Gruppendynamik und soziales Lernen
Theorie und Praxis der Arbeit mit Gruppen
0611
2018
978-3-8385-5064-0
978-3-8252-5064-5
UTB
Peter R. Wellhöfer
Dieses Lehrbuch informiert detailliert über den aktuellen Stand der Gruppenpsychologie. Durch viele praxisbezogene Übungen und Experimente wird der Leser aktiviert, die Inhalte selbst zu erleben. Die beschriebenen Übungen sind in vielen Seminaren erprobt und stellen ein bewährtes Schulungsmaterial für Dozenten, Verhaltenstrainer und Moderatoren dar.
Als integrierendes Bezugssystem für die Umsetzung der einzelnen Erkenntnisse dient die "Themenzentrierte Interaktion". Weitere praxisbezogene Beispiele ("Gesprächsführung und Motivation", "Kollegiale Beratung" und "Soziales Kompetenz-Training") zeigen auf, wie die theoretischen Aspekte konkret in die Arbeit mit Gruppen und Teams einfließen können.
Zudem wird der Einfluss des Internets auf soziale Lernprozesse (Blended Learning mit multimedialen Lernplattformen) diskutiert.
<?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage W. Bertelsmann Verlag · Bielefeld Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn A. Francke Verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlagsgesellschaft · Konstanz, mit UVK / Lucius · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York utb <?page no="2"?> Peter R. Wellhöfer Gruppendynamik und soziales Lernen Theorie und Praxis der Arbeit mit Gruppen 5., bearbeitete Auflage UVK Verlag · München <?page no="3"?> Peter R. Wellhöfer († 2012) war Professor für »Psychologie« und Sozialwissenschaftliche Methoden und Arbeitsweisen« an der Fakultät für Sozialwissenschaft der Georg-Simon-Ohm-Hochschule für angewandte Wissenschaften in Nürnberg. Seit seiner Emeritierung engagierte er sich in aktuellen Projekten der Ohm-Hochschule (»Projekt MINT - Wege zu mehr MINT- Absolventen«), der Entwicklung von Studierfähigkeitstests (Online-Self- Assessments) und der Durchführung von Weiterbildungsveranstaltungen zu den verschiedenen Bereichen der Sozialkompetenz. Online-Angebote oder elektronische Ausgaben sind erhältlich unter www.utb-shop.de. Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http: / / dnb.ddb.de> abrufbar. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. © UVK Verlag München 2018 Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart Einbandmotiv: © iStockphoto, borchee Satz und Layout: Claudia Wild, Konstanz Printed in Germany UVK Verlagsgesellschaft mbH Schützenstr. 24 · 78462 Konstanz Tel. 07531-9053-0 · Fax 07531-9053-98 www.uvk.de UTB-Nr. 2192 ISBN: 978-3-8252-5084-5 <?page no="4"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 5 5 Vorbemerkung zur vierten Auflage Die Nachfrage und Resonanz auf mein Lehrbuch zur »Gruppendynamik« sind weiter erfreulich positiv. Nachdem der Verlag Lucius & Lucius seine Rechte an die UVK Verlagsgesellschaft übertragen hat, freut es mich sehr, dass auch mein neuer Verlag eine weitere UTB-Auflage angeregt hat. Ich habe diese Anregung gerne aufgegriffen, den Text und die grafischen Darstellungen aktualisiert, den Fehlerteufel weiter in seine Grenzen verwiesen und ein Kapitel zum Thema »Internet, virtuelle Gruppen und Blended- Learning« eingeführt. Das Internet hat in den letzten Jahren unser alltägliches und berufliches Leben sehr stark verändert. Es war mir deshalb wichtig, die zentralen Faktoren, durch die unser Informations- und Kommunikationsverhalten - und damit auch unser »soziales Lernen« - verändert wird, zu skizzieren. Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die anregend, kritisierend, diskutierend, korrigierend und natürlich auch »kaufend« diese Neuauflage ermöglicht haben. Uttenreuth-Weiher, Peter R. Wellhöfer Juni 2012 Vorbemerkung zur fünften Auflage Leider ist unser Autor verstorben. Sein Werk wirkt nach und ist weiterhin gefragt. Nach Abverkauf der vierten Auflage hat sich der Verlag daher entschlossen, diesen Band in einem größeren Format neu aufzulegen. Die UVK-Redaktion München, Frühjahr 2018 <?page no="5"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 6 Vorbemerkung zur ersten Auflage Gruppendynamik, Gruppenarbeit, lebendiges Lernen, Interaktions- und Kommunikationstraining werden neben anderen modernen Begriffen heute im Zusammenhang mit den verschiedensten Aktivitäten im Bildungsbereich ausgiebig diskutiert. Dies zeigt, wie stark Dozenten, Lehrer, Verhaltenstrainer, Gesprächsmoderatoren und Gruppenleiter bei ihrer Arbeit mit unterschiedlichen Gruppenproblemen konfrontiert und häufig verunsichert werden, da sie meist nur auf »individuelles«, »vernünftiges« Verhalten vorbereitet sind. Menschen, die mit Gruppen arbeiten, haben zwar oft ein subjektives Gefühl für die Phänomene im »sozialen Kraftfeld« entwickelt, wissen aber häufig nicht, wie sie dieses »Gespür« methodisch und pädagogisch sinnvoll einsetzen können. Zwar gibt es seit den 70er-Jahren einige Anleitungen und Informationsmöglichkeiten zu gruppendynamischen Übungen, diese bieten jedoch meist nur rezeptartige Vorschläge zur Durchführung der Spiele und zu deren häufig unreflektierten Anwendung. Im vorliegenden Lehrbuch werden die theoretischen Erkenntnisse der Gruppenpsychologie mit einschlägigen Übungen dargestellt und daraus Konsequenzen für die pädagogische Arbeit mit Gruppen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern abgeleitet. Auf der Basis eigener Erfahrungen in der Organisationsberatung und der betrieblichen Erwachsenenbildung sowie meiner (praxisbezogenen) Lehrveranstaltungen im Fach Psychologie an der Ohm-Fachhochschule in Nürnberg ergab sich dabei ein Konzept, bei dem konkrete praktische Anweisungen und sozialpsychologische Theorien integriert sind. Das vorliegende Buch verfolgt drei wesentliche Ziele: Es möchte • dem Leser die zentralen Ergebnisse der Gruppenpsychologie vermitteln und mit Hilfe von Spielen/ Übungen erlebbar machen, • ein Konzept für die aktive Erarbeitung der Inhalte in Gruppen vorstellen und • dem Leser praktische Hinweise für die Planung von Gruppenarbeit liefern. Bei diesem Konzept werden viele Übungen und Spiele vorgeschlagen, deren kreative Urheber nicht mehr eindeutig identifiziert werden konnten. Die meisten von ihnen wurden in gruppendynamischen Seminaren entwickelt, durch »Papers« und Mund-zu-Mund-Propaganda weitervererbt und wieder akzentuiert, so dass sie als eine Art »Folklore« der Gruppendynamik zu betrachten sind. Einige Techniken habe ich in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen von tpm (Team für psychologisches Management Beratungsgesellschaft mbH, www.tpm-team.de) kennengelernt. Gerade bei 6 <?page no="6"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 7 7 der Zusammenarbeit mit diesem Kollegenkreis habe ich den Leistungsvorteil der Gruppe überzeugend erleben können. Das Lehrbuch ist so aufgebaut, dass in den ersten Kapiteln die zentralen Ergebnisse der Gruppenpsychologie vermittelt werden. Diese neutralen Aussagen werden in das übergreifende Bezugssystem der Humanistischen Psychologie eingebettet, sie können aber zweifellos auch in einen anderen Bezugsrahmen integriert werden. Vor diesem Hintergrund werden weitere konkrete Planungs- und Durchführungshilfen beschrieben, die das praktische pädagogische Vorgehen in Freizeit-, Ausbildungs- und Weiterbildungsgruppen exemplarisch darstellen sollen. Mit diesem Buch möchte ich die Studierende ansprechen, die beruflich und pädagogisch mit Gruppen arbeiten möchten oder es bereits tun, ihr Vorgehen methodisch planen und wissenschaftlich reflektieren wollen. Es wendet sich aber auch an den interessierten Laien, der mehr über sich selbst und den Einfluss des sozialen Kraftfeldes auf das eigene Verhalten erfahren möchte. Der Leser kann seinem Interesse entsprechend die Lektüre unterschiedlich gestalten. So wird der eher wissenschaftlich-theoretisch Interessierte wahrscheinlich schrittweise vorgehen, während der Praktiker sich stärker von den Übungen und den Ausführungen ab Kapitel 5 angesprochen fühlen dürfte. An dieser Stelle möchte ich mich auch bei allen bedanken, die diskutierend, beratend, korrigierend - ich denke hier vor allem an meine Frau - und ermutigend an dieser Arbeit beteiligt waren. Weiher, im August 1992 Peter R. Wellhöfer <?page no="7"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 8 <?page no="8"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 9 9 Inhaltsverzeichnis 1 Das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.1 Wie beeinflusst die Anwesenheit anderer das »individuelle« Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.2 Lewins Feldtheorie und die »Gruppendynamik« . . . . . . . . . . . . 15 1.3 Was verstehen wir unter einer Gruppe? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2 Die »Entwicklungspsychologie« der Gruppe . . . . . . . . 21 2.1 Phasen der Gruppenentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Rollenverhalten und Rollentheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 3 Interaktion und Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1 Welche Prozesse sind in einem Gespräch wirksam? . . . . . . . . . . 35 3.2 Steuerung der Kommunikation auf der Inhaltsebene . . . . . . . . . 38 3.3 Steuerung der Kommunikation auf der Beziehungsebene . . . . . . 47 3.4 Die Kommunikationstheorie der »Palo-Alto-Schule« . . . . . . . . . 51 3.5 Das Selbstbild als »Feedback«-Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 4 Spezielle Aspekte der Gruppendynamik. . . . . . . . . . . . . 65 4.1 Die Leistungsvorteile der Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 4.2 Gefahren und Nachteile der Gruppenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 69 4.3 Kooperation und Konflikt in Gruppen/ Teams . . . . . . . . . . . . . . 76 4.4 Konflikt und Konfliktmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4.4.1 Wann sprechen wir von einem (sozialen) Konflikt? . . . . . . . . . 84 4.4.2 Die »normale« Grundeinstellung gegenüber Konflikten . . . . . . 85 4.4.3 Zentrale psychische Konfliktmechanismen . . . . . . . . . . . . . . 86 4.4.4 Stufen der Konflikteskalation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 4.4.5 Konfliktdiagnose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 4.4.6 Interventionsmöglichkeiten der Konfliktsteuerung: . . . . . . . . 91 4.5 Gruppenstruktur und Gruppenatmosphäre . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.5.1 Analyse der Gruppenstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4.5.2 Gruppenstruktur, Gruppenleistung und Atmosphäre . . . . . . 102 4.5.3 Kontakt und Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 <?page no="9"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 10 10 4.6 Gruppenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 4.6.1 Formale und informelle Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 4.6.2 Effektive Gruppenführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 5 Lernprozesse in Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.1 Grundlegende Lernprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.1.1 Klassisches Konditionieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 5.1.2 Instrumentelles (operantes) Konditionieren . . . . . . . . . . . . . 120 5.1.3 Sozial-kognitives Lernen/ Modell-Lernen . . . . . . . . . . . . . . . 123 5.2 Superlearning/ Suggestopädie als Beispiel für erfolgreiches Lernen in Gruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 5.3 Möglichkeiten der Einstellungsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 6 Die Themenzentrierte Interaktion. . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.1 Menschliches Wachstum als Ziel der Humanistischen Psychologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 6.2 Das Menschenbild der »Themenzentrierten Interaktion« . . . . . 137 6.3 Verhaltensregeln der TZI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 7 Planung und Moderation von Gruppenaktivitäten . . . 143 7.1 Welche Punkte sind bei der Planung zu berücksichtigen? . . . . . 143 7.2 Exkurs: Moderationstechniken für die Gruppenarbeit . . . . . . . 145 7.2.1 Ziel und Zweck der Moderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 7.2.2 Wann ist die Moderation von Gesprächen sinnvoll? . . . . . . . 146 7.2.3 Verhaltensregeln der Gruppenmoderation . . . . . . . . . . . . . . 147 7.2.4 Das Handwerkszeug der Gruppenmoderation . . . . . . . . . . . 148 7.2.5 Phasen der Gruppenmoderation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 7.3 Methoden für die Gruppenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 7.3.1 Wie beginne ich die Gruppenarbeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 7.3.2 Inhaltsorientierte Methoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 7.3.3 Methoden zur Auflockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 7.3.4 Rückmeldung und Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 7.4 Sicherung des Lerntransfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 8 Gruppendynamik als angewandte Sozialpsychologie. 179 8.1 Seminarbeispiel »Gesprächsführung und Motivation«. . . . . . . . 179 8.2 Beispiel einer »Kollegialen Beratung« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 <?page no="10"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 11 11 8.3 Beispiel eines Sozialen-Kompetenz-Trainings . . . . . . . . . . . . . . 191 8.4 Exkurs: Internet, virtuelle Gruppen und Blended-Learning . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 8.4.1 Unterschiede zwischen realer und virtueller Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 8.4.2 Aufgabenorientierte Lern- und Arbeitsgruppen im Internet . . 199 8.4.3 Blended-Learning - Lernen der Zukunft? . . . . . . . . . . . . . . 200 9 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 9.1 Materialien zu den Übungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 9.1.1 Unterlagen zum Thema Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . 203 9.1.2 Unterlagen für die Kooperations-Übung (nach Brocher 1967) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 9.1.3 Lösungen der Denkspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 9.1.4 Material zum Basisseminar »Gesprächsführung« . . . . . . . . . . 209 9.2. Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 9.3 Personenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 9.4 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 <?page no="11"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 12 <?page no="12"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 13 13 1 Das Spannungsfeld zwischen Individuum und Gruppe In diesem Kapitel soll deutlich gemacht werden, dass wir unser Verhalten zwar als individuell und eigenverantwortlich erleben, dass es aber sehr stark durch die Interaktion mit anderen Personen und Gegenständen im sozialen Kraftfeld der Gruppe beeinflusst wird. Daneben soll der Leser mit der Vorstellung des »sozialen Kraftfeldes« (Lewin 1963), der Gruppendynamik und dem Phänomen Gruppe vertraut gemacht werden. 1.1 Wie beeinflusst die Anwesenheit anderer das »individuelle« Verhalten? Als Wundt 1879 das erste psychologische Laboratorium in Leipzig eröffnete und damit die Psychologie als Wissenschaft vorstellte, konzentrierte er sich zuerst völlig auf die individuellen Verhaltensweisen. Auch in den folgenden Jahrzehnten behielten die Psychologen diese Perspektive bei und analysierten fleißig psychische Phänomene wie Bewusstseinsumfang, Reaktionsgeschwindigkeit, Lern- und Vergessenskurven oder die intellektuelle Leistungsfähigkeit. In den 20er-Jahren stellten die Forscher aber plötzlich fest, dass die individuellen Fähigkeiten sich bemerkenswert verändern, sobald andere Personen anwesend sind. Allport (1920) bezeichnete als Erster dieses Phänomen als »soziale Erleichterung«. Allein das Nebeneinander hat demnach einen Einfluss auf das individuelle Arbeiten. Auch im Bereich der Arbeitspsychologie dominierte jahrzehntelang die Auffassung, dass der Einzelne nur durch den Faktor Geld zu motivieren sei. Man analysierte im Rahmen der »Wissenschaftlichen Betriebsführung« (Taylor 1913) die Arbeitsvorgänge nach dem optimalen Bewegungsablauf (»one best way«), um die größtmögliche Effektivität des Arbeiters zu sichern. In diesem Zusammenhang plante Mayo auch seine berühmten »Hawthorne- Experimente«, bei denen zuerst der Einfluss der Beleuchtungsstärke auf die Arbeitsleistung der Industriearbeiter untersucht wurde. Dabei teilte Mayo die Arbeiter in eine Experimentiergruppe (bei der die Beleuchtung systematisch verändert wurde) und eine Kontrollgruppe (keine Veränderung) auf. Die Erwartung aufgrund der Theorie der Wissenschaftlichen Betriebsführung war, dass sich die Produktivität nur in der Experimentiergruppe verändern würde. Zum Erstaunen der Forscher (Mayo 1933, Roethlisberger und Dickson 1939) veränderten sich die Leistungen völlig unwww.claudia-wild.de: <?page no="13"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 14 14 erwartet. Verbesserte man die Beleuchtung bei der Experimentiergruppe, dann stieg die Produktion in dieser Gruppe, aber auch in der Kontrollgruppe an. Verringerte man anschließend die Beleuchtungsstärke, so trat dennoch in beiden Gruppen eine weitere Leistungsverbesserung ein, die erst abbrach, als die Beleuchtungsstärke in etwa dem Licht bei Vollmond entsprach. Zur Erklärung dieses Phänomens musste von den Forschern ein Faktor angenommen werden, der unabhängig von der Beleuchtungsstärke die Leistungsbereitschaft der Arbeiter beeinflusste. Die Gruppe als eigenständiger Einflussfaktor war entdeckt und rückte für viele Psychologen ins Zentrum ihrer weiteren Untersuchungen. Ein drittes experimentelles Beispiel soll die Fragwürdigkeit des individualpsychologischen Ansatzes verdeutlichen. Milgram (1974, 1977) suchte über Zeitungsanzeigen Freiwillige für ein Experiment zum Thema »Bestrafung und Lernen«. Es meldeten sich viele Teilnehmer aus allen Bevölkerungsschichten, die gegen Bezahlung bereit waren, an diesem Experiment teilzunehmen. Die Freiwilligen wussten allerdings nicht, dass sie durch eine geschickte Manipulation immer die Rolle des Lehrers zugeteilt bekamen. Der Schüler, oder besser das »Lernopfer«, war ein Eingeweihter des Versuchsleiters, dessen Verhalten im Experiment klar vorgeschrieben war. Der Lehrer musste den Lernenden bei jedem Fehler mit schmerzhaften Elektroschocks bestrafen und nach jedem Fehler zusätzlich die Schockstärke um 15 Volt erhöhen. In der Standardvariante des Experiments (bei dem in Wirklichkeit keine echten Schocks verteilt wurden) gingen - trotz starker verbaler Widerstände - 62 Prozent der Freiwilligen bis zur maximalen Bestrafungsschockstärke von 450 Volt. Dabei ist anzumerken, dass das Opfer auf die Bestrafung hin schrie (150 Volt), brüllte (270 Volt) und ab 315 Volt nicht mehr reagierte, was als weiterer Fehler angesehen und bestraft werden musste! Dieses Experiment wurde in vielen Varianten wiederholt. Dabei zeigte sich, dass die Nähe des Opfers, die des Versuchsleiters, das Image der verantwortlichen Institution, die Weigerung anderer anwesender Personen und situationsspezifische Faktoren einen mehr oder weniger starken Einfluss auf das Schockverhalten ausübten. Konnten die Versuchsteilnehmer z. B. die Schockstärke selbst bestimmen, dann blieben sie bei einem niedrigen Wert. Wenn Sie jetzt durch die Beschreibung dieser drei Untersuchungen neugierig geworden sind und weitere Details wissen möchten, dann müssen Sie sich etwas gedulden. Sie werden in den entsprechenden Abschnitten des Buches weitere Informationen zu diesen Experimenten erhalten. Unsere Beispiele sollten den Einstieg in das Thema erleichtern und deutlich machen, dass individuelles Verhalten nie isoliert von sozialen Situationen und Einflussfaktoren betrachtet werden kann. Es gibt keinen »sozialen Fawww.claudia-wild.de: <?page no="14"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 15 15 raday-Käfig«, der das Individuum von den Ausstrahlungen des sozialen Kraftfeldes abschirmen kann. Dabei kann es in seinem Verhalten natürlich sowohl im negativen - nicht umsonst sprach man beim Milgram-Experiment vom »Eichmann-Phänomen«- als auch im positiven Sinne beeinflusst werden. Nur wenn man die Einflussfaktoren kennt, kann man die positiven Auswirkungen fördern - und dieses Ziel möchte ich mit dieser Veröffentlichung unterstützen - und die negativen Möglichkeiten darstellen und damit schwächen. 1.2 Lewins Feldtheorie und die »Gruppendynamik« Lewin (1890-1947) war einer der kreativsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Psychologie. Er war Mitglied der »Berliner Schule der Gestaltpsychologie«, die in den 20er-Jahren die elementaristische Betrachtungsweise der damaligen Psychologie in Frage stellte: Wahrnehmung war für sie nicht mehr ein passiver, objektiv ablaufender Verarbeitungsvorgang, sondern ein aktiver Prozess, bei dem der Einzelne die »objektiven« Reize nach subjektiv vorhandenen »Gestaltgesetzen« verarbeitete. So erkennen wir eine Melodie, die in eine andere Tonart übertragen wird wieder, obwohl die objektiven Reize (Töne) sich völlig unterscheiden: Die Gestalt ist mehr als die Summe der einzelnen Teile! Lewin musste 1933 aus Deutschland emigrieren und übertrug in Amerika diese Gedanken auf das »individuelle« Verhalten. Es gibt demnach keine Situation, die für einen Menschen neutral ist, sondern jede Situation ist subjektiv gefärbt und besitzt anziehende und abstoßende Kräfte (»Valenzen«), je nachdem, welche Personen, Aufgaben und Objekte sich in der Situation befinden oder erlebt werden. Diese Situation beschreibt er als ein »soziales Kraftfeld«, als einen »Lebensraum«, der zu jedem Zeitpunkt eine eigene, subjektive Charakteristik hat, die das individuelle Verhalten bestimmt. Diese dynamische Struktur bestimmt das individuelle Verhalten in der jeweiligen Situation. Vereinfacht ausgedrückt: Sage mir, wie ein Mensch eine Situation erlebt - welche anziehenden und abstoßenden Kräfte (»Valenzen«) sich in ihr befinden - und ich sage dir, wie er sich verhalten wird! So sind beispielsweise Hunger oder Durst ungerichtete Spannungszustände in der Person. Nimmt die Person in der jeweiligen Situation etwas wahr, das der Bedürfnisbefriedigung dienen könnte, dann erhält das wahrgenommene Objekt eine Anziehungskraft (»Valenz«) und der ungerichtete Spannungszustand wird zu einer gerichteten Kraft (»Vektor«), zu einem Motiv. Lewin stellte das soziale Kraftfeld häufig bildlich dar (Abbildung 1). In der äußeren, eiförmigen Hülle des Lebensraumes sieht er keine feste Grenze, <?page no="15"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 16 16 sondern einen Rahmen, der durch Erfahrungen, neue Informationen oder aktuelle Befindlichkeiten erweitert oder eingeengt werden kann. Innerhalb des Lebensraumes befinden sich die subjektiv bedeutsamen Personen und Objekte der Umwelt. Übungsvorschlag: Versuchen wir diese Aussage auf unsere Beispiele zu übertragen. Dies können Sie sich als Leser erst einmal in Ruhe überlegen.Wenn Sie das Thema in einer Gruppe bearbeiten wollen, dann sollte hier eine Kleingruppenübung stattfinden, bei der die einzelnen Kleingruppen (drei bis sieben Personen) z.B. auch erarbeiten, welche anziehenden und abstoßenden »Valenzen« sie bewogen haben, an diesem Kurs teilzunehmen (oder dieses Buch zu lesen). Die Gruppenergebnisse sollten dann gemeinsam (im »Plenum«) betrachtet und diskutiert werden. Lewin untersuchte bei seinen Arbeiten in Amerika die Prozesse und Phänomene, die sich in Kleingruppen abspielen und bezeichnete diese als »gruppendynamische Studien«. Die Kleingruppe war für ihn das Paradebeispiel für ein soziales Kraftfeld. 1945 gründete er an der Harvard-Universität das Forschungszentrum für Gruppendynamik, für deren Untersuchungen eigentlich der Name Gruppenpsychologie prägnanter gewesen wäre, weil er sich mit seinen Mitarbeitern vorwiegend für die Faktoren, welche das Verhalten in Gruppen bestimmen, interessierte. Abb. 1: Der »Lebensraum« in Lewins Feldtheorie <?page no="16"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 17 17 Die »Gruppendynamiker« in Lewins Umkreis wurden zu Forschern, die gelernt hatten, das Kräftespiel in und zwischen Gruppen zu analysieren und zu durchschauen. Sie versuchten in den folgenden Jahren, dieses Wissen durch die Arbeit in »gruppendynamischen Laboratorien« weiterzugeben. In mehrtägigen Seminaren sollten dieTeilnehmer durch strukturierte Gruppenübungen/ spiele die Gruppenprozesse selbst erleben, reflektieren und dadurch für sie sensibel gemacht werden. Die Schüler Lewins akzentuierten die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes Gruppendynamik und verstanden darunter nicht mehr nur das wissenschaftliche Studium der Gruppenprozesse, sondern vor allem die Anwendung dieser Befunde. Diese Anwendung kann auch ideologisch orientiert sein, um mit den gruppendynamischen Seminaren/ Laboratorien die Problematik zwischenmenschlicher Beziehung zu lösen und die Werte Kooperation, Partnerschaftlichkeit, Konsensus und Demokratie zu fördern, wie es z. B. in den Sensitivity Trainings, Encountergruppen oder T-Gruppen angestrebt wird. Diese Seminare dienen vorwiegend der Selbstverwirklichung und Weiterentwicklung (»persönliches Wachstum«) der Teilnehmer, haben aber häufig einen sehr starken »Insel«-Charakter, so dass die Rückkehr in die Realität oft schwer fällt. Neben dieser eher ideologisch-humanistischen Färbung des Begriffes »Gruppendynamik« wird er von Sozialpsychologen auch als Sammelbegriff für verschiedene Methoden und Techniken aufgefasst, die es Menschen ermöglichen, Gruppenprozesse zu analysieren und zu steuern, um bestimmte Ziele zu erreichen. Der Begriff Gruppendynamik ist heute leider mehrdeutig. Für unseren Zusammenhang möchte ich ihn so definieren, dass er keine Ideologie beschreibt, sondern die Anwendung der Ergebnisse der Kleingruppenforschung. Auf diesem Weg können natürlich auch Prozesse ablaufen, die dem Beteiligten individuelles Wachstum ermöglichen. Gruppendynamik ist demnach die methodische Anwendung gruppenpsychologischer Erkenntnisse. 1.3 Was verstehen wir unter einer Gruppe? Wir haben bisher von Gruppe und Gruppendynamik gesprochen, ohne klar zu definieren, was wir überhaupt unter einer Gruppe verstehen. Dies liegt auch daran, dass es unter den Sozialpsychologen keine eindeutige Definition gibt. <?page no="17"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 18 18 Übungsvorschlag: Wir können uns das mit einer kleinen Übung verdeutlichen: Sammeln Sie einfach auf einem Zettel alle Merkmale, die Sie mit einer Gruppe verbinden. Was ist das Typische an einer Gruppe? Schreiben Sie diese Merkmale auf und bitten Sie auch andere, ihre Assoziationen zusammenzustellen. Sie werden sehen, dass es ein sehr breites begriffliches Umfeld gibt, das von den folgenden sozialwissenschaftlichen Definitionen mehr oder weniger abgedeckt wird. Wenn Sie die Übung in einer Gruppe machen, dann ist es sinnvoll, die Einzelergebnisse auf Kärtchen zu sammeln (dicker Filzstift) und diese übersichtlich an einer Pinnwand (siehe Methoden in Kapitel 7.2) zu ordnen. Hofstätter (1986, S. 29f ) teilt die »Menschen im Plural« in sechs verschiedene Bereiche ein: Menge, Klasse, Familie, Gruppe, Masse und Verband. Treffen sich mehrere Menschen zufällig zur gleichen Zeit an einem Ort (Schaufenster, Straßenbahn, Kino), dann spricht er von einer Menge. Es handelt sich dabei um ein zufälliges Nebeneinander-Sein, nicht um eine engere Beziehung. Unter bestimmten extremen äußeren Umständen kann dieses zufällige Nebeneinander jedoch handlungsrelevant werden (Erdbeben, Feuer, Unfall …), und aus der Menge entsteht dann entweder eine unstrukturierte, drängende, panikartig und bedrohlich agierende Masse oder eine Gruppe. Von Gruppe spricht Hofstätter, sobald eine Rollenstruktur (Leiter- und Geführtenrolle) und ein gemeinsames Ziel beobachtbar sind. Eine Masse ist für ihn demnach eine aktivierte Menge, in der sich noch kein ordnendes und Verhalten integrierendes Rollensystem entwickelt hat. Sie ist demnach ein relativ seltenes, kurzlebiges soziales Phänomen und zerfällt entweder zur Menge, wenn die aktivierende Ursache beseitigt ist oder geht in die Gruppe über, sobald sich eine Rollenstruktur entwickelt. Die Menschen werden bei Hofstätter noch nach einem weiteren Aspekt aufgeteilt. Menschen, die eine gemeinsame Eigenschaft besitzen, bilden eine Klasse, so dass wir z. B. die Klasse der Sozialpädagogen, der VW-Fahrer, der SPD-Wähler usw. unterscheiden können. Die Angehörigen einer Klasse müssen sich persönlich gar nicht kennen, wichtig ist nur, dass sie ein Merkmal gemeinsam haben. Es ist auch hier die Möglichkeit denkbar, dass die Mitglieder der Klasse aktiviert werden, wenn das gemeinsame Merkmal in die Diskussion gerät. Dann bildet sich nach Hofstätter ein Verband, eine relativ abstrakte Gemeinschaft, die versucht, das Ziel, welches durch das aktivierte gemeinsame Merkmal entstand, zu erreichen. Dabei kann es sich um Gehaltserhöhungen, Abschaffung von Kernkraftwerken, Errichtung eines Kindergartens usw. handeln. Die Familie erhält bei dieser Aufteilung einen Sonderstatus, sie unterscheidet sich von der Gruppe dadurch, dass sie ein Bedürfnis befriedigt, ein <?page no="18"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 19 19 Ziel erreichen will, das aus ihr selbst stammt. Sie will die Nachkommenschaft erhalten und hat im Unterschied zur Gruppe für Hofstätter keine weiteren primären Ziele. Die Gruppe hingegen existiert nicht zum Selbstzweck, sondern ist eine Entdeckung der Menschheit, mit deren Hilfe sich viele unterschiedliche Ziele effektiver als durch individuelle Anstrengungen erreichen lassen. Diese Definitionen stellen für Hofstätter (1986, S. 30) »eine Minimaltypologie der menschlichen Plurale« dar (Abb. 2). Er hält weitere Differenzierungen für möglich, glaubt aber nicht, dass man mit weniger Begriffen auskommen kann. Für Hofstätter ist eine Gruppe durch zwei zentrale Merkmale bestimmt: • Es besteht zwischen den Mitgliedern eine verhaltensintegrierende Ordnung, d. h. es muss in der Gruppe ein Rollensystem vorhanden sein, durch das die Einzelaktivitäten geordnet und geführt werden. • Die Einzelaktivitäten und -anstrengungen müssen auf ein gemeinsames Ziel hin koordiniert werden. Cooley (1909) schreibt der Familie nicht wie Hofstätter einen Sonderstatus zu, sondern fasst sie mit anderen Gruppen, die einen starken Einfluss auf die individuelle Entwicklung haben, zu den »Primärgruppen« zusammen. Diese Primärgruppen sind durch die starke Zusammenarbeit und Interaktion der Mitglieder charakterisiert (»face-to-face-Gruppe«). Homans (1972, S. 29) versteht unter einer Gruppe »eine Reihe von Personen, die in einer bestimmten Zeitspanne häufig miteinander Umgang haben und deren Anzahl so gering ist, dass jede Person mit allen anderen in Verbindung treten kann und zwar nicht nur mittelbar, sondern von Angesicht zu Angesicht«. Diese Definition unterscheidet sich ebenfalls etwas von der Hofstätters, da sie den Aspekt der »face-to-face-Gruppe« betont, der für Hofstätter eine untergeordnete Bedeutung besitzt. Menge Familie Masse Gruppe Verband Klasse Menschen im Plural Abb. 2: Menschen im Plural (nach Hofstätter 1986, S. 30) <?page no="19"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 20 20 Für Newcomb (1959, S. 426), einen Klassiker der Sozialpsychologie, besteht eine Gruppe »aus zwei oder mehr Personen, die bezüglich bestimmter Dinge und Fragen gemeinsame Normen haben und deren soziale Rollen eng miteinander verknüpft sind«. Lewin (1963) fasst die Gruppe als eine dynamische Ganzheit auf, die durch die wechselseitige Abhängigkeit ihrer Glieder oder Teilbereiche charakterisiert ist. Die Gruppe repräsentiert beispielhaft das soziale Kraftfeld. Man könnte die Liste der Definitionen problemlos erweitern und Kriterien wie Art und Form der Gruppe, Größe, Dauer, Stabilität, Struktur, Organisationsgrad, Ziel und Zweck, Funktionsweise, usw. aufnehmen. Als wesentliche Gruppenmerkmale kristallisieren sich insgesamt heraus: • verhaltensintegrierendes Rollensystem • enge soziale Interaktion • gemeinsame Normen und Ziele • Wirkung des sozialen Kraftfeldes • Gruppenvorteil • Wir-Gefühl Auch virtuelle Kommunikationssysteme im Internet können als Gruppen verstanden werden, soweit diese Merkmale vorhanden sind. Ein Team ist eine spezielle Gruppe, bei der die Teilnehmer zusammenarbeiten (müssen), um gemeinsame (nicht unbedingt selbst gewählte Arbeits-) Ziele zu erreichen. In diesem Sinne ist zwar jedes Team eine Gruppe, aber nicht jede Gruppe ist ein Team! <?page no="20"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 21 21 2 Die »Entwicklungspsychologie« der Gruppe Die folgenden Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit es überhaupt zu einer Gruppenentwicklung kommen kann: • Die potenziellen Gruppenmitglieder müssen die Möglichkeit haben, miteinander in Beziehung zu treten und zu kommunizieren, • sie müssen gemeinsame Ziele, Motive und Interessen finden und • es muss eine gewisse Sympathie und Identifikationsmöglichkeit mit den anderen möglich sein. Betrachten wir zur Einstimmung in das Thema eine weitere Untersuchung, bei der die Entwicklung etwas gesteuert wurde. Das »Sommerlager-Experiment« von Sherif (1956): Dieses Feldexperiment fand mehrmals in einem abseits im Gebirge gelegenen Gelände statt. Sherif, der indirekt als der Verwalter des Geländes am Sommerlager teilnahm, beobachtete und variierte das Experiment, an dem jeweils 24 Jungen im Alter von zwölf Jahren zusammen teilnahmen. Sie stammten aus ähnlichen sozialen Verhältnissen und waren psychisch unauffällig. Zwei Studenten nahmen als (teilnehmende) Beobachter am Gruppenleben teil, durften sich aber nicht in eine Führungsrolle drängen lassen. Das Feldexperiment folgte einem vierphasigen Ablaufschema, wobei jede Phase etwa drei bis vier Tage dauerte. 1. Phase: Hier hatten alle Jungen Gelegenheit, sich kennenzulernen und spontane Freundschaftsgruppen zu bilden. Am Ende dieser Phase wurde ihnen mitgeteilt, dass aus äußeren Gründen die Gesamtgruppe in zwei Teilgruppen aufgeteilt werden müsse. Um die Gruppenteilung zu erleichtern, wurden die Jungen gebeten, die Partner zu nennen, mit denen sie zusammenbleiben wollten. 2. Phase: Im Widerspruch zu den Sympathiewahlen bildete Sherif nun zwei Untergruppen mit je zwölf Jungen. Mit dieser, vom Protest der Betroffenen begleiteten Teilung wollte man den Sympathiefaktor als gruppenfördernde Variable ausschalten. Damit konnte der Einfluss der Interaktionen auf die sich bildenden Gruppenprozesse klarer beobachtet werden. Obwohl die erzwungene Gruppenbildung anfangs auf starken Widerstand traf, entwickelte sich in den neuen Gruppen rasch eine hohe Aktivität, die von Sympathiegefühlen begleitet wurde, und bald trauerte niemand mehr den früheren Beziehungen der ersten Phase nach. Es konnte ein deutliches »Wir-Gefühl« und <?page no="21"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 22 22 eine Rollendifferenzierung beobachtet werden, so dass in den einzelnen Gruppen ganz natürlich die Frage auftauchte, wie es denn den anderen wohl gehen würde. Daraus entwickelte sich die dritte Phase. 3. Phase: Die einzelnen Gruppen hatten jetzt Gelegenheit, sich miteinander in sportlichen Wettkämpfen zu messen, wobei es zu erheblichen Aggressionen kam. So endete das Tauziehen in einer Rauferei, und jede Gruppe beschuldigte die andere, unfair gewesen zu sein. Schimpfnamen flogen hin und her, man überfiel in der Nacht das gegnerische Lager, erbeutete die Fahne der anderen und verbrannte sie feierlich. Die Gruppen hatten sich nicht nur eine Fahne oder sonstige spezifische Verhaltensmuster zugelegt, sondern hatten sich auch mit bestimmten Namen identifiziert (»red devils«, »bulldogs«, »eagles« u. Ä.). Während der einzelnen Kampfpausen sammelten die Beobachter in den beiden Gruppen die Meinungen über die eigene (Selbstbild, Autostereotyp) und die andere (Fremdbild, Heterostereotyp) Gruppe. Das Ergebnis bestätigte die Erwartungen: Die eigene Gruppe wurde mit positiven Eigenschaften belegt (z. B. mutig, ausdauernd, ordentlich), die andere hingegen wurde deutlich abgewertet (hinterlistig, Spielverderber, dreckig). 4. Phase: In ihr ging es darum, wie man die zerstrittenen Gruppen wieder zusammenbringen könnte. Dabei zeigte sich, dass die bloße Gemeinsamkeit beim Essen zu keiner Harmonie führte. Es war nötig, ein übergeordnetes Ziel zu finden, das von einer Gruppe allein nicht erreicht werden konnte. Dabei zeigten sich folgende Situationen als wirkungsvoll: • Der gemeinsame Gegner. Es wurde das Gerücht verbreitet, dass eine andere Jugendgruppe beabsichtige, das Lager zu überfallen, so dass man eine gemeinsame Wache organisieren musste. • Die gemeinsame Not: Die Wasserversorgung aus den Bergen war unterbrochen, und man musste eine »Expedition« organisieren. • Der gemeinsame Vorteil oder eine Freude, die aber nur erreicht werden konnte, wenn alle mithalfen. Tatsächlich verringerte sich im Zuge dieser gemeinsamen Interaktionen die soziale Distanz zwischen den Gruppen. Das Auto- und Heterostereotyp näherten sich deutlich einander an. Dabei blieb das Selbstbild weitgehend konstant, während das Heterostereotyp sich deutlich dem Selbstbild annäherte. <?page no="22"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 23 23 2.1 Phasen der Gruppenentwicklung In Sherifs Experimenten wurde deutlich, dass eine Gruppe verschiedene Entwicklungsstufen durchläuft, in denen bestimmte Themen dominieren (Mit wem möchte ich? Wer übernimmt welche Aufgaben? Was sind wir? Wie sind die anderen? usw.). Gruppen besitzen eine dynamische Entwicklung, und es ist sinnvoll, nach bestehenden Gesetzmäßigkeiten und Phasen zu fragen. In der sozialpsychologischen und sozialpädagogischen Literatur finden sich dazu verschiedene Phasenmodelle, die für unterschiedliche Gruppen (Therapie-, Trainings-, Lern- oder Selbsterfahrungsgruppe) entwickelt wurden. Sie können dem Gruppenleiter helfen, den aktuellen Stand und die Problembereiche »seiner« Gruppe zu analysieren. Die dabei herausgearbeiteten Phasen sind aber Abstraktionen von der Realität und dürfen deshalb keinesfalls als »Muss« verstanden werden. Im Gegenteil: Jede einzelne Gruppe hat ihre eigene Geschwindigkeit und wird sich »individuell« entwickeln, wobei einzelne Phasen nur kurz erscheinen, andere »Entwicklungsaufgaben« hingegen in den Vordergrund treten und sich überschneiden; manchmal ist auch ein Rückschritt zu schon abgeschlossenen Phasen beobachtbar. Die Gruppenentwicklung verläuft nicht geradlinig, sondern eher nach einem »Zick-Zack-Kurs«, der durch die beiden Pole Zentralisierung/ Integration und Differenzierung abläuft. Findet in der Gruppe eine verstärkte Integration/ Zentralisierung (Anpassung der Sichtweisen, Gemeinsamkeiten, Harmonie) statt, dann werden Kräfte frei, durch die eine weitere Differenzierung (ergänzende Rollen, alternative Sichtweisen, Kritik) ermöglicht wird und das Pendel in die andere Richtung wieder ausschlägt. Die dadurch entstehende Weiterentwicklung vergrößert den Handlungsspielraum der Gruppenmitglieder und auch der Gruppe als Ganzes. Den Gruppen, die sich nur in Richtung Harmonie, Gemeinsamkeit und Integration entwickeln, droht der »Wärmetod« (König und Schattenhofer 2010), d. h. der Aspekt der Gruppenleistung wird verdrängt. Trotz dieser Bedenken ist eine Aufteilung der Gruppenentwicklung in einzelne Phasen hilfreich, weil sie die Wahrnehmung der Gruppensituation strukturiert und erleichtert. Im Folgenden wird ein System vorgeschlagen, in das verschiedene »klassische« Vorschläge integriert sind (Hartley und Hartley 1955, Lewin 1963, Bernstein und Lowy 1969, Tuckman 1965, Bennis und Shepard 1956, Hück 1978, Rechtien 2007, König und Schattenhofer 2006). Es gilt vor allem für aufgaben- und zielorientierte Gruppen. <?page no="23"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 24 24 Phase 1: Beginn: Orientierung und Exploration (»Forming«) • Gruppensituation: Zu Beginn der Gruppenentwicklung herrscht bei den potenziellen Mitgliedern Unsicherheit und Angst vor dem, was kommen könnte. Man versucht, die anderen kennenzulernen und testet die sympathisch Wirkenden; die Kontakte verlaufen eher distanziert, und man versucht, Ordnung zu schaffen und den Überblick zu gewinnen Dabei erhofft man sich Hilfe vom Gruppenleiter, der in seinem Verhalten aber ebenfalls getestet wird. Unverbindliches Verhalten und Ich-Denken dominieren. Hier wird die Basis für die weiteren Beziehungen vorbereitet, wobei die Themen Fremdheit-Zugehörigkeit, Macht-Abhängigkeit und Nähe-Distanz zentrale Bedeutung besitzen. Es geht also vorwiegend um das Thema Integration. • Gruppenleiteraufgaben: Der Gruppenleiter muss zu Beginn für eine möglichst lockere Vorstellungsrunde sorgen und das Ziel, den organisatorischen Rahmen und die inhaltlichen Schwerpunkte klar vorstellen. Die Teilnehmer sollten auch die Möglichkeit erhalten, in Kleingruppen ihre Erwartungen an das Seminar bzw. die geplante Gruppenarbeit einzubringen und einige (kurzfristige) sachliche Themen zu bearbeiten, um sich dabei näher kennenzulernen. Er muss dabei Distanz zulassen, zu gegenseitigem Vertrauen ermuntern und Erkundungsprozesse fördern. Phase 2: Rollenklärung: Auseinandersetzung und Machtkampf (»Storming«) • Gruppensituation: Die Beziehungen zwischen den Einzelnen in der Gruppe sind noch nicht stabil, das Ich-Denken und die Selbstbehauptung stehen noch im Vordergrund. Die Einzelnen haben ihr Grundproblem - ob das Verbleiben in der Gruppe für sie Erfolg versprechend und ungefährlich sein könnte - gelöst und versuchen jetzt, ihren Platz im Beziehungsgefüge der Gruppe zu finden. Man festigt die ansatzweise vorhandenen Identifikationen mit den anderen und erkämpft sich den eigenen Platz in der entstehenden Rangordnung. Eine Parallele zu den Rangkämpfen sozial lebender Tiere (z. B. »Hackordnung« auf dem Hühnerhof ) drängt sich auf. Es besteht ein gewisses Konkurrenzverhalten, und einzelne Rollen »schälen« sich heraus. Viele lange Diskussionen bei wenigen Entscheidungen finden statt. Kritik wird untereinander eher verdeckt, gegenüber der Leitung auch offen formuliert. Es geht eher um Differenzierung als um Integration. • Gruppenleiteraufgaben: Der Gruppenleiter muss den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, die vorhandenen Fähigkeiten und Stärken zu zeigen, um auftretende Rivalitäten vor einem Sicherheit gebenden Umfeld deutlich werden zu lassen, damit diese auch geklärt werden können. Der <?page no="24"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 25 25 Machtkampf um die eigene Position in der Rollenstruktur sollte sich dem gemeinsamen Ziel unterordnen. Die meisten Auseinandersetzungen vollziehen sich dabei sehr emotional, so dass der Gruppenleiter nicht allzu sehr einengen darf, um nicht auch seine eigene Position zu gefährden. Er muss hier die Kontrolle über sich selbst behalten, da sonst die Gefahr besteht, dass ungewollte neue Leiterrollen entstehen. Der Gruppenleiter wird dabei öfters zum Blitzableiter für Gefühle und zum Sündenbock. Dies muss er in Kauf nehmen und zeigen, dass er die einzelnen Mitglieder verstehen und zwischen ihnen vermitteln kann. Phase 3: Konsolidierung: Bindung und Vertrautheit (»Norming«) • Gruppensituation: Die Situation ist deutlich entspannter. Es bildet sich hier eine starke Identifikation mit der erkämpften Rolle, den gemeinsamen Gruppenzielen und den anderen Mitgliedern. Die Einzelnen fühlen sich nur in der Gruppe sicher und geborgen und haben ein klares »Wir-Gefühl« entwickelt. Diese Sicherheit erlaubt es auch, dass man sich dem anderen emotional öffnen kann. Es entsteht ein gemeinsamer Bezugsrahmen, der gruppenspezifische Verhaltensnormen beinhaltet (Symbole, Gruppensprache, Zeremonien, Kleidung usw.). Diese Verhaltensnormen werden zwar als individuell erlebt, sind aber gruppenspezifisch bedingt und fördern den Zusammenhalt. Die Mitglieder fühlen sich miteinander vertraut und geborgen, obwohl zwischendurch auch geschwisterähnliche Rivalitäten auftreten können. Der Pol Integration dominiert. • Gruppenleiteraufgaben: Der Gruppenleiter sollte die ablaufenden Prozesse transparent machen, Konflikte im Ansatz erkennen und sie auf kooperative Art mit den Gruppenmitgliedern lösen. Die gruppenspezifischen Verhaltensnormen werden akzeptiert und nur wenn sie sich in problematischer Weise entwickeln zur Diskussion gestellt. Der Gruppenleiter sollte die Entwicklung trotz bestehender Konflikte unterstützen, Aufgaben je nach Tendenz verteilen und Verantwortung schrittweise delegieren, da die Gruppe nun fähig wird, selbstständig und längerfristig zu planen. Er ist jetzt in Gefahr, vom Wir-Gefühl gefangen genommen zu werden, sollte sich deshalb am Thema orientieren, weil er die Gruppe ja wieder loslassen muss. Phase 4: Differenzierung und Festigung (»Performing«) • Gruppensituation: Die Gruppe hat sich nun voll etabliert und ist »erwachsen« geworden. Sie hat jetzt alle Kräfte, frei zu planen und gemeinsam auf ihr Ziel hinzuarbeiten. Sie ist praktisch in ihrer »goldenen« Phase. Die Mitglieder fühlen sich selbstsicher, stark und vergleichen sich mit anderen Gruppen, die der eigenen in ihrer Wahrnehmung unterlegen <?page no="25"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 26 26 sind. Es bildet sich deutlich das Autostereotyp (Gruppenselbstbild) und das Heterostereotyp (»Die Anderen«, Fremdbilder) heraus, wobei das Autostereotyp sich meist deutlich im positiven Sinne von den Heterostereotypen abhebt, so dass manchmal auch eine euphorische Stimmung in den Gruppen entsteht. Durch das gemeinsame Fühlen, die gemeinsame Sprache, wird der Zusammenhalt in der eigenen Gruppe immer intensiver und die Distanz zu anderen Gruppen gegenüber immer größer. Als Regel kann hier gelten: Je größer die Distanz zu anderen Gruppen, desto enger ist der Zusammenhalt in der eigenen und umgekehrt. Die Gruppe hat jetzt ihre größte Stabilität erreicht, eine bestimmte Tradition entwickelt und kann nun auch neue Mitglieder aufnehmen und integrieren. Diese Übereinstimmung geht bei homogenen Gruppen so weit, dass die einzelnen Gruppenmitglieder die Gemeinsamkeit sogar überschätzen. Hofstätter (1986, S. 111) bezeichnet dieses Phänomen als Unifikation und fasst es als eine Art Abwehrmechanismus auf, mit dem das einzelne Gruppenmitglied unbewusst sein Gefühl der Geborgenheit in der Gruppe sichern will. Dabei entwickelt sich aber auch leicht das »Gruppendenken« (siehe Kap 4.2), welches zu erhöhter Risikobereitschaft führt und bewirkt, dass die gefällten Entscheidungen relativ kritiklos umgesetzt werden. Das Rollensystem hat sich etabliert, und wir können zumeist zwei verschiedene Dimensionen unterscheiden: Einerseits bildet sich ein Rollensystem heraus, das sich auf das Erreichen des gemeinsamen Zieles konzentriert und leistungsbzw. aufgabenorientiert arbeitet. Andererseits entsteht ein System, das sich stärker an den Beziehungen und emotionalen Bedürfnissen der Gruppenmitglieder orientiert. Diese beiden Rollensysteme unterscheiden sich meistens deutlich voneinander, wie soziometrische Untersuchungen zeigen. Der erfolgsorientierte Teilnehmer ist nur in seltenen Fällen auch der beliebteste! Diese Verdoppelung finden wir auch in größeren Gruppierungen und Institutionen: In Vereinen gibt es meist einen Vorstand und einen Vergnügungswart, in der Regierung einen Kanzler und einen Präsidenten und in der Familie natürlich Vater und Mutter! Nur durch diese komplementäre Rollendifferenzierung wird eine Gruppe aktionsfähig. Das Pendel schlägt wieder in Richtung Differenzierung aus. • Gruppenleiteraufgaben: Der Gruppenleiter kann sich in dieser Phase weitgehend zurückziehen, die Prozesse beobachten und muss nur moderierend eingreifen. Er kann versuchen, die Zusammenarbeit mit anderen Gruppen in die Diskussion zu bringen, um gemeinsame, übergreifende Ziele ins Bewusstsein zu rücken. Er sollte die Selbstständigkeit der Gruppe fördern und Gelegenheiten aufzeigen, wie die Gruppe auch nach außen handeln kann. <?page no="26"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 27 27 Phase 5: Trennung: Abschied und Neuorientierung • Gruppensituation: Hat die Gruppe ihr Ziel erreicht, dann löst sie sich in der Regel mit mehr oder weniger starker emotionaler Beteiligung auf. Häufig gelingt es aber auch, neue gemeinsame Ziele zu finden, so dass die Gruppe in der bestehenden oder etwas erweiterten bzw. verkleinerten Form weiter existieren kann. • Gruppenleiteraufgaben: Der Gruppenleiter muss hier versuchen, den Übergang der Gruppenmitglieder in die neue Situation zu betreuen, bzw. die Möglichkeiten einer Umstrukturierung des Gruppenzieles mit zu erarbeiten und die Übertragung der abgelaufenen Lernprozesse auf die konkrete Realität zu verbessern (Transferhilfe). Er muss nun den Einzelnen seinen Weg gehen lassen, Hilfe für die Auswertung der abgelaufenen Prozesse anbieten und für einen angemessenen Abschluss sorgen. Übungsvorschlag: Erarbeiten Sie bitte die Parallelen zwischen diesem Phasenmodell und dem Feldexperiment Sherifs. Wenn Sie dabei in einer Gruppe arbeiten, in welcher Phase befinden Sie sich? Die beschriebenen Phasen sind idealtypisch und müssen nicht bei allen Gruppen so klar hervortreten. Viele Gruppenentwicklungen enden schon in den ersten beiden Phasen, andere wiederholen die unterschiedlichen Phasen auf einer differenzierteren Ebene, d. h. sie entwickeln sich nicht linear, sondern bildlich gesprochen wie eine Spirale und erreichen ein immer höheres Niveau. 2.2 Rollenverhalten und Rollentheorie In jeder funktionierenden Gruppe besteht ein mehr oder weniger differenziertes System von Rollen. Dieser Aspekt wird in allen Gruppendefinitionen betont. Aus diesem Grund werden wir uns im folgenden Abschnitt mit der Entwicklung und Bedeutung des Rollensystems befassen. Doch bevor wir uns mit der Rollentheorie beschäftigen, stimmen wir uns wieder mit einem Experiment ein, bei dem die Versuchsteilnehmer durch Zufall bestimmte Rollen zugewiesen bekamen. Beim »Stanford-Gefangenen-Experiment« errichteten Haney, Banks und Zimbardo (1973) im Keller des psychologischen Instituts der Stanford Universität in Palo Alto/ Kalifornien ein »Scheingefängnis«, in dem sie das Verhalten freiwilliger Probanden unter Haftbedingungen studieren wollten. Die Teilnehmer wurden über eine Zeitungsanzeige gesucht. Sie sollten für 14 Tage <?page no="27"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 28 28 gegen Bezahlung (15 $ pro Tag) an einem Experiment teilnehmen, bei dem die Auswirkungen des Gefängnislebens untersucht werden sollten. Etwa 100 Interessenten bewarben sich. Nach eingehenden psychologischen Untersuchungen wurden 24 Personen, die physisch und psychisch unauffällig waren, für das spätere Experiment ausgewählt. Sie verpflichteten sich, an einem bestimmten Wochenende erreichbar zu sein. Die ausgewählte Gruppe wurde nach dem Zufall in eine Wärter- und eine gleich große Gefangenengruppe unterteilt. Zwischen beiden Gruppen gab es zu Beginn des Experimentes keine messbaren Unterschiede in den getesteten Persönlichkeitseigenschaften. Die Polizei von Palo Alto verhaftete an einem ruhigen Sonntagmorgen die überraschten »Gefangenen« in ihren Wohnungen, beschuldigte sie des Diebstahls und des bewaffneten Raubüberfalls, legte ihnen Handschellen an, fuhr sie ins Polizeipräsidium, registrierte die Personalien und Fingerabdrücke, brachte sie in Arrestzellen und überführte sie anschließend mit verbundenen Augen in das »Scheingefängnis« der Stanford Universität. Dort wurden sie entkleidet, entlaust, mit einer Einheitskleidung und Personalnummer versehen und erhielten eine Kette mit Schloss um den Fuß, die sie Tag und Nacht an ihre Gefangenensituation erinnern sollte. Zimbardo und seine Mitarbeiter wollten damit nicht eine wirkliche Gefängnissituation imitieren, sondern die funktionalen Faktoren herstellen, die in einem Gefängnis wirksam sind. Um dies zu erreichen, ließen sie sich bei der Untersuchungsplanung auch von einem »knasterfahrenen« Berater unterstützen. Die Wärter bekamen für ihre Rolle eine uniformähnliche Kleidung und verschiedene Statussymbole (Knüppel, Trillerpfeife, Handschellen, Schlüssel, Sonnenbrille aus Einwegglas). Sie hatten die vage Rollenanweisung, einen »vernünftigen Grad von Ordnung innerhalb des Gefängnisses aufrecht zu erhalten, damit es effektiv funktioniert« (Haney u. a. 1973, S. 74). Sie sollten auf unvorhergesehene Vorfälle angemessen reagieren und dabei körperliche Bestrafungen und Gewalt vermeiden. Drei Wärter verrichteten jeweils eine achtstündige Schicht und konnten dann bis zum nächsten Schichtbeginn nach Hause gehen, die Gefangenen blieben Tag und Nacht im »Gefängnis«. Der Gefängnisdirektor (Zimbardo) begrüßte die Gefangenen und informierte sie über die bestehenden 16 Verhaltensgebote (z. B. Sprechverbot, Anrede der Wärter, Essensvorschriften, Meldung nur mit Personalnummer). Der weitere Verlauf des Experiments war offen und wurde mit Video aufgezeichnet. (Eine Zusammenfassung der Videoaufzeichnungen ist beim Santiago-Verlag, Asperheide 15, 47574 Goch erhältlich.) Das Verhalten zwischen den beiden Gruppen eskalierte und bezog auch die Beobachter/ Forscher zeitweise in das Geschehen mit ein, so dass sie ihre neutrale Haltung verloren. Aus der Vielzahl der Beobachtungen sollen die wesentlichen Ergebnisse kurz skizziert werden: <?page no="28"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 29 29 • In relativ kurzer Zeit entwickelte sich eine sehr gestörte Beziehung zwischen den Wärtern und den Gefangenen. Zimbardo (1983, S. 587) spricht sogar von einer »pervertierten Beziehung«. Nachdem der anfängliche Widerstand der Gefangenen durch nächtliches Strafexerzieren gebrochen wurde, reagierten diese zunächst nur noch passiv auf die eskalierende Aggression der Wärter. Während das Machtgefühl bei den Aufsehern anwuchs - sie organisierten nächtliche Zählappelle, machten den Toilettengang zum Privileg, bestraften durch Liegestütze u. Ä. - reagierten die Inhaftierten mit Hilflosigkeit, depressiven Zuständen und selbstabwertenden Äußerungen. • Am zweiten Tag rebellierten die Gefangenen. Ihr Aufstand wurde allerdings von den Wärtern brutal unter Kontrolle gebracht. Die sich anbahnende Solidarität unter den Gefangenen wurde mit »psychologischen« Maßnahmen verhindert bzw. gebrochen. • 36 Stunden nach Beginn des Experiments musste der erste Gefangene entlassen werden, weil er mit Schreikrämpfen, Wutanfällen und depressiven Zuständen reagierte. Drei weitere Gefangene entwickelten in den folgenden Tagen ähnliche Zustände und mussten ebenfalls entlassen werden. • Am dritten Tag tauchte ein Gerücht von einem geplanten Massenausbruch auf, das die Wärter veranlasste, ihre Schikanen noch zu steigern. Auch die Gefängnisleitung war engagiert bemüht, diesen Ausbruchsversuch zu vereiteln: Zimbardo wollte die Gefangenen im städtischen Gefängnis unterbringen und konzentrierte sich nicht - wie er es als Sozialpsychologe eigentlich hätte tun sollen - auf die Analyse der ablaufenden Prozesse (Gerüchtebildung). Auch bei ihm hatte die Rolle des Gefängnisdirektors ihre Eigendynamik entwickelt! • Für Zimbardo wurde bei diesem Experiment die Zuschreibung sozialer Macht zur Hauptdimension für das »individuelle« Verhalten. Da anfangs keine Unterschiede zwischen Wärtern und Gefangenen bestanden, kommt der Rollenzuweisung eine wesentliche Bedeutung zu. Jeder Wärter missbrauchte - auch wenn individuelle Unterschiede beobachtet wurden - seine Autorität. Die meisten schienen dabei ihre Machtstellung, mit der sie die »rechtlosen« Insassen beherrschen und demütigen konnten, zu genießen. Einige Kommentare aus den Aufzeichnungen und abschließenden Gesprächen sollen dies verdeutlichen (Zimbardo 1983, S. 588): »Wärter A: Ich war erstaunt über mich selbst … Ich ließ sie sich gegenseitig mit Schimpfnamen nennen und die Toilette mit der bloßen Hand säubern. Für mich waren die Gefangenen wie Vieh, und ich dachte ständig, dass ich sie nicht aus den Augen lassen durfte, für den Fall, dass sie irgendwas versuchen sollten. <?page no="29"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 30 30 Wärter B: (während der Vorbereitung für den ersten Besuchsabend): Nachdem wir die Gefangenen davor gewarnt hatten, sich irgendwie zu beschweren, außer sie wollten ein schnelles Besuchsende herbeiführen, ließen wir schließlich die ersten Eltern herein. Ich sorgte dafür, dass ich einer der Wärter im Hof war, denn das war meine erste Chance, die Art von manipulierender Macht zu erleben, die mir wirklich gefällt, nämlich eine allseits geachtete Person mit vollkommener Kontrolle über das, was gesagt wird, zu sein. Wärter C: Sich autoritär zu verhalten kann Spaß machen. Macht kann ein echtes Vergnügen sein.