Einführung in die Übersetzungswissenschaft
0914
2020
978-3-8385-5157-9
978-3-8252-5157-4
UTB
Werner Koller
Kjetil Berg Henjum
Dieses Standardwerk der Übersetzungswissenschaft bietet im ersten Teil einen Überblick über Geschichte, Entwicklung und aktuelle Theorien und Modelle des Fachs. Voraussetzungen, Möglichkeiten sowie die kulturelle Bedingtheit des Übersetzens werden systematisch behandelt und durch viele Beispiele veranschaulicht. Der zweite Teil ist dem in der Übersetzungswissenschaft zentralen Begriff der Äquivalenz gewidmet. Darin werden unterschiedliche Dimensionen von Äquivalenz aufgezeigt und ihre Abhängigkeit vom jeweiligen Bezugsrahmen veranschaulicht. Auch die übersetzungsrelevanten Unterschiede verschiedener Textsorten werden behandelt.
Die neunte Auflage wurde neu gestaltet und aktualisiert. Zahlreiche Beispiele und die Hervorhebung wichtiger Inhalte über Textboxen erleichtern die Arbeit mit dem Band.
<?page no="0"?> English Deutsch Français Italiano Español Werner Koller Kjetil Berg Henjum Einführung in die Übersetzungswissenschaft 9. Auflage <?page no="1"?> Eine Arbeitsgemeinschaft der Verlage Böhlau Verlag · Wien · Köln · Weimar Verlag Barbara Budrich · Opladen · Toronto facultas · Wien Wilhelm Fink · Paderborn Narr Francke Attempto Verlag / expert verlag · Tübingen Haupt Verlag · Bern Verlag Julius Klinkhardt · Bad Heilbrunn Mohr Siebeck · Tübingen Ernst Reinhardt Verlag · München Ferdinand Schöningh · Paderborn transcript Verlag · Bielefeld Eugen Ulmer Verlag · Stuttgart UVK Verlag · München Vandenhoeck & Ruprecht · Göttingen Waxmann · Münster · New York wbv Publikation · Bielefeld utb 3520 <?page no="2"?> Prof. Dr. Werner Koller lehrte Angewandte Sprachwissenschaft und Übersetzungswissenschaft an der Universität Heidelberg und germanistische Linguistik an der Universität Bergen. Prof. Dr. Kjetil Berg Henjum lehrt germanistische Linguistik an der Universität Bergen. <?page no="3"?> Werner Koller / Kjetil Berg Henjum Einführung in die Übersetzungswissenschaft 9., überarbeitete und aktualisierte Auflage Narr Francke Attempto Verlag Tübingen <?page no="4"?> © 2020 · Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 · D-72070 Tübingen Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Internet: www.narr.de eMail: info@narr.de Einbandgestaltung: Atelier Reichert, Stuttgart CPI books GmbH, Leck utb-Nr. 3520 ISBN 978-3-8252-5157-4 (Print) ISBN 978-3-8385-5157-9 (ePDF) Umschlagabbildung: languages concept, English, Italian, German, French, Spanish. Paper signpost on a wooden desk, tumsasedgars © iStock Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / dnb.dnb.de abrufbar. <?page no="5"?> 11 13 I. 27 1 29 1.1 29 1.2 33 1.3 34 1.4 38 2 39 2.1 39 2.2 40 2.3 42 2.4 43 2.5 49 2.6 63 3 65 3.1 65 3.2 67 3.3 68 3.4 69 Inhalt Vorwort zur 9. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GRUNDLAGEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzen als Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit, Funktion und Wert der Übersetzung . . . . „Kleine“ und „große“ Sprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsproduktion in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Übersetzer und ihre Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Explizite und implizite Übersetzungstheorie . . . . . . . . . . . Sprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleiche und Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Luthers und Schleiermachers Rechenschaftsberichte . . . . Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen und Übersetzungstheorien (am Beispiel des Deutschen) Übersetzung als Kultur- und Spracharbeit . . . . . . . . . . . . . Übersetzung unter den Aspekten des Kultur- und des Sprachkontakts - Übersetzungsmethoden . . . . . . . . . . . . Althochdeutsche Zeit (8.-11. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . Mittelhochdeutsche Zeit (Mitte 11. - Mitte 14. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . <?page no="6"?> 3.5 71 3.6 73 3.7 77 4 79 4.1 79 4.2 82 4.3 83 4.4 86 4.5 90 5 91 5.1 91 5.2 92 5.3 94 5.4 97 5.5 99 5.6 101 5.7 102 6 103 6.1 103 6.2 108 6.3 111 6.4 119 6.5 122 Frühneuhochdeutsche Zeit (Mitte 14. - Mitte 17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neuhochdeutsche Zeit (ab Mitte 17. Jahrhundert) . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung . . . . . . . . . . Welthilfssprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Verkehrssprachen - Weltsprachen . . . . . . Sprachen und Sprachregelungen in der EU . . . . . . . . . . . . Maschinelle Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Was ist Übersetzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Mehrdeutigkeit des Übersetzungsbegriffs . . . . . . . . . . Übersetzung und andere Typen der Textverarbeitung/ -reproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Intersemiotische, intralinguale und interlinguale Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bestimmung des Gegenstandes Übersetzung von der übersetzerischen Praxis her . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum alltagssprachlichen Verständnis von Übersetzung . . Die spezifische Situation der Übersetzung (und andere Situationen der Textreproduktion) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen und Modelle des Übersetzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Definitionen des Übersetzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum normativen Charakter der Übersetzungsdefinitionen; Neukodierung und Umkodierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Modelle des Übersetzens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem der Übersetzungseinheiten . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 6 <?page no="7"?> 7 123 7.1 123 7.2 127 7.2.1 127 7.2.2 130 7.2.3 131 7.2.4 135 7.2.5 136 7.2.6 138 7.3 140 7.4 141 8 143 8.1 143 8.2 149 8.3 154 9 155 9.1 155 9.2 172 9.3 178 9.4 183 II. 185 1 187 1.1 187 1.2 189 1.3 197 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Leser der Übersetzung und seine Erwartungen . . . . . Differenzierung der Empfängererwartungen . . . . . . . . . . Zum thematischen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu Makroaufbau/ -gliederung und Darstellungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zum Mikroaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur Textfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zur sprachlich-stilistischen Gestaltung . . . . . . . . . Zu Textverständnis und -interpretation . . . . . . . . . Normabweichende Texte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft . . . . . . . . . . . Übersetzungswissenschaftliche Hauptbereiche . . . . . . . . . Weitere und engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Übersetzungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linguistik und Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der übersetzungslinguistische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . Der linguistisch-kommunikative Ansatz . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ÄQUIVALENZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Das Problem der Übersetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzbarkeit im Widerstreit der Meinungen . . . . . . . . Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhaltbezogene Sprachauffassung und sprachliches Relativitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 7 <?page no="8"?> 1.4 201 1.5 208 1.6 218 2 219 2.1 219 2.2 222 2.3 223 2.4 224 2.5 233 2.6 239 2.7 240 2.8 244 2.9 247 2.10 249 2.11 249 3 251 3.1 251 3.2 253 3.2.1 253 3.2.2 260 3.2.3 262 3.3 265 3.3.1 266 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prinzipielle Übersetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung - unterschiedliche Ansätze in der Übersetzungswissenschaft und Gegenstandsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Äquivalenzrelation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausgangstext und Bedingungen auf der Empfängerseite Formale, dynamische und funktionale Äquivalenz . . . . . . Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion . . . . Relativität und Normativität des Begriffs der Übersetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachenpaar- und textbezogene Übersetzungswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Descriptive Translation Studies . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der (neo-)hermeneutische Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Funktionalistische Translationswissenschaft („Skopostheorie“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Differenzierung des Äquivalenzbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsäquivalenz und ihre Bezugsrahmen . . . . . . . Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalenz und Korrespondenz in der kontrastiven Linguistik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalenz und Äquivalenzrahmen: andere Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Äquivalenz als umstrittenes Konzept . . . . . . . . . . Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Eins-zu-eins-Entsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 8 <?page no="9"?> 3.3.2 266 3.3.3 268 3.3.4 269 3.3.5 273 3.4 279 3.4.1 279 3.4.2 280 3.4.3 282 3.5 288 3.6 290 3.7 294 3.7.1 294 3.7.2 296 3.7.3 301 3.8 311 3.9 313 3.10 320 4 321 4.1 321 4.1.1 325 4.1.2 327 4.1.3 331 4.1.4 338 4.2. 343 4.2.1 344 4.2.2 349 4.2.3 352 4.3 353 355 389 Die Eins-zu-viele-Entsprechung . . . . . . . . . . . . . . . Die Viele-zu-eins-Entsprechung . . . . . . . . . . . . . . . Die Eins-zu-Null-Entsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . Die Eins-zu-Teil-Entsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . Konnotative Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denotative Bedeutung und konnotative Werte . . Konnotationen und Stil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konnotative Dimensionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textnormative Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pragmatische Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formal-ästhetische Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Formal-ästhetische Qualitäten in literarischen Texten und in Sachtexten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Metaphern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sprachspiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersetzungsrelevante Textgattungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien Das Kriterium der praktischen Folgen . . . . . . . . . . Das Kriterium der Fiktionalität . . . . . . . . . . . . . . . . Das Kriterium der Ästhetizität . . . . . . . . . . . . . . . . . Intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Bedeutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien . . . . . . . . . . Literarische Übersetzung (Kloepfer und Levý) . . . Naturwissenschaftlich-technische Übersetzung ( Jumpelt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schlussbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Namensregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 9 <?page no="10"?> 396 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inhalt 10 <?page no="11"?> 1 In diesem Buch wird Übersetzer als neutrale Form für Übersetzer und Übersetzerin oder ÜbersetzerIn verwendet. Ebenso wird mit Leser, Empfänger, Adressat usw. verfahren. Vorwort zur 9. Auflage Diese „Einführung in die Übersetzungswissenschaft“ besteht aus zwei Hauptteilen, die mit GRUNDLAGEN und ÄQUIVALENZ überschrieben sind. In den GRUNDLAGEN wird Übersetzen und Übersetzung in ihrer Viel‐ schichtigkeit und ihrem Perspektivenreichtum behandelt: Übersetzen als Praxis und Problem der Übersetzer 1 , Übersetzen und Übersetzungen unter kultur- und sprachgeschichtlichem Aspekt, Definitionen, Faktoren und Be‐ dingungen der Übersetzungskommunikation, linguistische Grundprobleme der Übersetzung. Mit der Überschrift ÄQUIVALENZ zum zweiten Hauptteil wird, vor dem Hintergrund einer zeitweise intensiv und kontrovers geführ‐ ten Diskussion, ein deutlicher Akzent gesetzt. Die Klärung der Überset‐ zungsbeziehung (Äquivalenzrelation), d. h. der für die Übersetzung kon‐ stitutiven Beziehung zum Ausgangstext, ist von fundamentaler Bedeutung für die Übersetzungstheorie. Übersetzungspraxis heißt - um es auf diese einfache Formel zu bringen - Herstellung von Äquivalenz; die Überset‐ zungstheorie hat die vorrangige Aufgabe, sich mit deren Voraussetzungen, Bedingungen, Faktoren, Möglichkeiten und Grenzen zu beschäftigen. Das kann sie aber nur, wenn die Übersetzungswissenschaft als empirische Wis‐ senschaft Übersetzungen so, wie sie uns vorliegen (und nicht: wie sie sein sollten) in ihrem Verhältnis zu den Ausgangstexten analysiert und versucht, ihre Wesensmerkmale zu bestimmen und zu erklären. Übersetzung wird verstanden als Resultat einer textreproduzierenden Operation. Inso‐ fern ist ein breit gefasster sprach- und textwissenschaftlicher Ansatz unab‐ dingbar für die Übersetzungswissenschaft. Auch eine Reihe anderer thematischer Schwerpunkte wird behandelt, wobei der Äquivalenzproblematik immer ein wichtiger Stellenwert zu‐ kommt: ▸ Das faszinierende und auch beunruhigende Problem der Übersetz‐ ▸ barkeit wird in sprachphilosophischer und -theoretischer Perspek‐ tive eingehend erörtert. <?page no="12"?> ▸ Auf die kulturellen und historischen Aspekte der Übersetzung ▸ wird - in verschiedenen Perspektiven und anhand zahlreicher Bei‐ spiele - ausführlich eingegangen; wer sich mit Übersetzen als sprach‐ lich-textueller Kulturtechnik beschäftigt, muss immer wieder deren Geschichtlichkeit (und damit auch Relativität) bedenken. Am Deut‐ schen lässt sich - über die Jahrhunderte hinweg - die kultur-, litera‐ tur- und sprachgeschichtliche Bedeutung der Übersetzungstätigkeit aufs schönste aufzeigen. ▸ Die Frage Was ist Übersetzung? , d. h. das Problem der Gegenstands‐ ▸ bestimmung, wird in mehreren Anläufen und unter verschiedenen Blickwinkeln zu beantworten versucht. ▸ Ein eigenes Kapitel geht der Frage nach, was Fiktiv- und Sachtexte, ▸ literarisch-ästhetische Kommunikation und Sachkommunikation in übersetzungsbezogener Perspektive voneinander unterscheidet. Ein Kapitel zur Übersetzungskritik fehlt; deren Kategorien und Kriterien lassen sich aus den Kap. II.2-4 ableiten. Ausgangspunkt für die kritische Analyse von Übersetzungen und deren Bewertung sind die Bezugsrahmen der Äquivalenz, wie sie in Kap. II.3 dargestellt werden. Dieses Buch setzt sich das Ziel, übersetzungsrelevante Fragestellungen, Probleme und Theorien in verständlicher Darstellungsweise und Sprache einem breiteren Leserkreis nahezubringen. Diesem didaktischen Ziel dienen nicht zuletzt die zahlreichen Beispiele und Infokästen. Dabei handelt es sich so weit wie möglich um authentische Übersetzungstexte, die, wo dies der Raum zulässt, ausführlicher analysiert werden. Kjetil Berg Henjum hat die Überarbeitung vorgenommen, u. a. Textaktu‐ alisierungen und -kürzungen, neue Beispiele, Fußnotenrevision, neue Lite‐ ratur, Infokästen und kurze Kapitelresümees. Bergen, im August 2020 Kjetil Berg Henjum und Werner Koller Vorwort zur 9. Auflage 12 <?page no="13"?> 1 S. dazu H. P. Krings (1986), W. Wilss (1988), W. Lörscher (1991, 2004a), G. Hansen (2006), S. Göpferich (2008). 2 Der Begriff der Translationswissenschaft wird auch verwendet, wenn es um einen wei‐ ter gefassten Gegenstandsbereich geht: Als Translate gelten nicht nur die äquivalen‐ zorientierte Übersetzung, sondern alle möglichen Arten von Texttransfer, manchmal unter Einschluss der intersemiotischen „Übersetzung“, s. u., II.2. - Ein terminologisches Wörterbuch zu Übersetzung und Übersetzungswissenschaft, das insbesondere für den Übersetzungsunterricht gedacht ist, haben J. Delisle/ H. Lee-Jahnke/ M. C. Cormier (1999) herausgegeben. Es berücksichtigt das Französische, Englische, Spanische und Deutsche. Einführung Die Übersetzungswissenschaft ist die Wissenschaft vom Übersetzen und von den Übersetzungen. Sie beschäftigt sich einerseits mit dem Prozess des Übersetzens, d. h. dem Prozess, der von einem geschriebenen ausgangs‐ sprachlichen Text (AS-Text) zu einem geschriebenen zielsprachlichen Text (ZS-Text), der Übersetzung, führt. Die prozessorientierte Übersetzungswis‐ senschaft ist primär psycholinguistisch und kognitionspsychologisch ausge‐ richtet; sie geht von der Frage aus: Was läuft in den Köpfen von Übersetzern ab, wenn sie übersetzen? 1 Andererseits untersucht die Übersetzungswissen‐ schaft Übersetzungen, d. h. die Produkte des Übersetzungsprozesses. Die‐ ses Buch versteht sich als Einführung in die produktorientierte Übersetzungs‐ wissenschaft. Die Dolmetschwissenschaft beschäftigt sich mit dem Dolmetschen, d. h. dem Prozess der mündlichen Umsetzung von Texten, die in mündlicher Form vorliegen, und den Produkten des Dolmetschprozesses („Dolmet‐ schungen“). Übersetzungswissenschaft und Dolmetschwissenschaft werden auch unter dem Begriff der Translationswissenschaft (auch: Translato‐ logie oder Translatorik) zusammengefasst; statt von Übersetzen/ Dolmet‐ schen wird von Translation, statt von Übersetzungen von Translaten ge‐ sprochen. 2 Die Unterscheidung von Übersetzungswissenschaft und Dolmetschwis‐ senschaft scheint gerechtfertigt, weil es sich - trotz sich überschneidender linguistischer Bereiche (zwei Sprachen sind beteiligt, der Sprachwechsel ist ein fundamentales Kennzeichen) - beim Übersetzen und Dolmetschen um zwei Tätigkeiten handelt, deren Vollzug unter unterschiedlichen Bedingun‐ gen erfolgt. Verschieden sind: <?page no="14"?> 3 S. dazu L. N. Zybatow (2004); zum heutigen Stand, s. die Übersicht von A. M. Bernardo (2004). ▸ die äußere (Kommunikations-)Situation (der Empfänger der Überset‐ ▸ zung ist nicht präsent, ein Feedback ist nicht möglich/ Dolmetschen erfolgt in Präsenz des Empfängers, ein Feedback ist oft möglich), ▸ die Verarbeitungsweise (Übersetzen ist - im Idealfall - nicht zeitge‐ ▸ bunden, Dolmetschen erfolgt unter Zeitdruck), ▸ die Textpräsentation ▸▸ die Bedingungen des Textverständnisses (Übersetzen: ein ganzer Text ▸ liegt vor/ Simultandolmetschen: der Text wird sukzessive produziert bzw. präsentiert). Zum Dolmetschen und zur Dolmetschwissenschaft, s. die Beiträge von D. Gile und D. Seleskovitch in H. Kittel u. a., Hrsg. (2004, Kap. X „Dolmetsch‐ wissenschaft“), D. Seleskovitch (1988), D. Seleskovitch/ M. Lederer (1984, 1989), F. Pöchhacker (2000), A. F. Kelletat (2001), D. Andres (2002), B. Ahrens (2004), M. Kadrić (2011) und die Beiträge in S. Kalina u. a., Hrsg. (2000). Die Frage nach dem Verhältnis von Übersetzungstheorie und Über‐ setzungspraxis ist ein Dauerbrenner in der übersetzungswissenschaftlichen Debatte, auch in Diskussionen zwischen Theoretikern und Praktikern der Übersetzung. Es kann nicht Aufgabe der Übersetzungstheorie sein, den Über‐ setzern vorzuschreiben, wie sie zu übersetzen haben, und auch nicht, ihnen eine (oder gar die) theoretische Konzeption als Richtschnur für ihre prakti‐ sche Arbeit vorzugeben. Vielmehr liefern die Übersetzer mit ihren Überset‐ zungen, aber auch mit ihren Kommentaren zu ihrer Übersetzungsarbeit, das empirische Material, das man als Wissenschaftler analysiert, beschreibt, und vielleicht sogar zu erklären versucht. Zu hoffen ist, dass der Übersetzer we‐ nigstens in einem Teil der Probleme, mit denen sich die Wissenschaft be‐ schäftigt, seine eigenen erkennt, mit denen er es in seiner täglichen Praxis zu tun hat, und dass sie dem Didaktiker (mit-)hilft, seine Unterrichtspraxis zu gestalten oder mindestens zu reflektieren. Übersetzungswissenschaft ist keine präskriptive Wissenschaft; bei der Bestimmung ihres Gegenstandes kommt sie allerdings nicht ohne normative Festlegungen aus, muss sie doch auf die Frage antworten, welche Texte als Übersetzungen zu ihrem Untersuchungs‐ bereich gehören und welche nicht. Wie aber sieht es mit der Übersetzungswissenschaft qua Wissen‐ schaft aus? 3 Ende der 1980er Jahre zeichnet G. Thome (1989: 89) ein alles Einführung 14 <?page no="15"?> 4 Vgl. auch M. Bakker/ T. Naaijkens (1991: 193), die feststellen: „There are probably few scientific disciplines in which the confusion of application and theory, description and object of description, studied activity and study of the activity is so conspicuous as it is in Translation Studies.“ 5 S. dazu auch das Kap. „The ‚interdiscipline‘ of the 1990s“ in M. Snell-Hornby (2006). andere als optimistisches Bild: Obschon die Übersetzungswissenschaft seit einigen Jahrzehnten ihre „universitären Weihen“ erhalten habe, sei sie im‐ mer noch „auf der Suche nach einer eigenen Identität“ und bleibe „den in‐ haltlichen Vorstellungen und methodischen Prinzipien benachbarter Disziplinen allzu sehr verhaftet, ohne freilich zu einer fruchtbaren Zusam‐ menarbeit mit diesen zu gelangen“. Es hätten sich zudem „ganz unterschied‐ liche theoretische Ansätze“ herausgebildet, ein Gesamtkonzept sei „nach wie vor nicht in Sicht“. Die Kluft zwischen Theorie und Praxis bestehe weiter fort; und gleichsam zwischen Stuhl und Bank sitze der Übersetzer-Student, „dessen Ausbildung sich über weite Strecken losgelöst von der Forschung, zugleich aber auch in Distanz zur beruflichen Realität vollzieht“. 4 Diese kritische Einschätzung ist aber noch harmlos im Vergleich mit der Breitseite, wie sie von M. Snell-Hornby (1986) gegen die linguistisch orien‐ tierte Übersetzungswissenschaft abgefeuert wird. Ihre „neuorientierte“ Übersetzungswissenschaft tritt mit dem Anspruch auf, „weit über die Gren‐ zen der bisherigen, linguistisch orientierten Übersetzungswissenschaft“ hin‐ auszugehen. Pauschal abgerechnet wird schon mit dem Begriff Wissen‐ schaft: Damit [mit dem Terminus Übersetzungswissenschaft] wird aber keine exakte Wissenschaft postuliert, denn davon kann beim Übersetzen nicht die Rede sein: vielmehr handelt es sich hier um eine Geisteswissenschaft wie bei der Sprach- und Literaturwissenschaft, bei den Kultur- und Sozialwissenschaften. (27) Da werden Visionen einer zukünftigen Übersetzungswissenschaft, einer programmatischen „Interdisziplin“ 5 beschworen, deren Umrisse jedoch höchst unscharf (geblieben) sind und deren Methoden weder beschrieben noch an einem größeren Textmaterial erprobt worden sind. Und anzumer‐ ken ist auch: Selbst wenn das Übersetzen selbst keine Wissenschaft ist (wer immer dies behauptet haben mag - die Rede ist im Allgemeinen vom Über‐ setzen als Kunst oder als Handwerk oder als Kunst und Handwerk), so schließt das nicht aus, dass man sich wissenschaftlich mit ihm beschäftigt - Einführung 15 <?page no="16"?> 6 „Methoden des wissenschaftlichen Übersetzens“ lautet der Titel eines Buches von H. Gerzymisch-Arbogast/ K. Mudersbach (1998). und es erscheint durchaus möglich, dass man auf wissenschaftlicher Grund‐ lage übersetzt. 6 Die Wissenschaftlichkeit der Übersetzungswissenschaft ist aber auch ge‐ fährdet bei spekulativen Ansätzen, in denen der Übersetzungsbegriff selbst aufgegeben wird. So wird in der „modernen Translationstheorie“ die Not‐ wendigkeit der sachlichen und terminologischen Abgrenzung von Para‐ phrase, Kommentar, Zusammenfassung, Nachdichtung usw. mit folgender Begründung bestritten: Die Diskussion, wie das Kind zu nennen ist, scheint mir müßig. Man schafft den Absolutismus nicht ab, ohne dass sich dabei gleichzeitig Rolle, Funktion und Be‐ nennung von König, Junker oder Knecht ändern. Auf der Grundlage der moder‐ nen Translationstheorien lässt sich von „Translation“ sprechen, wenn ein Aus‐ gangstext (mündlicher oder schriftlicher Art) zu einem bestimmten Zweck als Vorlage für die Herstellung eines Textes in der Zielkultur verwendet wurde. Als Translator kann ich auch zu dem Schluss kommen, dass ein bestimmter Aus‐ gangstext als Vorlage für einen zielkulturellen Text unbrauchbar ist, und dem Auftraggeber vorschlagen, für die Zielkultur einen neuen Text zu erstellen. In diesem Fall kann man darüber diskutieren, ob der neue Text noch als Translat zu bezeichnen sei. Er ist jedoch immer noch ein Produkt translatorischen Handelns (in diesem Fall: Beratung des Auftraggebers). (M. Ammann in einer Rezension in TextconText, 4, 1989, 106-129, hier 107.) Es wird also nicht von vornherein ausgeschlossen, dass ein völlig neuer Text (vielleicht sogar die Nicht-Übersetzung? ) als Translat gelten kann; als Bei‐ spiel wird in diesem Zusammenhang immer wieder die „Übersetzung“ von Werbetexten/ -botschaften angeführt. Bei einer derartig ausufernden Ge‐ genstandsbestimmung ist es mehr als zweifelhaft, ob eine Übersetzungs‐ wissenschaft als Wissenschaft überhaupt noch möglich ist. Ziel dieser „Einführung in die Übersetzungswissenschaft“ ist es, überset‐ zungsrelevante Fragestellungen, Probleme und Theorien einem breiteren Leserkreis nahezubringen. Wenn man von übersetzungsrelevanten Fra‐ gestellungen spricht, setzt dies voraus, dass der Begriff der Übersetzung und damit die Frage nach dem Gegenstand der Übersetzungswissenschaft geklärt werden. Diese Begriffs- und Gegenstandsbestimmung kommt nicht aus ohne die Klärung der Frage nach der übersetzungskonstituieren‐ Einführung 16 <?page no="17"?> den Beziehung zwischen Zieltext und Ausgangstext. Um es ganz all‐ gemein zu fassen: Eine Übersetzung ist das Resultat einer textreproduzierenden Ope‐ ration, die von einem AS-Text zu einem ZS-Text führt, wobei zwischen ZS-Text und AS-Text eine Übersetzungs- (oder Äquivalenz-)relation hergestellt wird. Und weil, wie G. Thome (1990: 2 f.) feststellt, „jede Beschäftigung mit über‐ setzungsbezogenen Problemen zugleich auch die dahinterstehende Auffas‐ sung von Äquivalenz“ reflektiert, muss diesem Begriff besondere Aufmerk‐ samkeit gewidmet werden. Die textreproduzierende Operation des Übersetzens ist von unterschiedlichen sprachlichen und außersprachlichen Faktoren bestimmt. Eine Übersetzung ist nicht nur die Konfrontation eines Ausgangstextes mit den sprachlich-stilistischen Mitteln und Möglichkeiten einer Zielsprache - das ist sie indessen auch, und zwar in einem so funda‐ mentalen Sinne, dass eine deskriptiv orientierte Übersetzungswissenschaft ohne linguistische Komponente nicht denkbar erscheint -, sondern es geht um die Konfrontation mit einer Reihe teilweise widersprüchlicher, manch‐ mal schwer miteinander zu vereinbarender Bedingungen und Faktoren, die jede Übersetzungstheorie zu thematisieren und jede Analyse von Überset‐ zungen zu berücksichtigen hat. In der Übersetzung wirksam, d. h. die Äqui‐ valenzrelation bedingend, ist ein ganzes Gefüge von Faktoren: ▸ die Ausgangssprache und die Zielsprache mit ihren strukturellen Ei‐ ▸ genschaften, Möglichkeiten und Zwängen, ▸ die „Welt“, wie sie in den Einzelsprachen unterschiedlich klassifiziert ▸ wird, ▸ unterschiedliche Wirklichkeiten in ihren einzelsprachspezifischen ▸ Repräsentationen, ▸ der Ausgangstext mit seinen sprachlichen, stilistischen und ästheti‐ ▸ schen Eigenschaften im Kontext der sprachlichen, stilistischen und ästhetischen Normen der Ausgangssprache, ▸ sprachliche, stilistische und ästhetische Normen in der Zielsprache ▸ und auf Seiten des Übersetzers, Einführung 17 <?page no="18"?> 7 S. dazu A. D. Švejcer (2004), M. Baker (2004), A. Neubert (2004), W. Koller (2004b), J. Al‐ brecht (2004, 2005). ▸ mehr oder weniger „individuelle“ Merkmale und Qualitäten des Ori‐ ▸ ginaltextes, ▸ die Übersetzung im Zusammenhang der „Textwelt“ der Zielkultur, ▸▸ Verstehensvoraussetzungen der Leser der Übersetzung, ▸▸ Gestaltungswillen und Werkverständnis des Übersetzers, ▸▸ explizite und/ oder implizite Übersetzungstheorie des Übersetzers, ▸▸ Übersetzungstraditionen und -normen, ▸▸ Übersetzungsprinzipien/ -vorschriften und Selbstinterpretation des ▸ Autors des Originaltextes, ▸ Vorgaben des Auftraggebers, Zweckbestimmung und Positionierung ▸ der Übersetzung im Markt in der Zielkultur, ▸ praktische Bedingungen, unter denen der Übersetzer arbeitet bzw. ar‐ ▸ beiten muss. Die sprachlich-textuelle Dimension ist also nur ein Aspekt, unter dem die Übersetzung gesehen werden kann - aber es ist ein zentraler Aspekt. Ist man der Auffassung, dass der Kern der Übersetzungsproblematik im sprach‐ lich-textuellen Bereich zu suchen ist, liegt es nahe, sich dem Übersetzen primär von einem sprachwissenschaftlichen (sprachwissenschaftlich in ei‐ nem weiten Sinne) Ausgangspunkt zu nähern. Es ist ein Ansatz, der im Blick auf die Bedingungskomplexität der Übersetzung natürlich seine Grenzen hat. 7 Aber man sollte sich auch immer die Tatsache vor Augen halten, dass in der übersetzerischen Praxis „sprachenpaarbedingte Probleme nach wie vor einen großen Teil der tatsächlich auftretenden Übersetzungs- und Dol‐ metschprobleme ausmachen“ (M. Schreiber 2004a: 84). Übersetzen heißt, sprachlich-stilistische Probleme lösen: Am Schluss muss ein Text dastehen, in dem diese Probleme auf die eine oder andere Weise gelöst sind. Eine zen‐ trale Aufgabe der Übersetzungswissenschaft als empirische Wissenschaft besteht darin, die Lösungen, die die Übersetzer in ihren Übersetzungen an‐ bieten, zu analysieren, zu beschreiben und zu systematisieren - und, wenn dies möglich ist, daraus Vorschläge oder sogar Anleitungen für die Überset‐ zungspraxis abzuleiten. Das Phänomen Übersetzung ist nicht zuletzt deshalb so faszinierend, weil man sich ihm auch von ganz anderen Ansätzen her nähern kann als dem sprachlich-textuellen, wie er in dieser „Einführung“ im Vordergrund steht: Einführung 18 <?page no="19"?> 8 In H. Kittel u. a., Hrsg. (2004) wird in einer Reihe von Artikeln dargestellt, wie das Phänomen Übersetzung in verschiedenen Disziplinen behandelt wird: in der Sprach‐ philosophie, der Kulturanthropologie, der Psychoanalyse, den gender studies, der Lite‐ ratur- und Kulturwissenschaft. 9 Vgl. dazu etwa H.-G. Gadamer (1960), G. Steiner (1975, Kap. 1 „Understanding as Trans‐ lation“). 10 S. beispielsweise R. Kloepfer (1967: 126): Übersetzung als „Dichtung der Dichtung“. 11 S. dazu A. Blatt u. a. (1985). 12 Vgl. P. Newmark (1981). 13 S. dazu W. Wilss (1977: 72). 14 S. dazu die Arbeiten von K. Reiß/ H. J. Vermeer (1984), H. J. Vermeer (1986), M. Snell-Hornby (1988: 39 ff.). 15 S. dazu die richtungsweisenden Arbeiten von G. Toury. dem philosophischen, dem poetischen und poetologischen, dem semioti‐ schen, dem ethnographischen, dem theologischen, dem literaturgeschicht‐ lichen, dem computerlinguistischen usw. 8 Diese unterschiedlichen Ansätze kommen in der Vielfalt von Definitionen zum Ausdruck, die ganz unter‐ schiedliche Aspekte des Übersetzens thematisieren. Eine Definition, die das Übersetzen unter philosophisch-hermeneutischem Aspekt betrachtet, 9 sieht anders aus als eine, die sich mit dem künstlerisch-ästhetischen, nach- oder neubildenden Umsetzungsprozess poetischer Texte beschäftigt. 10 Eng lin‐ guistische Definitionen, die das Übersetzen als Umkodierung bzw. als Sub‐ stitution von sprachlichen Einheiten auf verschiedenen Ebenen darzustellen und (im Zusammenhang mit der maschinellen oder maschinengestützten Übersetzung) direkt oberflächenbezogen oder indirekt über eine vermit‐ telnde Konstruktsprache zu formalisieren versuchen, 11 sehen anders aus als Definitionen, die den Aspekt der zweisprachigen Kommunikation bzw. die linguistisch-kommunikativen Charakteristika der Übersetzungssituation in den Vordergrund stellen, 12 die sich auf das Übersetzen als „Textverarbei‐ tungs- und Textreverbalisierungsprozess“ konzentrieren, 13 oder die sich pri‐ mär mit der Funktion von Original und Übersetzung in ausgangs- und ziel‐ sprachlicher Kultur und der Übersetzung als „kulturellem Transfer“, als „cross-cultural event“ 14 bzw. dem Stellenwert der Übersetzung im Kontext der Empfängerkultur befassen. 15 Im Zusammenhang mit dem von S. Bassnett und A. Lefevere (1990) ge‐ forderten „cultural turn“ ließ sich im Laufe der 1990er Jahre in der Überset‐ zungsforschung eine verstärkte Fokussierung auf die Machtverhält‐ nisse in der „Welt der Übersetzung“ feststellen; im Vordergrund standen dabei (übersetzungs-)soziologische, feministische und postkolonialistische/ Einführung 19 <?page no="20"?> 16 S. dazu auch die Beiträge in J. Santaemilia, Hrsg. (2005). poststrukturalistische Aspekte. Die diesbezüglichen Forschungsresultate waren mehr oder weniger weit von einer empirischen, textbezogenen und äquivalenzorientierten Übersetzungswissenschaft entfernt. Für die soziolo‐ gische Perspektive sei verwiesen auf den von M. Wolf/ A. Fukari (2007) her‐ ausgegebenen Band „Constructing a sociology of translation“. Nicht ganz neu in der Übersetzungswissenschaft ist die feministische Perspektive. L. von Flotow (1999: 130) legt sie für den anglo-amerikanischen Sprachraum auf Ende 1970er Jahre fest, im Übrigen auf die 1990er Jahre, und erläutert sie folgendermaßen: 16 Feministische Aspekte bringen Erkenntnisse der Frauenforschung in die Über‐ setzungspraxis und -wissenschaft, welche angrenzenden Disziplinen wie z. B. Li‐ teratur- und Sprachwissenschaft, Philosophie, Soziologie, Politikwissenschaft, Publizistik oder Geschichtswissenschaft entspringen. L. von Flotow charakterisiert die feministischen Ansätze als geschichtlich, ethisch und philosophisch: Im geschichtlichen Ansatz habe man sich mit Frauen als Übersetzerinnen und Texten von „Frauen in Übersetzung“ aus‐ einandergesetzt, bei den ethischen Fragen stünden „frauenbewegte Über‐ setzerinnen“ im Mittelpunkt des Interesses, und bei den philosophischen Fragen beschäftige man sich mit Metaphern und Selbstbildern in der Über‐ setzungstätigkeit von Frauen. - In postkolonialistischen Arbeiten zur Über‐ setzung steht die Opposition „Selbst-Anderer“ im Mittelpunkt des Interesses. Nach M. Wolf (1999: 103 f.) geht es dabei darum, nicht relativistisch individuellen Interpretationen das Wort zu reden und nicht in der binären Opposition ‚Selbst-Anderer‘ westliche Autorenschaft umzukehren, sondern vor dem Hintergrund einer kulturell heterogenen Interpretation die Stimme des ‚Anderen‘ im Translat hörbar zu machen: In diesem kreativen Prozess soll die Polyphonie des ausgangskulturellen Texts in das Translat eingebracht werden und eine Multiperspektivität schaffen, die das kulturelle und sprachliche Repertoire des zielkulturellen Texts erweitert. Von diesen verschiedenen Ansätzen her sind verschiedene Übersetzungs‐ theorien nicht nur möglich, sondern auch notwendig, wenn das Phänomen Übersetzung in seiner Vielschichtigkeit und in seinen unterschiedlichen Fa‐ cetten beleuchtet werden soll: philosophische, poetische, semiotische, eth‐ nographische, theologische, literaturgeschichtliche, computerlinguistische. Einführung 20 <?page no="21"?> 17 Zur Rolle der Theorie in der Übersetzerausbildung, s. D. di Mango (2018). Wir haben uns bemüht, auf diese Vielfalt der Aspekte einzugehen oder min‐ destens weiterführende Hinweise zu geben. Die (mindestens ansatzweise) Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ist auch im Zusammen‐ hang zu sehen mit der - trotz schwerpunktmäßiger Konzentration auf den sprachlich-textuellen Aspekt - weiten und undogmatischen Konzeption von Übersetzungswissenschaft, wie sie in dieser „Einführung“ vertreten wird. Dieses Buch ist für einen breiten Kreis von an der Übersetzung interes‐ sierten oder mit Übersetzen beschäftigten Lesern verfasst; es richtet sich an Lehrende, Lernende und Forschende mit ganz unterschiedlichen fachlichen Ausgangspunkten. Es hat seinen Platz insbesondere auch in der Ausbildung von Übersetzern und Dolmetschern gefunden. Deshalb soll an dieser Stelle auf das Thema Übersetzungswissenschaft in der Übersetzerausbil‐ dung eingegangen werden. 17 Aufgabe der Ausbildungsinstitute für Übersetzen ist es, den zukünftigen Übersetzern jene Fähigkeiten systematisch und zielgerichtet zu vermitteln, die sich der „autodidaktische Übersetzer“ in der Praxis selbst aneignen konnte und musste. Viele Übersetzer (und unter diesen eine große Zahl hochqualifizier‐ ter Übersetzer) haben nie eine institutionalisierte, wissenschaftlich fundierte Ausbildung durchlaufen. Dies gilt sowohl für literarische als auch wissen‐ schaftlich-technische, juristische usw. Texte, die bekanntlich nicht selten von Schriftstellern bzw. von Fachleuten der betreffenden Gebiete übersetzt wer‐ den. Für eine systematische Ausbildung spricht nicht nur die Überlegung, dass die Methode des learning by doing sehr zeitaufwendig ist, oder der Sachver‐ halt, dass sich der Arbeitgeber (etwa der öffentliche Dienst) bei der Einstel‐ lung von Übersetzern auf einen gewissen Standard verlassen können muss, sondern auch die Einsicht, dass die sprachlich-stilistischen und sachlich-in‐ haltlichen Schwierigkeiten, die viele Texte bieten, vom Übersetzer wesent‐ lich mehr verlangen als nur ausreichende Kenntnisse der betreffenden Fremdsprache und Beherrschung der Sprache, in die übersetzt wird (in der Regel die Muttersprache). Die Kompetenz des Übersetzers geht über die rein fremdsprachliche Kompetenz hinaus, wie man sie sich im Fremdsprachen‐ studium erwirbt. Übersetzungskompetenz als die Fähigkeit, zu einem AS-Text einen bestimmten Forderungen (Äquivalenzforderungen) genü‐ genden ZS-Text herzustellen, ist qualitativ etwas anderes als die Beherr‐ schung der betreffenden Sprachen, die reine Sprachkompetenz also. Diese Einführung 21 <?page no="22"?> 18 S. dazu den von J. Best und S. Kalina herausgegebenen Sammelband „Übersetzen und Dolmetschen“ (2002), in dem theoretische Grundlagen und ein breites Spektrum von ausbildungs- und berufsbezogenen Aspekten behandelt werden; s. auch D. Gile (2009), M. Kadrić/ K. Kaindl/ M. Cooke (2011). an sich triviale, in der Praxis sich immer wieder bestätigende Erkenntnis wird gestützt durch die Tatsache, dass Bilingualismus, d. h. die ganz oder annäherungsweise gleiche Beherrschung zweier Sprachen, nicht zugleich bedeuten muss, dass auch Übersetzungskompetenz gegeben ist. Überset‐ zungskompetenz ist nicht nur mehr Sprachkompetenz in AS und ZS (man denke etwa an die Anforderungen im Bereich der Fachterminologien, der Syntax und Stilistik der Wissenschaftssprachen, der ästhetischen Qualitäten literarischer Texte). Sie beinhaltet auch die Kreativität, die im Finden und Wählen von Äquivalenten und in der immer wieder notwendigen textpro‐ duzierenden Aktivität besteht. Für eine systematische Ausbildung von Übersetzern spricht ferner die mangelnde Qualität vieler Übersetzungen, die mit der mangelnden Qualifi‐ kation ungeschulter oder überforderter Übersetzer zusammenhängt. Aller‐ dings führt der Zeit- und ökonomische Druck, unter dem viele Übersetzer arbeiten müssen, auch bei qualifizierten Übersetzern bisweilen zu Resulta‐ ten, die kaum zu rechtfertigen sind. Auf die Inhalte, Methoden und Probleme der institutionalisierten Über‐ setzerausbildung, auf ihren sprachlich-übersetzerischen und fachlichen As‐ pekt, auf die Problematik des Verhältnisses von Übersetzungskompetenz und Fach-/ Sachkompetenz, auf Ausbildungsmomente, die sich durch das veränderte Berufsbild in der modernen Arbeitswelt ergeben (d. h. Ausbil‐ dungskomponenten wie Textverarbeitung, maschinelle Übersetzungshilfen, Desktop Publishing usw.) kann hier nicht eingegangen werden. 18 Wir be‐ schränken uns auf einige Überlegungen zum Stellenwert einer überset‐ zungswissenschaftlichen Komponente in der Übersetzerausbildung. Es ist kein Geheimnis, dass die Übersetzungstheorie immer noch unter einem ei‐ gentlichen Legitimationszwang steht, wobei es letztlich um das Problem des Verhältnisses von Theorie und Praxis geht. Mit dem (vielfach negativ gemeinten) Schlagwort von der „Verwissenschaftlichung der Ausbildung“ wird von Übersetzungspraktikern und Studierenden, aber auch von aus der Praxis kommenden Lehrkräften nicht nur bezweifelt, dass eine wissen‐ schaftlich-theoretische Durchdringung der mit dem Übersetzen zusammen‐ hängenden Probleme relevant ist für die Praxis (aufgefasst als Überset‐ Einführung 22 <?page no="23"?> zungsfertigkeit), sondern es wird auch befürchtet, dass die Einbeziehung dieser wissenschaftlichen Komponente auf Kosten der Ausbildung der prak‐ tischen Sprach- und Übersetzungskompetenz geht. Beim ersten Vorwurf ist der Relevanzbegriff selbst in Frage zu stellen. Wenn die Vermittlung von (theoretischem) Wissen erst dann ihre Berechti‐ gung findet, wenn sie der Effizienzsteigerung der Ausbildung im Interesse einer direkten Umsetzbarkeit in der späteren Berufspraxis dient, dann müsste in der Tat gefragt werden: Ist ein Übersetzer, der eine wissenschaft‐ lich-theoretisch fundierte Ausbildung erhalten hat, dem Übersetzer überle‐ gen, der „nur übersetzungspraktisch“ ausgebildet wurde? So gestellt kann die Frage nur rhetorisch gemeint sein. Denn jahrzehntelang sind Übersetzer und Dolmetscher an Universitätsinstituten ausgebildet worden, ohne dass die Studiengänge explizit übersetzungswissenschaftliche Veranstaltungen enthielten. Der Übersetzungswissenschaftler wird also kaum ohne Weiteres begründet behaupten können, dass die Praxis seine Wissenschaft zwingend braucht. Der rein auf Nützlichkeit und Verwertbarkeit bezogene Relevanz‐ begriff muss aber als solcher zurückgewiesen werden. Wenn es eine Wis‐ senschaft gibt, die Übersetzen und Übersetzung zum Gegenstand hat, dann müssen ihre Erkenntnisse den Studierenden eines wissenschaftlichen Uni‐ versitätsfachs vermittelt werden. Zurückzuweisen ist auch das Argument, dass es genüge, wenn die Leh‐ renden über die theoretischen Grundlagen verfügten und diese didaktisiert in die Lehre umsetzen würden. Dem Studierenden ist die Möglichkeit der wissenschaftlichen Kritik genommen, wenn ihm das reflektierte und kri‐ tisch hinterfragbare Wissen vorenthalten wird. Ein Studium, das der Aus‐ bildung praktischer Fertigkeiten dient, wird erst dann zu einem wissen‐ schaftlichen Studium, wenn diese Praxis theoretisch reflektiert wird und wenn die Theorien des Gegenstandsbereichs, selbst wenn sie mit der Aus‐ bildung praktischer Fähigkeiten nicht unmittelbar zusammenhängen, ver‐ mittelt werden. Das „Sich-Bewusstmachen der Einflussfaktoren, denen eine Übersetzung unterliegt“ (W. Wilss 1988: 96), bedeutet zwar nicht notwendi‐ gerweise, dass man „besser“ übersetzt, mindestens erlaubt es aber dem Über‐ setzer-Studenten, die Probleme zu erkennen und zu formulieren. Mit dieser Argumentation zugunsten der Übersetzungswissenschaft ist auch der zweite Vorwurf gegen eine theoretische Komponente des Studiums hinfällig. Denn wenn Übersetzungswissenschaft zum Übersetzerstudium als wissenschaftlichem Studium gehört, so kann der eine Teil des Studiums nicht auf Kosten der anderen Teile gehen. Übersetzungswissenschaft‐ Einführung 23 <?page no="24"?> lich-theoretische und übersetzungspraktische Komponenten gehören zu‐ sammen; das Studium muss so geplant und aufgebaut sein, dass beide Kom‐ ponenten ihren Platz haben. Die Bedenken der Praktiker gegenüber der Übersetzungswissenschaft hängen zum Teil mit einem problematischen Selbstverständnis der Über‐ setzungswissenschaft und mit einigen problematischen Entwicklungen in dieser Wissenschaft selbst zusammen. Es ist nicht zu übersehen, dass ein‐ zelne Beiträge zur Übersetzungswissenschaft sich durch eine solche Abs‐ traktheit, mindestens in der Terminologie, auszeichnen, dass sich der Über‐ setzer fragt, was das noch mit seiner Tätigkeit und seinen Problemen und Erfahrungen zu tun haben könnte. In anderen Beiträgen wiederum wird alles Mögliche zwischen Himmel und Erde behandelt, wo irgendwie und irgend‐ etwas „übersetzt“ wird. Und es überrascht nicht, dass sich der Lehrende nicht selten außerstande sieht, die überaus komplizierten Modelle - inklusive Übersetzungen in eine entweder undurchschaubare oder triviale Formel‐ sprache! - so zu verstehen, dass er sie auf seine Lehraufgaben zu beziehen, geschweige denn den Studenten zu vermitteln vermag. Aber hat denn die Übersetzungswissenschaft nicht hinreichend gezeigt, wie fruchtbar und notwendig sie im Blick gerade auf die übersetzungsprak‐ tische Ausbildung ist? Ein zielstrebiger und effektiver Aufbau der überset‐ zerischen Kompetenz kann nur unzulänglich durch das mehr oder weniger mechanische Übersetzen möglichst vieler Texte, die zusammenhanglose Be‐ handlung von sprachlichen und sachlichen Einzelfällen und die unsystema‐ tische Aneinanderreihung von Übersetzungsschwierigkeiten erfolgen. Es geht vielmehr darum, Übersetzungsfälle und -schwierigkeiten systematisch aufzuarbeiten und zu vermitteln; die Grundlagen dazu stellen Untersuchun‐ gen im Bereich der sprachenpaarbezogenen Übersetzungswissenschaft be‐ reit. Sinnvoll ist es auch, wenn die Übersetzungsfälle systematisch innerhalb ganzer Textgattungen (etwa politische Texte, Texte der Medizin, Werbe‐ texte, poetische Texte) analysiert werden. Die Grundlagen dazu erarbeitet die textbezogene Übersetzungswissenschaft. Jedem Übersetzen sollte die Textanalyse vorausgehen; die Methodik dafür findet sich in Arbeiten zur übersetzungsrelevanten Textanalyse. Schließlich sollen Übersetzungen auch beurteilt und bewertet werden; hier hat die wissenschaftliche Übersetzungs‐ kritik ihren Ort. Die Prinzipien schließlich, aufgrund deren in der Überset‐ zungskritik der Adäquatheitsgrad einer Übersetzung festgestellt wird, soll‐ ten in der allgemeinen Übersetzungswissenschaft oder Übersetzungstheorie reflektiert und begründet sein. Einführung 24 <?page no="25"?> 19 Das ist nach J. S. Holmes Rechtfertigung genug: „If translation theory, even at its present state, can give us some more awareness of what we are doing as translators and help us to think and become conscious of our activity, then I think it has fulfilled an important role.“ (1988: 98). Die Notwendigkeit der Vermittlung von Grundfragen und -lagen der Übersetzungstheorie in der Übersetzerausbildung ergibt sich daraus, dass Probleme und Verfahren des Übersetzens, indem sie theoretisch reflektiert werden, bewusst gemacht werden. 19 Theoretische Einsichten führen zwar nicht zwangsläufig zu besseren praktischen Lösungen, wenn es um konkrete Übersetzungsprobleme geht. Wohl aber fühlt sich der Übersetzer in seiner praktischen Arbeit sicherer, wenn er seine Problemlösungen begründen, ggf. verteidigen, wenn nötig auch begründet revidieren kann - dies nicht zuletzt darum, weil er in der Lage ist, das einzelne Problem, die isolierte Schwie‐ rigkeit, in einem größeren Problemzusammenhang zu beurteilen. In diesem Sinne steht die Übersetzungstheorie in unmittelbarem Bezug zu und im Dienste der Übersetzungspraxis. Einführung 25 <?page no="27"?> I. GRUNDLAGEN was übersetzen auf sich habe, läszt sich mit demselben wort, dessen accent ich blosz zu ändern brauche, deutlich machen: übersétzen ist ’übersetzen, traducere navem. wer nun zur seefart aufgelegt, ein schif bemannen und mit vollem segel an das gestade jenseits führen kann, musz dennoch landen, wo andrer boden ist und andre luft streicht. ( J. Grimm in „Über das pedantische in der deutschen sprache“, 1847) Western Europe owes its civilization to translators. (L. G. Kelly 1979: 1) <?page no="29"?> 1 Damit ist die Aussage von K. Reiß (1985: 47) zu kontrastieren: „Übersetzen heißt, die vertrackteste Angelegenheit der Welt zu bewältigen versuchen.“ -Zum sogenannten Translationsmanagement, s. H. Risku (2016). 1 Übersetzen als Praxis 1.1 Notwendigkeit, Funktion und Wert der Übersetzung 1955, im ersten Heft der Zeitschrift Babel, der Revue internationale de la traduction, zitiert Pierre-François Caillé, Präsident der „Fédération Interna‐ tionale de la Traduction“, den Ausspruch „Nous sommes à l’âge de la tra‐ duction“ - in einem Zeitalter der Übersetzung leben wir auch heute noch. Notwendigkeit, Wert und Funktion des Übersetzens, die Wichtigkeit des Übersetzerberufs und die Rolle der Übersetzung in allen Kommunikations‐ bereichen unserer Kultur sind erkannt, inzwischen auch in einer breiteren Öffentlichkeit und bei vielen, aber bei weitem nicht allen Auftraggebern („Frau Meier, übersetzen Sie mir mal schnell diesen Text. Sie können ja Eng‐ lisch.“) 1 . Niemand wird bestreiten, dass Übersetzen (schriftliche Vermittlung eines Textes in einer anderen Sprache) und Dolmetschen (mündliche Ver‐ mittlung) als Praxis unentbehrliche menschliche Aktivitäten sind. Dies ganz einfach darum, weil man in den verschiedensten Bereichen des menschli‐ chen Lebens, in den zwischen- und innerstaatlichen Beziehungen, in Wis‐ senschaft und Technik, im internationalen Geschäfts- und Handelsverkehr, als Leser schöner Literatur, darauf angewiesen ist oder das Bedürfnis hat, Texte anderer als nur der eigenen Sprache zu rezipieren. Übersetzungen ver‐ wendet man so selbstverständlich wie (muttersprachliche) Originaltexte. Übersetzer und Schriftsteller weisen immer wieder auf die fundamentale Bedeutung des Übersetzens und Dolmetschens für Mensch und Gesellschaft hin. Der Übersetzer wird als Mittler zwischen Sprachen, Völkern, Ideologien, Literaturen, Wissenschaften und Kulturen gewürdigt - ja sogar als „Ge‐ heimsender“ betrachtet, „durch den menschliche Partisanen in der ganzen Welt sich gegenseitig Nachricht von ihrer gefährdeten Existenz geben“, wie es H. E. Nossack (1965: 15) ausdrückt. A. W. Schlegel (1826, in H. J. Störig, Hrsg. 1973: 98), sieht im Übersetzer einen Boten von Nation zu Nation, einen „Vermittler gegenseitiger Achtung und Bewunderung, wo sonst Gleichgül‐ <?page no="30"?> tigkeit oder gar Abneigung stattfand“. E. Cary (1956: 180) spricht dem Über‐ setzer die Rolle eines „intermédiaire entre l’univers connu et inconnu“ und eines „pontife jeteur de ponts“ zu: der Übersetzer als Brückenbauer zwischen Sprachen, Texten und Kulturen. Dass Rolle und Wert des Übersetzens erkannt, Leistung und Funk‐ tion der Übersetzer anerkannt werden, ist eigentlich eine Selbstverständ‐ lichkeit, wenn man sich Notwendigkeit und Zweckbestimmung des Über‐ setzens vor Augen hält. Überall und immer, wo Menschen verschiedener Sprache in irgendeiner Weise miteinander zu tun haben und wo das Bedürf‐ nis oder die Notwendigkeit besteht, anderssprachliche Äußerungen und Texte oder Zeugnisse älterer Sprachstufen zu verstehen, und wo es nicht möglich ist, sich einer gemeinsamen Sprache zu bedienen, braucht und gibt es Dolmetscher und Übersetzer, die dank ihrer Sprachkenntnisse die Kom‐ munikation herstellen und das sonst Unverständliche oder Unzugängli‐ che verstehbar machen können. Mittels Übersetzen und Übersetzungen werden Sprach- und Kultur‐ barrieren überwunden. Der Begriff der Sprachbarriere steht bewusst an erster Stelle: Das primäre kommunikative Hindernis ist die Sprachverschie‐ denheit, an ihr scheitert die Verständigung schon im Ansatz. Es gehört zu den trivialen Erfahrungen etwa auf Reisen, dass es nicht die kulturelle Fremdheit ist, die die Kommunikation verunmöglicht, sondern schlicht und einfach die fremde Sprache. Sprachbarrieren sind (sieht man ab von gegen‐ seitig verständlichen Sprachen) absolute Größen, Kulturbarrieren „nur“ re‐ lative. Mit sprachlichen Mitteln werden kulturelle Barrieren überwunden oder mindestens verkleinert (man gestatte dem Autor diesen - wie er meint: berechtigten - aufklärerischen Optimismus). Sprachbarrieren sind immer Kommunikationsbarrieren, und oft genug sind sie zugleich auch Kulturbar‐ rieren. Aber viele kulturell bedingte Barrieren sind keine Sprachbarrieren und können mit Übersetzen als sprachlich-kulturellem Transfer überwun‐ den werden. Sprachbarrieren sind das Resultat der Vielsprachigkeit der Mensch‐ heit, deren Ausmaß unfassbar und letztlich auch irgendwie „ärgerlich“ ist: Man ist geneigt, die Fähigkeit, sich sprachlich mitzuteilen und sprachlich Mitgeteiltes zu verstehen, als spezifisch menschliche Fähigkeit aufzufassen. Aber sogleich muss man die Einschränkung machen, dass dies zunächst ja nur innerhalb einer Sprachgemeinschaft gilt, und zwar einer von Tausenden. 1 Übersetzen als Praxis 30 <?page no="31"?> 2 Nach D. Crystal (2010: 294) bewegen sich die Angaben in der Fachliteratur zwischen 3.000 und 10.000 Sprachen. - In D. Crystal (2010) finden sich kurze, hervorragend il‐ lustrierte Übersichtsartikel zu einer Reihe von Themen, die in Teil I dieses Buches be‐ handelt werden: Sprachbarriere, künstliche Sprachen, Weltsprachen, Multilingualis‐ mus, Fachsprachen - und natürlich Übersetzen und Dolmetschen. 3 Man mache die Probe aufs Exempel mit den Luther-Zitaten in I.2.4. Die Zahlen sind umstritten und die Schätzungen schwanken beträchtlich. 2 H. F. Wendt (1987: 356) spricht von „über 2500 auf der Erde gesprochenen Sprachen“. Noch unbestimmter ist K. Katzner (2002: IX), wenn er schreibt, dass die Zahl der Sprachen „in die Tausende“ gehe; er rechnet allein mit mehr als tausend Indianersprachen und knapp tausend Sprachen in Afrika. Auf Neuguinea soll es 700 verschiedene Sprachen geben; Indien weist über 150, Russland über 100 und China mehrere Dutzend Sprachen auf. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass die überwiegende Mehr‐ zahl dieser Sprachen kleine bzw. Kleinstsprachen sind (mit z. T. weniger als 100 bis zu einigen tausend Muttersprachlern). Von über 95 % der Weltbevölkerung werden weniger als 100 Sprachen gesprochen. Außerdem hängen Definition und damit die Zählung von Sprachen entscheidend davon ab, wie man Sprache und Dialekt unterscheidet. Aber selbst wenn man die Sprachen nicht mitzählt, die gegenseitig verständlich sind wie etwa Schwedisch, Norwegisch und Dä‐ nisch oder Spanisch und Portugiesisch (mit Einschränkungen, vor allem im mündlichen Bereich), vielleicht auch Italienisch und Spanisch, ist die Zahl der Sprachen und damit der potentiellen Sprachbarrieren unglaublich hoch. Übersetzungen braucht man, weil man aktiv oder passiv im Allgemeinen nur eine oder zwei Fremdsprachen beherrscht. Die in einer bestimmten ge‐ sellschaftlichen oder privaten, beruflichen oder wissenschaftlichen Praxis relevante Literatur kann jedoch in Sprachen abgefasst sein, die man gerade nicht beherrscht. Und selbst wenn einem die betreffende Fremdsprache ge‐ läufig ist, heißt das nicht, dass diese Kenntnisse für das Verständnis von allen Texten der betreffenden Sprache (selbst in eingeschränkten Sachbereichen) ausreichend sind. Man denke etwa an die Schwierigkeiten, die ein Kant-Text französischsprachigen Lesern (deutschsprachigen allerdings auch) selbst mit guten Deutschkenntnissen bereiten muss. Man vergegenwärtige sich die stark differenzierten Sprachschichten (etwa Slang oder dialektale Ein‐ schläge), die einem in der betreffenden Fremdsprache nicht geläufig sind. Man denke an ältere Sprachstufen: Während das Frühneuhochdeutsche ei‐ nem deutschsprachigen Leser vielleicht bei einiger Anstrengung noch zu‐ gänglich ist, 3 stellt es den Fremdsprachigen vor große Probleme. 1.1 Notwendigkeit, Funktion und Wert der Übersetzung 31 <?page no="32"?> 4 Verfasser technischer Texte beispielsweise sind in der Regel Ingenieure, deren schrift‐ liche Ausdrucksfähigkeit nicht selten zu wünschen übrig lässt. Die Verbesserung sol‐ cher „defekter“ AS-Texte in der Übersetzung setzt beim Übersetzer nicht nur die ent‐ sprechenden sprachlich-stilistischen Fähigkeiten, sondern auch Sachkenntnisse voraus. - Zum Übersetzen als wissensbasierter Tätigkeit, s. W. Wilss (2004); P. A. Schmitt (1999, Abschnitt 2.2. „Probleme durch Ausgangstextdefekte“). 5 Vgl. die Gründe, die J. Grimm dazu anführt, warum er „jede Bearbeitung eines Gedichts für eine Verletzung, also für schlecht und namentlich jede Übersetzung für unrecht, also ein Übel“ hält („Briefe der Brüder Grimm an Savigny“, hrsg. v. W. Schoof, Berlin 1953, Brief vom 20. 5. 1811). Die Brüder Grimm streiten sich darüber, ob die Herausgabe altdeutscher Poe‐ sie in Form einer Übersetzung (Standpunkt Wilhelms) oder einer kritischen Textausgabe (Standpunkt Jacobs) erfolgen sollte. Hinzu kommt das Kriterium des effizienten Lesens und Verstehens: Einen Text in der eigenen Sprache versteht und rezipiert man im Allgemeinen ra‐ scher und besser als einen fremdsprachigen Text (dies gilt selbst dann, wenn man über beachtliche Kenntnisse der betreffenden Sprache verfügt). Hierin liegt übrigens ein Argument für das Übersetzen im fremdsprachlichen Un‐ terricht (mindestens auf einer höheren Stufe): Das Übersetzen in die eigene Sprache zeigt, ob (und wie) man einen Text verstanden hat und wo Verste‐ hensschwierigkeiten liegen. Das Übersetzen in die Fremdsprache wiederum bringt muttersprachliche Verstehensschwierigkeiten an den Tag. Überset‐ zung kann als Kritik des ausgangsprachlichen Textes fungieren: Als Übersetzer macht man immer wieder die Erfahrung, wie ungenau oder vage, ja wie unlogisch Originaltexte in sprachlicher und argumentativer Hinsicht sein können, ganz zu schweigen von sachlichen Fehlern. In diesem Zusam‐ menhang stellt sich die Frage, wie weit der Übersetzer den Text in der Über‐ setzung „verbessern“ soll (s. u., II.4.1.2/ II.4.1.3). 4 Es gibt vereinzelte Stimmen, die im Zusammenhang mit der Behauptung, literarische, insbesondere poetische, Texte ließen sich grundsätzlich nicht ad‐ äquat übersetzen, geltend machen, dass man nicht übersetzen sollte, ja eigent‐ lich nicht übersetzen dürfe, weil der negative Effekt durch die „verfäl‐ schende“ Übersetzung größer sei als der Gewinn, einen sonst unzugänglichen Text lesen zu können. 5 Es ist die Auffassung, dass man Latein und Griechisch beherrschen müsse, wenn man die antiken Klassiker lesen wolle. Diese Ein‐ stellung ist nicht selten gepaart mit Geringschätzung und Abwertung der Leis‐ tungen literarischer Übersetzer, der Unterschätzung ihrer kreativen Fähigkei‐ ten, bei gleichzeitiger unsachgemäßer Überdimensionierung der tatsächlichen sprachlichen, kulturbedingten und formal-ästhetischen Hindernisse beim Übersetzen. Johann Wolfgang von Goethe nahm diesbezüglich eine großzügi‐ 1 Übersetzen als Praxis 32 <?page no="33"?> gere (und wohl auch realistischere) Haltung ein. In den „Gesprächen mit Eckermann“ ist überliefert, dass er in einem Gespräch mit einem englischen Ingenieur-Offizier dessen Landsleuten empfiehlt, neben dem Französischen, das als „Sprache des Umgangs“ und auf Reisen unentbehrlich sei, das Deut‐ sche zu erlernen, denn griechische, lateinische, italienische und spanische Werke könne man „in so guten deutschen Übersetzungen lesen, dass wir ohne ganz besondere Zwecke nicht Ursache haben, auf die mühsame Erlernung je‐ ner Sprachen viele Zeit zu verwenden“ (10. Januar 1825). 1.2 „Kleine“ und „große“ Sprachen In besonderem Maße auf Übersetzungen angewiesen sind die Angehörigen „kleiner“ Sprachgemeinschaften. Selbstverständlich nicht nur auf Überset‐ zungen: Eine ebenso große Rolle spielt hier zweifellos der Fremdsprachen‐ unterricht, die Aneignung mindestens einer „Weltsprache“. Denn in den „großen“ Sprachen gibt es wiederum Übersetzungen von jenen Texten, de‐ ren Herausgabe in einer „kleinen“ Sprache unökonomisch wäre. In diesem Zusammenhang sind die Bemühungen in den nordischen Ländern mit ihren kleinen Sprachen zu sehen, in den Schulen die Weltsprache Englisch so früh und so intensiv wie möglich zu lehren. Umgekehrt gilt natürlich auch, dass wissenschaftlich-technische ebenso wie literarische Texte dieser kleinen Sprachen in die großen übersetzt wer‐ den müssen, wenn sie international zur Kenntnis genommen werden sollen. Kein Wunder übrigens, dass immer mehr Wissenschaftler, deren Mutter‐ sprache eine kleine Sprache ist, ihre Arbeiten in einer Weltsprache abfassen. Und diese Weltsprache ist zunehmend das Englisch-Amerikanische. Die li‐ terarische Produktion in kleinen Sprachen kann nur mit Übersetzungen an der Weltliteratur teilnehmen und zur Weltliteratur werden. Probleme gibt es nicht nur im Zusammenhang mit dem Verhältnis kleiner zu den großen Sprachen, sondern auch bei großen Sprachen. Russische, chi‐ nesische, japanische, aber auch spanische und italienische Fachliteratur ebenso wie die schöne Literatur dieser Sprachen müssen ins Deutsche (oder bei Fachliteratur ins Englische) übersetzt sein, wenn sie im deutschen Sprach‐ raum rezipiert werden sollen. Dass hier große Lücken bestehen, zeigt - um ein beliebiges Beispiel zu wählen - die Forschungslage zur Phraseologie: Die deutsche Sprachwissenschaft hat die sowjetische Phraseologie-Linguistik kaum rezipiert, nicht rezipieren können, weil die betreffenden Arbeiten fast 1.2 „Kleine“ und „große“ Sprachen 33 <?page no="34"?> ausschließlich in russischer Sprache erschienen sind. Oder unser Fachgebiet selbst: Der übersetzungstheoretisch innovative J. S. Holmes beklagt in ver‐ schiedenen seiner Arbeiten, dass ihm die sowjetrussische Übersetzungstheo‐ rie mangels Übersetzungen nicht zugänglich sei. Groß und klein sind relative und veränderliche Größen: In den letzten Jahrzehnten sind bisher höchst selbstverständlich als „groß“ betrachtete Sprachen zu mittleren, ja kleinen Sprachen geworden. Im Zuge der euro‐ päischen Einigung haben große Sprachen wie Deutsch und Französisch und sogar eine Weltsprache wie Spanisch ihre bisher unangefochtene Position eingebüßt. Und eine „mittlere“ Sprache wie das Italienische ist nur noch ein gewöhnliches Mitglied im Chor der Sprachen. Unbestrittener Solist ist das Englisch-Amerikanische; aber wer weiß, ob nicht in absehbarer Zeit ein zu‐ sätzlicher Solist die Bühne betreten wird: das Chinesische (zu den interna‐ tionalen Verkehrssprachen, s. u., I.4.2). 1.3 Übersetzungsproduktion in Deutschland Von den 72.499 im Jahre 2017 in Deutschland produzierten Buchtiteln (Erst‐ auflagen) sind 9.890 Titel (13,6 %) Übersetzungen. 2008 war die Prozentzahl wesentlich kleiner, und zwar 8,8 % (7.342 von 83.381), im Jahre 1988 in der BRD mit 14,4 % (9.878 von 68.611) allerdings noch größer. Diese und weitere aufschlussreiche statistische Angaben zur Übersetzungsproduktion finden sich in der Publikation Buch und Buchhandel in Zahlen, die jährlich vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels herausgegeben wird. Für die internationale Übersetzungsproduktion sei verwiesen auf den Index translationum der UNESCO (Paris 1932 ff.; Neue Serie, 1949 ff.). Der Index erschien ab 1993 als CD-ROM, inzwischen ist er als Online-Datenbank zugänglich (s. dazu W. Heidermann 2007): <http: / / www.unesco.org/ culture/ xtrans/ >. Hier finden sich zahlreiche Suchmöglichkeiten: Welches sind die meist übersetzten Autoren, die Sprachen, aus denen/ in die am meisten über‐ setzt wird, wie heißt ein bestimmter Roman in einer anderen Sprache? Wel‐ che Übersetzungen gibt es von Max Frischs „Montauk“? W. Heidermann zeigt auch die Schwächen der Datenbank auf und macht konkrete Vor‐ schläge, wie man „diesem per se unverzichtbaren Instrumentarium mehr Ef‐ fizienz verleihen könnte“ (134). In Tab. I.1-1 wird die Zahl der Übersetzungen (Erstauflagen) nach Herkunfts‐ sprache aufgelistet (für das Jahr 2017). Die der Schrift Buch und Buchhandel in 1 Übersetzen als Praxis 34 <?page no="35"?> Zahlen, Ausgabe 2018, S. 98, entnommene Tabelle zeigt das Übergewicht des Englischen, die (relativ) starke Stellung des Französischen und die (relativ) schwache Stellung anderer mittlerer und großer europäischer Sprachen und des Japanischen. Interessant ist, dass die Weltsprache Chinesisch zahlenmäßig in der gleichen Größenkategorie vertreten ist wie etwa das Finnische, Polnische und Türkische. Fasst man die acht Herkunftssprachen zusammen, die mehr als 100 übersetzte Titel aufweisen, d. h. Englisch bis und mit Russisch, dann stellen diese nicht weniger als 90,9 % aller Übersetzungen. Sprache Anzahl der Übersetzungen Anteil in % Englisch 6.347 64,2 Französisch 1.136 11,2 Japanisch 612 6,2 Italienisch 254 2,6 Schwedisch 242 2,4 Niederländisch 177 1,8 Spanisch 143 1,4 Russisch 107 1,1 Norwegisch 99 1,0 Dänisch 73 0,7 Hebräisch 46 0,5 Finnisch 44 0,4 Polnisch 44 0,4 Griechisch (alt) 41 0,4 Chinesisch 37 0,4 Türkisch 35 0,4 Portugiesisch 30 0,3 Latein 25 0,3 Tschechisch 24 0,3 1.3 Übersetzungsproduktion in Deutschland 35 <?page no="36"?> 6 In diesem Bereich fällt der große und wachsende Anteil von Übersetzungen von Comics auf: Es handelt sich 2017 um 1501 Titel, d. h. 73,7 % der Titel unter DK 700 (2008 waren es 222 von 715 Titeln, d. h. 31 %). Griechisch 20 0,3 Sonstige 271 2,7 Insgesamt 9.890 100 Tab. I.1.-1: Herkunftssprachen der Übersetzungen ins Deutsche 2017 (Top 20) Tab. I.1.-2 zeigt, wie sich 2017 die deutsche Übersetzungsproduktion hin‐ sichtlich der einzelnen Sachgruppen verteilt (nach Buch und Buchhandel in Zahlen, Ausgabe 2018, S. 100 ff.). Sachgruppe Anzahl der Über‐ setzungen Anteil an al‐ len Überset‐ zungen in % Anteil an allen Sachgruppentiteln in % DK 000: Allgemeines, Informatik, Informationswissenschaft 69 0,7 4,3 DK 100: Philosophie und Psycho‐ logie 471 4,8 10,7 DK 200: Religion 656 6,6 13,0 DK 300: Sozialwissenschaften 405 4,1 3,3 DK 400: Sprache 22 0,2 1,1 DK 500: Naturwissenschaften und Mathematik 114 1,2 6,5 DK 600: Technik, Medizin, ange‐ wandte Wissenschaften 818 8,3 6,8 DK 700: Künste und Unterhaltung 6 2.037 20,6 20,7 DK 800: Literatur 5.619 56,8 18,5 DK 900: Geschichte und Geografie 419 4,2 6,2 Insgesamt 9.890 100,0 13,6 Tab. I.1.-2: Übersetzungen ins Deutsche nach Sachgruppen (Dewey-Dezimalklassifi‐ kation) 1 Übersetzen als Praxis 36 <?page no="37"?> Die Sachgruppe DK 800 Literatur ist im Jahre 2017 mit 5.619 Titeln mit den meisten Übersetzungen vertreten. Dabei stellen Übersetzungen von belle‐ tristischen Werken nicht weniger als 26,1 % (3.720 Titel) aller Titel dieser Sachgruppe (s. Tab. I.1.-3). Auch die Kinder- und Jugendliteratur ist mit 1.809 Titeln, 20,7 % aller Titel dieser Sachgruppe, stark vertreten. Bei den Her‐ kunftssprachen der übersetzten literarischen Werke sind es wieder das Eng‐ lische und Amerikanische, die dominieren; es folgen die Übersetzungen aus dem Französischen, anderen germanischen und den romanischen Sprachen. Ausgewählte Untergruppen zu DK 800: Literatur Anzahl der Über‐ setzungen Anteil an al‐ len Überset‐ zungen in % Anteil an allen Sachgruppen‐ titeln in % 810 Englische Literatur Amerikas 1.403 14,2 91,5 820 Englische Literatur 1.027 10,4 79,5 839 Literatur in anderen germani‐ schen Sprachen 270 2,7 82,3 840 Französische Literatur 326 3,3 70,3 850 Italienische, rumänische, räto‐ romanische Literatur 130 1,3 70,7 860 Spanische und portugiesische Literatur 102 1,0 59,0 B Belletristik 3.720 37,6 26,2 K Kinder- und Jugendliteratur 1.809 18,3 20,7 Tab. I.1.-3: Ausgewählte Untergruppen zu DK 800: Literatur Bei Fachtexten dürfte sich die Dominanz des Englisch-Amerikanischen in Zukunft noch verstärken; sie werden, soweit sie sich an ein internationales Publikum richten, in dieser lingua franca verfasst oder in englischen Über‐ setzungen vermittelt. Im Bereich populärwissenschaftlichen Schrifttums und der schönen Literatur wird die Übersetzung aber ihre starke Position behalten: Der Durchschnittsleser will diese Texte in seiner Muttersprache rezipieren. 1.3 Übersetzungsproduktion in Deutschland 37 <?page no="38"?> 1.4 Zusammenfassung Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Rolle und dem Wert der Übersetzung und mit der Leistung und Funktion der übersetzerischen Tätigkeit vor dem Hin‐ tergrund der Vielsprachigkeit der Menschheit. Die besondere Bedeutung des Übersetzens für die „kleineren“ Sprachgemeinschaften wird thematisiert. Schließlich wird die Übersetzungsproduktion in Deutschland mit den neu‐ esten zugänglichen Zahlen dokumentiert. 1 Übersetzen als Praxis 38 <?page no="39"?> 7 S. dazu W. Graeber (2004), S. Schwarze (1995, 1999), J. Kitzbichler (2008); Sammlungen von Übersetzervorreden: W. Graeber, Hrsg., (1990), M. Grimberg (1998), F.-R. Hausmann (1997, abrufbar unter <http: / / www.freidok.uni-freiburg.de/ volltexte/ 357/ >). - Zu bedenken ist dabei immer, dass die theoretischen Aussagen der Übersetzer reine „commonplaces of hu‐ mility“ sein können, die nicht viel mit der Praxis des Übersetzens zu tun haben, wie S. K. Workman (1940: 83) für englische Übersetzungen des 15. Jahrhunderts feststellt. 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 2.1 Explizite und implizite Übersetzungstheorie Parallel zur übersetzerischen Praxis, die Jahrtausende alt ist, gibt es Aussa‐ gen über diese Praxis, also deren theoretische Reflexion, die als vorwis‐ senschaftliche Beschäftigung mit der Übersetzungsproblematik gel‐ ten kann. Sie besteht aus 1. Sprüchen und metaphorischen Äußerungen zum Übersetzen, die theore‐ 1. tisch zum Teil zwar von beschränktem Aufschlusswert sind, aber doch Hinweise auf grundsätzliche Probleme enthalten (I.2.2 und I.2.3). 2. Äußerungen, Reflexionen zum Übersetzen und ausführlichere Erör‐ 2. terungen der Übersetzungsproblematik, die von Übersetzern selbst stammen, meistens in direktem Zusammenhang mit der Überset‐ zungstätigkeit entstanden sind und in denen (oft unmittelbar praxis- und fallbezogen) prinzipielle Aspekte diskutiert werden (I.2.5). Von besonderer Bedeutung für die deutsche Übersetzungstheorie sind die grundlegenden und immer wieder diskutierten Beiträge von Martin Luther und Friedrich Schleiermacher (I.2.4). Bei den theoretischen Äußerungen zu Übersetzungsmethoden, -prinzipien und -verfahren, mit denen Übersetzer ihre Übersetzungsarbeit begleiten, handelt es sich um explizite Übersetzungstheorie. Diese Theorien der Übersetzer schlagen sich seit dem Spätmittelalter in Vor- und Nachworten, in Kommentaren und Anmerkungen zu deutschen Übersetzungen nieder; seit dem 16./ 17. Jahrhundert finden sich zunehmend selbständige Aufsätze und Abhandlungen zu prinzipiellen Aspekten der Übersetzung wie auch zu praktischen Einzelproblemen. 7 <?page no="40"?> 8 Zu expliziter und impliziter Übersetzungstheorie im 18. Jahrhundert, s. F. Münzberg (2003). 9 „Goethes Briefwechsel mit Thomas Carlyle“, hrsg. v. G. Hecht, Dachau o. J., Brief vom 20. 7. 1827. 10 Auf die Spitze getrieben in Thomas Bernhards Komödie „Der Weltverbesserer“, wo es heißt: „Sie [Die Übersetzer] haben meinen Traktat entstellt/ total entstellt/ Die Übersetzer entstellen die Originale/ Das Übersetzte kommt immer nur als Verunstaltung auf den Markt“ etc. etc. Unter impliziter Übersetzungstheorie werden die Übersetzungsvor‐ entscheidungen und -prinzipien verstanden, die sich aus der Übersetzung selbst bzw. aus dem Vergleich von Übersetzung und Original erschließen lassen. 8 Übersetzungstheorie in althochdeutscher und mittelhochdeutscher Zeit ist weitgehend nur als implizite Theorie fassbar; ausführlichere explizite Aussagen zum Übersetzen gibt es im deutschsprachigen Raum erst seit dem deutschen Frühhumanismus (s. u., I.3.5). Es ist Aufgabe der Übersetzungs‐ kritik, die Prinzipien, von denen sich ein Übersetzer leiten lässt, d. h. seine implizite Übersetzungstheorie, durch den Vergleich von Original und Über‐ setzung(en) herauszuarbeiten; es geht dabei um die Rekonstruktion der Hierarchie von Äquivalenzforderungen, welcher der Übersetzer in seiner Arbeit folgt. 2.2 Sprüche Denn, was man auch von der Unzulänglichkeit des Übersetzens sagen mag, so ist und bleibt es doch eins der wichtigsten und würdigsten Geschäfte in dem allge‐ meinen Weltwesen. ( J.W. von Goethe) 9 Es sind nicht die positiven Äußerungen, die in den Sprüchen und Aphorismen dominieren, sondern die Aussagen zur Unmöglichkeit des Übersetzens allgemein bzw. der Unzulänglichkeit einzelner Übersetzungen. Da gibt es zunächst ganz pauschale, weiter nicht begründete Abrechnungen mit dem Übersetzen, 10 wie sie in folgenden Sprüchen, Epigrammen und Gedichten zum Ausdruck kommen: ein übersetzt Buch - ein verletzt Buch traduction - trahison (‚Übersetzung - Verrat‘) traduttore - traditore (‚Übersetzer - Verräter‘) libro tradotto - libro corrotto (‚übersetztes Buch - korruptes Buch‘) 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 40 <?page no="41"?> 11 „Klage eines Gedichts“ (1796), in „Klopstocks sämmtliche Werke“, Bd. IV, Leipzig 1854, 382. - Merkwürdig, wie fremd, ja eigentlich kaum mehr nachvollziehbar uns diese Art von klassischem Bildungshumor heutzutage anmutet. In der Sammlung „Deutsche Epigramme“ (hrsg. von K. Altmann, 1966), fin‐ den sich folgende Zeilen von Friedrich August Weisshuhn (1759-1792): Die Übersetzung In diesem Buch, sprach Rolf, versteh’ ich nicht ein Wort, Drum seid so gut und helft mir doch ein wenig fort. Da wird euch, sprach ich, wohl die Übersetzung dienen, Die jüngst davon in Wien erschienen. Nicht doch, erwidert Rolf, und lacht: Denn, Freund! Die hab’ ich selbst gemacht Johann Christoph Friedrich Haug (1761-1829) dichtet: Über eine schlechte Übersetzung Kommt die Verdeutschung wohl heraus? - „Ich zweifle nicht; Denn jeder Totschlag kommt an’s Licht.“ Und Ephraim Moses Kuh (1731-1790) reimt: Der Übersetzer der Alten Du übersetzt die alten Poeten? Das heißt wohl recht, Gestorbene töten. Friedrich Gottlieb Klopstock lässt in einer Ode ein Gedicht verzweifelt aus‐ rufen: 11 Vor Dolmetschungen, ach, bewahret mich, Göttinnen, hab’ ich Allen Musen gefleht; aber sie hörten mich nicht. Auch dem dritten Ohr des lacedämonischen Phöbus Fleht’ ich umsonst und, ach, selber dem vierten umsonst! Hattest, Apollo der Kriegerstadt, du allein denn nicht Pfeile, Daß du, mich rettend, damit träffst die translätinge Faust? Gallier haben noch jüngst mich übersetzt; doch sie wähnen’s Nur, sie haben mich dort über den Lethe gesetzt. O, wie grub mir der Wunden so viel’ ihr triefender Dolch ein, Und wie röthete sich mir die getroffene Brust! 2.2 Sprüche 41 <?page no="42"?> 12 S. dazu W. Koller (1972: 40 ff.), K. Reiß (1970), T. Hermans (2004), R. Stolze (2003: 9 ff.), J. St. André, Hrsg. (2010). 13 W. Benjamins Nachdenken über das Übersetzen ist im modernen philosophischen Dis‐ kurs wieder aufgenommen worden, vgl. etwa J. Derrida (1985, 1988), A. Benjamin (1989). 2.3 Vergleiche und Metaphern Das, was dem Übersetzer (oder dem Leser und Kritiker von Übersetzungen) problematisch erscheint, wird nicht selten in höchst geistreiche Vergleiche und Metaphern gefasst, die sich zum Teil unverändert durch Jahrhunderte hindurch verfolgen lassen. 12 Diese stellen einen ersten Ansatz zu einer theo‐ retischen Auseinandersetzung dar. So greift Miguel de Cervantes zum Bild mit dem gewendeten Teppich (in H. J. Störig, Hrsg. 1973: VII), um das grundsätzliche Ungenügen von Übersetzungen zu illustrieren - wie vor ihm schon Plutarch und nach ihm zahlreiche Autoren, die über das „fragwürdige Geschäft“ des Übersetzens reflektieren: Desungeachtet scheint es mir, dass das Übersetzen aus einer Sprache in die andere, wenn es nicht aus den Königinnen der Sprachen, der griechischen und lateinischen geschieht, sich so verhält, als wenn man die flamländischen Tapeten auf der unrech‐ ten Seite sieht, denn obgleich sich die Figuren zeigen, so sind sie doch voller Fäden, die sie entstellen, und sie zeigen sich nicht in der Schönheit und Vollkommenheit wie auf der rechten Seite; auch beweist das Übersetzen aus leichten Sprachen ebensowe‐ nig Talent wie Beredsamkeit, sowenig wie der beides zeigen kann, der ein Papier vom andern abschreibt. Deswegen aber will ich nicht sagen, dass das Übersetzen keine löbliche Arbeit sei, denn der Mensch kann noch mit andern, schlimmern Dingen seine Zeit zubringen und die ihm weniger Nutzen gewähren. Bei W. Winter (1961: 68) findet sich folgender Vergleich: It seems to me that we may compare the work of a translator with that of an artist who is asked to create an exact replica of a marble statue, but who cannot secure any marble. He may find some other stone or some wood, or he may have to model in clay or work in bronze, or he may have to use a brush or a pencil and a sheet of paper. Whatever his material, if he is a good craftsman, his work may be good or even great; it may indeed surpass the original, but it will never be what he set out to produce, an exact replica of the original. Zu den tiefsinnigsten Äußerungen zum Übersetzen gehört W. Benjamins (1923: 166) Wesensbestimmung der Übersetzung: 13 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 42 <?page no="43"?