. Eine Assoziationskette ist dann beendet, wenn dir entweder nichts mehr einfällt oder der letzte Begriff gar nichts mehr mit dem Kernbegriff in der Mitte zu tun hat. Dann wird entweder eine neue Kette in der Mitte begonnen oder auch ein Seitenstrang. Ein Cluster sieht so ähnlich aus wie eine Mindmap, dient aber im Gegensatz dazu nicht der Strukturierung und Gliederung, sondern dem freien, assoziativen Ideensammeln. 32 32 Nach Sennewald o.-J.-/ Sennewald & Girgensohn 2012, S. 105-/ Rico 2011, S. 27 f. Spontan Cluster Grafik Entwurf 1 Cluster Sammeln Suchen Ideen Finden Unterbewusst Kreativ Muster Brainstorming Sturm = Energie Zusammenhänge Abb. 1: Cluster, nach G. Rico (2011). <?page no="55"?> 55 Hintergrund: Abschied vom starren Schreibphasen-Korsett Hintergrund: Abschied vom starren Schreibphasen- Korsett Die Heldenmethode stärkt die Souveränität der Studierenden auf der emotionalen und damit auch auf der intellektuellen Ebene. Zur Souveränität im Schreibprozess gehört auch die selbständige Entscheidung, wann welche Phasen sinnvoll sind beziehungsweise mit dem eigenen Schreibtyp in Übereinstimmung sind. Noch bis vor gar nicht langer Zeit herrschte allgemeiner Konsens darüber, dass wissenschaftliches Arbeiten in festen Phasen verlaufe. Diesem Muster folgten dann auch die Empfehlungen für Studierende, wie und in welcher Abfolge die Schritte Fallbeispiel „Lockruf des Erfolgs“ / Cluster Ausgangspunkt des Clusters im Fallbeispiel bietet eine komprimierte Version des Themas: Stroh-zu-Gold-Spinnen. Abb. 2: Cluster zum Fallbeispiel <?page no="56"?> 56 Schreib-Szene 2 Aufbruch 33 34 35 36 33 Esselborn-Krumbiegel 2015, S. 50. 34 Karmasin & Ribing 2013, S. 31. 35 Gruber, Huemer & Rheindorf 2009, S. 26. 36 Krajewski 2015. einer akademischen Haus- oder Abschlussarbeit zu machen sind - auch wenn die einzelnen Modelle differierten: 1. Orientierung 2. Recherche 3. Strukturieren 4. Rohfassung 5. Überarbeiten 33 Oder nach Karmasin und Ribing 34 : 1. Vorbereitungsphase 2. Erkundungsphase 3. Strukturierungsphase 4. Schreibphase 5. Reflexionsphase Es gibt diese 7 Schritte 35 : 1. Orientieren 2. Recherchieren 3. Material strukturieren 4. Text planen 5. Text verfassen 6. Text überarbeiten 7. Korrektur lesen Oder bei Krajewski 36 : 1. Themenfindung 2. Recherche 3. Lektüre 4. Verzetteln 5. Verfassen <?page no="57"?> 57 37 38 39 40 37 Ortner 2000. 38 Girgensohn 2007. 39 Scheuermann 2011, S. 16-23. 40 Bräuer 1998, S. 45 ff. sowie o.-V. Den eigenen Schreibtypen ermitteln, o.-J. 6. Zitieren 7. Formatieren Zum einen sollen diese Phasen helfen, das Chaos der Arbeitsphase zu strukturieren. Die Vielfalt der Anforderungen wird so in überschaubare Einheiten zerteilt. Doch dieses Konstrukt wissenschaftlichen Arbeitens stellt zum anderen für viele Studierende ein enges Korsett dar, das sie eher behindert statt unterstützt. Statt die Unumstößlichkeit dieses Phasenmodells in Frage zu stellen, beginnen die Studierenden an ihrer persönlichen Eignung für das wissenschaftliche Arbeiten zu zweifeln. Was passiert da? Tatsächlich hat sich in den letzten zwanzig Jahren die Erkenntnis verbreitet, dass es unterschiedliche Schreibtypen unter den Menschen gibt. Eine Reihe von Schreibforschern haben sich mit den unterschiedlichen Schreibtypen beschäftigt. Unter ihnen Hans-Peter Ortner 37 , der ebenso wie Kathrin Girgensohn 38 , eine der „Mütter“ des neuen wissenschaftlichen Schreibens an Hochschulen nach der Art des amerikanischen „Writing across the curriculum“ - der Anwendung kreativer und den Prozess unterstützender Schreibtechniken für den wissenschaftlichen Bedarf -, von 10 verschiedenen Schreibtypen ausgeht. Arnold, Chirico und Liebscher haben in einer gemeinsamen Untersuchung mit dem Ziel, einen praktischen Schreibertypen-Test für die Anwendung an der Hochschule samt zugehöriger Auswertung zu entwickeln, diese Anzahl auf 4 Typen reduziert, wobei sie Wert darauf legen, dass Mischtypen vorkommen und der Normalfall sind (s. Kasten S. 60). Hierbei haben sie die bildhaften Bezeichnungen der Typen weitgehend von Ulrike Scheuermanns Konzept entlehnt 39 . Grundsätzlich bedienen diese Schreibtypen, egal in welcher Ausdifferenzierung, wiederum zwei Grundtypen des Schreibens: entweder den „Top-Down“-Typen oder den „Bottom-Up“-Typen. Bräuer verwendet für diese grundsätzliche Zweiteilung der Schreibstrategien die Begriffe „Aufsteigendes Schreiben“ und „Absteigendes Schreiben“, ebenso wie „Strukturschaffer“ oder „Strukturfolger“. 40 Somit lässt sich die Menschheit - und damit auch die Studierendengemeinde - mindestens in zwei schwerpunktmäßig recht gegensätzliche kreative Denk-, Schreib- und Forscher- Hintergrund: Abschied vom starren Schreibphasen-Korsett <?page no="58"?> 58 Schreib-Szene 2 Aufbruch 41 42 43 44 41 Kruse 2007, S. 114 f. 42 Krajewski 2015, S. 8 f. 43 Krajewski 2015, S. 8 f. 44 Esselborn-Krumbiegel 2008, S. 11. typen teilen: Die eine Gruppe plant den Schreibprozess relativ minutiös, bevor das eigentliche Recherchieren und Schreiben beginnt. Für diesen Typus sind die alten Schreibphasen-Modelle zumindest teilweise passend und gut nachzuvollziehen. Für die andere Gruppe der Studierenden jedoch sind diese Prozess-Korsette geradezu wider ihre Natur, auf jeden Fall aber wider die natürliche Funktionsweise ihres Hirns: Der „Bottom-Up“-Typ entwickelt die Struktur beim Schreiben und kommt nicht in den Flow, wenn er ohne vorherige Gedankenniederschrift ein Konzept machen soll. In Erkenntnis dieser hirnphysiologischen unterschiedlichen Gegebenheiten ist es daher empfehlenswert, modernere Ratgeber zum wissenschaftlichen Schreiben zu Hilfe zu nehmen, die eine lockere Handhabung und Kommunikation der einzelnen Schreibphasen zulassen. Wünschenswert ist auch eine Weiterbildung der Dozenten in diesen rasanten Entwicklungen der letzten Jahre, wie sie übrigens auch zunehmend von eigens eingerichteten Abteilungen für Hochschulentwicklung der Universitäten angeboten werden. Otto Kruse leitet diesen Sinneswandel mit seinem „rekursiven Schreibmodell“ ein, das „das heuristische Potential des Schreibens“ ausnutze, indem ein Schreibprojekt „nicht wie der Uhrzeiger einmal im Kreis läuft, sondern mehrfach zu früheren Punkten zurückkehrt“ 41 . Ebenso betont Krajewski die Notwendigkeit der von ihm propagierten sieben Schritte, die nicht in starrer Folge ablaufen, sondern „nahezu gleichzeitig“ 42 . Wie Kruse geht er von der Erfordernis aus, in Rekursionen zu arbeiten, also „im beständigen Vorgriff auf den Rückgriff“ 43 . Auch Helga Esselborn-Krumbiegel möchte den Studierenden bewusst machen, „dass die verschiedenen Schritte in der Praxis des Schreibens ineinandergreifen“ 44 . Ein starres Festhalten an der Abfolge der empfohlenen Schreibphasen führt auch zu einem negativen, hinderlichen Schreibmythos, der den Fortgang des Schreibprozesses blockieren kann, indem etwa Lesen zur Aufschiebestrategie, der gefürchteten Prokrastination, mutiert. Christian Wymann spricht hier von dem Schreibmythos <?page no="59"?> 59 45 45 Wymann 2016, S. 45 ff. „Ich muss zuerst alles lesen und wissen“, bevor der eigentliche Schreibprozess beginnen kann 45 . Dieses neue Verständnis eines Nebeneinanders und Sich-Durchdringens aller Schreibphasen gleichzeitig, die das ehemals starre Modell wissenschaftlichen Arbeitens lockert bis auflöst, erklärt auch die Wirksamkeit und Übertragbarkeit des 12-Stufen-Modells der Heldenmethode auf den wissenschaftlichen Schreibprozess. Denn auch hier wird das Phasenmodell ignoriert und in einer noch nicht abgeschlossenen Recherche- und Literatursichtungs-Phase bereits ein erster Plan entworfen, um die „Fahrt ins Ungewisse“ beginnen zu können. Die Heldenmethode scheint in dieser Hinsicht vor allem für den „Bottom-Up“-Typ, der sich mit dem planerischen Teil schwertut, geeignet und hilfreich. Sie zwingt bereits zu Beginn des Schreibprozesses den Studierenden dazu, Farbe zu bekennen und das Problem und die mögliche Lösung klar zu skizzieren - so weit zu diesem frühen Zeitpunkt eben machbar. So findet der Abenteurer in ihm, der gerne einmal kopflos drauflos rennt ohne irgendeinen Plan, eine klare Richtung, um die „Forschungs-Reise“ vor kräftezehrendem Im-Kreis-Drehen zu bewahren und stattdessen von Anfang an auf ein klar gestecktes Ziel hin zu beginnen. Aber auch für den entgegengesetzten „Top-Down“-Typ ist die Heldenmethode von großem Nutzen, da sie diesen disziplinierten, aber auch etwas weniger risikofreudigen Planer zum Handeln zwingt und Entscheidungen von ihm fordert, obwohl er noch nicht die für ihn so heiß ersehnte Sicherheit aufgrund abgesicherter Quellen- und Faktenlage empfindet. Bei ihm wird so die Gefahr gebannt, gar nicht erst die Reise zu starten, sondern in der Planungsphase stecken zu bleiben. Stattdessen wird ihm der nötige Schubs (vor allem hinsichtlich des Appells an seine Heldenseele, das ungelöste Problem zu lösen) gegeben, auch ohne Rundum-Sorglos-Schutz in das Forschungsprojekt zu starten. Eine Loslösung vom starren Schreibphasen-Korsett unterstützt eine fundamentale emotionale Disposition des Studierenden zum Verfassen eines überzeugenden, eigenständigen Textes: die Souveränität in der Prozessgestaltung. Hintergrund: Abschied vom starren Schreibphasen-Korsett <?page no="60"?> 60 Schreib-Szene 2 Aufbruch Bist du ein Goldgräber oder ein Eichhörnchen? Die vier Schreibertypen nach Arnold, Chirico und Liebscher 46 Abenteurerin Motto „Der Weg ist das Ziel“. Du schreibst gerne einfach drauflos und entwickelst Ideen und Textstruktur während des Schreibens. Vorteile: das Schreiben ist frei und unbeschwert und selten langweilig Offenheit für neue Ideen schnelle Erfolgserlebnisse Nachteile: Gefahr des Abschweifens vom Thema viel Zeit für Überarbeitung das Ende ist oft nicht in Sicht Eichhörnchen Motto „Sammeln und Springen“. Du schreibst nicht gerne einen Text direkt von Anfang bis Ende, sondern mal an diesem und mal an jenem Textteil und unterbrichst das Schreiben auch schon mal ganz, um zu recherchieren. Vorteile: flexibles Schreiben - immer da, wo der Fluss gerade gut läuft die vielen kleinen Arbeitsschritte nehmen die Angst vor dem großen Gesamtprojekt die Vorläufigkeit der Vorgehensweise verhindert lähmenden Perfektionismus Nachteile: tendenziell können schwierige Textteile ewig vor sich her geschoben werden der Überblick kann verloren gehen das Ende ist nicht absehbar Goldgräberin Motto „Planen und tief Schürfen“. Du machst dir gerne einen Plan, bevor du beginnst zu schreiben, und folgst diesem Plan. 46 46 Arnold, Chirico & Liebscher 2012. <?page no="61"?> 61 Vorteile: Vorgehensweise ist übersichtlich und ermöglicht eine gute Zeitplanung der rote Faden im Text ist jederzeit auffindbar der Schreibplan lässt sich anderen gut erklären und ermöglicht Teamschreiben Nachteile: eingeschränkte Offenheit für neue Ideen Gefahr, in der Planungsphase stecken zu bleiben und zu spät zu schreiben späte handfeste Text-Ergebnisse Zehnkämpferin Motto „Mehrmals Anlauf nehmen, um richtig auf den Punkt zu kommen“. Du schreibst Texte in mehreren Versionen und legst Textanfänge oder -teile mehrmals weg und schreibst sie neu. Vorteile: unbeschwertes Schreiben ohne Perfektionsanspruch Schreiben wird zum Denken genutzt die Endversion der Texte ist auf den Punkt Nachteile: Notwendigkeit, sich von viel Text wieder zu trennen die Schreibarbeit ist aufwendig Gefahr, den Überblick zu verlieren über die vielen Versionen Schreib-Szene 2 Aufbruch <?page no="63"?> Hintergrund: Abschied vom starren Schreibphasen-Korsett 63 Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner Regieanweisung: Akzeptiere dein Schicksal In der Heldenreise ist der dritte Schritt die sogenannte Konfrontation mit dem Gegner. Wie du in dem Info-Kasten zur Heldenmethode (S. 69) noch vertiefend lesen kannst, geht es bei deiner Haus- oder Abschlussarbeit um einen Gegner, den du nicht zerstören willst (dein Ziel ist ja nicht, deine Arbeit in den Papierkorb oder in den Schredder zu schmeißen), sondern du willst sein Potential für deine Ziele nutzen. Diese Idee, die Kraft dessen, was dir Angst macht, für deine eigenen Zwecke zu nutzen, hat etwas mit Schicksalsergebenheit zu tun. Aber in einer Form, die dich nicht zum passiven Dulder und Opfer werden lässt, sondern die dich befähigt, das Schicksal anzunehmen - aktiv. Du nimmst die Herausforderung an, du bist bereit, dich mit ihm auseinanderzusetzen. Du läufst nicht davon und du sitzt es nicht aus, bis der Abgabetermin verstrichen ist, sondern du bist gewillt, das Potential in deinem Thema freizulegen und für deine eigenen Interessen zu nutzen: erfolgreich zu sein. Als Siegerin hervorzugehen. Zu wachsen. Um diese Herausforderung anzunehmen und die Energie, die in deinem Gegner - sprich in dem ungelösten Problem deiner Arbeit - liegt, zu nutzen und sie für deine Zwecke nutzbar zu machen, musst du dich ihm emotional annähern - dich mit ihm identifizieren. Jetzt geht es für dich darum, den Ruf deines Themas nach deiner Hilfe zu verstehen. Dieser Ruf ist ein Hilferuf - im wissenschaftlichen Kontext ist es das Hauptproblem, das dein Thema aufweist. Das Hauptproblem liegt beispielsweise in einem Konflikt, in einer starken Gegenposition, in einem inhärenten Widerspruch, in einem fehlenden Gesetz zu einem offensichtlichen Notstand etc. In der letzten Szene hast du dich mithilfe des Clusters bereits dem Thema genähert. Du hast es beschrieben, hast Facetten, Aspekte des Themas, sozusagen seine „physische“ Beschaffenheit näher betrachtet. Du hast dir überlegt, welche Personen oder Institutionen, welche Gesetze vielleicht mit diesem Thema in Berührung kommen. Du hast dir, kurz gesagt, ein erstes Bild gemacht. Eine Art Fototermin, eine erste Lagebeschreibung. Das Thema ist jetzt bereits aus seiner diffusen Unfassbarkeit herausgetreten und hat Konturen gewonnen. Und ich bin ziemlich sicher, dass deine Angst bereits ein wenig kleiner geworden ist. <?page no="64"?> 64 Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner Vielleicht spielen auch schon ein paar erste Ideen in deinem Kopf herum, wie du das Thema „anpacken“ oder „aufziehen“ könntest, welcher Aspekt oder welcher Wirkungsbereich dir interessant erscheint. Aber noch ist alles vage. Du weißt nun ein wenig deutlicher, „wer“ dich da ruft. Aber was er oder es ruft - das ist noch nicht klar verständlich. Hilfe - ja, das habe ich dir verraten - aber Hilfe wozu? Weshalb? Du hörst den Ruf so lange nicht, wie du eine Wand zwischen dem Thema und dir stehen lässt, wie die Glasscheibe im Affenhaus eines zoologischen Gartens. Du siehst es jetzt, dir werden einige Details optischer Art deutlich, aber du kämest nicht auf die Idee zu verstehen, was der Affe hinter der Scheibe denkt. Was ihn bewegt - was er fühlt. Welche Not er hat - wovor er Angst hat. Welcher Konflikt für ihn ungelöst ist etc. Um das zu verstehen, musst du diese Wand einreißen - du musst die Distanz überwinden, die euch trennt, und ähnlich wie bei dem Sicherheitsglas des Tiergeheges ist auch das Überschreiten der Grenze zwischen dir und deinem Thema ein Schritt ins Ungewisse. Auch hier kommen Gefahren auf dich zu, die du noch nicht ganz abschätzen kannst. Du betrittst neues Land. Aber dir bleibt keine andere Wahl, wenn du verstehen willst, was dein Thema ruft. Halte dir dabei immer vor Augen: Dein Thema ist ein fühlendes Wesen. Jedes Thema ist eines, bei dem an irgendeiner Stelle wahre, echte, lebendige Menschen eine Rolle spielen. Diese Rolle ist die des Begünstigten. Alle wissenschaftlichen Themen dienen dem Wohle des Menschen. Auch dein Thema ist deshalb wichtig, weil es versucht, einem irgendwie gearteten Notstand abzuhelfen. Vielleicht geht es um die Entwicklung eines Medikaments, vielleicht geht es um geografische Muränenabgänge, vielleicht geht es um die Jenseitssymbolik in einem bestimmten Roman. Was es auch sei: Der Mensch spielt in jedem wissenschaftlichen Thema die zentrale Rolle, und zwar als denkendes, fühlendes Wesen. Das ist der Grund, weshalb dein Thema wichtig ist: Es ist in irgendeiner Weise wichtig für das Interesse, das Schicksal, das Wohlergehen oder zumindest den Erfolg in einer dringlichen Angelegenheit dir vermutlich unbekannter Menschen. Wenn du jetzt den Ruf deines Themas vernehmen sollst, dann steckt dahinter der Ruf realer Menschen. Bei der nächsten Übung geht es also darum, hinter dem abschreckend-abstrakten Thema deiner Haus- oder Abschlussarbeit diesen menschlichen Ruf herauszuhören. Der Ruf, der dich versucht zu animieren, zumindest auf dem Papier und mit deinen Gedanken eine Lösung zu finden - damit es irgendwo <?page no="65"?> 65 Regieanweisung: Akzeptiere dein Schicksal 65 irgendwann irgendjemandem in irgendeiner Weise real besser geht. Das ist die Relevanz deines Themas. Und nun gilt es, Energie zu entwickeln. Stärke, die verhindert, dass du - auch jetzt noch - einfach deine Beine in die Hand nimmst und davonläufst - weg von deinem Thema, weg von seiner Notwendigkeit und dem Hilferuf, weg von dem Abenteuer, in das du dich stürzen musst und damit auch weg von dir selbst und deinem Potential, zu retten. Damit du bereit bist, zu kämpfen statt zu fliehen, brauchst du ein ganz starkes, archaisches, mächtiges - und gefährliches Gefühl: Du brauchst Wut! Nackte, brausende, schäumende Wut! In dir muss es gellen, kreischen, brüllen: So nicht! Nicht mit mir! Da habt ihr wohl die Rechnung ohne den Wirt gemacht! Wut ist das direkte Gegenmittel gegen Angst. Wer wütend ist, spürt weder Angst noch Schmerz. Krieger in unzähligen Schlachten sind lauthals brüllend in die gegnerischen Reihen gedroschen. So blutig soll es ja hier im gepflegten wissenschaftlichen Kontext gar nicht werden - aber das Gefühl darf aufkommen! Es muss sogar ein Stück weit in dir entstehen, damit du genügend Energie hast, um das Problem in eine Lösung zu transformieren! Transformation ist hier das Zauberwort: Der Energielevel bleibt, aber die Gestalt verändert sich, wandelt sich in ihr Gegenteil. Warum lohnt es sich für dich, an deinem Thema zu arbeiten? Die Relevanz berührt zum einen die Wichtigkeit des Themas: es geht um irgendeine Form von Notwendigkeit für diese realen Menschen hinter deinem Thema. Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist der Umstand, der diese Notwendigkeit verursacht: die Not. Irgendetwas in deinem Thema gefährdet das Wohlergehen dieser realen Menschen in deinem Thema. Diese Not ist der Gegner. Das ist der Grund, warum dich dein Thema um Hilfe anruft: Dein Thema ist eine Art Sprachrohr für die Menschen hinter ihm, für die es spricht. Du bist nun aufgerufen, zu retten. Um die „Seele“ deines Themas zu hören, um zu verstehen, worin die Relevanz und die Notwendigkeit deines Themas liegt und welche Form von Not und Gefahr es abzuwehren gilt - dabei hilft dir jetzt die nächste Übung: das Freewriting. Höre hin, was dein Thema zu sagen hat, welche Notwendigkeit es gibt, die dein Einschreiten erfordert. Entfache auf diese Weise in dir Solidarität und die Bereitschaft, dich zu engagieren - mittels deiner Empathie. <?page no="66"?> Heldenaufgabe „Entscheidungsfreiheit“ Schreibtechnik Freewriting Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Nun gilt es, Freiheit zu verspüren und zu erleben. Da du als wissenschaftliche Autorin die Zügel in der Hand und viele Entscheidungen zu treffen hast, von der Eingrenzung des Themas über den Fokus von Fragestellung und Hypothese, die Auswahl der Literatur bis hin zu den wissenschaftlich strukturierenden Formulierungen, hilft es dir, diese Entscheidungen nicht nur als Last und Pflicht zu betrachten, sondern auch als befreienden Genuss. Dazu ist das Freewriting wie geschaffen. Anders als beim Cluster, das nur Stichworte oder Schlüsselbegriffe festhält, werden im Freewriting ganze Sätze geschrieben, so dass ein Fließtext entsteht. Der große Unterschied ist schnell zu spüren: Wenn man ganze Sätze formuliert, folgt man einem grammatischen Muster von Subjekt, Prädikat und Objekt. Daraus ergibt sich eine hierarchische Struktur der verwendeten Begriffe - das Subjekt wird vom Objekt geschieden. Je komplexer die Sätze, desto komplexer die inhaltliche Struktur - ohne einen ordnenden Gedanken entsteht diese Struktur nicht. Jeder grammatikalisch vollständige Satz ist eine These, eine Behauptung, ein Plädoyer. Das Freewriting ist unter diesem Gesichtspunkt so wertvoll, weil es diesen komplexen Denkprozess aus dem innersten Denken heraus aufs Papier bringt, ohne ordnenden Zensor. Deshalb bietet sich die Methode des Freewritings auch als hervorragende Einstiegstechnik in jeden Teil der Arbeit an. Ob Einleitung, Fazit oder jedes einzelne Kapitel oder Unterkapitel - mit dem Freewriting haben deine bereits vorhandenen Denkstrukturen zum Thema die ungestörte Chance, auf das Papier (oder in den Computer) zu gelangen. Rohtexte entstehen per Freewriting und je geübter die freewritende Person, umso näher an der Endversion ist der so gefertigte Text. Aber zunächst ist es wichtig, einfach drauflos zu schreiben - logische und grammatikalische Brüche sind völlig normal beim Freewriting. Überarbeiten, streichen, anreichern mit zusätzlichen Gedanken oder Quellenbelegen kannst du das Ganze dann hinterher. Umgekehrt ist es Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner 66 <?page no="67"?> Heldenaufgabe „Entscheidungsfreiheit“ 67 oft schwieriger, einer Sammlung von Fakten im Nachhinein noch den eigenen Denkstempel aufzudrücken - diese Fähigkeit ist vor allem sogenannten Schreiberinnen des „Bottom-Up“-Typs (s. Schreib-Szene 2, S. 55 ff.) zu eigen. 47 Arbeitsanleitung Versetz dich in die Lage deines Themas, nimm seine Perspektive ein. Du „bist“ jetzt dein Thema, du gibst ihm deinen Körper, deine Stimme, dein Gehirn, deine Gefühle und: deine schreibenden Hände. Fühl dich in dein Thema ein wie in ein denkendes, fühlendes Wesen, wie in einen Menschen. Denn letztlich sind alle Themen, die uns bewegen, von Menschen und für Menschen gemacht, und mit dieser Vorstellung fällt es leichter, das „Seelenhafte“ an jedem Thema zu entdecken. Dein Thema ist keine hirn- und gefühllose Sammlung oder Verschränkung von Fakten, sondern es hat immer Auswirkungen auf wahre, lebende oder auch bereits verstorbene Menschen und ihr Leben oder ihr Andenken. Immer! Beginne das Freewriting mit dem Impuls-Halbsatz: „Mein Thema XYZ möchte, dass ich folgendes Problem löse ...“ Schreibe 10 Minuten. Eine solche „Lösung“ muss und kann durch eine Hausarbeit ja nicht die faktische Lösung eines Problems sein, du kannst aber sehr wohl ernstzunehmende Lösungsmöglichkeiten skizzieren und mit wissenschaftlichen Theorien untermauern. 47 Freewriting nach Elbow 1998, S. 13 ff.-/ Sennewald & Girgensohn 2012-/ Scheuermann 2016. Fallbeispiel „Entscheidungsfreiheit“ / Freewriting „Mein Thema ‚Stroh-zu-Gold-Spinnen‘ möchte, dass ich folgendes Problem löse: “ Problem? Wo ist hier denn eigentlich ein Problem? Zuerst höre ich mich wie ein fantastisches Märchen an, wie ein Wunschtraum: Was kann es Besseres geben, als dass man aus Stroh, also eigentlich aus Abfall, aus Müll, etwas Wertvolles macht? Sogar fast das Wertvollste, was es gibt: Gold? ! Oder gibt es wertvollere Materialien? Diamanten? Uran? Plutonium? ... keine Ahnung. Aber wie auch immer, ich bin davon überzeugt, dass die Freude über mein Phänomen nur kurz sein wird - sobald es „üblich“ ist, Stroh zu Gold zu spinnen, werden dieselben <?page no="68"?> grausamen Entwicklungen auftauchen wie beim Goldrausch in Alaska oder bei den Silberund, nein, Gold- und Diamantminen in Afrika. Immer werden Menschen von Menschen ausgenutzt werden - machtvolle Menschen, die „clever“ genug sind, im richtigen Moment die Macht an sich zu reißen und - wie fing mein Satz an? Auf jeden Fall wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis es auch hier wieder Herren und Sklaven geben wird. Also wäre eine Behandlung meines Themas wichtig, die - jetzt habe ich gerade einen Hänger, Hänger, Hänger, Hänger, es ist warm hier drin, ich muss gleich mal das Fenster aufmachen, Hänger, Hänger, also eine Behandlung meines Themas - als müsste es zum Arzt - ja, vielleicht muss es geheilt werden, oder auf jeden Fall vor „Krankheit“ bewahrt werden - oder mit anderen Worten: Wo liegen denn die eindeutigen Vorzüge der Technik, Stroh zu Gold zu verwandeln? Eigentlich könnten kleine Bauern in Asien z. B. ihre Armut beenden. Aber das ist ja genau die Crux: Es wird nur ein paar kurze Zeitfenster geben, in denen das gelingt - dann wird es so sein, dass diejenigen, die auch jetzt schon Herrscher über mächtige globale Produktionsstätten und finanzielle Mittel sind, verfügen? Wie hat mein Satz begonnen? Total egal, Freewriting eben - wo war ich? Auf jeden Fall zeichnet sich für mich ab, dass mein Thema nicht einfach ist, vielleicht stellt sich für mich vor allem die Frage, wo die Risiken liegen und inwiefern diese Entwicklung überhaupt noch aufgehalten werden kann. Aber kann ich sie mit meiner Arbeit aufhalten? Wohl kaum. Ist es überhaupt sinnvoll, Entwicklungen aufzuhalten? Wohl auch kaum. Das Einzige was ich machen könnte, wäre, ist, die Gefahren aufzeichnen, prognostizieren und dann ein mögliches Szenario entwerfen, wie man die Vorzüge retten, aber die Gefahren bannen kann. Aber als Erstes müsste ich eigentlich klären, ob er diese Umwandlung überhaupt sozusagen industriell im großen Maße taugt. Oder ob es doch mehr so Zufallsprodukte sind oder die Herstellung so aufwendig, dass es eigentlich zu „teuer“ ist - auch ein langfristiges Verändern der Umwelt ohne absehbare Folgen könnte zu „teuer“ sein - meine Uhr klingelt, die Zeit ist um ... Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner 68 <?page no="69"?> Bei Vogler ist die Heldenreise mehr als „nur“ ein Schema, dem die Mythen der Welt entsprechen. Seinen Überlegungen nach ist die Heldenreise ein Konzept, in dem der Held einem inneren Entwicklungsbogen folgt 48 . Unbestritten geht es auch im akademischen Schreiben um das Darstellen einer Entwicklung, nämlich von einem ungelösten Forschungsproblem hin zu einer möglichen Lösung oder Erklärung. Damit erfüllt das wissenschaftliche Schreiben die Bedingung, den Regeln einer Heldenreise im Campbell’schen Sinne zu entsprechen. Interessant ist aber, dass in keinem der bisher erschienenen Bücher zum akademischen und wissenschaftlichen Schreiben die Heldenreise und / oder ihre literarischen „Väter“ Campbell und Vogler eine Rolle spielen - jedenfalls in keinem derer, die ich kenne. Da besteht eine offensichtliche Zensur im Denken zwischen Schreiben und Schreiben - nämlich akademischem Schreiben auf der einen Seite und allen anderen Formen des Schreibens auf der anderen. Denn in Büchern zum literarischen, dramatischen, kreativen und beruflichen Schreiben hat das Konzept der Heldenreise zunehmend Beachtung gefunden. Jürgen vom Scheidt nimmt als Autor mehrerer Bücher zum kreativen Schreiben 49 klaren Bezug zur Heldenreise, nicht zuletzt mit seinem 12-teiligen Seminar-Jahreszyklus „Die Heldenreise“ im Rahmen seines Instituts für angewandte Kreativitätsforschung in München. Ulrike Dietmann 50 arbeitet mit der Heldenreise für die belletristische Anwendung. James N. Frey erläutert die Kraft der Heldenreise für das literarische Schreiben 51 . Ins Drehbuchschreiben ist der Heldenreise der Durchbruch mithilfe von Christopher Voglers „Die Odyssee des Drehbuchschreibers“ 52 gelungen, weiter aufgegriffen beispielsweise von Christina Kallas’ „Kreatives Drehbuchschreiben“ 53 . Aktuelle Beachtung findet die Heldenreise besonders im Konzept des „Storytelling“, das in den letzten Jahren im Munde aller ist, die sich mit dem Hintergrund: Die (inhärente) Heldenreise im akademischen Schreiben 69 Hintergrund: Die (inhärente) Heldenreise im akademischen Schreiben 48 49 50 5152 53 48 Vogler 2004, S. 248 ff. 49 U.-a. Kreatives Schreiben - Hyperwriting: Texte als Wege zu sich selbst und zu anderen, 2006. 50 Heldenreise ins Herz des Autors, 2012. 51 The Key - Wie verdammt gute Romane noch besser werden, 2001. 52 Untertitel: Über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos, 1997. 53 Kallas 2007, u.-a. S. 187. <?page no="70"?> 70 Schreib-Szene 3 Konfrontation mit dem Gegner 54 55 56 57 58 54 Löffler 2016. 55 Rupp 2016. 56 Gruber, Huemer & Rheindorf 2009, S. 223. 57 Krajewski 2015, S. 75. 58 Kornmeier 2016, S. 103-/ Esselborn-Krumbiegel 2008, S. 136 ff. Schreiben für Unternehmen, Werbetexten und der Selbstdarstellung in Unternehmen beschäftigen: Miriam Löffler 54 oder in sehr intensiver Form Miriam Rupp 55 . Alleine in Büchern zum wissenschaftlichen Schreiben wird die Heldenreise konsequent ausgeklammert. Ersatzweise wird die nötige Dramaturgie, die in jedem Text eine Rolle spielt, wenn er überzeugend sein soll, und daher eben auch in einer wissenschaftlichen Abhandlung, beim akademischen Schreiben auf die Ebene der faktischen Argumentation oder „thematischen Progression“ 56 begrenzt. Krajewski weist darauf hin, dass die Hauptaufgabe beim wissenschaftlichen Text darin bestehe, „dem Leser eine Geschichte zu erzählen, die ihn zu neuen Erkenntnissen führt“ und durch die „geschickte Reihung von einzelnen Argumenten [...] Stück für Stück Ihre Leitfrage untermauert“ 57 . Immerhin wird auch im akademischen Kontext von der Notwendigkeit eines „roten Fadens“ gesprochen, der den logischen Aufbau in Form der Gliederung widerspiegeln soll, damit die Leser der Argumentation besser folgen können 58 - und dieser Begriff kommt - überraschenderweise? - aus der griechischen Mythologie und der Sage um den Faden der Ariadne, die ihrem Geliebten Theseus ebendiesen mitgibt, damit der Held nach dem Sieg über das Untier Minotaurus den Weg zurück aus dessen Labyrinth findet. Der „rote Faden“, seine Erläuterung und die Bekräftigung seiner Bedeutung fehlt in kaum einem aktuellen Seminarangebot zum wissenschaftlichen Schreiben an entsprechend ausgestatteten Hochschulen. Das ist für mich der eindeutige Anknüpfungspunkt, wenn man will eine zusätzliche, wenn auch nicht notwendige Legitimation, die zugehörige Idee der Heldenreise nicht nur hinter einem dünnen roten Fädchen zu verstecken, sondern aus dem verschämten Dunkel der angeblichen „Unwissenschaftlichkeit“ hervorzuholen. Es ist an der Zeit, die zugrunde liegende Kraft des Heldenreisegedankens, die bisher nur sozusagen im Verborgenen arbeiten konnte, im vollen Licht des Tages zur Entfaltung zu bringen, und ihn für den akademischen Anwendungsbereich zu modifizieren. Der „Urvater“ des Konzeptes der Heldenreise ist Joseph Campbell, dessen Ausgangspunkt die Mythenforschung quer durch alle Länder und Kulturen der Welt war. Beeinflusst von C. G. Jungs These der Archetypen der Psyche und des kollektiven Unterbewussten war Campbell ebenso auf der Suche nach den wiederkehrenden und damit zeit- und kulturunabhängigen Archetypen der Mythen und <?page no="71"?> Hintergrund: Die (inhärente) Heldenreise im akademischen Schreiben 71 5960 61 59 Campbell 2015, S. 17. 60 Vogler 2004, S. 19 u. 50. 61 Vogler 2004, S. 12. Schöpfungsgeschichten. Eine Art „magischer Grundklang“ des mythologischen Erzählens 59 ergibt sich für ihn dabei, den er „Heldenreise“ nennt. Bei Campbell sind die gefundenen Grundmuster der emotionalen menschlichen Entwicklung, der Erwachsen- und eigentlichen Menschwerdung im anthropologischen Sinne Initiationsriten. Der Held wird mit den Grundfesten seines Daseins konfrontiert, mit dem Tod, dem Eros und mit der göttlichen Allmacht, und muss sich allen dreien gegenüber beweisen, um zu überleben und um im eigentlichen Sinne Mensch zu werden. In gewisser Weise extrahiert Campbell aus den verschiedenen Schöpfungsgeschichten und Legenden die Essenz der Geschichte der Menschwerdung. Bei Vogler erfährt diese Essenz, die Campbell in einem sehr aufwendigen und höchst beeindruckenden vergleichenden Verfahren unzähliger Mythen aus aller Welt gewinnt und dabei sehr auf die Initiation speziell männlicher Helden einer patriarchalisch dominierten antiken und vorantiken Gesellschaft eingeht, eine erneute Extraktion. Er untersucht rund vierzig Jahre nach Erscheinen von „The hero with the thousand faces“ - mit dem Wissen um Campbells Erkenntnisse - die Drehbücher der Filmindustrie, insbesondere Hollywoods, die zunehmend die Reise des Helden als Grundbestand des Geschichtenerzählens bewusst anwenden 60 . Dabei erfährt Campbells Konzept durch diese erneute Abstraktion zum einen durch die Drehbuchautoren und -produzenten, die von Campbells Forschung beeinflusst und beeindruckt waren 61 , und zum anderen durch Voglers Versuch, die Handlungsstränge und ihre emotionalen Eckpunkte in einem Schema darzustellen, eine erneute Modifikation speziell für Drehbücher. Die vorliegende Übertragung, oder anders ausgedrückt - wenn man die schon längst versteckte Wirksamkeit des „roten Fadens“ der Heldenreise „Minotaurus-Sage“ für das akademische Schreiben in Betracht zieht - die Extraktion der Heldenreise in ihrer Adaption für das wissenschaftliche Schreiben hat zu einer erneuten Modifikation dieses Modells geführt. Die besondere Form der Heldenreise für das wissenschaftliche Schreiben, bei der Studierende eine emotional verankerte Reise durch die Argumentation und das Plädoyer ihrer wissenschaftlichen Arbeit unternehmen, nenne ich hier Heldenmethode. <?page no="73"?> Hintergrund: Die (inhärente) Heldenreise im akademischen Schreiben 73 Schreib-Szene 4 Der Auftrag Regieanweisung: Mach dir einen Plan Nun hast du ihn vernommen, den Ruf deines Themas. Es hat sich dir in deinem Freewriting offenbart, indem es dort auf einen Umstand hingewiesen hat, der unbefriedigend ist. Einen Notstand vielleicht, auf jeden Fall ein Problem von aktuellem Interesse. Nun bist du wieder am Zug (ich weiß, du selber hast das Freewriting geschrieben und selbstverständlich nicht eine ominöse Person, die dein Thema repräsentiert, aber: Wir gehen davon aus, dass dir im hirnphysiologischen Sinne viel mehr Informationen zur Verfügung stehen, als dein Bewusstsein vom Verstand abfordert). Diese zusätzlichen Informationen sind im Unterbewussten gespeichert und kommen durch kreative Methoden wie das Freewriting wieder an die Oberfläche des Bewusstseins. Mit diesen Methoden haben unter anderem die surrealistischen Schriftsteller des letzten Jahrhunderts gearbeitet. Was an diesem Punkt die meisten Studierenden tun, und du bisher möglicherweise auch, ist zu sammeln. Sie gehen auf die Jagd nach Informationen. Das ist prinzipiell richtig, aber nur, wenn zu jedem Zeitpunkt dieser Sammelwut immer noch klar der Ruf des Themas vernommen wird, um nicht in ziellosem Sammeln samt seinem Thema verloren zu gehen. In Zeiten des Internets und der Allverfügbarkeit riesiger Datenmengen zu den unterschiedlichsten Themen ist es eine der besonderen Herausforderungen für heutige Studierende, irgendwie einen gangbaren Weg durch diesen Informationsdschungel zu finden. Die Lösung lautet: Reduktion durch klare Fokussierung des Themas. Diese Fokussierung kann von niemandem anderen vorgenommen werden als von dir selbst. Du bestimmst, auf welchen Aspekt, auf welches Problem du dein Thema konzentrierst, welche Literatur zu Wort kommt und welche nicht, welche Fragen du stellst, welche Lösungswege du beschreitest und unter welchen Bedingungen du dein Fazit formulierst. Dein persönlicher Blickwinkel ist unerlässlich für die Bearbeitung deines Themas. In Bezug auf die Heldenreise befindest du dich an diesem Punkt im Angesicht eines Schwellenhüters, der prüft, ob du geeignet bist, dich im Land der Abenteuer, in der Anderwelt, zurechtzufinden. Er prüft auch, ob du bereits jetzt das Potential erkennen lässt, dass du in der Lage bist, selbständig zu handeln. <?page no="74"?> 74 Schreib-Szene 4 Der Auftrag Daher ruft er dir Fragen zu, die du beantworten musst - und deren Antworten dir helfen, diesen ersten Plan zu skizzieren, der dich an dein Ziel und wieder zurück bringen wird. Wenn du diese Aufgabe nicht erfüllst, indem du sie beispielsweise abgibst an den Standpunkt irgendeiner wissenschaftlichen Koryphäe aus der Sekundärliteratur, dann wird dir das Drama deines Themas wieder entgleiten und die befürchteten Wege in deine anderen Lebensbereiche suchen; in deiner Arbeit selber aber wird wieder nur ein langweiliges Aneinanderreihen von leblosen (weil nicht deinen) Fremdpositionen dazu führen, dass das Thema innerlich verhungert. (Vielleicht ist das anklopfende Thema vor deiner Tür verhungert? ) Um nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich gehören in eine wissenschaftliche Arbeit jede Menge relevante fremde Forschungsergebnisse und -positionen, aber nicht als Ersatz für deinen eigenen wissenschaftlichen Fokus auf das Thema. Wie in einem Heldenepos gibt es nur eine Person, die das Rätsel lösen, das Monster töten und die Prinzessin oder den Prinzen befreien kann: der Held oder die Heldin selbst. Für deine wissenschaftliche Heldenreise bist du diese Person und niemand sonst. Alle übrigen Personen spielen lediglich die Rolle von Informanten oder Mentoren (s. Kasten „Die Archetypen“ S. 100 f.) Du stehst also nun noch am Anfang deiner Heldenreise und solltest eine allererste Idee davon haben, warum du diese unternimmst und wie sie in etwa verlaufen wird. Diese Überlegungen sind noch nichts Detailliertes - das können sie zu diesem frühen Zeitpunkt noch nicht sein -, aber sie sind etwas sehr Fundamentales: Die folgenden Überlegungen in der Übung zu dieser Szene zeigen dein derzeitiges Grund-Denkgerüst. Die Erfahrung zeigt, dass dieses zwar im weiteren Prozess der Fertigstellung deiner Arbeit variiert und erweitert werden kann, aber oftmals in seinen Grundzügen auch jetzt schon die Grundstruktur deiner Arbeit darstellt. Mit anderen Worten: Deine bisherige Kenntnis des Themas und die Überlegungen = Übungen, die du dazu bisher angestellt hast, bilden bereits etwa 90 Prozent der Grundanlage deiner Arbeit. Darauf kannst du jetzt einfach vertrauen. Vielleicht macht dir das etwas Kopfzerbrechen im Sinne von: Aber ich habe noch gar nicht den Aufsatz von Müller-Schulze zu meinem Thema gelesen, obwohl meine Professorin mir den dringend ans Herz gelegt hat ... Ja, stimmt, und sicher wird dir dieser Aufsatz auch noch einmal wichtige Erkenntnisse bringen und dich zu Folgerungen oder Analysepunkten veranlassen, die jetzt noch nicht präsent in dir da sind. Aber das ist nicht die Grundidee - die hast du bereits jetzt schon in dir. Darauf kannst du vertrauen. <?page no="75"?> 75 75 Ebenso kannst du darauf vertrauen, dass du bereits eine Menge fundamentaler wichtiger Punkte deiner Arbeit erfasst hast - genug, um eine Idee vom Fokus deiner Arbeit zu haben, Wichtiges von Redundantem trennen zu können, eine erste Vorstellung von den handelnden Personen bzw. den bestimmenden Parametern zu haben. Vor allem aber hast du bereits eine Vorstellung von dem Ruf deines Themas und damit von der zu diesem Zeitpunkt allerwichtigsten Frage deiner Heldenreise: dem Ziel. Wohin und unter welchen Voraussetzungen, Erschwernissen, Herausforderungen und hilfreichen Bedingungen deine Reise zur Lösung deines Themas gehen wird - kurz: das Grundgerüst deiner Arbeit -, kannst du mithilfe der nächsten Übung entwickeln: dem Blitzexposé. Skizziere die Grundidee deiner Forschungsreise. Du bist schon jetzt die Heldin dieses Unternehmens und brauchst das Grundgerüst deines Forschungsauftrages, um die nächsten Schritte zu gehen. Leite dieses Grundgerüst ab von der Not deines Themas und dem Ziel, diese Not zu lindern. Heldenaufgabe „Planungshoheit“ Schreibtechnik Blitzexposé Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Diese Schreibübung - erwachsen aus dem Wunsch des „Schwellenhüters“ deiner Heldenreise, dein Erfolgspotential zu prüfen - steckt einen ersten Rahmen für dein Schreibprojekt ab. Wenn du dir die Fragen gleich anschaust, die du in dieser Übung beantworten wirst, finden sich da viele sogenannte „W-Fragen“, wie sie im Journalismus üblich sind. Du antwortest also auf die Grundparameter deiner Schreibreise: Wer löst wann, was, wo, warum, wie, mit wem, gegen wen, wodurch etc. Mithilfe des Blitzexposés machst du sozusagen den ersten Reise-Check - und du weißt selbst, wie wichtig dieser ist und wieviel Prozent deiner Reiseplanung Heldenaufgabe „Planungshoheit“ <?page no="76"?