« • Die in diesem Experiment recht harmlos erscheinenden Rollenzuweisungen haben nach den vorliegenden Daten (Videoaufzeichnung, Protokolle, Abschlussinterviews) in kurzer Zeit eine Eigendynamik entwickelt, welche die beteiligten Sozialwissenschaftler überraschte und auch stellenweise überforderte. Die beobachteten Verhaltensweisen der Wärter und Gefangenen konnten durch die Auswahlkriterien in keiner Weise diagnostiziert und vorhergesagt werden. Im Gegenteil, beide Gruppen waren in der Voruntersuchung nicht unterscheidbar. Nach Zimbardo (1983, S. 588) ist die hier »beobachtete Pathologie« nicht auf schon vorher vorhandene Persönlichkeitsmerkmale zurückführbar, wie sadistische, psychopathische Wärter oder kriminelle Gefangene mit schwacher Selbstkontrolle, sondern das »abnorme, persönliche und soziale Verhalten in beiden Gruppen muss vielmehr als Produkt von Transaktionen in einer Umgebung angesehen werden, die solches Verhalten verstärkt«. Welche Aussagekraft besitzen nun diese Ergebnisse? Experimente sind natürlich nicht identisch mit der Realität, sondern sie können die Wirklichkeit in einer mehr oder weniger exakten Form nur simulieren. Sie stellen demnach nur Denkhilfen dar. Akzeptiert man dies, kann man u. a. folgern, dass die Situation Gefängnis durch ihre Rollenzuweisungen ein eigenständiges soziales Kraftfeld darstellt, in welchem die handelnden Personen stark beeinflusst werden. Die Rollentheorie - als abstrahierte Erfahrung der Gruppenrealität - soll im Folgenden kurz geschildert werden. Die Rollentheorie Die Auffassung, dass die Welt ein Theaterstück sei, in dem jeder Einzelne seine Rolle mehr oder weniger gut spielen müsse, gehört zu den populären Anschauungen. Wir entschuldigen uns damit, dass wir als Lehrer, Mutter, Politiker, Student, Polizist, Bestattungsunternehmer usw. in dieser oder jener Situation (= soziales Kraftfeld) gar nicht anders handeln könnten, weil sonst … <?page no="30"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 31 31 Die Rollentheorie versucht nun, diesen allgemeinen Ansatz zu strukturieren und auch empirisch überprüfbar zu machen. Die erste Aufgabe, die sie dabei zu lösen hat, besteht darin, die zentralen Begriffe zu definieren und ihre Zusammenhänge zu beschreiben. Dies soll im Folgenden versucht werden. In Gruppen, Organisationen oder Gesellschaften entwickeln sich mit der Zeit viele unterschiedliche Rollen, die man objektiv definieren kann. Kann man diesen »Ort im Gefüge sozialer Beziehungen« (Sader 1969, S. 209) klar bestimmen, dann bezeichnet man ihn als Position oder Status. So gibt es die Positionen des Seminarleiters in seinem Kurs, die des Briefträgers in seinem Bezirk, des Stationsarztes im Krankenhaus, des Wärters im Gefängnis, des Vorgesetzten in einer Abteilung usw. Unter der Rolle versteht man dann den »Satz von Erwartungen (von irgend jemandem) bezüglich des Inhabers einer Position« (Sader 1969, S. 209). Übungsvorschlag: Überlegen Sie (zuerst alleine und dann in Kleingruppen), welche Rolle Sie in den verschiedenen Gruppen, denen Sie angehören, spielen. In welcher Rolle beschäftigen Sie sich mit diesem Buch/ dieser Thematik? Versuchen Sie anschließend, diese Rollen zu systematisieren, und vergleichen Sie das System mit den folgenden Grundrollen. Wir nehmen zumindest eine alters-, geschlechts-, familien-, berufs- und interessenspezifische Position, die in unterschiedlichem Ausmaß Aktualität besitzt, ein. Jeder Mensch verteilt nun seine Aktivitäten, seine Zeit und seine Energie auf verschiedene Positionen, d. h. er lebt in einem Positionsgefüge und sieht sich mit aktuellen, thematisierten, aber auch latenten (momentan nicht bedeutsamen) Rollenerwartungen konfrontiert. Er hat also einen ganzen Rollenhaushalt zu verarbeiten. Gerade in unseren modernen Gesellschaften mit ihren komplexen Rollensystemen wird das Management des persönlichen Rollenhaushaltes schwierig, weil sich damit häufig entgegengesetzte Erwartungen und Rollenkonflikte verbinden. Diese Rollenkonflikte können zum einen darin bestehen, dass man an den Inhaber einer Position unterschiedliche Erwartungen richtet (Intrarollenkonflikt«), oder dass ein Mensch verschiedene Positionen besetzt, deren Rollenerwartungen widersprüchlich sind (»Interrollenkonflikt«). Übungsvorschlag: Beschreiben Sie bitte ein konkretes Beispiel für einen Intra-, bzw. Interrollenkonflikt aus dem eigenen Erfahrungsbereich. <?page no="31"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 32 32 Als Beispiel für einen Intrarollenkonflikt könnte die Position eines Gefängniswärters gesehen werden, die einerseits für Ordnung, Strafe und Sühne zuständig ist (Erwartung des Staatsanwaltes u. a.) und andererseits aber auch die Resozialisierung ermöglichen soll, die nur mit Hilfe von Vertrauen, relativer Selbstständigkeit und Bewährung in Freiheit realisierbar ist (Erwartung von Therapeuten, Reso-Fachleuten). Ein Interrollenkonflikt findet hingegen dann statt, wenn ein Mensch zwei oder mehrere Positionen einnimmt, deren Rollenerwartungen widersprüchlich sind; ein Beispiel dafür wäre der freiwillige Teilnehmer beim »Stanford-Gefängnis-Experiment«, der gleichzeitig auch Gefangener sein muss, oder ein Gewerkschaftsfunktionär, der eine Fabrik besitzt. Rollenkonflikte sind allerdings nicht als technische Fehler im gesellschaftlichen System zu betrachten, sondern sie sind eine notwendige Form der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Entwicklungen in einer Gruppe, Organisation oder Gesellschaft. Die Rollenkonflikte stören nicht nur eine bestehende Ordnung, sondern sind ein Durchgangsstadium für neue, bessere Organisationstrukturen. Dies werden wir noch konkret beim Thema »Konfliktsteuerung« vertiefen. Die Erwartungen an den Träger einer Rolle sind im Allgemeinen keine festen und konkreten Verhaltensvorschriften. Sie erlauben dem Rollenträger, sich in einer gewissen Spielbreite mit gewissen Toleranzgrenzen zu bewegen. So werden dem Positionsinhaber »Oberstudiendirektor an einem Gymnasium einer Kleinstadt« nicht seine Freizeitinteressen genau vorgeschrieben, sondern er kann innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen wählen, wobei auch hier zwischen den Möglichkeiten eine gewisse Hierarchie festgestellt werden kann. Er muss, sollte oder darf ganz bestimmte Verhaltensweisen zeigen. Die Rollenerwartungen stellen ein Bezugssystem von Bewertungen dar, die sich auf einzelne Verhaltensdimensionen des Rollenträgers beziehen. Sie sind wie die meisten allgemeinen Bezugssysteme unscheinbar und werden erst aktiviert, wenn das gezeigte Rollenverhalten nicht mehr mit ihnen vereinbar ist. Das Rollenverhalten kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern es bezieht sich grundsätzlich auf andere Rollen, ist sogar auf diese angewiesen. So wird der Rollenbegriff zu einem wesentlichen Aspekt des sozialen Kraftfeldes und der Bezugsgruppe, deren Normen die Rollenerwartungen bestimmen. In der Rollentheorie spielt der Begriff des Selbst eine zentrale Rolle. Er ist eigentlich der Gegenbegriff zur Rolle, weil er den Aspekt der individuellen Auslegung und Deutung der Rollenerwartungen umschreibt. In unserem Selbsterleben, in der Introspektion können wir recht gut zwischen Rolle und Selbst trennen. So weiß ich, dass ich mich auch ganz anders verhalten könnte, <?page no="32"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 33 33 wenn ich es als Individuum nur möchte. Im Erleben gibt es eindeutig dieses phänomenale Selbst: Ich erlebe mich auch bei einem Rollenwechsel als identisch. Menschen verhalten sich in der gleichen Position verschieden, obwohl sie mit den gleichen Erwartungen konfrontiert sind. Auch werden die Hauptrollen in einem Theaterstück, bei denen das Rollenverhalten ja detailliert vorgeschrieben ist, je nach Schauspieler unterschiedlich interpretiert, so dass die Persönlichkeit des Darstellers das Rollenverhalten durchstrahlt. Auch bei den Wärtern und Gefangenen des Stanford-Experimentes waren individuelle Rollendeutungen deutlich zu sehen. Der Positionsinhaber steht Rollenerwartungen gegenüber und fühlt sich zudem einem gewissen Rollendruck ausgesetzt. Dieser Druck geht meist von den Inhabern der Partnerposition aus, wird aber auch diffus innerhalb des sozialen Kraftfeldes erlebt. Der erlebte Druck wird in der Rollentheorie als Sanktion bezeichnet. Je nach der Richtung kann man von positiven (Lob, Unterstützung) oder negativen (Tadel, Bestrafung) Sanktionen sprechen. Diese Sanktionen können objektiv fixiert sein (z. B. Beamtenrecht), sie können aber auch lediglich subjektiv existieren, wenn der Positionsinhaber annimmt, dass manche Bezugspersonen ein bestimmtes Rollenverhalten begrüßen oder ablehnen würden. Es kommt demnach auch hier nicht allein auf die objektiv gegebenen Fakten, sondern auch auf die subjektiv erlebten und vom Rollenträger verarbeiteten Bedingungen an. Übungsvorschlag: Versuchen Sie bitte in Kleingruppen das Stanford-Gefangenen-Experiment mit Hilfe der zentralen Begriffe der Rollentheorie zu erklären/ beschreiben. Diskutieren und korrigieren Sie Ihre Ergebnisse anschließend im Plenum. <?page no="33"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 34 <?page no="34"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 35 35 3 Interaktion und Kommunikation Die Interaktion zwischen potenziellen Gruppenmitgliedern ist die zentrale Voraussetzung für alle sozialen Phänomene und Prozesse. Nach Homans (1972) führen menschliche Aktivitäten zu Interaktionen, die sich mit Gefühlen verbinden; dadurch wird die Interaktionshäufigkeit im Sinne eines Kreisprozesses beeinflusst. Eine wichtige Aufgabe des Gruppenleiters besteht darin, die Interaktions- und Kommunikationsprozesse zu beobachten, um zu spüren, ob Störungen vorhanden sind. Je sensibler er für diese Vorgänge ist, desto besser kann er Störungen erkennen und eine positive Gruppenentwicklung fördern. Wir werden im Folgenden den Kommunikationsprozess in seine elementaren Bestandteile »zerlegen«, um sensibel für die einzelnen Störquellen zu werden. Die Art unseres Vorgehens und die einzelnen Übungen können vom Leser als Basis für ein Gruppenseminar zum Thema »Kommunikation« herangezogen werden. 3.1 Welche Prozesse sind in einem Gespräch wirksam? Übungsvorschlag: Beobachten Sie ein Gespräch oder machen Sie im Kurs eine Videoaufzeichnung der gegenseitigen Vorstellungsrunde oder spielen Sie - was ich persönlich gerne mache - eine Szene von Loriot vor. Sammeln Sie dabei freie Beobachtungen über die Gesprächsprozesse. Wenn Sie die Übung in einer Gruppe machen, dann sollten Sie in diesem Zusammenhang auch die Schwierigkeiten des freien Beobachtens (Subjektivität, jeder setzt andere Schwerpunkte) ansprechen. Bei der Auswertung der freien Beobachtungen sollte der Unterschied zwischen den sachlich-inhaltsbezogenen (»Inhaltsebene«) und den gefühlsmäßigen-nonverbalen (»Beziehungsebene«) Beiträgen herausgearbeitet werden. Anschließend kann man die Beiträge noch weiter aufgliedern, um die Entwicklung eines Beobachtungsschemas zu demonstrieren, bei dem die subjektiven Fehlerquellen reduziert sind. Das Ergebnis kann dann mit dem praxiserprobten Beobachtungsschema in Abbildung 3 verglichen werden. <?page no="35"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 36 36 Abb. 3: Beobachtungsschema qualitativer Interaktionen zwischen Gruppenmitgliedern (modifiziert nach Bales 1950 und Borgotta 1962, 1963). Die Kategorien 1 bis 5 beziehen sich auf die Inhaltsebene, 6 bis 13 auf die Beziehungsebene, wobei 6 bis 8 die positiven-emotionalen Verhaltensweisen und 9 bis 13 die negativen beinhalten. <?page no="36"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 37 37 Aus dieser Übung können mindestens zwei Befunde abgeleitet werden: Menschliche Kommunikation (Interaktion ist eigentlich der exaktere Begriff ) vollzieht sich auf zwei Ebenen. Auf der Inhaltsebene informieren wir mit Hilfe der Sprache über die Sache. Die Botschaften auf der Beziehungsebene verlaufen meist sprachfrei (Mimik, Gestik, Körperhaltung, Sprechrhythmus usw.) und zeigen, wie wir unsere Beziehung zum Gesprächspartner sehen und wie dieser das Gesagte verstehen soll. Die Mehrdimensionalität einer Kommunikation oder Nachricht wurde von Bühler (1934) und später von der »Palo-Alto-Gruppe« (Bateson, Beavin, Jackson, Healey und als bekanntester Vertreter Watzlawick) ausführlich beschrieben. Fasst man beide Auffassungen zusammen, dann kann man die »Anatomie einer Nachricht« (Schulz von Thun, 1981) durch Abb. 4 darstellen. Der Sender teilt dem Empfänger durch sein Ausdrucksverhalten etwas über seine eigene Persönlichkeit mit, auch wenn er dies im Einzelfall gar nicht möchte. Die Botschaft auf der Inhaltsebene entspricht der sachlichen Mitteilung, die vorwiegend sprachlich-verbal gesendet wird. Auf der Beziehungsebene verlaufen die Prozesse auf »sprachfreie« Weise: Durch Betonung, Gestik, Mimik, kurz durch unsere »Körpersprache« signalisieren wir dem Empfänger, wie die Inhalte zu verstehen sind. Wir teilen ihm aber auch gleichzeitig mit, wie wir die Beziehung zu ihm sehen (»So sehe ich dich und unsere Beziehung«). Kaum eine Nachricht wird nur um ihrer selbst willen »gesendet«, fast immer soll mit ihr etwas erreicht werden. Der Empfänger soll gewisse Dinge tun, wissen, unterlassen oder fühlen (Appellfunktion der Nachricht). Inhaltsebene Beziehungsebene Nachricht Ausdruck, Selbstkundgabe Appell Sender (Sender) (Empfänger) Empfänger Abb. 4: Die »Anatomie einer Nachricht« (in Anlehnung an Schulz von Thun 1981, 1989) <?page no="37"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 38 38 Übungsvorschlag: Wenden Sie die Aussagen über die verschiedenen Botschaften einer Nachricht auf das folgende Beispiel an: Ein Seminarleiter sagt mit ernster Stimme zu den Teilnehmern: »Wir werden heute Abend pünktlich um 18 Uhr das Seminar beenden! « Eine Nachricht enthält demnach mehrere Botschaften gleichzeitig, wobei wir die Informationen auf der Inhaltsebene von denen auf der Beziehungsebene Ausdruck/ Selbstkundgabe, Beziehungsdefinition und Appell unterscheiden können. Erfolgreich kommunizieren heißt demnach, die Prozesse auf der Inhalts- und Beziehungsebene so zu steuern, dass Störungen, Missverständnisse und Verzerrungen möglichst vermieden oder erkannt, angesprochen und bewältigt werden. 3.2 Steuerung der Kommunikation auf der Inhaltsebene Bevor wir uns den Vorgängen auf der Inhaltsebene zuwenden, ist es sinnvoll, den Kommunikationsablauf etwas detaillierter darzustellen und einzelne Aspekte dieses Prozesses durch kleine Übungen zu veranschaulichen bzw. zu analysieren. Die dabei auftretenden Kommunikationsstörungen sollen herausgearbeitet werden, damit der Leser bzw. die Seminarteilnehmer sie klar erkennen und in Gesprächen/ Vorträgen vermeiden können. Abbildung 5 zeigt schematisch die einzelnen Stationen im Kommunikationsprozess. Der Sender hat eine Information (Nachricht), die er an den Empfänger weitergeben möchte. Er kann sie ihm aber nicht direkt ins Gehirn übergeben, sondern muss sie erst in ein Medium (Sprache, Schriftstück, Tonband, Film usw.) übertragen. Diese Übertragung wird mit von der aktuellen Situation und seinen persönlichen Interessen beeinflusst. Über dieses Medium erreicht er den Empfänger (oder auch nicht), der die Informationen jetzt (in Abhängigkeit von seiner aktuellen Situation und Interessenlage) entschlüsselt, aufnimmt und weiter verarbeitet. Normalerweise läuft eine Kommunikation nicht einseitig (»Einweg-Kommunikation«), sondern als Kreisprozess ab, d. h. der Empfänger wird im Verlauf ebenfalls zum Sender (»Zweiweg-Kommunikation«, Feed-back). Eine Kommunikation ist immer dann erfolgreich, wenn die Nachricht unverfälscht beim Empfänger ankommt, d. h. wenn keine Informationsverzerrungen oder -verluste im Kommunikationsprozess auftreten. <?page no="38"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 39 39 Übungsvorschlag: Bei der Übung »Einweg-Zweiweg-Kommunikation« (nach Brocher 1967, S. 142-153) wird der Einfluss der Kommunikationsrichtung auf den Kommunikationsprozess (zeitliche Dauer, Fehler bei der Übermittlung, emotionale Befindlichkeit der Teilnehmer) untersucht. Ein Seminarteilnehmer übernimmt bei dieser Übung die Rolle des Senders. Er versucht, seine Informationen den anderen zu übermitteln. Die Übung teilt sich in zwei Phasen auf: In der ersten Phase erhält er Vorlage 1 (Anhang 9.1.1.1) und kann das Bild etwa eine Minute betrachten, um sich dabei zu überlegen, wie er das Bild am besten beschreiben kann, damit es seine Zuhörer richtig aufzeichnen können. Die Zuhörer dürfen in dieser Phase keine Fragen stellen oder in irgendeiner Art und Weise Rückmeldung geben. Um eine echte »Einweg«-Kommunikation Abb. 5: Schematische Darstellung der Vorgänge bei der Einweg- und Zweiweg- Kommunikation (→Einweg«, - - - > »Zweiweg« und · · · Beziehungsebene) SENDER (E) EMPFÄNGER (S) Botschaft Medium Medium Botschaft Verschlüsselung Verschlüsselung (analog/ digital) Entschlüsselung Situation Persönliche Interessen Situation Persönliche Interessen Entschlüsselung (analog/ digital) <?page no="39"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 40 40 zu ermöglichen, empfiehlt es sich, Sender und Empfänger durch eine Stellwand zu trennen. Die Empfänger werden in ihre Aufgabe eingewiesen, die geometrischen Figuren möglichst genau nach der Schilderung zu zeichnen, dabei keine Fragen zu stellen oder irgendwelche Rückmeldungen zu geben, am Ende der Phase zu notieren, wie viele Figuren sie glauben, in ihrer Lage zueinander richtig gezeichnet zu haben und wie sie die Übung insgesamt erlebten. Der Leiter beobachtet (eventuell mit Video) den Vorgang und kontrolliert die Zeit. In der zweiten Phase erhält der Sender Vorlage II und ebenfalls eine Minute Zeit, um sich in die Darstellung hineinzudenken. Die Zuhörer werden aufgefordert, jetzt bei Bedarf Fragen zu stellen. Es soll sichergestellt werden, dass der Sender seine Informationen möglichst genau übertragen kann.Ansonsten ist das Vorgehen mit Phase I identisch. Nach Abschluss der beiden Durchgänge werden die Einzelergebnisse gemeinsam ausgewertet (siehe Auswertungsbeispiel Tabelle 1). In dieser Tabelle finden Sie ein »typisches« Ergebnis eingetragen. Sollten Sie keine Gelegenheit zur Gruppenübung haben, dann sollten Sie zumindest diese Tabelle interpretieren und mit dem folgenden Text vergleichen. Tab. 1: Ergebnistabelle zur Übung »Einweg-Zweiweg«-Kommunikation (Mw ist der arithmetische Mittelwert) Treffer Einweg- Kommunikation Zweiweg- Kommunikation geschätzt wirklich geschätzt wirklich 0 1 2 3 4 5 1 2 12 14 6 1 0 1 10 15 9 1 0 0 1 3 12 20 0 0 1 4 16 15 Mw 2,7 3,0 4,4 4,3 Zeit 217 sec 423 sec Bei der Diskussion der Ergebnisse kann normalerweise Folgendes herausgearbeitet werden: Die Einwegkommunikation erweist sich meistens als schneller, der Informationsfluss ist allerdings weniger präzise (Mehrdeutigkeit, Ungenauigkeit). Das Selbstvertrauen des Empfängers bezüglich seiner Leistung ist gering und liegt meistens unter der realen Leistungsgüte. Es besteht die Gefahr, dass Störungen auf die Beziehungsebene ausstrahlen (konkrete Bewww.claudia-wild.de: <?page no="40"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 41 41 obachtungen: Stöhnen, Blicke zum Nachbarn, ablehnende Handbewegungen usw.). Die Reaktionen auf die beiden Kommunikationsarten sind individuell verschieden; sie sind abhängig von der persönlichen Lerngeschichte und den damit verbundenen Erwartungen an den Sender. Je besser bei der Zweiwegkommunikation die Rückkoppelung (Feedback) gelingt, desto geringer ist der Informationsverlust, desto angenehmer ist normalerweise der Kommunikationsprozess (Feed-back-Schleife). Auffällig ist häufig, dass auch bei der »Zweiweg«-Kommunikation meist nicht alle Teilnehmer motiviert sind nachzufragen, obwohl sie das Gefühl haben, nicht alles richtig verstanden zu haben. Manchmal kann man beim Sender auch die Neigung zu einer Pseudo- Zweiwegkommunikation feststellen, indem er rhetorische Fragen stellt, wie z. B. »habt ihr das jetzt verstanden? «, worauf häufig spontan und unehrlich mit »ja« geantwortet wird. Im Anschluss an die Ergebnisdiskussion sollten die gemachten Erfahrungen zur Verbesserung der Kommunikation erarbeitet und festgehalten werden. Die Sammlung der »Verständlichmacher« soll durch die weiteren Übungen ergänzt werden. Übungsvorschlag: Mit der folgenden Übung soll die Subjektivität der Wahrnehmung als Ursache für Informationsverzerrungen demonstriert werden. Zur Durchführung werden fünf bis acht Teilnehmer (Experimentiergruppe) und eine Beobachtergruppe (fünf bis zehn Personen) benötigt. Durchführung: Die Experimentiergruppe verlässt den Raum, Beobachter werden instruiert und erhalten den Wortlaut der Meldung und den Beobachtungsbogen (Anhang 9.1.1.2). Der erste Teilnehmer wird in den Raum geholt und bekommt die Meldung zwei mal vorgelesen. Ohne die Möglichkeit des Nachfragens berichtet der Erste dem Zweiten, der Zweite dem Dritten usw. und schließlich der Letzte den Beobachtern, was er von der Meldung noch in Erinnerung hat. Der Ablauf sollte mit Tonband oder Video dokumentiert werden. Die Beobachter berichten anschließend über das Schicksal der einzelnen Aussagen. Diskussion: Wie wurde mit problematischeren Inhalten/ Tabus umgegangen? Welche Inhalte gehen aus welchen Gründen verloren? Wieso kommt es zu Umdeutungen? Bei der Diskussion sollen die folgenden Ergebnisse erarbeitet werden: • Informationen werden bei der Weitergabe häufig entstellt, verzerrt, verändert. <?page no="41"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 42 42 • Meist ist die unklare Ausdrucksweise des Senders Ursache der Verzerrung. • Der Empfänger wählt aus den Informationen aus und »verdünnt« damit die Informationsmenge (»Kanalkapazität«). • Die Auswahl/ Selektion ist abhängig von der individuellen Persönlichkeit/ Lerngeschichte/ Motivation/ Interessenlage und den situationsspezifischen Gegebenheiten. • Worte sind wenig präzise. • Die Inhaltsebene strahlt auf die Beziehungsebene aus! Mit der Gruppe werden anschließend weitere »Verständlichmacher« gesammelt. Übungsvorschlag: Bei »Worte undVorstellungen« geht es nochmals um die Informationsvermittlung auf der Inhaltsebene: Je zwei Teilnehmer haben gemeinsam die Aufgabe zu lösen, sich zuerst auf einen Gegenstand zu einigen, den sie anschließend - jeder zur Hälfte - auf ein Kärtchen zeichnen sollen. Nachdem sich die Paare auf den Gegenstand geeinigt haben, erhält jeder ein Kärtchen. Jetzt darf nur noch gezeichnet und nicht mehr miteinander gesprochen werden. Die Kärtchen werden anschließend zusammengesetzt und die beobachtbaren Kommunikationsstörungen werden diskutiert. Was war für Sie hilfreich? Was kann man gegen die Kommunikationsstörungen tun? Wir ergänzen nochmals die Sammlung und versuchen, die Beiträge zu ordnen. Die Ordnung kann dabei die Struktur in Abbildung 6 erhalten. Die Prozesse auf der Inhaltsebene haben wir bisher vorwiegend aus der Sicht des Senders betrachtet und überlegt, welche »Verständlichmacher« dabei hilfreich sind. Dabei wurde der Aspekt des Entschlüsselns der Botschaften durch den Empfänger vernachlässigt. Wir müssen bei jeder Kommunikation aber berücksichtigen, dass nicht nur der Sender mit »vier Zungen« spricht, sondern der Empfänger auch mit »vier Ohren« hört. Je nachdem, ob er sich auf den Sachinhalt konzentriert, die Ausdrucksseiten (Was ist denn mit dem los? ) oder den Beziehungsaspekt (Wie geht der mit mir eigentlich um? ) beachtet bzw. die Appellseite (Was will der, dass ich tue? ) hört, wird er unterschiedliche Botschaften entschlüsseln. In Abbildung 7 werden die vier Ohren des Empfängers (in Anlehnung an Schulz von Thun, 1981 und Benien, 2003) dargestellt. <?page no="42"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 43 43 Beim Sender: • Einfache Darstellung (verständliche, klare und empfängerbezogene Formulierungen, keine fachchinesischen Ausdrücke, mit einfachen Beispielen veranschaulichen, nur eindeutige Begriffe verwenden). • Übersichtliche Gliederung (äußerliche Übersicht vorgeben; innere Übersicht: logischer, folgerichtiger Aufbau, auf Querverbindungen / Zusammenhänge hinweisen,Wesentliches betonen / hervorheben / wiederholen). • Kurz und prägnant informieren,Weitschweifigkeit langweilt! • Anregend darstellen (möglichst viele Sinnesgebiete/ Informationskanäle ansprechen, »Mehrkanalinformationen« geben, interessant und abwechslungsreich beschreiben, persönliches Engagement am Thema zeigen). • Bezug zu bekannten Informationen herstellen, Informationsängste abbauen. • Blickkontakt halten und nonverbale Botschaften aufgreifen. • Zusammenfassen und wiederholen (lassen). • Zum Nachfragen motivieren. • Durch Zwischenfragen Interesse wecken, usw. Beim Empfänger: • Aktiv zuhören, das Gesagte mit eigenen Erfahrungen verbinden. • Den Aussagen (wenn auch nur detaillierte) interessante Aspekte abgewinnen. • Fragen stellen, wenn etwas unklar ist! Abb. 6: Zusammenfassende Darstellung der »Verständlichmacher« Auch der Empfänger ist demnach dafür verantwortlich, dass die Botschaften auf der Inhaltsebene ihn möglichst störungsfrei erreichen. Wenn er bestehende Unsicherheiten durch seine Fantasie bewältigt, dann sind Missverständnisse vorprogrammiert. Behält er seine Fantasien und Interpretationen für sich, dann können sie ihn isolieren, werden zu einem Käfig und widersetzen sich einer Überprüfung und Korrektur. Bringt man sie hingegen in den Kommunikationsprozess ein, dann klären sie die Atmosphäre und fördern die Offenheit. Eine Ursache für viele Missverständnisse besteht darin, dass der Empfänger sich in die Situation hineinversetzt, sich mit ihr identifiziert und die Informationen auf die eigenen Erfahrungen bezieht. Er denkt schon weiter, hört nicht mehr aktiv zu, da er ja weiß, um was es geht und annimmt, dass der Andere die gleichen Gedanken haben müsse wie er. Unsere bisherigen Betrachtungen konzentrieren sich darauf, wie man als Gruppenleiter Informationen möglichst unverzerrt weitergeben kann. Eine andere Frage ist nun, wie man möglichst viele Informationen von den Gruppenmitgliedern oder Gesprächspartnern erhalten kann, um deren Wünsche, Motive, Einstellungen und Interessen unverzerrt erfassen zu können. <?page no="43"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 44 44 Wie »öffne« ich meine Gesprächspartner? Übungsvorschlag: Zwei freiwillige Teilnehmer führen ein Gespräch, das auf Tonband oder Video aufgezeichnet wird. Der eine Teilnehmer (A) hat dabei ein Thema/ Problem, über das er bereit ist, Auskunft zu geben, der andere Teilnehmer (B) hat die Aufgabe, im Gespräch möglichst viel von diesem Thema zu erfahren. Wenn Teilnehmer B das Gespräch direktiv führt, dann wird er nach einigen Minuten vom Kursleiter abgelöst, der das Gespräch mit »offenen« Fragen weiterführt. Anschließend wird die Gesprächsaufzeichnung betrachtet und diskutiert, welches Gesprächsleiterverhalten und welche Fragen den Gesprächspartner öffneten und aktivierten. In der Diskussion sollten folgende Punkte als »öffnend« herausgearbeitet werden: Öffnend fragen heißt: • W-Fragen (Was, Wie, Worüber …? ) stellen, die den Partner zum Reden bringen und nicht mit Ja oder Nein beantwortet werden können • Mit Äußerungen wie »Ja, Hmm« anregen • Pausen zulassen (»arbeiten« lassen) • Aktiv zuhören, das Gesagte aufgreifen und den Gesprächspartner bitten, mehr darüber zu erzählen (z. B. »Sie haben zu Beginn gesagt, dass … Bitte schildern Sie mir das noch etwas ausführlicher«) ? Appell-Ohr: Was soll ich denken, fühlen, tun? Was fordert der von mir? = Gefühlter Handlungsdruck ? ? Appell-Ohr: Was soll ich denken, fühlen, tun? Was fordert der von mir? = Gefühlter Handlungsdruck Appell-Ohr: Was soll ich denken, fühlen, tun? Was fordert der von mir? = Gefühlter Handlungsdruck Beziehungs-Ohr: Wie behandelt der mich? Wie redet der mit mir? = Persönliche Betroffenheit Inhalts-Ohr: Wie ist der Sachverhalt zu verstehen? = Sachverständnis Selbstkundegabe-Ohr: Was ist das für ein Mensch? Was ist mit dem? = Persönliche Diagnostik Abb. 7: Die vier Ohren des Empfängers <?page no="44"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 45 45 • Zwischenzusammenfassungen machen und Korrekturbzw. Ergänzungsmöglichkeiten zulassen • Fragende Blicke, gestische Unterstützungen Mit diesem Gesprächsverhalten bekommt der Gesprächspartner Raum und kann seine Gedanken und Einstellungen frei äußern; die Steuerung des Gesprächs und der Gesprächsinhalte durch den Leiter ist dabei gering, da er von sich aus kein Thema einführt, sondern nur das aufgreift, was der Gesprächspartner anbietet. Ungünstig sind: • Geschlossene Fragen (die man mit Ja oder Nein beantworten kann) (außer zur Verständniserklärung, bei Zusammenfassungen u. Ä.) • Alternativ-Fragen/ Oder-Fragen, weil es meistens mehrere Möglichkeiten gibt • Suggestiv-Fragen, die eine bestimmte Antwort nahe legen • Warum-Fragen (als einzige W-Frage, die ungünstig ist), weil sie den Gesprächspartner in eine prüfungsähnliche Situation bringen und »vernünftige« Antworten provozieren. Das Warum, die Motivation, sollte aus den Informationen, die das gesamte Gespräch liefert, erschlossen werden • Den Gesprächspartner unterbrechen, ins Wort fallen • Widersprechen und in eine Diskussion eintreten Übungsvorschlag: Einüben der offenen Fragen in Dreiergruppen (A, B und C): Jeder Teilnehmer notiert sich ein Thema/ Problem, über das er dann mit einem anderen sprechen möchte. Beginn: A hat ein Thema (sagt es aber nicht ungefragt), B möchte von diesem Thema möglichst viel erfahren und versucht dies mit offenen Fragen etc. C beobachtet, greift ein, hilft und notiert sich die auftretenden Schwierigkeiten im Gesprächsverlauf für die spätere Diskussion im Plenum. Nach zehn Minuten Rollenwechsel: B hat nun das Thema/ Problem, C ist der fragende Gesprächspartner und A der Beobachter … Anschließend Erfahrungsaustausch im Plenum.Welche Schwierigkeiten tauchten auf? (Frageart / Pausengestaltung / Zusammenfassungen / Verständnis / Zuhörenkönnen) Wir sind schon wiederholt einer Schwäche beim Gesprächsleiter begegnet: Es fällt oft schwer, dem Gesprächspartner genau zuzuhören. Wie schwierig ist eigentlich das »aktive Zuhören« wirklich? Dies wird durch die nächste Übung eindringlich demonstriert. <?page no="45"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 46 46 Übungsvorschlag: Beim »Kontrollierten Dialog« bilden wir wieder Dreiergruppen. Je zwei Teilnehmer überlegen sich ein Thema, bei dem sie möglichst unterschiedlicher Meinung sind und führen darüber ein Gespräch. Dabei sind die folgenden Spielregeln zu beachten: A beginnt mit einer Aussage, anschließend muss B den Satz von A zuerst genau sinngemäß (nicht wortwörtlich! ) wiederholen; wurde der Sinn nicht verstellt, dann bestätigt dies A mit »stimmt« und B darf dann auf den Satz von A antworten. Wurde der Satz nicht richtig wiedergegeben, dann sagt A »falsch« und B muss es nochmals versuchen. Gelingt es ihm dann immer noch nicht, dann formuliert A nochmals seine Aussage und B wiederholt sie sinngemäß. C beobachtet, überwacht die Zeit und greift ein, wenn die Spielregeln verletzt werden. Er notiert sich auch, wie die Gesprächspartner verbal oder nonverbal »aktives Zuhören« und einfühlendes Verstehen zeigten. Nach 15 Minuten werden die Rollen gewechselt, so dass jeder einmal Beobachter war. Anschließend berichten die Beobachter im Plenum die aufgetretenen Schwierigkeiten. Meistens werden die folgenden Probleme angesprochen: Der Sprecher: • organisiert vorher nicht seine Gedanken • drückt sich ungenau aus • versucht, zu viel in einem Satz unterzubringen • A redet zuviel, überfordert B Der Zuhörer: • hört nicht konzentriert zu • denkt schon an seine Antwort, während der andere noch spricht • pickt sich nur Details heraus (Selektion) • wendet sein Denk- und Interpretationsschema an (Vorurteil, dass eigene Psychologie auch die des anderen ist) Aktives Zuhören und offene Fragen geben dem Gesprächspartner das Gefühl, dass man ihn beachtet, zuhört, sich für das interessiert, was er fühlt und denkt. Der Gesprächsleiter sollte bei seinem Verhalten dabei die aus der Gesprächspsychotherapie bekannten und bewährten »Rogers-Variablen« beachten: • Einfühlendes Verstehen: Versuchen, die Gefühle und Gedanken des Gesprächspartners voll zu verstehen (»Empathie«) <?page no="46"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 47 47 • Unbedingte Wertschätzung: Die Aussagen des Gesprächspartners werden akzeptiert und (auch mimisch) nicht bewertet • Kongruenz (echt sein, ohne Fassade sein) Diese Haltung beinhaltet ein Beziehungsangebot und strahlt mit Hilfe der besprochenen inhaltlichen Gesprächsregeln auf die Beziehungsebene (»ich finde dich als Mensch sehr interessant und möchte dir helfen«/ »erzähle mir bitte mehr über dich«/ »ich akzeptiere dich voll als Partner«) aus, die wir im Folgenden näher betrachten wollen. 3.3 Steuerung der Kommunikation auf der Beziehungsebene Bisher haben wir uns darauf konzentriert, wie wir Informationen auf der Inhaltsebene möglichst genau einem Partner übermitteln, bzw. wie wir möglichst viele Daten ohne Informationsverluste vom Partner erhalten. Im Folgenden geht es darum, durch welche Vorgänge die Prozesse auf der Beziehungsebene gefährdet werden, wie man dies am ehesten vermeiden kann, und wie man bei bestehenden Meinungsverschiedenheiten am sinnvollsten reagieren sollte, damit die Beziehungsebene am wenigsten bedroht wird. Das beinhaltet auch die Frage, wie ein Seminarleiter oder Lehrer den Teilnehmern seinen Standpunkt klar und dennoch partnerschaftlich darstellt. Die Botschaften auf der Beziehungsebene sprechen die Gefühle, das »Herz« des Gesprächspartners - und nicht seinen Verstand - an. Sie informieren darüber, wie das Gesagte zu verstehen ist (Tonfall, Blick etc.), und wie der Sender den Empfänger einstuft bzw. zu ihm stehen möchte. Da wir dauernd Botschaften auf der Beziehungsebene erhalten, wird durch sie auch unser Selbstkonzept stark mitgeprägt (»so einer bin ich also«). Die Beziehungsseite einer Nachricht beinhaltet vier Botschaften, durch welche die spezielle Beziehungsart bestimmt wird: • So sehe ich mich (»Selbstoffenbarung«). • So sehe ich (der Sender) dich (den Empfänger); das halte ich von dir! (»Du-Botschaft«: »So bist du«! ) • So sehe ich (der Sender) die Beziehung zu dir (Empfänger). (»Wir-Botschaft«: »So stehen wir zueinander - nicht wahr? «) • Ich appelliere an dich: »Mach am besten Folgendes: …« Mit diesen vier Botschaften verbinden sich häufig einige Schwierigkeiten: So wird die erste Art häufig von Imponier-, Fassaden-, Verbergungs-, aber auch von Verkleinerungstechniken verfälscht. Ziel ist hier Echtheit, Offenheit und »Kongruenz«. Beim zweiten Aspekt wird das Bild vom Gesprächspartner häufig durch Projektionen und Übertragungen verzerrt. <?page no="47"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 48 48 Beim dritten Aspekt gibt es unterschiedliche Reaktionsweisen auf die gegebene Beziehungsdefinition: • Akzeptieren (»so ist es«) • Durchgehen lassen (»naja, eigentlich stimmt’s nicht ganz, aber ist schon o.k.«) • Zurückweisen (»was soll denn das? - mit mir geht das so nicht; wer bin ich denn! ! ? «) • Ignorieren (»wer so reagiert, der ist für mich Luft, existiert überhaupt nicht«) Auch die Reaktionsweisen auf den Appell sind sehr unterschiedlich: Reaktanz / Zurückweisung oder Überprüfung / Akzeptanz / Einstellungswandel, d. h. sie gehen von bereitwillig-folgend bis abweisend-trotzig. Im Folgenden werden wir uns auf die Beziehungsebene i. e. S. (Aspekte 2 und 3) konzentrieren und überlegen, wie Störungen bewältigt werden können. Übungsvorschlag: Ein freiwilliger »Sender« erhält ein Formblatt mit 5 vom Versuchsleiter eingetragenen Kreuzen, auf dem viele, sich überschneidende Felder eingezeichnet sind (Anhang 9.1.1.3). Er soll den Teilnehmern möglichst klar beschreiben, wo sich diese 5 Kreuze auf dem Formblatt befinden. Die Teilnehmer sollen mit dem Sender reden. Verboten ist allerdings: beim Nachbarn ins Blatt schauen, Hilfsmittel wie Lineal o.Ä. verwenden, und das Formblatt in eine andere Lage bringen, bzw. dem Sender die eingetragenen Kreuze zeigen. Alle Kommunikationen müssen verbal ablaufen! Auch diese Übung sollte mit Video aufgezeichnet werden, um im Anschluss die nonverbalen Reaktionen demonstrieren zu können. Bei der Übung erhalten nicht alle Teilnehmer das gleiche Formblatt, so dass bei einem Teil Verständnisschwierigkeiten vorprogrammiert sind. Anschließend werden die Teilnehmer über den Sinn der Übung informiert: Es ging nicht um die Kommunikation auf der Inhaltsebene, sondern um die Provokation von Störungen auf der Beziehungsebene. Bei der Übung kommt es zwangsläufig zu unterschiedlichen Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten. In der Diskussion werden die folgenden Fragen betrachtet: Welche Reaktionen haben Sie bei sich beobachtet? Welche allgemeinen Reaktionsmöglichkeiten bestehen überhaupt (Abb. 8)? Was halten Sie von der Effektivität Ihrer eigenen Reaktionen? Wie beeinflussen diese den Gesprächsverlauf? Rückzug / Resignation t s g n A , t i e h r e h c i s n U sachliche, direkte Ansprache Ärger / Wut / Aggression Eskalation Störung / Problem Abb. 8: Reaktionsmöglichkeiten auf Störungen <?page no="48"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 49 49 Bei dieser Übung wird deutlich, wie Störungen auf der Inhaltsebene die Reaktionen auf der Beziehungsebene beeinflussen, und wie groß die Gefahr ist, in einen Teufelskreis von Reaktion und Gegenreaktion zu geraten. Übungsvorschlag zu »angriffsarm formulieren«: Die Teilnehmer erhalten eine Reihe angriffsvoller Gesprächsaussagen. Sie sollen versuchen, die erste Aussage so zu formulieren, dass eine sachgerechte und möglichst angriffsfreie Alternative entsteht. Diese Formulierungen werden auf Kärtchen geschrieben. Diese Kärtchen werden anonym auf Kleingruppen verteilt, die diese Kärtchen in eine Rangfolge bringen (nach Grad der Angriffsfreiheit). Die Kleingruppen stellen ihre Ergebnisse vor und begründen die Entscheidung. In der Diskussion werden die Regeln für angriffsarmes Formulieren erarbeitet. Kriterien für »angriffsarme« Reaktionen im Gespräch: • Partner nicht abwerten, sondern seine Reaktionen akzeptieren und sein Selbstwertgefühl achten • beobachtete Vorgänge zuerst beschreiben, dann bewerten (lassen) • Ich-Aussagen anstelle von Du-Angriffen machen • auf die Gefühlslage des Partners achten und dafür Verständnis zeigen • die eigene Gefühlslage darlegen • echt und offen sein, die eigenen Ansichten ehrlich und klar vertreten • Gegenargumente zulassen • Brücken zwischen den Standpunkten bauen • sich zu notwendigen Entscheidungen bekennen • … Beim dritten Aspekt gibt es unterschiedliche Reaktionsweisen auf die gegebene Beziehungsdefinition: • Akzeptieren (»so ist es«) • Durchgehen lassen (»naja, eigentlich stimmt’s nicht ganz, aber ist schon o.k.«) • Zurückweisen (»was soll denn das? - mit mir geht das so nicht; wer bin ich denn! ! ? «) • Ignorieren (»wer so reagiert, der ist für mich Luft, existiert überhaupt nicht«) Auch die Reaktionsweisen auf den Appell sind sehr unterschiedlich: Reaktanz / Zurückweisung oder Überprüfung / Akzeptanz / Einstellungswandel, d. h. sie gehen von bereitwillig-folgend bis abweisend-trotzig. Im Folgenden werden wir uns auf die Beziehungsebene i. e. S. (Aspekte 2 und 3) konzentrieren und überlegen, wie Störungen bewältigt werden können. Übungsvorschlag: Ein freiwilliger »Sender« erhält ein Formblatt mit 5 vom Versuchsleiter eingetragenen Kreuzen, auf dem viele, sich überschneidende Felder eingezeichnet sind (Anhang 9.1.1.3). Er soll den Teilnehmern möglichst klar beschreiben, wo sich diese 5 Kreuze auf dem Formblatt befinden. Die Teilnehmer sollen mit dem Sender reden. Verboten ist allerdings: beim Nachbarn ins Blatt schauen, Hilfsmittel wie Lineal o.Ä. verwenden, und das Formblatt in eine andere Lage bringen, bzw. dem Sender die eingetragenen Kreuze zeigen. Alle Kommunikationen müssen verbal ablaufen! Auch diese Übung sollte mit Video aufgezeichnet werden, um im Anschluss die nonverbalen Reaktionen demonstrieren zu können. Bei der Übung erhalten nicht alle Teilnehmer das gleiche Formblatt, so dass bei einem Teil Verständnisschwierigkeiten vorprogrammiert sind. Anschließend werden die Teilnehmer über den Sinn der Übung informiert: Es ging nicht um die Kommunikation auf der Inhaltsebene, sondern um die Provokation von Störungen auf der Beziehungsebene. Bei der Übung kommt es zwangsläufig zu unterschiedlichen Auffassungen und Meinungsverschiedenheiten. In der Diskussion werden die folgenden Fragen betrachtet: Welche Reaktionen haben Sie bei sich beobachtet? Welche allgemeinen Reaktionsmöglichkeiten bestehen überhaupt (Abb. 8)? Was halten Sie von der Effektivität Ihrer eigenen Reaktionen? Wie beeinflussen diese den Gesprächsverlauf? Rückzug / Resignation t s g n A , t i e h r e h c i s n U sachliche, direkte Ansprache Ärger / Wut / Aggression Eskalation Störung / Problem Abb. 8: Reaktionsmöglichkeiten auf Störungen <?page no="49"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 50 50 Anschließend versuchen die Teilnehmer, die verbleibenden Aussagen nach diesen Regeln zu verbessern. Die Unterscheidung zwischen Beschreiben und Bewerten wirkt verständlich und leicht erfüllbar. In der alltäglichen Praxis neigen wir spontan zu frühzeitigen Bewertungen und Interpretationen, die zu Missverständnissen und Ärger führen. Dies soll durch die nächste Übung demonstriert werden. Übungsvorschlag: Die Teilnehmer erhalten ein Arbeitsblatt (Anhang 9.1.4.3) und füllen es aus. Dann werden die Verhaltensbeschreibungen am Flipchart getrennt nach Beschreibungen und Bewertungen aufgelistet. Anschließend bearbeiten die Teilnehmer das zweite Arbeitsblatt (Anhang 9.1.4.4). Bewertungen (»So bist Du! «) haben einen starken Einfluss auf die Selbstdefinition und damit auf das Selbstwertgefühl des Gesprächspartners. Sie müssen deshalb verständlich und für den Empfänger nachvollziehbar, d. h. durch Verhaltensbeobachtungen belegbar sein. Wie unterscheiden sich »Ich-Aussagen« von »Du-Angriffen«? Du-Angriffe sind konfliktträchtig, weil sie häufig als Kritik und Herabsetzung erlebt werden; sie verursachen Schuldgefühle und führen oft zu Widerstand oder Rückzug. Ich-Aussagen sind offener und ehrlicher; sie greifen den Gesprächspartner nicht direkt an, sondern zeigen ihm, wie man auf sein Verhalten hin gefühlsmäßig reagiert. Charakteristisch für eine Ich-Botschaft ist, das ungewünschte Verhalten zuerst zu beschreiben, die entstandenen Gefühle offen darzustellen und anschließend die erforderlichen Konsequenzen aufzuzeigen. Mit Ich-Botschaften erfährt der Gesprächspartner, was sein Verhalten beim anderen bewirkt, und er kann dessen Reaktionen und die Konsequenzen nachvollziehen, so dass die weitere Auseinandersetzung auf einer sachlichen Ebene ablaufen kann. Eine gute Ich-Botschaft enthält demnach drei Elemente: Beobachtetes Verhalten + Gefühle + Wirkungen wobei die Reihenfolge nicht entscheidend ist. <?page no="50"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 51 51 3.4 Die Kommunikationstheorie der »Palo-Alto-Schule« In Palo-Alto/ Kalifornien untersuchte Bateson mit seinen Mitarbeitern (Beavin, Jackson, Weakland, Fisch, Watzlawick u. a.) die allgemeinen Regeln und Gesetzmäßigkeiten (»Axiome«), nach denen Menschen miteinander kommunizieren. Kennt ein Kursleiter diese Regeln, dann versteht er das normale und auffällige Verhalten (= Kommunikation = Interaktion) besser und kann die Ursachen von Störungen leichter erkennen und beheben. Die von Watzlawick (1969, 1974, 1983, 1986) herausgearbeiteten Regeln erklären eigentlich nichts, sie haben ihre Erklärung in ihrem Sosein. Sie sind mit den Regeln eines sportlichen Wettkampfes vergleichbar und umschreiben den Rahmen, innerhalb dessen das »normale« Verhalten abzulaufen hat. Verstöße gegen die Regeln werden als Verhaltensstörungen betrachtet und führen bei chronischem Verlauf zur Bildung von Symptomen. Damit weist Watzlawick auf eine zusätzliche Dimension bei der Entstehung neurotischer Symptome hin, ohne die Bedeutung anderer psychologischer Theorien leugnen zu wollen. Die zentrale These der Kommunikationstheorie besagt, dass Kommunikationsabläufe nicht linear, sondern immer kreisförmig verlaufen. Damit werden die üblichen Fragen nach Ursache-Wirkung, Gegenwart-Vergangenheit oder bewusst-unbewusst von nachrangiger Bedeutung. Bei linearen Kausalketten spricht man sinnvoll von Anfang oder Ende der Kette, bei Systemen mit Rückkoppelung (Kommunikation) ist dies aber bedeutungslos. Jede Verhaltensform kann demnach nur in ihrem zwischenmenschlichen Kontext gesehen werden, und die Begriffe Normalität/ Abnormalität verlieren dabei als Eigenschaften von Individuen ihren Sinn. Symptome erscheinen bei isolierter Sichtweise als auffällig und unnormal, im zwischenmenschlichen Beziehungssystem erweisen sie sich jedoch als angemessene und verständliche Verhaltensweisen, die im gegebenen Kontext sogar optimal sein können. Dies ist zweifellos eine wichtige Perspektive mit wesentlichen Auswirkungen auf das therapeutische Geschehen. Die Grundannahme der Kommunikationstheorie lautet deshalb: Menschliche Kommunikationsprozesse sind regelhaft und können als Kreissysteme aufgefasst werden. Systemstörungen sind Verletzungen der allgemeinen Systemregeln (»pragmatische Axiome«) und führen bei chronischem Verlauf zu krankhaften Kommunikationsformen. Das menschliche Verhalten (= Interaktion, Kommunikation) richtet sich nach den folgenden Grundregeln (»Axiome«): <?page no="51"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 52 52 Regel 1: Man kann nicht nicht kommunizieren Für Verhalten gibt es kein Gegenteil, d. h. wir können uns nicht nicht verhalten. Auch das Schweigen, Augen schließen oder Ignorieren ist Verhalten und damit Kommunikation und sagt aus, dass der Betreffende jetzt nichts aussagen will. Verhalten drückt immer etwas aus, wie folgendes Beispiel zeigt: Eine Seminarteilnehmerin ist sehr schweigsam und ruhig, sie möchte die anderen nicht stören und sich nur informieren. Die anderen Gruppenmitglieder erleben sie aber sehr unterschiedlich (»Die fühlt sich wohl als etwas Besseres«, »die ist aber dumm«, »ist uninteressiert«, »möchte wohl nicht mit uns reden« usw.). Unser Verhalten hat demnach immer eine Wirkung, auch wenn wir versuchen, gar nichts zu tun oder zu sagen. Die anderen interpretieren dann dieses »Nichtverhalten« aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen und reagieren entsprechend. Regel 2: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt Diese Aufteilung haben wir ja schon angesprochen: Jede Nachricht enthält einen Inhalt, aber auch stets einen mehr oder weniger deutlichen Hinweis, wie diese Information vom Empfänger verstanden werden soll. Diese Botschaft stellt eine Kommunikation über eine Kommunikation (»Metakommunikation«) dar. Beispiel: Ein Jugendlicher sagt zu einem anderen: »Du bist mir vielleicht ein blöder Hund! « Dabei lacht er und klopft ihm freundlich auf die Schulter. Der Angesprochene weiß, dass die Aussage nicht beleidigend gemeint ist. Auf der Beziehungsebene wird ausgesagt, wie der Inhalt zu verstehen ist; sie ist der Inhaltsebene demnach übergeordnet. Im Idealfall sind sich die Partner auf der Inhalts- und der Beziehungsebene einig. Im Extremfall besteht sowohl auf der Inhaltsals auch auf der Beziehungsebene Uneinigkeit. Folgende Varianten sind möglich und beobachtbar: • Die Partner haben auf der Inhaltsebene unterschiedliche Meinungen, verstehen sich aber persönlich gut und akzeptieren die unterschiedlichen Ansichten. Dies ist zweifellos die reifste Form der Uneinigkeit. • Die Partner sind sich auf der Inhaltsebene einig, nicht jedoch auf der Beziehungsebene. Hier besteht die Gefahr, dass die Beziehung endet, wenn die Übereinstimmung auf der Inhaltsebene nachlässt. So zerbrechen häufig Ehen, wenn äußere Schwierigkeiten überwunden sind, durch welche die Partner zur gegenseitigen Unterstützung gezwungen waren. Auch auf politischer Ebene gibt es hier viele Beispiele, dass Koalitionen zerbrechen, wenn die gemeinsame Aufgabe bewältigt ist. In diesem Zusammenwww.claudia-wild.de: <?page no="52"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 53 53 hang sei auch auf die Gefahr bei der Behandlung von »Problemkindern« hingewiesen, durch die Eltern zum gemeinsamen Vorgehen gezwungen werden. Der Symptombesserung beim Kind folgt häufig die Ehekrise. • Die Vorgänge auf den beiden Stufen werden vermischt: Diese Konfusionen treten auf, wenn die Partner ein Beziehungsproblem auf der Inhaltsstufe zu lösen versuchen (oder umgekehrt). Man streitet sich um Nichtigkeiten, anstatt zu sagen, dass man über bestimmte Verhaltensweisen des Partners verärgert ist (Freuds »Verschiebung«) oder als typische Äußerung einer solchen Konfusion: »Wenn du mich lieben würdest, dann würdest du mir nicht widersprechen«. • Besonders schwierig wird es, wenn Wahrnehmungen auf der Inhaltsebene geleugnet werden müssen, damit eine wichtige Beziehung bestehen bleiben kann. Diese »Doppelbindungen« werden wir im Zusammenhang mit der paradoxen Kommunikation nochmals aufgreifen. Im vorangegangenen Kapitel haben wir schon darauf hingewiesen, dass es auf der Beziehungsebene zur Definition der eigenen Person (»So bin ich, so sehe ich mich«) kommt. Auf diese Definition reagiert der Partner entweder durch Bestätigung (»Ja, so bist du«), Verwerfung/ Zurückweisung (die Selbstdefinition wird nicht akzeptiert, der Partner schon) oder Entwertung/ Ignorieren (»Du existierst für mich überhaupt nicht«). Durch jede dieser Reaktionen teilt B an A mit »So sehe ich dich«, worauf A wieder reagiert. Damit wird das Selbstwertgefühl des Partners aufgebaut, bestätigt, aber auch in Frage gestellt und verunsichert. Diese Aspekte werden wir in Kapitel 3.5 vertiefen. Übungsvorschlag: Lesen Sie die folgende Szene durch - sie dürfte vielen Eltern/ Kindern bekannt vorkommen - und versuchen Sie festzustellen, warum diese Kommunikation gescheitert ist. Diskutieren Sie Ihr Ergebnis mit den anderen Gruppenmitgliedern. Tochter Barbara, 16 Jahre alt, will die Wohnung verlassen, um sich mit Freunden zu treffen. Ihre Mutter sieht sie dabei, und es entwickelt sich folgender Dialog: Mutter: »Zieh dir eine warme Jacke an, es ist kalt draußen! « Tochter (in leicht trotzigem Ton): »Warum, ist doch gar nicht so kalt.« Mutter (leicht ärgerlich): »Aber Bärbel, es sind nicht mal zehn Grad und außerdem weht ein kalter Wind.« Tochter (gereizt): »Schau nur mal aufs Thermometer, es sind sogar gute elf Grad! « Mutter (ärgert sich über den unverschämten, rechthaberischen Ton und beschließt, die »unfruchtbare« Diskussion zu beenden): »Du hörst, was ich dir sage: Du ziehst jetzt die warme Jacke an! « Die Tochter verlässt empört über den Befehlston die Wohnung - natürlich ohne Jacke! (nach Schultz von Thun 1981) <?page no="53"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 54 54 Bei der Diskussion sollte herausgearbeitet werden, dass die erste Nachricht der Mutter die bekannten vier Botschaften enthält (Ausdruck: Sorge um die Gesundheit der Tochter, Appell: Jacke anziehen, Inhalt: Draußen ist es kalt und Beziehung: Du bist noch ein Kind und kannst alleine nicht die richtige Entscheidung treffen). Die Tochter entschlüsselt dieses Nachrichtenpaket mit ihrem »Beziehungsohr«, d. h. sie fühlt sich bevormundet und wie ein kleines Kind behandelt. Die anderen Botschaften entschlüsselt sie nicht. Ihre Ablehnung richtet sich jetzt gegen die Botschaft auf der Beziehungsebene, nicht gegen den Appell (vielleicht wollte sie ja sogar die Jacke anziehen) oder den Inhalt. Sie reagiert aber auf der Inhaltsebene (»ist doch gar nicht kalt draußen«), d. h. sie trägt den Konflikt da aus, wo er eigentlich nicht hingehört: Man streitet sich um minimale Temperaturunterschiede, obwohl es um die Beziehung, um den Wunsch, selbstständig eigene Entscheidungen zu treffen, geht. Hätte die Tochter diesen Beziehungsaspekt angesprochen, dann wäre der Konflikt zwar nicht aus der Welt, aber beide würden sich auf der richtigen Ebene auseinandersetzen. Regel 3: Die Interpunktion von Ereignisfolgen: Alle Ergebnisse werden nach Ursache und Wirkung geordnet Wir neigen stark dazu, unser Denken durch »Ursache - Wirkung« zu strukturieren, z. B. bei den klassischen Lernexperimenten mit Reiz, Reaktion und Verstärkung. Wenn diese Interpunktionsform von den Beteiligten angenommen wird, dann ist man sich einig und »versteht sich«. Kann man sich über die ursächlichen Auslöser aber nicht einigen, dann wird die Beziehung gestört. Interpunktionen sind abhängig von kulturellen Normen und Einstellungen. »Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt« (Watzlawick 1969, S. 61). Einige Beispiele für Verstöße gegen diese Regel: Menschliche Kommunikationssysteme sind Rückkoppelungssysteme. Jedes Kommunikationsverhalten ist gleichzeitig Reiz und Reaktion. Die Interpunktion hat einen ordnenden Einfluss. Wenn über die Interpunktion keine Einigkeit besteht, dann entstehen Beziehungskonflikte (z. B. Eheprobleme »Nörgeln - Rückzug - …«; auch das Wettrüsten der Großmächte oder die politischen Konflikte in Ex-Jugoslawien oder Israel können auf die unterschiedlichen Interpunktionen zurückgeführt werden). Widersprüchliche Interpunktionen von Ereignisabläufen führen leicht zu Konflikten, die in gegenseitigen Vorwürfen und »Verrücktheitserklärungen« gipfeln. Man kann sich nicht darüber einigen, was Ursache oder Wirkung ist. <?page no="54"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 55 55 Die »Sich-selbst-erfüllende Prophezeiung« entsteht als besonderes Phänomen der Interpunktion: Wer z. B. überzeugt ist, dass ihn niemand mag oder schätzt, der wird selbst ein misslauniges, wütendes und abweisendes Verhalten an den Tag legen, auf das seine Umwelt höchstwahrscheinlich unfreundlich reagiert und damit beweist, dass seine Überzeugung richtig ist. Hier spielen vor allem unsere unüberprüften Fantasien eine entscheidende Rolle. Der Ausweg aus dieser Situation besteht darin, dass man über die gegenseitige Beziehung und die Fantasien redet (»Metakommunikation«: Wie gehen wir eigentlich miteinander um? ). Regel 4: Digitale und analoge Kommunikation Wir können über Gegenstände in unterschiedlicher Weise sprechen, entweder nennen wir klare Fakten/ Daten (»Alles-oder-Nichts-Prinzip«: digitale Information) oder wir verwenden Bilder/ Analogien, die Ähnlichkeiten mit dem bezeichneten Gegenstand haben. Eine Fremdsprache, die wir nicht gelernt haben, verstehen wir nicht. Mit der Zeichen- oder Gebärdensprache kommen wir hingegen besser zurecht. Die analoge Kommunikation hat ihre Wurzeln in der frühen Entwicklungsgeschichte des Menschen und besitzt damit tiefer liegende Gültigkeit als die viel jüngere verbale (digitale) Sprache. Der Mensch scheint das einzige Lebewesen zu sein, das beide Kommunikationsformen anwendet. Die Informationen auf der Inhaltsebene werden dabei meist digital, die auf der Beziehungsebene vorwiegend analog übermittelt. Immer wenn die Beziehung zum zentralen Thema der Kommunikation wird, verliert die digitale Kommunikation an Bedeutung. Diese »Zweisprachigkeit« bereitet oft Schwierigkeiten, da wir ständig von der einen in die andere Sprache übersetzen müssen. Jede Übersetzung vom Digitalen ins Analoge beinhaltet aber einen Informationsverlust. Die analoge Kommunikation ist mehrdeutig (z. B. ein Geschenk, eine geballte Faust, ein Lächeln); die digitale ist präziser, beinhaltet aber, wie wir gesehen haben, auch noch eine Reihe von Störquellen, die auf die Beziehungsebene ausstrahlen können. Bei der Übersetzung digitaler und analoger Kommunikationen können leicht Probleme (Regelverstöße) entstehen. Ein Geschenk kann als Zeichen der Zuneigung, Käuflichkeit oder Wiedergutmachung angesehen werden. Das Ausdrucksgeschehen ist mehrdeutig. Besitzt jemand ein starres Übersetzungsschema, dann können analoge Botschaften leicht falsch entschlüsselt und missverstanden werden. <?page no="55"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 56 56 Regel 5: Beziehungen beruhen entweder auf Gleichheit oder Ungleichheit der Partner In komplementären Beziehungen gibt es zwei verschiedene Rollen: Ein Partner übernimmt die primäre, übergeordnete Stellung, der andere die untergeordnete; dies darf nicht mit gut/ schlecht, stark/ schwach, o. Ä. verwechselt werden. Beide Partner verhalten sich (ohne Zwang) so, dass das Verhalten des einen (Mutter, Arzt, Seminarleiter) das des anderen (Kind, Patient, Seminarteilnehmer) voraussetzt, gleichzeitig aber auch bedingt. Bei einer »gesunden« Kommunikationsstruktur wechseln symmetrische und komplementäre Interaktionen zwischen den Partnern ab. Beispiele für Regelverstöße Beide Interaktionsarten sind für sich störanfällig (symmetrische Eskalation und starre Komplementarität): Die Tendenz zu mehr Gleichheit führt zur Eskalation, die häufig so lange andauert, bis die Partner einen Punkt körperlicher oder psychischer Erschöpfung erreichen, dem dann eine Zeit des unsicheren Waffenstillstands folgt, bis die nächste Runde beginnt. Bei der Eskalation kommt es meist zu einer Verwerfung, d. h. der Partner wird akzeptiert, nicht aber seine Selbstdefinition: Jeder will siegen, Recht haben und nicht nachgeben. Störungen der Komplementarität führen häufig zur Entwertung der Selbstdefinition des Partners (Du bist für mich ein Nichts, existierst überhaupt nicht). Mutter und Kind gehören z. B. zusammen, aber die Formen der Beziehung verändern sich im Laufe der Zeit. Bleibt die Beziehungsstruktur starr, d. h. entwickelt sie sich nicht mit dem Kind, dann sind Störungen vorprogrammiert. Dies gilt in übertragener Hinsicht auch für die Beziehung Schüler-Lehrer oder Seminarleiter-Teilnehmer. In komplementären Beziehungen kann eine große Stabilität vorhanden sein, wenn diese Beziehung von beiden Partnern so akzeptiert wird. Die Entwertung eines Partners führt aber auf Dauer gesehen zu krankhaften Störungen. Ein sehr subtiles Arrangement auf der Beziehungsebene sind die »Kollusionen«, durch die man sich von anderen als die Person bestätigen lässt (gut, hilfreich, edel), die man gerne sein möchte. Die Rolle, die der andere spielen muss, um mich wirklich zu machen, ist die Rolle, die er selbst spielen will, um seine eigene Wirklichkeit herzustellen. Diese starre Komplementarität darf sich nicht verändern, um weiterhin perfekt zu sein, wie man es in vielen lang andauernden, starren Partnerbeziehungen beobachten kann. So ist - als überzeichnetes Beispiel einer Kollusion - ein Sadist jemand, der zu einem Masochisten lieb ist. <?page no="56"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 57 57 Paradoxe Kommunikation als Störung Eine Paradoxie ist ein Widerspruch, der sich durch folgerichtige Ableitung aus widerspruchsfreien Prämissen ergibt. Paradoxien in zwischenmenschlichen Beziehungen kommen häufiger vor als man annimmt. Beispiele dafür sind Aufforderungen wie »sei spontan«, »sei nicht so gehorsam«, »Ich möchte, dass du mich mehr beherrschst« oder »Du sollst Deine Mutter lieben«. Als eine besondere Form der paradoxen Kommunikation beschreibt Watzlawick die Doppelbindungs-Situation (»double bind«). Sie ist durch folgendes Arrangement charakterisiert: • Die beteiligten Personen stehen zueinander in einer sehr engen Beziehung, die für einen oder auch für alle eine sehr starke psychische oder physische Existenzbedeutung hat (z. B. Eltern und Kind, Liebe und materielle Abhängigkeit). • In diesen Kontext wird eine Mitteilung eingebracht, die zwei Aussagen enthält, die nicht vereinbar sind (= paradoxe Kommunikation). • Gleichzeitig kann der Empfänger dieser Botschaft nicht über diese Widersprüchlichkeit reden oder sich aus der Beziehung zurückziehen. »Obwohl also die Mitteilung logisch sinnlos ist, ist sie eine pragmatische Realität: Man kann nicht nicht auf sie reagieren, andererseits aber kann man sich ihr gegenüber auch nicht in einer angebrachten (nichtparadoxen) Weise verhalten, denn die Mitteilung selbst ist paradox« (Watzlawick 1969, S. 196). Ein Mensch, der in einer Doppelbindung gefangen ist, läuft demnach Gefahr, für richtige Wahrnehmungen bestraft und darüber hinaus als bösartig oder verrückt bezeichnet zu werden, wenn er angibt, dass ein Unterschied zwischen dem, was er wahrnehmen »sollte« und dem, was er tatsächlich wahrnimmt, besteht. Gefährlich und pathogen wird diese Situation vor allem, wenn sie zu einer chronischen Erscheinung und zu einer gewohnheitsmäßigen Erwartung wird. Dies gilt natürlich verstärkt für Doppelbindungen in der Kindheit. Doppelbindungen sind demnach paradoxe Handlungsaufforderungen, die in Systemen auftreten, die komplementär organisiert sind und denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Darin besteht auch der wichtigste Unterschied zu einer widersprüchlichen Handlungsvorschrift, bei der man eine Alternative wählen muss, die andere dabei verliert. Bei der Doppelbindung ist eine Wahl nicht möglich! Die Doppelbindung verursacht aber nicht Schizophrenie! Man kann lediglich sagen, dass dort, wo Doppelbindungen zur zentralen Beziehungsstruktur werden, das Verhalten der betroffenen Person dem klinischen Bild der Schizophrenie entspricht. <?page no="57"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 58 58 Übungsvorschlag: Der folgende Szenenausschnitt (nach Loriot) zeigt gewisse Kommunikationsstörungen. Bitte versuchen Sie, diese Störungen mit Hilfe der Kommunikationstheorie zu erklären. »Bürgerliches Wohnzimmer: Der Hausherr sitzt im Sessel, hat das Jackett ausgezogen, trägt Hausschuhe und döst vor sich hin. Seine Frau ist in der Küche sehr aktiv (Geschirrklappern usw.). Folgender Dialog entsteht: SIE: ER: »Herrmann? ? « Ja. Was machst Du? Nichts. Nichts? ! Wieso nichts? Ich mache nichts! Gar nichts? Nein, gar nichts! Überhaupt nichts? Nein, … ich sitze hier. Du sitzt da? Ja … Aber irgendetwas machst Du doch? ! Nein … (Pause) Denkst Du irgendwas? Nichts Besonderes. Geh’ doch spazieren! Nein ….nein Ich bringe Dir den Mantel! Nein, danke. Aber ohne Mantel ist es doch zu kalt! Ich geh’ ja nicht spazieren. Aber eben wolltest Du doch noch! Nein, Du wolltest, dass ich spazieren gehe. Ich? Mir ist es doch ganz egal, ob Du spazieren gehst …! Gut … Ich meine nur, es könnte Dir nichts schaden, wenn … Nein, schaden sicher nicht. Also, willst Du nun? Nein, ich möchte sitzen und … Du kannst einen ja wahnsinnig machen! ! ! Ach …! 