> 14 Nach der Ausgabe des „Sendbriefes“ von E. Arndt, Halle/ Saale (1968: 32); in H. J. Störig, Hrsg. (1973: 21); s. dazu H. Gelhaus (1989: 109 ff.). Die wahre Übersetzung ist durchscheinend, sie verdeckt nicht das Original, steht ihm nicht im Licht, sondern lässt die reine Sprache, wie verstärkt durch ihr ei‐ genes Medium, nur um so voller aufs Original fallen. Das vermag vor allem Wörtlichkeit in der Übertragung der Syntax, und gerade sie erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. Denn der Satz ist die Mauer vor der Sprache des Originals, Wörtlichkeit die Arkade. Auch in neueren übersetzungstheoretischen Arbeiten finden sich Vergleiche und Metaphern; in ihrem Aufsatz „Taking Fidelity Philosophically“ geht B. Johnson (1985: 143 f.) von der Analogie zwischen Übersetzung und Ehe aus, ja Übersetzung ist Bigamie, schlimmer noch - Inzest (selbst die sprach‐ liche Kastration bleibt uns nicht erspart! ). W. Wilss (1988) knüpft an die in der Übersetzungstheorie fruchtbare Schifffahrts-Metaphorik an (s. das diesem Hauptteil vorangestellte Grimm-Zitat): „Übersetzungsprobleme sind wie Stromschnellen, um die man vorsichtig herummanövrieren muss“ (60); der Steuermann (d. h. der Übersetzer) muss „den Kurs des Schiffes ständig justieren“, daraus resultiert ein „Zickzackkurs“ (83), und: Auch Übersetzen hat oft Labyrinth-Charakter; hier den richtigen Navigationspfad zu finden ist schwierig, weil es beim Übersetzen nicht um einfache Ortsverände‐ rungen in einem physikalischen Umfeld, sondern um komplexe Bewusstseins‐ vorgänge geht, für die es keine leicht kopierbaren Ariadnefäden gibt. (92) 2.4 Luthers und Schleiermachers Rechenschaftsberichte Für die deutsche Übersetzungstheorie grundlegend sind die Arbeiten von Martin Luther und Friedrich Schleiermacher - mit ihren Thesen (die in einer Tradition stehen, die bis in die Antike zurückreicht) setzt man sich immer wieder und auch heute noch intensiv auseinander. In seinem „Sendbrief vom Dolmetschen“ aus dem Jahre 1530 umreißt M. Luther sein Übersetzungs‐ prinzip mit folgenden berühmt gewordenen Sätzen: 14 man mus die mutter jhm hause/ die kinder auff der gassen/ den gemeinen mann auff dem marckt drumb fragen/ und den selbigen auff das maul sehen/ wie sie 2.4 Luthers und Schleiermachers Rechenschaftsberichte 43 <?page no="44"?> 15 Die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gasse, der „gemeine“ Mann auf dem Markt: was für ein wunderschönes Beispiel für die kulturell-historische Gebundenheit von Texten und für das Problem der Übersetzung aus älteren Sprachstufen (s. u., I.5.3., zur intralingualen Übersetzung) und für die Diskussion der Übersetzungsmethoden. Soll man aus dem Mann auf dem Markt einen man in the street machen? Und was mit der Mutter im Hause? Oder wäre Menschen wie du und ich eine gute Lösung? Oder alles so belassen, wie es ist: als nachvollziehbares Zeugnis einer vergangenen Kultur? 16 In der Ausgabe von E. Arndt, 36; in H. J. Störig, Hrsg. (1973: 25). reden/ und darnach dolmetzschen/ so verstehen sie es den/ und mercken/ das man Deutsch mit jn redet. 15 Das Prinzip des Verdeutschens, das bedeutet, „die Buchstaben fahren zu las‐ sen“, gilt für Luther freilich nicht uneingeschränkt. Dort, wo es in seinem Ver‐ ständnis um wichtige theologische Begriffe („wo etwa an einem ort gelegenn ist“) geht, übersetzt er „buchstäblich“, d. h. wörtlich, was unter Umständen auf Kosten der unmittelbaren Verständlichkeit und Eingängigkeit im Deutschen geht. Verstehen als Auslegung - bei Luther theologische Auslegung - und Übersetzen gehören, das macht der „Sendbrief“ deutlich, zusammen: Jede Übersetzung ist eine bestimmte Art von Auslegung. Luthers „Sendbrief“ ist Erläuterung und Verteidigung einiger theologisch umstrittener Stellen. Es geht insbesondere um den für die Reformation so bedeutsamen Zusatz des Wortes „allein“ (Römer 3,28): eine Stelle, die Luther selbst als „Hauptstück christlicher Lehre“ bezeichnet. 16 Derartige Diskussionen über die „rechte“, das heißt treue und inhaltlich adäquate Übersetzung machen deutlich, wie Textaus‐ legung und Sorge und Bemühen um das richtige Verstehen Teil der übersetze‐ rischen Tätigkeit sind. Bei einer Neuübersetzung geht der Übersetzer davon aus, dass der vorliegende Text hinsichtlich Übersetzungsmethode, sprachlich-sti‐ listischer Fassung und Textinterpretation den veränderten Auslegungs- und Übersetzungsgegebenheiten nicht (mehr) entspricht. Luthers Entscheidung bezüglich Wörtlichkeit und Freiheit ist eine theologi‐ sche Entscheidung und als solche bestimmt durch seinen Glauben. F. Rosen‐ zweig (1926) macht geltend, dass die „Glaubensfrage“ als Frage nach der neuen Auslegung, die die Übersetzungsarbeit bestimmt, neu gestellt werden müsse. Denn in seiner Zeit sei der Offenbarungsbegriff Luthers verloren gegangen; sie erhoffe sich die „Offenbarung des ihr Glaubenswürdigen“ gerade in dem, „was Luther als bloßes Bild und Exempel des Lebens aus dem fest und sichtbar und für immer eingegrenzten Glaubenskern des Buchs herausverwiesen hatte“ (224). Es geht letztlich um den subjektiven Faktor im Übersetzungsprozess, um den Übersetzer, der festlegt, welche Auslegungsmöglichkeit sprachlich reali‐ 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 44 <?page no="45"?> 17 W. Schadewaldt (1966: 851) spricht von einem „übersetzerischen Glaubensbekenntnis“. 18 Auf die Übersetzung als Auslegung und als individuelle Verstehens- und Interpretationsleis‐ tung des Übersetzers fokussiert der hermeneutische Ansatz in der Übersetzungswissen‐ schaft (s. II.2.8.). 19 Diese Perspektive wird wieder aufgenommen bei H.-G. Gadamer; vgl. dazu die Abschnitte in „Wahrheit und Methode“ (1960, in H. J. Störig, Hrsg. 1973), die sich mit dem Übersetzen be‐ fassen. 20 Vgl. dazu G. Antos (1982: 116 ff.), für den Texte „ihrem Wesen nach“ Verständnisangebote sind: „Diese Bestimmung respektiert die Tatsache, dass Texte interpretationsfähig und bis‐ weilen auch interpretationsbedürftig sind. Ferner wird damit verständlich, warum Texther‐ steller mit einer prinzipiellen, wenn auch minimierbaren Diskrepanz zwischen im Text Ge‐ sagtem und Verstandenem zu rechnen haben. Eine Konsequenz ist, dass sogar Texthersteller ihre eigenen Texte manchmal nicht mehr/ unterschiedlich oder anders ver‐ stehen als früher. Texte erscheinen somit als Verständnisangebote auch für den Herstel‐ ler.“ (198) siert werden soll. Der Einfluss, den die Auffassung des Übersetzers vom „rich‐ tigen“ und „rechten“ Übersetzen und die Interpretation des zu übersetzenden Textes 17 auf die Übersetzung haben, lassen sich gut nachweisen - und das nicht nur an der Bibelübersetzung, sondern an jedem auslegungsoffenen und inter‐ pretationsbedürftigen Text. 18 In seiner Abhandlung „Ueber die verschiedenen Methoden des Ueberse‐ zens“ (1813), dem im 19. Jahrhundert im deutschen Sprachraum wohl wich‐ tigsten theoretischen Beitrag zum Übersetzen, stellt Friedrich Schleierma‐ cher die Prinzipien dar, die seiner Platon-Übersetzung zugrunde liegen. Es ist ein Aufsatz, in dem wichtige Probleme und Aspekte, insbesondere auch die Aporien angesprochen werden, mit denen sich eine Theorie des Über‐ setzens zu beschäftigen hat: 1. Übersetzung ist ein Vorgang des Verstehens und des Zum-Verstehen-Brin‐ 1. gens, also ein hermeneutischer Prozess. 19 Dieser Vermittlungsvorgang ist nicht nur zwischen verschiedenen Sprachen notwendig, sondern auch innerhalb einer Sprache: zwischen verschiedenen Dialekten, historischen Sprachstufen und den Sprachen verschiedener sozialer Schichten. Schlei‐ ermacher weist darauf hin, dass man sogar seine eigenen Texte nach ei‐ ner gewissen Zeit wieder „übersetzen“ müsse (38 f.). 20 2. Texte, in denen die Sprache gleichsam Vehikel ist, um intersubjektiv 2. identisch erfasste Sachverhalte zu vermitteln und zu „transportieren“, stellen andere Übersetzungsprobleme als Texte, in denen die spezi‐ fisch einzelsprachliche Sprachform mit dem transportierten Inhalt eine Einheit höherer Ordnung bildet. Es geht also um die Unterschei‐ 2.4 Luthers und Schleiermachers Rechenschaftsberichte 45 <?page no="46"?> dung verschiedener Textgattungen, die an den Übersetzer unter‐ schiedliche Anforderungen stellen. Schleiermacher unterscheidet zwischen dem Dolmetschen, das sich auf Texte des „Geschäftsle‐ bens“ bezieht, und dem Übersetzen, das es mit Texten der Wissen‐ schaft und der Kunst zu tun hat: Je weniger in der Urschrift der Verfasser selbst heraustrat, je mehr er le‐ diglich als auffassendes Organ des Gegenstandes handelte und der Ord‐ nung des Raumes und der Zeit nachging, um desto mehr kommt es bei der Uebertragung auf ein bloßes Dolmetschen an. So schließt sich der Ueber‐ sezer von Zeitungsartikeln und gewöhnlichen Reisebeschreibungen zu‐ nächst an den Dolmetscher an, und es kann lächerlich werden wenn seine Arbeit größere Ansprüche macht und er dafür angesehen sein will als Künstler verfahren zu haben. Je mehr hingegen des Verfassers eigen‐ thümliche Art zu sehen und zu verbinden in der Darstellung vorgewaltet hat, je mehr er irgend einer frei gewählten oder durch den Eindrukk be‐ stimmten Ordnung gefolgt ist, desto mehr spielt schon seine Arbeit in das höhere Gebiet der Kunst hinüber, und auch der Uebersezer muß dann schon andere Kräfte und Geschikklichkeiten zu seiner Arbeit bringen und in einem anderen Sinne mit seinem Schriftsteller und dessen Sprache be‐ kannt sein als der Dolmetscher. (40) 3. Bei Schleiermacher ist die Unterscheidung angelegt zwischen Termi‐ 3. nologien, die sich in verschiedenen Sprachen eins-zu-eins entspre‐ chen, weil sie sich auf klar abgrenzbare und konventionell abge‐ grenzte Sachverhalte beziehen (Nomenklaturen), und jenen Teilen der Lexik, die nicht Sachen erfassen, sondern Begriffe, Gefühle und Einstellungen. Diese sind, in der Geschichte geworden und sich in der Geschichte verändernd, mit der Sprache als einem geschichtlichen Phänomen auf spezifische Weise verknüpft: Alle Wörter, welche Gegenstände und Thätigkeiten ausdrükken, auf die es ankommen kann, sind gleichsam geaicht, und wenn ja leere übervor‐ sichtige Spizfindigkeit sich noch gegen eine mögliche ungleiche Geltung der Worte verwahren wollte, so gleicht die Sache selbst alles unmittelbar aus. Ganz anders auf jenem der Kunst und Wissenschaft zugehörigen Ge‐ biet, und überall wo mehr der Gedanke herrscht, der mit der Rede Eins ist, nicht die Sache, als deren willkürliches vielleicht aber fest bestimmtes Zeichen das Wort nur dasteht. (42 f.) 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 46 <?page no="47"?> Das Problem des Übersetzens, der Übersetzbarkeit, des Verstehens und Auslegens stellt sich nur beim zweiten Fall. Das System der Begriffe und der Zeichen ist von Sprache zu Sprache verschieden; die Übersetzbar‐ keit einzelner Ausdrücke ist damit prinzipiell in Frage gestellt. Und an‐ ders als bei Sachtexten ist die „Textwirklichkeit“ dichterischer und phi‐ losophischer Texte nicht an Gegenständen und Sachverhalten außerhalb der Textwirklichkeit messbar und ggf. korrigierbar (s. u., II.4.1.2). 4. Texte der Wissenschaft und der Kunst (d. h. philosophische und poe‐ 4. tische Texte) sind als unübersetzbar zu betrachten, weil das, was gesagt wird, mit der Art und Weise, wie es sprachlich gefasst ist, auf einzelsprachspezifische Weise verbunden ist. Die Sprache ist nicht nur Vehikel von Inhalten, sondern sie ist selbst Inhalt bzw. determiniert diese Inhalte. Mit anderen Worten: Wenn man den betreffenden Text adäquat verstehen will, muss man in den „Geist der Sprache“ eindrin‐ gen, in das also, was in der Sprache selbst gedacht ist. Diese Position wird uns wieder begegnen bei der Behandlung des Problems der Übersetzbarkeit; es ist die Sprachauffassung, wie sie von L. Weisgerber im Anschluss an Wilhelm von Humboldt vertreten wird und wie sie im Sapir-Whorfschen „linguistischen Relativitätsprinzip“ zum Aus‐ druck kommt (s. u., II.1.3). 5. Nach Schleiermacher müssen Texte so übersetzt werden, dass dem 5. Leser der „Geist der Sprache“ des Originals auch in der Übersetzung vermittelt wird. Die Übersetzung muss versuchen, dem Leser ein solches Bild und einen solchen Genuss zu verschaffen, wie das Lesen des Werkes in der Ursprache dem so gebildeten Manne gewährt, den wir im besseren Sinne des Worts den Liebhaber und Kenner zu nennen pflegen, dem die fremde Sprache geläufig ist, aber doch immer fremde bleibt, der nicht mehr wie die Schüler sich erst das einzelne wieder in der Mutter‐ sprache denken muß, ehe er das Ganze fassen kann, der aber doch auch da wo er am ungestörtesten sich der Schönheiten des Werkes erfreut, sich immer der Verschiedenheit der Sprache von seiner Muttersprache bewußt bleibt. (51) Es geht also um das Prinzip der Wirkungsgleichheit, die sich bei Schleiermacher nicht an einem imaginären Originalleser, sondern an zeitgenössischen „gebildeten“ Lesern des Originals orientiert. Als Übersetzungsmethode kommt dabei nicht das Verdeutschen, Adap‐ tieren, Paraphrasieren oder Nachbilden in Frage; das Prinzip, die 2.4 Luthers und Schleiermachers Rechenschaftsberichte 47 <?page no="48"?> Übersetzung solle sich lesen lassen wie ein Original, wird entschieden zurückgewiesen: Ja man kann sagen, das Ziel, so zu übersezen wie der Verfasser in der Sprache der Uebersezung selbst würde ursprünglich geschrieben haben, ist nicht nur unerreichbar, sondern es ist auch in sich nichtig und leer; denn wer die bildende Kraft der Sprache, wie sie eins ist mit der Eigent‐ hümlichkeit des Volkes, anerkennt, der muß auch gestehen daß jedem ausgezeichnetsten am meisten sein ganzes Wissen, und auch die Möglich‐ keit es darzustellen, mit der Sprache und durch sie angebildet ist, und daß also niemanden seine Sprache nur mechanisch und äußerlich gleichsam in Riemen anhängt, und wie man leicht ein Gespann löset und ein anderes vorlegt, so sich jemand auch nach Belieben im Denken eine andere Sprache vorlegen könne, daß vielmehr jeder nur in seiner Muttersprache ursprüng‐ lich producire, und man also gar die Frage nicht aufwerfen kann, wie er seine Werke in einer anderen Sprache würde geschrieben haben. (60 f.) Die Übersetzung hat sich nach Schleiermacher so weit wie möglich an der Sprache des Originals auszurichten. Es ist die Methode des Verfremdens, die gekennzeichnet ist durch „eine Haltung der Sprache, die nicht nur nicht alltäglich ist, sondern die auch ahnden lässt, dass sie nicht ganz frei ge‐ wachsen, vielmehr zu einer fremden Aehnlichkeit hinübergebogen sei“ (55). Nur mit dieser Methode ist die „treue Wiedergabe“ des Originals in der ZS gewährleistet. Der Vorwurf der Ungelenkheit in der ZS ist dabei in Kauf zu nehmen, denn anders ist der „Geist der Sprache“ gar nicht in die ZS zu retten. Drei Jahre nachdem Schleiermacher seine Abhandlung über das Überset‐ zen in der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin verlesen hat, erscheint 1816 Wilhelm von Humboldts Übersetzung des „Agamemnon“ von Aeschylos. In der Einleitung dazu (s. u., I.2.5) beschäftigt er sich mit ähnli‐ chen Fragen wie Schleiermacher. Bezüglich des Verfremdens unterscheidet er zwischen Fremdheit und Fremde: Mit dieser Ansicht ist freilich nothwendig verbunden, dass die Uebersetzung eine gewisse Farbe der Fremdheit an sich trägt, aber die Gränze, wo dies ein nicht abzuläugnender Fehler wird, ist hier sehr leicht zu ziehen. Solange nicht die Fremdheit, sondern das Fremde gefühlt wird, hat die Uebersetzung ihre höchsten Zwecke erreicht; wo aber die Fremdheit an sich erscheint, und vielleicht gar das Fremde verdunkelt, da verräth der Uebersetzer, dass er seinem Original nicht gewachsen ist. (83) 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 48 <?page no="49"?> Übergeordnetes Ziel der Übersetzung ist auch für Humboldt, dass sie „der Sprache und dem Geist der Nation dasjenige aneignen [soll], was sie nicht, oder was sie doch anders besitzt“ (83), d. h. es geht um Sprach- und Kultur‐ erweiterung. M. Luther und F. Schleiermacher haben in ihren Beiträgen zum Problem des Übersetzens Fragen angesprochen und - von ihrer Position aus - be‐ antwortet, die auch die moderne Übersetzungstheorie beschäftigen. So ist von Luthers verdeutschender und Schleiermachers verfremdender Überset‐ zungsmethode ein Bogen zu schlagen zu E. A. Nidas Prinzipien von dyna‐ mischer und formaler Äquivalenz (s. u., II.2.3). Es sind Grundfragen folgen‐ der Art: ▸ Was ist Übersetzen? ▸▸ Welche Faktoren bestimmen den Übersetzungsprozess? ▸▸ Welche prinzipiellen sprachlichen Probleme stellen sich? ▸▸ Verhalten sich verschiedene Textgattungen unterschiedlich hinsicht‐ ▸ lich Übersetzung und Übersetzbarkeit? ▸ Wo liegen die Grenzen des Übersetzens? ▸▸ Von welchen Prinzipien lassen sich Übersetzer leiten? ▸▸ Welche Methoden und Verfahren verwendet der Übersetzer bei der ▸ Lösung von Übersetzungsproblemen? 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte In Vor- und Nachworten zu ihren Übersetzungen sowie in Erfahrungsbe‐ richten über ihre Übersetzungsarbeit gehen die Übersetzer auf prinzipielle Entscheidungen ein; es sind oft eigentliche Rechenschafts- und Recht‐ fertigungsberichte, in denen Übersetzungsprinzipien und -methoden, aber auch Einzelentscheidungen verteidigt und praktische Schwierigkeiten er‐ örtert werden. Aus ihnen lassen sich die expliziten Übersetzungstheorien der Übersetzer rekonstruieren. Beispiel I.2.-1 Der amerikanische Strindberg-Übersetzer gibt folgenden Grund dafür an, dass er seinen „Five Plays“ eine „Translator’s Note“ voranschickt: 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 49 <?page no="50"?> Every translation is an interpretation that implies the making of choices, and the reader has the right, I think, to know the criteria used by the translator to arrive at his choices. Eines der Ziele, die H. G. Carlson mit seiner Übersetzung verfolgt, be‐ steht darin, to render his [Strindbergs] dialogue as playable as possible, even if that meant excising certain forms of social address that were common in Strindberg’s day but seem unnecessarily formal or stilted today, or altering stage directions to conform to changing conventions, such as allowing a little more time to elapse between the moment a servant is summoned and the moment he or she appears. (xxi) Beispiel I.2.-2 In einer „Vorbemerkung“ begründet und rechtfertigt Willi Reich (1960: 83) seine Kürzungen in der Übersetzung von Strindbergs „Nach Damas‐ kus“: Der ganze Text wäre für die Werkauswahl zu umfangreich gewe‐ sen, und würde zudem „manchen mit dem Gesamtwerk nicht ganz ver‐ trauten Leser durch eine nicht immer gerechtfertigte Weitschweifigkeit verwirren“. Die Kurzfassung wahre aber „die innere und äußere Konti‐ nuität des Originals“, außerdem entspreche sie „den heutigen Gegeben‐ heiten der Bühne“, d. h. das Stück müsse an einem Abend aufgeführt werden können. In den Vor- und Nachworten handelt es sich dabei oft - ganz handfest - um Überlegungen und Kommentare zu einzelnen schwierigen Übersetzungs‐ fällen (Fachwörtern, landesspezifischen Ausdrücken, redensartlichen Wen‐ dungen usw.). Terminologische Probleme stehen beispielsweise in Vor- und Nachworten zu Übersetzungen moderner linguistischer Arbeiten im Vordergrund. Die generative Transformationsgrammatik ist hauptsächlich in den USA entwickelt worden; die Terminologie ist englisch. Wie soll bei der Übersetzung ins Deutsche verfahren werden? Betrachten wir dazu die Vorbemerkung der Übersetzer von N. Chomskys „Aspects of the Theory of Syntax“ (1965, dt. „Aspekte der Syntax-Theorie“, 1969): 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 50 <?page no="51"?> Die Begründung eines neuen Wissenschaftszweiges ist stets verbunden mit der Etablierung einer eigenständigen Terminologie, deren Funktion - im Idealfalle - einzig darin besteht, neue Begriffsbildungen mit neuen, differenzierenden Eti‐ ketten zu versehen. In unserer Übersetzung hat daher auch der Werkzeugcha‐ rakter des terminologischen Apparats bei der Suche nach deutschen Äquivalenten den Ausschlag gegeben, insofern, als wir auf praktische Verwendbarkeit und in‐ ternationalen Gebrauch mancher Prägung mehr Wert legten als auf eine puristi‐ sche Übertragung ins Einheimische. So haben wir versucht, die Übersetzung ins‐ gesamt möglichst dicht am Original zu halten und für etliche Termini jeweils einen (nach Möglichkeit) parallel zum Englischen konstruierten Ausdruck ein‐ zuführen, der bei der Lektüre englischer oder auch französischer Fachpublika‐ tionen mühelos wiederzuerkennen ist. Diese Überlegung betrifft bereits das erste Titelwort, für dessen deutsche Wiedergabe „Grundriss“ oder „Grundzüge“ denk‐ bar, eventuell treffender wären als „Aspekte“. Das Buch ist jedoch unter dem Na‐ men „Aspects“ bereits zum Standardwerk aufgerückt, so dass wir auf eine Um‐ benennung verzichtet haben, die der Verbreitung der deutschen Ausgabe eher hinderlich sein könnte. (7) Stellt sich das Problem der Auswahl unter mehreren dt. Äquivalenten, schließen sich die Übersetzer „meist an die in der Schriftenreihe Studia Grammatica eingeführten Prägungen“ (8); zur Orientierung des Lesers wer‐ den davon abweichende Varianten vermerkt. Folgende Punkte sind in diesem Zusammenhang wichtig: ▸ Entscheidend für die Terminologie ist die praktische Verwendbar‐ ▸ keit, wobei es insbesondere auf den internationalen Gebrauch an‐ kommt. Wenn überhaupt dt. Ausdrücke eingeführt werden, sind sie so gewählt, dass sie möglichst wörtlich zurück ins Engl. übersetzt werden können, d. h. man nimmt die Ungewöhnlichkeit einiger dt. Bildungen in Kauf. ▸ Manchmal werden fremdsprachliche Wörter mit formal ähnlichen ▸ Ausdrücken wiedergegeben, selbst wenn deutsche Wörter inhaltlich zutreffender und idiomatischer wären (Aspekte vs. Grundzüge - der Anspruch der „Aspects“ ist wesentlich umfassender als bloß „Ge‐ sichtspunkte“ zu vermitteln). ▸ Bei mehreren dt. Entsprechungsmöglichkeiten schließt man sich bereits ▸ eingeführten Termini, d. h. der Bezeichnungstradition in der ZS, an. 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 51 <?page no="52"?> Die Analyse der „Aspects“-Übersetzung, wie auch von Übersetzungen an‐ derer linguistischer Arbeiten, zeigt allerdings, dass inkonsequent verfahren wird. Das Resultat ist ein Durcheinander in der linguistischen Terminologie. Dazu ein Beispiel: der engl. Ausdruck concatenation der „Aspects“ wird mit Verkettung übersetzt. In W. Weltes „Moderne Linguistik: Terminologie/ Bibliographie“ (1974) wird für concatenation jedoch der Ausdruck Konkate‐ nation gebraucht; Verkettung bleibt der Übersetzung des engl. linking vor‐ behalten, das U. Weinreich in seiner semantischen Theorie für einen anderen Sachverhalt braucht. In W. Ulrichs „Linguistische Grundbegriffe“ (1972) wiederum wird Weinreichs Verkettungs-Begriff als das Linking ins Dt. über‐ nommen. Umgekehrt wird in der „Aspects“-Übersetzung das engl. derivation übernommen als Derivation; in W. Weltes Terminologie-Handbuch wird es jedoch übersetzt mit dt. Ableitung. Auch die beiden grundlegenden Begriffe competence und performance werden unterschiedlich behandelt: Der erste wird direkt übernommen als (Sprach-)Kompetenz, obwohl das Fremdwort Kompetenz im Dt. etwas anderes bedeutet. Dagegen wird performance ein‐ gedeutscht zu Sprachverwendung, obwohl der Begriff der Sprachverwendung wesentlich weiter ist als Chomskys performance (andere linguistische Ar‐ beiten benützen dt. Performanz). Im Bereich der Terminologie zeigt sich die verantwortungsvolle und folgenreiche Arbeit des Übersetzers, aber auch seine Ohnmacht: Durch das Gestrüpp linguistischer Terminologien ist heut‐ zutage, selbst mit Hilfe terminologischer Wörterbücher, kaum mehr durch‐ zusehen. (Zu den Übersetzungsverfahren bei Lücken, s. u., II.3.3.4) Im Zusammenhang mit der Erläuterung terminologischer Probleme fin‐ det man bisweilen ausführliche Erörterungen, die veranschaulichen, wie sehr Übersetzen ein Verstehens- und Interpretationsprozess ist, bei wis‐ senschaftlichen Arbeiten ein Prozess des wissenschaftlichen Verstehens und Interpretierens. Es wird deutlich, dass der Übersetzer auf Probleme und Schwierigkeiten stößt, über die man beim Lesen des Originals leicht hin‐ wegliest. Übersetzen erweist sich in diesem Sinne als spezifischer Prozess der Aneignung: Verstehen des Fremden als Fremdes in seinem fremden Zusammenhang, und zugleich Verstehen als Kontrastieren und Konfrontie‐ ren mit dem bekannten sprachlichen, kulturellen und fachlich-wissenschaft‐ lichen Hintergrund. So heißt es im Vorwort zur dt. Ausgabe von B. Bern‐ steins „Class, Codes and Control“ (1971, dt. „Studien zur sprachlichen Sozialisation“, 1972): 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 52 <?page no="53"?> Wo die deutsche Sprache es auf keine Weise erlaubte, adäquat zu formulieren, sind die originalen Begriffe oder Text-Stellen mit aufgenommen. Es erfüllt damit, abgesehen von der Eindeutschung, die Übersetzung noch einen anderen wichti‐ gen Zweck. Überall dort, wo Erläuterungen erforderlich sind oder das sinnver‐ stehende Lesen ins Stocken gerät, weist sie auf Inkongruenzen zwischen zwei kulturellen Konstellationen hin, die ihren Niederschlag in der jeweils anderen sprachlichen Repräsentation und Ausdeutung finden. Das sind zugleich die ers‐ ten, wenn auch nicht die einzigen Indikatoren für die Sprachabhängigkeit der Theorie(n). (39) Aufschlussreich ist in dieser Beziehung das Nachwort zur dt. Ausgabe von A.V. Cicourels „Cognitive Sociology“ (1973, dt. „Sprache in der sozialen In‐ teraktion“, 1975): Die Zeilen, die wir unserer Übersetzung nachschicken, sollen der Rechtfertigung einzelner Wörter und Phrasen dienen in Fällen, wo der deutsche Ausdruck den englischen nur unvollkommen trifft, bzw. in Fällen, wo wir uns im Gegensatz zu schon vorgegebenen und zum Teil eingebürgerten Übersetzungen für eine eigene, neue entschieden haben. (243) Die Übersetzer sind hier zu bescheiden: Die „Rechtfertigung einzelner Wör‐ ter und Phrasen“ ist nichts weniger als die ausführliche Interpretation dessen, was inhaltlich mit bestimmten engl. Ausdrücken gemeint ist bzw. gemeint sein könnte. Ein Beispiel dazu: Wir haben uns entschieden, den englischen Ausdruck everyday knowledge, der üb‐ licherweise mit Alltagswissen wiedergegeben wird, in der Regel mit Alltagskennt‐ nisse zu übersetzen. Wie auch bei der damit übereinstimmenden Übersetzung der Formel what everyone knows durch was jedermann kennt war die Begründung dafür der Versuch, im Deutschen einen Anklang an den Bedeutungscharakter von know‐ ledge und to know im Sinne auch von praktischen Kenntnissen, also solchen, die ein entsprechendes praktisches Können, das entsprechende know how voraussetzen, zu finden. Unsere Übersetzung sollte also andeuten, dass es bei everyday knowledge weniger um Erkenntniswissen als um praktische Kenntnisse, um Rezeptwissen geht. Entsprechend sollte die Übersetzung was jedermann kennt für what everyone knows wenigstens andeutungsweise zum Ausdruck bringen, dass hiermit Kenntnisse ge‐ meint sind, über die jedermann ohne Spezialbildung allein aufgrund seiner norma‐ len praktischen Sozialisationserfahrungen verfügt. (243) 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 53 <?page no="54"?> Um das Problem der Adaptation und im Zusammenhang damit die Frage, wann die Grenze zwischen (treuer) Übersetzung und Bearbeitung über‐ schritten ist, geht es dem Übersetzer von F. de Saussures „Cours de linguis‐ tique générale“ (1916, dt. „Grundfragen der allgemeinen Sprachwissen‐ schaft“, 2 1967), der im „Vorwort zur deutschen Übersetzung“ schreibt: Jedoch habe ich mich getreu dem Original angeschlossen und biete nicht eine deutsche Bearbeitung. Es werden im Allgemeinen auch nicht die Beispiele aus der französischen Sprachgeschichte durch solche aus der deutschen ersetzt. Denn auch aus der Wahl der Beispiele verspürt man den Geist Saussures, gerade darin seine Lehrgabe, seine Klarheit, seine Art der Vereinfachung. Sie sind oft so schla‐ gend und wirksam wie seine Bilder und Vergleiche. Nur manche Beispiele, die mehr beliebiger Art, nicht so ausgewählte Belege und konzentrierte Veranschau‐ lichungen seiner Theorien zu sein schienen, wurden durch ebenso beliebige aus dem Deutschen ersetzt. Darin weiterzugehen oder noch zurückhaltender zu sein, kann man schwanken. (III) Der Übersetzer stellt die treue Übersetzung, die sein Ziel ist, der Bearbei‐ tung gegenüber; es geht ihm also um die Abgrenzung von übersetzerischer TextREproduktion und Textproduktion (s. u., I.5.2, II.2.4). Aus dem Zitat wird jedoch ersichtlich, dass die Originaltreue nicht jedem Element des AS-Textes gilt. Der Übersetzer ist durchaus bereit zu bearbeiten, wo ihm etwa be‐ stimmte Beispiele „beliebig“ erscheinen. Wir sind damit wieder bei der Frage, die sich Luther in seinem „Sendbrief “ stellt: Wann muss etwas wörtlich übersetzt werden, weil dadurch allein Treue gewährleistet ist und diese Treue unter Umständen wichtiger ist als unmittelbare Verstehbarkeit und Verständlichkeit? Wann darf der Übersetzer freier verfahren, ohne dass da‐ durch die Autonomie des Originaltextes verletzt wird? Die Entscheidung hängt im Einzelfall von der Interpretation des Textes ab: bei der Übersetzung von F. de Saussures „Cours“ von der sprachwissenschaftlichen Interpreta‐ tion, bei Luthers Bibelübersetzung von der theologischen Interpretation. Für die Übersetzungskritik ist daraus folgender Schluss zu ziehen: Wenn sie der Übersetzungsleistung gerecht werden will, müssen die Interpre‐ tation des Übersetzers und die Äquivalenzforderungen, die der Über‐ setzer aus der Interpretation ableitet, rekonstruiert werden. 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 54 <?page no="55"?> Bei der Übersetzung von D. Riesmans „The Lonely Crowd“ (1950, dt. „Die einsame Masse“, 1958), einer Analyse der amerikanischen Gesellschaft, stellt sich die Frage: Soll man diesen Text wie einen ethnographischen Text über‐ setzen, d. h. wie wenn es sich um die Beschreibung einer Kultur handeln würde, die Europäern ähnlich fremd ist wie die Kultur der Trobriand-Ein‐ geborenen, wie sie B. Malinowski beschreibt? Oder soll man ihn so über‐ setzen, dass Gemeinsamkeiten mit der europäischen Kultur hervortreten? Eine solche Feststellung von Gemeinsamkeiten/ Übereinstimmungen stellt aber bereits eine soziologische Interpretation des Textes dar. In ihrem Nach‐ wort führt die Übersetzerin aus: Ich habe mich bemüht, die vielen idiomatischen Ausdrücke der amerikanischen Darstellung durch entsprechende Schlagworte und Ausdrücke aus der deutschen Umgangssprache zu ersetzen oder, wo dies nicht möglich war, den oftmals nur mit einer Formel angesprochenen Sachverhalt durch eine freiere Übersetzung deutlich zu machen. Dies geschah vielfach auch bei den psychologischen und soziologischen Begriffen, die überdies in der amerikanischen Literatur und Spra‐ che populärer als bei uns sind, wobei dann die amerikanischen Fachaudrücke in Klammern angeführt wurden. Dazu glaubte ich mich auch im Hinblick auf die Tatsache berechtigt, dass dieses Buch in Form und Stil keine rein wissenschaft‐ liche Abhandlung darstellt und deshalb über die fachlich interessierten Kreise hinaus einem weiteren Publikum zugänglich sein sollte, während der sich für Amerika, Land und Leute interessierende Leser es sicherlich vorziehen wird, das Original zu lesen, um sich auf diese Weise nicht den Reiz des amerikanischen Idioms entgehen zu lassen. (321) Folgende Punkte scheinen von Interesse zu sein: ▸ Die Übersetzerin ist der Auffassung, dass die europäischen (deutschen) ▸ Verhältnisse so stark mit den amerikanischen Verhältnissen übereinstim‐ men, dass amerikanische durch deutsche Beispiele ersetzt werden kön‐ nen. ▸ Fachbegriffe werden als umgangssprachliche Ausdrücke wiedergege‐ ▸ ben (ggf. mit den amerikanischen Ausdrücken in Klammern). ▸ Das Buch wendet sich an ein breiteres Publikum, nicht nur an Fach‐ ▸ leute; Spezialisten lesen ohnehin das Original und nicht eine Über‐ setzung. Es wird also gar nicht erst der Versuch gemacht, das „amerikanische Idiom“ in der ZS durchscheinen zu lassen. Hier wird der Abstand spürbar zum 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 55 <?page no="56"?> Schleiermacherschen Prinzip des Verfremdens, das gerade darauf angelegt ist, dieses „Durchscheinen“ zu ermöglichen. Die Übersetzerin von D. Riesmans „The Lonely Crowd“ verwendet ein wei‐ teres Verfahren bei der Wiedergabe fremdsprachlicher Fachausdrücke: Man sucht nach deutschen Entsprechungen und setzt die Ausdrücke des Originals in Klammern hinzu. Bei der Wahl der deutschen Ausdrücke ist der Übersetzer allerdings nicht frei, denn bestimmte fachsprachliche Ausdrücke sind bereits in anderen Texten übersetzt worden. Der Übersetzer steht dann vor dem Pro‐ blem, ob er sich dieser „Tradition“ anschließen oder ob er ihm vielleicht geeig‐ neter scheinende Ausdrücke verwenden soll. Die Entscheidung hängt u. a. vom Grad der Etabliertheit einer bestimmten Terminologie ab. Wir haben uns oben hauptsächlich mit Übersetzungsproblemen beschäf‐ tigt, die Übersetzer von Fach- und Sachtexten ansprechen, vor allem Pro‐ blemen im terminologischen Bereich. Auch in Übersetzungen literarischer Texte gehen Übersetzer auf prinzipielle Aspekte und praktische Überset‐ zungsprobleme ein. Das verwundert nicht, wenn man sich vor Augen hält, dass literarische Sprache alle Möglichkeiten realisieren kann, die in einer Sprache enthalten sind. E. Coseriu (1971: 185) vertritt die These, „dass die dichterische Sprache die volle Funktionalität der Sprache darstellt, dass also die Dichtung der Ort der Entfaltung, der funktionellen Vollkommenheit der Sprache ist“. Auch inhaltlich kann ein literarischer Text alles umfassen: von der Erläuterung einer mathematischen oder physikalischen Formel über die Beschreibung fiktiver oder realer geographischer Räume bis zur sprachmu‐ sikalischen Umschreibung von Gefühlen. Alle formal-ästhetischen, oft spe‐ zifisch einzelsprachlichen Möglichkeiten können ausgenutzt werden: Reim, Alliteration, Sprachspiel, metrische Formen, Rhythmus. Viele literarische Werke leben von Assoziationen, wecken Assoziationen zu einer literari‐ schen Tradition, zu anderen Werken des Autors (s. u., II.3.7 und II.4.1.4). Damit finden sich in literarischen Texten auch alle nur denkbaren Überset‐ zungsprobleme. Vor- und Nachworte zu literarischen Übersetzungen, in denen praktische Übersetzungsprobleme diskutiert und Übersetzungsprinzipien erläutert und ggf. gerechtfertigt werden, finden sich allerdings nicht so häufig, wie man in Anbetracht der Übersetzungsschwierigkeiten vermuten könnte. Hier zwei denkbare Gründe: ▸ „Normalleser“ einer literarischen Übersetzung liest diese im Allgemeinen ▸ nicht als Übersetzung, sondern gleichsam als Originaltext. Er erwartet, 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 56 <?page no="57"?> dass der Übersetzer die Probleme gelöst hat; ihn interessieren die Lö‐ sungswege, Entscheidungsschwierigkeiten und Alternativen wenig. ▸ Literarische Texte haben einen anderen Gültigkeitsanspruch als nicht- ▸ fiktive Sachtexte. Mag der fiktive Text noch so genau - wie Günter Grass’ „örtlich betäubt“ - zahnheilkundliche Prozeduren schildern: Der Text wird sicher nicht als Lehrbuch verwendet. Dem Verfasser wird deshalb auch kein Vorwurf gemacht, wenn er die betreffenden Sachverhalte nicht adäquat oder nicht auf der Basis neuester wissen‐ schaftlicher Erkenntnisse beschreibt. Für den Übersetzer wiederum heißt das: Sollte ihm eine Ungenauigkeit oder ein Fehler unterlaufen, so hat dies nicht die Konsequenzen, die ein Fehler in einer Fachtext‐ übersetzung haben könnte. Hier ist der Übersetzer auf eine ganz an‐ dere Weise verantwortlich und vielleicht auch verantwortbar. Diese Überlegungen legen nahe, vom Standpunkt des Übersetzers und seiner Verantwortung dem Text gegenüber zwei Hauptkategorien von Übersetzungen zu unterscheiden: Sachtexte, bei denen die Verantwortung des Übersetzers sich primär auf die Sache, die im Text sprachlich vermittelte Wirklichkeit bezieht, und fiktive Texte, bei denen diese Verantwortung, um es auf diese vorläufige Weise auszudrücken, dem Text als solchem gilt (s. dazu II.4). Im Nachwort zu seiner Übersetzung von Lewis Carrolls „Alice’s Advent‐ ures in Wonderland“ (dt. „Alice im Wunderland“, 1973) führt Christian En‐ zensberger aus: Das Wirksame an allen Gesprächen, in die Alice im wörtlichen Sinne verstrickt wird, ist, wie genau sie sitzen, und daran hat sich die vorliegende Übersetzung vor allem - und manchmal mehr als an wörtliche Genauigkeit - gehalten. So ist aus Wilhelm dem Eroberer und seinen unaussprechlichen Earls Napoleon ge‐ worden und aus der Menai-Brücke der Eiffelturm (obwohl es den noch gar nicht gab). Aber wer will zunächst im Lexikon nachschlagen und danach noch lachen? Man muss sich in diesen Büchern so unterhalten, wie man sich wirklich unterhält; denn die originale Alice hat durchweg teil an dem unerschöpflichen Vorrat ihres Jahrhunderts an realistischer Kraft, ohne die keine absurde Literatur auskommt, wenn ihr nicht die Luft ausgehen soll. (137) Enzensberger geht es also nicht um eine philologisch genaue Übersetzung, sondern um die Bewahrung des kommunikativen Effekts, und das heißt im Zusammenhang mit „Alice“: Der deutschsprachige Leser soll an den Stel‐ len unmittelbar lachen können, bei denen auch der englische Originalleser 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 57 <?page no="58"?> lacht. Das ist aber nach Auffassung Enzensbergers nicht möglich, wenn man die kulturgebundenen Elemente wörtlich in die ZS übernimmt. Der Über‐ setzer ersetzt deshalb bestimmte für einen kommunikativen Hintergrund relevante Erscheinungen durch solche, die im kommunikativen Zusammen‐ hang der ZS relevant sind, d. h., er adaptiert bzw. verdeutscht (s. u., I.3.2). Es handelt sich (in der Terminologie von E. A. Nida) um dynamische (funktio‐ nelle) Äquivalenz (s. u., II.2.3). Die Äquivalenzforderung zielt hier nicht auf inhaltliche Invarianz, sondern auf Invarianz der Wirkung (Wirkungs‐ gleichheit wird in diesem Zusammenhang allerdings anders verstanden als bei F. Schleiermacher, bei dem diese gerade durch möglichst weitgehende „Wörtlichkeit“ zu erreichen versucht wird). In Vor- und Nachworten wird auch darauf hingewiesen (und dafür ist man als Leser dankbar), wenn eine Übersetzung nur eine gekürzte Fassung dar‐ stellt (s. o., Beispiel I.2.-2), wenn eine Übersetzung eine besondere Funktion hat, oder wenn sie in einer bestimmten Übersetzungstradition steht. Dane‐ ben werden sprachlich-stilistische Probleme erörtert. Dazu zwei Beispiele: 1. F. Kemp macht im Nachwort zur Übersetzung von Charles Baudelaires 1. „Les Fleurs du Mal“ (dt. „Die Blumen des Bösen“, 1962) darauf auf‐ merksam, dass die Übersetzung in einer zweisprachigen Ausgabe als „Lesehilfe“ gedacht ist, wobei die einzelnen Texte keinen Anspruch erheben, als „eigenständige poetische Gebilde“ zu gelten: Da die vielberufene Kongenialität außer jeder Reichweite liegt, hat diese Übersetzung nur den einen Wunsch, eben durch den eingehaltenen Ab‐ stand zum Original dessen Originalität um so deutlicher hervortreten zu lassen. Allerdings wird jede Prosaübersetzung von Gedichten etwas Schie‐ lendes an sich haben. Ihr Ideal wäre es, der Vorlage entschieden den Rü‐ cken zu kehren und in eigener Richtung davonzugehen. Das ist ihr hier verwehrt, und so bleibt es beim Schielen. (282) 2. In der von L. L. Schücking herausgegebenen zweisprachigen Ausgabe 2. von Shakespeares Werken weist der Herausgeber darauf hin, dass es bei der Wiedergabe der Schlegel-Tieck-Übersetzung leitender Ge‐ danke war, „das Werk des großen Übersetzers und seiner Mitarbeiter so pietätvoll anzufassen, wie es die Sache nur irgend erlaubt“. Von Interesse ist insbesondere folgende Bemerkung: Es sind also Veränderungen nur da vorgenommen, wo ersichtlich ein mehr oder weniger nennenswertes Missverständnis des englischen Urtextes durch 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 58 <?page no="59"?> 21 Vgl. etwa W. Arrowsmith/ R. Shattuck, Hrsg. (1961), R. Italiaander, Hrsg. (1965), Die Kunst der Übersetzung (1963), R. A. Brower, Hrsg. (1966), J. S. Holmes, Hrsg. (1970), Übersetzer - Kuriere des Geistes (1986), J. Biguenet/ R. Schulte, Hrsg. (1989). 22 S. etwa A. Daigger/ G. Militzer, Hrsg. (1988), zu Robert Musil; A. Finck/ H. Wechselbaum, Hrsg. (1991), zu Georg Trakl; H. Frielinghaus, Hrsg. (2002), zu Günter Grass; M. Kusur‐ man/ E. L. Lysenkkowa (2004) zu Wolfgang Borchert. den Übersetzer vorlag; sei es nun, dass ihm der lexikographische Sinn eines englischen Wortes nicht bekannt war (so, wenn er Hamlet an einer be‐ deutungsvollen Stelle sagen lässt [III,2] „Ich muss müßig sein“ statt „Ich muss den Narren spielen“ für: „I must be idle“; oder wenn er im selben Drama [V,2]: „he is fat and scant of breath“ mit „Er ist fett und kurz von Atem“ wiedergibt, statt: „in Schweiß und außer Atem“). Ausführlich haben sich Übersetzer von schöner Literatur in Zeitschriften wie Babel und Lebende Sprachen und in Anthologien zum Problem des Über‐ setzens 21 zu Wort gemeldet; es sind außerdem Sammelbände erschienen, die sich auf einzelne Autoren und Texte konzentrieren, zu denen Übersetzer mit verschiedenen Zielsprachen Stellung nehmen. 22 Viele dieser Beiträge ent‐ halten tiefsinnige und grundsätzliche Erörterungen zur Übersetzungsprob‐ lematik; sie schildern die zunächst als unüberwindbar erscheinenden Schwierigkeiten, die ungeliebten Kompromisse, die Erlebnisse des Erfolgs und des Versagens, übersetzerische Euphorie und Resignation, das „Ringen“ um eine verantwortbare Übersetzung. Für die Theorie der literarischen Übersetzung sind diese Beiträge von unentbehrlichem Wert. Mit Recht stellt R. Kloepfer (1967: 15) der Übersetzungstheorie die Aufgabe, „das Verdeckte und Verschüttete wieder sichtbar zu machen“. Es ist Aufgabe der theoriege‐ schichtlichen Komponente der Übersetzungswissenschaft (s. u., I.8.1.), die Übersetzungstheorien einzelner Übersetzer darzustellen und in Überset‐ zungstheorie(n) einzelner Epochen zusammenzufassen. Damit man sich ein Bild von der übersetzungstheoretischen Bedeutung die‐ ser Übersetzerbeiträge machen kann, seien auch hier Beispiele vorgestellt: 1. In dem von H. J. Störig herausgegebenen Sammelband „Das Problem 1. des Übersetzens“ (1973) findet sich E. H. von Tscharners Aufsatz „Chi‐ nesische Gedichte in deutscher Sprache“ (1932), in dem von folgender Feststellung ausgegangen wird: Die Probleme, die sich dem Übersetzer fremder Dichtung stellen, erschei‐ nen wohl nirgends in so grellem Licht, in so scharfen Umrissen wie ange‐ 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 59 <?page no="60"?> 23 Man vergleiche dazu die Beiträge in A. Finck/ H. Weichselbaum, Hrsg. (1991), die zu ganz unterschiedlichen Schlüssen hinsichtlich der Übersetzbarkeit Trakls in z. T. ent‐ fernte Sprachen und Sprachgemeinschaften kommen. W. Weber etwa hebt die Kultur‐ gemeinsamkeiten, die Verflochtenheit von österreichischer und russischer Kultur, der europäischen Literatur überhaupt hervor. Die Übersetzung Trakls in die russische Spra‐ che werde dadurch erleichtert, dass diese im 20. Jahrhundert all die Ausdrucksmög‐ lichkeiten entwickelt habe, die für die Wiedergabe der poetischen Sprache Trakls (Wortschatz, Bilder, Reimmöglichkeiten) notwendig seien. 24 S. hierzu auch H. Nikula (1998). 25 Zur Übersetzung versus Übertragung, s. G. A. Baeva (2012). sichts der chinesischen Dichtung. Sprachlich, metrisch, inhaltlich, geistig unterscheidet sich kaum eine andere Dichtung mehr von der unsrigen. - Wenn wir auch räumlich und zeitlich bedingt sind und nie in Vergangen‐ heit und Fremdheit völlig heimisch werden können, so gelingt uns dies doch innerhalb europäischer Verhältnisse oft bis zu einem recht hohen Grade; denn mehr oder weniger ähnlichen Geist, ähnliche Vorstellungen, ähnlichen Sprachbau treffen wir in Europa immer und überall, und wenn wir auch nur eine Muttersprache haben können, so haben wir doch sozu‐ sagen eine „europäische Grammatik“, eine „europäische Vorstellungs‐ welt“, einen „europäischen Geist“. Wenden wir uns aber der Dichtung Chinas zu, so werden wir lange vergebens nach einem Wege der Annähe‐ rung suchen - ein Abgrund scheint uns zu trennen von einer ganz anderen Sprache, einem anderen Geist, ja einer anderen Welt. (242 f.) Im Anschluss an diese Feststellung unternimmt es E. H. von Tschar‐ ner, die „wesentlichsten Züge“ des chinesischen Geistes, der chinesi‐ schen Welt- und Lebensanschauung wie auch der chinesischen Spra‐ che zu skizzieren. Aufschlussreich ist seine Überlegung, dass die europäische Kultur im Großen und Ganzen doch eine Einheit darstellt, die die Übersetzbarkeit entschieden vergrößert; grundlegend andere Verhältnisse liegen vor, wenn es sich um eine Kultur wie die europäi‐ sche im Vergleich mit der chinesischen handelt (s. u., II.1.2). 23 2. Der gleiche Sammelband enthält einen Aufsatz von K. Dedecius 2. (1961), Übersetzer aus den slawischen Sprachen, der Probleme der Übersetzung von Lyrik behandelt. 24 K. Dedecius geht von drei Über‐ setzungstypen aus, die sich hinsichtlich der „Zuverlässigkeit“ und des „künstlerischen Charakters“ unterscheiden: 25 Wenn man mich fragte, würde ich folgende Unterscheidungen (auf einen einfachen Nenner gebracht) vorschlagen: 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 60 <?page no="61"?> 26 Zu vielen Beiträgen über Übertragung, s. A. Kleihues/ B. Naumann/ E. Pankow, Hrsg. (2010). Übersetzung - zuverlässig, aber unkünstlerisch Übertragung - künstlerisch und zuverlässig 26 Nachdichtung - künstlerisch, aber unzuverlässig (Unzuverlässig oder zuverlässig bezöge sich auf die fremde Vorlage.) - Die Übersetzung wäre somit etwas, was sich auf die (natürlich relative) Synony‐ mik der Wörter stützte. Die Übertragung müsste außerdem den Takt und die Tonart des Stückes festhalten, das Tempo und die Spielweise angeben, die Farbe und die Form der einzelnen Klangelemente wahren. - Der Nachdich‐ tung stünde das weite Feld poetischen Spiels - bis zur Verfremdung - offen. (443) Es geht K. Dedecius letztlich um die Frage, wann eine Übersetzung poetischer Texte als „eigentliche“ Übersetzung gelten kann. Sie ist es nicht, wenn sie - als Nachdichtung - die Autonomie des zu überset‐ zenden Textes verletzt. Sie ist es aber auch nicht, wenn sie von einer dem literarischen Text unangemessenen Hierarchie der zu bewah‐ renden Werte ausgeht, d. h. wenn sie die ästhetischen auf Kosten der denotativen Werte vernachlässigt. In diesem Sinne wäre die „Lese‐ hilfe“, die F. Kemp mit seiner Baudelaire-Übersetzung geben will (s. o.), keine Übersetzung im eigentlichen Sinne. 3. Ein Beitrag soll im Folgenden ausführlicher vorgestellt werden, weil 3. er gleichsam ein Muster solcher übersetzerischer Reflexion darstellt: Wilhelm von Humboldts Einleitung zu seiner Übersetzung des „Aga‐ memnon“ von Aeschylos (1816, zitiert wird nach der Ausgabe in H. J. Störig, Hrsg. 1973). Diese Einleitung besteht aus drei Teilen: 1. Einer Einführung in das Werk selbst, d. h. Inhaltsangabe und In‐ 1. terpretation des Textes in seinen sprachlichen, ästhetischen und historischen Bezügen; es ist dies recht eigentlich eine (überset‐ zungsrelevante) Analyse des Originaltextes. 2. Der Reflexion des Übersetzungsprozesses, der Erläuterung der 2. prinzipiellen Übersetzungsschwierigkeiten und der grundsätzli‐ chen übersetzungstheoretischen Vorüberlegungen. W. von Hum‐ boldt führt aus, dass ein Text wie „Agamemnon“ „seiner eigent‐ hümlichen Natur nach […] unübersetzbar“ sei. Dies begründet er mit folgender sprachwissenschaftlichen Feststellung: 2.5 Vor- und Nachworte, Erfahrungsberichte 61 <?page no="62"?> Man hat schon öfter bemerkt […], dass, so wie man von den Ausdrü‐ cken absieht, die bloss körperliche Gegenstände bezeichnen, kein Wort Einer Sprache vollkommen einem in einer andren Sprache gleich ist. Verschiedene Sprachen sind in dieser Hinsicht nur eben‐ soviel Synonymieen; jede drückt den Begriff etwas anders, mit dieser oder jener Nebenbestimmung, eine Stufe höher oder tiefer auf der Leiter der Empfindungen aus. […] Wie könnte daher je ein Wort, des‐ sen Bedeutung nicht unmittelbar durch die Sinne gegeben ist, voll‐ kommen einem Worte einer andern Sprache gleich seyn? Es muss nothwendig Verschiedenheiten darbieten, und wenn man die besten, sorgfältigsten, treuesten Uebersetzungen genau vergleicht, so er‐ staunt man, welche Verschiedenheit da ist, wo man bloss Gleichheit und Einerleiheit zu erhalten suchte. (80 f.) Die Wörter erfassen die Begriffe auf unterschiedliche Weise, weil sich die Bedeutungen der Wörter von Sprache zu Sprache unter‐ scheiden. Eine Ausnahme sind die Ausdrücke, die sich auf konkret erfassbare Gegenstände beziehen. W. von Humboldt unterschei‐ det damit wie F. Schleiermacher (s. o., I.2.4) zwischen Nomenkla‐ turen (Terminologien) und dem historisch und kulturell bestimm‐ ten Teil des Wortschatzes (dass auch im Bereich der Terminologie die Verhältnisse keineswegs so einfach sind, zeigt die moderne Fachsprachen- und Terminologieforschung (s. II.4.2.2). Das Pro‐ blem und die Herausforderung des Übersetzens besteht darin, dass trotz dieser Unterschiedlichkeiten versucht werden muss, das in der anderen Sprache Gedachte (und Denkbare) mit den Mitteln der eigenen Sprache wiederzugeben. Deshalb kann es die Übersetzung nicht geben, und die vorliegenden oder möglichen Übersetzungen eines Textes stellen nur Annäherungen, (Teil-) „Bilder“ des Originaltextes dar: Denn Uebersetzungen sind doch mehr Arbeiten, welche den Zustand der Sprache in einem gegebenen Zeitpunkt, wie an einem bleibenden Massstab, prüfen, bestimmen, und auf ihn einwirken sollen, und die immer von neuem wiederholt werden müssen, als dauernde Werke. Auch lernt der Theil der Nation, der die Alten nicht selbst lesen kann, sie besser durch mehrere Uebersetzungen, als durch eine, kennen. Es sind eben so viel Bilder desselben Geistes; denn jeder giebt den wieder, 2 Die Übersetzer und ihre Theorien 62 <?page no="63"?> den er auffasste, und darzustellen vermochte; der wahre ruht allein in der Urschrift. (87) Übersetzungen literarischer Texte müssen immer wieder von neuem unternommen werden. Jede Übersetzung gibt eine be‐ stimmte und immer nur partielle Interpretation des Originals; deshalb altern (oder besser: verändern sich) Übersetzungen nicht nur in sprachlicher Hinsicht, sondern auch in den in ihnen fest‐ geschriebenen Interpretationen (ihren Konkretisationen, s. u., I.7.2.6). Diese Einsicht darf aber, wie W. von Humboldt ausführt, „vom Uebersetzen nicht abschrecken“: Das Uebersetzen und gerade der Dichter ist vielmehr eine der not‐ hwendigsten Arbeiten in einer Literatur, theils um den nicht Sprach‐ kundigen ihnen sonst ganz unbekannt bleibende Formen der Kunst und der Menschheit, wodurch jede Nation immer bedeutend gewinnt, zuzuführen, theils aber und vorzüglich, zur Erweiterung der Bedeut‐ samkeit und der Ausdrucksfähigkeit der eignen Sprache. (81) 3. Schließlich behandelt W. von Humboldt die konkreten Überset‐ 3. zungsprobleme, die insbesondere Silbenmaß und Rhythmus dar‐ stellen, und er rechtfertigt im Einzelnen seine Übersetzerent‐ scheidungen. 2.6 Zusammenfassung In Kapitel 2 geht es um Äußerungen von Übersetzern zu ihrer Praxis und um die zugrundeliegenden Prinzipien, die sich daraus ableiten lassen. Be‐ sondere Aufmerksamkeit gilt dabei Schleiermachers Übersetzungstheorie und Luthers Übersetzungsprinzipien. 2.6 Zusammenfassung 63 <?page no="65"?> 27 S. dazu den geschichtlichen Abriss in W. Koller (1972: 13 ff.), L. Kelly (1979), L. Venuti (2008). - Zur Geschichte des Dolmetschens, s. M. Bowen (1999). 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen und Übersetzungstheorien (am Beispiel des Deutschen) 3.1 Übersetzung als Kultur- und Spracharbeit Die Geschichte der Übersetzung (als Geschichte der übersetzerischen Tä‐ tigkeit und der Übersetzungen) zeigt, dass Übersetzen und Dolmetschen menschliche Tätigkeiten sind, denen man in allen Menschheitsepochen be‐ gegnet. Auf den biblisch-mythologischen Ausgangspunkt für die Notwen‐ digkeit des Übersetzens und Dolmetschens weist der Titel von G. Steiners gelehrtem Buch „After Babel. Aspects of Language and Translation“ (1975). In der Erzählung vom Turmbau zu Babel erscheinen die Vielsprachigkeit der Menschheit und die damit verbundenen Verständigungsprobleme „mytho‐ logisch verdichtet“ (W. Wilss 1977: 27). Überall dort, wo Menschen verschie‐ dener Sprachen miteinander zu tun hatten und haben, brauchte und braucht es - zunächst im mündlichen, dann auch im schriftlichen Verkehr - Dol‐ metscher und Übersetzer, die mitteln und vermitteln, d. h. Verständigung ermöglichen. Die Geschichte der Übersetzung, der übersetzerischen und dolmetschenden Tätigkeit in den verschiedenen Menschheitsepochen und in den verschiedenen Kultur- und Sprachräumen, vom ägyptischen Alten Reich bis in unsere Zeit, ist immer noch nicht ausreichend erforscht und dokumentiert. 27 Immerhin sind in den letzten Jahrzehnten breit angelegte Untersuchungen erschienen, die sich das Ziel setzen, diese Lücken zu schlie‐ ßen. Insbesondere sei hingewiesen auf die drei Bände von „Übersetzung - Translation - Traduction. Ein internationales Handbuch zur Übersetzungs‐ forschung“ (hrsg. von H. Kittel u. a. 2004, 2007, 2011), in dem die Überset‐ zungskulturen in Raum und Zeit weltweit dokumentiert werden. Das Spek‐ trum reicht von der Übersetzung in und zwischen den Kulturen in der antiken Welt, im Vorderen Orient, im Europa des Mittelalters, in der Re‐ <?page no="66"?> 28 Wer sich für die „Übersetzung im mesopotamischen Raum“, für die „Übersetzung aus dem Tibetischen ins Mongolische und umgekehrt“ oder die „Übersetzungskultur in der DDR“ interessiert, kommt ebenso auf seine Rechnung wie jemand, der sich über die „übersetzerische Entdeckung des Orients am Beispiel der Feerei“ oder die spanischa‐ merikanische Übersetzungskultur in vorkolumbianischer und frühkolonialer Zeit“ in‐ formieren möchte. 29 Zur Bedeutung der Übersetzung für die Entwicklung der Kultursprachen, s. J. Albrecht (2007). naissance und in der Neuzeit über die Übersetzungskulturen in den einzel‐ nen europäischen Ländern, im Mahgreb, in afrikanischen und asiatischen Ländern bis Australien und Amerika. Außerdem werden Übersetzungsge‐ schichte, Verbreitung und Wirkung ausgewählter Texte und Verfasser (Bibel, Homer, Shakespeare, Marx, Tolstoj, Freud) behandelt. 28 Studien zu einzelnen Übersetzungstexten wie auch breiter angelegte Un‐ tersuchungen zur Übersetzungsliteratur zeigen immer wieder, dass die kul‐ tur-, literatur- und sprachgeschichtliche Bedeutung von Übersetzungen nicht überschätzt werden kann. Nach A. P. Frank (1987: ix) trug „die Über‐ setzung antiker Autoren schon während der Renaissance wesentlich zur Herausbildung der modernen europäischen Literaturen bei“. R. Jürgensen (1990: xi f.) macht geltend, dass die Entstehung einer deutschen Nationalli‐ teratur in der Wende zum 17. Jahrhundert nur aus dem Zusammenhang der europäischen Literaturtraditionen begriffen werden könne. Mit Nachah‐ mung und Übersetzung wurden die fremden literarischen Formen angeeig‐ net. Unter Nachahmung wird dabei die „freie Nachbildung unbekannter li‐ terarischer Muster im Kontext der eigenen Literaturtraditionen“ verstanden; unter Übersetzung der „Versuch, das Nicht-Vertraute in einer fremden Spra‐ che nachzuvollziehen und möglichst unverfälscht in der eigenen kulturellen Sphäre heimisch zu machen“. Übersetzung ist in einem weiteren Sinne immer Kulturarbeit, in einem engeren Sinne Spracharbeit: Arbeit mit der anderen und an der eigenen Kultur, Arbeit mit und an der eigenen Sprache (s. u., I.5.6, wo vom Überset‐ zen als einer sprachlichen Kulturtechnik die Rede ist). 29 Die Übersetzungs‐ aufgabe ist eine kommunikative Herausforderung, die unter zwei Aspekten gesehen werden muss: dem Aspekt des Kulturkontakts und dem Aspekt des Sprachkontakts. 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 66 <?page no="67"?> 3.2 Übersetzung unter den Aspekten des Kultur- und des Sprachkontakts - Übersetzungsmethoden Jeder Text ist in einem bestimmten kommunikativen Zusammen‐ hang, einer Kultur, verankert. Textproduktions- und -rezeptionsbedin‐ gungen sind von Kommunikationsgemeinschaft zu Kommunikationsge‐ meinschaft verschieden; sie unterscheiden und verändern sich auch innerhalb einer Kommunikationsgemeinschaft. Je stärker die kommunika‐ tiven Zusammenhänge voneinander abweichen, umso größer ist die kom‐ munikative Herausforderung für den Übersetzer, der diese kommunika‐ tive Differenz überbrücken muss. Idealtypisch lassen sich zwei Übersetzungsmethoden (man würde vielleicht besser von Übersetzerhal‐ tungen sprechen) unterscheiden, mit denen sich Übersetzungen dieser Her‐ ausforderung stellen: ▸ Die adaptierende Übersetzung ersetzt AS-Textelemente, die spezi‐ ▸ fisch in der AS-Kultur verankert sind, durch Elemente der ZS-Kultur; die Übersetzung assimiliert den AS-Text im ZS-Kontext. ▸ Die transferierende Übersetzung versucht, kulturspezifische ▸ AS-Elemente als solche im ZS-Text zu vermitteln. Schwierigkeiten treten dann auf, wenn die kulturelle Differenz so groß ist, dass beim ZS-Leser die Verstehensvoraussetzungen erst geschaffen werden müssen, um eine adäquate Rezeption zu ermöglichen. Mit der trans‐ ferierenden Übersetzung wird der kommunikative Zusammenhang der ZS erweitert, und das kann (muss aber nicht) bedeuten, dass die fremdkulturellen Elemente durch den Einsatz neuer sprachlich-stilis‐ tischer Ausdrucksformen in der ZS vermittelt werden: Die Überset‐ zung verändert oder erneuert ZS-Sprach- und Stilnormen. Die Sprachkontaktsituation des Übersetzens ergibt sich daraus, dass ein Text, der sich der Ausdrucksmittel einer bestimmten AS bedient, in einen Text überführt wird, der sich anders strukturierter sprachlich-stilistischer Mittel bedienen muss. Wiederum idealtypisch lassen sich zwei Überset‐ zungsmethoden im Blick auf die kommunikative Herausforderung unter‐ scheiden, die sich aus der Divergenz zwischen den sprachlich-stilisti‐ schen Gegebenheiten des ausgangssprachlichen Textes und den zielsprachlichen Möglichkeiten ergibt: 3.2 Übersetzung unter den Aspekten des Kultur- und des Sprachkontakts 67 <?page no="68"?> 30 Übersetzung als Spracharbeit wird besonders bei der Übernahme von fremdem Wortgut (Zitatwörtern) direkt an der Sprachoberfläche sichtbar. Möglichkeit und Bedingungen für dieses Verfahren sind historisch unterschiedlich; vgl. dazu die mehrere Sprachen berücksichtigenden Beispiele in W. Koller (1972, Abschnitt 4.4.), und B. Bödeker/ K. Freese (1987), wo auf die Übernahme von Ausdrücken wie Stuga, Sump, Länsman usw. in Übersetzungen der um die vorige Jahrhundertwende im deutschen Sprachraum überaus populären skandinavischen Literatur eingegangen wird (s. u., II.3.3.4). - Zur verfremdenden Übersetzungsmethode bei der Übersetzung von Dramen aus dem Deut‐ schen ins Griechische, s. A. Anastasiadis (2009). 31 S. dazu ausführlicher W. Koller (2007), mit Quellen- und Literaturangaben. ▸ Die sich einpassende Übersetzung (aufs Deutsche bezogen: ver‐ ▸ deutschende Übersetzung) bewegt sich im Rahmen der sprach‐ lich-stilistischen Normen, die in der ZS zum Zeitpunkt der Überset‐ zungsarbeit gelten. ▸ Die verfremdende Übersetzung versucht, die sprachlich-stilisti‐ ▸ schen Strukturen des AS-Textes so weit wie möglich im ZS-Text nach‐ zuvollziehen oder wenigstens „durchscheinen“ zu lassen, wodurch (im Extremfall) eine eigentliche Übersetzungssprache entstehen kann, die sich von der Sprache originaler Texte abhebt. Während sich ein‐ passende Übersetzungen in die Menge von Originaltexten einordnen und zur Bestätigung und Verfestigung geltender sprachlich-stilisti‐ scher Normen beitragen, können verfremdende Übersetzungen be‐ stehende sprachliche Normen verändern, erweitern oder erneuern, bzw. sie verstärken Tendenzen der Normveränderung, die unter Um‐ ständen auch in Originaltexten fassbar sind. 30 Im Folgenden werden die Geschichte deutscher Übersetzungstheorie und die sprachgeschichtliche Bedeutung von deutschen Übersetzungen quer‐ schnittartig und in gedrängter Form behandelt; es kommt uns darauf an, die übersetzungstheoretische Diskussion in ihrer Geschichtlichkeit und damit zugleich ihrer geschichtlichen Relativität darzustellen. 31 3.3 Althochdeutsche Zeit (8.-11. Jahrhundert) Geschriebene deutsche Sprache ist in ihren Anfängen das Resultat einer Übersetzungstätigkeit, deren Spektrum von Glossen und Wort-für-Wort-Um‐ setzungen bis zu selbständigen Übersetzungsleistungen reicht. Autonome, von lateinischen Vorlagen unabhängige Texte bilden die Ausnahme in der althoch‐ 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 68 <?page no="69"?> deutschen Überlieferung. In den Jahrhunderten althochdeutscher Sprachar‐ beit, die primär Übersetzungsarbeit ist, stehen die althochdeutschen Dialekte in ihrem germanisch-„heidnischen“ Gepräge vor der kommunikativen Her‐ ausforderung, lateinische Sprache und christlich-antike Kultur im Deutschen schriftsprachlich zu erfassen und zu vermitteln. Die Volkssprache, die als un‐ geübt und regellos aufgefasst wird, ist „lingua vulgaris et illiterata“. Entstehungs- und Gebrauchsort der althochdeutschen Übersetzungstexte ist das Kloster; die Klosterschule bestimmt ihre (Hilfs-)Funktion. Konkret bedeutet das: Dem Klosterschüler soll beim Verstehen der lateinischen Vor‐ lagen und beim Lateinlernen geholfen werden. Ausnahmen von dieser sprachdidaktischen Übersetzungshaltung, die das Deutsch der Über‐ setzungen auf das Latein der Vorlagen ausrichtet, sind, am Anfang althoch‐ deutscher Überlieferung (um 800), die Isidor-Übersetzung, und, am Ende der Epoche, Willirams von Ebersberg Paraphrase des Hohen Liedes (um 1060). Etikettierungen althochdeutscher Übersetzungen mit Ausdrücken wie „primitive Wörtlichkeit“ oder „sklavische Abhängigkeit von der Vorlage“ verbieten sich, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Sprach-, Denk- und Kulturleistungen in ihnen vollbracht werden, welches sprachliche Experi‐ mentierfeld sie darstellen. Generell gilt für althochdeutsche Übersetzungen, dass sie (und dies setzt sich über das Mittelhochdeutsche bis zum Ende der frühneuhochdeutschen Epoche fort) durch die Schule des Lateins gehen. In‐ dem sich die althochdeutsche Sprache der Übersetzungen in die „Zwangs‐ jacke“ des Lateins pressen lässt, lernt sie nicht nur christliche und antike Kultur in deutscher Sprache zu bewältigen; sie ist schließlich fähig, das La‐ tein als Fach- und Literatursprache abzulösen. Dieser Prozess kommt erst in neuhochdeutscher Zeit zum Abschluss. Die Geschichte der Übersetzung ins Deutsche spiegelt nicht bloß diese Entwicklung, Übersetzungen sind an ihr als Triebkraft maßgeblich beteiligt. 3.4 Mittelhochdeutsche Zeit (Mitte 11. - Mitte 14. Jahrhundert) In diesem Zeitraum erschließt sich die deutsche Sprache, im Neben- und Miteinander mit dem Latein, neue und zugleich immer speziellere Anwen‐ dungsbereiche, bis sich im 14. und 15. Jahrhundert eine Prosa- und Fach‐ prosaliteratur herausbildet, in der das Deutsche als Schriftsprache die Stufe eines alle Lebens- und Sachbereiche abdeckenden Kommunikationssystems 3.4 Mittelhochdeutsche Zeit (Mitte 11. - Mitte 14. Jahrhundert) 69 <?page no="70"?> erreicht. Bei dieser Entwicklung spielt die Übersetzung bzw. die bearbei‐ tende und aneignende Auseinandersetzung mit fremden Vorlagen, Quellen und Stoffen (in erster Linie lateinischen und französischen) eine hervorra‐ gende Rolle. Die wachsenden volkssprachlichen Kommunikationsbedürf‐ nisse, die sich im ständigen Anschwellen der Übersetzungsproduktion ma‐ nifestieren, treiben Erweiterung und Differenzierung des Begriffs- und Wortinventars und der Syntax des Deutschen voran. Erweiterung und Dif‐ ferenzierung spielen sich dabei im Wesentlichen auf der Ebene der Sprach‐ norm ab: Nach 400 Jahren althochdeutscher Sprach- und Übersetzungsar‐ beit verfügt das Deutsche über die Möglichkeiten, die zur Wiedergabe lateinischer Konstruktionen und Inhalte notwendig sind. Man vergegen‐ wärtige sich den Sachverhalt, dass es Albrecht von Halberstadt um 1210 (1190? ) unternimmt, ein Werk wie Ovids „Metamorphosen“ zu übersetzen. Mittelhochdeutsche Thomas-Übersetzung und Meister Eckharts deutsche Werke zeigen eindrücklich, dass die Volkssprache, zur Schriftsprache ge‐ worden, fähig ist zur Wiedergabe schwierigster theologischer und philoso‐ phischer Argumentation. Die mittelhochdeutsche höfische Epik und Lyrik im 12. und 13. Jahrhun‐ dert ist nach Frankreich ausgerichtet. Das Verhältnis der deutschen Texte zu den französischen Vorlagen ist allerdings mit einem Übersetzungsbegriff, der sich im 18. und 19. Jahrhundert herausgebildet hat, nicht adäquat be‐ schreibbar. Das zeigt sich schon rein äußerlich: Die mittelhochdeutschen Dichtungen sind nicht selten doppelt oder dreimal so umfangreich wie die französischen Vorlagen. Die „Treue“ der deutschen höfischen Dichtungen gegenüber dem jeweiligen französischen Ausgangspunkt gilt dem Stoffli‐ chen als historischer und poetischer Wahrheit; in der formalen und deu‐ tend-erklärenden Ausgestaltung sind sie frei. Die freie Bearbeitung, die den ausgangssprachlichen Text in der deut‐ schen Fassung erweitert, kürzt, strafft und kommentiert und die ihn in die deutsche mittelalterliche Welt überführt, ist kennzeichnend für die Über‐ setzungshaltung in mittelhochdeutscher Zeit. Daneben sind aber auch die anderen, für das Althochdeutsche ausgewiesenen Übersetzungstypen ver‐ treten: a. Interlinearversionen im engeren Sinne, d. h. Form-für-Form-Umsetzun‐ a. gen, die ohne Heranziehung der Vorlagen oft kaum verständlich sind b. interlinearartige Texte mit gewissen Anpassungen an deutschen b. Sprachusus 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 70 <?page no="71"?> 32 S. dazu z. B. S. Plotke (2017). c. freie oder relativ freie Übersetzungen c. d. Um- und Nachdichtungen d. Was wir in mittel- und frühneuhochdeutscher Zeit beobachten können, ist der kultur-, literatur- und sprachgeschichtlich so bedeutungsvolle Vorgang der allmählichen Ausgliederung des Deutschen aus der latei‐ nisch geprägten Schriftkultur. Übersetzungen und Bearbeitungen ste‐ hen am Anfang dieses Prozesses; sie sind zugleich Mittel der tradieren‐ den Weiterführung des Zusammenhangs von lateinischer und deutscher Kultur. 3.5 Frühneuhochdeutsche Zeit (Mitte 14. - Mitte 17. Jahrhundert) In dieser Epoche beschleunigt sich der Prozess der Ablösung des Lateins als Schriftsprache durch das Deutsche. 32 Dass sich vor dem Hintergrund der Existenz verschiedener Schreibsprachen eine deutsche Schriftsprache eta‐ bliert, deren Verbindlichkeit sich immer mehr durchsetzt, ist in entschei‐ dender Weise mit der Sprachleistung Martin Luthers verknüpft, die in hohem Grade Übersetzungsleistung ist. Neben den besonderen Gründen der historischen und ökonomischen Situation des Reformationszeitalters, zu denen auch die durch den Buchdruck ermöglichte Massenverbreitung der Luther-Schriften gehört, hängt die Breitenwirkung der Sprache von Luthers Bibelübersetzung unmittelbar mit seinem Übersetzungsprinzip des Ver‐ deutschens zusammen. Luther schaut dem „gemeinen Mann“ aufs Maul und schafft gleichzeitig eine Literatursprache, die höchsten Ansprüchen ge‐ nügt (s. o., I.2.4). Hinsichtlich der Geschichte der Übersetzungstheorie spielt die frühneu‐ hochdeutsche Epoche eine besondere Rolle, weil in ihr Übersetzungsbegriff und -prinzipien explizit reflektiert werden. Das gilt nicht erst für Luthers „Sendbrief vom Dolmetschen“ (1530), sondern schon für das vorhergehende Jahrhundert: die sogenannte „Wiener Schule“ und den deutschen Frühhu‐ manismus. 3.5 Frühneuhochdeutsche Zeit (Mitte 14. - Mitte 17. Jahrhundert) 71 <?page no="72"?> Bei den Übersetzungen der Wiener Schule (Ende des 14. und erste Hälfte des 15. Jahrhunderts) lassen sich zwei Übersetzungstypen unterscheiden, deren Art und adressatenspezifische Funktion in Vorreden zu den Überset‐ zungen erklärt und gerechtfertigt werden: a) Übersetzungen, die sich am Latein der Vorlage orientieren; in einer Gelehrtensprache eigenen Charak‐ ters soll die proprietas des Lateins im Deutschen nachvollzogen werden, und b) Übersetzungen, die sich im Rahmen des schreibüblichen Deutsch bewe‐ gen und sich durch Umschreibungen auszeichnen. Dazu gehört nicht nur, dass sich die Übersetzung ganz vom Latein freimacht und deutschem Sprachusus folgt, also verdeutscht; der Übersetzer kann auch im Interesse der belehrenden und erbauenden Vermittlung religiöse Erläuterungen und Ergänzungen hinzufügen sowie Kürzungen und Straffungen vornehmen: Es gilt das Prinzip der Adaptation. Auch im deutschen Frühhumanismus lassen sich zwei Übersetzungshal‐ tungen unterscheiden: Latinisierender Übersetzungsstil: Niklas von Wyle (ca. 1410-1478) lässt sich vom Übersetzungsgrundsatz größtmöglicher Wört‐ lichkeit in Bezug auf das Latein leiten; er ist durchdrungen von der Überzeu‐ gung des höheren Rechts und der sprachlich-stilistischen Vorbildlichkeit und Verbindlichkeit des Originals. Auf Verständlichkeit für den „gemeinen Mann“ kommt es ihm nicht an. Seinen Übersetzungsgrundsatz exemplifiziert er an‐ hand der formalen Nachbildung lateinischer Partizipialkonstruktionen: Im Vorwort zu seinen „Translationen“ führt er aus, dass er „sed invenies aliquos senes amantes, amatum nullum“ übersetzt habe mit „du findest aber etlich alt liebhabend mane, aber liebgehapten kainen“, obwohl er „verstentlicher“ hätte übersetzen können mit „du findest aler etlich alt mane die frowen liebhabent. Aber kainen alten findest du, der von frowen werd lieb gehept“. Freierer Übersetzungsstil: Hat der latinisierende Übersetzungsstil von Niklas von Wyle im 15. und 16. Jahrhundert durchaus seine Anhänger und Nachfolger, so dominiert doch die freiere Übersetzungsmethode der Früh‐ humanisten Albrecht von Eyb (1420-1475) und Heinrich Steinhöwel (1412- 1482). Im Zusammenhang mit der Übersetzung von Plautus-Komödien for‐ muliert Albrecht als Grundsatz, er habe übersetzt „nit als gar von worten zu worten, wann das gar vnuerstentlich wäre, sunder nach dem synn vnd mai‐ nung der materien, als sy am verstendlichisten vnd besten lauten mügen“. Dabei geht es ihm um Verdeutschen und Adaptieren zugleich, d. h. um Verständlichkeit und Gebräuchlichkeit auf der sprachlich-stilistischen wie der kulturell-inhaltlichen Ebene. So werden die Plautus-Komödien sprach‐ lich und inhaltlich ins deutsche Milieu des 15. Jahrhunderts verpflanzt. 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 72 <?page no="73"?> Zahlreiche Erweiterungen und Zusätze sollen die Dramen lebendiger und verständlicher machen; Kürzungen wiederum werden im Interesse der Spielbarkeit der Stücke vorgenommen, soweit nicht moralische Gründe den Ausschlag geben. Bei der Beurteilung der so unterschiedlichen Positionen von Niklas von Wyle auf der einen und Albrecht von Eyb auf der anderen Seite ist zu be‐ denken, was für diese Zeit volkssprachliche Literatur bedeutet: Die Volks‐ sprache ist als Schriftsprache Kommunikationsmittel der Ungebildeten und Ungelehrten; Latein ist die Sprache der Gelehrten und der Kunstdichtung. Übersetzungen ins Deutsche müssen sich, wenn sie nicht rein sprachdidak‐ tischen Zwecken dienen oder wenn sie nicht die deutsche Sprache am Latein schulen und den deutschen Leser zum lateinischen Text führen wollen, auf eine „ungelehrte“ Leserschaft einstellen, und das bedeutet: Popularisierung der Vorlagen in sprachlich-stilistischer und inhaltlicher Hinsicht. Im Übergang zur neuhochdeutschen Epoche sind Martin Opitz (1597- 1639) und Justus Georg Schottel (1612-1676) von besonderer Bedeutung für Übersetzung und Übersetzungstheorie. In Sprachauffassung und Überset‐ zungshaltung überschreiten sie Theorie und Praxis des 15. und 16. Jahrhun‐ derts: Fühlt sich ein Thomas Murner in der Vorrede zu seiner „Äneis“-Über‐ setzung von 1515 noch verpflichtet, sich für die Verwendung der ungelenken deutschen Sprache zu entschuldigen, herrscht bei Opitz und Schottel das Bewusstsein, dass das Deutsche vollwertige Literatursprache ist bzw. bei entsprechender „Übung“ sein könnte, und dass es eines poetischen und ora‐ torischen Stils fähig ist, der seinen Vorbildern in nichts nachsteht, ja diese sogar übertreffen kann. Ziel der Übersetzung ist für Schottel Verdeut‐ schung; und dies ist möglich, weil die deutsche Sprache nun, im 17. Jahr‐ hundert, über den notwendigen Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten ver‐ fügt. Dieser Reichtum muss unter Umständen teilweise allerdings erst zutage gefördert werden; insofern hat das Übersetzen auch für Schottel eine spracherweiternde und -bereichernde Funktion. 3.6 Neuhochdeutsche Zeit (ab Mitte 17. Jahrhundert) In der neuhochdeutschen Zeit sind die sprachlich-stilistischen Vorausset‐ zungen, aber auch die Rezeptionsbedingungen gegeben, die Ausgangspunkt moderner Übersetzungstheorie und einer neuen Übersetzungspraxis sein können. Diese Entwicklung, die keineswegs geradlinig verläuft, ist im Zu‐ 3.6 Neuhochdeutsche Zeit (ab Mitte 17. Jahrhundert) 73 <?page no="74"?> sammenhang mit der Ablösung des Lateins als Literatur- und Fachsprache zu sehen: Am Ende der frühneuhochdeutschen Epoche hat sich eine deut‐ sche Schriftsprache etabliert, die in allen Kommunikationsbereichen zur Anwendung kommt. Mit Opitz hat diese Schriftsprache bewiesen, dass sie vollwertige Kunstsprache ist; Schottels grammatisches Werk fasst sie in verbindliche und verbindende Regeln, die ihre Legitimation nicht mehr in lateinischer Grammatik und Rhetorik finden müssen, sondern in der Eigen‐ gesetzlichkeit der deutschen Sprache und deren Gebrauch bei Autoren, die als vorbildlich gelten. Bei der Erprobung und Entwicklung der deutschen Schrift- und Litera‐ tursprache spielt die Übersetzungstätigkeit eine wichtige Rolle als Trieb‐ kraft, Katalysator und Prüfstein. Übersetzer nehmen die kommunikative Herausforderung an, die fremde Texte, Inhalte und Sprachen darstellen: bis ins 18. Jahrhundert die Herausforderung des Lateins, im 12.-14. Jahrhundert und im 17./ 18. Jahrhundert des Französischen, ab dem 17. Jahrhundert des Englischen und anderer europäischer und außereuropäischer Sprachen. So paradox es jedoch zunächst scheinen mag: Mit der Etablierung und Entfal‐ tung einer neuhochdeutschen Schriftsprache, die über die Ausdrucksmög‐ lichkeiten verfügt, mit denen das ganze Spektrum von alltäglichen Äuße‐ rungen bis zu hochpoetischen Texten und komplizierten wissenschaftlichen Sachverhalten sprachlich bewältigt werden kann, nimmt die sprachge‐ schichtliche Bedeutung der Übersetzung kontinuierlich ab. Je mehr im 18. und 19. Jahrhundert geschrieben und übersetzt wird, desto größer wird die Übersetzbarkeit der Sprachen, und das heißt zugleich: desto kleiner wird die kommunikative Herausforderung der deutschen Sprache durch das Fremdsprachige (und - im Zuge von Internationalisierung, ja Globalisierung aller Lebensbereiche - teilweise auch das Fremdkulturelle). Das bedeutet natürlich keineswegs, dass die Übersetzungsaufgabe als Wirk- und Ent‐ wicklungsfaktor gänzlich ausfällt. Die Erneuerung der deutschen Lite‐ ratursprache ist entscheidend mit Übersetzungsleistungen verknüpft. So gewaltig aber die literarische und literatursprachliche Leistung von Johann Heinrich Voß oder August Wilhelm Schlegel ist, wie groß auch immer die sprachschöpferische und -erneuernde Kraft des deutschen Homer und des deutschen Shakespeare einzuschätzen ist: Von ihrer Bedeutung in der sprachgeschichtlichen Situation des 18./ 19. Jahrhunderts her können sie doch nicht mit Luther verglichen werden. Übersetzungstheoretische Positionen: Die unterschiedlichen überset‐ zungstheoretischen Positionen in neuhochdeutscher Zeit haben ihren Aus‐ 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 74 <?page no="75"?> gangspunkt in der deutschen Aufklärung; sie können an Johann Christoph Gottsched (1700-1766) bzw. dem Kreis um Gottsched in Leipzig und an Jo‐ hann Jacob Breitinger (1701-1776) festgemacht werden. Gottscheds und Breitingers Übersetzungshaltungen sind im Zusammenhang mit unter‐ schiedlichen poetischen, ästhetischen und literatursprachlichen Auffassun‐ gen zu sehen, die im Streit um die Milton-Übersetzung Johann Jacob Bod‐ mers aufeinanderprallen. Gemeinsam ist beiden die rationalistische Sprachauffassung, nach der zwischen den Sprachen prinzipielle Übersetz‐ barkeit besteht, weil sie sich wesenhaft gleich sind. Beide sind sich zugleich durchaus bewusst, dass sich Sprachen nicht eins zu eins entsprechen. Sie unterscheiden sich in der Stellungnahme dazu, wie sich Übersetzer Schwie‐ rigkeiten gegenüber verhalten sollen, die sich aus der Einzelsprachspezifik sogenannter Redensarten (d. h. „Arten zu reden“) und Konstruktionen (ins‐ besondere Partizipialkonstruktionen) ergeben: Dürfen in der Übersetzung sprachlich-stilistische oder formale Eigenschaften des AS-Textes nachgebil‐ det werden, auch wenn dadurch unter Umständen gegen ZS-Normen ver‐ stoßen wird? Für Gottsched sind Übersetzungen dann gute Übersetzungen, wenn sie mit den Grundsätzen der aufklärerischen normativen Poetik übereinstim‐ men. Wo ein Original diesen Regeln nicht entspricht, hat der Übersetzer die Aufgabe, zu „bessern“, zu erweitern, zu straffen, zu kürzen: Die Übersetzung soll sich nahtlos in die Originalliteratur einfügen. Dazu gehört auch, dass sie den Regeln der Sprachkunst folgt; das bedeutet für Gottsched, dass die Übersetzung ganz deutsch zu sein hat. Für Breitinger dagegen muss sich der Übersetzer „das harte Gesetz vor‐ schreiben, dass er niemahls die Freyheit nehmen wolle, von der Grund‐ schrift, weder in Ansehung der Gedancken, noch in der Form und Art der‐ selben, abzuweichen“. Entschieden wendet er sich dagegen, das Original in der Übersetzung durch Weglassungen zu verändern; ein guter Originaltext enthalte keine „müßigen“, d. h. funktionslosen Wörter. Sogenannte fremd‐ sprachige „Idiotismen“ sollten nach Breitinger im Deutschen nachgebildet werden. Dazu gehören nicht nur einzelne Wörter und Syntagmen (wie z. B. Ausdrücke, die sich auf landesspezifische Sitten und Gebräuche, Institutio‐ nen usw. beziehen, Sprichwörter, Metaphern), sondern auch grammatische Möglichkeiten wie Substantivierung, Bildung von Zusammensetzungen und Verwendung von Partizipien. Die deutsche Sprache ist nach Breitinger er‐ weiterungsfähig, ja sie muss - zu ihrem eigenen Vorteil - erweitert werden 3.6 Neuhochdeutsche Zeit (ab Mitte 17. Jahrhundert) 75 <?page no="76"?