> 76 Schreib-Szene 4 Der Auftrag bereits dieser erste Planungsentwurf vorwegnimmt: enorm viel, locker 80-90 Prozent. Du führst dir deine Reise vor Augen: Wohin es geht, wer erlöst werden soll und warum, wer dich eventuell davon abhält und was es an Hindernissen zu überwinden oder zu beseitigen gilt. Kurz gesagt: Das Blitzexposé ist dein erster Reiseplan - und von deinen „echten“ geografischen Reisen weißt du: Das Wichtigste bei einer Reise ist das Ziel. Diese Übung skizziert dein Ziel - das sich ergibt aus der Frage, die du zu Beginn deiner Zweifel, deiner Angst vor der Arbeit noch nicht klar beantworten konntest: Wofür mache ich das Ganze (mal Beruhigung der Eltern, des Professors und des eigenen Gewissens außen vor gelassen) - warum mache ich das als Wissenschaftler? Als Autorin einer wissenschaftlichen Arbeit? Das Blitzexposé stellt dir Fragen, und deine Antworten bringen dich der Vorstellung davon, weshalb zum Teufel du das alles machen sollst, statt dich gemütlich mit abgebrochenem Studium ins Kino oder in die nächste Bar zu hocken, näher. Aber ich denke, das ist inzwischen schon keine Frage mehr für dich, denn allmählich hat deine Heldenzunge Blut geleckt - oder mit anderen Worten: Die Vorstellung, deine Arbeit könnte für dich zu schaffen sein, nimmt allmählich Gestalt an und rückt in greifbare Nähe. Mehr und mehr konkrete Vorstellungen davon, was du zur Erstellung deiner Arbeit tun musst, tauchen vor deinem inneren Auge auf und wenn du dir die kritische Frage stellst: Ist das zu schaffen? , dann hörst du vermutlich auf keinen Fall mehr ein entrüstetes Nein. Stell dich, bevor du dich an die Übung 4 machst, einmal vor den Spiegel - vorzugsweise ohne dass jemand anderes anwesend ist - und sag einmal laut und deutlich: „Ja! Ja, klar schaffe ich das! “ Und nun, nachdem diese Entscheidung also gefallen ist, geht es in der nächsten Übung darum, dein Ziel konkret zu avisieren. Der Plan dazu hat verschiedene Aufgaben: Er hält sozusagen die genaueren Koordinaten deines Ziels fest, darüber hinaus die Zwischenstationen, es geht darum, gewissen Unwägbarkeiten oder auch vorhersehbaren Unbillen vorbeugen zu können, die nötige Ausrüstung einzupacken und somit die Zahl unliebsamer Überraschungen zu minieren - kurz: so gut wie möglich im Voraus dafür zu sorgen, dass du auf deinem Weg erfolgreich sein kannst. Aber dann ist da noch eine andere Aufgabe eines ersten Reiseplans: Du gehst den Weg bereits schon einmal in Gedanken vor - also in der Dimension der Vorstellung bist du schon mitten auf deiner Reise. Wenn du sie dann „schreibend“ gehst, ist es bereits das zweite Mal - da kann dann gar nicht mehr viel schiefgehen. Und es gibt noch einen dritten Grund für eine Routenplanung zu <?page no="77"?> Heldenaufgabe „Planungshoheit“ 77 diesem Zeitpunkt - und vielleicht ist das der wichtigste von allen: Sie lässt deine Angst schrumpfen und deine Abenteuerlust wachsen. Arbeitsanleitung Schreibe möglichst schnell und in ganzen Sätzen Antworten zu den folgenden Fragen auf. Versuche in jedem Fall, irgendeine Antwort zu finden - stell dir vor, es geht um etwas! Wenn du im Sinne einer archaischen Heldenreise gefragt würdest: Was tust du, wenn du einem rasenden Mammut begegnest? Dann würdest du ja auch nicht einfach nur mit den Schultern zucken und einen Strich als Antwort setzen. Selbst, wenn du keine Ausbildung als Mammutjäger hast, brauchst du einen Plan - lass dir etwas mit deinen Mitteln, deinen Ideen einfallen - improvisiere! Dabei kommt es nicht auf gelungene Formulierungen an: Dein Blitzexposé soll dich zum weiteren Planen anregen. Im Zweifelsfall kannst du als Alternative zu einer Antwort auch eine Frage formulieren, die vielleicht die Richtung der ersten Frage ändert oder sie näher eingrenzt. Aber das darf nur die Ausnahme sein - im Moment brauchen wir einen ersten Reiseplan, keinen Fragenkatalog. Schreibe, wie du das bereits aus den vorhergehenden Übungen kennst, möglichst spontan und ohne deine Einfälle zu bewerten. Da das nicht immer ganz so gelingt, solltest du für diese Übung etwa 20 Minuten einplanen. 62 Und hier sind nun die Fragen für dein Blitzexposé: 1. Welches Problem hat dein Thema dir zugerufen? 2. Worin siehst du derzeit eine Lösung? 3. Wie kommst du an diese Lösung? 4. Welche Hürden, Probleme gilt es zu meistern? Welche Widersacher tauchen auf? 5. Wer kann dir helfen? Welcher Forscher, welche Theorie, welche Studie? Vielleicht hast du eine eigene empirische oder deduktive Idee? 6. Wie sieht das physische, ideologische, theoretische etc. Umfeld deines Themas aus? 7. Vor welchem Hintergrund (z.B. politischen, ideologischen, sozialen) findet die Lösung des Problems statt? Welche Forschungslücke besteht? 62 Idee nach: Frank, Haacke & Lahm 2007, S. 28 f.-/ Grieshammer et al. 2013, S. 184 f. <?page no="78"?> 78 Schreib-Szene 4 Der Auftrag 8. Hat schon mal jemand Ähnliches versucht? War er erfolgreich? Wenn ja, wodurch? Wenn nein - woran ist er gescheitert? 9. Welche Hilfen, Instrumente brauchst du noch? Wer gibt sie dir? Wo findest du sie? Fallbeispiel „Planungshoheit“ / Blitzexposé 1. Welches Problem hat dein Thema dir zugerufen? Dass diese Erfindung des „Stroh-zu-Gold-Spinnens“ die Machtverhältnisse in der Welt noch einmal neu verändert: Zunächst werden „neue“ Menschen reich werden, aber insgesamt ist aus der Erfahrung ähnlicher Phänomene in der Geschichte zu vermuten, dass die Machtverhältnisse sich noch weiter stabilisieren und die Unterschiede zwischen Arm und Reich noch weiter wachsen; außerdem sehe ich ein Problem darin, dass möglicherweise die Umwelt und die Lebensmittellage sich verschlechtern werden, da Ackerflächen dem „Goldanbau“ geopfert werden - aber Gold kann man nicht essen - es droht eine globale Hungerkatastrophe, der nur Wenige entgehen - evtl. dezimiert sich die Weltbevölkerung. 2. Worin siehst du derzeit eine Lösung? Ich sehe zwei Möglichkeiten: Schwachstellen in der Herstellungstechnik bereits jetzt aufzudecken und damit den „Hype“ abzubremsen, bis diese Herstellungslücken gelöst sind - und damit vielleicht auch genug Zeit war, um über gesetzliche Grundlagen nachzudenken. Eben diese gesetzlichen Grundlagen prüfen - reichen unsere bisherigen Gesetze bereits aus, ein Gleichgewicht zwischen Goldacker- und Lebensmittelackerflächen zu sichern? 3. Wie kommst du an diese Lösung? Ich werde den Herstellungsprozess und seine Bedingungen genauer untersuchen und auf Schwachstellen prüfen. Ich werde prüfen, welche Gesetze eine so innovative technische Entwicklung sozusagen „in spe“ bereits regeln, oder inwiefern es da ein juristisches Vakuum gibt. <?page no="79"?> 79 4. Welche Hürden, Probleme gilt es zu meistern? Welche Widersacher tauchen auf? Die Hürden könnten sein: Das Wissen um das Herstellungsverfahren wird mir nicht offen zugänglich gemacht. Meine Arbeit ist vielleicht schon zu spät - die Entwicklung läuft längst. Die Goldindustrie wird keine Argumente gegen eine Verwertung von Stroh zu Gold zulassen und mit allen Mitteln versuchen, sie zu entkräften - vor allem durch teure und aufwendige gesponserte Studien, die dann „wissenschaftlich“ schwer zu umgehen / widerlegen sind. 5. Wer kann dir helfen? Welcher Forscher, welche Theorie, welche Studie? Vielleicht hast du eine eigene empirische oder deduktive Idee? Immer eine Frage des Geldes - aber in kleinerem Umfang: Ich könnte eine empirische Studie unter den bisher eingesetzten Stroh-zu-Gold-Spinnerinnen machen und so möglichst verlässliche Daten über den Herstellungsprozess erhalten - ebenso aber auch über ihre Arbeitsbedingungen, die evtl. schlecht sind und damit auf die bereits beginnende Ausbeutung neuen Ausmaßes hinweisen. 6. Wie sieht das physische, ideologische, theoretische etc. Umfeld aus? Die Spinnerinnen sind zunehmend in großen Industriehallen kaserniert - vielleicht gelingt es mir, sie auf dem Nachhauseweg abzupassen oder Ehemalige zu sprechen / auch Angehörige. 7. Vor welchem Hintergrund (z.B. politischen, ideologischen, sozialen) findet die Lösung des Problems statt? Vor dem Hintergrund eines Spannungsfeldes zwischen einer mächtigen Goldmafia auf der eine Seite und Menschenrechts- und Umweltorganisationen auf der anderen Seite 8. Hat schon mal jemand Ähnliches versucht? War er erfolgreich? Wenn ja, wodurch? Wenn nein - woran ist er gescheitert? Das Thema ist zu neu, als dass es wahrscheinlich ist, dass es bereits Studien gibt - ich könnte Parallelen schaffen, Untersuchungen über den Goldrausch in Alaska beispielsweise. Heldenaufgabe „Planungshoheit“ <?page no="80"?> 80 Schreib-Szene 4 Der Auftrag Hintergrund: Die Notwendigkeit der Heldenmethode 63 63 Wymann 2016, S. 54. 9. Welche Hilfen, Instrumente brauchst du noch? Wer gibt sie dir? Wo findest du sie? Eine Idee: Ich werde mich als Spinnerin anstellen lassen - sozusagen eine „Undercover-Feldstudie“ - aber das könnte misslingen. Ansonsten: Die bisherigen Zeitungs- und Zeitschriftenartikel wissenschaftlicher Publikationen zum Thema durchforsten, ebenso bekannte Zauberer und Chemiker, die in diesem speziellen Bereich der Umwandlung von organischer in anorganische Materie arbeiten. Schreiben im universitären Kontext ist kein rein rationaler Akt. Diese Überzeugung schwirrt aber immer noch in zu präsenter Form in den Köpfen - vor allem der Studierenden - herum. Hilfe und Erlösung in einer Schreibkrise suchen sie deswegen vornehmlich ebenfalls auf rational-intellektuellem Gebiet: Wenn das Schreibprojekt stockt, dann wird noch mehr gelesen, recherchiert, vielleicht sogar exzerpiert - aber nicht geschrieben, nicht konstruiert, nicht aktiv gestaltet. Denn das ist das Fatale an diesem Irrglauben, Forschen sei ein rein oder zumindest vorwiegend intellektueller Prozess: Die Studierenden degradieren sich selber damit zu rein reproduzierenden Sammlern und Auswertern bisher geleisteter Ergebnisse anderer - eben der in ihrer selbstkritischen Sicht vermeintlich „wahren“ Helden der Forschungslandschaft. Tatsächlich steigt mit dieser Sammelwut die Gefahr, im Wust der Daten und Fakten unterzugehen, exponentiell an. Christian Wymann bezeichnet diesen fehlgeleiteten Anspruch als Schreibmythos „Ich muss zuerst alles lesen und wissen“, bevor mit dem Schreiben begonnen werden kann 63 . Der Overkill droht oder ist bereits in vollem Gange, und das Bedenkliche an dieser Entwicklung ist, dass der Mut und das Selbstbewusstsein des Studierenden ebenso exponentiell schrumpft. Abhilfe schafft hier nicht ein „noch Mehr“ an Informationen zum Forschungsthema - jedenfalls jetzt noch nicht -, sondern ein Mehr an Mut und Entschiedenheit, selber das Thema zu gestalten. <?page no="81"?> Hintergrund: Die Notwendigkeit der Heldenmethode 81 Oft - und das ist dann allerdings vielfach sehr hilfreich und zumindest psychohygienisch die Rettung - landet der in seinen Rechercheergebnissen verstrickte Studierende bei der psychosozialen Beratung der Hochschule oder direkt bei einem Psychotherapeuten. Dieser Schritt hilft, der Verzweiflung die Schärfe zu nehmen, nicht selten stellt es aber auch eine ziemliche Hürde für den Studierenden dar, sich therapeutische Hilfe zu holen, aus Angst, sich selbst als hilflos zu „stigmatisieren“ und dabei das Problem bzw. die eigene Ohnmacht erst richtig zu zementieren (was selbstverständlich nicht so ist, sondern im Gegenteil). Vor allem ist die Psychotherapie aber sehr allgemein auf die gesamte Persönlichkeit ausgerichtet und ein oft langwieriger Prozess. Es fehlt bei dieser Lösung die Verknüpfung mit dem Auslöser der zeitweiligen depressiven Verstimmung: mit der Haus- oder Abschlussarbeit selbst. Oft genügt zur Bewältigung der (Schreib-)Krise aber schon die emotionale Unterstützung des Schreibprozesses selber ohne zusätzliche therapeutische Unterstützung der inneren Stabilität des Studierenden im Allgemeinen. Die Qualität der angebotenen Schreibberatung der Hochschule - wenn sie denn existiert oder gefunden wird! - gibt dann noch einmal Ausschlag darüber, ob die Hilfe beim Schreibprozess ankommt. Denn hier geht es jetzt ans Eingemachte: Gerade bei ernsthaften Schreibblockaden reicht es nicht, seitens der Schreibberatenden eine Info über die Gestaltung einer bestimmten Schreibphase auszuteilen und kurz zu erläutern, solange nicht eine direkte Verknüpfung mit der individuellen emotionalen Situation stattfindet. Und diese Verknüpfung bedeutet: Als Schreibberatende nehme ich die Angst der Studierenden wahr und bin in der Lage, den individuellen Ausgangspunkt für diese Verunsicherung zu thematisieren bzw. vor allem, die passende Schreibübung oder besser noch, ein aufeinander aufbauendes, individuell passendes Konzept an Schreibübungen anzubieten. Über die Schreibübung bzw. das konkrete Arbeiten an einem neuralgischen, angstauslösenden Prozessmoment des Schreibens gewinnt der Studierende quasi en passant sein so sehr vermisstes Selbstvertrauen zurück - „winning by doing“ sozusagen. Um diese Feinfühligkeit und Erfahrung in der Schreibberatung zu entwickeln, braucht es Zeit und auch eine gewisse Lebenserfahrung. Im Zuge der Tendenz, Schreibberatung möglichst flächendeckend und preisgünstig anbieten zu können, ist in den letzten Jahren zunehmend das Peer-Tutoren-Konzept gewachsen, bei dem Studierende kurzfristig zu Schreibberatern ausgebildet werden, um Kommilitoninnen auf Augenhöhe zu beraten. Ein super Konzept, das viele Vorteile mit sich bringt, unter anderem die Beratungshürde niedrigschwellig macht und den allgemeinen Austausch unter Studierenden enorm ankurbelt. Aber der Nachteil liegt in Bezug auf das Thema Angst auch auf der Hand: Bei hartnäckigen Selbstzweifeln <?page no="82"?> 82 Schreib-Szene 4 Der Auftrag 64 65 66 64 Bräuer 2005, S. 130. 65 Wehnert 2016. 66 Wolfsberger 2016, S. 176. und Ohnmachtsgefühlen im Schreibprozess ist eine erfahrene Beratungsperson mit ausreichender Lebenserfahrung und auch der Zeit für eine einfühlsame Gesprächsführung notwendig. Gerd Bräuer weist auf die Notwendigkeit hin, dass ein solches Multiplikatorensystem neben den Tutoren auch Mentoren braucht 64 . Auch Alex Wehnert zitiert in seinem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu dem Phänomen des akademischen Ghostwriting einen Ghostwriter, der angesichts der Not seiner Kunden den Erfolg eines Beratungssystems vorwiegend von Studenten für Studenten anzweifelt 65 . Aus diesem Grund möchte ich mit der Heldenmethode - neben der Hilfe zur Selbsthilfe für Studierende - auch Beratenden ein Beratungskonzept an die Hand geben, den Studierenden da abzuholen, wo er es wirklich braucht: bei seiner verlorenen Souveränität im Schreibprozess durch die nackte Angst vor dem Text. Dass bei der Überwindung dieser Angst vor dem Text ein Konzept helfen kann, das in allen anderen Bereichen außerhalb des wissenschaftlichen Schreibens große Dienste geleistet hat, liegt nahe. Denn der Grundakt allen Schreibens ist eigentlich immer gleich, ob ich eine Kurzgeschichte schreibe oder ein Fachbuch, einen persönlichen Brief oder eine wissenschaftliche Abhandlung: Schreiben bedeutet, dass etwas aus meinem Kopf auf das Papier oder in den Computer fließt. Dieser Prozess ist in gewisser Weise ein Materialisierungsprozess von Gedanken und Ideen. Aus Bildern im Kopf werden sichtbare Zeichen, Buchstaben, aus abstrakten Ideen werden Formen außerhalb des Hirns. Auf dem Weg zwischen Hirn und Papier oder Tatstatur kommen dann schon einmal verschiedene Hürden auf, die plötzlich in Frage stellen, ob dieser Gedanke, der da aufs Papier drängt, eigentlich „richtig“ ist. Der innere Zensor meldet sich - eine „innere Stimme, die alles schlechtmacht, was du schreibst“ 66 . Diese strenge, manchmal fast grausame kritische Instanz im eigenen Kopf hat so manchen Text nie entstehen lassen. Und dieser Zensor ist es auch, der intelligente, motivierte Studierende beim Abfassen ihrer Haus- oder Abschlussarbeiten mit überscharfer Selbstkritik und Zweifeln quält oder gar ihr Studium abbrechen lässt. Die Schreibforschung der vergangenen Jahrzehnte hat sich gerade mit diesem hartherzigen Beisitzer aller kreativen Schreibprozesse sehr intensiv auseinandergesetzt. Vielfältige Methoden sind entstanden, diesen Zensor <?page no="83"?> Hintergrund: Die Notwendigkeit der Heldenmethode 83 67 68 69 67 Esselborn-Krumbiegel 2015, S. 153 f. 68 Vom Scheidt 2006, S. 82. 69 Rico 2011, S. 71. zu umschiffen, ihn auszuschalten oder umzuwandeln, zum Beispiel in einen inneren Schreibcoach 67 , einen wohlwollenden Erlauber anstelle des griesgrämigen Verhinderers oder in einen inneren Schreiber als „ein Teil der Persönlichkeit, den man sich [...] zum Verbündeten machen“ und vergleichbar der „Anrufung eines Heiligen“ um Hilfe bitten kann 68 . Eine der wichtigsten Techniken zur Überwindung des inneren Kritikers wurde von Gabriele Rico in ihrem Buch „Garantiert schreiben lernen“ (englischer Originaltitel „Writing the natural way“, 1984) vorgestellt. Rico hat den Sitz dieses inneren Zensors auf der linken Hirnhälfte lokalisiert und mit dem sogenannten Cluster (s. dazu Schreib-Szene 2) eine visualisierende Ideengenerierungsmethode und Schreibtechnik entwickelt, die beide Hirnhälften koppelt für den Schreibprozess. Und das ist die bahnbrechende Erkenntnis dieser Methode, die viele weitere nach sich gezogen hat: Unser Hirn und unser Denken besteht nicht nur aus kognitiven Fähigkeiten, wie sie die linke Hirnhälfte anbietet - Organisation, Struktur, Denken in Gesetzmäßigkeiten und in analytischen Dimensionen. Nein, für den kreativen Prozess des Schreibens - und auch des akademischen Schreibens! - brauchen wir die rechte emotionale (! ) Hirnhälfte mit all ihren „kindlichen“ Potentialen wie rhythmisches und bildhaftes Denken, qualitativen Betrachtungen und synthetischer Herangehensweise, aber vor allem ihrer Bereitschaft, Gesetzmäßigkeiten auszuhebeln und Grenzen zu überschreiten. „Nicht Wiederholung und Vorhersagbarkeit sind die Stärke der rechten Hemisphäre, sondern die Auseinandersetzung mit dem Unbekannten, dem Neuen, dem Mehrdeutigen, dem Paradoxen, dem Unkonventionellen.“ 69 Entsprechend ist für die Heldenmethode ebenfalls die Kopplung beider Hirnhälften unerlässlich: Die Heldin braucht Fähigkeiten der linken Hirnhälfte wie Struktur, Planung, das Erkennen von Gesetzmäßigkeiten und Spielregeln, auch um sie überhaupt für sich nutzen oder neu aufstellen zu können - unbestritten. Aber der Held braucht auch die rechte Hemisphäre mit ihrem Mut, ins Ungewisse zu schreiten, wo keine Gesetze erkennbar sind, er braucht auch die Fähigkeit, Lösungen zu assoziieren - das bedeutet: synthetisch denken, kompensatorisch gestalten. Alle diese Überlegungen haben seit den 90-er Jahren des letzten Jahrhunderts bereits die Nutzung des kreativen Schreibens für das wissenschaftliche Schreiben (neben <?page no="84"?> 84 Schreib-Szene 4 Der Auftrag 70 71 7273 70 Bothe 2005, S. 31. 71 Rico 2011, S. 83. 72 Rico 2011, S. 70 f. 73 Wolfsberger 2016, S. 35. dem journalistischen und dem berufsorientierten Schreiben) vorangetrieben und zur Bildung von universitären Schreibzentren, -laboren und -werkstätten geführt 70 . So wurde die Grundlage für den konsequenten nächsten Schritt gelegt: Eine Schreibmethode für das akademische Umfeld, das nicht nur vorsichtig und mit gezieltem Einsatz einzelne Schreibtechniken dem wissenschaftlichen Prozessdenken dienstbar macht, sondern die den wissenschaftlichen Prozess als kreativen Prozess betrachtet. Nach Rico ist dieser Prozess von einem ständigen Hin und Her zwischen den Hemisphären in einem dynamischen Wechselspiel gekennzeichnet, aber: „Geistige Aktivität ästhetischer Art, primär eine Funktion der rechten Hemisphäre, steht am Anfang des kreativen Prozesses“ 71 . Die rechte Hirnhälfte mit den emotionalen Aspekten des Denkens 72 und ihre fundamentale Beteiligung am wissenschaftlichen Denkprozess sollte nicht verschämt hinter vorgehaltener Hand bestätigt und auch nicht als verspielt-kreative Luxusversion akademischen Schreibens betrachtet, sondern als eigentliche Grundlage des wissenschaftlichen Forschungsmomentes genutzt werden - jeder Wissenschaftler ist ein Held! Emotional stark! Nicht als vertrocknet-langweilige Jammergestalt ohne Muskeltonus, sondern als kraftstrotzender, wagemutiger Idealist! Ein Kämpfer, der - neben seinen kognitiven und analytischen Fähigkeiten - auch all seinen Mut der Wissenschaft zur Verfügung stellt. Das alles ist hochpathetisch, klar, aber nach all den Jahrzehnten, Jahrhunderten muss man fast sagen, in denen das Vorurteil herrschte, dass Wissenschaft ein staubig-verhärmtes, lieb- und lebloses Geschäft sei, darf aufgeatmet werden: Ja, das Ganze darf auch Spaß machen, Leidenschaft auslösen und zu größter Befriedigung führen! Mit anderen Worten: Freude bereiten. Judith Wolfsberger sieht ebenfalls in einer Ermutigung der Studierenden den Haupthebel für eine erfolgreiche Unterstützung im wissenschaftlichen Arbeiten. Alle Kapitel-Titel ihres Buches „Frei geschrieben“ enthalten Mutmacher als Schlüsselbegriffe: Von Selbstbewusstsein, Chuzpe, Selbstvertrauen, Freiheit, Chance, Courage etc. ist dort die Rede. Ohne es als solche konzeptuell ausgebaut zu haben, erkennt sie eine wissenschaftliche Arbeit als „Reise in unbekanntes Terrain“, für die man Mut aufbringen muss, um aufzubrechen. 73 <?page no="85"?> Hintergrund: Die Notwendigkeit der Heldenmethode 85 Nach meiner Erfahrung in der akademischen Schreibberatung sowie im Konzipieren und Durchführen von Vorträgen, Workshops und Seminaren zum wissenschaftlichen Schreiben liegt für mich folgendes Fazit auf der Hand: Wissenschaft basiert auf korrektem, standardisiertem, transparentem Vorgehen und subjektive Wertung hat dort nichts verloren. Punkt. Nach wie vor. Aber das ist eben nicht alles. Wissenschaft braucht auch eine starke Motivation, eine Leidenschaftlichkeit, Herzblut, romantisch formuliert, sonst passiert da nichts. Und dieses „da passiert nichts“ droht schon den Studierenden im ersten Semester, wenn ihnen vor Angst und Respekt der Lebenssaft ausgesaugt wird. Auch wieder pathetisch. All den verängstigten Studienanfängern oder auch den kurz vor Studienabschluss noch vor Panik kapitulierenden Studierenden fehlt es nicht an Korrektheit oder Bereitschaft, die Standards einzuhalten - davon haben sie meist mehr als genug. Die intellektuellen Fähigkeiten sind nicht das Problem - es fehlt ihnen an Mumm, trotz dieser einengenden, fast erstickenden Formalia und Standards noch einen freien Gedanken zu äußern. Und was ist zur Entfaltung des freien, eigenständigen Denkens besser geeignet, als eine Verwandlung vom Jammerlappen zum Helden nach dem Vorbild der mythischen Helden, der antiken Heroen oder der Superhelden Hollywoods? Die Heldenmethode ist notwendig, weil sie Mut macht, weil sie die Angst nutzt und in Energie transformiert und weil sie dem Studierenden das wiedergibt, was er verloren glaubte: seine eigene Souveränität im Schreibprozess. <?page no="87"?> Hintergrund: Die Notwendigkeit der Heldenmethode 87 Akt 2 Sein oder Nicht-Sein - Die zentrale Frage stellt sich <?page no="89"?> Regieanweisung: Wähle einen klaren Standort 89 Schreib-Szene 5 Point of no return Regieanweisung: Wähle einen klaren Standort Ging es im ersten Akt deiner Haus- und Abschlussarbeiten-Heldenreise darum, das Drama und die Gefahr in deiner Themenstellung anzunehmen, im Wissen, dass darin zugleich Rettung und Chance auch für dich impliziert sind, geht es nun im zweiten Akt „zur Sache“. Jetzt wird es ernst. Das Abenteuer beginnt. Und damit auch der Spaß und die Reifung deiner Persönlichkeit. Schon in der ersten Szene hast du deinen Anspruch auf die „Lizenz zum Schreiben“ eingefordert. In diesem zweiten Akt verdienst du sie dir in vollem Umfang - frei nach dem Motto des Filmhelden Bond - James Bond! - und dessen „Lizenz zum Töten“. In den vier Szenen dieses Aktes erwirbst du die Fähigkeiten und Fertigkeiten, die ein Schreib-Held braucht: Position beziehen, die richtige Frage stellen, den Weg zu Ende denken und schließlich die siegreiche Lösung des Problems herbeiführen. Dabei erweiterst du in den Heldenaufgaben deinen Blick und deine Wahrnehmung durch einen Wechsel deiner Perspektive. Nun geht es darum, deinen Startpunkt klar zu bestimmen, dich und deine Sicht klar zu positionieren. Die nötige Vorarbeit ist geleistet und du bist schon mitten drin in der Arbeit an deinem Thema. Dieses Kapitel behandelt den „Point of no return“ der Heldenreise, den Punkt, an dem du eine magische Schwelle überschritten, den Schritt in eine andere Welt gewagt hast, ein anderes Land, eine Höhle, ein wie auch immer geartetes Neuland, das seine eigenen Gesetze, Gefahren und Schätze bietet und aus dem du nur wieder entkommst, indem du erneut eine Schwelle zurück überschreitest. Hier im wahren Leben (auch im akademischen) kannst du selbstverständlich rein physisch jederzeit wieder zurück - anders als aus einem magischen Bann, für den du erst den Lösungszauber brauchst. Aber in gewisser Weise hast auch du jetzt mit all dem, was du im Laufe des ersten Aktes deiner wissenschaftlichen Heldenreise an Schritten getan hast, dich bereits so weit in dein Thema und seine Lösung hineinbegeben, dass eine Rückkehr auf jeden Fall eine Art von Verlust darstellen würde. Nach deinen ersten Erfolgen bin ich sicher, dass du nicht umkehren, sondern den eingeschlagenen Weg weitergehen wirst. Du bist inzwischen mu- <?page no="90"?> 90 Schreib-Szene 5 Point of no return tiger geworden, hoffnungsvoller, deiner eigenen Stärke bewusster. Du könntest theoretisch umkehren und dein Thema einem anderen überlassen - oder dem Papierkorb, dem großen Nirwana der ungelösten Forschungsfragen. „Rette dich doch selbst! “, könntest du ihm entnervt zurufen. „Mir doch egal, was mit dir passiert - um mich kümmert sich ja auch keiner! “ Oder Ähnliches, was du als Ansatz zur Selbstrettung missverstehen könntest. Aber du kehrst nicht um, weil du weißt: Da ist etwas, das ist es mir wert, diese Anstrengung zu unternehmen. Du hast den Sieg, die Rettung deines Themas noch nicht hundertprozentig in der Tasche, im Moment hast du nur eine vage Ahnung von der Lösung, aber du ahnst, dass es dich mit Stolz erfüllen wird, wenn du die Lösung geschafft hast. Und warum? Weil dir etwas klar geworden ist: Eine wissenschaftliche Arbeit ist tatsächlich ein Heldenwerk - denn hinter jedem wissenschaftlichen ungelösten Problem stehen Menschen mit einem Problem - das haben wir oben schon erwähnt. Deine Arbeit bedeutet eine Form von Rettung - und sei sie noch so klein oder scheinbar unbedeutend. Die Lösung deines wissenschaftlichen Problems lindert irgendeine Form von Not, und sei es durch Erkenntnisgewinn. Mit anderen Worten: Du kehrst nicht um, weil du die Relevanz deines Themas und deine Rolle darin erfasst hast. Du weißt, es geht um etwas, und du hast auch bereits eine Ahnung, worum genau. Der Held in dir spaltet sich in mehrere Personen 1 und eine davon ist der Helfer, der Retter: Du willst nicht mehr umkehren, weil du eine realistische Chance siehst, zu siegen. Wenn du jetzt aufgibst, ist es nicht mehr wie vorher - wenn du jetzt umdrehst, bist du nicht einfach eine langweilige unerledigte Arbeit, mit der du deine Zeit nicht vergeuden willst, losgeworden, sondern du hast einen Hauptgewinn ausgeschlagen. Du hast auf eine Truhe voller funkelnder Edelsteine verzichtet, die du am Ende deiner zeitlich überschaubaren - ein Monat? Fünf Monate? - Reise in den Händen halten könntest. Edelsteine - im übertragenen Sinne. Du kannst am Ende all deine Nebenziele erreicht haben: Eine bestandene Arbeit oder ein erfolgreich absolviertes Studium, sogar die Zufriedenheit deiner Eltern und die Eitelkeit deiner Dozentin liegen in dieser Truhe - aber das alles ist nicht der große Diamant in diesem Schatz. Der große Diamant ist dein Sieg über deine eigene Angst - er symbolisiert dein Gefühl, ein herausforderndes Abenteuer siegreich bestanden zu haben. Du weißt, dass du das kannst, du kennst deine Stärken und du wirst die Erfahrung für immer in dir behalten können, diese Schwierigkeit gemeistert zu haben. Mehr noch: Du weißt, du hast jetzt eine 1 Als Emanationen des Helden in den Archetypen, s. Vogler 2004, S. 82 f. <?page no="91"?> Heldenaufgabe „Perspektivwechsel“ 91 definitive Gewissheit, dass du solche Herausforderungen nicht zu scheuen brauchst. Im selben Maße, wie dich deine Arbeit zu Beginn erschreckt und eingeschüchtert hat, wird sie dich am Ende mit Freude und Stolz erfüllen. Das weißt du jetzt - oder ahnst es zumindest. Das ist es, was du bekommst und was ein Leben lang in dir weiterfunkelt und dich reich macht - und das unabhängig von der Größe des Diamanten, sprich: von der Note. Dieser Stolz hängt ganz eng zusammen mit dem Hilferuf deines Themas, mit der Not der realen Menschen, die von diesem Hilferuf betroffen sind. Daher geht es in der folgenden Übung zu dieser Szene um ein Hineinschlüpfen in die Person oder Personen, die von deiner Rettung des Themas betroffen sind, für deren Belange du kämpfst, indem du das Thema übernimmst und eine Lösung versuchst. Du versuchst, in dieser Übung klarer herauszufinden, wer genau auf deine Lösung hofft, welcher Art diese Hilfe ist und welche konkrete Not du hilfst, abzuwenden. In der Übung „Perspektivwechsel“ siehst du die Welt sozusagen mit den Augen eines Betroffenen - eines Menschen, der die Folgen des zu lösenden Problems in deiner Arbeit in irgendeiner Weise persönlich zu spüren bekommt. Heldenaufgabe „Perspektivwechsel“ Schreibtechnik Perspektivwechsel Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Stell dir vor, du schlüpfst für die Dauer dieser Übung in die Rolle eines der Menschen, die in irgendeiner Weise maßgeblich von der Relevanz deines The- Wähle einen klaren Standpunkt - Rückzug ist kein Standpunkt, sondern eine Bewegungsrichtung. Insofern kannst du ab jetzt nur gewinnen, indem du den Weg deines Forschungsthemas weitergehst und versuchst, es zu lösen. Der nächste Schritt ist die Wahl deiner Position, und die findest du am ehesten, indem du dich in eine fremde Position hineinversetzt: die eines Betroffenen in deinem Thema. <?page no="92"?> 92 Schreib-Szene 5 Point of no return mas betroffen sind. Als Erstes solltest du kurz klären, wer diese Person ist, die von der Lösung deines Themas profitiert, vielleicht sogar davon abhängig ist. Diese Person kann im ersten Schritt auch ein Tier sein oder eine Pflanze, aber dann solltest du im Zuge dieser Übung den dahinterstehenden betroffenen Menschen oder die Gruppe von betroffenen Menschen benennen. Wichtig ist, dass du dich in die Position eines Menschen versetzt, der Not leidet, wenn dein Thema nicht gelöst wird bzw. eindeutiger Nutznießer von einer Lösung des Problems ist. In dieser Übung wird die Relevanz deines Arbeitsthemas noch einmal so richtig präsent. 2 Arbeitsanleitung Schreibe einfach locker drauflos, gerne im oder nahe am Freewriting-Modus, was dir alles als diese betroffene Person durch den Kopf geht. Formuliere noch einmal das Problem, das du hast, in ein bis drei Sätzen. Wo bist du gerade? In welchem Zustand? Was fehlt dir? Was droht dir? Worauf hoffst du? Worin liegt die Rettung? Wer kann das bewerkstelligen? Welche Funktion hat aus deiner Sicht die Haus- / Abschlussarbeit des Studierenden, der diese Übung macht? Schreibe ca. 15 Minuten. Markiere anschließend mit einem farbigen Stift wichtige Schlüsselbegriffe. 2 Idee nach Scheuermann 2011, S. 112 f. Fallbeispiel „Perspektivwechsel“ Es ist mir ganz unerwartet passiert - eines Morgens hatte ich bemerkt, dass der Haufen Stroh, den ich in der Scheune meines Vaters aufgehäuft hatte, golden glitzerte. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits von mehreren solcher Fälle in der Zeitung gelesen und eines der Bauernmädchen aus dem Nachbarort war urplötzlich über Nacht verschwunden. Die Leute munkeln von Verbrechen - ja, klar, aber nicht so ein übliches. Ich bin sicher, dass man sie in eine der modernen Goldspinnereien gebracht hat. Das ist zwei Wochen her. Ich habe Angst. Also habe ich mich in die Scheune meines Vaters gesetzt und die ganze Nacht die goldenen Fäden aus dem Heuhaufen gezogen. Für meinen Teil bin ich gar keine Spinnerin - ich bin Bäuerin. Das ist ja das Verwirrende, Beängstigende daran: Bisher sind immer alle Leute davon ausgegangen, es wäre vielleicht eine <?page no="93"?> Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 93 Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler besondere Spinn-Technik, die aus Stroh Gold werden lässt. Eine bestimmte Art, das Stroh zu drehen oder das Tempo der Spindel oder keine Ahnung was. Aber jetzt ist mir eigentlich klar, dass es etwas ganz anderes sein muss: Eine Art Gabe, ein Talent, ein Zauber, eine chemische Besonderheit der Haut an meinen Fingern, der Ausdünstungen meiner Haut, vielleicht meiner elektrostatischen Körperladung - ich habe keine Ahnung, aber es macht mir Angst. Ich traue mich nicht mehr aus dem Haus. Jeden Augenblick rechne ich damit, dass neben mir irgendein abgedunkelter Kastenwagen hält und mir einen Sack über den Kopf zieht. So etwas hat nämlich die kleine Schwester von der verschwundenen Bauerstochter aus dem Nachbardorf erzählt. Wenn es keine Technik ist - dann sind ja die talentierten Gold-Umwandlerinnen die Maschinen sozusagen - dann werden sie wie die Seidenraupen in Farmen gehalten, oder wie Nerztierchen zur Fellgewinnung. Mir ist kalt. Ich weiß auch nicht, an wen ich mich wenden könnte - denn im Moment misstraue ich jedem. Meine Eltern sind arme Bauern, sie spielen die Gefahr einer Versklavung schon jetzt runter - ich habe sie heute Morgen beim Frühstück darüber reden hören. Für mich ist es nichts, worauf ich stolz bin - es macht mir Angst. Ich fühle mich unfrei, verflucht. Ich überlege, ob ich einfach abhaue - wer weiß? Vielleich hat die kleine Schwester im Nachbarort gelogen und die Goldspinnerin ist ebenfalls geflohen. Wir alle haben diese Gerüchte gehört, über Internierungen und unmenschliche Zustände, schlechte Hygiene und Verbote, Kontakt zur Familie aufzunehmen. Auch von Toten ist bereits die Rede. Aber in den Nachrichten wird immer nur die Bedeutung für den Goldmarkt und die Erhöhung? Wie sagt man? Mir fällt gerade nichts mehr ein - Verbesserung der Konjunktur oder so ... Als unterstrichenen Begriff wähle ich: Versklavung Das Konzept der Heldenreise und auch dieser Begriff gehen zurück auf die Mythenforschung von Joseph Campbell, deren Ergebnisse er unter anderem in seinem Werk „Der Heros in tausend Gestalten“ (englischer Originaltitel: The hero with the thousand faces, 1949) zusammengefasst und dokumentiert hat. Christopher Vogler hat dann 1997 mit „Die Odyssee des Drehbuchschreibers - über die mythologischen Grundmuster des amerikanischen Erfolgskinos“ eben diese von Campbell <?page no="94"?> 94 Schreib-Szene 5 Point of no return 3 4 3 Campbell 2015, S. 120. 4 Vogler 2004, S. 13. erforschten Archetypen von Heldengeschichten als Grundlage erfolgreicher Hollywood-Filme entdeckt. Während Campbell die Entwicklung eines typischen Helden noch in 17 Schritten sieht, macht Vogler 12 Phasen der Heldenreise von der gewohnten Alltagswelt des Helden bis zu seiner siegreichen Rückkehr nach glücklich vollbrachter Heldentat aus. Beide Konzepte sind sehr reichhaltig an Variationen und mit vielen Exkursen und Beispielen versehen, so dass im Rahmen dieses Coachings nur das erläuternd herangezogen werden soll, was für die Adaption einer „Studierendenreise“ von Belang und verwertbar ist. Denn insbesondere Campbell schafft mit seinem Buch über den Heldenmythos eine Atmosphäre mythischen und mystischen Tiefgangs, die mithilfe einer sehr metaphernreichen und gleichsam selber wieder mythischen Sprache ihre ganz eigene Wirkung auf den Leser hat. Man könnte sagen, Campbells Theorie über die Mythen der Welt schafft selber wieder eine neue, eigene mythische Dimension. Ein Beispiel: „Das letzte und höchste Abenteuer, nach Überwindung aller Schranken und Ungeheuer, wird meist als eine mystische Hochzeit (ieros gamos) der siegreichen Heldenseele mit der göttlichen Weltmutter dargestellt. Sie ist die Krisis im Nadir, im Zenit oder am äußersten Rand der Erde, im Allerheiligsten des Tempel oder im Dunkel der tiefen Kammer des Herzens“ 3 . Entsprechend sieht Vogler Campbells großes Verdienst in eben genau dieser mythischen Tiefe seiner Sicht auf „die Grundsätze des Lebens, die tief in die Struktur von Geschichten eingeschrieben sind“ 4 . Auch wenn in der heutigen Rezeption der Heldenreise darunter gleichsam eine Textur für das Erfinden und Schreiben von Geschichten verstanden wird, ist sie in ihrem Ursprung bei Campbells Mythologie-Analyse weit mehr. Dennoch: Erst nachdem Vogler die Heldenreise Campbells in eine modernere Version und alltagstauglichere Verständlichkeit übersetzt hat, hat sie ihren Siegeszug angetreten, allen voran durch die Filmstudios Hollywoods. Aber auch „Lehrer, Psychologen, Werbeleute, Strafvollzugsexperten, Designer von Videospielen, Mythenforscher und Wissenschaftler, die sich mit Popkultur beschäftigen“, <?page no="95"?> Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 95 5 6 7 8 9 5 Vogler 2004, S. 13. 6 Vogler 2004, S. 10. 7 Vogler 2004, S. 37. 8 Vogler 2004, S. 50. 9 Vogler 2004, S. 38. ziehen sie zu ihrer Arbeit heran 5 aufgrund ihrer Grundanlage, „ein Handbuch des Lebens“, ein „vollständiger Ratgeber in der Kunst, Mensch zu sein“ 6 . Neben diesem mythologischen Gehalt erkannte Vogler für sich persönlich in der Reise des Helden eine „elektrisierende Neuorientierung meines Lebens und Denkens“. Er sieht Campbell als denjenigen an, der es geschafft hat, „den Geheimcode des Geschichtenerzählens zu entschlüsseln. Sein Werk war für mich wie eine Leuchtkugel, die plötzlich eine tiefdunkle Landschaft erhellt“ 7 . Mit Voglers Worten gelang es Campbell erstmals, „das Modell zu enthüllen, das allen jemals erzählten Geschichten zugrunde lag.“ Er erkannte, „dass es sich hier im Grunde immer um die gleiche Geschichte handelt, die in zahllosen Varianten immer wieder aufs neue erzählt wurde“ 8 . Als Story-Entwickler in diversen Filmstudios sah Vogler in der ‚Reise des Helden‘ „eine spannende und zudem nützliche Story-Technik, die Filmemachern und Produzenten zumindest einen Teil der unsicheren Vermutungen (und sicheren Unkosten) abnehmen könnte, mit denen die Entwicklung von Filmstorys bislang verbunden war“ 9 . Die Heldenreise nicht nur als ideeller Gewinn im Sinne wirksamerer Storys, sondern darüber hinaus unter ihrem ökonomischen Gesichtspunkt, Kosten und Mühen zu sparen: das ist ein Punkt, der als Nebengewinn für Studierende durchaus ein zweiter Hauptgewinn sein kann. Denn entsprechend hilfreich ist die Heldenreise in ihrer Adaption als Heldenmethode für Studierende und kann ihnen viele schlaflose Nächte, Angstschweiß und Tränen ersparen. Joseph Campbell bietet die Basis des Modells der Heldenreise mit seiner Vielzahl an kulturellen und philosophischen Konnotationen sowie der mythologischen Tiefe seiner Betrachtungen, metaphernreich und symbolschwer in seiner Sprache. Christopher Vogler hat mit seiner Adaption der Heldenreise für das Drehbuchschreiben eine zeitgemäßere Version von Campbells Modell entwickelt, das durch die mythologische Verankerung etwas sperrig wirkt und eine sehr männlich ausgerichtete Sichtweise auf die Initiation eines männlichen Helden in einer archaisch-patriarchalisch geprägten Gesellschaftsstruktur präsentiert. Aber auch Voglers Adaption der Heldenreise muss sich noch gegen die Kritik wehren, die Heldenreise sei „den Bedürfnissen einer männlich dominierten Kriegerkultur entsprungen“, die er mit der <?page no="96"?> 96 Schreib-Szene 5 Point of no return 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 10 Vogler 2004, S. 24. 11 Vogler 2004, S. 57. 12 Campbell 2015, S. 31. 13 Campbell 2015, S. 42. 14 Campbell 2015, S. 46 ff. 15 Campbell 2015, S. 181. 16 Campbell 2015, S. 109. 17 Campbell 2015, S. 164. 18 Campbell 2015, S. 169. 