3.5 Das Selbstbild als »Feed-back«-Ergebnis Im Alltag beobachten wir laufend Reaktionen der anderen auf unser Verhalten. Man nickt uns zu, sieht an uns vorbei, lacht, zieht die Stirn in Falten, stöhnt, lobt, kritisiert usw. Diese Rückmeldung geschieht häufig nonverbal, zeigt aber, was der andere von unserem Verhalten (anscheinend) hält. Geschehen diese Rückmeldungen - die Lernpsychologen bezeichnen sie als Verstärkungen - übereinstimmend und regelmäßig, dann lernen wir mit der Zeit, wer wir eigentlich sind. Das Feed-back ist demnach die Grundlage sozialer Lernprozesse und damit für die Arbeit mit und in Gruppen von zentraler Bedeutung. <?page no="58"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 59 59 Unser Selbstbild (Selbstkonzept, Selbsteinschätzung) hängt jetzt nicht davon ab, wie andere uns wirklich sehen, sondern davon, wie wir glauben, dass die anderen uns sehen, d. h. wie wir ihre Reaktionen (in unserer Fantasie) bewerten und erleben! Dadurch sind im Alltag natürlich Missverständnisse vorprogrammiert. Wir reagieren dann nicht mehr auf das Verhalten des anderen, sondern auf die Fantasien, die wir mit diesem Verhalten verbinden: So wird ein alter Freund nicht besucht, weil wir glauben, ihn vielleicht zu stören, während er in Wirklichkeit seit Wochen auf ein Zeichen von uns wartet. Durch die Art, wie wir mit diesen Fantasien umgehen, beeinflussen wir die Beziehungen zu Gesprächspartnern und Gruppenmitgliedern. Die Fantasien entstehen immer im eigenen Kopf und können mehr oder weniger zutreffen oder sogar vollkommen falsch sein. Es gibt jetzt zwei Möglichkeiten, mit diesen Fantasien umzugehen: • Ich bin von ihnen überzeugt, spreche nicht darüber, aber verhalte mich ihnen entsprechend. • Ich versuche, sie in der Realität zu überprüfen, d. h. ich versuche mit dem Betreffenden ein offenes Gespräch und melde ihm zurück, wie sein Verhalten gewirkt hat. Bin ich nun von den eigenen Fantasien überzeugt und gebe darüber keine Rückmeldung, dann isoliere ich mich. Damit baue ich um mich einen Käfig, der gegen die anderen abschirmt und die eigenen Fantasien konserviert. Sie können dann nicht mehr korrigiert werden, beeinflussen unsere (selektive) Wahrnehmung und entwickeln eine Eigendynamik, die zur »Sich-selbsterfüllenden-Prophezeiung« wird: So wird ein Chef, der überzeugt ist, dass alle Angestellten sich vor der Arbeit drücken wollen und an allem Möglichen, nur nicht an der Arbeit interessiert sind, seine Mitarbeiter streng führen, dauernd überwachen und keine verantwortlichen Arbeiten an sie delegieren. Dies führt dazu, dass die Mitarbeiter sich autoritär behandelt fühlen, missmutig werden, keine Eigeninitiative mehr entwickeln und jede Möglichkeit nützen, der unangenehm gewordenen Arbeit zu entgehen. Ist ein Chef hingegen überzeugt, dass Mitarbeiter sich auch am Arbeitsplatz weiterentwickeln wollen, dass sie bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und mitzudenken, dann führt dieses Arbeitsklima dazu, dass sie auch ohne Kontrolle ihre Aufgaben selbstständig erledigen und die Vorstellung des Chefs bestätigen. Wir können aber auch mit dem jeweiligen Partner über unsere Fantasien und Bedenken reden und damit die Isolation vermeiden. Dabei merken wir sehr schnell, dass dadurch bestehende Spannungen und Unsicherheiten abgebaut werden. Auch bei negativer Rückmeldung wird die Kommunikation offener und freier, weil unausgesprochene Fantasien die <?page no="59"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 60 60 Beziehung belasten und verkrampfen. Niemand kann wissen, wie der andere auf das eigene Verhalten reagiert, nur durch Rückmeldung kann hier Klarheit entstehen. Schulz von Thun (1981, S. 77) beschreibt das treffend: »Fantasien über innere Vorgänge eines Gesprächspartners können entweder zum Bau von Käfigen oder aber als Kontaktbrücken benutzt werden«. Um eine offene Kommunikation zu ermöglichen und Missverständnisse zwischen Gruppenmitgliedern zu vermeiden, ist es demnach wichtig, die individuellen Fantasien und Interpretationen abzusprechen, d. h. dem Partner ein direktes, klares Feed-back zu geben. Der mögliche Umfang und die Tiefe dieser Rückmeldung sind allerdings vom gegenseitigen Vertrauen und von der Gruppenreife abhängig. Übungsvorschlag: Aufteilung der Gruppe in Paare. Beim Paarinterview besprechen zwei Gruppenteilnehmer die Gruppenvorgänge und ihr Verhalten in der letzten Sitzung. Die folgenden Fragen sollten vorgegeben werden: 1. Wie hat sich der Partner in der letzten Sitzung gefühlt? 2. Wie hat er sich nach seiner Meinung verhalten? 3. Wie passen sein Verhalten und seine Gefühle zueinander? 4. Welche Probleme existieren für ihn in der Gruppe? Der Partner erhält folgende Rückmeldung: 1. Wie haben Sie sein Verhalten gesehen? 2. Wie glaubten Sie, hat er sich gefühlt? 3. Welchen Eindruck hat er auf Sie gemacht? 4. Welche Probleme glaubten Sie, hat er in der Gruppe? Fragen Sie möglichst so lange, bis Sie auch wirklich die Gefühle und Sichtweise des anderen verstanden haben. Regeln für das Geben von Feed-back Das Feed-back soll • erbeten sein, nicht aufgezwungen werden • möglichst unmittelbar dem beobachteten Verhalten folgen • beschreibend und nicht bewertend sein • als Ich-Botschaft formuliert werden • an den Bedürfnissen und der Belastbarkeit des Empfängers ausgerichtet sein • hilfreich sein, d. h. sich auf Verhalten beziehen, das verändert werden kann <?page no="60"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 61 61 • keinen Unfehlbarkeitsanspruch beinhalten • offen und echt wirken • umkehrbar formuliert sein • keinen Veränderungszwang beinhalten • die Gefühle des Senders beinhalten Regeln für das Empfangen von Feed-back Der Empfänger soll • Feed-back nur annehmen, wenn er sich dazu in der Lage fühlt • konkret angeben, über welches Verhalten er Feed-back möchte • aktiv der Rückmeldung zuhören, nachfragen und klären • nicht diskutieren, argumentieren oder sich rechtfertigen • dem Sender sagen, wie er das Feed-back erlebte (hilfreich, verletzend, nachdenklich machend, …). Die Regeln orientieren sich - dies hat der aufmerksame Leser/ Gruppenteilnehmer sicher schon bemerkt - an unseren Ausführungen zur Reaktion auf Beziehungsstörungen. Die Rückmeldungen im Alltag sind meist spontan, nonverbal, unbewusst und mehrdeutig. Das direkte Feed-back ist eindeutig, klärt bestehende Beziehungen und zeigt die Bereitschaft zu offener Partnerschaft. Damit öffnet es auch die Chance, das Selbstbild, aber auch das Fremdbild weiter zu differenzieren, zu objektivieren und individuelles Wachstum zu ermöglichen. Das »Johari-Fenster«- benannt nach Joe Luft und Harry Ingham - stellt die Veränderungen des Selbst- und Fremdbildes im Verlauf einer Gruppenentwicklung (mit Feed-back) dar: Das Johari-Fenster ist ein Quadrat, das in vier Rechtecke A, B, C, D eingeteilt ist. Wie aus Abbildung 9 zu erkennen, bezeichnet die Basis das Selbstbild, also die Aspekte der eigenen Person, die dem Selbst bekannt bzw. nicht bekannt (unbewusst) sind. Durch die Senkrechte des Quadrats werden die Persönlichkeitseigenschaften symbolisiert, die der Öffentlichkeit, z. B. den Gruppenmitgliedern bekannt/ unbekannt sind (Fremdbild). Die einzelnen Fensterflügel bezeichnen demnach ganz bestimmte Sichtweisen unserer Person, die uns und anderen mehr oder weniger bekannt sind. Die Größe der einzelnen Fenster ist abhängig von der aktuellen Situation und der jeweiligen Person. <?page no="61"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 62 62 A beinhaltet den Teil unserer Person, der sowohl uns als auch den anderen bekannt ist: die öffentliche Persönlichkeit. Er bezieht sich auf die Verhaltensweisen, die wir offen und frei zeigen, bei denen wir nichts verbergen wollen (z. B. Vorstellungsrunde, Bewerbungsunterlagen). B ist in unserem Verhaltensfenster der »blinde Fleck«: Andere wissen durch ihre Beobachtungen oft mehr über uns, als wir uns selbst eingestehen. Dieser Bericht enthält alle unsere unbewussten Gewohnheiten, Vorurteile und Wünsche, die andere bemerken, wir selbst aber vor unserem Bewusstsein abschotten. Wir sind meist sehr erstaunt, überrascht und manchmal auch verärgert, wenn andere uns auf diese Verhaltensweisen aufmerksam machen und uns damit »die Augen öffnen«. C entspricht dem Bereich der »privaten Person«, also unserem Denken und Handeln, das wir anderen nicht gerne offenbaren. Hier liegen unsere »emp- D: Unbekannte Aspekte C: Private Person B: „Blinder Fleck“ A: Öffentliche Person D: Unbekannte Aspekte C: Private Person B: „Blinder Fleck“ A: Der eigenen Person bekannt unbekannt Anderen bekannt Anderen unbekannt B: D: Unbekannte Aspekte C: Private Person A: Seminarbeginn: Erweiterung des freien Verhaltens durch Feedback empfangen und geben: Abb. 9: Das »Johari-Fenster« (nach Luft 1971) <?page no="62"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 63 63 findlichen Stellen«, unsere geheimen Wünsche und Schwächen, die wir gerne für uns behalten wollen. D ist der Bereich des Unbewussten, der uns selbst, aber auch den anderen nicht bekannt ist. Hier tummeln sich vorwiegend die Tiefenpsychologen, für die konkrete Gruppenarbeit ist der Bereich weniger bedeutsam. Die Situation zu Beginn einer neuen Gruppe kann man mit diesem Modell so darstellen, dass der Bereich des freien Handelns (A) klein ist und die Bereiche B (blinder Fleck, Fremdbild) und C (private Person) dominieren. Mit Hilfe der Feed-back-Prozesse kann bei der Arbeit in Gruppen erreicht werden, dass Flügel A sich nach rechts vergrößert, Flügel B dadurch verkleinert wird und der Bereich des freien Handelns des Einzelnen vergrößert wird. Um den Freiraum A weiter in Richtung Fenster C zu vergrößern, muss ich bereit sein, andere über mich zu informieren, private Gedanken und Gefühle auszusprechen und den anderen auch Feed-back zu geben. Wie tiefgehend dies möglich ist, hängt vom Vertrauen des Einzelnen zu den Mitgliedern der Gruppe ab. Es gilt: Nur wenn ich Informationen von mir preisgebe und über mich einhole, kann ich den Raum meines freien Handelns erweitern. Verhalte ich mich in gleicher Weise auch gegenüber den anderen, d. h. gebe ich ihnen Rückmeldung und bitte ich um Informationen, dann wird die Beziehung offener und vertrauensvoller. Übungsvorschlag: Eine klassische Feed-back-Übung in Gruppen ist der »heiße Stuhl«. Dabei soll jeder in der Gruppe die Möglichkeit erhalten, anderen positive und negative Rückmeldungen zu geben bzw. diese Rückmeldung von anderen zu erhalten. Wer von den Gruppenteilnehmern Feed-back haben möchte, setzt sich auf den leeren Stuhl, der im Zentrum des Stuhlkreises steht und sagt zu den anderen, dass er von ihnen hören möchte, was ihnen von seinem bisherigen Verhalten in der Gruppe gefällt bzw. nicht gefällt. Diejenigen, die ihm Rückmeldung geben wollen, stehen auf, treten vor den Empfänger und geben nacheinander ihre Rückmeldung. Die Entfernung zum heißen Stuhl können sie selbst bestimmen. Der Teilnehmer auf dem heißen Stuhl hört sich alle Rückmeldungen schweigend an.Wenn keine Gruppenmitglieder mehr kommen, kann der Empfänger des Feed-backs Gruppenmitglieder, die noch nichts gesagt haben, bitten, ihm noch Rückmeldung zu geben. Hat er genügend Feed-back erhalten, dann sollte er sich für die Rückmeldung bedanken und seine momentane Situation schildern. Anschließend können andere Teilnehmer auf dem »heißen Stuhl« Platz nehmen. <?page no="63"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 64 64 Wichtig bei dieser Übung ist, dass zwei selbstständige Partner aufeinander treffen; der eine hat die Freiheit, die Dinge zu sagen, die er gesehen und erlebt hat, der andere, sich die Rückmeldung anzuhören, um dann zu entscheiden, was er damit anfangen will. Auch für den Seminarleiter ist es sehr wichtig, Rückmeldung von den Teilnehmern zu erhalten. Dazu kann er einerseits die ablaufenden verbalen und nonverbalen Prozesse beobachten und ansprechen, er sollte andererseits in regelmäßigen zeitlichen Abständen systematisch ein Feed-back erheben. Zu diesem Zweck sind eine Reihe skalierter Fragebögen entwickelt worden (siehe Antons 2000), deren Auswertung allerdings meist zeitaufwendig und nicht immer effektiv ist. Wir werden im 7. Kapitel einige praktikable Methoden vorstellen. <?page no="64"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 65 65 4 Spezielle Aspekte der Gruppendynamik Nachdem wir die grundlegenden Prozesse Kommunikation und Interaktion analysiert und in ihren Auswirkungen auf die Wahrnehmung und das Selbstbild betrachtet haben, konzentrieren wir uns in diesem Kapitel auf spezielle Gruppenphänomene wie Gruppenvorteil, Konformitätsdruck, Kooperation, Konflikt, Führungsverhalten, Gruppenstruktur, Gruppenatmosphäre und Risikobereitschaft. Auch hier werden die Inhalte durch Übungen ergänzt, so dass der Leser sie in der Gruppe nachvollziehend erleben kann. 4.1 Die Leistungsvorteile der Gruppe Wenn es die Gruppe nicht geben würde, dann müssten wir sie erfinden, da in ihr Ergebnisse erzielt werden können, die der individuellen Leistung der einzelnen Gruppenmitglieder überlegen sind. Dieser Gruppenvorteil tritt jedoch nur auf, wenn wir gewisse Regeln beachten. Wir versuchen, dies mit einer einfachen Wahrnehmungsübung zu demonstrieren. Übungsvorschlag: Betrachten Sie Abbildung 10 und versuchen Sie, möglichst alle Dreiecke, die in der Figur enthalten sind, zu finden. Notieren Sie sich die Anzahl der gefundenen Dreiecke. Suchen Sie sich dann einen oder zwei Partner, die dieselbe Aufgabe auch schon für sich gelöst haben und diskutieren Sie über Ihre Vorgehensweisen und Ihre Ergebnisse. Wie viele Dreiecke sehen Sie jetzt als »Gruppe«? Bei der anschließenden Diskussion sollte herausgearbeitet werden, dass der Gruppenvorteil - die Gruppe erzielt ein besseres Ergebnis als jeder Einzelne - nur dann sicher erzielt wird, wenn die folgenden Regeln eingehalten werden. Regeln für den Gruppenvorteil • Die Gruppenmitglieder sollen motiviert sein, die Fragestellung miteinander zu beantworten. • Jedes Gruppenmitglied muss sich zuerst allein, also völlig unabhängig von den anderen, um die Problemlösung bemühen. <?page no="65"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 66 66 • Über die einzelnen Ergebnisse muss anschließend ausführlich diskutiert werden, so dass die anderen das Vorgehen nachvollziehen können. Jeder muss seine Gedanken einbringen, und jeder muss auch dem anderen »aktiv zuhören«. • Die Lösungen der Einzelnen müssen akzeptiert werden; dies gilt auch für die vermeintlich »schwächeren« Gruppenmitglieder, deren Fragen Erklärungen herausfordern, die häufig eine neue Sichtweise öffnen. • Die Gruppenlösung sollte von allen Mitgliedern getragen werden können (wenn möglich keine Abstimmung). Nachdem die Regeln erarbeitet sind, kann man mit der Gruppe eine schon etwas schwierigere Übung angehen. Übungsvorschlag: Sie erhalten jetzt eine Aufgabe (nach Dantscher 1977), bei deren Lösung Sie sicher überfordert sein werden. Es geht nämlich darum, die Entfernung verschiedener Städte nach Nürnberg zu schätzen (Luftlinie). Auch diese Übung sollen Sie in der ersten Phase in Einzelarbeit und anschließend in der Gruppe (drei bis sechs Teilnehmer) durchführen. Das Aufgabenblatt und die genaue Instruktion finden Sie auf der nächsten Seite (Abbildung 11). Bilden Sie bitte eine Rangreihe der Entfernungen (Luftlinie) zwischen Nürnberg und den in der Liste aufgeführten Städten. Die Stadt, die von Nürnberg nach Ihrer Meinung am weitesten entfernt liegt, erhält den Rangplatz 1 usw., so dass die Stadt, die Nürnberg am nächsten liegt, den Platz 11 erhält. Diese Rangplätze tragen Sie bitte in die Spalte »Rangplätze Einzelarbeit« ein. Wenn Sie alle Rangplätze verteilt haben, dann kreuzen Sie bitte bei der Skala »Leistung geschätzt« den entsprechenden Skalenpunkt an: 7 würde bedeuten, dass Sie glauben, alle Rangplätze richtig zu haben, 4, dass Sie etwa die Hälfte Abb. 10: Wie viele Dreiecke sind in dieser Figur enthalten? (Lösung nächste Seite) <?page no="66"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 67 67 richtig haben und 1, dass Sie glauben, alles total verkehrt angegeben zu haben. Kreuzen Sie dann noch auf der nächsten Skala an, wie Sie sich bei der Arbeit gefühlt haben. Anschließend bearbeiten Sie die Aufgabe in der Gruppe nach den Regeln für den Gruppenvorteil, diskutieren Sie die Gruppenlösung wirklich aus. Wenn die Gruppenlösung feststeht, dann kreuzt jeder Teilnehmer für sich allein die Skalen »Leistung geschätzt« und Arbeitsatmosphäre an. Städte Rangplätze Einzelarbeit oR D Rangplätze Gruppenarbeit oR D Zürich Kiel Brüssel Kempten Leipzig Mailand Prag Düsseldorf Straßburg Wien Wuppertal Summe D: Summe D: Leistung — - +++ geschätzt 0 — -1 — -2 — -3 — -4 — -5 — -6 mangelhaft sehr gut — - +++ 0 — -1 — -2 — -3 — -4 — -5 — -6 Arbeitsat- — - +++ mosphäre 0 — -1 — -2 — -3 — -4 — -5 — -6 sehr schlecht sehr gut — - +++ 0 — -1 — -2 — -3 — -4 — -5 — -6 Abb. 11: Arbeitsblatt zur Übung »Entfernungen schätzen« Bitte erst nach Bearbeitung der Übung weiterlesen! (Lösung zu Abbildung 10 : 31 Dreiecke). <?page no="67"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 68 68 Die Auswertung wird in der Gruppe durchgeführt. Zuerst schreiben die Teilnehmer die richtige Lösung in die Spalte oR (»objektive Rangreihe«). Sie lautet von oben (Zürich) nach unten (Wuppertal): 7-1-2-11-10-3-9-5-8-4-6. Anschließend bestimmt jeder die Differenz zwischen dem eigenen und dem objektiven Rangplatz und trägt diese Differenz in die Spalte D ein, ohne das Vorzeichen zu berücksichtigen und zählt diese Differenzen zusammen (»Summe«). In gleicher Weise wird das Gruppenergebnis ausgewertet. Die weitere Auswertung wird gemeinsam an der Tafel oder am Flipchart nach folgendem Schema durchgeführt (Tabelle 2). In diesem Schema ist ein »typisches« Ergebnis eingetragen. Tab. 2: Auswertungsschema zur Übung »Entfernungen schätzen« Summe der Einzelarbeiten: 48 36 28 37 32 36 Summe bei der Gruppenarbeit: 22 Leistung geschätzt: Einzelarbeit: Gruppenarbeit: 1 4 2 3 2 5 3 4 2 3 3 6 Arbeitsatmosphäre: Einzelarbeit: Gruppenarbeit: 2 4 2 5 1 4 2 3 2 3 3 5 Bei der Diskussion der Ergebnisse kann normalerweise herausgearbeitet werden, dass die Ergebnisse der Gruppenarbeit besser sind als die individuellen Leistungen, und dass die Atmosphäre als angenehmer aber auch erfolgreicher erlebt wird. Sollte das Gruppenergebnis schlechter ausfallen, dann ist die Ursache zu erforschen; sie liegt meist in der Dominanz einzelner Teilnehmer und in der Zurückhaltung anderer, d. h. an »Regelverletzungen«. Im Anschluss an die Auswertung sollte der Bezug zu alltäglichen Aufgaben hergestellt werden. Hofstätter (1986) unterscheidet folgende Leistungsvorteile der Gruppe: • Typus des Hebens und Tragens, bei dem es zu einer annähernden Addition der individuellen Kräfte kommt, wenn ein Gruppenmitglied die Koordination des Krafteinsatzes übernimmt. Damit kann die Gruppe Leistungen vollbringen (Heben schwerer Gegenstände usw.), die der Einzelne nicht hätte bewältigen können. <?page no="68"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 69 69 • Typus des Suchens und Findens: Die Gruppenmitglieder stehen vor einem schwierigen, objektiv aber lösbaren Problem, wie wir es bei unseren letzten beiden Übungen vorliegen hatten. Die Probleme können in der Gruppe besser und zufriedenstellender gelöst werden, wenn jeder nur etwas Richtiges einbringt. Diese Allwissenheit wird allerdings durch die auftretenden Kommunikations- und Akzeptierungsschwierigkeiten in den erforderlichen Großgruppen begrenzt. • Typus des Bestimmens, bei dem die Gruppe das anstehende Problem nicht objektiv lösen kann. Dies mag daran liegen, dass die Gruppe überfordert ist oder es gar keine objektive Problemlösung gibt. Die Gruppe einigt sich auf eine subjektive Lösung, auf eine Norm, die für ihre Mitglieder als verbindlich betrachtet wird (z. B. Religion, Einehe, Aufrüstung, Bedrohung durch Kernkraftwerke, Asylbewerber usw.). Diese Lösungen sind zweifellos Meinungen und Vorurteile. Ihr Gruppenvorteil liegt darin, dass der Einzelne seine Unsicherheit gegenüber dem bestehenden Problem verliert und sich mit seiner Lösung akzeptiert fühlt. Dieser Gruppenvorteil dürfte im Alltag am häufigsten vorkommen. • Daneben existiert noch der Leistungsvorteil vom »Typus des Wettstreits«, der darin besteht, dass die meisten Menschen in einer Wettbewerbssituation oder auch nur unter Beobachtung aktiviert werden und meist bestrebt sind, ihre Leistung zu verbessern. • Als letzten Aspekt können wir noch den emotionalen Gruppenvorteil anführen, der darin besteht, dass die Mitglieder ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und Sicherheit entwickeln. 4.2 Gefahren und Nachteile der Gruppenarbeit Gruppennormen und Konformitätsdruck Natürlich kommt es nicht immer zum Leistungsvorteil. Oft wird auch die objektive Gruppenleistung nach dem Sprichwort »Viele Köche verderben den Brei« verschlechtert. Dabei sind meist der Gruppen- und Autoritätsdruck, das Austragen von emotionalen Spannungen auf der Inhaltsebene, Sympathieeffekte oder der Einfluss von Dauerrednern schuld daran, dass die Bedingungen für den Gruppenvorteil nicht realisiert werden können. Einige Experimente sollen dies veranschaulichen: Bei Sherifs (1935) Experiment zum »autokinetischen Phänomen« handelt es sich um den Einfluss des sozialen Kraftfeldes auf individuelle Einstufungen bzw. Meinungen zu einem ganz bestimmten Ereignis. Unter dem autokinetischen Phänomen versteht man den Sachverhalt, dass ein kleiner und schwacher Lichtpunkt, der in einer unbekannten Entfernung für eine <?page no="69"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 70 70 kurze Zeit dargeboten wird, sich zu bewegen scheint. Dies liegt daran, dass unsere Augenachsen auch bei intensiver Anstrengung nie völlig ruhig bleiben. Deshalb scheint sich dieser schwache Lichtpunkt - obwohl er objektiv fixiert ist - subjektiv zu bewegen. Die Versuchsteilnehmer haben nun nicht die Möglichkeit zu erkennen, dass der Lichtpunkt fixiert ist, sie wissen auch nicht genau, in welcher Entfernung er im verdunkelten Versuchsraum erscheint, und sie müssen nun in mehreren Einzelversuchen schätzen, wie viele Zentimeter der Lichtpunkt sich bewegt haben dürfte. Nach den Einzelschätzungen werden die Teilnehmer in Dreiergruppen eingeteilt. Nun werden die individuellen Schätzungen nicht diskutiert, sondern jeder spricht seine Schätzung laut und deutlich aus. Nach einigen Wiederholungen dieses Versuchsdurchgangs zeigt sich eine deutliche Annäherung der geäußerten Urteile in Richtung auf einen gemeinsamen Bezugspunkt, d. h., es bildet sich eine Norm bezüglich der Bewegung des Lichtpunktes. Diese Norm ist nun nicht einfach das arithmetische Mittel der Einzelbewertungen, sondern entspricht nach Hofstätter (1986, S. 66f ) dem harmonischen Mittel. Wesentlicher ist allerdings, dass die gemeinsame Norm (das Vorurteil) auch nach einer längeren Pause, in der neutralisierende Rechenaufgaben zu erledigen waren, das weitere Verhalten bestimmt. Bei den anschließenden Einzelschätzungen orientierten sich die Teilnehmer an dieser Norm. Bei diesem Experiment baute sich - obwohl die Personen nebeneinander und nicht miteinander arbeiteten - ein soziales Kraftfeld auf, das dem Einzelnen seine Unsicherheit bezüglich eines beobachteten Phänomens nahm. Es handelt sich demnach um eine Variante des Gruppenvorteils vom Typus des Bestimmens. Man fand zwar nicht die richtige, aber eine subjektiv befriedigende und beruhigende Lösung. In funktionierenden Gruppen besteht ein starker Konformitätsdruck auf die Meinungen der Gruppenmitglieder; er kann verhindern, dass sich richtige Ideen durchsetzen. Dies zeigt sich sehr schön in dem »klassischen« Experiment von Asch (1952, 1956). Die Versuchsteilnehmer hatten dabei leichte Aufgaben zu lösen: Sie sollten aus drei unterschiedlich langen Linien diejenige heraussuchen, welche mit einer Standardlinie identisch ist. Im Einzelversuch arbeiteten die Probanden praktisch fehlerfrei. Lässt man die Versuchsteilnehmer ihre Lösung zusammen mit mehreren »instruierten« Teilnehmern machen (die absichtlich Fehler nennen), dann werden die »naiven« Teilnehmer verunsichert und ihre Fehlerzahl steigt deutlich an. Dabei erwies sich die Größe des Gruppenkonsensus als wichtiger Faktor. Bestand die Gruppe aus einem »instruierten« und einem »naiven« Teilnehmer, dann blieb der Proband unbeeinflusst. Hatte er zwei oder drei Teilnehwww.claudia-wild.de: <?page no="70"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 71 71 mer gegen sich, dann stieg die Konformitätsbereitschaft deutlich an, stagnierte aber bei noch mehr »Gegnern«. Wurde in die Gruppe ein Partner eingeführt, der konsequent die richtigen Antworten gab, dann neutralisierte dieser den vorher so mächtigen Gruppendruck. Asch konnte bei seinen Experimenten nicht entscheiden, ob sich die Teilnehmer wider besseres Wissen dem Gruppendruck beugten, oder ob der Gruppendruck ihre Wahrnehmung veränderte. Berns hat die Untersuchungen Aschs wiederholt und die Arbeit des Gehirns dabei mit einem bildgebenden Verfahren (funktionelle Magnetresonanztomografie) beobachtet. Auch bei seinen Experimenten schlossen sich viele Teilnehmer der falschen Meinung der (instruierten) Gruppenmitglieder an. Bei ihnen waren die Gehirngebiete aktiviert, die eindeutig mit Wahrnehmungsprozessen zusammenhängen: Die Teilnehmer glaubten nicht, was sie sahen, sondern sie sahen, was andere sie glauben ließen. Bei den »sturen« Teilnehmern, die bei ihrer (richtigen) Wahrnehmung blieben, zeigten sich hingegen stärkere Aktivitäten in den Bereichen, die mit Emotionen zusammenhängen. Das Festhalten an eigenen Wahrnehmungen und Meinungen scheint demnach emotional stark besetzt zu sein (nach Psychologie heute, 2005). Crutchfield (1955) führte ein ähnliches Experiment zum Konformitätsdruck durch. Bei seiner Versuchsanordnung sitzen jeweils fünf Versuchsteilnehmer, durch Sichtblenden voneinander getrennt, vor Signaltafeln, auf denen sie die Reaktionen und Einstellungen der anderen vier Teilnehmer ablesen und die eigene Haltung anzeigen können. Die zu beurteilenden Vergleichsreize oder Statements werden auf eine Leinwand projiziert. In Wirklichkeit stehen die Signaltafeln aber nicht miteinander in Verbindung, wie die Teilnehmer annehmen, sondern werden vom Versuchsleiter manipuliert. Die Reihenfolge, in welcher die Teilnehmer ihre Antwort gaben, wechselte systematisch, so dass man für jeden Einzelnen ein Konformitätsmaß bestimmen konnte. Auch bei diesem Experiment war das Ausmaß des Konformitätsverhaltens erstaunlich hoch. Bei leichten Wahrnehmungsaufgaben und einfachen Rechenaufgaben ließen sich 30 Prozent beeinflussen. Erschien die Rechenaufgabe sehr kompliziert, dann wurden 80 Prozent dazu verleitet, eine offenkundig unlogische Lösung zu akzeptieren, auf die sich der Rest der Gruppe angeblich geeinigt hatte. Auch bei persönlichen Aussagen zeigte sich der Konformitätsdruck: So hielten sich im Einzelversuch z. B. alle untersuchten Offiziersanwärter für einen guten Leiter, unter Gruppendruck änderten 37 Prozent ihre Meinung. Die Untersuchungen zur Konformität erbrachten insgesamt folgende Ergebnisse: • Gruppendruck bewirkt eindeutig ein Nachgeben beim einzelnen Teilnehmer, das er ohne diesen Druck nicht zeigen würde. <?page no="71"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 72 72 • Je schwieriger die Problemsituation, desto größer ist die Konformitätsbereitschaft. • Je bedeutsamer die Problemsituation für den Betroffenen, desto stärker hält er an den eigenen Ansichten fest. • Je größer der Gruppenzusammenhalt (Uniformitätsdruck, Bedrohung von außen) ist, desto höher ist der Konformitätsgrad. • Zwischen Status und Konformitätsverhalten besteht eine kurvilineare Beziehung: Personen mit mittlerer Statushöhe zeigen die größte Konformitätsbereitschaft. • Bei allen Untersuchungen zeigen sich große individuelle Unterschiede zwischen den Versuchsteilnehmern, wobei die individuell gezeigte Konformitätsneigung in den Untersuchungen weitgehend konstant blieb. Andere Experimente zeigen, dass der Konformitätsdruck die Gruppenentscheidungen stark beeinflusst und den Gruppenvorteil vom Typus des Suchens verhindert. Es kommt zum »Gruppendenken«, einem Phänomen, das Janis (1972, 1982) durch die Analyse von politischen Fehlentscheidungen in den USA erhellen konnte. Er wertete zu diesem Zweck eine Reihe historischer Aufzeichnungen zu politischen Entscheidungen aus, die sich später als fehlerhaft herausstellten. Diese schwerwiegenden Entscheidungen wurden in Gruppen getroffen, die das Gefühl hatten, loyal in einer kritischen, »aufgeheizten« Atmosphäre zusammenhalten zu müssen. Die Autoren (Janis 1972, Janis und Mann 1977) beschreiben die Situationen, in denen das Gruppendenken beobachtet wurde, wie folgt: Es bestehen eine hohe Solidarität und Konformitätszwang; man ist zu höherem Risiko bereit und lehnt widersprüchliche Argumente ab. Kampf dem »Gruppendenken«: Die Janis-Regeln Janis schlug der amerikanischen Regierung vor, die folgenden Regeln bei schwerwiegenden Gruppenentscheidungen zu beachten, um ein »Gruppendenken« zu verhindern: • Der Gruppenleiter sollte ausdrücklich zur Kritik auffordern. • Der Leiter und andere einflussreiche Mitglieder sollten ihre Meinung anfangs zurückhalten und erst die anderen sprechen lassen. • Günstig ist es, wenn bei wichtigen Entscheidungen zwei Gruppen unabhängig voneinander einen Entscheidungsvorschlag ausarbeiten, der dann der Gesamtgruppe unterbreitet wird. • Alle Gruppenmitglieder sollen aufgefordert werden, die Entscheidungsprobleme mit anderen Personen, die nicht in der Entscheidungsgruppe sind, zu diskutieren. <?page no="72"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 73 73 • Außenstehende sollen aufgefordert werden, ihre Auffassungen unabhängig von der Gruppe zu entwickeln und einzubringen. • Ein Gruppenmitglied sollte bewusst die Gegenposition zur Gruppenmehrheit beziehen (Advocatus Diaboli). • Die Gruppe sollte sich zwischendurch in Kleingruppen aufteilen, die unabhängig voneinander zentrale Fragen bearbeiten. • Wenn sich die Gruppe auf eine Lösung geeinigt hat, dann sollte das Ergebnis bewusst noch einmal in Frage gestellt werden. Diese Empfehlungen überschneiden sich mit unseren Regeln zum Gruppenvorteil und wurden auch durch weitere Untersuchungen (Schulz und Frey, 1998) bestätigt. Als Abschluss des Themas Konformitätsdruck sollen die bekannten, aber in ihren Ergebnissen noch immer bedrückenden Experimente von Milgram (1974) dargestellt werden. Sie haben - ähnlich wie das Stanford-Gefangenen-Experiment - eine Verbindung zu weiteren Themenkreisen (Gehorsam, Aggression, Rollendruck), veranschaulichen aber auch sehr gut die Bedeutung des sozialen Kraftfeldes im Allgemeinen und des Gruppendrucks im Besonderen. Milgram (ein ehemaliger Mitarbeiter von Asch) suchte über Zeitungsanzeigen freiwillige Versuchsteilnehmer, die bereit waren (für ein Honorar) bei einer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen »Bestrafung und Lernen« mitzumachen. Es meldeten sich ungelernte Arbeiter, Angestellte, Geschäftsleute, freiberuflich Tätige usw., die im Alter zwischen 20 und 50 Jahren waren. Bei den Experimenten gab es einen verantwortlichen Versuchsleiter und ein »Lernopfer«. Die Rolle des »Opfers« wurde von einem Buchhalter, den die meisten als liebenswert und freundlich erlebten, übernommen. Zu Untersuchungsbeginn trafen sich das »Lernopfer« und der freiwillige »naive« Teilnehmer im Warteraum des Instituts. Anschließend wurde zwischen ihnen »ausgelost«, wer die Rolle des Lehrers zu übernehmen habe. Da auf beiden Losen »Lehrer« stand, war es kein Problem, den freiwilligen Versuchsteilnehmer zum Lehrer zu machen, ohne dass er diese Manipulation bemerkte. Nach der Verlosung gingen Lehrer und Lernender in einen Nebenraum, in dem eine Apparatur stand, die an einen elektrischen Stuhl erinnerte. Auf diesem Stuhl wurde der Lernende festgeschnallt und mit Elektroden verbunden. Im Nebenraum befand sich ein elektrisches Schockgerät, das mit Knöpfen versehen war, die von Null bis 450 Volt reichten. Mit diesem Gerät musste der Lehrer den Lernenden für jeden gemachten Lernfehler - es waren Wortpaare zu lernen - bestrafen und anschließend stets die nächsthöhere Stromstärke wählen (15 Volt-Schritte). Zu Beginn der »Lernversuche« wurde der Lehrer von der Schmerzhaftigkeit eines 45-Volt-Stromschlags »überwww.claudia-wild.de: <?page no="73"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 74 74 zeugt«. Beim Experiment selbst wurden die Elektroschocks natürlich nur simuliert. Da in den Vorversuchen, bei denen die Lehrer keine Informationen über die Reaktionen der Lernenden nach der Bestrafung erhielten, alle Teilnehmer bis zum 450-Voltschock voranschritten (! ! ), hatte man bei den Hauptexperimenten eine, mit bestimmten Schockstärken gekoppelte Rückmeldung eingeführt, z. B. bei 75 Volt ein leichtes Murren, bei 150 Volt Schreien und um Befreiung vom Experiment Bitten, 270 Volt qualvolles Brüllen und ab 315 Volt erfolgte keine Reaktion des Lernenden mehr; dies musste als Lernfehler registriert und bestraft werden. Wollte der Lehrer das Experiment abbrechen, dann antwortete der Versuchsleiter in einer schrittweise intensiveren Form, dass die Untersuchung es dringend erfordern würde, dass man weitermache. Und etwa 62 Prozent aller Versuchsteilnehmer führten - trotz individueller Bedenken zu verschiedenen Zeitpunkten - das Experiment bis zum Ende durch, d. h. sie bestraften das Lernopfer am Ende des Experiments mit einem 450-Volt-Schlag. Dieses bestürzende Ergebnis - man sprach vom Eichmann-Phänomen und der Aggressionsmaschine - erforderte weitere Untersuchungen und Variationen des Versuchsplans. Dabei zeigten sich folgende Ergebnisse (Milgram 1977, Frey und Greif 1987): • Je näher sich Opfer und Lehrer waren, desto geringer war die durchschnittliche Schockstärke. Bei »Berührungsnähe« mit dem Lernenden gingen aber noch 30 Prozent der Teilnehmer bis zur maximalen Schockstärke von 450 Volt. • Die Gehorsamsbereitschaft nahm deutlich ab, wenn die Autorität (Versuchsleiter) den Raum verließ und seine Anordnungen nur noch telefonisch mitteilte. Die Lehrer verteilten dann wesentlich schwächere Elektroschocks, obwohl sie dem Versuchsleiter telefonisch mitteilten, dass sie sich anweisungsgemäß verhalten hätten. • Wenn die Teilnehmer die Schockstärke selbst bestimmen konnten, dann blieben sie bei sehr niedrigen Schockstärken. Dies spricht gegen die Interpretation der Verhaltensweisen durch einen allgemeinen Aggressionstrieb. • Wenn der Lernende seinen »Herzfehler« betonte, ein anderer Versuchsleiter die Untersuchung überwachte oder der Lernende durch eine andere Person ersetzt wurde, hatte dies keinen Einfluss auf die Ergebnisse. • Wurden Frauen zu »Lehrern« bestimmt, dann blieben die Ergebnisse gleich. Sie stuften lediglich im Anschluss an das Experiment ihr erlebtes Konfliktniveau höher ein. • Je höher das Ansehen des Instituts war, in dem das Experiment durchgeführt wurde, desto größer war die Bereitschaft, die maximale Schockstärke zu verwenden. <?page no="74"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 75 75 • Das intellektuelle Niveau scheint wenig hemmenden Einfluss zu besitzen: Bei einer Abiturientenstichprobe gingen 85 Prozent bis zur Schockstärke von 450 Volt! • Wenn der »Lehrer« das Gefühl hatte, nur ein Teil einer größeren Maschinerie zu sein, d. h. wenn der Versuchsteilnehmer neben einem anderen »eingeweihten« Lehrer assistierte, dann wurde in 92,5 Prozent der »Schocker« nicht kritisiert bzw. behindert. Auch in einer australischen Versuchswiederholung spielten die Probanden die Assistentenrolle häufiger bis zum Ende durch als beim Standardversuch. Die Gehorsamsbereitschaft in Australien lag allerdings deutlich niedriger (Frey und Greif 1987, S. 448). • Der Autorität des Versuchsleiters folgten die Teilnehmer auch, wenn dieser sich in die Schülerrolle begab. Wenn er darum bat, aus dem Experiment entlassen zu werden, wurde dies generell akzeptiert. • Alle Probanden verweigerten die weitere Mitarbeit, sobald zwei statusgleiche Versuchsleiter über die Fortführung des Experiments uneinig waren und widersprüchliche Anweisungen erteilten. • Beobachtete ein Proband den Widerstand anderer gegen das Experiment, dann stieg auch bei ihm die Tendenz, den Gehorsam zu verweigern. Bei diesen Experimenten zeigten sich individuelle Unterschiede im Verhalten der Versuchsteilnehmer. Es ist deshalb interessant zu untersuchen, ob es nicht persönlichkeitsspezifische Unterschiede zwischen den Teilnehmern die gehorchen und denen, die verweigern, gibt. Nach Frey und Greif (1987, S. 449) haben die Gehorsamen eine deutlich autoritärere Einstellung als die Verweigerer. Daneben deuten die Ergebnisse darauf hin, dass sie länger beim Militär gedient haben (die Offiziere verhielten sich allerdings ungehorsamer als die Mannschaftsdienstgrade! ), jünger sind und häufiger naturwissenschaftlich-technischen als sozialen Berufen angehören. Diese Unterschiede ließen sich allerdings nur bei einem Teil der Experimente, bei denen eine räumliche Nähe zum Lernenden bestand, nachweisen. Milgram schließt daraus, dass die Situation einen starken Einfluss auf die individuelle Handlungsweise besitzt. Milgrams Untersuchungen wurden von den Massenmedien bereitwillig aufgegriffen und erzielten eine große Resonanz. Wir sollten allerdings auch kritisch bemerken, dass mit diesen Untersuchungen die Grenze der Forschungsethik erreicht oder vielleicht schon überschritten wurde. Wir müssen uns die Frage stellen, woher ein Forscher das Recht nimmt, seine Versuchsteilnehmer zu täuschen und mögliche psychische Gefahren in Kauf zu nehmen. Schließlich stellte Milgram seine Probanden unter sehr hohen Stress und erreichte bei ihnen ein Verhalten, das ihr Selbstwertgefühl deutlich in Frage stellte. <?page no="75"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 76 76 Milgram begegnete diesen Vorwürfen durch eine Nachuntersuchung über die Folgen des Experiments. Danach bedauerten weniger als zwei Prozent, an der Untersuchung teilgenommen zu haben, viele äußerten sich sogar positiv und betonten die gewonnene Selbsterkenntnis. Er argumentiert - wie auch andere Kollegen - mit der »Kosten-Nutzen-Abwägung«, mit der man bei problematischen Experimenten die Entscheidung treffen muss. Eine Lösung, die aber auch nicht auf alle möglichen Situationen übertragen werden kann. Übungsvorschlag: Beantworten Sie zuerst wieder für sich selbst die folgenden Fragen und diskutieren Sie anschließend Ihre Antworten in der Gruppe. 1. Welche konkreten Erfahrungen zum Konformitätsdruck haben Sie aus Ihrem persönlichen (beruflichen) Alltag? 2. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Konformitätsdruck im Alltag zu bewältigen? 4.3 Kooperation und Konflikte in Gruppen/ Teams Mit anderen harmonisch in Gruppen zu kooperieren ist der Wunsch aller. Doch die Praxis zeigt, dass die Zusammenarbeit häufig von Konflikten begleitet wird bzw. zu solchen führt. Deshalb sollen beide Aspekte unter einer Überschrift behandelt werden. Betrachten wir aber zuerst einmal den harmonischen Teil, die Kooperation in Gruppen. Steigen wir in das Thema am besten mit einem einfachen, auflockernden Spiel ein: Übungsvorschlag: Die Gruppenmitglieder sitzen paarweise nebeneinander und haben einen Bleistift und ein DIN A-4-Papier vor sich liegen. Sie haben die Aufgabe, ohne miteinander zu sprechen, gemeinsam den Stift in die Hand zu nehmen und ein Haus, einen Baum und einen Hund zu zeichnen. Anschließend sollen sie sich nonverbal auf einen Künstlernamen einigen und das Bild damit signieren. In der Diskussion sollte deutlich werden, wie leicht/ schwierig es für den Einzelnen war, sich führen zu lassen. Wie hat man zusammengearbeitet, und was kann aus diesem Spiel für das Thema Kooperation abgeleitet werden? Nach dieser »Aufwärm«-Übung können wir uns einer etwas komplexeren, in der Zwischenzeit schon klassisch gewordenen Übung zuwenden: Der »Quadrat-Übung« (Brocher 1967, S. 160ff ). <?page no="76"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 77 77 Übungsvorschlag: Bei der Quadrat-Übung - das Material dazu ist im Anhang 9.1.2 (S. 207) beschrieben - werden die Gruppenmitglieder zuerst aufgefordert, sich zu überlegen, welche unerlässlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, damit es zur Kooperation kommen kann. Die Beiträge werden gesammelt und für alle sichtbar notiert. Folgende Punkte sind dabei festzuhalten: Man muss die Aufgabe, die Problemstellung kennen, wissen, was der Einzelne zu welchem Zeitpunkt zur Problemlösung beitragen kann, und ob man vielleicht mit seinen Aktivitäten warten muss, bis die anderen ein Teilergebnis erbracht haben. Anschließend werden Fünfergruppen gebildet, die sich um einen Tisch setzen und die Übung durchführen. Jeder Teilnehmer erhält einen Umschlag mit verschiedenen Pappteilchen und hat die Aufgabe, daraus ein Quadrat zusammenzusetzen. In der Gruppe sollen fünf gleichgroße Quadrate hergestellt werden; die Übung ist erst dann beendet, wenn alle Mitglieder ein vollständiges und identisches Quadrat vor sich liegen haben. Folgende Regeln sind strikt einzuhalten: Bei der Übung ist den Teilnehmern untersagt, • miteinander zu sprechen, • einen anderen Teilnehmer um ein Teilstück zu bitten oder in irgendeiner Weise zu signalisieren, dass sie ein bestimmtes Teilstück brauchen. • Teilstücke in der Mitte des Tisches zu montieren und • direkt in die Figur eines anderen einzugreifen. Jeder kann, wenn er will,Teilstücke in die Mitte des Tisches legen oder an ein anderes Mitglied geben. Die Regel, dass die Teilnehmer nicht miteinander kommunizieren dürfen, hat einen Grund: Nur auf diese Weise kann man sicherstellen, dass alle aufeinander angewiesen sind und niemand dominiert. Damit sind die Teilnehmer - wenigstens theoretisch - untereinander gleichberechtigt. Wenn mehrere Gruppen parallel die Übung bearbeiten (was den Wettstreit erhöht), dann ist es empfehlenswert, dass pro Gruppe mindestens ein Beobachter anwesend ist, der die Einhaltung der Regeln überwacht und besondere Phänomene registriert. Nach der Übung sollten die Teilnehmer zuerst frei ihre Beobachtungen, Gefühle und Erlebnisse diskutieren.Wie haben sie sich gefühlt, als andere ein wichtiges Teilstück nicht zurVerfügung stellten, wie dachten sie über die zufriedenen »Fertigen«, und wie fühlten sich diese? Wie passen dieVerhaltensweisen während der Übung zu den Gedanken, die anfangs diskutiert und an der Tafel/ Flipchart festgehalten wurden? Welche Parallelen gibt es zum Alltag? usw. Die Schwierigkeit bei dieser Übung besteht darin, dass Teilnehmer aus ihrem Material ein Quadrat problemlos erstellen können, sich dann selbstzufrieden zurücklehnen, die anderen beobachten und wenig Bereitschaft zeigen, sich <?page no="77"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 78 78 von ihren Teilstücken zu trennen, die von den anderen aber dringend benötigt werden. Obwohl diese Übung unter dem Thema Kooperation angekündigt ist und der Begriff vorher mit den Teilnehmern ausführlich diskutiert und die Voraussetzungen für kooperatives Verhalten an der Tafel schriftlich festgehalten werden, bereitet es doch große Schwierigkeiten, wirklich kooperativ zu sein, eigene Lösungen aufzugeben und zuerst den anderen zu helfen, bevor man selbst seine Arbeit beenden kann. Bei dieser Übung wird meist sehr deutlich, was Kooperation wirklich beinhaltet, wie schwierig es ist, ein gemeinsames Ziel im Auge zu behalten, sich gemeinsam mit anderen auf dieses Ziel hinzubewegen und deren berechtigte (Teil-)Interessen zu berücksichtigen. Der Begriff Kooperation hat heute im Zusammenhang mit »Teamarbeit« eine sehr hohe, vielleicht sogar überhöhte Bedeutung gewonnen. Er besitzt einen ideologischen Wert, wobei man leicht übersieht, dass eine dauerhafte Kooperation in einer Gruppe (oder Team) sehr schwierig ist, weil dabei andere Bedürfnisse - wie beispielsweise Wettstreit - unterdrückt werden müssen. Die dauerhafte Kooperation scheint ein Ideal zu sein, das in der Praxis durch individuelle Motive bedroht wird. Eine weitere Gruppenübung soll die Erfahrung der Teilnehmer mit dem Thema Kooperation abrunden. Bei diesem Spiel geht es, neben der Zusammenarbeit, auch um andere Themenbereiche, wie Leistungsvorteil, Führungsverhalten, Kommunikation, Entscheidungsfindung usw. Übungsvorschlag: In dieser Übung sollen die Teilnehmer erfahren, wie gut sie unterschiedliche Informationen in die Gruppe einbringen und verarbeiten. Die Aufgabe besteht darin, aus fünf Verdächtigen die wahrscheinliche Flugzeugentführerin zu entlarven (nach Gudjons 1990, S. 192f). Die sechs Teilnehmer der Arbeitsgruppe (A bis F) erhalten auf Kärtchen je eine der folgenden, unterschiedlichen Informationen: A: Das Flugzeug wurde am Abend des 14. August entführt. Der Flugkapitän wurde gezwungen, über die Insel Fani zu fliegen. Er erreichte die Insel in der Abenddämmerung. Obwohl es schon ziemlich dunkel war, sprang die Entführerin über der Insel mit dem Fallschirm ab. B: Zwei Tage nach der Entführung verhaftete die Polizei von Fani fünf Amerikanerinnen, auf welche die Beschreibungen teilweise passten. Eine davon war Anni Murkel, die sich äußerst stark für die religiösen Feste der einheimischen Fanis interessierte. Eine andereVerdächtige ist Archäologin; sie versucht Beweise dafür zu finden, dass der Ursprung menschlichen Lebens auf den Fani-Inseln stattfand. C: Bettina Berg ist, wie auch Anne Dirks, eine der Verdächtigen. Frau Berg wird in den USA polizeilich gesucht, weil sie mit Rauschgift gehandelt hat. Frau Dirks hat in den USA einen Studenten von der Fani-Insel kennengelernt und sich unsterblich in ihn verliebt; daneben hat sie als Hobby das Hochseesegeln. Ferner ist bekannt, dass die Archäologin schwarzes Haar und blaue Augen hat. <?page no="78"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 79 79 D: Mechthild Maler ist ebenfalls verdächtig. Sie ist Bettina Bergs Sekretärin und kam das erste Mal am 16. 8. dieses Jahres auf die Insel.Als die Polizei Petra Lange festnahm, löste diese gerade einen Fallschirm vom Baum. Von Frau Dirks weiß man, dass sie eine begeisterte Hochsee-Seglerin ist. Die Entführerin befindet sich unter den fünf verhafteten Frauen. E: Die Polizei berichtet, dass vor einem Monat eine junge Frau mit einem großen, seltsam aussehenden Hund in einem Segelboot auf der Insel ankam. Dieses Boot hat sie von San Francisco aus zur Fani-Insel allein gesteuert. Ferner gibt die Polizei an, dass die Entführerin hellbraunes Haar und braune Augen hat und aus einer Nervenheilanstalt in den USA geflohen ist. F: Die Schwester von Bettina Berg ist als Entwicklungshelferin und vom Auswärtigen Amt nach Fani geschickt worden; sie wohnt dort seit einem Jahr. Ihre Schwester und deren Sekretärin kamen vom Westen Amerikas über die Philippinen per Boot auf die Fani-Insel. Die Frau, die sich in den Fani-Studenten verliebt hat, besitzt einen Mischlingsrüden (Bernhardiner-Collie), den sie »Robert« nennt und der sehr zutraulich ist. Bei der anschließenden Diskussion sollte analysiert werden, wie die Gruppe an die Aufgabe heranging, wie sie die Arbeit organisierte, wie Sackgassen bewältigt wurden, von wem Führungsimpulse ausgingen, wie man »aktiv zuhörte«, welche Rollen beobachtbar waren, und wie man zu welcher Entscheidung fand. Bei dieser Übung kann gut demonstriert werden, wie wichtig es ist, die vorhandenen Informationen in die Gruppe einzubringen, das eigene Wissen bereitzustellen, den anderen Teilnehmern aktiv zuzuhören und die vorhandenen Daten zu sammeln und zu visualisieren. Wenn dies der Gruppe gelingt, dann kann die Entscheidung mit folgenden Informationen getroffen werden (wesentliche Infos sind fett gedruckt): Die Flugzeugentführung fand am 14.August d. J. statt. Die Entführerin sprang in der Abenddämmerung mit dem Fallschirm über der Insel Fani ab. Sie hat hellbraunes Haar und braune Augen und ist aus einer Nervenheilanstalt in den USA geflohen. Am 16.August d. J. verhaftete die Polizei von Fani fünf verdächtige Amerikanerinnen, unter denen sich die Entführerin befand. Über die Verdächtigten lagen folgende Daten vor: Anni Murkel interessiert sich für die religiösen Feste der einheimischen Fanis. Petra Lange löste bei der Festnahme gerade einen Fallschirm vom Baum; sie ist Archäologin, hat schwarzes Haar und blaue Augen (damit scheidet sie aus). Bettina Berg: wird in den USA polizeilich gesucht (Rauschgifthandel); sie kam mit ihrer Sekretärin Mechthild Mahler vom Westen Amerikas per Boot am 16. 8. d. J. zu den Fani-Inseln (scheidet damit aus). Anne Dirks: hat sich unsterblich in den USA in einen Studenten aus Fani verliebt; sie hat einen zutraulichen Mischlingsrüden (»Robert«) und kam mit Segelboot und Hund vor einem Monat von San Francisco zur Fani-Insel (scheidet damit ebenfalls aus). Entscheidung: Alle Verdächtigen - außer Anni Murkel - haben gute Alibis und fallen als Flugzeugentführerin aus. <?page no="79"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 80 80 In einer weiteren, komplexeren Übung soll demonstriert werden, wie stark Kooperation und Konflikt zusammenhängen. Auch diese Übung ist schon ein Klassiker und wurde in den sechziger und siebziger Jahren so oft variiert, dass eine amerikanische Fachzeitschrift offiziell erklärte, keine Veröffentlichung mehr zum »Gefangenen-Dilemma« anzunehmen (nach Lück 1985, S. 109). Dennoch kann mit dieser Übung gut gezeigt werden, dass Entscheidungen, an denen zwei und mehrere Personen beteiligt sind, nicht nur durch das Motiv zur Kooperation, sondern durch verschiedene, gegenläufige Motive bestimmt sind. Damit führt uns diese Übung auch direkt zum Thema Konflikt. Im Folgenden soll zuerst die Spielsituation beschrieben werden, bevor wir sie ausführen. Bei der Übung geht es um eine Situation, in welcher der eigene Erfolg den des Partners mitbestimmt. Im Unterschied zu den meisten Spielen, bei denen einer gewinnt und der andere verliert - man nennt sie die »Null-Summenspiele«, weil sich Gewinn und Verlust zu Null summieren - handelt es sich hier um ein »Nicht-Nullsummenspiel«. Es entspricht eher der Realität, weil bei den meisten alltäglichen Entscheidungen nicht nur einer gewinnen oder verlieren kann, sondern häufig auch die Situation denkbar ist, dass beide profitieren oder beide verlieren. Ein bestimmter Grad an Vertrauen ist unerlässlich, damit man zukünftige Ereignisse und Verhaltensweisen abschätzen kann. Nur mit diesem Vertrauen ist sichergestellt, dass zukunftsorientiertes menschliches Verhalten möglich ist. Gibt beispielsweise A einen Scheck an B, dann weiß nur A wirklich, ob dieser Scheck gedeckt ist. B kann ihm entweder vertrauen oder misstrauen. In einer Ehe weiß nur der Mann bzw. die Frau genau, ob die eigene Absicht vorhanden ist, den Partner zu betrügen. Dem Partner bleibt nur übrig zu vertrauen (oder zu misstrauen). Die Grundlage vieler unserer Entscheidungen ist Vertrauen, das durch bisherige Erfahrungen erlernt wurde. In zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen die Partner aber wenig Erfahrung miteinander haben oder glauben, kurzfristig Erfolge für sich selbst erzielen zu können, kommt es leicht zu Konflikten. Diese Zwickmühlen und Paradoxien begegnen uns im Leben sehr häufig und können gut im Gefangenendilemma demonstriert werden. (Antons 2000, S. 127ff, Hofstadter 1983, S. 8ff, Herkner 2004). Die Originalübung bereitet anfangs etwas Schwierigkeiten, deshalb soll zuerst eine Variante vorgestellt werden (Hofstadter 1983). Nehmen wir an, Sie besitzen viel Geld und möchten dafür eine bestimmte Menge eines anderen Wertgegenstandes (Diamanten, Schmuck, Antiquitäten) erwerben. Sie kennen auch einen Händler, mit dem Sie ein Tauschgeschäft arrangieren. Sie vereinbaren mit ihm - aus Gründen, die hier nicht wichtig sind -, dass der Tausch geheim abgewickelt wird. Sie und auch der Händler deponieren Geld und Ware in einem Sack (zur gleichen Zeit) an einem vereinbarten (nicht idenwww.claudia-wild.de: <?page no="80"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 81 81 tischen) Ort. Außerdem ist Ihnen und dem Händler klar, dass sie sich nie mehr begegnen und auch keine weiteren Geschäfte miteinander machen werden. Eine schwierige Situation! Jeder muss natürlich befürchten, dass der andere einen leeren Sack deponiert. Andererseits, wenn sich beide an die Verabredung halten, sind auch beide zufrieden. Aber noch zufriedener ist vielleicht derjenige, der einen leeren Sack deponiert und einen vollen dafür abholen kann! Die Logik in dieser Situation ist gemein. Liefere ich einen leeren Sack ab, dann bin ich gut dran: Bringt der Händler seine Ware, dann habe ich maximal gewonnen, bringt der Händler auch einen leeren Sack, dann hat man mich wenigstens nicht übers Ohr gehauen. Mit dem leeren Sack bin ich also viel besser dran, egal was der Händler macht. Nun, der Händler macht sich natürlich auch seine Gedanken, die sich von denen des Käufers nicht unterscheiden. Also deponieren beide aufgrund ihrer vernünftigen Überlegungen einen leeren Sack und gehen beide auch leer aus. Hätten sie vertrauensvoll kooperiert, dann hätten sie beide das bekommen, was sie sich gewünscht hatten. Muss man, wenn man logisch denkt, sich auch egoistisch verhalten? Um diese Frage dreht sich das Gefangenendilemma: Übungsvorschlag: »Gefangenen-Dilemma«: Die Übung hat den eigenartigen Namen aus der folgenden Situation: Stellen Sie sich vor, Sie und ein Bekannter, der Ihnen persönlich nichts bedeutet, haben gemeinsam eine Straftat begangen. Sie sind beide verhaftet worden, sitzen getrennt voneinander im Untersuchungsgefängnis und haben keine Möglichkeit, miteinander in Beziehung zu treten. Der Staatsanwalt ist überzeugt davon, dass Sie zusammen die Straftat begangen haben (was in der Tat auch stimmt), hat aber nur wenige Beweise, mit denen er Sie beide allerdings für kurze Zeit ins Gefängnis bringen könnte (etwa für ein Jahr). Er schlägt Ihnen nun einen Handel vor, und Sie wissen auch, dass Ihr Partner das gleiche Angebot bekommt. Wenn Sie gestehen, dann erhalten Sie nur eine geringe Strafe (drei Monate auf Bewährung = 0), Ihr Partner allerdings die Höchststrafe (fünf Jahre = 5). Wenn Sie und Ihr Partner nicht gestehen, dann werden Sie wegen der vorliegenden Indizien zu einem Jahr Gefängnis (- 1) verurteilt. Gestehen beide, dann kommt es zum Prozess und zu einer Strafe, die bei drei Jahren Gefängnis für beide (- 3) liegen dürfte. Die Tabelle 3 zeigt die Gewinn-Verlust-Matrix. Diese Ausgangssituation ist den Teilnehmern an der Übung zu erläutern, und man kann daraus eine Punktematrix errechnen, die in Tabelle 3 in Klammern eingetragen ist. Durch ihre Entscheidungen können die Übungsteilnehmer unterschiedlich viele Punkte sammeln, wobei sich die Gesamtpunktzahl pro Durchgang nicht zu Null addiert (»Nicht-Nullsummenspiel«). Die Teilnehmer werden bei dieser Übung auf zwei (vier, sechs …) Gruppen aufgeteilt, wobei es wegen der erforderlichen Gruppenentscheidung günstig ist, eine ungerade Teilnehmerzahl pro Gruppe zu wählen. <?page no="81"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 82 82 Die Übung hat drei Spielvarianten: Zuerst bekommt jeder Teilnehmer für jeden der zehn Durchgänge einen Zettel, auf den er seine Entscheidung (Schweigen oder Gestehen) notiert. Nachdem sich jeder Teilnehmer entschieden hat, werden die Zettel pro Gruppe ausgewertet und eine Gruppenmeinung gebildet, die mit dem Ergebnis der anderen Gruppe verglichen wird. Anschließend werden die Punkte entsprechend der Matrix verteilt. Die Gruppe, die nach zehn Durchgängen die meisten Punkte hat, ist Sieger. Bei der zweiten Variante wird in zehn Durchgängen jeweils das Gruppenergebnis durch Diskussion erzielt, mit dem der anderen Gruppe verglichen und entsprechend der Matrix die Gewinnbzw.Verlustpunkte verteilt. In der dritten Version bestimmt jede Gruppe einen Unterhändler, der vor dem ersten, vierten, siebten und zehnten Durchgang mit dem Unterhändler der anderen Gruppe verhandelt, bevor die Gruppe durch Diskussion ihre Entscheidung fällt. Nach der Übung wird mit den Teilnehmern diskutiert, wie die Entscheidung gefällt wurde, wie das Vertrauen zu den anderen war, und welche Vorstellungen/ Fantasien die Entscheidung beeinflussten. Welche Parallelen können zu alltäglichen Entscheidungen gezogen werden? Tab. 3: Die Gewinn-Verlust-Matrix beim Gefangenendilemma Der Partner schweigt gesteht Ich schweige - 1/ - 1 - 5/ 0 (4/ 4) (0/ 5) gestehe 0/ - 5 - 3/ - 3 (5/ 0) (2/ 2) Beim Gefangenendilemma beinhaltet das kooperative Verhalten das Streben nach einem guten Ergebnis für beide Spielpartner, nicht das nach optimalem eigenem Gewinn. Um sich hier kooperativ zu verhalten, muss man dem »Gegner« Vertrauen schenken und erwarten, dass auch er kooperativ ist; verhält sich der Partner nicht nach dieser Erwartung, wählt er die »bessere« Alternative, dann erzielt man selbst das ungünstigste Ergebnis. Diese Übung erlaubt einen Vergleich mit vielen Verhandlungssituationen, bei denen es häufig darum geht, einen für beide Seiten möglichst günwww.claudia-wild.de: <?page no="82"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 83 83 stigen Kompromiss zu finden (z. B. Streik, Abrüstung, Vertragsverhandlungen). In vielen realen Situationen kann ein befriedigender Kompromiss nur gefunden werden, wenn auf beiden Seiten Vertrauen, Kooperationswille und die Bereitschaft, auf maximalen Gewinn zu verzichten, vorhanden sind. Auch ein Vergleich zu zwischenmenschlichen Beziehungen und Konflikten liegt nahe. Sind Partnerbeziehungen »Nicht-Nullsummenspiele« oder gleichen sich Gewinn und Verlust aus? Letzteres kann von einem Partner so gesehen und definiert werden, und er wird danach streben, maximalen Gewinn zu erzielen, wobei der andere zum maximalen Verlierer - wenn er sich das gefallen lässt - definiert wird. Man kann aber durch Kooperation, Vertrauen und eine gewisse Risikobereitschaft gemeinsam gewinnen. Welche Strategie ist nun beim Gefangenendilemma - theoretisch betrachtet - auf Dauer gesehen am erfolgreichsten? Diese Frage versuchte Axelrod, in Computerturnieren an der Universität in Michigan zu beantworten (nach Hofstadter 1983). Er forderte prominente Spieltheoretiker, die sich mit dem Gefangenendilemma beschäftigt hatten, auf, möglichst viele Strategien zu entwickeln. Diese Strategien sollten in einem Turnier gegeneinander antreten. Sieger sollte die Strategie sein, die im Kampf (jeder gegen jeden) insgesamt die meisten Punkte erreichte. Die Strategien wurden als Computerprogramme eingereicht und sollten auf kooperatives bzw. egoistisches Verhalten mit Kooperation oder Egoismus reagieren. Das kürzeste Programm bestand aus vier, das längste aus 77 Zeilen in BASIC. Das Siegerprogramm war gleichzeitig das Kürzeste, und orientierte sich an der Strategie »Wie du mir, so ich dir« (»Tit for Tat«). Es lautete: Kooperiere beim ersten Zug, reagiere dann so, wie der Gegner im letzten Zug reagierte oder im übertragenen Sinn »Sei nett, provozierbar und versöhnlich! «. Bei einem weiteren Turnier, für das auch in Computerzeitschriften geworben wurde, trat »Tit for Tat« gegen 62 Strategien (aus sechs Ländern) an und wurde wieder Gesamtsieger. Das Bemerkenswerte dabei war, dass dieses Programm keinen Rivalen im direkten Zweikampf besiegte, sondern bestenfalls unentschieden spielte oder geringe Verluste hatte. Die paradox klingende Folgerung aus diesen Turnieren lautet demnach: Der kluge Egoist kooperiert! Die Computersimulationen sprechen für die kooperative Strategie. Wie reagieren aber »echte« Versuchsteilnehmer bei dieser Übung? Bei den praktischen Experimenten mit dem Gefangenendilemma wurde das kooperative Verhalten relativ selten beobachtet. Man kann seine Häufigkeit durch die Veränderung der Gewinn-Verlust-Matrix beeinflussen und damit die einzelnen Komponenten (Wettstreit, Kooperation) verstärken. Als bedeutsamer Faktor für das Ausmaß an Kooperation zeigte sich die Einstellung der Versuchsteilnehmer zum Wettstreit und das erwartete Verhalten der Partner/ Gegner (Herkner 2004). <?page no="83"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 84 84 Variiert man die Matrix in der Weise, dass die Gewinne nicht mehr symmetrisch, sondern ungleich sind, dann bestehen zwischen den Spielern unterschiedliche Machtverhältnisse. Bei diesen asymmetrischen Matrizen zeigt sich eine noch geringere Kooperationsbereitschaft, wobei der stärkere Partner in der Regel egoistischer entscheidet. Auch eine Veränderung der Matrix in der Weise, dass ein Teilnehmer für seine Entscheidungen überhaupt keine Punkte erhält, kann ihm viel Macht verleihen, weil seine Entscheidungen den Gewinn des anderen bestimmen. Kooperation und Wettbewerb sind widersprüchliche Tendenzen in unserem Sozialverhalten. Ihre Polarität führt aber auch zu positiven Effekten, wie die Leistungsverbesserungen im Mannschaftssport oder in betrieblichen Arbeitsgruppen zeigen. Nachdem wir gesehen und erlebt haben, dass die Zusammenarbeit in Gruppen nicht so »ideal« verläuft, wie man es sich gerne wünschen würde, weil die Teilnehmer ganz einfach Menschen sind, die unterschiedliche Bedürfnisse und Motive haben, ist es sinnvoll, das Thema Konflikte etwas näher zu betrachten. 4.4 Konflikt und Konfliktmanagement Im Zusammenhang mit den Übungen zum Thema Kooperation sind wir häufig mit konfliktträchtigen Situationen konfrontiert worden. Konflikte sind im sozialen Alltag allgegenwärtig, so dass wir uns mit diesem Thema etwas ausführlicher befassen und dabei auch die engere gruppenspezifische Betrachtungsweise kurzfristig verlassen. 