> durch die Einführung oder Erneuerung auch von zunächst vielleicht fremd wirkenden Ausdrucksmöglichkeiten. Auf der theoretischen Ebene führt Johann Gottfried Herder (1744-1803) den Ansatz Breitingers weiter; konsequent in die Praxis umgesetzt wird er von Johannes Heinrich Voß (1751-1826) in der Homer-Übersetzung von 1793, in der homerische Sprach- und Stilzüge systematisch nachgebildet und dadurch die bis weit ins 19. Jahrhundert hinein normgebenden Sprach- und Stilreglementierungen Johann Christoph Adelungs auf radikale Weise durchbrochen werden. In August Wilhelm Schlegels (1767-1845) Theorie und Praxis der Shakespeare-Übersetzung wird schließlich jene romanti‐ sche Konzeption der Übersetzung sichtbar, die Friedrich Schleiermacher (1768-1834) in der Abhandlung „Ueber die verschiedenen Methoden des Uebersezens“ (1813) systematisch erörtert (s. o., I.2.4). Schleiermacher stellt mit bisher nicht dagewesener Ausschließlichkeit die Methoden des Verfremdens und des Verdeutschens einander gegen‐ über; bei poetischen und philosophischen Texten lässt sich Übersetzbarkeit nur mit der Methode des konsequenten Verfremdens herstellen. Er befür‐ wortet eine eigentliche Übersetzungssprache, die immer Sprachverände‐ rung beinhaltet, denn nur durch Abweichung von der geltenden Norm kann das Fremdsprachige in der ZS sichtbar gemacht werden. Schleiermacher ist von der spracherneuernden Aufgabe des Übersetzens, von der Pflicht des Übersetzers zur sprachlichen Kreativität überzeugt. Mit Schleiermachers übersetzungsmethodischer Antithese und seinem Postulat einer sprachverändernden Übersetzungssprache beschäftigt sich jede moderne Übersetzungstheorie. Zu grundsätzlich neuen Positionen stößt weder das 19. noch das 20. Jahrhundert vor, sieht man einmal ab von den Versuchen, Mittelwege zu finden und zu definieren. (Am intensivsten hat sich wohl Wolfgang Schadewaldt um die theoretische Begründung und praktische Erprobung einer mittleren Linie bemüht.) In unserer Zeit dürfte weitgehend ein Konsens darüber bestehen, dass die sprachlich-stilistischen Möglichkeiten des Deutschen so weit entwickelt sind, dass die Benützung einer artifiziellen Übersetzungssprache nicht mehr nötig erscheint, um der Autonomie des Originals in der Übersetzung gerecht zu werden. Doch trifft dies natürlich nur im Großen und Ganzen zu: Im Einzelnen sind die Unterschiede zwischen Sprachen und Kulturen, d. h. die sprach- und kulturspezifischen Idiosynkrasien, immer noch bedeutungsvoll genug, um das Übersetzen, selbst wenn es sich um europäische Sprachen handelt, zu einer kommunikativen Herausforderung zu machen. Und weil 3 Zur kultur-, literatur- und sprachgeschichtlichen Bedeutung von Übersetzungen 76 <?page no="77"?> sich die sprachlichen Normen und die Rezeptionsbedingungen ständig ver‐ ändern, verändert sich nicht nur die kommunikative, sondern auch die sprachliche Herausforderung. Deshalb kommt weder die übersetzungsthe‐ oretische Reflexion noch die praktische Übersetzungsaufgabe (und auch nicht die Diskussion der möglichen und richtigen Anleitungen zu dieser Praxis) je zu einem Abschluss: Jeder übersetzte Text enthält bereits die Auf‐ forderung zur Neuübersetzung in sich. 3.7 Zusammenfassung In Kapitel 3 steht die Übersetzung als Kultur- und Spracharbeit und damit verbunden der Aspekt des Kultur- und Sprachkontakts im Mittelpunkt des Interesses. Unter dem Aspekt des Kulturkontakts kann man die Überset‐ zungsmethoden als adaptierend bzw. transferierend, unter dem Aspekt des Sprachkontakts als sich einpassend bzw. verfremdend charakterisieren. Au‐ ßerdem werden die Geschichte der deutschen Übersetzungstheorie sowie die sprachgeschichtliche Bedeutung deutscher Übersetzungen behandelt. 3.7 Zusammenfassung 77 <?page no="79"?> 33 Zu den philosophischen Universalsprachen, s. G. Steiner (1975: 198 ff.), J. R. Firth (1964: 62 ff.: „‚Real character and universal languages.‘ Debabelization“), O. Funke (1929); zu den künstlichen Sprachen in historischer Perspektive und in der Gegenwart, s. A. Large (1985); zu Leibniz und dem Chinesischen als Universalsprache, s. L. M. Eichinger (2016). 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung Können Sprachbarrieren, die meist zugleich Verständnis-, Wissens- und Kulturbarrieren sind, auf andere, vielleicht effizientere und ökonomischere Weise überwunden werden als mit Übersetzen und Übersetzungen? Zwei Möglichkeiten, zwei Wege der „Entbabelisierung“, wurden und werden dis‐ kutiert: die Möglichkeit einer universalen Mittlersprache (einer interna‐ tionalen künstlichen Hilfssprache) und die Möglichkeit der Konzentration auf eine (oder zwei) Weltsprachen, die in den Schulen intensiv und früh vermittelt würden und in denen alle übereinzelsprachlich relevante Litera‐ tur abgefasst oder in Übersetzungen greifbar wäre. Eine dritte Möglichkeit geht davon aus, dass, wenn schon auf Übersetzungen nicht verzichtet wer‐ den kann, das Übersetzen selbst effektiver und kostensparender gemacht werden könnte durch den Einsatz des Computers: durch die maschinelle (automatische) Übersetzung. 4.1 Welthilfssprachen Seine historische Legitimation und sein Vorbild hat das Projekt einer künst‐ lichen Weltsprache in den Universalsprachen, mit denen sich Descartes (1596-1650) und Leibniz (1646-1716) beschäftigen. 33 Ausgangspunkt der Idee einer philosophischen Universalsprache ist die These, dass der Einheit der Wissenschaft und des Wissens die Einheit der Sprache entsprechen müsste. E. Cassirer (1953: 68) charakterisiert diesen Ausgangspunkt folgen‐ dermaßen: Wie in allen Erkenntnissen, die auf diesen Namen wirklich Anspruch haben, im‐ mer nur die Eine identische Grundform der Erkenntnis, der menschlichen Ver‐ nunft, wiederkehrt, so muss auch allem Sprechen die eine, allgemeine Vernunftform <?page no="80"?> der Sprache überhaupt zugrunde liegen, die von der Fülle und Verschiedenheit der Wortformen zwar verhüllt wird, aber durch sie nicht völlig unkenntlich gemacht werden kann. Denn wie zwischen den Ideen der Mathematik, z. B. zwischen den Zahlen, eine ganz bestimmte Ordnung besteht, so bildet überhaupt das Ganze des menschlichen Bewusstseins samt allen Inhalten, die in dasselbe jemals eingehen können, einen streng geordneten Inbegriff. Wie daher aus relativ wenigen Zahlzei‐ chen das ganze System der Arithmetik sich aufbauen lässt, so müsste sich auch durch eine begrenzte Zahl sprachlicher Zeichen, wenn diese nur nach bestimmten allgemeingültigen Regeln verknüpft werden, die Gesamtheit der Denkinhalte und ihre Struktur erschöpfend bezeichnen lassen. Während Descartes selbst seinen Plan nicht ausführt, versuchen in seiner Nachfolge G. Dalgarno (1626-1687) und J. Wilkins (1614-1672), solche künstlichen Universalsprachen auszuarbeiten. In ihrem Grundgedanken und im Prinzip des Aufbaus stimmen diese Universalsprachen weitgehend miteinander überein: Immer wird davon ausgegangen, dass es eine begrenzte Zahl von Begriffen gibt, dass jeder von ihnen zu den anderen in einem ganz bestimmten sachlichen Ver‐ hältnis, in einer Beziehung der Zuordnung, der Über- oder Unterordnung stehe, und dass das Ziel einer wahrhaft vollkommenen Sprache darin bestehen müsse, diese natürliche Hierarchie der Begriffe in einem System von Zeichen zum ad‐ äquaten Ausdruck zu bringen. (E. Cassirer 1953: 69) Der Gedanke einer Universalsprache taucht in den philosophischen und sprachtheoretischen Grundlagen der generativen Grammatik wieder auf. N. Chomsky hat sich in seinem Buch „Cartesian Linguistics“ (1966) mit der rationalistischen Sprachphilosophie beschäftigt. Die Einzelsprachen sind nach dieser Theorie in ihrer tiefsten Schicht, in der Tiefenstruktur, reprä‐ sentiert in einer lingua universalis, einer formalen logisch-semantischen Sprache. Geht man davon aus, dass alle Sprachen, ungeachtet der Unter‐ schiedlichkeiten an der „Oberfläche“, in einer tieferen Schicht universelle, für alle Menschen identische Begriffe und logische Zusammenhänge reprä‐ sentieren, so hat dies Konsequenzen bei der Beantwortung der Frage nach der Übersetzbarkeit: Übersetzbarkeit ist dann ein primäres Kennzeichen von Sprache und Sprachen überhaupt (s. u., II.1.5). Seine historische Legitimation findet der Gedanke einer internationalen künstlichen Hilfssprache auch im Latein des europäischen Mittelalters, das bis ins 16./ 17. Jahrhundert nicht nur Schul- und Hochschulsprache sowie 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 80 <?page no="81"?> 34 Zum Latein als Weltsprache, s. J. Leonhardt (2009), H. Haarmann (1975: 211 ff.). 35 S. dazu H. F. Wendt (1987, „Welthilfssprachen“, 356 ff.), R. Haupenthal, Hrsg. (1976), D. Blanke (2006), U. Eco (2002, Kap. 16). - Die Interlinguistik in diesem Sinne ist nicht zu verwechseln mit dem Sprach- und Übersetzungsvergleich, den M. Wandruszka (1971) ebenfalls als Interlinguistik bezeichnet. - Zu Karl-May-Übersetzungen in die Welthilfs‐ sprache Ido, s. M. Rudloff (2004). Sprache der Wissenschaften war, sondern auch Sprache der Diplomatie, teilweise sogar der Dichtung (Kirchensprache ist das Latein zum Teil heute noch). 34 Die Fachlexik vieler Wissenschaften (Medizin, Zoologie, Botanik, Chemie u. a.) zeugt von der Bedeutung dieses internationalen Kommunika‐ tionsmittels. (Zur Ablösung des Lateinischen durch die Volks- und (natio‐ nalen) Standardsprachen und zur Rolle, die dabei die Erfindung des Buch‐ drucks und volkssprachliche Bibelübersetzungen spielen, s. o., I.3.5). Von den fünf mehr oder weniger anerkannten Plan- oder Intersprachen (mit denen sich die sogenannte Interlinguistik beschäftigt), 35 die in den letz‐ ten hundert Jahren als radikale Lösungen der mit der Vielfalt der natürlichen Sprachen verbundenen Kommunikationsprobleme entwickelt worden sind, ist das Esperanto die bekannteste und verfügt über die größte Anhänger‐ schaft. Alle bisher entwickelten Universalsprachen sind übrigens Systeme, die auf der Basis indoeuropäischer oder noch eingeschränkter: romanischer und der englischen Sprache(n) aufgebaut sind. Die Argumente für die Einführung einer internationalen künstlichen Hilfssprache sind die gleichen wie diejenigen, die für die Notwendigkeit des Übersetzens und der Übersetzung gelten: Erleichterung, ja Ermögli‐ chung von Kommunikation in allen Bereichen menschlicher Aktivitäten über die Sprachbarrieren hinweg. Zum Teil gehen sie aber gerade von der (behaupteten) begrenzten Reichweite und Realisierbarkeit des Überset‐ zens und Dolmetschens aus: Wie viel leichter wären doch internationale Konferenzen durchzuführen, wenn sich Referenten und Diskussionsteil‐ nehmer einer Weltsprache bedienten; wie viel problemloser zugänglich wären die neuesten Erkenntnisse der Wissenschaften, wenn die wissen‐ schaftlichen Zeitschriften und Publikationen diese verbindende und ver‐ bindliche Universalsprache benutzen würden; wie viel ökonomischer und effektiver könnte der Verwaltungsapparat in mehrsprachigen Ländern ar‐ beiten, der seine Verordnungen in einer gemeinsamen Sprache, die keine der Landessprachen (und vielleicht Minoritätensprachen) benachteiligt, abfassen würde. So einleuchtend viele dieser Argumente sind und so brauchbar sich das Esperanto, jedenfalls bei seinen Anhängern, als Kom‐ 4.1 Welthilfssprachen 81 <?page no="82"?> 36 „The UEA [Universal Esperanto Association] congresses are held exclusively in Es‐ peranto and the language is not only used in formal sessions but also in the many social gatherings which are associated with this annual event.“ (E. Large 1985: 100). - Esperanto ist sogar als Sprache der Dichtung empfohlen worden, und Werke von weltliterarischem Rang sind in diese Kunstsprache übersetzt worden, von dichteri‐ schen Originalproduktionen ganz zu schweigen. 37 So kann man von EIAL (English as an International Auxiliary Language) sprechen (s. A. Large 1985: 194). 38 Das waren noch Zeiten, als O. Kade (1968: 53) schreiben konnte, dass „beim Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab“ günstige Voraussetzungen für die Ausbreitung einer einzigen Mittlersprache geschaffen wären - nämlich des Russischen! munikationsmittel erwiesen hat 36 - die Chancen, dass eine solche Sprache sich international einführen lässt, sind je länger desto kleiner zu veran‐ schlagen. 4.2 Internationale Verkehrssprachen - Weltsprachen Die zweite Möglichkeit, Übersetzen und Übersetzungen wenn nicht über‐ flüssig zu machen, so doch auf einige wenige internationale Verkehrsspra‐ chen - oder gar eine einzige unbestrittene Verkehrssprache - einzuschrän‐ ken, ist im beginnenden 21. Jahrhundert in weiten Bereichen Realität geworden. Das Englisch-Amerikanische als lingua franca und Weltsprache hat sich weitgehend durchgesetzt, jedenfalls was den alten Kontinent, die USA und die Länder, die sich in deren Einflusssphäre befinden, betrifft. 37 Das ist natürlich noch lange nicht die „Welt“; vielleicht werden sich früher oder später auch andere „Großsprachen“ als Weltsprachen durchsetzen und in Konkurrenz zum Englisch-Amerikanischen als bisher unangefochtener in‐ ternationaler Sprache treten. Welche Sprachen sich als internationale Verkehrssprachen etablieren, hängt mit machtpolitischen, wirtschaftlichen und historisch-kulturellen Faktoren zusammen, die unterschiedlich eingeschätzt werden. 38 1891 vertritt G. Meyer die Auffassung, dass England und Russland den „Kampf um die Welt“ und zugleich um „die wirkliche und einzige Weltsprache“ ausfechten würden. W. Porzig (1971: 232) postuliert das Nebeneinander der drei in ver‐ schiedenen geographischen Räumen gültigen Weltsprachen Englisch, Chi‐ nesisch und Russisch. In der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts machte es noch den Anschein, dass der engere Kreis der internationalen Verkehrssprachen das Englische, Russische, Spanische, Arabische, Japanische und Chinesische 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 82 <?page no="83"?> 39 <http: / / ec.europa.eu/ dgs/ translation/ translating/ multilingualism/ index_de.htm>. 40 S. dazu A. Pym (2004). - In H. Haarmanns (1975: 125 ff.) Darstellung der Sprachenre‐ gelungen in supranationalen Organisationen wird die Möglichkeit einer künstlichen Welthilfssprache nicht einmal erwähnt. umfassen würde, vielleicht auch noch das Französische. Inzwischen hat aber das Englisch-Amerikanische seine Vorrangstellung als lingua franca weiter ausgebaut; als Sprache der modernen Wissenschaften herrscht es im inter‐ nationalen Wissenschaftsbetrieb fast uneingeschränkt. Das Deutsche hält sich nur noch in einigen „Nischen“ (s. S. Skudlik 1990, U. Ammon 1998). Bedenklich ist, dass sich der Fremdsprachenunterricht in vielen europäi‐ schen Ländern ausschließlich am Englischen ausrichtet. Für mehrsprachige Länder ist das eine sprach- und kulturpolitische Herausforderung. Umso dringlicher wäre die Verwirklichung des sprachpolitischen Ziels der EU, dass die Europäer neben ihrer Muttersprache mindestens zwei Fremdsprachen beherrschen sollten. 39 Welche Konsequenzen hat die Etablierung einiger weniger (oder viel‐ leicht nur einer) Weltsprachen für das Übersetzungswesen? Der Bedarf an Übersetzern und Dolmetschern wird bei der ständigen Ausweitung der in‐ ternationalen Kommunikationsbedürfnisse natürlich nicht abnehmen; er dürfte sich aber vermehrt an den internationalen Sprach-Schwergewichten ausrichten. Im Großen und Ganzen unberührt von dieser Entwicklung ist wohl die Situation im Bereich belletristischer Texte: Hier wird die Überset‐ zung immer eine entscheidende Rolle spielen, denn zur Weltliteratur kann erst werden, was in andere (auch kleinere und mittlere) Sprachen übersetzt ist. Und schöne Literatur liest man nun einmal am liebsten in seiner Mut‐ tersprache - es sei denn, man verfügt über hervorragende Kenntnisse der betreffenden Fremdsprache. 4.3 Sprachen und Sprachregelungen in der EU Ohne Zweifel stellt die Übersetzungs- und Dolmetschaufgabe im ständig wachsenden internationalen Verkehr eine immer größere, quantitativ wie qualitativ immer schwerer zu bewältigende Herausforderung dar. In inter‐ nationalen Organisationen wird versucht, die Übersetzungsquantität durch Verwendung einiger weniger Sprachen wenigstens zu begrenzen. 40 Wie se‐ 4.3 Sprachen und Sprachregelungen in der EU 83 <?page no="84"?> 41 Das Folgende entstammt <https: / / www.bundesregierung.de/ breg-de/ service/ sprachenr egelung-in-eu-organen-616372>. - S. auch https: / / de.wikipedia.org/ wiki/ Amtssprache n_der_Europ%C3%A4ischen_Union> sowie <https: / / europa.eu/ european-union/ about -eu/ eu-languages_de>. hen diese Sprachenregelungen aus? H. Haarmann (1975: 125 ff.) nennt drei grundsätzliche Möglichkeiten: ▸ Eine einzige Sprache wird Amtssprache (präsidiales Prinzip). ▸▸ Einige wenige Sprachen werden als Amtssprachen gewählt (kolle‐ ▸ giales Prinzip). ▸ Alle Amtssprachen der Mitgliedstaaten haben gleichen Rang (egali‐ ▸ täres Prinzip). In der Europäischen Union gilt das egalitäre Prinzip. Von der Sechserge‐ meinschaft der Gründerstaaten mit ihren vier Amtssprachen (Französisch, Italienisch, Niederländisch und Deutsch) vergrößerte sich die Zahl der Amts- und Arbeitssprachen in der Zwölfergemeinschaft (1986) auf neun: Dänisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Griechisch, Italienisch, Niederlän‐ disch, Portugiesisch und Spanisch. Inzwischen besteht die EU aus 28 Mit‐ gliedsstaaten, und die Zahl der Amtssprachen hat 24 erreicht. Dabei haben alle Amtssprachen den gleichen Rang: Die europäischen Bürger haben das Recht, europäische Gesetze und Texte von allgemeiner Geltung in ihren ei‐ genen Sprachen zu lesen und sich in einer der Amtssprachen an die euro‐ päischen Behörden zu wenden. Mit dem Status der 24 Amtssprachen hängt zusammen, dass bei den im „Amtsblatt der Europäischen Union“ veröffent‐ lichten Texten nicht von Übersetzungen die Rede ist, sondern von Texten, die in den einzelnen EU-Amtssprachen „abgefasst“ sind. Diese fremdsprach‐ lichen Fassungen treten also mit dem Anspruch auf, „eigentlich“ Originale zu sein. Wollte man spitzfindig sein, könnte man - parallel zu den Pseudo‐ übersetzungen (s. u., II.2.7) - von Pseudooriginalen sprechen. Bei der internen Arbeit der Behörden beschränkt man sich auf einige Arbeitssprachen: 41 Die Institutionen der EU können in ihren Geschäftsordnungen festlegen, wie die Regelung der Sprachenfrage im Einzelnen anzuwenden ist. Damit in den EU-Or‐ ganen flüssig gearbeitet werden kann, gibt es sogenannte Arbeitssprachen. Innerhalb der EU-Kommission gilt ein Dreisprachenregime aus Englisch, Fran‐ zösisch und Deutsch. Das bedeutet, dass zu Kommissionssitzungen Arbeitsdoku‐ 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 84 <?page no="85"?> 42 S. Annual Activity Report <https: / / ec.europa.eu/ info/ sites/ info/ files/ file_import/ dgt_aa r_2017_final.pdf>. - S. auch die Broschüre “Übersetzung und Mehrsprachigkeit“ unter <http: / / publications.europa.eu/ resource/ cellar/ e0770e72-afa1-4971-8824-6190512537d c.0007.03/ DOC_1> sowie <http: / / ec.europa.eu/ dgs/ translation/ index_de.htm> und <htt ps: / / ec.europa.eu/ info/ publications/ translation_en>. mente in den drei Sprachen vorgelegt werden. Bei internen Besprechungen der Dienststellen überwiegt dagegen inzwischen die Nutzung der englischen Sprache. Im Rat der Europäischen Union gilt: Verhandlungen und Besprechungen auf der Ministerebene werden in alle Amtssprachen übersetzt, im Ausschuss der Ständigen Vertreter (ASTV) gilt aber das Drei-Sprachen-Regime (Englisch, Fran‐ zösisch, Deutsch). In den Ratsarbeitsgruppen der Fachbeamten gelten unterschiedliche Rege‐ lungen. Soweit eine Gruppe Gesetze vorbereitet, wird in alle EU-Sprachen über‐ setzt. In der überwiegenden Zahl der Gruppen werden nur die fünf großen EU-Sprachen gedolmetscht, das heißt Englisch, Französisch, Deutsch, Spanisch und Italienisch. In vielen Gruppen wird auf Dolmetschung ganz verzichtet. Hier wird praktisch nur noch Englisch und/ oder Französisch gesprochen. Im Europäischen Parlament wird im Plenum und in den Ausschüssen in alle und aus allen Unionssprachen gedolmetscht. Dokumente werden in allen Spra‐ chen der Union vorgelegt. Der offizielle Verkehr des Parlaments mit den Mit‐ gliedstaaten erfolgt in der jeweiligen Amtssprache des Mitgliedstaates. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs und des Europäischen Gerichts erster Instanz werden in alle Amtssprachen übersetzt. Interne Arbeitssprache beider Gerichte sind neben dem vorherrschenden Französisch zunehmend auch Englisch und teilweise Deutsch. Die Richter beraten aber untereinander über‐ wiegend in Französisch; Sitzungsberichte und Urteilsentwürfe werden in der je‐ weiligen Verfahrenssprache und in Französisch erstellt. Prozessteilnehmer kön‐ nen ihre Muttersprache sprechen. Die Generaldirektion Übersetzung, die Texte für die Europäische Kommis‐ sion übersetzt und editiert, lieferte 2017 2.05 Millionen Seiten Text 42 und beschäftigte rund 2500 Mitarbeiter (Übersetzer, Redakteure sowie anderes Personal); hinzu kommen die Übersetzer, die in den Übersetzungsdiensten der anderen EU-Institutionen (Rat, Parlament usw.) arbeiten. H. Haarmann (1975) betrachtete die außerordentlich aufwändige Spra‐ chen- und Übersetzungslösung der EU auf längere Sicht als nicht praktika‐ bel. Er befürwortete deshalb den Übergang zu einer kollegialen Lösung. Die plurilinguale EU-Lösung ist heute aber fest etabliert - trotz einer Vervielfa‐ 4.3 Sprachen und Sprachregelungen in der EU 85 <?page no="86"?> 43 Zur maschinellen und maschinenunterstützten Übersetzung gibt es eine immense Li‐ teratur; kurze Übersichten zur Geschichte und zum gegenwärtigen Stand geben A. Rothkegel (2004) und Ch. Hauenschild (2004). Die Entwicklung und die verschiedenen theoretischen und methodischen Ansätze der maschinellen Übersetzung sind doku‐ mentiert in den „Readings in machine translation“ (hrsg. von S. Nirenburg u. a. 2003). chung der Anzahl der Amtssprachen. Das Grundprinzip des sprachlichen Pluralismus gilt immer noch, wie es im „Informationsblatt 1: Neun Amts‐ sprachen“, hrsg. von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Service de traduction (1988), formuliert wurde: Die Gemeinschaft setzt europäisches Recht, das in ihrem ganzen Gebiet gilt: die europäischen Verordnungen z. B. haben unmittelbare Geltung in den Mitglied‐ staaten. Für die Gemeinschaft bedeutet dies, dass sie in ihrer Rechtsetzung jeweils neun „gleichermaßen verbindliche“ Sprachfassungen, also neun Originaltexte, herausgeben muss. So betrachtet fällt dem Übersetzer eine wesentliche Aufgabe zu: er wirkt mit an der Ausübung der hoheitlichen Befugnisse der Gemeinschaft. 4.4 Maschinelle Übersetzung In den 1950er und beginnenden 1960er Jahren war der Optimismus bezüglich der Realisierbarkeit der automatischen Sprachübersetzung groß. 43 1962 be‐ hauptet K. Steinbuch, dass in nicht allzu ferner Zukunft die Frage „Können Automaten Schrift ‚lesen‘ und Sprache ‚verstehen‘? “ von jedem „Unvorein‐ genommenen“ bejaht werden müsse: Die zukünftige Entwicklung der Automaten ebenso wie die logische Analyse geistiger Prozesse werden jedoch mit Sicherheit zu dem Ergebnis führen, dass Lesen und Verstehen logisch beschreibbare Prozesse sind, die von Menschen oder auch von Automaten ausgeführt werden können. (217) R. Rothenhagen/ O. Kade sind der Überzeugung (in Fremdsprachen 1967: 239): „Die Übersetzung durch die Maschine ist in greifbare Nähe gerückt.“ Skep‐ tisch ist dagegen E. Agricola (1968: 47), der sich konkret mit dem Problem der syntaktischen Mehrdeutigkeit im Deutschen und Englischen beschäftigt: Anlass und Ziel jeder sprachlichen Äußerung ist ein geschlossener kommunika‐ tiver Effekt; dessen Hauptanteil wird jedoch durch die lexikalischen Bedeutungen mit all ihren inkonsequenten, mehrdeutigen, widersprüchlichen Komponenten verursacht. Somit kann eine logische Beschreibung besonders dieser Effektan‐ 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 86 <?page no="87"?> 44 Language and Machines (1966: 32). Auszüge aus diesem Bericht sind abgedruckt in Übersetzen II (1967: 218 ff.). Kritisch dazu W. J. Hutchins (1986: 164 ff.). - S. auch C. K. Quah (2006). teile, jedoch zum Teil auch der mehr oder weniger von ihnen abhängigen syn‐ taktischen Bedeutungen, immer nur den Charakter eines allgemeinen Modells oder einer - wenn auch graduell sehr unterschiedlichen - Annäherung haben. Denn die natürliche Sprache weist zwar in beträchtlichem Umfang Eigenschaften und Operationen auf, die algorithmisch nachgebildet werden können, sie hat zwar auf weite Strecken hin ein klar erkennbares, exaktes System, aber in ihrer Ge‐ samtheit keine durchgängige mathematisch-logische Struktur. Eine Zäsur in der Geschichte der maschinellen Übersetzung stellt der soge‐ nannte ALPAC-Bericht im Jahre 1964 dar. Das mit der Untersuchung des Standes der maschinellen Übersetzung beauftragte amerikanische Komitee kommt nach zweijähriger Untersuchung zum ernüchternden Schluss: We have already noted that, while we have machine-aided translation of general scientific text, we do not have useful machine translation. Further, there is no immediate or predictable prospect of useful machine translation. 44 Zahlreiche Aufsätze, Bücher und Sammelbände belegen, dass seit dem Be‐ ginn der 1980er Jahre die Erforschung maschineller Übersetzungssysteme einen neuen Aufschwung erlebte; große Hoffnungen wurden u. a. in das europäische Übersetzungssystem EUROTRA (EUROpean TRAnslation) ge‐ setzt, das allerdings in den 1990er Jahren aufgegeben wurde. Kennzeichnend für diese Neuansätze ist eine realistischere Einschätzung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten der maschinellen Übersetzung. Dazu gehört die Er‐ kenntnis, dass es - wie es A. Rothkegel (1989: 83) in einem Übersichtsartikel formuliert - „keine lauffähigen Systeme mit zufriedenstellenden Ergebnis‐ sen für einen nicht zu stark eingeschränkten Textbereich gibt“. Wenn man folgenden in A. Blatt u. a. (1985: 276) angeführten Satz und seine „maschinell erstellte Übersetzung“ ins Deutsche betrachtet, dann leuchtet ein, dass man in den 1980er Jahren von einer qualitativ akzeptable Resultate liefernden, vollautomatischen Übersetzung weit entfernt war: 4.4 Maschinelle Übersetzung 87 <?page no="88"?> 45 S. dazu P. A. Schmitt (1999a), B. Nord (2002) und die Beiträge in H. Kittel u. a., Hrsg. (2011), die sich mit der technischen Ausstattung des Arbeitsplatzes und den Hilfsmitteln des Übersetzers befassen. - Noch Mitte der 1980er Jahre stellt K.-D. Schmitz (1986: 201) in seiner Untersuchung zur Verwendung des Computers in der Übersetzungspraxis fest, „dass der Einsatz technischer Hilfsmittel für den Übersetzer in der Praxis noch sehr selten ist. Die verfügbaren Systeme, und damit sind sowohl Textverarbeitungssysteme als auch Terminologie-Datenbanken und MGÜ-/ MÜ-Systeme gemeint [maschinen-ge‐ stützte oder maschinelle Übersetzungssysteme], sind noch nicht optimal auf die spezi‐ ellen Bedürfnisse des Benutzertyps ‚Übersetzer‘ zugeschnitten. Eine adäquate Lösung muss hier durch die Software entwickelnde Industrie bereitgestellt werden.“ Mehr als 80 % der Befragten hatten noch nie mit Terminologie-Datenbanken gearbeitet. Beispiel I.4.-1 a. This decision has meant a sudden drop in prices for some Commu‐ a. nity farmers. b. Diese Entscheidung hat einen plötzlichen Tropfen in Preisen für b. einige Gemeinschaftsbauern gemeint. In diesen Jahren gewinnt die Einsicht an Boden, dass die Zukunft eher ar‐ beitsteiligen, d. h. interaktiven Systemen gehört. Es wird dabei von ver‐ schiedenen Graden der Automatisierung des Übersetzens ausgegangen (s. J. Lehrberger/ L. Bourbeau 1988: 201): 1. maschinenunterstützte mensch‐ liche Übersetzung, 2. vom menschlichen Übersetzer unterstützte maschi‐ nelle Übersetzung (die Grenze zwischen 1. und 2. ist schwierig zu ziehen), und 3. vollautomatische maschinelle Übersetzung. 1. und 2. sind interaktive Systeme. (Da mit vollautomatischer Übersetzung in der Regel nicht gemeint ist, dass jegliche nachträgliche Revision des automatisch hergestellten Tex‐ tes entfällt, muss auch sie als interaktives System gelten.) Die Teilmechanisierung des Übersetzungsprozesses durch den Einsatz von automatisierten Wörterbüchern (textbezogenen Fachwortlisten, Termi‐ nologie-Datenbanken) und Übersetzungsspeichern mit Textsegmenten in verschiedenen Sprachen kann für den Übersetzer hilfreich, arbeits- und kos‐ tenersparend sein. 45 Weil die Chancen einer qualitativ akzeptablen, vollau‐ tomatisierten Übersetzung auch heute noch nicht als allzu hoch zu veran‐ schlagen sind, erweist sich die von Übersetzern gelegentlich geäußerte Angst, dass sie durch die Entwicklung der automatischen Übersetzung über‐ flüssig würden, als unbegründet. 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 88 <?page no="89"?> 46 Zu neusten Entwicklungen der maschinellen Übersetzung, s. die Beiträge in J. Porsiel, Hrsg. (2017). Um die Probleme und Kosten der Postedition (Nachbearbeitung des ganz oder teilweise maschinell übersetzten Textes) zu verringern, d. h. die Qua‐ lität der maschinellen Übersetzung zu steigern, wird auch vorgeschlagen, Texte in einer Präedition maschinengerechter zu gestalten, indem z. B. komplexe syntaktische Strukturen vereinfacht und Mehrdeutigkeiten be‐ seitigt werden. Einen Schritt weiter in Richtung von George Orwells „Nineteen Eighty-Four“ und dessen newspeak geht man, wenn man bereits von den Autoren der Originaltexte fordert, ihre Texte maschinengerecht zu schreiben, d. h. sich einer Sprache zu bedienen, die zum Beispiel nur syn‐ taktische Einfachstrukturen enthält, die „die möglichst ökonomische und gleichzeitig qualitativ bessere Verarbeitung syntaktischer Abhängigkeits‐ verhältnisse im Rechner ermöglichen“. Nach W. Wilss (1988: 204) lässt sich dies dadurch erreichen, dass man in fachsprachlichen Texten, die MÜ-relevant sind, alle Anaphern weg‐ lässt und dafür mit lexikalischen Rekurrenzen arbeitet oder dass man die in fach‐ sprachlichen Texten dominierenden, oft nur implizit ausgedrückten semanti‐ schen Relationen der Kausalität, der Konditionalität, der Temporalität, der Konzessivität und der Finalität oberflächenstrukturell durch entsprechende Kon‐ junktionen explizit macht und auf Nominalisierungen gleich welcher Art ver‐ zichtet. In den letzten Jahrzehnten hat man zunehmend erkannt, dass die linguisti‐ schen Probleme der Übersetzung wesentlich komplizierter und schwerer lösbar sind, als man es in der Zeit der Übersetzungsmaschineneuphorie ge‐ glaubt hatte (s. u., I.9.1). Was sich zunächst als überwiegend technologisches Problem darzustellen schien, d. h. als Speicher- und Verarbeitungsproblem des Computers, erwies sich immer mehr als linguistisches Problem. Quali‐ tativ befriedigende Übersetzung setzt eine Qualität der Sprach- und Text‐ analyse voraus, die auch bis heute nicht erreicht ist, auch wenn die Qualität der maschinellen Übersetzung inzwischen recht hoch ist. Und im Internet werden massenhaft automatisch übersetzte Texte teilweise guter, vor allem aber höchst unterschiedlicher Qualität produziert. 46 4.4 Maschinelle Übersetzung 89 <?page no="90"?> 4.5 Zusammenfassung In Kapitel 4 werden die beiden Möglichkeiten behandelt, Sprachbarrieren ohne das Mittel der Übersetzung zu überwinden: die Möglichkeit einer in‐ ternationalen künstlichen Hilfssprache und die Konzentration auf eine oder wenige Weltsprachen. Zudem werden Möglichkeit und Stand der automa‐ tischen Übersetzung erörtert. 4 Sprachbarrieren und die Möglichkeiten ihrer Überwindung 90 <?page no="91"?> 47 In seinem Beitrag „Translation als conditio humana“ geht G. Steiner (2004: 1) von fol‐ gender Feststellung aus: „Every language act is translation. The only possible exception (whose mechanism is little understood) is that of unvoiced soliloquy.“ Aber ist man im Selbstgespräch nicht Sprecher und „übersetzender“ Hörer in einer Person? Und ist das, wovon das stumme Selbstgespräch handelt, nicht immer auch Übersetzung von Gedanken und Gefühlen? 5 Was ist Übersetzung? 5.1 Die Mehrdeutigkeit des Übersetzungsbegriffs Der Übersetzungsbegriff, wie er verwendet wird, um den Vorgang der schriftlichen Umsetzung eines Textes aus einer Sprache (AS) in eine andere Sprache (ZS) zu bezeichnen - wobei das Umsetzungsprodukt, die Überset‐ zung, bestimmten Äquivalenzforderungen genügen muss - ist zunächst von anderen Verwendungsweisen des Wortes Übersetzen abzugrenzen. Dieses wird auch benutzt, wenn es um die Übersetzung einer mathematischen For‐ mel in allgemeinsprachliche Ausdrücke geht. J. Habermas (1968: 107, 132) spricht vom Problem der „Übersetzung des technisch verwertbaren Wissens in das praktische Bewusstsein einer sozialen Lebenswelt“ und von der „Übersetzung praktischer Fragen in wissenschaftlich gestellte Probleme und der Rückübersetzung wissenschaftlicher Informationen in Antworten auf praktische Fragen“. Oder: „Ich setzte mich ans Klavier und übersetzte meine Melancholie in ein Nocturne von Chopin.“ In der Psychoanalyse wird Un‐ bewusstes in Bewusstes übersetzt (vgl. dazu A. Benjamin 1989, Kap. 5, R. Arrojo 2004). Das Sprechen selbst wird bisweilen als Übersetzen bezeichnet: als Übersetzen des Gedachten in Sprache. 47 Aber auch im Zusammenhang von Transkriptions- (Verschriftlichung von lautsprachlichen Äußerungen) und Transliterationsvorgängen (Umsetzung von Buchstaben bzw. Silben in stenographische Schrift, Braille-Schrift oder Morsezeichen; von griechi‐ schen Buchstaben in lateinische usw.) spricht man von Übersetzung. Den Übersetzungsbegriff verwendet man auch, wenn Ausgangs- und Zielsprache historische Sprachstufen derselben Sprache sind, also z. B. Mit‐ telhochdeutsch/ Althochdeutsch und Neuhochdeutsch. Schließlich ist auch beim Umformulieren oder Paraphrasieren innerhalb derselben Sprachstufe <?page no="92"?> 48 Die Bezeichnung eigentliche Übersetzung ist insofern nicht ganz glücklich gewählt, weil sie auch eine eingeschränkt normative Interpretation erlaubt, die nicht gemeint ist: eigentliches Übersetzen als „richtiges“ Übersetzen. vom Übersetzen die Rede: Man übersetzt einen Text aus dem Amtsdeutschen in die Sprache des man in the street. Die Analyse dieser Verwendungsweisen von Übersetzen würde zeigen, dass die damit bezeichneten Umsetzungsvorgänge Gemeinsamkeiten mit übersetzen aufweisen, unter dem in der deutschen Standardsprache (nach duden.de) verstanden wird: ‚(schriftlich od. mündlich) in einer anderen Sprache [wortgetreu] wiedergeben‘. Um Übersetzen und Übersetzung in ei‐ nem übersetzungswissenschaftlichen Zusammenhang abzugrenzen von an‐ deren Verwendungsweisen des Ausdrucks, verwenden wir den Begriff der eigentlichen Übersetzung. 48 Dem ersten Hauptteil dieses Buches ist ein Motto vorangestellt, in dem Jacob Grimm das sprachliche Übersetzen mit dem Übersetzen über ein Ge‐ wässer vergleicht (s. o., I.2.3). Mit diesem Bild aus einem anderen Wirklich‐ keitsbereich kann eine grundlegende Eigenschaft des „eigentlichen Über‐ setzens“ beleuchtet werden: der Wechsel der Sprache, der verbunden ist mit dem Wechsel der Kultur. Und das Motto formuliert zugleich Aufgabe und Herausforderung des Übersetzens: Es geht darum, in der anderen Kultur zu „landen“, d. h. auf die eine oder andere Weise in dieser anderen Kultur an‐ zukommen. 5.2 Übersetzung und andere Typen der Textverarbeitung/ -reproduktion Übersetzungen sind Resultate der textverarbeitenden, oder genauer: textRE‐ produzierenden Tätigkeit Übersetzen. Textverarbeitende Aktivitäten führen von einem Ausgangstext zu einem Resultattext; G. Wienold (1980: 202) nennt als Beispiele kommentieren, zusammenfassen, interpretieren, für eine andere Rezipientengruppe bearbeiten, in ein anderes Medium transponieren - und übersetzen. Bei den die einzelnen textverarbeitenden Aktivitäten (und ihre Produkte) spezifizierenden Relationen, d. h. den Beziehungen zwischen Ausgangs- und Resultattexten, zählt er auf: zitieren, kondensieren, referenti‐ alisieren, eine metatextuelle Beschreibung geben, bewerten, begründen, eine Bedeutung zuschreiben, zum Leserengagement auffordern, expandieren. Im 5 Was ist Übersetzung? 92 <?page no="93"?> 49 Für weiter gehende Überlegungen zur Frage nach dem ontologischen Status der Überset‐ zung und zur Relation Ausgangstext - Übersetzung, s. T. Hermans/ W. Koller (2004). Blick auf die textverarbeitende Aktivität des Übersetzens wäre diese Liste zu erweitern mit: Äquivalenz (eine Äquivalenzbeziehung) herstellen zwi‐ schen einem Resultattext in der Sprache L 2 (der Übersetzung) und einem Aus‐ gangstext in der Sprache L 1 . Wenn wir die Frage stellen, wie sich Übersetzen und Übersetzung von anderen Formen und Resultaten der Textverarbeitung unterscheiden und welche Bedingungen ein Text erfüllen muss, damit er als Übersetzung gelten kann, dann setzt dies die Klärung des Äquivalenzbegriffs (oder auch: der Übersetzungsbeziehung) voraus. 49 Für die historische Übersetzungsforschung ist es allerdings selbstver‐ ständlich, dass nicht nur Übersetzungen, sondern auch Be- und Umarbei‐ tungen und Adaptationen aller Art mitberücksichtigt werden. Nach J. von Stackelberg (1984: x) sind Übersetzungen für den Übersetzungshistoriker umso interessanter, „je deutlicher sie sich von ihren Vorlagen unterschei‐ den“. G. Nover (1982: 23) stellt in seiner Arbeit über deutsche Übersetzungen und Bearbeitungen englischer Komödien im 18. Jahrhundert fest, dass eine Beschränkung auf das eine oder das andere „völlig unangemessen und auch unmöglich“ wäre. Das heißt aber nicht, dass nicht versucht werden muss abzugrenzen: einerseits zwischen Übersetzungen/ Bearbeitungen und deut‐ schen Texten, denen keine unmittelbare Vorlage nachgewiesen werden kann, andererseits zwischen Übersetzung und Bearbeitung, bzw. der Ent‐ wicklung (oder Emanzipation) eines „modernen“ Übersetzungsbegriffs (vgl. die Kriterien, die G. Nover 1982: 57 zur Unterscheidung von Übersetzung und Bearbeitung anführt). Wie lassen sich Übersetzen und Übersetzung von anderen Formen und Re‐ sultaten der Textverarbeitung/ -reproduktion unterscheiden? Welche Bedin‐ gungen muss ein Text erfüllen, damit er als Übersetzung bezeichnet werden kann? Als empirische Wissenschaft muss die produktorientierte Überset‐ zungswissenschaft angeben können, welche Texte zu ihrem Gegenstandsbe‐ reich gehören. Eine Definition, die bloß besagt, dass Übersetzungen Produkte einer textverarbeitenden Aktivität sind, die eine ausgangssprachliche Vorlage in „irgendein“ zielsprachliches Produkt überführt, das für „irgendwelche“ Empfänger „irgendeinen“ Zweck erfüllt, würde bedeuten, dass auch eine Zu‐ sammenfassung (abstract, Resümee), ein (interpretierender) Kommentar, eine für eine spezielle Lesergruppe zu einem speziellen Zweck vorgenommene Bearbeitung oder eine teilweise mediale Umsetzung (Text → Bild und Text) 5.2 Übersetzung und andere Typen der Textverarbeitung/ -reproduktion 93 <?page no="94"?> 50 Zu den verschiedenen Typen der Textreproduktion, s. G. Rickheit/ H. Strohner (1989), H. van Gorp (2004), M. Schreiber (1993, 2004). 51 Zur Übersetzung unter semiotischem Aspekt, s. W. Frawley (1983), D. L. Gorlée (2004), verschiedene Beiträge in S. Petrilli, Hrsg. (2003). - W. Koller (2004a) behandelt, ausge‐ hend von V. S. Naipauls Roman „The Enigma of Arrival“ und seiner deutschen Über‐ setzung, die verschiedensten Typen intersemiotischer Übersetzung und stellt die Frage nach der Art von intersemiotischen „Äquivalenzen“. - Zur Literaturverfilmung als in‐ termedialer Interpretation, Übersetzung und „Äquivalenz-Phänomen“, s. E. Spedicato (2008, 2008a). E. Spedicato (2008: 16) geht von der These aus, dass in der Literaturver‐ filmung „ähnliche Übertragungsmodalitäten wie in der interlinguistischen Übersetzung aktiviert (werden)“. eines Textes in eine andere Sprache als Übersetzungen gelten müssten. Eine solche weite Definition von Übersetzung hätte zur Folge, dass sich die Über‐ setzungswissenschaft mit einem durch extreme Heterogenität gekennzeich‐ neten, geradezu grenzenlosen Objektbereich beschäftigen müsste. Sie würde sich damit eine methodisch unmögliche Aufgabe stellen (W. Wilss 1988: 63). Da aber die textREproduzierende Aktivität des Übersetzens bei allen funda‐ mentalen Unterschieden auch wichtige Gemeinsamkeiten mit anderen text‐ verarbeitenden Aktivitäten aufweist und Übersetzungen in der Regel bear‐ beitende, kommentierende usw. Elemente enthalten, kann von der Untersuchung verwandter Textverarbeitungsaktivitäten Licht auf die Eigen‐ art des Übersetzens und seiner Resultate, der Übersetzungen, fallen. 50 5.3 Intersemiotische, intralinguale und interlinguale Übersetzung Eine erste Unterscheidung im Bereich „übersetzerischer“ Aktivitäten ist ge‐ troffen (im Anschluss an R. Jakobson [1959: 233, 1981: 190]), wenn die Trans‐ mutation, die zwischen verschiedenen semiotischen Systemen erfolgt (deshalb auch intersemiotische Übersetzung), von den sprach- und textverarbeitenden Umformungen innerhalb des semiotischen Systems der Sprache abgegrenzt wird. Letztere wiederum lassen sich in intralinguale und interlinguale Über‐ setzung unterteilen, wobei es darum geht, intralinguale Textverarbeitungsver‐ fahren (kommentieren, paraphrasieren, zusammenfassen usw.), d. h. Jakob‐ sons rewording, von der interlingualen Übersetzung (translation proper in der Terminologie von Jakobson) abzugrenzen. Intersemiotische Übersetzung: 51 Ein Beispiel dafür ist die Umsetzung von Sigmund Freuds Theorien in die Form eines Comics mit englischem Text 5 Was ist Übersetzung? 94 <?page no="95"?> (und dessen „Weiterübersetzung“ ins Deutsche, herausgegeben als „sach-co‐ mic“); im Titel wird die Zielgruppe genannt: R. Appignanesi/ O. Zarate, „FREUD for Beginners“ (1979), dt.: „Freud für Anfänger“, 1980. (Man sehe sich etwa die bildliche/ textliche Verarbeitung von Freuds „Drei Abhandlun‐ gen zur Sexualtheorie an“; dt. Ausgabe 73 ff.). - Es kann sich als zweckmäßig erweisen, eine Gebrauchsanleitung in einer anderen Sprache ganz oder teil‐ weise in graphischer Form wiederzugeben. (Diese Möglichkeit diskutiert P. Bretthauer 1987.) Intralinguale Übersetzung liegt vor, wenn z. B. fachinterne Informa‐ tion in fachexterne Information umgesetzt wird wie in Beispiel II.3.-7, wo ein Text, der der Information des Arztes dient, „übersetzt“ wird in einen Text zur Information des Patienten. Dabei wird die fachsprachlich geprägte Ter‐ minologie mit einem (mehr oder weniger) allgemeinsprachlichen Wort‐ schatz wiedergegeben. Das folgende Beispiel beleuchtet das Phänomen der intralingualen „Übersetzung“ aus einer Stilschicht in eine andere; es handelt sich um einen Werbetext (aus G. N. Leech 1966: 76): Beispiel I.5.-1 Think about all this. And ask yourself - isn’t it worth finding out more about it? Of course it is. And there is no time like the present - so get that pen out now, and fill in the coupon right away. Or call in and talk things over at your nearest R. A. F. Careers Information Centre. colloquial English Ponder the above information, and consider whether it will not repay further investigation. Of course it will; and since there is no time like the present, take a pen now and complete the coupon immediately. Otherwise, visit your nearest R. A. F. Careers In‐ formation Centre and discuss the question there. → more formal English Während es bei obigem Beispiel um einen klaren Fall innersprachlichen Umformulierens geht, stellt sich bei der Übersetzung aus älteren Sprachstu‐ fen die Frage, wann wir es mit Übersetzungen und wann mit bloßen „Mo‐ dernisierungen“ zu tun haben (etwa im Bereich der Orthographie). Sicher 5.3 Intersemiotische, intralinguale und interlinguale Übersetzung 95 <?page no="96"?> 52 Zur Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen, s. U. Müller (2009). ist, dass sich Althochdeutsch und Mittelhochdeutsch in sprachlicher Hin‐ sicht vom Neuhochdeutschen mindestens so stark wie etwa das Schwedische vom Norwegischen oder Dänischen unterscheiden, und der deutsche Mut‐ tersprachler ist auf Übersetzungen angewiesen, wenn er Texte dieser Sprachstufen verstehen will. Von der Definition des Begriffs der Einzelspra‐ che wiederum hängt es ab, ob man das Übersetzen zwischen Dialekten zum „eigentlichen“, interlingualen Übersetzen rechnet. Wenn man die in Beispiel I.5.-2 abgedruckte „Vorbemerkung“ von Urs Widmer zu seinem Stück „Ne‐ pal“ (1977) betrachtet und den Basler und den Frankfurter Text miteinander vergleicht, spricht einiges dafür, aber auch sehr viel dagegen, in diesem Zu‐ sammenhang von „eigentlicher“ Übersetzung zu sprechen. 52 Beispiel I.5.-2 Nepal ist kein Dialektstück, sondern ein Stück in der Umgangssprache: ein Versuch, die Menschen auf der Bühne etwa so sprechen zu lassen, wie die Menschen in der Stadt sprechen, in der das Stück aufgeführt wird. Nepal ist auch ein Versuch, ein Stück für eine konkrete Stadt zu schreiben. Da Firmen, Namen, Ereignisse für bestimmte Entwicklungen typisch sind, sind analoge Firmen, Namen, Ereignisse - leider - in allen Städten zu finden. Das Stück ist übertragbar, muss aber für jeden Auf‐ führungsort neu geschrieben werden. a. Auszug aus Urs Widmers Originaltext in „Basler Umgangssprache“ a. HEIRI Geschtert ha-n-i draumt, i gang zämme mit eme uralte Maa mit ganz schwarze Gleider und ere junge Frau e Schtross aabe. Mr sinn in Südamerika, aber d Landschaft gseht au us wie unde-n-am Gämpeschtolle. Oobe, dött wo amme d Pfadi abschtürze, schtoot e riisigs Flugzüüg, e Jumbo oder e Boeing 707. HEIRI Hm. HANS heftig. Jetzt hör mit däm saublöde Hm uff! b. Frankfurter Fassung b. HANS Gestern habb ich geträumt, ich geh zusamme mit em uralte Mann mit ganz schwarze Kleider und ener junge Fraa e Straß enun‐ ner. Merr sinn in Südamerika, abber die Landschaft sieht aus wie hinnerm Feldberg die Brunhildisfelse. Da drobbe, wo immer die 5 Was ist Übersetzung? 96 <?page no="97"?> 53 S. dazu auch C. Picken, Hrsg. (1989, Kap. 20: „Para-translation activities“), M. Schreiber (2004), mit umfangreichem Literaturverzeichnis. Pfadfinder abstürze, steht e riesiges Flugzeug, en Jumbo oder e Boe‐ ing 707. HEINZ Hm. HANS heftig. Jetzt her emaal mit dem idiotische Hm uff! 5.4 Bestimmung des Gegenstandes Übersetzung von der übersetzerischen Praxis her Könnte die Übersetzungswissenschaft bei der Gegenstandsbestimmung da‐ von ausgehen, welche Texte Übersetzer in ihrer Berufspraxis herstellen? Dieser Weg scheint uns u. a. deshalb nicht gangbar, weil diese Praxis durch ein breites Spektrum textverarbeitender, häufig auch textproduzierender Aufgaben gekennzeichnet und keineswegs auf das Übersetzen „als solches“ beschränkt ist. Nach J. C. Sager (1986: 331) umfasst das übersetzerische Tä‐ tigkeitsfeld „alle Arten des Neuformulierens“. Erwähnt werden: „die neu‐ hochdeutsche Fassung althochdeutscher oder mittelhochdeutscher Texte, die englische Zusammenfassung eines französischen wissenschaftlichen Ar‐ tikels, das Erstellen mehrsprachiger Versionen internationaler Resolutionen und das Verfassen eines Protokolls einer mehrsprachigen Konferenz.“ Ganz unabhängig davon, ob diese Beschreibung tatsächlich die berufliche Wirk‐ lichkeit „des“ Übersetzers trifft oder nicht: eine Übersetzungs- (oder Trans‐ lations-)wissenschaft, die bei der Gegenstandsbestimmung davon ausgeht, was Übersetzer in ihrem Berufsalltag an (schriftlichen und mündlichen) Texten zu verschiedenen Zwecken produzieren (Übersetzungen, Original‐ texte, Bearbeitungen, Zusammenfassungen, Protokolle, Briefe, Zeichnun‐ gen, Tabellen, mehrsprachige Wörterlisten usw.), verliert ihre spezifische empirische Basis. Und selbst wenn es zutrifft, dass im Falle von Werbema‐ terial (das in diesem Zusammenhang immer wieder angeführt wird) der Übersetzer als „Neu-Verfasser“ ( J. C. Sager 1986: 342 f.) tätig wird: Autonome Textproduktion und AS-Text-gebundene Übersetzung als Textreproduktion müssen auseinandergehalten werden. 53 5.4 Bestimmung des Gegenstandes Übersetzung von der übersetzerischen Praxis her 97 <?page no="98"?> Der Sachverhalt, dass Übersetzer in ihrer Berufspraxis in Industrie, Ver‐ waltung, Sprachendiensten usw. nicht „nur“ übersetzen, sondern auch an‐ dere sprach- und textbezogene Aufgaben übernehmen, schlägt sich im „Be‐ rufsbild. Übersetzer, Dolmetscher und andere Fremdsprachenberufe“ des Bundesverbandes der Dolmetscher und Übersetzer (BDÜ) nieder. Da heißt es u. a.: Die Zielvorgaben für Übersetzer können dabei sehr unterschiedlich sein: ▸ ein Text soll aus einer Ausgangssprache in eine Zielsprache unter ▸ möglichst vollständiger Wahrung von Form, Inhalt und Stil übertra‐ gen werden; dies gilt insbesondere für Urkunden, Verträge usw. ▸ ein Text soll aus der Ausgangssprache in die Zielsprache so übertragen ▸ werden, dass er in Form, Inhalt und Stil an eine spezifische Zielgruppe angepasst wird ▸ ein Text soll in der Weise übersetzt werden, dass der Zieltext für einen ▸ anderen Zweck als der Ausgangstext geeignet ist ▸ Originaltext und Übersetzung sind zu überprüfen oder bedürfen einer ▸ sprachlichen Überarbeitung ▸ Texte sollen unter definierten Aspekten ausgewertet, zusammenge‐ ▸ fasst und kommentiert werden ▸ der Übersetzer soll nach unterschiedlichen Vorgaben selbständig Ori‐ ▸ ginaltexte produzieren Um „eigentliche Übersetzung“ handelt es sich nur bei den drei ersten Ziel‐ vorgaben, wobei bei der 2. und 3. Vorgabe das Element der Bearbeitung auch eine Rolle spielt (s. dazu II, 2.2). Ein Beispiel für die Vielfalt übersetzerischer und textverarbeitender Ak‐ tivitäten, die ein und dieselbe Person ausführen muss, behandelt M. Springer (1989). Es geht dabei um das Redigieren wissenschaftlicher Beiträge für eine Zeitschrift, die das Ziel hat, „einen naturwissenschaftlich mehr oder weniger vorgebildeten Leserkreis über neue Entwicklungen in den Fachgebieten zu informieren“. Dies schließt „die umgangssprachliche Darstellung eines abs‐ trakten wissenschaftlichen Zusammenhangs, also eine Art Übersetzung aus wissenschaftlicher (oft: mathematisierter) Fachsprache, und - da es sich oft um ausländische Beiträge handelt - die Übersetzung aus einer Fremdspra‐ che“ (162) ein. Im Falle einer fremdsprachlichen Vorlage bedient sich der Redakteur einer ihm vorliegenden Übersetzung; denkbar ist aber auch, dass er selbst gleichzeitig übersetzt und bearbeitet. Das ist eine durchaus realis‐ tische Aufgabe für einen Übersetzer, der in zwei Funktionen auftritt: als 5 Was ist Übersetzung? 98 <?page no="99"?> Übersetzer und als Textbearbeiter. Die Textbearbeitung kann dabei sehr weit gehen, wenn der Redakteur den ganzen Text umbauen muss, um ihn ver‐ ständlicher oder von der Argumentation her überzeugender zu gestalten. 5.5 Zum alltagssprachlichen Verständnis von Übersetzung Textverarbeitende Aktivitäten (und ihre Bezeichnungen) wie (einen Satz) übersetzen, den Inhalt (eines Textes) referieren, (eine Rede) zusammenfas‐ sen, (eine Aussage) kommentieren usw. werden alltagssprachlich und auch vom gemeinten Sachverhalt her auseinandergehalten. So hat der „zweispra‐ chige Laie“ eine recht klare Vorstellung, wenn er beurteilen soll, ob eine Äußerung in der Sprache L 2 als Übersetzung einer Äußerung in der Sprache L 1 anzusehen ist oder ob eine bloße Inhaltswiedergabe, eine erklärende Pa‐ raphrase oder ein Kommentar vorliegt. Dabei zeigt sich, dass der kommu‐ nikative Effekt bzw. das Erreichen eines bestimmten kommunikativen Ziels in einer Zweisprachigkeitssituation keineswegs als übergeordnetes Krite‐ rium für das Vorliegen einer Übersetzungsbeziehung gilt. Übersetzen erfüllt in der Regel eine andere Funktion als es die oben genannten textverarbei‐ tenden Aktivitäten tun, bzw. es kommt in anderen Situationen zur Anwen‐ dung (dieser Sachverhalt soll mit Beispiel I.5.-3 veranschaulicht werden). Das heißt nicht, dass diese verschiedenen textverarbeitenden Aktivitäten - in‐ direkte Redewiedergabe, Zusammenfassung oder eben auch Übersetzung - bei allen auf der Hand liegenden Unterschieden nicht auch Gemeinsamkei‐ ten aufweisen würden. Man tut aber gut daran, sich in diesem Zusammen‐ hang die common-sense-Aussage von H. Kubczak (1987: 48) vor Augen zu halten: Es komme letztlich darauf an, „dass Dinge, die verschieden sind, auch tatsächlich auseinandergehalten werden“ (und es ist wohl kein Zufall, dass sie alltagssprachlich und -sachlich auseinandergehalten werden). Beispiel I.5.-3 Charles sitzt während eines Vortrages zu meiner Rechten. Er versteht zwar den auf Deutsch gehaltenen Vortrag, er kann aber nicht deutsch sprechen. Nach einiger Zeit wendet er sich an mich und sagt ironisch: „It’s a bit chilly here, isn’t it? “ Damit ist gemeint: „Es ist drückend heiß in diesem Raum. Könnte nicht jemand das Fenster öffnen? “ Aus der Situa‐ tion geht unzweideutig hervor, dass mit dem „jemand“ Ernst gemeint ist, 5.5 Zum alltagssprachlichen Verständnis von Übersetzung 99 <?page no="100"?> der zu meiner Linken nahe beim Fenster sitzt. Ernst, der nur wenig Eng‐ lisch versteht, hat gemerkt, dass Charles irgendetwas von ihm will und er sagt: „Übersetz das mal! “ Da der Referent aufgrund des ziemlich laut‐ starken „Flüsterns“ von Charles und Ernst Anzeichen von Verunsiche‐ rung zeigt, „übersetze“ ich die Äußerung von Charles, indem ich mit dem Finger aufs Fenster zeige. Der Zufall will es, dass in diesem Augenblick gerade ein Seeadler vorbeifliegt, und Ernst, der sowieso das Pulver nicht gerade erfunden hat, bemerkt dazu: „Was für eine große Möwe! “ Nach‐ dem die intersemiotische „Übersetzung“ missglückt ist, bin ich zu einer verbalen „Übersetzung“ gezwungen, die einerseits aus Rücksicht auf den Vortragenden, andererseits wegen Ernsts Begriffsstutzigkeit kurz und eindeutig sein muss: „Mach das Fenster auf! “ Aber auch damit wird das kommunikative Ziel nicht erreicht. Denn ich hatte bei meiner „Überset‐ zung“ nicht in Rechnung gestellt, dass Ernst meinen Kollegen Charles als ziemlich arrogant empfindet. Ernst antwortet nämlich: „Der hat mir doch nichts zu befehlen.“ Es bleibt mir also nichts anderes übrig als zu sagen: „Das hat er auch nicht gesagt.“ Und wieder Ernst: „Aber ich hab dir doch gesagt, du solltest übersetzen.“ Ich: „Ja schon, aber …“ Zunehmende Irri‐ tation, Leute drehen sich um; ich muss eine neue verbale Strategie ver‐ wenden: „Er hat gesagt, es sei ziemlich kühl hier.“ Darauf Ernst: „Der ist mal schön bekloppt! “ usw. usw. Die Geschichte könnte weitergesponnen werden. Wir können daraus folgende Schlüsse ziehen: 1. Die Äußerun‐ gen Mach das Fenster auf! oder Charles bittet dich, wegen der unerträgli‐ chen Hitze in diesem Raum, das Fenster zu öffnen können nicht als Über‐ setzungen von „It’s a bit chilly here, isn’t it? “ gelten; und das selbst dann nicht, wenn mit ihnen das kommunikative Ziel erreicht würde. 2. Mit der „bloßen“ Übersetzung Es ist ein bisschen kühl hier, nicht wahr? wird das kommunikative Ziel nicht erreicht. 3. Dies legt den Schluss nahe, dass in der betreffenden Situation nicht eine Übersetzung gefragt ist, sondern die Inhaltswiedergabe in indirekter Rede bzw. die interpretierende Umfor‐ mulierung der indirekten in eine direkte Aufforderung. (Es spricht auch einiges dafür, dass Ernst mit der Äußerung „Übersetz mir das mal! “ ei‐ gentlich nach einer Inhaltswiedergabe in indirekter Rede fragt, und nicht nach einer Übersetzung. Ja, es ist überhaupt zu bezweifeln, ob übersetzen in der geschilderten konstruierten Situation dem Alltagssprachgebrauch entspricht. Würde Ernst nicht viel eher sagen: „Was will er denn? “ Oder: „Was hat er gesagt? “). 5 Was ist Übersetzung? 100 <?page no="101"?> 5.6 Die spezifische Situation der Übersetzung (und andere Situationen der Textreproduktion) Übersetzung ist eine Form der Textreproduktion, die sich als „sprachliche Kulturtechnik“ (Technik im ursprünglichen Doppelsinn von griech. téchnē ‚Handwerk‘ und ‚Kunst‘ bzw. ‚Kunstfertigkeit‘) in einem Jahrhunderte dau‐ ernden Prozess der Sprach- und Textarbeit herausgebildet hat. Sie ist nicht das einzige (wie obiges Beispiel zeigt, in vielen Kommunikationssituationen auch nicht das adäquate) Mittel, Kommunikation über Sprach- und Kultur‐ grenzen hinweg zu ermöglichen. Ebenso wenig kann man den Übersetzer oder Dolmetscher generell definieren als Person, die zwischen Sprachen und Kulturen bzw. in zweisprachigen Kommunikationssituationen vermittelt. Die Äußerung Könntest du bitte das Fenster öffnen ist keine Übersetzung von It’s a bit chilly here, isn’t it? ; derjenige, der die deutsche Äußerung formuliert, fungiert nicht als Übersetzer, und die in Beispiel I.5.-3 geschilderte zweispra‐ chige Kommunikationssituation ist keine Übersetzungssituation. Kenn‐ zeichnend für die Übersetzung ist ihre ganz spezifische Bindung an einen Ausgangstext; zudem wird sie unter Bedingungen vollzogen, die sich un‐ terscheiden von den Bedingungen, unter denen zusammengefasst, in indi‐ rekter Rede wiedergegeben, kommentierend paraphrasiert usw. wird. Auf diese Zusammenhänge weist E. Pause hin (1983: 388): Translations are utterances which relate back to other utterances in a definite manner. They represent cases of discourse reproduction such as summarizing a text, adapting a text for a specific audience or reporting some discourse in the form, well known from traditional grammar, of direct and indirect speech. Diese Formen der Textreproduktion unterscheiden sich durch bestimmte kontextuelle Merkmale. Bei der Übersetzung liegt die paradoxe Situation vor, dass der Übersetzer in ein und derselben Situation zugleich Sprecher und nicht Sprecher ist: Die Übersetzung ist in der Übersetzungssituation seine Äußerung und zugleich nicht seine Äußerung. Der Übersetzer ist bei ihrer Formulierung nicht autonom, sondern an die Autonomie des AS-Textes gebunden. E. Pause (1983: 392) stellt dazu fest: The pure translation of an utterance, however, could by no means be considered as an autonomous speech act of the reproducer, since it is entirely interpreted at the context of its original. Thus the translation preserves the original speaker’s perspective in all relevant aspects. Therefore, in general, a translator will not 5.6 Die spezifische Situation der Übersetzung (und andere Situationen der Textreproduktion) 101 <?page no="102"?> comment in his translation the original speaker’s utterance from his own view‐ point. Das ist (trotz der Einschränkung, die im „in general“ liegt) zu absolut for‐ muliert. Denn die Übersetzung kommt in der Regel nicht ohne Eingriffe in den Originaltext aus. Es kommt immer wieder vor, dass Übersetzer solche Eingriffe in Vor- oder Nachworten oder in Anmerkungen explizit themati‐ sieren, erklären bzw. zu legitimieren versuchen. Am augenfälligsten treten solche Eingriffe, mit denen AS-Text nicht mehr bloß reproduziert, sondern Text produziert wird, beim Einsatz kommentierender Übersetzungsverfah‐ ren in Erscheinung (s. u., II.3.9). 5.7 Zusammenfassung Kapitel 5 konzentriert sich auf die Klärung und Differenzierung des Über‐ setzungsbegriffs. Die Spezifik der Übersetzungssituation wird thematisiert und Übersetzen als sprachliche Kulturtechnik eigener Art von anderen Ty‐ pen der Textverarbeitung und Textreproduktion abgegrenzt. 5 Was ist Übersetzung? 102 <?page no="103"?> 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 6.1 Definitionen des Übersetzens Im Einführungskapitel wurde darauf hingewiesen, dass es eine Vielzahl von Definitionen des Übersetzens gibt, in denen unterschiedliche textinterne und -externe Bedingungen und Faktoren thematisiert werden. Im Folgenden sollen einige jener Definitionen zitiert und kommentiert werden, die den sprach- und textbezogenen Aspekt des Übersetzens in den Vordergrund stellen. So spielt der sprachlich-textuelle Aspekt bei den philosophisch-herme‐ neutischen und ästhetisch-literaturwissenschaftlichen Definitionen des Übersetzungsprozesses, die Übersetzen einerseits als Verstehens- und Auslegungsprozess, andererseits als schöpferisch-künstlerischen, rein subjektiven Umsetzungsvorgang bestimmen, nur eine untergeordnete Rolle. Im ersten Fall erscheint das Übersetzen als Spezialfall der herme‐ neutischen Aufgabe, die im Verstehen und Auslegen des zunächst fremden Textes besteht. Die „Nachbildungsaufgabe“ des Übersetzens unterscheidet sich dabei nur graduell, nicht qualitativ, von jeder Textverstehens- und -aus‐ legungsaufgabe. Im zweiten Fall wird Übersetzen (im Zusammenhang mit poetischen Texten) bestimmt als schöpferisch-nachvollziehender Akt, der nur graduell von der eigenschöpferischen Tätigkeit unterschieden ist, die beim Produzieren von originalen künstlerischen Texten vorliegt. - Eine breiter angelegte Typologie von Übersetzungsdefinitionen findet sich bei C. Schäffner (2004). Sie unterscheidet 7 Kategorien: 1. Definitionen, die ausge‐ hen von der Beziehung von AS-Text und ZS-Text (wörtlich, frei, sinngemäß), 2. Definitionen, die die Beziehung von AS-Text und ZS-Text anhand objek‐ tiver Kriterien bestimmen (Äquivalenz, Heterovalenz, Adaptation, Bearbei‐ tung usw.), 3. Definitionen ausgehend von der Textthematik (literarisches Übersetzen, Fachtextübersetzen usw., s. u., II.2.4), 4. Übersetzungsrichtung (Übersetzen in die Muttersprache, in die Fremdsprache), 5. Grad der Druck‐ reife (Bearbeitungsstufen der Übersetzung, s. u., II.2.5), 6. Zweck/ Medium (Übersetzung für die Bühne, Synchronisation bzw. Untertitelung von Filmen <?page no="104"?> 54 Zur Synchronisation/ Untertitelung, s. H. E. Jüngst (2010) und S. Reinart (2018). usw.), 54 7. Humanübersetzen, maschinelle Übersetzung, maschinengestütz‐ tes Humanübersetzen. (S. auch den Übersichtsartikel von W. Lörscher 2004.) 1. A. G. Oettinger (1960): Translating may be defined as the process of transforming signs or representa‐ tions into other signs or representations. If the originals have some significance, we generally require that their images also have the same significance, or, more realistically, as nearly the same significance as we can get. Keeping significance invariant is the central problem in translating between natural languages. (104) Interlingual translation can be defined as the replacement of elements of one language, the domain of translation, by equivalent elements of another language, the range. (110) A. G. Oettinger beschreibt die Übersetzung als Umwandlung oder Ersetzung von Zeichen (auch: Repräsentationen oder Elemente) in einer Sprache durch Zeichen einer anderen Sprache, wobei zwischen AS- und ZS-Elementen Sinn‐ identität oder Äquivalenz bestehen soll. Aufschlussreich ist, dass kein prin‐ zipieller Unterschied gemacht wird zwischen dem Umsetzungsprozess der Transliteration und der Übersetzung zwischen natürlichen Sprachen, ja die Transliteration stellt nach Auffassung A. G. Oettingers ein einfaches Modell für den Übersetzungsprozess zwischen natürlichen Sprachen dar. Es wird nur mo‐ difiziert, dass die Festlegung von Zuordnungen zwischen äquivalenten Ketten natürlicher Sprachen weit schwieriger ist als etwa die Zuordnung von kyrilli‐ schen zu lateinischen Buchstaben bei der Transliteration. Anders als bei der Umsetzung von Buchstaben in Morsezeichen, für die Eins-zu-eins-Entspre‐ chungen für sämtliche Elemente eindeutig festgelegt sind, setzt die interlingu‐ ale Übersetzung einen Selektionsprozess unter mehreren Entsprechungen (po‐ tentiellen Äquivalenten) voraus. A. G. Oettingers statische Übersetzungsdefinition, in der Faktoren wie Text und Empfänger überhaupt nicht erscheinen, widerspiegelt den Opti‐ mismus der Mitarbeiter an Projekten zur automatischen Übersetzung in den 1950er und 1960er Jahren. Nicht nur werden die konnotativen Bedeutungen, der kommunikative Aspekt und pragmatische Faktoren vernachlässigt, auch die linguistischen Probleme der Zuordnung von ZSzu AS-Einheiten im denotativen Bereich werden unterschätzt. 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 104 <?page no="105"?> 2. J. C. Catford (1965): Translation is an operation performed on languages: a process of substituting a text in one language for a text in another. (1) Translation may be defined as follows: the replacement of textual material in one language (SL) by equivalent textual material in another language (TL). (20) [SL = Source Language, AS; TL = Target Language, ZS] J. C. Catfords Definition stellt den Begriff des Textes ins Zentrum. Ein AS-Text wird bei der Übersetzung durch einen ZS-Text substituiert, wobei das Substitu‐ tionskriterium in der Äquivalenz besteht. In ähnlicher Weise ist die Definition des Übersetzens von H. Weinrich, die in II.1.5 behandelt wird, textbezogen: Es werden nicht Wörter übersetzt, sondern Sätze und Texte, und Übersetzbarkeit ist nicht auf der Ebene der Wörter, sondern des Textes herstellbar. Übersetzen geschieht nicht auf der Ebene der langue, des Sprachsystems, sondern der pa‐ role, der Äußerungen in Textzusammenhängen, d. h. Übersetzen ist im Kom‐ munikationszusammenhang zu bestimmen. Die kommunikative Dimension selbst wird aber in J. C. Catfords Definition nicht thematisiert. 3. W. Winter (1961: 68): To translate is to replace the formulation of one interpretation of a segment of the universe around us and within us by another formulation as equivalent as possible. We speak of translation even within the framework of one single lang‐ uage in the case of stylistic shifts, for instance, when we find ourselves asked to make plain and intelligible a highly esoteric statement we have just made. This use of the term is, however, rather marginal, even though the basic characteristics of the process are all present. As a rule, we may inject into our definition the further qualification that translation involves the replacement of an interpreta‐ tion in one language by another in a second language. W. Winter geht in seiner Definition vom Begriff der Formulierung von In‐ terpretationen von „Segmenten der Welt“ (Ausschnitte der äußeren und der inneren Welt) aus, die beim Übersetzen ersetzt wird durch eine äquivalente Formulierung in der ZS. Zwischen intralingualer Übersetzung (im Sinne des innersprachlichen Paraphrasierens) und interlingualer Übersetzung wird kein prinzipieller Unterschied gemacht. In dieser Definition erscheint nicht nur der Textbegriff (als formulation), sondern auch der Begriff der Welt, d. h. der Sachverhalt außersprachlicher Art, der im und durch den Text interpretiert wird. Diese Interpretation erfolgt auf einzelsprachspezifische Weise; sie wird 6.1 Definitionen des Übersetzens 105 <?page no="106"?> durch die strukturellen (syntaktischen und semantischen) Gegebenheiten einer Sprache bestimmt. W. Winters Definition ist im Zusammenhang des Problems der Übersetzbarkeit zu sehen (s. u., II.1). 4. E. A. Nida/ C. R. Taber (1969: 12): Translating consists in reproducing in the receptor language the closest natural equivalent of the source-language message, first in terms of meaning and se‐ condly in terms of style. Diese in der übersetzungswissenschaftlichen Literatur wohl am meisten zi‐ tierte Definition legt das Hauptgewicht auf die doppelte Gerichtetheit der Übersetzung. Sie hat sich einerseits zu orientieren an der source-language message („closest natural equivalent“); die Verantwortung des Übersetzers gilt dabei in erster Linie dem Inhalt, in zweiter Linie dem Stil der AS-Mit‐ teilung (des AS-Textes). Andererseits hat sie sich auf die Sprache der Emp‐ fänger („receptor language“) auszurichten, indem die gewählten Entspre‐ chungen in der ZS zugleich natürlich sein sollen („closest natural equivalent“). In diese Übersetzungsdefinition geht das Prinzip der dynami‐ schen Äquivalenz als normatives Kriterium ein (s. u., II.2.3). 5. W. Wilss (1977: 72): Übersetzen ist ein Textverarbeitungs- und Textreverbalisierungsprozess, der von einem ausgangssprachlichen Text zu einem möglichst äquivalenten zielsprachli‐ chen Text hinüberführt und das inhaltliche und stilistische Verständnis der Text‐ vorlage voraussetzt. Übersetzen ist demnach ein in sich gegliederter Vorgang, der zwei Hauptphasen umfasst, eine Verstehensphase, in der der Übersetzer den aus‐ gangssprachlichen Text auf seine Sinn- und Stilintention hin analysiert, und eine sprachliche Rekonstruktionsphase, in der der Übersetzer den inhaltlich und sti‐ listisch analysierten ausgangssprachlichen Text unter optimaler Berücksichti‐ gung kommunikativer Äquivalenzgesichtspunkte reproduziert. In dieser Definition, auf die in II.2.2 ausführlicher eingegangen wird, wird der Übersetzungsprozess aus der Sicht des Übersetzers in zwei Phasen ge‐ gliedert: erstens die Verstehensphase, die als Analyse von Inhalt und Stil des AS-Textes aufgefasst wird, und zweitens die Rekonstruktionsphase, die den AS-Text in der ZS reproduziert, wobei der kommunikative Aspekt eine wichtige Rolle spielt. 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 106 <?page no="107"?> 6. G. Jäger (1975: 36): Das Wesen der Translation besteht darin, die Kommunikation zu sichern, und zwar auf die spezielle, sie von der heterovalenten Sprachmittlung abgrenzenden Weise, dass der kommunikative Wert eines Textes z. B. einer Sprache L A bei der Umko‐ dierung in beispielsweise eine Sprache L B erhalten bleibt, so dass L A -Text und L B -Text kommunikativ äquivalent sind. Das Wesen der Translation - wie der Kommunikation überhaupt - liegt somit im Extralinguistischen, im linguisti‐ schen (sprachlichen) Bereich vollzieht sich aber die Translation: Sie ist in ihrer Erscheinungsform ein sprachlicher Prozess, bei dem einem Text einer Sprache L A ein Text einer Sprache L B zugeordnet wird, der dem Text der Sprache L A kom‐ munikativ äquivalent ist. Diese Definition ist zwar kommunikationsorientiert, zugleich aber sehr all‐ gemein gehalten: Übersetzen besteht in der Herstellung eines zum AS-Text kommunikativ äquivalenten Textes in der ZS. Das Problem liegt hier, wie bei den anderen Definitionen, beim Begriff der Äquivalenz. II.2.5 ist eine kritische Auseinandersetzung mit G. Jägers Definition von „kommunikativ äquivalent“. 7. M. Vannerem/ M. Snell-Hornby (1986): Beim Verstehen von Text A geht der Übersetzer von einem vorgegebenen frame aus, nämlich dem Text und seinen linguistischen Komponenten. Dieser Text nun wurde von einem Autor erstellt, der dabei von seinem eigenen Erfahrungshin‐ tergrund, seinem Repertoire an z. T. prototypischen Szenen ausging. Der Ge‐ samt-frame des Textes (und alle größeren und kleineren frames innerhalb des Textes) lösen kognitive scenes in der Vorstellung des Lesers aus. (189) Ausgehend von den erfassten scenes muss er [der Übersetzer] nach passenden frames in der ZS suchen, welche die gewünschten scenes beim Adressaten der Übersetzung hervorrufen. Zu diesem Zweck hat er laufend Entscheidungen zu treffen, wobei er auf seine Beherrschung der ZS angewiesen ist. Er muss sich vergewissern, dass die von den scenes aufgerufenen frames auch wirklich adäquat sind für die scenes, die sie aufrufen sollen. Wo beispielsweise der AS-Text in ganz besonderer Weise Expressivität aufweist, also stilistisch markiert ist, sollte er je nach Zweck der Übersetzung versuchen, durch die Mittel der ZS ähnliche Ex‐ pressivität zu erreichen, oder an anderer Stelle zu kompensieren. In letzter Instanz ist also der frame der ZS maßgebend für seine Entscheidung. (191) 6.1 Definitionen des Übersetzens 107 <?page no="108"?> 55 Implizit steckt der Äquivalenzbegriff auch in der Definition von M. Vannerem/ M. Snell-Hornby, wenn von passenden frames oder gewünschten scenes die Rede ist. M. Vannerem/ M. Snell-Hornby sehen den Übersetzungsvorgang aus der Per‐ spektive des textverstehenden und -produzierenden Übersetzers. Wie bei W. Wilss ist der Prozess zweiphasig: In der ersten Phase (Analyse) geht der Über‐ setzer vom sprachlichen Material (frames) aus, das beim AS-Leser bestimmte scenes hervorruft; in der zweiten Phase (Synthese) sucht der Übersetzer nach zielsprachlichen frames, die beim ZS-Leser die „gewünschten“ scenes hervorru‐ fen. Hier wären folgende Fragen zu stellen: Wie umfangreich sind die frames, oder anders ausgedrückt: Wie groß sind die Übersetzungseinheiten? Wie hän‐ gen Übersetzungseinheiten und scenes, d. h. Situationen zusammen? Mit wel‐ cher Methode werden scenes und frames ermittelt und objektiviert? Grundsätz‐ licher aber wäre zu fragen, ob der Verstehens- und Übersetzungsprozess tatsächlich so abläuft, wie er von M. Vannerem/ M. Snell-Hornby beschrieben wird. Das Modell gleicht - sieht man von der Terminologie ab - dem Konzept der Neukodierung, wie es in I.6.2 dargestellt wird. Es spricht einiges dafür, dass der Übersetzungsvorgang als komplexes Miteinander von Neukodieren und Umkodieren abläuft, von (mehr oder weniger) automatisierten/ standardisierten und (mehr oder weniger) schöpferischen Aktivitäten. 6.2 Zum normativen Charakter der Übersetzungsdefinitionen; Neukodierung und Umkodierung Es kann hier nicht darum gehen, eine Synthese oder Harmonisierung der oben behandelten Definitionen zu versuchen. Es sei nur auf einige uns wichtig scheinende Aspekte hingewiesen: ▸ Die Übersetzungsdefinitionen sind in keinem Fall rein deskriptiv; sie ▸ enthalten immer ein normatives Element. Es wird nicht nur gesagt, was Übersetzen ist, sondern immer zugleich, was es sein soll (zum Problem der Normativität des Übersetzungsbegriffs, s. u., II.2.5). ▸ Der normative Aspekt kommt im Begriff der Äquivalenz zum Aus‐ ▸ druck, 55 der oft besser durch den Begriff der Äquivalenzforderung ersetzt würde. Die Äquivalenzforderungen beziehen sich dabei auf ganz unterschiedliche Parameter: Inhalt, Text, Sachverhalt, Stil, Nor‐ 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 108 <?page no="109"?> men der ZS, kommunikativer Wert des AS-Textes, Empfänger, scenes des AS-Textes usw. ▸ Die oben angeführten Definitionen machen die Vielzahl von Fak‐ ▸ toren deutlich, die beim Übersetzen eine Rolle spielen: AS, ZS, Text, Inhalt (Sinn, Bedeutung), Stil, Empfänger usw. ▸ In den Definitionen von M. Vannerem/ M. Snell-Hornby und von W. ▸ Wilss wird nicht näher bestimmt, wie sich die Zuordnung von scenes und frames des ZS-Textes zu scenes und frames des AS-Textes vollzieht, bzw. wie die Phasen der Analyse und der Synthese/ Rekonstruktion miteinander verbunden sind. Eine solche Verbindung versuchen O. Kade (1968) und G. Jäger (1975) herzustel‐ len, wenn sie verschiedene Vollzugsarten der Translation unterscheiden: 1. Neukodierung (Interpretation): Die ZS-Fassung wird vom Über‐ 1. setzer über die im AS-Text ausgedrückten Sachverhalte (die Wirk‐ lichkeit) hergestellt, ohne dass Bezug genommen wird auf Äquiva‐ lenzbeziehungen zwischen AS und ZS. D. h., es handelt sich nicht um ein Übersetzen, das auf der (sprachlichen) Basis der zwischen AS und ZS bestehenden Äquivalenzbeziehungen erfolgt, sondern um ein neues Versprachlichen des gemeinten Sachverhaltes bzw. von Be‐ wusstseinsinhalten. AS-Text (Textelemente) sprachliche Formulierung in der ZS Sachverhalt Bewusstseinsinhalte Abb. I.6.-1: Neukodierung 2. Umkodierung (Substitution): Die Zuordnung erfolgt auf der Basis 2. der Äquivalenzbeziehungen zwischen AS und ZS, die der Übersetzer „gespeichert“ hat. Ausgangspunkt des Übersetzens ist die sprachliche Formulierung in der AS, deren Inhalt der Übersetzer im Zusammen‐ spiel von Wortbzw. Satzbedeutung und Sachwissen ermittelt. Der 6.2 Zum normativen Charakter der Übersetzungsdefinitionen; Neukodierung und Umkodierung 109 <?page no="110"?> Übersetzer aktualisiert von den potentiellen Äquivalenten dasjenige, das inhaltlich und stilistisch adäquat ist. AS-Text (Textelemente) sprachliche Umsetzung in der ZS auf der Basis der AS-/ ZS-Äquivalenzbeziehungen Sachverhalt Bewusstseinsinhalte Sprachliche Analyse Abb. I.6.