19 Campbell 2015, S. 174. Bemerkung kontert, dass dies lediglich eine der tausend Gestalten des Heros sei 10 und dass der Begriff Heros oder Held ebenso „von Frauen, Männern und Kindern augefüllt werden“ kann 11 . Allerdings ist auch für Campbell der archetypische Mythos für die ganze Menschheit gültig und damit der Held „Mensch, ob Mann oder Frau“ 12 , die Transferleistung für Frauen dabei aber eine besondere Herausforderung. Eine Definition der Heldenreise in einem bis drei Sätzen lässt sich weder bei Vogler noch bei Campbell finden. Mehrfach sind jedoch verschiedene Annäherungen an den Inhalt dieses Begriffs vorhanden. Für Campbell ist sie „der Weg, den die mythische Abenteuerfahrt des Helden normalerweise beschreibt [...] in vergrößertem Maßstab, der Formel wie die Abfolge der rites de passage sie vorstellt: Trennung - Initiation - Rückkehr, einer Formel, die der einheitliche Kern des Monomythos genannt werden kann“ 13 . Sie folge „dem Schema der [...] Kerneinheit: Trennung von der Welt, Durchkämpfen zu einer Quelle übernatürlicher Kräfte und lebensbringende Rückkehr“ 14 . Heruntergebrochen auf eine erzählerische Ebene beschreibt Campbell den Beginn des Abenteuers folgendermaßen: „Ein Versehen, dem Anschein nach der läppische Zufall, offenbart eine ungeahnte Welt und verstrickt den Menschen in ein Kräftespiel, dem sein Verständnis nicht gewachsen ist“ 15 . Danach übertrete der Held die Schwelle zu einem Traumland, in dem er eine Reihe von Prüfungen zu bestehen habe 16 . Dabei ist laut Campbell das Ziel der Reise vor allem eine Apotheose, die Wiedervereinigung mit der Gottheit - und nicht vorrangig das Zerstören eines Monsters 17 . In der Überwindung des Schreckens sieht er die Möglichkeit der Erlösung 18 . Das Überwinden der Todesgefahr ist für den Helden gleichsam seine Wiedergeburt 19 . Den Rückweg tritt er dann mit einer Trophäe an, die das Leben in <?page no="97"?> Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 97 20 21 22 23 24 25 20 Campbell 2015, S. 210. 21 Campbell 2015, S. 64. 22 Campbell 2015, S. 31. 23 Campbell 2015, S. 51. 24 Campbell 2015, S. 182. 25 Campbell 2015, S. 50. seiner alten Welt verwandeln soll. Diese Veränderung als „Segen der Erneuerung“ schließe dann den Kreis des Monomythos 20 . Wesen und Bedeutung dieses Heldenreise-Konzeptes sieht Campbell sowohl in der Nähe zu den Erkenntnissen der Psychoanalyse im Sinne Freuds, unter anderem durch dessen Vorstellungen von Fehlleistungen (wie der „zufällige“ Ruf zum Abenteuer), die nach Freud nicht zufällig entstehen, sondern „Resultat verdrängter Wünsche und Konflikte sind“ 21 , als auch in der Vorstellung eines „kollektiven Unbewußten“, indem der Held sich „vom Schauplatz der Erscheinungen“ zurückziehe, um bei seiner Heldenreise „die ursächlichen Zonen der Seele aufzusuchen“ und „schließlich zur unentstellten, direkten Erfahrung und Aneignung dessen durchzubrechen, was C. G. Jung die Archetypen genannt hat“ 22 . Die dritte Dimension des Heldenmythos bei Campbell, der sogenannte „kosmogonische Zyklus“ der Heldenreise, „entrollt die große Vision von der Erschaffung und Zerstörung der Welt, die dem erfolgreichen Helden als Offenbarung anvertraut wird“ 23 . Es ergeben sich an mehreren Stellen der Campbell’schen Vorstellung der Heldenreise Parallelen und Übertragungsmöglichkeiten auf die „Studierendenreise“ als die Herausforderung Studierender, eine Haus- oder Abschlussarbeit zu schreiben. Um mit dem zentralen Punkt der Heldenreise zu beginnen, der Todesgefahr und ihrer Überwindung, lässt sich diese größte Angst auch beim Studierenden als sein größtes Potential zum Wachstum und zur Weiterentwicklung, der Erlangung einer völlig neuen Kraftdimension sehen: „Aber der Tod war nicht das Ende. Ein neues Leben, eine neue Geburt, ein neues Wissen des Daseins [...] ward uns verliehen“ 24 . Dieser „Tod“ ist in den metaphysischen Mythen ein irdischer Tod, aber in den meisten Legenden besteht der Tod allein darin, sich im Angesicht dieser höchsten aller Gefahren zu befinden. Für den Studierenden ist diese allerhöchste Gefahr das Scheitern der Forschungsarbeit und ihre Überwindung und die Wiedergeburt ist ihr erfolgreicher Abschluss. Die Forschungsaufgabe selber, das ungelöste fachliche Problem, ist hier der „symbolische Defekt“, an dem die Welt des Helden krankt und den er mit seiner Reise zu beheben auszieht 25 . Nicht nur alleine die Bewältigung der Forschungsfrage (= die <?page no="98"?> 98 Schreib-Szene 5 Point of no return 26 27 28 29 26 Campbell 2015, S. 49. 27 Campbell 2015, S. 169. 28 Campbell 2015, S. 64. 29 Campbell 2015, S. 51. Überwindung der Todesgefahr) ist die besondere Herausforderung des Helden, sondern auch der Rücktransport der gewonnenen Erkenntnisse in die Forschungsgemeinschaft: „Die Rückkehr und Wiedervereinigung mit der Gesellschaft, die für den ununterbrochenen Zufluß geistiger Energie in die Welt unerläßlich und, vom Standpunkt der Gemeinschaft, die Rechtfertigung der langen Abkehr ist, dürfte dem Helden selbst als schwerste Anforderung von allen erscheinen“ 26 . Indem Campbell die innere Dynamik der Heldenreise in einer archaischen psychologischen Loslösung des Kindes im Helden von seinen Eltern sieht, wird an diesem Punkt auch deutlich, dass hinter der Forschungsaufgabe und all ihren Hindernissen auch ein zentrales Muster stehen könnte: Während in der Heldenreise der „Feind“ mit dem das Kind dem Paradies seiner Mutter entziehenden Vater assoziiert wird und alle Feinde nach Campbells Auffassung eine Version dieses „Urstörenfriedes“ sind 27 , kann man bei der Studierendenarbeit sagen: Alles Unbekannte wird zum Feind. Jedes noch so kleine Problem löst dieselbe Angst und Panik aus wie das zentrale Problem. Doch nach Campbells Übereinstimmung mit Freud macht es keinen Sinn, dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen, da dieser „Ruf zum Abenteuer“ nicht zufällig, sondern wie gesagt „das Resultat verdrängter Wünsche und Konflikte“ ist 28 . Ein Grund mehr für Studierende, die Herausforderung der Studienarbeit anzunehmen im Wissen, dass sie nicht eher Ruhe gibt, als bis sie in irgendeiner Form irgendwann bewältigt wurde. Hilfreich für den Studierenden ist dabei die Überzeugung Campbells, dass im Grunde die Überwindung der Todesgefahr gar nicht „der Erlangung, sondern der Wiedererlangung, nicht der Entdeckung, sondern der Wiederentdeckung“ gilt und „die gesuchten und unter Gefahren gewonnenen göttlichen Kräfte im Herzen des Helden schon immer vorhanden waren“ 29 . Übertragen auf den studentischen Kontext: Dieses Modell erkennt an, dass in der Vergegenwärtigung des Problems schon seine Lösung liegt, weil das Potential zur Lösung mit dem Erkennen des Problems bereits längst im Studierenden vorhanden ist. Der Studierende fühlt sich gerade bei massiven Schreibblockaden sehr hilflos und sehr ohnmächtig und vor allem: sehr allein. Selbst viele gut gemeinte Hilfsangebote reflektieren ihm oft seine eigene Unfähigkeit, das Problem zu lösen, weil ernsthaf- <?page no="99"?> Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 99 30 31 32 33 34 30 Campbell 2015, S. 410. 31 Vogler 2004, S. 35. 32 Vogler 2004, S. 50. 33 Vogler 2004, S. 57. 34 Vogler 2004, S. 75. te gemeinschaftlich orientierte Hilfe fehlt. Er fühlt sich als losgelöstes Individuum im Kosmos. „Es weiß nicht, wohin es geht, es weiß nicht, wodurch es getrieben wird. Alle Verbindungsfäden zwischen den bewußten und unbewußten Bereichen der Menschenseele sind durchschnitten: Wir sind in zwei Hälften zersprungen“ 30 . Dieser Umstand ist es möglicherweise, der die Panik und Angst bei Studierenden so immens macht und sich nicht selten so bodenlos anfühlt. Die Heldenreise als Heldenmethode könnte damit ein Konzept sein, das den „Helden des Studiums“ wieder ein wenig Geborgenheit im großen Ganzen zurückgibt. Die Heldenreise birgt die Chance, zum einen die Einsamkeit des Helden und damit auch des Studierenden zu nutzen, um sein Problem zu lösen und seine Kräfte erstarken zu lassen, aber auf der anderen Seite bietet sie ihm auch einen Andockpunkt an ein ganzheitliches Weltmodell, das ihm eine unleugbar verbesserte Orientierung bei Zuständen wissenschaftlichen „Verlorenseins“ ermöglicht. Christopher Vogler nennt die Heldenreise „Odyssee des Drehbuchschreibers“ und vereint damit ein archaisches Beispiel à la Campbell mit der modernen Anwendung für die Filmindustrie. Um diese nützliche Ausrichtung herzustellen, adaptiert er Campbells Vorlage in klar pragmatischer Weise: „Alle Geschichten bestehen im Grunde aus einer Handvoll stets wiederkehrender Bauelemente, die uns auch in Mythen, Märchen, Träumen und Filmen immer wieder begegnen. Der Oberbegriff für all diese Bauelemente lautet: die Reise des Helden“ 31 . Die Heldenreise liefere „Werkzeuge“ des Geschichtenerzählens, ein „Instrumentarium“ „älter als die Pyramiden, älter als Stonehenge, älter als die frühesten Höhlenmalereien“ 32 . Die Phasen der Heldenreise betrachtet er als „eine Art Karte oder Plan, worauf die Reise des Helden verzeichnet ist. Natürlich gibt es noch viele andere Möglichkeiten, von hier nach dort zu gelangen, doch dieser Plan ist zeitlos und einer der anpassungsfähigsten und verläßlichsten“ 33 . Die Heldenreise ist für ihn das „Grundgerüst einer Geschichte“, „gleichsam das Skelett“, das relativ frei variiert werden könne durch Veränderung der Reihenfolge oder Auslassungen, „ohne daß die Reise des Helden etwas von ihrer Kraft verliert“ 34 . Dieser Appell ist sozusagen die „Freigabe“, das <?page no="100"?> 100 Schreib-Szene 5 Point of no return 35 36 37 38 Die Archetypen Ein Bestandteil der Heldenreise sowohl bei Campbell als auch bei Vogler, der hier nur am Rande Erwähnung und Berücksichtigung findet, sind die Archetypen. Sowohl Campbell als auch Vogler gehen von acht verschiedenen Archetypen in jeder Heldenreise aus, die bei Vogler auch als „Funktionsträger“ oder Facetten der Persönlichkeit des Helden bzw. der Persönlichkeit des Autors aufgefasst werden 39 . In der Geschichte sind es bestimmte Charaktere, die in Märchen und Mythen immer wieder auftauchen, dem Helden helfen, sich ihm in den Weg stellen, ihn blenden, verwirren, die bestehende Ordnung untergraben u. v. m. 40 Bezogen auf den wissenschaftlichen Schreibprozess bedeuten Voglers Archetypen, dass der Studierende gegen Facetten seines eigenen Seins ankämpfen muss. Die 35 Vogler 2004, S. 39 . 36 Vogler 2004, S. 458. 37 Vogler 2004, S. 458. 38 Vogler 2004, S. 298. 39 Vogler 2004, S. 81 f. 40 Vogler 2004, S. 79 ff. Modell weiter frei zu adaptieren und zu variieren, so wie es unter anderem auch mit der Heldenmethode geschieht. Die Heldenreise stellt für Vogler einen nützlichen Leitfaden fürs Leben, „vor allem für das Leben von Schriftstellern“ dar 35 . Dabei sieht er die Heldenreise nicht nur als Muster, wie es in Märchen und Mythen zu finden ist, sondern „es ist auch eine genaue Karte der Gebiete, die wir bereisen müssen, wenn wir uns als Autoren - und das heißt auch Menschen - verwirklichen wollen“. Denn „die Reise des Helden und die Reise des Autors sind ein und dasselbe“ 36 . Vogler sieht im Akt des Schreibens „eine gefahrvolle Reise in unser Innerstes“, bei dem Autoren denselben „Bewährungsproben, Prüfungen, Freuden und Belohnungen gegenüberstehen, die wir aus der Reise des Helden kennen“ 37 . Der Studierende als Autor eines wissenschaftlichen Textes profitiert ebenso wie der Drehbuchschreiber von dem „Instrumentarium“ und dem Plan der Heldenreise. Vogler hat dabei die „Todesgefahr“ weiter variiert als „entscheidende Prüfung“, die auch in einer Phobie, in der Herausforderung durch einen Rivalen oder einer politischen Krise bestehen kann 38 - oder eben in einer wissenschaftlichen Studienleistung. <?page no="101"?> 101 Schreib-Szene 5 Point of no return meisten Ratgeber zum wissenschaftlichen Schreiben arbeiten mit Konzepten, die man als adaptierte Archetypen des wissenschaftlichen Schreibens betrachten kann. Ohne den Begriff ‚Archetyp‘ zu verwenden oder sich explizit auf Vogler oder Campbell zu beziehen, konzentrieren diese Ratgeber sich oft stark auf diese einzelnen Elemente. Im Rahmen meines Intensiv-Schreibcoachings für Studierende liegt der Schwerpunkt hingegen auf dem Verlauf der Heldenreise von der Aufgabenstellung bis zur Rückkehr mit der Trophäe der errungenen Forschungslösung. Die Begegnung mit den Archetypen als „Kampf gegen sich selbst“ ist auf diese Weise bereits weitgehend in Form der 12 Schreibstationen berücksichtigt. Als Adaption der Archetypen der Heldenreise für den Forschungsprozess der Studierenden könnte man folgende Entsprechungen formulieren, die sich vor allem als äußere Begleitumstände des Schreibprozesses erweisen: Held / Höheres Selbst = Erfolgreicher Abschluss Schatten = Forschungsproblem Gestaltwandler = Selbsttäuschungen / Tagträume Schwellenhüter = Innerer Zensor Trickster = Aufschieberitis / Prokrastination Herold = Tipp eines Kommilitonen Verbündete = Hilfreiche Studien / Literatur Mentor = Schreibberatung / Betreuer Von diesen im Drama auftretenden „Personen“ soll lediglich der Gegner des Helden, der Schatten, im Kapitel „Lohn der Angst oder Transformation des Gegners“ (S. 158 ff.) näher betrachtet werden. <?page no="103"?> Hintergrund: Die Heldenreise bei Campbell und Vogler 103 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde Regieanweisung: Lerne deine Weggefährten kennen Jetzt stellt sich zunehmend die Frage, wenn dir auf deinem Weg durch das Labyrinth deiner Arbeit jemand respektive ein Hinweis, eine Information, ein Text begegnet: Freund oder Feind? Wer begleitet mich auf meinem Weg? Wer hilft mir weiter? Wer versucht, meine „Mission“ zu stören oder sogar zu vernichten? Mit anderen Worten: Welche Daten, Fakten und Hintergründe und welche Theorien oder bisherige Schlussfolgerungen und Interpretationen anderer Forscher zum Thema helfen mir weiter, mein Ziel zu erreichen? Und vor welchen muss ich mich hüten, welche muss ich vielleicht sogar mit Waffen bekämpfen? Hier ist nun erneut deine Entscheidung gefragt: Du kannst nicht allen Herren dienen, du kannst nicht für alles offen sein (weil es ja im Umkehrschluss so treffend polemisch gefolgert werden kann: Wer nach allen Seiten offen ist, kann ja nicht ganz dicht sein). Ja, du musst dich entscheiden, wen du als Freund und wen du als Feind betrachtest. Diese Entscheidung wird im nächsten Schritt (Szene 7) in einer klaren Ausrichtung deiner Suche, deines Ziels, münden, die man als „Arbeitshypothese“ betitelt. Jetzt geht es für dich erst einmal darum, die bisherigen Quellen, das Gelesene, dein passives Wissen abzufragen und einem ersten Test zu unterziehen. Es ist jetzt nicht an der Zeit, hier eine Arbeitspause von vier Wochen einzulegen, um Tage und Nächte in der Bibliothek mit Grundlagenrecherche zu verbringen. Nein, bitte das jetzt nicht an dieser Stelle. Versuche stattdessen, das, was du bisher zu deinem Thema weißt, die verschiedenen Ansätze zur Lösung, vielleicht gegenteilige Meinungen, unvereinbare, widersprüchliche Erklärungsansätze oder sich eindeutig abzeichnende Probleme bei der Lösungsfindung festzuhalten. Du weißt mit Sicherheit bereits mehr, als du denkst. Um jedoch einen Anhaltspunkt, ein Entscheidungskriterium zu haben, wer denn nun für dich „Freund“ und wer „Feind“ ist, wer dir auf deinem Weg hilft und wer eher ein Hindernis darstellt, das es zu überwinden gilt, brauchst du eine klare Frage, die du den Personen stellen kannst. Wie die Gretchenfrage in Goethes „Faust“ („Wie hältst du es mit der Religion? “), die mitten hinein in Fausts Problem führt, mit dem Teufel einen Pakt geschlossen zu haben, so sollte auch deine Frage so geartet sein, dass sie die Passanten auf deinem Weg <?page no="104"?> 104 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde durch deine Arbeit dazu zwingt, sich zu bekennen: Gott oder Teufel? Freund oder Feind? Widersacher oder Mentor? Hilfreiches Argument oder zu entkräftende Gegenthese? Du allein bist der Held dieses Abenteuers, du allein bist der Souverän, der entscheidet, wer Freund ist und wer Feind, wer hilfreich ist und wer hinderlich: Du bist der Spielmacher. Du reduzierst in diesem Sinne und aus dieser übergeordneten Position heraus die, die dir begegnen, auf ihre Antwort zu deiner Frage: Wie hilfst du mir bei der Lösung meines Problems? Es geht darum, eine Art Landkarte der möglichen Begegnungen anzufertigen. Zur Vereinfachung teilst du die möglichen Begegnungen in zwei Lager - einerseits in Freunde und Verbündete. So hast du schon mal eine erste Vorstellung davon, wer dir hilfreiche Quellen, Daten, Fakten und Theorien zuliefern wird. Und auf der Seite der Feinde sind die Wissenschaftlerinnen, Daten, Fakten etc., die einer hilfreichen Beantwortung deiner Frage im Wege stehen. Um eine Übersicht über die Freunde und Feinde deiner Problemlösung herzustellen, hilft dir die nachfolgende Übung: „Landkarte der Pros und Contras“. Heldenaufgabe „Spielmacher“ Schreibtechnik Landkarte der Pros und Contras Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Mit der „Landkarte der Pros und Contras“ bekommst du Abstand von deiner Ehrfurcht vor den anderen Forschungsquellen. Nicht ihr absoluter und vollständiger Wert ist für dich von Bedeutung - der ist nämlich das einschüchternde Moment -, sondern allein das, was sie dir auf deinem Weg durch dein Forschungslabyrinth auf der Suche nach der Lösung deines Problems als Antwort Verschaff dir einen Überblick über Hilfen und Blockaden auf deinem Weg zur Lösung deines Forschungsproblems. Stelle Daten, Fakten, Quellen, wissenschaftlichen Ansätzen und Positionen die „Gretchenfrage“: „Wie hilfst du mir bei der Lösung meines Problems? “ <?page no="105"?> Heldenaufgabe „Spielmacher“ 105 zu bieten haben. Damit du die „richtigen“ Fragen stellst, erinnere dich kurz daran, wie du das Problem benannt hast. Das war zum einen deine Antwort auf die erste Frage des Blitzexposés (Szene 4) und zum anderen die im Freewriting skizzierte Innensicht des Problems in der Heldenaufgabe „Perpektivwechsel“ (Szene 5). Formuliere auf dieser Grundlage die Frage: „Wie hilfst du mir bei der Lösung meines Problems XYZ? “ und stelle sie jedem, der dir auf deiner Reise begegnet, ob nun andere Forscherinnen mit ihrer Meinung oder Daten, Fakten, Studien, Theorien, die dir jetzt auf dem Weg zur Hebung deines Forschungsthema-Schatzes begegnen. Die Grundmethode dieser Übung ist das Cluster - wie dieses erfordert sie dein intuitives Einlassen auf die Ideen der rechten Hirnhemisphäre. Darüber hinaus aber beginnst du von vorneherein mit zwei Zentren bei deinem Brainstorming, denen du die „Begegnungen“ zusortierst. Sehr hilfreich ist es, wenn du eine kleine Anmerkung dazuschreibst, vielleicht: Stottert und gibt mir keine klare Antwort, versteckt sich hinter seinen Zahlen, bläst sich auf aber verpufft als heiße Luft; oder bei den Pros: Hat bereits erfolgreich einem anderen Forscher mit ähnlichem Problem geholfen, ist alt und erfahren, ist selbstlos etc. - also deine emotionalen Kommentare zu den Daten, Fakten, Studien. Die Übung heißt daher auch Landkarte, weil du diese Kommentare auch als Symbole oder Bilder einer Landschaft darstellen kannst, wenn es sich anbietet: ein potemkinsches Fassadendorf, das beim ersten Windstoß zusammenfällt, ein ruhiger, aber tiefer See mit einem großen Schatz etc. 41 Arbeitsanleitung Nimm ein DIN-A3-Blatt im Querformat. Teile es im Geiste in zwei nebeneinander liegende Hälften von etwa DIN-A4-Größe und schreibe in die Mitte der linken Hälfte das Wort „Pros“ und kringele es ein, in die Mitte der rechten Hälfte setzt du in derselben Weise „Contras“. Nun gehst du ebenso intuitiv vor wie beim Cluster und setzt alle deine Ideen, welche Quellen, Forscher, Theorien, Daten, Fakten und Studien dir auf der Suche nach der Lösung helfen oder hinderlich sind, in die Umgebung entweder des Pros oder des Contras. Setze wie oben beschrieben assoziative Bilder oder Anmerkungen dazu. Sobald sich Gruppierungen ergeben oder besonders intensive Widersprüche, vermerke diese sofort. Arbeite so 15 Minuten. 41 Idee einer Kombination aus Clustermethode sowie der Übung „Landkarte zu einem Text“ von Grieshammer et al. 2013, S. 192 f. <?page no="106"?> 106 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde Schreibe anschließend - gerne mit der Freewriting-Methode - jeweils 5 Minuten lang zwei Kommentare zu deiner „Landkarte der Pros und Contras“. Der erste beginnt mit den Worten: „Besonders hilfreich für mich ist ...“, beginne den zweiten Kommentar anschließend mit den Worten: „Ein besonderes Hindernis für mich stellt dar ...“ Fallbeispiel „Spielmacher“ / Landkarte der Pros und Contras Landkarte der Pros und Contras Pros Contras Menschenrechtsorganisationen Informationen von Angehörigen Hospitanz in Goldspinnerei erfragen Interview mit PR- Manager Spinnerei Chemiker/ Zauberer aus Artikeln kontaktieren Interviews Darstellungen führender Goldhändler Offizielle Darstellungen der Spinnereien Gesponserte wissenschaftliche Studien Abb. 3: Landkarte der Pros und Contras, Idee nach: Übung „Landkarte zu einem Text“, in: Grieshammer et al. 2013, S. 192 f. Freewriting Ein besonderes Hindernis für mich stellt dar, verwertbare Fakten, vor allem kritische Fakten zu den möglichen Hinweisen auf Versklavung der Golsdpinnerinnen zu bekommen. Vielleicht sollte ich also das Thema anders aufziehen - vielleicht sollte es vor allem auf eine Sammlung von Daten zu dem Herstellungs- / Umwandlungsprozess gehen. Wenn ich dann herausfinde, dass es eine <?page no="107"?> Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 107 Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 42 42 Campbell 2015, S. 63-72. genetische Besonderheit beispielsweise ist, dann liegt ja eine Verletzung der Menschenrechte dieser genetischen Gruppe seitens der Goldindustrie nahe. Besonders hilfreich für mich ist es, einen möglichen anderen Zugang zum Thema zu finden, als mühsam die Mauern des Schweigens und der Abschottung durchbrechen zu wollen - also was könnten meine ersten Schritte sein? Zeitungsartikel zu dem ersten Auftauchen, den ersten Fällen von Goldspinnerei zu finden und dann wissenschaftliche Erklärungsversuche ausfindig zu machen. Als Nächstes dann Gespräche, Interviews mit Wissenschaftlern und parallel dazu gehe ich auf die Suche nach bisher erfolgten Nachforschungen von Menschenrechts-Organisationen. Die gesponserten Studien könnte ich parallel dazu nutzen, um offensichtliche Schwachstellen, Fehler oder Täuschungen (falsche Schlüsse etc.) aufzudecken. In diesem Kapitel findet eine inhaltliche Erläuterung der Phasen der beiden Heldenreise-Modelle als Ausgangspunkte zu dem dritten Modell, der Heldenmethode statt. Im anschließenden Kapitel 7 „Von der Heldenreise zur Heldenmethode“ zeigt eine Grafik alle drei Konzepte nebeneinander. Bei Joseph Campbell hat der Zyklus der Heldenreise noch folgende 17 Stationen in 3 Kapiteln: Kapitel 1: Aufbruch 1. Berufung Ein Versehen, der reine Zufall, offenbart dem Helden eine ungeahnte Welt. Die Berufung erreicht den Helden und legt seinen geistigen Schwerpunkt aus dem Umkreis seiner Gruppe in eine unbekannte Zone: ein fernes Land, ein unterirdisches Reich, eine tiefe Traumentrückung etc. 42 <?page no="108"?> 108 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde 43 44 45 46 47 43 Campbell 2015, S. 72-83. 44 Campbell 2015, S. 83-91. 45 Campbell 2015, S. 91-103. 46 Campbell 2015, S. 103-108. 47 Campbell 2015, S. 109-119. 2. Weigerung Der Ruf des Abenteuers stößt auf taube Ohren des Helden: Er vergräbt sich in Langeweile, Geschäftigkeit oder Kultur. Campbell bezeichnet das als „verstockte Fixierungen“, den Unwillen, die gewohnte Welt loszulassen. 43 3. Übernatürliche Hilfe Wer dem Ruf folgt, begegnet zu Beginn der Reise einer schützenden Figur, oft ein weiser alter Mann oder eine weise alte Frau, die den Helden mit Heilsbringern und Amuletten versieht und die schützende, wohlwollende Macht der Vorsehung repräsentiert. 44 4. Das Überschreiten der ersten Schwelle Der Held erreicht unter dem Schutz dieser Gestalten die erste Schwelle und ihren Torhüter. Dieser Wächter markiert die Grenze des bisherigen Horizontes des Helden. Hinter dieser Grenze liegt die Gefahr, die Finsternis, das Unbekannte. Beispiel dafür sind unbekannte Gegenden, Wüste, Dschungel, Meeresgrund oder fremde Länder. 45 5. Der Bauch des Walfisches Die Überquerung der magischen Schwelle führt in eine Sphäre der Wiedergeburt, die im Symbol des Walfischbauches und damit dem Mutterschoß Ausdruck findet. Der Held besiegt den Schwellenhüter nicht, sondern wird ins Unbekannte geschlungen. Das Überschreiten der Schwelle kommt einer Selbstvernichtung gleich. 46 Kapitel 2: Initiation 6. Der Weg der Prüfungen Nach Überschreiten der Schwelle befindet sich der Held in einem Traumland, in dem er eine Reihe von Prüfungen zu bestehen hat. Dabei wird er insgeheim von Ratschlägen, mystischen Kräften und Amuletten auf seiner Fahrt ins „Außermenschliche“ gelenkt. 47 <?page no="109"?> Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 109 48 49 50 51 52 48 Campbell 2015, S. 120-131. 49 Campbell 2015, S. 131-139. 50 Campbell 2015, S. 139-163. 51 Campbell 2015, S. 163-184. 52 Campbell 2015, S. 184-209. 7. Die Begegnung mit der Göttin Als letztes und höchstes Abenteuer des Helden nach Überwindung verschiedener Ungeheuer und Schranken folgt eine „mystische Hochzeit [...] der siegreichen Heldenseele mit der göttlichen Weltmutter“. Sie versieht den Kosmos mit den Attributen des Nährens und Behütens. 48 8. Das Weib als Verführerin Die gemeisterten Prüfungen sind Krisenpunkte der Erkenntnis, die sein Bewusstsein erweitert hat und bereitgemacht hat für den vollen Besitz der göttlichen Weltkönigin. Durch diese mystische Vereinigung hat der Held den umfassenden Lebenssieg davongetragen und ist mit dem Besitz der Mutter und Zerstörerin an die Stelle des Vaters getreten. 49 9. Versöhnung mit dem Vater Nachdem der Held sich aus dieser Verbindung mit der Mutter wieder losgesagt hat, vertraut er sich einem zunächst grausam erscheinenden, aber dann versöhnenden Vater an und wird so zum „Doppelgeborenen“, der gelernt hat, „seine Seele über alle Schrecken hinaus weit zu machen“. 50 10. Apotheose Nach Vereinigung mit der Mutter und Versöhnung mit dem Vater hat der Held seine Aufgabe gelöst, wenn „die Paradiesmauer zerrinnt, die göttliche Form gefunden und wiedergefunden wird und das Wissen sich erneut“. 51 11. Die endgültige Segnung Ab nun geht dem Helden alles leicht von der Hand. Diese Leichtigkeit kennzeichnet ihn als „geborenen König“. Prüfungen und Fehler sind vorbei, sogar die Unzerstörbarkeit des Helden deutet sich an. Der höchste Segen kann Ausdruck finden beispielsweise in einem Paradies nie versiegender Milch. 52 Kapitel 3: Rückkehr 12. Verweigerung der Rückkehr Nachdem der Held seine Aufgaben vollbracht, die Prüfungen bestanden hat und zur Quelle vorgedrungen ist, bleibt ihm nun noch der Rückweg mit der Trophäe, „die <?page no="110"?> 110 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde 53 54 55 56 57 58 53 Campbell 2015, S. 210-213. 54 Campbell 2015, S. 213-223. 55 Campbell 2015, S. 223-232. 56 Campbell 2015, S. 232-245. 57 Campbell 2015, S. 247-256. 58 Campbell 2015, S. 256-263. das Leben verwandeln soll“. Nun gilt es für den Helden, diese Verantwortung für seine alte Welt anzunehmen und dem Paradies den Rücken zu kehren. 53 13. Die magische Flucht Nach der Segnung durch die Götter erhält der Held ein Elixier, mit dem die Gesellschaft genesen soll, und alle Kräfte unterstützen seine Rückkehr - es sei denn, die Trophäe wurde gegen den Willen eines Wächters gewonnen, dann wird die Rückkehr zu einer Hatz voller Überraschungen, magischer Hindernisse und magischem Entkommen. 54 14. Rettung von außen Manchmal muss der Held durch äußeres Zutun von seinem Abenteuer zurückgeholt werden. Das geschieht aufgrund der übernatürlichen Kraft, die dem Helden seit Beginn seines Abenteuers während der ganzen Prüfungszeit beistand. Durch die Rückkehr wird das Gleichgewicht wieder hergestellt. 55 15. Rückkehr über die Schwelle Der Held überschreitet erneut die Schwelle zurück zum „Leben“ und stellt dabei fest, dass beide Welten in Wirklichkeit eins sind. Um sein Abenteuer zu vollenden, muss der Held „den Ansturm der Welt überstehen“. 56 16. Herr der zwei Welten Der Held hat nun beide Teile einer gespaltenen Welt durchmessen, „ohne die Prinzipien des einen mit denen der anderen zu kontaminieren“, und hat sich so als Meister beider Welten erwiesen. 57 17. Freiheit zum Leben Als Resultat dieses „wunderbaren Hinübergehens und Widerkehrens“ versöhnt sich das individuelle Bewusstsein mit dem Weltwillen. Der Held hat das unvergängliche Leben gesehen und wird dadurch gelassen und frei im Handeln. 58 <?page no="111"?> Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 111 59 60 61 62 59 Vogler 2004, S. 57 f. 60 Vogler 2004, S. 58 ff. 61 Vogler 2004, S. 60 f. 62 Vogler 2004, S. 61 f. Christopher Vogler setzt folgende 12 Stationen der Heldenreise: Erster Akt 1. Gewohnte Welt Nach Vogler lassen die meisten Geschichten den Helden aus seiner gewohnten Umgebung in eine andersartige Kontrastwelt aufbrechen. Die Schilderung der gewohnten Welt zu Beginn der Geschichte soll den Kontrast der fremdartigen Welt, in die er bald eintritt, deutlich machen - quasi die Geschichte eines Fisches, der sich auf dem Land wiederfindet. 59 2. Ruf des Abenteuers Nun wird der Held mit einem Problem konfrontiert, einer Herausforderung: Das Land ist in Gefahr oder vielleicht gar das ganze Universum aus dem Lot geraten. Es gilt, ein Verbrechen aufzuklären oder Rache zu üben, um die Ordnung der Dinge wiederherzustellen. Die Aufforderung zum Abenteuer offenbart den Preis, um den es geht: Das Ziel, für das es sich lohnt, zu kämpfen. Hier stellt sich auch die Frage, deren Antwort ungewiss ist und bangen lässt und damit das Ziel genauer definiert, etwa: Wird sich das Paar am Ende kriegen? 60 3. Weigerung (der widerstrebende Held) In diesem Stadium des Zögerns hat der Held Angst. Diese Angst wird vor allem gespeist aus der Furcht vor dem Unbekannten. Es braucht noch einen weiteren Schubs des Schicksals, ein Motiv, damit er seine Angst überwindet. Das kann ein erneutes Erlebnis eines Vergehens gegen die Ordnung sein oder die Ermutigung durch einen Mentor. 61 4. Der Mentor (weiser alter Mann / weise alte Frau) In vielen Geschichten taucht nun, bevor der Held in die Kontrastwelt aufbricht, ein Mentor auf, eine Merlin-Figur. Diese Figur symbolisiert die starken Bande zwischen Eltern und Kind, Gottheit und Mensch, Lehrer und Schüler und bereitet ihn auf die Begegnung mit dem Unbekannten vor. Doch hier endet auch die Rolle des Ratgebers: Den Schritt ins Unbekannte muss der Held ganz alleine gehen. 62 <?page no="112"?> 112 Schreib-Szene 6 Verbündete und Feinde 63 64 65 63 Vogler 2004, S. 62 f. 64 Vogler 2004, S. 64 f. 65 Vogler 2004, S. 65 f. 5. Überschreiten der ersten Schwelle Jetzt ist der Held bereit zum Aufbruch. Jetzt beginnt das eigentliche Abenteuer, er ist bereit, allen Konsequenzen ins Auge zu schauen, und überschreitet die erste Schwelle in die Kontrastwelt: „Der Ballon steigt auf, das Schiff sticht in See, die Liebesgeschichte fängt an, das Flugzeug (oder das Raumschiff) hebt ab, der Zug setzt sich in Bewegung“. Laut Vogler geht die Geschichte im Grunde genommen jetzt erst richtig los. Wenn man Geschichten in einer 3-Akt-Struktur sieht, markiert das Überschreiten der ersten Schwelle den Wendepunkt zwischen erstem und zweitem Akt, das dazu führt, dass der Held „locked in the situation“ ist. Für den Helden bedeutet das: „Es gibt für ihn kein Zurück mehr“. 63 Zweiter Akt 6. Bewährungsproben, Verbündete und Feinde Nach dem Überschreiten der Schwelle lernt der Held die Regeln der anderen Welt kennen. Die Begegnung mit Verbündeten und Feinden füttert ihn mit den nötigen Informationen, die er braucht, um die Spielregeln, die jenseits dieser Schwelle gelten, zu verstehen. Erste Bewährungsproben prüfen seine Entschlossenheit. 64 7. Vordringen zur tiefsten Höhle (zum empfindlichsten Kern) Die tiefste Höhle symbolisiert den gefährlichsten Ort der Anderwelt und das Ziel der Wünsche des Helden zugleich. Beim Erreichen dieses Ortes überschreitet der Held eine zweite Schwelle. In den alten Mythen entspricht dieser Ort dem Reich der Toten oder der Unterwelt. Oft wird hier ein Drache bekämpft oder ein Untier getötet, wie beispielsweise der Minotaurus. Dieses Stadium bereitet auf die Konfrontation mit der höchsten Gefahr, der ultimativen Prüfung vor. 65 8. Entscheidende Prüfung Hier entscheidet sich, ob der Held überleben oder sterben wird, dies ist der Höhepunkt der Spannung, das Schicksal des Helden entscheidet sich hier. In dieser Phase muss der Held seine größte Angst bezwingen - und wenn ihm das gelingt, wird er quasi wiedergeboren. „Jede Geschichte braucht eine solche Szene, in der <?page no="113"?> Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 113 66 67 68 69 70 66 Vogler 2004, S. 67 ff. 67 Vogler 2004, S. 69 f. 68 Vogler 2004, S. 71. 69 Vogler 2004, S. 71 ff. 70 Vogler 2004, S. 73 f. es um Leben oder Tod geht und in der der Held oder seine Ziele in höchster Gefahr schweben.“ 66 9. Belohnung (Ergreifen des Schwertes) Der Held hat den Drachen getötet und erhält seine Belohnung: das Zauberschwert oder ein Elixier, das heilt. Dieses „Schwert“ kann auch in tiefem Wissen oder Erfahrung liegen oder in der Versöhnung mit feindseligen Kräften. Jetzt hat sich der Held seinen Titel redlich verdient, „weil er um der Gemeinschaft willen das allergrößte Wagnis auf sich genommen hat“. 67 Dritter Akt 10. Rückweg Nun fasst der Held den Entschluss, der Anderwelt den Rücken zu kehren, wissend, dass der Rückweg erneut Gefahren birgt. Die Verfolgung noch nicht besiegter Gegner droht, sie wollen ihn mit seinem Schatz nicht entkommen lassen. Hier beginnt der dritte Akt, in dem sich der Held „den Konsequenzen stellen muss“. 68 11. Auferstehung (Resurrektion) Hier findet noch einmal eine letzte Abschlussprüfung des Helden statt. Er muss unter Beweis stellen, dass er die Lektionen aus der entscheidenden Prüfung gelernt hat. Diese letzte Prüfung verwandelt den Helden, macht ihn endgültig zu einem anderen Menschen und er verlässt die Anderwelt als wiedergeborenes Wesen. 69 12. Rückkehr mit dem Elixier Mit dem Elixier, dem Schwert, dem neuen Wissen kehrt der Held in seine alte Welt zurück. Das Elixier kann auch das Wissen bedeuten, der Herausforderung gewachsen gewesen zu sein. Allerdings gilt auch: „Schafft der Held es nicht, von seiner Prüfung in der tiefsten Höhle etwas mitzubringen, dann ist er dazu verdammt, sein Abenteuer zu wiederholen.“ 70 <?page no="115"?> Hintergrund: Die 12 Stationen der Heldenreise 115 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz Regieanweisung: Gewinne im Dreiertakt Du näherst dich mit großen Schritten der Lösung deines wissenschaftlichen Problems. Du hast den Ruf des Themas vernommen, seine Relevanz erkannt, den Gegner identifiziert und die bisherigen Quellen in Freunde und Feinde eingeteilt. Nun geht es darum, die drei großen Schlüssel für die Bergung des Schatzes, für den Erhalt des Elixiers, für den Bruch des Zauberbanns, für die Lösung deines Forschungsproblems zu finden. Im wissenschaftlichen Kontext sind das gemäß dem wissenschaftlichen Dreiertakt: Frage - Lösungsweg - Antwort. Den Lösungsweg hat dir bereits der erste Plan in Form deines Blitzexposés gezeigt und die Beschäftigung mit den Pros und Contras hat schon eine argumentative Wegekarte vor dir ausgebreitet. In Bezug auf die mögliche Lösung respektive Antwort deines Problems hast du also jetzt schon erste Ideen. In dieser Szene findest du deine Fragestellung und die mögliche Antwort. Der wissenschaftliche Dreiertakt hat Ähnlichkeit mit der Dramenstruktur: Problem, Konflikt, Lösung. Oder: Anfang, Mitte, Ende. Oder: Expositio, Culminatio, Katharsis / Conclusio. Und wie diese dramatischen Strukturen ist auch die logisch-argumentative Struktur einer wissenschaftlichen Arbeit spannend. Denn leider ist es ein weit verbreiteter Trugschluss, dass wissenschaftliche Arbeiten langweilig sein müssen. Diese Fehleinschätzung hängt vermutlich mit einigen Ansprüchen an wissenschaftliches Arbeiten zusammen wie zum Beispiel die sprachliche und formale Korrektheit, die kritische Distanz oder die Transparenz der Beweisführung. Mit dem Begriff ‚Spannung‘ sind oft Vorstellungen aus dem Fernsehkrimi oder Thrillerbereich verbunden: Packend und mitreißend ist alles, was diffus, undurchsichtig und unberechenbar ist - also das genaue Gegenteil von Wissenschaftlichkeit. Tatsächlich gibt es massenweise sterbenslangweilige Krimis, deren Hauptproblem darin liegt, dass sie mit undurchsichtigen Verdachtsmomenten arbeiten - eigentlich die Grundvoraussetzung für das Miträtseln seitens des Zuschauers, das seine Aufmerksamkeit fesselt und ihn bei der Sache hält. Mit anderen Worten: Hier liegt eine Fehlinterpretation von Spannungsaufbau zugrunde. <?page no="116"?> 116 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz Spannung - im englischen ‚suspense‘ - entsteht durch eine drohende Gefahr 71 , aber oft auch alleine schon durch eine ungelöste, aber klare Frage, deren Beantwortung von besonderer Relevanz ist, das heißt: Konsequenzen nach sich zieht. Und wie in einem guten Krimi bleibt die Spannung solange aufrechterhalten, wie die Frage nicht endgültig gelöst wird. Zusätzlich erhält sie neuen Auftrieb mit weiteren Fragen, die in Zusammenhang mit der großen Über-Frage stehen - sogenannte Cliffhänger: am Ende einer Szene, eines Kapitels neu aufgeworfenen Fragen. Einen großen Unterschied zum Krimi gibt es allerdings in wissenschaftlichen Arbeiten: Du musst von der ersten Zeile an alles offenlegen. Die Spannung entsteht damit nicht in der Verschleierung der Lösung - und auf gar keinen Fall in einer künstlichen Verschleierung! -, sondern alleine in der Frage: Wie wird das Problem gelöst? Es gibt auch unter den Krimis eine Reihe, die diesem Schema der „Vorweggenommenen Lösung“ folgen, also schon auf der ersten Seite den Mörder präsentieren und dennoch hochspannend sind, indem der Weg der Lösung das Interesse des Lesers fesselt (z. B. die Kriminalromane von Patricia Highsmith): Wie wird der Mörder überführt? Gibt es vielleicht bis zu seiner Ergreifung eine weitere Leiche? Welche Fehler macht er? Wie werden diese entdeckt? Das Hauptspannungsmoment liegt bei dieser Form von Krimis in der Gefahr, die noch nicht gebannt ist, solange der Mörder „frei herumläuft“: Er kann erneut zuschlagen. (Bei Highsmith verkehrt sich das Bangen auch durchaus ins Gegenteil, indem sie Sympathie für den Mörder aufbaut: Als Leser hofft man, dass der Täter nicht geschnappt wird! ) So ist es auch bei einer wissenschaftlichen Arbeit: Die gut gewählte Hypothese offenbart schon den Großteil des wahrscheinlichen Ergebnisses in der Einleitung. Dabei darf sie durchaus provozieren: das weckt die Neugier und das Interesse der anderen Forscher und wird durchaus der Relevanz des Themas gerecht. Ein interessierter Forscher findet ja vor allem spannend, wie, also mit welchen Methoden dieses vielleicht verblüffende Ergebnis erzielt werden kann. Bevor du dich nun sozusagen dem Endkampf gegen deinen Gegner stellen kannst, brauchst du als Forscher, im Gegensatz zum antiken Heros oder jugendlichen Fantasyhelden, nicht nur Intuition, sondern einen Plan. Diesen Plan musst du verfolgen, da es Grundgesetz der Wissenschaft ist, alle Lösungsschritte genauestens offenzulegen, damit ein anderer Forscher zu einem anderen Zeitpunkt denselben Versuch, dieselbe Forschungsfrage nachprüfen, mittels Ab- 71 Highsmith 2013, S. 13. <?page no="117"?