4.4.1 Wann sprechen wir von einem (sozialen) Konflikt? Zur Einstimmung in das Thema wird den Lesern die folgende Übung empfohlen: Übungsvorschlag: Die Teilnehmer sollen sich an persönliche Konfliktsituationen erinnern und diese auf Kärtchen notieren. Die Kärtchen werden auf einer Pinnwand übersichtlich dargestellt. Die Gruppe sollte dann versuche, das Gemeinsame an diesen Situationen herauszuarbeiten und mögliche Gruppierungen vorzunehmen. Dabei sollten die folgenden Punkte erarbeitet werden: Ein Konflikt entsteht immer, wenn zwei oder mehrere Personen (gleich starke) Motive haben und Ziele anstreben, die nicht miteinander vereinbar sind. <?page no="84"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 85 85 Ein Konflikt besteht, wenn gleichzeitig mehrere gegensätzlich und gleich starke Motive wirksam sind. Liegen die unvereinbaren Motive innerhalb einer Person, dann sprechen wir von einem intraindividuellen Konflikt. Liegen sie zwischen Personen oder Personengruppen, die voneinander abhängig sind, dann sprechen wir von einem interindividuellen (sozialen) Konflikt. Letztendlich sind aber auch die sozialen Konflikte intraindividuelle. Glasl (2002, S. 14 f.) definiert den sozialen Konflikt sehr differenziert: »Sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen, Völker usw.). Dabei erlebt wenigstens ein Aktor Differenzen (Unterschiede, Widersprüche und Unvereinbarkeiten) im Wahrnehmen und im Denken, Vorstellen, Interpretieren, im Fühlen (Sympathie, Antipathie, Vertrauen oder Misstrauen etc.) und im Wollen (Motive, Ziele Triebfedern) mit dem anderen Aktor (bzw. den anderen Aktoren) und zwar in der Art, dass beim Verwirklichen (Umsetzen, Ausführen, Realisieren) dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will, eine Beeinträchtigung - durch einen anderen Aktor (bzw. durch die anderen Aktoren) erfolgt.« Eine sicher sehr detaillierte aber auch schwer verständliche Definition des profilierten Konfliktforschers. 4.4.2 Die »normale« Grundeinstellung gegenüber Konflikten Erfassen wir in Seminaren die spontanen Assoziationen zu Konflikten, dann erhalten wir überwiegend Äußerungen, die sich mit negativen Gefühlen verbinden: Konflikte werden generell als unangenehm und bedrohlich erlebt. Es besteht die Tendenz, sie möglichst zu vermeiden und/ oder ihnen aus dem Wege zu gehen. In der spontanen Auseinandersetzung zeigen sich dabei zwei extreme Pole, die es schwierig machen, Konflikte positiv zu betrachten: Angriff oder Rückzug. In den Sozialwissenschaften hat sich dabei eine andere Perspektive entwickelt, bei der Konflikte ihr negatives Umfeld verlieren und als Basis jeglicher Weiterentwicklung (individueller und) sozialer Systeme betrachtet werden. Die unterschiedlichen Einstellungen werden in Tabelle 4 aufgelistet. <?page no="85"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 86 86 Tab. 4: Einstellung zu Konflikten Angriff Konfliktfähigkeit Rückzug Konflikt wird als Herausforderung erlebt; man erlebt sich als kraftvoll. Ich kann die Konfliktenergie positiv umleiten. Konflikte sind unangenehm, machen nur Ärger und kosten viel Kraft. Konflikte und Chaos sind die Grundlage jeglicher Weiterentwicklung. Konflikte helfen, Stagnation/ Stillstand zu überwinden und bieten Chancen, die Situation besser zu gestalten. Offene Konflikte sind eine Bedrohung und können viel zerstören. Am besten ist, man schweigt. Nur so kann ich meine Interessen durchsetzen! Denen werde ich es schon zeigen! Differenzen sind natürlich; es bereichert alle Beteiligten, sich mit den unterschiedlichen Sichtweisen auseinanderzusetzen. Wenn man Differenzen anspricht, dann schafft man erst recht Fronten, die alles nur noch verhärten. à »Heißer Konflikt«, begeistert, von eigenen Zielen und eigener Redlichkeit überzeugt, führungszentriert. Die rationale Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Wahrnehmungen ermöglicht ein effektives Konfliktmanagement. à »Kalter Konflikt«, negatives Selbstbild, Resignation, Führungsvakuum. 4.4.3 Zentrale psychische Konfliktmechanismen Die zentralen psychischen Konfliktmechanismen liegen in der Wahrnehmung und in den Einstellungen der Konfliktpartner. • Wahrnehmung: Unsere Wahrnehmung ist aktiv und selektiv und wird sehr stark von unseren bestehenden Einstellungen beeinflusst (à Soziale Wahrnehmung). Unter Belastungs-/ Konfliktsituationen kommt es zu einer mehr oder weniger starken, bedrohungsorientierten Wahrnehmung, bei der die Wahrnehmungsinhalte ausgewählt werden, die das bestehende (Feind-) Bild bestätigen. Diese stereotypen Bilder sind Vereinfachungen und verfestigen sich durch gruppendynamische Prozesse. <?page no="86"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 87 87 • Einstellungen: Einstellungen setzen sich aus drei Komponenten zusammen, die sich gegenseitig beeinflussen: die kognitive, affektive und konative Komponente. Kognitive Komponente: Sie umfasst das konkrete Wissen, das Glauben und Denken über das Einstellungsobjekt. Werden die Wahrnehmungen verzerrt, dann kommt es sehr schnell zu einem »Schwarz-Weiß-Denken«, bei dem die feinen Differenzierungen verloren gehen. Diese Vorurteile beeinflussen die Wahrnehmung in der Art, dass nur noch die Aspekte der Realität aufgenommen werden, die das Vorurteil bestätigen. Es kommt zu einer Wahrnehmungsabwehr einstellungskonträrer Informationen. Affektive Komponente: Sie umschreibt die Gefühle, Empathie, die sich mit dem Einstellungsobjekt verbinden. Im Verlauf der Konfliktentwicklung schwinden Sympathie und Empathie. Man geht auf Distanz zur anderen Person/ Partei und schottet sich emotional ab, um weniger verletzlich zu sein. Konative Komponente: Sie umschreibt die Handlungstendenz (Willen und konkretes verbales und nonverbales Verhalten) in Bezug auf das Einstellungsobjekt. Ziele und Mittel werden nicht mehr isoliert betrachtet, so dass es zu einer Einengung der Zielperspektive und der alternativen Verhaltensweisen zur Zielerreichung führt. Der Verhaltensspielraum engt sich ein und polarisiert sich mit dem der anderen Person/ Partei. Im weiteren Verlauf kommt es zu Kreisprozessen, »zu einer fatalen Eigendynamik der Konflikte« (Glasl, 2003, S. 126). Die einzelnen Komponenten beeinflussen sich gegenseitig und können die Grunddimension für entsprechende Konflikte werden, z. B. • Kognitive Komponente: Differenzen in den Zielen, Glaubensgrundsätzen, Überzeugungen, • Affektive Komponente: Unverträglichkeit persönlicher Eigenschaften, Störungen auf der emotionalen Ebene, Antipathie, … • Konative Komponente: Differenzen, wie die Ressourcen eingebracht werden, um die Ziele zu erreichen, widersprüchliche Ziele werden angestrebt, …. Die Konfliktsteuerung muss deshalb versuchen, diese Konfliktmechanismen zu bearbeiten und den Teufelskreislauf der Konflikteskalation zu stoppen. Wichtig ist es dabei, Konflikte möglichst frühzeitig zu erkennen, damit die Vorurteilsbildung und Wahrnehmungsverzerrung sich nicht verhärten. Sie muss die Wahrnehmungsunterschiede bearbeiten, fixierte Einstellungen berichtigen, mehr Verständnis/ Empathie erzeugen, gemeinsame Ziele finden und Handlungsalternativen erweitern. <?page no="87"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 88 88 4.4.4 Stufen der Konflikteskalation Glasl (2002, 2003) unterscheidet insgesamt neun (heuristische) Eskalationsstufen, die den gesamten Konfliktbereich bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen abdecken. Die Eskalation führt dabei für ihn nicht nach »oben«, sondern geht immer mehr in die Tiefe, bis zum Absturz, zur »totalen Vernichtung«! Im beruflichen Alltag und in den meisten betrieblichen Situationen müssen wir uns in der Regel nur mit den ersten fünf (bis sechs) Stufen befassen. Die möglichen Interventionen in den letzten Eskalationsstufen erfordern juristisch fundierte nationale und internationale Machtbefugnisse. Wir werden uns aus praktischen Gründen auf die frühen Eskalationsstufen konzentrieren, in der Hoffnung, dass damit weitere Eskalationen vermieden werden können. Beschreibung der einzelnen Stufen: 1. Verhärtung: Standpunkte verhärten sich und prallen aufeinander; es kommt zu Ausrutschern und Verkrampfungen, die bewusst werden. Man ist aber überzeugt, dass Gespräche den Konflikt lösen können. 2. Debatte, Polemik: In den Bereichen Denken/ Fühlen/ Wollen kommt zu einer Polarisation/ »Schwarz-Weiß«-Denken. Die »rationale« Argumentation ist voller »Nadelstiche« aus der Beziehungsebene. Es kommt zu gegenseitigen Abwertungen. 3. Tatsachen schaffen: Strategie der vollendeten Tatsachen, weil »Reden nichts mehr hilft! « Nonverbales Verhalten dominiert über das verbale. »Pessimistische Antizipationen« führen zu Misstrauen. Das gegenseitige Einfühlungsvermögen, die Empathie geht verloren. 4. Fremdbilder/ Images: Vorurteile und stereotypes Denken bestimmen die Auseinandersetzung. Die betroffenen Personen/ Parteien definieren den »Schwarzen Peter«. »Self-fulfilling-prophecy« durch selektive Wahrnehmung. 5. Gesichtsverlust: Öffentliche und direkte persönliche Angriffe; ritualisierte und inszenierte »Demaskierungsaktionen«, Isolation, Verbannen. Kampf um Ideologien, Prinzipien und Werte. 6. Drohstrategien: Die Auseinandersetzung wird durch Drohungen und Gegendrohungen bestimmt. Der Konflikt wird durch Ultimatum und Gegenultimatum bestimmt. 7. Begrenzte Schläge: Begrenzte Vernichtungsschläge als »passende Antwort«; Denken in »Dingkategorien« ohne menschliche Qualitäten. Werte werden umgekehrt: Ein relativ kleiner eigener Schaden ist ein Gewinn im bestehenden Kampf. 8. Zersplitterung: Ziel ist die Zerstörung des feindlichen Systems: Es soll nicht mehr steuerbar sein! <?page no="88"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 89 89 9. Gemeinsam in den Abgrund: Kein Weg führt mehr zurück! Totale Konfrontation, auch wenn »alles in Scherben fällt«; Lust am Selbstmord, wenn auch der Feind dadurch vernichtet wird. Bei den Stufen 1 bis 3 handelt es sich um »win-win«-Situationen, d. h. beide Konfliktparteien können die Situation mit gemeinsamen Vorteilen (Konsens oder Kompromiss) lösen; bei den Stufen 4 bis 6 um »win-lose«-Situationen (Kompromiss oder Sieger-Verlierer-Situation = »Nullsummenspiel«), bei denen die eine Partei gewinnt, die andere verliert, und bei den Stufen 7 bis 9 gehen beide Parteien mit Verlusten aus dem Konflikt (»lose-lose«-Situation). Redlich und Miranow (2003) schlagen eine Reduzierung auf die folgenden vier Eskalationsstufen vor: Tab. 5: Reduzierung der Konflikteskalation auf vier Stufen Stufe Kommunikation Beziehungsgestaltung Konfliktinhalte Ergebnis Diskussion Diskussion Respekt und Glaubwürdigkeit Aufgabenbezogene Interessen Gemeinsamer Gewinn Polarisierung Vollendete Tatsachen schaffen Stereotypisierung, Parteien sind einander noch wichtig Beziehung Kompromiss Ausgrenzung Bedrohungen Misstrauen, Herabsetzung, negative Vorurteile Grundbedürfnisse Gewinner und Verlierer Vernichtung Attacken ohne Kommunikation Hoffnungslosigkeit, Entmenschlichung des Anderen Überleben Nur Verlierer 4.4.5 Konfliktdiagnose Bevor wir intervenieren und versuchen, den Konflikt zu steuern, ist es sinnvoll, eine genaue Diagnose des Konflikts zu erstellen. Dazu gehört folgende Analyse: • Was sind die konkreten Streitpunkte (»Issues«)? Geht es vorwiegend um Interessen-, Wert- oder Ziel-/ Mittelkonflikte? <?page no="89"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 90 90 • Wie ist der Konflikt bisher verlaufen, was wurde zur Konfliktsteuerung versucht, und auf welcher Eskalationsstufe befinden sich die Konfliktparteien? • Wie ist die (innere) Bereitschaft der Betroffenen, sich mit dem Konflikt zu beschäftigen? • Wie sind die Beziehungen zwischen den Konfliktparteien? • Wie sind ihre Grundeinstellungen und strategischen Ziele? (Glasl 2002b, S. 95 ff.) Hilfreich ist es, wenn die Beteiligten zuerst einmal versuchen, die Konfliktsituation für sich zu analysieren. Dazu kann der folgende Fragebogen zur Konfliktanalyse hilfreich sein. Fragebogen zur (individuellen) Konfliktanalyse: Bitte versuchen Sie, die folgenden Fragen zum bestehenden Konflikt möglichst konkret zu beantworten: 1. Wo liegen die Differenzen, Schwierigkeiten, Streitpunkte? 2. Wie bereit bin ich überhaupt, mich damit auseinanderzusetzen? 3. Ist es überhaupt notwendig, dass ich mich mit den Differenzen auseinandersetze? Was würde passieren, wenn ich (nicht) aktiv werden würde? 4. Welche Personen/ Gruppen sind am Konflikt beteiligt? Welche Interessen/ Ziele verfolgen die anderen Beteiligten? Wie ist deren Motivation? 5. Was sind die Ziele der Beteiligten? -die offen vorgetragenen? - die versteckten? - wo liegen die sachlichen, emotionalen, wertbezogenen Differenzen? 6. Was hat den Konflikt ausgelöst, und was wurde bisher von wem versucht, ihn zu lösen? Warum sind die bisherigen Versuche gescheitert? 7. Wie groß ist die Bereitschaft zu einer gemeinsamen Lösung? - Wie sind die Machtverhältnisse zwischen den Konfliktparteien? - Besteht Zwang zur Einigung? 8. Wen kann ich zur Unterstützung heranziehen? - Wer genießt Vertrauen bei der/ den anderen Partei/ en? 9. Welche Informationen fehlen mir noch? 10. Wenn ich jetzt einmal diese Schwierigkeiten bearbeiten würde (ohne Wenn und Aber), was würde ich als Erstes, Zweites, Drittes ausprobieren? Was könnte eintreten, wenn ich so vorgehen würde? 11. Wenn ich meine bisherigen Überlegungen zur Konfliktlösung betrachte - was ist noch offen? - Wozu brauche ich noch Anregungen? - An wen könnte ich mich wenden? 12. Wie sieht die ideale Lösung für die jeweilige Konfliktpartei aus? Gibt es gemeinsame Ziele? Bei welchen Punkten könnte man schnell Einigung erzielen? Gegen welche Aspekte richten sich die Widerstände, und wie könnte ein Kompromiss (idealerweise Konsens) aussehen? <?page no="90"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 91 91 Wenn diese Fragen klar beantwortet sind, kann der Konflikt gezielt bearbeitet werden. Dabei ist es aber sicher wichtig, die zentralen psychischen Mechanismen zu beachten, die bei einem Konflikt wirksam sind. 4.4.6 Interventionsmöglichkeiten der Konfliktsteuerung Im Folgenden werden einige zentrale Ansätze, die im konkreten beruflichen (und privaten) Alltag sinnvoll und praktikabel erscheinen, dargestellt. Konfliktsteuerung nach der »DALLAS«-Methode Eine konfliktfreie Gruppe gibt es nicht; es gibt bestenfalls Gruppen oder Gruppenmitglieder, die ihre Konflikte nicht wahrhaben wollen und verdrängen. Dies ist auch verständlich, da jeder Konflikt bestehende Motive hemmt, frustriert und uns zeigt, dass die gewünschte Sicherheit und Harmonie getrübt ist. Der Umgang mit bestehenden Konflikten ist individuell sehr verschieden und hängt von der Lerngeschichte, der Lebenserfahrung und damit der »Reife« der Beteiligten ab. So kann man konfliktträchtige Partner verspotten, abwerten, ignorieren oder eliminieren, man kann Konflikte durch Abstimmung und Mehrheitsbeschlüsse unterdrücken, man kann Allianzen bilden, Kompromisse suchen, die Beteiligten bei der Lösung in die Pflicht nehmen, integrieren und versuchen, die Probleme partnerschaftlich, zum gemeinsamen Vorteil, zu lösen. Allerdings müssen wir dabei auch akzeptieren können, dass nicht alle Konflikte lösbar sind und es auch »partnerschaftliche Trennungen« gibt, die für die Beteiligten aber nachvollziehbar sind. Im Folgenden werden die einzelnen Schritte dargestellt, die eine Konfliktlösung im Sinne einer partnerschaftlichen Lösung, eines »Nicht-Nullsummenspiels«, ermöglichen. Böning (1991) bezeichnet das Vorgehen einprägsam als »DALLAS«-Methode. Der Name setzt sich aus den Anfangsbuchstaben der einzelnen Gesprächsphasen zusammen. Das beschriebene Vorgehen eignet sich gut für die ersten zwei bis drei Stufen der Konfliktentwicklung nach Glasl (2003), bei denen die Beteiligten ohne externe Hilfe den Konflikt erfolgreich bearbeiten können. Die einzelnen Stufen des Gesprächsablaufes sind: • Definieren: Ein Konflikt entsteht, wenn eine bestehende (»IST«)-Situation mit einer vereinbarten, gewünschten (»SOLL«)-Situation nicht übereinstimmt. Zuerst muss demnach die Abweichung der ISTvon der SOLL-Situation mit den Beteiligten klar herausgearbeitet und die unterschiedlichen Sichtweisen beschrieben werden. Bei den Konfliktbetrofwww.claudia-wild.de: <?page no="91"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 92 92 fenen muss ein Problembewusstsein entstehen, damit der Konflikt auch als solcher erkannt wird. • Aktivieren/ motivieren: Wenn die Abweichung klar beschrieben wurde (ohne Schuldzuweisungen vorzunehmen) ist zu klären, wie die »Konfliktpartner« den Unterschied zwischen IST- und SOLL-Situation bewerten und wie stark ihre Bereitschaft ist, sich intellektuell und emotional mit dem Problem auseinanderzusetzen. Dabei sollten folgende Fragen beantwortet werden: Welche Wünsche stehen hinter den individuellen Vorwürfen? Welche Vorteile/ Nachteile entstehen bei den Beteiligten, wenn sie sich an der Lösung engagieren? Welche gemeinsamen Ziele können gefunden werden? • Lösungsmöglichkeiten erarbeiten: Die bisherigen Lösungsversuche und die Ursachen des Scheiterns sollten in dieser Phase reflektiert und neue Lösungsvorschläge (z. B. mit Brainstorming möglichst viele Einfälle produzieren) gesammelt werden. Schließen sich Lösungswege aus oder ergänzen sie sich? • Lösungsmöglichkeiten bewerten und Entscheidungen treffen (lassen): Jetzt werden die erarbeiteten Lösungsmöglichkeiten auf ihre Umsetzbarkeit in der Realität hin bewertet und die Entscheidung (gemeinsam) getroffen. Hier ist zu überlegen, welche Konsequenzen entstehen und welche Kompromisse erforderlich sind, damit alle Betroffenen die Entscheidung mittragen und von ihr auch profitieren können. • Ausführen der Entscheidung: Es sollte anschließend ein Aktionsplan erstellt werden, in dem festgelegt wird, welche Anweisungen erforderlich sind (Wer erledigt was, bis wann, mit wem und mit welcher Kontrolle? ) • Situation neu bewerten: Nach der Kontrollzeit sind die beobachteten Verhaltensänderungen neu zu bewerten (IST-SOLL-Vergleich). Sind neue Probleme entstanden? Dabei sollten positive Rückmeldungen nicht vergessen werden! Übungsvorschlag: Die Gruppenmitglieder schreiben auf Kärtchen aktuelle Konfliktsituationen, die sie demnächst angehen wollen. Die Beschreibungen werden gesammelt und an einer Pinnwand (»Klagemauer«) dargestellt. In Kleingruppen (drei bis vier Teilnehmer) werden einzelne Situationen ausgewählt und das Vorgehen bei der Konfliktsteuerung nach dem vorgeschlagenen »DALLAS«-Schema durchgesprochen.Anschließend berichten die Gruppen über ihre Erfahrungen mit dem Schema. Danach bereiten die Kleingruppen ein Rollenspiel zu einem persönlichen Konfliktfall vor. Das Rollenspiel wird auf Video aufgezeichnet, so dass eine konkrete Rückmeldung des Konfliktlösungsverhaltens möglich ist. <?page no="92"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 93 93 Bei der Rückmeldung sollten folgende Punkte herausgearbeitet werden: • Wie haben sich die Konfliktpartner beim Rollenspiel gefühlt? • War eine sinnvolle Systematik zu erkennen? • Hört der Gesprächsleiter aktiv zu, versucht er, die Wünsche, Motive, Befürchtungen des Gesprächspartners zu verstehen? • Verwendet er Ich-Aussagen anstelle von Du-Angriffen? • Ist er um eine Beziehungsklärung bemüht? • Was war besonders gut an der Gesprächsführung? • Welche Empfehlungen möchten die Beobachter dem Gesprächsleiter geben? Konfliktmanagement durch externe Helfer Ab der dritten Stufe der Konflikteskalation nach Glasl (2003) sind die Fronten so verhärtet und das Verhalten der Konfliktparteien so stark durch Vorurteile bestimmt, dass die Konfliktlösung durch die Betroffenen ohne neutrale Hilfe von außen kaum mehr möglich ist. Das »Konfliktmanagement« wird hier von einem überparteilichen (professionellen) Berater/ Moderator oder einem Moderatorenteam durchgeführt. In der Praxis hat sich dafür der Begriff »Mediation« eingebürgert. Ansätze beim Wahrnehmen und Denken der Beteiligten Die zentralen Ziele der Berater bei der »Wahrnehmungsklärung« sind, dass die Konfliktparteien ihre verzerrte Wahrnehmung erkennen und bereit sind, diese in Frage zu stellen und sie zu korrigieren. Wichtig ist auch, dass die Betroffenen die Entstehungsbedingungen für ihre verzerrte Wahrnehmung analysieren, um sie zukünftig vermeiden zu können. Das Grundprinzip des Vorgehens besteht darin, dass die betroffenen Konfliktparteien ihre subjektiven (impliziten) Vorurteile aussprechen, austauschen und gegenseitig zur Kenntnis nehmen. Dadurch wird deutlich, dass die eigene (subjektive) Wahrnehmung relativ ist und überprüft werden sollte. Gleichzeitig wird erfahrbar, dass eigenes Verhalten die Wahrnehmungsverzerrungen gefördert hat. Die »Wahrnehmungsklärung« verläuft über folgende Phasen: 1. Die beteiligten Personen/ Konfliktparteien beschreiben auf Flipcharts ihr Selbst- (So sehen wir uns) und das Fremdbild (So sehen wir die anderen). 2. Beide Parteien treffen sich im Plenum und präsentieren das jeweilige Fremdbild. Die Gegenpartei hört zu und kann Verständnisfragen (Wie kommen Sie zu diesem Bild? Was verstehen Sie unter …? ) stellen. Es findet keine Diskussion des Fremdbildes statt. Die Verständnisfragen sollen möglichst konkret beantwortet werden. <?page no="93"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 94 94 3. Beide Parteien vergleichen getrennt das erfahrene Fremdbild mit ihrem Selbstbild. Sie fragen sich, welche eigenen Verhaltensweisen dazu beigetragen haben, dass das Fremdbild entstehen konnte. 4. Beide Parteien tauschen (nacheinander) im Plenum ihre gefundenen Erklärungen aus. Die andere Partei stellt Verständnisfragen und spricht aus, ob die Erklärungen aus ihrer Sicht zutreffend sind und welche Reibungspunkte noch bestehen. Es findet aber keine Diskussion statt. 5. Beide Parteien vereinbaren Verhaltensweisen für die Zukunft (z. B. durch »Rollenverhandeln«), um die verzerrte Wahrnehmung in Zukunft zu vermeiden. Bei »kalten« Konflikten besteht allerdings die Gefahr, dass die gegenseitige Stellungnahme als zu bedrohlich erlebt wird und keine Annäherung möglich ist. Verhaltensänderungen durch Rollenverhandeln Beim Rollenverhandeln bittet der Moderator die betroffenen Parteien aufzuschreiben, welche konkreten Verhaltensweisen sie sich in Zukunft von der anderen Partei wünschen würden: 1. Meine/ unsere Bitte ist, dass folgende Verhaltensweisen in Zukunft neu und öfter gezeigt werden, 2. folgende Verhaltensweisen in Zukunft nicht mehr oder seltener gezeigt werden, 3. folgende Verhaltensweisen in Zukunft unverändert beibehalten werden. Die Parteien informieren sich gegenseitig über ihre Wünsche, stellen klärende Fragen und überlegen sich, welche Wünsche erfüllt werden können. Es müssen dabei nicht alle Wünsche befriedigt werden. Die vereinbarten Verhaltensweisen werden durch Unterschriften auf dem Flipchart bestätigt. Sinnvoll ist es dabei, einen Folgetermin zu vereinbaren, um die Effektivität zu überprüfen. Suche nach gemeinsamen Zielen Gordon (1996, 1998) hat die folgende Methode vorgeschlagen, nach der die Konfliktparteien getrennt zehn Sachverhalte und Bedürfnisse aufschreiben, die für sie wichtig sind und für die sie auch kämpfen würden. Sie bringen diese in eine Rangreihe und tauschen die Listen aus. 1. Der Moderator bittet Partei A, ihre Bedürfnisse an B zu artikulieren; B soll zunächst nur zuhören und Klärungsfragen stellen. Partei A formuliert ihren Standpunkt und erklärt, was sie damit erreichen will (Ziel X’). 2. Partei B stellt anschließend ihre Ansicht dar; A hört zu und stellt Klärungsfragen. B formuliert ihr Ziel (Ziel Y’). <?page no="94"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 95 95 3. Der Moderator versucht nun, im Gespräch weitere Ziele von A und B herauszufinden. A und B können dabei feststellen, ob übergeordnete Ziele hinter ihren Maßnahmen und den Zielvorstellungen vorhanden sind. Beide Parteien formulieren, was sie als gemeinsames Oberziel sehen. 4. Beide Parteien suchen nach neuen Maßnahmen, die sich aus den gefundenen Oberzielen ableiten lassen, wobei bisherige Vorstellungen/ Maßnahmen nicht besprochen werden. A: Ziel X’ à Oberziel X1, X2, X3. B: Ziel Y’ à Oberziel Y1, Y3, Y4. Gemeinsame Ziele 1 und 3 à Konsens über Maßnahmen Z1 und Z3 5. Die Parteien einigen sich über Maßnahme Z1 und Z3, nachdem sie die Vor- und Nachteile diskutiert haben. (nach Glasl 2003, S. 131 f.) Die »Klärungshilfe« bei chronischen Teamkonflikten Thomann (2004) hat für chronische Gruppenkonflikte ein intensives, mehrtägiges und sehr praxisbezogenes Verfahren entwickelt, dessen Ablauf im Folgenden beschrieben wird. Für ihn sind Konflikte in Arbeitsgruppen unvermeidbar, da »überall, wo Menschen miteinander schaffen, machen sie sich über kurz oder lang auch zu schaffen« (Thomann 2004, S. 20). Er hat seine Methode nicht für private Beziehungskonflikte, sondern für berufliche Teamkonflikte entwickelt und erprobt. Beziehungsaspekte werden nur angesprochen, wenn ihre Bearbeitung erforderlich ist, um das Teamziel zu erreichen. Das Vorgehen bei der Klärungshilfe durchläuft insgesamt sieben Stufen: 0. Auftragsklärung: Die Führungsaufgabe wird während des Klärungsprozesses vom höchsten betroffenen Vorgesetzten auf den Klärungshelfer delegiert. Die Fragen nach Organisation von Zeit, Raum, Geld, Material, Teilnehmerkreis (alle direkt vom Konflikt Betroffenen), Konfliktsituation, bisherige Maßnahmen, Ziele und Erwartungen an den Klärungshelfer u. s. w. sind abzusprechen, und eine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit sollte entstehen. 1. Anfang: In dieser Phase geht es darum, den Kontakt mit den Beteiligten herzustellen. Die Situations- und Rollenklärung ist dabei vorrangig. Der Vorgesetzte delegiert die Verantwortung auf den Klärungshelfer (KH), der sich und seine Strategie vorstellt (»Vergangenheit verstehen - Gegenwart klären - Zukunft planen«). Er stellt auch die Trennung zwischen privaten und persönlichen Informationen vor: »Privates« geht in der Arbeitswelt niemanden etwas an! »Persönliches«, das die Gefühle und Einstellungen zur <?page no="95"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 96 96 Arbeitswelt betrifft, hingegen schon! Bei chronischen Konflikten kommt man mit dem »Deckeln« der Gefühle (»kalter« Konflikt) nicht mehr weiter: »Die »Jauchegrube« der gemeinsamen Zusammenarbeit muss nun einmal gemeinsam ausgeschöpft werden. Jauche ist ja nicht nur stinkender Abfall, sondern ist zugleich auch Biodünger und zukünftiger Humus, hier für das Wachsen der Zusammenarbeit und der Kommunikation« (Thomann 2004, S. 115). Die subjektive Wahrheit (Selbst- und Fremdbild) einer Konfliktsituation ist von primärer Bedeutung und wird vom Klärungshelfer voll akzeptiert. 2. Selbstklärung: Hier beginnt der Einstieg in die inhaltlichen und emotionalen Konfliktaspekte, d. h. die Analyse, wie die Teilnehmer das Konfliktthema sehen: Der Moderator und die betroffenen Teilnehmer müssen nachvollziehen und verstehen können, wie jeder Beteiligte den Konflikt sieht und erlebt: »Grundprinzip für alle: Lassen Sie nichts durch, was Sie noch nicht verstanden haben« (Thomann 2004, S. 133). Die Teilnehmer reflektieren in Einzelarbeit den Konflikt und versuchen, ihre Sichtweise als Bild auf einem Flipchart darzustellen (ca. 15 min). Anschließend werden die Bilder im Plenum vorgestellt, wobei nur Verständnisfragen zugelassen sind (keine Kommentare oder Interpretationen! ). Bei der Bildvorstellung sollten die »rangniedrigeren« Teilnehmer vor den Vorgesetzten bzw. die Neueren vor den Älteren beginnen, da die gegenseitige Beeinflussung dann geringer ist. Der Klärungshelfer ist dabei der zentrale Gesprächspartner, da er am wenigsten vom Konflikt weiß. Wenn er die dargestellte Sichtweise versteht, dann dürfte sie auch für die anderen Mitwisser klar sein, ansonsten werden sie zu Verständnisfragen aufgefordert. Wichtig ist, dass hier nur die subjektive Sichtweise dargestellt wird und Diskussionen oder versteckte Vorwürfe zu den angesprochenen Punkten vom Klärungshelfer unterbunden werden. Nach der Bilddarstellung sollte eine Pause eingeplant werden, damit die Teilnehmer die Informationen verarbeiten können und auch der Moderator eine Gelegenheit hat, sich innerlich und äußerlich auf die Diagnose des IST- Zustandes vorzubereiten (z. B. ein Beziehungs-Soziogramm auf Flipchart mit den angesprochen Sach- und Beziehungsthemen zu skizzieren). Nach der Pause visualisiert der Klärungshelfer seine »Zwischenbilanz« (IST-Diagnose) und leitet den nächsten Schritt ein, wobei er die Faustregel beherzigt: Beginne immer mit dem schwierigsten Konfliktpunkt. 3. Dialog der Wahrheit: Die unterschiedlichen subjektiven Wahrheiten müssen nun einander gegenübergestellt werden. Die einzelnen Themen aus den Selbstklärungen werden nacheinander im Dialog angesprochen. Dies ist die Phase der (manchmal schlimmen) Wahrheitssuche: Der Konflikt wird auf den <?page no="96"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 97 97 Punkt gebracht. Ziel ist es, dass die betroffenen Teilnehmer über die bestehenden Gefühle, Beziehungen, das Wie, Wieso und Warum Klarheit gewinnen. Die Dialogphase der Teamklärung besteht aus einer Reihe von Beziehungs-, Einzel-, Gruppen- und Themenklärungen (entspricht einem verlangsamten Streitdialog). Das Arrangement kann dabei die »Fish-Bowl«-Anordnung sein, bei der die zentral Betroffenen in der Mitte und die anderen Teilnehmer im Hintergrund sitzen. Bei dieser »Exklusivklärung« dürfen nur die unmittelbar Beteiligten und der Klärungshelfer dialogisieren. Erst nach Abschluss der zentralen Klärung kommt es zu einem Austausch in der Gesamtgruppe. Eine andere Möglichkeit ist der Kreis, bei dem der Klärungshelfer zwischen den zentralen Konfliktbeteiligten sitzt. Als Einstieg in das aktuelle Konfliktthema sollte jeder Teilnehmer im Kreis ein kurzes Statement abgeben, bevor der Dialog beginnt. Beginnen sollte derjenige, der das Thema eingebracht oder den größten Leidensdruck hat. Die ausgetauschten Gefühle, Meinungen, Reaktionen sollten möglichst alle vom Klärungshelfer »gedoppelt« werden. Doppeln: Das Doppeln ist beim »Dialog der Wahrheit« die zentrale Technik; es ist ein Übersetzen/ Dolmetschen zwischen den Konflikt-parteien und damit ein Vermitteln der erlebten Realitäten und Hilfe bei der Beziehungsklärung. Der Moderator hört die Aussagen des »Konfliktträgers A« an und fragt den »Konfliktpartner B«: »Wie reagieren Sie darauf? / Was sagen Sie dazu? « Auf die Antwort von B lässt er nun A nicht spontan antworten, sondern »doppelt«: Er fragt dabei vom eigenen Platz aus: »Darf ich mal neben Sie treten und an Ihrer Stelle etwas zu Person A sagen und Sie sagen dann, ob das stimmt? « (Thomann 2004, S. 291). Nach der Erlaubnis steht der Klärungshelfer auf, tritt neben die Konfliktpartei (B) und übersetzt dessen Aussage in eine Ich-Botschaft an den Konfliktpartner (A). Er fragt die gedoppelte Person/ Partei B zwischendurch, auf alle Fälle aber am Schluss des Doppelns: »Stimmt das so? Ist das so richtig? « Bei der Antwort »Nein« oder einem verzögerten »Ja« fordert der Klärungshelfer B zur Verbesserung auf. Nach dem Doppeln setzt sich der Moderator auf seinen Platz zurück und fordert erst von dort aus den angesprochenen Konfliktpartner A auf: »Was sagen Sie dazu? Wie reagieren Sie darauf? « Dieser Schritt führt dann automatisch zum Dialog. (Weitere ausführliche Hinweise zum Doppeln: Thomann 2004, S. 291 ff, 370 ff.). Eine Gefahr in der Dialogphase ist es, nach Lösungen zu suchen, bevor alle zerstörerischen Gefühle angesprochen wurden. »Halb aufgerissene, nicht gelöste Konflikte potenzieren sich, wenn die Beteiligten im Alltag ihrem normalen Konfliktverhalten überlassen werden« (ebd., S. 167). Erst wenn die »Wahrheitssuche« abgeschlossen ist, können tragfähige Lösungen gefunden werden. <?page no="97"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 98 98 4. Erklärungen und Lösungen: Der Klärungshelfer macht nun einen deutlichen Schnitt und schlägt ein metakommunikatives Vorgehen vor: »Ich möchte Ihnen einmal sagen, wie ich das von außen sehe.« Er beschreibt, was er aus abgehobener Warte »auf dem Tummelfeld der entfesselten Gefühle« sieht. Diese Systemklärung kann anhand verschiedener Erklärungsmodelle geschehen (z. B. Teufelskreise - systemischer Blickwinkel). »Alles, was der Erklärung dient, ist in dieser Phase nützlich. Die Erklärung muss aber Sinn stiftend und systemgünstig sein« (Thomann 2004, S. 203). Lösungen und Transfer: Es werden nun zu den ausstehenden Konfliktthemen konkrete Lösungen verabredet. Die Aufgabe des Moderators ist es, die »Realitätsdusche«, den »Advocatus Diaboli« zu spielen, damit die gefundenen Lösungen auch in der Wirklichkeit des Alltags umgesetzt werden können. Mit der »Marktplatz-Methode« oder dem Brainstorming werden schriftliche Vereinbarungswünsche auf Metaplan-Karten (Absender, Adressat, Wunsch) gesammelt. Die Karten werden in Einzelarbeit oder in Kleingruppen geschrieben, anschließend verlesen und auf dem »Marktstand« vor den eigenen Füßen ausgelegt. Diese individuellen Wünsche werden dann vor und mit der Gruppe verhandelt, abgesprochen und die Lösungen schriftlich vereinbart (Terminkalender, Aktionsplan). 5. Abschluss: Der Klärungsprozesses wird durch eine Abschlussrunde beendet, bei der die Teilnehmer den Ablauf reflektieren, noch offene Themen ansprechen und dem Klärungshelfer Feed-back geben (»Was gibt es zum Abschluss noch zu sagen? Was würden Sie mir in mein Stammbuch schreiben? «). 6. Nachsorge: Zur Stabilisierung der Ergebnisse sind Nachfolgetreffen sehr sinnvoll. Sollten sie nicht vereinbart werden, sollte der Klärungshelfer nach einiger Zeit beim Auftraggeber nachfragen, wie die weitere Entwicklung verlief. 4.5 Gruppenstruktur und Gruppenatmosphäre Während der Arbeit mit Gruppen kommt es zu einer Differenzierung und Strukturierung der Rollen, die von den einzelnen Gruppenmitgliedern übernommen werden. Zuerst bildet sich die Führungsrolle - die anfangs meist durch den formalen Gruppenleiter vorgegeben ist - und anschließend weitere Spezialistenrollen. In etablierten Gruppen finden wir ein differenziertes, hierarchisches Rollensystem, das oft an die bekannte »Hackordnung« im Hühnerhof erinnert. In betrieblichen Gruppen ist die Aufgaben- und Rollenstruktur sogar schriftlich fixiert; allerdings bilden sich dort weitgehend <?page no="98"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 99 99 unabhängig von den vorgeschriebenen Kommunikationsbahnen auch spontane, informelle Gruppierungen. 4.5.1 Analyse der Gruppenstruktur Zur Analyse der aktuellen Gruppenstruktur bieten sich zwei sozialwissenschaftliche Methoden an: systematische Beobachtung und Soziometrie. Da beide Verfahren auch gut zur Prozessanalyse in der Gruppenarbeit verwendet werden können, sollen sie kurz skizziert werden. Systematische Beobachtung Die einfachste Form der systematischen Beobachtung besteht darin, die Interaktionen zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern in einer Beobachtungsmatrix festzuhalten (siehe Tabelle 6). Diese Strichliste zeigt uns, wer in der Beobachtungszeit am aktivsten war, und an welches Gruppenmitglied die meisten Aktivitäten gerichtet wurden. Diese Ergebnisse können wir dann weiter grafisch verarbeiten (ähnlich wie beim Soziogramm). Die Führungsrolle nimmt in der Regel derjenige ein, von dem die meisten Aktivitäten ausgehen und auf den sich die Aktivitäten der anderen konzentrieren. Übungsvorschlag: Interpretieren Sie die Aufzeichnungen in der Interaktionsmatrix (Tabelle 6); welche Rollen sind erkennbar? Allerdings erhalten wir bei dieser Beobachtung keine Informationen über die Inhalte der beobachteten Interaktionen. Wir können natürlich jetzt versuchen, die Inhalte zu berücksichtigen und zu diesem Zweck eine Reihe weiterer Beobachtungskategorien entwickeln, welche die Beobachtung einer ganzen Gruppe allerdings komplizieren und in der Regel mehrere Beobachter erfordern. Als Beispiel für ein solches Beobachtungsschema haben wir die überarbeitete Form der »Interaktionsprozessanalyse« (Bales 1950, Borgotta 1962) schon in Kapitel 3 kennengelernt. Mit diesem Schema können die unterschiedlichen Beiträge auf der Inhalts- und der Beziehungsebene erfasst werden. Dabei wird für jedes Gruppenmitglied ein Beobachtungsblatt ausgefüllt, in dem auch aufgenommen wird, an welches andere Gruppenmitglied die jeweilige Aktivität gerichtet war. <?page no="99"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 100 100 Tab. 6: Interaktionsmatrix einer Arbeitsgruppe passiv aktiv: Gruppenmitglieder Summe aktiv Rang aktiv A B C D E F G Gruppe A à | | | | | 5 4 B à | | | | | | | | 8 2 C à | | | | | | 6 3 D à | 1 6,5 E à | | 2 5 F à | | | | | | | | | | 10 1 G à | 1 6,5 Summe passiv 3 2 2 6 2 11 4 3 Rang passiv 4,5 7 7 2 7 1 3 4,5 Je nach Fragestellung können wir die Anzahl der Kategorien verändern, um den Beobachtungs- und Auswertungsaufwand in Grenzen zu halten. Der Vorteil einer differenzierteren Beobachtung besteht darin, dass wir die Interaktionen in den einzelnen Kategorien getrennt auswerten können. Dabei wird dann deutlich, von wem die meisten problemlösenden Impulse ausgingen, wer die Situation entspannt, am meisten oppositionell oder aggressiv ist, bzw. auf wen sich diese Aktivitäten beziehen. Wir können demnach sehr gut die dominierenden Kommunikationswege und die spezifischen Rollen (z. B. Leiter, Sympathieträger, Opponent, schwarzes Schaf usw.) in der beobachteten Gruppe analysieren. Soziometrie Die Soziometrie ist eine Befragungstechnik, bei der die einzelnen Gruppenmitglieder Fragen der folgenden Art zu beantworten haben: Mit wem möchten Sie am liebsten zusammenarbeiten (oder ins Kino gehen …)? Mit wem an wenigsten gerne …? Bei diesem »soziometrischen Test«, wie diese Fragen von Moreno bezeichnet wurden (nach Höhn und Schick 1976), geht es primär darum, das »emotionale Beziehungsgeflecht« in der Gruppe zu analysieren. Die positiven und negativen Wahlen werden dann in eine Soziomatrix übertragen und anschließend grafisch (Soziogramm) oder mit Hilfe statistischer Kennwerte (Statusindex, Kohäsionsindex u. Ä.) weiter <?page no="100"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 101 101 verarbeitet. Das Vorgehen sei an einem Beispiel demonstriert (aus Höhn und Schick 1976, S. 33). Die Fragestellung lautete dabei: Mit welchem Gruppenmitglied möchten Sie am liebsten (+) bzw. am wenigsten gern (-) in der nächsten Arbeitsgruppe zusammenarbeiten? Die Einzelergebnisse wurden in Tabelle 7 zusammengefasst. Tab. 7: Soziomatrix einer Arbeitsgruppe (+ bedeuten positive, - negative Wahlen). Gewählte Anzahl der abgegebenen Wahlen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 + - Gesamt Wählende 1 / + + + + - - 4 2 6 2 + / + + - 3 1 4 3 + + / - 2 1 3 4 + + / - 2 1 3 5 + + / 2 - 2 6 + + / - 2 1 3 7 - / + + - 2 2 4 8 + / + 2 - 2 9 - - / - - 3 3 10 + + / - 2 1 3 11 + + / 2 - 2 12 + + / - 2 1 3 13 - - - - / - 4 4 + 6 2 3 3 3 - 4 2 2 - - - - - 1 1 1 - - - 3 1 - - - 1 9 S 7 3 4 3 3 - 7 3 2 - - 1 9 Erhaltene Wahlen Diese Soziomatrix zeigt schon einige Schwerpunkte, ist aber insgesamt wenig übersichtlich. Meist versucht man, diese Matrix grafisch, in der Form des Soziogramms, darzustellen. Die Wahlen werden darin durch Pfeile angedeutet. Positive Wahlen sind mit durchgezogenen, negative mit gestrichelten Linien symbolisiert. Dicker gezeichnete Linien entsprechen gegenseitigen (negativen oder positiven) Wahlen. <?page no="101"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 102 102 Übungsvorschlag: Abbildung 12 zeigt das Soziogramm der untersuchten Arbeitsgruppe. Bitte überlegen Sie sich, welche Annahmen Sie aufgrund des Soziogramms über die möglichen Schwierigkeiten in dieser Gruppe machen können. Bei der Diskussion sollte herausgearbeitet werden, dass zwei auffallende Positionen existieren: der Star (1) und der Oppositionsführer (7), die Cliquen um sich gebildet haben und sich gegenseitig ablehnen. 13 wird von den meisten abgelehnt und ist der Außenseiter in der Gruppe (»schwarzes Schaf«). 6 sucht Anschluss an die Clique des Stars und 11 an die des Oppositionsführers. 10 und 12 schwanken zwischen den beiden Cliquen; sie wählen zwar selbst, werden aber nicht gewählt (»Randfiguren«). Völlig isoliert (weder positive noch negative Wahlen) ist in der Gruppe niemand. Die Probleme der Gruppe dürften zu diesem Zeitpunkt in den beiden rivalisierenden Gruppen, der Existenz von Randfiguren und des Außenseiters liegen. Mit Hilfe des Soziogramms können wir auch gut zeigen, dass in den meisten Gruppen eine Rollendifferenzierung nach Leistung und Beliebtheit stattfindet (Divergenztheorem nach Hofstätter 1986), wenn man die Fragen entsprechend formuliert (z. B. fachlicher Vorgesetzter bzw. Begleiter(in) auf einer einsamen Insel). 4.5.2 Gruppenstruktur, Gruppenleistung und Atmosphäre Die Gruppenstruktur beeinflusst die Kommunikationsdichte zwischen den Gruppenmitgliedern und damit auch die Arbeitsatmosphäre. Bavelas (1950) hat in einem Experiment die Art und Weise, in der Gruppenmitglieder kommunizieren können, variiert und die Auswirkungen auf Leistung und Atmo- Abb. 12: Soziogramm des Beziehungsgeflechtes in einer Gruppe (aus Höhn & Schick 1976, S. 33) <?page no="102"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 103 103 sphäre untersucht. Bei diesem Experiment sitzen fünf Personen, durch Sichtblenden voneinander getrennt, an einem Tisch und haben relativ leichte Aufgaben zu lösen. Jeder erhält eine Karte, auf der fünf von sechs möglichen Symbolen (Dreieck, Stern, Quadrat, Kreuz, Raute und Kreis) abgebildet sind (siehe Ellipse in Abbildung 13). Die Aufgabe besteht darin herauszufinden, welches Symbol auf den verteilten Karten bei allen vorhanden ist. Die Teilnehmer dürfen sich jetzt allerdings nicht über ihre Symbole unterhalten, sondern können nur Informationen auf Zetteln in ganz bestimmten Kommunikationsmustern (Kreis, Kette, Stern, siehe Abbildung 14) weitergeben. Sobald sie glauben, die Lösung gefunden zu haben, können sie diese dem Versuchsleiter melden. Insgesamt wurden 15 verschiedene Aufgaben bearbeitet und dabei die entsprechende Dauer, Fehlerzahl, Organisationsentwicklung, Führungsrolle und anschließend die subjektive Aufgabenzufriedenheit der Teilnehmer erfasst. Die Ergebnisse sind in Abbildung 14 dargestellt. Bei diesem Experiment zeigte sich die zentrale Kommunikationsstruktur am leistungsfähigsten, wobei allerdings die Atmosphäre bei den peripheren Gruppenmitgliedern sehr negativ geschildert wird. Die positivste Atmosphäre schildern die Teilnehmer beim »Kreis«, der allerdings mit einer recht hohen Fehlerquote und großem Zeitaufwand arbeitet. Dieses Experiment wurde häufig wiederholt und variiert (Bastine 1972, S. 1667). Dabei zeigte sich, dass bei komplexeren Aufgabenstellungen die Kommunikationsstrukturen »Kreis« und »Kette« leistungsfähiger als der »Stern« sein können, da sich hier mit der Zeit eine selbstständige Organisation entwickelt, bei welcher der fähigere Teilnehmer zum Kommunikationsmittelpunkt wird, während der Leiter im »Stern« durch die Schwierigkeit der Aufgabenstellung überfordert sein kann. Dieses Experiment stellt - wie jedes andere auch - nur eine mehr oder weniger realitätsnahe Simulation von vorgegebenen Kommunikationsbahnen dar. Es ist aber eine legitime Denkhilfe bei der Erklärung von Auswirkungen streng hierarchischer Kommunikationsstrukturen innerhalb von Organisationen. Untersuchungen und Beobachtungen der Kommunikationen in nichtexperimentellen Situationen zeigen, dass erfolgreiche Gruppen ihre Kommunikationsstruktur flexibel an die Aufgabenstellung und Problemkompetenz Abb. 13: Symbole für die »Kartensymbol«- Übung von Bavelas (1950) <?page no="103"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 104 104 anpassen. Wenn die Kommunikationsstruktur frei gewählt werden kann, wird in der Regel die Aufgabe mit einer dezentralen Struktur angegangen; diese geht nach der kreativen Phase und der Eingewöhnungsphase in eine zentrale Struktur über, die jedoch bei einer Veränderung der Aufgabenschwierigkeit wieder zu einer »kreisförmigen«, mitgliederorientierten Kommunikationsstruktur übergeht (Rechtien 2003). 4.5.3 Kontakt und Distanz Nach amerikanischen Untersuchungen (Forgas 1987, S. 144ff ) teilen wir unsere soziale Umgebung in vier ziemlich abgegrenzte Regionen ein, die unseren Körper wie unsichtbare Blasen umgeben: • intime Zone (bis etwa 50 cm): Nur Freunde und sehr gute Bekannte dürfen sich dort aufhalten; • persönliche Zone (60 bis 120 cm): Bekannte, »Cocktail-Party-Distanz« Abb. 14: Zusammenhang zwischen Gruppenstruktur und Gruppenleistung (Bavelas 1950) Kreis Kette Stern A A A C C C D D D E E E B B B Leistungskriterien: Geschwindigkeit gering Genauigkeit: gering Organisation: unstabil Führerrolle: unbestimmt groß groß groß groß langsam, stabil schnell, stabil deutlich sehr deutlich gering sehr gering Zufriedenheit der Gruppenmitglieder: sehr groß <?page no="104"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 105 105 • gesellschaftliche oder sozial-konsultative Zone (130 bis 350 cm): Chef, Handwerker • und öffentliche Zone (ab 350 cm): Politiker, Vortragender. Für jede dieser Distanzzonen existieren bestimmte unterschiedliche Erwartungen, Normen und Verhaltensweisen. So sind z. B. Blickkontakte innerhalb der intimen und persönlichen Zone nur zwischen Freunden und Bekannten, nicht aber zwischen »Fremden« erlaubt. Übungsvorschlag: Machen Sie auf der Straße folgendes Experiment: Gehen Sie die Straße entlang und halten Sie mit den Passanten Blickkontakt, bis diese auf etwa drei Meter Entfernung herangekommen sind. Wenn Sie das bei etwa zehn Personen gemacht haben, dann verändern Sie Ihr Verhalten und behalten den Blickkontakt bei, bis die Passanten an Ihnen vorbeigegangen sind. Welche unterschiedlichen Reaktionen konnten Sie beobachten? Solange ein Fremder sich in der »öffentlichen Zone« befindet, können wir ihn ungestört ausführlich betrachten; wird die Distanz geringer, dann meiden wir den Blickkontakt oder zeigen durch ein Lächeln, dass ein sozialer Kontakt stattgefunden hat (»Kennen wir uns? «). Sympathie und Statusunterschiede beeinflussen den »persönlichen Raum«. Sie unterliegt auch sehr stark kulturellen und schichtspezifischen Einflussfaktoren: So ist in den Kulturen des mittleren Ostens oder südlicherer Länder die persönliche Distanz meist geringer als bei uns. Untersuchungen in den USA zeigten, dass schwarze Schulkinder in den Schulhöfen näher beieinander stehen als weiße; Gleiches gilt für Unterschichtbzw. Mittelschichtkinder. Verletzen wir absichtlich die impliziten Raumregeln, dann können wir unseren Gesprächspartner systematisch durch den Raum »treiben«, indem wir schrittweise die ihm angenehme Distanz (»Beziehungsdistanz«) unterschreiten. Auch das können Sie leicht durch eine Übung demonstrieren. Sie brauchen nur auf einer Parkbank von der »gesellschaftlichen« Distanzzone immer näher an einen Unbekannten heranrücken, bis Sie seine persönliche oder intime Zone bedrohen; in der Regel wird er wegrücken, sein Territorium verteidigen oder aufgeben. Innerhalb der Distanzzonen ist, wie gesehen, das »Wie viel« an Blickkontakt subtil geregelt. Diese »visuelle Balance« ist abhängig von Geschlecht, Bekanntheitsgrad, Entfernung usw. Zuviel an Blickkontakt ist ebenso ungewöhnlich/ unangenehm wie zuwenig (Übung mit gutem Freund/ -in demonstriert dies überzeugend). Nach Feldexperimenten fahren bei »Rot« angewww.claudia-wild.de: <?page no="105"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 106 106 starrte Autofahrer mit signifikant höherer Geschwindigkeit los, als nicht angestarrte. Auch bei einigen Tierarten wirkt das Anstarren bedrohlich und löst aggressives Verhalten aus. In diesem Zusammenhang wurde eine sehr interessante Hypothese aufgestellt, nach der jede Beziehung und Interaktion ein ganz bestimmtes Intimitätsniveau besitzt, das die Partner durch ein laufendes Senden von Intimitätssignalen (Blicke, Lächeln, Distanz) im Gleichgewicht halten wollen. Nach dieser »Intimitätsgleichgewichts-Theorie« (Forgas 1987, S. 147 ff ) führt eine Steigerung der Intimitätssignale in einer Modalität (z. B. geringere interpersonale Distanz im Aufzug oder Straßenbahn) zu einer Rücknahme in einer anderen (z. B. Blickkontakt, Gesprächsführung), um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Argyle und Dean (1965) ließen männliche und weibliche Probanden mit instruierten Personen interagieren, wobei Letztere unterschiedliche interpersonale Distanzen einnahmen: Bei geschlechtsspezifisch homogenen Paaren ist der Blickkontakt generell länger und steigt mit der Entfernung zwischen den Partnern deutlich an. Der gleiche Verlauf zeigte sich bei heterogenen Paaren, allerdings auf niedrigerem Niveau (Abbildung 15). weibliche Probanden, Komplizin männliche Probanden, Komplize männliche Probanden, Komplizin Distanz (gemessen in Fuß) 2 6 10 140 120 100 80 60 Gesamtdauer des Augenkontaktes über 180 Sekunden weibliche Probanden, Komplize Abb. 15: Zusammenhang zwischen Blickkontakt und sozialer Distanz (aus Forgas 1987, S. 148) <?page no="106"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 107 107 Übungsvorschlag: Erstellen Sie in einer Gruppe ein »lebendiges Soziogramm«, bei dem die Beziehungen zwischen den Mitgliedern sichtbar werden: Es bestehen Paare, Gegner, Cliquen, Außenseiter usw. Dieses Beziehungsnetz wird von den Einzelnen recht unterschiedlich wahrgenommen, was durch diese Übung deutlich gemacht werden kann: Dazu stellen sich alle Gruppenmitglieder im Raum auf. Ein Gruppenmitglied beginnt nun, die anderen und sich selbst im Raum zu verteilen, so wie er das Beziehungsgeflecht sieht. Personen, die gut miteinander »können«, werden zusammengestellt, Gegner Rücken an Rücken, Isolierte weit außerhalb; derjenige, der das »Soziogramm« erstellt, sollte sich zusätzlich auch als »Bildhauer« betätigen und die Gruppenmitglieder in eine Haltung bringen, die ihr Verhalten anderen gegenüber charakterisiert (erhobene Faust, ablehnende Handbewegungen, kniende Haltung usw.). Dann kommt das nächste Gruppenmitglied an die Reihe und kann das Soziogramm verändern, wie es seinem Erleben entspricht usw. Wichtig dabei ist, dass die ganze Zusammenstellung schweigend abläuft. Bei dieser Übung werden die erlebten sozialen Distanzen in der Gruppe deutlich. Daneben erhält jedes Gruppenmitglied viel Rückmeldung darüber, wie es in der Gruppe von anderen gesehen wird. Deshalb sollte sich an die Übung eine ausführliche Diskussion anschließen. 4.6 Gruppenführung Durch die gegenseitige Beeinflussung der Gruppenmitglieder entsteht eine Dynamik, eine Bewegung in Richtung auf bestimmte, gruppenspezifische Ziele. Diejenigen, welche diese Dynamik bestimmen und die zielgerichteten Aktivitäten initiieren, werden als Gruppenführer bezeichnet. Führung ist demnach eine zentrale Gruppenfunktion, ohne die Stillstand eintreten würde und die von verschiedenen Gruppenmitgliedern in unterschiedlichen Situationen wahrgenommen werden kann. Je mehr Gruppenmitglieder sich in unterschiedlichen Situationen in der Führungsrolle abwechseln, umso leistungsfähiger und anpassungsfähiger dürfte die Gruppe sein. In der gruppenpädagogischen Literatur unterscheidet man häufig zwischen der Leitung und Führung von Gruppen. Dadurch will man hervorheben, dass die Führungsrolle eigentlich von jedem Gruppenmitglied übernommen werden kann, sobald es zielorientiert die Einzelaktivitäten initiiert und koordiniert. Die Leitungsfunktion ist hingegen an eine Person gebunden, die formal in diese Funktion eingesetzt wurde. Dabei können die Wünsche und Erwartungen der Gruppenmitglieder berücksichtigt worden sein, <?page no="107"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 108 108 müssen es aber nicht. Diese unterschiedlichen Rollen werden auch in der Sozialpsychologie betont; hier bezeichnet man sie als formale oder informelle Führung. In unserem Zusammenhang soll unter einem Leiter das (formale oder informelle) Gruppenmitglied verstanden werden, das innerhalb der Gruppe in der jeweiligen Situation die zielorientierten Aktivitäten der Gruppenmitglieder am meisten bestimmt. 