-2: Umkodierung Während die Neukodierung auf der Basis der Sache/ der Bewusstsein‐ sinhalte erfolgt, vollzieht sich die Umkodierung auf der Basis der Spra‐ che bzw. der sprachlichen Zuordnungen zwischen AS und ZS. In reiner Form liegt Umkodierung vor bei normativ festgelegten, formelhaften Entspre‐ chungen (Rauchen verboten/ No smoking), bei festen institutionellen und ter‐ minologischen Zuordnungen (Europarat → Council of Europe, Conseil de l’Europe; European Council → Europäischer Rat, Conseil européen; Conseil de l’Union européenne → Council of the European Union, Rat der Ëuropäischen Union; Passivkonto → compte du passif; Dienstleistungen → prestations de service; Arbeitsmarkt → labour market; Diskontsatz → discount rate), und in den Fällen, die W. Wilss (1977: 132) „habitualisierte Übersetzungsprozedu‐ ren“ und „teilhabitualisierte, halbautomatisch abrufbare Übersetzungspro‐ zeduren“ nennt (z. B. beschränkte Anzahl Möglichkeiten, engl. Partizipial‐ konstruktionen im Dt. wiederzugeben). Die Neukodierung in reiner Form tritt bei der nachvollziehenden, kreativen Wiedergabe von lautmale‐ rischen und sprachspielerischen Elementen auf. Sie ist kennzeichnend für die kommunikativ heterovalente „Übersetzung“ (s. u., II.2.5), d. h. beispiels‐ weise für die verschiedenen Möglichkeiten der Inhaltswiedergabe in Form von Zusammenfassungen oder Resümees, wie man sie in wissenschaftlichen Arbeiten findet, die nicht als eigentliche Übersetzungen zu betrachten sind. Ohne Zweifel aber vollzieht sich menschliche Übersetzung in der Regel als Kombination von Umkodierung und Neukodierung: Je nach Text und 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 110 <?page no="111"?> je nach Sprachkompetenz und Sachwissen des Übersetzers sind die beiden Vollzugsarten unterschiedlich stark beteiligt. 6.3 Modelle des Übersetzens Die verbalen Definitionen laufen Gefahr, kompliziert und unanschaulich zu werden, wenn sie mehr als einen oder zwei der Faktoren und Bedingungen des Übersetzens zu integrieren versuchen. Deshalb bedient sich die Über‐ setzungswissenschaft modellhafter graphischer Darstellungen, die zwar als solche noch keinen Erklärungswert haben, aber Ausgangspunkt für erklä‐ rende Kommentierung sein können. Modelle haben die Funktion, wichtige Elemente des zu beschreibenden Phänomens in ihrem Zusammenhang und -spiel in abstrakter und zugleich anschaulicher Form vorzuführen. Die Modelle des Übersetzungsprozesses, die im Folgenden vorgestellt wer‐ den, unterscheiden sich, wie schon die Übersetzungsdefinitionen, in ihrer un‐ terschiedlichen Komplexität und in der unterschiedlichen Berücksichtigung der Faktoren, die am Übersetzungsvorgang beteiligt sind. L. Barchudarow (1979: 10) ist zuzustimmen, wenn er schreibt, dass die Übersetzungsmodelle „nur in ihrer Gesamtheit dem Übersetzungsprozess in seiner ganzen Vielsei‐ tigkeit und in seinem ganzen Erscheinungsreichtum gerecht werden“. Das Modell in Abb. I.6.-3 thematisiert den Umsetzungsprozess von AS-Zei‐ chen in ZS-Zeichen hinsichtlich einer interlingual konstanten Größe, die in AS und ZS unterschiedlich bezeichnet wird. Begriff, gemeinter Sachverhalt = interlingual konstante Größe AS-Ausdruck/ Form AS-Inhalt/ Bedeutung ZS-Ausdruck/ Form ZS-Inhalt/ Bedeutung AS-Zeichen ZS-Zeichen = = Abb. I.6.-3 6.3 Modelle des Übersetzens 111 <?page no="112"?> 56 Das Problem der Übersetzungseinheit wird unten in I.6.4 angesprochen. Das sprachliche Zeichen besteht aus einem Ausdruck (der Zeichenform, der „materiellen“ Seite des Zeichens) und einem Inhalt (der Bedeutung, der „geistigen“ Seite des Zeichens). Die Beziehung Ausdruck - Inhalt ist einzel‐ sprachspezifisch; so entspricht der Inhalt von frz. fleur nicht dem von dt. Blume (im Textzusammenhang bzw. in einer bestimmten Sprechsituation kann man sich aber mit fleur bzw. Blume/ Blüte durchaus auf dasselbe Ge‐ meinte beziehen). Dieses sprachzeichenbezogene Übersetzungsmodell, das weitgehend mit A. G. Oettingers Übersetzungsdefinition übereinstimmt, s. o., I.6.1), ist unbefriedigend, weil es nahelegt, Zeichen und Wort zu iden‐ tifizieren. Übersetzt werden aber nicht einzelne Wörter, sondern Wörter in ihren Textzusammenhängen (im sprachlichen Kontext). Dieser Schwierig‐ keit sucht das Modell in Abb. I.6.-4 zu begegnen, das nicht vom Zeichen ausgeht, sondern vom Text: AS-Text Übersetzungseinheiten ZS-Text ZS-Einheiten ANALYSE SYNTHESE Abb. I.6.-4 Mit diesem Modell wird angedeutet, dass nicht Einheiten des Systems (der langue) übersetzt werden, sondern Texte, also Sprachvorkommen auf der Ebene der parole (dieses Modell stimmt weitgehend mit der Übersetzungs‐ definition von J. C. Catford, s. o., I.6.1, überein). Der Übersetzungsprozess wird in zwei Phasen gegliedert: eine Phase der Analyse, die zur Festlegung von AS-Übersetzungseinheiten führt, denen ZS-Einheiten zugeordnet wer‐ den, und eine Phase der Synthese, in der diese ZS-Einheiten in den ZS-Text überführt werden. Die Zuordnung von AS-Übersetzungseinheiten 56 und ZS-Einheiten geschieht dabei (s. Abb. I.6.-5) auf der Basis der zwischen AS und ZS bestehenden potentiellen Äquivalenzbeziehungen: 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 112 <?page no="113"?> 57 Vgl. auch O. Kade (1971). Ein ähnliches Modell skizziert A. Neubert (1983: 104 f.): Die se‐ mantische Basis für die Übersetzung wird von „atomaren Sätzen“ gebildet, die in verschie‐ dene „Oberflächengestalten“ überführt werden können. Der so entstandene Text ist dann „wohlgeformt“, wenn er den „Normen der parallelen ZS-Textklasse“ entspricht. AS-Einheit potentielle Äquivalente ZS-Einheit A ZS-Einheit B ZS-Einheit C Aktualisierung von A, B oder C auf der ZS-Textebene Abb. I.6.-5 Auch in Modellen, die im Rahmen der generativen Transformationsgram‐ matik entwickelt worden sind, wird der Übersetzungsvorgang als Ana‐ lyse- und Syntheseprozess gesehen (vgl. Abb. I.6.-4). Allerdings handelt es sich dabei nicht um streng formal-syntaktische Beschreibungen, sondern um intuitiv begründete Rückführungen (Rücktransformationen) von AS-Sätzen (Oberflächenstrukturen in der AS) auf einfachere Strukturen in der AS, die in einem zweiten Schritt in einfache ZS-Strukturen umgesetzt und in einem dritten Schritt in den ZS-Text überführt werden. 57 E. A. Nida (1969: 484) verwendet folgende Darstellung: SOURCE LANGUAGE TEXT ANALYSIS = 1. Schritt TRANSFER RECEPTOR LANGUAGE TRANSLATION RESTRUCTURING = 3. Schritt = 2. Schritt Abb. I.6.-6 6.3 Modelle des Übersetzens 113 <?page no="114"?> 58 S. dazu P. Kußmaul (1986, 2015: 26 ff.), W. Lörscher (2004a). Dieses Modell legt nahe, dass im konkreten Übersetzungsprozess die Sta‐ tionen der Analyse, des Transfers und der Restrukturierung durchlaufen werden: That is to say, the translator first analyses the message of the source language into its simplest and structurally clearest forms, transfers it at this level, and then restructures it to the level in the receptor language which is most appropriate for the audience which he intends to reach. (484) Ob dieses Modell aber tatsächlich abbildet, was im Kopf des Übersetzers vorgeht, wenn er übersetzt, bedürfte weiterer Untersuchungen seitens der prozessual orientierten Übersetzungswissenschaft. Seine Vorzüge liegen darin, dass der Vorgang der Rekonstruktion, der Synthese, genauer gefasst wird: Elementare ZS-Strukturen werden überführt in ZS-Strukturen, die stilistisch so bearbeitet werden, dass sie den ZS-Empfänger optimal errei‐ chen. Maßgebender Bestimmungsfaktor in der Phase der Rekonstruktion ist also der ZS-Empfänger. Damit ist allerdings nur einer der Faktoren genannt, die bei der Wahl eines aktuellen Äquivalents beteiligt sind (dies wird von J. de Waard/ E. A. Nida (1986) im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung mit den Begriffen der formalen und dynamischen Äquivalenz entscheidend modifiziert, s. u., II.2.3). Übersetzen als Wahl- und Entscheidungsprozess 58 im Bereich stilis‐ tischer Varianten lässt sich in zwei Fällen besonders anschaulich beobach‐ ten: 1. wenn mehrere Übersetzer denselben Text übersetzen (s. u., II.2.5), 2. wenn im Übersetzungsmanuskript eines Übersetzers verschiedene Überset‐ zungsversuche/ Fassungen überliefert sind. Für diesen Fall stellt die Unter‐ suchung P. Gebhardts (1970) zur Shakespeare-Übersetzung A.W. Schlegels ein vorzügliches Illustrationsmaterial dar. Anhand seiner Übersetzungsva‐ rianten lässt sich das Übersetzen als zweiphasiger Prozess rekonstruieren. (Die erste Phase ist allerdings nicht identisch mit E. A. Nidas Rückführung komplexer AS-Oberflächenstrukturen auf einfachere AS-Strukturen, son‐ dern stellt bereits eine erste, stilistisch unmarkierte ZS-Fassung dar, die Ausgangspunkt für weitere Umformungen ist.) P. Gebhardt (1970: 202 ff.) unterscheidet bei A.W. Schlegel: 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 114 <?page no="115"?> 1. Das Übersetzen „ersten Grades“ oder „stoffliches Übersetzen“: Der 1. Inhalt der AS-Aussage wird in „prosaischer“ Form in der ZS wieder‐ gegeben; d. h., die Äquivalenzforderung beschränkt sich auf inhalt‐ liche Invarianz. 2. Das Übersetzen „zweiten Grades“ oder „Transformation des prosai‐ 2. schen Stoffes in eine poetische Form“: Das Ergebnis der ersten Phase wird poetisiert; d. h., die Äquivalenzforderung bezieht sich auf Inhalt und poetische Form. - Dieser „Poetisierungsprozess“ als Verwirk‐ lichung stilistischer und formal-ästhetischer Äquivalenz lässt sich in A.W. Schlegels Manuskripten verfolgen. Man vergleiche dazu etwa die fünf Varianten zur „Hamlet“-Stelle I,3,18 For hé himsélf is súbject to his bírth, die sich syntaktisch-rhythmisch unterscheiden (die fünfte Variante ist die von Schlegel schließlich gewählte Fassung): 1. Denn die Geburt macht selbst abhängig ihn/ 2. Ihn macht ja selbst abhängig die Geburt/ 3. Er selber hängt von der Geburt ja ab/ 4. Er hängt ja selber ab von der Geburt/ 5. Er sélbst ist dér Gebúrt ja únterthán. Im Rahmen der kommunikationswissenschaftlich orientierten Über‐ setzungstheorie sind Übersetzungsmodelle entwickelt worden, die von den in der Nachrichtentechnik und der Informationstheorie gebräuchlichen Blockschaltbildern von Kommunikationsketten ausgehen. Für die telegra‐ phische Kommunikation mittels Morsezeichen wird etwa eine Darstellung wie die folgende verwendet: Rauschen S En E N P De Empf. Übertragungskanal RG Abb. I.6.-7 Diese Darstellung ist folgendermaßen zu lesen: Der Sender (S) muss eine Information so enkodieren (En) (verschlüsseln), dass der Empfänger (Empf.) 6.3 Modelle des Übersetzens 115 <?page no="116"?> in der Lage ist, bei der Dekodierung (De) (Entschlüsselung) der Nachricht (N) die betreffende Information zurückzugewinnen. Das setzt voraus, dass S und Empf. über ein gemeinsames Zeicheninventar (Zeichenrepertoire R G ) verfügen (beim Telegraphieren: Morsealphabet), und dass sie durch einen Übertragungskanal miteinander verbunden sind. Der Übertragungskanal (beim Telegraphieren: Kabel) darf dabei nicht so stark gestört sein (Rau‐ schen), dass die emittierte (gesendete) Nachricht (E für Emission) nicht mehr perzipiert (P für Perzeption), d. h. empfangen und dekodiert werden kann. Menschliche Kommunikation ist aus verschiedenen Gründen wesent‐ lich komplizierter: 1. Der menschliche Kommunikator kann zugleich Sender und Emp‐ 1. fänger sein; ein Feedback ist (jedenfalls in der direkten, gesprochenen Kommunikation) nicht nur möglich, sondern konstitutiv. 2. Menschliche Kommunikation findet in einem sozialen Zusammen‐ 2. hang statt. Erfahrungshintergrund, Wissens- und Bildungsstand und Erwartungshorizont von Sprecher/ Hörer, soziokultureller und -öko‐ nomischer Hintergrund, soziale Rollen der Kommunikatoren, in der mündlichen (direkten) Kommunikation außerdem der unmittelbare räumlich-zeitliche situative Kontext, spielen eine wichtige Rolle. 3. Die Zeichenrepertoires sind, auch für Sprecher derselben Sprache, 3. nie identisch: Keine zwei Menschen verbinden mit denselben Aus‐ drücken genau dieselben Bedeutungen und Assoziationen. Wenn man sagt, dass man „aneinander vorbei redet“ bzw. „nicht die gleiche Spra‐ che spricht“, so meint man damit, dass die Verständigung erschwert oder unmöglich ist aufgrund dieser unterschiedlichen Bedeutungen und Assoziationen. Wenn Kommunikation und Verständigung trotz individueller und gruppenspezifischer Sprachverwendungsunter‐ schiede in unserer Lebenspraxis möglich ist und durchaus erfolgreich sein kann, dann darum, weil sich die Zeichenverwendungen in einem zentralen Bereich überschneiden: 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 116 <?page no="117"?> A B individuelle oder gruppenspezifische Verwendungen durch Sprecher A für A und B gemeinsamer Verwendungsbereich individuelle oder gruppenspezifische Verwendungen durch Sprecher B Abb. I.6.-8 Auch können Unterschiede in der Zeichenverwendung sprachlich thematisiert werden, so dass - vorausgesetzt, der Wille zur Verstän‐ digung ist da - ein Konsens über die Verwendungsweise bzw. „das Gemeinte“ hergestellt wird. Praktische Möglichkeit der Verständi‐ gung und praktische Möglichkeit der Übersetzung hängen zusammen: Herstellung von Übersetzbarkeit ist Herstellung von Verständigung unter den spezifischen Bedingungen der Übersetzungssituation (s. u., II.1.4). 4. Menschliche Kommunikation dient nicht nur der Informationsüber‐ 4. mittlung; sie ist nicht auf Enkodierung und Dekodierung von Infor‐ mationen über Sachverhalte eingeschränkt: ▸ Informationsvermittlung kann verbunden sein mit der Bewer‐ ▸ tung der betreffenden Information: Ein Sachverhalt wird nicht wertneutral, sondern positiv oder negativ, wünschenswert oder nicht usw. dargestellt. Dies geschieht insbesondere durch die Verwendung konnotativ geladener Ausdrücke (s. u., II.3.4). ▸ Information kann sprachlich verschleiert werden (etwa ▸ durch die Verwendung von Euphemismen, Fremdwörtern, einer undurchschaubar komplizierten Syntax). ▸ Sprache kann auch oder ausschließlich eingesetzt werden zur ▸ Herstellung von Kontakt (Guten Tag! ), zur Mitteilung von Ge‐ fühlen und partner- oder sachbezogenen Einstellungen usw., man kann mit Sprache befehlen, anordnen, etwas erfragen oder in Frage stellen. 6.3 Modelle des Übersetzens 117 <?page no="118"?> ▸ In der schönen Literatur werden nicht (bestehende) Sachverhalte ▸ beschrieben, sondern wird „Welt“ zugleich hergestellt; die Wirk‐ lichkeit wird im Text selbst produziert (s. u., II.4.1.2). ▸ Sprache kann (etwa in lautmalerischen Gedichten) rein ästheti‐ ▸ sche Funktion haben. In der zweisprachigen Kommunikation, wie sie der Übersetzung zu‐ grunde liegt, sind die Kommunikationsbedingungen komplizierter als in der einsprachigen Kommunikation. Das zeigt schon das folgende einfache, von zahlreichen Bestimmungsfaktoren abstrahierende Modell, in dem die Rolle des Übersetzers, der zugleich Empfänger und Sender ist, im Vordergrund steht (im Anschluss an O. Kade 1968a): ÜBERSETZER S AS-Text E U S' ZS-Text E' I II III Abb. I.6.-9 Die drei Phasen der Übersetzungskommunikation: I. Kommunikation zwischen dem Sender (S) und dem Übersetzer, der I. Empfänger (E) des Originaltextes ist II. Übergang von der AS zur ZS, den der Übersetzer als Umkodierer (U) II. vollzieht III. Kommunikation zwischen dem Übersetzer (als S‘) und dem Empfän‐ III. ger in der ZS (E‘) Gegen dieses Modell ist einzuwenden, dass es der Spezifik der Überset‐ zungskommunikation und der Komplexität der übersetzerischen Aktivität kaum gerecht wird. Das betrifft insbesondere die Beschreibung der Aufgabe des Übersetzers als eines bloßen „Umkodierers“ (s. o., I.6.1, zu A. G. Oettin‐ ger). Kritisch ist zudem anzumerken: 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 118 <?page no="119"?> 59 Liegt hierin ein Grund, dass man nur ungern eine Übersetzung liest, wenn man gerade so gut das Original lesen könnte? Man ertappt sich dabei, dass man durch die Überset‐ zung hindurch den Originaltext zu „rekonstruieren“ versucht - und erfährt sich dabei als Leser von zwei Texten zugleich. 60 S. dazu I. Sorvali (2004), K. Henschelmann (1999: 17 ff.). ▸ Der Übersetzer als Übersetzer ist ein anderer Typ Empfänger als der ▸ „normale“ Empfänger des Originaltextes in der AS: Er rezipiert den AS-Text ja als Angehöriger der ZS-Sprach- und Kulturgemeinschaft, für die er den Text dann übersetzt. Und vor dem Hintergrund seiner Kenntnisse der AS-Kultur und der AS-Textwelt rezipiert er den AS-Text auch auf andere Weise, als es einem ZS-Empfänger möglich ist, der „nur“ die Übersetzung liest. 59 ▸ Der Übersetzer ist ein anderer Typ Sender als der Sender (Autor) des ▸ Originaltextes, denn er ist auf eine spezifische Weise an den AS-Text gebunden: Er produziert nicht, sondern er reproduziert, bzw. der pro‐ duktive Aspekt ist dem reproduktiven untergeordnet (s. dazu diffe‐ renzierter in II.2.4). ▸ Fundamental für die Übersetzungskommunikation ist der Sachver‐ ▸ halt, dass der Übersetzer den ZS-Text für Leser herstellt, die aufgrund der Bedingungen des kommunikativen Hintergrunds in der ZS be‐ stimmte Empfängererwartungen haben. Darauf wird in I.7 einge‐ gangen. 6.4 Das Problem der Übersetzungseinheiten In empirischen Arbeiten mit kontrastivem oder übersetzungswissenschaft‐ lichem Ausgangspunkt wird in der Regel von heuristisch bestimmten Über‐ setzungseinheiten („Entsprechungen“ oder „Äquivalenten“) ausgegangen. Es ist allerdings schwierig, den Begriff der Übersetzungseinheit 60 auf einer theoretischen Ebene zu definieren. Wenig nützlich, weil nicht operationalisierbar, sind in diesem Zusam‐ menhang Aussagen, dass der Text als Ganzes Übersetzungseinheit ist (vgl. dazu A. Neubert 1988: 85) oder gar die „Kultur“ („If neither the word, nor the text, but the culture becomes the operational ‚unit‘ of translation […]“, A. Lefevere/ S. Bassnett 1990: 8). Text wie auch kulturelle Einbettung sind Fak‐ toren, die sowohl bei der Äquivalenzkonzeption als auch bei der Bestim‐ 6.4 Das Problem der Übersetzungseinheiten 119 <?page no="120"?> 61 O. Kades Definition der Übersetzungseinheit stimmt weitgehend mit derjenigen von L. Barchudarow (1979: 188) überein: „Die Übersetzungseinheit ist die kleinste (minimale) sprachliche Einheit im AS-Text, die eine Entsprechung im ZS-Text hat; wie wir weiter sehen werden, kann diese Einheit eine komplexe Struktur aufweisen, d. h. aus noch kleineren Einheiten der Ausgangssprache bestehen. Diese Teile aber sind, jeder für sich genommen, ‚unübersetzbar‘, im Text der Übersetzung lässt sich keine Entsprechung für sie nachweisen, selbst wenn sie innerhalb der Ausgangssprache ihre eigene, relativ selbständige Bedeutung besitzen.“ Nach L. Barchudarow sind folgende Ebenen der Übersetzungseinheiten zu unterscheiden: Phoneme/ Grapheme, Morpheme, Wörter, Wortgruppen, Sätze, Texte. 62 Hierin liegt nach A. D. Švejcer (1987: 79) ein terminologischer Widerspruch: Eine Ein‐ heit ist eine konstante, nicht eine variable Größe. Sprachliche Einheiten sind außerdem als Konstanten bezogen auf bestimmte Sprachebenen, Übersetzungseinheiten sind da‐ gegen „variable und linguistisch nicht definierte Redesegmente der Quellensprache“. Es ist aber gerade diese Variabilität, die die Spezifik der Übersetzungseinheit (im Ge‐ gensatz zu linguistischen, sprachsystembezogenen Einheiten) ausmacht. mung der potentiellen Äquivalente eine Rolle spielen - neben den anderen Faktoren, wie sie im Einführungskapitel aufgelistet werden. J.-P. Vinay/ J. Darbelnet (1971) und A. Malblanc (1968) gehen vom Begriff der unité de pensée aus, die definiert wird als „le plus petit segment de l’é‐ noncé dont la cohésion des signes est telle qu’ils ne doivent pas être traduits séparément“ ( J.-P. Vinay/ J. Darbelnet 1971: 37). Diese Definition ist AS-be‐ zogen: Übersetzungseinheit ist das, was in der AS als Sinneinheit er‐ scheint. Die Sinneinheiten werden also unabhängig von der Struktur der ZS festgelegt, was zu Schwierigkeiten führt, wenn die ZS ihre Sinneinheiten anders gliedert. Dieser Schwierigkeit trägt O. Kade (1968: 90) Rechnung, wenn er die ZS in die Definition der Übersetzungseinheit mit einbezieht: 61 Die Übersetzungseinheit ist das jeweils kleinste Segment des AS-Textes, für das dank der potentiellen Äquivalenzbeziehungen ein Segment im ZS-Text gesetzt werden kann, das die Bedingungen der Invarianz auf der Inhaltsebene erfüllt. Maßgeblich bei der Festlegung der Übersetzungseinheiten ist nach O. Kade der Inhalt der Aussage, bezogen auf die potentiellen Äquivalente in der ZS. Damit kann allerdings von vornherein nie feststehen, welche sprachliche Einheit von welcher Größe Übersetzungseinheit ist; sie ist eine variable Größe. 62 Sieht man die Übersetzungseinheit nicht als statische, sondern als dynamische Größe, ist von einer Hierarchie der Übersetzungseinheiten bei ein und demselben Text auszugehen: von textuellen Äquivalenten bis hin‐ unter zu Äquivalenten auf der lexematischen Ebene, von lexematischen, 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 120 <?page no="121"?> Wortgruppen- und Satz-Äquivalenten hinauf zu den textuellen Überset‐ zungseinheiten. Bei der Bestimmung der Übersetzungseinheiten in ihrer Variabilität sind die Äquivalenzkategorien, wie sie in II.3. dargestellt sind, von vorrangiger Bedeutung. Es wäre zu untersuchen, ob die Art und Größe der Überset‐ zungseinheiten, in die ein Text aufgeteilt werden kann, davon abhängt, ob es sich um denotative, konnotative, textnormative, pragmatische oder for‐ mal-ästhetische Äquivalenz handelt. Eine Rolle spielen auch sprachstruk‐ turelle Gegebenheiten: Übersetzungseinheiten dürften umso größer sein, je stärker die Sprachstrukturen differieren (je ähnlicher die Sprachen struk‐ turell sind, desto kleiner sind die Übersetzungseinheiten; das zeigt sich, wenn man Übersetzungen aus dem Norwegischen ins Schwedische oder Dänische vergleicht). Beschränkt man sich auf den denotativen Aspekt, lassen sich vier klare Fälle unterscheiden, wobei es sich bei a)-c) um stark begrenzte Sprachaus‐ schnitte handelt: a. Übersetzungseinheit ist das Wort: dies gilt für Terminologie: a. dt. Umsatzvolumen → frz. volume de ventes dt. Stromkreis → engl. electric circuit b. Übersetzungseinheit ist das Syntagma: b. ▸ gilt für Terminologie: ▸ engl. data processing → dt. Datenverarbeitung engl. fast-breeder reactor → dt. Schneller Brüter ▸ gilt für phraseologisch gebundene Ausdrücke: ▸ dt. blinder Passagier → engl. stowaway → frz. passager clandestin dt. zugrunde gehen → frz. périr, mourir frz. auteur d’un attentat → dt. Attentäter dt. zum Ausdruck bringen → frz. exprimer → it. esprimere ▸ gilt für redensartliche Ausdrücke: ▸ dt. ins Gras beißen → engl. kick the bucket dt. bei jemandem ins Fettnäpfchen treten → frz. mettre les pieds dans le plat → engl. put one’s foot in it frz. mettre la charrue devant les bœufs → dt. das Pferd am Schwanz aufzäumen ▸ gilt für Floskeln: ▸ 6.4 Das Problem der Übersetzungseinheiten 121 <?page no="122"?> 63 Beispiel aus G. Thiel/ G. Thome (1987: 166). dt. es liegt mir am Herzen, zu … → engl. I am particularly anxious to … dt. am Rande bemerkt; nebenbei gesagt → engl. let it be said in pas‐ sing that … → frz. soit dit en passant, pour le dire entre parenthèses ▸ gilt für stereotype Formulierungsmuster in bestimmten Text‐ ▸ sorten: 63 dt. in Erkenntnis der Bedeutung → engl. recognizing the impor‐ tance → frz. reconnaissant l’importance c. Übersetzungseinheit ist der Satz: c. ▸ gilt für Sprichwörter: ▸ engl. No fool like an old fool. → dt. Alter schützt vor Torheit nicht. it. Lontan dagli occhi, lontan dal cuore. → dt. Aus den Augen, aus dem Sinn. ▸ gilt für normativ festgelegte Ausdrücke: ▸ dt. Rauchen verboten → engl. No smoking d. Übersetzungseinheit ist der Text (Textabschnitt): d. ▸ gilt für poetische Texte, deren Poetizität in der Ausnutzung ▸ sprachspielerischer und lautmalerischer Möglichkeiten liegt, in denen es also nicht primär um die Wiedergabe des Inhalts, son‐ dern um die Wiedergabe oder Rekonstruktion der sprachlichen Form geht (s. u., II.3.7 und II.4.1.3); ▸ gilt für Werbetexte, bei denen es um die Erhaltung des Kauf-/ ▸ Werbeappells geht, der sprachlich-textlich ganz unterschiedlich realisiert werden kann (je nach Verkaufsstrategie, Käuferpsycho‐ logie usw.). Dabei stellt sich allerdings die Frage, inwieweit noch von textreproduzierender („eigentlicher“) Übersetzung gespro‐ chen werden kann (s. u., II.2.4 und II.2.5). 6.5 Zusammenfassung In Kapitel 6 werden zentrale Übersetzungsdefinitionen angeführt und kom‐ mentiert. Die normative Komponente dieser Definitionen wird problemati‐ siert. Außerdem werden verschiedene Modelle des Übersetzens vorgestellt. Abschließend wird das Problem der Bestimmung von Übersetzungseinhei‐ ten behandelt. 6 Definitionen und Modelle des Übersetzens 122 <?page no="123"?> 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 7.1 Der Leser der Übersetzung und seine Erwartungen Der Vorgang von Textproduktion und Textrezeption lässt sich stark verein‐ facht folgendermaßen beschreiben: Der Textautor (S) richtet sich mit seinem Text an Empfänger der betreffenden Sprache/ Sprachgemeinschaft; der Text ist „eingestellt“ auf diese Empfänger. Zum AS-Text wird dieser Text erst in einem Übersetzungskontext. (Ich sehe von Texten ab, die in der betreffenden Sprache zum Zweck der Übersetzung verfasst sind, also bereits auf ZS-Emp‐ fänger „eingestellt“ sind, wie dies etwa bei Touristiktexten der Fall sein kann.) Das Original funktioniert im kommunikativen Zusammenhang der betreffenden Sprach- und Kulturgemeinschaft; es ist eingebettet in diesen Zusammenhang (s. Abb. I.7.-1). S „stellt“ den Text „ein“ im Blick auf Empfänger mit bestimmten Erwartungsnormen AS-Text AS-Empfänger bzw. Empf.gruppe rezipiert den Text vor dem Hintergrund von Erwartungsnormen (Erwartungshorizont) kommunikativer Zusammenhang von Textproduktion und Textrezeption Abb. I.7.-1 <?page no="124"?> 64 Zum Erwartungshorizont, s. P. Ajouri (2013). 65 S. dazu das wunderschöne Gleichnis von Jacob Grimm zur grundsätzlichen Verschie‐ denheit von Original- und Übersetzungsrezeption, das oben, zu Beginn des Hauptteils GRUNDLAGEN, zitiert ist. - Die folgenden drei Faktoren, die bei der Übersetzungs‐ kommunikation eine Rolle spielen, werden von J. S. Holmes (1988) im Artikel „Rebuil‐ ding the bridge at Bommel: Notes on the limits of translatability“ genannt. Mit Recht weist J. S. Holmes darauf hin, dass sprachlicher Kontext und soziokulturelle Situation nicht parallel gehen müssen: Im Fall von Kanada ist von einer soziokulturellen Situation, aber drei Sprachen auszugehen, im Fall der USA und Englands von zwei soziokulturellen Situationen, aber einer Sprache (s. auch II.1.4). Das heißt zugleich, dass der Text vor dem Hintergrund bestimmter Erwar‐ tungsnormen, die den Erwartungshorizont der Empfänger bilden, rezi‐ piert wird. 64 Die „Einstellung“ des Textes durch den Textautor und der Er‐ wartungshorizont der Empfänger stehen in einem wechselseitigen Bedingungsverhältnis: Die Erwartungsnormen des Empfängers bedingen die Schreibnormen des Autors, die Schreibnormen des Autors beziehen sich auf Erwartungsnormen der Leser und bestätigen diese, erfüllen sie nicht oder nur teilweise oder widersprechen ihnen gar. Texte verschiedener Text‐ gattungen sind in verschieden starkem Maße auf die Erwartungsnormen der Leser eingestellt: Es kann mehr oder weniger hundertprozentige Deckung vorliegen (normgerechte Texte), oder die Texte können die Erwartungsnor‐ men durchbrechen (normabweichende Texte). Die Erwartungsnormen ih‐ rerseits sind keineswegs identisch für alle Empfänger in einer Sprache (Sprachgemeinschaft), sondern sind in Abhängigkeit zu sehen von u. a. ▸ den individuellen und gruppenspezifischen Wissens- und Verstehens‐ ▸ voraussetzungen ▸ dem Bildungsstand, den Sprach- und Sachkenntnissen der Empfänger ▸▸ der individuellen und historisch-gesellschaftlichen Rezeptionssitua‐ ▸ tion der Empfänger allgemein Die Übersetzungssituation ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die Empfängerbedingungen der Übersetzung mehr oder weniger stark von den Empfängerbedingungen des Originaltextes unterscheiden: 65 1. Der ZS-Text steht in einem anderen sprachlichen Kontext, d. h. er be‐ 1. dient sich anderer sprachlich-stilistischer Ausdrucksmittel, die im System der ZS einen anderen Stellenwert haben als in dem der AS. Mit diesem Aspekt des Übersetzens beschäftigt sich in erster Linie die linguistisch orientierte Übersetzungswissenschaft. 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 124 <?page no="125"?> 2. Der ZS-Text steht in einem anderen „Textuniversum“ als der AS-Text. 2. Zum ZS-Textuniversum gehören a) andere Übersetzungen aus der betreffenden AS, b) Übersetzungen aus anderen Sprachen, (c) Paral‐ leltexte. (Unter Paralleltexten versteht man Originaltexte in der ZS, die eine ähnliche Thematik behandeln, sich an eine ähnliche Leser‐ gruppe richten und vergleichbare sprachlich-stilistische Mittel ver‐ wenden, s. dazu C. Fabricius-Hansen 2004, S. Göpferich 1999.) Vor dem Hintergrund der Normen, die in diesem Textuniversum gelten, wer‐ den Übersetzungen produziert und rezipiert. 3. Der ZS-Text wird in einer soziokulturellen Situation rezipiert, die 3. sich von der AS-Situation unterscheidet. Die Wissensvoraussetzun‐ gen allgemein und die speziellen Voraussetzungen für das Verständ‐ nis eines Textes sind verschieden. Das hat zur Folge, dass das, was in einem AS-Text nicht ausgedrückt werden muss, weil es zu den selbstverständlichen Voraussetzungen des Alltagslebens (der Le‐ benspraxis) im betreffenden kommunikativen Zusammenhang ge‐ hört, in der ZS ggf. explizit ausgeführt werden muss. Assoziatio‐ nen, die der AS-Text weckt, gehen in der ZS möglicherweise verloren, weil die Assoziationsvoraussetzungen in der ZS für den ZS-Empfänger nicht gegeben sind. Mittels kommentierender Über‐ setzungsverfahren kann der Übersetzer versuchen, Wissensdefizite der ZS-Leser zu beseitigen oder wenigstens zu vermindern (s. u., II.3.9). Gelegentlich tut dies auch der Autor des Originaltextes, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel I.7.-1 Ignazio Silone schickt seinem Roman „Fontamara“ eine Einführung voran, in der er den „ausländischen Leser“ darüber informiert, dass seine Erzählung nicht dessen idyllischem Italienbild entspricht: Wie man weiß, erscheint in gewissen Büchern der Süden Italiens als ein wunderbar schönes Land, wo die Bauern fröhlich singend zur Ar‐ beit gehen und Chöre von Landmädchen in malerischen alten Trach‐ ten ihnen antworten, während im nahen Wäldchen die Nachtigallen schmettern. - Leider hat es diese Herrlichkeiten in Fontamara nie gegeben. […] Und zur Sprache merkt Silone an: 7.1 Der Leser der Übersetzung und seine Erwartungen 125 <?page no="126"?> Man darf sich nicht vorstellen, dass die Bewohner von Fontamara italienisch sprechen. Italienisch ist für uns eine Sprache, die wir in der Schule gelernt haben, so wie man Latein, Französisch oder Esperanto lernt. Es ist für uns eine Fremdsprache, deren Wortschatz und Gram‐ matik sich ohne Beziehung zu uns gebildet haben, ohne Beziehung zu unserer Art zu handeln, zu denken und uns auszudrücken. […] Wenn die italienische Sprache unsere Gedanken aufnimmt und wiedergibt, werden sie in ihrem innersten Kern verändert und entstellt. Um un‐ mittelbar zu wirken, sollte man sich nicht einer Sprache bedienen, in der zu denken man nicht gewohnt ist. Da ich aber kein anderes Mittel habe, um mich verständlich zu machen, und ein dringendes Bedürfnis mich dazu treibt, werde ich mich bemühen, so gut wie möglich in die gelernte Sprache zu übertragen, was alle Menschen erfahren sollen: die Wahrheit über Fontamara. Die Verbindung von Phase I und III des Übersetzungsprozesses (s. o., I.6.7), die Rolle und Funktion des Übersetzers im Blick auf AS-Empfänger und ZS-Emp‐ fänger sind nun genauer bestimmbar. Der Übersetzer ist Empfänger in der AS, und er muss zugleich Sender (und auch Empfänger) in der ZS sein. Die Über‐ setzungsaufgabe besteht darin, zwischen den Empfängererwartungen in der AS und den Empfängerwartungen in der ZS zu vermitteln. Bei den unten zu dis‐ kutierenden Empfängererwartungen werden deshalb zugleich die Rolle des Übersetzers und die mit den ZS-Empfängererwartungen verknüpften Überset‐ zungsprobleme behandelt. Von diesen Überlegungen her fällt neues Licht auf die Schleiermachersche Unterscheidung zweier Übersetzungsmethoden und auf E. A. Nidas Prinzipien der formalen und der dynamischen Äquivalenz (s. o., I.2.4, s. u., II.2.3). Die verfremdende Übersetzungsmethode bzw. die formale Äquivalenz verlangt einen ZS-Empfänger, der gleichsam in die Haut eines AS-Empfängers zu schlüpfen vermag: Der ZS-Text soll es dem ZS-Leser ermög‐ lichen, AS-Empfänger zu spielen. Die adaptierende Übersetzungsmethode bzw. die dynamische Äquivalenz dagegen richtet die Übersetzung auf die Erwar‐ tungsnormen der ZS-Empfänger aus. 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 126 <?page no="127"?> 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen Wenn man versucht, die Empfängererwartungen zu differenzieren, so dürf‐ ten in übersetzungsrelevanter Sicht folgende sechs Bereiche, die im Folgen‐ den behandelt werden, von vorrangiger Bedeutung sein: 1. thematischer Bereich (7.2.1) 1. 2. Makroaufbau/ -gliederung und Darstellungstechnik (7.2.2) 2. 3. Mikroaufbau (7.2.3) 3. 4. Textfunktion (7.2.4) 4. 5. sprachlich-stilistische Gestaltung (7.2.5) 5. 6. Textverständnis und -interpretation (7.2.6) 6. 7.2.1 Zum thematischen Bereich Von einem Buch mit dem Titel „Das Klavier. Eine Einführung in Geschichte und Bau des Instruments und in die Geschichte des Klavierspiels“ erwarten wir als Leser, dass es uns thematisch-inhaltlich genau das vermittelt, was der Untertitel verspricht. Wenn wir ein Buch zur Hand nehmen, dessen erste Ausgabe 1726 erschien und das den Titel trägt „TRAVELS INTO SEVERAL REMOTE NATIONS OF THE WORLD. By Lemuel Gulliver, first a Surgeon, and then a Captain of se‐ veral Ships“ erwartet der Leser eine exotische Reisebeschreibung (und zum Reiz von Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“ gehört, dass die Satire durchaus eine Reisebeschreibung ist - von einer Reise in höchst fiktive Gefilde). Von einer Bedienungsanleitung für eine Geschirrspülmaschine erwartet der Leser, dass sie ihn über die Bedienung der betreffenden Maschine in‐ struiert; von einer Biographie über Napoleon eine Beschreibung des Lebens von Napoleon. Thematisch-inhaltliche Erwartungen können allerdings ge‐ genüber anderen Erwartungen zurücktreten (oder irrelevant sein): bei poe‐ tischen Texten (z. B. einem lyrischen Gedicht wie Joseph Eichendorffs „Mondnacht“) gegenüber ästhetischen oder bei konkret-graphischen Ge‐ dichten gegenüber visuellen Interessen wie etwa Christian Morgensterns „Der Trichter“, bei dem die graphische Anordnung des Textes in Form eines Trichters den ästhetischen Reiz ausmacht. Bei der Analyse von Übersetzungen kann man gelegentlich feststellen, dass Übersetzer in den Text eingreifen, um (wirklichen oder vermeintlichen) Lesererwartungen zu entsprechen (s. u., II.3.6). Das kann so weit gehen, dass 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 127 <?page no="128"?> ganze Abschnitte, die nach Auffassung des Übersetzers (bzw. des Verlags‐ lektors) inhaltlich gegen politische, ideologische oder moralische Normen verstoßen, in der Übersetzung weggelassen werden. So bleiben in der dt. Übersetzung des Kriminalromans „De ‚A‘ jusqu’à ‚Z‘“ von San-Antonio (Pseudonym für Frédéric Dard) (1967, dt. „Die elegante Mörder-Tour“, 1973) Textstellen, in denen sich Polizisten Brutalitäten gegenüber Verdächtigen zuschulden kommen lassen, entweder unübersetzt, oder sie werden abge‐ schwächt. In Übersetzungen von Kinderbüchern stellt man immer wieder fest, wie Übersetzer den Originaltext ausdeuten bzw. verdeutlichen, span‐ nender machen und mit moralisch-pädagogischen oder weltanschaulichen Auffassungen in Übereinstimmung bringen (s. dazu J. House 2004). M. Díaz-Diocaretz (1985: 37 ff.) unterscheidet vier Typen von Verfahren, mit denen der Übersetzer einen Text mit Empfängererwartungen verträglich zu machen versucht: das didaktische, korrektive, polemische und präventive Verfahren: Didactic: favoring explanatory notes which can be marginal or inserted within the text itself, assuming that the ST [source-text] is obscure and should be made clearer to the readers. […] Corrective concerns the desire to adapt the interpreta‐ tion to the reader’s ‘literary competence‘. […] Another model of corrective atti‐ tude concerns the standard of literary acceptability in terms of the norms and the reader’s expectations playing a central role in the receptor-oriented translati‐ ons. […] Polemic attitude which may be provoked by certain portions of the message in the ST which the TF [translator-function] anticipates will be in pole‐ mic with the taste and cultural presuppositions of the reader. The text is modified to ‚protect‘ the reader from certain ‘harmful‘ elements, and therefore accomoda‐ ted to fit acceptable norms (either stylistic features, themes, topics) and/ or social conventions. Preventive attitude, which causes the translator-function to introduce modifications and changes, thus anticipating a possible censorship or total sup‐ pression of the work. Examples within this range abound; they include not only lexical and semantic units, but they also affect other components in the text. In diesen Zusammenhang gehört auch die Diskussion zur Übersetzung aus feministischer Perspektive (L. v. Flotow 1997, 2004) und zur politisch-ideo‐ logisch „gefärbten“ Übersetzung (zur DDR, s. G. Pisarz-Ramirèz 2007, zu Deutschland 1933-1945, s. K. Sturge 2007, zu Griechenland, s. D. Asima‐ koulas 2005). Sind textinhaltliche Eingriffe des Übersetzers grundsätzlich abzulehnen? Die Frage kann in dieser allgemeinen Form nicht beantwortet werden. Über‐ 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 128 <?page no="129"?> 66 Zur Ethik des Übersetzens, s. P. Kußmaul (2015, Abschnitt 8.3.). setzung ist nicht „nur“ Textreproduktion, sondern muss, wenn sie ihre Funktion erfüllen will, auch Textproduktion sein (z. B. in der Form von kommentierenden Elementen, Modifikationen usw., s. u., II.2.4), und es kön‐ nen durchaus gute Gründe für punktuelle Eingriffe unterschiedlicher Art vorliegen. Zur Ethik des Übersetzens gehört aber, dass Textveränderun‐ gen in der Übersetzung selbst angezeigt werden (in Vor- oder Nachworten oder in Fußnoten). 66 Die Übersetzungskritik hat die Aufgabe, inhaltliche Texteingriffe und ihre Berechtigung und Hintergründe aufzudecken und zu fragen, wo und in welchem Ausmaße dadurch die Autonomie des zu über‐ setzenden Textes und die Interessen des ZS-Lesers an einem „unredigierten“ Text möglicherweise verletzt werden. Dabei ist auch abzuklären, ob die Texteingriffe tatsächlich auf den Übersetzer zurückgehen und nicht auf den Autor selbst wie folgendes Beispiel zeigt. Beispiel I.7.-2 Zwischen der 1934 erschienenen Übersetzung von Ignazio Silones „Fon‐ tamara“ und der Übersetzung von 1962 bestehen große Unterschiede. Im „Vorwort zur neuen Ausgabe“ führt Silone dazu aus: Der deutsche Leser, der auf den Gedanken verfiele, die vorliegende Fas‐ sung von Fontamara mit der ersten, 1934 in der Schweiz erschienenen Übersetzung zu vergleichen, würde den Eindruck gewinnen, dass es sich um ein zwar nicht ganz neues, jedoch sehr verändertes Werk handelt. Einem solchen Leser bin ich die Erklärung schuldig, dass der Unter‐ schied zwischen den beiden Fassungen nicht nur auf der verschiedenar‐ tigen Ausdrucksweise der Übersetzer beruht (obwohl jedermann weiß, dass die Arbeit des Übersetzers für das literarische Werk ebenso wichtig ist wie die des Interpreten für das musikalische Werk), sondern vor allem auf der Verschiedenheit der italienischen Texte, die den beiden Überset‐ zungen zugrunde liegen. - Als Fontamara nach dem Zusammenbruch des Faschismus zum erstenmal in Italien veröffentlicht werden sollte, habe ich zahlreiche Veränderungen an dem Text vorgenommen, zu deren Rechtfertigung ich etwas über das Verhältnis zwischen mir und meinen Büchern sagen muss. […] (7) 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 129 <?page no="130"?> 67 S. dazu H. Belke (1973), B. Sandig (2006), K. Brinker (2010: 120 ff.), A. Linke u. a. (1996: 248 ff.), W. Heinemann/ D. Viehweger (1991: 129 ff.). 7.2.2 Zu Makroaufbau/ -gliederung und Darstellungstechnik Der Textinhalt wird in der Folge der Sätze und Textabschnitte im Allgemei‐ nen sukzessiv vermittelt. Für Aufbau, Gliederung und Technik der Darstel‐ lung folgt der Autor mehr oder weniger festen Regeln, die er entweder durch Nachahmung und/ oder durch Befolgung von Anleitungen - wie es sie etwa für das Anfertigen wissenschaftlicher Manuskripte oder für das normge‐ rechte Schreiben von Briefen gibt - gewonnen hat. Solche Regeln haben sich für Gebrauchs- und Sachtexte verschiedenster Art mehr oder weniger fest etabliert (wissenschaftlich-technische Texte, Biografien, Gebrauchsanlei‐ tungen, Kontaktanzeigen, Horoskope, Leitartikel, Börsenkommentare). 67 Aber auch literarische Texte folgen Textgestaltungsmustern (man denke an Kriminalstories, Märchen, Aphorismen, Sonette). Aufbau-/ Gliederungsmus‐ ter und Darstellungstechnik können sich von Land/ Kulturgemeinschaft zu Land/ Kulturgemeinschaft unterscheiden, und innerhalb der einzelnen Ge‐ brauchstextgattungen gibt es unterschiedliche Traditionen der Darstel‐ lungstechnik. Neue Gliederungs- und Darstellungsmuster können sich eta‐ blieren (man denke etwa an die Verdrängung der §-Gliederung durch die Dezimalzählung); in wissenschaftlichen Beiträgen setzt sich zunehmend das angloamerikanische Schema Introduction - Methods - Results - Discussion (= IMRAD) durch. Für den Übersetzer stellt sich die Frage, ob oder inwieweit er den ZS-Text in Makroaufbau und -gliederung den in der ZS geltenden Normen anpassen soll, d. h., ob und inwieweit er die Form der Darstellung verändern kann und soll, um den ZS-Text den Empfängererwartungen (Er‐ wartungsnormen und -gewohnheiten) anzupassen. Beispiel I.7.-3 Die dt. und schwed. Übersetzungen von D. L. Sayers’ „Murder Must Ad‐ vertise“ (1933) verfahren bezüglich Kapiteleinteilung und -überschriften unterschiedlich: Die dt. Übersetzung verzichtet auf Kapitelüberschrif‐ ten, behält aber die Nummern bei, die schwed. Übersetzung behält die Titelüberschriften bei und verzichtet auf die Kapitelzahlen. 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 130 <?page no="131"?> 68 Mit der thematischen (s. K. Brinker 2010: 40 ff., W. Heinemann/ D. Viehweger 1991: 36 ff.) und sprachlichen (s. K. Brinker 2010: 26 ff., A. Linke u. a. 1996: 215 ff., W. Heinemann/ D. Viehweger 1991: 26 ff.) Verknüpfung von Sätzen in Texten beschäftigt sich die Textlinguistik. 7.2.3 Zum Mikroaufbau Die einzelnen Sätze eines Textes sind entweder thematisch und/ oder sprach‐ lich miteinander verknüpft. 68 Beispiel für eine rein thematische (sachliche) Verknüpfung (implizite Verknüpfung): Das Thermometer zeigte -10°. Fritz holte den Mantel aus dem Schrank. Im Verstehensprozess verbindet der Leser/ Hörer die beiden Sätze miteinander: Das Thermometer zeigte -10°. Weil es so kalt war/ Um sich gegen die Kälte zu schützen, holte Fritz den Mantel aus dem Schrank. Im Allgemeinen sind Sätze im Text sowohl thematisch (implizit) wie auch sprachlich (explizit) miteinander verknüpft durch pronominale oder no‐ minale Wiederaufnahme, Konjunktionen, Adverbien und Tempora, wie der folgende Textauschnitt zeigt: Beispiel I.7.-4 (1) Generäle sind Männer, die sich gegenseitig einen Kampf liefern, sich selber aber aus dem Kampf heraushalten. (2) Hinterher machen sie ein Treffen ab. (3) Sie treten aufeinander zu […] und setzen sich zu einem Frühstück, das gegeben wird. (4) Kaffee ist immer aufzutreiben […]. (Aus H. Wiesner, „Lapidare Geschichten“, 1967) Verknüpfung von Satz (1) und (2): Tempus, prononminale Wiederauf‐ nahme (Generäle - sie), temporale Situierung (hinterher), nominale Wie‐ deraufnahme im gleichen Sinnbereich (Kampf - Treffen); Verknüpfung von Satz (3) und (4): Tempus, Wiederaufnahme im gleichen Sinnbereich (Frühstück - Kaffee). Der Leser der Übersetzung erwartet, dass er den Textinhalt mit einem „an‐ gemessenen“ Verstehensaufwand ermitteln kann, d. h. in diesem Zusam‐ menhang, dass die impliziten und die expliziten Verknüpfungen keine un‐ nötigen Verstehensprobleme stellen. Diese treten dann auf, wenn bei 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 131 <?page no="132"?> impliziten Verknüpfungen, aber auch bei ungenügend oder unkorrekt ex‐ plizierten sprachlichen Verknüpfungen, Kenntnisse und Wissen vorausge‐ setzt werden, über die der Empfänger (möglicherweise) nicht verfügt. Bei obigen Beispielen sind solche Kenntnisse bei den Lesern der betreffenden Sätze aufgrund ihres Welt- und Alltagswissens vorhanden, bzw. der Verfas‐ ser kann annehmen, dass diese Kenntnisse vorhanden sind. So weiß man, dass -10°C auf den Sachverhalt ‚relativ starke Kälte‘ hinweist, und dass man sich mit einem Mantel gegen Kälte schützen kann. Vom Kaffee wiederum wissen wir, dass er Bestandteil eines Frühstücks ist oder sein kann. Übersetzungsprobleme können daraus resultieren, dass der AS-Autor auf Wissensvoraussetzungen der AS-Empfänger aufbaut, die bei den ZS-Lesern nicht gegeben sind. Der AS-Autor kann vieles „ungesagt“ lassen, implizit voraussetzen. Hierin liegt ein Teil der kulturellen Übersetzungsproblematik. Das folgende Beispiel kann dies illustrieren: Beispiel I.7.-5 Im dritten Kapitel der dt. Übersetzung von Gunnar Staalesens Krimi‐ nalroman „Im Dunkeln sind alle Wölfe grau“ (2001) stutzt der (aufmerk‐ same) Leser bei folgender Textstelle: Der Sommer fand Anfang Mai statt. Die plötzliche Wärme legte die Stadt lahm und die Leute liefen mit glühend-roten Gesichtern herum und sehnten sich nach der Kälte zurück. Ihr Wunsch wurde erfüllt. Um den 17. Mai herum war der Sommer vorbei und das graue Wetter wieder da. Nach ein paar Tagen war es, als hätte die Sonne nie ge‐ schienen, und als würde sie es auch nie wieder tun. Was bedeutet die im Textzusammenhang für den deutschen Leser un‐ motiviert genaue Zeitangabe des 17. Mai? Anfang Mai war es Sommer geworden, und Mitte Mai oder zwei Wochen später war es damit schon wieder aus: Das würde einleuchten. Aber um den 17. Mai herum? Ver‐ stehen kann das (und insbesondere auch die ironische Haltung, die in dieser Textstelle zum Ausdruck kommt) fast nur der norwegische Leser: 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 132 <?page no="133"?> Der 17. Mai ist der norwegische Nationalfeiertag, mit dem man Festum‐ züge (mit vielen Kindern) und schönes Wetter verbindet. Bei der Übersetzung von Textstellen wie in Beispiel I.7.-5 stellt sich dem Übersetzer die Frage, ob, inwieweit und auf welche Weise er implizit Mit-Verstandenes in der Übersetzung explizieren muss, d. h., welche Infor‐ mationen er im Text nachliefern muss, um den Text verständlich (und gleichzeitig noch lesbar) zu machen. Beispiel I.7.-6 In einer vom Royal Norwegian Ministry of Foreign Affairs herausgege‐ benen Broschüre (April 1986) beschreibt der Historiker Knut Mykland auf mehreren Seiten die historische und gegenwärtige Bedeutung des 17. Mai („The 17 th of May. A Historical Date and a Day of National Ce‐ lebrations“). U. a. wird ausgeführt: The United States has the 4 th of July as its National Day commemo‐ rating the American Declaration of Independence. The French cele‐ brate the 14 th of July in memory of the storming of the Bastille and the downfall of l’ancien régime. The 17 th of May is Norway’s National Day. In the history of Norway 17 May 1814 marks both the country’s declaration of independence and the triumph of constitutional go‐ vernment. In order to understand the dominant place occupied by the celebration of the 17 th of May in the national consciousness it is ne‐ cessary to view it against its historical background. […] The 17 th of May has remained the great spring festival in Norway, in a country with a winter that is both long and cold. For this reason the 17 th of May has more and more taken on the character of a festival celebrated by children. The children’s procession has become the colourful focal point in the celebrations, from the most remote coastal settlements to the capital city where literally thousands of schoolchildren, marching along behind their school bands and banners, file past the Royal Palace in salute to the King. - Another reason for the central position the 17 th of May celebrations have occupied and continue to occupy in Norway is to be found in the country’s relationship with other count‐ ries. From 1814 to 1905 Norway was joined in a union with Sweden, 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 133 <?page no="134"?> and although the country held an independent position in this union, nevertheless in the Norwegian consciousness the union always re‐ presented a potential danger able to arouse feelings of nationalism and lead to closing of the ranks around the national symbols, as in the 1820s and the period around 1905. […] Wenn der Übersetzer dem Leser die in Beispiel I.7.-5 angeführte Textstelle verständlich machen will, ist er gezwungen, in der Übersetzung bestimmte Informationen nachzuliefern: in einem Zusatz im Text, mit einem verdeut‐ lichenden oder erklärenden Attribut, in einer Fußnote oder in einer „Vor‐ bemerkung des Übersetzers“. Was heißt aber bei unserem konkreten Beispiel „bestimmte Informationen“? Es ist ja ausgeschlossen, dass der Übersetzer den ganzen historischen Hintergrund vermitteln kann; eine Fußnote reicht aber kaum aus, die für das Verständnis der Textstelle notwendige Informa‐ tion zu vermitteln. Übersetzt er aber (wie im Beispiel) wörtlich und ohne Kommentar, dann liefert er einen inkohärenten Text, der vom Leser im bes‐ ten Fall wenigstens teilweise „logisiert“ wird, indem er den 17. Mai als „of‐ fenbar irgendwie speziellen Tag“ interpretiert. Soll der Übersetzer in dieser Übersetzungsnot den Text umschreiben (etwa als „Zwei Wochen später war der Sommer vorbei und das graue Wetter wieder da“, oder: „Mitte des Monats war der Sommer vorbei“), vielleicht geleitet von der Überlegung, dass das Datum des 17. Mai im Gesamtzusammenhang des Kriminalromans von un‐ tergeordneter Bedeutung ist? Es handelt sich hier um eines der recht ei‐ gentlich unlösbaren Übersetzungs- und Vermittlungsprobleme - die der Übersetzer trotzdem lösen muss. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage der Leserüberschätzung bzw. der Leserunterschätzung oder gar -bevormundung (s. II.3.6). Im ers‐ ten Fall schätzt der Übersetzer das Verstehenspotential der ZS-Empfänger als zu gering ein, oder er verkennt, dass der Text als Ganzes mehr Informa‐ tionen liefert als die einzelnen Sätze. Implizite Voraussetzungen für das Ver‐ ständnis einzelner Sätze können nämlich im fortlaufenden Text expliziert werden, bzw. die Textlektüre baut beim ZS-Leser sukzessive die AS-Wis‐ sensvoraussetzungen auf (s. u., II.1.4, zu Pkt 6). Unterschätzung der ZS-Leser hat zur Folge, dass der Übersetzer redundante Information mit dem Effekt der „stilistischen Verflachung“ liefert (K. Henschelmann 1980: 32). Jedoch scheint im Allgemeinen die Gefahr der ZS-Empfänger-Überschätzung grö‐ 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 134 <?page no="135"?> ßer zu sein: Der Übersetzer verkennt, dass er keinen Leser vor sich hat, der wie er selbst im AS-Zusammenhang und im ZS-Kontext verankert ist. Die Folge ist, dass der ZS-Empfänger die Übersetzung nicht adäquat oder falsch versteht. 7.2.4 Zur Textfunktion Von einem Sachbuch erwartet der Leser, dass es ihn über ein Fachgebiet oder über bestimmte fachliche Probleme informiert (Informationsfunktion), von einer Bedienungsanleitung, dass sie ihm die notwendigen Instruktionen über die Bedienung der Maschine liefert (Instruktionsfunktion), von ei‐ nem politischen Text, dass er ihn zugleich informiert und zu überzeugen versucht (Appellfunktion), von einem lyrischen Gedicht, dass es ihm ein ästhetisches Erlebnis vermittelt (ästhetische Funktion), von einem Kri‐ minalroman, dass er ihn auf spannende Weise unterhält (Unterhaltungs‐ funktion). Bei vielen Texten bzw. ganzen Textgattungen kann zwischen primären und sekundären Textfunktionen unterschieden werden. Poetische Texte haben oft nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine informative und/ oder persuasive Funktion; Werbetexte nicht nur eine Appellfunktion („Kaufe dieses Produkt! “), sondern zugleich eine persuasive Funktion („Glaube mir, dieses Produkt ist das beste! “) und/ oder eine informative Funktion („Dieses Produkt besteht aus den Bestandteilen x, y und z.“). Den verschiedenen Textfunktionen können sprachlich-stilistische Merk‐ male bzw. unterschiedliche „Sprachen in der Sprache“ (H. Rossipal 1973) zugeordnet werden: die Sprache der Wissenschaft mit ihren spezifischen sprachlich-stilistischen Kennzeichen, die politische Sprache, die Werbespra‐ che, die poetische Sprache. Die Ausdrucksmöglichkeiten (das Ausdrucks‐ potential) einer Sprache werden in Texten mit unterschiedlicher Textfunk‐ tion in unterschiedlicher Auswahl und Frequenz eingesetzt: ▸ Unterschiedliche Auswahl: expressive (stark konnotierende) Aus‐ ▸ drücke werden in wissenschaftlich-technischen Texten in der Regel nicht verwendet; das Präteritum findet sich kaum in Gebrauchsanlei‐ tungen usw. ▸ Unterschiedliche Frequenz: Fachtermini können zwar auch in lite‐ ▸ rarischen Texten vorkommen (s. u., Beispiel II.4.-6), ihr Hauptanwen‐ dungsbereich ist jedoch der Fachtext; Aufforderungssätze finden sich 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 135 <?page no="136"?> 69 S. dazu B. Sowinski (1999: 32 ff.), H. Löffler (2010, Kap. 5.3. „Funktionale Varietäten: Funktiolekte/ Funktionalstile“). in Texten mit ganz unterschiedlicher Textfunktion, in Bedienungsan‐ leitungen treten sie jedoch signifikant häufiger auf (Nehmen Sie …, entfernen Sie …, anschließend stellen Sie …) usw. Der Übersetzer steht bezüglich Textfunktionen vor folgenden Problemen und Aufgaben: ▸ Er muss im AS-Text die primären und sekundären Textfunktionen er‐ ▸ mitteln und eine Hierarchie der Textfunktionen aufstellen. ▸ Er muss feststellen, ob die AS-Textfunktionshierarchie in der ZS er‐ ▸ halten bleiben soll und kann. In zweisprachigen Ausgaben von poe‐ tischen Texten wird der Übersetzer unter Umständen darauf verzich‐ ten, die ästhetischen Qualitäten des Originals (Reim, Alliterationen, rhythmische Struktur usw.) in der ZS wiederzugeben; bei einem po‐ litischen Text konzentriert er sich vielleicht auf den Informationsge‐ halt, nicht aber die persuasive Struktur, weil es dem ZS-Leser nur auf den Informationsgehalt ankommt. ▸ Er hat zu untersuchen, welche sprachlich-stilistischen Mittel (welche ▸ Gebrauchsnormen) in der ZS für Texte mit einer bestimmten Text‐ funktion zur Verfügung stehen. Können z. B. die Aufforderungssätze in der dt. Bedienungsanleitung gebrauchsnormgerecht als Aufforde‐ rungssätze der betreffenden ZS wiedergegeben werden? Entsprechen hypotaktische Satzstrukturen in der betreffenden ZS ebenso der Ge‐ brauchsnorm wie in deutschen wissenschaftlichen Texten? 7.2.5 Zur sprachlich-stilistischen Gestaltung Texte mit unterschiedlichen Textfunktionen machen unterschiedlichen Ge‐ brauch von den sprachlich-stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten einer Sprache; für verschiedene Textgattungen, für den Sprachgebrauch in unter‐ schiedlichen Kommunikationssituationen und für unterschiedliche Aus‐ drucksbedürfnisse gelten verschiedene Funktionalstile. 69 Funktionalstile sind Sprach- und Stilnormen für unterschiedliche Sprachverwendungen: im Bereich des Alltagsverkehrs (vorwiegend mündliche Kommunikation), der Literatur (Belletristik), des Geschäfts- und Amtsverkehrs, der Wissenschaft und Technik. Die verschiedenen Funktionalstile sind gekennzeichnet durch 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 136 <?page no="137"?> 70 Das folgende Beispiel illustriert den obligatorischen Charakter der Flexionsendungen von leben nur für die schriftsprachliche Norm des Deutschen; umgangssprachlich gibt es bei der 1. Ps.Sg. die Varianten ich lebe/ leb. Insofern hat die Variante, die der schrift‐ sprachlichen Norm entspricht, eben doch einen stilistischen Wert. unterschiedliche Auswahl, Kombination und Frequenz von Stilele‐ menten/ -mitteln. Als Stilelemente gelten dabei jene „sprachlichen Ele‐ mente eines Textes, die innerhalb der sprachlichen Darstellung eines Sach‐ verhaltes […] variiert werden können“, ohne dass sich am Denotatsbezug etwas ändert (W. Fleischer u. a. 1996: 71). Am ergiebigsten für stilistische Variation sind Wortschatz und Phraseologie, die ein unerschöpfliches Po‐ tential an synonymischen und quasi-synonymischen Ausdrucksmöglich‐ keiten bieten. Stilelemente werden vom Autor (bewusst oder unbewusst) ausgewählt und eingesetzt. Bei von der Grammatik geforderten Elementen dagegen bestehen keine Wahlmöglichkeiten. 70 Beispiel I.7.-7 Er starb verschied biss ins Gras ich du er leb leb leb e st t Stilistische Varianten (fakultativ) = Stilelemente von der Grammatik geforderte Elemente (obligatorisch) = keine Stilelemente Der Übersetzer hat die Aufgabe, den Sprach- und Stilelementen des AS-Tex‐ tes, die sich im Rahmen der Normen des betreffenden Funktionalstils bewe‐ gen, jene ZS-Elemente zuzuordnen, die den Sprach- und Stilnormen (Ge‐ brauchsnormen) des betreffenden Funktionalstils in der ZS entsprechen. Bezüglich der einzelnen Funktionalstile ist allerdings anzumerken, dass die Funktionalstilistik sie erst in sehr allgemeiner Weise charakterisiert. So nennt H. Löffler (2010: 108) als Merkmale der Sprache des öffentlichen Verkehrs: all‐ gemeine Wörter, mechanische Wortzusammensetzungen, formelhafte Wen‐ dungen, kürzere Sätze, Zustandspassive, Partizipialkonstruktionen und Funk‐ tionsverbgefüge (dieses Merkmal wird auch bei den Funktionalstilen Pressesprache und Wissenschafts-/ Fachsprache angeführt). Am eingehends‐ ten ist der Funktionalstil im wissenschaftlich-technischen Textbereich be‐ 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 137 <?page no="138"?> schrieben worden (s. H.-R. Fluck 1996, Kap. 4: „Sprachliche Charakteristika der Fachsprachen“, T. Roelcke 2010). Er ist u. a. gekennzeichnet durch Fol‐ gendes (s. dazu auch II.4): ▸ Dominanz der Fachlexik (Fachwörter, Termini, Zusammensetzungen, ▸ Ableitungsbildungen, Abkürzungen) ▸ Fehlen von affektiven und wertenden Wörtern und Wendungen ▸▸ Fehlen von dialogischen Partien (Anrede und Einbeziehung des Le‐ ▸ sers, direkte Redewiedergabe) ▸ häufiges Vorkommen von Funktionsverbgefügen ▸▸ Dominanz des Nominalstils ▸▸ Tendenz zu Sprach- und Ausdrucksökonomie ▸ 7.2.6 Zu Textverständnis und -interpretation Der Leser erwartet von einem Text, dem er sich aus einem bestimmten thema‐ tischen Interesse zuwendet, dass er ihn versteht, d. h. dass er ihm auf der Basis seiner Wissens- und Verstehensvoraussetzungen die relevante Information entnehmen kann. Von einem wissenschaftlichen Text erwartet der Fachmann, dass ihm das Verständnis nicht erschwert wird durch Mehrdeutigkeiten oder Unklarheiten. Der Interpretationsspielraum in auf Eindeutigkeit angelegten Texten sollte so klein wie möglich sein (deshalb die Verwendung eindeutig de‐ finierter Termini). Der Nachvollzug der wissenschaftlichen Interpretation von Fakten sollte zugleich möglichst zeitunabhängig sein: Die Beschreibung eines sozialen Problems sollte dem Leser auch fünfzig Jahre nach dem Schreibzeit‐ punkt (jedenfalls annähernd) denselben Informationsgehalt vermitteln, selbst wenn sich Methodik der Beschreibung und Interpretation derselben Fakten verändert haben - ja selbst wenn sich die betreffenden Erscheinungen inzwi‐ schen grundlegend verändert haben. Auch von literarischen Texten erwartet der Durchschnittsleser zunächst einmal, dass er sie (in einem trivialen Sinn) versteht. Allerdings wird man von einem heute geschriebenen literarischen Text kaum verlangen, dass das Verstehen in fünfzig Jahren genau dasselbe ist wie heute. Das Verstehen literarischer Texte ist in ganz anderer Weise historisch als das Verstehen wissenschaftlicher Texte. Denn sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie nicht interpretationseindeutig sind; und als Leser treten wir auch nicht mit Eindeutigkeitserwartungen an literarische Texte heran. Literari‐ sche Texte sind in einer ganz anderen Weise interpretationsbedürftig als 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 138 <?page no="139"?> 71 Für F. Vodička (1976: 124) ist die Übersetzung „nichts anderes als Konkretisation im Kon‐ text einer anderen Sprache und einer anderen literarischen Tradition“; vgl. dazu seine Analyse einer tschechischen Übersetzung von Chateaubriands „Atala“ (227 ff.). Sachtexte. Selbst wenn bei allen Texten mit einer „Diskrepanz zwischen im Text Gesagtem und Verstandenem“ zu rechnen ist (G. Antos 1982: 198), so gehört es zum Wesen des Sachtextes, dass diese Diskrepanz so klein wie möglich, im Idealfall gleich Null ist. Die Mehrdeutigkeiten und Unbestimmtheitsstellen literarischer Texte werden in verschiedenen historischen Situationen von Empfängern mit ver‐ schiedenen Verstehensvoraussetzungen unterschiedlich konkretisiert. Texte, für die sich eine bestimmte Konkretisation verbindlich etabliert hat, erweisen sich dabei unversehens als mehrdeutig, und diese Mehrdeutigkei‐ ten werden in neuen Konkretisationen aufgelöst. Die Rezeptionsgeschichte literarischer Werke und die unterschiedlichen Interpretationen dramati‐ scher Texte auf der Bühne weisen auf die geschichtliche Gebundenheit des Verstehens literarischer Texte. Die schwierige Frage ist, welche dieser In‐ terpretationen oder Konkretisationen der Intention des Originals gerecht oder annäherungsweise gerecht werden, und welche sie verletzen. Es geht mit anderen Worten um die Autonomie des zu verstehenden und zu inter‐ pretierenden literarischen Textes. Rezeptionsästhetik und rezeptionsge‐ schichtliche Untersuchungen machen einsichtig, dass es eine Sinn- und In‐ terpretationsautonomie unabhängig von der historisch bedingten Rezeption nicht gibt. Verstehen und Interpretation eines literarischen Textes ergeben sich in der Dialektik von immanenter Sinnintention des Textes und histori‐ schen Rezeptionsvoraussetzungen der Leser. Der Übersetzer als ein unter diesen historischen Rezeptionsbedingungen stehender Empfänger realisiert in der sprachlich-stilistischen Ausformung der Übersetzung eine historisch mögliche Konkretisation, 71 die freilich ihrer‐ seits Mehrdeutigkeiten und Unbestimmtheitsstellen aufweisen kann, die bei unterschiedlichen Rezeptionsbedingungen unterschiedlich konkretisiert oder interpretiert werden. Weil sich diese Konkretisationen diachronisch wie auch synchronisch (verschiedene Empfänger/ verschiedene Übersetzer desselben Textes im gleichen Zeitabschnitt) verändern und unterscheiden, sind auch verschiedene Übersetzungen möglich, die diese unterschiedlichen Konkretisa‐ tionen dem ZS-Empfänger vermitteln. Eine Aufgabe der Übersetzungskritik literarischer Texte ist es, diese Konkretisationen in ihren sprachlich-stilisti‐ schen Auswirkungen in der Übersetzung zu analysieren. 72 7.2 Differenzierung der Empfängererwartungen 139 <?page no="140"?> 72 Auf vorbildliche Weise tut dies A. Bruns (1977: 20), der den Stil einer Übersetzung aus dem „Zusammenspiel stilistischer Eigenschaften des Ausgangstextes mit literarischen und lite‐ ratursprachlichen Normen auf Seiten des Übersetzers“ zu beschreiben sucht. - Zur deutsch‐ sprachigen Rezeption einer Cervantes-Novelle, s.A.-R. Marín y Presno (2005), zur deutsch‐ sprachigen Rezeption von Luigi Pirandellos Bühnenwerk, s. I. Plack (2001). 7.3 Normabweichende Texte Wir haben uns bisher hauptsächlich auf Texte bezogen, in denen die Erwar‐ tungsnormen der Empfänger erfüllt werden. Zu diesen Texten gehört wahr‐ scheinlich der größte Teil der schriftlichen Produktion sowohl im nicht-li‐ terarischen wie im literarischen Bereich. Es gehören auch jene Texte dazu, bei denen die Erwartungsnorm gerade darin besteht, dass bestimmte Er‐ wartungsnormen verletzt werden, in denen also die Normverletzung zur Norm gehört. Man denke an Werbetexte, die Elemente enthalten, die (au‐ ßerhalb des Werbekontexts) durchaus als poetische Texte rezipiert werden könnten. Freilich gibt es auch innerhalb stark normierter Textsorten Ab‐ weichungen (etwa Kuchenrezepte in Versform), die aber als Ausnahmen die Normen nur bestätigen. In ganz anderem Ausmaß sind Normverletzungen (oder Normerweite‐ rung und -infragestellung) kennzeichnend für jene literarischen Texte, die innovativen Charakter haben, wozu allerdings nur ein kleiner Teil der bel‐ letristischen Produktion zu rechnen sein dürfte. Innovationen sind bezüg‐ lich aller oben angeführten Erwartungsparameter möglich: ▸ Thema (der literarische Text wendet sich „neuen Themen“ zu) ▸▸ Makroaufbau und -gliederung (neue Gliederungstechnik, Aufbauex‐ ▸ perimente, Durchbrechung des Sukzessionsprinzips) ▸ Mikroaufbau (Durchbrechung von Argumentationsstrukturen, z. B. ▸ im absurden Drama) ▸ Textfunktion (literarischer Text nicht mit ästhetischer, sondern pri‐ ▸ mär politischer Funktion) ▸ sprachlich-stilistische Gestaltung (Erschließung von neuen Aus‐ ▸ drucksmöglichkeiten) ▸ Textverständnis und -interpretation (literarische Texte werden auf ▸ neue Leserschichten, z. B. Leser mit nicht-literarischen Verstehens‐ voraussetzungen, ausgerichtet) Bei innovativen literarischen Texten sieht sich der Übersetzer mit der Frage konfrontiert, wie weit er Textcharakteristika des AS-Textes, die gegen die 7 Faktoren und Bedingungen der Übersetzungskommunikation - Empfängererwartungen 140 <?page no="141"?> 73 Noch schwieriger und umstrittener ist die Übersetzungsproblematik bei Texteigen‐ schaften, die in der AS keinen innovativen Charakter haben, bei ihrer Übersetzung jedoch gegen ZS-Normen verstoßen, weil die entsprechenden literatursprachlichen Normen und Möglichkeiten in der ZS (noch) nicht entwickelt sind. Die verfremdende Übersetzungsmethode bzw. das Prinzip der formalen Äquivalenz verlangen auch bei solchen AS-Texteigenschaften den weitestgehend möglichen Nachvollzug im ZS-Text. 74 Gerade bei deutschen philosophischen Texten zeigt sich, dass Übersetzungen ins Eng‐ lische den Text leichter zugänglich, „verständlicher“ machen, was allerdings zum Teil mit den Kommentaren des Übersetzers zusammenhängt (s. u., Beispiel II.3.-25). AS-Normen verstoßen, in der Übersetzung nachvollziehen kann und soll. 73 Hier wird das Übersetzen zum schöpferischen (oft sprachschöpferischen) Prozess, der an den Übersetzer große sprachlich-stilistische und interpreta‐ torische Anforderungen stellt. Allerdings lässt sich feststellen, dass Über‐ setzungen dazu tendieren, normgerechter (und damit auch „flacher“) zu sein als ihre Vorlagen (s. u., II.3.7.2). Sie bewegen sich im sprachlich-stilistischen Bereich häufig im Rahmen einer mittleren Stillage und begnügen sich (bes‐ tenfalls) mit der gelegentlichen (und oft zufälligen) Andeutung von Nor‐ mabweichungen. Nicht selten lässt sich auch beobachten, dass eine Über‐ setzung dem ZS-Leser einen Text besser erschließt als dies für den muttersprachlichen Originalleser der Fall ist: Die Übersetzung ist verständ‐ licher als das Original. 74 7.4 Zusammenfassung Kapitel 7 erörtert die Faktoren der Übersetzungskommunikation, ausgehend vom Leser und seinen Erwartungen. Der Erwartungshorizont des Lesers ei‐ ner Übersetzung unterscheidet sich mehr oder weniger stark vom Erwar‐ tungshorizont des Lesers des Originals. Als Sonderfälle werden normab‐ weichende (darunter auch innovative) Texte behandelt. 7.4 Zusammenfassung 141 <?page no="143"?> 75 Zur Übersetzung als Forschungsobjekt, s. A. Chesterman (2004), der bei der Charakte‐ risierung der Forschungsgebiete von einem Feld primärer Relationen ausgeht, in dem die Übersetzung zu situieren ist: Ausgangstext, Paralleltexte, Übersetzungsproduzent (d. h. der Übersetzer), Produktionsbedingungen, Leser/ Empfänger, Kultur, Medium, Maschine. 76 Eine weite Auffassung liegt auch der Konzeption des Handbuchs „Übersetzung - Trans‐ lation - Traduction“, hrsg. v. H. Kittel u. a. (2004: xvi), zugrunde. In der „Einleitung“ zu diesem Handbuch wird ausgeführt, dass es darum gehe, „Übersetzungsphänomene, verstanden als Formen inter- und innersprachlichen Transfers und interkultureller Kommunikation“, d. h. die Gegenstände einer umfassenden Übersetzungsforschung, „in deren sozialen, räumlichen, situativen, sprachlichen, literarischen und allgemein kul‐ turellen Vielfalt und Heterogenität unter diachronen, synchronen und systematischen Gesichtspunkten“ zu erfassen. 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 8.1 Übersetzungswissenschaftliche Hauptbereiche Die Übersetzungswissenschaft ist die Wissenschaft, die Übersetzen und Übersetzungen mit unterschiedlichen Erkenntnisinteressen und unter An‐ wendung der Methoden verschiedener Disziplinen unter den verschiedens‐ ten Aspekten zu beschreiben, zu analysieren und zu erklären versucht. 75 Es hängt von der Natur des zu untersuchenden Problems bzw. der Art der zu beschreibenden und zu erklärenden Übersetzungsdaten ab, ob linguisti‐ sche, literaturwissenschaftliche, textwissenschaftliche usw. Methoden (oder eine Kombination von Methoden) angewendet werden können. Es wird hier also eine weite Auffassung von Übersetzungswissenschaft vertreten. 76 Engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs scheinen uns nicht angemessen. Es ist zwar möglich, zwischen zentralen und weniger zentralen Aufgabenstellungen der Übersetzungswissenschaft zu unterscheiden. Eine solche Gewichtung der Aufgaben hängt aber von den wissenschaftlichen Interessen und vom wissenschaftlichen Ausgangspunkt ab: Während für den Linguisten die Beschreibung der Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei Sprachen im Vordergrund steht, ist der Literaturwissenschaftler eher an den stilistisch-ästhetischen und rezeptionsbezogenen Aspekten interessiert. Eine engere Definition der Aufgaben der Übersetzungswissenschaft ist auch <?page no="144"?> deshalb unangemessen, weil das Selbstverständnis der Übersetzungswis‐ senschaft(ler), wie es sich in der übersetzungswissenschaftlichen Fachlite‐ ratur spiegelt, ein vielfältiges Aufgabenspektrum und breitgefächerte Er‐ kenntnisinteressen erkennen lässt. Was Übersetzungswissenschaft ist bzw. sein soll, kann nicht normativ von einem bestimmten wissenschaftlichen Ausgangspunkt aus festgelegt werden, indem z. B. als zentrale Aufgaben die Beschreibung der Äquivalenzbeziehungen oder die Analyse der ästhetischen Transformationen in der literarischen Übersetzung oder die Herstellung von Übersetzerhilfsmitteln angegeben werden. Übersetzungswissenschaft ist wie jede Wissenschaft immer (auch) das, was sie geworden ist und als was sie sich im Laufe ihrer Geschichte etabliert hat. Definition und Aufgabenbestimmung der Übersetzungswissenschaft hän‐ gen davon ab, wie der Gegenstandsbereich bestimmt wird. Der äquivalen‐ zorientierten Bestimmung von Übersetzung, wie sie diesem Buch zugrunde liegt, stehen Bestimmungen gegenüber, die den Übersetzungsbegriff - in der deutschsprachigen Fachliteratur wird dann der Begriff der Translation ver‐ wendet - ausweiten auf unterschiedliche Formen der Bearbeitung und Um‐ arbeitung, ja auch der medialen und semiotischen Transformation (s. o., I.5, s. u., I.8.2 und II.2/ 3). Vom Ziel einer spezifisch übersetzungswissenschaftlichen Methode, die so umfassend und zugleich so einzelfallspezifisch ist, dass sie auf alle in den Gegenstandbereich Übersetzung/ Übersetzen gehörenden Erscheinungen anwendbar ist, ist die Übersetzungswissenschaft (noch) weit entfernt. Es ist auch zu bezweifeln, ob ein solches Ziel bei der Komplexität des Gegenstan‐ des Übersetzung überhaupt erreicht werden kann - es sei denn, diese Theo‐ rie wäre so allgemein und spekulativ, dass sie die Übersetzungsproblematik in ihrer Spezifik aus dem Auge verliert. Welches sind die fachlichen Schwerpunkte der Übersetzungswissen‐ schaft? Nach unserer Auffassung lassen sich neun Hauptbereiche der übersetzungswissenschaftlichen Forschung unterscheiden; diese sollen in der folgenden Übersicht stichwortartig charakterisiert werden. Aus der - ins Unüberschaubare gewachsenen - Fachliteratur werden jeweils einige wenige Titel angegeben, die die betreffende Fachrichtung beispielhaft ver‐ treten sollen. A. Übersetzungstheorie Die Übersetzungstheorie hat die Aufgabe, den Übersetzungsprozess und die Bedingungen und Faktoren dieses Prozesses durchschaubar zu machen. Sie 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 144 <?page no="145"?> abstrahiert von je einzelnen und einzeln vom Übersetzer zu lösenden Überset‐ zungsschwierigkeiten und systematisiert die grundsätzlichen Probleme. Sie reflektiert das in der Praxis oft Selbstverständliche und ggf. Automatisierte. Die Übersetzungstheorie beschäftigt sich mit der Klärung folgender Grundfra‐ gen: Wie lässt sich der Übersetzungsvorgang darstellen? Was macht Überset‐ zen möglich? Welche Faktoren sprachlicher und außersprachlicher Art be‐ stimmen das Übersetzen? Welche Regelmäßigkeiten liegen dem Übersetzen zugrunde? Wo liegen die Grenzen des Übersetzens? Welche Methoden und Verfahren kommen bei der Lösung unterschiedlicher Übersetzungsschwierig‐ keiten zur Anwendung? Welche Forderungen sind an Übersetzungen verschie‐ dener Textgattungen zu stellen, die unter unterschiedlichen ZS-Bedingungen von verschiedenen Lesern/ Lesergruppen rezipiert werden? Was ist das Wesen und welches sind die Bedingungen von Äquivalenz? Es sind dies Fragen, die in der Geschichte der Übersetzungstheorie immer wieder gestellt wurden und die unterschiedlich beantwortet werden. Exemplarische Literaturhinweise: Nützliche Übersichten über die ver‐ schiedenen übersetzungstheoretischen Ansätze und „Schulen“ geben R. Stolze (2008), J. Munday (2008), H. Siever (2015). B. Linguistisch-sprachenpaarbezogene Übersetzungswissenschaft Übersetzen ist ein textreproduzierender Prozess, bei dem AS-Ausdrücken (Lexemen, Syntagmen, Sätzen) ZS-Ausdrücke zugeordnet werden. Die lin‐ guistische Übersetzungswissenschaft beschreibt die potentiellen Zuord‐ nungsvarianten (Äquivalente) und gibt die Faktoren und Kriterien an, die die Wahl von aktuellen Entsprechungen bestimmen. Folgende Teilaufgaben lassen sich unterscheiden: ▸ Erarbeitung der theoretischen Grundlagen der Beschreibung von ▸ Äquivalenzbeziehungen, allgemein wie auch bezogen auf bestimmte sprachliche Einheiten ▸ Von Übersetzungen ausgehender Sprachvergleich mit dem Ziel der ▸ Herausarbeitung von potentiellen Übersetzungsäquivalenten ▸ Sprachenpaarbezogene Beschreibung von speziellen Übersetzungs‐ ▸ schwierigkeiten (z. B. Metaphern, kulturspezifische Elemente, Varie‐ täten, Sprachspiel usw.) ▸ Beschreibung von Übersetzungsverfahren für Typen von Überset‐ ▸ zungsfällen 8.1 Übersetzungswissenschaftliche Hauptbereiche 145 <?page no="146"?> Exemplarische Literaturhinweise: In H. Kittel u. a., Hrsg. (2004) werden in Kapitel VI (Sprachlich-stilistische Problemfelder der sprachwissenschaftlichen Übersetzungsforschung) in einer Reihe von Beiträgen ausgewählte Fälle von Übersetzungsschwierigkeiten behandelt, bezogen auf die verschiedenen lin‐ guistischen Ebenen und Problembereiche: lexikalische, morphosyntakti‐ sche, stilistische Probleme, Sprach-/ Textnormen, kulturspezifische Ele‐ mente, dialektale und soziolektale Elemente, Gesprochensprachlichkeit, Metaphern, Namen, Fachsprache, Phraseologismen usw. S. auch M. Schrei‐ ber (2004a), G. Thiel/ G. Thome (1996), S. Feihl (2009), J. Taborek (2014). - Zu den Übersetzungsverfahren, s. K. Henschelmann (2004), zu einer Typologie der Übersetzungsschwierigkeiten, s. G. Thome (2004). C. Textbezogene Übersetzungswissenschaft Die ZS-Ausdrücke, die beim Übersetzen AS-Ausdrücken unterschiedlichen Umfangs (Lexemen, Syntagmen, Sätzen) zugeordnet werden, bilden Texte, die sich im Rahmen der für die betreffende Textgattung geltenden sprach‐ lich-stilistischen Normen bewegen, in bestimmten Kommunikationssituati‐ onen fungieren und für die bestimmte Rezeptionsbedingungen in der AS-Sprach-/ Kommunikationsgemeinschaft und der ZS-Sprach-/ Kommuni‐ kationsgemeinschaft gelten. Die textbezogene Übersetzungswissenschaft hat folgende Teilaufgaben: ▸ Erarbeitung der theoretischen Grundlagen und der Methodologie der ▸ Beschreibung text- und textgattungsbezogener Äquivalenzbeziehun‐ gen ▸ Erarbeitung der Methodik einer übersetzungsrelevanten Textanalyse ▸ und Texttypologie, sowie Analyse und Beschreibung textgattungs‐ spezifischer Übersetzungsprobleme und -verfahren ▸ Analyse und Vergleich von Originaltexten und ihren Übersetzungen ▸ mit dem Ziel der Herausarbeitung, Systematisierung und Korrelie‐ rung von AS-Sprach-, Stil- und Textmerkmalen und ihren ZS-Ent‐ sprechungen und Entsprechungsnormen, und zwar auf der Ebene sprachlich-stilistischer Mikrostrukturen wie auf der Ebene textueller Makrostrukturen ▸ Beschreibung und Kontrastierung von Sprach-, Stil- und Textnormen ▸ in verschiedenen Sprachen, ausgehend von Übersetzungen und Ori‐ ginaltexten sowie von Paralleltexten 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 146 <?page no="147"?