> 117 Regieanweisung: Gewinne im Dreiertakt 117 weichungen verbessern oder durch Weiterentwicklung fortführen kann. Also gilt als oberster Grundsatz der Wissenschaft: der Grundsatz der Transparenz. Unter diesen Grundsatz fallen auch alle Regelungen von formalen Standards oder einheitlichen Zitierrichtlinien. Du weißt inzwischen längst, wie wichtig die Frageform für die Formulierung deiner Ideen zu deinem wissenschaftlichen Thema ist. Nun geht es darum, die eine zentrale Frage herauszufinden, um darauf die gesamte Struktur deiner Arbeit aufzubauen. Möglicherweise knüpft sich die zentrale Fragestellung deines aktuellen Themas bereits nahtlos an den Ruf deines Themas an. Manchmal aber ist das ein kleiner Trugschluss und die zentrale Frage liegt eine Ebene darüber (oder darunter). Um das herauszufinden, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du nutzt als Methode sozusagen ein „umgekehrtes Cluster“, das heißt, du verteilst die Fragen, die dir zu deinem Thema einfallen und / oder dir wesentlich erscheinen, auf einem Blatt Papier, kreist sie ein und versuchst dann, Gruppen zusammengehöriger Fragen zu bilden und zu den jeweiligen Gruppen übergeordnete Fragen zu finden, denen sich die übrigen als Unterfragen zuordnen lassen. Am Ende steht hoffentlich die eine Frage, die sozusagen die Quelle aller Fragen auf deinem Papier darstellt, der sich alle diese Unterfragen als weiterführende Fragen zuordnen lassen. Der Nachteil dieser Methode liegt darin, dass du „nur“ die zentrale Fragestellung, auch bekannt als Leitfrage oder Forschungsfrage, herauskristallisierst. Deine Zielsetzung und deine Arbeitshypothese fehlen noch. Um dein Forschungsvorhaben jetzt auf alle drei logisch-funktionalen Füße zu stellen, braucht es eine bewährte und passende Methode. Deshalb empfiehlt sich in dieser Phase die zweite Möglichkeit, der sogenannte „Dreischritt“, als Schreibtechnik der Wahl. Formuliere den logischen Spannungsaufbau deiner Forschungsaufgabe. Langweilig war gestern - dein Thema soll neugierig machen, Spannung erzeugen und durchaus provozieren. Auch hier gilt wieder: „Es geht um etwas“. <?page no="118"?> Heldenaufgabe „Souveräner Taktgeber“ Schreibtechnik Dreischritt Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Der Dreischritt ist die Königsdisziplin, um die Grundstruktur einer Haus- oder Abschlussarbeit in den Griff zu bekommen. Mit dieser Übung gibst du eindeutig Takt, Rhythmus und Melodie deiner Arbeit vor. In einer strikten Dreiteilung wird zunächst die Grundaussage der Arbeit auf den Punkt gebracht. In einem zweiten Schritt werden dann die drei Teile dieser Grundaussage getrennt voneinander als Fragestellung, Zielsetzung und Arbeitshypothese definiert. Dies gelingt, weil im ersten Schritt eine strenge logische Aufeinanderfolge der Satzteile eingehalten werden muss, die zu der logischen inneren Struktur „Problem-/ Fragestellung - Arbeitshypothese - Zielsetzung“ zwingt. In Teil 1 wird die eigentliche „Knochenarbeit“ gemacht, denn hier gilt es nun, die vielen Ideen und Aspekte des Themas, um die deine Arbeit jetzt angewachsen ist und mit denen sie sich schon zu einem beeindruckenden inhaltlichen Konstrukt ausgedehnt hat, nun wieder „einzudampfen“. Teil 1 des Dreischritts stellt dich vor die anspruchsvolle Aufgabe, dein Forschungsprojekt, dein wissenschaftliches Thema auf einen einzigen Satz zu konzentrieren. Du bildest sozusagen die Essenz deiner Arbeit. Diese schwere Aufgabe müssen alle Schreibenden beherrschen und auch durchführen, seien es jetzt Schriftsteller mit ihrem Roman, Journalisten mit einer durchaus umfangreichen Reportage oder Drehbuchautoren mit einem Spielfilm von 120 Minuten Länge: Die Aufgabe ist, das Wesentliche ihres Werkes so konkret und unverwechselbar wie nur irgend möglich auf einen Satz zu konzentrieren. 72 Arbeitsanleitung für Teil 1 In Teil 1 bildest du diesen einen „Erzählsatz“ zu deiner wissenschaftlichen Arbeit. Damit der Dreischritt gelingt, ist es wichtig, dass du dich genau an die Vorgaben hältst. Diese sind: 72 Nach Grieshammer et al., S. 178 f. 118 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz <?page no="119"?> Heldenaufgabe „Souveräner Taktgeber“ 119 ▶ Halte dich genau an die Form, das heißt, bilde nur einen einzigen zusammenhängenden Satz, der sich aus drei Teilsätzen zusammensetzt und erst nach dem dritten Teilsatz mit einem Punkt endet - schreibe keine drei Sätze! ▶ Benutze exakt je eine der angebotenen Formulierungen - hier darfst du nicht variieren, eigene Formulierungen machen die logische Konsequenz der drei Punkte zunichte. ▶ Achte darauf, dass du in allen drei Teilen Wiederholungen vermeidest. Alle drei Punkte sollten unterschiedliche, neue Dimensionen oder Aspekte des Themas aufzeigen. ▶ Wie im vorigen Abschnitt zur Wirkungsweise bereits erwähnt: Formuliere deinen Satz so konkret und unverwechselbar auf nur dein spezielles Thema bezogen, wie nur irgend möglich, so dass prinzipiell keine Übertragung auf das Thema einer Kommilitonin denkbar ist. Teil 1 1. Thema benennen (= worüber schreibe ich? ) „Ich untersuche / arbeite an / schreibe über ...“ 2. Fragestellung einarbeiten (= was will ich wissen? ) „... weil ich verstehen / herausfinden / nachvollziehen möchte, ...“ 3. Untersuchungsziel definieren (= warum will ich das wissen? ) „... um zu überlegen / festzustellen / zu prüfen / herauszufinden, ...“ Arbeitsanleitung für Teil 2 Wenn du die Arbeitsanweisung im nächsten Übungsformblatt liest, wird es dir scheinen, als wenn du alles wieder rückgängig machen müsstest - ist aber nicht der Fall. Die Vorarbeit zu dem einzelnen zusammenhängenden Erzählsatz war unabdingbar für den logischen Gedankenaufbau. Dennoch musst du nun deinen mühsam gefundenen zusammenhängenden Satz wieder auseinandernehmen. Aus Satzteil 2 wird unter 4. eine eigenständige Frage mit einem Fragezeichen am Ende. Satzteil 3 wird umgewandelt zu 5. als eigenständiger Satz mit einem Punkt am Ende, der zwingend beginnt mit den Worten: „Ziel dieser Arbeit ist es ...“ Alleine Punkt 6. ist neu und noch nicht durch den ersten Teil des Dreischritts vorbereitet. Hier formulierst du die Arbeitshypothese, die die von dir vermutete Antwort auf die zentrale Fragestellung darstellt. Du formulierst hier das von dir als wahrscheinlich angesehene Ergebnis. Mit dieser Arbeitshypothese <?page no="120"?> 120 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz wirfst du sozusagen deine Zielfahne voraus und bestimmst die Richtung deiner Forschung. Aus der Arbeitshypothese ergibt sich daher logischerweise dein Lösungsweg bzw. deine Vorgehensweise oder Methode. Die Formulierung der Arbeitshypothese ist durch Teil 1 noch nicht vorbereitet, sondern hier in Teil 2 neu. Dabei ist besonders zu beachten: Formuliere sie so provokant und konkret wie nur irgend möglich. Die Arbeitshypothese ist die Aussage, die du zu Beginn deiner Forschungsarbeit nennst, die Interesse weckt, die neugierig macht. Vielleicht löst deine Arbeitshypothese ungläubiges Staunen aus, aber sie soll den Leser auf jeden Fall gespannt auf deine weiteren Ausführungen machen. Natürlich sollst du hier nichts fabulieren, was du nicht argumentativ und mittels Fakten und Quellen belegen kannst, diese Hypothese muss also prinzipiell belegbar sein - aber sie darf schon aufhorchen lassen. Folgendes solltest du bei der Bearbeitung von Teil 2 der Übung „Dreischritt“ beachten: ▶ Achte auch hier wieder darauf, dass keine zwei, geschweige denn alle drei Aussagen unter 4., 5. und 6. im Prinzip dieselbe Aussage treffen, sondern jeder Punkt eine neue Facette, eine neue Dimension des Themas öffnet. ▶ Die Arbeitshypothese muss nicht das Ergebnis vorwegnehmen - es kann gut sein, dass dein Ergebnis diese Hypothese vollständig bestätigt, es kann aber auch sein, dass es diese letztlich eindeutig widerlegt - aber das tut der Qualität deiner Arbeit keinen Abbruch, denn auch dann hat deine Arbeitshypothese ihre Aufgabe erfüllt und eine höchst zielführende Richtung der Untersuchung vorgegeben. Die Arbeitshypothese darf und soll ruhig provokant formuliert sein. Insbesondere bei Dissertationen ist dies unerlässlich, da ja hier die Leistungsanforderung ist, einen neuen Forschungsansatz = eine neue These zu formulieren. Diese ist umso besser, je wichtiger = provokanter = verblüffender oder auch irritierender sie ist. Aber auch jede einfache Hausarbeit sollte diesem Grundsatz in abgeschwächter Form entsprechen. ▶ In Punkt 4. formulierst du deine zentrale Fragestellung. Achte darauf, dass es sich dabei nicht um eine eindimensionale sogenannte „geschlossene“ Frage handelt, die man einfach mit „ja“ oder „nein“ beantworten kann. Formuliere stattdessen deine Frage als sogenannte „offene Frage“, die mithilfe der „W-Wörter“ gebildet wird: inwiefern, welche, unter welchem Aspekt, warum, wodurch etc. 73 Fragen, die so als offene Fragen formuliert 73 Karmasin et al. 2013, S. 25 f. <?page no="121"?> Heldenaufgabe „Souveräner Taktgeber“ 121 sind, lassen keine einfache Antwort zu, sondern nur eine Antwort, die eine Reihe von Bedingtheiten aufweist. Somit erhältst du eine Frage, die eine facettenreichere und damit relativere Antwort ermöglicht - das ist per definitionem wissenschaftliches Denken, Antworten als abhängig von bestimmten Konditionen zu erkennen. Wissenschaft liebt keine einfachen, absoluten Antworten - das Wesen der Wissenschaft ist, dass sie sich - unter veränderten Bedingungen - immer wieder selbst erneuert und zu neuen Ergebnissen führt. Teil 2 4. Formuliere nun Satzteil 2 zu einer Frage um. 5. Formuliere Satzteil 3 zu einer Aussage um und vollende folgenden Satzbeginn: „Ziel dieser Arbeit ist es, ...“ 6. Jetzt kannst du aus dem formulierten Ziel eine Arbeitshypothese ableiten, die folgendermaßen beginnt: „Ich nehme an, dass ...“ Fallbeispiel „Souveräner Taktgeber“ / Der Dreischritt Der Dreischritt Teil 1 1. Thema benennen (= worüber schreibe ich? ) „Ich untersuche / arbeite an / schreibe über ...“ Ich schreibe über das Phänomen des Stroh-zu-Gold-Spinnens 2. Fragestellung einarbeiten (= was will ich wissen? ) „... weil ich verstehen / herausfinden / nachvollziehen möchte, ...“ weil ich verstehen möchte, wie der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden kann 3. Untersuchungsziel definieren (= warum will ich das wissen? ) „... um zu überlegen / festzustellen / zu prüfen / herauszufinden, ...“ um herauszufinden, welche Auswirkungen eine industrielle Nutzung der Goldspinnerei auf den Goldmarkt und die globale Wirtschaft hat. <?page no="122"?> 122 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode Teil 2 4. Formuliere nun Satzteil 2 zu einer Frage um: Wie kann der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden? 5. Formuliere Satzteil 3 zu einer Aussage um und vollende folgenden Satzbeginn: „Ziel dieser Arbeit ist es, ...“ herauszufinden, welche Auswirkungen eine industrielle Nutzung der Goldspinnerei auf den Goldmarkt und die globale Wirtschaft hat. 6. Jetzt kannst du aus dem formulierten Ziel eine Arbeitshypothese ableiten, die folgendermaßen beginnt: „Ich nehme an, dass ...“ die Fähigkeit zum Goldspinnen genetisch angelegt ist und die Goldspinnerinnen daher Gefahr laufen, von den führenden Goldhändlern industriell ausgenutzt zu werden. Die Idee zur Adaption der Heldenreise für den akademischen Kontext entstand aufgrund der Fragen, Probleme und Ängste Studierender, die sich im Laufe der Jahre im Rahmen meiner Schreibberatung wiederholten und ein Grundschema der Verunsicherung bei Studierenden im Schreibprozess andeuteten. Dieses Schema zeigte bereits nach kurzer Zeit deutliche Parallelen zu der Heldenreise. Eine Ermutigung anhand der erfolg- und lösungsorientierten Heldenreise, die ihren Protagonisten nach vielen Prüfungen siegreich nach Hause zurückkehren lässt, passte „wie die Faust aufs Auge“ zu den erlebten Problemen und Prüfungen Studierender im akademischen Schreibprozess, deren Wunsch es in paralleler Weise zum Abenteuerhelden ist, mit einer erfolgreichen Haus- oder Abschlussarbeit aus dem Schreibprozess hervorzugehen. In diesem Coaching für Studierende geht es um die Entwicklung der Heldenmethode, die nicht identisch ist mit der Heldenreise. Das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit ist ein verzahnter Prozess: eine emotionale Erfahrung und eine kognitive Erkenntnis (und nicht nur Letzteres! ). Daher ist eine Bewältigung der wis- <?page no="123"?> Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode 123 senschaftlichen Aufgabe mithilfe der Möglichkeiten des emotionalen Wachstums (= Heldenreise) so hilfreich und so erfolgreich. Deshalb ist auch Schreibberatung so hilfreich und erfolgreich! Die Heldenmethode ist ein Plädoyer für den Einzug der Heldenreise in die Wissenschaft. Als Heldenmethode soll das Konzept verstanden werden, das hier in so bisher einzigartiger Form entwickelt wurde: eine akademische Adaption sozusagen, eine Modifikation der Heldenreise für die Belange des wissenschaftlichen Schreibens. Die Heldenmethode basiert auf der Heldenreise - eindeutig, sehr offen und unbestreitbar. Die 12-Schritte-Struktur, die Entwicklungsschritte nach dem Schema von Christopher Vogler sind eindeutig Vorbild. Aber es gibt Unterschiede zur Heldenreise. Zum einen wurden die Stationen angepasst an den wissenschaftlichen typischen Schreibprozess und die ursprünglichen mythischen Heldenphasen in ihrer emotionalen Bedeutung und strukturellen Ausprägung für den wissenschaftlichen Schreibprozess modifiziert. Zum anderen wurde eine Abfolge schreibtechnischer Übungen an die Stelle einer physischen oder transzendenten Reise des Helden gesetzt. Die zugehörigen 12 Heldenaufgaben der Heldenmethode sind alle in der Praxis erprobt und haben sich teilweise über bereits viele Jahre in der Schreibberatung bewährt. Einige Übungen wurden speziell auf die Idee der Heldenmethode zugeschnitten (Schreibübungen 2, 3, 4, 5, 7, 8 Teil 1, 12) oder eigens dafür entwickelt (Schreibübungen 1, 6, 8 Teil 2, 9, 10, 11). Die Übungen sind überwiegend aus den Erkenntnissen des kreativen Schreibens entstanden, das die Zielsetzung hat, Schreiben als einen möglichst natürlichen Prozess zu verstehen und zu nutzen, indem die Techniken und Methoden an die Erkenntnisse der modernen Hirnforschung anknüpfen und der optimalen Nutzung der kreativen Potentiale des Denkapparates entsprechen. Gabriele Ricos Ziel, eine Methode zu schaffen, die „Writing the natural way“ ermöglicht, stand Pate bei der Konzipierung meines Buches, das in diesem Sinne auch den Untertitel tragen könnte: „Academic writing the natural-emotional way“. Neben der Verankerung in den kreativen Schreibmethoden und der damit erzeugten hirngerechten Vorgehensweise, die eine möglichst hohe Effizienz für die Studierenden ermöglichen soll, ist die Heldenmethode mit ihrer parallelen Basis in der Heldenreise auch mit den kreativen Kräften des Unterbewussten verknüpft. Die Beachtung der archetypischen Grundmuster des menschlichen Seins in der Heldenmethode verhindert, dass - wie in der Vergangenheit - durch starre, rein kognitiv ausgerichtete Vorgaben, wie eine wissenschaftliche Arbeit zu entstehen hat, die akademische Textproduktion an der eigentlichen Beschaffenheit der Studierenden-Seele und ihrem kreativen Potential vorbeigeht. Stattdessen nutzt sie deren Ressourcen in ge- <?page no="124"?> 124 Schreib-Szene 7 Drei Schlüssel zum Schatz 74 75 76 77 74 Rupp 2016, S. 37. 75 Rupp 2016, S. 44 f. 76 Rupp 2016, S. 56 ff. 77 Böhm & Zapp 2017. zielter und optimaler Weise. Somit könnte der Untertitel der Heldenmethode sich nochmals erweitern: „Academic writing the natural-emotional-archetypical way.“ Eine der Hauptherausforderungen beim wissenschaftlichen Schreiben ist es, die Dimension reiner Reproduktion von Daten und Fakten „mit eigenen Worten“ , geschweige denn nur in Zitaten zu überschreiten und zu einer eigenen, souveränen Stellungnahme zu gelangen. Miriam Rupp sieht in Bezug auf das Storytelling im unternehmerischen und Werbekontext dieselbe Herausforderung: „Welche Zutaten sorgen dafür, dass es nach Geschichte und nicht nach der Aneinanderreihung von Fakten schmeckt? Tatsächlich sind es weniger die Zutaten, sondern eher die Zubereitung und die Form.“ 74 Entsprechend stellt sich im akademischen Schreiben die Frage: Welche Zutaten sorgen dafür, dass es nach Argumentation und schlüssiger Beweisführung schmeckt und nicht nach einer Aneinanderreihung von Fakten? Für Studierende wird dieses Aneinanderreihen gesammelter Daten und Fakten spätestens ein Problem, wenn sie ein Fazit schreiben sollen - aber bei einer Aneinanderreihung und Sammlung von Fremdmeinungen gibt es keins! Ein Fazit beruht immer auf einem eigenen Forschungsansatz, einem Leitgedanken, der in einer Hausarbeit zwar noch recht bescheidene Ausmaße in Form einer Fragestellung hat, aber dennoch zwangsläufig vorhanden sein muss, wenn dem Anspruch der Prüfungsleistung als selbständige Bearbeitung des Themas Genüge getan werden soll. In Bezug auf das unternehmerische Storytelling mithilfe der Heldenreise sieht Rupp in der Orientierung des roten Fadens immer entlang des Helden und seiner Geschichte - dem Campbell’schen „Monomythos“ - die Erklärung dafür, warum wir Empathie empfinden und gefesselt sind 75 . Rupp hat eine Adaption der 12 Schritte gemäß der Heldenreise-Adaption von Christopher Vogler ausgearbeitet, die mit jeweils zwei bis acht Fragen pro Schritt Unternehmen ermöglichen soll, ihre Geschichte nach dem Konzept der Heldenreise zu entwerfen - so wie Steve Jobs das in seiner berühmten „Stanford-Rede“ 2005 für Apple getan hat 76 . Heike Böhm und Cornelia Zapp haben in ihrem gemeinsamen Artikel „Abenteuer Wissenschaft: Projektsteuerung als Heldenreise“ 77 eine Adaption des Heldenreise- Konzepts auf den Kontext naturwissenschaftlicher Projektplanungen versucht. Sie <?page no="125"?> Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode 125 78 79 80 81 82 83 78 Böhm & Zapp 2017, S. 11. 79 Böhm & Zapp 2017, S. 12. 80 Böhm & Zapp 2017, S. 12 f. 81 Böhm & Zapp 2017, S. 12 f. 82 Böhm & Zapp 2017, S. 21. 83 Böhm & Zapp 2017, S. 21. stellen eine „Strukturierungsmethode für wissenschaftliche Projektplanungen vor, die auf der klassischen Erzählstruktur der Heldenreise beruht.“ 78 Der Schwerpunkt dieser Adaption liegt auf der Strukturierung und Projektplanung wissenschaftlichen Arbeitens 79 . Herausforderungen wie „Genehmigung des Projekts“ oder „Publikation“ sind Stationen dieser Variante einer „adaptierten wissenschaftlichen Heldenreise“ 80 . Ziel ist es, „einen einfacheren, intuitiveren Zugang zur Strukturierung von Forschungsberichten“ zu bieten 81 . Die Autorinnen sehen den Vorteil dieser Methode unter anderem darin, dass die Strukturierung der Abenteuerreise einen Text stärker unterteilt und man „seine Arbeit losgelöst von einem Text und in beliebiger Reihenfolge strukturieren“ kann 82 . Als weiterer Nutzen wird beschrieben, dass in den auf diese Weise erstellten Arbeiten „die Leidenschaft zum Text deutlich wird“ und sie zum Weiterlesen einladen 83 . Für ein mehr oder weniger schematisches Strukturieren des Forschungsprozesses ist der Ansatz von Böhm und Zapp innovativ und hilfreich. Für das akademische Schreiben als emotionaler Prozess ist eine weitergehende Adaption der 12 Vogler’schen Heldenphasen notwendig, da es im wissenschaftlichen Schreiben nicht um eine Geschichte im klassischen Sinne geht, die erzählt werden soll. Stattdessen ist es bei einer Adaption des Heldenreise-Prinzips für akademische Belange wichtig, im Vorfeld eine Reduktion der Heldenreise-Phasen auf ihren rein emotionalen Gehalt zu vollbringen und dann dieses Heldenreise-Extrakt auf die Belange des wissenschaftlichen Prozesses „runterzubrechen“. In „Fürchte dich nicht - schreibe! “ liegt daher der Schwerpunkt nicht auf einer rein die Arbeitsschritte strukturierenden Anlage, sondern auf einer mittels der emotionalen Stärkungswirkung der Heldenreise strukturierenden Unterstützung für das akademische Schreiben als emotionale Herausforderung. Der ebenfalls strukturierende Effekt orientiert sich hier ganz eng an den empfundenen Ängsten und erlebten Verunsicherungen und entsteht durch eine enge Verknüpfung von diesen Ängsten mit Schreibtechniken zur gezielten Überwindung der jeweiligen Blockadephasen, die den Abenteuer-Stationen im Ablauf der Heldenreise entsprechen. <?page no="126"?> 126 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Folgendes Schema gibt die Überlegungen wieder, die zur Adaption der Heldenreise zur Heldenmethode als emotional-strukturierendes Konzept für Studierende geführt hat: 1. Wie kann ich das schaffen? Weiß ich genug? Bin ich dieser Herausforderung gewachsen? Was passiert, wenn ich es nicht schaffe? Die Angst, zu schwach zu sein und etwas zu verlieren. Heldenmut: Lizenz zum Schreiben 2. Wenn ich es vielleicht doch wage, diese Arbeit zu schreiben - was muss ich dafür können? Wie werde ich das durchstehen? Die Angst, nicht ausreichend vorbereitet zu sein. Heldenmut: Lockruf des Erfolgs 3. Was genau kommt da auf mich zu? Mit welchen Problemen, Herausforderungen muss ich rechnen? Die Angst, zu wenig Fachkenntnisse zu haben. Heldenmut: Entscheidungsfreiheit 4. Was genau muss ich tun, um dieser Aufgabe gewachsen zu sein? Welche Schritte könnten mir den Erfolg bringen? Die Angst, zu wenig Projekterfahrung zu haben. Heldenmut: Planungshoheit 5. Wofür mache ich das eigentlich? Wer hat einen Vorteil davon? Worin liegt der Mehrwert? Die Angst, seine Energie unnütz zu verschwenden. Heldenmut: Perspektivwechsel 6. Welche Sekundärliteratur, Datenbanken, Studien können mir helfen? Welche stehen mir vielleicht im Weg? Die Angst, ganz alleine gegen eine Übermacht antreten zu müssen. Heldenmut: Spielmacher 7. Wie grenze ich mein Thema ein? Wie finde ich einen klaren Fokus? Die Angst, sich im Wust der Informationen zu verlieren. Heldenmut: Souveräner Taktgeber 8. Wie bin ich der Größe des Themas gewachsen? Mit welchen Mitteln kann ich eine Lösung finden? Die Angst, ungenügend gerüstet zu sein. Heldenmut: Farbe bekennen 9. Womit kann ich überzeugen? Welche Beweise habe ich? Auf welche Probleme muss ich mich einstellen? Die Angst, dass noch zusätzliche Probleme auftauchen. Heldenmut: Staranwalt <?page no="127"?> Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode 127 10. Welche Strategie brauche ich? Wie verhindere ich, im Wust der Anforderungen zu scheitern? Die Angst, die Orientierung zu verlieren. Heldenmut: Bodyguard 11. Wer wird mir glauben? Wie bringe ich die Lösung verständlich rüber? Die Angst, die Lösung im letzten Moment zu verlieren. Heldenmut: Ver-Antwort-ung 12. Worin liegt mein Erfolg? Wer hat einen Nutzen davon? Was habe ich nicht geschafft? Wo / wer werde ich anschließend sein? Die Angst, alles war umsonst. Heldenmut: Stolz und Urteilskraft Im Folgenden werden die drei bestehenden Heldenreise-Modelle nebeneinander gestellt. Bei einer solchen vergleichenden Betrachtung der drei Modelle wird ersichtlich, dass jedes gemäß seiner jeweiligen Anwendung (Campbell: Mythos; Vogler: Drehbuch; Reinicke: wissenschaftliches Schreiben) in den kleinen Schritten eine individuelle Ausprägung aufweist, in der Gesamtstruktur jedoch ganz klar demselben dramatischen Muster verpflichtet ist. Der Heros in tausend Gestalten (Campbell) Die Odyssee des Drehbuchschreibers (Vogler) Fürchte dich nicht - schreibe! Die Heldenmethode (Reinicke) Aufbruch Erster Akt Akt 1: Die Welt ändert sich - Dein Thema wird zum Drama Alltagswelt (Hütte oder Schloss) Gewohnte Welt Ruf des Abenteuers Ruf des Abenteuers Ruf zum Abenteuer - Lizenz zum Schreiben Weigerung Weigerung Aufbruch - Lockruf des Erfolgs Übernatürliche Hilfe Begegnung mit dem Mentor Überschreiten der ersten Schwelle Überschreiten der ersten Schwelle Konfrontation mit dem Gegner - Entscheidungsfreiheit Im Bauch des Wals Der Auftrag - Planungshoheit <?page no="128"?> 128 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Initiation Zweiter Akt Akt 2: Sein oder Nicht- Sein - Die zentrale Frage stellt sich Point of no return - Perpektivwechsel Weg der Prüfungen Bewährungsproben, Verbündete, Feinde Verbündete und Feinde - Spielmacher Vordringen zur tiefsten Höhle / zum empfindlichsten Kern Drei Schlüssel zum Schatz - Souveräner Taktgeber Begegnung mit der Göttin Entscheidende Prüfung (Feuerprobe) Die Prüfung - Farbe bekennen Das Weib als Verführerin Versöhnung mit dem Vater Apotheose Der endgültige Segen Belohnung Rückkehr Dritter Akt Akt 3: Die „(Er-)Lösung naht - Das große Plädoyer Verweigerung der Rückkehr Rückweg Die Hebung des Schatzes - Staranwalt Die magische Flucht Rettung von innen Navigation durchs Labyrinth - Bodyguard Überschreiten der Schwelle Rückkehr Herr der zwei Welten Auferstehung (Resurrektion) Der Sieg - Ver-Antwort- Ung Freiheit zu leben Rückkehr mit dem Elixier Heimkehr - Stolz und Urteilskraft Tab. 1: Vergleich der Heldenreise-Modelle von Campbell und Vogler mit der Heldenmethode <?page no="129"?> Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode 129 Abb. 4: Kreisgrafik Heldenmethode 1 Abb. 5: Kreisgrafik Heldenmethode 2 Ruf zum Abenteuer Aufbruch Konfrontation mit dem Gegner Der Auftrag Point of no return Drei Schlüssel zum Schatz Die Hebung des Schatzes Navigation durchs Labyrinth Der Sieg Die Prüfung Verbündete und Feinde Heimkehr Die Stationen der Heldenreise in der Adaption für die Heldenmethode Lockruf des Erfolgs Entscheidungsfreiheit Planungshoheit Perspektivwechsel Souveräner Taktgeber Staranwalt Bodyguard Ver-Antwort-Ung Farbe bekennen Spielmacher Stolz und Urteilskraft Lizenz zum Schreiben Die emotionalen Aufgaben der Studierenden bei der Heldenmethode <?page no="131"?> Hintergrund: Von der Heldenreise zur Heldenmethode 131 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Regieanweisung: Nutze alle deine Kräfte In Phase 8 deiner Haus- oder Abschlussarbeit geht es darum, dich dem Kampf gegen deinen Gegner, gegen das Problem deines wissenschaftlichen Themas zu stellen. Bist du bereit dazu? Fühlst du dich einem Kräftemessen gewachsen? Du musst jetzt deine Kräfte mobilisieren, deine Waffen putzen, deine Muskeln aufpumpen, einen klaren Kopf behalten. Das machst du, indem du zweierlei Dinge tust: Du stellst dir als Erstes deinen Gegner nochmals genauestens vor, das Problem, der ungelöste Konflikt und die Menschen, die im Zuge dessen in irgendeiner Form leiden. Lass deine Wut einmal richtig hochkochen! Hau einmal feste mit der Hand auf den Tisch. Mach deinem Unmut laut Luft! Rufe dabei „So nicht! “ oder „Da hast du die Rechnung ohne den Wirt gemacht! “ Spürst du, wie gut das tut? Wie stark du dich fühlst? Du kannst auch einen alten Gorilla- oder auch Tarzan-Trick anwenden und dir ca. eine Minute vorsichtig (! ) mit den Fäusten etwa in die Mitte des Brustbeins klopfen. Dies aktiviert nach heilpraktischem Wissen die Thymusdrüse, die in deinem Körper anschließend die Neurostimulatoren Thymosin und Thymopoietin freisetzt, die deinem Körper Energie zuführen. Auf längere Sicht stärkst du damit auch noch deine Immunabwehr, weil vermehrt T-Lymphozyten ausgeschüttet werden. Dies ist eine hervorragende Methode, um Müdigkeit oder Erschöpfung zu bekämpfen. Angst löst eine solche erschöpfte Gelähmtheit aus, wie du sie kennst aus der Phase, als du nicht wusstest, wie du diese Arbeit jemals schreiben sollst, geschweige denn abgeben. Jetzt also ist der Moment für dich gekommen, deine Stärke und Kraft zu erproben. Und damit du dich stark fühlst - neben der Wut und der Energiesteigerung durch die kleine Klopfübung -, holst du dir in zweiter Instanz Kraft auf ganz andere Weise: Du blickst zurück und schaust dir an, was du bereits alles an Wissen und Waffen und Siegesplänen gesammelt hast. Nimm dir deine Schreibübungen der Szenen 1-7 noch einmal vor und genieße alle deine guten Ideen und das wohlige, stolze, starke Gefühl, das sich jetzt ausbreitet: So weit bist du schon gekommen! Die Schreibübung „Farbe bekennen“ zu dieser Szene „Die Prüfung“ hilft dir nun, diese bisherigen Erfolge und dein Gewappnetsein für den Sieg über den Gegner in überzeugender Form zusammenzufassen und dir vor Augen zu <?page no="132"?> 132 Schreib-Szene 8 Die Prüfung führen. Der Entwurf einer Einleitung für deine wissenschaftliche Arbeit ist die perfekte Form, um dir deine bisherigen Erfolge auf dem Weg zur Lösung des Problems deines wissenschaftlichen Themas vor Augen zu führen. Nach den 10 Regeln zum wissenschaftlichen Formulieren 84 finden sich alle wichtigen Aspekte der Fragestellung, der Methodenwahl und der Ergebnisse in der Zusammenfassung. Führ bezeichnet diese daher als „Brennglas“ deiner gesamten Forschungsarbeit. Die Einleitung hat eine ähnliche Brennglas-Funktion wie die Zusammenfassung, nur dass sie die Ergebnisse noch nicht benennt. In die Einleitung gehören aber Themenstellung, Hinführung zum Thema, seine Relevanz / Aktualität, die Fragestellung, die Zielsetzung, die Arbeitshypothese und die Vorgehensweise / Methode. Viele Dozenten empfehlen, die Einleitung erst am Schluss, nach vollbrachter und fertiggestellter Arbeit anzufertigen. Dagegen spricht, dass der erste Entwurf einer Einleitung mit diesen oben genannten zentralen strukturellen Teilen deiner Haus- oder Abschlussarbeit zu einem sehr frühen Zeitpunkt dir bereits eine Forschungsrichtung ermöglicht. Das Anfertigen einer Einleitung im Nachhinein entspringt der Vorstellung, wissenschaftliches Arbeiten sei per se ein „Bottom-Up“-Prozess, während die vorweggenommene Einleitung eher dem „Top-Down“-Verständnis von wissenschaftlichem Arbeiten entspricht (s. dazu auch Kasten „Die vier Schreibertypen, S. 60 f. sowie den Hintergrund zu Szene 2, S. 55 ff.). Mein Coaching-Leitfaden setzt mit der Heldenmethode jedoch genau da ein, wo das „Bottom-Up“-Prinzip zu scheitern droht: bei einer lähmenden Überzahl an Zitaten, Quellen, Daten, Fakten oder Ideen und einem Manko an ordnender Entscheidungsstruktur. Daher wird in diesem Buch eindeutig empfohlen, die Einleitung vor dem Schreiben des Haupttextes zu verfassen, um mit einem hilfreichen, weil ordnenden Plan in die Schreibaufgabe zu starten. Und indem du dies tust, passiert etwas Magisches: Der Gegner schrumpft. Er transformiert. Denn dies ist nun bei einer wissenschaftlichen Arbeit die eigentliche Prüfung - die Prüfung der eigenen Fähigkeit, es mit dem Gegner aufzunehmen. Bin ich bereit, in den Kampf zu ziehen? Bin ich gerüstet? Habe ich einen Plan? Ein Ziel? Habe ich die Zuversicht, den Kampf zu gewinnen? In gewisser Weise ist das dein eigentlicher Kampf. Alles Weitere folgt quasi „von selbst“ nach, alles Weitere ist eine fast schematische Abarbeitung deines entworfenen Schlachtplans. 84 S. Führ, o.-J. <?page no="133"?> 133 Regieanweisung: Nutze alle deine Kräfte In den nachfolgenden Szenen führt dich dieses Buch über die Gliederung und die kommentierte Gliederung bis zum Fazit-Entwurf zu deinem Thema. Aber alle diese Punkte ankern in dieser Szene: in deinem vollständigen Kampfplan, den du in der Einleitung niederlegst. Dies ist keine reine Absichtserklärung, denn diese Einleitung kannst du jetzt erst schreiben, nachdem du schon in den vorhergehenden Szenen tief in dein Thema bzw. in das Gefahrenland deiner Forschungsarbeit vorgedrungen bist. Und mit einem Mal kannst du feststellen - und das ist ein wesentlicher Unterschied zu den Hollywood-Heldenreisen oder den antiken Heroen-Legenden - jetzt, wo du glaubst, der „Endkampf “ auf Leben oder Tod stünde dir bevor, stellst du fest: Nein, er liegt bereits hinter mir! Der Kampf hat sich in mehrere kleine Häppchen, kleine Wegstrecken aufgeteilt und nun, an Station 8, bist du bereits längst der Sieger. Nun gilt es nur noch, den Weg durch das Labyrinth zurückzufinden und mit dem Schatz in der Hand die Schwelle zurück in die Wirklichkeit, sprich: zum Abgabetermin zu passieren. Hierin offenbart sich auch eine neue Sicht auf das Wesen des Gegners, wie schon in Szene 3: „Konfrontation mit dem Gegner“ angemerkt wurde: Der Gegner ist kein Monster, keine bedrohliche Kreatur, die das Böse an sich verkörpert und zerstört werden muss. Du ahnst vermutlich, worin der Gegner eigentlich lag: in dir selbst, in deiner Angst. Und so, wie Angst im strengen Sinne keine Gestalt hat, sondern ihrem Wesen nach eine Energieblockade darstellt, so war auch dein Gegner nicht wirklich existent. Dessen wirst du nun in diesem 8. Schritt gewahr. Deshalb konnte er sich in derselben Weise, in demselben Maß und Tempo einfach in nichts auflösen, wie du in dein Thema mutig vorgedrungen bist und die Angst Schritt für Schritt ignoriert und aufgelöst hast. Letztlich wird hiermit sogar die Frage aufgeworfen, inwiefern es Monster und Gegner im antiken und Hollywood-Sinne überhaupt gibt, oder ob es sich nicht auch da um Platzhalter in einem Transformationsprozess der eigenen Persönlichkeitsbefreiung handelt. Um nun sozusagen den Beweis, dass du den Sieg bereits wirklich davongetragen hast, klar und unmissverständlich in deinen Händen zu halten, dient dir folgende Übung: „Farbe bekennen“. Denn nun hast du die große Frage gelöst, die über diesem Akt herrscht: „Sein oder Nicht-Sein“. In Bezug auf das Fertigen deiner Haus- oder Abschlussarbeit bedeutet diese Frage übersetzt: „Schreiben oder Nicht-Schreiben“ - du hast diese Frage durch ein unbewusstes, indirektes „learning by doing“ mit Taten statt mit Worten beantwortet, denn: Du bist schon mitten drin beim Schreiben deiner wissenschaftlichen Arbeit. Insofern hast du dir die „Lizenz zum Schreiben“ sozusagen en passant verdient und dein <?page no="134"?> 134 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Reifen durch die Abenteuerreise selber - das ist Heldentum, wie es im Buche steht. Heldenaufgabe „Farbe bekennen“ Schreibtechnik Vom Pentagon zur Einleitung Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Nun geht es darum, wahren Mut zu zeigen. Nichts soll geschönt oder verborgen werden, sondern echtes wissenschaftliches Denken bedeutet: Du machst dein Vorgehen komplett transparent und stehst dazu. Du lässt den Leser teilhaben an den Gegebenheiten, Problemen, Hilfen, die du vorgefunden hast, und legst ganz offen, wie du damit umgehst und welche Schlüsse du daraus ziehst: Du bekennst nun eindeutig Farbe. Diese Übung setzt sich wie schon zum Teil vorhergehende Übungen aus zwei Teilen zusammen - dennoch sollte sie insgesamt nicht viel mehr als eine halbe Stunde in Anspruch nehmen. Im ersten Teil, dem Pentagon, geht es darum, in Stichworten kurz die wesentlichen Stationen deiner wissenschaftlichen Arbeit in einem vorgefertigten Schema - eben dem „Pentagon“ - einzutragen. Diese Übung führt das „Blitzexposé“ mit anderen Mitteln fort, ist aber mehr auf dem Punkt als diese noch freiere Übung in Szene 4 „Planungshoheit“. Dabei trägst du ganz knapp in Stichworten / Kurzsätzen zusammen, welches die Grundpfeiler deiner Arbeit sind. 85 Diese fünf Eckpunkte deiner Arbeit (Fragestellung, Ziel, Gegenstand, 85 Idee zum Pentagon nach Lotte et al. 2007, S. 25. Warte nicht darauf, noch mehr Waffen und Kräfte (sprich Daten und Fakten) zu erhalten - nutze das, was du bereits erworben hast. Details kannst du jederzeit später noch einfügen in deine Argumentation - aber die grobe Linie zeichnet sich jetzt bereits klar ab. Stehe zu dem, was du bisher erreicht hast - und nutze es für das letzte Drittel deiner Forschungsreise. <?page no="135"?> 135 Heldenaufgabe „Farbe bekennen“ Werkzeuge und Research Design) nutzt du dann im zweiten Teil der Übung für einen ersten Einleitungstext in Fließtextform. In diesem Text formulierst du sozusagen eine begründete Absichtserklärung, das Thema der Arbeit in der gewählten Vorgehensweise zu bearbeiten. 1. Fragestellung / Problemformulierung (Was ist deine Frage? ) 2. Ziel der Arbeit (Warum stellst du diese Frage? ) 3. Gegenstand: Daten, Phänomene, Quellen, Material (Worauf bezieht sich deine Frage? ) 4. Fachliche „Werkzeuge“: Konzepte, Theorien, Methoden (Welche Werkzeuge nutzt du, um deine Frage zu beantworten? ) 5. Research Design (Wie fragst du? Wie gehst du vor? ) Ein Pentagon zur Abstimmung einzelner Elemente inhaltlicher Planung Abb. 6: Pentagon, nach Jørgensen & Rienecker 2013. <?page no="136"?> 136 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Arbeitsanleitung Teil 1 Pentagon Unter Punkt 1 formulierst du deine Forschungsfrage, wie sie dir der Dreischritt (Szene 7) gezeigt hat. Punkt 2, die Zielsetzung, ist ebenso aus dem Dreischritt zu übernehmen. Die übrigen drei Punkte musst du neu formulieren, aber du hast sie bereits vorgedacht. Unter Punkt 3 „Gegenstand“ bezeichnest du das Material, auf das sich deine Arbeit bezieht (ein Roman? Eine Studie? Statistische Daten? ). In Punkt 4 „Werkzeuge“ benennst du kurz, welche Analysemittel du benutzt, um deine Frage zu beantworten (eine bestimmte empirische Methode? Eine Theorie? ). Punkt 5 „Research Design“ betrifft deine Vorgehensweise, welche Schritte wirst du tun, um zu deiner Antwort zu gelangen? Wenn dir irgendwo nicht ganz klar ist, was du da hineinsetzen sollst, lass es im Moment einfach offen - bis zur Szene 12 wirst du spätestens den Punkt ausfüllen können. Arbeitsanleitung Teil 2 Einleitung Mithilfe des Pentagons hast du die wesentlichen strukturellen Informationen über deine Arbeit als Stichworte oder Notizen festgehalten, die du nun in Form eines Fließtextes zur Einleitung umgießen und mit weiteren Ergebnissen aus anderen Schreibübungen anreichern kannst. Die Einleitung sollte immer demselben, wissenschaftlich nachvollziehbaren Schema folgen: Einstieg ins Thema - statt Wiederholung des Titels hat sich als eleganterer Einstieg ein passendes Zitat etwa aus der Fachliteratur erwiesen, das bereits einen Fokus auf die Aktualität oder Brisanz des Themas vorausschickt. Wenn dir jetzt ein passendes Zitat einfällt: prima. Wenn nicht, nutzen wir hier die einfache Version, das Thema zu erwähnen. Daran schließt sich eine inhaltliche kurze sogenannte „Hinführung zum Thema“ an - grundlegende wissenswerte Fakten, die nötig sind, um die Art der Bearbeitung des Themas zu verstehen, werden genannt. Ideen zu dieser Hinführung kannst du deiner Übung aus Szene 5 „Perpektivwechsel“ entnehmen. Darauf folgt eine Erörterung der Relevanz des Themas, die sich bereits als kleiner Bogen an das Zitat und die wichtigsten Hintergrundinformationen schließt. Diese Relevanz des Themas macht deutlich, inwiefern das Thema hochaktuell in wissenschaftlicher, politischer oder anderer gesellschaft(swissenschaft)licher Hinsicht ist. Diese Brisanz liegt in deinen bisherigen Schreibübungen zum Beispiel in der Konfrontation mit dem Gegner: In dem Freewriting, in dem du in Szene 3 die Gefahr skizziert hast, hast du diesen Punkt bereits vorgezeichnet und kannst ihn für die Einleitung auf 1-2 Sätze konzentrieren. <?page no="137"?> Heldenaufgabe „Farbe bekennen“ 137 Aus dieser Relevanz leitest du über zur zentralen Fragestellung (Ergebnis aus Szene 7 „Dreischritt“). Weitere Fragen können sich dann anschließen - diese Unterfragen bilden dann etwa die einzelnen Kapitel (das machst du noch ausführlich in Szene 9 mit der Heldenaufgabe „Staranwalt“, S. 150 ff.). Zum jetzigen Zeitpunkt reicht aber die zentrale Frage. Die Beantwortung dieser Frage dient einem Ziel, das formuliert werden soll. Dieses Ziel hast du ebenfalls im Dreischritt festgehalten. Die Arbeitshypothese (kannst du ebenfalls aus dem Dreischritt übertragen) enthält die vermutete Antwort auf die zentrale Fragestellung und bietet damit die Basis für die Vorgehensweise und Methode der Arbeit. Sie ist sozusagen die angepeilte - konkrete - Ziellinie (die Zielsetzung ist mehr das übergeordnete moralisch-wissenschaftliche Ziel). An- und oft abschließend folgt auf die Arbeitshypothese eine kurze Skizzierung der Methode und Vorgehensweise, wie diese Arbeit vorhat, zu einer Lösung bzw. Beantwortung der zentralen Fragestellung zu gelangen. Die evtl. bereits formulierten Unterfragen sind hier oft stationenbzw. kapitelbildend. Diesen Punkt kannst du erst nach Erledigung der Szene 10 (Navigation durchs Labyrinth) und der Heldenaufgabe „Bodyguard“ ergänzen. Lass ihn einfach so lange offen. Um die Teile der Einleitung zu komplettieren, sei hier auch noch erwähnt, dass eine besondere Beschränkung oder Beeinflussung der Vorgehensweise ebenfalls in der Einleitung kurz vermerkt werden sollte, falls nötig, beispielsweise eine unerwartete Unzugänglichkeit von Quellen (Fachliteratur fast ausschließlich auf Chinesisch), eine Grippewelle, die die Zahl der Umfragen dezimierte o. ä. Aber für die Übung im Sinne der vorliegenden Szene kannst du diesen Punkt vollkommen außer Acht lassen. (Dies ist übrigens ein Bestandteil der Einleitung, der definitiv erst nach Fertigstellung des Gesamttextes in der Einleitung Einzug findet.) Für eine Abschlussarbeit von ca. 60-80 Seiten sollte die Einleitung 2-2,5 Seiten nicht übersteigen. 