4.6.1 Formale und informelle Gruppen Die Unterscheidung von Gruppenleitung und Gruppenführung entspricht der Tatsache, dass in größeren Gruppen und bestehenden Organisationen neben der offiziell festgelegten Handlungsstruktur (formale Gruppierungen im Organigramm) eigenständige, informelle Gruppen entstehen. Die formale Struktur soll garantieren, dass die betrieblichen aufgaben- und leistungsorientierten Ziele erreicht werden. Die informellen Gruppen kommen hingegen den individuellen, emotionalen und sozialen Bedürfnissen der Gruppenmitglieder entgegen. Die soziale Realität entspricht meist nicht der formalen Organisationsstruktur, sondern den informellen Gruppierungen mit ihren gruppendynamischen Begleiterscheinungen (Wir-Gefühl, Gruppennormen usw.). Die Bedeutung der informellen Arbeitsgruppen wurden erst in den 30er- Jahren durch die anfangs schon erwähnten »Hawthorne Experimente« (Mayo u. a.) erkannt. Diese Untersuchungen führten auch zu einem neuen Menschenbild des Arbeitnehmers. Herrschte bis zu dieser Zeit das Bild vom nur am Geld interessierten Mitarbeiter (»economical man«) vor, so wandelte es sich nun zur Vorstellung vom »social man«, dem Mitarbeiter, der auch seine sozialen Bedürfnisse bei der Arbeit befriedigen will. Heute sieht man den Mitarbeiter als »complex man«, als einen Menschen, der eine differenzierte Motivstruktur besitzt (z. B. Streben nach Anerkennung, Sicherheit, sozialen Kontakten, Selbstbestimmung). Die Bedeutung der informellen Gruppen für das Funktionieren der formalen Organisation wird gut in einer Untersuchung von Coch und French (1948) demonstriert. In einer Bekleidungsfabrik musste die Produktion umgestellt werden und die Firmenleitung wollte überprüfen, durch welches Vorgehen die bestehenden Widerstände am besten verringert werden können. Zuerst beobachtete man die betroffenen Arbeitsgruppen und registrierte das bestehende Leistungsniveau. Dann bereitete man drei vergleichbare Aufgabengruppen unterschiedlich auf die Umstellung vor: Eine Gruppe wurde mit der Notwendigkeit konfrontiert und hatte die Möglichkeit, bei den anstehenden Planungen mitdiskutieren und entscheiden zu können. Aus der zweiten Gruppe konnten nur Delegierte an der Entscheidungsfindung teilwww.claudia-wild.de: <?page no="108"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 109 109 nehmen, und die dritte Gruppe hatte keine Mitsprachemöglichkeit und wurde mit der Umstellung direkt konfrontiert. In Abbildung 16 wird das Untersuchungsergebnis grafisch dargestellt. Das Ausmaß der Beteiligung und Mitbestimmung spiegelt sich deutlich im Leistungsverhalten der Gruppenmitglieder wider. Je größer die Möglichkeit ist, die Belange der eigenen Arbeit mit zu beeinflussen, desto leichter fällt es, sich auf die neuen Arbeitsbedingungen umzustellen. Bei der Gruppe, die nicht mitbestimmen konnte, zeigte sich nicht nur ein konstanter Leistungseinbruch, sondern auch eine höhere Beschwerde- und Fluktuationsrate. Nach einer weiteren Untersuchung mussten French, Israel und As (1960) dieses Ergebnis allerdings relativieren: Mitbestimmung steigert nur dann die Leistung, wenn die Betroffenen die Entscheidung auch für richtig halten, die Mitbestimmung persönlich als wichtig betrachten und sich von der Firmenleitung als echte Partner akzeptiert fühlen, d. h. wenn so etwas wie ein echtes »Wir-Gefühl« besteht. Übungsvorschlag: Versuchen Sie die formale und informelle Organisationsstruktur Ihrer aktuellen Arbeitsstelle zu skizzieren.Wer ist der Boss, wer ist an Entscheidungen beteiligt, welche Konfliktpunkte tauchen auf, wie werden Entscheidungen gefällt und welche Reaktionen sind zu beobachten? In welchem Zusammenhang kann man den aktuellen Begriff der »Corporate Identity« mit diesen Betrachtungen verbinden? Abb. 16: Gruppenmitbestimmung und Produktionsrate (Coch & French 1948) <?page no="109"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 110 110 4.6.2 Effektive Gruppenführung Gibt es die Führungspersönlichkeit? Führung findet nicht isoliert, sondern stets in einem sozialen Kraftfeld statt. Aus diesem Grunde hat man in der Sozialpsychologie auch jahrzehntelang vergeblich versucht, die Eigenschaften des »big man«, der Führungspersönlichkeit zu analysieren. Auch wenn man häufiger fand, dass Führungspersönlichkeiten sich von Nicht-Führungspersönlichkeiten durch ein intelligenteres, anpassungsfähigeres, extravertierteres, dominanteres, sozial sensibleres und konservativeres Verhalten unterscheiden, so gab es auch eine große Anzahl widersprüchlicher Forschungsergebnisse. Dies ist eigentlich auch nachvollziehbar, wenn man die unterschiedlichen Gruppenziele und -situationen (z. B. politische Partei, Sportverein, Altenclub, Selbsthilfegruppe, …) bedenkt. Gibt es den erfolgreichen Führungsstil? Im »Windschatten« der Eigenschaftstheorie wurden viele Untersuchungen durchgeführt, bei denen man nicht die Persönlichkeitseigenschaften, sondern das Führungsverhalten mit seinen Auswirkungen auf die Gruppe analysierte. Das klassische Experiment dazu stammt von Lewin, Lippitt und White (1939) und »demonstriert« die Überlegenheit des »demokratischen« gegenüber dem »autoritären« und »laissez-faire«-Führungsstil. Bei diesem Experiment kamen zehn- und elfjährige Schüler wöchentlich einmal nachmittags zu einer Spielstunde, die von Erwachsenen geleitet wurde. Die Leiter waren angewiesen, für sechs Wochen einen bestimmten Führungsstil (demokratisch, autoritär oder laissez-faire) zu praktizieren. Nach sechs Wochen wechselten die Führungspersönlichkeiten und auch der praktizierte Führungsstil in den Gruppen. Während der einzelnen Gruppensitzungen wurde das Verhalten der Kinder und der Leitung von mehreren Beobachtern aufgezeichnet. Nach zwölf Sitzungen wurde über das weitere Vorgehen abgestimmt. Die generellen Ergebnisse waren: • Zwischen den einzelnen Führungsstilen und dem Erleben und Verhalten der Kinder existiert ein enger Zusammenhang. • Der praktizierte Führungsstil ist nicht abhängig von den Persönlichkeitseigenschaften des Leiters, d. h. ein und dieselbe Person kann nach Unterweisung die unterschiedlichen Stile mit ihren speziellen Wirkungen realisieren. <?page no="110"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 111 111 • Der Führungsstil, den die Kinder in der Vergangenheit erfahren haben, bestimmt für eine gewisse Zeit ihr Verhalten gegenüber einem neuen Stil. Folgende »führungsstilspezifischen« Ergebnisse wurden beobachtet: • Der »autoritäre« Stil wurde durch starke Lenkung und Kontrolle realisiert. Es herrschten Anordnungen, Vorwürfe, Drohungen vor: Verständnis für die Geführten wurde nicht gezeigt. Diese psychische Einengung der Gruppenmitglieder führte zu starken Spannungen, zu gereiztem, aggressivem Verhalten und zu einem Streben nach Beachtung durch den Leiter. Die Arbeitsaktivität war abhängig von der Anwesenheit des Leiters. Für Fehler bei den Basteleien wurden »Sündenböcke« gesucht und verantwortlich gemacht. Die Worte »ich, mir, mein« wurden relativ häufig benützt. Die Jugendlichen wünschten unter dieser Führung keine weitere Fortsetzung der Treffen. • Beim »demokratischen« Führungsverhalten wurde viel Wert auf Verständnis und Toleranz gelegt: Zu ergreifende Maßnahmen wurden gemeinsam beraten und entschieden. Der Umgangston war freundlich und kooperativ. Die Geführten zeigten sich nicht mehr »bedrohungsorientiert«, sondern reagierten vertrauensvoller und freundlicher. Die Gruppe arbeitete auch weiter, wenn der Leiter den Raum verließ, gruppendienliche Vorschläge wurden häufiger beobachtet (auch die Wörter »wir, uns, unser«), Sündenböcke wurden bei Fehlern nicht gesucht/ benötigt. Insgesamt zeigten sich ein hoher Aktivitätsgrad und auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Folgte der demokratische Stil dem autoritären, dann war anfangs eine gewisse Verhaltensunsicherheit bei den Jugendlichen feststellbar. Folgte der autoritäre dem demokratischen, dann zeigte sich eine Erhöhung der psychischen Spannung und Reizbarkeit. • Beim »laissez-faire«-Führungsstil gab der Leiter keine Anweisungen, so dass die Gruppenmitglieder praktisch tun und lassen konnten, was sie wollten. Die Gruppe zeigte dabei zwar eine hohe Aktivität, plante viel, erreichte aber nur selten ihr Ziel. Diese Führungslosigkeit wurde häufig dadurch unterbrochen, dass ein Jugendlicher die Leitung übernahm und den anderen vorschrieb, was sie tun sollten. Nach diesem Loblied auf den demokratischen Führungsstil sollten wir den Themenkreis mit einer Übung vertiefen: <?page no="111"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 112 112 Übungsvorschlag: Lesen Sie bitte die Beschreibung der »Norton-Street-Bande« (Whyte 1943) durch, und versuchen Sie, die Fragen zuerst allein und dann in der Gruppe/ Plenum zu beantworten: Eine Gruppe aus 13 jungen Männern traf sich regelmäßig an der Ecke der Norton-Street. Sie hatten alle als Kinder schon in der Nachbarschaft gelebt und die gleiche Schule besucht. Doc, Nutsy und Mike waren mit 29 Jahren die Ältesten, Tommy mit 20 der Jüngste. Die meisten Mitglieder der Bande waren arbeitslos, nur Carl und Tommy arbeiteten regelmäßig in einer Fabrik. Dany und Mike besaßen einen Spielautomatensalon in der Nähe der Norton-Street. Doc, Nutsy, Joe, Frank, Alec, Carl und Tommy waren alte Kameraden und bildeten das Grundgerüst der Gruppe; zu ihnen stießen Angelo, Fred und Lou. Dany und Mike waren alte Freunde von Doc und kamen mit der Gruppe in Kontakt, als sie ihren Spielsalon eröffneten. Long John war ein Freund von ihnen und schloss sich auch Doc an. Die Gruppe traf sich immer häufiger und schließlich regelmäßig in ihrem Stammcafe an der Norton-Street. Samstagabends wurde immer gekegelt. Wenn Doc bei den Gruppenmitgliedern etwas durchsetzen wollte, dann besprach er sich vorher mit Mike und Dany manchmal auch mit Long John. Kam ein entscheidender Vorschlag von Long John, dann wurde er nicht befolgt, so dass er auf die Gesamtgruppe keinen Einfluss nehmen konnte. Kam ein Vorschlag von Mike und Dany, dann ging er an Nutsy weiter, der seinerseits Frank, Joe und Alec, aber auch Carl und Tommy, die unzertrennlich waren, überzeugte. Wenn die Entscheidung allein von Dany erfolgte, dann konnte sie an Angelo weitergehen, der Einfluss auf Fred und Lou hatte.Wenn Tommy einen Vorschlag hatte, dann konnte er über Carl und Nutsy zu Doc gelangen. Tommy hatte, ebenso wie Alec und Lou, den niedrigsten Status in der Gruppe. Doc war hingegen der Boss. Mike und Dany - die Spielsalonbesitzer - konnten zwar aus geschäftlichen Gründen nicht regelmäßig am Gruppenleben teilnehmen, verfügten aber über viel Ansehen und Einfluss und standen in der Hierarchie gleich hinter Doc. Sie waren die Geschäftsleute, die anderen lebten auf Kosten anderer. Doc, Mike und Dany wurden wegen ihrer Diskussionsgewandtheit auch von anderen Banden akzeptiert. Long John hatte eine Sonderstellung: Er verstand sich sehr gut mit den Anführern, unterstützte sie immer, hatte aber keinen Einfluss auf den Rest der Gruppe. Wenn Doc nicht in der Gruppe war, dann spaltete sie sich in zwei gegnerische Cliquen auf, die von Nutsy bzw. Angelo angeführt wurden.War Doc anwesend, dann hielt die Gruppe zusammen, man sprach miteinander und unternahm gemeinsame Aktivitäten. Die Kommunikation in der Gruppe war auf Doc konzentriert, d.h. wenn er nicht mehr zuhörte, dann hörten die anderen zu sprechen auf. Die einzelnen Gruppenmitglieder vertrauten sich bei Problemen Doc an, der am besten über die Vorgänge in der Gruppe unterrichtet war. <?page no="112"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 113 113 Wenn gestritten wurde, dann kannte er die Hintergründe und konnte umfassend Stellung beziehen und urteilen. Er entschied allein über die Gruppenunternehmungen und entsprach damit den Erwartungen. Die Gruppenmitglieder konnten zwar Vorschläge einbringen, die Ausführung war aber von Docs Zustimmung abhängig, die er häufig erst nach Beratung mit Mike und Dany gab. Die Qualität der Entscheidungen Docs wurde daran gemessen, wie gut sie den Erwartungen und Normen der Gruppe entsprachen. Docs Verhalten orientierte sich auch sehr eng an den Gruppennormen, während die rangniedrigeren Gruppenmitglieder zwischendurch gefahrlos davon abweichen konnten. Ihre Aufgaben: • Entwickeln Sie aus den Daten ein Schema, in dem die Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern deutlich werden. • Wie kann man den Führungsstil Docs beschreiben und welche Verbindungen können Sie zu den Untersuchungen von Lewin, Lippitt und White herstellen? Bei der Diskussion sollte zuerst die Führungsstruktur erarbeitet werden (Abbildung 17), bevor die Führungssituation charakterisiert wird. Dabei sollte deutlich werden, dass • der stark lenkende, autoritäre Führungsstil Docs erfolgreich ist, • der autoritäre Stil den Erwartungen entspricht, • die Gruppe die »feste Hand« Docs braucht, da sie sonst auseinanderbricht, • sich der Leiter strenger an die Normen halten muss als die meisten andern. Doc Mike Dany Nutsy Carl Tommy Frank Joe Alec Fred Lou Angelo Long John Abb. 17: Die Ranghierarchie der Norton-Street-Bande <?page no="113"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 114 114 Bei der Diskussion kann zusätzlich ein anderes Experiment angesprochen werden: Meade und Whittacker (nach Höger 1972) haben Lewins Untersuchung in Indien durchgeführt und kamen dort zu völlig konträren Ergebnissen. Der kulturelle Hintergrund fördert hier anscheinend die Wirksamkeit der autoritären Führung: Die Leistungen waren besser, die Gruppenmoral höher, und die Jugendlichen wollten bei diesem Führungsstil die Treffen beibehalten. Diese widersprüchlichen Ergebnisse zeigen, dass neben der Führungspersönlichkeit und dem Führungsstil noch eine Reihe situationsspezifischer Einflussgrößen zu berücksichtigen sind. Doch bleiben wir zunächst noch kurz bei der Führungsstilforschung, die einen weiteren, wichtigen Aspekt herausgearbeitet hat. Man ließ Mitarbeiter das Führungsverhalten ihrer Vorgesetzten beschreiben und wertete diese Beschreibungen statistisch weiter aus. Dabei zeigte sich, dass Führungsverhalten durch zwei voneinander unabhängige Verhaltensdimensionen beschreibbar ist. Die eine entspricht der Orientierung am Mitarbeiter (Wertschätzung, emotionale Zuwendung), die andere der Orientierung an der Leistung (Dominanz, Struktur, Aufgabenorientierung). In Abbildung 18 sind die Führungsstile mit Hilfe dieser beiden Dimensionen dargestellt. Dabei wird deutlich, dass es unterschiedliche, stark lenkende (direktive) Führungsstile gibt, die vom gefühlskalten Befehlshaber bis zum autoritären (liebevollen) Patriarchen reichen. Abb. 18: Führungsstile und Verhaltensdimensionen von Vorgesetzten <?page no="114"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 115 115 Der Leiter als Sklave der Gruppensituation? Die widersprüchlichen Ergebnisse der Führungsstilforschung haben das soziale Kraftfeld stärker in den Mittelpunkt der Untersuchungen gerückt. Aus den bisherigen Betrachtungen wird klar, dass nicht nur der Führungsstil, die Führungspersönlichkeit, die Erwartungen an die Führung, die bisherigen Führungserfahrungen und die Situation einen Einfluss auf Erfolg oder Misserfolg eines Gruppenleiters haben. Fiedler (1967) konnte in ausführlichen Untersuchungsreihen zeigen, dass die Positionsmacht des Leiters, die Strukturiertheit der zu bewältigenden Aufgabe und die Beziehung zwischen Leiter und Geführten in unterschiedlichem Ausmaß bestimmen, welcher Führungsstil effektiv ist. Ein weiterer interessanter Aspekt wird in diesem Zusammenhang von Hersey und Blanchard (1977) betont: der Reifegrad des Mitarbeiters bzw. des Gruppenmitgliedes. Wie viele andere Führungstheoretiker gehen auch sie davon aus, dass sowohl der aufgabenals auch der mitarbeiterbezogene Führungsstil jeweils für sich gesehen erfolgreich sein kann. In ihrer »situativen Führungstheorie« verwenden sie einerseits die aufgaben- und mitarbeiterbezogenen Dimensionen, kombinieren diese aber mit dem unterschiedlichen »Reifegrad« der einzelnen Mitarbeiter. Der Reifegrad eines Mitarbeiters wird dabei stets in Bezug auf die Gruppenaufgabe gesehen und ist abhängig von der aktuellen Motivation und den vorhandenen Fähigkeiten des Betroffenen. Hersey und Blanchard unterscheiden vier Stufen der Reife: (1) Geringe Reife: Hier fehlt sowohl die entsprechende Motivation als auch die Qualifikation. Die größte Erfolgswahrscheinlichkeit bietet in diesem Fall ein stark aufgabenbezogener Führungsstil, bei dem deutlich gesagt wird, was, wann, wo und wie etwas getan werden muss (»telling« = unterweisen/ befehlen/ dirigieren). (2) Geringe bis mittlere Reife: Der Mitarbeiter ist hier durchaus motiviert, aber noch nicht entsprechend fähig, die Aufgabe erfolgreich zu lösen. Hier wird ein stark aufgaben-, aber auch mitarbeiterbezogener Führungsstil empfohlen (»selling« entspricht erklären und fördern, trainieren). (3) Mäßig bis hohe Reife: Der Mitarbeiter hat sich inzwischen die erforderlichen Fähigkeiten angeeignet, es fehlt ihm aber noch der Wille, die Arbeit konsequent durchzuziehen. Der Schwerpunkt sollte jetzt beim mitarbeiterorientierten, motivierenden Führungsstil liegen, der auch vorsieht, den Partner in anstehende Entscheidungen gleichberechtigt einzubeziehen (»participation«, teilhaben lassen, unterstützen). <?page no="115"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 116 116 (4) Hohe Reife: Auf diesem Niveau hat der Mitarbeiter alle Fähigkeiten erlangt, die Aufgaben zu lösen, eigene Ziele zu setzen und ist dazu auch voll motiviert. Als erfolgreiches Führungsverhalten bietet sich das Delegieren mit voller Verantwortung an. Das geschilderte Führungsverhalten im Zusammenhang mit den Reifegraden wird in Abbildung 19 zusammenfassend dargestellt. Aus dem Schema wird u. a. deutlich, dass die Führung auch bei geringer und hoher Reife nicht ohne emotionale Zuwendung abläuft. Für die Autoren ist ein Führungsverhalten ohne personenorientierte Komponente nicht denkbar. Hersey und Blanchard haben ihre Theorie weiter differenziert, so dass die Vorgesetzten mit Hilfe von Fragebögen und Schätzskalen ihr aktuelles Führungsverhalten, den jeweiligen Reifegrad und den erforderlichen Führungsstil bestimmen können. Sie verstehen ihr Modell nicht statisch, sondern wollen es dynamisch ausgerichtet sehen. Die Leiter sollen dadurch angeregt werden, ihre Mitarbeiter Sehr stark mitarbeiterbezogen und sehr wenig aufgabenbezogen sehr stark aufgaben- und mitarbeiterbezogen mitarbeiterbezogen sehr stark sehr wenig sehr stark aufgabenbezogen sehr wenig Führungsstil des Vorgesetzten Aufgabenrelevanter Reifegrad des Mitarbeiters gering bis mäßig bis hoch bis sehr hoch Unterweisen („telling“) Partizipieren („participating“) Verkaufen („selling“) Delegieren („delegating“) sehr stark aufgaben- und sehr wenig mitarbeiterbezogen sehr wenig aufgaben- und sehr wenig mitarbeiterbezogen Abb. 19: Führungsstil und Reifegrad der Mitarbeiter (in Anlehnung an Hersey und Blanchard 1977) <?page no="116"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 117 117 stetig gezielt zu fördern, die anfangs erforderliche Lenkung zurückzunehmen und sich zunehmend entbehrlicher zu machen. Betrachtet man unsere Ausführungen zum Führungsverhalten, dann wird deutlich, dass erfolgreiche Gruppenführung nur in Abhängigkeit vom aktuellen sozialen Kraftfeld (Aufgabenstruktur, Positionsmacht, Erwartungen der Mitarbeiter, Reifegrad, kulturelle Situation usw.) möglich ist. So wird jeder Vorgesetzte im Laufe des Tages flexibel in seinem Führungsverhalten reagieren müssen. Er wird klare Anleitungen geben, einen verunsicherten Mitarbeiter stützen, eine Arbeitsgruppe selbstständig Probleme lösen lassen usw. Wenn damit der »flexible Führungsstil« empfohlen wird, dann sollte aber nicht das Fernziel aus dem Auge verloren werden: Es sollte versucht werden, die Mitarbeiter laufend zu fördern und die organisatorischen Strukturen so zu entwickeln, dass ein kooperativer, mitarbeiterbezogener Führungsstil erfolgreich ist. Der Erfolg bezieht sich dabei sowohl auf die Leistung als auch auf die Arbeitszufriedenheit der Gruppenmitglieder. Die Theorie von Hersey und Blanchard harmoniert gut mit unseren Ausführungen zur Gruppenentwicklung (Kapitel 2.1) und der Notwendigkeit, flexibel und teilnehmerzentriert zu führen. <?page no="117"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 118 <?page no="118"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 119 119 5 Lernprozesse in Gruppen Im Folgenden werden wir die einzelnen Lernprinzipien, wie sie in der Allgemeinen Psychologie herausgearbeitet wurden, mit den komplexeren, realitätsnäheren Gruppenprozessen in Verbindung setzen und die daraus resultierenden Möglichkeiten der Einstellungs- und Verhaltensänderung betrachten. Es geht dabei nicht um eine umfassende und erschöpfende Darstellung der lerntheoretischen Ergebnisse, sondern um die konkrete Einbettung in gruppenpädagogische Maßnahmen. Das Lernen als die Ursache aller Verhaltensänderungen - soweit diese nicht organisch bedingt sind - wird von der Psychologie seit langem ausführlich erforscht. Jahrzehntelang untersuchten Psychologen das Lernen in seiner reinen Form und ließen die komplexen Einflussfaktoren (Denken, Motivation, Erwartungen) absichtlich nicht berücksichtigt, da sie nur am Verhalten interessiert waren. Deshalb versuchten sie, die Zusammenhänge zwischen objektiv registrierbaren Reizen S (von stimulus) und beobachtbaren Reaktionen R zu analysieren. Die Vertreter dieser Forschungsrichtung - des »klassischen« Behaviorismus - untersuchten in Tierexperimenten, unter welchen Reizbedingungen Verhaltensänderungen eintreten. Dabei gelang es, zwei grundsätzliche Lernprozesse zu analysieren: das klassische und das instrumentelle Konditionieren. 5.1 Grundlegende Lernprinzipien 5.1.1 Klassisches Konditionieren Der russische Physiologe Pawlow kam bei seinen Untersuchungen zum »bedingten« Reflex zum Ergebnis, dass dabei als Grundlage stets eine selbstständige, autonome Reiz-Reaktionsverbindung vorliegen muss. Man benötigt also als Basis einen unkonditionierten Reiz, der fest mit einer unkonditionierten Reaktion verbunden ist. Gibt man beispielsweise einem Hund Fleisch ins Maul, dann reagiert er mit Speichelaussonderung. Läutet man jetzt gleichzeitig oder kurz vorher eine Glocke, dann genügen einige Wiederholungen (Koppelungen) und der konditionierte Reiz (Glocke) hat seine Neutralität verloren und kann allein den Speichelfluss auslösen. Das Verhalten des Tieres in der vorgegebenen Situation hat sich verändert, d. h. es fand eine klassische Konditionierung statt. Das Tier reagiert dann nicht nur auf den konditionierten Reiz, sondern auch auf ähnliche Reize (Reizgeneralisation). <?page no="119"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 120 120 Weitere Experimente mit dem klassischen Konditionieren zeigen, dass vor allem Gefühle und vegetative Reaktionen auf diese Weise mit (vorher neutralen) Gegenständen, Situationen und Personen verbunden werden. Wir lernen demnach diese Reize mit Freude, Entspannung, Zuwendung, Langeweile, Angst, Wut, Erregung usw. zu verbinden. Übungsvorschlag: Versuchen Sie, Heimweh, Sympathie und die Angst eines Teilnehmers vor der Gruppenarbeit durch das klassische Konditionieren zu erklären. Auf welche Aspekte sollte ein Gruppenleiter/ Moderator deshalb achten? 5.1.2 Instrumentelles (operantes) Konditionieren Pawlows Versuchstiere waren bei den Experimenten zum klassischen Konditionieren angeschnallt und hatten keine Möglichkeit, sich dem unkonditionierten und dem konditionierten Reiz zu entziehen. Diese Lernsituation entspricht nicht den meisten natürlichen Lerngegebenheiten, obwohl es dieses Arrangement bis zum Kleinkindalter und später in bestimmten Familiensituationen schon gibt. Meist aber können die Menschen und auch die Tiere sich (relativ) frei bewegen und Verhaltensweisen zeigen, die erfolgreich sind. Dieses Lernen am Erfolg/ Misserfolg wurde von Skinner eingehend untersucht. Seine Versuchstiere - es waren meistens Tauben - verhielten sich nicht passivreaktiv, sondern konnten sich in der experimentellen Situation (»Skinnerbox«) frei verhalten. Die Verhaltensweise, die in einer gewünschten Richtung liegt, wird während des Experiments sofort durch ein Futterkorn belohnt (»verstärkt«). So zeigen die Tauben anfangs in der Skinner-box alle denkbaren Verhaltensweisen, z. B. picken sie zufällig auf einen Hebel; rollt auf dieses Hebelpicken hin ein Futterkorn in den Käfig, dann picken die Tauben mit zunehmender Häufigkeit auf den Hebel, wenn dieses Verhalten weiter belohnt wird. D. h. auch hier wurde gelernt, weil sich die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Verhaltens in einer bestimmten Situation verändert hat. Instrumentelles Lernen findet statt, wenn eine der folgenden Konsequenzen dem gezeigten Verhalten folgt: • Belohnung: Ein positiver Verstärker (z. B. Futter, Schokolade, Lob, »Streicheleinheiten«) folgt möglichst unmittelbar dem gezeigten Verhalten und erhöht dessen Eintrittwahrscheinlichkeit. • Entstrafung: Ein unangenehmer Zustand wird beendet oder kann vermieden werden. So können Kopfschmerzen z. B. durch Tabletten oder Angst durch Fluchtverhalten vermieden/ verringert werden. • Bestrafung: Durch Strafe kann ein Verhalten blockiert werden. <?page no="120"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 121 121 • Entlohnung: Dem Verhalten folgen keine positiven Verstärker mehr und es wird - wenn dies konsequent geschieht - immer seltener auftreten und »gelöscht«. Übungsvorschlag: Lesen Sie das folgende Experiment zum »Vermeidungslernen« durch und versuchen Sie, die Anteile des klassischen und des operanten Konditionierens herauszuarbeiten. Mit welchem menschlichen Verhalten könnte man dieses Vermeidungsverhalten vergleichen? Eine Ratte wird in einen Käfig gebracht, der ein weißes und ein schwarzes Abteil besitzt. Im weißen Abteil befindet sich am Boden ein Gitterrost, der unter elektrische Spannung gesetzt werden kann, so dass die Ratte schmerzhafte Elektroschocks erhält. Zwischen dem weißen und dem schwarzen Abteil befindet sich eine Tür, die sich auf Hebeldruck hin öffnet. Sobald das Tier im weißen Abteil Elektroschocks bekommt, versucht es, ihnen mit allen möglichen Verhaltensweisen zu entkommen. Es lernt sehr schnell, den Hebel zu drücken, die Tür zu öffnen und in das schwarze Abteil zu fliehen, in dem es keine Schocks mehr erhält (Fluchtlernen, »Entstrafung«). Bringt man die Ratte wieder in das weiße Abteil, dann verhält sie sich äußerst ängstlich, auch wenn sie dort nicht mehr geschockt wird. Sie drückt sofort wieder den Hebel, um in das schwarze Abteil zu gelangen. Dieses Vermeidungsverhalten ist sehr widerstandsfähig gegen Löschung, da es sich durch die Reduzierung der Angst selbst aufrecht erhält. Ein weiteres Experiment zum Thema Kontrollverlust bzw. Hilflosigkeit zeigt den starken Einfluss des instrumentellen Konditionierens auf das grundlegende Interesse, sich aktiv mit der Umwelt auseinanderzusetzen. Seligman (2010) führte mit seinen Versuchstieren - es waren Schäferhunde - ein Experiment durch, bei dem Hilflosigkeit erlernt wurde. Er gab seinen Tieren an einem Tag Elektroschocks, denen sie nicht ausweichen konnten. Die ersten Schocks lösten eine Reihe unterschiedlicher, erfolgloser Fluchtversuche aus; der letzte Schock dagegen traf auf inzwischen völlig passiv gewordene Tiere. Am nächsten Tag wurden die Hunde in einen anderen Experimentierkäfig gebracht, in dem sie den Elektroschocks durch einen Sprung über eine hohe Barriere entkommen konnten. 19 der 20 Tiere mit der gleichen Schockerfahrung des Vortages sprangen nicht auf die sichere Seite; während andere Tiere, die nicht der vorangegangenen Schockprozedur ausgesetzt waren, das Fluchtverhalten rasch lernten. Seligman bezeichnet dieses Verhalten in der aversiven Situation als »gelernte Hilflosigkeit«. Sie ist offensichtlich durch mehrfach ergebnislos erfolgte Fluchtversuche bedingt, die schließlich, da sie nicht erfolgreich waren, gelöscht wurden. Die Kontrollmöglichkeit der Situation ging für die Tiere verloren. <?page no="121"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 122 122 Die Bewältigung dieser konditionierten Hilflosigkeit erwies sich als ungemein schwierig. Man entfernte zuerst die Barrieren, um das Fluchtverhalten so einfach wie möglich zu machen und rief den Hund, der aber trotz schmerzhafter Elektroschocks keine Reaktion zeigte. Man streute Fleischbrocken auf die »sichere« Seite des Käfigs, als die Hunde hungrig waren: Die Hunde reagierten nicht. Die einzige Maßnahme, die schließlich zu einigem Erfolg führte, bestand darin, dass man den Hund am Halsband nahm und mit großer Anstrengung auf die andere Seite zog. Wenn dies 20bis 30-mal wiederholt wurde, ließ der Widerstand des Hundes etwas nach! Sobald die Fluchtreaktion spontan folgte, war der Hund wieder völlig hergestellt. Diese »irrationale« Passivität besitzt eine beeindruckende Ähnlichkeit mit den Symptomen der Depression. Nach einer Reihe von Experimenten scheint allgemein zu gelten: »Wer einmal in einer hinlänglich unangenehmen Situation gelernt hat, dass er diese durch eigenes Zutun nicht verändern kann, tut sich in anderen Situationen schwer zu lernen, dass es sehr wohl Kontingenzen zwischen eigenem Verhalten und Resultat gibt. Es entsteht so etwas wie ein allgemeiner Fatalismus, der besonders bei Hunden nur durch länger dauernde, sehr direktive Eingriffe wieder abzubauen ist« (Burisch 1989, S. 44). Beim Menschen kommt es nicht so sehr auf die objektive Kontrollierbarkeit an, sondern auf die Erwartungshaltung. Glass und Singer (1972) führten dazu ein Experiment mit drei Studentengruppen durch: Alle drei Gruppen wurden bei ihrer Arbeit durch unregelmäßigen Lärm belästigt. Gruppe A konnte den Lärm mit Knopfdruck abstellen, B und C hatten ebenfalls einen Knopf, der allerdings wirkungslos war; B erhielt die Information, dass sie den Lärm abstellen könnte, was von der Leitung aber nicht erwünscht sei. Die Probanden der Gruppe C (unvermeidbarer Störreiz) gaben bei den Aufgaben schneller auf und beschrieben den Lärm als störender. Gruppe B (vermeintliche Kontrolle) unterschied sich in ihren Leistungen nicht von A. Übungsvorschlag: Diskutieren Sie den möglichen Zusammenhang zwischen den Lernprozessen in den geschilderten Experimenten und der Abneigung bzw. Freude am Lernen generell. Welche Bedeutung hat dieser Zusammenhang für die Leitung von Gruppen? <?page no="122"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 123 123 5.1.3 Sozial-kognitives Lernen/ Modell-Lernen In den 70er-Jahren vollzog sich im Behaviorismus die »kognitive Wende«, die hauptsächlich durch die Arbeiten Banduras (1969, 1978, 1979) in Bewegung kam. Er demonstrierte, dass klassisches und instrumentelles Lernen nicht ausreichen, um den Erwerb komplexer menschlicher Verhaltensweisen, wie beispielsweise das Erlernen einer Sprache, zu erklären. Aus seinen einfallsreichen Untersuchungen folgert er, dass die kognitiven Vorgänge beim Lernen komplexer Verhaltensweisen von zentraler Bedeutung sind. Dabei unterscheidet er zwei Lernprozesse: In der ersten Phase (Aneignungsphase) werden die komplexen Verhaltensweisen des Modells mit der jeweiligen Situation vom Beobachter übernommen und abgespeichert. Damit dies geschehen kann, muss das Modell die Aufmerksamkeit des Lernenden auf sich ziehen und dessen Merkfähigkeit aktivieren (»Lernen ohne Versuch«). In der zweiten Phase (Ausführungsphase) wird das beobachtete Verhalten in einer ähnlichen Situation ausprobiert, und wenn es erfolgreich abläuft, verstärkt. Ob das gespeicherte Verhalten aber auch in konkreten, ähnlichen Situationen reproduziert wird, hängt davon ab, ob der Beobachter sich mit dem Modell identifizieren konnte, das Modell mit dem Verhalten erfolgreich war, und welche Erfolgserwartungen der Beobachter selbst mit diesem Verhalten in der jeweiligen Situation verbindet. Demnach kann durch das Modell-Lernen ein neues Verhalten nicht nur gebahnt, sondern auch gehemmt werden, wenn die Erfolgserwartungen gering und die Straferwartungen hoch sind. Wir erlernen in diesem Zusammenhang unsere »Selbstwirksamkeit«, den Glauben an unsere eigenen Fähigkeiten, und unsere »Kontrollüberzeugungen«, d. h. die (Un-)Sicherheit, schwierige Situationen kontrollieren und sie mit unseren eigenen Fähigkeiten konstruktiv bewältigen zu können (oder zu resignieren). Abbildung 20 stellt das Beobachtungs- Lernen schematisch dar. Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit dem Beobachtungs-Lernen ist allerdings noch nicht befriedigend geklärt: Wie wird man zum Modell? Nicht immer werden Eltern zum Modell für ihre Kinder, der Richter das Modell für den Kriminellen, der Lehrer das Vorbild für den Schüler usw. Einige Ergebnisse liegen allerdings vor: So wird die Nachahmung gefördert, wenn das beobachtete Modell erfolgreich ist, das gezeigte Verhalten belohnt wird, das Modell einen höheren sozialen Status besitzt und auf den Beobachter persönlich und freundlich wirkt. Macht, Prestige und damit verbunden die Möglichkeit, Verstärkungen zu kontrollieren, erhöhen deutlich die Modellwirkung. <?page no="123"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 124 124 Personen mit geringem Selbstvertrauen und wenig selbstständigem Verhalten neigen eher zur Übernahme von Modell-Verhalten als selbstsichere. Geringe oder überstarke Erregungen stören das Modell-Lernen. Bandura hat mit seiner Theorie des »sozialen Lernens« die Lernpsychologie und die Pädagogik stark beeinflusst. Versucht man, die Lernprinzipien auf das Lernen in Gruppen zu übertragen, dann findet man sehr viele Zugangsmöglichkeiten. Gut funktionierende Gruppen bieten eine positive Lernatmosphäre, in der die Einzelnen mit unterschiedlichen Verhaltensweisen experimentieren können, in denen sie Zuwendung (Verstärkung) für (erwünschtes) erfolgreiches Verhalten bekommen, in der kompetente Modelle (Gruppenleiter, Seminarleiter) vorhanden sind, die neue Möglichkeiten aufzeigen. Die Gruppe ist das optimale Lernfeld, wobei die Ziele und Normen natürlich gruppenspezifisch ausgerichtet sind und den gesellschaftlichen nicht immer entsprechen müssen. In der Gruppenpädagogik, der sozialen Gruppenarbeit (als Methode der Sozialarbeit), der Gruppenpsychotherapie und im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung versuchen wir, dieses optimale Lernfeld zu nutzen. Der Begriff des »sozialen Lernens« wurde S Motivierende Faktoren: z.B. Identifikation, Aktivierung, Belohnung, Erfolgserwartung Einübung / Ausführung Aneignung / „Lernen“ Innere Prozesse im Organismus Kognitive Faktoren: z.B. Aufmerksamkeit, Beobachtungshäufigkeit, Gedächtnis Beobachtetes Modellverhalten R Nachahmendes Verhalten Abb. 20: Schematischer Ablauf des Beobachtungslernens <?page no="124"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 125 125 ursprünglich im Sinne der Theorie Banduras verstanden, hat sich aber im pädagogischen Bereich in einer erweiterten Form durchgesetzt. Dort versteht man darunter das Erlernen sozialer Verhaltensweisen, wie Kooperations- oder Kommunikationsfähigkeit. Diese Verhaltensweisen werden im positiven wie auch im negativen Sinn durch das »sozial-kognitive« Lernen aufgebaut und in Gruppen stabilisiert. Dem Gruppenleiter kommt beim sozialen Lernen eine Schlüsselrolle zu. Er hat es in der Hand, die Atmosphäre so (mit) zu gestalten, dass ein optimales Lernklima entsteht. Er muss die Teilnehmer aktivieren, er muss ihnen Raum geben, einen persönlichen Bezug zum Thema herstellen, den Einzelnen ermutigen, neue Ideen zu entwickeln und Identifikationsmöglichkeiten bieten. Dabei ist ein einzelner Seminarleiter oft überfordert. So ist es sehr effektiv, wenn Veranstaltungen nicht von einem Leiter, sondern von einem Leitungsteam durchgeführt werden. Dieses »Teamteaching« hat die folgenden Vorteile: Die Teilnehmer haben mehr Identifikationsmöglichkeiten, werden durch das unterschiedliche Sprechverhalten der Moderatoren besser aktiviert, erleben mehr Abwechslung und können einzeln, in Kleingruppen, aber auch im Plenum besser betreut werden. Das Leitungsteam kann dabei die ablaufenden Prozesse besser beobachten, anfallende Aufgaben (Schreiben am Flipchart, Kärtchen ordnen, Moderation) verteilen und teilnehmerorientierter durchführen. Zusätzliche Ideen der Moderatoren verbessern die Qualität, demonstrieren den Gruppenvorteil und zeigen auch konkret eine vorgelebte Partnerschaftlichkeit. Allerdings erfordert das Teamteaching eine intensivere Vorbereitung und Absprache. Die Teamteacher müssen sich auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, da sie sonst die Teilnehmer nur verwirren. Da dieser Mehraufwand häufig mit einer Halbierung der Seminarhonorare verbunden ist, wird diese wünschenswerte Leitungsform viel zu wenig praktiziert. 5.2 Superlearning/ Suggestopädie als Beispiel für erfolgreiches Lernen in Gruppen In den 80er-Jahren wurde bei uns ein neues Lernverfahren vorgestellt, das unter dem Namen »Superlearning« eine schnelle Verbreitung - allerdings nicht im universitären Bereich - erreichte. Diese »revolutionäre« Lernmethode hat vor allem bei Fremdspracheninstituten offene Türen »eingerannt«, da mit ihr das mühsame Wörterbüffeln umgangen werden konnte. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesem neuen »Nürnberger Trichter«, der ein Lernen »fast im Schlaf« ermöglicht und von dem behauptet wird, dass er die <?page no="125"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 126 126 von den traditionellen Lernmethoden nicht berücksichtigten 90 Prozent unseres geistigen Potenzials ausschöpfen würde. Das »Superlearning« oder die »Suggestopädie« (beide Begriffe sind ursprünglich identisch) geht auf die Arbeiten des bulgarischen Psychotherapeuten und Pädagogen Lozanov (1979) zurück, der keine wirklich neue Technik erfand, sondern die bestehenden Erkenntnisse zu einem Gesamtmodell zusammenfasste. Lozanov berichtet von überragenden Ergebnissen beim Fremdsprachenlernen (5bis 50-fache Überlegenheit) im Vergleich zu den herkömmlichen schulischen Lernmethoden seines Landes. Seine Ergebnisse konnten in diesem Umfang bei westlichen Kontrolluntersuchungen nicht bestätigt werden (Nuber 1986). Allerdings ist die verbesserte Lerngeschwindigkeit nur ein Vorteil des Superlearnings. Daneben stehen die stressfreie, entspannte, angstfreie, kreative, ganzheitliche Lernsituation und die positive Beziehung Lehrer - Lernender im Vordergrund. Gerade durch diese Beziehung kommen suggestive Kräfte zum Tragen, mit denen Lernhemmungen beseitigt und die Reservekapazitäten unseres Gehirns (vor allem der rechten Hemisphäre) aktiviert werden können. Man versucht, die Einseitigkeit des sprachorientierten (»linksseitigen«) Schulunterrichts durch die Verwendung unterschiedlichster Informations- und Wahrnehmungskanäle zu erweitern. Das theoretische Konzept orientiert sich stark an der Funktionsteilung unserer Gehirnhemisphären, wobei eine allgemeine Dominanz der linken (rationalen, sprachorientierten) Hemisphäre postuliert wird. Beim typischen Ablauf einer suggestopädischen Unterrichtseinheit kann man nach Edelmann (1988) drei Stufen unterscheiden: • Vorbereitung Wichtig ist hier, dass eine angenehme, persönliche Lernatmosphäre aufgebaut wird, in welcher die Lernenden ihre Lernbarrieren und Hemmungen verlieren. Die vorherrschenden Erfahrungen/ Meinungen, dass Lernen mit Arbeit, Mühe, Enttäuschung verbunden sein muss, werden abgebaut und positive Lernerwartungen in suggestiver Weise eingeführt. Die Teilnehmer werden über die Grundprinzipien der Suggestopädie informiert, durch mentale und körperliche Entspannungsübungen aufgelockert und sollen dabei ihre spontane, natürliche Lernfreude und Neugierde wieder entdecken! Sie erhalten, wenn es sinnvoll erscheint, auch eine neue »Identität« und übernehmen entsprechende Namen oder berufliche Bezeichnungen aus der zu erlernenden Fremdsprache. Ist eine offene, freundliche, vertrauensvolle Atmosphäre entstanden, dann präsentieren die Lehrer - meist wird im Teamteaching gearbeitet - das Unterrichtsmaterial möglichst anschaulich, indem sie es schauspielerisch-pantomimisch darstellen und dem <?page no="126"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 127 127 Lernenden die Aufnahme der Informationen über möglichst viele Wahrnehmungskanäle ermöglichen. • Suggestopädische Sitzung Sie gliedert sich in eine aktive und eine (pseudo-)passive Phase: In der aktiven Phase erhalten die Lernenden den schon gehörten Unterrichtstext. Der Lehrer trägt nun den Text nochmals sehr ausdrucksvoll (dramatisch laut bis leise, rhythmisch betonend und pantomimisch untermalend) vor, wobei er seinen Vortrag auf den Rhythmus der Musik, die im Hintergrund zu hören ist, abstimmt. Die Lernenden lesen diesen Text leise (imitierend) mit. Nach Lozanov eignen sich für diese Phase vorwiegend Musikstücke von Haydn, Mozart, Beethoven oder Brahms, da sie kontrastreich aber dissonanzarm sind. Durch diese Art der Stoffdarbietung soll beim Lernenden ein »intuitiv-rezeptiver« Bewusstseinszustand vorbereitet/ erzeugt werden. Am Ende der aktiven Phase kann durch zusätzliche Entspannungsübungen und »Fantasiereisen« der Einstieg in die passive Phase intensiviert werden. Diese »pseudopassive« Phase soll für alle Beteiligten ein »ästhetisches Vergnügen« werden. Der Lehrer liest nochmals (in normaler Sprechweise) den Unterrichtstext vor, ordnet sich diesmal aber in seiner Vortragsweise völlig der Musik unter. Die Lernenden folgen dabei (meist mit spontan geschlossenen Augen) der Musik und den Worten. Nach Lozanov eignen sich für diese Phase vor allem langsame Sätze aus der Barockmusik (Vivaldi, Corelli, Bach), da ihr Rhythmus dem des Organismus (Herz, Puls) entspräche. Nach dieser intuitiv-rezeptiven Phase findet meist eine längere Pause (bis zum nächsten Morgen) statt. • Aktivierung des Lernstoffes In diesem Abschnitt werden die gelernten Inhalte aktiviert. Er dauert insgesamt länger als die beiden vorangegangenen Stufen und kann mit dem traditionellen Üben verglichen werden. Ziel dabei ist, einen möglichst vielseitigen, spielerischen, ungezwungenen Lerntransfer zu ermöglichen und die Inhalte dauerhaft im Langzeitgedächtnis abzuspeichern. Um dies sicherzustellen, wird der gelernte Stoff spielerisch (Pantomime, Stegreifspiele, Rollenspiele, Diskussionen) eingeübt. Die Suggestopädie hat - in unterschiedlichen Formen - vor allem im Bereich des Fremdsprachenlernens einen großen Markt erobert. Lozanov betont allerdings, dass diese Methode auch bei anderen Lerninhalten anwendbar sei; dies wurde bisher allerdings weniger praktiziert und überprüft. Edelmann (1988) hat die Effektivität der suggestopädischen Methode an der TH Braunschweig im Zusammenhang mit dem Lerninhalt »Die beiden <?page no="127"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 128 128 Hemisphären der Großhirnrinde« untersucht. Er berichtet von einer sehr hohen Akzeptanz dieser Methode, konnte aber im Vergleich mit den Ergebnissen bei einem »intensiven, herkömmlichen« Seminar keine höhere Effektivität in der Lernleistung nachweisen. Als negativen Aspekt weist er auf die kritiklose Aneignung des Lernstoffes durch die Studenten hin. Die Überlegenheit der suggestopädischen Methode beim Erlernen von Fremdsprachen ist allerdings gut belegt, wenn auch nicht in dem Ausmaß, wie es von Lozanov dargestellt wurde (Philipov 1981, Schiffler 1986, 1988). Edelmann (1988, S. 79) formuliert in diesem Zusammenhang auch die Hypothese, »dass die suggestopädische Lernmethode möglicherweise dann besonders angezeigt ist, wenn im starken Maße wortwörtlich gelernt werden soll«. Bei einer kritischen Betrachtung des Superlearnings müssen wir folgern, dass der Lernerfolg (i. S. eines höheren Lerntempos) eigentlich nur im Zusammenhang mit dem Fremdsprachenlernen gesichert ist. Dabei konnte natürlich nicht die Theorie Lozanovs bewiesen werden. Dies ist auch kaum möglich, weil bei dieser Methode sehr viele komplexe Faktoren (z. B. Lehrerpersönlichkeit, verschiedene Wahrnehmungskanäle, nachahmendes Lernen, stressfreie Situation, Erfolgsmotivation, soziale Bestätigung/ Belohnung, klassische Konditionierung, praktische Übungen usw.) zusammenwirken, deren Effektivität auch von der Lernpsychologie betont werden. Die Einflussvariablen sind demnach nicht neu (dies betont auch Lozanov). Neu hingegen ist ihr Arrangement (Lehr-Lern-Sequenz), durch welches diese Methode charakterisiert ist. Hier ist Lozanovs Ansatz kreativ und den Erkenntnissen der Pädagogischen Psychologie bzw. Lerntheorie überlegen, die zwar sehr differenzierte Lernprinzipien und Wirkfaktoren analysiert haben, es aber bisher versäumten, dieses Wissen in ein Modell für bestimmte Lernaufgaben (z. B. Fremdsprachenlernen) zu integrieren. Der Begriff »Superlearning« hat sich in den letzten Jahren leider als inflationär erwiesen. Es existieren heute viele Angebote, die sich lediglich mit dem »Superlearning-Etikett« schmücken und nur Einzelheiten aus dem suggestopädischen Programm verwenden. Sie sind deshalb nicht identisch mit den ernstzunehmenden Konzepten von Lozanov (Suggestopädie), Schuster und Gritton (1986, »Salt«-System of Accelerative Learning) oder Dhority (1986, 1987, »Act«-Acquisition through Creative Teaching), die sich eng an Lozanovs Vorgehen orientieren. <?page no="128"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 129 129 5.3 Möglichkeiten der Einstellungsänderung Unser Verhalten wird sehr stark von Meinungen und Einstellungen beeinflusst, die das Ergebnis sozialer Lernprozesse sind. Wenn man diese Aussage akzeptiert, und sie wird durch viele Untersuchungen bestätigt, dann kann man folgern, dass (problematische) Einstellungen auch durch Lernprozesse verändert werden können. Dies klingt einfach und plausibel. Trotzdem ist es in der Praxis schwierig, Einstellungssysteme zu verändern, weil die meisten Personen Situationen aufsuchen, in denen ihre Einstellungen entstanden und deshalb weiter verfestigt werden. Zusätzlich sind Einstellungen unterschiedlich fest in der Persönlichkeitsstruktur verankert; sie können sehr zentral und »ich-nah« oder dezentral und unwesentlich sein. Sie können daneben auch sehr stark durch verbindliche, gruppenspezifische Normen bedingt sein. • Überredung und »kognitive Dissonanzen« Wenn wir Einstellungen verändern wollen, dann können wir an drei Punkten ansetzen: Wir können versuchen, unseren Gesprächspartner zu überzeugen/ überreden (Persuation), ihn verunsichern (»kognitive Dissonanzen« erzeugen) oder durch gruppendynamische Maßnahmen bei ihm eine Veränderung bestehender Normen und Haltungen erzielen. Hovland (1949, 1959) hat mit seinen Mitarbeitern in den »Yale-Studien« ausführlich die Möglichkeiten der überredenden Kommunikation (»Propaganda«) analysiert. Er untersuchte den Einfluss einzelner Elemente des Kommunikationsprozesses auf die Einstellungsänderung und erzielte dabei teilweise recht widersprüchliche Ergebnisse. Dies liegt sicher mit daran, dass er den Einfluss des sozialen Kraftfeldes nicht berücksichtigte. Seine Ergebnisse bestätigen allerdings Banduras Konzept vom Lernen am Modell zu einer Zeit, als es noch nicht vorgestellt war: Je glaubwürdiger, akzeptabler, fachlich kompetenter, einflussreicher und sympathischer ein »Sender« erlebt wird, desto eher bewirken seine Äußerungen einen Einstellungswandel bei den Zuhörern. Wir alle besitzen ein mehr oder weniger ausgewogenes System an Meinungen und Einstellungen. Diese kognitiven Systeme streben nach einem Gleichgewicht (Konsonanz), d. h. es ist uns angenehm, wenn sie sich nicht widersprechen. Widersprüchliche Inhalte führen zu einer Verunsicherung, diese ist die Basis für jede Veränderung. Festinger (1964) hat diesen Ansatz in seiner »Theorie der kognitiven Dissonanzen« beschrieben und durch viele Untersuchungen auch belegt. Die zentrale Frage dabei ist, welche kognitiven Elemente sich letztendlich durchsetzen. Nach den empirischen Ergebnissen sind dies zweifellos die zentralen, Ich-nahen Einstellungselemente, an die sich der Betroffene stark gebunden <?page no="129"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 130 130 fühlt. Diese Bindung entsteht meistens dadurch, dass wir uns »öffentlich« zu dieser Aussage bekannt haben. Festingers Untersuchungen demonstrieren, dass je stärker die öffentliche Festlegung ist (»commitment«), desto stärker verändert sich die Einstellung in Richtung auf das gezeigte Verhalten. Bekomme ich z. B. viel für eine Lüge oder etwas, das ich nicht mag, dann kann ich das kognitiv rechtfertigen, erlebe kaum eine Dissonanz und muss mir auch keine neuen kognitiven Elemente suchen, um etwas zu verändern. So hat sich gezeigt, dass wir im Rollenspiel eine sehr gute Möglichkeit haben, kognitive Dissonanzen zu erzeugen. Ein Beispiel: Wallace (1966) bat in einem Experiment jeweils zwei Personen an einem Rednerwettbewerb teilzunehmen, bei dem sie einen bestimmten Standpunkt zur Todesstrafe zu vertreten und möglichst engagiert zu verteidigen hatten. Die Einstellung der Teilnehmer zur Todesstrafe wurde vorher mit einem Fragebogen erfasst, und sie hatten bei ihrem Vortrag die Einstellung zu vertreten, die ihrer eigenen entgegengesetzt war. Nach dem Rednerwettbewerb wurde einigen mitgeteilt, dass der intellektuelle Gehalt ihrer Rede besser als der des Konkurrenten gewesen sei (A: inhaltliche Belohnung). Anderen Teilnehmern wurde gesagt, dass die Art, wie sie den Vortrag gehalten hatten, überzeugend und beeindruckend gewesen sei (B: Rollenbelohnung). Einer dritten Gruppe wurde gesagt, dass sie genau so gut und einer vierten, dass sie schlechter als der Konkurrent gewesen seien. Anschließend hatten die Teilnehmer erneut ihre Einstufung zur Todesstrafe mit Hilfe des Fragebogens abzugeben. Die Auswertung führte zu einem generellen Ergebnis: Bei allen vier Gruppen fand eine Veränderung der Einstellung auf die in der Rede geäußerte Richtung statt. Die größte Änderung zeigte sich bei der Gruppe, die anfangs gegen die Todesstrafe gewesen war und deren Rede man als überzeugend und beeindruckend kommentierte (B). Diese Gruppe hatte auch die größte kognitive Dissonanz erfahren, weil man ihren Mitgliedern sagte, dass ihr Verhalten sehr überzeugend gewesen sei. Im Rahmen der Dissonanztheorie wurden viele sehr einfallsreiche Experimente durchgeführt. Ein Feldexperiment soll die Inhalte dieser Theorie abschließend verdeutlichen. Festinger, Riecken und Schachter (1956) beobachteten Sekten in Amerika, die sich zu bestimmten Prophezeiungen über nahende Katastrophen, Weltuntergang u. Ä. festgelegt hatten. Wie reagieren die Sektenmitglieder, wenn die öffentlich prophezeiten Ereignisse nicht eintreten? Normalerweise würden wir erwarten, dass sich die Leute verschämt in ihr Kämmerlein zurückziehen und überlegen, ob sie nicht beim falschen Verein sind. Die Theorie der kognitiven Dissonanzen sieht dies anders: Die Mitglieder der Sekten werden sich in ihrer inneren Zusammengehörigkeit weiter festiwww.claudia-wild.de: <?page no="130"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 131 131 gen, den Glauben an ihren Propheten nicht verlieren und wahrscheinlich verstärkt versuchen, andere Menschen missionarisch zu bekehren! Diese Hypothese beruht auf folgenden Überlegungen: Bei den Sektenmitgliedern muss ein sehr starker Glaube vorhanden sein, sonst hätten sie sich öffentlich in dieser Weise nicht festlegen können. Dieses »commitment« schützt allein schon vor Veränderung, d. h. die entstehende kognitive Dissonanz (Weltuntergang vorhergesagt und nicht eingetreten) muss durch Umdeutungen und neue kognitive Elemente verringert werden. Nun, was passierte konkret bei den beobachteten Gruppen? Sie verhielten sich genau nach den von Festinger postulierten Erwartungen! Dies sei an einem Beispiel beschrieben. Eine Gruppe, die eine zeitlich festgelegte Sintflut erwartete, hatte sich zu dem Termin im Haus eines Sektenmitgliedes versammelt und wartete auf die rettende fliegende Untertasse, die der Prophet als Belohnung für ihren festen Glauben angesagt hatte. Als weder Weltuntergang noch Untertasse kamen, war die Enttäuschung der Sektenmitglieder erst einmal sehr groß. Man wollte alles anfangs nicht wahrhaben, versicherte sich gegenseitig die Richtigkeit des Glaubens und versuchte, gemeinsam eine Erklärung zu finden. Die endgültige Lösung lautete, dass die Erde wegen ihres gezeigten, festen Glaubens verschont wurde und sie nun die Aufgabe hätten, diese frohe Botschaft allen anderen Menschen zu verkünden und missionarisch tätig zu werden. Interessant dabei ist, dass einige Mitglieder dieser Sekte an der gemeinsamen Zusammenkunft verhindert waren und diesen kognitiven Umstrukturierungsprozess nicht mitmachen konnten. Sie zeigten in der folgenden Zeit auch eine generell größere Distanz zur Sekte und zu den verstärkten missionarischen Aktivitäten. Die Untersuchungen anderer Sekten sind ebenso interessant und bestätigen Festingers Theorie. Die Ergebnisse dieser Experimente zeigen, dass der Druck auf einen Menschen immer nur gerade so groß sein darf, dass seine Widerstandsschwelle überwunden wird und er ein einstellungskonträres Verhalten zeigt, zu dem er »praktisch nicht« gezwungen wurde. In diesem Fall entsteht die größte kognitive Dissonanz, die eine anschließende Rationalisierung erfordert. Unter diesem Aspekt scheint der sozialpädagogische Grundsatz »Hilfe zur Selbsthilfe« ein gutes Fundament zu besitzen. Wir können damit auch gut die Schwierigkeiten erklären, die sich bei den »Yale-Studien« ergaben: Je stärker ich die Freiheit des Betroffenen einenge, desto mehr Möglichkeiten hat er, sein Verhalten kognitiv zu rechtfertigen (»ich konnte ja da gar nicht anders«), und desto weniger muss er dann seine Einstellung verändern. Je mehr Freiheiten er hat, desto stärker wird er seine Einstellungen in Richtung auf das von ihm gezeigte Verhalten verändern! <?page no="131"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 132 132 • Gruppendynamische Möglichkeiten Im Zusammenhang mit der Psychologie der Gruppe haben wir gesehen, wie stark das soziale Kraftfeld individuelles Verhalten beeinflusst. Aus diesem Grund ist auch verständlich, dass jeder Versuch, individuelle Einstellungen zu verändern, stets auch die Gruppenzugehörigkeiten der Betreffenden berücksichtigen muss. Er kann nur mit gruppendynamischen Maßnahmen realisiert und stabilisiert werden. Ja, die Gruppe selbst ist das beste Medium zur Einstellungsänderung. Lewin untersuchte während des zweiten Weltkrieges, wie man die negative Einstellung der Hausfrauen zu Innereien als Nahrungsmittel verändern könnte. Eine Hausfrauengruppe wurde über die ökonomischen und ernährungswissenschaftlichen Vorteile durch einen Vortrag informiert. Eine andere Gruppe wurde mit dem Problem konfrontiert, dass Innereien sehr gesund sind, im großen Ausmaß zur Verfügung stehen, während andere Nahrungsmittel knapp sind. Die Gruppe einigte sich darauf, Zubereitung und Verzehr der Innereien auszuprobieren. Durch diese gemeinsam erarbeitete Lösung kam es zu einer wesentlich stärkeren und konstanteren Einstellungsänderung. Will man die Gruppe als Medium und Gegenstand der Veränderung betrachten, dann ist es sinnvoll, sich an den Regeln zu orientieren, die Dorwin Cartwright (1951), eine Mitarbeiterin Lewins, zusammengestellt hat. Sie stellen die Rahmenbedingungen für mögliche Veränderungen dar. • Eine Gruppe ist nur dann als Mittel der Veränderung wirksam, wenn zwischen den Personen, deren Verhalten sich ändern soll und denjenigen, welche die Verhaltensänderung beeinflussen, ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl zur gleichen Gruppe besteht. Dieser Aspekt ist uns schon in anderen Zusammenhängen begegnet (Konformitätsdruck, Wie wird man »Modell«? u. Ä.). • Je attraktiver die Gruppe für die Mitglieder ist, desto mehr Einfluss hat sie auf das individuelle Verhalten ihrer Mitglieder. Die Attraktivität hängt dabei davon ab, wie viele Bedürfnisse der Einzelne in oder durch die Gruppe befriedigen kann. • Je mehr die zu verändernden Verhaltensweisen und Einstellungen mit der speziellen Attraktivität der Gruppe zusammenhängen, desto stärker ist der Gruppeneinfluss. Der Einfluss der Gruppe besteht immer dann, wenn die Gruppenziele bedeutsam für das aktuelle Verhalten sind. • Je höher das Ansehen eines Mitglieds in der Gruppe ist, desto mehr Einfluss hat es auf die Verhaltensänderung. Das Ansehen ist dabei nicht unbedingt von formalen Führungspositionen abhängig, sondern von subjektiven, informellen Kriterien. • Jeder Versuch, einzelne Gruppenmitglieder oder Untergruppen in ihrem Verhalten so zu verändern, dass dies nicht mehr mit den Gruppennormen <?page no="132"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 133 133 und Traditionen übereinstimmt, stößt auf starken Widerstand. Damit wird deutlich auf die Problematik individueller Therapieformen hingewiesen: Kommt ein drogenabhängiger Jugendlicher nach erfolgreicher Einzeltherapie wieder in seine ursprüngliche Szene-Gruppe zurück, dann wird seine Einstellungsänderung nur kurzfristig andauern. Die geschilderten Regeln beziehen sich auf die Gruppe als Medium von Veränderungen. Sie zeigen, wie schwierig es ist, Einstellungsänderungen zu bewirken, wenn die handlungsrelevanten Bezugsgruppen andere Normen und Erwartungen besitzen. Die beiden folgenden Regeln beziehen sich auf die Gruppe als Gegenstand der Veränderung: • Erfolgreiche Veränderungen in einer Gruppe sind dann zu erwarten, wenn die Initiative zur Veränderung in der Gruppe selbst entsteht, bzw. wenn die Gruppenmitglieder aufgrund von neuen Informationen diese Veränderungen selbst für notwendig halten. In diesem Fall entsteht auch keine psychische Reaktanz. • Veränderungen in Untergruppen bewirken in den anderen Untergruppen Spannungen, die nur reduziert werden können, indem man entweder diese Veränderungen rückgängig macht oder die Beziehungen zwischen den Untergruppen neu gestaltet. Natürlich lassen diese Regeln viele Fragen für konkrete Probleme offen: Wie kann man die Gruppenattraktivität erhöhen, wie das Zusammengehörigkeitsgefühl fördern, wie erreichen, dass die Gruppe von sich aus nach Entscheidungen und Veränderungen drängt und sich auch mit Informationen befasst, die ihren Normen und Einstellungen entgegengerichtet sind? Die vorgestellten Regeln beschreiben nur die Rahmenbedingungen, die beachtet werden müssen, wenn man Veränderungen erreichen möchte. Sie beschreiben nicht die speziellen Techniken, die man am besten anwendet. Hier können Rollenspiele, verhaltenstherapeutische und gruppendynamische Ansätze Impulse geben. Die Gruppe als Mittel der Einstellungsänderung wird auch im therapeutischen Bereich intensiv verwendet. Zu denken ist dabei nicht nur an therapeutisch geleitete Gruppen, sondern auch an Selbsthilfegruppen, die weitgehend auf Fachleute verzichten und dem Teilnehmer eine offene, verständnisvolle, akzeptierende und helfende Situation anbieten, in der er sich mit seinen Problemen und Schwierigkeiten ohne Druck auseinandersetzen und reifen kann. Die erste dieser Selbsthilfegruppen waren die Anonymen Alkoholiker (AA), die 1935 gegründet wurden und sich auf der ganzen Welt erfolgreich verbreitet haben. Sie arbeiten allerdings nach einem relativ klar strukturierten Konzept. Seit 1972 haben sich in Deutschland EA-Gruppen (Emotion Anonymus) gebildet, die sich nach dem Konzept der AA mit der Lösung ihrer <?page no="133"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 134 134 emotionalen Probleme in der Gruppe befassen. Auch sie arbeiten ohne Fachleute und beziehen ihre Kompetenz daraus, dass sie als Betroffene die eigentlichen Experten sind. Die explosionsartige Entwicklung der Selbsthilfegruppen in Deutschland ist sicher mit ein Verdienst von Moeller (1992, 1996), der diesen Gedanken und die gemachten positiven Erfahrungen durch seine Veröffentlichungen einem weiten Personen- und Betroffenenkreis zugänglich machte. <?page no="134"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 135 135 6 Die Themenzentrierte Interaktion In diesem Kapitel werden die Grundgedanken der Humanistischen Psychologie und der themenzentrierten Interaktion (TZI) dargestellt. 6.1 Menschliches Wachstum als Ziel der Humanistischen Psychologie In den 50er-Jahren gründeten die Psychologen Maslow (1954, 1985), Bühler (1962, 1983) und Rogers (1978, 1979) zusammen mit anderen Kollegen eine Bewegung, die als »Humanistische Psychologie« bekannt wurde. Sie richteten sich engagiert gegen die aus ihrer Sicht mechanistischen Theorien der Psychoanalyse und des Behaviorismus. Sie forderten eine Psychologie, die dem gesunden, normalen, natürlichen und schöpferischen Menschen besser entspricht. Dieser Mensch verfolge seine Ziele nicht, weil er darauf konditioniert oder durch frühkindliche Fixierungen geprägt wurde, sondern weil er nach weiterem Wachstum und Selbstverwirklichung strebe. Maslow (1954) erklärte dies mit seiner bekannten »Bedürfnishierarchie«, nach welcher zuerst die Existenz-, Sicherheits- und Kontaktbedürfnisse im ausreichenden Maß befriedigt sein müssen, bevor die Selbstverwirklichungs- und Wachstumsbedürfnisse aktiviert werden können. Das Gedankengut der Humanistischen Psychologie hat sich in relativ kurzer Zeit weit verbreitet. Dies ist vor allem ein Verdienst von Carl Rogers (1978, 1979), der diese Ideen in sein therapeutisches Handeln übertrug und dabei die Beziehung Therapeut - Klient neu gestaltete. Nicht die vergangenen, frühkindlichen Erfahrungen, sondern die aktuelle Situation, das Erleben im »Hier und Jetzt« wird von zentraler Bedeutung. Für Rogers besitzt jeder Mensch die Fähigkeit zur Selbstregulation, die allerdings durch die Entwicklung mehr oder weniger stark beeinträchtigt sein kann. Der Therapeut hat nun die Aufgabe, die Selbstregulationskräfte des Klienten zu fördern, damit er seine Bedürfnisse wieder unverzerrt wahrnehmen und befriedigen kann. Der menschliche Organismus reagiert immer ganzheitlich auf alle Erfahrungen und versucht, seine Bedürfnisse zu befriedigen, auch wenn diese mit den übernommenen Werthaltungen des Selbst nicht übereinstimmen. Wenn die aktuellen Erlebnisse dem Selbstkonzept widersprechen, werden sie als bedrohlich erlebt. Angst ist deshalb eine Reaktion des Organismus auf mögliche Erfahrungen und Erlebnisse, die das Selbst bedrohen könnten. Der Betroffene versucht nun, diese bedrohlichen Erfahrungen zu vermeiden, zu verleugnen <?page no="135"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 136 136 oder zu verzerren und engt damit seine Wahrnehmung und seine Gefühlswelt ein. Er reagiert defensiv und blendet Erfahrungsmöglichkeiten, die für den Organismus wichtig sind, aus. Das Ziel einer gelungenen individuellen Persönlichkeitsentwicklung besteht für Rogers nun darin, dass zwischen der Selbststruktur und den Erfahrungsbzw. Erlebnismöglichkeiten ein harmonisches Gleichgewicht besteht, so dass der Mensch voll erlebnis- und handlungsfähig ist. Psychotherapie soll demnach die individuelle Fähigkeit zur Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung freisetzen. Deshalb legt der Gesprächspsychotherapeut auch kein klares Ziel fest, sondern schafft lediglich die geeigneten Bedingungen, in denen der Klient lernen kann, die Blockierung seiner Selbstaktualisierung zu überwinden. Diese Bedingungen werden durch die bekannten »Rogers- Variablen« beschrieben: • Einfühlendes, nicht wertendes Verstehen (Empathie): Der Therapeut versucht, den Klienten einfühlend in seiner Situation zu verstehen; er interessiert sich für die individuelle, einzigartige Erlebnisweise seines Gesprächspartners, der sich dabei als Mensch ernst genommen fühlt und damit bereit wird, sich auch mit seinen Gefühlen auseinanderzusetzen und sie anzunehmen. • Unbedingte Wertschätzung: Der Therapeut knüpft seine Wertschätzung nicht an bestimmte Bedingungen, sondern akzeptiert den Klienten in seiner Individualität; dies darf nicht mit gleichgültigem Tolerieren verwechselt werden! Der Gesprächspartner kann dabei schrittweise seine Angst aufgeben, sich selbst als »wertvoll« erkennen und wird damit auch freier und offener gegenüber anderen. • Echtheit - Ohne Fassade sein: Zwischen Aussagen, Erlebnisweisen und Verhalten des Therapeuten besteht Übereinstimmung (Kongruenz). Das schließt die Forderung ein, die klientenzentrierte Gesprächsführung nicht als eine »Technik« anzuwenden, sondern die Gedanken der Humanistischen Psychologie auch verinnerlicht zu haben. Rogers hat diesen Ansatz ursprünglich für therapeutische Einzelgespräche entwickelt, ihn mit der Zeit aber auch auf die Arbeit mit Gruppen (»Encountergruppen«) übertragen. Diese Gruppen treffen sich in der Regel für einige Tage, ohne dass ein Thema festgelegt ist. Sie müssen sich demnach zuerst selbst organisieren, wobei allerdings einige Grundregeln festgelegt sind: Durch »Spontaneität und Echtheit« sollen die Teilnehmer lernen, sich ihrer eigenen Gefühle bewusst zu werden, sie frei zu äußern und auch entsprechend zu handeln. »Sensibilität und Empathie« und »Akzeptieren« sowie ein »gemeinsames Bemühen um bessere Lösungen« sind bei bestehenden individuellen Problemen weitere Grundbedinwww.claudia-wild.de: <?page no="136"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 137 137 gungen, die dem Einzelnen helfen, sich in der Gruppe konstruktiv zu entwickeln. Rogers sieht die therapeutische Aufgabe in der Begleitung des Klienten auf dessen Weg zur Selbstaktualisierung. Nicht alle humanistischen Therapeuten waren so geduldig; so versucht Gendlin (1974) in seiner »Erlebnistherapie« und vor allem Perls (1974) in der »Gestalttherapie« durch »Experimente« die nach Meinung des Therapeuten erforderlichen Wahrnehmungen und Erlebnisse zu provozieren, um sie mit diesem heilsamen Schock dem Selbstkonzept wieder bewusst zu machen. Ruth Cohn (1991) hat sich als Psychoanalytikerin mit den erlebnisorientierten Ansätzen der Humanistischen Psychologie auseinandergesetzt und daraus ein Modell für ein »lebendiges Lernen« in Arbeitsgruppen entwickelt: Die »Themenzentrierte Interaktion« (TZI). Ich möchte die TZI als Bezugssystem für die Arbeit mit Gruppen etwas ausführlicher vorstellen, weil sie mehr Struktur besitzt als die sehr offene Vorgehensweise von Rogers. Außerdem möchte ich den Leser dazu anregen, sich über das eigene Menschenbild klar zu werden. Der Name »Themenzentrierte Interaktion« bezieht sich auf die konkrete Gruppensituation, bei der sich mehrere Menschen treffen, miteinander in Beziehung treten (interagieren) und versuchen, ein Thema zu bearbeiten oder eine Aufgabe zu lösen. Diese drei Aspekte spielen bei allen Gruppenaktivitäten eine Rolle, auch wenn oft nur ein Aspekt - das Thema - im Mittelpunkt steht. Häufig wird nicht berücksichtigt, was der Einzelne erlebt und wie die Teilnehmer miteinander umgehen, obwohl dies ebenso die Gruppenrealität bestimmt und die Behandlung des Themas beeinflusst. 