> ▸ Übersetzungsrelevante Analyse und Beschreibung der Rezeptionsbe‐ ▸ dingungen von Texten/ Textgattungen in verschiedenen Sprachen bzw. Rezeptionsgemeinschaften ▸ Analyse einzelner Übersetzungen mit dem Ziel der Herausarbeitung ▸ und des Vergleichs sprachlich-stilistischer und ästhetischer Merkmale ▸ Erarbeitung von Übersetzungstheorien einzelner Textgattungen ▸ Exemplarische Literaturhinweise: Siehe die Beiträge in H. Kittel u. a., Hrsg. (2004, Kap. VII „Textgattungen in der sprachwissenschaftlichen Überset‐ zungsforschung“), C. Nord (2009), M. Snell-Hornby u. a., Hrsg. (1999, Ab‐ schnitt D „Spezifische Aspekte des Übersetzens“). D. Übersetzungsprozessual orientierte Übersetzungswissenschaft Es wird untersucht, welche mentalen Prozesse beim Übersetzen ablaufen, insbesondere welche Strategien der professionelle Übersetzer verwendet, wenn er Verstehens-, Analyse-, Transfer- und ZS-Formulierungsprobleme löst. Exemplarische Literaturhinweise: H. P. Krings (1986), W. Wilss (1988), W. Lörscher (1991, 2004a), M. Snell-Hornby (2006: 123 ff.), M. Snell-Hornby u. a., Hrsg. (1999, Abschnitt C2 „Modellierungen des Übersetzungsprozesses“), G. Hansen (2006), S. Göpferich (2008). E. Wissenschaftliche Übersetzungskritik Aus den Bereichen A-C lassen sich Methodik und Kriterien einer wissen‐ schaftlichen Übersetzungskritik ableiten. Diese setzt voraus, dass der Begriff der Äquivalenz geklärt wird; zentrales Problem ist die Objektivierbarkeit der Bewertungskriterien für die Beurteilung von Übersetzungen. Exemplarische Literaturhinweise: J. House (1997, 2002, 2004a), K. Kaindl (1999), S. Göpferich (2004), K. Reiß (1971), V. Atayan (2010), S. Reinart (2014). F. Angewandte Übersetzungswissenschaft Die angewandte Übersetzungswissenschaft steht im unmittelbaren Dienste der Übersetzungspraxis; sie hat die Aufgabe, Hilfsmittel für den Übersetzer zu erarbeiten oder zu verbessern (Wörterbücher, vergleichende Idiomatik, Fachwörterbücher, Handbücher verschiedenster Art; Terminologie-Daten‐ banken). Exemplarische Literaturhinweise: Zu den Hilfsmitteln bei der Überset‐ zungsarbeit, s. die diesbezüglichen Beiträge in H. Kittel u. a., Hrsg. (2011, 8.1 Übersetzungswissenschaftliche Hauptbereiche 147 <?page no="148"?> Kap. XXX), und in J. Best/ S. Kalina, Hrsg. (2002). - Zur maschinenunter‐ stützten Übersetzung, s. P. A. Schmitt (1999a), K.-D. Schmitz/ K.-H. Freigang (2002). G. Theoriegeschichtliche Komponente der Übersetzungswissenschaft Mit bestimmten Grundfragen des Übersetzens haben sich Übersetzer, Sprach- und Literaturwissenschaftler, Philosophen usw. seit Jahrhunderten beschäftigt; die Antworten auf diese Grundfragen sind verschieden je nach den ästhetischen, poetologischen, sprachtheoretischen usw. Anschauungen, die in einer bestimmten Epoche gelten. Aufgabe der Theoriegeschichte ist die Aufarbeitung und systematische Darstellung dieser Auseinandersetzung mit Konzepten, Prinzipien und Methoden des Übersetzens. Exemplarische Literaturhinweise: E. Wheatley (2007), T. Hermans (2007), F. Münzberg (2003). H. Übersetzungs- und rezeptionsgeschichtliche Komponente der Übersetzungswissenschaft - Übersetzungssoziologie Folgende Teilbereiche lassen sich unterscheiden: ▸ Geschichte des Übersetzens von den Anfängen bis zur Gegenwart; ▸ Bedeutung des Übersetzens in einzelnen Epochen. ▸ Geschichte und Wirkungsgeschichte (Rezeptionsgeschichte) einzel‐ ▸ ner Werke und ganzer Textgattungen sowie Wirkungsgeschichte ein‐ zelner Autoren in verschiedenen Epochen. ▸ Analyse, Würdigung und vergleichende Beurteilung einzelner Über‐ ▸ setzerleistungen. ▸ Soziokulturelle, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen ▸ der Übersetzungsproduktion und -verbreitung, in raum-zeitlicher Perspektive. (Was wird wann, wo, warum, in welchem Umfang und mit welchem Respons übersetzt? ) Exemplarische Literaturhinweise: S. dazu zahlreiche Beiträge in H. Kittel u. a., Hrsg. (2007, 2011), M. Wolf/ A. Fukari, Hrsg. (2007). I. Didaktik des Übersetzens Die Übersetzungsunterrichtsforschung hat, aufbauend auf den Ergebnissen der Bereiche A-F und in enger Zusammenarbeit mit der Sprachlehr- und -lernforschung, der Psycholinguistik und der angewandten Sprachwissen‐ schaft, didaktische Konzeptionen (und deren konkrete sprachenpaarbezo‐ 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 148 <?page no="149"?> gene Umsetzungen) für den Aufbau und Ausbau der Übersetzungskompe‐ tenz in den Übersetzerstudiengängen zu entwickeln. Exemplarische Literaturhinweise: P. Kußmaul (2015), H. Kittel u. a., Hrsg. (2011, Kap. XXX „Übersetzer und Dolmetscher II: Die Lehrbarkeit und Lern‐ barkeit des Übersetzens - Ausbildungsangebote, Ausbildungsgänge, Ar‐ beitsgänge“), M. Snell-Hornby u. a., Hrsg. (1999, Abschnitt F „Didaktische Aspekte“), J. Best/ S. Kalina, Hrsg. (2002, Abschnitt „Aspekte der Ausbil‐ dung“), F. Kelletat, Hrsg. (1996), zahlreiche Beiträge in E. Fleischmann u. a., Hrsg. (2004), H. Siever (2010), S. Hansen-Schirra/ D. Kiraly, Hrsg. (2013). 8.2 Weitere und engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Übersetzungswissenschaft Die neun Hauptkomplexe mit der Angabe einer Vielzahl von Aufgaben, die die Übersetzungswissenschaft zu bearbeiten hat, machen ihren interdisziplinä‐ ren Charakter deutlich. L. Barchudarows (1979: 49) Auffassung ist zuzustim‐ men, „dass die erfolgreiche Entwicklung übersetzungstheoretischer Untersu‐ chungen nur im engsten Zusammenwirken verschiedener Wissenschaften möglich ist, die sich mit den unterschiedlichen Aspekten des vielseitigen Phä‐ nomens Übersetzung befassen“. Zwar ist die Übersetzungswissenschaft durch ihren Gegenstand - Übersetzen als Prozess und Übersetzungen als Produkte - Wissenschaft sui generis, inhaltlich und methodisch überschneidet sie sich aber mit anderen Wissenschaften und Wissenschaftszweigen: mit der Sprachwis‐ senschaft (einzelsprachliche Sprachwissenschaften, kontrastive/ komparative und angewandte Sprachwissenschaft, Sprachdidaktik, Fehlerlinguistik, Psy‐ cholinguisik), mit Sprachtheorie und -philosophie, Text- und Literaturwissen‐ schaft (einzelsprachliche und vergleichende Literaturwissenschaft, Literatur‐ geschichte, Literaturtheorie/ Ästhetik), Kommunikationswissenschaft, Stilistik (einzelsprachliche und vergleichende Stilistik) und Rezeptionstheorie. Über‐ setzungswissenschaft muss verstanden werden als Zusammenfassung und Oberbegriff für alle Forschungsbemühungen, die von den Phänomenen Über‐ setzen und Übersetzung ausgehen oder auf diese Phänomene zielen. Sie lässt sich nicht unter einem bestimmten Wissenschaftszweig einordnen, sondern hat Anteil an den verschiedensten Wissenschaften. Ihre Forschungsmethoden und Zielsetzungen sind davon abhängig, welche speziellen Aspekte von Über‐ setzen und Übersetzung untersucht werden sollen. 8.2 Weitere und engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Übersetzungswissenschaft 149 <?page no="150"?> 77 Bei dem spekulativen Charakter der funktionalistischen Übersetzungswissenschaft verwundert es nicht, dass Fragen nach der Methode für die Analyse der heterogenen Masse ihrer Gegenstände (der Translate), nach der internen Gliederung der Wissen‐ schaft, nach dem Verhältnis zu anderen Disziplinen ausgeklammert werden. Unbe‐ stimmt bleibt der Begriff der Übersetzungswissenschaft auch in der „Neuorientierung“ von M. Snell-Hornby, Hrsg. (1986). So weit diese Aufgabenbestimmung sein mag, bleibt sie trotzdem gebun‐ den an eine bestimmte Auffassung des Gegenstandes Übersetzung, wie sie in I.5 und II.2 diskutiert wird. Versteht man dagegen unter Übersetzen und Übersetzung Translationsprozesse und -resultate im Sinne der funktiona‐ listischen Translationstheorie (s. u., II.2.9.), oder bezieht man alle Möglich‐ keiten intersemiotischen Transfers mit ein (s. o., I.5.3), dann erweitern sich mit dem Gegenstandsbereich auch die Aufgabenstellungen, methodischen Zugriffe und Anwendungsbereiche - und zwar ins Unüberschaubare. Ein so heterogener Gegenstandsbereich entzieht sich letztlich einem wissenschaft‐ lichen, systematisierend-analytischen Zugriff. 77 Auf der anderen Seite fehlt es auch nicht an engeren, insbesondere lin‐ guistisch orientierten Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Überset‐ zungswissenschaft und an Bemühungen, diese in etablierte Disziplinen ein‐ zuordnen. W. Wilss (1977), der auf die „erheblichen methodischen Risiken“ (60) hinweist, die mit einer zur Interdisziplinarität tendierenden Entwick‐ lung der Übersetzungswissenschaft verbunden seien, unterscheidet drei Ba‐ sisformen der Übersetzungswissenschaft (94 f.), die teilweise mit obigen Hauptbereichen A-I übereinstimmen: 1. die allgemeine, sprachenpaarunabhängige Übersetzungswissen‐ 1. schaft, die sich mit dem deckt, was hier Übersetzungstheorie genannt wird (Bereich A) 2. die sprachenpaargebundene, deskriptive Übersetzungswissenschaft, 2. die sich mit der linguistisch-sprachenpaarbezogenen und der textbe‐ zogenen Übersetzungswissenschaft deckt (Bereiche B und C) 3. die sprachenpaargebundene, angewandte Übersetzungswissenschaft, 3. die bei uns als eigenständiger Bereich I (Didaktik des Übersetzens) erscheint. Angewandte Übersetzungswissenschaft fassen wir in ei‐ nem engeren Sinne auf als Wissenschaft, die Hilfsmittel für den Über‐ setzer erarbeitet (Bereich F) Die Unterscheidung von allgemeiner und sprachenpaarbezogener Übersetzungswissenschaft findet sich auch bei O. Kade (1968), der von 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 150 <?page no="151"?> 78 Zur Leipziger Schule, s. G. Wotjak (2002) und verschiedene Beiträge in G. Wotjak, Hrsg. (2007). allgemeiner und spezieller Übersetzungswissenschaft spricht (s. dazu I.9.2): Die allgemeine Übersetzungswissenschaft untersucht die prinzipiellen Gesetz‐ mäßigkeiten der Translation. Sie arbeitet primär hypothetisch-deduktiv, wobei es zweckmäßig erscheint, zur Aufklärung der mit der Translation verbundenen Vorgänge Translationsmodelle zu verwenden, die das Wirken bestimmter Fak‐ toren in der Translation widerspiegeln. Das ermöglicht, das Wesen der in der Translation wirkenden Faktoren zu erkennen, ihre Rolle in der Translation zu bestimmen und so eine Theorie des Übersetzens zu schaffen. (94) Die allgemeine Übersetzungswissenschaft deckt sich also mit dem Bereich A (Übersetzungstheorie), die spezielle Übersetzungswissenschaft stimmt in ihrer Aufgabenstellung mit dem Bereich B überein: Die spezielle Übersetzungswissenschaft untersucht, gestützt auf eine Theorie im dargelegten Sinne, die spezifischen Probleme der Translation aus einer gegebenen Sprache L 1 in eine gegebene Sprache L 2 . […] Hauptaufgabe der speziellen Über‐ setzungswissenschaft ist daher die Aufdeckung und Beschreibung des objektiv vorhandenen Systems der potentiellen Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei Sprachen, das überhaupt die Translation ermöglicht und das jedem konkreten Translationsakt zugrunde liegt. (95) Übersetzungswissenschaft wird von der Leipziger übersetzungswissen‐ schaftlichen Schule 78 (O. Kade, G. Jäger, A. Neubert) in ihrem zentralen Teil als Zweig der Sprachwissenschaft betrachtet, wobei sie den Gegenstands‐ bereich auf wissenschaftlich-technische Texte einschränkt. Auch R.W. Jum‐ pelt (1961: 27) vertritt die Auffassung, dass die Übersetzung als Forschungs‐ aufgabe Gegenstand der Sprachwissenschaft ist. I. Pinchuck (1977: 17), die sich mit wissenschaftlich-technischer Übersetzung beschäftigt, räumt zwar ein, dass auch andere Wissenschaften wie Psychologie, Informationswis‐ senschaft, Mathematik und Anthropologie daran beteiligt sind, „to unravel the mysteries of translation“. Aber: „All these disciplines have something to contribute, but linguistics undoubtedly has most to give, and translation as a discipline should be regarded as a branch of applied linguistics.“ (17). Nach I. Pinchuck sind extralinguistische Faktoren wie Geschichte, Kultur und Ideologie bedeutungsvoll auch für „technical subjects“, aber es sei in erster 8.2 Weitere und engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Übersetzungswissenschaft 151 <?page no="152"?> Linie die Linguistik, die die Mittel und Verfahren zum Verständnis und zur Analyse von Übersetzungsprozess und -problemen liefere. G. Jäger (1975: 192 ff.) versucht, die Translationswissenschaft in den Kreis der Disziplinen der vergleichenden Sprachwissenschaft zu stellen. Zu deren Disziplinen gehören ▸ die historisch-vergleichende Sprachwissenschaft, der es um die ▸ Aufdeckung historisch-genetischer Übereinstimmungen und Ähn‐ lichkeiten zwischen (verwandten) Sprachen geht ▸ die Areallinguistik, die Übereinstimmungen, Ähnlichkeiten und Be‐ ▸ einflussungen zwischen geographisch benachbarten Sprachen oder zwischen Sprachen, deren Sprecher einer Kommunikationsgemein‐ schaft angehören, beschreibt ▸ die Sprachtypologie, die universelle Eigenschaften von Sprachen ▸ (Universalien) aufdecken und die den natürlichen Sprachen zugrunde liegenden Strukturmerkmale beschreiben und ggf. vergleichen soll ▸ die konstrastive Linguistik, deren Ziel in der Aufdeckung der regel‐ ▸ haften und „richtigen“ Korrelationen zwischen zwei Sprachsystemen be‐ steht, insbesondere im Blick auf die Erfordernisse des Fremdsprachenun‐ terrichts (das Hauptgewicht liegt dabei auf den Kontrasten, nicht auf den Konvergenzen) ▸ die Translationslinguistik, die die Äquivalenzbeziehungen zwi‐ ▸ schen zwei Sprachen zu beschreiben hat, wobei sie sich auf Texte be‐ schränkt, für die die AS → ZS-Zuordnungen gesetzmäßig erfolgen Gegen die eingeschränkt linguistische Ausrichtung der Übersetzungs‐ wissenschaft hat man sich vor allem von literarischer und literaturwis‐ senschaftlicher Seite gewehrt, und zwar mit dem Argument, dass die Übersetzung eines literarischen Textes kein (ausschließlich) sprachli‐ cher, sondern ein literarisch-poetischer Vorgang ist. H. Friedrich (1965: 5 f.) schränkt den Geltungsbereich der linguistischen Übersetzungstheorie auf den Bereich dessen ein, was F. Schleiermacher „Dolmetschen“ nennt (s. o., I.2.4): Ich spreche im folgenden nicht von demjenigen Übersetzen, das wir seit Schlei‐ ermacher gewohnt sind, das Dolmetschen zu nennen. Dieses gehört in den prak‐ 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 152 <?page no="153"?> 79 Vgl. auch S. Bassnett-McGuire (1980: 7 f.), die das Feld der Translation Studies (s. u., II.2.7) in vier Bereiche aufteilt: 1. History of Translation, 2. Translation in the TL [Target Language] culture, 3. Translation and Linguistics, 4. Translation and Poetics. Die Un‐ tersuchung der Übersetzung nicht-literarischer Texte wird dabei dem Bereich 3, d. h. der Übersetzungslinguistik zugewiesen, für literarische Texte sind die Bereiche 1, 2 und 4 zuständig. tischen Bereich der Sprachfertigkeit und muss in seinen Problemen mittels der Sprachwissenschaft begründet werden. […] Hier soll von der Übersetzungskunst die Rede sein. Damit ist ein Vorgang gemeint, welcher der Literatur angehört. Literatur beginnt dort, wo die Sprache Kräfte aus sich entbindet, die sie zu bloßen Sachmitteilungen nicht benötigen würde, und die auch dann, wenn sie Zwecken dienen, die Zwecke überhöhen durch die Freiheit der Kunst, durch jene sich in sich selber bindende Freiheit, die sie den Zwecken, denen sie dient, gleichzeitig entrückt. Nach R. Kloepfer (1967: 10) kann die linguistische Auffassung des Überset‐ zens „dem literarischen Sprachgebrauch nicht gerecht werden“ (s. u., II.4.2.1); für die Literaturwissenschaft gelte, „dass heterogene Bereiche wie die Sprache der Wissenschaft und die Sprache der Dichtung nicht gleichge‐ setzt werden dürfen“ (10). Hier ist freilich anzumerken, dass sich O. Kade und G. Jäger, aber auch R.W. Jumpelt und I. Pinchuck, ausdrücklich auf (na‐ tur-)wissenschaftlich-technische Texte beschränken und die literarische Übersetzung aus dem Bereich der sprachwissenschaftlich orientierten Über‐ setzungswissenschaft ausschließen. 79 Auch ist zu bedenken, dass zahlreiche fiktive Texte der poetisch-ästhetischen Qualitäten entbehren, die Wesens‐ merkmale jener Poesie sind, mit denen sich die literarische Übersetzungs‐ theorie befasst; man denke an den großen Bereich der Trivialliteratur. Viele der potentiellen Äquivalenzbeziehungen, die für die Sprache wissenschaft‐ lich-technischer Texte gelten, dürften durchaus auch für die literarische Übersetzung relevant sein. Die Übersetzungswissenschaft wird bisweilen als Zweig der angewand‐ ten Sprachwissenschaft bezeichnet (vgl. den Untertitel „An Essay in Ap‐ plied Linguistics“ zu J. C. Catford 1965). Zwar könnte man die Beschreibung von Äquivalenzbeziehungen zwischen Texten und Sprachen insofern als angewandte Sprachwissenschaft betrachten, als Methoden und Erkennt‐ nisse der Sprachwissenschaft bei der Beschreibung angewendet werden. Bei dieser Auffassung von angewandt gehört aber jede Beschreibung von kon‐ kreten Sprachvorkommen in den Bereich der angewandten Sprachwissen‐ 8.2 Weitere und engere Bestimmungen des Aufgabenbereichs der Übersetzungswissenschaft 153 <?page no="154"?> schaft, die sich damit von den einzelsprachlichen Sprachwissenschaften und der kontrastiven Linguistik nicht mehr unterscheiden würde. Übersetzungs‐ wissenschaft als in diesem Sinne angewandte Sprachwissenschaft würde zugleich die Bereiche A (Übersetzungstheorie), E (Übersetzungskritik), G (theoriegeschichtliche Komponente der Übersetzungswissenschaft) und H (übersetzungs- und rezeptionsgeschichtliche Komponente der Überset‐ zungswissenschaft) aus der Übersetzungswissenschaft ausschließen. Dies wäre eine unhaltbare Einschränkung ihres Aufgabenbereichs. Mit der Auffassung schließlich, angewandt sei als anwendbar zu interpretie‐ ren, d. h. die Beschreibung der Äquivalenzbeziehungen müsse in der Überset‐ zungspraxis unmittelbar anwendbar sein, wird zunächst zu viel gefordert: Die sprachenpaarbezogene und die textbezogene Übersetzungswissenschaft be‐ schreiben die Äquivalenzbeziehungen zwischen Sprachen und Texten in ei‐ nem ersten Schritt unabhängig davon, ob der Übersetzungspraktiker mit die‐ sen Beschreibungen etwas anfangen kann oder nicht. Hingegen können die Ergebnisse dieser „praxisunabhängigen“ Äquivalenzbeschreibungen in einem zweiten Schritt von der angewandten Übersetzungswissenschaft in Form von Übersetzungswörterbüchern, mehrsprachigen Terminologien usw. für die Pra‐ xis aufgearbeitet werden. 8.3 Zusammenfassung In Kapitel 8 werden die verschiedenen übersetzungswissenschaftlichen Hauptbereiche vorgestellt und deren Aufgaben charakterisiert. Außerdem wird der Frage nachgegangen, wie eng bzw. wie breit die Aufgabenbereiche der Übersetzungswissenschaft bestimmt werden können. 8 Aufgaben und Gliederung der Übersetzungswissenschaft 154 <?page no="155"?> 80 Aus H. Bölls „Billard um halbzehn“, zitiert nach J. L. Malone (1988: 84). 9 Linguistik und Übersetzung 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit Die linguistischen Probleme der Übersetzung sind im Zusammenhang mit der Erforschung der Möglichkeiten und Grenzen der maschinellen Überset‐ zung in aller Schärfe erkannt und auch beschrieben worden (s. o., I.4.4). Für die maschinelle Übersetzung stellt sich das Übersetzungsproblem folgen‐ dermaßen dar: Sätze/ Texte der Sprache L 1 sind maschinell so zu verarbeiten, dass in der Sprache L 2 bedeutungsgleiche Sätze/ Texte erzeugt werden. Mit Nachdruck sei darauf hingewiesen, dass eine solche Bestimmung von Über‐ setzung deren Problematik keineswegs in ihrer ganzen Komplexität zu er‐ fassen vermag, d. h. in ihrer Bedingtheit von einer Vielzahl von Faktoren; sie formuliert aber einen für jede Übersetzungstheorie fundamentalen As‐ pekt. Sie lässt sich nicht einmal generell als linguistische Übersetzungsde‐ finition bezeichnen - oder wenn schon, dann nur in einem engen Sinn, in‐ dem sie sich auf den semantischen Aspekt beschränkt (s. u., II.2.1). Eine linguistische Definition der Übersetzung, die sozio-, text-, pragmalinguisti‐ sche und kommunikative Aspekte mit berücksichtigt, muss wesentlich wei‐ ter sein. Zwischen den deutschen und den englischen (Teil-)Sätzen in Beispiel I.9.-1 besteht keine Bedeutungsgleichheit: Engl. knob entspricht nicht dt. Klinke und to call someone by his/ her first name ist etwas anderes als du‐ zen. 80 Trotzdem liegt eine Übersetzungsbeziehung vor: Beispiel I.9.-1 a. dt. hängten den Zettel ‚Bitte nicht stören‘ draußen an die Klinke → a. engl. hung a ‚Please do not disturb‘ card on the outer knob b. dt. Er hatte sie also doch geduzt. → engl. He had called her by her b. first name. <?page no="156"?> 81 So die Bedeutung 1a bei duden.de. Doch schon dieses Beispiel vereinfacht auf unzuläs‐ sige Weise: Diese Bedeutungsangabe trifft nicht zu auf die Verwendungsweisen von Vater in der Vater der Bedrängten, die Stadtväter, Vater Staat, der liebe Vater im Himmel, der Heilige Vater. Hinzu kommt, dass die linguistischen Probleme der maschinellen Überset‐ zung keineswegs dieselben zu sein brauchen, die sich für den Übersetzer stellen: Welcher Übersetzer hätte schon Schwierigkeiten, für drop in Beispiel I.4.-1 die richtige deutsche Entsprechung zu finden? Ja, oft sieht es geradezu so aus, als ob die Probleme, die der Übersetzer mit einem Text hat, genau an dem Punkt anfangen, wo eine maschinelle Lösungsmöglichkeit ausgeschlos‐ sen erscheint. Als Ausgangspunkt einer Einführung in linguistische Grund‐ probleme und -begriffe ist jedoch die Bestimmung von Übersetzung als Her‐ stellung von Bedeutungsgleichheit hilfreich. Automatische Sprachanalyse und Übersetzung heißt, dass in einem ersten Schritt AS-Einheiten formal identifiziert werden. Diesen Formen - etwa der Buchstabenfolge V-a-t-e-r - muss eindeutig eine Bedeutung zugeordnet werden können, in diesem Fall z. B. ‚Mann, der ein oder mehrere Kinder gezeugt hat‘. 81 Dieser Bedeutung muss in der ZS eine Form zugeordnet wer‐ den, die die gleiche Bedeutung hat: im Französischen die Buchstabenfolge p-è-r-e und im Englischen f-a-t-h-e-r. Die Probleme der maschinellen Sprach‐ analyse und damit auch der automatischen Übersetzung wären minimal, wenn einer Form in der AS immer und an jeder Stelle ihres Vorkommens eine und nur eine Form in der ZS mit der gleichen lexikalischen und gram‐ matischen Bedeutung entsprechen würde: In diesem Fall wäre eine Wort‐ form-für-Wortform-Übersetzung möglich (ggf. mit einigen durch Wortstel‐ lungsregeln bedingten Umstellungen in der Wortfolge). Unter lexikalischer Bedeutung wird der Bezug des sprachlichen Zei‐ chens auf einen außersprachlichen Sachverhalt oder einen Begriff (Bewusst‐ seinsinhalt) verstanden. Grammatische Bedeutungen (oder strukturelle Bedeutungen) sind Wortklassenbedeutungen wie Substantiv, Adverb, Verb, Bedeutungen der grammatischen Kategorien (Numerus, Person, Modus, Ge‐ nus Verbi, Aspekt), und schließlich Bedeutungen, die sich aus den Unter-, Über- und Nebenordnungsverhältnissen im Satz ergeben. Die sprachliche Bedeutung eines Satzes oder Syntagmas ergibt sich aus der Summe der lexikalischen und grammatischen Bedeutungen. Weder innerhalb einer Sprache (intralingual) noch zwischen verschiedenen Sprachen (interlingual) besteht ein Eins-zu-eins-Verhältnis zwischen Formen 9 Linguistik und Übersetzung 156 <?page no="157"?> und Inhalten. Deshalb sind automatische Übersetzungsverfahren, die auf dem Wort-für-Wort-Prinzip basieren, ungenügend und führen zu qualitativ unbe‐ friedigenden Resultaten (s. dazu die Beispiele in I.4.4). Das Hauptproblem der automatischen Analyse liegt in der Mehr- und Vieldeutigkeit sprachlicher For‐ men, ihrer Bezugsvielfalt und oft genug auch ihrer Vagheit und Unlogik, die gerade im Sprach- und Übersetzungsvergleich deutlich werden (so scheinen für den Muttersprachler Bratwurst und Bratpfanne in ihrer Bildungsweise parallel und unproblematisch zu sein; und doch sind die Bedeutungsrelationen verschie‐ den - nur die Wurst wird gebraten, nicht die Pfanne). Beispiel I.9.-2 a. Er hat den Schlüssel ins Schloss gesteckt. a. b. Kommst du mit ins Schloss? b. Der menschliche Übersetzer wird intuitiv feststellen, dass Schloss in a. etwas anderes als in b. bedeutet, und er wird Schloss im ersten Fall mit frz. serrure bzw. engl. lock, im zweiten mit frz. château bzw. engl. castle übersetzen: Beispiel I.9.-3 c. frz. Il a mis la clé dans la serrure. engl. He has put the key in the lock. c. d. frz. Viens-tu au château avec moi? engl. Will you come to the castle d. with me? Qualitativ befriedigend ist maschinelle Übersetzung nur dann, wenn das ma‐ schinelle Übersetzungsprogramm der Wortform Schloss in a. und b. im Engli‐ schen und Französischen nicht einfach zwei Wortformen mit unterschiedlichen Bedeutungen zuordnet, sondern entscheiden kann, welche der beiden Wortfor‐ men und Bedeutungen im betreffenden Satz die zutreffende ist. Die Maschine braucht also zusätzliches Wissen, wenn sie die mehrdeu‐ tigen Formen eindeutig machen soll. Es ist dies ein Wissen, das der menschliche Übersetzer ohne langes Nachdenken dem Satzzusammen‐ hang entnimmt. 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 157 <?page no="158"?> 82 S. dazu den Übersichtsartikel „Übersetzung und sprachliche Mehrdeutigkeit“ von B. Handwerker (2004). Noch mehr Wissen müsste der Maschine verfügbar sein bei Satz a) in fol‐ gendem Beispiel: Beispiel I.9.-4 a. Er hat den Schlüssel im Schloss gelassen. a. b. frz. Il a laissé la clé dans la serrure. engl. He left the key in the lock. b. c. frz. Il a laissé la clé au château. engl. He left the key in the castle. c. Hier kann die Entscheidung, ob die frz. und engl. Übersetzungen b. oder c. zutreffen, nur aufgrund der Analyse des weiteren, über die Satzgrenze hin‐ ausgehenden Textzusammenhangs oder gar erst in der Äußerungssituation getroffen werden. Die Maschine müsste also Information verarbeiten und Schlussfolgerungen ziehen können; sie müsste „intelligent“ sein. Im Folgenden werden die beiden grundsätzlichen Fälle von Mehrdeu‐ tigkeit, die lexikalische und die grammatische Mehrdeutigkeit, behandelt und die Möglichkeiten und Grenzen ihrer Aufhebung bzw. Aufhebbarkeit diskutiert. 82 A. Lexikalische Mehrdeutigkeit Beispiel I.9.-5 ‚sehr warm‘ ( heißer Kaffee ) heiß ‚heftig‘ ( eine heiße Diskussion ) ‚erregend‘ ( heiße Musik ) Die isolierte Wortform heiß ist mehrdeutig, d. h. sie weist mehrere Bedeu‐ tungsvarianten auf. Im Sprachvergleich stellt man fest, dass die Art dieser Mehrdeutigkeit oft einzelsprachspezifisch ist. Keineswegs können an allen 9 Linguistik und Übersetzung 158 <?page no="159"?> 83 Die Übereinstimmung zwischen dem Dt. und Frz. betrifft allerdings nicht alle Bedeu‐ tungsvarianten: dt. Linse → (Anatomie: im Auge) frz. cristallin; frz. les lentilles (unge‐ bräuchlich, normal: taches de rousseur) → dt. Sommersprossen. Stellen, wo im Dt. heiß in einer der Bedeutungsvarianten verwendet wird, die Standardentsprechungen frz. chaud oder engl. hot eingesetzt werden: Beispiel I.9.-6 dt. frz. engl. heißer Kaffee un café chaud hot coffee heiße Diskussion une discussion âpre a heated discussion une chaude discussion heiße Musik une musique terrible hot music heißer Kopf une tête brûlante a burning head einige Phraseologismen mit heiß: heiße Zone zone tropicale tropical zone (das ist) ein (c’est) un problème (that’s) a delicate heißes Eisen difficile problem/ a hot potato heißer Krieg la guerre chaude hot war Für die automatische Übersetzung stellt die Mehrdeutigkeit nur dann ein Problem dar, wenn die zwei Sprachen hinsichtlich der Bedeutungsvarianten nicht miteinander übereinstimmen. Im Falle von dt. Linse verhalten sich das Frz. und Engl. unterschiedlich: 83 Beispiel I.9.-7 Botanik (Pflanze) engl. lentil dt. Linse / frz. lentille Botanik (Samen dieser Pflanze) engl. lentil Optik engl. lens 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 159 <?page no="160"?> Erst im Zusammenhang weiterer Wörter (Lexeme) wird heiß eindeutig (di‐ sambiguiert). Den Zusammenhang, in dem das Einzelwort heiß steht, nennt man Kontext. Das heißt, im Kontext von Kaffee (in der Umgebung von Kaffee) bedeutet heiß ‚sehr warm‘, im Kontext von Diskussion bedeutet es ‚heftig‘. Man spricht davon, dass eine der potentiellen Bedeutungsvarianten aktualisiert wird: Im Kontext wird die aktuelle Bedeutung realisiert. Wenn dieser Kontext wie in diesen Beispielen aus weiteren sprachlichen Einheiten besteht, spricht man vom sprachlichen Kontext (im Folgenden Kotext ge‐ nannt). Der Umfang des Kotextes, der zur Disambiguierung einer sprachlichen Einheit notwendig ist, kann unterschiedlich groß sein: vom Einzelwort über das Syntagma bis zum Satz oder Textabschnitt. Beispiele (der Kotext der mehrdeutigen Ausdrücke ist kursiv gedruckt): Beispiel I.9.-8 a) blaue Farbe b) blauer Montag (Der disambiguierende Kotext besteht aus einem Lexem.) c) Die dritte Mutter von links hat sich gelockert. d) Als sie die Prüfung nicht bestand, warf sie die Flinte ins Korn und gab ihr Studium auf. (Der disambiguierende Kotext besteht aus mehreren Lexemen, d. h. Syn‐ tagma oder Satz.) e) Er legte die Birne auf den Tisch. f) Sie legte die Hände in den Schoß. (Die Aufhebung der Mehrdeutigkeit ist innerhalb der Satzgrenze nicht möglich, weiterer Kotext ist notwendig.) Bisweilen aber findet sich kein Kotext, der die Disambiguierung leisten könnte; in diesem Fall ist es die Situation, in der etwas geäußert wird, die disambiguierend wirkt (situativer Kontext). Unterlagen in der Äußerung Geben Sie mir die Unterlagen! kann je nach Situation ‚Aktenstücke‘ oder ‚Unterlegteile‘ bedeuten. Wenn jemand in der Situation des Kaffeetrinkens Heiß! (frz. C’est chaud! , Ça brûle! , engl. It’s hot! ) sagt, bedeutet es etwas an‐ deres, als wenn diese Äußerung im Zusammenhang des Musikhörens erfolgt (frz. Terrible! , engl. It’s hot stuff! ). Ein literarisches Beispiel zeigt, dass Disambiguierung nicht immer mög‐ lich ist: In Friedrich Hölderlins Gedicht Hälfte des Lebens kommt im 4. Vers der 2. Strophe das Wort Schatten vor: Weh mir, wo nehm´ ich, wenn / Es Winter 9 Linguistik und Übersetzung 160 <?page no="161"?> ist, die Blumen, und wo / Den Sonnenschein, / Und Schatten der Erde? / Die Mauern stehn / Sprachlos und kalt, im Winde / Klirren die Fahnen. Ob Schatten hier die Bedeutung ‚(mehr oder weniger scharf begrenzter) im Schatten eines Körpers liegender Ausschnitt einer im Übrigen von direktem Licht beschie‐ nenen Fläche, der sich dunkel von der helleren Umgebung abhebt‘ (= engl. shadow) oder ‚Bereich, der vom Licht der Sonne oder einer anderen Licht‐ quelle nicht unmittelbar erreicht wird und in dem deshalb nur gedämpfte Helligkeit, Halbdunkel [und zugleich Kühle] herrscht‘ (= engl. shade) hat, ist nicht einfach zu entscheiden. Bei der Übersetzung ins Norwegische spielt das keine Rolle, weil das Norwegische hier wie das Deutsche strukturiert ist. Bei der Übersetzung ins Englische muss aber zwischen shade und shadow gewählt werden. B. Grammatische Mehrdeutigkeit Hier sind drei Fälle zu unterscheiden: 1. Morphologische Mehrdeutigkeit innerhalb eines Paradigmas Die Form denken hat innerhalb des Flexionsparadigmas folgende syntakti‐ sche Bedeutungen: Beispiel I.9.-9 denken Infinitiv: Er liebt es zu denken. 1./ 3. Person Plural Präsens Indikativ: Wir denken./ Die Leute denken zu wenig. 1./ 3. Person Plural Konjunktiv I: Er sagt, wir/ sie denken zu viel. Imperativ: Denken Sie nicht so viel! Die Mehrdeutigkeit wird in der grammatischen Verknüpfung aufgeho‐ ben (kursiv gedruckte Formen). 2. Wortarten-Mehrdeutigkeit während kann verschiedenen Wortarten angehören: 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 161 <?page no="162"?> Beispiel I.9.-10 während temporale Subjunktion: Während wir schliefen, wurde bei uns einge‐ brochen. adversative Subjunktion: Karl gefiel es gut in Heidelberg, während sich seine Frau überhaupt nicht wohlfühlte. Präposition: Während der Vorlesung spielte ich Schach. Auch die Wortarten-Mehrdeutigkeit wird im Allgemeinen im Kotext aufgehoben. 3. Syntaktische Mehrdeutigkeit Unter syntaktischen Bedeutungen werden jene grammatischen Bedeutun‐ gen verstanden, die sich aus den Relationen sprachlicher Einheiten zuein‐ ander ergeben. So steht der Genitiv des Vaters in der Hut des Vaters/ le chapeau du père/ the father’s hat in einer bestimmten Abhängigkeitsrelation zu der Hut. Ausgedrückt wird eine Besitzrelation durch den Genitivus possessivus. Syntaktische Mehrdeutigkeit resultiert daraus, dass mit denselben sprach‐ lichen Formen unterschiedliche Relationen ausgedrückt werden: ein Mann mittleren Alters/ un homme d’âge moyen/ a middle-aged man. Hier bezeichnet der Genitiv eine Eigenschaft (Genitivus qualitatis), während er in die Hälfte meines Vermögens/ la moitié de ma fortune/ half of my fortune eine Gan‐ zes-Teil-Relation ausdrückt (Genitivus partitivus). Genau so, wie eine Wortform in der Regel verschiedene lexikalische Be‐ deutungen trägt, kann eine syntaktische Form bzw. eine syntaktische Be‐ ziehung verschiedene syntaktische Bedeutungen zum Ausdruck bringen. Umgekehrt können für den Ausdruck der Bedeutung einer syntaktischen Relation verschiedene syntaktische Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Die possessive Relation kann etwa auch mit einer NP im Dativ oder einer Präpositionalphrase ausgedrückt werden: Er schneidet die Fingernägel seines Sohnes./ Er schneidet seinem Sohn die Fingernägel./ Er schneidet die Fingernägel von seinem Sohn. Mehrdeutigkeiten, wie sie hier mit dem Genitiv exemplifiziert werden, löst der Mensch aufgrund seiner Sprachkenntnisse und seines „Wissens von der Welt“ mehr oder weniger automatisch und unbewusst auf. Er weiß, dass mit a) die Bilder des Bankiers X im Allgemeinen, d. h. aller (Lebens- und 9 Linguistik und Übersetzung 162 <?page no="163"?> 84 Bei eindeutigem Kontext würde man für a) und b) im Engl. normalerweise Churchill’s pictures verwenden; die Formulierungen the pictures by Churchill und the pictures of Churchill’s werden bei kontextfreien Sätzen dann gebraucht, wenn es darum geht, die unterschiedlichen Bedeutungen klar herauszustellen. Welt-)Erfahrung nach, etwas anderes gemeint ist als mit b) die Bilder des Malers X. In a) drückt der Genitiv ein Besitzverhältnis aus (Genitivus pos‐ sessivus), in b) den Urheber oder Hersteller (Genitivus auctoris). Hinzuzufü‐ gen ist, dass das nur im Allgemeinen gilt: Wenn der Bankier X selbst malt, handelt es sich ebenfalls um den Genitivus auctoris. Als dritte Interpretation ist auch noch möglich, dass es sich um Bilder handelt, die den betreffenden X porträtieren. Solche Mehrdeutigkeiten stellen für die automatische Übersetzung nur dann ein Problem dar, wenn die ZS für die Bezeichnung der Relationen in a) und b) je unterschiedliche formale Mittel einsetzt. Das ist im Frz. nicht der Fall: die Bilder von Winston Churchill (Winston Churchills)/ les tableaux de Winston Churchill sind in beiden Sprachen dreideutig: Beispiel I.9.-11 die Bilder von Winston Churchill les tableaux de Winston Churchill ↙ a) ‚die Bilder, die W. Ch. gemalt hat‘ ↓ b) ‚die Bilder, die W. Ch. gehören‘ ↘ c) ‚die Bilder, die W. Ch. darstellen‘ Im Engl. würde man es dagegen vorziehen, die drei möglichen Relationen mit unterschiedlichen Formen zu realisieren: 84 a) the pictures by Churchill, b) the pictures of Churchill’s, c) the pictures/ portraits of Churchill. Schwieriger sind die Probleme beim sogenannten Genitivus subiectivus und Genitivus obiectivus, wo eine inhaltliche Interpretation über die Syn‐ tagmagrenze hinaus erforderlich ist. Ist mit die Liebe der Kinder gemeint, a) dass die Kinder jemanden lieben (die Liebe der Kinder zu den Eltern → die Kinder lieben die Eltern = Genitivus subiectivus), oder ist b) die Liebe gemeint, die sich auf die Kinder richtet (die Liebe der Kinder ist Elternpflicht → jemand liebt die Kinder = Genitivus obiectivus)? 85 Die Doppeldeutigket dieses Geni‐ 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 163 <?page no="164"?> 85 Das Frz. und das Engl. verwenden für die Varianten a) und b) verschiedene Konstruk‐ tionen: a) frz. l’amour des enfants (pour leurs parents), engl. childrens’ love for/ of their parents, b) frz. L’amour des parents envers leurs enfants est un devoir, engl. Love for one’s children is a parental duty. 86 Eine weitere, freilich absurde Mehrdeutigkeitsinterpretation wäre, wenn Kabine nicht aufgefasst wird als Ort, wo man etwas anprobiert, sondern (parallel zu das rote Kleid anprobieren) als das, was man anprobiert. tivs kann aber auch beabsichtigt sein wie im Untertitel der hermeneutischen Studie von Emil Angehrn „Sinn und Nicht-Sinn“ (Tübingen 2010): Das Ver‐ stehen des Menschen. Das Buch handelt sowohl vom menschlichen Verstehen (Genitivus subiectivus) als auch vom Menschen, dem sich das Verstehen zu‐ wendet (Genitivus obiectivus). Syntaktische Mehrdeutigkeit resultiert insbesondere daraus, dass die Ab‐ hängigkeits- und hierarchischen Beziehungen in Syntagma oder Satz nicht eindeutig sind. Diese syntaktische Ambiguität, die unterschiedliche syntak‐ tische Interpretationsmöglichkeiten öffnet, nützt der Witz in folgendem Beispiel aus: Beispiel I.9.-12 „Könnte ich wohl das rote Kleid im Schaufenster anprobieren? “ fragt die Kundin. „Gern“, sagt die Verkäuferin zaghaft, „aber wir haben auch Ka‐ binen“. Das Syntagma das rote Kleid im Schaufenster anprobieren lässt zwei die in‐ ternen Abhängigkeiten unterschiedlich festlegende syntaktische Analysen zu: 86 a. {[(das rote Kleid) (im Schaufenster)] (anprobieren)]} a. b. {[(das rote Kleid) (anprobieren)] (im Schaufenster)} b. Im Allgemeinen werden wir - falls man im Kommunikationsakt die Mehr‐ deutigkeit überhaupt bemerkt, was den Ausnahmefall darstellt, weil Kotext und situativer Kontext Bedeutungen von vornherein festlegen - aufgrund unserer Kenntnis der Alltagswelt die Analyse a) vollziehen: Der Witz ergibt sich daraus, dass die Verkäuferin, die die Welt des Kleidergeschäfts beson‐ ders gut kennen sollte, gerade die unwahrscheinliche Analyse b) vornimmt. Zur Aufhebung solcher Mehrdeutigkeiten führt E. Agricola (1968: 45) aus: 9 Linguistik und Übersetzung 164 <?page no="165"?> 87 Gemeint ist das ausschließende oder. Wenn die Maschine allerdings auch Texte der Text‐ sorte Witz zu übersetzen hätte, müsste sie auch die Entscheidung für das nicht-aus‐ schließende oder (und/ oder) treffen können. 88 Zweideutig im gleichen Sinne ist auch die frz. Übersetzung mit: Puis-je exposer la robe rouge dans la vitrine? Eindeutig wird dieser Satz auf die Interpretation (b) festgelegt, wenn man umstellt: Könnte ich im Schaufenster das rote Kleid ausstellen? → frz. Puis-je exposer dans la vitrine la robe rouge? [stilistisch voll akzeptabel? ]. Im natürlichen Kommunikationsvorgang werden nahezu die meisten syntak‐ tisch-strukturellen Undeutlichkeiten, wenn sie nicht geradezu eine beabsichtigte Funktion erfüllen, durch den Kontext im engeren und im weiteren Sinne und durch das enzyklopädische Wissen des Perzipienten aufgehoben oder durch sein aktives Ergänzungs- und Entscheidungsvermögen überbrückt. Das automatische Übersetzungsprogramm müsste, wenn eine qualitativ be‐ friedigende Übersetzung gefordert ist, entscheiden können, ob die Interpre‐ tation a) oder b) gemeint ist. 87 Die Übersetzungen würden im Engl. und Frz. mit eindeutigen Interpretationen folgendermaßen aussehen: dt. Könnte ich das rote Kleid im Schaufenster anprobieren? Interpretation a): engl. Can I try the red dress in the window on? frz. Puis-je essayer la robe rouge qui est dans la vitrine? Interpretation b): engl. Can I try the red dress on in the window? frz. Puis-je essayer dans la vitrine la robe rouge? Beim Typ von Mehrdeutigkeit, wie ihn dieses Beispiel repräsentiert, gibt es keinen Kotext, der es erlaubt, zu einer eindeutigen syntaktischen Analyse zu kommen. Außersprachliches „Weltwissen“ ist für die Aufhebung der Mehrdeutigkeit notwendig. Die Maschine müsste in diesem Fall über das Wissen verfügen, dass man Kleider im Allgemeinen nicht im Schaufenster, sondern in Kabinen anprobiert. Dabei ist es keineswegs so, dass Sätze mit der Struktur des obigen Beispiels in jedem Fall in der Form von a) analysiert werden müssen, man vergleiche nur folgenden strukturgleichen Fall: Könnte ich das rote Kleid im Schaufenster ausstellen? Dieser Satz erlaubt wieder zwei syntaktische Analysen; nur haben hier beide Analyse- und Interpretations‐ möglichkeiten in unserer Lebenswelt ihre Realisierungsmöglichkeit (die Möglichkeit b) ist die plausiblere): 88 a. {[(das rote Kleid) (im Schaufenster)] (ausstellen)} (d. h. irgendwo an‐ a. ders) b. {[(das rote Kleid) (ausstellen)] (im Schaufenster)} (d. h. hier im Schau‐ b. fenster) 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 165 <?page no="166"?> 89 Beispiel aus E. Agricola (1968: 71). 90 Die Bezugsmehrdeutigkeit von die wird deutlicher, wenn man Subjekt und Objekt um‐ stellt, was mir einen durchaus grammatischen (stilistisch vielleicht anfechtbaren) Satz zu ergeben scheint: Überschwemmungen haben 24 Tote gefordert, die kürzlich den indi‐ schen Staat Kerala heimsuchten. Hinsichtlich der Aufhebbarkeit der syntaktischen Mehrdeutigkeit sind zwei Fälle zu unterscheiden: ▸ Fall 1: Die Informationen, die der Kotext liefert, lassen eine eindeutige ▸ Aufhebung der syntaktischen Mehrdeutigkeit zu. ▸ Fall 2: Die Aufhebung kann nur mit Hilfe des Situations- und Welt‐ ▸ wissens des Lesers erfolgen (falls eine Aufhebung überhaupt möglich ist). Fall 1: Beispiel I.9.-13 24 Tote haben Überschwemmungen gefordert, die kürzlich den indi‐ schen Staat Kerala heimsuchten. 89 Syntaktische Analyse (mehrdeutige Formen in Großbuchstaben): 24 TOTE (= A) Subjektsnominativ/ Akkusativobjekt haben ÜBERSCHWEMMUGEN (= B) Subjektsnominativ/ Akkusativobjekt gefordert, DIE 90 Bezug auf (A)/ Bezug auf (B) kürzlich den indischen Staat Kerala heimsuchten. Die zutreffende syntaktische Analyse ist kursiv gedruckt; die Aufhe‐ bung der Mehrdeutigkeit ist innerhalb der Satzgrenze möglich. Beispiel I.9.-14 More than half the women interviewed married men who already had a drinking problem […] Syntaktische Analyse (mehrdeutige Formen in Großbuchstaben): 9 Linguistik und Übersetzung 166 <?page no="167"?> 91 Oder gilt das Titanic-Prinzip (Frauen und Kinder zuerst) im Zuge der Gleichstellung von Mann und Frau nicht mehr uneingeschränkt? More than half the women INTERVIEWED finites Verb/ Partizip II als nachgestelltes Attribut zum Substantiv „women“ MARRIED finites Verb/ Partizip II als vorangestelltes Attribut zum Substantiv „men“ men who already had a drinking problem […] Die zutreffende syntaktische Analyse (kursiv) ergibt sich erst aus dem weiteren, hier nicht angeführten Kotext. Dabei zeigt sich, dass der Satz wie a) und nicht wie b) ins Dt. zu übersetzen ist: a) Mehr als die Hälfte der befragten Frauen heiratete Männer, die schon ein Alkoholproblem hatten […], b) Mehr als die Hälfte der Frauen befragte verheiratete Män‐ ner, die schon ein Alkoholproblem hatten […]. Fall 2: Schwieriger sind Fälle, wo der Kotext für die Ermittlung der zutreffenden syntaktischen Analyse fehlt oder nicht ausreichend ist. Zunächst ein relativ leicht lösbares Mehrdeutigkeitsproblem dieser Art: Beispiel I.9.-15 Die Regierung forderte, dass Kinder, alte Männer und Frauen von den Luftpiraten freigelassen werden mussten. Mögliche syntaktische Analysen des Syntagmas Kinder, alte Männer und Frauen: a. [(Kinder) + (alte Männer) + (Frauen)] a. b. {(Kinder) + (alte) [(Männer) + (Frauen)]} b. Aufgrund unseres Wissens von sozialen Konventionen werden wir uns ohne Weiteres 91 für die Interpretation a) entscheiden: Kinder und Frauen jeden Alters werden in solchen Zusammenhängen als eine Gruppe betrachtet, zu denen alte Männer treten können. 92 Ähnlich liegt der Fall in folgendem Bei‐ spiel: 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 167 <?page no="168"?> 92 Sprachüblich ist im Dt. allerdings die Gliedfolge Frauen, Kinder und alte Männer, die keine Mehrdeutigkeit aufweist. Ebenso verfährt das Engl.: women, children and elderly men. Das Frz. setzt inhaltlich einen anderen Akzent: les femmes, les enfants et les vieil‐ lards, d. h. (jüngere) Frauen, Kinder und alte Frauen + Männer. Beispiel I.9.-16 Mit Pamphleten und in Diskussionen protestierten Aids-Aktivisten au‐ ßerhalb der Bannmeile gegen die, wie sie meinten, halbherzige Aids-For‐ schung, die zögerliche Einführung aussichtsreicher Medikamente sowie die unzureichende Versorgung und Diskriminierung von Aids-Kranken und Aids-Infizierten. (Der Spiegel 26/ 1990) Auch hier ist es unser Wissen von der Welt, das uns sagt, dass sich das Adjektiv unzureichend nur auf Versorgung, nicht aber auf Diskriminierung bezieht. Würde das Syntagma dagegen lauten: sowie die unzureichende Ver‐ sorgung und Betreuung, würde man unzureichend auf beide Substantive be‐ ziehen. Beispiel I.9.-17 Gelassen schlendern schwarz verschleierte Frauen, Kinder und Männer in traditionell arabischer oder westlicher Kleidung an den Geschäften, Imbissbuden und fliegenden Händlern vorbei. (Neue Zürcher Zeitung, 1. 9. 2010) Wir „wissen“, wenn wir bei Frauen angelangt sind, dass sich schwarz ver‐ schleierte nur auf Frauen beziehen kann; und wir wissen es, bevor wir zu in traditionell arabischer oder westlicher Kleidung vorgestoßen sind, das sich nur auf Männer beziehen kann (obwohl theoretisch der Bezug auf Frauen, Kinder und Männer möglich ist). Und wir wissen, dass sich traditionell in diesem Zusammenhang nur auf arabisch beziehen kann. Und die fliegenden Händler tun alles andere als fliegen - im Unterschied zum fliegenden Personal einer Fluggesellschaft und zu fliegenden Teppichen, die bekanntlich wirklich fliegen … Detailliertes Sachwissen ist dagegen für die Aufhebung der Mehrdeutig‐ keit in folgendem Satz nötig: Der Bodenimpfstoff besteht aus Wasser und Luftstickstoff bindenden Bakterien. 93 Hier muss man wissen, dass bindende 9 Linguistik und Übersetzung 168 <?page no="169"?> 93 Beispiel aus E. Agricola (1968: 83). 94 Zitiert bei E. Agricola (1968: 73). - Die Interpretation als Adverb erscheint keineswegs grundsätzlich unmöglich, vgl. folgenden (konstruierten) Satz: […] dem Palast, in dem lange Reliquien zu sehen waren. Hier würde der menschliche Übersetzer die Adverb-/ Adjektiv-Mehrdeutigkeit zugunsten des Adverbs auflösen. 95 Oder der Übersetzer gibt Varianten an. Man vergleiche dazu folgendes Beispiel: „Finally a special debt is owed to B. C., without whose initial assistance the study could not have been carried out.“ (B. Bernstein, „Class, Codes and Control“, Vol. 1, London 1971, 67). In der dt. Ausgabe (B. Bernstein, „Studien zur sprachlichen Sozialisation“, Düsseldorf 1972, 115) ist dies wiedergegeben mit „Schließlich schulde ich B. C. speziellen Dank, ohne dessen/ deren anfängliche Hilfe die Untersuchung nicht hätte ausgeführt werden kön‐ nen.“ Bakterien sich nur auf Luftstickstoff bezieht (der Text wäre eindeutiger mit der Formulierung: […] aus Wasser und aus Luftstickstoff bindenden Bakte‐ rien). Bei der Übersetzung folgender Textstelle aus einem Frankreich-Reisefüh‐ rer muss sich der Übersetzer entscheiden, ob lange aufgefasst werden soll als adjektivisches Attribut zum Substantiv Wandteppiche oder als Adver‐ bial: 94 Beispiel I.9.-18 […] zu dem […] Palast, in dem lange Wandteppiche von Angers hingen. a. […] le palais dans lequel de longues (grandes) tapisseries d’Angers a. étaient exposées. b. […] le palais dans lequel des tapisseries d’Angers avaient longtemps b. été exposées. Der Übersetzer wird sich hier, weil der weitere Kotext keine Informationen liefert, für die eine oder die andere Interpretation entscheiden müssen - auf die Gefahr hin, gerade die falsche zu wählen. 95 Unter Interpretationszwang steht der Leser (und auch der Regisseur/ Schauspieler) bei der Replik des Kapitäns in folgender Textstelle aus August Strindbergs „Totentanz“ (s. u., II.2.4): Beispiel I.9.-19 Kapitän. Willst du mir nicht etwas vorspielen? 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 169 <?page no="170"?> Alice. (gleichgültig, aber nicht mürrisch). Was soll ich spielen? Kapitän. Was du willst. Je nachdem, ob die Betonung auf dem Was, auf dem du oder auf dem willst liegt, bedeutet die Äußerung etwas anderes. (Übersetzungskritisch wäre anzumerken, dass der schwed. Originaltext diesbezüglich eindeu‐ tig ist. Dort heißt es mit kursiviertem du: Vad du vil! ) Wenn bei solchen Fällen aber schon der menschliche Übersetzer auf Grenzen stößt, wie soll denn erst eine formal-syntaktisch analysierende Maschine in der Lage sein, diese Mehrdeutigkeiten zu lösen? In der Tat ist damit, so stellt E. Agricola (1968: 75) fest, „eine Schranke erreicht, die von manchen Wis‐ senschaftlern als Begrenzung der automatischen Sprachanalyse und -über‐ setzung insgesamt gewertet wird“. Eine Maschine, die solche Fälle lösen will (und eine vollautomatisierte Übersetzung mit qualitativ befriedigenden Re‐ sultaten sollte dies bewältigen können) müsste über einen Speicher verfü‐ gen, in dem Welt-, Sach- und Erfahrungswissen abrufbar wären. Es wäre eine Maschine, die nicht nur auf formal-syntaktischer, sondern auch auf se‐ mantischer Basis (von stilistischen Kategorien ganz zu schweigen) Texte be- und verarbeiten könnte. Noch komplizierter würde die Mehrdeutigkeitsproblematik, wenn auch noch die situativ bedingten Bedeutungs- und Interpetationsvarianten berücksichtigt werden müssten. Die Frage: Rauchen Sie? bedeutet bei der Routine-Untersuchung beim Arzt etwas anderes als in der Party-Situation, wo einem mit dieser Äußerung eine Zigarette angeboten wird. (Während die Frage mit der zweiten Äußerungsbedeutung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gang und gäbe war, ist sie heute obsolet: Die betreffende Situation finden wir nur noch in Filmen und Theaterstücken. Auch hier wieder: Kulturelle und soziale Veränderungen schlagen sich im Sprachge‐ brauch nieder.) Das Beispiel macht deutlich, dass zwischen Satzbedeutung und Äußerungsbedeutung unterschieden werden muss: Rauchen Sie? hat eine Satzbedeutung, aber (mindestens) zwei Äußerungsbedeutungen. Um‐ gekehrt hat Könnte ich das rote Kleid im Schaufenster anprobieren? zwei Satzbedeutungen, aber - vor dem Hintergrund unserer kulturellen Gewohn‐ heiten und unseres Wissens darüber - nur eine Äußerungsbedeutung (s. dazu W. Motsch 2004). 9 Linguistik und Übersetzung 170 <?page no="171"?> Mit der Darstellung der lexikalischen und grammatischen Mehrdeutig‐ keiten und den Bedingungen und bisweilen unsicheren Möglichkeiten ihrer Aufhebung ist ein Teil der Initialphase des Übersetzungsproz‐ esses beschrieben: die AS-Text-Analyse, die zur Feststellung einer eindeutigen Textbedeutung führt. Diese Textbedeutung besteht aus der Summe (verstanden als Synthese, nicht als Addition) der aktuellen lexikalischen und grammatischen Bedeutungen. Dieser Analysevorgang hat das Ziel, den Textinhalt eindeutig zu ermitteln. Wenn Übersetzen nur in der zielsprachlichen Wiedergabe eines AS-Texti‐ nhalts bestünde (und es gibt durchaus Übersetzungssituationen, wo dies der Fall ist), wäre damit die Initialphase des Übersetzungsprozesses vollständig erfasst. Zur Inhaltsanalyse muss aber die stilistische und die pragmatische Analyse treten, die von folgenden Fragen ausgeht: Welche sprachlichen Mittel werden verwendet, um den betreffenden Inhalt wiederzugeben? Wel‐ chen Stellenwert haben diese Mittel im Ausdruckspotential einer Sprache? An wen richtet sich der AS-Text und an wen soll sich der ZS-Text richten (Empfänger- oder pragmatischer Bezug). Auf diese Aspekte wird bei der Differenzierung des Äquivalenzbegriffs eingegangen (s. u., II.3). Der Begriff der eindeutigen Textbedeutung darf nicht missverstanden werden: Auch wenn sehr viele Texte (etwa im wissenschaftlichen und tech‐ nischen Bereich) auf diese Eindeutigkeit hin angelegt sind, so ist für andere Texte die Mehrdeutigkeit ein konstitutives Element. Die Textbedeutung des Witzes in Beispiel I.9.-12 liegt gerade in seiner nicht aufgelösten Mehr‐ deutigkeit. Und solche Mehrdeutigkeiten verschiedenster Art gibt es in li‐ terarischen/ poetischen Texten, in der Werbung, in der politischen Sprache in Hülle und Fülle. Dass daraus ganz besondere Übersetzungsprobleme re‐ sultieren, liegt auf der Hand. Während die Übersetzung des Witzes in Beispiel I.9.-12 ins Engl. keine Schwierigkeiten bereitet, weil Can I try on the red dress in the window? ebenso unauffällig zweideutig ist wie die dt. Entsprechung, ist dies anders im Frz. Wer die dem Dt. strukturähnliche Entsprechung Puis-je essayer la robe dans la vitrine? gebraucht, macht entweder bewusst einen Witz oder drückt sich auffallend umgangssprachlich-unkorrekt aus. Damit ist aber die Witzfort‐ setzung nicht in der Weise möglich wie im Dt., wo die Pointe gerade darin 9.1 Linguistische Grundprobleme: Bedeutungserhaltung und Mehrdeutigkeit 171 <?page no="172"?> liegt, dass die Verkäuferin die Mehrdeutigkeit bemerkt und den Satz in ihrer Antwort auf die unwahrscheinliche Interpretationsmöglichkeit festlegt. 9.2 Der übersetzungslinguistische Ansatz Übersetzen ist, wie im Einführungskapitel und in den vorangehenden Ka‐ piteln dargestellt, ein höchst komplexer, von variablen Bedingungen und Faktoren sprachlicher, kommunikativer, kultureller usw. Art bestimmter Vorgang. Texte sind auf unterschiedlich komplexe Weise strukturiert, ma‐ chen unterschiedlichen Gebrauch von den in einer Sprache bestehenden Ausdrucksmöglichkeiten; sie bewegen sich zwischen stark normierten Aus‐ drucksmustern und ausgesprochen individualstilistisch geprägten Sprach- und Stilzügen. Die Ansprüche an Wissenschaftlichkeit, Objektivierbarkeit und Formali‐ sierbarkeit, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch an sich bisher als geisteswissenschaftlich-hermeneutisch verstehende Disziplinen (darun‐ ter Sprach- und Literaturwissenschaft) gestellt wurden, führten im Falle der Übersetzung dazu, dass versucht wurde, die Variablen zu reduzieren. Die als subjektiv-zufällig geltenden Bestimmungsfaktoren sollten so weit wie mög‐ lich ausgeschaltet werden. Dies hatte zur Folge, dass man sich auf die Texte beschränkte, von denen man annahm, dass sie den Ansprüchen einer wis‐ senschaftlichen Beschreibung zu genügen vermochten, nämlich (natur-)wis‐ senschaftlich und technische Texte. Als Spezifikum der Übersetzung wurde der Sprachwechsel betrachtet. Die Linguistik hatte sich in den 1950er und 1960er Jahren als Wissenschaft mit streng wissenschaftlichen Methoden etabliert. Was lag näher, als die Beschreibung der Übersetzungsvorgänge zur Aufgabe der Linguistik zu machen? Der Anstoß, Übersetzen als primär oder ausschließlich linguistisches Phänomen zu erfassen und als solches zu ob‐ jektivieren, ging von Theorie und Praxis der maschinellen Übersetzung aus. Die Übersetzungswissenschaft wurde gleichsam Hilfsdisziplin der ma‐ schinellen Übersetzung, die zur Voraussetzung hat, dass Sprache formal erfasst und algorithmisiert ist, wenn Texte in der AS automatisch zu analy‐ sieren und in der ZS zu synthetisieren sind. Wissenschaften, die sich bisher durchaus als Wissenschaften im eigentlichen Sinn verstanden hatten, muss‐ ten es sich gefallen lassen, aus dem Kreis dieser Disziplinen ausgeschlossen zu werden. So führt R. Stachowitz (1973: 1) aus: 9 Linguistik und Übersetzung 172 <?page no="173"?> Heute wird allgemein akzeptiert, dass der Ausdruck „Wissenschaft“ sich nicht länger auf eine geistige Disziplin bezieht, die sich mit einem besonderen Sach‐ gebiet befasst, sondern ganz allgemein auf jede Disziplin, die eine besondere For‐ schungsmethode verwendet, die sogenannte „wissenschaftliche Methode“. Dem‐ entsprechend klassifizieren wir verschiedene Fachrichtungen danach, ob sie sich der wissenschaftlichen Methode bedienen oder nicht. Daher schließen wir Dis‐ ziplinen wie die Literaturwissenschaft von den Wissenschaften aus. Kennzeichen der wissenschaftlichen Methode sind Intersubjektivität und Verifizierbarkeit: Unter Intersubjektivität versteht man, dass die Resultate, die von einer Person erlangt werden, die von gewissen Annahmen ausgeht und nach einer bestimmten Methode arbeitet, auch von anderen Personen erlangt werden, die mit denselben Annahmen und nach derselben Methode arbeiten. Unter Verifizierbarkeit versteht man, dass Aussagen über gewisse Phänomene in einem besonderen Forschungs‐ bereich empirisch bestätigt werden können. Allerdings gibt R. Stachowitz keine Antwort auf die Frage, wie im Bereich der Semantik diese Intersubjektivität gewährleistet ist und wie Bedeutungs‐ gleichheit oder Übersetzungsäquivalenz empirisch verifiziert werden kann: Wann bedeuten zwei Ausdrücke in derselben Sprache oder in verschiedenen Sprachen dasselbe? Wann sind zwei Texte, ein AS-Text und ein ZS-Text, hinsichtlich welcher Kriterien bedeutungsgleich? Im Ausgangspunkt heißt Übersetzen für die maschinelle Übersetzung, „bei invarianter Information den Übergang von einer Einzelsprache L1 in eine Ein‐ zelsprache L2 durch Übergänge zwischen formalen Repräsentationen zu orga‐ nisieren“ (A. Rothkegel 1988: 119). Unter dem Aspekt der Mehrdeutigkeit sprachlicher Formen erscheint der Übersetzungsprozess als Prozess der Aus‐ wahl (Selektion): Welche lexikalischen, syntaktischen, semantischen und prag‐ matischen Selektionen gewährleisten Bedeutungsgleichheit zwischen AS- und ZS-Sätzen/ Texten? Das Ziel der auf die maschinelle Übersetzung ausgerichte‐ ten Übersetzungswissenschaft besteht deshalb in der Beschreibung von Über‐ setzungszuordnungen und -regularitäten auf den verschiedenen sprachlichen Ebenen. Dies ist genau der Ausgangspunkt der Translationslinguistik der Leipziger übersetzungswissenschaftlichen Schule (s. o., I.8.2), deren Ge‐ genstand „die Untersuchung der Translationsprozesse als sprachliche Pro‐ zesse“ und die Analyse der diesen Prozessen zugrunde liegenden „sprachli‐ chen Mechanismen“ ist (G. Jäger 1975: 77). 9.2 Der übersetzungslinguistische Ansatz 173 <?page no="174"?> Zentrale Begriffe der Translationslinguistik sind die aus Nachrichten‐ technik und Informationstheorie stammenden Begriffe Kode und Kode‐ wechsel (auch Umschlüsselung). Unter Kode wird ein übermittlungskanal‐ gerechtes Zeichenrepertoire und ein Regelmechanismus zur Verknüpfung dieser Zeichen verstanden. Der Begriff des Kodes wurde in die Sprachwis‐ senschaft übernommen, indem man die Lexik einer Sprache mit dem Zei‐ chenrepertoire und die Syntax mit dem Zeichenverknüpfungsmechanismus gleichsetzte. In der sprachlichen Kommunikation dient der Kode dazu, das, was ein Sender inhaltlich übermitteln will (Bewusstseinsinhalte), in Zei‐ chen zu verschlüsseln (enkodieren), die dann der Empfänger, der über den gleichen Kode verfügt, entschlüsseln (dekodieren) kann: SACH- VERHALT Bewusstseinsinhalte Bewusstseinsinhalte Sender Empfänger ENKODIERUNG DEKODIERUNG gemeinsames Zeicheninventar Nachricht Abb. I.9.-1 Übersetzen stellt einen Spezialfall dar: Zwischen Sender und Empfänger tritt der Übersetzer, der den Kodewechsel vollzieht. Die translatorische Aufgabe besteht darin, den Informationsgehalt eines Textes als Invariante zu erhal‐ ten, obwohl ein Kodewechsel stattfindet. Hierin liegt nach O. Kade (1968: 75) auch das „translatorische Grundproblem“: Die Problematik der Translation resultiert daraus, dass bei der Umschlüsselung (d. h. beim Vollzug des Kodierungswechsels) im Bereich der parole (d. h. bei der Aktualisierung sprachlicher Mittel) auf der Inhaltsebene ein 1: 1-Verhältnis zwi‐ schen AS-Elementen und ZS-Elementen erreicht werden muss, obwohl im Be‐ reich der langue (d. h. in den Relationen zwischen AS-System und ZS-System) die Nichtübereinstimmung der semantisch-funktionellen Seite verschiedensprachi‐ ger Zeichen (der AS-Zeichen und ZS-Zeichen) die Regel ist. 9 Linguistik und Übersetzung 174 <?page no="175"?> Ausgehend von dieser Bestimmung von Übersetzung besteht die Aufgabe der linguistisch orientierten Übersetzungswissenschaft in der Beschreibung der Zuordnungsbeziehungen auf der Systemebene (langue), die es, obwohl im Allgemeinen keine Eins-zu-eins-Beziehungen vorliegen, erlauben, auf der Textebene (parole, d. h. der Aktualisierung von einer der potentiellen systematischen Zuordnungen im Text) eine Eins-zu-eins-Beziehung zwi‐ schen AS- und ZS-Text(elementen) zu erhalten. Die linguistisch orientierte Übersetzungstheorie (allgemeine Über‐ setzungstheorie) beschreibt modellhaft die verschiedenen Äquivalenzty‐ pen und die Übersetzungsverfahren, die angewendet werden, um auf der Ebene der sprachlichen Realisierung (des Textes) auch bei Nicht-Eins-zueins-Entsprechungen auf der Ebene der langue den Informationsgehalt (den Inhalt) als Invariante in der Übersetzung zu bewahren. Die spezielle Übersetzungswissenschaft hat dagegen die Aufgabe, diese potentiellen Äquivalenzbeziehungen für je ein Sprachenpaar zu erfas‐ sen. Das Resultat solcher Beschreibungen sind eigentliche Übersetzungs‐ grammatiken, die das System der potentiellen Äquivalenzbeziehungen zwischen zwei Sprachen auf den Ebenen des Lexikons und der Syntax ent‐ halten. Bezugsgröße für die Feststellung solcher Beziehungen ist immer der Inhalt; die Reichweite der (im engen Sinne) linguistischen Übersetzungs‐ wissenschaft ist deshalb begrenzt auf Texte, bei denen es um Inhaltsinvari‐ anz geht und nicht um formal-ästhetische Komponenten. Es handelt sich um Texte, bei denen sich die Funktion der Form „im Dienst am Inhalt“ erschöpft (O. Kade 1968: 47). Damit wird die literarische Übersetzung aus der linguis‐ tischen Analyse des Übersetzens ausgeschlossen, denn die Formkompo‐ nente hat für literarische Texte in der Regel nicht nur kommunikativen Wert, sondern ist Mittel der künstlerischen Gestaltung des Textes: Die Qualität der literarischen Übersetzung wird gerade dadurch bestimmt, in welchem Maße es gelingt, die Darstellung des Inhalts mit den Mitteln der Ziel‐ sprache künstlerisch zu gestalten. Bei der Gestaltung des neuen Textes in der Sprache der Übersetzung aber kommt man ohne künstlerische Begabung, ohne schriftstellerisches Talent nicht aus. Das gilt nicht nur für poetische, sondern auch für prosaische Übersetzungen. Die prosaischste aller prosaischen Übersetzungen innerhalb des literarischen Schaffens ist nicht möglich ohne künstlerische Bega‐ bung, d. h. ohne die Fähigkeit, schöpferisch intuitiv das Wortmaterial zu hand‐ haben. (O. Kade 1968: 47) 9.2 Der übersetzungslinguistische Ansatz 175 <?page no="176"?> 96 Diese Auffassung wird auch von T. Hermans (1985: 10) vertreten: „Linguistics has un‐ doubtedly benefited our understanding of translation as far as the treatment of unmar‐ ked, non-literary texts is concerned.“ Einer streng wissenschaftlichen, linguistisch orientierten Übersetzungs‐ theorie zugänglich sind nach O. Kade demnach nur pragmatische Texte, für die die Äquivalenzbeziehungen zwischen AS und ZS objektivierbar sind, weil sie aus den durch die Systeme der jeweiligen Sprachen gegebenen „Fakten“ resultieren. Es wird also unterschieden zwischen ▸ pragmatischem Übersetzen („Sachprosa aller Art“, wissenschaft‐ ▸ lich-technische, juristische, politische, kommerzielle Texte usw.) und ▸ literarischem Übersetzen („künstlerische Prosa und Dichtung aller ▸ Art“). Die linguistisch orientierte Übersetzungswissenschaft ist also textgat‐ tungsbezogen. Die Unterscheidung der Textgattungen pragmatische Texte und literarische Texte basiert auf der jeweiligen Funktion der Formkompo‐ nente: ▸ pragmatische Texte - die Form ist dem Inhalt absolut untergeordnet ▸ und hat keinen oder nur einen begrenzten Eigenwert; ▸ literarische Texte - Form und Inhalt stehen in einem gegenseitigen ▸ Bedingungsverhältnis zueinander. Für die Übersetzungstheorien dieser Textgattungen sind nach dieser Auf‐ fassung verschiedene Wissenschaften bzw. Wissenschaftszweige zuständig: für pragmatische Texte die Linguistik und für literarische Texte die Litera‐ turwissenschaft. 96 Zu beachten ist, dass der in I.2.5 erwähnten Unterscheidung zwischen Fiktiv- und Sachtexten einerseits und der von der Leipziger Translations‐ linguistik postulierten Unterscheidung zwischen literarischen und pragma‐ tischen Texten andererseits unterschiedliche Kriterien zugrunde liegen: 9 Linguistik und Übersetzung 176 <?page no="177"?> Fiktivtexte Sachtexte ↓ ↓ Fiktionalität Sachbezogenheit Literarische Texte pragmatische Texte ↓ ↓ Formbetontheit Form + Inhalt als Einheit Keine Formbetonheit Primat des Inhalts Abb. I.9.-2 Die Kategorien Fiktivtexte und Sachtexte auf der einen Seite und literarische Texte und pragmatische Texte auf der anderen Seite sind nicht deckungs‐ gleich: Es gibt durchaus formbetonte Texte, die zugleich nicht-fiktiver Art sind (gereimte Chroniken, bestimmte satirische Texte, dokumentarische Li‐ teratur), umgekehrt gibt es fiktive Texte, die nicht formbetont im Sinne auf‐ fallender ästhetisch-formaler Gestaltung sind (Trivialliteratur, Pseudo-Rei‐ seschilderungen, die fiktive Reisen beschreiben, utopische Romane in journalistischem Stil). Für einen zentralen Bereich dürften sich aber Fiktio‐ nalität + Formbetontheit und Nicht-Fiktionalität + Nicht-Formbetontheit decken. Aus spezifisch übersetzungsrelevanter Perspektive kommen wir in II.4 auf die Unterscheidung von Fiktiv- und Sachtexten zurück. Die im Sinne der Leipziger Schule linguistisch orientierte Übersetzungs‐ wissenschaft, für die sich das Problem der Abgrenzung zur kontrastiven Sprachbeschreibung stellt (s. u., II.3.2.1), ist in ihren sprachenpaarbezogenen Teilen ein zentrales Forschungsgebiet der Übersetzungswissenschaft, mit dessen Entwicklung der Fortschritt der maschinellen Übersetzung direkt zusammenhängt. Sie ist zugleich von großem praktischem Nutzen, was sich aus ihrer Aufgabenstellung ergibt: ▸ Ausgehend von konkreten Texten und Übersetzungsfällen hat sie die ▸ Äquivalenzbeziehungen zwischen je zwei Sprachen auf den Ebenen von Grammatik und Lexik systematisch zu beschreiben. ▸ Auf der Basis dieser Beschreibungen hat sie Übersetzungswörter‐ ▸ bücher und -grammatiken zu erarbeiten, die zugleich Übersetzer‐ 9.2 Der übersetzungslinguistische Ansatz 177 <?page no="178"?> handbücher sind, die der Übersetzer in seiner Praxis unmittelbar an‐ wenden kann. 9.3 Der linguistisch-kommunikative Ansatz Die „Wissenschaftlichkeit“ der Übersetzungswissenschaft in ihrer, wie in I.9.2 dargestellt, streng linguistischen Ausrichtung, ist erkauft mit dem Preis der Beschränkung auf eine Textgattung und mit der Abstraktion von Faktoren, die bei der Übersetzung eine Rolle spielen (und das gewiss auch hinsichtlich na‐ turwissenschaftlich-technischer Texte): Empfängerbezug, Einbettung der Übersetzung in den Kommunikationszusammenhang, Interpretation des Tex‐ tes durch den Übersetzer. Parallel zur linguistischen Übersetzungswissen‐ schaft im engeren Sinne finden wir in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts eine Betrachtungsweise des Übersetzens, die den kommu‐ nikativen Aspekt in den Vordergrund stellt. Übersetzen wird dabei nicht als rein linguistisches Phänomen unter dem Aspekt des Kodewechsels betrachtet, sondern als Kommunikationsakt, bei dem der Wechsel der Sprache nur einer (aber ein zentraler) der zu berücksichtigenden Faktoren ist. Zu den Arbeiten, die das Übersetzen in diesem Sinne als linguistisch-kommunikationswissen‐ schaftliches Problem behandeln, gehört das Werk, das in der Entwicklung der Übersetzungswissenschaft einen Meilenstein darstellt, ja mit dem die Überset‐ zungswissenschaft als Wissenschaft recht eigentlich begründet wurde: E. A. Nidas auch heute noch beeindruckende Pionierarbeit „Toward a Science of Translating“ (1964). E. A. Nida stellt in seinem Buch die Erörterung semantischer Probleme ins Zentrum. Dabei geht es ihm vor allem um die Einbeziehung moderner linguistischer Methoden und Resultate bei der Analyse des Bedeutungsprob‐ lems: der language-and-culture-Forschung von B. L. Whorf und der anthro‐ pologisch orientierten Linguistik, der allgemeinen Semantik (general seman‐ tics), die Sprache und menschliches Verhalten in Relation zueinander setzt, der Sprachpsychologie und der Philologie, welche die literarische Produktion in ihrem kulturellen Kontext sieht. Auf dieser Basis - Sprache aufgefasst als Teil des human behaviour - versucht E. A. Nida „an essentially descriptive ap‐ proach to the translation process“ (8). Die ausführliche Behandlung des Be‐ deutungsproblems wird folgendermaßen begründet: 9 Linguistik und Übersetzung 178 <?page no="179"?> Basic to any discussion of principles and procedures in translation is a thorough acquaintance with the manner in which meaning is expressed through language as a communication code […]. (30) Sprachliche Zeichen haben semantische, syntaktische und pragmatische Bedeutungen. Bei den semantischen Bedeutungen geht es um die Bezie‐ hungen zwischen den Zeichen (symbols) und ihren Referenten (das, worauf sich Zeichen beziehen). So segmentieren die einzelnen Sprachen das Far‐ benspektrum mit ihren Farbbezeichnungen auf unterschiedliche Weise. Syntaktische Bedeutungen ergeben sich aus der Anordnung und Hierar‐ chisierung der Zeichen: blackbird mit dem Akzent auf black bezeichnet die Amsel, black bird mit dem Akzent auf bird einen schwarzen Vogel. Prag‐ matische Bedeutungen haben zu tun mit den Beziehungen zwischen Zei‐ chen und menschlichem Verhalten; so reagieren Hörer oder Leser auf be‐ stimmte Weisen auf assoziationsgeladene Ausdrücke wie Sex oder Tod. Die Bedeutung eines Ausdrucks kann dabei nie losgelöst von der Kommuni‐ kationssituation betrachtet werden, in der er geäußert wird. Dem Kom‐ munikationsprozess mit seinen drei Faktoren Sender (source), Mitteilung oder Aussage (message) und Empfänger (receptor), und deren Bezug auf die Bedeutung muss besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Als fundamentale Merkmale sprachlicher Zeichen (linguistic symbols) werden von E. A. Nida (46 ff.) herausgearbeitet: 1. der arbiträre Charakter: arbiträre, d. h. beliebige, aber konventionell 1. festgelegte Relation zwischen Zeichen und Referent, zwischen Zei‐ chenklassen und Referentenklassen, zwischen Zeichenklassen und Zeichenklassen 2. die Eigenschaft, Referentenklassen zu bezeichnen: Die meisten Wör‐ 2. ter bezeichnen ganze Klassen von Objekten; Ausnahmen sind die Ei‐ gennamen, die sich nur auf einen Referenten beziehen; die Beschrei‐ bung des Geltungsbereiches eines Zeichens ist bei den fließenden Übergängen und den sich verändernden Grenzen äußerst schwierig; kein Ausdruck hat in verschiedenen Sprechsituationen genau die glei‐ che Bedeutung 3. die „Freiheit“ der Zeichen: Sprachliche Zeichen können ihren Gel‐ 3. tungsbereich erweitern, beschränken, verändern 4. die Welt der Erfahrung wird durch sprachliche Zeichen „segmentiert“: 4. Jede Sprache gliedert mittels ihrer Zeichen (Wörter) die „Welt“ auf oft einzelsprachspezifische Weise 9.3 Der linguistisch-kommunikative Ansatz 179 <?page no="180"?> 5. Sprache funktioniert immer in einem bestimmten sozialen Kontext: 5. Der Kommunikationsprozess zwischen Sender und Empfänger muss in seinem sozialen Bezug gesehen werden 6. Sprache operiert auf zwei Ebenen: a) Sie beschreibt die außersprach‐ 6. liche oder „praktische“ Welt, b) sie beschreibt die Sprache selbst (Me‐ tasprache, z. B. Sprache der Grammatik) In diesem Zusammenhang wird auch das Problem diskutiert, wie und warum Kommunikation überhaupt möglich ist, obwohl keine zwei Menschen die‐ selben Zeichen mit derselben Bedeutung benutzen, um exakt dieselben Er‐ fahrungen auszudrücken. Im Abschnitt über „Underlying Bases for Human Communication“ (53 ff.) werden vier Gründe für gegenseitige Verstehbar‐ keit angeführt, die nicht nur innerhalb einer Sprache, sondern auch zwi‐ schen Sprachteilnehmern verschiedener Sprachen gegeben ist: ▸ die Ähnlichkeit geistiger Prozesse bei allen Menschen ▸▸ die Ähnlichkeit somatischer Reaktionen ▸▸ die Spannweite kultureller Erfahrung: „Certainly the similarities that ▸ unite mankind as a cultural ‘species’ are much greater than the diffe‐ rences that separate.“ (55) ▸ die Fähigkeit der Menschen, sich an Verhaltensmuster anderer anzu‐ ▸ passen Verstehbarkeit und Übersetzbarkeit müssen zusammen gesehen werden (s. u., II.1); zwischen ihnen besteht ebenso wenig ein prinzipieller Unter‐ schied wie zwischen interlingualer und intralingualer Kommunikation: To suggest that the interlingual communication involved in translating is in some way basically different from intralingual communication is to seriously misjudge the very nature of language use. (E. A. Nida 1976: 65) Zentral bei E. A. Nida ist die Unterscheidung von zwei Äquivalenztypen (s. u., II.2.3): Die formal äquivalente Übersetzung richtet sich in Form und Inhalt auf die AS aus; die dynamisch äquivalente Übersetzung orientiert sich dagegen an der ZS und dem Empfänger der message. Die Probleme, die bei der Suche nach Äquivalenten auftauchen, systematisiert E. A. Nida fol‐ gendermaßen: 9 Linguistik und Übersetzung 180 <?page no="181"?> ▸ in der ZS-Kultur fehlt ein Element, das mit einem AS-Kulturelement ▸ korrespondiert; ▸ AS und ZS unterscheiden sich dadurch, dass nicht dieselben Elemente ▸ fakultativ bzw. obligatorisch sind (im Schwed. z. B. muss man im Un‐ terschied zum Dt. zum Ausdruck bringen, ob es sich um den Großvater väterlicherseits (farfar) oder den Großvater mütterlicherseits (mor‐ far) handelt); ▸ der Grad der decodability kann verschieden sein in AS und ZS, d. h. ▸ bestimmte Zeichen für bestimmte Sachverhalte sind in der AS geläu‐ figer als die entsprechenden in der ZS. Die Betrachtung des Übersetzungsprozesses mit dem Gewicht auf dem Prin‐ zip der dynamischen Äquivalenz ist empfängerbezogen; E. A. Nida spricht denn auch nicht von target language (ZS), sondern von receptor language (Sprache der Empfänger). Man kann von einer pragmatisch ausgerichte‐ ten Übersetzungswissenschaft sprechen oder, wie E. A. Nida (1976: 68) es tut, von einer soziolinguistischen Übersetzungstheorie. Aus dieser Sicht wird die Vorstellung abgelehnt, dass es so etwas wie eine und nur eine op‐ timale Übersetzung eines Textes geben könne; Übersetzungen müssen sich auf verschiedene Empfängergruppen einstellen: Varying educational levels, occupations, and interests greatly affect the ability of people to understand a message. Accordingly, it may be necessary to prepare quite different translations of the same text for such disparate groups as university students, primary-school graduates, newly literate adults, school children reading in a foreign language, and the mentally retarded. As a matter of fact, the Bible Societies are currently producing distinct translations of the Scriptures for pre‐ cisely these different classes of receptors. (E. A. Nida 1976: 68 f.) Der Sachverhalt, dass Übersetzungen meistens länger sind als ihre Originale, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass der Übersetzer zusätzliche Infor‐ mationen in die Übersetzung einbauen muss, um sie verstehbar zu machen. Während man bei einem AS-Text davon ausgehen können sollte (was man bekanntlich oft nicht tun kann), dass er im Blick auf seine intendierten Empfänger inhaltlich und formal so gestaltet ist, dass er deren Verstehens‐ kapazität nicht überfordert, muss sich der Übersetzer genau überlegen, wie die Verstehenskapazität der ZS-Empfänger einzuschätzen ist. Er hat die Aufgabe, den ZS-Text inhaltlich und formal so zu „bearbeiten“, dass es zu keiner Überforderung des Empfängers kommt. Die message, die Mitteilung, 9.3 Der linguistisch-kommunikative Ansatz 181 <?page no="182"?