86 Nimm dir für diese Übung nun ca. 20 Minuten Zeit. 86 S. zur Einleitung auch Karmasin & Ribing 2013, S. 29. <?page no="138"?> 138 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Fallbeispiel „Farbe bekennen“ / Vom Pentagon zur Einleitung Das Pentagon Abb. 7: Pentagon Fallbeispiel, nach Rienecker & Jorgensen 2013. 1. Fragestellung / Problemformulierung (Was ist deine Frage? ) Wie kann der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden? 2. Ziel der Arbeit (Warum stellst du diese Frage? ) Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, welche Auswirkungen eine industrielle Nutzung der Goldspinnerei auf den Goldmarkt und die globale Wirtschaft hat. 3. Gegenstand: Daten, Phänomene, Quellen, Material (Worauf bezieht sich deine Frage? ) Zeitungsartikel, wissenschaftliche Forschungsartikel, Interviews mit Betroffenen, offizielle Studien 4. Fachliche „Werkzeuge“: Konzepte, Theorien, Methoden (Welche Werkzeuge nutzt du, um deine Frage zu beantworten? ) Fragebogen und ergänzende qualitative Interviews, Literatur- und Statistikrecherche 5. Research Design (Wie fragst du? Wie gehst du vor? ) Klärung Umwandlungsprozess, Prüfung offizieller Studien, Vergleich mit Fachartikeln, Interviews mit offiziellen Goldhändlern, Goldspinnerinnen und Angehörigen <?page no="139"?> 139 Die Einleitung „Ach wie gut, dass keiner weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß’! “ Dieses Märchenzitat, in dem das Zaubermännchen damit rechnet, dass seine Identität nicht entlarvt werden wird und es somit ungestraft das Kind der goldspinnenden Königstochter als Lohn erhalten darf, ist kennzeichnend auch für die aktuelle Situation der in den letzten Jahren auf dem Goldmarkt eingesetzten Goldspinnerinnen. In dem oben genannten Märchen „Rumpelstilzchen“ bleibt die Art und Weise, wie die Müllerstochter aus Stroh Gold spinnt, geheim. Zauberei, die sich dem Verstand entzieht und die auch die Habgier des Müllers und des Königs ausnutzt und dabei die Königin in tiefste emotionale Not bringt. Tatsächlich zeichnet sich in der Lebenssituation der Goldspinnerinnen ein vergleichbares Dilemma ab: In den vergangenen drei Jahren wurden weltweit rund 2000 Frauen mit der besonderen Gabe, Stroh in Gold zu verwandeln, in der Öffentlichkeit bekannt und verschwanden innerhalb kürzester Zeit in den Goldhandelszentren von Goldsmith Inc. mit Sitz in New York (Der Spiegel 2017, 74, S. 33). Wie um die Identität des Rumpelstilzchens ranken sich auch um diese Goldspinnerinnen viele Geheimnisse. Ungeklärt ist, wie genau der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold vonstattengeht - lediglich zwei Artikel haben Thesen dazu entwickelt, die von wissenschaftlichem Interesse sein könnten: 1. Der Chemiker und Nobelpreisträger Gustav Hugo hält ein neuartiges Hochtemperaturverfahren für möglich, dabei wären die Frauen nur „vorgeschobene Marionetten, vermutlich billige Arbeitskräfte, um den Prozess geheim zu halten“ (Hugo 2016, S. 56); 2. Die Gentechnikerin und Biologin Sarah Greven arbeitet derzeit an der Universität Kopenhagen an einer Forschungsstudie, die sich mit dem Nachweis körpereigener Strahlung beschäftigt und eventuelle Lösungsansätze für eine genetische Disposition der Goldspinnerinnen zur Verwandlung von Materie bieten könnte (Greven 2017, S. 176). Seitens der Goldfirma Goldsmith Inc. gibt es wenig inhaltreiche und vor allem keine die wesentlichen Fragen beantwortenden Veröffentlichungen: Wie das Rumpelstilzchen des Märchens versucht die Geschäftsführung, allen voran Seniorchef Douglas Goldsmith, die Öffentlichkeit mit leeren Phrasen abzuspeisen: „Es ist uns selbst ein Rätsel, aber die Gabe dieser Frauen sollte vor dem Missbrauch unbefähigter Kräfte geschützt werden“ (Washington Post 2017, S. 7). Heldenaufgabe „Farbe bekennen“ <?page no="140"?> 140 Schreib-Szene 8 Die Prüfung Hintergrund: Von „hirngerecht schreiben“ zu „emotionengerecht schreiben“ Da auch die Angehörigen in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht zu Aussagen bereit sind, drängt sich der Verdacht auf, dass hier massive Einschüchterungen vorliegen. Dazu kommt, dass keine der Goldspinnerinnen nach ihrem „Umzug“ in die Goldsmith-Zentrale in New York - die inzwischen mit einem riesigen neuen Gebäude in Connecticut erweitert wurde (New York Times, 2016) - jemals wieder in der Öffentlichkeit gesichtet wurde. In diesen letzten drei Jahren ist Goldsmith Inc. zum globalen Goldmarktführer aufgestiegen - sehr zur Verunsicherung Chinas (China today, 2017, S. 44). Es zeichnen sich bereits erste Erschütterungen des Börsenmarktes ab (Handelsblatt 208, S. 88). Eine Klärung des Umwandlungsprozesses könnte die bisher fehlende Transparenz dieses neuen Gold-Phänomens bringen mit allen seinen Folgen für den Goldmarkt, den Weltfrieden und vor allem das persönliche Los der Goldspinnerinnen. Daher ergibt sich für die vorliegende Arbeit folgende zentrale Fragestellung: Wie kann der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden? Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, welche Auswirkungen eine industrielle Nutzung der Goldspinnerei auf den Goldmarkt und die globale Wirtschaft hat. Als Arbeitshypothese dient die Annahme, dass die Fähigkeit zum Goldspinnen genetisch angelegt ist und die Goldspinnerinnen daher Gefahr laufen, von den führenden Goldhändlern industriell ausgenutzt zu werden. Bereits in der Vergangenheit wurden Methoden aus dem nicht-wissenschaftlichen Kontext herangezogen, genutzt oder adaptiert, um Studierende beim Verfassen ihrer wissenschaftlichen Arbeiten zu unterstützen. Diese Übungen kamen mehrheitlich aus dem Bereich der Kreativitätstechniken (wie die Mindmap), dem kreativen Schreiben (wie das Freewriting bzw. Écriture automatique), aus dem literarischen Schreiben (wie der Perspektivwechsel) oder aus einer Auslotung der Ergebnisse der Hirnforschung für das Schreiben (wie das Cluster). <?page no="141"?> Hintergrund: Von „hirngerecht schreiben“ zu „emotionengerecht schreiben“ 141 Trotz aller bahnbrechenden Fortschritte und Verbesserungen für die Studierendengemeinde bei der Unterstützung zum wissenschaftlichen Schreiben gibt es noch kein einheitliches, klares Hilfskonzept gegen Panikattacken und Studienabbruch. Alle Ratgeber sehen immer noch ein Problem mit dem Thema „Schreibblockaden“, aber noch keiner hat eine befriedigende Lösung gefunden - denn das Problem besteht ja weiterhin. Ein erneuter „Blick über den Tellerrand“ des wissenschaftlichen Kontextes ist daher längst überfällig, um neue Impulse für die Not der Studierenden beim wissenschaftlichen Schreiben zu finden. Es ist inzwischen weitgehend akzeptiert, sinnvoll und bewährt, kreative Techniken jenseits des akademischen Bereichs auf die Aufgaben des akademischen Schreibens anzuwenden, ganz einfach, weil eben doch Schreiben und Schreiben dasselbe sind. Immer sitzt am Ende des Stiftes oder der Tastatur ein denkendes und vor allem fühlendes Wesen. Daher funktionieren kreative und literarische Schreibtechniken so hervorragend auch im akademischen Kontext. Die Übertragung und Dienstbarmachung der Heldenreise für die Erfordernisse des wissenschaftlichen Schreibens ist insofern nur ein konsequenter weiterer Schritt in dieselbe Richtung - „über den Tellerrand hinaus“. Gegen den möglichen Vorbehalt, hier würde ein „fremdes“ Konzept auf den „falschen“ Bereich angewendet, lässt sich anführen, dass es hier um das logische Herauslesen dieses Konzeptes Heldenreise „auch“ aus dem Schreibbereich des wissenschaftlichen Arbeitens (wie vorher aus dem belletristischen, dramatischen, kreativen) geht. Letztlich rücken wissenschaftliches, kreatives und literarisches Schreiben bei dieser Betrachtungsweise näher zusammen und bilden ein großes Ganzes, das man einfach „kreativen Schreibprozess“ mit unterschiedlichen Ausrichtungen oder Anwendungen nennen könnte. Denn das Verfassen einer wissenschaftlichen Arbeit ist in diesem Sinne ein ebenso kreativer Prozess wie das Dichten eines literarischen Romans, der die Ressourcen des ganzen Hirns mit seinen beiden komplementären Hirnhälften beansprucht. Unterstützung im akademischen Schreiben hat wenig Sinn, wenn sie diese Gemeinsamkeit leugnet und sich nur oder vornehmlich auf die kognitive Hälfte des Prozesses und damit des Hirns beruft. Zwar sprechen die modernen, seit 20 Jahren zunehmend verbreiteten Schreibübungen aus dem kreativen Schreiben sozusagen nebenbei die emotionale Seite der rechten Hirnhälfte an, aber dass der Schreibprozess auch im akademischen Kontext in der Grundanlage vor allem (! ) ein emotionaler Prozess ist, diese Erkenntnis sickert erst in jüngster Zeit und noch sehr verhalten allmählich durch. Das Fatale bisher ist, dass gerade die starken Emotionen wie Angst, Wut und Freude geradezu systematisch aus dem wissenschaftlichen Kontext als „unwissen- <?page no="142"?> 142 Schreib-Szene 8 Die Prüfung 87 88 87 Bräuer 1998. 88 Ortner 2011 / Scheuermann 2016. schaftlich“ verbannt wurden, aber gerade diese es sind, die den Schreibprozess mit ungeahnter Energie und Leichtigkeit vorantreiben, wenn man sie einbindet in die Textproduktion. Für eine solche Einbindung ist die Heldenreise das perfekte Muster, da die Phasen der wissenschaftlichen Arbeit bewegende emotionale Herausforderungen an die Autorin darstellen: Traue ich mir eine solche Aufgabe zu? Welche Gefahren erwarten mich? Welche Unterstützung kann ich erwarten? Schaffe ich es, einen erfolgreichen Plan zu entwickeln? Wird es mir gelingen, das Problem zu lösen - oder werde ich scheitern? Was wird mit mir geschehen? Wer werde ich nach Abschluss dieses Projektes sein - und wo? Das sind typische Fragen, die einen Studierenden bei der Übernahme eines Forschungsthemas bewegen - und das sind typische Fragen, die einen Helden beschäftigen, wenn er vor der Wahl steht, eine Abenteuerreise ins Ungewisse zu beginnen oder lieber zu Hause zu bleiben. Nicht zuletzt macht die Heldenmethode auch Folgendes: Sie fängt nicht nur die Emotionen eines wissenschaftlichen Autors ein. Sie nutzt sie für den Schreibprozess, um ihn optimal zu gestalten und um zu verhindern, dass sie ihn blockieren. Auf diese Weise erreicht die Heldenmethode etwas, was konkret und direkt für die aktuelle Haus- und Abschlussarbeit von Vorteil ist, aber erst recht langfristig für alle weiteren Schreibprojekte des Studierenden: Sie befreit! Die Heldenmethode bewirkt, dass die Emotionen sich sozusagen in der Haus- und Abschlussarbeit austoben können - und einen befreiten, zufriedenen, emotional ausgeglichenen und stabilen Studenten zurücklassen. Das ist gewissermaßen eine Art „therapeutischer Zweitnutzen“ der Heldenmethode. Mit einer emotional erschöpfenden, weil reichen Haus- und Abschlussarbeit tritt nach der Abgabe nicht nur das übliche Gefühl von Erleichterung im Sinne von „hab’s endlich hinter mir! “ ein, sondern mehr als das: das Gefühl, etwas Gutes, Sinnvolles und qualitativ Befriedigendes geschaffen zu haben. Dieses Gefühl bleibt - selbst wenn der betreuende und zensierende Professor unerwarteterweise anderer Meinung ist und die Arbeit ablehnt oder schlecht bewertet. Dieser „Zweitnutzen“ des emotionengerechten Schreibens erinnert an die Wechselwirkung, die von Bräuer zwischen Schreiben und Lernen entdeckt wurde 87 und bei Ortner und Scheuermann zwischen Schreiben und Denken 88 . In allen drei Fällen wird neben der Funktion des Schreibens, Lern- oder Denkinhalte auf Papier oder im Computer zu materialisieren, auch die umgekehrte Funktion angesprochen: Durch <?page no="143"?> Hintergrund: Von „hirngerecht schreiben“ zu „emotionengerecht schreiben“ 143 das Schreiben werden Lernen und Denken befördert. Entsprechend ist auch bei der Heldenmethode diese Rückkopplung zu beobachten: Während der emotionale Zugang hier genutzt wird, um das Schreibprojekt zu materialisieren und von Blockaden zu befreien, wird in der Wechselwirkung im Zuge des emotionengerechten Schreibens quasi en passant auch die emotionale Ebene der Schreibenden befreit. <?page no="145"?> Hintergrund: Von „hirngerecht schreiben“ zu „emotionengerecht schreiben“ 145 Akt 3 Die (Er-)Lösung naht - Das große Plädoyer <?page no="147"?> 147 Regieanweisung: Nimm dein Ziel ins Visier 147 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes Regieanweisung: Nimm dein Ziel ins Visier Im vorhergehenden Akt 2 hast du dich der zentralen Frage gestellt. Der Gegner hat sich aufgelöst und nun ist der Weg für dich und deinen Schatz respektive die Lösung des Forschungsthemas und die Beendigung deiner Arbeit frei. Du bist bereits auf der Siegeslinie, nun gilt es in diesem dritten Akt den Schatz so zu heben, dass er heile und vollständig von dir mit nach Hause genommen werden kann. Deine Aufgabe in diesem letzten Akt deiner Haus- oder Abschlussarbeit ist nun, die Lösung zu erwirken in Form eines überzeugenden wissenschaftlichen Plädoyers. Bei dieser Beweisführung durch Argumentation kommt die zentrale Bedeutung der wissenschaftlichen Leitfrage ins Spiel. Der Wunsch, eine bisher ungelöste Frage zu lösen, ist der Urmotor jeder wissenschaftlichen Forschung. Wesentlich für wissenschaftliches Arbeiten ist daher das Denken in Fragen. Das ist ein riesiger Unterschied zu dem überwiegenden Denken der meisten Studierenden in Fakten oder Antworten. Dieser reinen Antwort-Fixierung entspricht das reine oben bereits besprochene Sammeln von Hintergründen, Daten, Fakten und zitierten Schlussfolgerungen ohne eine eigene Standortpositionierung und damit ohne relevante Perspektive auf das Thema. Dieses ziellose Sammeln entspringt einer fehlenden Konzentration auf das zentrale Problem: den Ruf deines Themas. Abhilfe schafft ein einfacher Trick: Versuche, ab jetzt alle Gedanken zu deinem Thema in Fragen zu formulieren. Damit übernimmst du nach dem alten weisen Spruch „Wer fragt, der führt“ die Führung in deinem wissenschaftlichen Prozess. Außerdem haben Fragen im Gegensatz zu Antworten eine geringere Tendenz, in reduzierten Stichworten aufzutauchen, sondern sind meist in ganzen Fragesätzen vorhanden. Wie schon beim Freewriting hervorgehoben, haben ganze Sätze die Eigenschaft, ganze Gedanken zu verkörpern. Denken in Fragen ist also schon einmal per se von größerer gedanklicher Strukturiertheit und Tiefe. Darüber hinaus aber bewirkt ein Denken in Fragen, dass dein Blick auf ungelöste Probleme gelenkt wird - und das ist ein urwissenschaftlicher Anspruch. Wissenschaft besteht ja nicht darin, vorgefertigte Antworten irgendwo (z. B. der Sekundärliteratur) abzulesen und wiederzugeben, sondern Wissenschaft <?page no="148"?> 148 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes besteht in dem Drang des Forschenden, eine in seinem Fachgebiet bisher ungelöste Frage zu beantworten. Wenngleich dieser echte Forschungsansatz streng genommen erst ab der Ebene Dissertation wirklich ernsthaft zum Einsatz kommt, indem eine Promotionsschrift einen von der Fachwelt beachteten neuen Beitrag zur Forschung liefert, ist doch jede Erstsemester-Hausarbeit prinzipiell demselben Denken verbunden und dient seiner Einübung. Denken und Argumentieren ist keine Frage des akademischen Grades: Auch wenn es nur im Kleinen und nur zwischen Student und Dozentin geschieht, bietet jede Hausarbeit mindestens die Gelegenheit, Standpunkte zu hinterfragen oder eine eigene Position in einer kontroversen Debatte zu vertreten. Für dich aber genauso wichtig ist auf jeden Fall, dass du durch das Aufwerfen von Fragen zu deinem Thema nicht mehr in dieser lähmend-ohnmächtigen Position einer Bringschuld verharrst, indem du ängstlich bemüht bist, die Fakten und Zitate beizubringen, die dein Professor irgendwann irgendwo schon mal erwähnt hat und vermutlich von dir hören respektive lesen will. Auch hier lauert ein Missverständnis: Ich plädiere sehr dafür, engen Kontakt zu deiner Betreuerin der Arbeit zu halten und ihre Anregungen sehr aufmerksam und penibel umzusetzen - aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass du nicht eine eigene Positionierung im Thema vornimmst. Das Denken in Fragen und das Streben nach den zugehörigen Antworten hebt dich in die Sphäre echten Forschens, stärkt dein Selbstwertgefühl und gibt deinem Thema die exklusive Wertschätzung durch dich, die ihm gebührt. Ein in der Schreibberatung vielfach empfohlener Kniff ist beispielsweise, bei der sogenannten Adressatenwahl deiner Arbeit sich nicht deinen Dozenten vorzustellen, quasi als Gesamtuniversum des gesammelten Wissens zum Thema, denn mit ihm ist prinzipiell dein vergleichsweise defizitärer Wissensstand verbunden und damit erscheinen all deine Schlussfolgerungen unzureichend. Stell dir stattdessen vor, du schreibst deine Arbeit für Kommilitoninnen, die deine Fachsprache beherrschen, aber das konkrete Thema nicht kennen. Berichte ihnen, welche Fragen für dich spannend sind und welche Lösungswege du gehst, um zu Antworten zu gelangen. Jede wissenschaftliche Arbeit ankert in einer zentralen Fragestellung, und jedes wissenschaftliche Fazit ist eine Antwort auf diese eingangs formulierte Frage, so wie jeder Methodenteil den Lösungsweg von der Frage zur Antwort skizziert. Bereits in Szene 7 „Drei Schlüssel zum Schatz“ hast du die mächtige Bedeutung des wissenschaftlichen Dreitaktes kennengelernt. Mit diesen drei <?page no="149"?> 149 Regieanweisung: Nimm dein Ziel ins Visier 149 Elementen (Frage - Lösungsweg - Antwort) ist das Grundgerüst jeder wissenschaftlichen Haus- oder Abschlussarbeit dargelegt. In dieser Phase, in der es um die Hebung des Schatzes durch Argumente und Beweise geht - eben um das große Plädoyer, denn dein Kampf gegen deinen Gegner ist ja kein physischer, sondern ein intellektueller Schlagabtausch, bei dem es darum geht, dass derjenige mit den besseren Argumenten gewinnt -, brauchst du nun einen Plan für deine Beweisführung. Diese spannt sich zwischen deiner zentralen Frage und deiner zu erzielenden Antwort bzw. derzeit noch deiner Arbeitshypothese als vorerst vermutete Antwort. Alles beginnt in dieser einen Frage. Hier beginnt alles und in der Antwort auf diese Frage endet alles. Dazwischen aber musst du anschließend die einzelnen Argumente anführen, du musst dein Plädoyer in viele kleine Beweise teilen, da viele Fragen aufgeworfen werden, die du zu beantworten hast. Ähnlich einem Verteidiger vor einem Gericht (nicht umsonst lautet der Ausdruck für die Disputation, die Schlussprüfung einer Dissertation, „seine These verteidigen“! ) musst du Zeugen laden, Beweisstücke vorlegen. Dies sind deine Quellen, deine Zitate, deine herangezogenen Daten. Die perfekte Grundlage für dein Plädoyer ist das „Denken in Fragen“. Denn welche Fragen wird der Richter beantwortet haben wollen? Welche Fragen, Zweifel wird die Gegenseite, der Staatsanwalt äußern? Auf diese Anforderung bereitest du dich perfekt vor, wenn du in eben denselben Fragen lernst, zu denken. Deshalb ist die Königsmethode, um die Struktur seines Plädoyers vorzubereiten, eine Gliederung in Fragen. Hier noch einmal die wesentlichen Vorteile des Denkens in Fragen: ▶ Fragen beinhalten Ideen ▶ Wer fragt, der führt ▶ Fragen fokussieren ▶ Fragen stärken dein Selbstbewusstsein und deine Position ▶ Fragen sind das Urmovens von Wissenschaft ▶ Fragen ziehen Antworten nach sich ▶ Frage und Antwort = Logik; Frage - Lösungsweg - Antwort: Wissenschaftliche Logik und Transparenz (= wissenschaftlicher Dreiertakt) <?page no="150"?> 150 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes Heldenaufgabe „Staranwalt“ Schreibtechnik Von der Fragen-Mindmap zur Gliederung Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe In dieser Übung findest du eine Methode, die Fragen an dein Thema zu stellen, die lösungsrelevant sind. Durch dieses „Denken in Fragen“ agierst du wie ein Staranwalt, der gezielt die wesentlichen Lösungspunkte ins Visier nimmt und die Entscheidung der Richter beeinflusst, indem er keine Zeit mit Nebensächlichkeiten vergeudet, sondern sozusagen „mitten ins Herz des Problems“ vorstößt. Die Mindmap („Karte des Denkens“) ist mit dem Cluster, das du in Szene 2 bereits kennengelernt und genutzt hast, verwandt, insofern als beide visualisierende Brainstormingmethoden sind. Der Unterschied liegt darin, dass das Cluster wilder und freier assoziiert und deshalb für eine frühere Phase im Ideenfindungsprozess genutzt wird. Die Mindmap dagegen ist bereits strukturierend, indem sie logische Hierarchien der gedanklichen Ebenen anlegt wie ein Baum mit Hauptästen in der ersten, den Nebenästen in der zweiten und den Verzweigungen in der dritten Ebene. Daher ist die Mindmap hervorragend geeignet, eine Gliederung zu planen, denn auch die Gliederung einer wissenschaftlichen Arbeit sollte nicht Informationen zum Thema sammeln und aneinanderreihen (ein leider immer noch weit verbreiteter Fehler), sondern die Forschungsebenen hierarchisch strukturieren. Im ersten Teil dieser Übung ist es deine Aufgabe, eine sogenannte Fragen-Mindmap zu erstellen. Hierbei baust du bereits in einer Vorstufe deine Gliederung in einer Hierarchie auf, die rein aus Fragestellungen entsteht: das Denken in Fragen löst dich aus einer vermeintlichen Bringschuld deiner Dozentin gegenüber. Stattdessen stärkt die Frageposition deine Souveränität als Wissenschaftlerin. Nimm deine zentrale Frage als Anker und stelle daran anknüpfend weitere Fragen - so baust du das Grundgerüst deiner argumentativen Gliederung auf. <?page no="151"?> Heldenaufgabe „Staranwalt“ 151 erzeugt ganz von selbst die erwünschte zwingende Logik der Struktur. Das „Denken in Fragen“ ist zum einen - wie bereits oben bemerkt - urwissenschaftliches Vorgehen und zum anderen hilft es dir, dich auf die enge, konsequente Argumentationsstruktur zu konzentrieren und auf möglicherweise interessante, aber in Bezug auf deine zentrale Fragestellung redundante Informationen zu verzichten. Das nutzt deine Energie optimal aus und du verschwendest keine unnötige Kraft auf überflüssige Quellenrecherche. Im zweiten Teil der Übung wandelst du dann die entstandene Fragen-Mindmap in eine erste Gliederung um, die auf diese Weise den Vorteil mitnimmt, sich auf das Wesentliche argumentativ zu konzentrieren und Themen erster Ordnung von denen zweiter oder dritter Ordnung zu unterscheiden. Das hilft dir in den nachfolgenden Schritten beim „Runterschreiben“ deiner Arbeit ungemein, Wichtiges von Redundantem zu trennen. 1 Arbeitsanleitung Teil 1 Fragen-Mindmap Beginne mit deiner zentralen Frage und schreibe sie - wie beim Cluster - in die Mitte eines DIN-A3-Blattes im Querformat. Finde dann zu dieser Ausgangsfrage weiterführend Unterfragen, möglichst drei, maximal vier. Dann überlege, welche Unter-Unterfragen sich dann an diese Teilfragen anschließen, hier ist ideal eine Anzahl von zwei bis fünf. Nun kläre, ob sich in der dritten Ebene, also der Unter-Unterfragenebene, noch Fragestellungen finden lassen. Dies muss nicht mehr bei jeder Unter-Unterfrage der Fall sein, manche Unter-Unterfragen haben möglicherweise keine weitere Ebene mehr. Beachten solltest du, dass mindestens zwei Fragen in einer Ebene stehen sollten, weil sich sonst nicht legitimieren lässt, warum es noch eine Unterteilung geben soll. Achte auch darauf, dass du wirklich konsequent komplette Fragesätze formulierst, und nicht nur Schlagworte, an die du ein Fragezeichen anfügst. Erst der komplette grammatische Fragesatz ist sinnhaftig mit einer Idee und einer möglichen These verbunden. 1 Idee nach: Buzan & Buzan 2002 / Simon 2010. <?page no="152"?> 152 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes So kann eine Mindmap aussehen: Abb. 8: Mindmap 1, nach: Buzan & Buzan (2002), S. 219. <?page no="153"?> Heldenaufgabe „Staranwalt“ 153 Oder so: Abb. 9: Mindmap 2, nach: Bünting et al., S. 51 f. <?page no="154"?> 154 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes Und so eine Fragen-Mindmap: Bachelor- oder Masterarbeit Forschungsfrage? Forschungsaussage(n) Einleitung 1. Kapitel Teilfrage? Teilaussage(n) 1. Unterkapitel Teilfrage? Teilaussage(n) 2. Unterkapitel Teilfrage? Teilaussage(n) 3. Unterkapitel Teilfrage? Teilaussage(n) 2. Kapitel Teilfrage? Teilaussage(n) 3. Kapitel Teilfrage? Teilaussage(n) Schlussdiskussion → → → → → → Abb.10: Fragen-Mindmap, nach Simon (2010). Arbeitsanleitung Teil 2 Umwandlung in Gliederung Nun kannst du die gefundenen Fragen nehmen und sie zur Grundlage für deine Gliederung und die entsprechenden Kapitelüberschriften machen. Dabei gilt der Grundsatz, dass Kapitelüberschriften nicht in Frageform formuliert werden. Also ist nun deine Aufgabe, die Fragesätze in Aussagesätze umzuformulieren und dann noch auf eine These aus Schlüsselbegriffen zu konzentrieren. Im Fallbeispiel unten entsteht damit aus Welche wissenschaftlichen Ansätze gibt es zur Erklärung des Umwandlungsprozesses von Stroh zu Gold? zuerst ein Aussagesatz, Darstellung der wissenschaftlichen Ansätze, die es zur Erklärung des Umwandlungsprozesses von Stroh zu Gold gibt. den du im nächsten Schritt auf die Schlüsselbegriffe konzentrierst: Wissenschaftliche Thesen zur Umwandlung von Stroh zu Gold <?page no="155"?> Heldenaufgabe „Staranwalt“ 155 Eine Gliederung kann unterschiedliche Varianten aufweisen, durchaus auch in Abhängigkeit von den Gepflogenheiten im jeweiligen Fachbereich. Eine gängige Form hat diese, die Helga Esselborn-Krumbiegel 2 anbietet: 1. Einleitung 2. Erstes Kapitel des Hauptteils 2.1 Unterpunkt 2.1.1 2.1.2 2.2 Unterpunkt 2.2.1 2.2.2 3. Zweites Kapitel des Hauptteils 3.1. Unterpunkt 3.1.1 3.1.2 3.2 Unterpunkt 3.2.1 3.2.2 4. Drittes Kapitel des Hauptteils 4.1 Unterpunkt 4.1.1 4.1.2 4.2 Unterpunkt 4.2.1 4.2.2 5. Fazit 2 Helga Esselborn-Krumbiegel 2008, S. 115 ff. <?page no="156"?> 156 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes Fallbeispiel „Staranwalt“ / von der Fragen-Mindmap zur Gliederung Fallbeispiel „Fragen-Mindmap“ Wie kann der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden? Welche wissenschaftlichen Ansätze gibt es zur Erklärung des Umwandlungsprozesses von Stroh zu Gold? Unter welchen Umständen ist das Phänomen der Goldspinnerinnen aufgetaucht? Welche Rolle spielt die Goldsmith Corp.? Welche chemischen Ansätze gibt es? Welche gentechnischen Ansätze gibt es? Welche sonstigen Erklärungstheorien gibt es? Wo sind die Goldspinnerinnen aufgetaucht? Was zeichnet die Goldspinnerinnen aus? Wer hat sich für die Goldspinnerinnen interessiert? Wo und unter welchen Umständen leben Goldspinnerinnen heute? Welche Geschichte hat das Unternehmen? Welche Hinweise auf Sklaverei bzgl. der Goldspinnerinnen bei Goldsmith gibt es? Welche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat Goldsmiths neue globale Rolle auf dem Goldmarkt? Abb. 11: Fragen-Mindmap Fallbeispiel, nach Simon (2010). Fragen-Mindmap Wie kann der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden? UF 1: Welche wissenschaftlichen Ansätze gibt es zur Erklärung des Umwandlungsprozesses von Stroh zu Gold? UF 1 UF 1: Welche chemischen Ansätze gibt es? UF 1 UF 2: Welche genetischen Ansätze gibt es? UF 1 UF 3: Welche sonstigen Erklärungstheorien gibt es? UF 2: Unter welchen Umständen ist das Phänomen der Goldspinnerinnen aufgetaucht? UF 2 UF 1: Wo sind sie aufgetaucht? UF 2 UF 2: Was zeichnet sie aus? UF 2 UF 3: Wer hat sich für sie interessiert? UF 2 UF 4: Wo und unter welchen Umständen leben sie heute? UF 3: Welche Rolle spielt Goldsmith Corp.? UF 3 UF 1: Welche Geschichte hat das Unternehmen? <?page no="157"?> Heldenaufgabe „Staranwalt“ 157 UF 3 UF 2: Welche Hinweise auf Sklaverei bzgl. der Goldspinnerinnen bei Goldsmith gibt es? UF 3 UF 2 UF 1: Welche baulichen Maßnahmen? UF 3 UF 2 UF 2: Welche veränderte Marktstrategie? UF 3 UF 2 UF 3: Welche Öffentlichkeitsarbeit? UF 3 UF 3: Welche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft hat Goldsmiths neue globale Rolle auf dem Goldmarkt? UF 3 UF 3 UF 1: Welche Reaktionen gibt es in den Wettbewerbsländern? UF 3 UF 3 UF 2: Welche Reaktionen gibt es an der Börse? UF 3 UF 3 UF 3: Welche Konsequenzen zeichnen sich in den armen Regionen der Welt ab? Umwandlung in eine Gliederung 1. Einleitung 2. Das Phänomen der Goldspinnerinnen 2.1 Erstes Auftauchen 2.2 Merkmale 2.3 Gesellschaftliche Begehrlichkeiten 2.4 Aktuelle Lebenssituation 3. Wissenschaftliche Thesen zur Umwandlung von Stroh zu Gold 3.1 Chemische Ansätze 3.2 Genbiologische Ansätze 3.3 Sonstige Thesen 4. Goldspinnerinnen als Sklavinnen der Goldsmith Corp. 4.1. Definition des Begriffs „Sklaverei“ 4.2 Geschichte des Unternehmens 4.3 Das Konzept „Goldspinnerinnen“ 4.3.1 Bauliche Konsequenzen 4.3.2 Veränderte Marktstrategie 4.3.3 Öffentlichkeitsarbeit 4.4. Auswirkungen auf den globalen Goldmarkt 4.4.1 Reaktionen in Wettbewerbsländern 4.4.2 Reaktionen an der Börse 4.4.3 Konsequenzen für arme Länder 5. Fazit <?page no="158"?> Das Ziel wissenschaftlichen Schreibens für Studierende ist definitiv der Erfolg: Die erfolgreich absolvierte und benotete Hausarbeit, der mit der Bachelor- oder Masterarbeit erreichte Studienabschluss. Um dieses Ziel zu erreichen, braucht die Studierende Energie, die sich aus Freude am Tun und einem starken Selbstgefühl speist. Das Problem liegt darin, dass die Gefühlslage des Studierenden oft genau gegenteilig ist: Angst statt Freude, Ohnmacht und Antriebslosigkeit statt Stärke. Judith Wolfsberger appelliert bereits an die Studierenden, ihre Angst zu nutzen 3 . Die Heldenmethode geht noch einen Schritt weiter: Sie nutzt die Angst als Potential für die erwünschte Schreibenergie. So groß, wie die Angst ist, so groß ist der potentielle Schreiberfolg. Oder - wie Vogler es ausdrückt: „Die entscheidende Prüfung ist eine der tiefsten Depressionen innerhalb einer Geschichte und führt deshalb zu einem der höchsten Gipfel“ 2 . Deine Angst vor deiner Abschlussarbeit ist riesig? Prima, dann hast du das Potential, eine riesige Abschlussarbeit zu schreiben! Es liegt mit Vogler sogar nahe, zu sagen: Je größer die Angst vor dem Schreibprojekt ist, desto größer und erfolgversprechender ist das Potential dieser Energie im umgewandelten Zustand: „Helden lernen, im Widerstand eine mögliche Quelle zusätzlicher Stärke zu sehen. Es ist wie beim Bodybuilding: Je größer der Widerstand, desto größer die daraus entstehende Kraft“ 5 . Hier geht es um die Nutzung eines Energiepotentials - auch, wenn sich diese Energie zu Beginn noch in seiner negativen Variante präsentiert: der Angst. Ziel und Aufgabe der Heldenmethode ist es, dieses Potential durch Transformation zu nutzen: Je größer die Angst, desto mehr Tiefenbewusstsein, desto stärker die wissenschaftliche Argumentation! Diese Erkenntnis aus der Vielzahl der Schreibberatungen verstärkt auch noch einmal den Anknüpfungspunkt: Wer Angst hat, hat Potential! Deshalb ist Angst kein Grund, alles hinzuschmeißen, sondern ganz im Gegenteil der Grund, es anzupacken! Zu transformieren! Wie kann aus Angst Schreibenergie erzeugt werden? Darin liegt das Geheimnis der Heldenmethode: Sie Hintergrund: Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 3 4 5 3 Wolfsberger 2016, S. 174. 4 Vogler 2004, S. 282. 5 Vogler 2004, S. 125. Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes 158 <?page no="159"?> Hintergrund: Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 159 6 6 Warnecke 2018, S. 103. nutzt die Energie des angstauslösenden Problems und verwandelt sie in Kraft und Stärke. Erfahrungsgemäß passiert das sozusagen automatisch, wenn die Studierende erst einmal so weit gekommen ist, das wissenschaftliche Problem zu lösen - denn dann geht die gewonnene Siegeskraft direkt auf sie selber über. Aber bis zu diesem Punkt gilt es ja erst einmal zu kommen. Und genau darin liegt ein besonderes Potential der Heldenmethode: dass sie diesen Transformationsprozess schon mit der ersten Zeile der zu schreibenden Arbeit erweckt und nutzt. Die angstauslösenden Fakten können oft nicht verändert werden, ebenso wenig wie ebensolche Erfahrungen in der Vergangenheit, aber was geändert werden kann, ist die emotionale Bedeutung des Erlebten 6 . Mit dieser Vorstellung nutzt es eben auch gar nicht, den Gegner - oder im wissenschaftlichen Kontext: die gegnerische wissenschaftliche These oder widersprechende Faktenlage - zu zerstören, denn dann fühlt sich der wissenschaftliche Autor als Teil eines Prozesses, in dem es Unterlegene gibt und damit färbt dieser Status des Besiegtseins auch auf ihn selber ab. Wenn die Abschlussarbeit insgesamt als Gegner empfunden wird, wäre die logische Konsequenz, selbige „in die Tonne zu kloppen“ - aber dann fühlt sich der Studierende trotzdem als Verlierer. Die Zauberformel stattdessen lautet: Wandle die negative Energie deiner eigenen Angst und der Bedrohung durch den Gegner respektive das Forschungsthema um in eigene positive kreative Schreibenergie! Hilfreich auf diesem Weg der Transformation gerade zu Beginn des Schreibprozesses ist die Entfachung einer gewissen Wut. Wut statt Angst kurbelt schon mal die Lebensgeister wieder an. Nicht, dass Wut die erwünschte positive Transformation darstellt, aber sie ist sozusagen ein wichtiger Zwischenschritt, um aus dem Zustand der Gelähmtheit zu entkommen, der üblicherweise mit Angst einhergeht. Diese Wut ist oft ein Hinweis auf die Relevanz des Forschungsthemas: Eine Ungerechtigkeit, ein Notstand, eine Vernachlässigung löst die Empörung der Studierenden aus. Diese Empörung bietet die Basis für die Legitimation zum - wissenschaftlichen - Handeln. Diese Identifikation mit dem Thema ist wichtig, um eine hohe Intensität und damit auch eine starke Transformation zu ermöglichen. Aber auch wichtig dabei ist, dass diese Identifikation eine einseitige ist: Die Autorin beherrscht ihr Thema, nicht umgekehrt! Leider ist es oft andersherum: Die Autorin identifiziert sich mit ihrem Forschungsthema, aber als ohnmächtige Unterlegene, die der Übermacht <?page no="160"?> 160 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes 7 8 7 Mihm 2018. 8 Vogler 2004, S. 182. der Forschungslandschaft durch diese Identifikation völlig ausgeliefert ist. Die Heldenmethode ist daher ein Konzept, ein Hilfsmodell, die wissenschaftliche Autorin zur Beherrscherin - eben zur Heldin! - des Prozesses zu machen und sie daraus zu erlösen, sich selber vom Forschungsthema demütigen und zum Opfer degradieren zu lassen. Mit diesem Positionswechsel setzt der Prozess der Transformation von Angst in Schreib- und Handlungsenergie ein, der dann am Schluss der Arbeit endet mit einer positiven Handlungsempfehlung, einem zukunftsweisenden Forschungsausblick oder schlicht der Lösung des Problems. An diesem Punkt kommt der Stolz über den Sieg ins Spiel und die Transformation hat sich vollständig vollzogen. Worin liegt nun das Besondere, das Hilfreiche an der Heldenreise gerade für den wissenschaftlichen Schreibprozess, vielleicht in fast noch stärkerem Maße als für andere Schreibkontexte? Vielleicht in folgendem Umstand: Beim akademischen Schreiben ist die Angst augenscheinlich größer als bei einem Autor eines Romans oder dem Produzenten eines Kinofilms. Dafür sprechen auch die hohen Fallzahlen an depressiven Erkrankungen unter Studenten: Jeder sechste Studierende leidet nach einer Umfrage der Barmer Ersatzkasse 2018 in Deutschland an psychischen Erkrankungen wie einer Angststörung, Panikattacken oder einer Depression 7 . Zeit- und Leistungsdruck spielen dabei offensichtlich eine große Rolle, neben Zukunftsängsten und finanziellen Sorgen. Daher ist die emotionale Identifizierung des Studierenden mit einem Helden, der ebenfalls seine Existenzangst überwinden muss, weil es „um’s Ganze geht“ 8 , sehr groß. Meine These lautet: Beim Schreiben (und beim Lesen) verschmelzen der Held der Geschichte, Autor und Leser zu einer Einheit. Der Konflikt, die Gefahr (beim wissenschaftlichen Schreiben das wissenschaftliche Problem), die der Held bewältigen muss, wird dabei mit realer Intensität gespeist. Beim Romanautor entspringt diese Intensität einer eigenen inneren Welt. Ist sie da nur unzureichend vorhanden, greift er oft (ebenso wie viele Filmregisseure) zu drastischen Schockmomenten, um diese Intensität herzustellen und sein Publikum (und sich selbst) emotional zu involvieren. In der persönlichen Situation des akademischen Autors ist genügend emotionale Intensität per se bereits vorhanden - er braucht sie nur zu nehmen und umzuwandeln. Er „ist“ der Held des Geschehens, er durchlebt am eigenen Leib die Höhen und Tiefen der wissenschaftlichen Forschungsreise, er <?page no="161"?> Hintergrund: Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 161 muss da keine künstliche emotionale Erlebniswelt schaffen - er muss sie aushalten. Seine Emotion ist im Überfluss vorhanden. Bei ihm muss die Heldenreise nicht erst mühsam erzeugt werden, er befindet sich emotional mittendrin. Es geht direkt um ihn, um seinen Erfolgsdruck, seinen „Ruf zum Abenteuer“, möglicherweise um seine - zumindest akademische - Existenz. Es geht um sein Herzrasen, seinen verstimmten Magen, seine schlaflosen Nächte. Der Student ist mitten drin in seiner Abenteuerreise. Alles stürmt auf ihn ein (Literatur, Bücher, Artikel, Fakten, Eltern etc.) und er kann Freund und Feind nicht mehr auseinanderhalten. Eine Besonderheit der „Studierendenreise“ ist, dass der Feind nicht klar erkennbar ist. Zunächst bestehen ja verschiedene Irrglauben, zum Beispiel erscheint anfangs pauschal die Arbeit im Gesamten als Feind. Dann scheint es das Fach, das Studium, der Professor, die Eltern, die Welt oder die eigene Unfähigkeit: Das eigene Ich wird nicht selten zum zu bekämpfenden Monster. Erst wenn der Studierende sich nach und nach vor traut auf den Weg in die wissenschaftliche „Anderwelt“ seiner Haus- oder Abschlussarbeit, wenn er sukzessive seiner Angst entgegengeht und sie damit Stück für Stück, Schritt für Schritt (oder gemäß der Heldenmethode Szene für Szene, Übung für Übung), Zeile für Zeile hinter sich lässt, erst dann gewinnt der wahre Feind an Kontur: das ungelöste Problem seines Themas und eben nicht das eigene Ich! Bei näherem Hinsehen werden auch dessen Schwachstellen erkennbar. Wie bei dem Drachen die zarte Haut unter einer fehlenden Schuppe im undurchdringlichen Panzer Zielpunkt des tödlichen Pfeils wird, so gilt es, das ungelöste wissenschaftliche Problem so weit kennenzulernen und Informationen über seine Beschaffenheit und Struktur zu erhalten, bis sich seine Schwachstelle, der Punkt, an dem es gelöst und gewandelt werden kann, zeigt. Und ebenso sukzessive, wie die Angst damit schwindet und Informationen über den Feind sich sammeln, so wächst im selben Maße die Stärke, Kraft und Souveränität des Studierenden. Die Heldenmethode ist deshalb sozusagen bereits generisch vorhanden für den Studierenden. Sie muss von ihm nicht erst groß erlernt oder angeeignet werden - sie „ist“ bereits in ihm bzw. er ist mitten in ihr ab dem Moment, in dem er sich für die Übernahme eines Haus- oder Abschlussarbeitsthemas entscheidet. Deshalb ist die Heldenmethode so wirkungsvoll und so erfolgreich, weil es bei Problemen im wissenschaftlichen Schreiben eben selten um Wissenslücken bezüglich der Inhalte des Fachbereichs geht, sondern um emotionale Blockaden. Nicht zuletzt auch deshalb gibt es wissenschaftliche Autoren und auch solche, die auf dem Grau- <?page no="162"?