6.2 Das Menschenbild der »Themenzentrierten Interaktion« Aus dem Menschenbild der TZI - es orientiert sich stark an dem der Humanistischen Psychologie - ergibt sich das weitere konkrete Verhalten in Gruppen. Deshalb sollen die wesentlichen Grundannahmen Cohns (1991, S. 120ff ) im Folgenden zuerst dargestellt werden: • Der Mensch ist sowohl ein Individuum als auch eingebettet in seine Umwelt; er ist Teil des Universums. Deshalb ist er »autonom und interdependent«. Seine Autonomie (Eigenständigkeit) wächst, je stärker er sich seiner Interdependenz (Allverbundenheit) bewusst wird. Er muss sich stets dieser Spannung zwischen individueller, unabhängiger Eigenständigkeit und seiner sozialen Wechselwirkung und Eingebundenheit mit Personen und Dingen verantwortungsvoll bewusst sein. Damit bezieht Cohn klar Stellung gegen eine subjektzentrierte Philosophie des <?page no="137"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 138 138 »doing my own thing« (»ich kümmere mich nur um meine eigenen Angelegenheiten«). Autonomie ist für sie nicht Autismus, sondern »verantwortungsvolle Partnerschaft« (S. 98). • Jedem Lebendigen und seinem Wachstum gebührt Ehrfurcht; individuelles Wachstum gehört zum menschlichen Leben und ist wertvoll. Ich muss mir demnach immer wieder klar darüber werden, was ich als Leben/ Wachstum begreife und dies in Bezug setzen zu den Menschen, mit denen ich zu tun habe. Dabei gibt es häufig nicht die eine richtige Antwort auf die Frage, was denn Wachstum sei, weil die Beteiligten dazu unterschiedliche Vorstellung haben können. Dies führt zum dritten Postulat: • »Freie Entscheidung geschieht innerhalb bedingender innerer und äußerer Grenzen« (Cohn 1991 S. 120). Der Mensch kann frei entscheiden; seine Freiheit wird aber eingeengt durch innere und äußere Barrieren, an denen aber jeder arbeiten kann, um sie auszuweiten und freier zu werden. Kann ich mich beispielsweise in einer Gruppensituation nicht frei entscheiden, meine konträre, konfliktträchtige Meinung deutlich zu sagen, weil ich einfach Angst habe (innere Barriere), dann kann ich daran arbeiten, diese Angst vor Auseinandersetzungen besser kennenzulernen und zu verringern. Auch kann ich nicht frei darüber entscheiden, dass ich in einer möglichst natürlichen, gesunden Welt lebe (äußere Barriere). Ich kann aber versuchen, selbst umweltbewusster zu leben und umweltbezogene Aktionsgruppen zu unterstützen. Diese Grundannahmen (Axiome) sind nun kein Rezept für das konkrete Verhalten in allen Gruppensituationen. Sie sagen nicht aus, was das jeweils »Richtige« ist, denn was für den einen in der Situation Wachstum sein kann, kann für den anderen in derselben Situation Einengung, Blockierung oder Überforderung sein. Auch wenn diese Axiome keine klare Richtschnur vorgeben, besteht nicht die Gefahr, dass sie willkürlich angewandt werden. Diese Gefahr besteht nur, wenn einzelne Aspekte überbewertet und andere vernachlässig werden; wenn man beispielsweise nur die eigene Autonomie und Freiheit umsetzen und die ebenso postulierte Allverbundenheit und den Respekt vor allem Lebendigen und dessen Wachstum ignorieren will. Für die TZI sind stets polare Dimensionen gleichzeitig wichtig, auch wenn dies zu Paradoxien führt, die jeder für sich in der konkreten Situation eigenverantwortlich klären muss: • Meine Freiheit und die Freiheit des anderen. • Meine Autonomie und die Autonomie des anderen. • Mein Wachstum und die Entfaltungsmöglichkeiten des anderen. Aus diesen Grundaussagen ergeben sich für Cohn folgende Verhaltensanforderungen für die Gruppenarbeit: <?page no="138"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 139 139 (1) »Sei dein eigener Chairman, der Chairman deiner selbst«. Jedes Gruppenmitglied soll selbstverantwortlich für sich handeln, soll sich selbst leiten, aber auch das Recht des anderen dazu respektieren. Wichtig ist es, sich die eigenen Gefühle bewusst zu machen, und die eigenen Möglichkeiten und Grenzen als Mensch zu begreifen. Es heißt nicht zu tun und zu lassen, wozu ich gerade Lust habe oder das zu tun, was man von mir fordert! Bei den erforderlichen Entscheidungen zwischen eigener Freiheit und Abhängigkeit kommt es häufig zu Störungen, die mich und den anderen behindern. »Störungen fragen nicht nach Erlaubnis, sie sind da: als Schmerz, als Freude, als Angst, als Zerstreutheit; die Frage ist nur, wie man sie bewältigt.« (2) »Störungen haben Vorrang«: Diese Forderung besagt, dass intensive Gefühle und Störungen angesprochen werden müssen, da sie Wachstum und Lernen erschweren. Nur wenn der Gruppenleiter oder die Teilnehmer vorhandene Störungen direkt ansprechen, dann können diese beseitigt und eine Stagnation vermieden werden. Es gibt allerdings auch Teilnehmer mit »chronischen« Störungen, die durch eine kurze Ansprache nicht abgeklärt werden können. Ist ein Mensch so stark auf seine persönlichen Probleme fixiert, dann kann er sich meist nicht mit anderen Aufgaben beschäftigen. In solchen Fällen ist eine therapeutische Behandlung oder eine spezielle problemorientierte Gruppe angebracht. Die Störungen, welche die Gruppe als Ganzes betreffen (»Wir«), haben in nichttherapeutischen Gruppen manchmal Vorrang vor unlösbaren individuellen Problemen (»Ich«). Auch die Maxime, dass den aktuellen Bedürfnissen der Realität Vorrang zukommt, hilft dem Leiter, seine Entscheidungen zu treffen. Diese Postulate umschreiben das Bezugssystem und können sowohl als Weg wie auch als Ziel der themenzentrierten Gruppenarbeit aufgefasst werden. ES ICH Umwelt WIR Abb. 21: Die Struktur der themenzentrierten Interaktion <?page no="139"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 140 140 6.3 Verhaltensregeln der TZI In früheren Schriften wird die themenzentrierte Interaktion häufig mit TIM (themenzentrierte interaktionelle Methode) abgekürzt. Cohn distanzierte sich von dieser Abkürzung, weil sie in dem Begriff »Methode« eine Gefahr sah: Die Bezeichnung TIM verleitet dazu, das Konzept als eine »Technik«, unabhängig von der humanistischen Grundeinstellung, anzuwenden. Diese Grundeinstellung wird von den »Rogers-Variablen« umschrieben, wobei Cohn die Variable »Echtheit-Spontaneität-Offenheit« für die TZI durch die Bezeichnung »selektive Authentizität« (S. 68) präzisiert. Sie fordert, dass der Gruppenleiter und auch die Teilnehmer sich spontan und offen verhalten sollen, ohne andere Personen damit zu schädigen und realitätsfremd zu reagieren. Also nicht Offenheit um jeden Preis, sondern in verantwortungsvoller Weise. Sie fordert demnach eine »disziplinierte Spontaneität« bezogen auf die Interaktionspartner und die eigenen Gefühle. Das Vorgehen bei der TZI orientiert sich an einer klaren Struktur, auch wenn die Teilnehmer zu Beginn oft das Gefühl von zu großer Freiheit haben. Struktur und Freiheit sind für Cohn (1991, S. 113) kein Widerspruch: »Ich glaube, dass nur eine feste Struktur Freiheit ermöglicht.« Der strukturelle Rahmen entsteht durch folgende Faktoren, die man sich bildlich als Eckpunkte eines gleichseitigen Dreiecks vorstellen kann: die individuellen Persönlichkeiten (Ich), die Gruppe (Wir) und die Aufgabe oder das Thema (Es). Diese drei Faktoren spielen bei allen Gruppenprozessen eine Rolle. Das Dreieck ist in einem Kreis eingebettet, der das Umfeld darstellt, in dem das Gruppenleben stattfindet (siehe Abbildung 21). Diese einfach aussehende Struktur besitzt allerdings eine hohe Komplexität, wenn wir die einzelnen Elemente etwas genauer betrachten: • Der Kreis (»globe«) beschreibt die gegebene Situation bevor und während sich die Gruppe trifft. Der Gruppenleiter muss sich mit den Gegebenheiten der äußeren Situation befassen und Aspekte wie Thema, Zeit, Kosten, Unterkunft, Gruppenraum, Teilnehmer und ihre Motivation, Interesse am Gelingen des Seminars u. v. a.m. klären. • Das Es betrifft die konkrete Aufgabe, mit der sich die Gruppe beschäftigen soll. • Das Ich sind die einzelnen Teilnehmer mit ihren Gedanken, Wünschen, Wahrnehmungen, Erfahrungen und Ängsten in Bezug auf das aktuelle Thema, aber auch auf ablaufende Erlebnisse mit anderen Teilnehmern und der konkreten Situation. • Das Wir ist der Umgangsstil der Gruppe, die spezielle Kommunikation und wie sie erlebt wird: Wie gehen wir miteinander um? Wer dominiert? Wer ist der Sündenbock? <?page no="140"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 141 141 Der Gruppenleiter muss sich dieser Dreieckspunkte stets bewusst sein und versuchen, sie in einem dynamischen Gleichgewicht zu halten. Diese Balance zwischen Es, Ich und Wir gelingt nie vollkommen, da wir immer nur ein relatives Gleichgewicht erreichen können. Je nach Ziel, Situation und Gruppenmitgliedern wird einmal das Thema, die individuellen Bedürfnisse oder das Umgehen miteinander im Vordergrund stehen, bearbeitet werden und anschließend zurücktreten, um einem neuen Aspekt zu weichen. So steht normalerweise bei Arbeitsgruppen oder Informationsveranstaltungen das Thema (Es) bzw. die Aufgabe im Vordergrund und Ich und Wir werden nur begleitend beachtet. Sie sind natürlich auch vorhanden, dominieren aber nicht, wie etwa in Therapie- oder Selbsterfahrungsgruppen. Bei der konkreten Gruppenarbeit erhalten die Teilnehmer einige Empfehlungen/ Regeln, durch welche das dynamische Ausbalancieren erleichtert werden soll. Einige dieser Regeln lauten (in Anlehnung an Cohn 1975, S. 124f und Klein 1991, S. 103f ): (1) Vertreten Sie sich selbst! Sprechen Sie in der Ich-Form und nicht mit »Wir«- oder »Man«-Formulierungen, wenn Sie etwas über sich aussagen wollen. Wenn ich »Ich« sage, dann übernehme ich auch die Verantwortung für meine Aussage: Ich werde dadurch vielleicht angreifbarer, vielleicht sogar verletzbarer, andererseits aber auch offener und kann andere persönliche Aussagen leichter akzeptieren. Formulierung wie »man sollte«, »jedermann weiß doch« oder »wir langweilen uns alle« sind fast immer persönliche Versteckspiele, bei denen Verantwortung abgeschoben wird. (Erinnert Sie diese Regel an die Empfehlung »Ich-Aussagen« und keine »Du-Angriffe« beim Thema Konfliktsteuerung zu formulieren? ). (2) Wenn Sie eine Frage stellen, dann sagen Sie bitte auch, warum die Frage für Sie wichtig ist. Damit wird die Frage persönlicher, klarer und partnerschaftlicher, weil der Befragte den Hintergrund kennenlernt und die Kommunikation offener wird. Es ist fast immer besser, eine persönliche Aussage zu machen, als eine Frage zu stellen. (3) Seien Sie echt und wählen Sie verantwortungsbewusst aus, was Sie sagen. Machen Sie sich also bewusst, was Sie im Moment denken und fühlen und wählen Sie aus, was Sie sagen. Nur wenn Sie so handeln, schaffen Sie schrittweise das Vertrauen zu weiterer gegenseitiger Öffnung. »Sei authentisch und selektiv«! (4) Halten Sie sich mit Interpretationen und Verallgemeinerungen zurück. Interpretationen können richtig sein und auch zum treffenden Zeitpunkt geäußert werden; in diesem Fall schaden sie nichts, sondern sagen das aus, was der Betreffende schon weiß. Sind sie korrekt, aber zum falschen Zeitpunkt eingebracht, dann führen sie meist zu Abwehrhaltungen und verlangsamen den Prozess. <?page no="141"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 142 142 (5) Seitengespräche sind Störungen und haben Vorrang. Meist sind sie auch wichtig für die Betreffenden, denn sonst würden sie ja nicht geführt werden. (6) Es darf immer nur einer zur gleichen Zeit reden! Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, dann sollten die einzelnen Beiträge stichwortartig gesammelt werden (Flipchart), so dass die ganze Gruppe einen Überblick bekommt. Die verschiedenen Beiträge werden anschließend geordnet bearbeitet, so dass alle Beiträge diskutiert werden. (7) Beachten Sie die Signale Ihres Körpers, aber auch die Körpersprache der anderen Teilnehmer, um die nonverbalen Sprachsignale aufgreifen und ansprechen zu können. Mit diesen Hilfsregeln sollen die Grundsätze und Postulate in konkretes Verhalten umgesetzt werden. Sie stehen nicht unabhängig nebeneinander, sondern überschneiden sich sehr stark. Auch sind sie als Empfehlungen und keinesfalls als Gesetze oder strikte Reglementierungen zu verstehen. »Sie sind keine absoluten Größen. Ihre Verabsolutierung ist Missbrauch und dient dem Geist, den sie bekämpfen möchten« (Cohn 1975, S. 128). Sie können bei Bedarf natürlich verändert oder erweitert werden, wenn es für die Gruppe sinnvoll ist. Die Grundannahmen, die Axiome und auch die Regeln klingen einfach und plausibel; ihre Umsetzung ist es aber nicht. Beobachten Sie dazu die Vorgehensweise bei der einer Konferenz, einer Teambesprechung oder einer Fernsehdiskussion. Sie werden sehen, wie häufig das Gleichgewicht verloren geht und wie selten man sich darum bemüht, es wieder zu gewinnen. Dazu ist aber auch eine bestimmte Grundhaltung erforderlich, welche eine offene Verständigung ermöglicht. Die Ziele der TZI können allerdings jetzt nicht durch Lehren oder Auswendiglernen der Regeln vermittelt werden. Sie müssen praktiziert und in ihren Auswirkungen auf das Gruppenklima erlebt werden. Der Gruppenleiter kann hier sehr gut als Modell dienen, wenn er sein Verhalten entsprechend ausrichtet, das Gruppenklima dadurch positiv gestaltet, Vertrauen schafft und auch die Hintergründe darstellt, die sein Verhalten in den verschiedenen Situationen beeinflussen. <?page no="142"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 143 143 7 Planung und Moderation von Gruppenaktivitäten In diesem Kapitel werden die Punkte dargestellt, die bei der Planung von Gruppenveranstaltungen zu berücksichtigen sind, damit unerwartete Überraschungen vermieden werden können. Daneben werden einige bewährte Methoden beschrieben, die den Einstieg in die Gruppenarbeit, die Auseinandersetzung mit dem Thema, die Visualisierung von Arbeitsergebnissen, die Beobachtung des Gruppenprozesses und die Sicherung des Lerntransfers erleichtern. 7.1 Welche Punkte sind bei der Planung zu berücksichtigen? Planung klingt nach fester Struktur und Einengung. Denken wir an die Grundannahmen der TZI, dann lässt sich dieses Verständnis von Planung nicht rechtfertigen. Ich möchte den Begriff in einem anderen Umfeld ansiedeln: Der Sinn jeder Planung besteht darin, sich klar zu werden, welche Situationen zu erwarten sind, mit welchen Menschen man zusammenarbeiten wird, welche Ziele zu erreichen sind und welche Wege dazu am besten geeignet sein dürften. Ich nehme so die Situationen bewusster wahr und kann mich dann auch flexibler neu orientieren, wenn die Situation es erfordert. Es geht ja um die Möglichkeit der selbstständigen Entscheidung (»Sei dein eigener Chairman«) im Bewusstsein der gegenseitigen Abhängigkeit. So verstanden wird Planung zur Voraussetzung für flexibles und offenes Verhalten in Gruppen. Nur wenn ich mir Gedanken gemacht habe, meine Gefühle, Bedürfnisse und Interessen kenne, kann ich neuartige Situationen besser wahrnehmen und freier entscheiden. Es besteht dann weniger die Gefahr, dass ich meine Interessen und die der anderen vermische. Eine so verstandene Planung ist nur vorläufig und kann sich flexibel an neue Situationen anpassen. Bei der Planung von Gruppenveranstaltungen sind einige Rahmenbedingungen zu beachten, da sie die Auswahl der Methoden beeinflussen. Der Rahmen wird dabei zum einen von der Veranstaltungsform, zum anderen durch die organisatorisch-technischen Faktoren gesteckt. Die Veranstaltungsformen reichen vom Vortrag über Kurse, Arbeits- und Gesprächskreise bis zu mehrtägigen Seminaren, in denen die Aktivität und Mitverantwortung der Teilnehmer am stärksten gefordert wird. Auch wenn beim Vortrag der Referent die Hauptaktivität entwickelt und bei dieser Verwww.claudia-wild.de: <?page no="143"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 144 144 anstaltungsform meist wenig an zusätzlicher Methodik geboten wird, kann der Referent mit einiger Fantasie dennoch seine Zuhörer aktivieren: Er kann kurze Pausen einschalten und Nachbarschaftsgruppen bilden, die bestimmte Fragen diskutieren. Er kann mit einer meditativen Pause zu Beginn die Teilnehmer auf das Thema einstimmen und mit anderen methodischen Einfällen versuchen, die Zuhörer aus ihrer passiven Konsumhaltung zu holen. Jede Veranstaltungsform favorisiert bestimmte Methoden und grenzt andere eher aus. Dennoch sollte man sich dadurch nicht festlegen lassen, im Gegenteil: Man sollte dies als Aufforderung betrachten und methodische Fantasie entwickeln, damit es gelingt, die Teilnehmer zu aktivieren und ein lebendiges Lernen zu ermöglichen. Die meisten Gruppenleiter haben aus eigener Erfahrung gelernt, wie wichtig die Planung der technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen ist. Die Bedeutung wird immer dann klar, wenn irgend etwas nicht funktioniert, wenn ein Verbindungskabel zwischen Kamera und Fernseher fehlt, wenn die beschriebenen Flipcharts (Plakate) nicht an den Zimmerwänden haften bleiben, weil die Holzwände frisch mit Firnis bearbeitet wurden, wenn das Mittagessen zu lange dauert … Im Folgenden werden die wesentlichen organisatorischen und technischen Rahmenbedingungen dargestellt, die bei der Planung des Methodeneinsatzes eine Rollen spielen. • Teilnehmer Hier sind vor allem die Gruppengröße und die soziokulturellen Voraussetzungen aller Beteiligten von Interesse. Folgende Fragen sollten in diesem Zusammenhang geklärt werden: Wie viele Teilnehmer kommen? / Wie alt sind die Teilnehmer? / Welchen Erfahrungshintergrund bringen sie mit? / Wie ist ihre Motivation (freiwillige Meldung? )? / Welchen Stellenwert hat die Veranstaltung für sie? / Aus welchen sozialen Verhältnissen kommen sie? / Welche Beziehungen könnten zum Thema oder zum Leiter hergestellt werden? • Rahmen der Veranstaltung Hier sind ganz elementare Bedingungen zu berücksichtigen: Wie viel Zeit steht für die Veranstaltung zur Verfügung? / Aus welcher Situation kommen die Teilnehmer zur Veranstaltung (z. B. nach der Arbeit)? / Wie sind die räumlichen Gegebenheiten, ist Platz für Kleingruppenarbeit vorhanden, wie leicht können Tische/ Stühle umgruppiert werden? / Sind Pinnwände, Flipcharts vorhanden, kann man die Arbeitsergebnisse an den Wänden mit Krepp-Klebestreifen befestigen? / Wer ist offiziell verantwortlich für die <?page no="144"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 145 145 Medien, Technik (z. B. Verlängerungskabel), Verbrauchsmaterial? / Wer hat von außen Einfluss und Kontrollrechte usw.? • Ziele Hier ist zu definieren, welche Ziele durch die Veranstaltung erreicht werden sollen. Wie passen diese Ziele in den organisatorischen Rahmen, und welche Änderungen sind möglich und erforderlich? • Inhalte Welche Inhalte sollen in der Veranstaltung behandelt werden, wie passen die Inhalte zu den Zielen und zu den Rahmenbedingungen? • Methoden Die Methoden sind die nützlichen Verfahrensweisen, mit denen die Inhalte behandelt und die Ziele erreicht werden sollen. Welche Ideen, Wege finde ich, um die Inhalte zu behandeln, die Ziele unter den gegebenen Rahmenbedingungen zu erreichen? Was kann ich machen, um die Inhalte »rüberzubringen«? • Mittel und Medien Welches Material brauche ich, was kann ich vorbereiten, welche Medien müssen vorhanden sein, passen sie zu den Teilnehmern, zum zeitlichen Rahmen usw.? Diese organisatorischen und technischen Faktoren hängen natürlich sehr eng zusammen, d. h. Teilnehmerzahl, Zeit, räumliche Bedingungen, Inhalte, Methoden und Ziele bestimmen sich gegenseitig. Sie stellen die wichtigsten Felder dar, die bei der Veranstaltungsplanung zu berücksichtigen sind. 7.2 Exkurs: Moderationstechniken für die Gruppenarbeit Die Moderationstechniken haben sich in den letzten Jahrzehnten im Bereich der betrieblichen Erwachsenenbildung und Projektarbeit weitgehend durchgesetzt und stellen auch für die Arbeit mit Gruppen eine sehr effektive und vielseitig einsetzbare Technik dar. In der Gruppenmoderation finden wir die Ideale der aktuellen Führungsphilosophien wieder: Mitbeteiligung, Delegation, Offenheit, Transparenz, Partnerschaftlichkeit. Sie ist ein zentrales Element des mitarbeiterbezogenen, kooperativen Führungsstils. <?page no="145"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 146 146 7.2.1 Ziel und Zweck der Moderation Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes Moderation lautet »Beruhigung und Mäßigung«. Die aktuelle Bedeutung wird vorwiegend durch die Radio- und Fernsehmoderatoren bestimmt, die sich bei der Moderation allerdings meist selbst in den Mittelpunkt stellen. Das Ziel der Moderation von Gruppengesprächen besteht darin, das kreative Potenzial einer Gruppe voll auszuschöpfen, d. h. eine Besprechung, Konferenz, Arbeitsgruppe oder ein Projektteam so zu führen, dass ein optimales Ergebnis erzielt werden kann. Das beinhaltet, dass der Moderator die Gruppenmitglieder und nicht sich selbst in den Mittelpunkt stellt. Der Moderator von Gruppen- und Teamgesprächen ist verantwortlich für den Ablauf, den Prozess, nicht für den Inhalt: Moderation ist zielgerichtete Prozesssteuerung. 7.2.2 Wann ist die Moderation von Gesprächen sinnvoll? Bei Routineinformationen benötigen wir keine Moderation. Auch nicht, wenn die Gruppenmitglieder erwarten, dass ein guter Vorgesetzter weiß, was er will und wie die Besprechung abzulaufen hat. In diesem Fall steht ein Moderator auf verlorenem Posten. Besteht in der Gruppe das Bewusstsein, dass die anstehenden Fragen gemeinsam besser gelöst werden können, dann ist es sinnvoll, die Gruppenprozesse zu moderieren. Es ist demnach eine gewisse Reife der Gruppe erforderlich. Generelle Aufgaben des Moderators Der Moderator muss demnach Rahmenbedingungen sicherstellen, durch die eine Gruppenarbeit so gefördert wird, dass die Leistungsvorteile erreicht werden können. Er muss eine Einstiegssituation (»warming-up«-Situation) schaffen, in der die Teilnehmer sich kennenlernen und auf das Thema eingestimmt werden; die Moderatorenrolle muss klar dargestellt werden (prozess- und nicht inhaltszentriert); es müssen die Regeln der partnerzentrierten Gesprächsführung vorgestellt und als verbindliche Verhaltensnorm eingeführt werden. Die Moderatoren müssen Methoden anbieten, mit denen die anstehenden Fragen bearbeitet werden können; sie müssen die Prozesse auf der Inhaltsebene steuern und visualisieren; damit wird der aktuelle Stand der Diskussion fixiert und der »rote Faden« deutlich. Sie müssen ferner die gruppendynamischen Prozesse (Beziehungsebene) beobachten, ansprechen und steuern, die Arbeitsergebnisse dokumentieren und Folgeaktivitäten festlegen. <?page no="146"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 147 147 7.2.3 Verhaltensregeln der Gruppenmoderation Die folgenden Verhaltensregeln - sie wurden in ähnlicher Form schon in Kapitel 3 (Interaktion und Kommunikation) besprochen - sind für die Gruppenmoderation verbindlich: • Aktiv zuhören: Sich auf die Äußerungen der anderen konzentrieren; sich selbst so gut es geht zurückhalten; andere ausreden lassen; Gefühle, die deutlich werden, ansprechen; Kernaussagen herausfiltern; Aussagen zwischendurch zusammenfassen; Blickkontakt halten und nonverbale Botschaften aufgreifen. • Mit offenen Fragen anregen: »W-Fragen« (Was, worüber, wie …? ) stellen; anregende Fragen stellen, die nicht mit »Ja« oder »Nein« beantwortet werden können oder eine Antwort suggerieren; mit Gesten und »Stimmlauten« (Hmm, ja, …) anregen. • Angriffsarm reagieren: Die Äußerungen der Teilnehmer akzeptieren und nicht abwerten; Gegenargumente anhören und berücksichtigen; »Ich-Aussagen« formulieren und »Du-Angriffe« vermeiden; Gemeinsamkeiten herausarbeiten und Kompromissvorschläge suchen. • Wesentliche Aussagen visualisieren: Die Kernaussagen notieren und auf Flipchart oder Pinnwand visualisieren, damit die Argumente nicht mehrfach wiederholt werden müssen. • Unterschiedliche Methoden einsetzen: Wechsel zwischen Plenum, Einzel- und Kleingruppenarbeit, Einpunkt- und Mehrpunktabfragen, Brainstorming usw. gestalten die Moderation lebendig und erhalten die Konzentrationsfähigkeit. • Zusammenfassen und Aktionsplan herausarbeiten: Die gewonnenen Ergebnisse werden am Schluss zusammengefasst (Einigung, Kompromiss, Nichteinigung/ Vertagung) und in einem Aktionsplan festgehalten (Aktion, wer, mit wem, bis wann, Ergebnis, Kontrolle). <?page no="147"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 148 148 7.2.4 Das Handwerkszeug der Gruppenmoderation Die zentralen Hilfsmittel für die »klassische« Moderation sind Flipchart und Pinnwand sowie entsprechend dicke Filzstifte und Material für die Moderation (Kärtchen unterschiedlicher Form/ Größe, Pinnnadeln, Klebestifte usw.). Diese klassischen Hilfsmittel sind durch digitale Bearbeitungsmöglichkeiten erweitert worden (siehe Kapitel 8.4). Das Moderationsmaterial und die -technik sind mittlerweile zu einem einträglichen Geschäftszweig geworden, in dem sich einige Firmen etabliert und profiliert haben (z. B. Metaplan, Neuland). Ich orientiere mich im Folgenden an den »Normen« dieser Anbieter, die ich in der praktischen Umsetzung auch als sehr hilfreich erlebt habe. Mit diesen Normen sollte allerdings flexibel und eher kreativ umgegangen werden, auch wenn das die »Hardliner« der Neuland- oder Metaplan-Schule anders sehen. • Arbeiten mit dem Flipchart: Das Flipchart ist ein beweglicher Ständer für spezielles FC-Papier (Plakatgröße ca. 70 x 100 cm), auf das Planung und Arbeitsergebnisse mit dicken Filzstiften notiert werden. Die beschrifteten Plakate können dann mit Krepp-Klebestreifen an den Wänden des Arbeitsraumes befestigt werden. Sie bleiben so während der gesamten Veranstaltung sichtbar und dokumentieren die Schwerpunkte der abgelaufenen Prozesse. Bei der Arbeit am Flipchart sollten folgende Regeln beachtet werden: • »Weniger ist meist mehr«; beschränken Sie sich auf zentrale Aussagen, • schreiben Sie deutlich mit Groß- und Kleinbuchstaben, setzen Sie die Buchstaben eng aneinander und betonen Sie die Mittellängen (s. Abbildung 22), • schreiben Sie mit der breiten Seite des Filzstiftes; dadurch wird Ihre Schrift kraftvoller und markanter. Eine dünne Schrift wirkt unleserlich und schwächlich; • verwenden Sie verschiedene Farben möglichst in gleicher Funktion (z. B. Überschriften stets rot), • üben Sie das Schreiben am FC vorher ein, und bereiten Sie feststehende Informationen vor, • kontrollieren Sie die Lesbarkeit Ihrer Schrift aus der Entfernung (acht bis zehn Meter), • sprechen Sie während des Schreibens nicht zum Flipchart. • Arbeiten mit Pinnwänden Pinnwände sind »Stecktafeln« (ca. 150 x 120 cm) aus weichem Material (Weichfaserplatte o. Ä.), auf die Packpapierbögen mit speziellen Nadeln <?page no="148"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 149 149 (dicker Kopf, kurze Spitze) befestigt sind. Die Tafel ist in einen Rahmen eingepasst und transportabel. Für die Gruppenmoderation werden meistens mehrere Pinnwände benötigt. Abbildung 22 beschreibt das Material, das bei der Arbeit mit der Pinnwand zur Verfügung steht. Wie wird die Pinnwand gestaltet? Auf der ersten Pinnwand wird oben links das zentrale Thema der Veranstaltung (auf eine Wolke) geschrieben. Die Hauptüberschriften der weiteren Pinnwände werden auf »Schlipse« geschrieben. Die Ideen und Argumente werden auf den rechteckigen Kärtchen notiert. Die großen Kreise dienen als Gruppen- (Cluster-) Überschriften; kleine Kreise werden zur Nummerierung verwendet. Die »Eierkarten« werden für Einwände/ Widersprüche aus dem Plenum benötigt (dazu werden sie mit einem Blitz versehen), und die Klebepunkte dienen zur Bewertung/ Gewichtung. Nach den Normen der Pinnwand-Moderation (Metaplan 1992) werden auf das Packpapier nur Striche, Verbindungslinien oder Pfeile gezeichnet. Abb. 22: Material für die Pinnwandmoderation Material: Wolke Mit Packpapier bespannte Pinnwände rechteckige Karten „Schlipse/ Fahnen“ „Eierkarten“ runde Karten „Kuller“ Stecknadeln Filzstifte Klebestifte Selbstklebepunkte <?page no="149"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 150 150 Weitere Empfehlungen zur »Poster«-Gestaltung: Beschreiben Sie die Kärtchen so, dass die Schrift noch aus acht bis zehn Metern gelesen werden kann; dies gelingt am ehesten, wenn Sie maximal sieben Wörter verteilt auf drei Zeilen pro Kärtchen schreiben, den Filzstift mit der Breitseite aufsetzen, die Mittellängen betonen und möglichst Druckschrift anstelle der Schreibschrift verwenden. Abbildung 23 zeigt beispielhaft die empfohlene Schreibweise (Neuland 1999). Wichtig ist ferner, dass pro Karte nur eine Aussage/ Argument, (Ergänzungsaussage - ovale Karte) formuliert wird. Halbsätze sind in der Regel aussagekräftiger als nur Stichworte. Ähnlich lautende Karten werden zu Blöcken (Clustern) zusammengefasst; der Clustername wird auf eine große Kreiskarte geschrieben. Das Poster bleibt übersichtlich, wenn nicht mehr als 20 bis 24 Karten auf einem Packpapier angeordnet werden. Sind die Karten endgültig geordnet, dann werden sie festgeklebt, die Blöcke mit dicken Strichen umrahmt (»Gestaltgesetze« beachten) bzw. Verbindungslinien gezogen. Gesprächsregeln (»Interaktionstechnik«) für die Moderation: Fragen und Thesen sind Kernstücke einer vorbereiteten Interaktion. Sie werden zum aktuellen Thema offen formuliert, entweder als »einfache« (Welche Probleme haben wir bei …? ) oder »doppelte« Frage (Was spricht für …, was spricht dagegen? ). Auch »Mehrfachfragen« sind möglich (z. B. Welche Meinung hören wir dazu vom Management/ Betriebsrat/ Kunden und Mitarbeiter? ). Thesen sollen provozieren und das Meinungsspektrum aufdecken; sie sollten positiv (ohne Verneinung) formuliert werden. Eine normale Kartenabfrage läuft dabei nach folgenden Schritten ab: Abb. 23: Beispiel für die Schreibweise mit dem Filzstift (Neuland 1999) <?page no="150"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 151 151 Die Moderatoren stellen das Thema vor und leiten daraus die Fragestellung (z. B. Welche Probleme haben wir bei …? ) ab; wenn erforderlich erklären sie den Teilnehmern auch das methodische Vorgehen. Anschließend verteilen sie an die Teilnehmer die (rechteckigen) Kärtchen, lassen diese beschreiben (pro Karte eine Idee, ein Argument), sammeln die Karten ein und pinnen sie an die Wand. Anschließend werden die Karten an der (zweiten) Pinnwand mit Hilfe der Gruppenmitglieder geordnet, die dabei entstandenen Cluster werden benannt (Überschriften auf runde Karten). Die Cluster werden dann gewichtet (z. B. Welches Thema wollen wir zuerst bearbeiten? / Anzahl der Klebepunkte pro Person = Clusterzahl : 2). Die Themen werden dann in Kleingruppen bearbeitet (IST-, SOLL-Zustand, was müssen wir tun, um … zu erreichen? Welche Schwierigkeiten sind zu erwarten? ). Die Kleingruppen präsentieren anschließend ihre Ergebnisse (mit Hilfe von Flipchart oder Pinnwand) im Plenum. 7.2.5 Phasen der Gruppenmoderation In der Vorbereitungsphase müssen die Moderatoren die folgenden Themenbereiche klären: Gruppenzusammensetzung, Zieldefinition, Raumsituation, Sitzordnung, Medien, Vorgehen bei der Moderation (»Dramaturgie«). Sie bereiten auch schon die ersten Visualisierungen/ Poster (z. B. Erwartungswand, Themenspeicher, Ablaufplanung, …) vor. Die weiteren Phasen und die möglichen Methoden eines »Moderations- Zyklus« werden in Tabelle 8 dargestellt. Die angeführten Methoden werden im weiteren Verlauf dieses Kapitels beschrieben. Ein Schema für die Planung eines Moderations-Zyklus befindet sich im Anhang (9.1.4.14). 7.3 Methoden für die Gruppenarbeit Die Methoden stellen den Weg dar, auf dem wir die gesetzten Ziele erreichen. Die Planung des Methodeneinsatzes muss die gegebenen Rahmenbedingungen der Veranstaltung berücksichtigen, d. h. es gibt nicht die eine Methode, die in jeder Situation und auch bei jedem Gruppenleiter effektiv ist. In der Fachliteratur existieren einige sehr ausführliche Methodensammlungen (Antons 2000, Dauscher 1998, Lipp und Will 2004, Seifert und Pattay 1995, Broich 1991, Gudjons 1990, Hück 1978), so dass wir uns auf die Darstellung einer Auswahl vielseitig erprobter Verfahren konzentrieren können. Diese Methoden gehen in der Regel nicht auf einen bestimmten Autor zurück, sondern haben sich von Kurs zu Kurs bzw. von Seminar zu Seminar <?page no="151"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 152 152 weiterentwickelt und können - wie im Vorwort schon erwähnt - als Folklore der Gruppenarbeit oder Gruppendynamik angesehen werden. Bei der folgenden Methodendarstellung orientiere ich mich am konkreten Ablauf einer normalen Veranstaltung im Bereich der Jugend- und Erwachsenenbildung. Es geht zuerst um die Methoden, welche das Kennenlernen und den Einstieg erleichtern, ihnen folgen Verfahren, mit denen man Themen und Inhalte erarbeiten kann und anschließend werden Möglichkeiten aufgezeigt, die den Lerntransfer fördern. Abschließend werden einige Vorgehensweisen bei der Prozessanalyse und Erfolgskontrolle dargestellt. Tab. 8: Phasen und einschlägige Methoden der Gruppenmoderation Schritt Ziele Methoden 1. Eröffnung Einstieg Kennenlernen und Orientierung geben, positive Arbeitsatmosphäre schaffen, Erwartungen klären, inhaltliche und zeitliche Orientierung geben, Regeln vereinbaren Vorstellungsrunde (Paar-Interview, Steckbrief, Gruppenspiegel, »Lügendetektor«, Mosaikvorstellung,Wappen u.Ä.), Blitzlicht, Einpunktabfrage im Koordinatenkreuz, Erwartungswand durch Kartenabfrage, Ziele, Vorgehen, Zeitplan und Regeln absprechen und visualisieren, Protokollfrage abklären 2.Themen sammeln Klären, an welchen Themen konkret gearbeitet werden soll Zuruf- oder Kartenabfrage, Karten gruppieren und präzisieren 3.Thema auswählen Festlegung der Reihenfolge, in der die Themen bearbeitet werden Punktabfrage, falls erforderlich: Umformulierung der Themen »Wie kann erreicht werden, dass …« 4.Thema bearbeiten Möglichst viele Lösungsmöglichkeiten entwickeln und realisierbare Lösung auswählen Schema der Problemanalyse, Brainstorming, Brainwriting, Mind-Map, Perspektivenwechsel, Kriterien der Entscheidung definieren, Lösungsmöglichkeiten in den Kriterien punkten, Pro- und Contra-Analyse 5. Maßnahmen planen Umsetzung und weitere Termine sicherstellen Aktionsplan erstellen (Klar fixieren: Was, wer, mit wem, bis wann, an wem, in welcher Form erledigt) 6.Abschluss Positiver Ausklang, positive Zukunftsperspektive, »Abschluss« Erwartungswand und Ergebnis, Feed-back: Blitzlicht oder andere Evaluationsmethoden, Small Talk, Dank an die Teilnehmer <?page no="152"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 153 153 7.3.1 Wie beginne ich die Gruppenarbeit? Im Kapitel 2.1 haben wir die Phasen der Gruppenentwicklung dargestellt und überlegt, welches Gruppenleiterverhalten situationsangepasst sein könnte. In der ersten Phase der Gruppenarbeit herrscht bei den Teilnehmern einerseits Neugier, andererseits aber auch Unsicherheit und Angst vor. Bei einmaligen Treffen wird dies weniger spürbar, bei längerfristigen Veranstaltungen hingegen deutlich. Diese Unklarheit erlaubt es dem Gruppenleiter, Weichen für die Zusammenarbeit zu stellen. Er hat seine Aufgabe darzustellen und den Teilnehmern mehr Sicherheit gegenüber den anderen und auch dem Seminarthema zu geben. Für die Gruppenleitung ist es wichtig, diese Anfangsspannung, die sich in neugieriger Zurückhaltung zeigt, zu akzeptieren und nicht sich selbst oder der Gruppe zum Vorwurf zu machen. Seine Aufgabe ist es, in dieser Situation eine gewisse Sicherheit anzubieten (zu begrüßen, Gemeinsamkeiten anzusprechen und eine Anfangsstruktur vorzugeben), die Kontaktaufnahme zwischen den Teilnehmern zu fördern und einen ersten Zugang zum Thema zu finden. Es ist deshalb sinnvoll, dass der Seminarleiter auf die Situation des Seminars, die Ziele und auch seine eigene Rolle/ Person eingeht. Er sollte sich dabei als Mensch, d. h. nicht nur in seiner beruflichen Rolle, vorstellen und anschließend zur Vorstellungsrunde der Teilnehmer überleiten. Dafür gibt es eine Reihe interessanter Varianten, die von der oft leicht ermüdenden Einzelvorstellung abweichen. Trifft sich die Gruppe zum ersten Mal und kennen die Teilnehmer sich nicht bzw. nur wenig, dann bietet sich eine der folgenden »Vorstellungsrunden« an: • Paarinterview und Partnervorstellung Dieses Verfahren hat den Vorteil, dass die Teilnehmer sich zuerst in einer (sicheren) Zweiersituation treffen, sich gegenseitig ausfragen und dann im Plenum vorstellen. Sie bringen sich erstmalig in einem relativ entspannten Rahmen ein, wodurch die Hemmschwelle für weitere Beiträge gesenkt wird. Nach dem Zufallsprinzip (z. B. durchzählen bis zur Hälfte der Teilnehmer, dann neu beginnen) werden Paare gebildet und spontane Anfangscliquen vermieden. Diese Paare haben die Aufgabe, sich gegenseitig zu interviewen (maximal je fünf Minuten), wobei Themenbereiche vorgegeben werden können. Jeder sollte das einbringen können, von dem er glaubt, dass es von ihm für die anderen interessant sein könnte, was seine persönlichen und beruflichen Interessen, Hobbys, Wünsche usw. betrifft. Es geht dabei nicht um eine möglichst detaillierte Erfassung der Lebenslaufdaten, sondern um <?page no="153"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 154 154 einige eigenständige Aussagen über den Gesprächspartner. Anschließend stellen die Teilnehmer ihre Partner in möglichst lockerer Form im Plenum vor. Sollte die Gruppe eine ungerade Zahl an Teilnehmern haben, dann kann man sich dadurch helfen, dass der Seminarleiter bei der Vorstellungsrunde mitmacht, oder dass eine Dreiergruppe gebildet wird, bei der sich die Beteiligten der Reihe nach befragen und anschließend vorstellen. Bei Arbeitsgruppen über 20 Personen wird die Methode etwas zeitaufwändig, und man könnte das folgende Verfahren anwenden: • »Blüten«-Vorstellung Knoll (2007) schlägt bei etwas größeren Gruppen vor, die Teilnehmer nach Zufall in Vierer- und Fünfergruppen einzuteilen und sie mit vorbereiteten Flipchart-Plakaten zu versehen, auf denen eine vierbzw. fünfblättrige Blume mit großen Blütenblättern und einem runden »Samenfeld« in der Mitte skizziert ist. Die Teilnehmer schreiben in den Kleingruppen ihre Namen in die Blütenblätter, interviewen sich gegenseitig und tragen die wesentlichen Interessen, Hobbys und charakteristischen Merkmale in das entsprechende Blütenblatt ein. Dabei kann es sich auch um Erwartungen an das Seminar handeln, so dass die zentrale(n) Erwartung(en) der Kleingruppe in das »Samenfeld« eingetragen wird. Die Gruppen können aber auch überlegen, ob sie etwas Gemeinsames finden können und dies als Namen für die Gruppe ins Zentrum eintragen. Ein Mitglied der Kleingruppe stellt das Plakat und die Teilnehmer anschließend im Plenum vor. Natürlich kann die Gruppe die Blume auch weiter ausgestalten. • Wappenvorstellung Die Teilnehmer werden in Kleingruppen (drei bis fünf Personen) aufgeteilt. Ihre Aufgabe ist es, sich zuerst gegenseitig kennenzulernen und dann ein gemeinsames Wappen zu erstellen, in denen ihre typischen, individuellen Merkmale (symbolisch) enthalten sind. Die Kleingruppe gibt dem Wappen einen Namen und erläutert anschließend ihr Werk und die personenspezifischen Symbole im Plenum. Der Zeitbedarf für die KG-Arbeit ist hier allerdings größer (ca. 30 Minuten). Benötigtes Material: entsprechende Anzahl vorbereiteter Papierbögen in Flipchart-Größe, mehrfarbige dicke Filzstifte, Krepp-Klebeband (zum Anheften der Plakate an die Wand). Bei Gruppen, in denen sich mehrere Teilnehmer schon kennen und niemand völlig unbekannt ist, kann man die Mosaikvorstellung als Einstieg wählen: <?page no="154"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 155 155 • Mosaikvorstellung Hier werden die einzelnen Teilnehmer der Reihe nach von den anderen Teilnehmern vorgestellt, im Sinne von: Von Frau X weiß ich, dass … Wichtig dabei ist, dass nicht nur berufliche, sondern auch persönliche Bereiche angesprochen werden. Die Aussagen müssen sich nicht auf eindeutige Fakten beziehen, sondern die Teilnehmer können auch Vermutungen aussprechen, wodurch die Runde aufgelockert wird. Der vorgestellte Teilnehmer hört sich die Aussagen und Vermutungen interessiert an und sollte sie erst richtigstellen, wenn keine neuen Informationen über ihn mehr gesagt werden. • Steckbrief Bei dieser Vorstellungsweise ist es günstig, eine Sofortbildkamera zur Verfügung zu haben; durch zeichnerisches Talent oder Mut kann dies aber ausgeglichen werden. Wir benötigen außerdem ein vorbereitetes DIN A4- oder DIN A3-Blatt, bei dem links oben Platz für das Foto/ die Zeichnung gelassen und weiterer Raum für vorbereitete Fragen vorgesehen ist. Die Teilnehmer werden möglichst locker beim Eintreffen fotografiert und die vorbereiteten Bögen mit den Fotos beklebt. Dann werden die Bögen nach dem Zufall verteilt - wenn jemand den eigenen bekommt, dann gibt er ihn zurück - und alle suchen sich ihrem »Steckbrief-Partner«. Dieser wird dann von seinem »Fahnder« zu den Fragen kurz interviewt (jeweils ca. fünf Minuten); die Antworten werden auf dem Blatt festgehalten und anschließend im Plenum vorgestellt. Dies kann aber auch als »Info-Markt« durchgeführt werden, bei dem jeder sich seinen Steckbrief mit Klebeband an die Brust heftet und im Raum spazieren geht. Die anderen lesen oder lassen lesen und beantworten Fragen, die sich ergeben. Anschließend wird jeder Steckbrief an die Pinnwand geheftet und kann in den Pausen gelesen und auch ergänzt werden. Beispielhafte Fragen für den »Steckbrief« können sein: • Name, Vorname, Spitzname • Wer bin ich, und was mache ich? • Was würde ich jetzt tun, wenn ich nicht hier wäre? • Welche Informationen sollten die anderen Teilnehmer wissen? • Was hat mich in meinem Leben bisher besonders geprägt? • Was plane ich für meine nahe und ferne Zukunft? • Über welche Themen möchte ich heute gerne mit euch reden? • Welche Themen möchte ich hier nicht gerne besprechen? Bei Gruppen, die sich zum wiederholten Male treffen, empfiehlt es sich, die Teilnehmer zu bitten, sich auf die Zeit zwischen dem letzten und dem jetzigen Treffen zu besinnen und sich zu erinnern, was sich verändert hat, bzw. welche Erfahrungen sie bei der Anwendung der Inhalte gemacht haben. <?page no="155"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 156 156 Diese Rückschau und Einstimmung kann in einer meditativen Form (entspanntes Sitzen, geschlossene Augen, Erinnerungen kommen lassen) durchgeführt werden (zwei bis drei Minuten). Anschließend werden die Erfahrungen im Plenum angesprochen und diskutiert. Einstimmung auf das Thema Bei den beschriebenen Vorstellungsrunden können manchmal die vorhandenen Erwartungen der Teilnehmer an die Veranstaltung angesprochen werden. Sie sollten im Anschluss an das eher persönlich orientierte Vorstellen direkt erhoben werden. Wichtig ist es für die Teilnehmer, dass zuerst die persönliche Unsicherheit verringert und ein tragfähiges Arbeitsklima (»Beziehungsebene«) aufgebaut wird. Dann lässt es sich leichter über die Erwartungen (»Inhaltsebene«) an das Seminar sprechen. Am übersichtlichsten ist es, mit den Teilnehmern eine »Erwartungswand« zu erstellen: • Erwartungswand Die Teilnehmer überlegen sich einzeln oder - je nach Gruppengröße - in Kleingruppen, mit welchen Erwartungen und Wünschen sie sich zu dieser Veranstaltung angemeldet haben. Diese Erwartungen werden einzeln, gut lesbar, mit dickem Filzstift auf Kärtchen oder entsprechende Papierzettel notiert, eingesammelt und an eine Pinnwand geheftet. Im Plenum werden anschließend die Erwartungen vorgelesen, präzisiert und geordnet. Dazu ist es günstig, wenn eine weitere, mit Packpapier bezogene Pinnwand vorhanden ist, auf der die Kärtchen geordnet, angeheftet und mit Oberbegriffen versehen werden können. Wenn das Plenum mit der Ordnung einverstanden ist, können die Kärtchen auf das Packpapier geklebt im Raum aufgehängt werden. Sie bleiben dann während der Veranstaltung sichtbar und sollten vor allem am Schluss nochmals angesprochen werden. Verbinden die Teilnehmer sehr viele heterogene Erwartungen mit der Veranstaltung, so dass nur ein Teil bearbeitet werden kann, dann sollte dies vom Seminarleiter angesprochen werden. Von Vorteil ist dann, wenn die Teilnehmer eine Gewichtung ihrer Erwartungen vornehmen. Dies kann durch Klebepunkte geschehen: Jeder Teilnehmer bekommt drei Klebepunkte und »punktet« die Erwartungen an der Wand, die ihm persönlich am wichtigsten sind. Damit sind die inhaltlichen Erwartungen der Teilnehmer bekannt und die Seminarleiter können ihr Programm nun vorstellen. Dabei ist es natürlich sinnvoll, die erarbeiteten Erwartungen flexibel einzubeziehen und das Programm optisch darzustellen. Mit der Vorstellungsrunde und der Analyse der Erwartungswand wurden die Teilnehmer aktiviert, haben sich etwas kennengelernt und sich über die <?page no="156"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 157 157 Schwerpunkte der Veranstaltung informiert. Dadurch müssten sie deutlich an Sicherheit gewonnen haben. Die Gruppenleitung hat dabei schon ein partnerschaftliches Arbeiten ermöglicht und wahrscheinlich auch als Erwartung formuliert, dass eine aktive Auseinandersetzung der Teilnehmer mit dem Thema erwünscht ist. Sollte bei den Teilnehmern eine bestimmte Skepsis weiter bestehen, dann könnte eine Übung aus Kapitel 4.1 vorgeschlagen werden, mit welcher der Gruppenvorteil demonstriert wird. Normalerweise findet nach der Vorstellungsrunde, der Analyse der Erwartungswand und der Darstellung des Programms eine Pause statt, nach der eine Kurzübung zum Gruppenvorteil die Teilnehmer neu einstimmen und motivieren kann. 7.3.2 Inhaltsorientierte Methoden Informationen werden am häufigsten durch Vorträge vermittelt und/ oder in Einzelarbeit erworben. • Einzelarbeit Bei der Einzelarbeit geht es darum, dass sich der Teilnehmer auf das Thema konzentriert, die eigenen Einfälle dazu wahrnimmt, persönliche Erfahrungen festhält und Lösungsmöglichkeiten zu einem anstehenden Problem aus der eigenen Sichtweise entwickelt. Dabei können durch entsprechende Arbeitsunterlagen auch neue Informationen eingespeist werden, mit denen der Einzelne sich gedanklich auseinandersetzt. Empfehlenswert ist es, die individuellen Gedanken auch schriftlich festzuhalten. Wie wir im Zusammenhang mit dem Gruppenvorteil festgestellt haben, ist die Einzelarbeit eine unverzichtbare Voraussetzung für eine effektive Gruppenarbeit. Zum »Einspeisen« von Informationen ist das Kurzreferat gut geeignet, wobei die »Verständlichmacher« umgesetzt werden müssen, damit die Informationen auch unverzerrt beim Empfänger ankommen. Dem Kurzreferat sollte unbedingt eine Aussprache und Diskussion folgen, damit eine »Zweiweg-Kommunikation« möglich wird. Der Einsatz eines Vortrags/ Referats erscheint nur als Einstieg in den Themenkreis, als Zwischenbilanz und als Grundlage für weitere Arbeitsschritte sinnvoll. Die gewonnenen Informationen sollten auf jeden Fall in Kleingruppen weiter diskutiert und ihre Anwendung auf eine konkrete Aufgabe trainiert werden. • Kleingruppenarbeit Diese Methode ist typisch für das Lernen und Arbeiten mit Gruppen. Zuerst wird dabei im Plenum die Aufgabenstellung erklärt und möglichst für alle deutlich visualisiert. Auch der zeitliche Rahmen und gegebenenfalls die <?page no="157"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 158 158 Raumverteilung werden festgelegt. Erst dann werden die Teilnehmer in die Kleingruppen eingeteilt, um zu vermeiden, dass die Aufgabenstellung durch die Frage, mit wem man zusammenarbeitet, gestört wird. Der Grundsatz lautet demnach: erst die Aufgabenstellung, dann die Gruppenteilung! Die Einteilung der Kleingruppen (KG) kann nach verschiedenen Kriterien vorgenommen werden; vor allem anfangs ist es sinnvoll, die Gruppen nach dem Zufall zu bilden (entsprechend abzählen lassen, nach Sternbildern zusammenfassen, Postkarten entsprechend zerschneiden, die einzelnen Stücke verteilen und die Puzzles zusammensetzen lassen usw.), um frühzeitige Cliquenbildung zu vermeiden und das gegenseitige Kennenlernen zu fördern. Die Gruppengröße sollte zwischen drei und sieben Teilnehmern liegen. Die Gruppen bestimmen den/ die Sprecher, durch welche das Ergebnis anschließend im Plenum dargestellt und möglichst auch visualisiert wird. Die einzelnen Gruppenergebnisse werden diskutiert und kontrolliert. Schematisch gesehen haben wir die Sequenz »Information - Training - Kontrolle«. Das Zusammenspiel Einzelarbeit - Kleingruppenarbeit - Plenumsdiskussion spiegelt sich in vielen speziellen Methoden der inhaltsbezogenen Gruppenarbeit wider. Einige sollen kurz beschrieben werden: • Problem lösen mit Brainstorming und Brainwriting Wir verwenden in Diskussionen häufig mehr Zeit dafür, Ideen zu zerpflücken als sie weiterzuentwickeln. Oft werden dadurch das Kreativitätspotenzial, die Vielzahl der Ideen und Perspektiven, die in einem Team vorhanden sind, gebremst. Beim Brainstorming wird die Ideenproduktion gefördert. Als Basis ist dafür eine entspannte Atmosphäre des gegenseitigen Verstehens, Akzeptierens und Vertrauens erforderlich. »Ideenbremser« sind auszuschließen. Zu Beginn muss die Aufgabenstellung möglichst genau formuliert werden (z. B. Was können wir tun, um … zu erreichen? ) Regeln für die Sitzung: • Jede Idee ist erlaubt, je fantasievoller sie ist, desto anregender ist sie • Kritik ist grundsätzlich verboten • Jeder soll möglichst viele Ideen entwickeln • Jeder soll sich von den Gedanken der anderen zu weiteren Ideen anregen lassen • Die Ideensammlung ist als Leistung der Gruppe zu betrachten Durchführung: Jeder bereitet sich zuerst allein auf das Thema vor und notiert seine Einfälle (auf Kärtchen); die Ideen werden im Plenum vorgestellt und sollen zur weiteren Ideenproduktion anregen. Der Moderator achtet darauf, dass die Regeln eingehalten und die Ideen protokolliert/ visualiwww.claudia-wild.de: <?page no="158"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 159 159 siert werden. Erst wenn keine Ideen mehr fließen, der »Sturm« abgeflaut ist, werden die Vorschläge auf ihre Realisierungsmöglichkeiten hin untersucht. Alternatives Vorgehen: Das Brainwriting (Methode «6-3-5«, schriftliches Brainstorming). Sechs Personen schreiben (unabhängig voneinander) zu einer bestimmten Fragestellung je drei Lösungsideen auf ein Blatt Papier. Die Blätter rotieren dann unter den Teilnehmern, so dass am Ende jeder die Vorschläge aller in der Hand hatte. Den Ideen der anderen soll jeder möglichst drei weitere Ideen hinzufügen, so dass am Ende auf jedem Bogen 18 Ideen, insgesamt also 108 Vorschläge stehen, die dann auf ihre Realisierbarkeit hin überprüft werden. • Assoziative Landkarten / Mindmapping Diese Technik wurde von Buzon (1996) entwickelt und kann sehr vielseitig angewandt werden (Planungen, kreatives Problemlösen, Wissenserwerb: Exzerpte einprägsam erstellen, usw.). Als Material benötigen wir DIN A4-/ besser A3- oder Flipchart-Papier (unliniert), normale und farbige Bleistifte und einen Radiergummi. Wir beginnen mit dem zentralen Thema/ Problem, das in die Mitte des Papierbogens gezeichnet wird. Wenn möglich stellen wir es symbolisch oder bildhaft dar (rechte Gehirnhemisphäre wird dabei angeblich aktiviert) und umkreisen das Thema. Von diesem Zentrum aus zeichnen wir die zentralen Ordnungsgedanken als Hauptäste nach außen (verschiedene Farben) weiter. Traditionell betrachtet sind das unsere Kapitelüberschriften. Wir beschriften diese Hauptäste mit einem treffenden Schlüsselwort/ Symbol (Großbuchstaben). Damit ist das Grundmuster der »assoziativen Landkarte« gelegt - es kann noch erweitert werden - und wir können weiter assoziieren, in das Thema eindringen und die Einfälle auf weitere Gedankenverzweigungen eintragen (Schlüsselworte/ Wortanker/ Symbole). Wir notieren uns die Gedanken wie sie kommen, hängen sie an die bestehenden Hauptäste an oder zeichnen einen neuen Gedankenast. Wichtig ist dabei nicht die richtige Zuordnung, sondern dass kein Gedanke/ Einfall verloren geht. Abbildung 24 zeigt eine mögliche assoziative Landkarte zum Thema »Mind-Map«. Empfehlungen für das Erstellen einer Mind-Map: • Schreiben Sie die Schlüsselwörter auf möglichst waagrechte Linien (Lesbarkeit! ) • Lassen Sie die Äste nach außen wachsen • Gehen Sie vom Allgemeinen zum Speziellen • Verwenden Sie Farben und Symbole/ Bilder <?page no="159"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 160 160 • Üben Sie: Wählen Sie sich zur ersten Übung ein einfaches Thema, z. B. einen Kurzvortrag über Ihr Hobby. Sie werden merken, dass die Ideen zu fließen beginnen, es Spaß macht und viel bringt! Sie können eigentlich nichts falsch machen, sondern nur gewinnen! • Machen Sie nach fünf bis sieben Minuten eine Pause und kehren Sie später wieder zur Mind-Map zurück; es wird Ihnen sicher einiges Neues einfallen • Sie können jederzeit die Mind-Map neu strukturieren, Teilbereiche zu neuen Themen machen usw. • Pro und Contra Ziel dieser Methode ist es, die unterschiedlichen Aspekte eines Themas kennenzulernen und sich mit der Denkweise und Argumentation anderer auseinanderzusetzen. Dazu erhält die Gruppe eine möglichst spannungsreiche Aussage, die zu vorurteilsbehafteter Auseinandersetzung reizt. Die Gesamtgruppe wird nach Zufallsprinzip in eine Pro- und eine Contra-Gruppe eingeteilt. Jede Gruppe hat die Aufgabe, sich für etwa zehn Minuten in ihre Sichtweise hineinzudenken und dafür Argumente zu sammeln. Nach dieser KG-Phase werden die Argumente ausgetauscht. Abb. 24: Eine Mind-Map über das Mind-Mapping <?page no="160"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 161 161 Der Austausch der Argumente verläuft dabei abwechselnd. Die Sprecher der beiden Gruppen sitzen sich an einem Tisch in der Mitte des Raums gegenüber und tauschen ihre Argumente aus. Häufig ist es hilfreich, wenn neben jedem Sprecher ein freier Stuhl bleibt, so dass aus der jeweiligen Gruppe spontan Unterstützung kommen kann. Nach dem Austausch der Argumente kommt es zu einer erneuten Kleingruppenarbeit, wobei die Gruppenmitglieder nun die entgegengesetzte Einstellung einnehmen, dazu Argumente sammeln (ca. zehn Minuten). Anschließend werden die Argumente wie gehabt im Plenum über den Gruppensprecher ausgetauscht. Bei der Auswertung sollte zuerst die Befindlichkeit der Einzelnen angesprochen werden (»Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie die entgegengesetzte Haltung einnehmen und verteidigen mussten? ), anschließend werden die Hauptgesichtspunkte für das Pro und Contra zusammengetragen und diskutiert. In vereinfachter Form kann »Pro und Contra« auch mit der schon geschilderten »Metaplan-Methode« durchgeführt werden. Dabei notieren die Teilnehmer ihre Pro- und Contraaussagen auf Kärtchen, heften diese an die Pinnwand und »blitzen« zu den Gegenargumenten. Abschließend wird das Ergebnis vom Moderator zusammengefasst. Diese Methode zwingt die Teilnehmer dazu, ein Problem/ Thema aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und hat Ähnlichkeiten mit dem Rollenspiel. • Rollen- und Planspiel Mit dem Rollenspiel können wir verschiedene Ziele verfolgen: Wir können in einer relativ angstfreien Situation problematische Gespräche simulieren (siehe Thema Konfliktsteuerung 4.3.2), einüben, versuchen, uns verständlich auszudrücken, fremde Rollen übernehmen und bisher abgelehnte Verhaltensweisen ausspielen und besser verstehen lernen. Lewin und auch Moreno sahen im Rollenspiel eine ausgezeichnete Methode, bestehende Einstellungen zu verändern. Das Rollenspiel ist dabei ein echtes Spiel, in dem wir »ohne ernsten Hintergrund« Verhalten zeigen können, das uns bisher fremd war. Die Zuschauer können direkte Rückmeldung geben, was im Alltag in dieser Konsequenz nicht möglich ist; es besitzt allerdings meist nicht reinen Spielcharakter, sondern entwickelt eine Eigendynamik, bei der sich die Spieler zunehmend auch emotional engagieren und identifizieren. Auf diese Weise können kognitive Dissonanzen entstehen, welche die Basis von Einstellungsänderungen darstellen (siehe auch Kapitel 5.3). Bei der konkreten Durchführung erhalten die Teilnehmer z. B. eine sehr detaillierte Darstellung einer Problemsituation, deren Ausgang offen ist. Sie werden dann in zwei oder mehr Gruppen eingeteilt - je nachdem wie viele Rollen zu spielen sind - und erhalten für ihre Rolle weitere konkrete Inforwww.claudia-wild.de: <?page no="161"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 162 162 mationen. Sind nur zwei Gruppen zu bilden (zwei Rollen verteilt), dann bereitet jede Gruppe die Argumentation für »ihren« Spieler vor, überlegt sich die Strategie, um den Rollenspieler optimal vorzubereiten und einzustimmen. Anschließend wird das Rollenspiel im Plenum durchgeführt. Werden mehrere Rollen verteilt und damit verschiedene Kleingruppen gebildet, dann bereiten sich diese auf ein Planspiel vor, das aber nach gleichen Regeln verläuft. Die von den einzelnen Gruppen bestimmten Spieler führen das Rollenbzw. Planspiel im Plenum durch. Anschließend werden zuerst die Spieler über ihre Wahrnehmungen, Gefühle und Erfahrungen befragt. Hier haben die Spieler die Möglichkeit, sich von ihrem Rollenverhalten zu distanzieren, es zu erklären und neuartige, überraschende Erfahrungen mitzuteilen. Erst dann werden die Plenumsteilnehmer aufgefordert, über ihre Beobachtungen (hierzu können auch konkrete Anweisungen gegeben werden) zu berichten und Feed-back zu geben. Die Rollen- oder Planspiele müssen zum jeweiligen Thema meist neu konstruiert werden, was sehr zeitaufwendig ist. Für einige Themenbereiche (Konfliktlösung, Entscheidungen fällen) existieren in der Literatur verschiedene bewährte Rollen- und Planspiele (z. B. Antons 2000, 233 -247, S. 149- 153, Broich 1992, Steller u. a. 1978, Otto 1986 oder Kirsten und Müller- Schwarz 1973, S. 192-204), die für die Gruppenarbeit übernommen werden können. Den geschilderten Methoden ist gemeinsam, dass sie die Teilnehmer anregen, sich mit dem Thema (Es) intensiv auseinanderzusetzen, um eigene Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu erfahren, Rückmeldung zu bekommen und sich dabei zu entwickeln. Wichtig ist, dass der Gruppenleiter das Gleichgewicht zwischen den themenbezogenen, den individuellen (Ich) und den beziehungsorientierten (Wir) Bedürfnissen nicht aus den Augen verliert. Um das Wir etwas zu stärken, sollte zwischendurch oder nach einer Pause auch Raum für Auflockerung bleiben. Hierzu einige Vorschläge: 7.3.3 Methoden zur Auflockerung Bei mehrstündigen Veranstaltungen oder mehrtägigen Seminaren ist es sinnvoll, nach einer Pause die Teilnehmer aufzulockern, neu zu motivieren und manchmal auch zu entspannen. Dazu eignen sich Denkspiele, Konzentrationsaufgaben und Entspannungsübungen. • Denkspielereien Denkspiele und Tüfteleien sind in großer Zahl beschrieben (Obermair 1978, Botermans u. a. 1983, Wernek 1979, Steuer und Voigt 1980), sollten aber so <?page no="162"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 163 163 eingesetzt werden, dass die Teilnehmer nicht überfordert werden, sondern Erfolgserlebnisse haben. Auch sollte bei etwas schwierigeren Aufgaben auf unsere eingefahrenen Denkbahnen hingewiesen werden, die kreative Problemlösungen erschweren. Einige Beispiele sollen dies veranschaulichen: (1) Ein Gartenbesitzer möchte neun junge Bäume so pflanzen, dass man möglichst viele Dreier-Baumreihen sehen kann. Einer seiner Entwürfe führt zu acht Reihen mit jeweils drei Bäumen (Abbildung 25). Er überlegt, entwirft und kommt zu einer Lösung, bei der die neun Bäume so gesetzt werden, dass zehn völlig gerade Reihen mit jeweils drei Bäumen zu sehen sind. Wie sieht die Lösung aus (es gibt verschiedene! / siehe Anhang 9.1.3)? (2) Bleiben wir im Garten: Ein Vater hat ein Grundstück mit vier Bäumen und folgendem Grundriss (Abbildung 26). Er möchte sein Erbe regeln und keinen seiner vier Söhne benachteiligen, d. h. jeder soll ein gleich großes Grundstück mit einem Baum erhalten. Wie ist dies möglich? Abb. 25: Das Baumreihen-Problem Abb. 26: Schwierigkeiten mit dem gerechten Erbe <?page no="163"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 164 164 (3) Und nun eine Aufgabe, die etwas mathematisches Geschick erfordert und Ihre Kenntnisse in Algebra auffrischen soll. Versuchen Sie die folgende Gleichung zu lösen: (x - a) (x - b) (x - c) (x - d) … (x - y) (x - z) = ? ? (Wer in zwei Minuten am weitesten gekommen ist, hat gewonnen! ) (4) Und ein weiteres Problem, das ganz einfach wirkt, aber häufig zu verschiedenen Lösungen führt: Herr Oldcar möchte sich von seinem Auto trennen und verkauft es an den Gebrauchtwagenhändler Nimmgern für 6000 Euro. Schon bald nach dem Verkauf bekommt er Sehnsucht nach seinem lieb gewonnenen Auto, geht zum Händler, streichelt es und kauft es für 7000 Euro wieder zurück. Glücklich fährt er damit spazieren; als er heimkommt, findet er eine hohe Rechnung seines Dachdeckers vor und weiß nicht, wie er diese bezahlen soll. Da kommt ihm der Anruf von Herrn Nimmgern gerade recht, der einen Kunden hat, der sich nur für Herrn Oldcars Auto interessiert. Der Gebrauchtwagenhändler kauft das Auto für 8000 Euro wieder zurück und verkauft es an den neuen Kunden für 9000 Euro. Wer hat bei diesem Geschäft wie viel verdient bzw. verloren? (5) Zuerst schreiben Sie auf ein Flipchart den folgenden Satz: »Diesser Satz enthällt drei Fehler« Dann lassen Sie die Teilnehmer nach den drei Fehlern suchen. (6) Eine letzte Denksportaufgabe hat viele Fachleute zu engagierter Auseinandersetzung angeregt: Stellen Sie sich vor, Sie nehmen an einer Ratesendung im Fernsehen teil, bei der Sie eine von drei verschlossenen Türen öffnen sollen. Hinter einer Tür wartet auf Sie der Hauptgewinn. Hinter den beiden anderen stehen Ziegen. Sie wählen eine Tür, sagen wir die linke (A), die aber noch