> sollte sprachlich so gefasst sein, dass sie den „Kanal des Empfängers“ pro‐ blemlos passieren kann; die ZS-Mitteilung muss kanalgerecht gestaltet wer‐ den, indem zusätzliche (zum Teil möglichweise sogar redundante) Informa‐ tion eingebaut wird. Abschließend kann festgestellt werden: Die Auffassung des Übersetzens als komplexer Kommunikationsakt vermag die Faktoren, die die inter‐ linguale Kommunikation bestimmen, wenn nicht zu beschreiben (d. h. ana‐ lytisch in ihren konkreten sprachlichen Auswirkungen zu fassen), so doch wenigstens zu benennen. Sie ist in der Lage, Übersetzungsprinzipien wie auch Übersetzerentscheidungen im Einzelfall zu erklären. Sie kann Normen, d. h. Leitschemata für den Übersetzer aufstellen und dessen Entscheidungen mit diesen Normen vergleichen und im Vergleich bewerten. Würde man sich aber die Aufgabe stellen, bei der Beschreibung von Übersetzungsäquiva‐ lenzbeziehungen alle denkbaren kommunikativen Faktoren zu berücksich‐ tigen, bestünde die Gefahr, dass sich der Begriff der Übersetzung auflöst in dem der interlingualen Paraphrase. Das Konzept des potentiellen Äquiva‐ lents wäre nicht mehr anwendbar, weil die Bestimmungsfaktoren im Emp‐ fängerbereich so vielfältig und so heterogen sein können, dass eine Festle‐ gung von regelhaften Beziehungen zwischen ZS- und AS-Entsprechungen nicht möglich ist. Wenn man nämlich alle möglichen Empfängergruppen, jede mögliche Textinterpretation und jeden denkbaren Übersetzungszweck als Faktoren bei der Ermittlung und Auflistung von Übersetzungsmöglich‐ keiten (potentiellen Äquivalenten) zulässt, dann gibt es zu jeder Äußerung eine nicht mehr vorhersagbare und beschreibbare Zahl von (inter- und int‐ ralingualen) Entsprechungen. Will die Übersetzungswissenschaft auch in der Beschreibung etwas leis‐ ten, so muss sie die Variablen beschränken. Von daher wird verständlich, dass sich die Translationslinguistik auf Texte beschränkt, die im sprach‐ lich-stilistischen Bereich so gestaltet sind, dass die Zahl der potentiellen und aktuellen Äquivalente überschaubar bleibt und wo die ZS-AS-Zuordnungen einen hohen Grad von Regelhaftigkeit aufweisen. Diesen Bedingungen ent‐ spricht der Komplex von Textsorten, deren Kernbereich naturwissenschaft‐ liche und technische Texte bilden und die R.W. Jumpelt (1961: 24 ff.) als pragmatische Übersetzung zusammenfasst (s. u., II.4.2.2). Stark empfänger‐ bezogene Übersetzungen wie religiöse Texte, Werbetexte, politische Reden oder stark sprachbezogene, formal-ästhetisch geprägte Texte (Poesie) sind bei diesem Ausgangspunkt einer deskriptiven Übersetzungswissenschaft nur mit mehr oder weniger starken Einschränkungen zugänglich. 9 Linguistik und Übersetzung 182 <?page no="183"?> Die neben den Beispielen aus Sachtexten doch zahlreichen Beispiele aus literarischen Texten in dieser „Einführung“ belegen, dass hier eine Auffas‐ sung von sprachwissenschaftlich orientierter Übersetzungswissenschaft vertreten wird, in der weite Bereiche der schönen Literatur ihren Platz ha‐ ben. Auch zeigen korpusbasierte Untersuchungen, die der sprachenpaar- und textbezogenen Übersetzungswissenschaft (s. o., I.8.1, s. u., II.2.6) zuzu‐ ordnen sind, dass auch literarische Texte brauchbar sind als Ausgangspunkt für die Beschreibung potentieller Äquivalenzbeziehungen. 9.4 Zusammenfassung Kapitel 9 beschreibt das Phänomen der lexikalischen und grammatischen Mehrdeutigkeit. Die Bedeutung des Textzusammenhangs (Kotext), der Si‐ tuation sowie des Weltwissens für die Disambiguierung wird behandelt. Außerdem werden Ziele und Methoden der linguistisch bzw. der linguis‐ tisch-kommunikativ orientierten Übersetzungswissenschaft erörtert. 9.4 Zusammenfassung 183 <?page no="185"?> 1 G. Thome in der „Einführung“ zur Festschrift für W. Wilss (1990: 2). 2 J. C. Catford (1965: 21). TL = Target Language. II. ÄQUIVALENZ […] denn schließlich kann sich keine ernstzunehmende Übersetzungstheorie welcher Ausprägung auch immer der zentralen Frage nach der zwischen einem Text und seiner Übersetzung bestehenden Relation entziehen. 1 The central problem of translation-practice is that of finding TL translation equi‐ valents. A central task of translation theory is that of defining the nature and conditions of translation equivalence. 2 <?page no="187"?> 3 Brief an A.W. Schlegel vom 23. Juli 1796, zit. nach P. Hartmann/ H. Vernay, Hrsg. (1970: 144). 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 1.1 Übersetzbarkeit im Widerstreit der Meinungen Man kann sich nicht mit Äquivalenz beschäftigen, d. h. der für die Überset‐ zung spezifischen Beziehung zwischen ZS-Text und AS-Text, ohne dass man sich mit der grundsätzlichen Frage nach den theoretischen Voraussetzungen, der Möglichkeit und den Grenzen dieser Beziehung auseinandersetzt. Es gibt kaum eine Frage in der jahrhundertealten Auseinandersetzung mit dem Übersetzen, die intensiver und kontroverser diskutiert worden ist, als die der theoretischen und praktischen Möglichkeit oder Unmöglichkeit des Übersetzens. Die folgenden Zitate zeigen, dass die Frage von unter‐ schiedlichen Positionen aus gestellt und beantwortet wird und wurde: 1. W. von Humboldt (1796): 3 1. Alles Übersetzen scheint mir schlechterdings ein Versuch zur Auflösung einer unmöglichen Aufgabe. Denn jeder Übersetzer muss immer an einer der beiden Klippen scheitern, sich entweder auf Kosten des Geschmacks und der Sprache seiner Nation zu genau an sein Original oder auf Kosten seines Originals zu sehr an die Eigentümlichkeiten seiner Nation halten. Das Mittel hierzwischen ist nicht bloß schwer, sondern geradezu unmög‐ lich. 2. M. Wandruszka (1967: 7): 2. Dichtung ist unübersetzbar. Ihr Klang ist unübersetzbar, ihr Rhythmus, ihre Melodie, aber das ist es nicht allein. Dichtung ist unübersetzbar, weil sie uns auffordert, nicht nur durch die Sprache hindurch, über die Sprache hinaus, sondern auch auf die Sprache selbst zu blicken. Dichtung ist die große andere Möglichkeit der Sprache, die Möglichkeit, das Werkzeug zum Kunstwerk zu machen. <?page no="188"?> 4 J. J. Breitinger, „Critische Dichtkunst“, 1740, Stuttgart 1966 (= Deutsche Neudrucke. Reihe Texte des 18. Jahrhunderts), Bd. 2, 138 f. (aus dem Abschnitt „Von der Kunst der Uebersetzung“). 3. J. J. Breitinger (1740): 4 3. Die Sprachen sind ein Mittel, dadurch die Menschen einander ihre Ge‐ dancken offenbaren können: Da nun die Gegenstände, womit die Men‐ schen sich in ihren Gedancken beschäftigen, überhaupt in der gantzen Welt einerley und einander gleich sind; da die Wahrheit, welche sie mit dieser Beschäftigung suchen, nur von einer Art ist; und da die Gemü‐ thes-Kräfte der Menschen auf eine gleiche Art eingeschräncket sind; so muß nothwendig unter den Gedancken der Menschen ziemliche Gleich‐ gültigkeit statt und platz haben; daher denn solche auch in dem Ausdrucke nothwendig wird. - Auf diesem Grunde beruhet nun die gantze Kunst, aus einer Sprache in die andere zu übersetzen. Von einem Uebersetzer wird erfodert, daß er eben dieselben Begriffe und Gedancken, die er in einem trefflichen Muster vor sich findet, in eben solcher Ordnung, Verbindung, Zusammenhange, und mit gleich so starckem Nachdrucke mit andern gleichgültigen bey einem Volck angenommenen, gebräuchlichen und be‐ kannten Zeichen ausdrücke, so daß die Vorstellung der Gedancken unter beyderley Zeichen einen gleichen Eindruck auf das Gemüthe des Lesers mache. 4. L. Bloomfield (1935: 278): 4. As to denotation, whatever can be said in one language can doubtless be said in any other: the difference will concern only the structure of the forms, and their connotation. 5. O. Kade (1971a: 26): 5. Somit kann festgestellt werden, dass in Bezug auf die semantische Bedeu‐ tung und damit die rationalen Komponenten des Informationsgehalts sprachlicher Texte prinzipiell keine Beschränkung der Übersetzbarkeit vorliegt. Alle Texte einer Sprache L x (Quellensprache) können unter Wahrung des rationalen Informationsgehalts im Zuge der Translation durch Texte der Sprache L n (Zielsprache) substituiert werden, ohne dass prinzipiell der Erfolg der Kommunikation beeinträchtigt oder gar in Frage gestellt wird. Zu dieser auch empirisch bestätigten Bejahung der Über‐ setzbarkeit berechtigt der Nachweis, dass jeder erkenntnismäßige Be‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 188 <?page no="189"?> wusstseinsinhalt in jeder Sprache kodierbar und der im Ergebnis der Ko‐ dierung (einschließlich der Umkodierung aus einer anderen Sprache) entstandene Text im Prinzip - wenn auch unter Überwindung dialekti‐ scher Widersprüche - durch potentielle Adressaten dekodierbar ist. Das Spektrum der Antworten ist breit: Es reicht von der These der absoluten Übersetzbarkeit (3) über die Bejahung der Übersetzbarkeit im Teilbereich der denotativen Bedeutung bzw. der „rationalen Komponenten“ des Infor‐ mationsgehalts (4, 5) zur Verneinung der Übersetzbarkeit für eine ganze Textgattung (2) bis zur Charakterisierung des Übersetzens als eine prinzi‐ piell unmögliche Aufgabe (1). In den folgenden Abschnitten werden - nach grundsätzlichen Überlegungen zum Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit - die Thesen der Unübersetzbarkeit (im Zusammenhang mit dem sprachlichen Relativitätsprinzip, der inhaltbezogenen Sprachauffas‐ sung und der Wortfeldtheorie), der relativen Übersetzbarkeit und der prin‐ zipiellen Übersetzbarkeit behandelt und diskutiert. 1.2 Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung Mit der Frage nach dem Verhältnis von Sprache, Denken, Wirklichkeit und menschlichem Verhalten beschäftigen sich Philosophen, Psychologen, An‐ thropologen, Ethnologen, Linguisten und Literaturwissenschaftler seit eh und je, und je nach Ausgangspunkt fallen die Antworten verschieden aus. Das gilt insbesondere für die im Blick auf die Übersetzbarkeitsproblematik wichtige Teilfrage nach dem Anteil der Einzelsprache am Erkenntnis‐ prozess und an der Wirklichkeitsinterpretation. Im Prozess der Auseinandersetzung mit der „Welt“ (in der primären und sekundären Sozialisation, im Arbeitsprozess, in Partnerschaft und Familie usw.) eignet sich der Mensch Sehweisen dieser „Welt“ an: Muster oder Modelle der Wirklichkeitsinterpretation. Man lernt, Sachverhalte wie Ehe, Sexualität, Tod, Arbeit usw. auf bestimmte Weise(n) zu betrachten und zu beurteilen. An der Entwicklung und Festigung dieser Sehweisen hat die Sprache einen wichtigen Anteil (neben der praktischen, nicht-verbalen Aus‐ einandersetzung mit der Wirklichkeit): Mit Sprache kommuniziert man über die Wirklichkeit bzw. die Wirklichkeitsinterpretationen. In dem Maße, wie die Wirklichkeitsinterpretationen kulturbedingt, d. h. historisch-gesell‐ 1.2 Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung 189 <?page no="190"?> 5 S. dazu K. Dirschauer, „Der totgeschwiegene Tod“, Bremen 1973, 30. schaftlich bedingt sind, sind auch die Weisen, über diese Wirklichkeitsin‐ terpretationen zu sprechen, historisch-gesellschaftlich bedingt. In der Spra‐ che schlagen sich die Wirklichkeitsinterpretationen nieder und mit der Sprache werden sie zugleich vermittelt. Den Sehweisen, Normen und Einstellungen, die man in der Sozialisation und in der praktischen Auseinandersetzung mit der „Welt“ erwirbt, entspre‐ chen sprachliche Sehweisen, Normen und Einstellungen. Ein Beispiel für eine solche kulturbedingte und sprachlich vermittelte Sehweise stellt das Wort Unkraut dar. Die Pflanzenwelt wird aufgrund wirtschaftlicher, viel‐ leicht auch ästhetischer (nicht aber biologischer) Interessen in zwei Klassen eingeteilt: in Kulturpflanzen und in Pflanzen ohne wirtschaftlichen Wert. Dabei kann man nicht einmal genau angeben, welche Pflanzen Unkraut sind; auch Nutz- und Zierpflanzen werden unversehens zu Unkraut, wenn sie in einem anderen Kulturbestand auftreten. In der Auseinandersetzung mit der „Welt“ lernt man das, was als Unkraut bezeichnet wird, vom Nicht-Unkraut zu unterscheiden (die Tätigkeit des Jätens bezieht sich nur auf Unkraut). Beim Spracherwerb wird die Wirklichkeitsinterpretation ‚Unkraut‘ über die Sprache vermittelt, wenn ein Kind wissen will, was Unkraut sei. Das Zusammenspiel von kulturbedingter Wirklichkeitserfassung und Sprache bzw. Sprachgebrauch zeigt sich besonders deutlich in Bereichen menschlichen Lebens, die als Rand- oder Tabuzonen oder jedenfalls als mehr oder weniger belastete Themen gelten: Tod und Sexualität. So wie der Wirk‐ lichkeitsbereich Sterben/ Tod/ Bestattung in unserem Kulturkreis (mehr oder weniger) genormt ist (am ausgeprägtesten in den Ritualen), erfolgt auch das Sprechen darüber in genormter Form. Wir lernen, die Vorgänge um Sterben und Tod auf bestimmte Weise(n) zu sehen und zu bewältigen (bzw. zu ver‐ drängen); in entscheidendem Maße helfen uns dabei die sprachlichen For‐ meln (Stereotype und Schematismen), die sich auf diese Seh- und Bewälti‐ gungsweisen beziehen und sie immer wieder bestätigen. „Tatsächliche“ Wirklichkeit, das heißt Sterben und Tod, wie es im Krankenhaus vor sich geht, und sprachliche Bewältigung dieser Wirklichkeit klaffen auseinander, wie sich dies etwa am Sprachgebrauch in Todesanzeigen nachweisen lässt. In den Anzeigen dominieren Verben wie einschlafen, entschlafen, verlassen, gehen, erlöst werden, die der Todesverdrängung dienen und in denen, wie kritisch angemerkt wird, die „Identität des Sterbens als Prozess“ verloren geht. 5 (Umgekehrt könnte man allerdings auch sagen, dass uns diese For‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 190 <?page no="191"?> 6 Ist nicht die Schleiermachersche Forderung nach Befolgung der verfremdenden Überset‐ zungsmethode (s. o., I.2.4), nach der Hinführung des Lesers zum Originaltext, von einer sol‐ chen emanzipatorischen Zielsetzung durchdrungen? 7 Im Norwegischen auf der Basis des generischen Maskulinums (lærer = Lehrer + Leh‐ rerin), manchmal auch des generischen Femininums (helsesøster ‚Gesundheitsschwes‐ ter‘ = Krankenpfleger + Krankenpflegerin). meln helfen, über das letztlich Unfassbare und Unvermittelbare „hinwegzu‐ kommen“.) Ein ähnlicher, die Wirklichkeitsauffassung prägender sprachlicher Ver‐ mittlungsprozess liegt im Bereich der Sexualität vor: Im Dt. stehen für frz. faire l’amour und engl. make love der medizinische Fachausdruck koitieren, der juristische Begriff Beischlaf ausüben, das amtssprachliche Geschlechts‐ verkehr haben, das religiös-poetische sich vereinigen, das euphemistische miteinander schlafen zur Auswahl - oder eben nicht-alltägliche, nicht-öf‐ fentliche, weitgehend als vulgär tabuisierte Ausdrücke wie ficken und bum‐ sen. Es ist eine Auswahl, die einerseits Entscheidendes aussagt über die Einstellung zur Sexualität in unserer Gesellschaft. Andererseits zeigen Ver‐ schiebungen in der sprachlich-textuellen und gesellschaftlichen Akzeptanz von Ausdrücken, die vor vielleicht gar nicht so langer Zeit als tabuisiert galten, wie sich Wertvorstellungen und Mentalitäten verändert haben. Dass sich bei der Übersetzung solcher Ausdrücke besondere Probleme stellen, liegt auf der Hand: Ein Ausdruck, der in den 1950er Jahren noch zum „ver‐ botenen Wortschatz“ gehörte, hat heute seine provokative Kraft möglicher‐ weise ganz oder teilweise eingebüßt. Eine Sprache sprechen bzw. sich eine Sprache aneignen heißt zunächst ein‐ mal, den in der Sprache konservierten Wirklichkeitsauffassungen ausgesetzt sein. Hineinwachsen in eine Sprache und eine Kultur heißt, die Wirklichkeits‐ auffassungen und die Sprache, in der diese Kultur tradiert wird, sukzessiv über‐ nehmen. Emanzipation ist nichts anderes als Kulturkritik, die zugleich eine sprachkritische Dimension hat. Und jede Übersetzung leistet einen Beitrag zu dieser Emanzipation, indem sie das in einer Sprachgemeinschaft Geltende in Frage stellen, durchbrechen oder erweitern kann. 6 Die feministische Linguistik geht davon aus, dass eine „patriarchalische Sprache“ wie das Deutsche nicht nur konventionelle Bilder der männlichen und weiblichen Rollenmuster tradiert, ja das Denken an männlichen Kate‐ gorien orientiert, sondern ein wichtiger Faktor bei der Be-, wenn nicht gar Verhinderung der sozialen Gleichstellung der Geschlechter ist. Selbst sprachstrukturell „fortschrittliche“ Sprachen wie das Norwegische 7 und 1.2 Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung 191 <?page no="192"?> 8 Sehr schöne Beispiele aus dem britischen Englisch und dem marokkanischen Arabisch finden sich bei A. Bentahila/ E. Davies (1989). Schwedische mit ihren vielen geschlechtsneutralen Substantiven enthalten ein Inventar von genusspezifischen Ausdrücken, denen Gerd Brantenberg in ihrem Roman „Egalias døtre“ (1979, dt. „Die Töchter Egalias“ 1980, über‐ setzt von Elke Radicke), engl. „Egalia’s daughters“ (1985, übersetzt von Louis Mackay) zu Leibe rückt: eine subversiv-feministische Sprachkritik als Kritik fixierter Geschlechterrollen (befruelse statt beherskelse - dt. Befrauschung ‚Beherrschung‘, kvinnesker statt mennesker - dt. Wibschen ‚Menschen‘, sjøkvinne statt sjømann - dt. Seefrau ‚Seemann‘, i kvinns minne statt i manns minne - dt. seit Wibschengedenken ‚seit Menschengedenken‘ usw.). Und wel‐ che Vielfalt von Übersetzungsproblemen stellt doch dieser sprachspieleri‐ sche Text! Aufs schönste ließen sich an ihm die verschiedenen Überset‐ zungsverfahren (unter Einschluss der Kompensation) herausarbeiten und (kritisch) beurteilen. Wenn gesagt wird, dass Sprache und Kultur aufs Engste miteinander ver‐ knüpft sind, schließt das nicht aus, dass es auf der einen Seite linguistische Phänomene gibt, die kulturunabhängig sind (dazu gehören das phonologi‐ sche und wohl auch das grammatische System einer Sprache), auf der an‐ deren Seite eindeutig nicht-linguistische, kulturbestimmte Phänomene (wie etwa Kleidung, Essgewohnheiten). In vielen Fällen aber ist der Gebrauch alltagssprachlicher und -weltlicher Ausdrücke nicht nur kulturbestimmt, d. h. er widerspiegelt kulturbestimmte Sehweisen von Sachverhalten, son‐ dern der sprachliche und der kulturelle Aspekt lassen sich nicht voneinander trennen. Man denke etwa an Routineformeln des Grüßens, Sich-Verabschie‐ dens, Sich-Bedankens und Sich-Entschuldigens, an Sprechakte wie Auffor‐ dern und Befehlen, an bestimmte rhetorische Mittel. 8 Um die Textstelle in folgendem Beispiel zu verstehen, braucht es kombiniertes sprachlich-kul‐ turelles Wissen. Es handelt sich um einen Dialog zwischen der Lehrerin, Frau Schachner, und dem „Klassenclown“ Anton - dem Alptraum der Schule. Beispiel II.1.-1 1. „Du blöder Affe“, sagte sie [die Lehrerin]. 2. Pochatz sagte: „Mir kom‐ men schon die Tränen.“ 3. „Ich geb dir gleich ein Taschentuch“, sagte Frau Schachner. 4. Da lachte Pochatz laut los. „Eins zu null für dich“, sagte er. 5. „Ich kann mich nicht erinnern, mit dir zusammen schon im 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 192 <?page no="193"?> 9 Zum Kulturbegriff in der Übersetzungswissenschaft, s. S. Lauscher (1998). Sandkasten gespielt zu haben“, sagte Frau Schachner. 6. „Was nicht ist, kann noch werden“, sagte Pochatz. (D. Chidolue, „Anton Pochatz. Klas‐ senclown“, Hamburg 1989, 23). Das Verständnis der Äußerung 5. setzt voraus, dass man den Bruch der deutschen Konvention versteht, der darin liegt, dass Pochatz die Lehre‐ rin in 4. duzt. Bei der Übersetzung ins Norwegische und Schwedische stellt sich das Problem, dass das gegenseitige Duzen von Lehrern und Schülern in Norwegen und Schweden völlig normal ist. Von diesen Überlegungen aus (sie werden in II.1.4 modifiziert) lässt sich die Brücke zur Übersetzbarkeitsproblematik schlagen. Was hier in einem weiten Sinne Kultur genannt wird, ist bei der Darstellung des Übersetzungsprozesses (s. o., I.7.1) als kommunikativer Zusammenhang bezeichnet worden. 9 Da‐ bei wird unterschieden zwischen dem kommunikativen Zusammenhang, in dem der AS-Text steht, und dem kommunikativen Zusammenhang des ZS-Textes. Wenn Sprache und kommunikativer Zusammenhang in dem ge‐ genseitigen Bedingungsverhältnis stehen, wie es oben dargestellt wurde, dann ist absolute Übersetzbarkeit trotz Sprachverschiedenheit gegeben, wenn die kommunikativen Zusammenhänge von AS und ZS identisch sind. So kann man davon ausgehen, dass in einer mehrsprachigen Stadt, in der die Einwohner zweisprachig aufwachsen, im Idealfall ein kommunikativer Zusammenhang gegeben ist, der dazu führt, dass in beiden Sprachen dieselben Wirklichkeits‐ interpretationen vermittelt werden: absolute Übersetzbarkeit AS ZS kommunikativer Zusammenhang AS = ZS Abb. II.1.-1 1.2 Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung 193 <?page no="194"?> Der andere Extremfall liegt dann vor, wenn die kommunikativen Zusammen‐ hänge von AS und ZS keinerlei Gemeinsamkeit aufweisen (ältere ethnologi‐ sche oder belletristische Beschreibungen von „wilden Eingeborenenstämmen“ vermitteln manchmal den Eindruck, dass es solche inkommensurablen Kultu‐ ren gibt bzw. gab). In diesem Fall ist von absoluter Nicht-Übersetzbarkeit zwischen AS und ZS zu sprechen: absolute Nicht-Übersetzbarkeit AS ZS kommunikativer Zusammenhang AS kommunikativer Zusammenhang ZS Abb. II.1.-2 Teilweise Übersetzbarkeit ist dann gegeben, wenn sich die kommunika‐ tiven Zusammenhänge von AS und ZS überlappen: Sprachverwendungen, die sich auf den Überlappungsbereich beziehen, sind übersetzbar. teilweise Übersetzbarkeit AS ZS kommunikativer Zusammenhang AS kommunikativer Zusammenhang ZS Abb. II.1.-3 Bei dieser Betrachtungsweise des Verhältnisses von Sprache, kommunika‐ tivem Hintergrund und Übersetzung ist Übersetzbarkeit abhängig vom Abstand der kommunikativen Zusammenhänge von AS und ZS, mit dem der Abstand zwischen den Sprachen bzw. den Sprachverwendungs‐ weisen korreliert: 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 194 <?page no="195"?> abnehmende Übersetzbarkeit AS ZS kommunikativer Zusammenhang AS kommunikativer Zusammenhang ZS zunehmender Abstand Abb. II.1.-4 Diese Betrachtungsweise muss modifiziert werden, weil sie dem dynami‐ schen Charakter des Verhältnisses Sprache - Denken - Wirklichkeitsauf‐ fassung - Wirklichkeit, der Kreativität und Heterogenität der Sprache, den metakommunikativen Möglichkeiten der Sprache, dem In-Texten-Vorkom‐ men sprachlicher Einheiten und der Leistung des Denkens im Erkenntnis- und Verstehensprozess zu wenig Rechnung trägt. Außerdem ist im Blick auf die Textgebundenheit des Übersetzens zu beachten, dass sich Texte in Ab‐ hängigkeit von ihrer Thematik bezüglich der Kulturspezifik unterschiedlich verhalten; stark schematisierend lassen sich folgende Thematiktypen un‐ terscheiden (nach K. Henschelmann 1980: 29 ff.): ▸ Texte, die sich mit „internationaler Thematik“ beschäftigen: ▸ Solche Gegenstände und Sachverhalte begründen räumlich mehr oder we‐ niger umfassende (übernationale) Kommunikationsgemeinschaften, an denen AS- und ZS-Empfänger teilhaben, sei es aktiv, aus dem Bedürfnis nach kommunikativem Kontakt (z. B. als Fachleute oder Lernende auf dem Gebiet der Atomphysik), sei es passiv, aufgrund der Lebensumstände (z. B. als Mitglieder hochentwickelter Industrieländer, einer Gesellschaft mit westlichem Lebensstil). (K. Henschelmann 1980: 29) ▸ Texte, die sich mit landesspezifischen Gegenständen befassen, d. h. ▸ mit geographischen, institutionellen, sozialen usw. Sachverhalten der AS-Empfänger. ▸ Texte, die sich mit Themen aus dem ZS-Kulturkontext befassen (z. B. ▸ ein französischer Originaltext, der das parlamentarische System Deutschlands darstellt). 1.2 Sprache, Denken und Kultur - Kulturspezifik der Übersetzung 195 <?page no="196"?> 10 Zu kulturspezifischen Elementen (Kulturspezifika), s. M. Gu (2016), J.-Y. Kim (2015), P. R. Steuer (2004), M. Sieradzka-Kulasa (2000), J. A. A. Martínez (2012). ▸ Texte, die sich mit Themen befassen, die ein Land betreffen, das weder ▸ zum ASnoch zum ZS-Kulturkontext gehört. Zu bedenken ist auch, dass der Grad der Übersetzbarkeit nicht identisch sein muss mit dem Grad der Übersetzungsschwierigkeit. So weist C. Nord (1988) auf die „Verständnisfallen“ hin, die sich bei geringem Abstand zwi‐ schen AS- und ZS-Zusammenhang ergeben können: Je geringer die Distanz zwischen der A-Textwelt und der Z-Kultur ist, desto ge‐ fährlicher sind die Verständnisfallen, die durch unauffällige kulturelle Unter‐ schiede entstehen, gerade weil die Anbindung an das Vorwissen des Z-Empfän‐ gers erleichtert zu sein scheint. Eine solche „Verständnisfalle“ liegt etwa in deutsch-norwegischer Perspek‐ tive beim obigen Beispiel mit der Du-Anrede vor (Beispiel II.1.-1); sehr schön kommt dies auch in folgendem Beispiel zum Ausdruck, das nahe‐ legt, zwischen offenen und verdeckten kulturspezifischen Elementen zu unterscheiden. 10 Beispiel II.1.-2 Folgende Begrüßungsszene zwischen den beiden Hauptpersonen spielt sich am Anfang von Gunnar Staalesens Kriminalroman „Im Dunkeln sind alle Wölfe grau“ (norw. Original 1983, dt. 2001) ab: Hjalmar Nymark kam aus dem Regen herein, strich das nasse Haar zurück und schüttelte das Wasser vom Mantel. Er sah sich um. Es war kein Tisch mehr frei, aber gleich neben meinem stand ein leerer Stuhl. Er kam ruhig herüber. Als er vor mir stand, nickte er freundlich und sagte: „Ich sehe niemanden, den ich kenne. Ist hier Platz? “ „Wenn du nicht zuviel Ellenbogenfreiheit brauchst, schon.“ Ich rückte meinen Stuhl näher an den Pfeiler, an dem mein Tisch stand. Dann stand ich auf und wir gaben einander die Hand, „Veum. Varg Veum.“ Er gab mir eine Hand, die nicht so groß und kräftig war, wie ich erwartet hatte. „Hjalmar Nymark.“ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 196 <?page no="197"?> 11 S. dazu den Übersichtsartikel zum „Worten der Welt“ von I. Werlen (2002); L. Weisgerber (1971, 1973), H. Hörmann (1970, Kap. XV: „Der Einfluss der Sprache auf die Weltansicht des Menschen“), H. Gipper (1974). 12 S. dazu B. L. Whorf (1956), P. Henle, Hrsg. (1969), H. Gipper (1972), A. Schaff (1964, „Ethnolinguistik: Die Sapir-Whorf-Hypothese“, 61-93), H. Dürbeck (1975), J. E. Joseph (1996), H. Härtl (2009). Für den deutschen Leser ist der Hinweis darauf, dass die Begrüßung mit Handschlag erfolgt, im Grunde genommen redundant: So begrüßt man sich normalerweise im deutschen Kulturraum. Der Text wäre genau so eindeutig, wenn es heißen würde: Dann stand ich auf und stellte mich vor: „Veum. Varg Veum.“ Seine Hand war nicht so groß und kräftig, wie ich erwartet hatte. Für den norwegischen Leser verhält es sich anders: Die Begrüßung mit Handschlag ist nicht obligatorisch, sondern fakultativ; sie bedeutet et‐ was Besonderes. 1.3 Inhaltbezogene Sprachauffassung und sprachliches Relativitätsprinzip Von den oben angestellten Überlegungen zum Verhältnis von Sprache - Denken - Wirklichkeit lässt sich eine Verbindung herstellen zu den sprach‐ philosophischen Grundlagen der inhaltbezogenen Sprachwissenschaft, die insbesondere mit dem Namen von L. Weisgerber verknüpft ist, 11 und zum Werk von B. L. Whorf, in dem die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese (auch sprachliches Relativitätsprinzip genannt) entwickelt wird. 12 Die Sprachauffassung der inhaltbezogenen Grammatik besagt, dass die natürlichen Sprachen, mit denen der Mensch die Welt kommunizierbar macht, diese nicht einfach abbilden, sondern deutend vermitteln, und zwar in sprachlich bestimmten geistigen Zwischenwelten. Deren Funktion il‐ lustriert L. Weisgerber (1971: 41 ff.) am Beispiel der Sternbilder: Die Zusam‐ menfassung einzelner Sterne zum Sternbild Orion kann vom Aufbau der Sternenwelt her nicht begründet werden. Diese Sterne werden erst in der Sichtweise des Menschen, d. h. aufgrund einer ordnenden geistigen Tätig‐ keit, zum Sternbild Orion. 1.3 Inhaltbezogene Sprachauffassung und sprachliches Relativitätsprinzip 197 <?page no="198"?> 13 S. dazu H. Geckeler (2002), T. Gloning (2002), L. Schmidt, Hrsg. (1973), E. Leisi (1973, Kap. 6: „Vergleich englischer Wortbedeutungen mit ihren Nachbarn - Paradigmatische Semantik“). Die geistige Zwischenwelt ist - und das ist der zentrale Punkt bei L. Weisgerbers Ansatz - „ihrem Dasein und ihrem Wesen nach ‚Sprache‘“ (1971: 54). Sprache heißt dabei immer Muttersprache; es handelt sich um eine Zwischenwelt muttersprachlicher Inhalte, mit denen den Angehörigen einer Sprachgemeinschaft ein muttersprachlich bestimmtes Bild von der Welt vermittelt wird, das Weltbild der Muttersprache. Mit dem Beispiel der Farbbezeichnungen, mit denen das Farbenspektrum in verschiedenen Sprachen unterschiedlich gegliedert wird, und dem Beispiel der Verwandt‐ schaftsbezeichnungen, in denen die Verwandtschaftsbeziehungen unter‐ schiedlich erfasst werden, versucht L. Weisgerber anschaulich zu machen, wie die außersprachliche Wirklichkeit in verschiedenen Muttersprachen unterschiedlich gegliedert (segmentiert) und wie dem Muttersprachler die Wirklichkeit durch die „Brille“ einzelsprachlicher Inhalte als sprachliche Wirklichkeit vermittelt wird. Sprachliche Zwischenwelt und muttersprachliche Weltansicht sind in be‐ sonderem Maße in den Wortfeldern fassbar. 13 J. Trier, der die Lehre vom sprachlichen Feld begründete, versteht unter einem Wortfeld die Gesamtheit der Wörter, die einen „mehr oder weniger geschlossenen Begriffskomplex“ aufgliedern: Die das Wortfeld, den Wortmantel, die Wortdecke mosaikartig zusammensetzen‐ den Einzelworte legen - im Sinne ihrer Zahl und Lagerung - Grenzen in den Begriffsblock hinein und teilen ihn auf. ( J. Trier 1931: 1) Seine inhaltliche Bestimmtheit gewinnt ein Einzelwort erst in der Struktur des ganzen Wortfeldes. Zur Illustration zieht J. Trier die Leistungsbewertung heran: Was mangelhaft bedeutet, kann erst im Zusammenhang der ganzen Bewertungsskala bestimmt werden. Mangelhaft ist in einer viergliedrigen Skala (mangelhaft - genügend - gut - sehr gut) etwas anderes als in einer sechsgliedrigen Skala (ungenügend - mangelhaft - ausreichend - befriedi‐ gend - gut - sehr gut). Nach dieser Auffassung gliedert sich der gesamte Wortschatz einer Sprache in solche Felder. So lässt sich der Stellenwert von klug erst im Gesamtfeld der Bezeichnungen für intellektuelle Fähigkeiten und Eigenschaften (klug - gescheit - intelligent - begabt - dumm usw.) be‐ stimmen. Zugleich leisten diese Felder Entscheidendes bei der Welterfas‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 198 <?page no="199"?> 14 Vgl. dazu P. Osswald (1977), G. Thiel/ G. Thome (1996). sung; in der Feldaufteilung drückt sich nach J. Trier „die Weltanschauung einer Sprache in einem bestimmten Zeitpunkt“ aus (20). L. Weisgerber, der den Feldgedanken aufnimmt und weiterentwickelt, spricht gar von den „Ge‐ setzen des sprachlichen Feldes“ (1971: 96 ff.), die bei der Erforschung des Weltbildes einer Sprache von „ausschlaggebender Bedeutung“ seien, „weil hier nun tatsächlich die Eigengesetzlichkeit der sprachlichen Denkwelt voll zu ihrem Recht kommt und das Bewusstmachen der Sprache bestimmt“ (101). Im Sprachvergleich zeigt sich, dass diese sprachlichen Felder einzel‐ sprachlich unterschiedlich aufgebaut sind, 14 und das bedeutet letztlich, dass die Bedeutungen einzelner Wörter verschiedener Sprachen streng genom‐ men nicht miteinander verglichen und schon gar nicht gleichgesetzt werden können, weil ihr Stellenwert in den einzelsprachlichen Feldern je verschie‐ den ist. Die unterschiedliche Gliederung der Sprachinhalte in einzelsprach‐ lichen Feldern ist (nach L. Weisgerber 1971: 68) Indiz dafür, dass jede Mut‐ tersprache eine für die betreffende Sprachgemeinschaft verbindliche Zwischenwelt enthält. Die Konsequenzen dieser Sprachauffassung für die Übersetzbarkeitsprob‐ lematik liegen auf der Hand. Wenn jede Einzelsprache ein eigenes, die Wirk‐ lichkeitsauffassung der Sprecher dieser Sprache determinierendes Weltbild enthält, so kann der Satz Sprachen sind ihrem Wesen nach unübersetz‐ bar als sprachtheoretisches Axiom gelten. Denn jede Übersetzung transpo‐ niert die sprachlichen Inhalte einer Muttersprache in solche einer andern Muttersprache, die beide je unterschiedliche geistige Zwischenwelten kon‐ stituieren, in denen die „Welt“ dem Menschen verfügbar und kommunizier‐ bar gemacht wird. Der Schritt zur expliziten Identifizierung von (mut‐ ter-)sprachlicher Struktur und Denkstruktur wird von L. Weisgerber nicht getan; das Verhältnis zwischen der bei der Wirklichkeitserfassung wirksa‐ men „Macht der Sprache“ und dem Denk- und Erkenntnisvermögen bleibt unbestimmt. Ohne Zweifel übernimmt bei L. Weisgerber die Sprache aber Funktionen, die von anderen erkenntnistheoretischen Standpunkten aus dem Denken zukommen. Die Gleichsetzung von Denken und Sprechen und die These der mehr oder weniger totalen Determiniertheit der Wirklichkeitserfassung durch die Struktur der Sprache(n) ist der Inhalt des linguistischen Relativitätsprin‐ zips, der Sapir-Whorf-Hypothese, wie es B. L. Whorf (1956, dt. 1963) im An‐ schluss an ähnliche Gedanken E. Sapirs formuliert: 1.3 Inhaltbezogene Sprachauffassung und sprachliches Relativitätsprinzip 199 <?page no="200"?> Aus der Tatsache der Strukturverschiedenheit der Sprachen folgt, was ich das ‚linguistische Relativitätsprinzip‘ genannt habe. Es besagt, grob gesprochen, fol‐ gendes: Menschen, die Sprachen mit sehr verschiedenen Grammatiken benützen, werden durch diese Grammatiken zu typisch verschiedenen Beobachtungen und verschiedenen Bewertungen äußerlich ähnlicher Beobachtungen geführt. Sie sind daher als Beobachter einander nicht äquivalent, sondern gelangen zu irgendwie verschiedenen Ansichten von der Welt. (20) An anderer Stelle heißt es: Die Kategorien und Typen, die wir aus der phänomenalen Welt herausheben, finden wir nicht einfach in ihr - etwa weil sie jedem Beobachter in die Augen springen; ganz im Gegenteil präsentiert sich die Welt in einem kaleidoskopartigen Strom von Eindrücken, der durch unseren Geist organisiert werden muss - das aber heißt weitgehend: von dem linguistischen System in unserem Geist. Wie wir die Natur aufgliedern, sie in Begriffen organisieren und ihnen Bedeutungen zu‐ schreiben, das ist weitgehend davon bestimmt, dass wir an einem Abkommen beteiligt sind, sie in dieser Weise zu organisieren - einem Abkommen, das für unsere ganze Sprachgemeinschaft gilt und in den Strukturen unserer Sprache kodifiziert ist. Dieses Übereinkommen ist natürlich nur ein implizites und un‐ ausgesprochenes, aber sein Inhalt ist absolut obligatorisch; wir können überhaupt nicht sprechen, ohne uns der Ordnung und Klassifikation des Gegebenen zu un‐ terwerfen, die dieses Übereinkommen vorschreibt. (12) Aufschlussreich ist auch folgender Abschnitt: Das Denken selbst geschieht in einer Sprache - in Englisch, in Deutsch, in Sans‐ krit, in Chinesisch… Und jede Sprache ist ein eigenes riesiges Struktursystem, in dem die Formen und Kategorien kulturell vorbestimmt sind, aufgrund deren der einzelne sich nicht nur mitteilt, sondern auch die Natur aufgliedert, Phänomene und Zusammenhänge bemerkt oder übersieht, sein Nachdenken kanalisiert und das Gehäuse seines Bewusstseins baut. (52 f.) Um seine These zu belegen, kontrastiert B. L. Whorf Sprach- und Denk‐ strukturen der Hopi-Indianer mit europäischen Sprach- und Denkstruktu‐ ren, wobei er (insbesondere hinsichtlich der Raum-Zeit-Auffassungen) grundlegende Unterschiede feststellen zu können glaubt. In unserem Zusammenhang ist weniger wichtig, dass - mit Ausnahme des „Verifizierungsversuchs“ von H. Gipper (1972: 173 ff.), der die empiri‐ schen Aussagen B. L. Whorfs in wesentlichen Teilen falsifiziert - keine Un‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 200 <?page no="201"?> tersuchungen vorliegen, die auf empirischer Basis die Relativitätshypothese mit einem umfangreicheren, auf mehrere Sprachen bezogenen Material un‐ termauern könnten, als die Tatsache, dass B. L. Whorf selbst eine wichtige Einschränkung macht. Die Unterschiede zwischen den Sprach- und Denk‐ strukturen der europäischen Sprachen scheinen ihm nämlich im Vergleich mit dem Hopi so geringfügig zu sein, dass er sie unter dem Begriff der SAE-Sprachen (Standard Average European) zusammenfasst. Das Axiom der Unübersetzbarkeit, das eine direkte Konsequenz des Relativitätsprinzips ist, gilt demnach nur zwischen Sprachen, die in Kulturen gesprochen werden, die stark von der europäisch-amerikanischen (Einheits-)Kultur abweichen (s. dazu aber im nächsten Abschnitt, Punkt 5). Darin liegt eine entscheidende Relativierung des Relativitätsprinzips und der Unübersetzbarkeitsthese. 1.4 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit Die Sprache spielt bei der Wirklichkeitserfassung eine wichtige Rolle: In ihr schlagen sich (mögliche) Wirklichkeitsinterpretationen nieder, die in einer Kultur (in einem kommunikativen Zusammenhang) gelten. Wo diese Wirk‐ lichkeitsinterpretationen voneinander abweichen, stellt sich zugleich das Problem der Übersetzbarkeit. In kritischer Auseinandersetzung mit den Sprachauffassungen L. Weisgerbers und B. L. Whorfs, bei gleichzeitiger Mo‐ difizierung der in II.1.2 angestellten Überlegungen, soll im Folgenden die Auffassung der relativen Übersetzbarkeit dargestellt werden: 1. Die unbestrittene praktische Möglichkeit der Übersetzung und 1. das unbestreitbare Gelingen der Kommunikation mit Überset‐ zungen - auch zwischen Sprachen, die in voneinander stark abwei‐ chenden kommunikativen Zusammenhängen gelten - machen deut‐ lich, dass die menschlichen Sprachen offensichtlich wesentlich flexibler, dynamischer und vielschichtiger sind, als dies die letztlich statischen Begriffe der Muttersprache bei L. Weisgerber und der Ein‐ zelsprachstruktur bei B. L. Whorf erwarten lassen. Ebenso ist das Ver‐ hältnis von Sprache - Wirklichkeitsauffassung - Wirklichkeit ein dy‐ namisches: Kulturen (kommunikative Zusammenhänge) sind durch ständige Veränderung gekennzeichnet. Es sind Veränderungen der kommunikativen Bedürfnisse, die Veränderungen der Sprachverwen‐ 1.4 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit 201 <?page no="202"?> dung nach sich ziehen. Jede Übersetzung verändert in diesem Sinne sowohl die ZS als auch den zielsprachlichen kommunikativen Zu‐ sammenhang. Je stärker die Übersetzung E. A. Nidas Prinzip der for‐ malen Äquivalenz bzw. F. Schleiermachers verfremdender Überset‐ zungsmethode (s. u., II.2.3, s. o., I.2.4) verpflichtet ist, desto größer ist die Herausforderung für ZS, ZS-Kultur und ZS-Empfänger, und desto mehr muss die ZS ihren dynamischen und veränderbaren Charakter unter Beweis stellen. 2. Mit Sprache kann man nicht nur über Außersprachliches sprechen, 2. sondern über die Sprache selbst: Sprache hat kommunikative und metakommunikative Funktionen. Sprache, das Verhältnis von Sprache und Wirklichkeitsauffassung, von Sprache und Wirklichkeit kann in der gleichen oder einer anderen Sprache thematisiert werden; die einzelsprachliche Bedingtheit ist in und mit der Sprache aufhebbar. Die metakommunikative (oder auch selbstreflexive) Funktionsmög‐ lichkeit der Sprache wird in Übersetzungen häufig ausgenützt: Mittels kommentierender Übersetzungsverfahren (s. u., II.3.9) werden in Fußnoten, Anmerkungen, Vor- und Nachworten, erklärenden Zusät‐ zen im Text selbst Begriffe geklärt und unübersetzbare Wörter erörtert oder wird auf „unübersetzbare“ konnotative Werte eingegangen. 3. Die Verselbständigung und damit Überschätzung der Rolle der Spra‐ 3. che im Erkenntnisprozess geht in den Theorien L. Weisgerbers und B. L. Whorfs einher mit der Unterschätzung der Rolle des Den‐ kens. Nach E. H. Lenneberg (1967, dt. 1972) ist es „evident“, „dass die kognitive Funktion ein grundlegenderer und früherer Prozess ist als die Sprache und dass die Abhängigkeitsbeziehung der Sprache von der Kognition unvergleichlich viel stärker ist als die umgekehrte Be‐ ziehung“ (456). Ein kausales und unmittelbares Abhängigkeitsver‐ hältnis von Sprache und Denken zu postulieren, wie dies das linguis‐ tische Relativitätsprinzip tut, verkennt einerseits das komplizierte gegenseitige Bedingungsverhältnis von Sprache und Denken, ande‐ rerseits den (teilweise) unzweifelhaft sprachunabhängigen, universa‐ len Charakter der menschlichen Erkenntnisfähigkeit. Keine natürli‐ che Sprache ist aufgebaut wie die „Sprachen“ der formalen Logik, trotzdem können wir in logischen Kategorien denken und dieses lo‐ gische Denken mit den „unlogischen“ Mitteln der natürlichen Spra‐ chen wiedergeben. Sprache ist zwar ein kulturbedingtes Phänomen und beeinflusst als solches die Art der Wirklichkeitserfassung, im Er‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 202 <?page no="203"?> 15 S. dazu G. Wienold (2004), der den Fall der Übersetzung zwischen Sprachen mit großem strukturellem und kulturellem Abstand am Beispiel Japanisch-Deutsch behandelt. kenntnisprozess können aber die sprachlich vermittelten Denksche‐ mata zugleich reflektiert und damit überwunden werden. 4. Eine Einzelsprache ist kein homogenes, sondern ein äußerst hetero‐ 4. genes Gebilde. Es gibt eine Vielzahl von Sprachen „in der Sprache“, mit denen sich die Sprecher einer Sprache auf ihre „Welt“ beziehen, die ganz unterschiedlich gesehen und interpretiert werden kann. Um die Begriffe L. Weisgerbers zu verwenden: Es gibt nicht die eine sprachliche Weltansicht, das eine Weltbild einer Sprache, sondern - innerhalb einer Sprache und Sprachgemeinschaft - verschiedene Weltbilder. 5. Der homogene und unhistorische Sprachbegriff bei L. Weisgerber und 5. B. L. Whorf hat sein Gegenstück in einem homogenen, statischen und ahistorischen Kulturbegriff bzw. einem Begriff der Sprach‐ gemeinschaft, der an die „completely homogeneous speech-commu‐ nity“ von N. Chomsky (1965: 3) erinnert. Die Begriffe der Sprachge‐ meinschaft und des muttersprachlichen Weltbilds legen die Identifizierung von Sprache/ Sprachgemeinschaft und Kultur nahe (zum Beispiel deutsche Sprache/ Sprachgemeinschaft und deutsche Kultur). Die gleiche Sprache wird einerseits jedoch in unterschiedli‐ chen Kulturen gesprochen (man denke an das Englische und Franzö‐ sische in ehemaligen Kolonien), andererseits ist auch die Einheit der Sprachgemeinschaftskultur eine Fiktion: Italienisch wird in Italien in ganz verschiedenen Kulturen gesprochen (Norditalien vs. Süditalien) (s. Beispiel I.7.-1). Unter diesem Aspekt erweist sich die Whorfsche Zusammenfassung der europäischen Sprachen zu den SAE-Sprachen als problematisch: Die Kulturen, in denen diese Sprachen gesprochen werden, sind in sich so heterogen, dass - akzeptiert man die Prämissen von B. L. Whorf - von verschiedenen Sprach- und Denkstrukturen innerhalb dieser Sprachen ausgegangen werden müsste. Die Überset‐ zungspraxis zeigt außerdem, dass die Übersetzung zwischen struktu‐ rell und kulturell ähnlichen Sprachen/ Sprachgemeinschaften (also etwa zwischen Deutsch, Englisch, Schwedisch, Russisch) keineswegs problemloser sein muss als die Übersetzung zwischen strukturell stark divergierenden Sprachen. 15 In literarischen oder in landeskundlich orientierten Texten treten immer wieder Ausdrücke auf, die sich auf 1.4 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit 203 <?page no="204"?> 16 A. Gardt (1989) macht geltend, dass Iren und Amerikaner zwar in unterschiedlichen Kulturgemeinschaften, aber derselben Sprachgemeinschaft leben. Die innereuropäi‐ schen Kulturunterschiede wiederum sind - trotz der Sprachunterschiede - in bestimm‐ ten Bereichen kleiner als die Kulturunterschiede zwischen Irland und den USA. Daraus zieht A. Gardt den Schluss: „Einem deutschen Leser könnte demnach der Roman Ulysses […] selbst in der Übersetzung noch kulturell vertrauter sein als einem amerikanischen Leser im Original.“ (50) (Allerdings sollte die einzelkulturüberschreitende Potenz von literarischenTexten auch nicht unterschätzt werden.) spezifisch landeskonventionelle Sachverhalte (Sitten und Bräuche, Rituale, Stereotype, historische Anspielungen) beziehen, die dem Übersetzer zunächst als unübersetzbar erscheinen - ganz zu schwei‐ gen von der Wiedergabe konnotativer Werte im Zusammenhang mit dialektalen oder soziolektalen Einschlägen im Sprachgebrauch. 16 Hinsichtlich der Indianerkulturen, die B. L. Whorf als Beweis für das sprachliche Relativitätsprinzip anführt, ist zu fragen: Gibt es heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, noch größere Kulturen, die völlig in sich geschlossen sind, sich dem europäisch-amerikanischen Einfluss, d. h. den europäisch-amerikanischen Kulturformen, gänzlich entziehen können und ihre eigenen, sprachbedingten Wirklichkeitsauffassun‐ gen, die entscheidend und „unübersetzbar“ von den unsern abwei‐ chen, konservieren? Nachdenklich muss jedenfalls eine Feststellung H. Gippers (1972: 90) stimmen, der im Zusammenhang mit der Be‐ hauptung, es sei unmöglich, das Werk eines europäischen Philoso‐ phen in die Hopi-Sprache zu übersetzen, ausführt: Freilich besagt diese nüchterne Feststellung nicht, dass die Hopi-Sprache nicht so weit fortentwickelt werden könnte, dass derartiges eines Tages doch noch möglich würde. Dazu wären aber enorme Anstrengungen vieler Generationen von Hopi-Gelehrten nötig, und zwar schon allein dazu, den Wort- und Begriffsschatz dieser Sprache entsprechend zu erweitern. Sol‐ che Hopi-Gelehrte gibt es aber zur Zeit gar nicht, und eine Sprachgemein‐ schaft von wenigen tausend Menschen wäre auch wohl kaum in der Lage, sie zu stellen. Mit anderen Worten, hierzu wird es praktisch nie kommen - ganz abgesehen davon, dass es auch ziemlich sinnlos wäre, ein solches Ziel ins Auge zu fassen angesichts der Tatsache, dass das übermächtige Englisch heute schon tief in das Leben der Hopis eingedrungen ist und dem wissenschaftlich interessierten Indianer den Zugang zu den ameri‐ kanischen Hochschulen eröffnet. 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 204 <?page no="205"?> 17 Inzwischen werden übrigens auch in Deutschland Wärmepumpen als Klimageräte ein‐ gesetzt, s. <http: / / www.alternative-energiequellen.com/ kuehlen_mit_waermepumpen. html>. Kulturelle Unterschiede und die damit verbundenen Übersetzungs‐ probleme kann man unterschätzen (wie dies bei der rationalistischen Übersetzbarkeitsthese der Fall ist), man kann sie aber auch überschät‐ zen. Der Auffassung von J. de Waard/ E. A. Nida (1986: 43 f.) ist wohl zuzustimmen, dass nämlich die kulturellen Ähnlichkeiten zwischen den Völkern viel größer sind als man anzunehmen gewohnt ist: […] all peoples share far more cultural similarities than is usually thought to be the case. What binds people together is much greater than what separates them. In adjustments to the physical environment, in the orga‐ nization of society, in dealing with crucial stages of life (birth, puberty, marriage, and death), in the development of elaborate ritual and symbol‐ ism, and in a drive for aesthetic expression (whether in decorating masks or in refining poetic forms), people are amazingly alike. Because of all this, translating can be undertaken with the expectation of communicative ef‐ fectiveness. Man kann den Begriff der (übersetzungsrelevanten) Kulturspezifik aber auch zu weit fassen, wenn jedweder Unterschied etwa in der materiellen Kultur als Kultur- und Übersetzungsbarriere bezeichnet wird. P. A. Schmitt (1999: 65 f.) weist auf den Sachverhalt hin, dass „Wärmepumpen in der Haustechnik im deutschsprachigen Raum aus‐ schließlich zum Heizen eingesetzt werden, während heat pumps in den Vereinigten Staaten je nach Region bzw. Außentemperatur im Heiz- oder Kühlbetrieb arbeiten“. 17 Man kann sich fragen, ob es sinn‐ voll ist, solche Unterschiede mit sprach- und übersetzungsrelevanten Kulturunterschieden, bei denen sich das Übersetzbarkeitsproblem auf gravierende Weise stellt, in einen Topf zu werfen. 6. Die These der prinzipiellen Unübersetzbarkeit wird häufig an einzel‐ 6. nen, sogenannten unübersetzbaren Wörtern demonstriert. Es sind Wörter, von denen gesagt wird, dass sie nur adäquat verstehen kann, wer den kulturellen Zusammenhang, in dem sie gebraucht werden, aus eigenem Erleben kennt. Sinngehalt und Verwendungsregeln die‐ ser Wörter erschließen sich erst in der Lebenspraxis der Sprecher der 1.4 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit 205 <?page no="206"?> betreffenden Sprache (dt. Gemüt, gemütlich, frz. charme, esprit, engl. gentleman). In einer ideologiekritischen Auseinandersetzung mit der Übersetzbarkeits‐ problematik müsste den unübersetzbaren Wörtern ein eigenes Kapitel ge‐ widmet werden. In zahlreichen Arbeiten zum Thema Übersetzbarkeit be‐ schäftigt man sich mit Wörtern, die typisch, zentral, ja wesensmäßig für bestimmte Sprachen, Sprachgemeinschaften, Völker seien. Dabei wird ar‐ gumentiert, dass sich kulturelle und mentalitätsmäßige Unterschiede zwi‐ schen Sprach- und Kulturgemeinschaften darin manifestieren, dass solche Wörter recht eigentlich unübersetzbar sind. Und insofern diese Wörter un‐ übersetzbar sind, sind es auch die Texte, in denen sie vorkommen. Unüber‐ setzbare Wörter als Bausteine einer sprachchauvinistisch-„völkischen“ Ideologie - ein krasses Beispiel dafür: Im Jahre 1930 erschien ein „Sachwör‐ terbuch der Deutschkunde“, herausgegeben von Dr. Walther Hoffstaetter, Studienrat am König Georg-Gymnasium in Dresden und Prof. Dr. Ulrich Peters, Direktor der Pädagogischen Akademie in Kiel. Darin findet sich ein Beitrag zum „Typus des dt. Menschen“, in dem die „Psychologie des Deut‐ schen“ ergründet wird. Da lesen wir unter anderem: Tatsache ist, dass der Deutsche gern in „Stimmungen“ schwelgt. „Stimmung“ ist ein spezifisch dt. Begriff, unübersetzbar in andere Sprachen. […] Das dt. Stim‐ mungsleben erscheint dem affektvollen, pathetischen Gemütsleben der Italiener und Franzosen ganz fremd. (227) In der Tat gibt es für viele dieser Wörter in anderen Sprachen nur Teilentsprechungen (zu Geist, s. u., II.3.3.5). Immerhin ist in Betracht zu ziehen, dass auch diese unübersetzbarsten der kulturgebundenen Wörter kaum iso‐ liert, sondern meistens in Textzusammenhängen vorkommen: Kommuni‐ kation geschieht im Allgemeinen in Texten, nicht in einzelnen Wörtern. Ein isoliertes Wort oder einen isolierten Satz nicht, ungenau oder falsch verste‐ hen, heißt keineswegs, dass man das gleiche Wort und den gleichen Satz im Textzusammenhang nicht versteht. Der Leser/ Hörer konstruiert aus dem sich progressiv entwickelnden Sinnganzen des Textes und in Rückkoppe‐ lung zu seinen eigenen Wissensvoraussetzungen die Bedeutung einzelner Wörter, Sätze und Textabschnitte (s. o., I.7.2.4). Das zunächst ungenau oder vage Verstandene wird im Verlaufe der Textlektüre sukzessive adäquater verstanden. Der Leser steht dem Text nicht als statisches und passives Objekt gegenüber, sondern als aktives, verstehenwollendes Subjekt, das seine Ver‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 206 <?page no="207"?> stehensvoraussetzungen mit der Textlektüre kontinuierlich erweitert. Das gilt für den Leser des Originaltextes wie für den der Übersetzung: Das Ver‐ stehens- und Übersetzbarkeitspotential wird größer, je weiter die Textlek‐ türe fortschreitet. E. Boeckers (1973: 183) Ausführungen zum Ausdruck Delta im Werk Wil‐ liam Faulkners illustrieren diesen Sachverhalt: In the case of the word Delta as applied to the entire vast area surrounding the lower Mississippi, the situation is slightly different. In German, the word is again a part of the technical language of geography, but, in addition, it inevitably evokes in the German reader’s mind the things he has learned in School about the Nile delta and generally suggests a fairly small area of land between the branches of a river at its mouth. However, since the word recurs so frequently throughout the Yoknapatawpha novels, the reader will soon learn to understand it in much the same way as the American reader does, as a kind of proper name denoting the entire region from the Gulf to Northern Mississippi - except that he will not normally possess a clear mental image of its size and appearance. One reason why he cannot form the kind of picture that the native American reader automatically receives is that the words describing in detail the foreign flora and fauna, as well as the man-made objects which make up this foreign environment, do not have any real German equivalents. In gleicher Weise, wie das Verstehen eines Textes nie absolut sein kann, sondern immer nur relativ und veränderlich, ist auch die Übersetzbarkeit eines Textes immer relativ. Wenn oben vom unbestreitbaren praktischen Gelingen des Übersetzens die Rede war, muss dies modifiziert werden: Es handelt sich um ein relatives Gelingen. Diese Relativität hängt aber nicht mit der Übersetzung qua Übersetzung zusammen, sondern mit den Bedin‐ gungen und Faktoren des Verstehens von Texten überhaupt. Die Schwie‐ rigkeiten, die sich beim Verstehen übersetzter Texte ergeben, sind nicht qualitativ, sondern „nur“ graduell von den Schwierigkeiten jeden Textverstehens verschieden („nur“ in Anführungszeichen, weil diese graduellen Unterschiede aus der Sicht des Übersetzers große praktische Übersetzungs‐ probleme darstellen können). Graduell meint hier, dass Übersetzungstexte ihren Lesern zusätzliche und größere Verstehensschwierigkeiten bereiten können als Originaltexte, die besser auf die Verstehensvoraussetzungen und die Erwartungsnormen ihrer Leser „eingestellt“ sind (s. o., I.7.1). Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass es bei vielen Texten keine Rolle spielt, ob es sich um übersetzte Texte handelt; man denke an Texte im Bereich der 1.4 Kritik der These der Unübersetzbarkeit und Begründung der relativen Übersetzbarkeit 207 <?page no="208"?> 18 S. o., I.3.6 - Zur Übersetzungstheorie der Aufklärungszeit, s. W. Fränzel (1914), G. Fuchs (1936), T. Huber (1968), A. Senger (1971), F. Münzberg (2003). 19 Zit. nach G. Fuchs (1936: 4). 20 J. J. Breitinger, „Critische Dichtkunst“, 1740, Stuttgart 1966 (= Deutsche Neudrucke. Reihe Texte des 18. Jahrhunderts), Bd. 2, 138. Naturwissenschaften und der Technik, die sich an europäische und ameri‐ kanische Naturwissenschaftler und Ingenieure wenden, an weite Bereiche der Trivialliteratur oder an Gebrauchsanleitungen für internationale Ge‐ brauchsgüter (soweit sie für Benutzer mit einem bestimmten technologi‐ schen Entwicklungsstand gedacht sind). 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit Die These der prinzipiellen Übersetzbarkeit wird in der Sprachphilosophie der Aufklärungszeit und in der zeitgenössischen rationalistisch orientierten Sprachtheorie vertreten. Sie lässt sich ableiten aus den sprachphilosophi‐ schen Grundlagen der generativen Transformationsgrammatik, und sie ist Dogma in der marxistisch-leninistischen Sprach- und Erkenntnistheorie. Ausgangspunkt der aufklärerischen These 18 der absoluten Übersetzbar‐ keit ist die - in der sprachphilosophischen Tradition von Descartes, Leibniz und Wolff verankerte und auf logisch-mathematischer Grundlage ruhende - Überzeugung, „dass alle in einer menschlichen Sprache und von Menschen geschriebenen Bücher auch in eine andere menschliche, noch lebende Spra‐ che übersetzt werden können“, wobei „das Original vollkommen ausge‐ drückt wird“. 19 Diese prinzipielle Möglichkeit besteht, weil bei aller Unter‐ schiedlichkeit der „äußeren“ Sprachgestalt die verschiedenen Sprachen wesenhaft gleich sind. Die allgemeinmenschliche Begriffseinheit kann in allen Sprachen ausgedrückt werden, da diese nur Sonderformen lingua uni‐ versalis sind. Für J. J. Breitinger sind „ungleiche Sprachen nicht anderst zu achten […] als so viele verschiedene Sammlungen vollkommen gleich viel geltender Wörter und Redensarten, welche mit einander können verwech‐ selt werden, und, da sie alleine in Ansehung ihrer äußerlichen Beschaffen‐ heit des Thones und der Figur von einander abweichen, sonst der Bedeutung nach mit einander völlig übereinstimmen“. 20 Diese Sprachauffassung prägt auch die durch die moderne Linguistik wieder zu Ehren gekommene „allgemeine Grammatik“: Die allgemeinen Züge der grammatischen Struktur sind in allen Sprachen identisch, lingu‐ 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 208 <?page no="209"?> 21 In einem sprachlichen Programmierversuch, der die mechanische Übersetzung zwi‐ schen beliebigen Sprachen ermöglichen soll, geht J. J. Becher im Jahre 1661 von einer solchen Gleichsetzung von Transkription und Übersetzung aus. 22 G. Mounin (1963: 189 ff.) hat die Problematik und die Konsequenzen dieser Theorie im Blick auf die inhaltbezogene Sprachbetrachtung und die Übersetzbarkeit ausführlich behandelt. istische und geistige Prozesse können identifiziert werden. Die Tiefenstruk‐ tur, in welcher die Bedeutung ausgedrückt wird, reflektiert für alle Sprachen identisch die Struktur des Denkens. N. Chomsky (1966, dt. 1971) fasst die Grundgedanken der allgemeinen Grammatik (insbesondere der „Grammaire générale et raisonnée“ von Arnauld et Lancelot, 1660) in den Begriffen der generativen Transformationsgrammatik zusammen: Die Tiefenstruktur, die die Bedeutung zum Ausdruck bringt, ist, so heißt es, allen Sprachen gemeinsam, da sie einfach eine Reflexion der Form des Gedankens dar‐ stelle. Die Transformationsregeln, die Tiefenstruktur in Oberflächenstruktur um‐ wandeln, können von Sprache zu Sprache verschieden sein. Die Oberflächen‐ struktur, die aus diesen Transformationen resultiert, drückt, abgesehen von einfachsten Fällen, natürlich nicht direkt die Bedeutungsrelationen der Wörter aus. Es ist vielmehr die Tiefenstruktur, die der aktuellen Äußerung zugrundeliegt, eine Struktur, die rein gedanklich ist, welche den semantischen Inhalt des Satzes vermittelt. Diese Tiefenstruktur ist nichtsdestoweniger mit tatsächlichen Sätzen in der Hinsicht verbunden, dass jede ihrer abstrakten Aussagekomponenten […] sich direkt als einfaches propositionales Urteil realisieren ließe. (49) Identische Tiefenstrukturen auf einer von der graphischen/ phonetischen Oberflächenrepräsentation unabhängigen semantischen Ebene, die in den Einzelsprachen nur in den Oberflächenstrukturen unterschiedlich kodiert werden, legen die Interpretation des Übersetzens als Kodewechsel auf der Ebene der einzelsprachlichen Oberflächenstrukturen nahe. Da jede Einzel‐ sprache auf ihrer tiefsten Ebene zugleich Universalsprache ist, kann jede beliebige Einzelsprache zum „Schlüssel“ aller übrigen werden. Das Überset‐ zen wird damit letztlich als rein mechanisches Umsetzen von phonologi‐ schen, lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Einheiten aufge‐ fasst, das sich von den Prozessen der Transliteration und Transkription nicht unterscheidet (s. o., I.6.1). 21 In der neueren sprachwissenschaftlichen Literatur findet die These der prinzipiellen Übersetzbarkeit eine Stütze in der Universalientheorie. 22 Linguistische Universalien sind sprachliche Merkmale, die sich in allen 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit 209 <?page no="210"?> Sprachen finden. N. Chomsky (1965) unterscheidet zwischen formalen und substantiellen linguistischen Universalien. Zu den substantiellen lingu‐ istischen Universalien bemerkt er: „A theory of substantive universals claims that items of a particular kind in any language must be drawn from a fixed class of items“ (28). Diese Einheiten können dabei phonologischer oder semantischer Art sein: A theory of substantive semantic universals might hold for example, that certain designative functions must be carried out in a specified way in each language. Thus it might assert that each language will contain terms that designate persons or lexical items referring to certain specific kinds of objects, feelings, behavior, and so on. (28) Generelle Eigenschaften natürlicher Sprachen, bestimmte abstrakte Bedin‐ gungen, die eine Grammatik erfüllen muss, nennt N. Chomsky formale linguistische Universalien. So ist die Hypothese, dass die syntaktische Komponente einer Grammatik Transformationsregeln enthalten muss, wel‐ che Tiefenstrukturen in Oberflächenstrukturen überführen, eine formale linguistische Universalie. Als semantische formale Universalie bezeichnet er zum Beispiel die Bedingung, „that the color words of any language must subdivide the color spectrum into continuous segments“ (29). Für die Über‐ setzungstheorie wichtig ist folgende Einschränkung N. Chomskys: Die Exis‐ tenz formaler Universalien bedeute nämlich nicht, dass es Punkt-für-Punkt- Entsprechungen und damit „some reasonable procedure“ für das Übersetzen zwischen verschiedenen Sprachen gibt; sie impliziere nur, „that all languages are cut to the same pattern“ (30). Einen Schritt weiter gehen J. J. Katz/ J. A. Fodor (1963) und M. Bierwisch (1967). So wie die Lautstruktur der natürlichen Sprachen auf der Basis eines universalen Inventars phonologischer Merkmale beschrieben werden kann, so soll das semantische Grundinventar einer Sprache als Auswahl aus einem Universalinventar semantischer Merkmale beschreibbar sein. Dabei warnt M. Bierwisch vor voreiligen Schlüssen in Bezug auf die Entsprechung einzelner Lexikoneintragungen in verschiedenen Sprachen: Das bedeutet natürlich nicht, dass das Lexikon jeder gegebenen Einzelsprache genau dieselben Unterscheidungen wie das jeder anderen Sprache aufweisen muss. Es bedeutet nur, dass gegebene Unterschiede in nicht-trivialer Weise mit Termen aus dem Universalinventar semantischer Merkmale charakterisiert wer‐ den können. (270) 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 210 <?page no="211"?> Während in der „traditionellen“ Semantik die semantischen Merkmale mit Objekten oder Eigenschaften der Welt gleich oder parallel gesetzt würden (Sprache als mehr oder weniger genaues „Abbild der Wirklichkeit“, Sprache als Nomenklatur), sind sie für M. Bierwisch „tief verwurzelte, ererbte Ei‐ genschaften des menschlichen Organismus und des apperzeptiven Appara‐ tes, Eigenschaften, die die Art und Weise determinieren, in der das Univer‐ sum begriffen, adaptiert und verarbeitet wird“ (272). Für die Übersetzbarkeit können wir aus dieser Hypothese den Schluss ziehen, dass zwar einzel‐ sprachlich im konkreten Übersetzungsfall aufgrund der unterschiedlichen Repräsentation, Kombination und Auswahl der semantischen Grundmerk‐ male Übersetzungsschwierigkeiten auftreten können. Prinzipiell aber ist die Übersetzbarkeit absolut, da das übereinzelsprachliche semantische Merk‐ malinventar allen Sprachen zukommt. Von der Annahme eines universalen semantischen Merkmalinventars führt ein weiterer Schritt zur Annahme, dass äquivalente Sätze oder Texte in verschiedenen Sprachen identische Repräsentationen in einer semanti‐ schen Metasprache haben, deren Einheiten universale semantische Merk‐ male sind. In diesem Sinne ist ein bilinguales oder multilinguales Überset‐ zungsmodell denkbar, in dem die einzelsprachlichen Oberflächenstrukturen auf einfachere Grundstrukturen zurückgeführt werden, die in ihrer tiefsten Schicht in einer lingua universalis, das heißt einer interlingualen, „sprach‐ unabhängigen“ semantischen Metasprache, repräsentiert sind. Durch zum Teil mehreren oder allen Sprachen gemeinsame, zum Teil einzelsprachliche Ableitungsschritte gelangt man von der semantischen Anfangsrepräsenta‐ tion zu den phonetischen und graphischen Endrepräsentationen. Offen bleibt bei einem solchen Modell allerdings, wie und wo die landeskonven‐ tionellen und kulturspezifischen Elemente, die Eins-zu-Null-Entsprechun‐ gen und die konnotativ geladenen Elemente behandelt werden, also jene einzelsprachspezifischen Ausdrücke, deren Übersetzung große praktische Probleme stellen kann - ganz zu schweigen von formal-ästhetischen und individualstilistischen Werten von Texten (s. u., II.3). Als rationalistisch bezeichnen wir auch jene Auffassungen, die Über‐ setzbarkeit geradezu als sprachtheoretisches Axiom betrachten (neben den Axiomen der Ausdrückbarkeit und Erlernbarkeit von Sprachen). Das Axiom der Ausdrückbarkeit lässt sich folgendermaßen formulieren: Alles, was gemeint werden kann, kann auch in jeder Sprache ausgedrückt werden. Mit dem „Prinzip der Ausdrückbarkeit“ (the principle of expressi‐ bility) beschäftigt sich R. J. Searle (1969, dt. 1971) an zentraler Stelle; seiner 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit 211 <?page no="212"?> Auffassung nach ist es sogar möglich, immer genau zu sagen, was man meint. Es kann zwar vorkommen, dass eine Sprache nicht die Mittel für solche genaue Aussagen hat. Dieses „nicht“ ist aber immer ein „noch nicht“, weil die Sprachen erweiterungsfähig sind: Natürlich ist es möglich, dass eine gegebene Sprache nicht reich genug ist, um den Sprechern zu erlauben, alles zu sagen, was sie meinen, aber es bestehen keine grundsätzlichen Hindernisse, um sie entsprechend zu bereichern. (109) Folgende Einschränkung R. J. Searles ist im Blick auf die Übersetzbarkeit von Bedeutung: Um zwei möglichen Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich zum einen be‐ tonen, dass das Prinzip der Ausdrückbarkeit nicht impliziert, dass es immer mög‐ lich ist, einen Ausdruck zu finden oder zu erfinden, der beim Zuhörer alle die Wirkungen hervorruft, die man hervorzurufen beabsichtigt - zum Beispiel lite‐ rarische oder poetische Effekte, Gefühle, Ansichten und so weiter. […] Zum an‐ deren impliziert das Prinzip, dass man alles, was man meinen, auch sagen kann, nicht, dass alles, was gesagt werden kann, auch von anderen verstanden werden kann; denn das würde die Möglichkeit einer Privatsprache ausschließen, einer Sprache, die zu verstehen für jeden außer dem Sprecher selbst logisch unmöglich ist. (35 f.) Dem Axiom der Übersetzbarkeit kann man folgende Fassung geben: Wenn in jeder Sprache alles, was gemeint werden kann, auch ausdrück‐ bar ist, so muss es prinzipiell möglich sein, das, was in einer Sprache ausgedrückt ist, in jede andere Sprache zu übersetzen. In diesem Sinne definiert L. Hjelmslev (1968: 125) den Begriff der natürlichen Sprache mit dem der Übersetzbarkeit: „Unter einer natürlichen Sprache ver‐ steht man eine Sprache, in die sich alle anderen übersetzen lassen.“ Und L. Hjelmslev argumentiert weiter: Die natürliche Sprache weicht überhaupt von allen anderen Arten von Sprache ab (z. B. von der Zeichensprache des Mathematikers oder von der Formelsprache des Chemikers), dadurch, dass sie nicht für bestimmte Zwecke eingerichtet ist, sondern für alle Zwecke angewendet werden kann; in der natürlichen Sprache 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 212 <?page no="213"?> 23 Ähnlich L. Barchudarow (1979: 17), für den das Spezifikum der Übersetzung in der Mög‐ lichkeit der Herstellung von Äquivalenz auf der Ebene des Textes (und nicht auf der Ebene der Bedeutung einzelner Wörter oder Sätze) besteht. 24 Vgl. auch H. Kubczak (1987: 54), für den Übersetzbarkeit mittels objektsprachlichen und kommentierenden Reformulierens sowohl im symbolwie im symptomfunktionalen Bereich hergestellt werden kann. kann man, wenn notwendig, durch Umschreibungen und genau ausgedachte Darstellungen formulieren, was auch immer man will. Selbst jedes Stück Pro‐ grammmusik wäre übersetzbar in ein Stück natürliche Sprache - aber nicht um‐ gekehrt. In der natürlichen Sprache kann man sich nämlich, wie Søren Kierke‐ gaard gesagt hat, mit dem Unsagbaren beschäftigen, bis es ausgesagt ist; das ist der Vorzug der natürlichen Sprache und ihr Geheimnis. (125) H. Weinrich (1970), der den Satz Alle Texte sind übersetzbar als Formulierung des Axioms der Übersetzbarkeit vorschlägt, 23 weist allerdings auf den Ge‐ gensatz zwischen theoretischer prinzipieller Übersetzbarkeit und der Erfah‐ rung praktischer Unübersetzbarkeiten hin: Wieso kann ein solcher Satz ein linguistisches Axiom genannt werden, wenn wir doch alle wissen, dass es einige Texte gibt, die der Kunst des einfallsreichsten Übersetzers widerstehen? Wer hat denn je den Anfang des Johannes-Prologs ad‐ äquat übersetzt? Es sollen hier diese bekannten Übersetzungsschwierigkeiten nicht verkleinert werden. Aber es darf andererseits auch der Übersetzungsbegriff nicht ungebührlich eingeengt werden. Natürlich gibt es keinen deutschen, eng‐ lischen, französischen usw. Text, der als solcher als adäquate Übersetzung des griechischen Originals gelten könnte. Aber die angenäherte Übersetzung zusam‐ men mit einem erläuternden Kommentar zum Bedeutungsbereich des griechi‐ schen Wortes lógos kann als adäquate Übersetzung aufgefasst werden. Der Kom‐ mentar ist natürlich metasprachlich. Tatsächlich ist der Sprung in die Metasprache letzter, aber immer hilfreicher Ausweg in äußerster Übersetzungs‐ not. Wenn wir, wie es rechtens ist, diesen Ausweg zulassen, ist das Axiom „Alle Texte sind übersetzbar“ wohl uneingeschränkt plausibel. (78) Praktische Übersetzbarkeit ist also unter Umständen erst unter Zuhilfe‐ nahme erläuternder Kommentare gegeben. 24 Dabei stellt sich allerdings die Frage: Kann ein ZS-Text, der entscheidende Qualitäten des AS-Textes nur in zusätzlichen Kommentaren vermittelt, als eigentliche Übersetzung gelten (Beispiel: In der Übersetzung eines poetischen Textes wird in Fußnoten auf die klanglichen und rhythmischen Eigenschaften des Originals hingewie‐ 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit 213 <?page no="214"?> 25 Vgl. dazu E. Coseriu (1981: 36 f.): „Auch stellt die Verschiedenheit der einzelsprachlichen Be‐ deutungen an sich keine rationale Grenze für die Übersetzbarkeit dar, da die Übersetzung per definitionem gleiche Bezeichnung mittels grundsätzlich verschiedener Bedeutungen ist. […] Bei bisher unbekannten Bezeichnungen (in der Zielsprache noch nicht bekannten ‚Rea‐ litäten‘) verfahren die Übersetzer wie die Sprecher im allgemeinen, d. h., sie wenden dafür eben die gleichen Verfahren an, die die Sprecher einer Sprache in solchen Fällen anwenden: Übernahme von Ausdrücken aus der Ausgangssprache, Bedeutungsanpassung (‚Lehnüber‐ setzung‘), Schaffen von neuen Ausdrücken und Bedeutungen mit einheimischen Mitteln.“ Als Beispiel wird angeführt: „Für Jupiter kann z. B. ein Übersetzer der Gott Jupiter sagen, wenn er annimmt, dass seinen Adressaten diese Information fehlt.“ (43) sen)? Durch die Anwendung kommentierender Übersetzungsverfahren (s. u., II.3.9) besteht die Gefahr, dass die sprachlich-stilistische Identität des AS-Textes in der ZS-Fassung beschädigt wird, wenn dies in größerem Um‐ fange und bei entscheidenden Qualitäten des AS-Textes geschieht. Deshalb ist die Weinrichsche Fassung des Übersetzbarkeitsaxioms in einem strengen Sinne nicht haltbar: Texte können durchaus unübersetzbar sein. Die meisten Anhänger der These der prinzipiellen Übersetzbarkeit schrän‐ ken diese auf Sprache in denotativer Funktion (Darstellungsfunktion in der Terminologie von K. Bühler 1934) ein. 25 So stellt R. Jakobson (1959) fest: Jede kognitive Erfahrung und ihre Klassifizierung kann in jeder existierenden Sprache ausgedrückt werden. (1981: 193) Übersetzbarkeit ist in diesem Bereich deshalb herstellbar, weil Lücken mit‐ tels unterschiedlicher Verfahren geschlossen werden können: Wenn sich eine Lücke zeigt, kann die Terminologie durch Lehnwörter oder Lehn‐ übersetzungen, durch Neologismen oder Bedeutungsverschiebungen und schließlich durch Umschreibungen vereindeutigt und erweitert werden. So wird in der neuge‐ schaffenen Hochsprache der nordostsibirischen Tschuktschen „Schraube“ als „sich drehender Nagel“, „Stahl“ als „hartes Eisen“, „Zinn“ als „dünnes Eisen“, „Kreide“ als „schreibende Seife“, „Uhr“ als „pochendes Herz“ wiedergegeben. (1981: 193) Die Axiome der Ausdrückbarkeit und der Übersetzbarkeit im kognitiven Bereich werden auch von E. H. Lenneberg (1967, dt. 1972) als grundlegend für menschliche Sprachen betrachtet; er verwendet dafür den Begriff der sprachlichen Universalität: Das menschliche Erkennen spielt sich innerhalb biologisch festgelegter Grenzen ab. Innerhalb dieser Grenzen jedoch herrscht eine gewisse Freiheit. So kann jedes Indi‐ viduum höchst idiosynkratische Gedanken haben oder in ganz eigentümlicher 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 214 <?page no="215"?> Weise Begriffe bilden, oder es kann angesichts identischer sensorischer Stimuli zu verschiedenen Zeiten etwas verschiedene Modi kognitiver Organisation wählen. Sein Vokabular, das weitaus begrenzter und unveränderlicher ist als sein Vermö‐ gen, Begriffe zu bilden, lässt sich auf neue begriffliche Prozesse beziehen, und an‐ dere Individuen können, weil sie im wesentlichen dieselben kognitiven Fähigkeiten besitzen, die Bedeutung seiner Äußerungen verstehen, obwohl die Wörter sich auf neue oder leicht veränderte Begriffsbildungen (Konzeptualisierungen) beziehen. Bei einem solchen Grad von Freiheit wird die Annahme plausibel, dass natürliche Spra‐ chen immer universell verständliche Bedeutungen aufweisen, aber zweifellos ver‐ schiedenartige Bedeutungserweiterungen haben können, weshalb bestimmte se‐ mantische Kategorien sich nicht in allen Sprachen decken. (407) Zusammenfassend ist zur rationalistischen Auffassung der Übersetzbarkeit im denotativen Bereich kritisch anzumerken, dass sie die Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess unterbewertet; das wechselseitige Bedingungsver‐ hältnis von Sprache - Lebenspraxis - Kultur - Wirklichkeitsinterpretation - „Wirklichkeit“ bleibt unreflektiert. Die inhaltbezogene Sprachauffassung und das linguistische Relativitätsprinzip dagegen überbewerten bzw. ver‐ absolutieren die Rolle der Sprache im Erkenntnisprozess. Die hier vertretene Auffassung der relativen Übersetzbarkeit versucht, einen Mittelweg zwi‐ schen diesen beiden Positionen zu finden. Das Bedingungsverhältnis von Sprache (Einzelsprache) - Denken - Wirklichkeitserfassung wird dyna‐ misch und als stets veränderbar gesehen. Die Grenzen, die die Sprache und die sprachlich gefassten Wirklichkeitsinterpretationen dem Erkennen set‐ zen, können im Erkenntnisprozess zugleich reflektiert, verändert und er‐ weitert werden. Diese Veränderungen wiederum schlagen sich in der Spra‐ che (der Sprachverwendung) nieder: Sprachen bzw. Sprecher von Sprachen sind kreativ. Diese Kreativität der Sprache kommt u. a. in den Übersetzungs‐ verfahren zum Ausdruck, mit denen Lücken im lexikalischen System einer ZS geschlossen werden. Übersetzbarkeit ist damit nicht nur relativ, sondern immer auch pro‐ gressiv: Indem übersetzt wird, und mit jeder neuen Übersetzung, wird die Übersetzbarkeit der Sprachen gesteigert. 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit 215 <?page no="216"?> Das theoretische Problem der Übersetzbarkeit muss, das hat sich in diesem Kapitel immer wieder gezeigt, im Zusammenhang gesehen werden mit der praktischen Aufgabe der Herstellung von Übersetzbarkeit mittels ver‐ schiedener Übersetzungsverfahren auf der sprachlich-stilistischen und tex‐ tuellen Ebene. Darauf wird in II.3 eingegangen. Wissenschaftsgeschichtlicher Exkurs. Im Zusammenhang der für die deutschsprachige Übersetzungswissenschaft wichtigen Leipziger überset‐ zungswissenschaftlichen Schule (s. o., I.8.2) hat sich O. Kade (1968: 65 ff., 1971a, 1980) aus marxistisch-leninistischer Sicht mit dem Problem der Über‐ setzbarkeit beschäftigt. O. Kade wirft der bürgerlichen Sprachphilosophie und der auf ihr basierenden Sprachwissenschaft vor, dass sie „die Vollwer‐ tigkeit der Übersetzung als erstrebenswertes, jedoch unerreichbares Postu‐ lat“ betrachte; philosophische Grundlage dieser Auffassung sei „die meta‐ physische Trennung von objektiver Wirklichkeit, Denken und Sprache sowie die idealistische Umkehrung der Relation zwischen Sprache und Den‐ ken“ (1971a: 13). Er stellt fest: Dieser eklatanteste Irrtum der bürgerlichen Sprachwissenschaft liegt z. B. den soge‐ nannten „inhaltbezogenen“ linguistischen bzw. sprachphilosophischen Schulen (s. etwa Leo Weisgerber) zugrunde. Während wir als Dialektiker und Materialisten er‐ kennen, dass die Sprache ein Mittel ist, die erkannte Welt darzustellen, wird hier die Sprache zu einem Mittel erklärt, das vorher Unbekannte zu entdecken. (13 f.) In seiner weiteren Argumentation kommt O. Kade zu ähnlichen Schlüssen wie die rationalistische Betrachtungsweise (ausgehend von marxistischen erkenntnis- und sprachtheoretischen Prämissen): Sprache als menschliche Fähigkeit bedeutet, mit einer endlichen Menge von Ele‐ menten (Zeichen und syntaktischen Regeln) eine unendliche Zahl von Bewusst‐ seinsinhalten darstellen zu können. Allein dieses Strukturprinzip schafft wesent‐ liche Voraussetzungen dafür, dass in jeder Sprache alles gedacht werden kann, d. h. dass mit jeder Sprache (als einem zu einem bestimmten Zeitpunkt - syn‐ chronisch betrachtet - geschlossenen System) beliebige Bewusstseinsinhalte ko‐ diert werden können, so dass sie (individuell) reproduzierbar und (interindividu‐ ell) kommunizierbar werden. (19) Hier handelt es sich um nichts anderes als das Axiom der Ausdrückbarkeit. Zugleich sind die Sprachen jederzeit in der Lage, sich aufgrund ihrer Aus‐ baumöglichkeiten insbesondere im lexikalischen System veränderten kom‐ munikativen Bedürfnissen anzupassen (Kreativität der Sprache): 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 216 <?page no="217"?