> 162 Schreib-Szene 9 Die Hebung des Schatzes 9 9 Kainz 2015. bis Schwarzmarkt des wissenschaftlichen Ghostwritings tätig sind 9 , die in kurzer Zeit zu jedem beliebigen Fachbereich eine wissenschaftliche Auftragsarbeit anfertigen können - teilweise im Voraus festgelegte Wunsch-Zensur inklusive. Das zeigt: Es braucht längst nicht so viel fachspezifisches Wissen aus dem Fachbereich, wie die meisten Studierenden befürchten, sondern es braucht vor allem Mut zur Bewältigung des wissenschaftlichen Argumentationsprozesses - den diese Ghostwriter aufgrund ihrer vielfältigen Schreiberfahrung ebenso haben wie langjährige erfolgreiche Wissenschaftler natürlich auch. Den Dreischritt Frage - Lösungsweg - Antwort gilt es zu beherrschen und im Detail umzusetzen und ein überzeugendes wissenschaftliches Plädoyer abzuliefern. Was den Dreischritt bremsen kann, sind negative Emotionen wie Angst und Zweifel. Ein Ghostwriter hat keine Emotionen zur Auftragsarbeit, sondern nur Honorarwünsche - und damit auch keine Schreibblockaden! Allerdings ist von solchen Fremd-Lösungen dringend abzuraten, da die Studierende im Entdeckungsfall von der Uni fliegt. Aber das Hauptargument, eine wissenschaftliche Arbeit selber zu schreiben, ist, dass auf keinem anderen Weg die Transformation einsetzt, die das anschließende Hochgefühl erzeugt, als Sieger aus diesem anstrengenden und herausfordernden Prozess hervorzugehen. Denn ein wesentlicher Gewinn aus der Adaption der Heldenreise für den wissenschaftlichen Schreibprozess durch die Heldenmethode hat gleichzeitig eine zentrale Bedeutung für ihre Wirksamkeit im wissenschaftlichen Schreiben für die stressgeplagten Studierenden und ihre Psyche selbst: Der Gegner wird in der Heldenmethode nicht zerstört, getötet, besiegt, zerstückelt, ausgelöscht, sondern er wird transformiert. Wenn ich den Gegner töte, ist seine Kraft verpufft. Aber der Vorteil der Transformation statt Zerstörung ist der, dass keine Energie verloren geht. Die ganze Heldenmethode zielt ja darauf ab, die Energie, die Kraft, die in der Angst der Heldin vor der Gegnerin gebunden ist, zu nutzen und umzukehren in Kraft, die der Verfolgung des eigenen Ziels, der Lösung des Problems zugutekommt. Frei nach dem physikalischen Energieerhaltungssatz bleibt die Energie im System erhalten und wird in positive Energie transformiert (s. auch Schreib-Szene 2, S. 49 ff.). Laut Vogler ist die entscheidende Prüfung, der Todfeind, der Bösewicht als Gegner in einem tieferen Sinne „eine Verkörperung der negativen Aspekte des Helden. Oder anders ausgedrückt: der bedeutendste Gegenspieler des Helden ist sein eige- <?page no="163"?> Hintergrund: Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 163 10 11 12 13 14 15 10 Vogler 2004, S. 286. 11 Vogler 2004, S. 287 f. 12 Vogler 2004, S. 103. 13 Frey 2001, S. 12. 14 Vogler 2004, S. 145. 15 Vogler 2004, S. 145. ner Schatten“ 10 . Dieser Schatten der eigenen Persönlichkeit ist „nichts anderes als die Schattenseiten der Bedürfnisse des Helden“ 11 . Vogler sieht im Campbell’schen Sinne in der Heldenreise den Helden als „ein Symbol für die stetige Transformation der Seele und für den Lebensweg eines jeden Menschen“ 12 . Für James N. Frey ist diese Kraft zur Transformation durch das Konzept der Heldenreise der Mittelpunkt „aller großen spannenden Werke“ der Literatur und damit der Schlüssel zum Verfassen von „verdammt guten Romanen“ 13 . Emotional-dramaturgisch betrachtet geht es also bei dem Gegner weniger um diesen selber als um seine Funktion, „den Helden herauszufordern und ihm einen würdigen Gegenspieler zu geben“ 14 . Vogler hebt hervor, dass eine Geschichte nur so gut sei wie ihr Bösewicht, denn „es braucht einen starken Feind, wenn der Held an dessen Herausforderung auch wachsen soll“ 15 . Übersetzt für den Studierenden und seine Forschungsaufgabe heißt das: Je kniffliger das zu lösende Forschungsproblem, umso größer das emotionale Wachstum als Wissenschaftler und der Sieg des Studierenden über sich selbst. Zwar muss der Held bei der Heldenmethode zum wissenschaftlichen Schreiben weder rennen noch physisch kämpfen, zaubern oder mit Muskelkraft intervenieren. Und doch kommt der Schreibende selber in den vollen Genuss der Transformationsenergie, so dass er am Ende dieser Schreibreise emotional angefüllt und energetisch maximal aufgeladen ist. Ready to write down the rest of the paper. <?page no="165"?> Hintergrund: Der Lohn der Angst oder Die Transformation des Problems 165 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth Regieanweisung: Spinne den roten Faden Ein weit verbreiteter Fehler unter Studierenden ist, sich in eine Arbeit einfach reinzuschmeißen - ohne klare Gliederung oder inhaltliche Struktur zur Arbeit. Nicht, dass das nicht prinzipiell möglich wäre (s. Kasten „Schreibertypen“ S. 60 f.), denn ein erfolgreicher Schreibtypus ist der Abenteurer, der nach dem Motto schreibt: Der Weg ist das Ziel. Auch ist es manchmal geradezu notwendig, sich erst einmal hineinzuwerfen ins Schreiben und in etwas unsortierter Weise produktiv zu werden, vor allem immer dann, wenn eine starke generelle Schreibblockade herrscht. Ohne Zweifel ist diese Methode ebenso gut wie die anderen Schreibtypen-Methoden - vorausgesetzt, sie führt zum befriedigenden Ergebnis. Dies ist allerdings meist dann der Fall, wenn die komplementäre Methode, also in diesem Fall der stärker planerisch ausgerichtete Goldgräber, unbemerkt parallel verinnerlicht ist und quasi automatisch ergänzend von der Schreiberin ein innerer Plan verfolgt wird, auch wenn der noch nicht ganz ausgereift sein sollte. Abenteurer oder nicht - auf jeden Fall brauchst du durch das Labyrinth deines Textes einen Plan, einen roten Faden, der dich ans Ziel bringt, und dieser Plan erfordert eine Reihe bewusster Entscheidungen. So wie du dir in einem unterirdischen Höhlensystem an allen Wegkreuzungen die Frage stellen musst: „Gehe ich rechts oder links oder krieche ich den schmalen Tunnel dort in der Mitte hinauf? “, musst du auch in einer wissenschaftlichen Arbeit immer wieder entscheiden, welchen Weg du wählst, um an dein Ziel, zu deinem Ergebnis, an die große Antwort auf deine zentrale Forschungsfrage zu gelangen. Aber vor allem musst du deine Entscheidung auch begründen, damit andere, die nach dir kommen, bereit sind, dir auf deinem Weg zu folgen. Deine Wegbeschreibung ist in den Grundzügen die Gliederung, die du bereits im vorhergehenden Kapitel skizziert hast. Diese Wegbeschreibung kann man aber noch detaillierter verfassen - sozusagen auf halbem Wege zu einer kompletten Dokumentation deines Forschungsabenteuers. Man kann sich das wirklich wie eine kommentierte Karte vorstellen. Während die Gliederung lediglich die Hauptwegkreuzungen oder Zwischenziele festsetzt, fehlen noch spezifische Angaben bis ins Detail: Du gehst jetzt an der nächsten Kreuzung <?page no="166"?> 166 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth rechts, weil die Fußabdrücke im Boden zeigen, dass hier schon einmal jemand langgegangen ist oder Ähnliches. Du benötigst Begründungen, warum du diese Abzweigung, diesen Weg nimmst, an jener Höhle vorbeigehst etc. immer im Hinblick auf dein Ziel, um nicht vom Weg abzukommen. Du begründest deine Entscheidungen, warum du welchen Weg wählst. Und das Ganze machst du, bevor du den Weg selber gehst. Du machst dir selber einen detaillierten Plan, und da es um das Erreichen deines Zieles geht, versuchst du, den Plan so klug und erfolgreich und vielversprechend wie nur irgend möglich zu skizzieren. Du machst dir also eine Art Fahrplan für deine Arbeit, mit dessen Hilfe du möglichst effizient dein Vorhaben umsetzen, dem du folgen kannst. Im Fall der wissenschaftlichen Arbeit heißt das vor allem, dass du deinen Text herunterschreiben kannst, wenn die Forschungsreise losgeht. In der Übertragung auf deinen wissenschaftlichen Kontext bedeutet das eine Beschreibung deines argumentativen Weges durch das Labyrinth der Fakten, Beweismittel und Meinungen: Du schreibst eine kommentierte Gliederung. Heldenaufgabe „Bodyguard“ Schreibtechnik Kommentierte Gliederung Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Wenn zentrale Fragestellung, Arbeitshypothese und Zielsetzung der Haus- oder Abschlussarbeit und ein erster Gliederungsentwurf vorläufig feststehen, ist als nächster Schritt eine kommentierte Gliederung sehr hilfreich, vor allem, bevor du den Inhaltstext „runterschreibst“. Die Gliederung ist bereits die wichtigste Strukturierung deiner Arbeit, deine Wegekarte. Aber auch damit kannst du dich noch „verlaufen“. Gehe deshalb noch stärker ins Detail und begründe die einzelnen Wegeschritte mit Bezug auf dein Hauptziel: die Beantwortung der zentralen Frage. Damit schaffst du den roten Faden in deinem Text. <?page no="167"?> Heldenaufgabe „Bodyguard“ 167 In dieser Übung baust du dein Sicherheitsnetz aus, mit dem du die Orientierung durch die Höhen und Tiefen deines Themas behältst und sicher deinen avisierten Endpunkt erreichst: die Beantwortung der zentralen Fragestellung im Fazit. Die kommentierte Gliederung fungiert damit quasi als dein ganz persönlicher Bodyguard für dich und dein Thema. Eine kommentierte Gliederung hilft dir zum einen, eine Art Fahrplan für die Arbeit zu erstellen, auf der anderen Seite überprüft und korrigiert sie noch einmal die bisherige Gliederung, indem sie einzelne Kapitel / Unterkapitel als redundant entlarvt. In der Folge können diese Abschnitte ersatzlos gestrichen werden. Es können sich auch Lücken in der Argumentation offenbaren, so dass die kommentierte Gliederung evtl. Anlass gibt andere, bisher nicht beachtete Aspekte und damit Kapitel noch hinzuzufügen. Auch Doppelungen von Inhalten eigentlich unterschiedlicher Teile der Arbeit werden offensichtlich, so dass man als Konsequenz die betroffenen Kapitel zum Beispiel „zusammenschiebt“. Ziele einer kommentierten Gliederung: ▶ Fahrplan zum Schreiben ▶ Transparenz der Argumentation ▷ Doppelungen werden sichtbar ▷ Redundanzen werden sichtbar Eine kommentierte Gliederung besteht darin, zu den einzelnen Kapiteln der Gliederung den jeweiligen Inhalt in kurzen Sätzen wiederzugeben, so dass es sich wie eine kurze Geschichte anhört. Diesen inneren argumentativen Zusammenhang stellst du her, indem du zu jedem Kapitel und zu jedem Unterkapitel kurz die zugrunde liegende Frage, den Inhalt und die Antwort, das heißt die Funktion des Kapitels in der Gesamtargumentation skizzierst. Das sind zwei bis drei Sätze pro Kapitel, die du in der Endfassung problemlos weiterverwenden kannst, etwa als Einleitung in das jeweilige Kapitel oder als kurzes Fazit am jeweiligen Ende. Es ist also keine verschenkte Zeit und kein unnötig produzierter Text, sondern du befindest dich mit den Sätzen der kommentierten Gliederung bereits mitten in der Textproduktion deiner Arbeit. 16 Arbeitsanleitung Halte für jedes (! ) Haupt-, / Unter- und Unter-Unterkapitel Folgendes in jeweils 1-2 Sätzen fest: 16 Idee nach: Kailuweit o.-J., S. 4 / o.-V. Leitfaden 2007, S. 5. <?page no="168"?> 168 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth ▶ Funktion des Kapitels in Bezug auf die Beantwortung der zentralen Fragestellung deiner Arbeit ▶ Teil- / Unter-Fragestellung, die diesem Kapitel zugrunde liegt ▶ Deine vermutete Antwort, die in diesem Kapitel auf diese Kapitelfragestellung gegeben wird = eine Kapitel-Hypothese Mit der kommentierten Gliederung solltest du maximal eine Stunde verbringen. Fallbeispiel „Bodyguard“ / Kommentierte Gliederung 1 Einleitung 2 Das Phänomen der Goldspinnerinnen In diesem Kapitel werden die Hintergründe des Phänomens „Stroh-zu-Gold- Spinnen“ beleuchtet. In diesem Kapitel wird die Frage aufgeworfen, unter welchen Umständen Goldspinnerinnen von der Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Die vermutete Antwort ist, dass die öffentliche Wahrnehmung der Goldspinnerinnen eingeschränkt ist, weil sie keine homogene Gruppe bilden. 2.1 Erstes Auftauchen Dieses Kapitel versucht, den Ursprung des Phänomens nachzuzeichnen. In diesem Kapitel wird die Frage erörtert, wann und an welchen Orten der Welt die ersten Goldspinnerinnen entdeckt wurden. Die vermutete Antwort ist, dass sich kein klarer Zeitpunkt oder örtlicher Ursprung definieren lässt, da das Phänomen unterschiedlich beschrieben und bewertet wird und nicht immer mit Sicherheit zu sagen ist, ob, wie und wann eine Goldspinnerin als solche erkannt worden ist. 2.2 Merkmale Dieses Kapitel hat die Funktion, herauszufinden, was die Goldspinnerinnen verbindet, so dass sie trotz unterschiedlicher Herkunft, Lebensumstände etc. eine Gruppe bilden. Daher wird die Frage aufgeworfen, inwiefern sich Zusammenhänge genetischer, biologischer oder ethnischer Art finden lassen. Die vermutete Antwort ist, dass es genetische Ähnlichkeiten gibt. <?page no="169"?> Heldenaufgabe „Bodyguard“ 169 2.3 Gesellschaftliche Begehrlichkeiten Dieses Kapitel hat die Funktion, mögliche Motivationen für Sklaverei aufzudecken. Die Frage, die diesem Kapitel zugrunde liegt, ist daher: Welchen Nachstellungen, Vereinnahmungen waren die Goldspinnerinnen bereits vor ihrer „Arbeitsaufnahme“ bei Goldsmith ausgesetzt? Die vermutete Antwort ist, dass es bereits mehrfache Gewalt- und Entführungsdelikte gab und die Goldspinnerinnen daher das Angebot von Goldsmith als Rettung empfanden. 2.4 Aktuelle Lebenssituation Die Funktion dieses Kapitels ist es, Hintergründe und Details über die derzeitigen Lebensumstände der Goldspinnerinnen darzulegen. Die Frage, die hier aufgeworfen wird, lautet: Welche Hinweise gibt es auf eine unfreiwillige Gefangenschaft? Die vermutete Antwort ist, dass es schwer sein wird, Beweise für eine Freiheitsberaubung zu erbringen. 3 Wissenschaftliche Thesen zur Umwandlung von Stroh zu Gold Die Funktion dieses Kapitels ist es, zum einen herauszufinden, inwiefern die Goldspinnerinnen über eine „echte“ Gabe verfügen oder Goldsmith mit dem Geheimnis um diese Gruppe ein anderes Geheimnis versteckt, das es gilt, aufzuklären. Auch eine Klärung möglicher Hintergründe für den speziellen Umwandlungsprozess von Stroh zu Gold könnte Vermutungen über die - im Dunkeln gehaltene - Lebenssituation der Goldspinnerinnen ermöglichen. Die Frage, die sich in diesem Kapitel stellt, ist, inwiefern sich wissenschaftlich nachweisbare Hinweise auf den Umwandlungsprozess und die Rolle der beteiligten Goldspinnerinnen finden lassen. Als vermutete Antwort wird angenommen, dass es eine echte „Begabung“ der beteiligten Frauen gibt und die Art des Herstellungsprozesses in irgendeiner Weise ihre Geheimhaltung und Abschottung von der Öffentlichkeit verursacht. 3.1 Chemische Ansätze Dieses Kapitel hat die Funktion, die bisher nachweisbaren Äußerungen in den Medien und der Fachpresse zu möglichen chemischen Prozessen, die für eine Umwandlung von Stroh zu Gold in Frage kommen, zu beleuchten. <?page no="170"?> 170 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth Die Frage, die dabei aufgeworfen wird, ist, inwiefern sich dieses mögliche chemische Erklärungsmodell im Rahmen bisheriger chemischer Prozesse abspielt, oder es sich um eine völlige Innovation bzw. Abweichung oder Übersteigerung des bisherigen chemischen Repertoires handelt. Als Antwort wird vermutet, dass es sich nicht um einen bisher bekannten chemischen Prozess, sondern eine neuartige Synthetisierung chemischer, biologischer und physikalischer Prozesse handelt. 3.2 Genbiologische Ansätze Dieses Kapitel hat die Funktion, in Parallele zu P.3.1 Anzeichen für einen genbiologischen Erklärungsansatz für das Umwandeln von Stroh zu Gold zu finden. Die Frage, die dazu aufgeworfen wird, ist: Inwiefern sind solche genbiologischen Erklärungsmuster nur für eine kleine Gruppe von Menschen, insbesondere ausschließlich weiblichen, zu erklären? Die vermutete Antwort ist, dass die Lösung sich möglicherweise auf dem X-Chromosom befindet. 3.3 Sonstige Thesen Dieses Kapitel hat die Funktion, weitere in der Presse und Fachpresse geäußerte Meinungen und Erklärungsversuche in einem Schema mit Übersicht über die möglichen Ansatzpunkte und Argumente zusammenzustellen. Die Frage, die sich dabei aufwerfen lässt, ist: In welcher Hinsicht geben auch nicht-wissenschaftliche Erklärungsversuche eventuell einen Hinweis auf die Aufdeckung der Umwandlungsmethode? Die vermutete Antwort ist, dass vor allem die Überlegungen aus der esoterischen Presse wertvolle Hinweise geben, da die Lösung des Problems in einem naturwissenschaftlich-fachübergreifenden neuen Prozess und Erkenntnismoment vermutet wird, insbesondere: eine Strahlung im Hyper-Gammabereich. 4 Goldspinnerinnen als Sklavinnen der Goldsmith Corp. Die Funktion dieses Kapitels liegt darin, einen Zusammenhang zwischen der Außerordentlichkeit der Umwandlungsmethode und den dubiosen Lebensbedingungen der umwandelnden Arbeiterinnen aufzudecken. <?page no="171"?> 171 Heldenaufgabe „Bodyguard“ Die Frage dabei ist, welche konkreten Hinweise es gibt, dass es sich bei den Goldspinnerinnen um Sklavinnen in der Definition des Begriffs handelt. Es wird vermutet, dass der Prozess des Umwandelns von Stroh zu Gold einseitig den Interessen des Konzerns Goldsmith Corp. dient und bzgl. des Wohls der Frauen möglicherweise die Menschenrechte verletzt. 4.1 Definition des Begriffs „Sklaverei“ Die Funktion dieses Kapitels liegt darin, eine begriffliche Grundlage zu schaffen, auf der Hinweise auf die Lebensbedingungen der Goldspinnerinnen in Bezug auf einen möglichen Sklavenstatus gedeutet werden können. Die Frage, die in diesem Kapitel zentral ist, ist, welche Definitionsbedingungen für Sklaverei sich bei den Goldspinnerinnen finden lassen. Die vermutete Antwort ist, dass mehrere Konditionen für Sklaverei vorliegen, das Problem aber in der eindeutigen Nachweisbarkeit liegt. 4.2 Geschichte des Unternehmens Die Funktion dieses Kapitels liegt darin, die Organisation und Konzernrichtlinien der Goldsmith Corp. zu verstehen, um die Integrationsbedingungen des Konzepts „Stroh-zu-Gold-Spinnen“ näher umreißen zu können. Die aufgeworfene Frage ist dabei: Inwieweit gab es bereits in der Vergangenheit ähnliche Projekte des Konzerns, die ggf. geltendes Recht gebrochen haben? Die vermutete Antwort ist: Die meisten Handelsbeziehungen sowie Vereinbarungspartner der Goldsmith Corp. sind der Öffentlichkeit und den Medien nicht bekannt. 4.3 Das Konzept „Goldspinnerinnen“ Dieses Kapitel hat die Funktion, so weit wie möglich Daten und Fakten über das offensichtlich hochgesicherte Geheimnis des Goldsmith-Projektes „Goldspinnerinnen“ zu sammeln und zu sortieren. Dabei ist die zentrale Fragestellung, welche Verantwortlichen, welche Nutznießer und welche eventuell globalen Strategien von gesellschaftlichem Ausmaß ausfindig zu machen sind. <?page no="172"?> 172 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth Die vermutete Antwort ist, dass Goldsmith mithilfe des Konzeptes „Goldspinnerinnen“ binnen Jahresfrist nicht nur den Goldmarkt beherrschen, sondern eine Monopolstellung auf dem Finanzmarkt ungeahnten Ausmaßes erreichen wird. 4.3.1 Bauliche Konsequenzen Die Funktion dieses Kapitels ist es, die Baumaßnahmen des Goldsmith Konzerns in Relation zu bisherigen Marktkonzepten zu setzen. Die Kapitel-Frage dabei ist, inwiefern insbesondere die eigens für die Goldspinnerinnen erstellten Bauprojekte auf ihre Nutzung und das globale Strategieziel schließen lassen. Es wird vermutet, dass der bisher entstandene neue Konzernkomplex eine Art Pilotbau für weitere in der ganzen Welt ist. 4.3.2 Veränderte Marktstrategie Dieses Kapitel hat die Funktion, herauszustellen, inwiefern der Stroh-zu-Gold-Wandlungsprozess ein bereits erkennbares neues Marktverhalten der Goldsmith Corp. zeigt. Die Frage ist, welche dieser Veränderungen auf eine globale Monopolisierung und finanztechnische Eroberungsstrategie hinweisen. Die vermutete Antwort ist, dass Goldsmith seine bisherige Aggressivität vollkommen zurückgefahren hat, sozusagen „um den Feind nicht aufzuschrecken“, sondern ihn mit einer unerwarteten plötzlichen Vormachtstellung auf den Finanzmärkten zu überwältigen. 4.3.3 Öffentlichkeitsarbeit Dieses Kapitel hat die Funktion, Besonderheiten der Öffentlichkeitsarbeit des Konzerns Goldsmith in Bezug auf die Goldspinnerinnen herauszustellen. Dabei ergibt sich als Frage, welche Hinweise auf eine systematische Zurückhaltung von Informationen und Täuschungen der Öffentlichkeit es gibt. Die vermutete Antwort ist, dass Goldsmith Corp. mithilfe einer Reihe von Scheinfakten versucht, die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe des Projekts „Goldspinnerinnen“ zu täuschen und von der Wirklichkeit abzulenken. <?page no="173"?> 173 4.4 Auswirkungen auf den globalen Goldmarkt Dieses Kapitel hat die Funktion, anhand außergewöhnlicher Auswirkungen auf den Goldmarkt eine Strategie zur Monopolisierung der Goldsmith Corp. mit und seit der Nutzung des Konzeptes „Goldspinnerinnen“ herauszukristallisieren. Dabei steht die Frage im Mittelpunkt, inwiefern sich speziell seit Einführung des Konzeptes „Goldspinnerinnen“ Veränderungen nachweisen lassen, die den Wert, das Handelsvolumen und die Nachfrage des Goldes betreffen. Als vermutete Antwort lässt sich anführen, dass der Goldpreis zunächst schlagartig gesunken ist. 4.4.1 Reaktionen in Wettbewerbsländern Dieses Kapitel hat die Funktion, die Reaktionen der Wettbewerbsländer mit großen Goldvorkommen sowie der konkurrierenden Goldhändler weltweit als Hinweis auf die Marktveränderung durch das Konzept „Goldspinnerinnen“ festzuhalten. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern diese Reaktionen sich als Erschütterung oder Panik interpretieren lassen. Es wird vermutet, dass der Wettbewerb am globalen Goldmarkt seitens der Goldsmith Corp. eine massive Veränderung der Wettbewerbslage fürchtet. 4.4.2 Reaktionen an der Börse Dieses Kapitel hat die Funktion, die Reaktionen der Weltwirtschaft über die Veränderungen des reinen Goldmarktes hinaus auf die Einführung der „Goldspinnerinnen“ herauszustellen. Dabei ist die zentrale Frage, welche Hinweise es auch hier auf eine Erschütterung und eventuelle Krise der Weltwirtschaft seit Einführung der „Goldspinnerinnen“ gibt. Vermutete Antwort dabei ist, dass es im Gegenteil eine große Entspannung und eine Bergfahrt der Aktien gibt, die allerdings auch bei Einbruch eine große Krise nach sich zieht - möglicherweise ein von Goldsmith erwünschtes Ergebnis als Vorbereitung der globalen Vorrangstellung im Anschluss. Heldenaufgabe „Bodyguard“ <?page no="174"?> 174 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth Hintergrund: Die Katharsis in der wissenschaftlichen Arbeit Eine wissenschaftliche Arbeit überhaupt als „Drama“ zu betrachten, lässt sich anhand dreier Übereinstimmungen mit dem dramatischen Konzept legitimieren: erstens der Dreiteilung durch den wissenschaftlichen Dreiertakt, die dem dramatischen Konzept der Drei-Akt-Struktur entspricht, zweitens dem Effekt der Katharsis und drittens durch Fokussierung auf einen zentralen Konflikt und eine zentrale Perspektive. Im Drama ist das der Konflikt des Helden und die Fokussierung auf seine Person, in der wissenschaftlichen Arbeit findet sich dieselbe Struktur im zentralen Forschungsproblem und der einheitlichen Perspektive der wissenschaftlichen Autorin wieder. „Filme lassen sich sehr häufig in drei Akte einteilen: Im ersten geht es um die Entscheidung des Helden zu handeln, im zweiten um die Handlung selbst und im dritten um die Konsequenzen, die daraus entstehen. Die erste Schwelle markiert damit also genau den Wendepunkt zwischen erstem und zweitem Akt. Der Held hat seine Angst überwunden, sich entschlossen, das Problem anzugehen und zu 4.4.3 Konsequenzen für arme Länder Dieses Kapitel hat die Funktion, neben der Not der Spinnerinnen eine weitere mögliche Notlage als Konsequenz des Projektes „Goldspinnerinnen“ zu benennen: der Einfluss auf die Wirtschaftssituation besonders armer und von den Industrienationen abhängiger Staaten. Die Kapitel-Frage dabei ist, inwiefern sich Parameter aufstellen lassen, die einen möglichen bevorstehenden Zusammenbruch des Goldmarktes in seinen Konsequenzen auf die Wirtschaft der sogenannten „Schwellenländer“ aufzeigen. Es wird als Antwort vermutet, dass eine monopolisierte Vorrangstellung des Goldsmith Konzerns in ihren gesamten weltwirtschaftlichen Auswirkungen eine Reihe wirtschaftlich schwacher Länder in den vollkommenen Ruin und die weltwirtschaftliche Bedeutungslosigkeit manövrieren wird. 5 Fazit <?page no="175"?> Hintergrund: Die Katharsis in der wissenschaftlichen Arbeit 175 17 18 19 20 21 22 17 Vogler 2004, S. 63. 18 Field 1996, S. 11 ff. 19 Aristoteles 1978, S. 33 f. 20 Field 1996, S. 12 f. 21 Führ o.-J. 22 Bünting, Bitterlich & Pospiech 2000, S. 115. handeln. Nun muss er sich ins Abenteuer begeben. Es gibt für ihn kein Zurück mehr“ 17 . Die Heldenmethode folgt - ebenso wie die Heldenreise bei Vogler auch - einer Drei-Akt-Struktur, wie sie Syd Field für erfolgreiches Drehbuchschreiben empfiehlt 18 . Diese Dramenstruktur geht auf Aristoteles und seine ‚Ars Poetica‘ zurück. Bei Aristoteles und den nachfolgenden antiken Dramen - und danach in der Mehrzahl aller Theaterstücke bis heute - folgen Theaterstücke einer äußeren Dreiteilung, der auch der innere Fortgang der Handlung entspricht. Insbesondere die Entwicklung des Protagonisten (= des Helden) inklusive seiner inneren Persönlichkeitsentwicklung unterwirft sich dieser Dreier-Struktur: Bei Aristoteles soll ein Drama dem Anspruch der Ganzheit genügen, und „Ganz ist, was Anfang, Mitte und Schluss hat“ 19 . Bei Field ist der erste Akt die „Exposition“, die die Geschichte etabliert. Im zweiten Akt, der „Konfrontation“, spielt sich der Großteil der Geschichte ab einschließlich des Konfliktes. Den dritten Akt nennt Field „Auflösung“ - hier wird das Ende der Geschichte und das weitere Schicksal der Hauptfigur beschrieben 20 . Unschwer lässt sich an dieser Dreiteilung eine Parallele zum wissenschaftlichen Forschungsprozess erkennen, der nach einem Prinzip abläuft, das Martin Führ in der dritten seiner „10 Grundregeln bei der Formulierung von wissenschaftlichen Texten“ „wissenschaftlicher Dreier-Takt“ nennt 21 : Frage - Lösungsweg - Antwort, oder auch: Problem - Gestaltungsoption - Lösung. Auch das empfohlene Grundschema für wissenschaftliches Arbeiten: Einleitung - Hauptteil - Schluss, oder alternativ auch: Theoretischer Hintergrund - Analyse - Fazit 22 , gibt eine solche Dreiteilung des erwarteten Prozesses wieder. Es drängt sich die Vorstellung auf, dass eine solche Dreiteilung eine allgemein menschliche Strategie im Umgang mit Entwicklung, Veränderung, Problemlösung ist. Auch Marietheres Wagner spricht von einem dramatischen Grundprinzip in unserem Leben und Denken. Sie sieht Dramaturgie nicht durch Dramen hervorgerufen, sondern stellt die These auf, dass Dramen womöglich lediglich eine Struktur <?page no="176"?> 176 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth 23 24 25 26 27 28 29 23 Wagner 2014, S. 11. 24 Wagner 2014, S. 10. 25 Field 1996, S. 12 f. 26 Vogler 2004, S. 74 f. 27 Freytag 2015, S. 94. 28 Vogler 2004, S. 275. 29 Campbell 2015, S. 264 f. unseres Denkens abbilden und Texte die Dramaturgie des Denkens spiegeln 23 . Ähnlich Voglers Entdeckung, dass die meisten erfolgreichen Hollywood-Drehbücher teilweise bewusst, aber auch unbewusst der von Joseph Campbell herauskristallisierten dramatischen Struktur der Heldenreise folgen, vermutet auch Wagner zumindest eine Wechselwirkung zwischen Realität und Fiktion bzw. Text 24 . Diese Dreiteilung des Dramas wird sowohl bei Field als auch bei Vogler und Freytag noch erweitert durch zusätzliche Wendepunkte. Bei Field sind dies die beiden Plotpoints, die zwischen erstem und zweitem sowie zweitem und drittem Akt liegen und die Geschichte nochmal in eine neue Richtung lenken 25 . Bei Vogler sind es die drei „Schwellenüberschreitungen“ des Helden an eben diesen Stellen sowie zusätzlich am Höhepunkt der Geschichte 26 . Gustav Freytag unterteilt das Drama in fünf Teile. Drei davon sind dem aristotelischen pyramidalen Bau eines Dramas geschuldet: Einleitung, Höhepunkt und Katastrophe. Dazwischen liegen die Teile, die die Übergänge schaffen: Steigerung zwischen Einleitung und Höhepunkt und Fall oder Umkehr zwischen Höhepunkt und Katastrophe 27 . Diese Fünfteilung klingt noch einmal bei dem Phasen-Modell des wissenschaftlichen Arbeitens an (s. S. 55 ff.). Eine zentrale Bedeutung in der Übertragung der Dramenstruktur auf wissenschaftliche Haus- und Abschlussarbeiten oder genauer gesagt: beim Herauslesen dieser Struktur aus der „natürlichen“ Anlage der Arbeit hat das Ziel des Dramas: die Katharsis des Helden und mit ihm aller Zuschauer oder Leser. Die Katharsis als „Reinigung“ von allen negativen Emotionen ist Nebenwirkung und Motor der Problemlösung zugleich. Auch Campbell und Vogler sehen als Ziel der Heldenreise nicht nur die Rettung eines Schatzes oder die Bannung einer Gefahr, die Tötung eines Untiers, sondern auch und vor allem die Verwandlung 28 oder die Apotheose 29 des Helden. Die Definition der Katharsis im aristotelischen Sinne entspringt folgender Textstelle aus seiner ‚Ars Poetica‘: „Die Tragödie ist die Nachahmung einer edlen und abgeschlossenen Handlung von einer bestimmten Größe in gewählter Rede, derart, <?page no="177"?> Hintergrund: Die Katharsis in der wissenschaftlichen Arbeit 177 30 31 30 Aristoteles 1978, S. 30. 31 Freytag 2015, S. 90. daß jede Form solcher Rede in gesonderten Teilen erscheint und daß gehandelt und nicht berichtet wird und daß mit Hilfe von Mitleid und Furcht eine Reinigung von eben derartigen Effekten bewerkstelligt wird.“ 30 Übertragen auf den wissenschaftlichen Kontext und das Ziel einer wissenschaftlichen Abhandlung ist Katharsis (das griechische Wort für ‚Reinigung‘) auch eine Form von Identifikation - denn darum geht es ja offensichtlich beim Drama: Die dargestellten Gefühle werden sozusagen parallel im Zuschauer erzeugt und damit kann auch er sich von ihnen befreien. Dadurch hat der Zuschauer beim Drama die Chance, seine eigenen Ängste auf den Protagonisten zu projizieren, und anstatt sie selber zu durchleben, lässt er sich ihrer durch den Helden entledigen, indem er diesen stellvertretend als übergeordnete dramatische Figur die notwendigen Handlungen erleiden lässt. Wo ist nun die Parallele zum wissenschaftlichen Schreiben? Auch hier gibt es eine „Stellvertreter-Handlung“: Die Autorin der wissenschaftlichen Arbeit macht die Forschungsarbeit stellvertretend für den akademischen Leser. Von ihren Mühen profitiert der nächste Forscher - er muss diese Arbeit nicht noch einmal selber vollbringen. Aber auch die Autorin selbst lässt das wissenschaftliche Problem für sich als Stellvertreter agieren: indem sie letztlich die Fakten gegeneinander antreten und kämpfen lässt. Diesen Prozess kann die Autorin mit einer mutigen und entschiedenen eigenen Positionierung befördern: „Das Wesen des Dramas ist Kampf und Spannung; je früher diese durch den Haupthelden selbst hervorgerufen und geleitet werden, desto besser“ 31 . Die Reinigung im wissenschaftlichen „Drama“ besteht in der Beweisführung, die eine falsche Annahme berichtigt oder eine bisher ungelöste Frage klärt, einen Konflikt im wissenschaftlichen Diskurs löst und so zu einer neuen Überzeugung und Erkenntnis führt. Die dritte Übereinstimmung zwischen Dramenkonzept und wissenschaftlichem Schreiben ist die Fokussierung auf ein zentrales Thema. Diese gibt dem Leser die Möglichkeit der Identifikation mit dem Helden bzw. dem wissenschaftlichen Thema in Verschmelzung mit der wissenschaftlichen Autorin. Aristoteles schreibt von der Notwendigkeit, sich „auf eine einzige, geschlossene und vollständige Handlung“ zu beziehen, „damit das geschlossene Ganze wie ein organisches Wesen die ent- <?page no="178"?> 178 Schreib-Szene 10 Navigation durchs Labyrinth 32 33 34 32 Aristoteles 1978, S. 59. 33 Freytag 2015, S. 87. 34 Freytag 2015, S. 22. sprechende Freude hervorbringt“ 32 . Wenn diese Einheit gewährleistet ist, dann kann die erhoffte Wirkung, „die Freude“, der erzielte Effekt erfolgen, den Freytag so formuliert: „Diese merkwürdige Ergriffenheit von Leib und Seele, das Herausheben aus den Stimmungen des Tages, das freie Wohlgefühl nach großen Aufregungen ist genau das, was bei dem modernen Drama der Katharsis des Aristoteles entspricht“ 33 . Freytag sprich dabei von starken Seelenbewegungen, die dramatisch sind darin, dass sie sich schließlich zu einem Willen und einem Tun verhärten 34 . In der Übertragung auf die Situation Studierender, die eine wissenschaftliche Arbeit verfassen, lässt sich zum einen feststellen, dass eben diese starken Seelenbewegungen bei Studierenden zunächst meist in ihrer negativen Ausprägung in Form von Schreibpanik offensichtlich im Übermaß vorhanden sind. Entsprechend stark sind diese Seelenbewegungen, wenn sie in kraftvolle Schreibenergie umgewandelt werden und dann einen höchst beeindruckenden und überzeugenden Text entstehen lassen. Außerdem sollte auch eine wissenschaftliche Arbeit insofern Folgen auf das Gemüt des Lesers haben, als dieser zu weiterem Handeln oder Forschen positiv motiviert wird. Im wissenschaftlichen Kontext beim Schreiben einer Haus- oder Abschlussarbeit bedeutet Katharsis die Lösung des Problems. Diese wird ermöglicht auf Basis der emotionalen Ebene der Studierenden. Darüber hinaus - und das ist für jede Studierende ein „Nebennutzen“, der für ihre gefühlte Lebensqualität von unschätzbarem Wert ist - durchläuft die Studierende beim Abfassen der akademischen Arbeit einen Lösungs- und Stärkungsprozess, den sie auf ihrer innersten emotionalen Ebene erlebt und der dabei auf ebendieser Ebene denselben Effekt erzielt. Mit anderen Worten: Der Verfasser einer wissenschaftlichen Arbeit, der diesen Forschungsprozess als bewussten emotional verankerten Heldenprozess erlebt, erzeugt und hinterlässt nicht nur ein argumentativ überzeugendes wissenschaftliches Plädoyer, sondern auch ein gestärktes, ermutigtes, befreites inneres neues Selbst. <?page no="179"?> Hintergrund: Die Katharsis in der wissenschaftlichen Arbeit 179 Schreib-Szene 11 Der Sieg Regieanweisung: Behalte alle Fäden in der Hand Nun hast du es fast geschafft, deine Heldenreise neigt sich dem Ende. Mit deiner kommentierten Gliederung hast du den perfekten Fahrplan zur Ausformulierung deiner Kapiteltexte. Wie du in der vorhergehenden Szene im Zuge der kommentierten Gliederung erfahren hast, wird wie bei einem abenteuerlichen Wanderweg auch bei der wissenschaftlichen Arbeit in Fragen gedacht: Welchen Weg halte ich für den aussichtsreichsten? Warum? Wo führt er mich hin? Mit welcher Begründung treffe ich genau diese Wahl? Diese Überlegungen hast du in der kommentierten Gliederung formuliert. Und nun gehst du los, Kapitel für Kapitel, Weg für Weg, Kreuzung für Kreuzung. Dabei dokumentierst du jeden Wegabschnitt, beschreibst, was dir dort begegnet, was du mit deinem suchenden Auge findest, welche Überlegungen dich vor der nächsten Wegkreuzung erwarten und wie du sie zu entscheiden gedenkst, zum Beispiel aufgrund der Erfahrungen, Fundstücke, die du auf diesem Wegabschnitt gemacht oder gesammelt hast. Du schreibst auf, was in diesem Wegabschnitt passiert ist und welcher weitere Weg nun sinnvoll erscheint. Nun geht die Planung in die Feinarbeit und wichtig ist, dass alle weiteren Informationen sich deinem argumentativen Gerüst auf der einen oder anderen Seite einspinnen lassen. Dein roter Faden ist da, aber wichtig ist, dass du ihn auch beim Schreiben deiner Kapiteltexte in der Hand behältst. Diese Form der Dokumentation schlägt sich in der wissenschaftlichen Arbeit in Form von strukturierenden Formulierungen nieder, die deine Gedankengänge gliedern und transparent machen. Es sind Überleitungen an „Gelenkstellen“ 35 deiner Argumentation, vorzugsweise zwischen Abschnitten und Kapiteln. Diese strukturierenden Formulierungen leiten am Ende des einen Kapitels auf das weitere Vorgehen im nächsten Kapitel über, gerne auch in Form von kleinen Kapitelzusammenfassungen oder Kapitel-Fazits. Die im Rahmen deiner kommentierten Gliederung verfassten Sätze sind bereits solche strukturierenden Formulierungen, die du nahtlos in deinen Arbeitstext einbauen kannst. Sie 35 Esselborn-Krumbiegel 2012, S. 141. <?page no="180"?> 180 Schreib-Szene 11 Der Sieg „tragen“ deine Argumentation, durch sie beschreitest du die Ebene der Beweisführung. Damit gewinnst du eindeutig an Souveränität und gehst in deinem Schreibstil klar über ein reines demütiges Aneinanderreihen fremder Zitate und Argumentationen hinaus. Genau das ist es, was an dich als Leistungsanforderung gestellt wird: einen eigenen Fokus auf dein Thema zu richten. Deine Prüfungsleistung liegt darin, alleine durch die auf wissenschaftlichen Daten basierende Relevanz des Themas, die daraus erwachsende Fragestellung und eine auf nachweisbaren Daten basierende Arbeitshypothese einen eigenen Fokus aufzubauen. Steht dieser fest, ist das weitere Vorgehen zwingend konsequent eine Beweisführung dieser These. Ab jetzt offenbart sich deine eigene Forschungsposition alleine in diesem wissenschaftlichen Dreischritt plus entsprechender logischer Argumentation. Diese Argumentation ist das „Herz “ deiner Forschungsarbeit. Die Beweisführung ist jetzt der Weg zurück als Sieger. Um deinem Leser - und deinen Prüfern - dein Plädoyer unmissverständlich vor Augen zu führen (und auch, damit du selber deinen roten Faden nicht mehr verlierst), ist es wichtig, strukturierende Formulierungen einzufügen, die dir und jedem Leser klar machen, warum du welche Schlüsse vor welchem Hintergrund - und eventuell entgegen welchen widerstreitenden Aussagen - ziehst. Diese offene, klare, verständliche Beweisführung ist dem wissenschaftlichen Grundsatz der Transparenz geschuldet. Mithilfe der Formulierungshilfen wird deine Argumentation gedanklich geordnet, Sätze und Absätze, Fakten und Studien werden eindeutig in Beziehung zueinander gebracht. Ein neu begonnenes Kapitel knüpft einmal kurz an das Ergebnis im vorhergehenden Kapitel an, um deutlich zu machen, wo in der Argumentation sich der Leser (und nicht zuletzt auch du als Autorin) sich gerade befindet. Auch Absätze können so eindeutig Bezug aufeinander nehmen. Vor allem in sehr komplexen, abstrakten und detailreichen Arbeiten, bei denen man leicht den Überblick über die klare Argumentationsstruktur verlieren kann, ist das sehr sinnvoll und hilfreich. Selbstverständlich gilt es, dies nicht zu übertreiben - das kann man kontrollieren, indem man diese strukturierenden Maßnahmen auf ein bis zwei Sätze pro Seite begrenzt. Zum anderen ist es wichtig, dass diese Formulierungen nicht in leeren Worthülsen enden, sondern, wie es so schön heißt, inhaltlich konkret in deinem Thema verankert sind 36 . 36 Kühtz 2012, S. 58. <?page no="181"?> Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ 181 Das Besondere und besonders Hilfreiche von Strukturierungsformulierungen im wissenschaftlichen Text kannst du durch Ausprobieren sehr leicht erfahren: In dem Moment, wo du sie einsetzt, musst du auch inhaltlich „Farbe bekennen“. Fügst du also beispielsweise in deinen Text die Strukturierungshilfe ein „Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht die Frage ...“, dann musst du auch eine Frage parat haben. Insofern sind diese Formulierungshilfen nicht nur sozusagen äußere „wissenschaftliche Maquillage“, sondern sie zwingen dich auch zu einer gedanklichen und inhaltlichen Erfüllung ihrer strukturierenden Form. Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ Schreibtechnik Freewriting mit Überleitungen und Verknüpfungen Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Diese vorletzte Übung ist eine Beispielübung dafür, wie du nach beendetem Schreibcoaching deinen gesamten Arbeitstext schreiben kannst. In dieser Übung nimmst du dazu stellvertretend einen Textausschnitt aus deiner begonnenen wissenschaftlichen Arbeit. Mit der dir bereits bekannten Methode des Freewritings fertigst du einen Rohtext an, den du dann anhand von Strukturierungshilfen aus einer Liste (s. u. S. 183 ff.) argumentativ überarbeitest. Das Einfügen von Zitaten und Quellen ist dann der nächste Schritt. Das Besondere an dieser Übung ist, dass sie dir eine ideale Vorlage gibt, wie du den Text deiner gesamten Haus- oder Abschlussarbeit entstehen lassen kannst. Außerdem unterstützt sie noch einmal das für dich wichtige Gefühl als Inhaber der „Lizenz zum Schreiben“, dass du oberster Souverän deines Schreibprozesses bist, weil die Basis deines Textes deine eigenen argumentativ Wenn du dein Grundgerüst der Argumentation mit Text füllst, ist es wichtig, den roten Faden in der Hand zu behalten. Behilflich sind dir dabei Formulierungshilfen, die dich zu einer argumentativen Sprache zwingen und dich so dazu bringen, deinem Hauptziel zu folgen: der Beantwortung der zentralen Forschungsfrage. <?page no="182"?