geschlossen bleibt. Der Moderator weiß, hinter welcher Tür sich der Gewinn befindet: Er sagt »nun zeige ich Ihnen mal etwas« und öffnet die rechte Tür (C) und eine meckernde Ziege wird sichtbar. Dann fragt er Sie, ob Sie bei Türe A bleiben oder vielleicht doch lieber B wählen wollen. Was sollten Sie tun, um Ihre größte Gewinnchance zu nutzen? (7) Um am Morgen oder nach der Mittagspause die Konzentrationskraft der Teilnehmer zu testen, kann man ein leichtes Abzählspiel durchführen, wie etwa «7-Bumms«. Die Teilnehmer zählen der Reihe nach flüssig durch; jede Zahl, die eine Sieben enthält oder durch Sieben teilbar ist, wird nicht genannt, sondern durch »Bumms« ersetzt und anschließend weitergezählt. Teilnehmer, die einen Fehler machen, scheiden aus, und man beginnt von <?page no="164"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 165 165 Neuem. Das Spiel kann noch verschärft werden, indem man auch die Quersumme Sieben berücksichtigt und/ oder bei jedem »Bumms« die Richtung ändert. Bei einer Gruppe, deren Teilnehmerzahl durch Sieben teilbar ist, sollte man zu «6-Bumms« wechseln, da sonst immer die Gleichen »Bumms« sagen werden! (8) Folgendes Spiel zeigt, wie schwierig es ist, sich auf zwei unterschiedliche Wahrnehmungskanäle (Sehen, Hören) gleichzeitig zu konzentrieren. Der Moderator macht eine einfache Handlung, die er »So spielt die Musik« nennt, vor und bittet die Teilnehmer, sein Verhalten genau zu beobachten und anschließend nachzuahmen. Während er sagt: »So spielt die Musik«, nimmt er einen Stift, den er wie ein Dirigent in der rechten Hand hält, mit der linken Hand an der Spitze, dreht ihn um und gibt ihn an den nächsten Teilnehmer weiter. Kann dieser Teilnehmer sein Verhalten (den Satz sprechen und den Stift umgedreht weitergeben) genau nachahmen, dann darf er sich zufrieden zurücklehnen, scheidet aus und kann die anderen bei ihren Versuchen beobachten. Diese können meist den Satz richtig nachsprechen, drehen aber den Stift nicht entsprechend um oder übergeben ihn nicht von der rechten in die linke Hand. • Entspannungsübungen Bei vielen Kurs- und Seminarteilnehmern besteht der Wunsch nach Entspannung und »Stressfreiheit«. In mehrtägigen Seminaren wird häufig das Thema Stress angesprochen. Wir sollten dieses Bedürfnis auch aufgreifen, die Teilnehmer über die Stressreaktion informieren und auf die damit verbundenen gesundheitlichen Risiken hinweisen (Vester 1982, Wellhöfer 1990, 2004). Entspannungstechniken, wie Meditation oder autogenes Training, sind den meisten Teilnehmern zumindest namentlich bekannt. Diese Verfahren haben den Nachteil, dass sie nur durch konstantes, intensives Üben erlernt werden können. Das Muskuläre Tiefentraining (Brechtel, 1986, 1995) führt hingegen sehr rasch zum Erfolg und kann gut eingesetzt werden, um die Stressreaktionen abzubauen. Das Muskuläre Tiefentraining (MTT) wurde von Brechtel aus der bewährten Methode der »progressiven Relaxation« (Jacobson 1938) entwickelt. Er fasste die relativ langwierigen An- und Entspannungsübungen der gesamten Körpermuskulatur in einige wenige Grundübungen zusammen. Das Ziel des MTTs ist eine tiefe Entspannung der Muskulatur. Konflikte, Stress, psychische Spannung sind begleitet von muskulärer Anspannung. Dauerbelastung führt häufig zu chronischen Muskelverspannungen, die als solche nicht mehr erlebt werden, den Organismus aber im Zusammenhang mit anderen Stressreaktionen belasten. Bei den einzelnen MTT-Übungen werden die <?page no="165"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 166 166 betreffenden Muskeln bis zur Schmerzgrenze angespannt, plötzlich entspannt und mit bestimmten Gegenbewegungen gelockert. Wir haben also jeweils zwei Übungsphasen: starke bis schmerzhafte Anspannung der Muskulatur und tiefe Entspannung, bei der wir uns in die entsprechende Muskulatur einfühlen und die Entspannung genießen. Ein Fehler schleicht sich bei den Übungen leicht ein: Wir neigen dazu, bei Kraftanstrengungen die Luft anzuhalten und zu pressen. Damit wird der Kreislauf unnötig belastet. Also: Bei den Übungen ruhig und regelmäßig (hörbar) durchatmen! Aus dem Programm Brechtels möchte ich drei Übungen kurz vorstellen und etwas ergänzen, um vielleicht Appetit auf das Gesamtprogramm zu wecken: eine Anfangsübung, mit der das Grundprinzip nochmals vorgestellt wird (»King Kong«) und zwei Übungen, durch welche die Rücken-, Nacken- und Schultermuskulatur entspannt wird (»Siegfried« und »Quasimodo«). Übung »King Kong« als Einstieg Wie der Name andeutet, werden wir bei dieser Übung eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Imponiergehabe des gleichnamigen Riesenaffen haben. Zuerst setzen wir uns - und dies gilt auch für die anderen Übungen - bequem auf den Stuhl. Alles, was irgendwie einengend wirkt (Gürtel, Krawatte, Brille u. Ä.), sollte gelockert werden. Wir setzen uns auf den vorderen Teil des Stuhls (der keine Armlehnen haben sollte), richten uns gerade auf, lassen den Kopf leicht nach vorne sinken und schließen die Augen. Dann winkeln wir die Arme vor der Brust an, ballen die Hände zu Fäusten (Abstand ca. fünf bis zehn Zentimeter), atmen ruhig und gleichmäßig weiter und spannen die gesamte Muskulatur der Finger, des Unter- und des Oberarmes kräftig an. Da wir dabei nicht nur die Beuge-, sondern auch die Streckermuskulatur anspannen, kommt es zu einem Zittern der Fäuste und der Unterarme (»King Kong«). Die Anspannung sollte die Schmerzgrenze überschreiten! Denken Sie dabei an die Atmung und »genießen« Sie für einige Atemzüge den Schmerz! Lassen Sie dann die Spannung völlig los; lassen Sie Ihre Arme fallen und sinken Sie so im Rückgrat zusammen, dass Ihr Oberkörper ausbalanciert in sich ruht. Der Kopf hat sich dabei ebenfalls nach vorne gesenkt und ruht mit dem Kinn auf der Brust. Atmen Sie nun langsam und bewusst durch, gehen Sie in Gedanken in die jetzt entspannte Muskulatur, versuchen Sie beim Ausatmen die Muskulatur noch weiter zu entspannen und genießen das Gefühl der Schwere und Wärme, das sich in Fingern, Hand, Unter- und Oberarm einstellt. Haben Sie beim ersten Mal nur die Schwere erleben können und <?page no="166"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 167 167 vielleicht etwas Kribbeln in den Fingerspitzen, dann sind Sie auf dem richtigen Weg. Wenn Sie die Übung wiederholen, wird die erlebte Schwere tiefer und das Kribbeln zu einem Wärmeerlebnis werden. Dies sind die Begleiterscheinungen der Muskelentspannung: Die Blutgefäße - es sind ja Muskelschläuche - entspannen und erweitern sich, lassen deshalb mehr warmes Blut bis zu den Fingerspitzen zirkulieren und führen so zum (nicht eingebildeten) Gefühl von Schwere und Wärme. Bei vielen Teilnehmern erhöht die verbalisierte, innere Vorstellung »Arme angenehm schwer und warm« die gefühlte Intensität. Koppelt man diese innere Vorstellung regelmäßig mit dieser Übung, dann gelingt es mit der Zeit allein durch diese Vorstellung, das Gefühl von Schwere und Wärme zu erleben (»klassisches Konditionieren«). Wir können im Verlauf weiterer Übungen diese Vorstellung schrittweise auf die gesamte Körpermuskulatur ausdehnen und kommen damit in die Nähe des Autogenen Trainings. Diese Erweiterung empfiehlt sich auch bei den folgenden Übungen. Der »King Kong« führt meist schon zu überzeugenden Erfolgen; die Übung kann eingesetzt werden, um aufkommende Erregungen abzubauen und der Aktivierungsreaktion des Organismus bei Stress gegenzusteuern. Psychische Schwierigkeiten, Konflikte und Spannungen finden sehr häufig in der Rücken-, Schulter- und Nackenmuskulatur ihre Projektionsfläche; der Volksmund hat dafür auch viele bildhafte Redewendungen: Man ist »halsstarrig«, trägt »eine schwere Last auf den Schultern«, man ist vor »Gram und Kummer gebeugt« oder man muss »Rückgrat/ Haltung zeigen«. Die beiden folgenden Übungen versuchen, die muskelbezogenen Verspannungen im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich, die sich durch psychische Konflikte oder lange sitzende Tätigkeiten bilden, aufzulösen. Übung »Siegfried« Die Übung Siegfried konzentriert sich auf die Rücken- und Schultermuskulatur. Sie erinnern sich sicher, dass der germanische Held Siegfried nach dem Bad im Drachenblut unverletzlich wurde; lediglich zwischen den Schultern konnte sich kein schützender Panzer bilden, weil ein Blatt dies verhinderte. Wir konzentrieren uns bei der Übung auf diesen verletzlichen Bereich zwischen den Schulterblättern. Zur Übung setzen wir uns kerzengerade hin, winkeln die Arme waagrecht an, ohne die Armmuskulatur anzuspannen (sie ist ja durch »King Kong« entspannt). Wir achten auf die normale Atmung, ziehen die Ellenbogen und damit auch die Schultern so weit zurück, dass sie sich fast berühren; versuchen Sie die Muskulatur weiter anzuspannen, damit sich die Schulterblätter noch näher kommen. Neigen Sie den Kopf dabei locker nach vorne und atmen Sie bewusst weiter! Wenn Sie in der Rückenmitte einen leichten Stich <?page no="167"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 168 168 verspüren, sollten Sie die Muskelspannung noch etwa zwei Atemzüge halten und dann loslassen! Lassen Sie dazu Schultern und Kopf ganz locker nach vorne fallen und machen Sie dann langsam die Gegenbewegungen, mit denen die Muskeln, die vorher angespannt waren, jetzt gedehnt werden: Falten Sie dazu beide Hände vor dem linken Knie und versuchen Sie, das Knie auszustrecken, damit beide Arme langgezogen werden und die Rückenmuskulatur gedehnt wird; wiederholen Sie anschließend die Dehnung, indem Sie Ihre Hände vor dem rechten Knie falten und dies anschließend »ausfahren«. Atmen Sie ruhig durch, und genießen Sie die Entspannung. Wenn Sie jetzt eine angenehme Wärme und Entspannung zwischen den Schultern spüren, haben Sie alles richtig gemacht. Spüren Sie jedoch Verspannungen, dann war Ihr Krafteinsatz zu gering, oder Sie haben vielleicht den Kopf nicht nach vorne genommen. Am besten ist es dann, die Übung zu wiederholen und auf die richtige Haltung zu achten, damit die Verkrampfung verschwindet. Wenn Sie einen leichten Schwindel oder Druck im Kopf spüren, dann müssen Sie bei der Wiederholung die Atmung verstärkt beachten. Nach dem »Siegfried« müsste Ihre Rückenmuskulatur gut entspannt sein. Vielleicht verspüren Sie noch Spannungen im Nacken. Deshalb sollte diese Übung stets im Zusammenhang mit dem »Quasimodo« durchgeführt werden, der vor allem die Nackenmuskulatur entspannt. Übung »Quasimodo« Diese Übung ist etwas schwieriger, aber dafür sehr wirkungsvoll: Sie verbessert die Sauerstoffversorgung des Gehirns, wirkt belebend, erfrischend und beseitigt schnell Verspannungen im Nackenbereich. Quasimodo, der Glöckner von Notre Dame, war ja keineswegs eine Schönheit, im Gegenteil. Da wir bei dieser Übung eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm erreichen, ist es empfehlenswert, die Augen zu schließen, um nicht durch den Anblick der anderen Teilnehmer abgelenkt zu werden. Zur Übung: Wir winkeln die Arme (senkrecht) locker an, lassen uns entspannt im Rückgrat zusammenfallen und atmen ruhig und bewusst. Dann ziehen wir die Schultern nach oben und versuchen, möglichst nahe an unsere Ohrläppchen heranzukommen. In unserem Nacken ist jetzt ein Wulst entstanden, in den wir unseren Kopf drücken. Dabei darf der Kopf sich nicht nach oben wenden, sondern muss waagrecht in diese Nackenrolle zwischen Hinterkopf und Schultern gedrückt werden. Atmen Sie ruhig durch und steigern Sie die Muskelanspannung, bis Ihr Kopf leicht zu vibrieren beginnt. Halten Sie auf keinen Fall die Luft an, aber steigern Sie die Spannung bis zur Schmerzgrenze. <?page no="168"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 169 169 Wenn Sie die Schmerzgrenze erreicht haben, dann lassen Sie Schultern und Kopf völlig nach vorne sinken, ohne das Gleichgewicht im Rückgrat zu verlieren. Ihr Kinn berührt nun die Brust und bleibt auch bei der Entspannung fest in dieser Lage. Genießen Sie einige ruhige Atemzüge. Wir dehnen dann die vorher angespannte Muskulatur: Dazu bleibt das Kinn auf der Brust, und wir versuchen mit dem linken Ohr möglichst weit zur linken Schulter zu kommen (nicht die Schulter anheben! ). Wenn Sie dies richtig machen, spüren Sie die Sehnen (leicht schmerzhaft), die zwischen Ohr und Schulter verlaufen. Dann versuchen wir, mit dem rechten Ohr die rechte Schulter zu erreichen und atmen ruhig weiter. Wir genießen anschließend die Entspannungsphase, gehen gedanklich in die entspannte Muskulatur und können die Entspannung noch vertiefen, indem wir uns möglichst bildhaft vorstellen, wie von der linken Hand über die Schultern bis zur rechten Hand die Wärme und Entspannung strömt und sich mit jedem Ausatmen weiter auf die angrenzende Muskulatur verteilt. Mit diesen drei Übungen haben Sie das Grundkonzept des MTT kennengelernt. Die Übungen sind gut geeignet, den Kreislauf anzuregen oder den Organismus tief zu entspannen, je nachdem, wie lange sie die Entspannungsphase ausdehnen. 7.3.4 Rückmeldung und Erfolgskontrolle Die Arbeit mit Gruppen ist stets zielorientiert, wobei die Ziele sehr unterschiedlich sein können. Ihre Vielfalt wird durch die drei Eckpfeiler der Themenzentrierten Interaktion (Ich - Wir - Es) angedeutet. Da wir methodisch mit Gruppen arbeiten wollen, müssen wir auch systematisch überprüfen, ob und in welchem Ausmaß wir die gesetzten Ziele mit den entsprechenden Verfahren erreicht haben. Nur auf diese Weise können Fehler erkannt, beseitigt und effektives Arbeiten dokumentiert werden. Die Erfolgskontrolle ist bei den meisten Gruppenarbeiten kompliziert, weil nur in seltenen Fällen - etwa bei problemlösenden Gruppen - klar entschieden werden kann, ob das Problem gelöst ist. Meistens sind die Ziele nur vage definiert, so dass der Erfolg ebenfalls nur grob abgeschätzt werden kann. Wir können in unserem Zusammenhang nicht detailliert die sozialwissenschaftlichen Methoden der Erfolgskontrolle darstellen, und das obwohl hier teilweise noch wissenschaftliches Brachland und großer Bedarf besteht. Der interessierte Leser sei auf die einführende Fachliteratur (Friedrichs 1999, Kromrey 2009, Wellhöfer 1997, Wellhöfer und Rothgang 2003) verwiesen. Im Folgenden werden einige leicht anwendbare Methoden demonstriert, mit denen die ablaufenden Prozesse erfasst werden können. Anschließend werwww.claudia-wild.de: <?page no="169"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 170 170 den wir das grundlegende Vorgehen bei der Erfolgskontrolle an einem einfachen Beispiel aufzeigen. Prozess- und Situationsanalyse Zur Prozessanalyse werden von Antons (2000) und Brocher (1967) ausführliche Listen und Fragebögen vorgeschlagen, die allerdings bei der praktischen Gruppenarbeit zu unhandlich sind. Die folgenden Verfahren erfordern deutlich weniger Zeitaufwand und führen zu schnellen Informationen, die wir bei der weiteren Planung aufgreifen können. • Blitzlicht Mit diesem Verfahren können wir am einfachsten die aktuelle Gruppensituation erfassen. Die Teilnehmer werden reihum gebeten, zu einer bestimmten Frage kurz (höchstens zwei bis drei Sätze) Stellung zu beziehen. Bewährte Fragen sind: • Was erwarte ich vom heutigen Treffen? oder • Wie fühle ich mich gerade im Augenblick? oder • Wie ging es mir bei den bisherigen Ausführungen? Eine Diskussion oder Wertung der Aussagen findet nicht statt. Mit dem Blitzlicht können wir auch die eher schweigsamen Gruppenmitglieder zur Meinungsäußerung bewegen und damit eine allgemeine Momentaufnahme der Gruppensituation erstellen. Das Blitzlicht kann zu Beginn einer Veranstaltung, nach bestimmten Lernabschnitten, beim Bemerken von kritischen Situationen und am Ende einer Veranstaltung eingesetzt werden. • Kärtchen-Rückmeldung und Punktbewertung Jeder Teilnehmer erhält ein rotes und ein grünes Kärtchen und wird gebeten, auf die »Rote Karte« zu schreiben, was ihm bisher an der Veranstaltung nicht gefallen hat, was geändert werden sollte, und auf das grüne Kärtchen, was ihm gefallen hat. Die beschriebenen Kärtchen werden getrennt gesammelt und an zwei Teilnehmer gegeben. Diese lesen abwechselnd den Inhalt jeweils einer Karte vor: Am besten beginnt man diesen »Wechselgesang« mit einer roten Karte, weil dann eine - hoffentlich beschriftete - grüne Karte die Rückmeldung abschließt. Die Moderatoren notieren sich die kritischen Rückmeldungen, versuchen, dazu abschließend sachlich Stellung zu nehmen und die Folgerungen zu diskutieren. Der Vorteil dieser Rückmeldung ist, dass die Teilnehmer in Ruhe überlegen und ihre Kritik anonym vorbringen können. Eine erweiterte Variante der Kärtchen-Rückmeldung besteht darin, dass wir sie mit Skalierungsmöglichkeiten verbinden. Sinnvoll ist es hierbei, die <?page no="170"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 171 171 Pinnwand entsprechend vorzubereiten. Abbildung 27 zeigt ein Beispiel, wie eine Rückmeldewand gestaltet werden kann. Die einzelnen Dimensionen können je nach Ziel der Gruppenarbeit geändert und erweitert werden. Die Teilnehmer bekommen für die Skalen jeweils einen Klebepunkt und eine begrenzte Anzahl Kärtchen (z. B. zwei grüne und zwei rote). Sie sollen die grünen Kärtchen mit der wichtigsten und zweitwichtigsten Anregung und die roten mit den entsprechenden Wünschen für den weiteren Verlauf beschreiben. Die Teilnehmer kleben dann ihre Punkte auf die zutreffenden Skalenfelder und pinnen ihre Kärtchen in den vorgesehenen Rahmen. Bei mehrtägigen Veranstaltungen können wir diese Rückmeldung wiederholen, den Prozessverlauf dokumentieren und die Reaktionen auf Veränderungen kontrollieren. • Stimmungsbarometer Eine weitere Rückmeldemöglichkeit besteht darin, dass die Teilnehmer nach bestimmten Abschnitten (in der Pause) an der Pinnwand entsprechende Dimensionen »punkten« und damit ein aktuelles Stimmungsbarometer abgeben. Auch hier hängen die Dimensionen von den speziellen Gruppenzielen ab. Abbildung 28 zeigt beispielhaft ein solches Stimmungsbarometer. Mit diesem Stimmungsbarometer können wir gut ein »Gruppenbild« erstellen, das zwischendurch auch angesprochen werden sollte, damit die gemeinsame Verantwortung an der Arbeit deutlich wird. Wird von den Teilnehmern nur gepunktet, dann entsteht schnell die Meinung, dass die Verbesserung der Situation alleine bei den Moderatoren liegt. Je detaillierter die Rückmeldungen werden, desto informativer sind sie natürlich, desto zeitaufwendiger wird allerdings auch ihre Auswertung. Die bisher geschilderten Verfahren erlauben recht gut, die aktuelle Gruppensituation anschaulich und praxisbezogen zu analysieren, um weitere gruppenpädagogische Aktivitäten zu planen. In gewissem Sinne informieren sie auch über den Erfolg des bisherigen Vorgehens, der allerdings nicht als langfristige Verhaltensänderung aufgefasst werden kann. Es besteht ein großer Unterschied zwischen den erhobenen Daten und einer effektiven, langfristigen Verhaltensänderung, die ja streng genommen das wirkliche Arbeitsziel ist. Damit sind wir aber von der Prozesszur Erfolgsforschung gewechselt. <?page no="171"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 172 172 Abb. 27: Beispiel einer Rückmeldewand. <?page no="172"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 173 173 Erfolgskontrolle Eine Veranstaltung ist erfolgreich, wenn mit ihr die gesetzten Ziele erreicht werden. Um den Erfolg überprüfen zu können, müssen wir die Ziele klar formulieren und auf die Ebene des beobachtbaren Verhaltens übertragen. In der Wissenschaft bezeichnet man dies als »Operationalisieren«, d. h. etwas konkret messbar und überprüfbar machen. Dies ist bei Gruppen, die ein konkretes Problem lösen müssen, relativ leicht durchführbar: Das Problem ist gelöst oder nicht. Bei vielen Gruppenarbeiten ist dies aber schwieriger. Hier müssen die Ziele in der Regel erst klar verbalisiert und konkretisiert werden. Beispielsweise melden sich viele Teilnehmer zu Kommunikations- und Konfliktsteue- Abb. 28: Beispiel eines Stimmungsbarometers für die Prozessanalyse (nach Klein 1991 S. 207 f ) <?page no="173"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 174 174 rungsseminaren an, um ihr Gesprächsverhalten zu verbessern. Dies ist das Grob- oder Fernziel. Dieses Ziel kann in seiner globalen Formulierung natürlich nicht überprüft werden, denn was heißt konkret »besseres Gesprächsverhalten«? Das vage Grobziel muss in konkrete Teilziele, welche die speziellen Verhaltensweisen betreffen, ausdifferenziert werden. Die Leitfrage dabei ist: »In welchen konkreten Verhaltensweisen zeigt sich ein »besseres Gesprächsverhalten«? Die Antwort darauf kann lauten: • häufiger »offene Fragen« stellen • weniger »Du-Angriffe« und mehr »Ich-Aussagen« • Gesprächsphasen beachten usw. Wenn wir die Nah- und Teilziele operationalisiert haben, dann können wir mit verschiedenen Methoden die Erfolgskontrolle durchführen. Meistens beschränkt man sich - wenn überhaupt dieses Thema aufgegriffen wird - auf eine schriftliche Befragung der Teilnehmer am Ende der Veranstaltung. Auf die Darstellung eines solchen Fragebogens sei hier verzichtet, da seine Aussagekraft für die Erfolgskontrolle gering ist. Zu viele Fehlervariablen beeinflussen das Ergebnis (z. B. soziale Erwünschtheit; Wissen, wer vom Ergebnis informiert wird; Sympathie- und Hof-Effekt usw.). Die Antworten erlauben kaum Informationen darüber, ob sich ganz bestimmte Verhaltensweisen wirklich und vor allem dauerhaft geändert haben. Für die Planung weiterer Veranstaltungen sind diese Reaktionen aber dennoch wertvoll. Wir können aber auch versuchen, den Erfolg etwas genauer zu kontrollieren, indem wir beispielsweise die Einstellung und das Verhalten der Teilnehmer erfassen, sie bitten, ein Konfliktgespräch auf Tonband zur Veranstaltung mitzubringen oder zu Beginn aufzunehmen und am Ende der Veranstaltung oder zu einem späteren Zeitpunkt (was meist schwierig zu realisieren ist) ein weiteres Konfliktgespräch aufzunehmen. Die Gespräche werden dann nach bestimmten Beobachtungskategorien »inhaltsanalytisch« ausgewertet. Um das Teilziel »offene Fragen häufiger stellen« zu überprüfen, könnte das inhaltsanalytische Auswertungsschema in Abbildung 29 herangezogen werden. <?page no="174"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 175 175 Beobachtungskategorien: Vorher Nachher Stellt offene Fragen, »W-Fragen«, anregende Fragen Greift Themen wieder auf und vertieft sie Fasst die Aussagen des Gesprächspartners zusammen Lässt Pausen zu, lässt sie »arbeiten« Zeigt Verständnis und Einfühlungsvermögen Konkretisiert vage Aussagen durch Fragen …………………………………….. Summe »Positiv«: Bewertet, kritisiert, urteilt Unterbricht, fällt ins Wort, lässt nicht ausreden Stellt Suggestivfragen Stellt »geschlossene« Fragen / »Oder«-Fragen Stellt »Warum«-Fragen …………………………………….. Summe »Negativ«: Abb. 29: Inhaltsanalytisches Auswertungsschema zur Erfolgskontrolle des Teilziels »mehr offene Fragen stellen« Wurde das Teilziel erreicht, dann müsste sich die Häufigkeitsverteilung in der erwarteten Richtung verschoben haben. Für eine gesicherte Interpretation müssten allerdings die beobachteten Unterschiede auf ihre Zufälligkeit hin untersucht werden. Im Bereich der Statistik wurde zu diesem Zweck eine Reihe von »Signifikanztests« entwickelt, durch die man feststellen kann, ob beobachtete Unterschiede als zufällig oder »echt« und damit interpretierbar angesehen werden können. Doch auch hier sei auf die entsprechende Fachliteratur verwiesen (siehe Wellhöfer 1997). Unser geschildertes Beispiel befriedigt sicher noch nicht alle (wissenschaftlichen) Erwartungen und Kriterien. Sinnvoller ist es zweifellos, das konkrete Gesprächsverhalten des Teilnehmers in »Ernstsituationen« zu erfassen und mit dem »Vorher« zu vergleichen und/ oder die Veränderungen, die von seinen primären Bezugs- und Kontaktpersonen beobachtet wurden, zu analysieren. <?page no="175"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 176 176 7.4 Sicherung des Lerntransfers Bei der Arbeit mit Gruppen versuchen wir, Wissen oder Fähigkeiten zu vermitteln, die im privaten oder beruflichen Bereich angewandt werden sollen. Die meisten Teilnehmer besuchen recht begeistert die Veranstaltungen und zeigen sich motiviert, das Gelernte auch möglichst schnell umzusetzen. Diese Motivation schwächt sich leider häufig schnell ab. Das Praktizieren der Lerninhalte in der »beschützenden« Seminarsituation unterscheidet sich deutlich vom rauen Alltag, in dem die bestehenden Erwartungen und Verhaltensnormen (»Normativität des Faktischen«) eine oft unterschätzte Barriere für Verhaltensänderungen sind. Für den Veranstalter, aber auch den Auftraggeber, existiert deshalb die zentrale Frage, wie man den Lerntransfer verbessern kann. Wir könnten natürlich die entsprechenden Arbeitsgruppen gemeinsam die Veranstaltung besuchen und dort miteinander die Veränderung planen lassen; dies wäre sicher sinnvoll, ist in der beruflichen Praxis aber nur in wenigen Fällen realisierbar. Wir müssten sicherstellen, dass die Inhalte von den direkten Vorgesetzten praktisch unterstützt, bei der Arbeit aufgegriffen werden sowie das neue Verhalten beachtet und gefördert wird. Die besuchte Veranstaltung darf nicht als Einzelereignis erlebt werden, sondern muss in ein transparentes Gesamtkonzept integriert sein. Wenn wir die Übertragung sicherstellen wollen, dann sollten folgende Punkte beachtet werden: • Motivierung der Teilnehmer zum Veranstaltungsbesuch Die Vorbereitung auf den Lerntransfer beginnt nicht in der Veranstaltung, sondern schon vorher. Der Teilnehmer sollte bereit sein, sich mit den Seminarinhalten auseinanderzusetzen, weil er einsieht, dass sie wichtig für seine persönliche und berufliche Weiterentwicklung sind. Er muss den Zusammenhang zwischen den Inhalten (Wissen, Fertigkeiten) und den gesetzten Zielen klar sehen. Ist die Veranstaltung in ein Gesamtkonzept (Ausbildungsplanung, Personalentwicklungsplanung) integriert, dann ist diese Motivation leicht zu erreichen. Leider begegnen wir nicht selten der Situation, dass Teilnehmer zu einer Veranstaltung geschickt werden, weil »sie wieder mal dran sind« oder der Vorgesetzte es für »sinnvoll« hält, ohne den Sinn weiter zu erklären. Diese »Vorbereitung« führt eher zu einer inneren Abwehrhaltung als zu einer Bereitschaft, sich offen mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Die Haltung muss zu Seminarbeginn angesprochen und verändert werden. <?page no="176"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 177 177 • Transfervorbereitung während des Seminars Zu Beginn des Seminars ist deshalb stets die Erwartung der Teilnehmer an das Seminar abzuklären und die Inhalte mit ihren Umsetzungsmöglichkeiten deutlich zu machen, damit ein persönlicher Bezug entsteht. Im Seminarverlauf sollte dann, nach dem ersten größeren Lernabschnitt, ein »Merkzettel« für die einzelnen Teilnehmer eingeführt werden, auf dem sie die Punkte notieren, die sie persönlich als bedeutsam ansehen und in Zukunft beachten wollen. Im weiteren Verlauf werden die Teilnehmer mehrmals daran erinnert, diese Notizen zu ergänzen. Am Ende der Veranstaltung werden sie dann aufgefordert, sich den Merkzettel nochmals vorzunehmen, um daraus ein persönliches Programm für die Umsetzung zu erstellen. Dabei sollen sie planen, in welcher konkreten Situation sie mit der Umsetzung anfangen und wie sie dann weiter vorgehen wollen. Sie sollen sich also kognitiv auf den Transfer vorbereiten und sich überlegen, wie sie es schaffen, dass ihre guten Vorsätze nicht nur gute Vorsätze bleiben. Wichtig dabei ist, dass die Teilnehmer ihr Programm auch schriftlich festhalten. Haben die Teilnehmer ihr Alltagsprogramm erstellt, dann ist es für die praktische Umsetzung günstig, wenn sie es mit anderen diskutieren oder im Plenum bekannt geben. Durch diese öffentliche Darstellung legt der Einzelne sich stärker fest, und das Programm wird verbindlicher. Es entsteht, wie wir wissen, dadurch eine größere kognitive Dissonanz, durch die eine Verhaltensänderung wahrscheinlicher wird. In dieser Phase gelingt es auch meist, Lernpartnerschaften oder Lerngruppen zu bilden, in denen die einzelnen Programme vorgestellt und diskutiert werden. Diese Lerngruppen vereinbaren weitere Treffen, in denen sie Schwierigkeiten bei der Umsetzung besprechen und sich gegenseitig Hilfestellung leisten. Diese direkte Transferplanung am Seminarende sollte natürlich während des Seminars durch praxis- und teilnehmerorientierte Übungen unterstützt werden. • Nach der Veranstaltung: »Back home« Mit den Lernpartnerschaften sind schon weiterreichende Transferaktivitäten geplant. Optimal wäre eine Folgeveranstaltung, deren Inhalte in den Lerngruppen vorbereitet werden und in der die Schwierigkeiten bei der konkreten Umsetzung angesprochen und gelöst werden. Generell ist wichtig, dass die Teilnehmer sich nach dem Seminar nicht alleingelassen fühlen, sondern wissen, »dass noch etwas kommt«. Dies kann ein Brief sein mit dem erstellten Alltagsprogramm, das bei Seminarende dem Leiter als Kopie in einem adressierten Umschlag übergeben wurde und den <?page no="177"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 178 178 Teilnehmern vier Wochen nach Seminarende zugeschickt wird (»letter to myself«). Dies können aber auch die beginnende Arbeit der vereinbarten Lerngruppe, ein Folgeseminar oder seminarbezogene Gespräche mit dem Vorgesetzten sein. Der unmittelbare Vorgesetzte, ein »Pate« oder auch ein externer Berater könnte für eine bestimmt Zeit die Betreuung (Supervision, »Coaching«) übernehmen und den Transfer sicherstellen. Die Supervision ist dabei zweifellos die effektivste Methode und verfolgt das klassische sozialpädagogische Ziel, »Hilfe zur Selbsthilfe« zu geben, d. h. den Supervisanden so zu betreuen, dass er die gesetzten Ziele aus eigener Initiative erreicht. Dieses »Coaching« hat sich im Bereich der Psychotherapie und Sozialarbeit bewährt und sollte auch verstärkt eingesetzt werden, wenn Ziele und Verhaltensweisen in Organisationen verändert werden sollen. <?page no="178"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 179 179 8 Gruppendynamik als angewandte Sozialpsychologie Im Folgenden wird die konkrete Umsetzung gruppendynamischer Aspekte an drei praktischen Beispielen dargestellt: Zuerst wird der Ablauf eines dreitägigen Basisseminars im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung/ Personalentwicklung zum Thema »Gesprächsführung und Motivation«, anschließend das Vorgehen bei einer »Kollegialen Beratung« und als weiteres Beispiel das Konzept eines Anti-Aggressions-Trainings dargestellt. 8.1 Seminarbeispiel »Gesprächsführung und Motivation« Bei diesem Seminar sollen die grundlegenden Fähigkeiten vermittelt werden, die für ein partnerzentriertes Gespräch benötigt werden. Daneben sollen die Teilnehmer mit den Themenkreisen Motivation, Frustration und Motivanalyse vertraut gemacht werden, um für die Vertiefung in den Folgeseminaren vorbereitet zu sein. Die Themen der möglichen Folgeseminare sind: Konfliktsteuerung, Einstellungs-, Beurteilungsgespräche, Potenzialschätzungen, Konferenzleitung und Verhandlungsführung. Die einschlägigen theoretischen Aspekte und Übungen wurden bereits in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich beschrieben, so dass wir bei der folgenden Darstellung auf die entsprechenden Abbildungen und Tabellen zurückgreifen können. Das zusätzliche Material ist im Anhang unter 9.1.4 zu finden. Das Ablaufprotokoll ist wiederum nur als Demonstrationsbeispiel gedacht. Jedes Seminar entwickelt in Abhängigkeit von den Teilnehmern seine Eigendynamik. Der oder die Seminarleiter müssen hier sensibel - entsprechend den TZI-Regeln - reagieren und dürfen den beschriebenen strukturellen Rahmen nur als Ausgangspunkt für flexibles Vorgehen verstehen. Die beschriebene Fortbildungsveranstaltung wurde von einem größeren, internationalen Unternehmen der Elektrotechnik durchgeführt. Die zwölf Teilnehmer haben freiwillig an diesem Seminar teilgenommen, das von zwei (externen) Moderatoren durchgeführt wurde. <?page no="179"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 180 180 1.Tag Beginn 9.00 Uhr • Vorstellungsrunde: persönliche Vorstellung der Moderatoren/ Mosaikvorstellung der Teilnehmer/ beruflicher und privater Stellenwert des Seminarthemas • Organisatorischer Rahmen (Tagesablauf, Pausen, …) • Teilnehmererwartungen auf Kärtchen für die »Erwartungswand«/ Besprechung und Ordnen der Erwartungswand • Vorstellung des Seminarkonzepts auf Flipchart (FC): (1) Was bringt mir das kooperative, partnerzentrierte Gesprächsverhalten? (2) Welche Prozesse sind in Gesprächen beobachtbar? (3) Wie kann ich mein Gesprächsverhalten verbessern? (4) Wie erkenne ich die Motivation meines Partners? (5) Was ist bei der Organisation von Gesprächen zu beachten? • Erwartungen an die Teilnehmer (TZI-Regeln). 10.45 bis 11.15 Uhr Kaffeepause (1) Was habe ich vom kooperativen, partnerschaftlichen Verhalten? Woran erkennt man kooperatives Verhalten? Übung: Wie viele Quadrate (Durchführung des Einzel- und Paarversuchs wie bei der Übung zu Abbildung 10, S. 66 (Vorlage 9.1.4.1 oder Abbildung 34, S. 209) Bedingungen für den Gruppenvorteil erfassen und umsetzen: Komplexere Demonstration »Entfernungen schätzen« (Übung zu Abbildung 11); Auswertung und Diskussion: Bezug zum beruflichen Alltag; Vor- und Nachteile des kooperativen Vorgehens. Regeln für den Gruppenvorteil auf FC entwickeln. 12.30 bis 14.00 Uhr Mittagspause Denksportaufgabe: »Baumreihen-Problem« (Abbildung 25, S. 163) (2) Welche Prozesse sind im Gespräch beobachtbar? Übung: Videoausschnitt eines Gesprächs/ Welche Vorgänge kann man in einer Unterhaltung/ einem Gespräch beobachten? Am FC notieren: z. B. Fragen, Informationen, Wut, Ablehnung. Meinungen, … emotionale Aussagen, Lob, Schweigen … Daraus Schema Abbildung 4 ableiten à Gespräche erfolgreich führen heißt: Die Vorgänge auf der Inhalts- und Beziehungsebene beobachten, analysieren und steuern zu können. <?page no="180"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 181 181 • Einführung des Merkzettels, auf dem die Teilnehmer sich die Inhalte notieren, die sie in der Praxis berücksichtigen wollen. Das Schema »Anatomie« einer Nachricht mit konkreten Beispielen ergänzt (vier Botschaften einer Nachricht) und veranschaulicht (Abbildung 4). 15.30 bis 16.00 Uhr Kaffeepause Einführung in MTT mit Übung »King Kong« (3) Wie kann ich mein Gesprächsverhalten verbessern? (3.1) Prozesse auf der Inhaltsebene • Informationsweitergabe: Wie kann ich die Kommunikation gestalten, damit meine Botschaft, das was ich mitteilen möchte, möglichst unverzerrt und eindeutig verständlich beim Gesprächspartner ankommt? Entwicklung des differenzierteren Kommunikationsschemas (Abbildung 5, S. 39) am FC. Übung »Einweg-Zweiweg-Kommunikation« (auf Video) entsprechend Kapitel 9.1.1.1 und Auswertung im Plenum nach Tabelle 1 (S. 40). Diskussion und Konsequenzen. »Verständlichmacher« (Abbildung 6, S. 43) am FC sammeln und bei den folgenden Übungen ergänzen. Videorückmeldung, auf Inhalts- und Beziehungsebene hinweisen und Verständlichmacher ergänzen. 18.00 Uhr Merkzettel und Rückmeldewand (Abbildung 27, S. 172) 18.20 Uhr Ende erster Tag 2.Tag 9.00 Uhr Übung »Worte und Vorstellungen« (S. 42)/ Bezug zur Inhaltsebene und Verständlichmachern herstellen. • Roter Faden des gestrigen Tages • Informationen einholen: Was heißt »aktiv Zuhören«? Übung »Kontrollierter Dialog« in Dreiergruppen (S. 46); anschließend Diskussion der Beobachtungen im Plenum 10.30 bis 11.00 Uhr Kaffeepause MTT-Übungen »King Kong«, »Siegfried« und »Quasimodo« • Wie »öffne« ich meinen Gesprächspartner? <?page no="181"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 182 182 Übung: A hat ein Thema/ Problem; B versucht, ohne zu steuern, möglichst viel davon zu erfahren. Gespräch wird mit Video aufgenommen (S. 44 f ). Was hat den Gesprächspartner geöffnet, welches Verhalten bringt ihn zum Reden? à »öffnendes« Gesprächsleiterverhalten auf FC notieren (S. 45). Übung: Offene Fragen im Plenum wandern lassen. Dabei sollen Elemente des kontrollierten Dialogs berücksichtigt werden. Regeln dabei: (1) Aufgreifen einer Aussage und Hinführung zur Frage (2) Offene Frage stellen (3) Antwort sinngemäß wiederholen und Richtigkeit bestätigen lassen (4) Von der Antwort ausgehend neue offene Fragen entwickeln und Thema vertiefen. 12.30 bis 14.00 Uhr Mittagspause Einstieg mit Denkspielaufgabe dann Zusammenfassung Kommunikationsschema und Verständlichmacher (Abbildungen 5 und 6). Vorbereitung eines Rollenspiels mit Schwerpunkt auf der Inhaltsebene: »Einstellungsgespräch«: Eine Gruppe bereitet die Rolle des Gesprächsführers, die andere die des Bewerbers vor, bespricht das Vorgehen und bestimmt aus ihren Reihen den Rollenspieler (ca. 20 min). Das Rollenspiel wird im Plenum durchgeführt und mit Video aufgezeichnet. Die Beobachter achten auf die Umsetzung der erarbeiteten Punkte für die Inhaltsebene (siehe Rollenspielanweisung Kapitel 9.1.4.2). Anschließend spontane Rückmeldung, sukzessive Videoanalyse und Diskussion im Plenum. Merkzettel 15.30 bis 16.00 Uhr Kaffeepause (3.2) Prozesse auf der Beziehungsebene Übung: 5-Kreuze-Übung (siehe Material Kapitel 9.1.1.3) instruieren und auf Video aufnehmen. Wie reagiere ich bei Störungen: Videoanalyse. Anschließend Reaktionen auf Störungen am FC (Abbildung 8, S. 49) entwickeln und auf ihre Tauglichkeit zur Problemlösung untersuchen. Bezug zum Alltag herstellen. Tagesrückmeldung mit roten (-) und grünen (+) Kärtchen. 18.00 Uhr Ende zweiter Tag. <?page no="182"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 183 183 3.Tag Einstieg mit »gemeinsamer Geschichte« (einer beginnt mit einem Wort, der Nächste wiederholt und fügt ein Wort dazu usw. bis man sich die Wortfolge nicht mehr merken kann). Bisherigen Roten Faden entwickeln Wie kann ich »angriffsarm reagieren«? (am FC sammeln) (S. 50) Übung Beschreiben - Bewerten. Die Teilnehmer (TN) bearbeiten Anlage 9.1.4.3; am FC werden die Aussagen gesammelt und nach Beschreibungen bzw. Bewertungen getrennt aufgeschrieben. Die TN sollen dieses System erkennen. Anschließend Bearbeitung der Vorlage aus Kapitel 9.1.4.4. und Diskussion. (4) Was ist ein Motiv, und wie kann ich motivieren? Was ist ein Motiv? Was versteht man unter Motivation? Schematische Darstellung am FC Zusammenfassung 9.1.4.5 durchgehen 10.30 bis 11.00 Uhr Kaffeepause Übung Motivstärke (Kapitel 9.1.4.6) in KG. Diskussion im Plenum Was ist eine Frustration? Darstellung am FC: Wie reagiert man bei Frustrationen? Schema (Kapitel 9.1.4.7) am FC entwickeln. Beispiele für berufliche Frustrationen sammeln Übung: Die Frage »Was motiviert mich zur Arbeit« bzw. »Was motiviert meine Mitarbeiter«? wird jeweils in einer KG auf Kärtchen bearbeitet. Anschließend präsentieren die Kleingruppen das Ergebnis an der Pinnwand. Aus den Ergebnissen wird als Beispiel die Bedürfnispyramide Maslows abgeleitet (Kapitel 9.1.4.8). Wie kann man andere Menschen motivieren? (Zusammenfassung 9.1.4.9) 12.30 bis 13.30 Uhr Mittagspause MTT-Übungen (5) Was ist bei der Organisation von Gesprächen zu beachten? • Vorbereitung auf das Gespräch (am FC entwickeln) • Gesprächsphasen (am FC entwickeln) Zusammenfassung (9.1.4.10) Umsetzung des Erarbeiteten (mit Schwerpunkt auf Beziehungsebene und Gesprächsorganisation) am Thema »Beschwerde«: Was ist eine Beschwerde und wie verhalte ich mich dabei? à FC und Zusammenfassung (9.1.4.11) <?page no="183"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 184 184 Bildung von Lerngruppen, die sich zwischen den Seminaren anrufen/ treffen sollen und Schwierigkeiten bei der Übertragung zu lösen versuchen. Rollenspiel »Beschwerde«: Die Lerngruppen bestimmen, wer den Vorgesetzen bzw. den Beschwerdeführer spielt. Anschließend erhalten die Rollenspieler ihre Rollenanweisung (Kapitel 9.1.4.12) und lesen sich ein (ca. zehn Minuten). Die anderen Gruppenmitglieder beobachten beim anschließenden Rollenspiel, das in jeder Gruppe durchgeführt wird, ob und wie die erarbeiteten Punkte umgesetzt werden. Ein Rollenspiel wird auf Video aufgezeichnet. Im Plenum beschreiben zuerst die Spieler, wie es ihnen ergangen ist, dann geben die Beobachter den Spielern Rückmeldung. Anschließend Auswertung der Videoaufzeichnung 15.10 bis 15.20 Uhr Kurzpause Zusammenfassung Kommunikationsregeln (Kapitel 9.1.4.13) besprechen Erwartungswand und Seminarrealität: Was haben wir erreicht? In den Lerngruppen wird das Alltagsprogramm aufgestellt: Stichwortartige schriftliche Beantwortung der Fragen: (1) Welche Seminarinhalte möchte ich im beruflichen Alltag umsetzen? (2) Wie kann ich sicherstellen, dass diese Vorsätze auch umgesetzt werden? Kurze Darstellung der Vorsätze im Plenum Organisation der Betreuung der Lerngruppen Vorbereitung des Folgeseminars Abschlussblitzlicht und Ausklang mit Kaffee 16.20 Uhr Seminarende 8.2 Beispiel einer »Kollegialen Beratung« Die Kollegiale Beratung (Intervision, Kollegiale Supervision, Kollegiales Team-Coaching) ist ein klar strukturiertes Beratungsgespräch in einer Gruppe, »in dem ein Teilnehmer von den übrigen Teilnehmern nach einem feststehenden Ablauf mit verteilten Rollen beraten wird, mit dem Ziel, Lösungen für eine konkrete berufliche Schlüsselfrage zu entwickeln« (Tietze 2003, S. 11). Anwendungsfelder: Entweder als eigenständiges Programm zur Personalentwicklung oder eingebettet in umfassende Qualifizierungsprogramme (z. B. Ausbildung zum Berater, Bachelor- oder Masterstudiengänge). Ein professioneller Berater ist nicht anwesend; es handelt sich um die Beratung von Kollegen für Kollegen. <?page no="184"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 185 185 »Kollegialität« bedeutet dabei: gegenseitige Hilfsbereitschaft, ähnlicher Erfahrungshintergrund, gleiche Hierarchieebene, Umkehrbarkeit der Beratungsbeziehung und gegenseitige Akzeptanz. Die Ziele der Kollegialen Beratung sind: • Lösungen für konkrete Praxisprobleme entwickeln, • Reflexion der beruflichen Tätigkeit (Feed-back) und • Weiterqualifizierung durch den Ausbau praktischer Berater- und Schlüsselqualifikationen. Für die Durchführung der Kollegialen Beratung werden die folgenden »Rollen« verteilt: • Moderator • Fallerzähler • Berater • Sekretär und • Beobachter Die Kollegiale Beratung besteht aus sechs (sieben) Phasen: 0. Vorbereitung: Ruhiger Raum, Stuhlkreis, Getränke, Flipchart und/ oder Pinnwand. Ein Poster mit den Phasen und deren Leitfragen sowie eines mit dem Methodenkatalog sollten aushängen. Die Moderatorenrolle sollte nach dem Rotationsprinzip wechseln, so dass festliegt, wer wann moderiert. Dies kann auch für die Fallerzähler festgelegt werden. 1. Casting (etwa fünf Minuten ohne Anfangsrunde): Festlegung der Rollen: Wer moderiert? In der Anfangsrunde berichten die Fallerzähler der vergangenen Sitzung über den weiteren Verlauf ihres Themas. Der Moderator fragt, wer heute einen Fall einbringen möchte (Fallerzähler)? Wer die Lösungsideen der Berater am Flipchart visualisiert (Sekretär)? Wer den Beratungsverlauf beobachtet (Beobachter)? Er analysiert die Dringlichkeit der einzelnen Themenwünsche und legt danach die Reihenfolge fest. 2. Spontanerzählung (etwa fünf bis sieben Minuten): Der Fallerzähler gibt einen spontanen Bericht seines Problems und wird dabei vom Moderator mit Fragen unterstützt (Worum geht es? Wie stellt sich die Situation für den Fallerzähler dar? ). Erst am Ende des Berichts lässt der Moderator Fragen der Berater zum vertieften Verstehen der Fallbeschreibung zu (keine Fragen zu verpackten Lösungsvorschlägen z. B. »Hast Du eigentlich schon mal daran gedacht …? «). 3. Schlüsselfrage (fünf Minuten): Im Dialog mit dem Moderator und den Beratern formuliert der Fallerzähler seine konkrete Schlüsselfrage, in der sein Klärungs- und Beratungswunsch fokussiert ist. (z. B. »Wie kann ich <?page no="185"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 186 186 erreichen, dass …? «) Nur durch diese Fokussierung wird eine zielgerichtete Beratung möglich. 4. Methodenwahl (fünf Minuten): Die Gruppe diskutiert und entscheidet die passende Beratungsmethode unter der Leitung des Moderators. 5. Beratung (zehn Minuten): Die Beteiligten beraten nach der vereinbarten Methode. Der Fallerzähler hört zu und lässt die Ideen auf sich wirken. Der Sekretär notiert die Ideen auf FC. 6. Abschluss (fünf Minuten): Fallerzähler meldet den Beratern zurück, welche Ideen er als hilfreich betrachtet und weiter verfolgen will (»Rosinen und saure Trauben« sortieren; was ist klar geworden? ). Die Beobachter berichten anschließend und geben den Teilnehmern Feed-back. Die Sitzung wird beendet oder nach einer Pause mit einem weiteren Fallbericht fortgeführt. Die in Klammer angegebenen Zeiten sind nur grobe Hinweise und hängen von der Moderation und der Erfahrung der Teilnehmer ab. Zu 4. Methodenwahl Je nach Schlüsselfrage wählt die Gruppe eine passende Methode aus dem (offenen) Katalog der Methodenbausteine aus. Tietze (2003, S. 115ff ) beschreibt eine große Anzahl von (Basis- und Fortgeschrittenen-)Methoden, mit denen der Beratungsprozess - entsprechend dem Entwicklungsstand der Gruppe - abwechslungsreich gestaltet werden kann. Er veranschaulicht das methodische Vorgehen an konkreten Praxisbeispielen. Beispiele für Basis-Methoden: • Brainstorming: Leitfrage: Was könnte man in einer solchen Situation alles tun? • Kopfstand-Brainstorming: Wie könnte der Fallerzähler die Situation weiter verschlimmern? • Gute Ratschläge: Welche Ratschläge habe ich für den Fallerzähler? • Resonanzrunde: Was löst die Fallbeschreibung bei mir an inneren Reaktionen aus? (anteilnehmend) • Sharing: Welche eigenen Erfahrungen verbinde ich mit dem Bericht? (anteilnehmend) • Schlüsselfrage (er-)finden: Was könnte die Schlüsselfrage des Fallerzählers (noch) sein? (Perspektive wechselnd) • Kurze Kommentare: Was ist mir am Inhalt und der Art des Berichts aufgefallen? • … <?page no="186"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 187 187 Als Vorbereitung auf die Rollenübung ist die Lektüre eines Beratungsprotokolls (z. B. Tietze 2003, S. 42-51) zu empfehlen, um den konkreten Ablauf beispielhaft kennenzulernen. Anschließend sollten noch vorhandene Fragen zum Inhalt und Vorgehen geklärt werden, bevor die eigentliche Rollenübung durchgeführt wird. Rollenübung: Kollegiale Beratung Die folgende Rollenübung ist für neun Teilnehmer vorbereitet; sollte die vorhandene Gruppe etwas größer oder kleiner sein, dann kann die Anzahl der Berater und/ oder Beobachter entsprechend verändert werden. Die folgenden Rollenanweisungen werden einzeln in Briefumschlägen den Teilnehmern zur Wahl vorgegeben. Jeder Teilnehmer »zieht« einen Umschlag und bestimmt damit auch seine Rolle. Nachdem die Teilnehmer sich in ihre Rolle eingelesen haben, beginnt der Moderator die Kollegiale Beratung. Rollenanweisung Moderator: In der folgenden Beratungsübung sind Sie der Moderator. Begrüßen Sie die anderen Teilnehmer und führen Sie eine Kollegiale Beratung in der besprochenen Form durch. • Casting / Rollen besetzen (ca. fünf Minuten): Einstimmung, Anfangsrunde: Teilnehmer berichten, wie die Zwischenzeit verlief und melden ihre Beratungswünsche an. Der bzw. die Fallerzähler und die Reihenfolge des Auftretens werden ausgewählt. Die Rollen Sekretär, Beobachter und nächster Moderator werden festgelegt. (Das Flipchart mit Prozessablauf und Methoden sollte sichtbar sein) • Spontanbericht des Erzählers (ca. fünf bis sieben Minuten): Fallerzähler berichtet ohne spezielle Vorbereitung; Moderator steuert durch aktives Zuhören - »Klärungshelfer« - und vertiefende Fragen; erst gegen Ende der Phase erlaubt der Moderator auch den Beobachtern, eine begrenzte Anzahl an klärenden Fragen zu stellen. (Zeit für das Nachfragen sollte auf drei Minuten begrenzt werden) • Schlüsselfrage (ca. fünf Minuten): zentrale Phase, in der die Klärungsrichtung bestimmt wird. Wenn der Fallerzähler keine Schlüsselfrage formulieren kann, wird sie gemeinsam gesucht; die letzte Entscheidung über die Schlüsselfrage liegt aber beim Fallerzähler. • Methodenwahl (ca. fünf Minuten): Die Gruppe diskutiert und entscheidet die passende Beratungsmethode unter der Leitung des Moderators. • Beratung (ca. zehn Minuten): Die Beteiligten beraten nach der vereinbarten Methode. Der Fallerzähler hört zu und lässt die Ideen auf sich wirken. Der Sekretär notiert die Ideen auf FC. <?page no="187"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 188 188 • Abschluss (ca. fünf Minuten): Der Fallerzähler meldet den Beratern zurück, welche Ideen er als hilfreich betrachtet und weiter verfolgen will (»Rosinen und saure Trauben«; was ist klar geworden? ). Wenn ein Beobachter bestimmt wurde, berichtet dieser anschließend über seine Beobachtungen und gibt den Teilnehmern Feed-back. Die Sitzung wird beendet bzw. nach einer verdienten Pause mit einer weiteren Runde fortgeführt. Rollenanweisung Fallerzähler LIEB: In der folgenden Beratungsübung möchten Sie gerne von den anderen Teilnehmern zu der folgenden Situation beraten werden. Bitte versetzen Sie sich in die geschilderte Situation.Wenn der Moderator oder die anderen Berater Verständnisfragen stellen, dann lassen Sie ruhig Ihre Fantasie spielen. Sie möchten den folgenden Fall einbringen: »Letzte Woche hatten Sie mit einem Trainee ein Beurteilungsgespräch am Ende seiner Zeit in Ihrer Abteilung. Sie haben sich gut auf das Gespräch vorbereitet, Ihre Beobachtungen zusammengestellt und kamen zu einer Bewertung, durch welche Sie die Eignung des Trainees anzweifeln mussten. Am nächsten Tag fand das Gespräch statt, und am Ende des Beurteilungsgesprächs kamen sie zu einer wesentlich besseren Gesamtbewertung des Trainees. Sie waren anschließend damit sehr unzufrieden und haben am Wochenende überlegt, was Sie da tun könnten. Die wesentlich bessere Beurteilung war falsch und damit ungerecht, aber irgendwie hatte Sie der Trainee mit seiner charmanten Art eingewickelt und über den Tisch gezogen, was Sie auch jetzt noch ärgert. Unterschrieben haben Sie und der Trainee das Beurteilungsprotokoll noch nicht. Aber eigentlich hatten Sie dem Trainee auch die gute Beurteilung ausgesprochen und stehen jetzt im Wort.« (nach Tietze 2003, S. 165). Rollenanweisung Fallerzähler NEUTRAL: In der folgenden Beratungsübung möchten Sie gerne von den anderen Teilnehmern zu der folgenden Situation beraten werden. Bitte versetzen Sie sich in die geschilderte Situation.Wenn der Moderator oder die anderen Berater Verständnisfragen stellen, dann lassen Sie ruhig Ihre Fantasie spielen. Sie möchten den folgenden Fall einbringen: »Sie sind Personalentwickler in einer Versicherung und betreuen seit etwa einem halben Jahr eine Region, in der Sie für etwa 300 Leute der Ansprechpartner sind. Ihr Vorgänger hatte eine besonders gute Beziehung zum Betriebsrat, dafür aber eine schlechtere zur Führungsebene im Haus. Sie haben Ihre Aufgabe sehr motiviert begonnen und wollten sich überparteilich und neutral verhalten, um allen Seiten gerecht zu werden. Als Personalentwickler verstehen Sie sich als Dienstleister für Mitarbeiter, Betriebsrat und Führungsmannschaft. Sie waren bisher sehr unerfahren in der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat gewesen, weil Sie kaum Schnittstellen <?page no="188"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 189 189 zu ihm hatten. Die regionale Führungsmannschaft hat Sie äußerst freundlich empfangen. Der Betriebsrat, besonders der Vorsitzende, hat versucht, Sie in Gesprächen auf seine Seite zu ziehen und wollte Sie gegen den Vorstand aufstacheln. Sie haben aber die Neutralitätsfahne hochgehalten. Irgendwann gab es dann einen Moment, in dem der Betriebsrat sauer reagierte, weil er merkte, dass Sie sich nicht von ihm vereinnahmen lassen wollen. Seitdem gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat sehr schwierig. Sicher haben Sie auch Fehler gemacht, obwohl Sie es vermeiden wollten: Ihr Themenfeld ist mitbestimmungspflichtig, und Sie haben den Betriebsrat nicht in allen Fragen eingebunden. Im Grunde genommen haben Sie gedacht, das müssen Sie auch nicht bei allem und jedem, weil die Konzepte ja durch den Gesamtbetriebsrat gehen und da abgestimmt werden. Sie müssten sich jetzt eigentlich mehr um den Betriebsrat kümmern, befürchten aber, dass der dann meint, Sie möchten sich jetzt doch auf dessen Seite schlagen. Dabei möchten Sie nur allen gerecht werden können. Sie fühlen sich in einer Zwickmühle. Gehen Sie auf den Betriebsrat zu, dann ist der Vorstand sauer. Tun Sie das nicht, dann haben Sie zwar den Vorstand auf Ihrer Seite, aber den Betriebsrat als Gegner. Sie wissen nicht, was Sie tun sollen und fragen sich, ob es falsch war, sich neutral verhalten zu wollen.« (nach Tietze 2003, S. 142). Rollenanweisung Berater MODZUK: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie sind aber gerne bereit, die Moderatorenrolle des nächsten Falles - sollten mehrere Fälle zur Beratung anstehen - zu übernehmen, weil Sie schon lange keine zentrale Rolle bei den Sitzungen übernommen haben. Rollenanweisung Berater SEKRET: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie sind aber gerne bereit, die Rolle des Sekretärs zu übernehmen, weil Sie diese Rolle noch nie bei den Sitzungen übernommen haben. Rollenanweisung Berater ER: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie sind aber gerne bereit, die Rolle des Beobachters zu übernehmen, weil Sie diese Rolle bei den Sitzungen noch nie übernommen haben. <?page no="189"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 190 190 Rollenanweisung Berater KOPF: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie würden heute gerne nur die Beraterrolle übernehmen, da Sie bei den letzten Treffen schon Moderator, Sekretär, Fallerzähler und Beobachter waren. Sie würden gerne einmal die Methode »Kopfstand-Brainstorming« ausprobieren. Rollenanweisung Berater DEMOT: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie würden heute gerne nur die Beraterrolle übernehmen, da Sie bei den letzten Treffen schon Moderator, Sekretär, Fallerzähler und Beobachter waren. Sie finden die Sitzungen zur Kollegialen Beratung zwar sehr sinnvoll, sind heute aber etwas müde, wenig engagiert und müssten vom Moderator noch motiviert werden. Rollenanweisung Berater RESORU: In der folgenden Rollenübung zur Kollegialen Beratung haben Sie keinen konkreten Fall, der Ihnen auf den Nägeln brennt. Sie können dem Moderator also signalisieren, dass Sie heute keinen Beratungsfall einbringen werden. Sie würden heute gerne nur die Beraterrolle übernehmen, da Sie bei den letzten Treffen schon Moderator, Sekretär, Fallerzähler und Beobachter waren. Sie würden gerne einmal die Methode »Resonanzrunde« ausprobieren. Nach der Rollenübung sollte der abgelaufene Prozess und die gewonnenen Erfahrungen von den Teilnehmern reflektiert werden. Auf weitere Methodenbausteine für erfahrene Gruppen (Tietze 2003, S. 160 f ) soll an dieser Stelle nur kurz verwiesen werden: • Actstorming: Wie könnte der Fallerzähler sein Anliegen konkret formulieren? (Wörtliche Aussagen für ein anstehendes Gespräch sollen gesammelt werden) • Offene Fragen: Welche Fragen könnte sich der Fallerzähler noch stellen? (bisher ungestellte Fragen werden gesammelt) • Überraschungen erfinden: Womit könnte der Fallerzähler die Beteiligten überraschen? (Vorschläge, um festgefahrene Situationen zu verändern) • Umdeuten: Wie könnte man die Ereignisse positiv verstehen? (Reframing: Das Verhalten der Problempartner positiv deuten) <?page no="190"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 191 191 • Identifikation: Was denken wohl die anderen Beteiligten? (Die Schilderung durch vermutete andere Positionen erweitern) • Inneres Team: Welche Stimme des Fallerzählers »sagt« was zur Schlüsselfrage? Wie sieht sein »inneres Team« aus? (Unterschiedliche innere Positionen des Betroffenen herausarbeiten) 8.3 Beispiel eines Sozialkompetenz-Trainings Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex Gewalt und Aggression hat zu einer Reihe von Trainingsprogrammen geführt, mit denen die Defizite im Bereich der Sozialkompetenz bearbeitet werden können. Das theoretische Bezugssystem ist dabei in der Regel die kognitive Lerntheorie, d. h. es wird davon ausgegangen, dass die Defizite durch (fehlende) soziale Lernprozesse entstanden sind. Wenn aggressives und gewalttätiges Verhalten durch soziale Lernprozesse erworben werden - und dafür sprechen viele empirische Daten -, dann können wir sie auch durch entsprechende soziale Lernprogramme beseitigen und durch sozial kompetentes Verhalten ersetzen. Die generelle Ursache ist, dass die anstehenden Entwicklungsaufgaben der Kinder und Jugendlichen (in Richtung Sozialkompetenz, Partnerschaft, Geschlechtsidentität, angemessenes Konsumverhalten, verbindliches Werte- und Normensystem) oft nicht bewältigt und durch »Scheinkompetenzen« (z. B. Gewalt und Aggression, Delinquenz, soziale Unsicherheit, Drogenkonsum, Verweigerungsstrategien) ersetzt werden. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf die bewährten Trainingskonzepte wie »Assertiveness-Trainings-Programm« (Ullrich und Ullrich de Mynck 1995), »Gruppentraining sozialer Kompetenzen« (Hinsch und Pfingsten 2007), »Fit for Life« (Jugert, Rehder, Notz und Petermann 2006), »Faustlos« (Cierpka 2001, 2004, 2005, 2011) und die verschiedenen Manuale über »Verhaltenstraining für Kinder und Jugendliche« (Petermann und Petermann 2012) hinweisen. Als konkretes Beispiel möchte ich die zentralen Aspekte aus dem »Anti- Aggressivitäts-Training für Gewalttäter« (Weidner 1997) darstellen. Nachdem die meisten Programme das positive Ziel benennen, ist dieses Programm auch in »Coolness-Training« umbenannt worden. Die Teilnehmer sollen sich nicht mehr provozieren lassen, sondern »cool« bleiben und anschließend »sozial kompetent« reagieren. Das »Anti-Aggressivitäts-Training« (AAT): Weidner (2001) hat das AAT in der Hamelner Justizvollzugsanstalt für jugendliche Straftäter auf Grund seiner Praktikumserfahrungen mit gewalttätigen Gang-Jugendlichen in der »Glen-Mills-School« in Philadelphia entwww.claudia-wild.de: <?page no="191"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 192 192 wickelt. Nach seiner Untersuchung inhaftierter jugendlicher Gewalttäter kam er zu folgendem Täterprofil, das durch ein entsprechendes Programm bearbeitet werden muss. Dieses »Gewalttäterprofil« ist in der Zwischenzeit durch weitere empirische Untersuchungen abgesichert und wird im Folgenden durch das Bezugssystem der sozial-kognitiven Verhaltensdiagnose beschrieben: • Aggressionsauslösende Situation: Viele Alltagssituationen werden als Provokation erlebt; die Gewalttäter neigen zur Attribution von Feindseligkeit gegenüber Personen und Situationen (»feindselige Attributionsverzerrung«). Diese bedrohungsorientierte Wahrnehmung wird durch die besondere Persönlichkeitsstruktur bedingt. • Persönliche Verarbeitung: Bei den meisten Gewalttätern fand Weidner eine narzisstische Störung: Ideales Selbst (hart, unbeugsam, Kämpfer für eine gerechte Sache) und reales Selbst (eigentlich ein Versager, irgendwie auf dem falschen Weg) klaffen weit auseinander. Irreale Bewertungen (Gewalt macht stark, unangreifbar / Friedfertigkeit wird mit Schwäche, Feigheit gleichgesetzt). • Sie sind »Weltmeister im Gewalt rechtfertigen«, Neutralisieren und Rationalisieren: Das Opfer war schuld, oder es ist dumm gelaufen, so dass eigene Schuldgefühle ausbleiben. Sie besitzen kein Einfühlungsvermögen in die Opfersituation und zeigen keine Betroffenheit. • Sie haben gelernt, Konflikte durch Aggressionen zu lösen und besitzen dazu keine Alternativen. • Gewalt wird als spannender, reizvoller Lebensstil erlebt; man betrachtet sich als mutig und erfolgreich und idealisiert das aggressive Verhalten und glaubt, beliebt zu sein. • Reaktion in der Situation: Aggressives Verhalten, das meist sofort positiv verstärkt wird. • Verstärkungen des aggressiven Verhaltens: Respekt und Anerkennung durch die Clique/ Peergroup. Die Hilflosigkeit des Opfers stärkt das eigene Machtgefühl; Minderwertigkeitsgefühle werden ausgeglichen oder neutralisiert. Die Umwelt reagiert überwiegend positiv verstärkend. Konsequente Bestrafungen des aggressiven Verhaltens bleiben aus: Lehrer ziehen keine klaren Konsequenzen, sind verunsichert; Eltern reagieren hilflos, sind teilweise nicht informiert oder sind durch eigene Aggressivität Verhaltensmodelle. Mitschüler reagieren ängstlich bis fasziniert. Weidner hat für die diagnostizierten Verhaltensdefizite das AAT - einen deliktspezifischen sozialen Trainingskurs - entwickelt, mit dessen Übungen die Ursachen für die Gewaltbereitschaft abgebaut und alternative soziale Verhaltensweisen aufgebaut werden können. Das Ziel des AAT ist es, die <?page no="192"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 193 193 Feindseligkeitswahrnehmung zu senken, aggressives Verhalten als Wert und Konfliktlösungsstrategie in Frage zu stellen und durch alternative Verhaltensweisen (Friedfertigkeit ist Souveränität/ Coolness) zu ersetzen. Das bestehende Feed-back-System (Gewalttäter sind beliebt, geachtet) muss aufgedeckt werden (angstbedingt), die Verharmlosungstendenzen müssen direkt bearbeitet werden und eine emotionale Betroffenheit mit der Opfersituation erarbeitet werden. Organisatorischer Rahmen und Ablauf des AAT: An jeder Trainingsgruppe nehmen fünf bis acht Gewalttäter, die sich freiwillig gemeldet haben, teil. Wöchentlich finden zwei mehrstündige Sitzungen statt. Die Sitzungen werden durch Einzelgespräche und Ausgänge sowie durch Sport- und Freizeitaktivitäten ergänzt. Von zentraler Bedeutung ist, dass auch alle Mitarbeiter in der Strafvollzugsanstalt die Trainingsziele mit tragen und aktiv unterstützen, dass sie eine »united front« bilden. Wichtig ist auch, dass möglichst viele Aktivitäten »extramural«, d. h. außerhalb der Gefängnismauern stattfinden können. Das Training dauert sechs Monate und gliedert sich in drei Phasen auf: • Integrationsphase (erster Monat): In den Sitzungen werden die Teilnehmer für das Training motiviert, die Erwartungen der Trainer an die Teilnehmer geklärt, die eigenen Gewalttaten beschrieben, die individuell provozierenden Situationen analysiert und das aktuelle Verhalten im Strafvollzug reflektiert. • Konfrontationsphase (zweiter bis vierter Monat): Mit Provokationstest (»heißer Stuhl«), Konfrontation mit den Gewaltrechtfertigungen und ihren Neutralisierungen, der fiktiven Täter-Opfer-Kommunikation (Brief an das Opfer schreiben, der aber nicht abgesandt wird), Diskussion von Filmen über Gewaltopfer, dem Leid und die Folgen bei den Geschädigten, dem Thema »cooler« Schläger und seine emotionale Verletzbarkeit, Reflexion des Verhaltens im Vollzug, beim (begleitenden) Ausgang zu Eltern, Freundin oder wichtiger Bezugsgruppen werden die vorhandenen Defizite angesprochen, bearbeitet und alternative Verhaltensweisen eingeübt.. • Gewaltverringerungsphase (fünfter bis sechster Monat): In dieser Phase wird auf die erzielten Erfolge aufgebaut: Die »Lebensphilosophie«: Friedfertigkeit bedeutet echte Stärke (die größte Niederlage des Provokateurs ist das Ignorieren der Provokation) wird gestärkt, die Eltern und Freunde werden aktiv über die eingesehene Tatschuld und die vollzogene Einstellungsänderungen informiert (begleitende Freigänge). • (Nachbereitung): Teilnehmer arbeiten als »Tutoren« in späteren Trainingsgruppen mit. Sie werden als ehemals »Betroffene« zur Identifikationsfigur und zum optimalen Modell für gewaltfreies Verhalten. <?page no="193"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 194 194 Die Ansatzpunkte des AAT liegen bei den folgenden Faktoren: • Aggressivitätsauslöser: Aggressives Verhalten tritt in der Regel nicht spontan auf, sondern wird durch bestimmte Personen oder Situationen ausgelöst. Die Teilnehmer müssen deshalb die für sie typischen Auslösesituationen kennenlernen, überlegen, ob Gewalt hier zwingend notwendig ist, und wie weit sie möglicherweise »Alkohol« als Verstärker der Gewaltbereitschaft und/ oder als Ausrede verwenden. • Gewalt als Vorteil: Das Überlegenheitsgefühl der Gewalttäter, die irrationale Bewertung ihres Verhaltens »Gewalt löst Probleme« mag zwar anfangs richtig gewesen sein, mittlerweile hat sich die Kosten-Nutzen- Analyse für den Täter aber umgekehrt. • Ideales und reales Selbstbild: In den Übungen wird der Gewalttäter mit seinen Größenvorstellungen (Straßenheld, unbesiegbarer Rambo) mit der Realität (schulischer/ beruflicher/ menschlicher Versager) konfrontiert und soll lernen, seine Schwächen zu akzeptieren, um seine Provozierbarkeit zu verringern. • Neutralisierungstechniken: Die Gewaltrationalisierungen haben für den Täter den großen Vorteil, dass sie kein Schuldgefühl aufkommen lassen. Das Wecken von Schulgefühlen in Bezug auf die begangenen Taten, das »Einmassieren des Realitätsprinzips«, muss in den Trainingseinheiten erfolgen. Das Selbstbild sollte sich so verändern, dass der souveräne Kämpfer sich als Versager fühlt und sich für seine Tat entschuldigt. • Opferkommunikation: Dieses sensible Thema wird vorwiegend symbolisch bearbeitet, da das Opfer nicht als Werkzeug dienen darf, um den Täter zu behandeln. Deshalb werden Filme aus der Opferperspektive gezeigt und die Verbindung zu den eigenen Taten hergestellt. Daneben müssen alle Teilnehmer einen Brief an ihr Opfer schreiben, der allerdings nicht abgeschickt wird, sondern »nur« in der Gruppe besprochen wird. Das Ziel des »Opferbriefs« ist es, dass der Schreiber sich in dessen Situation versetzen muss, dass ein gewisses Mitgefühl aufgebaut wird. Und das Mitgefühl verdirbt den Spaß an der Gewalt! • Provokationstest: Hier wird der Teilnehmer mit Situationen (auf dem »heißen Stuhl«) konfrontiert und provoziert, bei denen er früher die Kontrolle verlor und gewalttätig wurde. Diese Provokationen werden während des Trainings wiederholt, bis der Teilnehmer die Situation »cool« bewältigen kann. Das Lernziel ist der Aufbau von Gelassenheit in provozierenden Situationen und die Erkenntnis, dass die größte Niederlage des Provokateurs das Ignorieren der Provokation ist. • Subkultur: Welche Rolle spielt der Klient in seinen Bezugsgruppen, welches Verhalten wird von ihm erwartet? Ziel ist die Einsicht und Erfahwww.claudia-wild.de: <?page no="194"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 195 195 rung, dass pro-soziales (friedfertiges und konfliktlösendes) Verhalten auch in der Peergruppe erfolgreich ist. • Tutoren als Modelle: Ehemalige Gewalttäter nehmen als Tutoren am Training teil und demonstrieren, dass gewaltfreies Verhalten in der Freiheit erfolgreicher ist. Sie dienen als Modelle für gewaltfreie Konfliktlösungsmuster und stärken die Durchhaltemotivation der Teilnehmer. • Institutionelle Gewalt: Es wird analysiert, welche institutionellen Wege der Justiz (Widerspruch: Anti-Aggressivitäts-Training unter Zwang/ Gewalt) aggressiver machen und die Identität der Teilnehmer gefährden. Ziel ist es, das strukturelle Gewaltmonopol defensiver zu nutzen, die Handlungszwänge der Beschäftigten im Gefängnis zu sehen und Gewaltanwendungen durch Beschwerdestrategien gegen Ungerechtigkeiten zu erproben. Auch werden möglichst viele Aktivitäten außerhalb der Gefängnismauern durchgeführt. Die inhaltliche Gestaltung der etwa 20 mehrstündigen Sitzungen wird ausführlich von Weidner (2001) und verkürzt von Burschyk, Sames und Weidner (2000) dargestellt. Kilb, Weidner und Gall (2006) schildern die Übertragung des AAT-Konzepts in den Schulbereich. Erfolgskontrolle/ Evaluation des AAT: Das AAT wurde von Weidner, aber auch von anderen Stellen evaluiert. Die testpsychologischen Ergebnisse zeigten generell, dass die Teilnehmergruppen des AATs signifikant geringere Werte bei den Dimensionen »allgemeine Aggressivität«, »reaktive Aggressivität«, »Erregbarkeit« und höhere Werte bei »Aggressionshemmung« im Vergleich zu einer untrainierten Tätergruppe zeigten. Allerdings wurden sie durch das Training keineswegs zu Pazifisten. Ihre Werte lagen auch nach dem Training noch weit von denen einer repräsentativen Vergleichsgruppe entfernt. Die Werte einer langfristig angelegten Rückfallstudie von 73 Teilnehmern des AATs in der Jugendanstalt Hameln, die dort zwischen 1987 und 1999 das Training absolvierten, zeigen im Vergleich zu einer parallelisierten Kontrollgruppe von Gewalttätern, die das Training nicht mitmachten, dass die Gewaltrückfallrate zwar relativ niedrig war (ca. ein Drittel), sich die beiden Gruppen aber nicht signifikant unterschieden. Lediglich die Gewaltintensität beim Rückfall war bei der Trainingsgruppe tendenziell niedriger. Allerdings kann das weitgehend identische Ergebnis beider Gruppen auch dadurch erklärt werden, dass in der Jugendstrafanstalt Hameln nicht nur das AAT, sondern auch andere Resozialisierungsmaßnahmen angeboten werden, die zu einem »Hameln-Effekt« führen. Die Rückfallquote von einem Drittel bei chronischen Gewalttätern könnte möglicherweise ein <?page no="195"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 196 196 optimales Ergebnis für den resozialisierungsorientierten Jugendstrafvollzug sein. Details zu den Evaluationsergebnissen kann der interessierte Leser über die Homepage: www.prof-jens-weidner.de unter Forschung AAT oder beim Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik in Frankfurt (www.iss-ffm.de) abrufen. Das ISS hat auch die Weiterbildung zum AAT- und »Coolness- Trainer« übernommen, markenrechtlich geschützt, und bietet entsprechende Seminare an. Das AAT ist als soziales Training entwickelt worden, um chronisch gewalttätige Jugendliche zu resozialisieren. Chronisch gewalttätige Jugendliche haben natürlich eine langjährige Lerngeschichte, in der sich das aggressive Konfliktlösungsverhalten entwickelte. Je früher, je intensiver und je langfristiger Lernprozesse in der Entwicklung andauern, desto stabiler sind die dabei erworbenen Verhaltensmuster und desto schwerer ist es, sie zu verändern. Sinnvoller ist es demnach, möglichst früh mit der Förderung sozialer Kompetenzen zu beginnen. Da die allgemeine familiäre Situation sich deutlich verändert hat, sind viele Eltern oder Alleinerziehende bei dieser Aufgabe überfordert, so dass die sekundären Erziehungseinrichtungen (Kindergarten und Grundschule) einen Teil dieser Aufgaben übernehmen müssen. Cierpka hat das amerikanische Projekt »Second Step« (Beland 1988, 1991), das in den USA seit Jahren erfolgreich angewendet wird und viele Auszeichnungen erhielt, auf deutsche Verhältnisse übertragen. Das Curriculum für »FAUST- LOS« vermittelt entwicklungsadäquate soziale Fähigkeiten in den Bereichen Empathie, Impulskontrolle und Umgang mit Ärger und Wut und ist in der Version für den Kindergarten, die Grundschule und Sekundarstufe (Cierpka 2001, 2004, 2005, 2011) erprobt. Es wäre sicher sinnvoll, dieses Programm zur Prävention flächendeckend einzuführen. 8.4 Exkurs: Internet, virtuelle Gruppen und Blended-Learning Das Internet ist mit seinen vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten heute aus unserem Informations- und Kommunikationsverhalten nicht mehr wegzudenken. Durch die Digitalisierung hat sich unsere private und berufliche Welt sehr stark verändert. Wir schreiben kaum mehr Briefe, sondern kommunizieren über E-Mails, informieren uns über Google oder Twitter, tauschen uns mit anderen in Chats oder Foren aus, kommunizieren mit »Freunden« bei Facebook, studiVZ oder anderen sozialen Netzwerken und sprechen in Videokonferenzen mit weit entfernt arbeitenden Kollegen. <?page no="196"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 197 197 Unsere Kommunikationsmöglichkeiten haben sich in extremer Weise erweitert. 8.4.1 Unterschiede zwischen realer und virtueller Kommunikation Diese Erweiterung unserer Kommunikationsmöglichkeiten betrifft vor allem die Vorgänge auf der Inhaltsebene, d. h. es findet eine »Verzerrung« in dieser Richtung statt (siehe auch Kapitel 3 »Interaktion und Kommunikation, S. 35 ff in diesem Buch). Zwischen der realen und der virtuellen Kommunikation bestehen die folgenden zentralen Unterschiede: • Die Teilnehmer kommunizieren nicht mehr von Angesicht zu Angesicht (»face-to-face-Kommunikation«), sondern über den Bildschirm (»Computervermittelte Kommunikation«). Damit gehen sehr viele nonverbale Informationen - sie definieren die Beziehungsebene - verloren oder werden nur abgeschwächt vermittelt (Dies gilt auch z. B. für die Videotelefonie über Skype.) Die virtuelle Kommunikation wird weitgehend durch Prozesse auf der Inhaltsebene bestimmt. Bei der realen Kommunikation sorgen hingegen die analogen Botschaften (Beziehungsebene) für die »Würze« - die emotionalen Qualitäten -, sie signalisieren, wie die Partner ihre Beziehung definieren und wie die Inhalte zu verstehen sind. • Die rein schriftliche computervermittelte Kommunikation besitzt deutliche Schwächen im Vergleich mit der direkten Kommunikation. Dies kann man natürlich verbessern, indem man zusätzliche Informationen übermittelt. So kann man die fehlenden nonverbalen Informationen durch Symbole wie Emoticons (J, L) oder »grins« (ist lustig gemeint) ergänzen, was aber bestenfalls eine Annäherung an die reale Kommunikation ermöglicht. Den Einfluss dieser Beziehungsaspekte zeigt ein Experiment von Weidenmann (nach Paechter 2003, S. 485). Wenn Studierende in einem Internetseminar (»Webinar«) den zu lernenden Text nur in schriftlicher Form erhalten, sind sie wesentlich unzufriedener mit dem Seminar, als wenn der Text auch von der Dozentin gesprochen wurde und ihr Bild zu sehen war. In dieser Situation fanden sie das Lernen mit den neuen Medien auch wesentlich motivierender. Inzwischen ist es in den »Webinaren« möglich, (z. B. mit der Software Adobe Connect) Dozenten über Videotelefonie auf dem Bildschirm zu sehen, die Teilnehmer zu Diskussionen freizuschalten, diese Diskussionen aufzuzeichnen, um sie bei Bedarf wieder abzurufen. • Die Identität der virtuellen Partner ist oft nicht eindeutig definiert, da sie sich im Internet anonym oder als völlig andere Person präsentieren können. Die im persönlichen Kontakt bestehenden Normen sind dann nicht <?page no="197"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 198 198 mehr verbindlich. Dies kann zu »Shitstorms« führen, bei denen mit anonymen Blogbeiträgen, Twitternachrichten oder Facebook-Stellungnahmen aggressive, beleidigende oder unwahre Äußerungen gegen Personen, Parteien, Verbände oder Konzerne ins Internet gestellt werden, die auf andere Nutzer einen unkontrollierbaren Sog ausüben. Bei Lernplattformen kann die Identität durch entsprechende Anmeldungsprozeduren und Zugangscodes gesichert werden. • Teilnehmer, die in hierarchischen Gesprächs- oder Unterrichtssituationen dazu neigen zu schweigen, können im Internet weitgehend frei und ungezwungen (auch mit fremder Identität) ihre Meinung äußern, ohne sich an bestehenden Normen orientieren zu müssen. • Virtuelle Kommunikation findet in künstlich geschaffenen, technisch komplexen Umgebungen bei meist physischer Abwesenheit der Partner statt. Sie definieren eine abgehobene virtuelle Realität, die nicht deckungsgleich mit der realen Wirklichkeit sein kann. So wechseln wir problemlos in die virtuelle Rolle bei Lebenssimulationsspielen, werden zum brutalen Held in Kampf- und Strategiespielen oder schaffen uns einen riesigen »Freundes«-Kreis bei Facebook. • Als Vorteile der Internetkommunikation kann angeführt werden, dass die Teilnehmer die Möglichkeit haben, mit anderen Personen, die sie oft noch gar nicht kennen, in Verbindung zu treten und Informationen einzuholen oder weiterzugeben, wann immer und wo immer sie gerade dazu Zeit und Lust haben. • Lerner am Computer schätzen vor allem, dass der Computer nie die Geduld verliert, Fehler problemlos akzeptiert und sie mit ihm in ihrem individuellen Lerntempo und nach eigener Zeitwahl arbeiten können. Diese Unterschiede führen zwangsweise zu neuen Lernformen in den Bildungseinrichtungen: • Die neuen Medien machen den Lernenden unabhängig von Ort (Unterrichtsraum), Zeit (Vorlesungsstunden) und Dozenten. • Die Lerngruppen sind offen. • Die Kommunikation verläuft über das Medium (Computer) und nicht direkt. • Die Lernenden sind eigenverantwortlich, d. h. sie besorgen sich die Lerninhalte selbst aus vorgegebenen Lernquellen. Bei Webinaren kann ein Dozent allerdings versuchen, die Lernprozesse zu steuern. <?page no="198"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 199 199 8.4.2 Aufgabenorientierte Lern- und Arbeitsgruppen im Internet Das Internet wird von den meisten Nutzern für alltägliche Gespräche und zur Information über aktuelle Ereignisse genutzt. Es bietet daneben aber auch interessante Möglichkeiten in beruflicher und bildungsspezifischer Hinsicht. Diese beiden Anwendungsbereiche sollen im Folgenden aus sozialpsychologischer Perspektive betrachtet werden. Als erstes Beispiel soll die aufgabenorientierte Kommunikation im Internet betrachtet werden, bei der Projektarbeiter an unterschiedlichen Standorten gemeinsame Aufgaben zu erledigen haben, um gesetzte Projektziele zu erreichen. Wir können nach Paechter (2003) bei räumlich getrennten Arbeitsgruppen verschiedene Aufgabenstellungen unterscheiden, je nachdem, ob sozialemotionale Informationen (nonverbale Informationen auf der Beziehungsebene) zu ihrer erfolgreichen Bearbeitung wichtig sind: Kreativitätsaufgaben à Problemlösungen auf Basis objektiver Fakten à Entscheidungsaufgaben à Verhandlungssituationen. Kreative Aufgaben, wie Brainstorming erfordern keine »reichhaltigen« Kommunikationsumgebungen, da sie kaum soziale oder emotionale Informationen benötigen. Diese können sogar hemmend wirken, wenn man z. B. weiß, wie andere Teilnehmer / Vorgesetzte auf die eigenen »unsinnigen« Ideen reagieren. Entsprechende Programme orientieren sich an der Metaplanmethode, bei der die Teilnehmer ihre Ideen anonym auf Kärtchen schreiben, welche in einem gemeinsamen Pool landen, der von allen Teilnehmern einsehbar und später gemeinsam auswertbar ist. »Reichhaltige« Kommunikationsumgebungen sind erforderlich, um komplexe Aufgaben, wie Entscheidungen treffen und Verhandlungen führen, zu bewältigen. Dabei bezieht sich die »Reichhaltigkeit« auf die bestehenden technischen Kommunikationsmöglichkeiten (auditive und visuelle Informationskanäle), mit denen teilweise auch nonverbale Botschaften vermittelt werden können. Damit rücken diese Kommunikationsumgebungen etwas in die Nähe von realen Kommunikationsbedingungen und sollten zum Abschluss idealerweise mit einer »face-to-face-Kommunikation« oder zumindest per Videotelefonie abgeschlossen werden. <?page no="199"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 200 200 8.4.3 Blended-Learning - Lernen der Zukunft? Als zweites Beispiel möchte ich das »Blended-Learning« (auch integriertes oder gemischtes Lernen genannt) beschreiben, das sich sehr erfolgreich bei Fernstudiengängen durchgesetzt hat. Bei dieser Lernstrategie werden die Vorteile des »klassischen« Präsenzlernens mit denen des Lernens mit den Online-Medien gemischt. Auch im Hochschulbereich wird dieses integrierte Lehr- und Lernangebot engagiert diskutiert und ist dabei, in Konkurrenz zu den klassischen Vorlesungen und Seminarveranstaltungen zu treten. Das individuell durchgeführte E-Learning - als Vorreiter des Blended- Learnings -, bei dem die Lernenden ohne Betreuung die Lerninhalte bearbeiten, erfordert eine hohe Arbeitsdisziplin, Leistungsmotivation und Durchhaltevermögen. Dies überfordert viele Lernenden und führt zu hohen Abbrecherquoten (Krapp & Weidenmann 2006, S. 464, 472). Diese liegen bei der Fernuniversität Hagen bei durchschnittlich 70 Prozent! Deshalb hat man beim »einzelkämpferischen« E-Learning sehr bald (geschulte) Lernbegleiter (E-Tutoren, E-Coaches) eingesetzt und die Kommunikation zwischen den Lernenden gefördert. Damit wurde die reine Lernarbeit auf der Inhaltsebene durch minimale Aspekte der Beziehungsebene erweitert und verbessert. Das E-Learning kann natürlich noch weiter »personifiziert« und damit der Präsenzsituation angenähert werden. Dies wird beim Blended-Learning versucht, das auch von vielen privaten Fernuniversitäten eingesetzt wird. Diese sind durch die intensivere persönliche Betreuung der Studierenden allerdings wesentlich teurer. Sie berichten von einer »normalen« Abbrecherquote (25 bis 35 Prozent). Blended-Learning benötigt als Basis eine Lernplattform, mit der eine reichhaltige Kommunikationsumgebung gestaltet werden kann, in der die Teilnehmer sich Informationen zum Lernstoff in den verschiedensten Varianten einholen können, ihre Ideen mit anderen Teilnehmern und Tutoren/ Mentoren diskutieren, Aufgaben bearbeiten und Rückmeldungen dazu erhalten und sich aber auch in Präsenzphasen austauschen können. Durch dieses komplexe Arrangement wird es möglich, die Prozesse auf der Inhalts- und (teilweise) der Beziehungsebene ablaufen zu lassen, um die gruppendynamischen Leistungsvorteile zu erzielen. Das weltweit am weitesten verbreitete Lernmanagement-System ist Moodle (www.moodle.de), das im Folgenden kurz beschrieben werden soll: Sinnvollerweise findet zu Beginn eine reale Einführungsveranstaltung (»Kickoff«) statt, bei der die Arbeitsweise mit der Lernplattform vorgestellt wird. Wichtig ist hier, dass genügend Zeit eingeplant wird, damit sich die Teilnehmer, Tutoren und Dozenten kennenlernen können, gemeinsame Ziele, Erwartungen, Ängste und Kommunikationsmöglichkeiten besprewww.claudia-wild.de: <?page no="200"?> Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 201 201 chen, so dass die erste Phase der Gruppenentwicklung erfolgreich durchlaufen und die Basis zur Entwicklung eines »Wir-Gefühls« geschaffen wird. Hier sollte allen Teilnehmern klar werden, dass ihr Lernerfolg nur durch eigene Aktivitäten und selbstgesteuertes Lernen erreicht werden kann. Die folgenden Online-Lernphasen werden dann über die Lernplattform bearbeitet. Die Inhalte der Lehrveranstaltung werden in einzelne Themenkreise aufgeteilt, die jeweils in einem festen zeitlichen Rahmen (z. B. eine Arbeitswoche) zu bearbeiten sind. Als »Bearbeitungswerkzeuge« stehen den Teilnehmern alle Möglichkeiten des Computers und des Internets zur Verfügung: Chats, Foren, Lernmaterialien, Videoaufzeichnungen, internes E-Mail-System, Ablage von Arbeitsdokumenten, gemeinsames Erstellen von Text- und Grafikdokumenten (mit Wikis oder digitalen Whiteboards) und Prüfungsaufgaben zum Lernstoff. Die Dozenten bzw. die Tutoren betreuen die Teilnehmer, verteilen die Aufgaben, beantworten die Forenbeiträge und E-Mails der Studierenden, geben Rückmeldung und motivieren die Teilnehmer in schwierigen Situationen. Sie sind praktisch verantwortlich für die Gestaltung der Beziehungsebene. Bei Bedarf können auch kurzfristig Präsenztreffen vereinbart werden. Der Gesamtkurs wird stets mit einem gemeinsamen Abschlusstreffen beendet, bei dem die vergangene Arbeit von allen Beteiligten reflektiert und evaluiert wird. Dabei sollten auch weitere Planungen und Zukunftsperspektiven angesprochen werden (siehe Gruppenphase 5, S. 27). Für die meisten Teilnehmer von Blended-Learning-Veranstaltungen sind die Präsenzphasen, der Kontakt zu den Tutoren und Mitstudierenden von zentraler Bedeutung für den Lernerfolg. Der Lernerfolg hängt allerdings davon ab, ob die Teilnehmer die erforderliche Lern- und Arbeitsdisziplin besitzen, um das selbstgesteuerte Lernen auch durchzuführen. Die Tutoren sollten entsprechend geschult sein, um die Teilnehmer zu dieser aktiven Mitarbeit zu motivieren. Ein weiterer Problemkreis bei der Einführung des Blended-Learnings besteht bei den Dozenten, die im Moment häufig noch zu der Generation gehören, die sich erst an die Arbeit mit den »neuen Medien« gewöhnen müssen. Für sie erfordert das Umstellen ihrer traditionellen Lehrveranstaltungen auf die Online-Medien Fähigkeiten, die sie nicht mitbringen und sich teilweise auch nicht mehr aneignen wollen. Diese Medienkompetenz wird aber von den heutigen Studierenden mitgebracht und für den Unterricht eingefordert, so dass hier momentan noch eine Lücke klafft, die derzeit sukzessive von der nachrückenden Dozentengeneration gefüllt wird. <?page no="201"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 202 202 Es ist allerdings zu erwarten, dass die Faszination der neuen, virtuellen Lernformen sich mit der Zeit wieder etwas relativiert, wenn sie alltäglich geworden sind. Die Defizite, die durch den Mangel an direkter sozialer Kommunikation entstehen, dürften dazu führen, dass »Blended-Learning & Co.« zwar weiter als Lernmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die Bedeutung der unterschiedlichen Formen des Präsenzlernens aber wieder zunehmen wird. Dies würde aus meiner Sicht keinen Rückschritt, sondern eine Erweiterung der Lernmöglichkeiten für die unterschiedlichen Lerntypen (Vester 1973) bedeuten. Die sozialpsychologischen Forschungsaktivitäten im Bereich der »neuen Medien« sind äußerst vielseitig und komplex. Zum momentanen Zeitpunkt liegen bereits sehr umfangreiche und teilweise widersprüchliche Ergebnisse vor. Umfangreiche Darstellungen findet der interessierte Leser bei Döring (2003), Batinic & Appel (2008) sowie Schweiger & Beck (2010). <?page no="202"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 203 203 9 Anhang 9.1 Materialien zu den Übungen 9.1.1 Unterlagen zum Thema Kommunikation 9.1.1.1 Vorlage Übung »Einweg - Zweiweg«-Kommunikation 9.1.1.2 Wortlaut und Auswertungsschema für die »Stille Post« (Bericht und Beobachtungsschema nur an die Beobachter verteilen; erster Teilnehmer der Experimentiergruppe bekommt den Bericht zweimal vorgelesen.) Der folgende Bericht soll möglichst genau an den nächsten Teilnehmer weitererzählt werden; nachfragen oder Notizen machen ist nicht erlaubt. Wenn der nächste Teilnehmer etwas nicht ganz verstanden hat, dann soll er dennoch versuchen, die Informationen in eine zusammenhängende Geschichte zu bringen, die er dem nächsten Teilnehmer erzählt. g e w i e w Z g e w n i E I II Abb. 30: Vorlagen der Kommunikationsübung »Einweg - Zweiweg« <?page no="203"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 204 204 Bericht: »Gestern Abend kam es um 23.10 Uhr im Gasthaus »Kaiser Wilhelm« in Erlangen zu einem heftigen Streit zwischen einem deutschen und einem iranischen Studenten. Da der Streit sehr laut geführt wurde - es ging um das Terror-Thema - forderte der Wirt die beiden auf, das Lokal zu verlassen. Obwohl es draußen regnete, ging der Streit weiter; plötzlich zog der dunkelhaarige Deutsche ein Messer und verletzte den Iraner schwer. Der Wirt alarmierte die Polizei und die Sanitäter. Die Polizei nahm den Messerstecher mit auf die Wache, der verletzte Student kam ins Krankenhaus und wurde operiert.« Tab. 9: Beobachtungsschema »Stille Post« Berichtsinhalte Teilnehmer 1 2 3 4 5 6 7 Gestern Abend um 23.10 Uhr Gasthaus »Kaiser Wilhelm« In Erlangen Heftiger Streit Zwischen deutschem und iranischem Studenten Streit wurde sehr laut geführt Es ging um das Terror-Thema Wirt forderte beide auf, das Lokal zu verlassen Draußen regnete es Streit ging draußen weiter Dunkelhaariger Deutscher zog ein Messer Iraner wurde schwer verletzt Wirt alarmierte die Polizei und Sanitäter Polizei nahm den Messerstecher mit auf die Wache Der verletzte Student wurde operiert <?page no="204"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 205 205 9.1.1.3 Unterlagen für die «5-Kreuze-Such-Übung« Bei dieser Übung erhält ein Teil der Gruppe die Vorlage 1, der andere die Vorlage 2. Der Sender erhält die Vorlage 1 mit 5 Kreuzen, die vom Seminarleiter eingetragen wurden, von denen einige für die Gruppe 2 nicht identifizierbar sind, weil sie eine andere Vorlage haben. Da sie dies nicht wissen, sind Störungen programmiert. Als Sender ist bei dieser Übung möglichst der Teilnehmer zu bestimmen, welcher an der »Nahtstelle« zwischen den beiden Gruppen sitzt, so dass diese räumlich etwas getrennt werden (nach tpm o. J.). Abb. 31.1: Vorlage 1 <?page no="205"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 206 206 Abb. 31.2: Vorlage 2 <?page no="206"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 207 207 9.1.2 Unterlagen für die Kooperations-Übung (nach Brocher 1967) a b a e f f a j i d c c a h g Umschlag A hat folgende Stücke: i, h, e Umschlag B a, a, a, c Umschlag C a, j Umschlag D d, f Umschlag E g, b, f, c Abb. 32: Grundmaterial für die Kooperationsübung <?page no="207"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 208 208 9.1.3 Lösungen der Denkspiele Lösungsvarianten: (3) Da (x - x) Null ist, ergibt die gesamte Gleichung Null! (4) Der Händler Nimmgern hat zweimal 1000 Euro verdient, also 2000 Euro und Herr Oldcar hat insgesamt 7000 Euro erhalten. (5) Der dritte Fehler besteht darin, dass die Aussage nicht richtig ist! (6) Auch wenn die meisten es nicht glauben: Wenn man jetzt wechselt, erhöht man seine Gewinnchance. Vielleicht leuchtet folgendes Beispiel ein: Stellen Sie sich vor, es gäbe die Kandidaten A und B: A bleibt immer bei seiner Entscheidung (Tür 1) und B wechselt stets, je nach Vorgehensweise des Moderators, zur verbleibenden 3. Tür. Nehmen Sie nun bitte an, dass wir das Experiment 999 mal wiederholen. Kandidat A, der sich vom Moderator nicht beeinflussen lässt, wird nach der Zufallsverteilung etwa 333 mal Abb. 33: Lösungen der Denkspiele <?page no="208"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 209 209 gewonnen haben; die fehlenden 666 Hauptgewinne können demnach nur an B gehen. Der Denkfehler, dem man hier leicht unterliegt, besteht darin, dass man annimmt, es würde sich beim ersten und zweiten Tipp um unabhängige Wahlmöglichkeiten handeln. Die gleiche Chance bei zwei geschlossenen Türen besteht aber nur, wenn man nach dem Türöffnen das Auto hinter den verbleibenden Türen nach dem Zufall neu verschieben würde. Davon war aber nicht die Rede. 9.1.4 Material zum Basisseminar »Gesprächsführung« 9.1.4.1 Wie viele Quadrate sind in diesem Quadrat? 9.1.4.2 Rollenspielanweisung »Einstellungsgespräch« Situation: Die Firma … sucht für ihr Lehrlingswohnheim einen Hausmeister, der nicht nur die anfallenden Verwaltungs- und Kleinreparaturen durchführt, sondern auch für die Jugendlichen ein Ansprechpartner sein soll. Es haben sich auf eine Anzeige sechs Personen gemeldet, von denen zwei nach den Unterlagen gut geeignet erscheinen (Herr Stark und Herr Rüstig). Im folgenden Gespräch soll abgeklärt werden, ob der Bewerber Stark für die Aufgabe infrage kommt. Das Gespräch findet im Personalbüro der Firma … statt. Abb. 34: Quadrate zählen <?page no="209"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 210 210 Rollenanweisung A: Gesprächsleiter Herr/ Frau Offen: Sie erwarten in … Minuten Herrn Stark, der sich auf die ausgeschriebene Stelle als Hausmeister beworben hat. Aus den Unterlagen entnehmen Sie, dass er vor einiger Zeit schon zwei Jahre als Hausmeister in einem Gymnasium tätig war, darüber ein gutes Zeugnis erhalten hat, jetzt aber wieder als Elektromeister tätig ist. Seine Arbeitszeugnisse weisen ihn als zuverlässig, freundlich, kooperativ, manchmal aber etwas empfindlich aus. Herr Stark ist 37 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Rollenanweisung B: Bewerber Herr Stark: In … Minuten werden Sie von Herrn/ Frau Offen zu einem Bewerbergespräch erwartet. Aufgrund Ihrer Bewerbungsunterlagen sind Sie in den Kreis der geeigneten Bewerber ausgewählt worden. Sie sind 37 Jahre alt, Handwerksmeister (Elektrotechnik), verheiratet und haben zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren. Ihre Frau arbeitet seit einem halben Jahr wieder halbtags als Kassiererin in einem Supermarkt; diese Tätigkeit erlebt sie als sehr belastend. Sie selbst arbeiten wieder als Elektromeister.Vor acht Jahren haben Sie für zwei Jahre Ihren Aufgabenbereich gewechselt und waren in dieser Zeit Hausmeister an einem Gymnasium. Das selbstständige Arbeiten hat Ihnen dabei viel Spaß gemacht, Ihre Leistungen wurden von der Schulleitung auch voll anerkannt. Sie haben sich aber häufig über die Arroganz einiger Gymnasiasten geärgert, so dass Sie letztlich doch wieder in Ihre alte Tätigkeit zurückgegangen sind. Dort haben Sie auch Ausbildungsverantwortung für die Lehrlinge übertragen bekommen, was Ihnen sehr viel Befriedigung bringt. Dies ist letztlich auch der Grund für Ihre Bewerbung. Sie erhoffen sich von der Stelle ein selbstständiges Arbeiten, Kontakt zu »normalen« Jugendlichen und denken auch daran, ob Ihre Frau nicht halbtags mitarbeiten könnte. Sie befürchten allerdings, dass die Bezahlung bei weitem nicht Ihrem jetzigen Gehalt entspricht. Diese Informationen und weitere, die Ihnen in der Situation erforderlich erscheinen, geben Sie aber nur, wenn es Herrn/ Frau Offen gelingt, eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre zu schaffen. 9.1.4.3 Arbeitsblatt »Beschreiben - Bewerten I« Erinnern Sie sich bitte an das Verhalten eines/ r der anwesenden Teilnehmer/ innen und beschreiben Sie eine angenehme (positive) und eine weniger angenehme (negative) Verhaltensweise möglichst knapp: positiv: negativ: <?page no="210"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 211 211 Nehmen wir an, ich hätte Sie jetzt auf diese Art beschrieben: Wie hätten Sie diese Beschreibung/ Charakterisierung erlebt? 9.1.4.4 Arbeitsblatt »Beschreiben - Bewerten II« Wenn Sie beim ersten Übungsteil den Teilnehmer mit Eigenschaftswörtern beschrieben haben (»Du-Botschaften«), dann sollten Sie jetzt versuchen, diese Aussagen in Verhaltensbeobachtungen (»Ich-Botschaften«) zu übersetzen, z. B. nicht Herr X ist »lieb«, sondern: »Herr X sagt mir häufig freundliche Sachen, bringt mir ab und zu ein Geschenk mit und ich glaube, er mag mich« oder nicht »Fritz ist unzuverlässig«, sondern: »Er hat mir erst gestern versprochen, das geliehene Buch zurückzubringen, und ich ärgere mich, dass er es nicht getan hat« Umformulierung der • positiven Eigenschaft: • negativen Eigenschaft: Wie hätten Sie persönlich jetzt diese Beschreibung erlebt? Unterschied zwischen Ich-Aussage und Du-Botschaft im »Eisberg-Modell«: <?page no="211"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 212 212 9.1.4.5 Zusammenfassung Motivation Allgemeine Aspekte: Unter einem Motiv verstehen wir die innere und/ oder äußere Ursache für das menschliche Verhalten. Motive sind stets mit einer bestimmten Stärke auf ein Ziel hin ausgerichtet. Menschen besitzen allerdings nicht nur ein Motiv, sondern viele, die auch auf unterschiedliche Ziele ausgerichtet sind. Unter Motivation verstehen wir das Motivgefüge, das ein beobachtbares Verhalten bestimmt. Motivieren heißt in diesem Zusammenhang, die aktuelle Motivation eines Menschen zu beeinflussen. Spezielle Aspekte: Motive unterscheiden sich in ihrer Stärke und Aktualität. Sind sie befriedigt, dann sinkt ihre Stärke zunächst auf Null, um im weiteren zeitlichen Verlauf wieder anzusteigen. Die Stärke eines Motivs können wir daran erkennen, wie viel Energie ein Mensch aufbringt, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die menschlichen Motive sind nicht immer eindeutig klar. Wir unterscheiden die folgenden Bewusstheitsgrade: • Bewusste Motive werden von der behandelnden Person als Ursache angegeben. • Verdeckte Motive möchte man den anderen in der aktuellen Situation nicht nennen; man schiebt ein anderes, meist sozial akzeptiertes Motiv vor. Diese Motive sind daran erkennbar, dass die Person in ihrem Verhal- Sender sagt denkt Empfänger hört interpretiert Bekannter Bereich „Du-Aussage“ als die Spitze des Eisbergs Unbekannter Bereich Die „Ich-Aussage“ informiert über die Befindlichkeit des Senders (Selbstkundgabe) und öffnet den unbekannten Bereich Abb. 35: Das »Eisberg-Modell« <?page no="212"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 213 213 ten schwankt und die vorgegebene Ursache auch bei genauem Hinsehen nicht zur jeweiligen Situation passt. • Unbewusste Motive sind der jeweiligen Person selbst nicht bekannt. Diese Verdrängung ins Unbewusste geschieht durch chronische Versagungen und Frustrationen. Dennoch beeinflussen diese Motive unser Verhalten, indem sie sich in unangemessenen Gefühlsäußerungen, ambivalenten Verhaltensweisen, Fehlleistungen und/ oder abrupten Themenwechseln zeigen. 9.1.4.6 Arbeitsblatt »Übung Motivstärke« (nach tpm: Segment Motivation, o. J.) Alle folgenden Personen haben ein gemeinsames Motiv: Sie möchten gerne surfen. Kreuzen Sie bitte auf der rechten Skala jeweils an, wie stark Ihrer Meinung nach das Motiv bei den einzelnen Personen ausgeprägt ist. (5) sehr schwach (4) schwach (3) teils/ teils (2) stark (1) sehr stark 1. Herr A schwärmte gestern vom Surfen o o o o o 2. Herr B hat im Juli Urlaub beantragt und einen Surfkurs belegt o o o o o 3. Herr C schaut abends gerne den Surfern am nahen Baggersee zu o o o o o 4. Herr D spart im Monat 75 Euro für ein eigenes Surfbrett o o o o o 5. Herr E hat sein bisheriges Hobby, das Bienenzüchten, aufgegeben, um jedes Wochenende surfen gehen zu können o o o o o 6. Herr F hat sich in der Buchhandlung den neuen Surfkalender bestellt o o o o o 7. Herr G belegt im Hallenbad einen Schwimmkurs o o o o o 8. Herr H bittet einen Freund, ob er ihm nicht mal das Surfen zeigen könne o o o o o <?page no="213"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 214 214 9.1.4.7 Reaktionen bei Frustration Resignation Furcht Angst Ärger, Wut Ärger, Wut Abwehr Flucht Aggression Aggression Abwehrmechanismen wie z. B. - Verdrängung - Rationalisierung - Verschiebung - Projektion - Identifikation - Verschiebung - Isolierung - Regression - Sublimierung - ….. Abwehrmechanismen wie z. B. - Verdrängung - Rationalisierung - Verschiebung - Projektion - Identifikation - Verschiebung - Isolierung - Regression - Sublimierung - ….. Motiv Motiv Ziel Barriere Verhalten Physiologische Erregung „Alarmreaktion“ Kognitive Verarbeitung: Habe ich erfolgreiche Bewältigungstechniken zur Verfügung? nein ungewiss ja Abb. 36: Reaktionsmöglichkeiten bei Frustrationen <?page no="214"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 215 215 9.1.4.8 Die Bedürfnishierarchie (nach Maslow 1973) 9.1.4.9 Handout der Zusammenfassung: Was ist bei der Motivierung anderer zu beachten? Um einen Menschen motivieren zu können, müssen wir wissen, wo er im Augenblick »steht«, d. h. welche Motive für ihn momentan wichtig sind. Motivieren heißt, die aktuelle Motivation eines Menschen zu beeinflussen. Die aktuelle Motivation können wir nur dadurch verändern, dass wir die bestehenden Motive entweder verstärken oder abschwächen: Wir können Motive dadurch verstärken, dass wir den Wert, die Attraktivität des Zieles erhöhen und damit die Anziehungskraft steigern oder das Ziel mit anderen positiven Zielen verknüpfen. Motive, durch die eine Handlung gehemmt wird, können wir abschwächen, indem wir zeigen, dass sie zu Misserfolgen führen, Strafen nach sich ziehen und im Vergleich mit den anderen Zielen wirklich weniger attraktiv sind. SELBST- VERWIRK- LICHUNG persönliches Wachstum Auszeichnungen, Lob, Statussymbole ANERKENNUNG KONTAKT Teamarbeit, mit anderen gemeinsam etwas gestalten SICHERHEIT sichere Existenz, „soziales Netz“, geregeltes Einkommen EXISTENZ Nahrung, Kleidung, Wohnung Abb. 37: Bedürfnispyramide Maslow’s <?page no="215"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 216 216 Dies ist bei individueller Betreuung oft schwierig; häufig ist es günstig, durch Gruppenarbeit das soziale Kraftfeld mit seinen spezifischen Normen auszunutzen. Um die Gruppendynamik zur Motivierung nutzen zu können, benötigt man allerdings wiederum attraktive Gruppen; inwieweit eine Gruppe attraktiv ist, hängt von der bestehenden, aktuellen Motivation des betroffenen Gruppenmitglieds ab. Von zentraler Bedeutung dabei ist, dass es gelingt, die unerwünschten Verhaltensweisen zu unterbinden, zu hemmen und/ oder zu bestrafen, die erwünschten Verhaltensweisen so zu zeigen, dass der Betreffende sich damit identifiziert, sie als Verhaltensalternative mit den entsprechenden Erfolgserwartungen abspeichern und auch einüben kann. Hier sind die Faktoren zu beachten, die das sozialkognitive Lernen fördern. Dabei muss sichergestellt sein, dass die neuen Verhaltensweisen auch zu überzeugenden Erfolgserlebnissen führen. 9.1.4.10 Handout der Zusammenfassung der »Organisation von Gesprächen« Vorbereitung Eine gute Gesprächsvorbereitung schafft die Basis für eine gute Gesprächsführung. Deshalb sollten folgende Punkte beachtet werden: • Festlegung des Themas und des Zieles: Was will ich im Gespräch erreichen? • Sammlung sachlicher Informationen zum Thema und den Gesprächspartnern; welche Informationen benötige ich noch? • Schaffung geeigneter situationsspezifischer Rahmenbedingungen: Einladung: klar, freundlich, persönlich, verbindlich • Anmeldung: Einstimmender erster Kontakt (abhängig vom Verhältnis zwischen den Mitarbeitern). »Amtscharakter« sollte möglichst abgebaut und nicht verstärkt werden. • Zeitplanung: Wartezeiten möglichst vermeiden. Sind sie nicht vermeidbar, dann sollten sie überschaubar gemacht werden. Feste Termine sollten möglichst exakt eingehalten werden. Der Pünktliche sollte nicht bestraft werden! Warteräume sollten freundlich gestaltet werden. Zu Gesprächsbeginn sollte die Möglichkeit gegeben werden, »Dampf« abzulassen. • Beratungsraum: Nicht am Schreibtisch, sondern am runden Tisch mit Sitzmöglichkeit über Eck (Blickkontakt ohne Zwang). Keine zu provozierenden Bilder. • Störquellen möglichst ausschalten (Telefon …), damit man sich auf den Gesprächspartner konzentrieren kann. • Anwesenheit anderer Personen: Nur die unmittelbar betroffenen Personen sollten anwesend sein. Einzelgespräche sind vorzuziehen (außer in <?page no="216"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 217 217 der Familientherapie). Praktikanten sind in das soziale Feld zu integrieren, der Gesprächspartner sollte um seine Einwilligung gebeten werden. • Protokollierung: Man kann es in der Regel gut begründen, dass man sich während des Gesprächs Notizen machen muss. Bei Tonaufnahmeprotokollen muss das Einverständnis des Gesprächspartners unbedingt eingeholt werden. Man muss ihn auch klar und verbindlich darüber informieren, was mit der Aufzeichnung passiert. Gesprächsphasen • Vorbereitung auf das Gespräch, den Gesprächspartner, das Gesprächsthema …. • Aufwärmungsphase (Kontaktaufnahme, Anlass und Ziel des Gesprächs definieren) • Themenstellung (Gesprächsziel klar festlegen, Thema abgrenzen) • Diagnostische Phase (offene Fragen, Information sammeln, erweitern und vertiefen, die Erlebnis- und Sichtweise des Gesprächspartners ist zentral) • Argumentationsphase (Informationen, Einstellungen bewerten, Ist-Soll- Situation vergleichen, Interpretation, Einwände, gemeinsam Lösungswege suchen, Kontrollen vereinbaren …) • Zusammenfassung des Gesprächsergebnisses (Einigung oder Nicht- Einigung, Vertagung) • Abschluss (möglichst positiver Ausklang mit Blick in die Zukunft). 9.1.4.11 Handout: Was ist bei einer »Beschwerde« zu beachten? (nach tpm: Segment Mitarbeitergespräche, o. J.) Eine Beschwerde beinhaltet stets • eine gefühlsmäßige Verärgerung (Beziehungsebene) • einen sachlichen Konflikt (Inhaltsebene) Deshalb sind folgende Reaktionen sinnvoll: (1) Beschwerdeführer anhören (»Dampf ablassen«) • sich nicht durch die Beschwerde provozieren lassen • nicht voreilig Stellung beziehen • möglicherweise für den Ärger Verständnis zeigen (2) Nachfragen und den sachlichen Beschwerdekern analysieren (offene Fragen stellen, aktiv zuhören …) (3) Nach sachlichen Lösungen suchen, den Beschwerdeführer und möglicherweise andere Beteiligte dabei integrieren. <?page no="217"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 218 218 9.1.4.12 Rollenspiel »Beschwerde« Rollenanweisung des Vorgesetzten: In der folgenden Gesprächsübung sind Sie Herr Übermann. Sie sind Gruppenleiter in einem größeren, internationalen Unternehmen der Elektrotechnik und haben die Verantwortung für den Einsatz und die Arbeitsleistung von fünf Mitarbeitern. Vor einigen Minuten hat Herr Freundlich, ein sonst sehr ruhiger, zuverlässiger Mitarbeiter, sehr aufgeregt bei Ihnen angerufen und gesagt, dass er Sie dringend sprechen möchte. Über den Inhalt hat er sich am Telefon nicht näher ausgelassen; nach seinen Äußerungen glauben Sie, dass es sich um das Urlaubsproblem handelt. Sie sind von Ihrer Sekretärin schon über die Schwierigkeiten bei der Urlaubsplanung informiert. Es gilt in Ihrer Abteilung die Regelung, dass nur ein Mitarbeiter in der Gruppe zu einer bestimmten Zeit Urlaub nehmen kann. Herr Freundlich arbeitet seit vier Jahren, Herr Sommer, der zur gleichen Zeit Urlaub beantragt hat, ist seit neun Jahren in der Gruppe. Gestalten Sie das Gespräch im Rollenspiel so, wie Sie es auch in ähnlichen betrieblichen Situationen tun würden und entscheiden Sie über das Urlaubsthema. Rollenanweisung des Mitarbeiters: Sie sind in diesem Rollenspiel Herr Freundlich und Mitarbeiter in einem größeren, internationalen Unternehmen der Elektrotechnik. Ihr direkter Vorgesetzter ist Herr Übermann (Gruppenleiter). Sie haben sich sehr geärgert, dass Herr Sommer zur gleichen Zeit Urlaub beantragt hat wie Sie. Als Sie ihn darauf angesprochen haben, hat er Ihnen geantwortet: »Ich habe in der Zeit Geburtstag und Hochzeitstag: Das geht schließlich vor, denn wir leben ja in einem Sozialstaat. Sie können auf persönliche Dinge ruhig auch einmal Rücksicht nehmen und Ihr Haus ein andermal reparieren. Und nach dem Mist, den Sie letzte Woche beim Kunden X angerichtet haben, brauchen Sie erst gar nicht Urlaub beantragen.« Sie selbst haben schon vor zwei Monaten den Urlaub beantragt, weil Sie Renovierungsarbeiten am Haus durchführen wollen: Sie haben für diese Zeit (27. 6. bis 1. 7.) schon ein Gerüst fest angemietet, Herr Sommer hat seinen Urlaub erst letzte Woche beantragt. Er ist schon wesentlich länger in der Firma als Sie. Letzte Woche ist Ihnen beim Kunden X wirklich ein großer Fehler unterlaufen, über den Sie sich noch heute sehr ärgern. Sie sind sehr erregt und wütend über Herrn Sommer und wollen von Herrn Übermann wissen, wer hier eigentlich zu entscheiden hat. Lassen Sie sich im Gespräch nicht zu schnell beruhigen und seien Sie nicht zu entgegenkommend. Es geht schließlich um Ihren Urlaubstermin. <?page no="218"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 219 219 9.1.4.13 Handout: Zusammenfassung »Kommunikationsregeln« 1. Wir konzentrieren uns im Gespräch voll auf unseren Partner, damit er ungestört seine Sichtweise darstellen kann. Dabei versuchen wir, das Thema aus seiner Perspektive kennenzulernen. 2. Wir fassen ab und zu die Aussagen des Gesprächspartners zusammen, so wie sie bei uns angekommen sind und geben ihm die Möglichkeit, Missverständnisse zu korrigieren und seine Aussagen zu präzisieren. 3. Wir haben keine Angst vor Gesprächspausen, denn jeder Gesprächsteilnehmer braucht Zeit, um die Informationen gedanklich zu verarbeiten. 4. Wir regen den Gesprächspartner mit »offenen« (W-)Fragen zu weiteren Ausführungen an, greifen auf frühere Aussagen zurück und bitten ihn, diese ausführlicher darzustellen und zu präzisieren. 5. Wir enthalten uns in der »diagnostischen« Phase jeglicher (verbaler und nonverbaler) Kritik und akzeptieren voll die Darstellung des Gesprächspartners. 6. Wenn wir anschließend Stellung beziehen, dann beschreiben wir zuerst unsere Beobachtungen, bevor wir sie bewerten oder die Beschreibungen vom Gesprächspartner bewerten lassen. Nur dann ist die Bewertung nachvollziehbar und eine partnerschaftliche Problemlösung möglich. 7. Wir sind im Gespräch »echt«, offen und ehrlich, d. h. wir verstecken uns nicht hinter einer Maske, sprechen in der »Ich«-Form und vermeiden Aussagen wie »man sollte …«. 8. Wir argumentieren nicht mit »Du-Angriffen«, sondern beschreiben zuerst die beobachtete Situation/ Verhalten, schildern dann die Auswirkung auf die eigene Person (Gefühle, die ausgelöst wurden) und zeigen anschließend die erforderlichen Konsequenzen auf. 9. Wir akzeptieren die Gefühlswelt und die Perspektive des Gesprächspartners und bemühen uns um eine kooperative Lösung anstehender Probleme. 9.1.4.14 Dramaturgie und Ablaufplanung einer Moderation Dramaturgie heißt, einen Ablaufplan für die Moderation erstellen, in dem die einzelnen methodischen Schritte, die benötigte Zeit, der Moderatoren- und Materialeinsatz genau beschrieben sind. Die Dramaturgie ist eine vorgedachte Folge von Frage-, Sage- und Visualisierungselementen, die es der Gruppe möglich macht, ihr Thema/ Problem erfolgreich zu bearbeiten. <?page no="219"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 220 220 Tab. 10: Planungsschema für die Moderations-Dramaturgie Schritt Ziel Methodik Hilfsmittel Zeit Moderator Gesamt 1. Einstieg 2.Themen sammeln 3.Thema auswählen 4.Thema bearbeiten 5. Maßnahmen planen 6.Abschluss <?page no="220"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 221 221 9.2 Literaturverzeichnis Allport, F. H. (1920): The influence of the group upon association and thought. Journ. exp. Psychol. 3, 159-182. Allport, G.W. (1949): Persönlichkeit. Stuttgart: Klett Antons, K. (2000): Praxis der Gruppendynamik. 8. Aufl., Göttingen: Hogrefe. Argyle, M. & Dean, J. (1965): Eye contact, Distance and Affiliation. 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Brocher, T. 39, 76, 170, 207 Broich, J. 151, 162 Bühler, Ch. 135 Bühler, K. 37 Burisch, M. 122 Burschyk, L. 195 Buzon, T. 159 Cartwright, D. 132 Cierpka, M. 191, 196 Coch, L. 108 f. Cohn, R. 137 f., 140 ff. Cooley, C. H. 19 Crutchfield, R. 71 Dantscher, R. 66 Dauscher, U. 151 Dhority, L. 128 Dickson, W. F. 13 Döring, N. 202 Edelmann, W. 126 f. Festinger, L. 130 f. Fiedler, F. E. 115 Fisch, R. 51 Forgas, J. P. 104, 106 French, J. P. R. 108 f. Freud, S. 53 Frey, D. 73 ff. Friedrichs, J. 169 Gendlin, E.T. 137 Glasl, F. 85, 87 f., 90 f., 93 Glass, D. 122 Gordon, T. 94 Greif, S. 74 f. Gritton, C. F. 128 Gudjons, H. 78, 151 Haney, C. 27 f. Hartley, E. L. 23 Hartley, R. E. 23 Healey, 37 Herkner, W. 80, 83 Hersey, P. 115 ff. Hinsch, R. 191 Hofstadter, D. R. 80, 83 Hofstätter, P. R. 18 f., 26, 68, 70, 102 Höger, D. 114 Höhn, E. 100 f. Homans, G. C. 19, 35 <?page no="231"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 232 232 Hovland, C. I. 129 Hück, H. W. 23, 151 Ingham, H. 61 Israel, J. 109 Jackson, D. 37, 51 Jacobson, E. 165 Janis, J. L. 72 Jugert, G. 191 Kilb, R. 195 Kirsten, R. E. 162 Klein, I. 141, 173 Knoll, J. 154 König, O. 23 Krapp, A. 200 Kromrey, H. 169 Lewin, K. 13 Lewin, K. 15 ff., 23, 110, 113 Lippitt, R. 110, 113 Lipp, U. 151 Loriot 58 Lowy, L. 23 Lozanov, G. 126 ff. Lück, H. E. 80 Luft, J. 61 f. Mann, L. 72 Maslow, A. H. 135 Mayo, E. 13, 108 Milgram, S. 14 f., 73 ff. Miranow, E. 89 Moeller, M. 134 Moreno, J. L. 100, 161 Müller-Schwarz, J. 162 Newcomb, T. 20 Nuber, F. 126 Obermair, G. 162 Otto, M. 162 Paechter, M. 197, 199 Pattay, S. 151 Pawlow, J. P. 119 f. Perls, F. 137 Petermann, F. 191 Philipov, E. 128 Rechtien, W. 23 Redlich, A. 89 Riecken, H. 130 Roethlisberger, F. J. 13 Rogers, C. 135 ff. Rothgang, G. W. 169 Sader, M. 31 Schachter, S. 130 Schattenhofer, K. 23 Schick, C. P. 100 f. Schiffler, L. 128 Schulz, S. 73 Schulz von Thun, F. 37, 42, 60 Schuster, D. R. 128 Schweiger, W. 202 Seifert, J. W. 151 Seligman, M. 121 Shepard, M. A. 23 Sherif, M. 21, 23, 69 Singer, J. 122 Skinner, B. F. 120 Steller, M. 162 Steuer, H. 162 Taylor, F. W. 13 Thomann, C. 95 ff. Tietze, K. O. 186 ff. Tuckman, B. W. 23 Ullrich de Muynck, R. 191, 232 <?page no="232"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 233 233 Vester, F. 165, 202 Voigt, C. 162 Wallace, J. A. 130 Watzlawick, P. 51, 54, 57 Weakland, J. H. 51 Weidenmann, B. 197 Weidner, J. 191 f. Wellhöfer, P. R. 165, 169, 175 Wernek, T. 162 White, R. K. 110, 113 Whyte, W. F. 112 Will, H. 151 Wundt, W. 13 Zimbardo, P. G. 27 ff. <?page no="233"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 234 234 9.4 Sachverzeichnis Abschlussphase 27, 152 Abwehrmechanismus 26 Aggression 74, 191 f. Aktionsplan 147, 152 Aktives Zuhören 45 f., 66, 147 Analoge Kommunikation 55 Anatomie einer Nachricht 37 Anti-Aggressivitäts-Training 191 f. Arbeitsgruppen im Internet 199 Auflockerung 162 Autogenes Training 165 Autokinetisches Phänomen 69 Autoritärer Führungsstil 110 f. Autostereotyp 22, 26 Axiome 51, 138 Bedürfnishierarchie 135, 215 Behaviorismus 123, 135 Belohnung 120 Beobachtungsschema 36, 204 Beschwerde 183, 217 f. Bestrafung 120 Beziehungsebene 35 ff., 47 ff., 197 Blended-Learning 200 f. Blitzlicht 152, 170 Blütenvorstellung 154 Brainstorming 98, 152, 158, 186, 199 Chairman 139, 143 commitment 131 Coolness-Training 191 Dallas-Methode 91 f. Demokratischer Führungsstil 111 Denkspielereien 162, 208 Digitale Kommunikation 55 Distanz 104 ff. Doppelbindungssituation 53, 57 Doppeln 97 Du-Angriff 49, 141 Einstellungen 86 f. Einstellungsänderung 129 f. Einweg-Kommunikation 38 f., 181 Einweg-Zweiweg-Kommunikation 39 Eisberg-Modell 212 E-Learning 200 Empathie 46, 136 Empfänger 37 f., 40 Encountergruppe 136 Entlohnung 121 Entspannung 165 f. Entstrafung 120 Erfolgskontrolle 169 f., 195 Erwartungswand 152, 156 f. E-Tutoren 200 Explorationsphase 24 face-to-face Gruppe 19, 199 Familie 18 Faustlos 191, 196 Feed-back 41, 58, 60 f. Feldtheorie 15 f. Festigungsphase 25 Formale Gruppe 108 f. Forming 24 Fremdbild 22, 63, 88, 93, 96 Frustration 183, 214 Führung 107 f., 110 Führungspersönlichkeit 110, 115 Führungsstile 110 f. <?page no="234"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 235 235 Gefangenen-Dilemma 80 f. Gehorsam 73 f. Gesprächsführung 179, 209 Gesprächsphasen 217 Gestaltpsychologie 15 Gestalttherapie 137 Gewalttäterprofil 192 Globe 140 Gruppenatmosphäre 65, 98, 102 f. Gruppendenken 26, 72 Gruppendruck 69 Gruppendynamik 15 ff., 65 Gruppenentwicklung 21, 23, 117 Gruppenführung 107 f. Gruppenleiteraufgaben 24 f. Gruppensituation 115 Gruppenstruktur 98 f., 102 Gruppenvorteil 20, 65, 67, 157 Hawthorne-Experimente 13 Heißer Stuhl 63 Heterostereotyp 22, 26 Hilflosigkeit, gelernte 121 f. Humanistische Psychologie 135 f. Ich-Aussage 49 f., 141 Informelle Gruppe 108 f. Inhaltsebene 35, 37 f., 197 Instrumentelles Konditionieren 120 f. Interaktion 35 f., 99 Interaktionsprozessanalyse 99 Internet 20, 196 f. Interpunktion 54 Intimitätsgleichgewichtshypothese 106 Janis-Regeln 72 Johari-Fenster 61 f. Kartenabfrage 150 f. Klärungshilfe 95 Klasse 18 Klassisches Konditionieren 119 f. Kognitive Dissonanz 129 f., 161 Kollegiale Beratung 184 f. Kollusion 56 Kommunikation 35, 37 f., 197 f. Kommunikationstheorie 51 Kommunikationsumgebung 199 Komplementäre Interaktion 56 Konflikt 32, 65, 76 Konfliktanalyse 90 Konflikteskalation 88 f. Konfliktmanagement 84 Konformitätsdruck 65, 69 f. Kongruenz 47, 136 Kontakt 104 ff. Kontrollierter Dialog 46, 181 f. Kontrollverlust 121 f. Kooperation 65, 76 f., 207 Kurzreferat 157 Laissez-faire-Führungsstil 111 Lebensraum 15 f. Leistungsvorteil 65 Leitung 107 Lernen 119 f., 200 Lernen am Modell 123 f. Lernmanagementsysteme 200 Lerntheorie 119 Lerntransfer 143, 176 Letter to myself 178 Lose-lose-Situation 89 Machtkampfphase 24 Marktplatz-Methode 98 Masse 18 Mediation 93 <?page no="235"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 236 236 Menge 18 Merkzettel 177 Metakommunikation 52, 55 Methoden 151 f., 186 Milgram-Experiment 73 f. Mindmapping 159 f. Mitbestimmung 109 Modell-Lernen 123 f. Moderation 143, 145 f. Moderationszyklus 151 Moodle 200 Mosaikvorstellung 155 Motivation 179 f. Motivstärke 183 Muskuläres Tiefentraining MTT 165, 181 Nicht-Nullsummenspiel 80 f. Norm 20, 69 f. Norming 25 Norton-Street-Bande 112 f. Null-Summenspiele 80 Offene Fragestellung 44, 147, 182 Operantes Konditionieren 120 f. Operationalisieren 173 Orientierungsphase 24 Paarinterview 153 Palo-Alto-Schule 37, 51 Paradoxe Kommunikation 57 Performing 25 Persönlicher Raum 105 Pinnwand 148 f. Planspiel 161 Position 31 Positionsgefüge 31 Postergestaltung 150 Primärgruppe 19 Projektion 47 Pro und Contra 160 f. Prozessanalyse 170 Psychoanalyse 135 Quadrat-Übung 76 f., 207 Rangordnung 24 Reifegrad 115 f. Rogers-Variablen 46, 136 Rolle 20, 24, 31 Rollendifferenzierung 22, 102 Rollenerwartung 31 f. Rollenkonflikt 31 f. Rollenspiel 130, 161 f., 184 Rollensystem 26 Rollentheorie 27, 30 f. Rollenverhandeln 94 Rückmeldung 58 f., 170 Sanktionen 33 Schizophrenie 57 Selbst 32, 135 Selbstbild 22, 58 f., 94 Selbsthilfegruppen 133 Selbstverwirklichung 17, 135 f. Selbstwertgefühl 49 f., 53 Selbstwirksamkeit 123 selektive Authentizität 140 Sender 37 f., 40 Sich-selbst-erfüllende-Prophezeiung 59, 88 Situationsanalyse 170 Sommerlager-Experiment 21 Soziale Erleichterung 13 Soziales Kraftfeld 13, 15, 30, 117, 132 Sozial-kognitives Lernen 123 Soziogramm 100 f., 107 Soziometrie 100 f. Stanford-Gefangenen-Experiment 27 f., 32 f., 73 <?page no="236"?> www.claudia-wild.de: Wellhoefer__Gruppendynamik_und_sozales_Leben_SDo/ 10.07.2012/ Seite 237 237 Status 31 Statussymbole 28 Steckbrief 152, 155 Stille Post 203 Stimmungsbarometer 171 Storming 24 Suggestopädie/ Superlearning 125 f. Symmetrische Eskalation 56 Tagesrückmeldung 169 f. Team 20 Team für psychologisches Management/ tpm 7, 205, 213, 217 Teamteaching 125 Themenzentrierte Interaktion/ TZI 137, 179 Tit for Tat 83 Unifikation 26 Valenz 15 f. Verband 18 Vermeidungslernen 121 Verschiebung 53 Verständlichmacher 41 f., 157, 181 Virtuelle Gruppe 196 Virtuelle Kommunikation 20, 197 f. Visualisierung 143, 151 Vorstellungsrunde 153 f. Wachstum 17, 215 Wahrnehmung 15, 86, 93 f. Wappenvorstellung 154 Webinar 197 f. Win-lose-Situation 89 Win-win-Situation 89 Wir-Gefühl 20 f., 25, 108 f., 201 Wissenschaftliche Betriebsführung 13 Yale-Studien 129, 131 Zweiweg-Kommunikation 38 f., 181 <?page no="237"?> Der richtige Umgang mit Menschen im Beruf und Alltag Nello Gaspardo Von harten Hunden und hyperaktiven Affen Der richtige Umgang mit Menschen im Beruf und Alltag 2017, 158 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-834-9 Jeder Mensch ist einzigartig! Das ist fraglos richtig. Dessen ungeachtet finden Sie bei Ihren Mitmenschen wiederkehrende Charaktereigenschaften, mit denen Sie im Beruf und im Alltag umgehen müssen. Denken Sie nur an den harten Hund aus der Chefetage, den cleveren Fuchs aus dem Controlling oder den zappeligen, aber vor Ideen sprühenden Affen aus der Marketingabteilung. Der Kommunikations- und Verhandlungsexperte Nello Gaspardo skizziert neun solcher Typen anhand von Tierbildern. Er zeigt deren Stärken und Schwächen auf und verrät Ihnen pointiert, was Sie im Umgang mit diesen Menschen unbedingt wissen sollten und wie Sie mit diesen Typen richtig kommunizieren. Das Buch ist ein unverzichtbarer Ratgeber für alle, die im Beruf und im Alltag gemeinsam mit anderen Menschen schnell und harmonisch Ziele erreichen möchten. www.uvk.de <?page no="238"?> www.uvk.de STUDIEREN IM QUADRAT Erfolgreich studieren, das ist leichter gesagt als getan. Denn zwischen Hörsaal, Bibliothek und Prüfungen gibt es im Studi-Alltag so manche Herausforderung zu meistern. Die UVK-Reihe »Studieren im Quadrat« hilft Ihnen dabei, in allen Lebenslagen cool zu bleiben - vom Praktikum über die Studienkrise bis hin zur Gründung des ersten Start-ups. Also keine Sorge, die bunten Bücher stehen Ihnen bei Fragen rund ums Studium bei. ISBN 978-3-86764-702-1 ISBN 978-3-86764-703-8 ISBN 978-3-86764-764-9 ISBN 978-3-86764-700-7 ISBN 978-3-86764-765-6 ISBN 978-3-86764-701-4 ISBN 978-3-86764-704-5 <?page no="239"?> Moderne www.uvk.de Die Epoche der Moderne wurde inzwischen durch das digitale Zeitalter abgelöst. Nun ist es an der Zeit Bilanz zu ziehen: Wie kann die Moderne in ihrer Gesamtheit dargelegt werden? Welche Errungenschaften hat sie hervorgebracht? Sind die Werte, Ziele und Normen der Moderne im digitalen Zeitalter nun obsolet? Werner Heinrichs liefert die Antworten. Er beleuchtet alle kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und naturwissenschaftlichen Aspekte der Epoche auf spannende Weise. Damit unterscheidet sich der Ansatz dieses Buches deutlich von einschlägigen Kulturgeschichten des 20. Jahrhunderts, die die Moderne nur als eine Zeit der Entwicklung der Künste und gesellschaftspolitischer Veränderungen wahrnehmen. Es beinhaltet außerdem viele originelle und spannende Zitate berühmter Persönlichkeiten. Dieses Buch richtet sich an Studierende wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Studiengänge und eignet sich ebenfalls als Nachschlagewerk für Leser mit kulturellem und geschichtlichem Interesse. Werner Heinrichs Die Moderne Bilanz einer Epoche 2017, 510 Seiten, Hardcover ISBN 978-3-86764-808-0 Bilanz einer Epoche