> Die Sprache besitzt darüber hinaus die (in ihr als Systemkomponente) angelegte Fähigkeit, sich mit fortschreitender Erkenntnis und Veränderung der gesell‐ schaftlichen Praxis zu vervollkommnen. Insbesondere stellt jede Sprache Verfah‐ ren zur Erweiterung des Lexikons bereit (z. B. Derivation, Bedeutungserweite‐ rung, Entlehnung aus anderen Sprachen, in seltenen Fällen auch Neubildungen auf der Basis des phonologischen Systems der betreffenden Sprache). (19) Das Prinzip der Übersetzbarkeit erscheint in folgender Form: Die von der gesellschaftlichen Praxis und vom gesellschaftlichen Kode „Sprache“ her motivierte individuelle Erweiterung des sprachlichen Inventars wird gesellschaft‐ lich akzeptiert und verallgemeinert, wenn dafür die gesellschaftlichen (politischen, ökonomischen, sozialen, kulturellen) Voraussetzungen und der damit verbundene Grad der gesellschaftlichen Erkenntnis (Entwicklung der Wissenschaft) gegeben sind. - Da dies als universelle Eigenschaft der menschlichen Sprachfähigkeit für alle Sprachen zutrifft, ist jeder in einer Sprache L x kodierte Bewusstseinsinhalt auch in einer Sprache L n kodierbar. Von der Kodierbarkeit von Bewusstseinsinhalten her kann es daher keinen Zweifel an der Übersetzbarkeit geben. (21) In diesem Zitat wird der Kunstgriff sichtbar, der angewendet wird, um den Ge‐ gebenheiten der Übersetzungspraxis, in der der Übersetzer auf Fälle stößt, die ihm als mehr oder weniger unübersetzbar erscheinen, Rechnung zu tragen. Der Kunstgriff besteht darin, dass der Übersetzbarkeitsbegriff aufgespaltet wird in Übersetzbarkeit auf der Kodierungsseite und auf der Dekodierungsseite. Prin‐ zipielle Übersetzbarkeit gilt nur für die Kodierung, im Bereich der Dekodierung können Probleme auftreten. Man kann mit anderen Worten zwar alles kodie‐ ren (in der ZS ausdrücken), indem man die produktiven Möglichkeiten der Sprache ausnutzt, es ist aber möglich, dass die gewählten sprachlichen Lösun‐ gen für den ZS-Empfänger nicht oder nicht adäquat verstehbar sind. Durch die Hintertür der Nichtverstehbarkeit von übersetzten Unübersetzbarkeiten wird damit der Übersetzbarkeitsbegriff wieder relativiert. Verstehbarkeits- oder Kommunizierbarkeitsprobleme, die im Extremfall in Unübersetzbarkeit resultieren, ergeben sich nach O. Kade (1971a: 23) bei‐ spielsweise in folgendem Fall: Das gesellschaftliche Milieu (politische, ökonomische, soziale, kulturelle Verhält‐ nisse) und das geographische Milieu der Kommunikationspartner weisen Unter‐ schiede auf, was zum Fehlen gemeinsamer Bezugspunkte führen kann. 1.5 Prinzipielle Übersetzbarkeit 217 <?page no="218"?> Nach diesem Eingeständnis der Möglichkeit des Vorkommens von Unüber‐ setzbarkeiten macht O. Kade allerdings wieder einen („dialektischen“) Rück‐ zieher. Die „objektiven Ursachen“ von Unübersetzbarkeit erweisen sich nämlich als „dialektische Widersprüche“, die daher „theoretisch wie prak‐ tisch“ lösbar sind (25). Damit können auch die Unübersetzbarkeiten im Be‐ reich der Dekodierung beseitigt werden: Zu dieser auch empirisch bestätigten Bejahung der Übersetzbarkeit berechtigt der Nachweis, dass jeder erkenntnismäßige Bewusstseinsinhalt in jeder Sprache ko‐ dierbar und der im Ergebnis der Kodierung (einschließlich der Umkodierung aus einer anderen Sprache) entstandene Text im Prinzip - wenn auch unter Über‐ windung dialektischer Widersprüche - durch potentielle Adressaten dekodierbar ist. (26) Mit dem Hinweis darauf, dass dies zunächst nur auf den „rationalen Infor‐ mationsgehalt“ zutrifft, macht O. Kade eine Einschränkung: Übersetzbarkeit gilt zunächst nur für Sprache in denotativer Funktion. Doch auch diese Ein‐ schränkung wird wieder aufgehoben: Konnotative und ästhetisch-künstle‐ rische Werte der Sprache können „erkenntnismäßig erfasst und demzufolge auch über die Darstellungsfunktion der Sprache mitteilbar gemacht werden“ (27), zum Beispiel durch einen Kommentar in der Übersetzung. Es ist das‐ selbe Argument, das H. Weinrich im Zusammenhang mit der Übersetzbar‐ keit von Texten anführt, und das, wie oben ausgeführt, im strengen Sinne nicht haltbar ist. 1.6 Zusammenfassung Kapitel 1 beschäftigt sich mit der Frage der Übersetzbarkeit, insbesondere aus der Sicht der inhaltbezogenen Sprachwissenschaft und des linguistischen Rela‐ tivitätsprinzips. Unter dem Aspekt der Kulturspezifik der Übersetzung gibt es ein breites Spektrum zwischen absoluter Übersetzbarkeit, teilweiser Übersetz‐ barkeit und Nicht-Übersetzbarkeit, abhängig vom Abstand der kommunikati‐ ven Zusammenhänge der betreffenden Kulturen. Zudem werden die Thesen der prinzipiellen und der relativen Übersetzbarkeit behandelt. 1 Das Problem der Übersetzbarkeit 218 <?page no="219"?> 26 R. Jakobson (1959) verwendet dafür den Begriff translation proper. 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung - unterschiedliche Ansätze in der Übersetzungswissenschaft und Gegenstandsbestimmung 2.1 Die Äquivalenzrelation Übersetzungswissenschaft als empirische Wissenschaft setzt voraus, dass angegeben wird, welche Relation zwischen einer Äußerung in der AS und einer Äußerung in der ZS vorliegen muss, damit beim Text in der ZS von Übersetzung gesprochen werden kann. Die Entwicklung eines Begriffs - wie auch einer Praxis - der eigentlichen Übersetzung 26 stellt eine gewaltige Kul‐ turleistung dar; die Geschichte der Übersetzung in den europäischen Volks‐ sprachen legt davon auf eindrückliche Weise Zeugnis ab (für das Deutsche, s. den Abriss in I.3). Im Unterschied zu K. Reiß (1988: 73) ist für uns allerdings nicht nur bloß eine „Bindung“ des Zieltextes an den Ausgangstext, sondern eine ganz spezifische Beziehung zwischen Zieltext und Ausgangstext grundlegend für den Übersetzungsbegriff. In der Sache selbst sehen wir allerdings keinen Unterschied zwischen dem, was wir als „eigentliche Übersetzung“ bezeichnen, und folgenden Fest‐ stellungen von K. Reiß (1988: 73): Stets ist, sowohl für die Wahl der Übersetzungsstrategien im Blick auf eine ge‐ gebene Translatfunktion als auch, was den Vergleich und die Beurteilung von Übersetzungslösungen anbelangt, der Ausgangstext, und zwar Text 1 , die unver‐ rückbare Bezugsgröße. […] Der Ausgangstext ist das Maß aller Dinge beim Über‐ setzen. Er stellt die „Bindung“ dar, die der Übersetzer bei aller Souveränität seines Tuns („translatorisches Handeln“) nicht aufgeben kann und darf, wenn er noch als Übersetzer gelten will. K. Reiß (1988: 68 f.) unterscheidet zwischen Text 1 und Text 2 . Text 1 ist der (Ausgangs-)Text, wie er schriftlich fixiert ist und wie er vom Produzenten gemeint war. Text 2 ist der Text, wie er vom Übersetzer verstanden und re‐ <?page no="220"?> 27 Zum Äquivalenzkonzept, s. auch G. Wotjak (1997), A. Chesterman (2004), W. Koller (2004), A. Neubert (2004a), S. Halverson (1997), A. Pym (1997). A. Pyms Artikel ist zu‐ gleich eine kritische Auseinandersetzung mit den theoretischen Prämissen dieser „Ein‐ führung in die Übersetzungswissenschaft“. zipiert wird. Diese Textliste ließe sich erweitern: Text 3 wäre der Text, wie er dann tatsächlich vom Übersetzer vorgelegt wird, d. h. die zielsprachliche Realisierung des vom Übersetzer verstandenen und rezipierten Textes 2 . Und Text 4 wäre schließlich der Text, wie er vom zielsprachlichen Leser verstan‐ den und rezipiert wird. Übersetzung als sprachliche Kulturtechnik (s. o., I.5.6) wird aufgefasst als prototypisches Konzept, als dessen Zentrum der Äquivalenzbegriff fungiert. Was aber Äquivalenz ist, wie sie zu beschreiben ist, kann nur empirisch bestimmt werden. Auszugehen ist dabei von Übersetzungen, die von „kom‐ petenten Übersetzern“ erarbeitet wurden. Das ist eine bloß tentative Be‐ stimmung, bei der die Gefahr der Zirkularität besteht: Kompetent sind Über‐ setzer, deren Übersetzungen als äquivalent gelten, die also „vorbildhaft“ sind. Im prototypischen Konzept steckt letztlich die Utopie der vollkommenen Vermittlung des Originals, der (theoretisch wie praktisch unmöglichen) „idealen Übersetzung“. Diese Utopie deckt sich mit der Erwartung, ja dem Anspruch des „naiven“ Lesers von Übersetzungen (und wer von uns wäre nicht immer auch ein solcher Leser), mit der Übersetzung das vermittelt zu bekommen, was so und nicht anders auch im Originaltext „da steht“ - und das „einfach“ in other words, wie der Titel des Buches von M. Baker (1992/ 2011) lautet. Die übersetzungskonstituierende Relation zwischen Zieltext und Aus‐ gangstext bezeichnen wir als Äquivalenzrelation (oder auch als Überset‐ zungsbeziehung). Nach J. Albrecht (1987: 13) handelt es sich bei der Frage nach der Beschaffenheit dieser Relation um das „Kernstück aller Überset‐ zungstheorie“. 27 Auf ähnliche Weise ist für das „komparative Modell“ von K. M. van Leu‐ ven-Zwart (1989: 157) die Beziehung zum AS-Text-Transem „the most fundamental and essential characteristic of the target-text transeme“. Diese 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 220 <?page no="221"?> Beziehung basiert auf Ähnlichkeit; im Falle des Fehlens von jeglicher Ähn‐ lichkeit kann nicht von Übersetzung gesprochen werden. Erst vor dem Hin‐ tergrund dieser Ähnlichkeitsbeziehung können die Unterschiede zwischen AS- und ZS-Text-Transemen herausgearbeitet werden. - R. Jakobsons (1959: 233) Definition von translation proper als „interpretation of verbal signs by means of some other language“ sagt noch nichts über die Art der interpretation aus, d. h. über die Relation zwischen AS-Zeichen und ZS-Zei‐ chen. Als genauere Bestimmung führt R. Jakobson an, dass Übersetzung „two equivalent messages in two different codes“ beinhalte. In der Regel bestehe weder intranoch interlingual „full equivalence“ zwischen Kodeein‐ heiten; auf der Ebene des Textes fungieren messages als „adequate interpre‐ tations of alien code-units or messages“. Äquivalenz in der Verschiedenheit (equivalence in difference) ist nach R. Jakobson „the cardinal problem of language and the pivotal concern of linguistics“. - Mit der auf den seman‐ tischen Aspekt eingeschränkten Äquivalenzproblematik beschäftigt sich die Sprachtheorie. Nach B. Malmberg (1986: 12) besteht das Grundproblem lin‐ guistischer Modelle und der Übersetzungstheorie darin, „to make clear what happens when a message structured according to one system has to be ren‐ dered as a message differently structured, but under the assumption that the information conveyed by the original is also conveyed by the translated version“. Auf dieses Problem einzugehen hieße, sich mit folgenden sprach‐ theoretischen Grundfragen, die im Zusammenhang der Übersetzbarkeits‐ problematik (s. o., II.1) stehen, auseinanderzusetzen: Wie beziehen sich ein‐ zelsprachliche Bedeutungen auf außersprachliche Sachverhalte, Begriffe, Konzepte? Sind Sprachen in sich geschlossene Systeme je eigener Ordnung und damit letztlich (jedenfalls theoretisch) nicht ineinander übersetzbar? Oder impliziert die tagtägliche Praxis der Herstellung und Verwirklichung von Übersetzbarkeit, die Erfahrung also der praktischen Möglichkeit der Übersetzung, nicht gleichzeitig, dass man von Axiomen der Übersetzbarkeit und der Vergleichbarkeit der Sprachen ausgehen muss - Axiome, die letzt‐ lich in der menschlichen Fähigkeit begründet sind, jede beliebige Sprache erlernen zu können, und in der Grundannahme, dass alles, was in einer Sprache gemeint werden kann, auch in jeder anderen Sprache ausdrückbar und kommunizierbar ist? 2.1 Die Äquivalenzrelation 221 <?page no="222"?> 2.2 Ausgangstext und Bedingungen auf der Empfängerseite Definitionen und Modelle des Übersetzens (s. o., I.6.1 und I.6.3) haben nicht zuletzt - oft implizit - die Funktion, den Gegenstand Übersetzung zu be‐ stimmen. Das gilt u. a. für die kommunikationsorientierte Definition von W. Wilss (1977: 72), in der Übersetzen als „Textverarbeitungs- und Text‐ reverbalisierungsprozess“ bezeichnet wird, „der von einem ausgangssprach‐ lichen Text zu einem möglichst äquivalenten zielsprachlichen Text hinü‐ berführt und das inhaltliche und stilistische Verständnis der Textvorlage voraussetzt“. Die „sprachliche Rekonstruktionsphase“ besteht darin, dass der Übersetzer „den inhaltlich und stilistisch analysierten ausgangssprachlichen Text unter optimaler Berücksichtigung kommunikativer Äquivalenzge‐ sichtspunkte reproduziert“. Geht man von der Definition von W. Wilss aus, ergeben sich folgende Bestimmungsmerkmale: ▸ Beteiligt sind zwei Sprachen (Ausgangssprache und Zielsprache). ▸▸ Ausgangspunkt und Resultat der textverarbeitenden und -reverbali‐ ▸ sierenden Tätigkeit des Übersetzens sind Texte. ▸ Zwischen Resultat- und Ausgangstext besteht eine Äquivalenzbezie‐ ▸ hung, für die Sinn- und Stilintention des Ausgangstextes und kom‐ munikative, d. h. rezipientenbezogene Aspekte maßgeblich sind. Übersetzungen zeichnen sich mithin durch eine doppelte Bindung aus, erstens an den Ausgangstext und zweitens an die kommunikativen Be‐ dingungen auf der Seite des Empfängers. Übersetzungen, die die Bindung an den Ausgangstext verabsolutieren, lau‐ fen Gefahr, unleserlich und unverständlich zu werden; den Extremfall dieses Typs stellt die Wort-für-Wort-Übersetzung dar. Übersetzungen dagegen, die die empfängerseitige Bindung verabsolutieren, laufen Gefahr, die Autono‐ mie des Originaltextes zu verletzen, indem sie die für die Übersetzung spe‐ zifische Bindung an den AS-Text missachten; es handelt sich im Extremfall um zielsprachliche Originaltexte, die mit dem AS-Text nur noch in entfernter 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 222 <?page no="223"?> Beziehung stehen. Beide Übersetzungstypen spielen in der Geschichte der Übersetzung eine wichtige Rolle. In beiden Fällen muss der Versuch der Rückübersetzung nicht nur re‐ lativ, sondern absolut scheitern: Im ersten Fall, weil der ZS-Text ohne gleich‐ zeitige Heranziehung des AS-Textes nicht verständlich und damit auch nicht (rück-)übersetzbar ist; im zweiten Fall, weil sich das textuelle Material in der ZS ganz oder stellenweise so weit von der Vorlage entfernt hat, dass die Rekonstruktion des AS-Textes ausgeschlossen ist. Wegen der Bindung an die Bedingungen auf der Empfängerseite kann die Rückübersetzung auch bei „eigentlichen Übersetzungen“ nur relativ gelingen. Übersetzung zeichnet sich durch ihren spezifisch unidirektionalen Charakter aus. 2.3 Formale, dynamische und funktionale Äquivalenz Die unterschiedlichen Orientierungen der Übersetzung am Ausgangstext einerseits, am zielsprachlichen Empfänger andererseits, können mit den Äquivalenztypen E. A. Nidas (1964: 159) in Verbindung gebracht werden: mit formal equivalence und dynamic equivalence: Formal equivalence focuses attention on the message itself, in both form and content. In such a translation one is concerned with such correspondences as poetry to poetry, sentence to sentence, and concept to concept. Viewed from this formal orientation, one is concerned that the message in the receptor language should match as closely as possible the different elements in the source language. This means, for example, that the message in the receptor culture is constantly compared with the message in the source culture to determine standards of ac‐ curacy and correctness. (159) A translation of dynamic equivalence aims at complete naturalness of expression, and tries to relate the receptor to modes of behavior relevant within the context of his own culture; it does not insist that he understand the cultural patterns of the source-language context in order to comprehend the message. (159) Nach J. de Waard/ E. A. Nida (1986: 36) handelt es sich aber um ein Missver‐ ständnis, wenn „dynamic“ aufgefasst wird „merely in terms of something which has impact and appeal“, d. h. wenn der Primärbezug nicht mehr der Ausgangstext, sondern der zielsprachliche Empfänger ist (dass es zu diesem Missverständnis kommen kann, liegt allerdings an durchaus missverständ‐ lichen Formulierungen in E. A. Nida 1964). Um solchen Missverständnissen 2.3 Formale, dynamische und funktionale Äquivalenz 223 <?page no="224"?> vorzubeugen, ersetzen J. de Waard/ E. A. Nida den Begriff der dynamic equi‐ valence durch functional equivalence. Aufschlussreich ist auch, dass - im Zusammenhang mit der Übersetzung von Ausdrücken, die mit übertragener Bedeutung verwendet werden - J. de Waard/ E. A. Nida (1986: 37 ff.) jeweils von formal equivalence ausgehen und die Bedingungen angeben, unter de‐ nen Veränderungen vorgenommen werden können und müssen, um func‐ tional equivalence herzustellen. Funktionelle Äquivalente sind z. B. dann am Platze, „when a formal correspondence involves a serious obscurity in mea‐ ning“, oder „when a formal correspondence would result in an ambiguity evidently not intended by the original author“. 2.4 Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion Semantische, stilistische und ästhetische Werte eines Originaltextes werden von verschiedenen Übersetzern unterschiedlich aufgefasst (wie von Lesern in der Originalsprache auch), unterschiedlich hierarchisiert und damit auch verschieden übersetzt. Unterschiedlich sind auch die Bedingungen und Er‐ wartungen auf der Empfängerseite, wie sie vom Übersetzer erschlossen werden, d. h. der Übersetzungskontext ist eine variable Größe. Deshalb ist und bleibt Übersetzung ein relativer Begriff, ist die Bindung an den Aus‐ gangstext bzw. die Autonomie des Originaltextes eine relative Größe. Al‐ lerdings scheint uns J. C. Sager (1986: 331) zu weit zu gehen mit seiner Fest‐ stellung, Übersetzen und selbständige Textproduktion seien in vielen Fällen so eng miteinander verflochten, „dass man nicht mehr sagen kann, wo die eine Tätigkeit aufhört und die andere beginnt“. Zwar trifft es zu, dass mit den kommentierenden Übersetzungsverfahren (s. u., II.3.9), die Grenze der Textreproduktion überschritten ist, d. h. Text wird nicht bloß REproduziert, sondern produziert. Nur handelt es sich dabei aber in der Regel nicht um einen „fließenden Übergang“, sondern um punktuelle und lokalisierbare Eingriffe in den Text, die im Dienste der Vermittlung impliziter ausgangs‐ textlicher Werte oder im Interesse der Textverständlichkeit für den ZS-Leser vorgenommen werden. 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 224 <?page no="225"?> Beispiel II.2.-1 Es dürfte unmittelbar einsichtig sein, dass sich die Entsprechungen A) Karta över Finland och Helsingfors/ Map of Finland and Helsinki/ Karte über Finnland und Helsinki/ Carte de Finlande et d’Helsinki auf fundamentale Weise von den Entsprechungen B) Det finns i Finland/ Finland - naturally/ Finnland - das Erlebnis/ Finlande - naturellement vôtre unterscheiden. Zwischen den A)-Entsprechungen besteht eine Übersetzungsbeziehung (Äquivalenzrela‐ tion), zwischen den B)-Entsprechungen nicht; bei den A)-Entsprechungen handelt es sich um Übersetzungen, bei den B)-Entsprechungen um eigen‐ ständige (vom AS-Text weitgehend unabhängige) Textproduktion. Beispiel II.2.-2 Anschauliches Material zu den fließenden Übergängen zwischen über‐ setzten, übersetzend-bearbeitenden und neu produzierten Texten/ Text‐ stellen findet man auf den mehrsprachigen Nahrungsmittelverpackun‐ gen in der Schweiz. Auf einer Tüte mit einer Mischung mit getrockneten Früchten und Nüssen findet sich u. a. folgende Information in den drei Landessprachen der Schweiz: 1. Trocken aufbewahren/ A conserver au sec/ Conservare all’asciutto 1. 2. Für höchste Frische: Vor Licht und Wärme schützen/ Pour plus de 2. fraîcheur, protéger de la lumière et de la chaleur/ Per conservare la freschezza, tenere al riparo dalla luce e dal calore 3. [Produktbezeichnung] Studentenfutter/ Mélange randonnée/ Miscela di 3. frutta secca 2.4 Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion 225 <?page no="226"?> Während die Formulierungen in 1. in einer engen Übersetzungsbezie‐ hung zueinander stehen, gilt das nur eingeschränkt für 2. und gar nicht für 3. Beispiel II.2.-3 Bei den verschiedenen fremdsprachlichen Fassungen von August Strindbergs „Dödsdansen“ („Totentanz“) zeigt sich unmittelbar, dass die Bindung von d) an den Ausgangstext a) eine qualitativ andere ist als diejenige der Texte b) und c). Allein auf b) und c) ist der Begriff der Übersetzung anwendbar, bei d), Friedrich Dürrenmatts „Play Strind‐ berg“ (s. u., II.2.7), handelt es sich um eine Bearbeitung (mit einzelnen übersetzten Elementen, die als solche identifizierbar sind). [a) = August Strindberg, „Dödsdansen“ (1900/ 1901). b) = A. S., „Totentanz“. Übersetzt von Willi Reich (1960). c) = A. S., „The Dance of Death“. Translated by H. G. Carlson (1981). d) = Friedrich Dürrenmatt, „Play Strindberg“. To‐ tentanz nach August Strindberg (1969).] a) Kapten Vill du inte spela litet för mig? Alice (likgiltigt men icke snäsigt) Vad skall jag spela? Kapten Vad du vill! Alice Du tycker inte om min reper‐ toar! Kapten Och inte du om min! Alice (undvikande) Vill du, att dörr‐ arna ska stå uppe? Kapten Om du så önskar! Alice Låt dem stå, då! … (Paus.) Varför röker du inte? Kapten Jag börjar inte riktigt tåla stark tobak. Alice (nästan vänligt) Rök svagare, då! Det är ju din enda glädje, du kal‐ lar. Kapten Glädje! Vad är det för slag? b) Kapitän. Willst du mir nicht etwas vorspielen? Alice. (gleichgültig, aber nicht mür‐ risch). Was soll ich spielen? Kapitän. Was du willst. Alice. Du liebst mein Repertoire nicht. Kapitän. Und du nicht meines. Alice. (ausweichend). Willst du, dass die Türen offen bleiben sollen? Kapitän. Wenn du es wünschest. Alice. Dann lass sie! … (Pause) Warum rauchst du nicht? Kapitän. Ich vertrage den starken Ta‐ bak nicht mehr so recht. Alice. (fast freundlich). Dann rauche schwächeren! Es ist ja deine einzige Freude, wie du es nennst. Kapitän. Freude! Was ist das? 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 226 <?page no="227"?> Alice Fråga inte mig? Jag är lika okunnig som du! … Vill du inte ha din whisky än? Kapten Jag skall dröja litet! … Vad har du till kvälln? Alice Hur ska jag veta det! Fråga Kris‐ tin! Alice. Frage mich nicht. Ich weiß das ebensowenig wie du … Willst du noch nicht deinen Whisky haben? Kapitän. Ich möchte noch etwas war‐ ten … Was hast du zum Abendessen? Alice. Wie soll ich das wissen! Frag Christel! c) Captain. Won’t you play some‐ thing for me? Alice (indifferently but not snap‐ pishly). What shall I play? Captain. Whatever you want. Alice. You don’t like my repertoire. Captain. And you don’t like mine. Alice. (changing the subject). Do you want the doors left open? Captain. It’s up to you. Alice. We’ll leave them open then … (pause) Why aren’t you smoking? Captain. I can’t stand strong tobacco any more. Alice (almost friendly). Smoke a mil‐ der kind then. You say it’s your only pleasure. Captain. Pleasure? What’s that? Alice. Don’t ask me. I have as little knowledge of it as you … Isn’t it time for your whiskey? Captain. I’ll wait awhile … What’ve you got for supper? Alice. How should I know? Ask Kris‐ tine. d) E: Spiele was vor. A: Was? E: Was du willst. A: Solveigs Lied. E: Den Einzug der Bojaren. A: Du liebst nicht mein Repertoire. E: Du meines auch nicht. A: Dann spiele ich nichts vor. E: Die Türe ist offen. A: Soll ich sie schließen? E: Wenn du willst. A: Dann schließe ich sie nicht. A: Rauche doch. E: Ich vertrage keinen starken Tabak mehr. A: Rauche schwächeren. E: Ich habe keinen schwächeren. A: Rauchen ist noch deine einzige Freude. E: Was ist Freude? A: Ich weiß nicht. E: Ich weiß auch nicht. A: Whisky? E: Später. E: Was gibt es heute abend? A: Frag Jenny. 2.4 Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion 227 <?page no="228"?> 28 S. dazu das Kapitel „Der Begriff der Kreativität im Übersetzungsprozess“ in W. Wilss (1988), P. Kußmaul (1999, 2000). In der Übersetzungspraxis stellt sich das Problem der eigenständigen Text‐ produktion u. a. bei „defekten“ Originaltexten: Jede Verbesserung des AS-Textes in der Übersetzung ist nicht mehr bloße Textreproduktion, son‐ dern Textproduktion (die allerdings gebunden ist an eine „rekonstruierte Intention“ des Originalautors). Zur Frage nach dem Recht, vielleicht sogar der Pflicht des Übersetzers, den Originaltext in der Übersetzung zu verbes‐ sern, wird unterschiedlich Stellung genommen. Einigkeit besteht übrigens nicht einmal darin, ob sich das Problem unterschiedlich stellt je nachdem, ob es sich um literarische Texte oder um Sachtexte handelt (s. dazu II.4.1.2). Für H.-J. Stellbrink (1989: 91) gilt, dass der „Literaturtranslator“ „gleichberech‐ tigt neben dem ‚Ersttextautor‘ steht und damit auch das Recht, ja sogar die Pflicht hat, Aussagen des ‚Ersttextautors‘ zu verifizieren, zu kritisieren und als neuer ‚Ersttextautor‘ ggf. sogar aus eigener Verantwortung neu (und auch an‐ ders) zu fassen“. Immerhin sei daran erinnert, was Henrik Ibsen einem solchen selbsternannten Bearbeiter entgegenhielt. Es geht um „Die Stützen der Gesell‐ schaft“, die Emil Jonas für die deutsche Bühne bearbeiten wollte: „[…] eine Be‐ arbeitung, so wie Sie sie in Aussicht stellen, muss ich mir aufs bestimmteste verbitten. - Was Sie zu Ihren Streichungen im ersten Akt schreiben, ist völlig sinnlos und zeugt davon, dass Sie das Werk überhaupt nicht verstanden ha‐ ben, zu dessen Bearbeitung Sie sich als fähig betrachten. Selbst dem ungebil‐ detsten literarischen Pfuscher müsste es meines Erachtens einleuchten, dass in diesem Stück keine Rolle ausgelassen und auch nicht eine einzige Replik gestri‐ chen werden kann. […] Lassen Sie aber gleichwohl das angekündigte Mach‐ werk an die Öffentlichkeit treten, so schulden Sie mir jedenfalls die Genugtu‐ ung, auf die Plakate des Stadttheaters zu drucken: ‚verstümmelt von Emil Jonas‘.“ (Brief vom 18. 1. 1878, unsere Übersetzung). Die Frage nach dem Anteil der textproduzierenden Aktivität beim Übersetzen lässt sich nur empirisch beantworten: Ausgehend von einer reprä‐ sentativen Auswahl von Übersetzungen verschiedener Textgattungen müsste untersucht werden, wie sich Textreproduktion und Textproduktion zueinander verhalten. (Die Erarbeitung von Kriterien und Maßstäben für eine solche Ana‐ lyse dürfte allerdings nicht wenige methodische Probleme stellen.) Der Aspekt der Textproduktion ist aufs engste verknüpft mit der komplexen Frage nach Art und Grad der Kreativität des Übersetzens. 28 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 228 <?page no="229"?> 29 Zu Übersetzungstreue oder -loyalität, s. C. Nord (1989, 1997). Nicht selten weisen Übersetzer mit Formulierungen wie „übersetzt und bearbeitet von“, „übersetzt und für deutsche Leser eingerichtet von“ auf ih‐ ren textproduzierenden Anteil hin. Manchmal liegt auch eine Arbeitsteilung zwischen Übersetzer und Bearbeiter vor; so heißt es im Buch von A. D. Švejcer (1987): „Übersetzung aus dem Russischen: … In deutscher Sprache herausgegeben und bearbeitet von …“. - Bei literarischen Texten wird mit der Charakterisierung als Nachdichtung darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des Übersetzers der textproduzierende (auch kreative) Anteil größer ist als bei einer „gewöhnlichen“ Übersetzung. - Ein Hinweis beson‐ derer Art liegt vor, wenn Max Knight die Übersetzung von Christian Mor‐ gensterns „Der Werwolf “ („The Banshee“) als approach bezeichnet (s. Beispiel II.3.-22). Bei einem äquivalenzorientierten Ausgangspunkt ist die Unterschei‐ dung zwischen Bearbeitung und Übersetzung, zwischen bearbeitenden und übersetzenden, zwischen textproduzierenden und -reproduzierenden Elementen in der Übersetzung bei aller Relativität des Übersetzungsbegriffs von fundamentaler Bedeutung. Der textreproduzierende Übersetzer ist ein anderer Typ Sender als der textproduzierende Sender des Originaltextes. Hinzuzufügen ist, dass er auch eine andere Art von Rezipient des AS-Textes ist als der „normale“ AS-Rezipient. In den gängigen Kommunikationsmo‐ dellen der Übersetzung wird dieser wichtige Aspekt übersehen bzw. nicht thematisiert. In der Übersetzungskommunikation sind S 1 und S 2 nicht Sender gleichen Ranges, vielmehr kommt S 1 als Primärsender eine wesensmäßig andere Rolle zu als dem Sekundärsender S 2 (dem Übersetzer). Die Funktion als Sender S 2 begründet eine ganz spezifische Verantwortung des Überset‐ zers gegenüber Ausgangstext und -autor. Der ZS-Leser geht beim Gebrauch einer Übersetzung davon aus, dass er sich, sobald ein Text als Übersetzung deklariert wird, darauf verlassen kann, dass der Übersetzer diese Verant‐ wortung wahrnimmt. In diesem „übersetzungsethischen“ Zusammenhang hat der Begriff der Übersetzungstreue als Treue gegenüber dem AS-Text und als übersetzerische Verpflichtung gegenüber dem ZS-Leser seinen Ort. 29 Aus diesem Grunde sind Übersetzungen, die von den Autoren selbst ge‐ macht werden, anders zu beurteilen als Übersetzungen von Übersetzern. Nach C. Wittig (1987: 89) ist Martin Andersen Nexø, der seinen Roman „Lot‐ terisvensken“ selbst übersetzt, als Originalautor dazu berechtigt, „seine Vor‐ 2.4 Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion 229 <?page no="230"?> 30 Zur Eigenübersetzung, s. auch E. Gentes (2017), C. Gerlach-Berthaud (2016), A. Hultsch (2018), V. Petrbok (2014), G. Sgambati (2017), D. Weissmann (2013). lage zu überarbeiten und sogar zu revidieren“; die Übersetzung durch den Autor selbst unterliege nicht „den geltenden, sprich üblichen Bewertungs‐ maßstäben der Übersetzungskritik“. Und Samuel Beckett als Übersetzer der eigenen Dramen ist, wenn er von seinen Vorlagen abweicht, anders zu be‐ urteilen als ein „normaler“ Übersetzer. Dies gilt selbst dann, wenn es zu zei‐ gen gelingt, dass die betreffenden Veränderungen „auf einem logisch strin‐ genten Gedankengang Becketts bei der Übersetzungsarbeit beruhen“ (E. Kaemmerling 1980: 58). E. Kaemmerling demonstriert dies am Beispiel folgender Stelle aus Becketts „Come and Go“ und der Eigenübersetzung „Va et vient“, die eine Replik enthält, die es in der Vorlage nicht gibt: 30 Beispiel II.2.-4 Silence. FLO Just sit together as we used to, in the playground at Miss Wade’s. RU On the log. Silence. Französische „Übersetzung“: Silence. FLO Comme ça, nous trois, sans plus, comme jadis, chez les sœurs, dans la cour, assises côte à côte. RU Sur la ba … VI Hssh! Silence. Die innere Logik, die in der Hinzufügung der betreffenden Replik (d. h., dem unterbrechenden Zischen von VI) liegen mag, ergibt sich erst in der nach‐ träglichen Rekonstruktion. Vom Ausgangstext und den sprachlichen Mög‐ lichkeiten der ZS her gesehen, erscheint sie zwar nicht unplausibel, aber nicht zwingend. Ähnlich lässt sich in Bezug auf den ersten Abschnitt von Franz Kafkas „Amerika“ feststellen, dass durchaus eine innere Logik darin liegt, dass die Freiheitsstatue nicht eine Fackel, sondern ein Schwert in der Hand hält; aber auch diese Logik ist nicht zwingend. Hielte sie einen Lor‐ beerzweig (oder gar einen Spaten …) in der Hand, ließe sich wohl auch dafür 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 230 <?page no="231"?> eine innere Logik rekonstruieren (s. u., II.4.1.2). Hätte nun Kafka selbst sein Werk übersetzt und dabei das Schwert durch Fackel, Lorbeerzweig oder Spaten ersetzt, so würden wir diese Veränderung zweifellos anders beurtei‐ len, als wenn sie von einem „gewöhnlichen“ Übersetzer vorgenommen wor‐ den wäre - logische Stringenz hin oder her. Aufschlussreich ist die Untersuchung von E. Ahlstedt (1990) zur Quellen- und Übersetzungslage bei August Strindbergs in französischer Sprache ver‐ fassten Novellen „Pain“ und „Automne“ („Ce que j’ai à dire au monde ne doit pas être dit en suédois! “). Der vom Verlag engagierte Übersetzer äußerte sich nämlich dahingehend, dass er beide Novellen ins Schwedische übersetzt habe. Der Vergleich der beiden schwedischen Texte mit den französischen Vorlagen legt aber nahe, dass nur „Brödet“ als Übersetzung gelten kann; „Höst“ weist so große Veränderungen auf, dass nur Strindberg selbst als Übersetzer in Frage kommt: „En effet, les écarts entre le manuscript français d’„Automne“ et la version suédoise sont […] si grands qu’il faut supposer que c’est Strindberg qui a traduit la nouvelle tout en faisant plusieurs ajouts.“ (138). Ein Beispiel für solche Veränderungen: Beispiel II.2.-5 frz. Vorlage: Il se sentait mal à l’aise. Tout lui manquait: les mules, la robe de chambre, les pipes, le bureau. „Übersetzung“: [Veränderungen kursiv gedruckt] Sekreteraren kände sig ängslig. Allting fattades: tofflorna, nattrocken, piphyllan, skrivbordet, alla dessa småting, som han låtit ingå som beståndsdelar av sitt liv. Och så barnen och hustrun. Hur hade de det nu? Vore de friska? Han blev orolig och mycket dyster. (‚Der Sekretär fühlte sich beängstigt. Alles fehlte: die Pantoffeln, der Schlafrock, der Pfeifenständer, der Schreibtisch: alle diese Kleinigkeiten, die ihm Bestandteile seines Lebens geworden waren. Und dann die Kinder und seine Frau. Wie ging es ihnen? Waren sie gesund? Er wurde unruhig und sehr düster.‘) Wenn man aus diesem Vergleich den Schluss zieht, dass nur Strindberg selbst der Übersetzer sein könnte, so ist damit gemeint: Nur der Autor selbst ist zu so weit reichenden, text‐ produzierenden Veränderungen berechtigt. 2.4 Übersetzung, Textreproduktion und Textproduktion 231 <?page no="232"?> Wie das folgende Beispiel zeigt, sichert sich der Übersetzer gegen den Vor‐ wurf ab, eigenmächtig in den Text eingegriffen zu haben (oder der Autor selbst nimmt den Übersetzer in Schutz, wie in Beispiel I.7.-2). Beispiel II.2.-6 In einem „Vorwort der Übersetzerin“ schreibt Inge Haas zu ihrer Über‐ setzung von D. Seleskovitch (1988): Bei einer vergleichenden Lektüre von Übersetzung und Original würde der Leser feststellen, dass die Übersetzerin an einigen Stellen vom Wortlaut des Originals abweicht. Diese Abweichungen sollten nicht voreilig auf Fehler oder Ungenauigkeiten zurückgeführt wer‐ den; sie sind nämlich durchaus beabsichtigt. Alle derartigen Ände‐ rungen wurden von der Übersetzerin in enger Abstimmung mit der Autorin vorgenommen. - Zum einen handelt es sich dabei um Fälle, wo das im Jahre 1968 erstmals aufgelegte Original Sachinformationen enthält, die heute nicht mehr zutreffen und daher zu korrigieren wa‐ ren. Ebenso wurde bei gewissen Beispielen der enge Bezug zu einem Zeitereignis, das dem heutigen Leser kaum mehr bekannt ist, fallen‐ gelassen. - Da ferner davon auszugehen ist, dass der Leser der Über‐ setzung die Sprache des Originals - Französisch - nicht beherrscht, wurden die Beispiele entweder zusammen mit einer Übertragung ins Deutsche übernommen, oder es wurden andere, dem deutschspra‐ chigen Leser besser ersichtliche Beispiele gewählt. Dies entspricht dem von der Autorin vertretenen Grundsatz der Anpassung an den „Empfänger“ der zu übermittelnden Aussage, im vorliegenden Falle also an den Leser der Übersetzung. In demselben Bemühen wurde durchgehend auf Einhaltung der deutschen Sprachgewohnheiten ge‐ achtet, die Voraussetzung dafür ist, dass der Text für den Leser der Übersetzung ebenso unmittelbar verständlich ist wie für den Leser des Originals. 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 232 <?page no="233"?> 31 Zur Übersetzung von Kinder- und Jugendliteratur, s. R. Oittinen (1999), J. House (2004), J.-Y. Kim (2015). 2.5 Relativität und Normativität des Begriffs der Übersetzung Im konkreten Einzelfall stellt sich immer wieder die Frage, ob ein ZS-Text, der in einer Beziehung zu einem AS-Text steht, tatsächlich als Übersetzung („eigentliche“ Übersetzung) und damit als Gegenstand der Übersetzungs‐ wissenschaft zu betrachten ist. Sind z. B. gewisse fremdsprachliche Fassun‐ gen von Coopers „Lederstrumpf “-Romanen für Kinder noch als Überset‐ zungen im eigentlichen Sinne anzusprechen? Oder handelt es sich, mindestens bei einzelnen Passagen, nicht um „inhaltsbearbeitende Übertra‐ gungen“ oder gar um eigenständige ZS-Texte, für die der AS-Text als Inspi‐ rationsquelle Handlungsgerüst und/ oder Personeninventar liefert? Sind Roh- oder Arbeitsübersetzungen im Unterschied zu „druckreifen Überset‐ zungen“ schon als eigentliche Übersetzungen zu betrachten? Als Übersetzung im eigentlichen Sinne (eigentliche Übersetzung) be‐ zeichnen wir nur, was bestimmten Äquivalenzforderungen norma‐ tiver Art genügt. Dazu gehört, dass der AS-Text, unabhängig von den speziellen Übersetzungsbedingungen (Empfänger in der ZS, kommuni‐ kativer Hintergrund) als autonomes Objekt betrachtet (und geachtet) und als solches in der ZS wiedergegeben wird. Bearbeitungen, Paraphrasen und kommentierende Inhaltserläuterungen können nicht als Übersetzungen im eigentlichen Sinne gelten und gehören damit nicht zum (primären) Gegenstand der Übersetzungswissenschaft. Sie können und sollen aber als Sonderformen der Übersetzung, die in der Geschichte der Übersetzung und im Rahmen bestimmter Übersetzungstext‐ gattungen - etwa Übersetzungen von Kinderbüchern bzw. Übersetzungen für Kinder - eine Rolle spielen, durchaus im Rahmen einer weiter gefassten Übersetzungswissenschaft behandelt werden. 31 Die Grenze zwischen Übersetzung und Bearbeitung kann aber kaum so scharf gezogen werden, wie das G. Jäger (1975: 28 ff.) postuliert, wenn er zwei Hauptarten der Sprachmittlung unterscheidet, nämlich 2.5 Relativität und Normativität des Begriffs der Übersetzung 233 <?page no="234"?> ▸ die kommunikativ äquivalente Sprachmittlung = Übersetzung ▸ im eigentlichen Sinne (Kriterium: kommunikativer Wert des AS-Tex‐ tes bleibt in der ZS erhalten), und ▸ die kommunikativ heterovalente Sprachmittlung = textbearbei‐ ▸ tende Wiedergabe (AS-Text wird reduziert oder erweitert oder gleich‐ zeitig reduziert und erweitert, wobei der kommunikative Wert des AS-Textes in der ZS nicht erhalten bleibt). Bei stark AS-sprach- und -kulturgebundenen Texten kommt der Übersetzer nämlich nicht darum herum, den Text im Interesse der Lesbarkeit und der Verstehbarkeit in der ZS mittels kommentierender Übersetzungsverfahren in unterschiedlich starkem Maße zu bearbeiten. Die Forderung, die G. Jäger (1975: 37) an die kommunikativ äquivalente Übersetzung stellt, wird der Spezifik der stark AS-sprach- und -kulturgebundenen Texte nicht gerecht: Als kommunikativ äquivalent betrachten wir zwei Texte verschiedener Sprachen dann, wenn ein ideal zweisprachiger Sprecher […] in der Kommunikation mit einem ebenso idealen Adressaten […] die freie Wahl hat, den Text der Sprache L A oder den Text der Sprache L B zur Realisierung seiner Intention zur Äußerung zu verwenden, da beide Texte beim Adressaten denselben kommunikativen Effekt auslösen, so dass die Entscheidung des Sprechers für den einen oder den anderen Text im Hinblick auf die Kommunikationssituation zufällig oder durch eine Ur‐ sache bedingt ist, die außerhalb der Partner und des Gegenstandes der Kommu‐ nikation sowie der betreffenden Sprachen liegt. Die Übersetzungssituation ist gerade dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei dem Leser der Übersetzung um keinen idealen Adressaten (Empfänger) handelt, der AS und ZS beherrscht und nur „zufällig“ die Übersetzung be‐ nutzt. Die Situation des Lesers der Übersetzung ist eine prinzipiell andere als die des zweisprachigen Sprechers: Er rezipiert den AS-Text in der ZS-Fas‐ sung in einem anderen sprachlichen und soziokulturellen Zusammenhang. Ebenso wenig ist der Übersetzer ein „idealer Übersetzer“, sondern er steht immer unter den Bedingungen von AS und ZS und den Ansprüchen des AS-Senders und des ZS-Empfängers. Es sind dies Ansprüche komplexer Art, die oft nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Auch das Irreversibilitätskriterium, das G. Jäger (1975: 35) als wesent‐ liche Eigenschaft der heterovalenten Sprachmittlung betrachtet, ist nicht unproblematisch. Zwar sind Bearbeitungen irreversibel, d. h. bei der Rück‐ übersetzung in die AS entsteht in keinem Fall der AS-Text, von dem bei der 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 234 <?page no="235"?> 32 S. dazu W. Koller (1971). 33 [Han satte sig på ett källartrappsteg.] Han vecklade fram smörgåsen ur smörgåspapperet. [Schweizerost som pålägg.] - Dass es nicht zu wortwörtlichen Entsprechungen kommt, hängt u. a. mit dem konnotativen Wert von Stulle zusammen, der im schwed. smörgås nicht gewahrt ist: Stulle ist norddt., bes. Berliner Sprachgebrauch. ZS-Textherstellung ausgegangen wurde. Irreversibel sind aber auch Über‐ setzungen: Die Unidirektionalität ist ein primäres Kennzeichen der Über‐ setzung (s. o., II.2.2). Dies wird auch durch praktische Experimente bestätigt: Rückübersetzungen führen in den meisten Fällen nicht zurück zu einer mit dem AS-Text identischen Fassung (es sei denn, es handle sich um stark nor‐ mierte Ausdrucksmuster wie Rauchen verboten ↔ No smoking). Geht die Rückübersetzung gar über verschiedene Sprachen (etwa engl. Original → frz. Übersetzung → ital. Übersetzung → dt. Übersetzung → Rücküberset‐ zung ins Engl.), entstehen bisweilen mit dem Originaltext kaum mehr ver‐ gleichbare Texte (dies gilt in besonderem Maße für poetische Texte). Schon bei nahe verwandten Sprachen ergeben sich bei Rückübersetzungen mehr oder weniger starke Abweichungen. Kennzeichnend für das Verhältnis Original - Übersetzung ist außerdem, dass zu einem Originaltext verschiedene Übersetzungen möglich sind, die durchaus als kommunikativ äquivalent beurteilt werden können. Das gilt nicht nur in übersetzungsgeschichtlicher Sicht (was sich anschaulich zeigt, wenn man Übersetzungen, die zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden sind, miteinander vergleicht), sondern auch in synchroner Sicht (verschie‐ dene Übersetzer übersetzen denselben Text). Im Zusammenhang mit einem deutsch-schwedischen Übersetzersympo‐ sium 32 übersetzten 10 hochqualifizierte Übersetzer einen ins Schwed. übersetz‐ ten Textausschnitt aus Wolfgang Weyrauchs „Geschichten zum Weiterschrei‐ ben“ (1969) zurück ins Dt. Selbst bei einem scheinbar unproblematischen Satz des Originals wie [Er setzte sich auf eine Kellertreppenstufe.] Er wickelte seine Stulle aus dem Stullenpapier. [Schweizerkäse drauf.] ergab sich, wie das fol‐ gende Beispiel zeigt, bei den Rückübersetzungen der schwed. Fassung in kei‐ nem Fall die wortwörtliche Entsprechung zum Original. 33 Beispiel II.2.-7 a. Er wickelte das Frühstücksbrot aus dem Stullenpapier, Schweizer‐ a. käse als Belag. 2.5 Relativität und Normativität des Begriffs der Übersetzung 235 <?page no="236"?> 34 S. dazu den Abschnitt „Normative decisions in the choice of the translated corpus for analysis“, in V. Ivir (2004). b. Er wickelte seine Brote aus dem Butterbrotpapier. Schweizer Käse b. als Belag. c. Er wickelte sein Butterbrot aus dem Butterbrotpapier. Schweizer‐ c. käse war drauf. d. Er wickelte Butterbrote aus dem Butterbrotpapier, mit Schweizer‐ d. käse belegt. e. [Er setzte sich auf eine Kellerstufe,] wickelte sein Butterbrot aus e. dem Pergamentpapier, Schweizer Käse als Belag. f. Wickelte sein Butterbrot aus dem Papier, Butterbrot mit Schwei‐ f. zerkäse. Wenn es theoretisch auch schwierig ist, Übersetzungen im eigentlichen Sinne von Bearbeitungen abzugrenzen, so ist eine solche Unterscheidung spätestens dann unerlässlich, wenn es um die Beschreibung von potenti‐ ellen Äquivalenten und den Bedingungen ihrer Aktualisierung geht. Das heißt nichts anderes, als dass auch die deskriptive Übersetzungswissen‐ schaft eine normative Komponente hat. 34 Es wird dabei einen zentra‐ len Bereich geben, wo die Bestimmung von „Übersetzung im eigentlichen Sinne“ eindeutig und einfach ist; einen Grenzbereich, wo Übersetzung und Bearbeitung ineinander übergehen (meistens wird es sich um ZS-Texte handeln, die Passagen oder Elemente größeren Umfangs enthalten, die als Bearbeitung zu charakterisieren sind); und einen Bereich der eindeutigen Bearbeitungen. Grundsätzlich ist jedoch festzuhalten, dass es Übergangs‐ zonen zwischen Übersetzung und Bearbeitung, zwischen - um die Be‐ griffe G. Jägers (1975) zu verwenden - kommunikativ äquivalenter und kommunikativ heterovalenter Sprachmittlung gibt. Zudem weist jede Übersetzung zwangsläufig Züge und Elemente der Heterovalenz auf, ja muss diese aufweisen, wenn sie ihre Übersetzungsfunktion erfüllen will. Die Heterovalenz in kommunikativ als durchaus äquivalent zu betrach‐ tenden Übersetzungen ist bedingt durch ▸ die sprachlichen Unterschiede, in denen sich Unterschiede der kom‐ ▸ munikativen Hintergründe von AS und ZS, von AS-Text und ZS-Text widerspiegeln 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 236 <?page no="237"?> ▸ die Empfängergruppe in der ZS, für die die Übersetzung abgefasst ist ▸ und die sich von der Empfängergruppe in der AS unterscheidet ▸ unterschiedliche Übersetzungszwecke ▸▸ unterschiedliche Interpretation des AS-Textes durch den Übersetzer ▸ in einer bestimmten historischen Situation ▸ Mehrdeutigkeiten in AS-Texten, insbesondere im literarischen Be‐ ▸ reich, die im ZS-Text unterschiedlich aufgelöst werden können In der sprachlich-stilistischen Gestaltung des ZS-Textes unmittelbar fassbar sind die Auswirkungen der Bedingungsfaktoren bei den Bearbeitungsstu‐ fen der Übersetzung. Unter Bearbeitungsstufen werden Rohübersetzung, Arbeitsübersetzung und druckreife Übersetzung verstanden, deren Bestim‐ mungsfaktoren im jeweiligen Zweck und im jeweiligen Empfängerkreis lie‐ gen. Hinsichtlich der übersetzungswissenschaftlichen Gegenstandsbestim‐ mung ist allerdings zu fragen: Kann eine Rohfassung in der ZS, die für be‐ stimmte Empfänger und zu bestimmten Zwecken angefertigt wird und die unter Umständen zahlreiche syntaktische, lexikalische und stilistische Män‐ gel und Unkorrektheiten aufweist (Mängel, die ganz bewusst in Kauf ge‐ nommen werden), schon als eigentliche Übersetzung bezeichnet werden? Oder anders gefragt: Welche Qualitätsforderungen müssen an eine Über‐ setzung gestellt werden, damit sie als eigentliche Übersetzung gelten kann? O. Kade (1964) betrachtet Roh- und Arbeitsübersetzungen als Übersetzun‐ gen, für die - im Sinne G. Jägers (1975) - das Kriterium der kommunikativen Äquivalenz gilt. Die Unterschiede zwischen diesen verschiedenen ZS-Fas‐ sungen werden als Unterschiede qualitativer Art angesehen. Die Rohüber‐ setzung wird durch weitere Bearbeitung (Qualitätssteigerung) zur Arbeits‐ übersetzung, und diese kann wiederum Ausgangspunkt für die Herstellung einer druckreifen Übersetzung sein. Die drei Bearbeitungsstufen der Übersetzung lassen sich nach O. Kade folgendermaßen charakterisieren: 1. Rohübersetzung: „kurzlebige“ Übersetzung; beschränkter, dem 1. Übersetzer oft bekannter Empfängerkreis; Arbeitsweise und -hilfs‐ mittel des Übersetzers: Stegreifübersetzen, kein Entwurf, Benutzung von Hilfsmitteln nur in Ausnahmefällen; Qualitätsforderung: Ge‐ nauigkeit, die auf die Identität des Inhalts zielt; sprachlich-stilistische Ansprüche: Verstöße gegen Morphologie, Syntax, Phraseologie, Stil, 2.5 Relativität und Normativität des Begriffs der Übersetzung 237 <?page no="238"?> Angemessenheit der Lexik sind zugelassen, soweit dadurch die Ge‐ nauigkeit der inhaltlichen Wiedergabe nicht beeinträchtigt wird. 2. Arbeitsübersetzung: Mittelstellung zwischen Rohübersetzung und 2. druckreifer Übersetzung; „mittelfristige“ Übersetzung; größerer und anspruchsvollerer Empfängerkreis als bei der Rohübersetzung; Ar‐ beitsweise und -hilfsmittel des Übersetzers: intensivere Benutzung der Hilfsmittel; Qualitätsforderungen: Genauigkeit und Richtig‐ keit, d. h. die Übersetzung verstößt nicht gegen die grammatischen und lexikalischen Normen der ZS, sie ist stilistisch akzeptabel. 3. Druckreife Übersetzung: „langlebige“ Übersetzung; uneinge‐ 3. schränkter Empfängerkreis; Arbeitsweise und -hilfsmittel des Über‐ setzers: Studium des Originals vor der Übersetzung, Herstellung eines Entwurfs, Benutzung aller Hilfsmittel (Wörterbucher, enzyklopädi‐ sche Hilfsmittel, Handbücher und Fachliteratur zum betreffenden Fachgebiet, ggf. Rückfragen beim Verfasser des Originals oder bei Fachleuten), nochmaliger Vergleich der endgültigen Fassung mit dem Original; Qualitätsforderungen: Genauigkeit, Richtigkeit und Adäquatheit: die Übersetzung ist stilistisch nicht nur akzeptabel, sondern angemessen, d. h. die ZS-Entsprechungen sind optimal ge‐ wählt; berücksichtigte Gesichtspunkte bei der Wahl der ZS-Entspre‐ chungen: a) Sprachform der Übersetzung entspricht den für die be‐ treffende Textgattung in der ZS gültigen Normen, b) Sprachform ist dem Empfängerkreis angemessen, d. h. sie erreicht die intendierten Empfänger optimal, c) Sprachform ist dem Übersetzungszweck ange‐ messen (Beispiel: der ZS-Text soll nicht nur lesbar, sondern auch sprechbar sein, wenn es um die Übersetzung von Vortragstexten oder von Predigten geht). So wichtig diese Bearbeitungsstufen in der Übersetzungspraxis sind, und so notwendig es ist, dass sie in der Übersetzerausbildung geübt werden: Für die Übersetzungswissenschaft, insbesondere in ihrem sprachenpaarbezogenen Teil, geht es um Analyse und Beschreibung der druckreifen Übersetzung. Als produktorientierte Übersetzungswissenschaft geht sie in der Regel von gedruckt vorliegenden Übersetzungen aus. Unter den „potentiellen Äqui‐ valenten“ können nicht alle möglichen Entsprechungen eines AS-Ausdrucks in der ZS verstanden werden, die unter bestimmten Umständen ihre kom‐ munikative Funktion erfüllen, nämlich einen AS-Inhalt einem der AS nicht mächtigen ZS-Empfänger in irgendeiner Weise zu vermitteln. 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 238 <?page no="239"?> 35 Zur Normproblematik in der Übersetzungstheorie, s. vor allem G. Toury (1980). - Aus‐ führlicher zum Thema Normativität (Präskriptivität)/ Deskriptivität in der Überset‐ zungswissenschaft, s. W. Koller (1997), V. Ivir (2004). Wissenschaftlich fassbar, d. h. objektivierbar und beschreibbar, sind nur die AS-/ ZS-Beziehungen und -Entsprechungen, die bestimmten Äqui‐ valenzforderungen genügen. Sprachlich-stilistisch unangemessene, ja unmittelbar als fehlerhaft erkennbare ZS-Ausdrücke gehören nicht zu den potentiellen Äquivalenten. Das „normative Dilemma“ der Übersetzungswissenschaft liegt darin, dass sie ihre Gegenstände aufgrund von bestimmten Äquivalenzforderungen zu‐ nächst einmal festlegen muss, d. h. sie muss feststellen, ob der Text eine „eigentliche“ Übersetzung ist oder nicht (s. dazu W. Wilss 1977: 67, 194). 35 Zugleich hat sie die Aufgabe, diese Gegenstände, d. h. vorliegende Überset‐ zungen, hinsichtlich Übersetzungsäquivalenzbeziehungen zu beschreiben und ggf. Äquivalenzforderungen abzuleiten. Es ist das Dilemma jeder Wis‐ senschaft, die zugleich retrospektiv und prospektiv orientiert ist: Sie hat, ausgehend von Texten, Übersetzungsbeziehungen zu beschreiben, ggf. unter Einbeziehung von zusätzlichen, vom Beschreibenden als möglich betrach‐ teten Varianten (deskriptiv-retrospektive Übersetzungswissenschaft), sie hat aber zugleich zu entscheiden, zu begründen und darzustellen, welche ZS-Ausdrücke in einer Beziehung potentieller Äquivalenz zu AS-Ausdrü‐ cken stehen, welche Faktoren und Bedingungen bei der Wahl einer aktuellen Übersetzungsentsprechung in einem Text maßgeblich sind und ggf. welches Äquivalent in dem betreffenden Text als optimal bezeichnet werden kann (deskriptiv-prospektive Übersetzungswissenschaft). 2.6 Sprachenpaar- und textbezogene Übersetzungswissenschaft Bestimmung und Abgrenzung des Gegenstandes Übersetzung sind uner‐ lässlich für die sprachenpaar- und textbezogene Übersetzungswissenschaft, soweit diese den Anspruch erhebt, nicht nur Einzelfälle verstehend-inter‐ 2.6 Sprachenpaar- und textbezogene Übersetzungswissenschaft 239 <?page no="240"?> 36 Zu den Descriptive Translation Studies, s. den programmatischen Artikel von T. Hermans (1985) und die kritische Analyse unterschiedlicher Positionen innerhalb der Descriptive Translation Studies von J. Lambert (1991); eine kurze Charakterisierung des theoreti‐ schen Ausgangspunkts dieser Gruppe von Wissenschaftlern (u. a. G. Toury, S. Bass‐ nett-McGuire, J. Lambert, T. Hermans) gibt M. Snell-Hornby (1988: 22 ff.). S. auch A. Chesterman (2004), R. Stolze (2008: 139 ff., 151 ff.). - Zur „manipulation hypothesis“ von T. Hermans (1985: 11), s. A. Dukate (2009). pretierend und übersetzungskritisch zu behandeln, sondern syntaktische, semantische, stilistische und pragmatische Regelmäßigkeiten in den Be‐ ziehungen zwischen AS- und ZS-Texten zu beschreiben (s. o., I.8.2 und I.9.2). Dies bedeutet, dass die Bedingungen herausgearbeitet werden, die die Aus‐ wahl unter potentiellen Äquivalenten auf Wort-, Syntagma-, Satz- und Text‐ ebene bestimmen. Damit ist der im engeren Sinn linguistische Ansatz cha‐ rakterisiert, der sich auf den Übersetzungsfaktor Sprache konzentriert; es versteht sich von selbst, dass es sich dabei um einen Ansatz von begrenzter Reichweite handelt (s. dazu W. Koller 2004b, J. Albrecht 2005). Die Konzentration der linguistisch orientierten Übersetzungswissen‐ schaft auf die Beschreibung von Regelmäßigkeiten, erklärt auch ihre (nur zum Teil berechtigte) Scheu vor literarischen Texten bzw. der „künstleri‐ schen Übersetzung“. Sie geht davon aus, dass der Anteil des Regelmäßigen, auch Standardisierten in Sachtexten wesentlich höher anzusetzen ist als in literarischen Texten. An der Richtigkeit dieser Einschätzung dürfte im Hin‐ blick auf Fachterminologie und syntaktische Standardentsprechungen bzw. auf habitualisierte und teilhabitualisierte Übersetzungsprozeduren kaum Zweifel bestehen (vgl. W. Wilss 1977: 131 f.). 2.7 Descriptive Translation Studies In Grundlagenarbeiten der Descriptive Translation Studies 36 findet sich eine Gegenstandsbestimmung, die auf den ersten Blick verblüffend einfach ist; sie erscheint bei deren primär literatur-komparatistischer Ausrichtung auf Stellenwert und Funktion von Übersetzungen im System der Ge‐ samtheit der ZS-Literatur zweckmäßig. Sie lässt sich in der Formel fassen: Übersetzungen sind Übersetzungen, oder wie es G. Toury (1985: 20) aus‐ drückt: […] a ‘translation’ will be taken to be any target-language utterance which is presented or regarded as such within the target culture, on whatever grounds. 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 240 <?page no="241"?> 37 Zur Pseudoübersetzung, s. auch A. Bohnenkamp (2004), G. Toury (1995: 40 ff.). - Zu einer etwas anderen Form der Pseudoübersetzung, und zwar in Erzähltexten, s. B. Rath (2008). Das Phänomen der „Präsentation“ als Übersetzung impliziert, dass die Exis‐ tenz eines Ausgangstextes angenommen wird, der als Basis für die Überset‐ zung diente. Ob tatsächlich ein solcher Text existiert und wie sich AS- und ZS-Text zueinander verhalten, ist für die Gegenstandsbestimmung selbst ir‐ relevant. Deshalb sind nach G. Toury auch sogenannte Pseudoübersetzungen Gegenstand der Descriptive Translation Studies. Es handelt sich dabei um Texte, die als Übersetzungen gelten oder als Übersetzungen präsentiert wer‐ den, obwohl es keinen Originaltext dazu gibt (s. dazu G. Toury 1984). Mit der Berücksichtigung von Pseudoübersetzungen, in der das Primat der Ori‐ entierung auf das literarische System auf der Empfängerseite am deutlichs‐ ten zum Ausdruck kommt, handeln sich die Descriptive Translation Studies allerdings ebenso unnötige wie unlösbare Probleme ein (nach A. P. Frank 1987: xiii sind es „Pseudoprobleme“). So stellt sich die Frage, ob die Texte, die V. Worth (1988: 223 f.) folgendermaßen beschreibt, als „Pseudoübersetzun‐ gen“ zu betrachten sind: 37 […] some of the processes of translation may be deemed to interfere with free composition without there being a written model to translate. That is to say, a Renaissance writer composing in French, but with a strong background of Latin, may at times produce a form in the vernacular which is in some way recognizably Latinate. For his readers, one of the ways in which this Latinate quality may be identified is by its resemblance to the style of translations. The author may or may not be consciously striving after this kind of style, but his French text will suggest the presence of an invisible ‘foreign’ model. Noch spezieller als der Fall der Pseudoübersetzung dürfte das Pseudoori‐ ginal sein, d. h. ein Text, der sich als Original ausgibt, eigentlich aber eine Übersetzung (oder ein Plagiat) ist. (Nicht wenige Haus- und Magisterarbei‐ ten dürften Pseudooriginale sein, d. h. mehr oder weniger umfangreiche Plagiate aus der Selbstbedienungstextwelt des Internets …) Die Hypothese, „that translations are facts of one system only“ (G. Toury 1985: 19), nämlich des literarischen Systems in der ZS, steuert den For‐ schungsprozess: Der erste Untersuchungsschritt besteht in der Kritik des Übersetzungstextes, ohne Vergleich mit dem Original. 38 In einem zweiten 2.7 Descriptive Translation Studies 241 <?page no="242"?> 38 Unter dem Aspekt der Rezeption scheint uns die Hypothese, Übersetzungen gehörten nur zum ZS-System, problematisch zu sein: Viele Leser dürften einen Text, den sie - nicht zuletzt aufgrund sprachlicher und inhaltlicher Signale und Verweise - als Über‐ setzung identifizieren, damit zugleich auch als einem anderen als dem ZS-System zu‐ gehörig auffassen. Schritt werden Übersetzungsphänomene, verstanden als Übersetzungslö‐ sungen von Übersetzungsproblemen, analysiert. Dies geschieht „by means of the mediating functional-relational notion of translation equivalence“ (21 f.). Dazu ist anzumerken, dass der Begriff der Übersetzungsäquivalenz linguistisch definierte AS- und ZS-Einheiten (Übersetzungseinheiten) vor‐ aussetzt, die einander zugeordnet werden. Damit stellt sich folgende Frage, die den postulierten rein theoretisch-deskriptiven Ausgangspunkt der Desc‐ riptive Translation Studies ebenso betrifft wie die Auswahl und Klassifizie‐ rung der Daten: Wann kann eine ZS-Einheit tatsächlich als Überset‐ zungslösung eines AS-Problems gelten? Der Begriff der Übersetzungslösung bekommt erst dann einen Sinn, wenn gesagt wird, was tatsächlich als Lösung gelten kann, und wenn die Lösungen sowohl quantitativ als auch qualitativ gewichtet werden. Es muss um die Feststellung von Regelmäßigkeiten und deren Bedin‐ gungsfaktoren gehen. In diesem Punkt trifft sich der Ansatz der lin‐ guistisch orientierten, sprachenpaar- und textbezogenen Übersetzungs‐ wissenschaft mit dem der Descriptive Translation Studies. Hinsichtlich der Nicht- oder Null-„Übersetzung“, d. h. der Auslassung, die G. Toury als Lösung bei der Übersetzung von Metaphern gelten lassen will, ist aber anzumerken, dass diese zwar empirisch wohl für die meisten Über‐ setzungsprobleme belegbar ist, als Übersetzungslösung kann sie in den we‐ nigsten Fällen (und schon gar nicht in systematischer Hinsicht) gelten. D. h., auch die Descriptive Translation Studies müssen letztlich mit normativen Kategorien arbeiten, wenn sie - im zweiten Untersuchungsschritt - auf der Mikroebene Äquivalenzbeziehungen untersuchen wollen. Nach G. Toury (1985: 27) hängt es mit der präskriptiven Orientierung der (traditionellen) Übersetzungswissenschaft zusammen, dass sie Auslassun‐ gen (in diesem Fall von Metaphern) nicht als „‘legitimate solutions’“ akzep‐ tiert. Aber kann der Deskriptivismus der Descriptive Translation Studies tat‐ 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 242 <?page no="243"?> 39 Diese Frage stellt sich auch bei „König Johann“ und „Titus Andronicus“, den Shake‐ speare-Bearbeitungen Dürrenmatts. sächlich so weit gehen, dass alles, was in Übersetzungen vorkommt, als Übersetzungslösungen akzeptiert wird? In diesem Fall würde sich die Be‐ schreibung reduzieren auf die atomistische Auflistung von „Phänomenen, die in Übersetzungen vorkommen“. Damit wird keineswegs behauptet, dass es keine unlösbaren Übersetzungsprobleme gibt. Diese Frage wäre im Zu‐ sammenhang der Übersetzbarkeitsproblematik zu diskutieren; vgl. dazu die diesbezüglich sehr dezidierte theoretische Stellungnahme von H. Kubczak (1987) und die provokative Aussage von K. Birkenhauer (1986: 510), dass es immer eine Lösung geben würde, wenn der Übersetzer nur genug Zeit hätte, sich mit dem betreffenden Problem zu beschäftigen. Es wird damit selbst‐ verständlich aber auch nicht gesagt, dass in der Übersetzungspraxis, d. h. im Zusammenhang konkreter Übersetzungsaufgaben, die (teilweise) Nicht- Übersetzung als praktische Lösung grundsätzlich ausgeschlossen sein sollte - unter Umständen auch in Fällen, wo eine Übersetzungslösung durchaus vorliegen könnte. Das Problem der Objektbestimmung stellt sich allerdings schon beim ers‐ ten Schritt. Sind Texte, die erst aufgrund philologischer Untersuchungen als Übersetzungen „entlarvt“ werden, etwa nicht Gegenstand der Descriptive Translation Studies, nur weil sie nicht als Übersetzungen präsentiert und auch nicht als Übersetzungen rezipiert wurden, sondern als Originaltexte (Pseudooriginale)? Und was mit Texten, die sich als Nachdichtungen, Be- oder Umarbeitungen deklarieren? Wo und aufgrund welcher Kriterien ist die Grenze zu ziehen? Gehört beispielsweise F. Dürrenmatts „Play Strind‐ berg“ zur deutschsprachigen Übersetzungs- oder zur Originalliteratur oder zu beiden zugleich? 39 Im Falle von „Play Strindberg“ ist die Sachlage umso verwirrender, als auf dem Schutzumschlag der Originalausgabe (Zürich 1969) zu lesen ist: „Play Strindberg, arrangiert von Friedrich Dürrenmatt“, auf dem Titelblatt heißt es „Friedrich Dürrenmatt. „Play Strindberg“. Toten‐ tanz nach August Strindberg“, und im „Bericht“, der in einem Anhang zum Stück abgedruckt ist, spricht Dürrenmatt von einer „Umarbeitung anhand einer Rohübersetzung“, die ihm „ehrlicher“ vorkomme als die „üblichen Strindberg-Bearbeitungen durch Striche, Umstellungen, Textveränderun‐ gen und Textergänzungen“, die Strindberg doch nur verfälschen würden (s. o., Beispiel II.2.-3). 2.7 Descriptive Translation Studies 243 <?page no="244"?> 40 S. die ausführliche Darstellung in R. Stolze (2003). - Wir verwenden den Ausdruck neohermeneutisch zur Abgrenzung von der philosophisch-hermeneutischen Ausein‐ andersetzung mit dem Übersetzen, wie man sie bei F. Schleiermacher (1813) und H.-G. Gadamer (1960) findet. 2.8 Der (neo-)hermeneutische Ansatz Der Aspekt des Verstehens des AS-Textes durch den Übersetzer steht im Zentrum des neohermeneutischen Ansatzes in der Übersetzungswissen‐ schaft. 40 Die Frage nach Gegenstandsbestimmung und -abgrenzung scheint sich dabei gar nicht zu stellen. Die Verabsolutierung des übersetzerischen Verstehensaktes und die Fokussierung auf die ausgangstextliche Bindung führt zu einer folgenreichen Sicht- und Problemverengung: Systematisch erfassbare sprachlich-stilistische Probleme und Regelmäßigkeiten bei der Herstellung einer Übersetzung und der Bezug auf zielsprachliche Leser wer‐ den außer Acht gelassen. Die Auffassung, dass auch interlinguale Kommu‐ nikation (mindestens teilweise) regelgeleitet ist, wird als „irrig“ bezeichnet (R. Stolze 1987: 108), und Forschungsunternehmen wie die Erstellung von Übersetzungsgrammatiken und -stilistiken werden als „ins Leere“ greifend abqualifiziert (R. Stolze 1986: 137). Kennzeichnend für den neohermeneuti‐ schen Wissenschaftsbegriff ist, dass alles, was nach Systematisierung und Typologie klingt, suspekt erscheint: Weil jeder Text eine individuell-kreative Verstehens- und Interpretationsleistung erfordert, ist auch jedes Übersetzen einzeltextbezogen und unwiederholbar. Nach R. Stolze (1982: 177) kann der Übersetzer eines „individuellen Textes […] den Einzelfall nun einmal nicht so entscheiden, wie er alle vergleichba‐ ren Fälle entscheiden würde“; Einzelentscheidungen gelten nur „innerhalb der Grenzen einer bestimmten Textvorlage und sind nicht generalisierbar“. Dem ist entgegenzuhalten, dass es für weite Bereiche von Syntax und Lexik ein Repertoire von mehr oder weniger festen Entsprechungen zwischen verschiedenen Sprachen gibt. Der Übersetzer greift auf dieses - je nach Textgattung unterschiedlich große - Korpus von potentiellen ZS-Entspre‐ chungen zurück; das erlaubt ihm, seine interpretatorischen und kreativen Kräfte ökonomisch, d. h. dort, wo sie wirklich gebraucht werden, einzuset‐ zen. Die grundsätzlichen wissenschaftstheoretischen Schwierigkeiten mit der Methode des Verstehens hat W. K. Essler (1971: 50) - auf zweifellos über‐ spitzte Weise - folgendermaßen formuliert: 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 244 <?page no="245"?> 41 Zu diesbezüglich ganz unterschiedlichen Übersetzerhaltungen, s. das „Doppelportrait der Übersetzer Goldschmidt und Lortholary“ von J. Fritz-Vannahme (DIE ZEIT, 13. 10. 1989). Bernard Lortholary äußert sich folgendermaßen: „Ich habe Bücher über‐ setzt, die ich gar nicht mochte. Aber das machte vielleicht hellsichtiger als es alle Ein‐ fühlung vermag. Der Übersetzer gleicht in meinen Augen dem Schauspieler, er nimmt viele Rollen an, ohne sich immer gleich zu identifizieren.“ Die Fragen der Adäquatheit, der Tragweite und der Grenzen der Operation des Verstehens sind in der Wissenschaftstheorie bislang noch nicht gestellt und folg‐ lich auch nicht beantwortet worden; die eifrigsten Verfechter dieser Methode ha‐ ben es vielmehr immer wieder verstanden, eine Explikation dieser Methode und, darauf aufbauend, einer Analyse jener Fragen geschickt aus dem Weg zu gehen. Diese polemisch-generalisierende Aussage schießt über das Ziel hinaus; für einen Teil der neohermeneutischen Diskussion der Übersetzungsproblema‐ tik trifft sie aber den Nagel auf den Kopf. Übersetzen und Verstehen gehören ohne Zweifel zusammen, und jede Übersetzungstheorie muss den Aspekt des Verstehens thematisieren. Was aber trägt (um nur eines von vielen Bei‐ spielen anzuführen) folgende Aussage zum Verstehen des Übersetzens bei? Wissenschaft ist beim Übersetzen eine dynamische Bewegung und vollzieht sich in der ununterbrochenen Zurückführung des Wissens auf das Verstehen des Tex‐ tes. […] Im Übersetzen ist der Text auch in der Entschlüsselung durch das Text‐ verstehen als verschlüsselter zu verstehen, weil er nur auf diese Weise der Text bleibt, der er ist und in der Übersetzung als ein textgebundenes Ganzes erscheint. Textverstehen und Übersetzungskritik sind wie Schlösser, die den Zugang eröff‐ nen und immer wieder zuschnappen. (F. Paepcke 1986: 131) Vom Übersetzer wird verlangt (R. Stolze 1989: 61), er müsse sich zwar nicht mit dem Autor, wohl aber mit der im Text zum Ausdruck gebrachten Sache „identifizieren“, weil man nur dann „wirkungsvoll“ reden könne, wenn man „ein eigenes Anliegen vertritt“ und „als Betroffener aus eigener Erfahrung spricht“. Identifikation mit der im Text zum Ausdruck gebrachten Sache als Forderung an den verstehenden Übersetzer? Dazu hat W. K. Essler (1971: 54 f.) unmissverständlich Stellung genommen; er zeigt, dass das „Dogma“, man könne einen Text nur dann verstehen, „wenn man ihn samt seinem Begriffs- und Erfahrungshintergrund akzeptiere“, einer kritischen Betrachtung nicht standhält. 41 Nach R.-A. de Beaugrande/ W. U. Dressler (1981: 227) liegt eine „Hauptquelle für Nichtäquivalenz“ gerade darin, dass der Übersetzer „seine eigene Erfahrung in den Text selbst einbindet und so‐ 2.8 Der (neo-)hermeneutische Ansatz 245 <?page no="246"?> mit die Erfahrung der Rezipienten verkürzt und einengt“. Allerdings können sich für den Übersetzer ethische Probleme stellen, wenn er Texte/ Textstellen übersetzen soll, mit deren Inhalt er sich nicht nur nicht identifizieren kann, sondern die ihm - aus welchen Gründen auch immer - fragwürdig, ja un‐ akzeptabel erscheinen. Das gilt etwa für rassistische, chauvinistische oder antisemitische Inhalte. Ein interessantes, wenn auch außergewöhnliches Beispiel bietet die dt. Übersetzung von István Örkénys Buch „Das Lagervolk“ (Berlin 2010), dem der Übersetzer Laszlo Kornitzer einen „Brief “ an den (verstorbenen) Autor beifügt, in dem er sich gegen antisemitische Passagen des Textes verwahrt. Er springe ständig vom Schreibtisch hoch, so schreibt L. Kornitzer in seinem Brief, weil er übersetzen solle, was „nicht zu übersetzen ist“: „ich tue es trotzdem, statt diese Sätze einfach rauszuschmeißen, obwohl ich es immer wieder überlege, doch ich würde dann Ihren Text nur fälschen“ (365). Der Rezensent des Buches, Ulrich M. Schmid, bemerkt dazu (in der Neuen Zürcher Zeitung vom 28. 8. 2010), die Erregung des Übersetzers sei zwar „emotionell nachvollziehbar“, sie zeuge aber „von einer Blindheit gegenüber der ästhe‐ tischen Autonomie“ des Buches. Denn dieses überzeuge gerade deshalb, weil es sich moralischer Anklagen enthalte. Darauf antwortet L. Kornitzer (in der Neuen Zürcher Zeitung vom 10. 9. 2010), die von ihm kritisierten antisemi‐ tischen Klischees stammten nicht etwa von den Protagonisten des Buches, sondern es handle sich um „Résumés des Autors“. Und er beschließt seine geharnischte Antwort mit der Bemerkung: „Vielleicht hätte der Rezensent der Frage nachgehen können, wie man ein Buch adäquat übersetzt, das man nicht begreift.“ Eine merkwürdige Frage - denn was ist es denn, was der Übersetzer L. Kornitzer am Buch von István Örkénys nicht begreift? Oder meint er: Wie soll ich ein Buch eines (jüdischen) Autors übersetzen, dessen antisemitische Passagen für mich als Übersetzer so unerträglich und unbe‐ greifbar sind, dass ich dazu einfach nicht schweigen kann? 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 246 <?page no="247"?> 42 Zum funktionalistischen Ansatz, s. R. Stolze (2008: 177 ff.), S. Colina (2009). S. auch H. J. Vermeer (1996), C. Nord (2014). - Kritisch zur „Skopostheorie“: A. F. Kelletat (1987), R. Kohlmayer (1988), F. Liedtke (1997), R. Stolze (2003: 20 ff., 139 ff.), C. Martín de León (2008). - S. auch I. Aboluwade (2011). 43 Mit Recht weist W. Lörscher (1988: 80 f.) darauf hin, dass der „Zugang [funktionaler Übersetzungsmodelle] zum Objektbereich nicht empirischer, sondern theoretisch-spe‐ kulativer Art ist“. 2.9 Funktionalistische Translationswissenschaft („Skopostheorie“) Im Satz „Die Dominante aller Translation ist deren Zweck“ liegt das Credo der funktionalistischen Translationswissenschaft („Skopostheorie“) bzw. der handlungstheoretisch begründeten Translatologie (K. Reiß/ H. J. Ver‐ meer 1984, J. Holz-Mänttäri 1984). 42 Daraus folgt: „Der Zweck [der Transla‐ tionshandlung] heiligt die Mittel“ (K. Reiß/ H. J. Vermeer 1984: 96,101); dies hat die Konsequenz, dass Translation dann als „geglückte Interaktion“ auf‐ zufassen ist, „wenn sie vom Rezipienten als hinreichend kohärent mit seiner Situation interpretiert wird und kein Protest, in welcher Form auch immer, zu Übermittlung, Sprache und deren Sinn (‚Gemeintem‘) folgt“ (112). Der „Translator“ hat bei diesem Konzept eine Eigenständigkeit, die folgender‐ maßen beschrieben wird: „Er entscheidet letzten Endes, ob, was, wie über‐ setzt/ gedolmetscht wird.“ (87). Normative Sätze dieser Art sind unverträglich mit der Auffassung von Übersetzungswissenschaft als empirisch-induktiver Wissenschaft. Der Satz Der Zweck heiligt die Mittel beinhaltet letztlich nichts anderes als die höchst problematische Abspaltung des Begriffs der Zweck‐ mäßigkeit (der Übersetzung) vom Begriff der Wahrheit (bzw. in der tradi‐ tionellen Terminologie: der Treue) der Übersetzung. 43 Was fällt nun aber unter den Begriff des Translats, d. h. des Resultats der Translationshandlung? Nach K. Reiß/ H. J. Vermeer (1984) dürfte die „allge‐ meine Translationstheorie“ ganz unterschiedliche Verarbeitungsformen ausgangssprachlicher Texte in einer Zielsprache umfassen, abhängig davon, welche Funktion der Translator „(begründet) wählt: Don Quijote als litera‐ risches Kunstwerk der Weltliteratur, als Kinder- und Jugendbuch usw.“ (57). Mehr noch: Translation ist „gesamtmenschliches Handeln“ und „schließt als Sondersorte von Transfer auch die Möglichkeit des Umsetzens von sprach‐ lichem in aktionales Handeln und umgekehrt ein“ (91). Bei diesem Aus‐ gangsspunkt dürfte es einfacher sein, eine Antwort auf die Frage zu finden, was nicht Translation ist; jedenfalls verliert die Übersetzungswissenschaft 2.9 Funktionalistische Translationswissenschaft („Skopostheorie“) 247 <?page no="248"?> 44 Nach H. J. Vermeer (1987a: 170) ist auch die Transmutation (s. o., I.5.3) eine Form der Translation: „Neulich hat Peter Bretthauer, IÜD, Heidelberg, vorgeführt, wie eine wort‐ reiche chinesische Betriebsanleitung für einen Kassettenrecorder in eine fast textlose deutsche Bildanweisung übersetzt wird.“ P. Bretthauer (1987: 223) ist allerdings vor‐ sichtiger: Er setzt Übersetzung in Gänsefüßchen und verwendet den Konjunktiv („Die „Übersetzung“ wäre in diesem Fall eine graphische Arbeit.“). 45 Auch Vertreter der Skopostheorie sehen dies (wie auch das Konzept der Äquivalenz) inzwischen differenzierter und unpolemischer (s. P. Kußmaul 2015: 63 f.). (Translatologie) ihre spezifische empirische Basis: Sie wird zu einer allge‐ meinen Textverarbeitungswissenschaft. 44 Bei der funktionalistischen Konzeption von Übersetzung kommt dem Originaltext nur mehr eine untergeordnete Funktion zu: Er ist „entthront“ (H. J. Vermeer 1986: 42), zu einem „Informationsangebot“, ja bloßem „Aus‐ gangsmaterial“ reduziert (H. J. Vermeer 1987: 541). Wer dem Ausgangstext eine vorrangige Bedeutung zuweist, muss sich vorwerfen lassen, dem (Irr-)Glauben an ein „heiliges Original“ verfallen zu sein (H. G. Hönig/ P. Kußmaul 1982). 45 Der Übersetzer steht nach dieser Auffassung nicht mehr im Dienste des Originaltextes, und er ist schon gar nicht „Diener“ des Ori‐ ginalautors. Vielmehr ist er - als Translator - recht eigentlich Ko-Autor (H. J. Vermeer 1987: 545). Und als solcher hat er weitreichende Kompetenzen: Der Translator „wird soviel Information anbieten und so, wie er dies als (sic) für den Zieltextrezipienten angesichts seiner Translation eines Ausgangstextes für optimal hält“ (K. Reiß/ H. J. Vermeer 1984: 123). Ähnlich P. Kußmaul (1986: 215), der die Frage: „Wie differenziert muss eine Textstelle wiedergegeben werden? “ mit der Maxime beantwortet: „so genau und differenziert wie nötig“ (und nicht: „wie irgend möglich“), s. dazu auch den Abschnitt „Der notwendige Differenzierungsgrad“ in P. Kußmaul (2015: 67 ff.). Dazu stellt A. P. Frank (1988: 193) die Gegenfrage: „Was ist beim Übersetzen eines literarischen Werks nötig? “ Und er gibt die unzweideutige Antwort: „Ganz einfach alles: dass an jeder Stelle der Übersetzung genau so und mit genau denselben Mitteln wie in der Vorlage voll differenziert wird.“ Dies das (unerreichbare) Ideal, an dem sich das Berufsethos des Übersetzers literarisch-poetischer Werke orientiert. Von genau diesem Ethos des Die‐ nens am Originaltext legen, um nur ein Beispiel zu nennen, die Beiträge in „Übersetzer - Kuriere des Geistes“ (Zeitschrift für Kulturaustausch, 4/ 1986), das schönste Zeugnis ab. Ein Übersetzer, der so dem Originaltext und damit auch dem Leser der Übersetzung dient, ist deshalb noch lange kein unter‐ geordneter Diener, und schon gar nicht ein Sklave (zur „Dienstleistung“ des 2 Äquivalenzrelation und doppelte Bindung der Übersetzung 248 <?page no="249"?> Übersetzers, der dem ZS-Leser einen AS-Text erschließt, s. K. Reiß 1985: 33; zur Ethik des Übersetzens, s. o., I.7.2.1). 2.10 Schlussbemerkung Für die literatur-komparatistisch orientierten Descriptive Translation Studies wie auch die linguistisch orientierte Übersetzungswissenschaft (und mit ‚linguistisch‘ ist ein breites Spektrum von Ansätzen verstanden, unter Ein‐ schluss von Text-, Sozio-, Pragma- und Psycholinguistik) ist die Klärung des Übersetzungsbegriffs und die Abgrenzung der Übersetzung von anderen Formen der Textverarbeitung/ -reproduktion von grundlegender Bedeutung. Übersetzung wird - als textreproduzierende Aktivität wie auch als Produkt dieser Aktivität - verstanden als ein historisch-kulturelles Phänomen und eine Kulturtechnik sui generis, die im Universum von Textprodukten und unter den vielfältigen textherstellenden Aktivitäten eine eigene Position innehat. Kennzeichnend ist ihre doppelte Bindung: die Bindung an den Ausgangstext und die Bindung an die empfängerseitigen Bedingungen und Voraussetzungen. Bei der theoretischen Klärung des Übersetzungsbegriffs und bei der Beschreibung von Übersetzungen ist die Differenzierung und Operationalisierung des Begriffs der Äquivalenz von zentraler Bedeutung. Dies geschieht im folgenden Kapitel. 2.11 Zusammenfassung In Kapitel 2 wird Äquivalenz als ganz spezifische Beziehung zwischen einem Zieltext und einem Ausgangstext bestimmt. Die Äquivalenzbeziehung wird aus verschiedenen theoretischen Perspektiven beleuchtet. Kennzeichnend für Äquivalenz ist die Bindung der Übersetzung sowohl an den Ausgangstext als auch an die empfängerseitigen Voraussetzungen. Übersetzung wird im Zusammenhang von Textproduktion und Textreproduktion gesehen. Dabei geht es unter anderem um folgende Fragen: Wo läuft die Grenze zwischen Bearbeitung und Übersetzung? Welche Rolle spielt der Begriff der Überset‐ zungstreue? Relativität und Normativität des Übersetzungsbegriffs werden thematisiert, auch im Zusammenhang mit verschiedenen Ansätzen in der Übersetzungswissenschaft. 2.10 Schlussbemerkung 249 <?page no="251"?