> 182 Schreib-Szene 11 Der Sieg entstandenen Ideen sind und die zur Beweisführung hinzugezogenen Fremdmeinungen, Zitate und Quellen dieser dienend untergeordnet werden. Dazu ist es sehr sinnvoll, ein solches eigenes Textgerüst entstehen zu lassen, bevor es mit Zitaten und Daten „angereichert“ wird. Durch die argumentativ ausgerichteten Formulierungshilfen wird dir noch einmal sehr bewusst, dass du deinen Text nur zu einem Zweck schreibst: eine Antwort auf deine zentrale Fragestellung zu finden. Zu diesem Zweck hast du deine Frage in viele kleine Fragen aufgeteilt und stehst nun vor der Aufgabe, diese vielen kleine Antworten transparent zu machen und schließlich zu der einen großen Antwort am Ende deiner Arbeit zusammenzuführen: Beim Schreiben deiner Kapiteltexte reihst du eben nicht einfach Fremdmeinungen in Sinngruppierungen aneinander und gibst damit die Antwort an andere ab, sondern bist dir deiner eigenen Ver-Antwort-ung voll bewusst. Arbeitsanleitung Teil 1 Freewriting Die Methode Freewriting hast du ja bereits zweimal angewandt: einmal in Szene 3 „Konfrontation mit dem Gegner“ und ein zweites Mal in Szene 5 „Point of no return“. Hier in dieser Szene nun berichtest du über deinen Sieg mithilfe eines Freewritings, das in einem zweiten überarbeitenden Schritt noch an Gestalt gewinnt. Nimm dir eines der Unterkapitel aus deiner Gliederung als Thema für das jetzige Freewriting vor. Rufe dir kurz bevor du mit dem Schreiben beginnst noch einmal die wesentlichen Ideen zu diesem Kapitel in Erinnerung. Wenn das nicht gelingen sollte, beginne einfach, wie bei den letzten Malen, assoziativ zu schreiben. Beginne dein Freewriting mit dem Satz, den du in der kommentierten Gliederung zur Funktion dieses Kapitels bereits formuliert hast. Vermutlich beginnt dieser Satz mit den Worten „Dieses Kapitel hat in Bezug auf die zentrale Fragestellung die Funktion ...“ Solltest du mit diesem Punkt allgemein Probleme gehabt haben, könntest du auch mit der in diesem Kapitel aufgeworfenen Fragestellung beginnen: „In diesem Kapitel geht es um die Frage, inwiefern (o. ä. Anschlüsse) ...“. Denke nicht zu lange darüber nach, welchen Beginn du wählst, sondern entscheide dich für einen der beiden und lege los. Wie im Freewriting üblich, solltest du - diesmal etwa 20 Minuten - ungestört und ohne Unterbrechung schreiben und deine eventuell „querschießenden“ Gedanken einfach mit hineinfließen lassen. Im nächsten Schritt kannst du dann alles Redundante wieder herausstreichen. <?page no="183"?> Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ 183 Arbeitsanleitung Teil 2 Strukturierungshilfen Nun nimmst du dein Freewriting und schmeißt im ersten Schritt alle Quergedanken raus. Dann glättest du die Grammatik (es ist völlig normal, dass beim Freewriting die Sätze schon mal logisch brechen). Dann kommt der wesentliche Schritt, aus diesem Rohtext einen haus- oder abschlussarbeitstauglichen Endtext zu machen. Wie schon erwähnt lassen wir in dieser Übung den letzten Schritt, die Einfügung von Quellen und Zitaten zur Unterstützung deiner Gedanken und damit zusammenhängender zusätzlicher erläuternder Sätze, im Moment außen vor. Das ist aber für dich der nächste Schritt, wenn du den Gesamttext deiner Arbeit „runterschreibst“ und aus den Freewriting-Rohtexten Endtexte erarbeitest. In dieser Übung beschränken wir uns darauf, dass du deinen Rohtext mithilfe strukturierender Formulierungshilfen argumentativ anreicherst. In den 20 Minuten deines Freewritings hast du vermutlich etwa eineinhalb bis zwei DIN- A4-Seiten Text geschrieben (handschriftlich - wenn du auf dem PC schreibst, eher etwas weniger). Wenn du diesen im ersten Schritt „bereinigt“ hast, bleiben vielleicht noch eine bis anderthalb Seiten Rohtext übrig. Nimm dir nun die Liste der Formulierungshilfen aus dieser Übung und suche dir mindestens vier, höchstens sechs Formulierungen heraus, die du in deinen Text sinnvoll einflechten kannst. Möglicherweise musst du bei diesem Prozess auch noch zusätzliche Sätze einfügen, um die externe Formulierung sinnvoll einzubinden. Wahrscheinlich ist auch, dass du die schon geschriebenen Sätze etwas abändern musst, um die neuen Formulierungen einzufügen. Typisch ist auch der Effekt, dass du eine Formulierung neu hinzufügst, die ein von dir bis dahin noch nicht getroffenes Statement nach sich zieht. So ist es etwa unerlässlich, dass du nach Einsetzen der Formulierung: „Im Zentrum dieses Kapitels steht die Frage ...“ dann eben auch eine solche Basis-Frage formulierst. Solltest du während dieser Übung spontane Einfälle für wichtige Zitate oder Quellen haben, dann füge diese selbstverständlich sofort ein - ohnehin solltest du dir alle deine Ideen irgendwo sofort notieren. Liste möglicher Formulierungshilfen: ▶ Zum Einleiten: ▷ In diesem Kapitel (dieser Arbeit) wird dargestellt / thematisiert / untersucht ... ▷ Dieses Kapitel befasst sich mit ... ▷ Es geht in diesem Kapitel um ... <?page no="184"?> 184 Schreib-Szene 11 Der Sieg ▷ Dieses Kapitel widmet sich ... ▷ Das vorliegende Kapitel setzt sich mit ... auseinander ... ▶ Das Thema begründen / einordnen: ▷ Im Rahmen dieses Kapitels soll die Frage beantwortet werden ... ▷ Die Frage (nach) ist von besonderem Interesse, weil ... ▷ Die Relevanz / Aktualität des Themas ergibt sich aus ... ▷ ... ist ein viel diskutiertes und strittiges Thema, weil ... ▷ Das vorliegende Kapitel behandelt die Frage, ob / wie / inwiefern ... ▶ Ziel der Arbeit / des Kapitels formulieren: ▷ Das Kapitel hat zum Ziel / verfolgt das Ziel ... ▷ Im Rahmen dieses Kapitels soll ... ▷ Ziel dieses Kapitels ist, ... (einen Überblick zu geben, eine Systematik zu erarbeiten, eine Handlungsempfehlung zu geben, eine Gegenüberstellung von ...) ... ▷ Dieses Kapitel konzentriert sich auf ... ▷ Das folgende Kapitel überprüft / vergleicht / beschreibt / interpretiert-/ analysiert ... ▶ Struktur / Gliederung vorstellen: ▷ Im ersten Teil wird ... vorgestellt ... ▷ Im Fokus / Zentrum / Mittelpunkt des Kapitels steht ... ▷ Aufbauend auf ... wird ... ▷ Zu Beginn wird ..., dann schließt sich ... an ... ▷ Das Kapitel gliedert sich in X Teile ... ▶ Hypothese: ▷ Hier soll die These vertreten werden, dass ... ▷ In diesem Kapitel soll von der Hypothese ausgegangen werden, dass ... ▷ Ausgangspunkt für die weitere Untersuchung in diesem Kapitel ist die Annahme, dass ... ▷ Im weiteren Verlauf / in diesem Kapitel sollen folgende Hypothesen geprüft werden: ... ▷ Diese These lässt sich damit begründen, dass ... ▷ Als Beleg für diese These kann angeführt werden, ... ▶ Fazit: ▷ Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ... ▷ Hieraus ergibt sich, dass ... ▷ Die dargestellten Ergebnisse rechtfertigen die Aussage / legen den Schluss nahe, dass ... <?page no="185"?> 185 Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ ▷ Somit ist schlusszufolgern, dass ... ▷ Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass ... Strukturierungshilfen für den roten Faden: Vorankündigungen: Wie in Kapitel XY noch näher erläutert / dargestellt / entwickelt wird ... Rückverweise: Wie in Kapitel XY (im letzten Absatz / Kapitel) erläutert ... Zusammenfassungen: Zusammenfassend / abschließend lässt sich somit feststellen / hat die Analyse ergeben ... Ausblick: Die Ergebnisse des Kapitels führen zu der Frage ... / ließen sich durch weitere Untersuchungen ergänzen / klären ... 37 37 Schultis o.-J. / o.-V. Formulierungshilfen o.-J.-/ Esselborn-Krumbiegel 2012-/ Kühtz 2012. Fallbeispiel „Ver-Antwort-ung“ / Überleitungen und Verknüpfungen Freewriting zu P. 4.3.1. des Fallbeispiels „Bauliche Konsequenzen“ Die Funktion dieses Kapitels ist es, die Baumaßnahmen des Goldsmith Konzerns in Relation zu bisherigen Marktkonzepten zu setzen ... dabei fällt in besonderer Weise auf, dass die neuen Gebäude, die in den vergangenen drei Monaten im nördlichen Umland von New York City entstanden sind, in Größe und Kostenlage bei Weitem alle bisherigen Bauten des Konzerns übertreffen. Hier sollte ich vielleicht noch die genauen Kosten der bisherigen Firmengebäude einfügen. Aber ich habe im Kopf, dass die „Goldspinnerinnen-Anlage“ locker die dreifachen Kosten erzeugt hat. Also, was lässt sich daraus ableiten? Ein gigantisches Projekt, für das der Konzern eine Menge - nämlich den Großteil seines freien Kapitals einsetzt. Das wiederum lässt schlussfolgern, dass diese <?page no="186"?> 186 Schreib-Szene 11 Der Sieg Investition nicht ungesichert getätigt wird, mit anderen Worten: Es ist höchstwahrscheinlich davon auszugehen, dass die Geschäftsführung des Konzerns stichhaltige Beweise dafür hat, dass die Investition sich lohnen wird bzw. dass sie sich in einer mehrfachen Größe der getätigten Investitionen zeigen wird. In Bezug auf die Gerüchte und Hinweise, die den in der neuen Konzernanlage „beschäftigten“ Frauen in der Lage sind, Stroh zu Gold zu spinnen, handelt es sich sozusagen um eine „Gold-Fabrik“, die nicht wie beispielsweise in den Goldminen der Welt eines hohen maschinellen und personellen Aufwands bedarf mit einer vergleichsweisen geringen Ausbeute. Aber was zeichnet das neue Gebäude neben seiner Kostspieligkeit noch aus? Was an der Art des Gebäudes erhärtet noch den Verdacht, dass es hier um eine illegale Gefangenschaft der goldspinnenden Frauen geht und nicht um eine im normalen Sinne legale Arbeiterschaft? Investigative Journalisten des „Evening Standard“ haben Luftaufnahmen des Gebäudes ausgewertet (s. Ausgabe 65). Diese Bilder zeigen ausschließlich vergitterte Fenster und elektronisch verriegelte Eingänge. Das Gebäude ist mit einer hohen Mauer umgeben, die zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Außerdem ist das gesamte Gelände von rund 100 Videokameras offensichtlich Tag und Nacht überwacht. Alleine diese baulichen Details passen eher zu einem Gefängnis als zu einer Arbeitsstätte mit gesicherten eingehaltenen Arbeitszeiten und gewerkschaftlichen Standrads. Jetzt fällt mir gerade nichts mehr ein. Was ist mit dem Arbeiterverkehr? Gibt es Hinweise darauf, dass die Arbeiterinnen das Gebäude auch einmal verlassen? Oder auch umgekehrt: Wenn es keinerlei Hinweise auf einen „normalen“ Arbeitstag der Arbeiterinnen gibt mit nachweisbarem Verkehr zu der Fabrik und wieder weg, welche sicheren Hinweise gibt es, dass sich überhaupt Arbeiterinnen in dem Gebäude befinden? Auch das ist ja eine Variante der Erklärung, die ich in Betracht ziehen sollte. Wenn nämlich der Verdacht bestünde, dass die Goldspinnerinnen sich gar nicht in dem Gebäude aufhalten, also dort auch gar nicht gefangen gehalten werden, bieten sich verschiedene Schlussfolgerungen an: 1. Sie wurden ermordet und Teile ihrer Körper, ihrer Bio- oder genetischen Masse werden für die Herstellung des Goldes genutzt, eine ziemlich gruselige Vorstellung, 2. ach so, bei 1. wären dann die vergitterten Fenster weniger, um niemanden hinauszulassen, als vielmehr, niemanden hineinzulassen, jetzt fällt mir ein: Wenn schon nicht die Goldspinnerinnen, wer sonst arbeitet in diesem Gebäude? Gibt es dazu Daten, <?page no="187"?> 187 Verhaltensmuster, Bewegungsprofile, Interviews? Aber nun zur 2. Schlussfolgerung: Die Arbeiterinnen werden dort gefangen gehalten und verlassen das Gebäude somit nie, 3. ja, eben hatte ich es noch, diese 3. Möglichkeit, ach ja: 3. der ganze riesenhafte Komplex ist ein einziges potemkinsches Dorf, das heißt: Möglicherweise ist das Gebäude vollkommen leer und zwecklos, es soll nur die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit ablenken von dem eigentlichen Produktionsort des Goldes - und dem eigentlichen Aufenthaltsort der Goldspinnerinnen. Dazu wären Hinweise hilfreich, die eine regelmäßige Nutzung, d. h. regelmäßigen Verkehr von Menschen in und aus dem Gebäude nicht bestätigen würde, allerdings. Dann käme evtl. noch die Variante in Frage, dass es sich um ein ultramodernes Fabrikgebäude handelt, in dem ausschließlich Roboter und elektronikgesteuerte Maschinen alle Prozesse steuern. Strukturierungshilfen [Zur Lesart auch für die weiteren Redaktionstexte dieser Übung: Durchgestrichene Passagen werden komplett aus dem Text entfernt, Fettgedrucktes wird hinzugefügt.] 1. Redaktion: grammatikalische und orthografische Bereinigung, Stilkorrektur Die Funktion dieses Kapitels ist es, die Baumaßnahmen des Goldsmith Konzerns in Relation zu bisherigen Marktkonzepten zu setzen, dabei fällt in besonderer Weise auf, dass die neuen Gebäude, die in den vergangenen drei Monaten im nördlichen Umland von New York City entstanden sind, in Größe und Kostenlage bei Weitem alle bisherigen Bauten des Konzerns übertreffen. Hier sollte ich vielleicht noch die genauen Kosten der bisherigen Firmengebäude einfügen. Im Vergleich zu dem vorhergehenden Projekt des Goldsmith Konzerns bei Miami vor 5 Jahren betragen die Kosten mehr als das Dreifache (Zitat „Washington Post“ 76, 2017). Aber ich habe im Kopf, dass die „Goldspinnerinnen-Anlage“ locker die dreifachen Kosten erzeugt hat. Also, was lässt sich daraus ableiten? Ein gigantisches Projekt, für das der Konzern eine Menge - nämlich den Großteil seines freien Kapitals einsetzt. Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die „Goldspinnerinnen-Anlage“ ist ein in der Geschichte des Goldsmith Konzerns bisher einmaliges Projekt von gigantischen Ausmaßen. Das wiederum lässt schlussfolgern, dass diese Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ <?page no="188"?> 188 Schreib-Szene 11 Der Sieg Investition nicht ungesichert getätigt wird, mit anderen Worten: Es ist höchstwahrscheinlich davon auszugehen, dass die Geschäftsführung des Konzerns stichhaltige Beweise dafür hat, dass die Investition sich lohnen wird, bzw. dass sie sich in einer mehrfachen Größe der getätigten Investitionen zeigen wird und das Unternehmen mit einem Gewinn rechnet, der das Mehrfache der getätigten Investitionen beträgt. In Bezug auf die Gerüchte und Hinweise, dass die den in der neuen Konzernanlage „beschäftigten“ Frauen in der Lage sind, Stroh zu Gold zu spinnen, handelt es sich sozusagen um eine „Gold-Fabrik“, die nicht wie beispielsweise in den Goldminen der Welt eines hohen maschinellen und personellen Aufwands bedarf mit einer vergleichsweisen geringen Ausbeute. Aber was zeichnet das neue Gebäude neben seiner Kostspieligkeit noch aus? Was an der Art des Gebäudes erhärtet noch den Verdacht, dass es hier um eine illegale Gefangenschaft der goldspinnenden Frauen geht und nicht um eine im normalen Sinne legale Arbeiterschaft? Investigative Journalisten des „Evening Standard“ haben Luftaufnahmen des Gebäudes ausgewertet (s. Ausgabe 65). Diese Bilder zeigen ausschließlich vergitterte Fenster und elektronisch verriegelte Eingänge. Das Gebäude ist mit einer hohen Mauer umgeben, die zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Außerdem ist wird das gesamte Gelände von rund 100 Videokameras offensichtlich Tag und Nacht überwacht. Alleine diese baulichen Details passen eher zu einem Gefängnis als zu einer Arbeitsstätte mit gesicherten eingehaltenen Arbeitszeiten und gewerkschaftlichen Standards. Jetzt fällt mir gerade Nichts mehr ein. Was ist mit dem Arbeiterverkehr? Klärung könnte in dieser Hinsicht auch die Erörterung der Frage geben, welche Hinweise es darauf gibt, dass gibt es Hinweise darauf, dass die Arbeiterinnen das Gebäude auch einmal verlassen? Wenn es keine Hinweise auf einen regelmäßigen Zu- und Abgang der „angestellten“ Goldspinnerinnen gibt, würde sich die Schlussfolgerung anbieten, dass die Frauen tatsächlich Gefangene des Konzerns sind. Oder auch umgekehrt: Aber auch die umgekehrte Schlussfolgerung ist möglich: Wenn es keinerlei Hinweise auf einen „normalen“ Arbeitstag der Arbeiterinnen gibt mit nachweisbarem Verkehr zu der Fabrik und wieder weg, welche sicheren Hinweise gibt es, dass sich überhaupt Arbeiterinnen in dem Gebäude befinden? Auch das ist ja eine Variante der Erklärung, die ich in Betracht ziehen sollte. Wenn nämlich der Verdacht bestünde, dass die Goldspinnerinnen sich gar nicht in dem Gebäude aufhalten, also dort auch gar nicht gefangen gehalten <?page no="189"?> 189 werden, bieten sich verschiedene weitere Schlussfolgerungen an: 1. Sie wurden ermordet und Teile ihrer Körper, ihrer Bio- oder genetischen Masse werden für die Herstellung des Goldes genutzt, eine ziemlich gruselige Vorstellung. 2. ach , so bei, 1. wäre Dann wäre die Funktion der die vergitterten Fenster weniger, um niemanden hinauszulassen, als vielmehr, niemanden hineinzulassen. Jetzt fällt mir ein: Wenn schon nicht die Goldspinnerinnen, wer sonst arbeitet in diesem Gebäude? Gibt es dazu Daten, Verhaltensmuster, Bewegungsprofile, Interviews? Aber nun zur 2. Schlussfolgerung: Die Arbeiterinnen werden dort gefangen gehalten und verlassen das Gebäude somit nie, Ein weiteres Kriterium zur Abschätzung der wahren Funktion des Gebäudes wäre, herauszufinden, welche Personengruppen Zugang zu dem Gebäude haben und in welcher Funktion sie dort tätig sind. Sollte sich dabei ein Missverhältnis zwischen der Größe des Gebäudes und der Anzahl der beobachteten regelmäßigen „Besucher“ ergeben, würde noch folgende Schlussfolgerung in Frage kommen: 3. ja, eben hatte ich es noch, diese 3. Möglichkeit, ach ja: 2. der ganze riesenhafte Komplex ist ein einziges potemkinsches Dorf, das heißt möglicherweise ist das Gebäude vollkommen leer und zwecklos, es soll nur die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit ablenken von dem eigentlichen, geheim gehaltenen Produktionsort des Goldes - und dem eigentlichen tatsächlichen Aufenthaltsort der Goldspinnerinnen. Dazu wären Hinweise hilfreich, die eine regelmäßige Nutzung belegen, d. h. regelmäßigen Verkehr von Menschen in und aus dem Gebäude, nicht bestätigen würde, allerdings in Frage stellen, geeignet, um eine weitere mögliche Interpretation der Nutzung des Gebäudes zu wagen: Dann käme evtl. noch die Variante in Frage, dass es sich um ein ultramodernes Fabrikgebäude handelt, in dem ausschließlich Roboter und elektronikgesteuertesche Maschinen alle Prozesse steuern. Eine These, die dann wieder verstärkt die Frage aufwirft, inwiefern möglicherweise die Arbeiterinnen frei über ihre Lebensumstände verfügen können und körperlich unversehrt sind. 2. Redaktion: Vervollständigen mithilfe der Sätze aus der kommentierten Gliederung Die Funktion dieses Kapitels ist es, die Baumaßnahmen des Goldsmith Konzerns in Relation zu bisherigen Marktkonzepten zu setzen. Dabei fällt in besonderer Weise auf, dass die neuen Gebäude, die in den vergangenen drei Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ <?page no="190"?> 190 Schreib-Szene 11 Der Sieg Monaten im nördlichen Umland von New York City entstanden sind, in Größe und Kostenlage bei Weitem alle bisherigen Bauten des Konzerns übertreffen. Im Vergleich zu dem vorhergehenden Projekt des Goldsmith Konzerns bei Miami vor 5 Jahren betragen die Kosten mehr als das Dreifache (Zitat „Washington Post“ 76, 2017). Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die „Goldspinnerinnen-Anlage“ ist ein in der Geschichte des Goldsmith Konzerns bisher einmaliges Projekt von gigantischen Ausmaßen. Das wiederum lässt schlussfolgern, dass diese Investition nicht ungesichert getätigt wird, mit anderen Worten: Es ist höchstwahrscheinlich davon auszugehen, dass die Geschäftsführung des Konzerns stichhaltige Beweise dafür hat, dass die Investition sich lohnen wird - und das Unternehmen mit einem Gewinn rechnet, der das Mehrfache der getätigten Investitionen beträgt. In Bezug auf die Gerüchte und Hinweise, dass die in der neuen Konzernanlage „beschäftigten“ Frauen in der Lage sind, Stroh zu Gold zu spinnen, handelt es sich sozusagen um eine „Gold-Fabrik“, die nicht wie beispielsweise in den Goldminen der Welt eines hohen maschinellen und personellen Aufwands bedarf mit einer vergleichsweisen geringen Ausbeute. Die zentrale Frage dabei ist, inwiefern insbesondere die eigens für die Goldspinnerinnen erstellten Bauprojekte auf ihre Nutzung und das globale Strategieziel schließen lassen. Aber w Was zeichnet das neue Gebäude neben seiner Kostspieligkeit noch aus? Was an der Art des Gebäudes erhärtet noch den Verdacht, dass es hier um eine illegale Gefangenschaft der goldspinnenden Frauen geht und nicht um eine im normalen Sinne legale Arbeiterschaft? Investigative Journalisten des „Evening Standard“ habe Luftaufnahmen des Gebäudes ausgewertet (s. Ausgabe 65). Diese Bilder zeigen ausschließlich vergitterte Fenster und elektronisch verriegelte Eingänge. Das Gebäude ist mit einer hohen Mauer umgeben, die zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Außerdem wird das gesamte Gelände von rund 100 Videokameras offensichtlich Tag und Nacht überwacht. Alleine diese baulichen Details passen eher zu einem Gefängnis als zu einer Arbeitsstätte mit gesicherten eingehaltenen Arbeitszeiten und gewerkschaftlichen Standards. Klärung könnte in dieser Hinsicht auch die Erörterung der Frage geben, welche Hinweise es darauf gibt, dass die Arbeiterinnen das Gebäude auch einmal verlassen? Es Dabei wird vermutet, dass der bisher entstandene neue Konzernkomplex eine Art Pilotbau für weitere in der ganzen Welt ist. Damit verbunden ist die weitere These, dass das Gebäude in seiner Anlage und Nutzung eine völlig neue Marktstrategie des Goldsmith Konzerns offenbart. <?page no="191"?> 191 Wenn es keine Hinweise auf einen regelmäßigen Zu- und Abgang der „angestellten“ Goldspinnerinnen gibt, würde sich die Schlussfolgerung anbieten, dass die Frauen tatsächlich Gefangene des Konzerns sind. Aber auch die umgekehrte Schlussfolgerung ist möglich: Wenn es keinerlei Hinweise auf einen „normalen“ Arbeitstag der Arbeiterinnen gibt mit nachweisbarem Verkehr zu der Fabrik und wieder weg, welche sicheren Hinweise gibt es, dass sich überhaupt Arbeiterinnen in dem Gebäude befinden? Wenn nämlich der Verdacht bestünde, dass die Goldspinnerinnen sich gar nicht in dem Gebäude aufhalten, also dort auch gar nicht gefangen gehalten werden, bieten sich verschiedene weitere Schlussfolgerungen an: 1. Sie wurden ermordet und Teile ihrer Körper, ihrer Bio- oder genetischen Masse werden für die Herstellung des Goldes genutzt, eine ziemlich gruselige Vorstellung. Dann wäre die Funktion der vergitterten Fenster weniger, niemanden hinauszulassen, als vielmehr, niemanden hineinzulassen. Ein weiteres Kriterium zur Abschätzung der wahren Funktion des Gebäudes wäre, herauszufinden, welche Personengruppen Zugang zu dem Gebäude haben und in welcher Funktion sie dort tätig sind. Sollte sich dabei ein Missverhältnis zwischen der Größe des Gebäudes und der Anzahl der beobachteten regelmäßigen „Besucher“ ergeben, würde noch folgende Schlussfolgerung in Frage kommen: 2. der ganze riesenhafte Komplex ist ein einziges potemkinsches Dorf, das heißt möglicherweise ist das Gebäude vollkommen leer und zwecklos, es soll nur die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit ablenken von dem eigentlichen, geheim gehaltenen Produktionsort des Goldes - und dem tatsächlichen Aufenthaltsort der Goldspinnerinnen. Dazu wären Hinweise, die eine regelmäßige Nutzung belegen, d. h. regelmäßigen Verkehr von Menschen in und aus dem Gebäude, geeignet, um eine weitere mögliche Interpretation der Nutzung des Gebäudes zu wagen: Dann käme evtl. noch die Variante in Frage, dass es sich um ein ultramodernes Fabrikgebäude handelt, in dem ausschließlich Roboter und elektronische Maschinen alle Prozesse steuern. Eine These, die dann wieder verstärkt die Frage aufwirft, inwiefern möglicherweise die Arbeiterinnen frei über ihre Lebensumstände verfügen können und körperlich unversehrt sind. 3. Redaktion: Ergänzen mithilfe der Formulierungs- und Strukturierungshilfen Wie in Kapitel 4.2 „Geschichte des Unternehmens“ erläutert, ist es ein herausragendes Merkmal der Goldsmith Corp., dass sie wesentliche Teile ihrer Firmenstrategie, -ziele und -handelspartner jenseits der Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ <?page no="192"?> 192 Schreib-Szene 11 Der Sieg öffentlichen Wahrnehmung hält. Insofern ist jede Aussage über das „Stroh-zu-Gold-Spinnen“-Konzept und seine aktuelle bauliche Anlage spekulativ. Die Funktion dieses Kapitels ist es, dennoch einen Versuch zu unternehmen, die Baumaßnahmen des Goldsmith Konzerns in Relation zu bisherigen Marktkonzepten zu setzen. Dabei fällt in besonderer Weise auf, dass die neuen Gebäude, die in den vergangenen drei Monaten im nördlichen Umland von New York City entstanden sind, in Größe und Kostenlage bei Weitem alle bisherigen Bauten des Konzerns übertreffen. Im Vergleich zu dem vorhergehenden Projekt des Goldsmith Konzerns bei Miami vor 5 Jahren betragen die Kosten mehr als das Dreifache (Zitat „Washington Post“ 76, 2017). Welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Die „Goldspinnerinnen-Anlage“ ist ein in der Geschichte des Goldsmith Konzerns bisher einmaliges Projekt von gigantischen Ausmaßen. Das wiederum lässt schlussfolgern, dass diese Investition nicht ungesichert getätigt wird, mit anderen Worten: Es ist höchst wahrscheinlich davon auszugehen, dass die Geschäftsführung des Konzerns stichhaltige Beweise dafür hat, dass die Investition sich lohnen wird und das Unternehmen mit einem Gewinn rechnet, der das Mehrfache der getätigten Investitionen beträgt. In Bezug auf die Gerüchte und Hinweise, dass die in der neuen Konzernanlage „beschäftigten“ Frauen in der Lage sind, Stroh zu Gold zu spinnen, handelt es sich sozusagen um eine „Gold-Fabrik“, die nicht wie beispielsweise in den Goldminen der Welt eines hohen maschinellen und personellen Aufwands bedarf mit einer vergleichsweisen geringen Ausbeute. Die zentrale Frage dabei ist, inwiefern insbesondere die eigens für die Goldspinnerinnen erstellten Bauprojekte auf ihre Nutzung und das globale Strategieziel schließen lassen. Was zeichnet das neue Gebäude neben seiner Kostspieligkeit noch aus? Was an der Art des Gebäudes erhärtet noch den Verdacht, dass es hier um eine illegale Gefangenschaft der goldspinnenden Frauen geht und nicht um eine im normalen Sinne legale Arbeiterschaft? Investigative Journalisten des „Evening Standard“ haben Luftaufnahmen des Gebäudes ausgewertet (s. Ausgabe 65). Diese Bilder zeigen ausschließlich vergitterte Fenster und elektronisch verriegelte Eingänge. Das Gebäude ist mit einer hohen Mauer umgeben, die zusätzlich mit Stacheldraht gesichert ist. Außerdem wird das gesamte Gelände von rund 100 Videokameras offensichtlich Tag und Nacht überwacht. Alleine diese baulichen Details passen eher zu einem Hochsicherheitsgefängnis als zu <?page no="193"?> 193 einer Arbeitsstätte mit gesicherten eingehaltenen Arbeitszeiten und gewerkschaftlichen Standards. Klärung könnte in dieser Hinsicht auch die Erörterung der Frage geben, welche Hinweise es darauf gibt, dass die Arbeiterinnen das Gebäude auch einmal verlassen. Dabei wird vermutet, dass der bisher entstandene neue Konzernkomplex eine Art Pilotbau für weitere in der ganzen Welt ist. Damit verbunden ist die weitere These, dass das Gebäude in seiner Anlage und Nutzung eine völlig neue Marktstrategie des Goldsmith-Konzerns offenbart. Wenn es keine Hinweise auf einen regelmäßigen Zu- und Abgang der „angestellten“ Goldspinnerinnen gibt, würde sich die Schlussfolgerung anbieten, dass die Frauen tatsächlich Gefangene des Konzerns sind. Aber auch die umgekehrte Schlussfolgerung ist möglich: Wenn es keinerlei Hinweise auf einen „normalen“ Arbeitstag der Arbeiterinnen gibt mit nachweisbarem Verkehr zu der Fabrik und wieder weg, welche sicheren Hinweise gibt es, dass sich überhaupt Arbeiterinnen in dem Gebäude befinden? Wenn nämlich der Verdacht bestünde, dass die Goldspinnerinnen sich gar nicht in dem Gebäude aufhalten, also dort auch gar nicht gefangen gehalten werden, bieten sich verschiedene weitere Schlussfolgerungen an: 1. Sie wurden ermordet und Teile ihrer Körper, ihrer Bio- oder genetischen Masse werden für die Herstellung des Goldes genutzt, eine ziemlich gruselige Vorstellung. Dann wäre die Funktion der vergitterten Fenster weniger, niemanden hinauszulassen, als vielmehr, niemanden hineinzulassen. Ein weiteres Kriterium zur Abschätzung der wahren Funktion des Gebäudes wäre, herauszufinden, welche Personengruppen Zugang zu dem Gebäude haben und in welcher Funktion sie dort tätig sind. Sollte sich dabei ein Missverhältnis zwischen der Größe des Gebäudes und der Anzahl der beobachteten regelmäßigen „Besucher“ ergeben, würde folgende Schlussfolgerung in Frage kommen: 2. der ganze riesenhafte Komplex ist ein einziges potemkinsches Dorf, das heißt möglicherweise ist das Gebäude vollkommen leer und zwecklos, es soll nur die Wahrnehmung der Öffentlichkeit auf sich ziehen und damit ablenken von dem eigentlichen, geheim gehaltenen Produktionsort des Goldes - und dem tatsächlichen Aufenthaltsort der Goldspinnerinnen. Abschließend lässt sich somit feststellen, dass dazu wären Hinweise, die eine regelmäßige Nutzung, d. h. regelmäßigen Verkehr von Menschen in und aus dem Gebäude, belegen, geeignet wären, zumindest eine tatsächliche Nutzung der Anlage zu belegen. Hinweise auf einen gemessen an der gigantischen Größe der Heldenaufgabe „Ver-Antwort-ung“ <?page no="194"?> 194 Schreib-Szene 11 Der Sieg Anlage zu geringen „Publikumsverkehr“ dagegen wären geeignet, um eine weitere mögliche Interpretation der Nutzung des Gebäudes zu wagen: Dann käme evtl. noch die Variante in Frage, dass es sich um ein ultramodernes Fabrikgebäude handelt, in dem ausschließlich Roboter und elektronische Maschinen alle Prozesse steuern. Eine These, die dann wieder die Frage in verstärkter Form aufwirft, Die Ergebnisse des Kapitels führen zu der Frage, inwiefern möglicherweise die Arbeiterinnen nicht frei über ihre Lebensumstände verfügen können und körperlich unversehrt sind. Wie in Kapitel 4.3.2 „Veränderte Marktstrategie“ noch näher erläutert wird, lässt sich diese Frage möglicherweise nur auf indirekte Weise beantworten: Sollte die Analyse erkennbarer Marktziele des Gesamtkonzerns und seiner aktuellen Marktaktivität auf eine Stärkung oder Schwächung der Marktposition der Goldsmith Corp. schließen lassen, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass das Unternehmen auf dem Weg zu einer globalen Vormachtstellung ist, bei der Menschenrechte der Mitarbeiter eine untergeordnete Rolle spielen. Gerade eine Schwächung der Marktposition könnte als strategischer Schachzug zur Markttäuschung interpretiert werden und auf eine zukünftige Machtposition bisher ungeahnten Ausmaßes hinweisen. Für die Einhaltung der Menschenrechte der Goldspinnerinnen wäre das ein beunruhigendes Indiz. Ein Vergleich vom Freewriting-Rohtext mit dieser 3. Überarbeitung zeigt schon wesentliche Unterschiede auf. Auffallend ist eine deutliche argumentative Strukturierung. 4. Redaktion (hier ohne Beispiel): Einfügen von Quellen und Zitaten Als letzten Überarbeitungsschritt gilt es, argumentativ unterstützende Quellen und Zitate in den Text einzubauen. Dabei kann sich der Text noch einmal von seinem Umfang her sehr erweitern, da möglicherweise noch konträre Positionen erörtert werden müssen. <?page no="195"?> Hunderte von Studierenden sind in den vergangenen Jahren in meiner Schreibberatung gewesen. Nur wenige waren möglicherweise nicht erfolgreich - möglicherweise, weil ich nur bei denen keine Aussage über ihren Fortgang machen kann, die sich nicht auf die angebotene Methode einlassen konnten und von denen ich nie wieder eine Rückmeldung erhielt. Alle anderen (! ) haben ihr Ziel der erfolgreichen Hausarbeit oder des Bachelor-, Master- oder Promotionsabschlusses erreicht - und zwar mit überdurchschnittlichen Noten. Das spricht meines Erachtens für die Effizienz der Heldenmethode. Obwohl die Anlässe, Themen und Fragen in der Schreibberatung so vielfältig sind, wie es unterschiedliche Persönlichkeiten gibt, lassen sich die Ängste und die angebotenen Techniken zu deren Überwindung mittels passender Helden-Schreibübungen knapp an drei Händen abzählen - eben die 12 Schreibmethoden der Heldenmethode. Stellvertretend sollen hier 4 typische Beratungssituationen mit dem Einsatz der Heldenmethode kurz skizziert werden, um vielleicht dem einen oder der anderen Studierenden Gelegenheit zu geben, sich sowohl im Problem als auch in dessen Lösung wiederzuerkennen. Anna studierte Literaturwissenschaft und kam mit ihrer Bachelorarbeit nicht voran, weil sie eigentlich zu komplex und detailorientiert schrieb und dachte. Dahinter stand die Angst, eine klare, eindeutige und damit natürlich auch kritisierbare Position zu beziehen - lieber „versteckte“ sie sich hinter sehr interessanten und hochintellektuellen Interpretationen aus der Sekundärliteratur, als dass sie ihre eigene Position kundtat. Aber genau dieser eigene Fokus ist eine Grundanforderung für den Leistungsnachweis eigenen wissenschaftlichen Arbeitens. Zu dem Umstand, dass jeder Leser nach kurzer Lektüre ihres Textes zwar beeindruckt von den interessanten Detailgedanken, aber völlig verloren war im Verständnis dessen, worum es nun im großen Ganzen in ihrer Arbeit ging, kam noch das Hauptproblem erschwerend hinzu: Anna selber durchschaute ihr Schreibprojekt nicht mehr. Es expandierte immer weiter ohne Aussicht auf die Rückführung eines roten Fadens am Ende der Arbeit. Sie hatte keine Ahnung, was nachher als Ergebnis im Fazit stehen sollte, und neigte stattdessen zu einer summarischen Zusammenfassung aller Teilergebnisse. Anna brachte der Dreischritt die rettende Klärung: Eine einzige zentrale Fragestellung, von der sich weitere Fragen in untergeordneter Hierarchie ableiten lassen, Hintergrund: Schreibsiege 195 Hintergrund: Schreibsiege <?page no="196"?> 196 Schreib-Szene 11 Der Sieg aber die dennoch den Fokus trägt; eine klare Zielsetzung, was diese Arbeit zu leisten vermag; und vor allem eine entschiedene, provokante Hypothese, die Anna selber im Schreibprozess die nötige Orientierung verlieh und die der Arbeit den „Pfiff“ gab, mit dem ihr das Schreiben plötzlich wieder Spaß machte. Fabian studierte Geographie und war mit seiner Masterarbeit fast fertig, als er plötzlich kurz vor Schluss vollkommen ins Stocken geriet. Sein Thema schien ihm plötzlich ganz falsch gegliedert zu sein und er sah einerseits die dringende Notwendigkeit, noch einmal von einem ganz anderen Standpunkt aus die Arbeit aufzuziehen, andererseits aber keine Möglichkeit, zu einem so späten Zeitpunkt kurz vor der Abgabe alles noch einmal umzuschmeißen und neu zu konzipieren. Auch dieser Zweifel an seinem bisherigen Konzept ist erfahrungsgemäß eine Form von Angst. Mithilfe der Übung „Perspektivwechsel“, mit der er sich in die Relevanz und Notwendigkeit seines Themas hineinversetzte (Szene 5), war Fabians Faszination und Leidenschaft für sein Thema wieder neu entbrannt - beides war im Laufe des mühsamen Schreibprozesses, den er ohne die Heldenmethode bis dahin alleine vollbracht hatte, verpufft. Nun konnte er mit dieser Inspiration für den Sinn seines Themas die Arbeit zügig zu Ende bringen. Eleonor hatte als promovierende Psychologin in medizinischer Psychologie den letzten Teil ihrer kumulativen Dissertation zu schreiben. Kurz vor diesem Abschluss packte sie der Zweifel, ob sie dem wissenschaftlichen Diskurs zwischen den verschiedenen Studien, die sie in ihrer Arbeit betrachtet hatte, Genüge getan hatte. Nach meiner Lektüre ergab sich das umgekehrte Bild: Ihre Angst lief meines Erachtens sozusagen genau in die falsche Richtung. Statt noch mehr Gewicht und Beachtung auf die - schon in hinlänglicher Breite und Tiefe dargestellten - Fakten und deren Analyse zu legen, bedurfte ihre Arbeit eines mutigen eigenen Fokus. Eleonor drohte die Gefahr, zu keinem Ergebnis zu kommen und daher die Arbeit vermutlich gar nicht abzugeben, womit drei Jahre intensiven Arbeitens umsonst gewesen wären. Eleonor half zum einen der Einsatz des Dreischritts (Szene 7), sich über ihre zugrunde liegende Fragestellung und die Arbeitshypothese noch einmal klar zu werden, und darüber hinaus ein konsequenter Einsatz von strukturierenden Überleitungen und Verknüpfungen (Szene 11), um diesen Fokus auch sprachlich zu transportieren und so das komplexe Geflecht aus widerstreitenden Fakten zu entwirren. Marks Anliegen war ein Extremfall in meiner Schreibberatungspraxis. Er kam vier Wochen vor dem Abgabetermin seiner Masterarbeit, die bereits schon einmal aus gesundheitlichen Gründen verschoben worden war, und hatte noch keine Zeile geschrieben. Seine Arbeit aus der Geophysik war eine empirische Untersuchung mit Online-Datenerhebung, die er zum Glück bei Besuch der Schreibberatung bereits <?page no="197"?> Hintergrund: Schreibsiege 197 fast vollständig abgeschlossen hatte - sonst wäre auch bei intensivster Beratung die Zeit von vier Wochen sicherlich zu kurz gewesen. Ein Hauptproblem für Mark war aus seiner Sicht das einsame Geschäft des Schreibens. Daher versuchte er, Orte zu finden, an denen er in Gesellschaft schreiben konnte in der Hoffnung, dass sich dort eine Gemeinschaft von Schreibenden ergäbe, die sich auch gegenseitig im kontinuierlichen Arbeiten und Schreiben kontrolliert und gegenseitig stützt: in der Unibibliothek oder im Seminar. Leider fand sich eine solche Schreibgemeinschaft nicht (was übrigens sehr für die an vielen Universitäten stattfindenden offenen Schreibwerkstätten und -gruppen spricht! ). Hinter seinem Wunsch nach Gemeinsamkeit und Kontrolle lag aber vor allem eine tiefsitzende Angst: Die Angst, sich selber einen Strich durch die Rechnung zu machen und mit einer nicht bestandenen Masterprüfung sich auch alle weiteren Hoffnungen und Aussichten auf ein gutes Leben zu zerschlagen: Keine Masterarbeit, kein Job, kein Geld, keine Frau, die an ihm interessiert ist und ihm zutraut, gemeinsam eine Familie zu ernähren und damit keine Aussicht auf Familie und Geborgenheit - stattdessen: Einsamkeit. Da Mark noch am Anfang seines Schreibprozesses stand, hat er die gesamte Heldenreise durchlaufen. Dabei war für ihn der Einstieg in die Heldenmethode von fundamentaler Bedeutung, also die Umkehr von der Angst hin zum Erwachen seiner Heldenseele durch die Szenen 1-3. Salopp gesagt: Ab da lief die Sache. Diese Beispiele sollen ein beherztes Plädoyer sein, die Flinte nicht zu schnell ins Korn zu werfen, sondern auf sich selber zu vertrauen. Etwas wagen, und auf jeden Fall lieber eine mittelmäßige Arbeit abgeben als gar keine. Denn alleine diese Entscheidung, diese Bereitschaft zur Unvollständigkeit, zur Unperfektion ist bereits der halbe Sieg. Eine wissenschaftliche Arbeit ist eben vor allem eine emotionale Herausforderung und eine Mutprobe - viel mehr als eine intellektuelle Leistungsprüfung. <?page no="199"?> Hintergrund: Schreibsiege 199 Schreib-Szene 12 Heimkehr Regieanweisung: Vertraue deinen Entscheidungen Bevor deine Reise endgültig zu Ende ist und dein Thema von seinem Problem erlöst ist (und du von deiner Haus- oder Abschlussarbeit), gilt es noch einmal Rede und Antwort zu stehen. Bevor alle Aufgaben erfüllt sind und du dich in die Arme deiner Lieben werfen kannst, um dich feiern zu lassen, wird dich ein erneuter „Schwellenhüter“ noch einmal abschließend prüfen, bevor er dich aus dem Abenteuerland der Forschungsarbeiten entlässt. „Warum glaubst du, deine Aufgabe sei erledigt? “, fragt er dich. „Wieso sollte ich dich mit diesem reichen Schatz passieren lassen? “, ist eine andere seiner Fragen. Aber vermutlich fragt er dich als Held der Wissenschaft: „Wie lautet denn dein Passwort? Gib mir deine Antwort, deine wahre, ehrliche Lösung - dann lasse ich dich passieren! “ Hier gibt es jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder du hast die Lösung bereits relativ klar im Kopf und versuchst an dieser Stelle schon einmal ein vorläufiges Fazit. Dieses Vorgehen hat den Vorteil, dass du dir ein Ziel setzt, das dir beim Herunterschreiben deiner Arbeit klar vor Augen steht. Es ist nicht in Stein gemeißelt, daher kannst du es auch nach vollbrachter Schreibarbeit durchaus noch einmal revidieren oder modifizieren. Keine Sorge - der Schwellenhüter wird dich dennoch passieren lassen, da du ja deine Antwort sozusagen „nach bestem Wissen und Gewissen“ abgibst. Nur: Ohne Antwort kommst du nicht an ihm vorbei. Die zweite Möglichkeit ist, dass du mit diesem letzten Punkt, dem Fazit, wartest, bis du deine Arbeit ansonsten fertiggestellt hast. Das ist sozusagen „die sichere“ Methode. Der Nachteil ist zum einen, dass du so lange, wie du noch schreibst, das ungewisse und gefährliche Land des Abenteuers noch nicht verlassen hast und emotional in dir immer noch Ungewissheit herrscht, ob du es schaffst, siegreich nach Hause zurückzukehren. Daher liegt die Empfehlung gemäß der Heldenmethode eindeutig bei Variante 1 und dem Provisorium eines Fazits, um sozusagen in den sicheren Gefilden der Heimat deine Arbeit quasi als rückblickende Memoiren zu schreiben, ohne noch weiterhin der Angst des Scheiterns ausgesetzt zu sein. Wie alle deine Erfahrungen auf dieser Forschungsreise war jeder Schritt letztlich eine mutige Entscheidung. Warum nun im letzten Moment diesen Mut aufgeben? Vertraue deinen Entscheidungen. <?page no="200"?> 200 Schreib-Szene 12 Heimkehr Das Fazit ist nicht identisch mit einer Zusammenfassung. Im Fazit bringst du dein Plädoyer für deine Arbeitshypothese, für deine Beantwortung der zentralen Frage auf den Punkt. Im Fazit laufen alle Fäden, die du in den einzelnen Kapiteln ausgelegt und versponnen hast, zusammen. Das Werk ist vollbracht, nun wollen wir uns dessen bewusst werden. Im Fazit bringst du alle Teilergebnisse, Teilantworten deiner zentralen Frage aus den einzelnen Kapiteln und damit den einzelnen Schritten deines Lösungsweges noch einmal auf den Punkt. Du gibst nun die Überschau über die Zusammenhänge und ziehst daraus die große Schlussfolgerung, die zentrale Antwort auf die eingangs formulierte zentrale Frage. Hier gehst du auch auf etwaige Probleme in der Beweisführung, nicht zu lösende (Teil-)Fragen oder unklare Ergebnisse ein, die möglicherweise zu einer anderen als der vermuteten Antwort geführt haben und damit deiner ursprünglichen Arbeitshypothese widersprechen. Wichtig ist im Fazit, dass du den weisen Standpunkt dessen einnimmst, der diese wissenschaftliche Heldenreise nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat, aber unschuldig an den verschiedenen Auftritten von Monstern ist, die die Bergung des Schatzes und die Rettung der Prinzessin erschwert oder vielleicht sogar vereitelt haben. Damit ist gemeint, dass etwaige Probleme auf deiner Suche nach einer Antwort auf die zentrale Fragestellung nicht den Erfolg deines Ergebnisses schmälern. Also verschweige und beschönige nicht, welche Probleme es auf deinem Weg zu deinem Ergebnis gegeben hat. Stattdessen ist es sehr wichtig, dass du zum Beispiel beschreibst, dass es technische Probleme bei der Datenerhebung gab (das Softwareprogramm zur Datenerhebung war noch fehlerhaft, wodurch ein Teil der Daten verloren ging; ein Teil der Umfragepersonen hat kurz vorher wegen einer Grippewelle abgesagt etc.). Hier im Fazit bildest du ein Resümee, du ziehst Bilanz: Ungeschönt geht es hier um die Wahrheit und um das Vorzeigen dessen, was du auf dieser Reise an Erfahrungen gesammelt hast, wer oder was dir geholfen hat, welche Hindernisse es auf dem Weg gab und welche Schätze du bergen konntest. Stell dir einfach im Sinne der wissenschaftlichen Transparenz als deine Aufgabe vor, dem nächsten abenteuerhungrigen Interessenten, der sich auf diese wissenschaftliche Forschungsreise begibt, die bestmöglichen Informationen an die Hand zu geben. Verschleierungen, Verschönerungen, Weglassungen zugunsten eines „perfekteren“ Reiseergebnisses sind mehr als nur unerwünscht - sie sind hinderlich. Als Wissenschaftler ist man Teil des gesamten Fachbereichs und Ziel ist nicht nur das eigene Vorankommen, sondern immer auch das Vor- <?page no="201"?> Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ 201 ankommen der anderen Kollegen, des gesamten Forschungsgebietes. Kritische Selbstbetrachtung und Aufrichtigkeit - eben die Erfordernis der „wissenschaftlichen Transparenz“ - sind nicht nur wünschenswert, sondern unabdinglich. Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ Schreibtechnik Mit zehn One-Minute-Papers zum Fazit Wirkungsweise und Ziel der Aufgabe Nun gilt es, mit Stolz auf die gewonnen Einsichten und Lösungen zurückzublicken. Fehlende Antworten sind nicht zwangsläufig das Ergebnis einer fehlerhaften Vorgehensweise, sondern im wissenschaftlichen Prozess meist lediglich Ausdruck eines neu gewonnenen Status quo: „Unter den in dieser Arbeit zugrunde gelegten Bedingungen und mit dieser Fragestellung konnten folgende Ergebnisse erzielt werden: ...“ Jetzt wird von dir eine Urteilkraft gefragt, die dich mit nüchternem Blick auf den Forschungsprozess zurückblicken lässt. Nun wechselst du von der Rolle des Staranwaltes in die Rolle der Richterin und fällst angesichts der vorliegenden Argumente und Beweise ein Urteil. Niemand anderes kann das für dich tun. Darin liegt ein Großteil deiner Prüfungsleistung. Das One-Minute-Paper ist eine Schreibmethode, die dazu dient, innerhalb kurzer Zeit eine Frage zu beantworten. Dabei weist die Zeitangabe „one minute“ vor allem darauf hin, dass diese Übung in sehr kurzer Zeit erledigt werden soll. Tatsächlich aber sind 2-3 oder auch maximal 5 Minuten üblich. Diese Methode wird u. a. im Anschluss an Lehrveranstaltungen eingesetzt, um kurz zu reflek- Wissenschaftlicher Erfolg misst sich nicht in erster Linie an der Güte des Ergebnisses. Viel wichtiger ist Ehrlichkeit. Stelle deine Wegkreuzungen und deine Entscheidungen offen dar und du erweist jedem weiteren Forscher zu deinem Thema den bestmöglichen Dienst. Vertraue darauf, dass du deine Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen gefällt hast. Lege deine Gedanken und Erfahrungen vollkommen offen dar - und du hast jeden Grund stolz zu sein. <?page no="202"?> 202 Schreib-Szene 12 Heimkehr tieren: Was fand ich heute besonders interessant? Oder: Welche Fragen sind offengeblieben? Oder auch: Was bereitete mir Probleme? Ursprünglich für ein Feedback der Studierenden an den Dozenten einer Lehrveranstaltung gedacht, eignet sich diese Technik im Rahmen der Heldenmethode hervorragend, um als Autor selber den erlebten zurückliegenden Prozess zu reflektieren. Insofern ergibt der erste Teil dieser Übung noch kein komplettes Fazit, sondern liefert das Grundgerüst dafür. Im zweiten Teil der Übung erhältst du dann die Möglichkeit, aus diesem Gerüst aus Fragen und Antworten ein „richtiges“ Fazit zu schreiben. Arbeitsanleitung Teil 1 Zehn One-Minute-Papers Beantworte - gerne im Freewriting-Modus - folgende 10 Fragen. Nimm dir dabei pro Frage etwa 2-3 Minuten, also insgesamt etwa 20-30 Minuten Zeit: 1. Wovor hatte ich am meisten Angst / Respekt? 2. Welches war meine schwerste Prüfung / was ist mir am schwersten gefallen? 3. Wer / was hat mir am meisten geholfen? 4. Wer / was hat mir am meisten Probleme bereitet? 5. Welches war meine geniale / erlösende Idee / Erkenntnis? 6. Was würde ich noch einmal so machen? 7. Was würde ich beim nächsten Mal definitiv anders machen? 8. Welche Lehre nehme ich mit / was habe ich gelernt? 9. Worauf richtete sich meine größte Wut / mein größter Ärger? 10. Welche Antwort habe ich gefunden? 38 Arbeitsanleitung Teil 2 Fazit Mithilfe der oben genannten Fragen und Antworten fällt es dir sicher leicht, schon einmal einen ersten Entwurf für ein Fazit zu schreiben. Versuche einfach, so viele der zum Fazit gehörenden Punkte wie möglich jetzt schon einmal zumindest provisorisch zu berücksichtigen. Dabei hilft dir die folgende Darstellung der Grundanforderungen an ein Fazit. Im Fazit soll, anders als in der Zusammenfassung oder dem sogenannten Abstract, das den gesamten Forschungsprozess in Kurzdarstellung wiedergibt, der rote Faden zu seinem Zielpunkt geführt werden. Anders ausgedrückt: Im 38 O. V. One-Minute-Paper o.-J. <?page no="203"?> Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ 203 Fazit werden die Fäden, die du in den Kapiteln ausgelegt und versponnen hast, zusammengeführt in ihrer Bedeutung als Teilantworten der zentralen Fragestellung. Mithilfe der Kapitelergebnisse oder -antworten wird jetzt im Fazit die zentrale Antwort auf diese der gesamten Arbeit zugrunde liegende zentrale Fragestellung gegeben. Nun kann auch festgestellt werden, ob diese zentrale Antwort der eingangs in der Einleitung formulierten vermuteten Antwort entspricht und damit die Arbeitshypothese bestätigt oder dieser widerspricht. Dabei ist es kein Gütezeichen der Arbeit, ob oder inwiefern tatsächliche (Fazit) und vermutete (Hypothese in Einleitung) Antwort übereinstimmen. Die Arbeitshypothese, die vermutete Antwort, wurde eingangs wie ein Pfeil mit einer Richtschnur vorausgeschickt, um einen etwaigen Zielpunkt anpeilen zu können. Wenn das tatsächlich erreichte Ziel dann neben dem angepeilten liegt, dann ist das der wissenschaftliche Normalfall. Die ursprünglich angepeilte Antwort hat lediglich die Bewegungs- oder Suchrichtung des Forschungsprozesses vorgegeben. Im Fazit sollten allerdings die Gründe dargelegt werden, die zu dieser Abweichung geführt haben (z. B. Probleme, Hindernisse bei der empirischen Studie, Unzugänglichkeiten bestimmter Literatur etc.). Dieser Rückblick auf die Umsetzung des geplanten Lösungsweges ist wichtiger analytischer Bestandteil der Arbeit und ihrer Leistung. Dabei wird auch hier wieder die Güte deiner Leistung nicht durch die reibungslose Umsetzbarkeit deines Vorhabens bestimmt, sondern durch die Genauigkeit, kritische Betrachtung und vollständige Transparenz dieses Prozesses. Schließlich gehört als wichtiger letzter Punkt ins Fazit noch das Aufzeigen weiterer Perspektiven des bearbeiteten Themas, insbesondere weiterer Forschungsbedarf, wenn möglich so konkret wie nur irgend machbar. 39 39 S. zum Fazit auch Esselborn-Krumbiegel 2008, S. 155 ff. / Karmasin & Ribing 2013, S. 30. <?page no="204"?> 204 Schreib-Szene 12 Heimkehr Fallbeispiel „Stolz und Urteilskraft“ / Mit zehn One-Minute-Papers zum Fazit Zehn One-Minute-Papers 1. Wovor hatte ich am meisten Angst / Respekt? Am meisten Respekt hatte ich vor der Gefahr, die möglicherweise für die Goldspinnerinnen durch kritische Berichte über ihre bedrohliche Situation ausgeht. Allerdings habe ich mich beruhigt durch den Gedanken, dass die eigentliche Gefahr ja nicht von der wissenschaftlichen Arbeit ausgeht, sondern dass diese sogar noch die Chance zur Rettung durch Öffentlichkeit und Aufmerksamkeit in sich birgt. Auch eine gewisse Wandlung der Haltung, eine Art Warnung könnte davon ausgehen. 2. Welches war meine schwerste Prüfung / was ist mir am schwersten gefallen? Meine schwerste Prüfung bei dieser Arbeit bisher war die Ausdehnung des Themas in den gesellschaftlich relevanten Teil, aufgrund der fehlenden Daten. Durch die Geheimhaltungspolitik der Goldsmith Corp. stehen wenig echte Daten zur Verfügung, die Herausforderung meiner Arbeit liegt darin, über parallele Schlüsse / Daten anderer Projekte im Vergleich Rückschlüsse auf den Prozess des Goldspinnerinnen-Projektes zu ziehen. 3. Wer / was hat mir am meisten geholfen? Die bisherigen wenigen Zeitungsartikel und Fachberichte habe ich als Ermutigung empfunden, um ohne den Rückhalt stichhaltiger Fakten dennoch eine These aufzustellen, die das Thema auch auf wissenschaftlicher Basis weiterentwickelt. Gerade der Blick über den bisherigen Wissensstand hinaus in die Bereiche der pseudowissenschaftlichen Thesen hat hier den Durchbruch gebracht. 4. Wer / was hat mir am meisten Probleme bereitet? Am meisten Probleme bereitet hat die Suche nach den wissenschaftlichen Erklärungsmustern für das Stroh-zu-Gold-Spinnen, da gerade in diesem Bereich Schlüsse nur „über Bande“, also durch Koppelung verschiedener bisheriger <?page no="205"?> Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ 205 wissenschaftlicher Erkenntnisse zu ähnlichen Prozessen herangezogen werden konnten. Spekulation und wissenschaftliche Schlüsse lagen nah beieinander. 5. Welches war meine geniale / erlösende Idee / Erkenntnis? Zum einen war es genau dieses „über Bande“ Analysieren und die Ergebnisse Übertragen. Besonders „genial“ bzw. hilfreich war die Analyse möglicher Herstellungsverfahren, die dann begründete Vermutungen darüber zuließ, welche Geheimnisse die Goldsmith Corp. zu verbergen versucht und warum. Auf der anderen Seite war die Analyse der Herstellungsverfahren der Schlüssel zur Beurteilung, welche Strategie die Goldsmith Corp. höchstwahrscheinlich fährt und was das für das Schicksal der Spinnerinnen bedeutete. Die geniale Erkenntnis war: Die Lösung ist nicht linear-analytisch zu finden, sondern nur über mehrfache Verzahnung von Thesen. 6. Was würde ich noch einmal so machen? Alles? ; -) Definitiv würde ich ebenso provokant eine These formulieren, weil ich gemerkt habe, dass damit die interessantesten Antworten und die ergiebigsten Schlussfolgerungen möglich sind. 7. Was würde ich beim nächsten Mal definitiv anders machen? Vielleicht noch entschiedener und schneller mich für eine „leidende“ Gruppe bei einem wissenschaftlichen Thema einsetzen - sozusagen die These als Parteinahme für eine notleidende Gruppe machen / formulieren. 8. Welche Lehre nehme ich mit / was habe ich gelernt? Um es mir leichter zu machen, würde ich bei der Wahl des nächsten wissenschaftlichen Themas möglicherweise mehr darauf achten, dass es eine genügende Basis bereits vorhandener wissenschaftlicher Daten gibt - gerade als Studierende hat man sonst doch sehr oft das Gefühl, sich auf dünnem Eis zu bewegen. 9. Worauf richtete sich meine größte Wut / mein größter Ärger? Da bin ich ganz klar komplett mitten ins Thema eingetaucht, um diese Frage zu beantworten. Meine Wut richtet sich eindeutig gegen die Geschäftsführung <?page no="206"?> 206 Schreib-Szene 12 Heimkehr der Goldsmith Corp., aber auch gegen alle anderen, die das Thema zu vorsichtig, ängstlich handhaben: die Presse, die Wissenschaftler, die sich bisher ungenügend mit dem Phänomen beschäftigt haben, und auch die Angehörigen der Goldspinnerinnen ... Kurz: Meine Wut gilt allen Beteiligten, die sich von Angst ausbremsen lassen in dem berechtigten Recht auf Aufklärung in der Gesellschaft. 10. Welche Antwort habe ich gefunden? Als Antwort habe ich gefunden: Die Goldspinnerinnen sind ein genetisches Phänomen, da sie über eine spezielle physikalisch-biochemische Disposition Strahlen aussenden, die im nicht-messbaren Bereich liegen, jedoch in der Lage sind, Stroh zu Gold zu verwandeln. Diese Fähigkeit wird offensichtlich von der Goldsmith Corp. ausgebeutet, die darin die sichere Chance wittern, innerhalb weniger Jahre den Gold- und damit den globalen Finanzmarkt in Monopolstellung zu beherrschen. Die Spinnerinnen leben höchst wahrscheinlich, da sie nur lebend ihre besondere Fähigkeit ausüben können, werden jedoch vermutlich unter sklavenähnlichen Zuständen gefangen gehalten. Fazit Die eingangs gestellte zentrale Frage der vorliegenden Arbeit, wie der Prozess der Umwandlung von Stroh zu Gold wissenschaftlich im Detail erklärt werden kann, hat zu einer Antwort geführt, die sich noch nicht im hundertprozentig nachweisbaren, sondern eher im Wahrscheinlichkeitsbereich befindet. Die Goldspinnerinnen sind demnach ein genetisches Phänomen. Sie senden über eine spezielle physikalisch-biochemische Disposition Strahlen aus, die im nicht-messbaren Bereich liegen. Dadurch sind die Goldspinnerinnen in der Lage, Stroh in Gold zu verwandeln. Diese Fähigkeit wird offensichtlich von der Goldsmith Corp. ausgebeutet, die darin die sichere Chance wittert, innerhalb weniger Jahre den Gold- und damit den globalen Finanzmarkt in Monopolstellung zu beherrschen. Die Spinnerinnen leben höchstwahrscheinlich, da sie nur lebend ihre besondere Fähigkeit ausüben können, werden jedoch unter sklavenähnlichen Zuständen gefangen gehalten. Damit konnte die in dieser Arbeit formulierte Arbeitshypothese, dass die Fähigkeit zum Goldspinnen genetisch angelegt ist und die Goldspinnerinnen daher <?page no="207"?> Heldenaufgabe „Stolz und Urteilskraft“ 207 Gefahr laufen, von den führenden Goldhändlern industriell ausgenutzt zu werden, weitgehend gestützt werden. Dabei war insbesondere hilfreich, dass es eine Reihe deduktiver chemischer und physikalischer Herleitungen zur Möglichkeit des naturwissenschaftlichen Prozesses gab, die ohne nachweisbare Empirie an den Goldspinnerinnen selbst verwertbare Aussagen über den Herstellungsprozess des Goldes zuließen. Methodisch erwies es sich als besonders zielführend, die drei zunächst scheinbar voneinander getrennten Bereiche naturwissenschaftliche Erklärungsversuche des Stroh-zu-Gold-Wandelns und gesellschaftspolitische Betrachtungen zur Unterbringung der Spinnerinnen sowie ökonomische Strategie-Analyse miteinander zu verknüpfen. Nur diese Kombination von Herangehensweisen hat bei diesem Thema weiterführende Aussagen und Thesen ermöglicht. Von besonderem Vorteil war der Blick jenseits der empirischen Wissenschaften, um über die bisherigen nachgewiesenen naturwissenschaftlichen Gesetze hinauszugehen und damit eine mit bisherigen Methoden nicht nachweisbare Strahlung, die ihre Quelle in den Körpern der Goldspinnerinnen hat, zu vermuten. Weiteren Untersuchungen zu dem Thema ist es sehr zu empfehlen, das von der Goldsmith Corp. erzeugte Klima der Tabuisierung von offenen Fakten zum Projekt „Stroh-zu-Gold-Spinnen“ zu durchbrechen und eindeutige Allianzen mit investigativen Forschern zu bilden. Außerdem gilt es, bei einem so einmaligen wissenschaftlichen, humanitären und ökonomischen Phänomen alle Strohhalme zu ergreifen - auch die pseudo-wissenschaftlichen, die es auch in diesem Fall ermöglicht haben, den Blick über den Horizont des bisher Nachweisbaren zu erweitern und den rettenden Lösungsansatz einer Verquickung der chemischen mit der physikalischen und der biogentischen Erklärungsebene zu schaffen. Im Weiteren ist eine juristische Untersuchung vonnöten, um zu verhindern, dass die Goldsmith Corp. weiterhin die internationalen Gesetze umgehen kann und dabei eine Monopolstellung ungeahnten Ausmaßes erreicht. Weitere physikalisch-chemisch-biogenetische Forschungen sollten sich auf die genaue Quelle der vermuteten Wandlungs-Strahlung konzentrieren, um eventuelle alternative Herstellungsverfahren zu den menschlichen Gold-Erzeugern zu finden. <?page no="208"?> Hintergrund: Vom Studienabbrecher zum Schreibhelden 40 41 42 43 40 Schmelzer, Heublein & Richter 2014. 41 Grieß 2015. 42 O.-V. Studienabbruch o.-J. 43 O.-V. Zeit online Campus 2017. Die Zahlen der Studienabbrecher in Deutschland sind, wie eingangs erwähnt, sehr hoch. Mit 28 Prozent der Bachelorstudenten (Tendenz stagnierend) und 27 Prozent der Master- und Diplomstudenten (Tendenz steigend) bricht fast ein Drittel aller Studierenden sein Studium vor der Abschlussprüfung ab (Stand 2012) 40 . Besonders beunruhigend sind die Fälle, in denen kurz vor Schluss noch das Studium „geschmissen“ wird und der letzte Schritt, die Abschlussarbeit, nicht gelingt. Dabei ist die Durchfallquote (Zahlen von 2014) bei Abschlussarbeiten mit rund 7 Prozent (Bachelorarbeiten) und 9 Prozent (Masterabschlüsse) 41 relativ gering, so dass die Vermutung naheliegt, dass die meisten Abbrecher kurz vor Schluss das Erstellen der Abschlussarbeit aus Angst nicht schaffen. Sie meistern alle Stadien und Herausforderungen ihres Studiums und kapitulieren dann an der letzten Hürde. Was ist da los? Was macht diese Arbeit zu einer anderen als alle anderen - erfolgreich gemeisterten - zuvor? Hängt womöglich noch mehr an ihr dran als „nur“ der Abschluss des Studiums? Untersuchungen legen nahe, dass es drei Top-Gründe für einen Studienabbruch gibt: 1. Leistungsprobleme, 2. Finanzierungsprobleme und 3. Mangelnde Studienmotivation 42 . Die Heldenmethode greift sowohl beim Punkt vermeintlicher „Leistungsprobleme“ als auch beim Punkt „Mangelnde Studienmotivation“ an. Es ist darüber hinaus zu vermuten, dass ein Studienabbruch keine Frage der Intelligenz ist, sondern verursacht wird durch eine Mischung aus mangelnder Selbstmotivation und fehlender Begeisterung durch die Lehrenden. 43 An dieser Stelle soll auch noch vermutet werden, dass für viele Studierende ein ähnlicher Zwiespalt auftaucht wie für Mark in meiner Schreibberatung: Mit dem erfolgreichen Abschluss wird auf der einen Seite der Start in ein glückliches Erwachsenenleben inklusive der Erfüllung aller Wünsche wie existenzielle und finanzielle Sicherheit (Job, Geld), aber auch emotionale Geborgenheit (Partner, Familie, Kinder) verbunden. Was eben leider auch den Umkehrschluss zur Folge hat: Wenn ich es nicht schaffe, meinen Abschluss zu erlangen, dann muss ich auch auf alles andere, 208 Schreib-Szene 12 Heimkehr <?page no="209"?> Hintergrund: Vom Studienabbrecher zum Schreibhelden 209 44 44 Kühn 2015. was damit zusammenhängt, verzichten. Auch Angst vor dem neuen und einschneidenden Wechsel der Lebensumstände kann dazu führen, den Abschluss hinauszuzögern, um das gewohnte Lebensumfeld noch eine Weile behalten zu können. Bei diesem Problem setzt die Heldenmethode ein: Sie „dissoziiert“ von Anfang an das Ich des Schreibenden von seinem wissenschaftlichen Forschungsproblem. Dies tut die Heldenmethode auf scheinbar paradoxe Weise: Indem ich mich meinem Forschungsproblem bis fast auf Identifikation nähere, um die Schwachstelle zu finden, an der die Lösung ansetzen kann, erhalte ich gleichzeitig die Souveränität des Retters, den Gegner = die scheinbare Unlösbarkeit der Forschungsfrage zu besiegen. Das Paradoxon besteht hier in der großen Nähe des Studierenden zu seinem Thema, die dann das erforderliche Maß an Integrität verschafft, sein Problem zu lösen. Was dabei sozusagen en passant geschieht, ist aber noch wichtiger: Der Studierende hat sich und das Thema losgelöst von den übrigen unnötig assoziierten Problemen wie Existenzsicherung und emotionale Geborgenheit. Und das ist der rettende Effekt. Der Held geht auf Heldenreise zur Rettung seines Forschungsproblems und taucht dafür vollkommen ab in die „Anderwelt“ der Forschungslandschaft - nicht mehr als das, aber auch nicht weniger. Wie in einer Parallelwelt kann er hier siegen oder scheitern, aber das bedeutet nicht, dass das zwangsläufig Auswirkungen auf seine „Alte Welt“ hat. Wenn er scheitert, scheitert nur sein Forschungsthema - nichts anderes. Alle übrigen Lebensbereiche bleiben davon unberührt vollkommen außen vor. Darüber hinaus gibt es noch den großen Teil an Studierenden in niedrigeren Semestern oder noch ganz zu Beginn des Studiums, die in ähnlicher Weise von der Heldenmethode profitieren. Rund 40 Prozent (Stand 2015) aller Studienanfänger in Deutschland brechen ihr Studium ab oder wechseln das Fach 44 . Auch diesen jungen Studierenden ermöglicht die Heldenmethode, ihre Wahl, ob sie das Studium wechseln oder ganz abbrechen, aus freien Stücken zu treffen - sozusagen aus positiven Beweggründen, etwa weil die Erkenntnis gekommen ist, welches Fach ihnen „wirklich“ liegt, oder der tiefe, klare Wunsch nach einem völlig anderen Lebensweg auftaucht. Die Heldenmethode hilft, eine wirkliche Wahl zu treffen, indem sie negative Beweggründe wie „das schaffe ich sowieso nicht“ oder „ich bin offensichtlich kein wissenschaftlicher Typ“ minimiert und hilft, die (vorwiegend) emotionalen Hürden <?page no="210"?> 210 auf dem Weg zu einer erfolgreichen Hausarbeit zu überwinden. Was dann als Entscheidungsgrundlage bleibt, ist der wirkliche Grad an Interesse für das Studienfach. In der Beratungspraxis für Studierende geht es selbstverständlich um eine relativ breite Palette an Fragen, Problemen und erforderlichen Hilfestellungen. Allein dadurch, dass die Schreibberatung üblicherweise hochschulweit angeboten wird und damit für Studierende aller Fachbereiche und aller Studienphasen offen ist, ergibt sich ein Spektrum an unterschiedlichen Thematiken. Vom Erstsemester bis zur Promovierenden ist alles dabei, ebenso verschiedene Geschlechter, Altersgruppen und vor allem: Charaktere. Keine Schreibberatung ist wie die andere, jede Sitzung hat ihre ganz eigene Atmosphäre und Problemstellung. Auch die Lösung ist jeweils individuell. Dennoch lässt sich mit der Zeit etwas herauskristallisieren, eine Essenz, eine Vorgehensweise, die die Schreibberatende nicht zwingt, bei jeder Beratung sozusagen „das Rad neu zu erfinden“, sondern eine gemeinsame Grundströmung erkennen lässt. Diese verbindende Sphäre ist die Erkenntnis, dass der überwiegende Teil der Studierenden die Schreibberatung aufsucht, weil er Angst hat. Natürlich geht es manchmal auch um lapidare Fragen, wie man eine Online-Quelle bibliografisch erfasst oder ob man Sekundärzitate benutzen kann. Aber das ist - zumindest in meiner Beratung - die absolute Ausnahme. Fast alle anderen Ratsuchenden treibt die nackte Angst dazu, eine Schreibberatung aufzusuchen. Tief verborgen oft - besonders junge Männer sind aufgrund ihres immer noch einengenden Rollenverständnisses Meister im Verbergen solcher beunruhigender Zustände und verstecken ihre Unsicherheit gerne hinter vorgeschobenen Äußerungen wie „Ich hätte nur gern mal ein Feedback, ob ich verständlich schreibe“ oder dergleichen. Das ist auch völlig okay und dient dem inneren Überleben und der Aufrechterhaltung der Souveränität, die wir ja beim Schreiben, und insbesondere beim wissenschaftlichen Schreiben, so sehr brauchen wie fast keine andere Tugend (neben Korrektheit und der Fähigkeit zu kritischer Beobachtung vielleicht). Aber nicht selten fließen im Beratungsbüro Tränen, die die ganze schiere Verzweiflung zum Ausdruck bringen, doch eigentlich so weit gekommen zu sein und jetzt vielleicht an der letzten Hürde, der Abschlussarbeit, zu scheitern. Die weit bekannte „Prokrastination“, auch als „Aufschieberitis“ übersetzt, hat viele Wege, sich zu äußern. Sobald der strenge eigene innere Zensor - sozusagen eine Reinkarnation eines ehemals als streng erlebten Lehrers oder eines Elternteils oder auch einer demütigenden Situation unter Mitschülern oder Geschwistern - ausgetrickst und damit deaktiviert ist, sprudeln die Wörter und das Selbstbewusstsein wächst mit jeder geschriebenen Zeile. Schreib-Szene 12 Heimkehr <?page no="211"?> 211 Epilog Epilog Nun steht die Struktur deines Textes. Dabei ist diese Struktur nicht nur eine formale, sondern vor allem eine inhaltliche, gedankliche, eine argumentative Struktur. Außerdem sind auch Teile des Textes mindestens im Entwurf, teilweise eventuell auch schon in einer der Endversion sehr nahen Form vorhanden: die Einleitung, das Fazit, die Gliederung mit den Kapitelüberschriften sowie ein Kapiteltext in der Rohversion mit strukturierenden Formulierungen (und möglicherweise ersten Ideen zu beweisführenden Quellen / Zitaten). Darüber hinaus hast du zu jedem Kapitel und Unterkapitel bereits 3-6 Sätze formuliert, die den argumentativen Inhalt und Nutzen dieses Kapitels formulieren. Es fehlt zum einen noch das Ausdehnen der Kapitelinhalte zu vollwertigen argumentativen und inhaltlich nachweisbaren Texten. Zum anderen steht noch der Feinschliff von Grammatik, Orthografie und Erfüllen der formalen Standards wie Seitenränder, Schrifttyp und -größe, Zeilenabstand oder die Verwendung des obligatorischen Deckblatts für Haus- oder Abschlussarbeiten für deinen Fachbereich an. Zu diesen Arbeiten stehen dir üblicherweise Handouts deines Fachbereichs oder das eine oder andere einschlägige Fachbuch zum wissenschaftlichen Schreiben mit Schwerpunkt auf den formalen Kriterien zur Verfügung. Das Coaching hat nun seine Aufgabe erfüllt: Dir zu helfen, die Energie, die in deiner Angst und Schreibblockade steckte, zu nutzen und in kraftvolle, befreiende, selbstbewusste Schreibenergie umzuwandeln. Mithilfe dieser Energie hast du nun das Wesentliche geschafft: Du hast die Gefahrenpunkte deiner Schreibreise überwunden und dich beharrlich und mutig einfach in den Forschungsprozess hineingeschrieben. Das ist zum einen die Königsmethode und zum anderen der einzig mögliche und befriedigende Weg. Um dir noch ein paar Hilfen für die abschließenden Aufgaben an die Hand zu geben, folgende Anmerkungen: 1. Jeden Kapiteltext, den du noch schreiben bzw. zu einem vollwertigen Text ausdehnen musst, kannst du in der erprobten Methode des Freewritings (optimal mit vorhergehendem Cluster) plus anschließendem Überarbeiten und Erweitern durch zugehörige Quellen produzieren. <?page no="212"?> 212 Epilog 212 2. Zur mühelosen Organisation deiner Quellen und Zitate empfiehlt sich die Verwendung eines der gängigen Zitierprogramme wie Citavi oder Zotero, die dir enorm viel Zeit sparen helfen und für Übersichtlichkeit sorgen. 3. Hilfreich ist zudem die Anlage eines digitalen Zettelkastens (z. B. bei Citavi) mit deinen Quellen und Zitaten, in dem du nicht nur die Zitate selber mit ihren bibliografischen Angaben festhältst, sondern auch deine Ideen, Kommentare, Gedanken und Bemerkungen zur argumentativen Verwendung der jeweiligen Textstelle oder Fakten im Rahmen deines Plädoyers. Einen solchen Zettelkasten bzw. die darin enthaltenen Zitate und Quellen kannst du dann beliebig auswählen und einsetzen, so wie es im Rahmen deiner Argumentation notwendig ist. Diese Methode nennt sich Mosaik- oder Steinbruchtechnik und wurde an der Universität Wien von Helmut Gruber, Birgit Huemer und Markus Rheindorf vorgestellt 45 . Auf diese Weise erarbeitest du - ganz nach dem Grundprinzip der Heldenmethode - einen souveränen und selbstbewussten Umgang mit Forschungsdaten und Fremdmeinungen. 4. Sehr empfehlenswert ist es, ein Notizbuch oder im Computer / Smartphone eine Notizdatei als Journal parat zu haben, wo spontan und ohne Verzögerung alle Ideen zu deiner Arbeit festgehalten werden sollten. Manchmal sind die intuitiv-spontanen Ideen, etwa welche Quelle zu welchem Argumentationsabschnitt hervorragend passt, im Moment ihres Auftretens gleißend hell wie ein Komet, so dass du denkst: Das vergesse ich schon nicht! Das ist leider ein Irrtum, wie dir jeder Autor und Wissenschaftler aus leidvoller eigener Erfahrung bestätigen kann. Gerade die genialen Einfälle springen aus irgendeiner hinteren Hirnkammer ungeahnt hervor - und leider auch genauso unbemerkt wieder zurück und bleiben unauffindbar bis zum nächsten Sprung - in zehn Jahren. Also: Halt sie direkt fest! 5. Formalia: ▶ Die formalen Standards sind UNBEDINGT einzuhalten; je nach Fachbereich und Dozent kann das variieren, aber wenn die Formatvorgabe lautet Schriftgröße 12, Zeilenabstand 1,5 und die Seitenränder und Kopf- und Fußzeilenabstand genau definiert sind, musst du das ohne Ausnahme einhalten. Denn prinzipiell können Gutachter ungeachtet des Inhaltes eine Arbeit ablehnen, die nicht den formalen Vorgaben entspricht - deren Einhaltung ist daher der erste und grundlegende Leistungsnachweis deiner 45 Gruber, Huemer & Rheindorf 2008. <?page no="213"?> 213 Epilog Prüfungsarbeit und legt Zeugnis darüber ab, dass du willens und fähig bist, den wissenschaftlichen Standards Genüge zu tun. ▶ Wie schon erwähnt: Halte Kontakt zu deiner Betreuerin bei allen wesentlichen inhaltlichen wie formalen Unklarheiten und lasse dir jede Änderung deines Konzepts (z. B. eine neue Gliederung) von ihr „absegnen“. So hast du sie immer „mit im Boot“ und sie übernimmt damit ein Stück weit Mit-Verantwortung für deine gewählten Schritte, was üblicherweise dazu führt, dass sie die fertige Arbeit schon in Teilen kennt und bereits ebenso in Teilen akzeptiert hat. ▶ Jeder Kapitelunterpunkt muss mindestens eine halbe Seite füllen. ▶ Die dritte Unterebene bei Kapiteln sollte nicht überschritten werden (also maximal z. B. P. 2.1.1.1). ▶ Nur verwendete, d. h. zitierte oder paraphrasierte Literatur wird im Literaturverzeichnis aufgeführt. Bei Stellennachweisen hat sich zunehmend die amerikanische Zitierweise mit den Quellenangaben in Klammern im fortlaufenden Text anstelle der herkömmlichen Fußnoten durchgesetzt. ▶ Jede fachliche Behauptung muss mit einer Quelle belegt werden. Jede übernommene Fachmeinung muss exakt nachgewiesen werden. Paraphrasierungen (= inhaltliche Wiedergabe eines Zitates mit eigenen Worten) müssen zum einen unbedingt als solche mit Angabe der Quelle vermerkt werden und zum anderen wirklich mit eigenen Worten umschrieben werden (und nicht quasi wörtlich zitiert). Dieses Umformulieren ist anfangs etwas herausfordernd, weil du den Mut aufbringen musst, durch deine sprachliche Adaption des Zitats eine gewisse interpretatorische Prägung vorzunehmen - aber genau darum geht es ja bei deiner „Studierenden-Heldenreise“! Wenn du diese Regeln beherzigst, brauchst du dir über die Gefahr des Plagiats überhaupt keine Sorgen zu machen. ▶ Du musst nicht - und sollst auch gar nicht! - alle verfügbare Literatur zu deinem Thema zitieren. Du kannst es auch gar nicht! Erfahrungsgemäß sind die meisten Themen wissenschaftlicher Arbeiten mit einem Übermaß an bereitstehender Literatur gesegnet. Du musst also eine Auswahl treffen, wenn du nicht mehrere Jahre (wie bei einer Dissertation allerdings üblich - hier gelten aber auch etwas andere Regeln), sondern nur die dir zur Verfügung stehenden zwei bis fünf Monate für die Erstellung deiner wissenschaftlichen Arbeit aufbringen kannst. Du musst also Selektionskriterien entwickeln. Aber gerade in einer sinnvollen, inhaltlich begründeten Auswahl der Sekundärliteratur bzw. verfügbarer Studien oder Statistiken <?page no="214"?> 214 Epilog 214 liegt ein wesentlicher Teil deiner eigenen Prüfungsleistung. Hilfreich ist dabei die frühe Formulierung deiner zentralen Fragestellung und deiner Arbeitshypothese und eine daran anknüpfende fokussierte Lese- und Exzerpiertechnik entlang der Auswahl-Leitlinie: Was genau will ich wissen? Was genau erwarte ich zu finden? Was genau steht dem im Wege? Und was genau hilft mir dabei? 6. Zum Zeit- / Arbeits- / Prozessmanagement: Mit der Pomodoro-Technik 46 kannst du deinen Arbeitsprozess in eine regelmäßige Abfolge von Schreib- und Erholungsphasen einteilen. Der Vorteil ist dabei, dass du alles, was dich üblicherweise vom Schreiben abhält (ich mach mir nur noch mal eben einen Kaffee, ich rufe nur noch mal kurz XY an, ich mache nur mal eben die Wäsche etc.), entschieden vom reinen Schreibprozess trennst und diesen ja notwendigen Dingen einen eigenen zeitlichen Raum zuteilst. Genauso konsequent kannst du dann die Schreib- oder Arbeitsphasen ungestört für deine reine wissenschaftliche Kreativität nutzen. 7. Sich Gutes gönnen, auch und gerade während des Schreibens, ist sehr empfehlenswert. Belohnung nach getaner Arbeit ist eine mögliche Motivationsstrategie - leider hat das aber oft die Kehrseite zur Folge: Ich habe nichts geschafft und nun kann ich mich noch nicht mal trösten! Daher empfehle ich eher eine Verknüpfung von Schaffensprozess und Belohnungen: eine aromatische Tasse Tee, einen supergeilen Kaffee sowie leckeres Obst oder Nüsse während des Schreibens. So verbindet das Gehirn mit dem Schreibprozess positive Emotionen - und darum dreht sich dieses ganze Buch. Von Süßigkeiten rate ich aufgrund des steil ansteigenden Zucker- und Energiepegels und des ebenso steilen anschließenden Abfalls beider eher ab. Ebenso sind Alkohol (auch wenn einige Schriftsteller im Ruf stehen, unter dessen Einfluss Weltliteratur geschaffen zu haben) so wie jede Form von Drogen (! ) beim wissenschaftlichen Schreiben entschieden kontraproduktiv. 8. Dein „Ton“: Viele Studierende haben Schwierigkeiten, die richtige Leserinnenansprache zu finden. Das entspringt einer gewissen Rollenunsicherheit und Angst vor Anmaßung. Frank et al. empfehlen, auf jeden Fall die Sachautorität zu beanspruchen 47 . Die Heldenmethode stärkt deine Heldenposition, die sicher keine Anmaßung, aber durchaus eine klare 46 Cirillo (o. J.). 47 Frank, Haacke & Lahm 2007, S. 126 f. <?page no="215"?> 215 Epilog Inanspruchnahme dieser Sachautorität beinhaltet. Stell dir vor, dass du deinen Text, deine wissenschaftliche Arbeit für deine Kommilitoninnen schreibst - nicht für deine Eltern und schon gar nicht für den Professor! Denn indem du dich in deinem Schreib-Ton an Leser in Augenhöhe mit dir richtest, vermeidest du unnötige Unsicherheiten, übertriebenen Selbstzweifel oder Schwächungen provokanter Aussagen. Alle diese Zurücknahmen deines „Heldentums“ entstehen aus einer Art Bringschuld, die du verspürst, wenn du deinen Wissensstand mit dem deines Professors vergleichst. Wenn du für ihn schreibst, bist du in einem ewigen Defizit verfangen und keines deiner Ergebnisse kann ihn jemals befriedigen. Wendest du dich mit deinem inneren Schreiber stattdessen an Kommilitonen, dann hast du etwas Positives zu berichten. So soll es sein. Deine Aufgabe liegt darin, der „Normalwelt“ etwas über die „Anderwelt“ zu Gehör zu bringen - nicht einem erfahrenen Weltenbummler, der selber bereits tausendmal in die Unterwelt abgestiegen ist, noch etwas Neues darüber zu berichten. 9. Schreibberatungen und -gruppen: Wo immer sich die Gelegenheit ergibt, eine Schreibberatung zu besuchen, ein Seminar an der Hochschule zu Techniken des wissenschaftlichen Schreibens, eine offene Schreibgruppe oder die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten (üblicherweise eine bundesweite Veranstaltung synchron an allen Hochschulen): Ergreife sie! Nutz die Chance, die junge Eltern den „Krabbelgruppen-Effekt“ nennen, wenn sie im Austausch mit anderen Eltern feststellen: Nicht nur mein Kind schläft nicht durch, nicht nur mein Kind hat nach jeder Mahlzeit Bauchkrämpfe, es liegt nicht an meiner fehlenden Tagesorganisation, wenn meine Küche seit Wochen ein einziges Chaos ist etc. Mit anderen Worten: Nutze jede Gelegenheit, dich mit anderen Studierenden auszutauschen und festzustellen, dass du gar nicht so außergewöhnlich bist in deinen hohen Ansprüchen an dich selbst, in deinen Selbstzweifeln und den Problemen, die du in deinem Schreibprozess hast. Was dabei passiert, ist, dass deine Selbstkritik - und damit deine Angst - schmelzen wie Schnee in der Junisonne und du erkennst, dass auch andere Kommilitonen nur mit Wasser kochen - sprich: Probleme beim wissenschaftlichen Schreiben zu lösen haben. 10. Online-Coaching: Einige private Schreibberater bieten ihren Service online an. Auch eine individuelle Online-Beratung direkt nach der Heldenmethode bei mir ist möglich unter www.die-heldenmethode.de. Damit <?page no="216"?> 216 Epilog 216 hast du die Möglichkeit, dir über die selbstbezogene Lektüre hinaus professionelles Feedback einzuholen. Du hast nun in 12 Stationen eine Reihe von Übungen absolviert, die quasi en passant deine Angst überlistet haben, meist durch klare Regeln und Vorgaben, wann was wie und vor allem in welcher Zeit zu schreiben ist. Die Übungen haben sich zur Heldenmethode zusammengefügt, und damit hast du deine Forschungsarbeit zu der emotionalen Reise gemacht, die sie eigentlich im Ursprung ist, und ein Instrumentarium erhalten, das dich diese Reise sieg- und erfolgreich meistern lässt. So kannst du deine Opferrolle abstreifen und zum Helden deiner Abschlussarbeit werden! - und damit auch ein Stück weit zum aktiven, unerschrockenen, tatkräftigen Helden deines Lebens. Jetzt gilt vor allem: Genieße deinen Erfolg, dich siegreich in der Schlacht um deine Haus- oder Abschlussarbeit geschlagen zu haben und um ein Vielfaches gewachsen, erstarkt und gereift zu sein. Herzlichen Glückwunsch! ! ! <?page no="217"?> 217 Literaturverzeichnis Literaturverzeichnis Aristoteles. (1978). Poetik. Stuttgart: Reclam. Arnold, S., Chirico, R., & Liebscher, D. (2012). Goldgräber oder Eichhörnchen - welcher Schreibtyp sind Sie? (P. Kowal, Hrsg.) Journal der Schreibberatung 01/ 2012, S. 82-97. Bertram, D., & Herk, N. (2017). Werde der Held deiner Hausarbeit und rette die Prinzessin der Forschungslandschaft. Schreib-Peer-Tutoren-Konferenz. Köln (unveröffentlichtes Paper). Böglin, M. (2012). Wissenschaftlich arbeiten Schritt für Schritt: Gelassen und effektiv studieren. Paderborn: Fink. Böhm, H., & Zapp, C. (2017). Abenteuer Wissenschaft: Projektsteuerung als Heldenreise. (S. Tschirpke, F. Liebetanz, D. Kreitz, & L. Dalessandro, Hrsg.) 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