> 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 3.1 Übersetzungsäquivalenz und ihre Bezugsrahmen Die Begriffe Äquivalenz, Äquivalent und äquivalent zu erscheinen in den meisten Definitionen und Beschreibungen des Übersetzungsprozesses (s. o., I.6.1 und I.6.3): Es wird gesprochen von equivalent elements (A. G. Oettinger 1960: 110), equivalent textual material ( J. C. Catford (1965: 20), another for‐ mulation as equivalent as possible (W. Winter 1961: 68) und the closest natural equivalent (E. A. Nida/ C. R. Taber 1969: 12). In der Definition von W. Wilss (s. o., II.2.2) ist die Rede von einem möglichst äquivalenten zielsprachlichen Text. In diesen Definitionen wird der Äquivalenzbegriff ganz unterschiedlich gefasst. Noch vielfältiger und verwirrender wird das Bild, wenn man sich die verschiedenen näheren Bestimmungen zu Äquivalenz vor Augen hält: inhaltliche, textuelle, stilistische, expressive, formale, dynamische, funktio‐ nelle, kommunikative, pragmatische, wirkungsmäßige Äquivalenz. Die Klärung des Äquivalenzbegriffs muss von drei prinzipiellen Vorüber‐ legungen ausgehen: 1. (Übersetzungs-)Äquivalenz bedeutet zunächst nur, dass zwischen 1. zwei Texten eine Übersetzungsbeziehung vorliegt; man würde des‐ halb besser von Äquivalenzrelation statt nur von Äquivalenz spre‐ chen. 2. Die Verwendung des Äquivalenzbegriffs setzt die Angabe von Be‐ 2. zugsrahmen voraus. 3. Als ZS-Äquivalente werden sprachliche/ textuelle Einheiten ver‐ 3. schiedener Art und unterschiedlichen Ranges und Umfanges bezeich‐ net, die zu AS-Elementen in einer durch Angabe des/ der Bezugsrah‐ men(s) spezifizierten Äquivalenzrelation stehen. Zu 1.: Mit dem Begriff der Äquivalenz wird postuliert, dass zwischen einem Text (bzw. Textelementen) in einer Sprache L 2 (ZS-Text) und einem Text (bzw. Textelementen) in einer Sprache L 1 (AS-Text) eine Übersetzungsbe‐ ziehung besteht. Der Begriff Äquivalenz sagt dabei noch nichts über die Art der Beziehung aus; diese muss zusätzlich definiert werden. Auch die Forde‐ rung an die Übersetzung, sie habe äquivalent (oder gleichwertig) zu einem <?page no="252"?> bestimmten Original zu sein, bedarf der inhaltlichen Präzisierung: Es muss angegeben werden, auf welche Qualitäten des AS-Textes sich diese norma‐ tive Aussage bezieht. Zu 2.: Die Art der Äquivalenzbeziehung wird dadurch bestimmt, dass man die Bezugsrahmen nennt, auf die man sich beim Gebrauch des Äquiva‐ lenzbegriffs bezieht. D. h., es ist - in diesem Sinne immer normativ - anzu‐ geben: Äquivalenz bzw. eine Äquivalenzrelation (Übersetzungsbeziehung) zwischen einem bestimmten ZS-Text und einem bestimmten AS-Text liegt dann vor, wenn der ZS-Text bestimmte Forderungen hinsichtlich dieser Be‐ zugsrahmen erfüllt. Die Äquivalenzforderung lässt sich jeweils in die Formel fassen: Die Qualität(en) X des AS-Textes muss (müssen) in der Übersetzung gewahrt werden. Zu 3.: ZS-Äquivalente sind bezogen auf ausgangstextliche Überset‐ zungseinheiten (s. o., I.6.5); zwischen den AS-Einheiten und den ZS-Äqui‐ valenten bestehen sowohl Ähnlichkeiten als auch Unterschiede, die sich aus dem unterschiedlichen Grad der Erhaltung von Werten ergeben, die den einzelnen Bezugsrahmen zugeordnet sind. Es wird von fünf Bezugsrah‐ men ausgegangen, die bei der Festlegung der Art der Übersetzungsäquiva‐ lenz eine Rolle spielen: 1. der außersprachliche Sachverhalt, der in einem Text vermittelt 1. wird; Äquivalenztyp: denotative Äquivalenz (siehe II.3.3) 2. die im Text durch die Art der Verbalisierung (insbesondere: durch 2. spezifische Auswahl unter synonymischen oder quasi-synonymi‐ schen Ausdrucksmöglichkeiten) vermittelten Konnotationen; Äqui‐ valenztyp: konnotative Äquivalenz (siehe II.3.4) 3. die Text- und Sprachnormen (Gebrauchsnormen), die für be‐ 3. stimmte Textgattungen gelten; Äquivalenztyp: textnormative Äquivalenz (siehe II.3.5) 4. der Empfänger (Leser), an den sich die Übersetzung richtet und der 4. den Text auf der Basis seiner Verstehensvoraussetzungen rezipieren können soll, bzw. auf den die Übersetzung „eingestellt“ wird, damit sie ihre kommunikative Funktion erfüllen kann; Äquivalenztyp: pragmatische Äquivalenz (siehe II.3.6) 5. bestimmte ästhetische, formale und individualstilistische Ei‐ 5. genschaften des AS-Textes; Äquivalenztyp: formal-ästhetische Äquivalenz (siehe II.3.7) 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 252 <?page no="253"?> Bevor auf diese Bezugsrahmen im Einzelnen eingegangen wird, sollen einige Aspekte der wissenschaftlichen Äquivalenzdiskussion behandelt werden. 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 3.2.1 Äquivalenz und Korrespondenz in der kontrastiven Linguistik Der Begriff der Äquivalenz spielt nicht nur in der Übersetzungswissenschaft, sondern auch in der kontrastiven Linguistik eine zentrale Rolle (s. dazu V. Ivir 2004). In beiden Wissenschaften (oder in Teilbereichen dieser Wissen‐ schaften) werden sprachliche Einheiten verschiedener Art und Größe (vom Phonem bis hin zum Satz und zu satzübergreifenden Konstruktionen) bzw. Äußerungen und Texte (deskriptiv) einander zugeordnet. Im Folgenden wird die unterschiedliche Ausrichtung von kontrastiver Linguistik und Übersetzungswissenschaft dargestellt und vorgeschlagen, den Begriff der Äquivalenz für die Übersetzungswissenschaft, den der Korrespondenz für die kontrastive Linguistik zu reservieren. Nach G. Nickel (1980: 633) besteht das Ziel der kontrastiven Linguistik darin, „zwei oder mehrere Sprachen auf allen Ebenen mit Hilfe der Grund‐ lage eines tertium comparationis systematisch miteinander zu vergleichen“. Was setzen solche Vergleiche voraus in sprachtheoretischer, beschreibungs‐ theoretischer und -praktischer Hinsicht? 1. Sprachtheoretisch: Die Vergleichbarkeit von Sprachsystemen bzw. 1. von Teilsystemen muss gegeben sein. Nach K. H. Wagner (1974: 375) besteht eines der „diffizilsten theoretischen Probleme“ im Begriff der Vergleichbarkeit: Objekte können nur dann kontrastiv verglichen werden, wenn sie Eigen‐ schaften gemeinsam haben, die als Vergleichsgrundlage dienen können. Die Grundlage eines jeden Vergleichs sind Gemeinsamkeiten. Nach streng strukturalistischer Auffassung etwa, für die Systemele‐ mente nur hinsichtlich ihres Stellenwerts in Strukturen definiert sind, ist der Vergleich von Einheiten unterschiedlich strukturierter Sprach‐ systeme theoretisch nicht möglich. 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 253 <?page no="254"?> 46 Vgl. dazu T. P. Krzeszowski (1990, Kap. VI: „Linguistic models and contrastive studies“). 2. Sprach- und beschreibungstheoretisch: Unterstellt man, dass Ver‐ 2. gleichbarkeit gegeben ist, so besteht bei jedem Vergleich die Notwen‐ digkeit, auf ein bestimmtes Grammatikmodell zurückzugreifen, und zwar ein Modell, das auf beide Sprachen anwendbar ist. 3. Beschreibungstheoretisch und -praktisch: Sprachliche Einheiten/ 3. Äußerungen in den zu vergleichenden Sprachen müssen auf die gram‐ matischen Kategorien dieser auf beide Sprachen anwendbaren Gram‐ matik bezogen und damit einander zugeordnet werden. In Arbeiten zur kontrastiven Grammatik werden vor allem die Punkte 2 und 3 problematisiert. So wird die Verwendbarkeit der traditionellen Gram‐ matikkonzeption, taxonomisch-strukturalistischer Modelle, der Stratifika‐ tionsgrammatik, der funktionalen Grammatik, der generativen Transfor‐ mationsgrammatik, der Kasus- und Valenzgrammatik diskutiert; für die Beschreibung von Teilbereichen der Grammatik wurden diese Modelle auch angewendet. 46 Die Wahl des Grammatikmodells und die Verwendbarkeit vorliegender (meist unvollständiger) einzelsprachlicher Grammatiken stellt aber für die kontrastive Linguistik ein nach wie vor nur teilweise gelöstes Problem dar. Bei Punkt 3 stellt sich die Frage: Was wird bei kontrastiven Beschrei‐ bungen womit verglichen, welche Einheiten der einen Sprache wer‐ den aufgrund welcher Kriterien welchen Einheiten der anderen Sprache zugeordnet? Es geht letztlich um das Problem des tertium com‐ parationis bei kontrastiven Analysen: All comparisons involve the basic assumption that the objects to be compared share something in common, against which differences can be stated. (T. P. Krzeszowski 1990: 15) Nach L. F. Bouton (1976: 44) müssen die Elemente und Strukturen der Spra‐ chen, die man bei kontrastiven Analysen zueinander in Beziehung setzt, äquivalent sein: He [der Linguist] must choose what elements from each of the languages he is studying to juxtapose to and contrast with specific elements from the others, and he must decide what sort of equivalence should exist between those elements. 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 254 <?page no="255"?> Was ist hier unter Äquivalenz zu verstehen? Wer liefert äquivalente Äuße‐ rungen? Und wie und von wem wird Äquivalenz beurteilt? Die Antworten auf diese die theoretische Grundlage der kontrastiven Linguistik betreffen‐ den Fragen lassen sich in vier Kategorien zusammenfassen: 1. Beispiellieferant und Beurteilungsinstanz bei kontrastiven Ana‐ 1. lysen ist der (ideal) zweisprachige Sprecher, der in einer bestimm‐ ten Situation einen bestimmten Sachverhalt sowohl mit dem Aus‐ druck A in L 1 als auch mit dem Ausdruck Z in L 2 verbaliseren kann. Kontrastive Linguisten berufen sich dabei auf J. C. Catfords Begriff der textuellen Äquivalenz: The discovery of textual equivalents is based on the authority of a com‐ petent bilingual informant or translator ( J. C. Catford 1965: 27). The SL [= Source Language] and TL [= Target Language] items rarely have ‚the same meaning‘ in the linguistic sense; but they can function in the same situation. In total translation, SL und TL texts or items are translation equivalents when they are interchangeable in a given situation. This is why translation equivalence can nearly always be established at sentence-rank - the sentence is the grammatical unit most directly related to speech-func‐ tion within a situation. ( J. C. Catford 1965: 49) Dabei übernimmt oft der Linguist selbst die Rolle des Informanten und des Beurteilers textueller Äquivalenz: In order to discover equivalents across languages, one has to rely on the authority of a competent bilingual informant, usually the investigator himself. The informant’s judgements are based on his intuition, which is connected with his competence in the two languages. (T. P. Krzeszowski 1990: 148) Die Vergleichsbasis wird damit in die Bezeichnungsrelation gelegt, d. h. in die Relation sprachlicher Ausdruck → außersprachlicher Sachverhalt. Bei diesem Ausgangspunkt müssten aber sehr viele int‐ ralinguale wie interlinguale Paraphrasen einander zugeordnet wer‐ den: nämlich alle möglichen Verbalisierungen von Sachverhalten und Handlungen in einer Sprache allen möglichen Verbalisierungen in der anderen Sprache. So lässt sich die Aufforderung an Karl, das Fenster zu öffnen (s. o., I.5.-3), ausdrücken mit It’s a bit chilly here, isn’t it oder Mach bitte das Fenster auf. Einer kontrastiven Untersuchung aber, die 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 255 <?page no="256"?> 47 Vgl. dazu T. P. Krzeszowski (1990, Kap. VIII „Contrastive Generative Grammar“). diese beiden Äußerungen einander zuordnet, würde man mit Recht vorwerfen, dass sie Äußerungen kontrastiert, die man, wenn es um einen Systemvergleich geht, sinnvollerweise nicht kontrastieren sollte. Auf diesen Sachverhalt weist B. Kielhöfer (1975) hin; er nennt als zusätzliches Kriterium, das bei kontrastiven Untersuchungen eine zentrale Rolle spielen muss, die mögliche formale Zuordnung: Ein Übersetzungsvergleich [d. h. der Vergleich von textuellen Äquivalen‐ ten im Sinne von J. C. Catford] ist nur dann sinnvoll, wenn eine formale Zuordnung der L 1 - und L 2 -Elemente möglich ist. (118) 2. Die Kompetenz des (ideal) zweisprachigen Sprechers wird als Beur‐ 2. teilungs- oder Kontrollinstanz eingesetzt, und zwar in der Weise, dass er die Aufgabe hat, vom Linguisten selbst konstruierte und zu‐ geordnete Sätze in L 1 und L 2 hinsichtlich ihrer Äquivalenz, Gramma‐ tikalität und gegebenenfalls auch Akzeptabilität zu beurteilen. 3. In Arbeiten, denen es um kontrastive Beschreibung auf der Basis der 3. generativen Transformationsgrammatik geht, wird der intralinguale Paraphrasenbegriff zur Explikation von interlingualer Äqui‐ valenz verwendet. So führt K. H. Wagner (1974: 376) aus: In der generativen Grammatik wird die interlinguale semantische Äqui‐ valenz von verschiedenen Ausdrücken durch die Theorie über die Begriffe „Tiefenstruktur“ (semantische Struktur), „Transformation“ und „Oberflä‐ chenstruktur“ erklärt. Verschiedene Ausdrücke sind Paraphrasen vonein‐ ander, wenn sie aus einer gemeinsamen Tiefenstruktur durch generelle Transformationsregeln abgeleitet werden können. Bei diesem Ansatz 47 wird das Äquivalenzproblem aber keineswegs ge‐ löst, sondern nur verschoben, und zwar auf den Begriff der Paraphrase und der Tiefenstruktur: Wann sind zwei Ausdrücke Paraphrasen von‐ einander? Wie findet man Paraphrasen? Welches ist das Kriterium für die Postulierung identischer Tiefenstrukturen? Ganz abgesehen von der Ungeklärtheit dieser Fragen (vgl. dazu E. Coseriu 1970) hat L. F. Bouton (1976) mit überzeugenden Argumenten und Beispielen dargelegt, dass strukturell ähnliche Oberflächenstrukuren in AS (L 1 ) und ZS (L 2 ), bei denen es sich zudem um textuelle Äquivalente handelt, nicht auf eine gemeinsame Tiefenstruktur zurückgeführt werden können. Wenn aber 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 256 <?page no="257"?> schon strukturell ähnliche, synonyme Konstruktionen nicht auf eine solche gemeinsame Tiefenstruktur zurückgeführt werden können, wie soll dann dies erst für unterschiedliche, von kompetenten Sprechern aber als äquivalent beurteilte Strukturen möglich sein? 4. Das in theoretischen Arbeiten zur kontrastiven Linguistik am häu‐ 4. figsten angeführte und vielen kontrastiven Beschreibungen von Teil‐ bereichen von Grammatiken explizit oder implizit zugrunde liegende Vergleichskriterium ist die Übersetzungsäquivalenz; verglichen werden Übersetzungsäquivalente. So führt E. A. Levenston (1965: 221 f.) aus: One way of presenting the syntactic differences between languages is what may be called a „translation-paradigm“. A grammatical category from language A is listed opposite all the categories in language B by which it may be translated. Whenever possible, the grammatical and contextual criteria governing the choice of one translation rather than another are listed in notes to the paradigm. The most frequent translation is listed first; where it is the unmarked equivalent, always chosen unless there are spe‐ cific grammatical and/ or contextual criteria dictating an alternative choice, no notes need be appended. Nun erweist sich der Begriff der Übersetzungsäquivalenz und die Verwen‐ dung von Übersetzungen als Basis kontrastiver Beschreibungen aus ver‐ schiedenen Gründen als problematisch. Ein Argument findet sich in der kri‐ tischen Auseinandersetzung von W. Nemser/ T. Slama-Cazacu (1970: 115) mit den theoretischen Grundlagen und praktischen Zielsetzungen und Ansprü‐ chen der kontrastiven Linguistik: A second methodological pitfall is the so-called translation approach, which as‐ sumes that the relevant relationships between B [= Base Language] and T [= Target Language] can be established on the basis of semantic equivalence alone […]. However, since translation (except in types of literature) normally seeks to abstract meaning from form, and learners most often apparently identify B and T elements on the combined basis of form and meaning, the yield of this approach is largely irrelevant to contrastive studies. Wichtig in unserem Zusammenhang scheinen uns folgende Argumente zu sein: Übersetzungsäquivalenz bezieht sich auf parole-Sprachvorkommen. Übersetzt werden immer Äußerungen und Texte; der Übersetzer stellt Äqui‐ valenz her zwischen AS-Äußerungen/ Texten und ZS-Äußerungen/ Texten, 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 257 <?page no="258"?> nicht zwischen Strukturen und Sätzen zweier Sprachen. Kontrastive Lingu‐ istik zielt aber gerade auf Systemvergleich im Bereich von übereinstimmen‐ den und divergierenden Strukturen; sie operiert auf der Ebene der langue. Der Schritt von Äußerungen und Texten in zwei Sprachen, die unter dem Gesichtspunkt des Übersetzens als äquivalent zu betrachten sind, zu äqui‐ valenten und vergleichbaren Strukturen und Sätzen in zwei Sprachen be‐ deutet, dass der Kontrastivist von den vielen möglichen (u. a. in Überset‐ zungen vorkommenden) Äquivalenten die zu vergleichenden unter Berücksichtigung anderer Kriterien auswählen muss. So etwa muss er unter den möglichen englischen Übersetzungsäquivalenten zu dt. Steh auf! : engl. Stand up! Get up! Get on your feet! Up! Stand! (vgl. L. F. Bouton 1976: 145) dasjenige oder diejenigen auswählen, die bei einem systematischen Ver‐ gleich von Interesse sind. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass die unter dem Aspekt des Systemvergleichs relevanten Äquivalente gerade nicht unter vorliegenden Übersetzungsäquivalenten zu finden sind. Wenn man sagt, dass der Übersetzer Äußerungen und Texte übersetzt, so meint man damit, dass er in Übersetzungstexten, in denen es um „inhaltliche Äquivalenz“ geht, Bezeichnungsgleichheit herzustellen versucht. Der gleiche Sachverhalt kann aber in der ZS wörtlicher oder freier wiedergegeben werden; für kon‐ trastive Analysen von Interesse sind aber in erster Linie Entsprechungen, die der AS-Struktur so nahe wie möglich kommen. Äußerungen und Texte übersetzen dagegen bedeutet: die Bedingungen sprachlicher Kommunika‐ tion berücksichtigen. Und das heißt, die für bestimmte Textgattungen gel‐ tenden Formulierungskonventionen (Sprach- und Textnormen) einhalten, den Bedingungen des kommunikativen Hintergrunds Rechnung tragen und den Empfängerbezug beachten. Aus obiger Argumentation lässt sich die unterschiedliche Ausrichtung und Aufgabenstellung von kontrastiver Linguistik und Überset‐ zungswissenschaft ableiten: Die Übersetzungswissenschaft untersucht die Bedingungen von Äquivalenz und beschreibt die Zuordnungen von Äußerungen und Texten in zwei Sprachen, für die das Kriterium der Übersetzungsäqui‐ valenz gilt; sie ist Wissenschaft der parole. Die kontrastive Linguistik dagegen untersucht Bedingungen und Voraussetzungen von Korre‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 258 <?page no="259"?> 48 Bei den faux amis (false friends, falsche Freunde), d. h. Ausdrücken, die sich in der Form ähnlich sind, in der Bedeutung aber nicht miteinander übereinstimmen, und die als „Fallgruben“ für den Übersetzer bekannt sind, kann man unterscheiden zwischen dia‐ chronischen, intralingualen faux amis (mittelhochdeutsch arebeit ≠ neuhochdeutsch Arbeit, mhd. veige ≠ nhd. feige, mhd. muot ≠ nhd. Mut) und synchronischen, inter‐ lingualen faux amis (frz. solide ≠ dt. solid, frz. visage ≠ dt. Visage, frz. tempérament ≠ dt. Temperament, engl. linguist ≠ dt. Linguist, engl. actually ≠ dt. aktuell, engl. bride ≠ dt. Braut, dt. Balance ≠ span. balance, dt. Benzin ≠ span. bencina, dt. Akademiker ≠ span. académico. - Zu falschen Freunden bei der Übersetzung aus dem Mittelhochdeutschen, s. U. Müller (2009). spondenz (formaler Ähnlichkeit) und beschreibt korrespondierende Strukturen und Sätze; sie ist Wissenschaft der langue. Diese Definition des Aufgabenbereichs der kontrastiven Linguistik impli‐ ziert eine starke Einschränkung ihres Untersuchungsfeldes: Sie hat nicht die Aufgabe, alle möglichen bezeichnungsgleichen ZS-Varianten zu beschrei‐ ben, wie sie unter unterschiedlichen sprachlichen, textuellen und situativen Bedingungen möglich sind und etwa in Übersetzungen vorliegen können oder von bilingualen Sprechern geliefert werden, sondern nur diejenigen, die strukturell mit den AS-Ausdrücken aufgrund des Korrespondenzkrite‐ riums vergleichbar sind. Die Korrespondenzforderung bedeutet, dass AS-Strukturen in regelhafter Weise ZS-Strukturen zugeordnet werden, wo‐ bei diese korrespondierenden Strukturen entweder strukturähnlich, partiell strukturähnlich oder unähnlich sind. Schwierigkeiten ergeben sich bei den unähnlichen Strukturen: Wie unähnlich dürfen zwei Strukturen sein und trotzdem noch als Korrespondenzen betrachtet werden? Kontrastive Grammatik, Fehler- und Interferenzlinguistik haben selbst‐ verständlich einen wichtigen Platz in dem Teil der Übersetzerausbildung, der sich auf den Aufbau und Ausbau der fremdsprachlichen Kompetenz der Übersetzer konzentriert. So gehört die Beschreibung von faux amis, oder allgemeiner: von lexikalischen, morphologischen und syntaktischen Inter‐ ferenzerscheinungen, zum Aufgabenbereich der kontrastiven Linguistik. 48 Übersetzungskompetenz ist aber (s. Einführungskapitel) qualitativ etwas anderes als fremdsprachliche Kompetenz. Im Idealfall sollte sich der zu‐ künftige Übersetzer diese fremdsprachliche Kompetenz, zu der das Erken‐ nen und Vermeiden von interferenzbedingten Fehlern gehört, angeeignet haben, bevor die Übersetzungskompetenz ausgebildet wird; in der Ausbil‐ 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 259 <?page no="260"?> dungspraxis der Übersetzerinstitute werden sie im Allgemeinen parallel aufgebaut. S. Kupsch-Losereit (2004) arbeitet mit dem Begriff der translatorischen Interferenz, der sich vom kontrastiv-linguistischen, auf den Fremdspra‐ chenerwerb bezogenen Interferenzbegriff unterscheidet. Denn bei transla‐ torischen Interferenzen handelt es sich in der Regel nicht um (mehr oder weniger primitive) Verstöße gegen strukturelle Gegebenheiten in der ZS. Vielmehr hat man es mit ZS-Sätzen zu tun, die zwar grammatisch oder lexikalisch akzeptabel sind, bei denen sich aber „die tatsächliche Verwen‐ dung und die kommunikative Wirkung der grammatischen, thematisch-in‐ haltlichen, mikro- und makrostrukturellen Strukturen sowie die jeweiligen funktionellen Sprachen in AT [Ausgangstext] und ZT [Zieltext] unterschei‐ den“ (543). Kontrastive Interferenz hat es mit Fehlern oder Abweichungen zu tun, die Korrespondenzen betreffen, translatorische Interferenz betrifft dagegen Inadäquatheiten in Bezug auf Äquivalente. 3.2.2 Äquivalenz und Äquivalenzrahmen: andere Ansätze Die Äquivalenzproblematik wird in diesem Buch primär unter sprachwis‐ senschaftlichem Aspekt (in einem weiten Sinn) gesehen. In diesem Kapitel wird der Äquivalenzbegriff auf eine Weise differenziert und spezifiziert, die es möglich macht, Übersetzungsfälle, -probleme und -verfahren unter Be‐ rücksichtigung sprachlich-stilistischer, textueller und kommunikativer Fak‐ toren und Bedingungen zu beschreiben und zu analysieren. Die Äquivalenzproblematik kann aber auch anders angegangen und ge‐ wichtet werden, insbesondere wenn der normative Aspekt stärker betont wird (vgl. H. Turk 1989: 59 ff., der mit den Begriffen der Adäquatheit, der Äquivalenz und der Korrespondenz arbeitet). Hingewiesen sei auf J. Delisle (1984: 101 ff.), der im lexikalischen Bereich hinsichtlich des „interpretatori‐ schen Aufwands“, den verschiedene Typen von AS-Ausdrücken erfordern, drei Fälle von Äquivalenzbeziehungen bzw. drei Stufen der lexikalischen Interpretation (l’exégèse lexicale) unterscheidet: ▸ Die Stufe Null: Semantisch eindeutigen Ausdrücken des AS-Textes ▸ können in der ZS semantisch eindeutige Ausdrücke zugeordnet werden. Das gilt für Eigennamen, Zahlen und wissenschaftliche Ter‐ mini (in unserer Terminologie: Eins-zu-eins-Entsprechungen, s. u., II.3.3.1). 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 260 <?page no="261"?> ▸ Auf der Stufe 1 handelt es sich um kontextbedingte Bedeutungen, ▸ die der Übersetzer durch Kontextanalyse ermittelt. Für die AS-Ausdrü‐ cke gibt es in der ZS fest zuordenbare, im System präetablierte Entsprechungen, die sich auf die gleiche Wirklichkeit in der gleichen Kommunikationssituation beziehen (in unserer Terminologie: poten‐ tielle Äquivalenzbeziehungen im Bereich der Eins-zu-viele-, Vielezu-eins- und teilweise auch Eins-zu-Teil-Entsprechungen). ▸ Auf Stufe 2 gibt es keine festen Äquivalenzbeziehungen; das ▸ Übersetzen von solchen Textelementen geht von der Sinnerschlie‐ ßung der Originalstelle aus und bedingt schöpferische Wiedergabe durch kreative Ausnützung der ZS-Möglichkeiten, um so zu einem ZS-Ausdruck mit gleichem semantischem und stilistischem Gehalt zu kommen. Die Äquivalenzen auf Stufe 2 sind in höchstem Maße ein‐ zeltextbedingt und nicht generalisierbar. (Man könnte in diesem Fall von einzeltextbedingten Problemen bei der Herstellung von Äquiva‐ lenz sprechen. Dazu dürften die Eins-zu-Null und teilweise auch die Eins-zu-Teil-Entsprechungen zu rechnen sein - aber nicht nur diese. Außerdem wäre auf dieser Stufe zu unterscheiden zwischen genera‐ lisierbaren und nicht-generalisierbaren Äquivalenzbeziehungen.) Der hier dargestellten Unterscheidung von Äquivalenzrahmen am nächsten kommen die Ansätze von K. Henschelmann (1979), F. G. Königs (1981) und R. Barczaitis (1985). K. Henschelmann (1979: 56 ff.) geht von zwei Hauptka‐ tegorien aus: Die Inhaltsebene umfasst Denotation (symbolfunktionale Be‐ deutung) und Konnotation (symptom-/ signalfunktionale Bedeutung), d. h. die Informationsgröße der Inhaltsebene (Si) besteht aus den beiden Komponenten der semantischen (S) und der pragmatisch-stilistischen (P) Informationsschicht. Si umfasst also unsere Bezugsrahmen 1 (der außer‐ sprachliche Sachverhalt) und 2 (die Art der Verbalisierung), teilweise auch 3 (die Text- und Sprachnormen). Die Bezugsrahmen 5 (ästhetische, formale und individualstilistische Eigenschaften) und teilweise auch 3 werden da‐ gegen als formal-stilistische Informationsgröße zusammengefasst (SSi); sie ergibt sich aus den (einzelsprachspezifischen) Werten des Zeichens selbst und tritt in Texten am augenfälligsten als „Sprachspiel“ in Erscheinung. (Bezugsrahmen 4 wird bei K. Henschelmann ausgeschlossen, da es sich nicht um einen textinternen, sondern einen textexternen Faktor handelt.) K. Hen‐ schelmann unterscheidet verschiedene Äquivalenzgrade (bei mir: Hierar‐ chie der Äquivalenzforderungen), ausgehend von einer Gewichtung der In‐ 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 261 <?page no="262"?> formationsgrößen in obligatorische (N), nicht-obligatorische (n) und keine (i) Relevanz. Je nachdem ob Si und SSi obligatorisch relevant oder nicht-ob‐ ligatorisch/ nicht relevant sind, lassen sich verschiedene Äquivalenztypen (und -subtypen) unterscheiden. Der Ansatz von K. Henschelmann stellt eine Gegenposition zu R. W. Jumpelt (1961) und K. Reiß (1971) dar, bei denen Äquivalenzkriterien nach Texttypen festgelegt werden (bei K. Reiß: in‐ haltsbetonte Texte → Invarianz auf der Inhaltsebene, formbetonte Texte → formale Analogie, appellbetonte Texte → Bewahrung des Appells/ Effekts). Die verschiedenen Äquivalenztypen sind in K. Henschelmanns Modell rang‐ mäßig nicht festgelegt; sie reichen von minimalen Übersetzungseinheiten (Wort/ Syntagma/ Satz) bis zum Text als Ganzem. F. G. Königs (1981) schlägt terminologisch und inhaltlich leicht modifi‐ zierte Äquivalenztypen vor: 1. denotative, 2. diastratisch-diatopische, 3. textnormative, 4. pragmatische und 5. formale Äquivalenz. Als zusätzliche Äquivalenztypen führt er ein: 6. die textintendierte Äquivalenz, die sich auf die Funktion bezieht, die der Autor selbst seinem Text zuweist, und 7. die finalistische Äquivalenz, d. h. die Funktion, die die Übersetzung haben soll. Die außertextuellen Äquivalenztypen 6 und 7 liegen auf einer anderen Ebene als die textuellen Äquivalenztypen 1-5, die auf Übersetzungsein‐ heiten bezogen sind. Bei der finalistischen Äquivalenz lassen sich Funkti‐ onserhaltung und Funktionswechsel unterscheiden; bei Funktionswechsel stellt sich die Frage, wann nicht mehr (eigentliche) Übersetzung, sondern ein anderer Typ von Textverarbeitung vorliegt (s. o., II.2.4). R. Barczaitis (1985: 35 f.) unterscheidet drei Ebenen: 1. Denotation - refe‐ renzsemantische Äquivalenz, 2. Konnotation - konnotative Äquivalenz, be‐ zieht sich auf Sprachvarianten, und 3. werkspezifische (individualtext-typi‐ sche) Sprachverwendung - ästhetische Äquivalenz. 3.2.3 Äquivalenz als umstrittenes Konzept In seinem grundlegenden Buch stellt W. Wilss (1977: 157) fest, dass es der Übersetzungswissenschaft bisher nicht gelungen sei, „ein hinlänglich de‐ tailliertes Faktoreninventar für die Messbarkeit der Äquivalenz von aus‐ gangs- und zielsprachlichem Text zu entwickeln und an die Stelle eines hy‐ postasierten Äquivalenzbegriffes einen theoretisch explizierten, empirisch abgesicherten Äquivalenzbegriff zu setzen“. Der zweite Hauptteil dieses Bu‐ ches wäre nicht mit „Äquivalenz“ überschrieben, wenn die Verfasser nicht die Hoffnung hätten, die Forderung von W. Wilss wenigstens teilweise ein‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 262 <?page no="263"?> 49 Mit dem Äquivalenzkonzept, wie es in diesem Buch vorgelegt wird, setzt sich A. Pym (1997) auf eine produktive und inspirierende Art und Weise auseinander. 50 In neueren Arbeiten wird das Äquivalenzkonzept differenzierter betrachtet, s. M. Snell-Hornby (2006). 51 Es sei aber darauf hingewiesen, dass R. Stolze (1982: 385) fast wörtlich dieselben Äqui‐ valenzrahmen ansetzt wie wir: inhaltliche Invarianz, konnotative Analogie, gebrauchs‐ normative Adäquatheit, pragmatische Wirkungsgleichheit und expressive Entspre‐ chung. zulösen. Von den Bemühungen, den Äquivalenzbegriff zu klären - ausge‐ hend von der Feststellung von G. Thome (1990: 2), dass „sich keine ernstzu‐ nehmende Übersetzungstheorie welcher Ausprägung auch immer der zentralen Frage nach der zwischen einem Text und seiner Übersetzung be‐ stehenden Relation entziehen (kann)“ -, sind die Auffassungen zu unter‐ scheiden, die den Äquivalenzbegriff grundsätzlich ablehnen. 49 Das gilt vor allem für die Vertreter der funktionalistischen (s. o., II.2.9) und der (neo-)hermeneutischen Übersetzungskonzeption (s. o., II.2.8), aber auch für den „integrativen“ Ansatz von M. Snell-Hornby (1986: 13 ff.), für die Äqui‐ valenz ein übersetzungstheoretischer Stein des Anstoßes, ja eine „Illusion“ ist. 50 J. Holz-Mänttäri (1984: 127) gibt jeden Versuch zur Bestimmung der Übersetzungsbeziehung und deren Operationalisierung mit dem Hinweis auf einen immer einzelfallbedingten „Maßstab ‚Zieltextfunktion‘“ auf. F. Paepcke (1986: 113) lässt es mit nebulosen Bemerkungen zu einem soge‐ nannten „geglückten Übersetzen“ bewenden: Das Geglücktsein einer Übersetzung hängt an dem oszillierenden Mischungsver‐ hältnis von sachhaltiger Information und der sprachlichen Wahrnehmung einer solchen sachhaltigen Information. Das „Definitionschaos“ dürfte jedoch kaum damit überwunden werden, dass man statt Äquivalenz den Begriff der geglückten Übereinstimmung vorschlägt, „der dann greift, wenn die Übersetzung als das Nicht-Andere im Vergleich zum Text wirklich erreicht ist“ (R. Stolze 1982: 168). Der Ausdruck „geglückt“ weise „auf den Rest von Nichtvorhersagbarkeit hin, der allem menschlichen Tun anhaftet, der aber auch die Möglichkeit einer Erreichung des Ziels durchaus einschließt“. 51 Der Bannstrahl trifft dabei auch den Begriff des Übersetzungsverfahrens, dessen systematischer Charakter dem Intui‐ tiv-Kreativen allen Übersetzens widerspreche: 3.2 Der Äquivalenzbegriff in der wissenschaftlichen Diskussion 263 <?page no="264"?> Das stilistische Vermögen des Übersetzers hängt nun wesentlich mit seiner In‐ tuition und Kreativität zusammen und entzieht sich der Systematisierung im Sinne bestimmter Übersetzungsverfahren. (R. Stolze 1982: 338 f.) Übersetzungspraktisch wie -theoretisch fragwürdig scheint es uns, wenn der eine Brückenkopf, dessen (relative) Stabilität und (relativer) Eigenwert (relative Autonomie) Voraussetzung für die Verwendung des Äquivalenz‐ begriffs sind, unterhöhlt wird: der AS-Text in seiner sprachlich-textuellen Form als sine qua non jeder Übersetzung (s. o., II.2.9). Diesbezüglich extrem ist die Auffassung von J. Holz-Mänttäri (1986: 355): Für ‚translatorisches Handeln‘ ist es wesentlich, den Gedanken fallen zu lassen, dass Texte oder Teile davon oder gar Sprachen ‚übersetzt‘ werden. Die wesentlichen Punkte, die gegen eine solche einseitige zweck- und emp‐ fängerbezogene Übersetzungskonzeption angeführt werden können, finden sich bereits in K. Henschelmannn (1979: 55 f.), wo der Begriff der Versteh‐ barkeit im Vordergrund steht: Herstellung von Übersetzbarkeit ist, we‐ gen der doppelten Bindung der Übersetzung (s. o., II.2.2), etwas anderes als Herstellung von Verstehbarkeit. Zwei Argumente sprechen nach K. Henschelmann gegen die Verstehbarkeit als generellen Äquivalenzmaßstab: 1. Übersetzung ist keine „originäre Textproduktion“. Sie ist vielmehr „an 1. die AS-Kommunikationssphäre gekoppelt; dort wird mit dem AS-Text ein Kommunikationsangebot gemacht, bei dem gegebenenfalls der Faktor der Effektivität, der Verständlichkeit oder Lesbarkeit gerade keine oder eine nur untergeordnete Rolle für die Textkonstitution spielt und beispielsweise vor dem Originalitätsanspruch des Autors oder seinem Verfremdungswillen gegenüber erstarrten Rezeptions‐ gewohnheiten in den Hindergrund tritt“. 2. Ein Äquivalenzbegriff, der sich an der Kategorie der Verstehbarkeit 2. orientiert, hätte „eine totale Situations- und Rezeptionsabhängigkeit der Übersetzungsäquivalenz und mithin die Atomisierung dieses Be‐ griffs zur Folge“. Anzumerken ist abschließend, dass der Äquivalenzbegriff primär als theo‐ retisches Konzept umstritten ist; in der praktischen Übersetzungsarbeit und in zahlreichen empirisch orientierten Arbeiten (ganz zu schweigen von unzähligen Diplom- und Prüfungsarbeiten im Rahmen der Übersetzeraus‐ bildung) zu Übersetzungsvergleich und -kritik, und zu einzelnen sprach‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 264 <?page no="265"?> 52 S. dazu auch E. E. von der Weppen (1982). - R. Arntz/ H. Picht/ F. Mayer (2004: 153 ff.) unterscheiden in der zweisprachigen Terminologie vier Äquivalenz-Fälle (Äquivalenz wird definiert als Übereinstimmung von zwei Termini in sämtlichen Begriffsmerkma‐ len): 1. vollständige begriffliche Äquivalenz (Beispiel: dt. Verursacherprinzip - engl. pay-as-you-pollute principle - frz. principe „pollueur-payeur“), 2. Überschneidung (engl. civil servant - dt. Beamter), 3. Inklusion (frz. social - dt. sozial), 4. keine begriffliche Äquivalenz (Beispiel: frz. académicien ≠ dt. Akademiker). Während es sich bei den Fällen 1.-3. um Eins-zu-eins- und Eins-zu-Teil-Entsprechungen handelt, so ist der Fall 4. nicht identisch mit der Eins-zu-Null-Entsprechung. Hier geht es nämlich um die Erscheinung der falschen Freunde, d. h. Fälle von Benennungsähnlichkeit bei begrifflicher Verschie‐ denheit. lich-stilistischen Übersetzungsproblemen hat er seine Brauchbarkeit immer wieder erwiesen. 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren Im Hinblick auf die Kategorie der denotativen Äquivalenz stellt sich der Übersetzungswissenschaft die Aufgabe, sprachenpaarbezogen die potenti‐ ellen Äquivalenzbeziehungen zu beschreiben und anzugeben, welche Fak‐ toren textueller Art die Wahl eines bestimmten Äquivalents im konkreten Übersetzungsfall bestimmen. Zentraler Gegenstandsbereich bei der Be‐ schreibung denotativer Äquivalenzbeziehungen ist die Lexik (Wörter und feste Syntagmen einer Sprache), weil hier die Sprachen am produktivsten sind bzw. sein müssen (insbesondere unter Ausnutzung bestehender oder neuer Wortbildungsmöglichkeiten), um den sich verändernden Kommuni‐ kationsbedürfnissen und -zwecken gerecht zu werden. Vom Übersetzungss‐ tandpunkt aus ist davon auszugehen, dass denotative Äquivalenz mittels kommentierender Übersetzungsverfahren (s. u., II.3.9) prinzipiell erreicht werden kann, unter Umständen allerdings auf vom sprachlichen Aufwand her gesehen unökonomische Weise. „Prinzipiell“ heißt hier: unter Absehung von anderen Kategorien, die beim Übersetzen eine Rolle spielen (Lesbarkeit und Verständlichkeit, Empfängerbezug, konnotative und formal-ästhetische Werte des Textes). Im lexikalischen Bereich lassen sich fünf Entsprechungs‐ typen unterscheiden: Eins-zu-eins-, Eins-zu-viele-, Viele-zu-eins-, Eins-zu- Null- und Eins-zu-Teil-Entsprechungen. 52 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 265 <?page no="266"?> 53 Beispiel aus R.W. Jumpelt (1961: 44). 54 Beispiel aus R.W. Jumpelt (1961: 44). 3.3.1 Die Eins-zu-eins-Entsprechung zugehen, dass denotative Äquivalenz mittels kommentierender Übersetzungsverfahren (s. u., II.3.9) prinzipiell erreicht werden kann, unter Umständen allerdings auf vom sprachlichen Aufwand her gesehen unökonomische Weise. „Prinzipiell“ heißt hier: unter Absehung von anderen Kategorien, die beim Übersetzen eine Rolle spielen (Lesbarkeit und Verständlichkeit, Empfängerbezug, konnotative und formal-ästhetische Werte des Textes). Im lexikalischen Bereich lassen sich fünf Entsprechungstypen unterscheiden: Eins-zu-eins-, Einszu-viele-, Viele-zu-eins-, Eins-zu-Null- und Eins-zu-Teil-Entsprechungen. 53 3.3.2 Die Eins-zu-eins-Entsprechung AS-Ausdruck ZS-Ausdruck 1 : 1 Abb. II.3.-1 dt. Kalenderjahr → frz. année civile engl. control signal → dt. Stellgröße 54 dt. fünf → schwed. fem frz. bouc émissaire → dt. Sündenbock dt. die Schweiz → frz. la Suisse Übersetzungsschwierigkeiten können dann auftreten, wenn in der ZS synonymische Varianten gegeben sind: engl. car → dt. Auto/ Wagen, frz. samedi → dt. Samstag/ Sonnabend, engl. scanner → dt. Scanner/ Abtastgerät/ Abtastvorrichtung, engl. appendicitis → dt. Appendizitis/ Entzündung des Wurmfortsatzes/ Blinddarmentzündung. Es handelt sich bei diesen Mehrfachentsprechungen allerdings um Synonyme nur auf der denotativen Ebene, in Bezug auf konnotative Werte sind sie nicht gleichwertig. 53 S. dazu auch E. E. von der Weppen (1982). - R. Arntz/ H. Picht/ F. Mayer (2004: 153 ff.) unterscheiden in der zweisprachigen Terminologie vier Äquivalenz-Fälle (Äquivalenz wird definiert als Übereinstimmung von zwei Termini in sämtlichen Begriffsmerkmalen): 1. vollständige begriffliche Äquivalenz (Beispiel: dt. Verursacherprinzip - engl. pay-as-you-pollute principle - frz. principe „pollueur-payeur“), 2. Überschneidung (engl. civil servant - dt. Beamter), 3. Inklusion (frz. social - dt. sozial), 4. keine begriffliche Äquivalenz (Beispiel: frz. académicien ≠ dt. Akademiker). Während es sich bei den Fällen 1.-3. um Eins-zu-eins- und Eins-zu-Teil-Entsprechungen handelt, so ist der Fall 4. nicht identisch mit der Eins-zu-Null-Entsprechung. Hier geht es nämlich um die Erscheinung der falschen Freunde, d. h. Fälle von Benennungsähnlichkeit bei begrifflicher Verschiedenheit. 54 Beispiel aus R.W. Jumpelt (1961: 44). Abb. II.3.-1 dt. Kalenderjahr → frz. année civile engl. control signal → dt. Stellgröße 53 dt. fünf → schwed. fem frz. bouc émissaire → dt. Sündenbock dt. die Schweiz → frz. la Suisse Übersetzungsschwierigkeiten können dann auftreten, wenn in der ZS syn‐ onymische Varianten gegeben sind: engl. car → dt. Auto/ Wagen, frz. samedi → dt. Samstag/ Sonnabend, engl. scanner → dt. Scanner/ Abtastgerät/ Abtast‐ vorrichtung, engl. appendicitis → dt. Appendizitis/ Entzündung des Wurm‐ fortsatzes/ Blinddarmentzündung. Es handelt sich bei diesen Mehrfachent‐ sprechungen allerdings um Synonyme nur auf der denotativen Ebene, in Bezug auf konnotative Werte (s. u., II.3.4.1) sind sie nicht gleichwertig. 3.3.2 Die Eins-zu-viele-Entsprechung 232 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 3.3.3 Die Eins-zu-viele-Entsprechung AS-Ausdruck ZS-Ausdruck c ZS-Ausdruck b ZS-Ausdruck a 1 : viele Abb. II.3.-2 engl. control → dt. Regelung - Steuerung - Bedienung - Regelgerät - Regler - Steuergerät - Bedien(ungs)organ 55 engl. river → frz. fleuve - rivière dt. verheiratet → tschech. ženatý - vdaná 56 dt. Großvater → schwed. morfar - farfar Bei der Übersetzung lassen sich drei Fälle unterscheiden: 1. Aus dem Textzusammenhang (Kotext) oder auf der Basis von „Wissen über die Welt“ kann erschlossen werden, welche der potentiellen Entsprechungen zutrifft, d. h., ob es sich bei dem betreffenden Großvater um den Großvater väterlicherseits (farfar) oder den Großvater mütterlicherseits (morfar) handelt, oder ob der betreffende Fluss ins Meer mündet (fleuve) oder sich in einen anderen Wasserlauf ergießt (rivière). 57 2. Es kann im betreffenden Textzusammenhang irrelevant sein, ob es sich um morfar oder farfar 58 bzw. um fleuve oder rivière handelt. 3. Übersetzungsprobleme treten dann auf, wenn der unspezifizierte Ausdruck gefordert ist: Wer möchte nicht gern Großvater sein? → schwed. ? Auf Abb. II.3.-2 engl. control → dt. Regelung - Steuerung - Bedienung - Regelgerät - Regler - Steuergerät - Bedien(ungs)organ 54 engl. river → frz. fleuve - rivière 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 266 <?page no="267"?> 55 Beispiel aus G. Jäger (1975: 135 ff.): ženatý wird gebraucht, wenn sich verheiratet auf den Mann, vdaná, wenn es sich auf die Frau bezieht. 56 Nach M. Wandruszka (1969: 37) handelt es sich bei dieser Unterscheidung allerdings ohne‐ hin nur um eine „Sprachregelung der Ämter und Schulen“. 57 Zu möglichen Unterschieden zwischen morfar und farfar im konnotativ-affektiven Be‐ reich, s. S. Öhman (1951: 163 ff.). dt. verheiratet → tschech. ženatý - vdaná 55 dt. Großvater → schwed. morfar - farfar Bei der Übersetzung lassen sich drei Fälle unterscheiden: 1. Aus dem Textzusammenhang (Kotext) oder auf der Basis von „Wissen 1. über die Welt“ kann erschlossen werden, welche der potentiellen Ent‐ sprechungen zutrifft, d. h., ob es sich bei dem betreffenden Großvater um den Großvater väterlicherseits (farfar) oder den Großvater mütterlicher‐ seits (morfar) handelt, oder ob der betreffende Fluss ins Meer mündet (fleuve) oder sich in einen anderen Wasserlauf ergießt (rivière). 56 2. Es kann im betreffenden Textzusammenhang irrelevant sein, ob es 2. sich um morfar oder farfar 57 bzw. um fleuve oder rivière handelt. 3. Übersetzungsprobleme treten dann auf, wenn der unspezifizierte Aus‐ 3. druck gefordert ist: Wer möchte nicht gern Großvater sein? → schwed. ? Auf der Textebene liegt in diesem Fall eine Lücke vor. Diese ist als un‐ echte Lücke zu betrachten, weil sie rein textbedingt ist; vom Denotat her gesehen decken schwed. farfar + morfar den ganzen Großvater-Begriff des Deutschen ab. Das gilt für alle Oberbegriffe einer Sprache, die in an‐ deren Sprachen mit mehreren Unterbegriffen erfasst werden. So verfügt das Deutsche über den Ausdruck Gezeiten, mit dem Ebbe und Flut zu‐ sammengefasst werden; das Russische hat keinen Sammelbegriff, son‐ dern nur die Einzelausdrücke otliv ‚Ebbe‘ und priliv ‚Flut‘. Ähnlich liegt der Fall bei dt. Geschwister, das keine direkten Entsprechungen im Russi‐ schen und im Französischen hat. Als Übersetzungsverfahren bietet sich die Wiedergabe des Oberbegriffs als Summe der Unterbegriffe an (dt. Gezeiten → russ. priliv i otliv ‚Flut und Ebbe‘) oder die Verwendung ei‐ nes anderen übergeordeneten Begriffs: dt. Wir sind vier Geschwister → frz. Nous sommes quatre enfants, dt. Wer möchte nicht gern Großvater sein? → schwed. Vem skulle inte gärna ha barnbarn? ‚Wer hätte nicht gern Enkelkinder? ‘. 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 267 <?page no="268"?> 58 leka wird verwendet, wenn es um das Spielen der Kinder geht, spela dagegen, wenn es sich um ein Musikinstrument handelt. Zu den Eins-zu-viele-Entsprechungen, die Übersetzungsschwierigkeiten zur Folge haben können, gehört der Fall, dass in der ZS Bedeutungen obligato‐ risch ausgedrückt werden, die in der AS unausgedrückt bleiben. Als Beispiel kann die Genusdifferenzierung dienen: Das im Englischen genus-unspezi‐ fizierte a friend of mine muss im Russ. und im Dt. spezifiziert werden, je nachdem ob es sich um einen Bekannten oder eine Bekannte handelt. Geht das Geschlecht des/ der Bekannten aus dem Kotext hervor, bietet die Über‐ setzung keine Schwierigkeiten; geht es nicht aus dem Kotext hervor, so ist die Lösung mindestens in literarischen Texten nicht einfach, wenn sich For‐ men wie der/ die Bekannte, der/ die Freund/ -in verbieten. Die Schwierigkeiten steigern sich, wenn es sich um Texte wie Shakespeares Sonette handelt, aus denen nicht hervorgeht, ob sich der Autor an eine Frau oder einen Mann wendet; im Russischen besteht aber der Zwang, das Geschlecht auch in der Flexion zum Ausdruck zu bringen. So tritt der Fall ein, dass in verschiedenen Übersetzungen desselben Sonettes in einem Fall das geliebte Wesen eine Frau, im anderen ein Mann ist (vgl. L. Barchudarow 1979: 158 ff.). 3.3.3 Die Viele-zu-eins-Entsprechung Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 233 das Russische hat keinen Sammelbegriff, sondern nur die Einzelausdrücke otliv ‚Ebbe‘ und priliv ‚Flut‘. Ähnlich liegt der Fall bei dt. Geschwister, das keine direkten Entsprechungen im Russischen und im Französischen hat. Als Übersetzungsverfahren bietet sich die Wiedergabe des Oberbegriffs als Summe der Unterbegriffe an (dt. Gezeiten → russ. priliv i otliv ‚Flut und Ebbe‘) oder die Verwendung eines anderen übergeordeneten Begriffs: dt. Wir sind vier Geschwister → frz. Nous sommes quatre enfants, dt. Wer möchte nicht gern Großvater sein? → schwed. Vem skulle inte gärna ha barnbarn? ‚Wer hätte nicht gern Enkelkinder? ‘. Zu den Eins-zu-viele-Entsprechungen, die Übersetzungsschwierigkeiten zur Folge haben können, gehört der Fall, dass in der ZS Bedeutungen obligatorisch ausgedrückt werden, die in der AS unausgedrückt bleiben. Als Beispiel kann die Genusdifferenzierung dienen: Das im Englischen genus-unspezifizierte a friend of mine muss im Russ. und im Dt. spezifiziert werden, je nachdem ob es sich um einen Bekannten oder eine Bekannte handelt. Geht das Geschlecht des/ der Bekannten aus dem Kotext hervor, bietet die Übersetzung keine Schwierigkeiten; geht es nicht aus dem Kotext hervor, so ist die Lösung mindestens in literarischen Texten nicht einfach, wenn sich Formen wie der/ die Bekannte, der/ die Freund/ -in verbieten. Die Schwierigkeiten steigern sich, wenn es sich um Texte wie Shakespeares Sonette handelt, aus denen nicht hervorgeht, ob sich der Autor an eine Frau oder einen Mann wendet; im Russischen besteht aber der Zwang, das Geschlecht auch in der Flexion zum Ausdruck zu bringen. So tritt der Fall ein, dass in verschiedenen Übersetzungen desselben Sonettes in einem Fall das geliebte Wesen eine Frau, im anderen ein Mann ist (vgl. L. Barchudarow 1979: 158 ff.). 3.3.4 Die Viele-zu-eins-Entsprechung AS-Ausdruck b AS-Ausdruck c AS-Ausdruck a ZS-Ausdruck viele : 1 Abb. II.3.-3 schwed. leka - spela → dt. spielen 59 engl. control - control unit - regulator - governor → dt. Regler schwed. morfar - farfar → dt. Großvater (= aufgehobene Differenzierung) 59 leka wird verwendet, wenn es um das Spielen der Kinder geht, spela dagegen, wenn es sich um ein Musikinstrument handelt. Abb. II.3.-3 schwed. leka - spela → dt. spielen 58 engl. control - control unit - regulator - governor → dt. Regler schwed. morfar - farfar → dt. Großvater (= aufgehobene Differenzierung) Bei der Übersetzung kann - falls es der Textzusammenhang erfordert - die in der ZS-Entsprechung aufgehobene Differenzierung durch attributive Ad‐ jektive und Genitive, Zusammensetzungen, Adverbien usw. ausgedrückt 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 268 <?page no="269"?> 59 Vgl. S. Öhman (1951, Kap. 4 „Aus dem Wortschatz im Gebiete menschlicher Einrich‐ tungen“), E. Boecker (1973, Kap. 2.3 „Extralinguistic problems: Cultural distance“), O. Kade (1968: 71 ff.), G. Magnusson (1987: 98 ff.), P. Newmark (1981: 70 ff. „The translation of proper names and institutional and cultural terms“), K. Henschelmann (1980: 29 ff.), L. Barchudarow (1979: 100 ff. „äquivalentlose Lexik“), R. Barczaitis (1985: 48 ff.), W. Kutz (1981), G. Jäger (1976), B. Bödeker/ K. Freese (1987), I. Lukačovičová (1997), P. Kujamäki (2004), J. House (2004b), B. Schultze (2004a). werden: schwed. morfar → dt. Großvater mütterlicherseits (in Textzusam‐ menhängen, wo die Spezifizierung irrelevant ist, genügt die Wiedergabe mit dt. Großvater allein). 3.3.4 Die Eins-zu-Null-Entsprechung 234 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs Bei der Übersetzung kann - falls es der Textzusammenhang erfordert - die in der ZS-Entsprechung aufgehobene Differenzierung durch attributive Adjektive und Genitive, Zusammensetzungen, Adverbien etc. ausgedrückt werden: schwed. morfar → dt. Großvater mütterlicherseits (in Textzusammenhängen, wo die Spezifizierung irrelevant ist, genügt die Wiedergabe mit dt. Großvater allein). 3.3.5 Die Eins-zu-Null-Entsprechung AS-Ausdruck ZS-Fehlstelle 1 : 0 Abb. II.3.-4 engl. layout → dt. ? engl. performance (Linguistik) → dt. ? engl. fast-breeder reactor → dt. ? dt. Bundesgerichtshof → schwed. ? schwed. ombudsman → dt. ? dt. Berufsverbot → frz. ? Bei den Eins-zu-Null-Entsprechungen handelt es sich um echte Lücken im lexikalischen System der ZS. Im Hinblick auf das Übersetzen als Problemlösungsaufgabe sind es allerdings nur vorläufige Lücken: Der Übersetzer hat die Aufgabe, diese Lücken im Zieltext zu schließen. Solche Lücken gibt es insbesondere bei Realia-Bezeichnungen (so genannte landeskonventionellen, in einem weiteren Sinne: kulturspezifischen Elementen), d. h. Ausdrücken und Namen für Sachverhalte politischer, institutioneller, sozio-kultureller, geographischer Art, die spezifisch sind für bestimmte Länder. 60 Mit den Eins-zu- Null-Entsprechungen und den darauf bezogenen Übersetzungsverfahren hat sich die linguistisch orientierte Übersetzungswissenschaft ausführlich beschäftigt. 60 Vgl. S. Öhman (1951, Kap. 4 „Aus dem Wortschatz im Gebiete menschlicher Einrichtungen“), E. Boecker (1973, Kap. 2.3 „Extralinguistic problems: Cultural distance“), O. Kade (1968: 71 ff.), G. Magnusson (1987: 98 ff.), P. Newmark (1981: 70 ff. „The translation of proper names and institutional and cultural terms“), K. Henschelmann (1980: 29 ff.), L. Barchudarow (1979: 100 ff. „äquivalentlose Lexik“), R. Barczaitis (1985: 48 ff.), W. Kutz (1981), G. Jäger (1976), B. Bödeker/ K. Freese (1987), P. Kujamäki (2004), J. House (2004b), B. Schultze (2004a). Abb. II.3.-4 engl. layout → dt. ? engl. performance (Linguistik) → dt. ? engl. fast-breeder reactor → dt. ? dt. Bundesgerichtshof → schwed. ? schwed. ombudsman → dt. ? dt. Berufsverbot → frz. ? Bei den Eins-zu-Null-Entsprechungen handelt es sich um echte Lücken im lexikalischen System der ZS. Im Hinblick auf das Übersetzen als Problem‐ lösungsaufgabe sind es allerdings nur vorläufige Lücken: Der Übersetzer hat die Aufgabe, diese Lücken im Zieltext zu schließen. Solche Lücken gibt es insbesondere bei Realia-Bezeichnungen (sogenannten landeskonventi‐ onellen, in einem weiteren Sinne: kulturspezifischen Elementen), d. h. Aus‐ drücken und Namen für Sachverhalte politischer, institutioneller, soziokul‐ tureller, geographischer Art, die spezifisch sind für bestimmte Länder. 59 Mit den Eins-zu-Null-Entsprechungen und den darauf bezogenen Übersetzungs‐ verfahren hat sich die linguistisch orientierte Übersetzungswissenschaft ausführlich beschäftigt. 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 269 <?page no="270"?> 60 Zu den Übersetzungsverfahren, s. den Übersichtsartikel von K. Henschelmann (2004). Um Lücken zu schließen, bieten sich folgende fünf Übersetzungsverfah‐ ren an: 60 1. Übernahme des AS-Ausdrucks in die ZS (ggf. in Anführungszei‐ 1. chen): a) unverändert als Zitatwort (Fremdwort): engl. joint venture → dt. „joint venture“ → dt. Joint Venture; engl. public relations → dt. Public Relations; dt. Berufsverbot → frz. le Berufsverbot; schwed. om‐ budsman → dt. der Ombudsmann; norw. flatbrød → dt. das Flatbrød. b) vollständige oder teilweise Anpassung an die phonetischen, gra‐ phemischen und/ oder morphologischen Normen der ZS (Lehnwort): schwed. ombudsman → dt. der Ombudsmann, des Ombudsmannes, die Ombudsmänner (inzwischen auch die feminine Form: Ombudsfrau, für Ombudsfrauen und Ombudsmänner auch Ombudsleute); engl. perfor‐ mance, linking → dt. die Performanz, das Linking; engl. layout (Verb) → dt. layouten; dt. umgelautete Vokale → engl. umlauted vowels; engl. recycling → frz. le recyclage. 2. Lehnübersetzung: der AS-Ausdruck wird wörtlich (Glied für Glied) 2. in die ZS übersetzt: engl. bomb carpet → dt. Bombenteppich, frz. tapis de bombes; dt. Der Deutsche Fußballbund → schwed. Tyska fotbolls‐ förbundet; engl. data processing → dt. Datenverarbeitung; engl. fast-breeder reactor → dt. Schneller Brüter; engl. the grassroots of the nation → dt. die Graswurzeln der Nation; dt. Berufsverbot(e) → frz. les interdictions professionelles. 3. Wahl der am nächsten liegenden Entsprechung: Als Entsprechung 3. zum AS-Ausdruck wird in der ZS ein bereits in ähnlicher Bedeutung verwendeter Ausdruck gebraucht: engl. performance (Linguistik) → dt. Sprachverwendung; engl. public relations → dt. Öffentlichkeitsarbeit - Kontaktpflege - Werbung - Propaganda. 4. Explikation: Der AS-Ausdruck wird in der ZS umschrieben, kommen‐ 4. tiert oder definiert (s. u., II.3.9): engl. non-foods → dt. Produkte, die keine Lebensmittel sind; engl. runner → dt. sich rasch verkaufendes Produkt. Das 4. Verfahren ist allerdings nur begrenzt anwendbar: Sobald ein be‐ stimmter Sachverhalt öfter bezeichnet werden muss oder wenn die ter‐ minologische Erfassung nötig ist, kommen nur die Verfahren 1-3 in Frage. Die definitorische Umschreibung, die auch in einer Fußnote oder Anmerkung stehen kann, ist aber in Kombination mit den Verfahren 1- 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 270 <?page no="271"?> 61 Zur Terminologiearbeit, s. E. Arntz/ H. Picht/ F. Mayer (2004), I. Hohnhold (1990). 3 nicht selten die einzige Lösung, einen neuen Ausdruck genau, verständ‐ lich und leserfreundlich im ZS-Text einzuführen. Sie ist insbesondere in Kombination mit Verfahren 3 zu empfehlen, weil bei diesem die Gefahr besteht, dass der ZS-Ausdruck im Sinne der konventionellen, ggf. un‐ scharfen oder abweichenden ZS-Bedeutung, und nicht im Sinne der AS-Verwendung verstanden wird. So ist der performance-Begriff N. Chomskys (1965: 3 ff.) wesentlich eingeschränkter als das, was man im Dt. unter dem Begriff Sprachverwendung versteht. Mindestens sollte bei diesem Verfahren der AS-Ausdruck in eckigen Klammern hinzuge‐ fügt werden, um darauf hinzuweisen, dass es sich um eine spezifisch ter‐ minologische AS-Verwendung handelt: Sprachverwendung [perfor‐ mance], interdictions professionelles [Berufsverbote]. In der konkreten Übersetzungssituation kann die Anwendung der Übersetzungsverfahren 1.-4. erst dann in Frage kommen, wenn sich der Übersetzer unter Heranziehung aller relevanten Hilfsmittel (Wör‐ terbücher, Terminologielisten, Übersetzungen im gleichen Textbe‐ reich, Paralleltexte, ggf. Rückfrage bei Fachleuten) vergewissert hat, dass er tatsächlich sprachliches Neuland betreten muss. Bei den Ver‐ fahren 1. und 2., mit denen neue Ausdrücke in die ZS eingeführt wer‐ den, darf der Übersetzer nicht willkürlich vorgehen: Er hat sich - im fachsprachlichen Bereich - an die Grundsätze der Terminologienor‐ mung zu halten: 61 Benennungen sollen sich nach Form und Inhalt zwanglos in das bestehende Gefüge der Sprache einordnen. Beim Bilden von Benennungen soll auch auf die internationale Angleichung der Begriffe und Benennungen Bedacht ge‐ nommen werden. Die Benennungen sollen sein: klar - einfach - einprägsam - leicht aussprechbar - geeignet zum Bilden von Ableitungen. (Benennungs‐ regeln des Normblatts DIN 2330, nach H.-R. Fluck 1996: 119) In Übersetzungen literarischer Texte wird das Verfahren 1 nicht selten aus Gründen des Lokalkolorits oder der Authentizität verwendet; es handelt sich um bewusste Verfremdung (Beispiel: Übernahme eng‐ lischer Anredeformen und Titel in Übersetzungen von Kriminalro‐ manen). Das Verfahren kommt aber auch in Originaltexten zur An‐ wendung, man denke etwa an Ernest Hemingways „Fiesta“ oder an Max Frischs „Montauk“. Die betreffenden französischen und spani‐ 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 271 <?page no="272"?> 62 Zur Fremdsprachigkeit/ Mehrsprachigkeit/ Sprachwechsel in literarischen Texten s. S. Boytcheva (2010), G. Radaelli (2011), S. Arnaudova (2015), W. Helmich (2016). 63 Vgl. H. Gerzymisch-Arbogast (1987: 82 f.). schen bzw. englisch-amerikanischen Einschläge stellen ein Überset‐ zungsproblem besonderer Art dar. 62 5. Adaptation: Unter diesem Verfahren versteht die Stylistique compa‐ 5. rée (vgl. J.-P. Vinay/ J. Darbelnet 1971, A. Malblanc 1968) die Ersetzung des mit einem AS-Ausdruck erfassten Sachverhalts durch einen Sach‐ verhalt, der im kommunikativen Zusammenhang der ZS eine ver‐ gleichbare Funktion bzw. einen vergleichbaren Stellenwert hat - aus dem engl. Burberry wird ein dt. Lodenmantel. 63 Beispiel aus J.-P. Vinay/ J. Darbelnet (1971: 53): Pour prendre un exemple, on peut citer le fait pour un père anglais d’em‐ brasser sa fille sur la bouche comme une donnée culturelle qui ne passerait pas telle quelle dans le texte français. Traduire: „he kissed his daughter on the mouth“ par „il embrassa sa fille sur la bouche“, alors qu’il s’agit simp‐ lement d’un bon père de famille rentrant chez lui après un long voyage, serait introduire dans le message LA (= langue d’arrivée, ZS] un élément qui n’existe pas dans LD [= langue de départ, AS]; c’est une sorte particu‐ lière de surtraduction. Disons: „il serra tendrement sa fille dans ses bras“, à moins que le traducteur ne veuille faire de la couleur locale à bon marché. Zur Übersetzung der ersten Zeile von T. S. Eliots „The Waste Land“ („April is the cruellest month, breeding“) gibt K. Junkes-Kirchen (1988: 258) folgen‐ den Kommentar: Die erste Zeile gilt als Reminiszenz an Chaucers Canterbury Tales, die mit der Früh‐ lingsevokation „Whan that Aprill with his shoures soote“ beginnen und auf die jahrhundertealte Tradition der englischen Lyrik verweist, in der der Monat April (bedingt durch die klimatische Situation der britischen Inseln) als Frühlingsbeginn gefeiert wird. […] Um die Wirkungsgleichheit zu erzielen, müsste April hier durch den Monat Mai ersetzt werden, der im mitteleuropäischen Sprach- und Kulturraum die Konnotationssphäre als „Wonnemonat“ besitzt und entsprechend in der dichte‐ rischen Tradition verankert ist. Demnach lautete die erste Zeile: „Der Mai ist der grausamste Monat“. Diese Übersetzungsentscheidung würde jedoch eine Gesamt‐ verschiebung der übersetzerischen Methode zur Konsequenz haben (zur Imitation hin). Deshalb, und um den Verweis auf die englische Literaturtradition zu erhalten, 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 272 <?page no="273"?> 64 Statt von Assimilierung wird auch von Domestikation gesprochen, s. M. Farghal/ M. Al-Hamly (2010). - Zum Problem der kulturellen Adaptation im Zusammenhang mit der Bibelübersetzung, s. J. Gnilka/ H. P. Rüger, Hrsg. (1985), J.-C. Margot (1979: 90 ff.). verblieb ich in der bisherigen Übersetzungstradition dieser Stelle. [d. h., K. Jun‐ kes-Kirchen übersetzt mit „April ist der grausamste Monat“] Das Verfahren der Adaptation ist im Zusammenhang mit der adaptieren‐ den Übersetzung zu sehen, d. h. der kulturellen Assimilierung des AS-Tex‐ tes im kommunikativen Zusammenhang der ZS (s. o., I.3.2). 64 Im Extremfall führt dieses Verfahren dazu - die Geschichte der literarischen Übersetzung zeigt, dass es in bestimmten Epochen ein weit verbreitetes Verfahren war (etwa in der Aufklärungszeit) -, dass der AS-Text nur noch Ausgangspunkt für eine Originalproduktion in der ZS ist. Es wird mit anderen Worten die Grenze zwischen Textreproduktion und Textproduktion, zwischen Überset‐ zung und autonomer Originalproduktion überschritten, d. h. es kann nicht mehr von einer Übersetzung mit bearbeitenden Elementen gesprochen wer‐ den, sondern es handelt sich um Textproduktion (mit bearbeitenden und ggf. übersetzten Elementen, s. dazu die Untersuchung von G. Nover 1982). Punktuelle Adaptationen sind als bearbeitende, d. h. textproduzierende Elemente in der Übersetzung zu betrachten. Diese können durchaus ange‐ messen, ja unumgänglich sein, wenn die Übersetzung ihre Leser erreichen will, d. h. unter dem Aspekt pragmatischer Äquivalenz (s. u., II.3.6). Um ei‐ nen solchen Fall - dessen Art und Notwendigkeit man übersetzungskritisch diskutieren müsste - handelt es sich beim Beispiel von J.-P. Vinay/ J. Dar‐ belnet: Aus dem englischen Vater, der seine Tochter auf englische Weise begrüßt, wird ein französischer Vater, der dies auf französische Weise tut. Man würde sich wünschen, dass der Übersetzer adaptierende Texteingriffe an Ort und Stelle kenntlich macht bzw. in einem Vor- oder Nachwort erläu‐ tert und begründet (zur Ethik des Übersetzens, s. o., I.7.2.1). 3.3.5 Die Eins-zu-Teil-Entsprechung 238 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs in der Aufklärungszeit) -, dass der AS-Text nur noch Ausgangspunkt für eine Originalproduktion in der ZS ist. Es wird mit anderen Worten die Grenze zwischen Textreproduktion und Textproduktion, zwischen Übersetzung und autonomer Originalproduktion überschritten, d. h. es kann nicht mehr von einer Übersetzung mit bearbeitenden Elementen gesprochen werden, sondern es handelt sich um Textproduktion (mit bearbeitenden und ggf. übersetzten Elementen, s. dazu die Untersuchung von G. Nover 1982). Punktuelle Adaptationen sind als bearbeitende, d. h. textproduzierende Elemente in der Übersetzung zu betrachten. Diese können durchaus angemessen, ja unumgänglich sein, wenn die Übersetzung ihre Leser erreichen will, d. h. unter dem Aspekt pragmatischer Äquivalenz (s. u., II.3.6). Um einen solchen Fall - dessen Art und Notwendigkeit man übersetzungskritisch diskutieren müsste - handelt es sich beim Beispiel von J.-P. Vinay/ J. Darbelnet: Aus dem englischen Vater, der seine Tochter auf englische Weise begrüßt, wird ein französischer Vater, der dies auf französische Weise tut. Man würde sich wünschen, dass der Übersetzer adaptierende Texteingriffe an Ort und Stelle kenntlich macht bzw. in einem Vor- oder Nachwort erläutert und begründet (zur Ethik des Übersetzens, s. o., I.7.2). 3.3.6 Die Eins-zu-Teil-Entsprechung AS-Ausdruck ZS-Ausdruck 1 : Teil Abb. II.3.-5 dt. Geist → engl. mind schwed. trivas → dt. sich wohl fühlen dt. Stimmung → frz. ambiance frz. esprit → dt. Geist Klassisches Beispiel für Eins-zu-Teil-Entsprechungen sind die Farbbezeichnungen verschiedener Sprachen, in denen das Farbenspektrum auf mehr oder weniger stark divergierende Weise segmentiert wird. 65 Um Eins-zu-Teil- Entsprechungen handelt es sich deshalb, weil dem Rot in einer vierteiligen Skala nicht das Rot entspricht, wie es die siebenteilige Skala segmentiert. Allerdings können die Farbbezeichnungen nicht als Beispiele für Unüber- 65 G. Leech (1974: 235) führt in einer Tabelle acht Sprachen auf, die zwischen zwei und elf basic colour terms enhalten. S. auch die Studie von H. Haarmann (2005). Abb. II.3.-5 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 273 <?page no="274"?> 65 G. Leech (1974: 235) führt in einer Tabelle acht Sprachen auf, die zwischen zwei und elf basic colour terms enthalten. S. auch die Studie von H. Haarmann (2005). dt. Geist → engl. mind schwed. trivas → dt. sich wohl fühlen dt. Stimmung → frz. ambiance frz. esprit → dt. Geist Klassisches Beispiel für Eins-zu-Teil-Entsprechungen sind die Farbbezeich‐ nungen verschiedener Sprachen, in denen das Farbenspektrum auf mehr oder weniger stark divergierende Weise segmentiert wird. 65 Um Eins-zu-Teil-Entsprechungen handelt es sich deshalb, weil dem Rot in einer vierteiligen Skala nicht das Rot entspricht, wie es die siebenteilige Skala segmentiert. Allerdings können die Farbbezeichnungen nicht als Beispiele für Unübersetzbarkeit im denotativen Bereich herangezogen werden: Neben einfachen Farbbezeichnungen gibt es andere Möglichkeiten, Farben bis in die feinsten Nuancen sprachlich zu erfassen. Man denke an die Möglichkei‐ ten der Kombination von Farbbezeichnungen (rotbraun), der Ableitung (gelblich, blaugrünlich) und des Vergleichs (rot wie Blut, grün wie der Tan‐ nenbaum, horizontblau, zitronengelb). Der Vergleich größerer und kleinerer Wortfelder in verschiedenen Spra‐ chen führt immer wieder zur Feststellung von Eins-zu-Teil-Entsprechungen. Ein schönes Beispiel wird von E. Leisi (1973: 94 f.) analysiert: Deutsch Hexe und englisch witch entsprechen sich nicht ganz: das englische Wort hat neben sich das Wort hag mit den Elementen ‚alt‘, ‚hässlich‘, ‚Frau (ohne Zau‐ berkraft)‘; sollen diese Elemente betont werden, so wird hag gebraucht. Die Folge ist, dass bei witch die Elemente des Schönen, Jugendlichen, Zauberhaften stärker oder häufiger in den Vordergrund treten als bei Hexe […]. Vom Deutschen aus gesehen kann man auch sagen, dass sich witch bereits der Bedeutung von Fee nähert. Betrachtet man anderseits englisch fairy, so stellt man fest, dass hier (im Vergleich zu Fee) das Kleine, Elfenhafte, stärker vorherrscht; auch kommt fairy viel häufiger im Plural vor als Fee (dance of fairies usw.). Das Wort ist also wie‐ derum „verschoben“, und zwar gegen die Bedeutung von deutsch Elfe hin. Eng‐ lisch elf wiederum geht stärker gegen deutsch Kobold. Die Bedeutungen der eng‐ lischen Wörter im Vergleich mit den entsprechenden deutschen können etwa so dargestellt werden: 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 274 <?page no="275"?> sich witch bereits der Bedeutung von Fee nähert. Betrachtet man anderseits englisch fairy, so stellt man fest, dass hier (im Vergleich zu Fee) das Kleine, Elfenhafte, stärker vorherrscht; auch kommt fairy viel häufiger im Plural vor als Fee (dance of fairies etc.). Das Wort ist also wiederum „verschoben“, und zwar gegen die Bedeutung von deutsch Elfe hin. Englisch elf wiederum geht stärker gegen deutsch Kobold. Die Bedeutungen der englischen Wörter im Vergleich mit den entsprechenden deutschen können etwa so dargestellt werden: Deutsch: Hexe Fee Elfe Kobold Englisch: hag witch fairy elf Abb. II.3.-6 Als Beispiele für Eins-zu-Teil-Entsprechungen werden gerne so genannte unübersetzbare Wörter angeführt: dt. Geist, Stimmung, frz. esprit, russ. toská, néga, schwed. lagom, trivas. Dt. Sinn, Geist, Verstand, Feinsinnigkeit sind Teil-Entsprechungen zu frz. esprit; dt. Sehnsucht, Sorge, Melancholie, Trauer, Niedergeschlagenheit, Langweile zu russ. toská, und engl. mind, intellect, intelligence, thinking faculty, spirit, human spirit zu dt. Geist. Beispiel II.3.-1 Der Übersetzer ist bei folgender Stelle aus der „Vorrede“ von Friedrich Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ mit dem Problem der Wiedergabe des „unübersetzbaren Wortes“ Geist konfrontiert (vgl. auch Beispiel II.3.-26): Abb. II.3.-6 Als Beispiele für Eins-zu-Teil-Entsprechungen werden gerne sogenannte unübersetzbare Wörter angeführt: dt. Geist, Stimmung, frz. esprit, russ. toská, néga, schwed. lagom, trivas. Dt. Sinn, Geist, Verstand, Feinsinnigkeit sind Teil-Entsprechungen zu frz. esprit; dt. Sehnsucht, Sorge, Melancholie, Trauer, Niedergeschlagenheit, Langeweile zu russ. toská, und engl. mind, in‐ tellect, intelligence, thinking faculty, spirit, human spirit zu dt. Geist. Beispiel II.3.-1 Der Übersetzer ist bei folgender Stelle aus der „Vorrede“ von Friedrich Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ mit dem Problem der Wieder‐ gabe des „unübersetzbaren Wortes“ Geist konfrontiert (vgl. auch Beispiel II.3.-26): Aber wir, die wir weder Jesuiten, noch Demokraten, noch selbst Deut‐ sche genug sind, wir guten Europäer und freien, sehr freien Geister - wir haben sie noch, die ganze Not des Geistes und die ganze Spannung seines Bogens! Und vielleicht auch den Pfeil, die Aufgabe, wer weiß? Das Ziel… Die Übersetzung ins Englische lautet folgendermaßen: But we who are neither Jesuits nor democrats, nor even sufficiently German, we good Europeans and free, very free spirits - we have it still, the whole need of the spirit and the whole tension of its bow! And perhaps also the arrow, the task and, who knows? the target… (F. Nietzsche, „Beyond Good and Evil.“ Translated, with an Introduction and Commentary, by R. J. Hollingdale, 1973, 14). Dt. Geist wird also mit engl. spirit wiedergegeben, wozu der Übersetzer, der den Text gleichzeitig kommentiert, anmerkt: ‚Geister‘ is the plural of ‚Geist‘, a word whose meaning and overtones cannot be fully transmitted in a single English word: it means mind, 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 275 <?page no="276"?> intellect, the intelligence, the thinking faculty, the ‚spirit‘ as opposed to the ‚body‘ (and thus, in the right context, ‚ghost‘), and broadly speaking everything contained in the concept ‚the human spirit‘. In the present translation I have consistently rendered Geist as ‚spirit‘, but the reader should remember that the word as used in German is strongly biased towards equating ‚spirit‘ and ‚mind‘, so that the idea of intelligence is bound up with it. A ‚free spirit‘ is thus something comparable with a ‚freethinker‘, although Nietzsche very strongly repudiates any equating of the two. (206) Die Übersetzungsschwierigkeiten, die sich aus dem Sachverhalt der Eins-zu-Teil-Entsprechung ergeben, sollten weder übernoch unterschätzt werden. Im konkreten Übersetzungsfall bereiten sie keineswegs immer Schwierigkeiten, denn eine Teilentsprechung kann in einem bestimmten Textzusammenhang durchaus als adäquate Übersetzung fungieren. Es ist auch möglich, dass eine Teilentsprechung, die an sich nicht den vollen In‐ haltsbereich des AS-Ausdrucks abdeckt, im Kotext im AS-Sinne definiert wird (d. h. der ZS-Ausdruck nimmt neue Bedeutungsqualitäten an). In Tex‐ ten aber, wo es auf das ganze Inhaltsspektrum oder auf die genaue Wieder‐ gabe einer (Teil-)Bedeutung des AS-Ausdrucks ankommt, weil erst damit ein angemessenes Verständnis in der ZS gewährleistet ist, und/ oder wo die ein‐ heitliche und durchgängige Wiedergabe eines AS-Ausdrucks gefordert ist, stößt die Übersetzung und die Übersetzbarkeit an ihre Grenzen. Als Über‐ setzungsverfahren kommen in diesen Fällen nur noch kommentierende Verfahren in Frage. Auf den Sachverhalt, dass Wortinhalte in verschiedenen Sprachen nur teilweise miteinander übereinstimmen, weil die sozialen, politischen, wirt‐ schaftlichen, kulturellen, historischen Hintergründe des Sprachgebrauchs verschieden sind, haben besonders Ethnologen und Übersetzer ethnogra‐ phischer Schriften hingewiesen. Im Zusammenhang mit der Darstellung der mutterrechtlichen Gesellschaftsordnung, die für die Eingeborenen der 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 276 <?page no="277"?> 66 B. Malinowski, „Das Geschlechtsleben der Wilden in Nordwest-Melanesien. Liebe/ Ehe und Familienleben bei den Eingeborenen der Trobriand-Inseln/ Britisch Neu-Guinea“, Leipzig/ Zürich 1930. Trobriand-Inseln gilt, führt B. Malinowski zum Wort Vater aus, dass es für den Trobriander eine „ausschließlich soziale Bedeutung“ hat: 66 […] es bezeichnet den Mann, der mit der Mutter verheiratet ist, im gleichen Hause mit ihr lebt und zum Haushalt gehört. In allen Gesprächen über Verwandtschaft wurde mir der Vater sehr entschieden als tomakava, als ein „Fremder“, oder rich‐ tiger als „Außenstehender“ beschrieben. Diesen Ausdruck gebrauchen die Ein‐ geborenen auch häufig, wenn sie irgendeine Erbschaftsfrage erörtern, ein be‐ stimmtes Betragen erklären oder bei einem Streit den Vater in seiner Stellung herabsetzen wollen. - Es ist dem Leser also klar: das Wort „Vater“ darf nicht in dem rechtlichen, moralischen und biologischen Sinne aufgefasst werden, den es für uns hat, sondern in dem ganz besonderen Sinne der Gesellschaftsordnung, mit der wir es hier zu tun haben. Um Missverständnisse zu vermeiden, hätten wir vielleicht besser daran getan, unser Wort „Vater“ überhaupt nicht zu verwenden, sondern lieber das Eingeborenenwort tama, und nicht „Vaterschaft“, sondern „tama-Verhältnis“ zu sagen; doch das wäre zu schwerfällig gewesen. Wenn jedoch der Leser auf diesen Seiten dem Wort „Vater“ begegnet, sollte er stets daran den‐ ken, dass es nicht nach dem deutschen Wörterbuch definiert werden darf, sondern nur im Sinne der trobriandischen Lebenswelt. Diese Regel gilt übrigens für alle Ausdrücke, die eine besondere soziologische Bedeutung haben, also für jede Be‐ zeichnung menschlicher Beziehungen und für Worte wie „Ehe“, „Scheidung“, „Verlöbnis“, „Liebe“, „Werbung“ und ähnliche. (3 f.) Doch wir brauchen keineswegs so exotische Beispiele heranzuziehen. C. F. Hockett (1958: 141) kommt auf das gleiche Problem zu sprechen, wenn er zur Nichtübereinstimmung von russ. drug mit engl. friend ausführt: One can ask a Russian who knows some English what the Russian word / drúk/ means, and the answer will be ‚friend‘. This is roughly true, the precise social circumstances under which a Russian calls another person / drúk/ are by no means the same as those under which we call someone a friend. The meaning of / drúk/ , or of friend, for a speaker of the language involved, is the result of all his past experiences with that word. Within a single speech commu‐ nity, the differences between the accidents of personal history of different indi‐ viduals tend to cancel out. […] From one community to another, however, this levelling-out does not occur. Bilingual dictionaries and easy word-by-word trans‐ 3.3 Denotative Äquivalenz, Entsprechungstypen und Übersetzungsverfahren 277 <?page no="278"?> lations are inevitably misleading; the shortcut of asking what a form means must ultimately be supplemented by active participation in the life of the community that speaks the language. Auf das diesbezügliche Ungenügen, ja die Gefährlichkeit von Wörterbü‐ chern weist auch B. Malinowski hin: Ein Wörterbuch der Eingeborenensprache kann in der Hand eines unvorsichtigen Ethnographen zum gefährlichen Werkzeug werden, falls er nicht über zuverläs‐ sige Kenntnisse der Sprache verfügt, die allein es ihm ermöglichen, die Bedeutung der Ausdrücke aus ihrer vielfältigen Anwendung in verschiedenen Zusammen‐ hängen zu erkennen. Vereinzelte Ausdrücke mit ihrer Übersetzung ins Pid‐ gin-Englisch aufzuzeichnen und solch grobe Übersetzungen als „Gedankenwelt der Eingeborenen“ zu präsentieren, ist geradezu irreführend. Es gibt in der An‐ thropologie keine größere Fehlerquelle als die Benutzung missverstandener und falsch gedeuteter, bruchstückhafter Wörterverzeichnisse der Eingeborenenspra‐ chen durch Beobachter, die mit dem betreffenden Idiom nicht völlig vertraut sind und seinen soziologischen Charakter nicht kennen. (320) Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass die Übersetzung eine andere Lebens- und Alltagswelt, eine andere als die uns bekannte Wirklichkeit ver‐ mitteln sollte. Die „fremde“ Wirklichkeit ist aber mit den Mitteln der ZS nur ungenau erfassbar und mitteilbar. Dieses Ungenügen erweist sich bei nähe‐ rem Hinsehen allerdings wieder als relativ: Die spezifisch kultur- und ein‐ zelsprachgebundenen Ausdrücke stehen in Textzusammenhängen und wer‐ den in diesen Kotexten selbst bis zu einem gewissen Grade im AS-Sinn determiniert. Die ZS-Ausdrücke entwickeln im Text Bedeutungsvarianten, die (mehr oder weniger) den gemeinten Sachverhalt treffen. Um beim Bei‐ spiel von B. Malinowski zu bleiben: Ehe, Scheidung, Vater usw. nehmen als zusätzliche Bedeutungen (bzw. als Bedeutungen im betreffenden Textzu‐ sammenhang) die Bedeutungen an, die sie (nach Auffassung B. Malinowskis) für die Bewohner der Trobriand-Inseln haben. Aus für uns gemeinsprachli‐ chen Wörtern, die Sachverhalte „unserer Welt“ bezeichnen, werden im be‐ treffenden Verwendungszusammenhang gewissermaßen fachsprachliche Wörter, die im Textzusammenhang selbst als solche definiert werden. Das Übersetzungsverfahren, das darin besteht, uns geläufige Ausdrücke für zunächst fremde, bedeutungsmäßig abweichende Phänomene zu ver‐ wenden, kann allerdings zu Missverständnissen führen, wie B. Malinowski anmerkt. Er zieht deshalb ein anderes Verfahren in Betracht: nämlich von 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 278 <?page no="279"?> tama (für ‚Vater‘) und tama-Verhältnis zu sprechen. Mit anderen Worten: Statt ein deutsches Wort zu wählen, hätte man den betreffenden Ausdruck direkt aus der AS als Zitatwort in die ZS übernehmen können. Das wäre jedoch, wie B. Malinowski meint, auf Kosten der Lesbarkeit gegangen; das Verfahren würde zu schwerfälligen Lösungen führen. Ein anderer Gesichts‐ punkt scheint uns allerdings wichtiger zu sein: In gewisser Hinsicht und in gewissen Bereichen ist der Vater bei den Trobriandern durchaus mit dem europäischen Vater vergleichbar. Indem man den deutschen Ausdruck wählt, stellt man diese Beziehung unmittelbar her, man schließt bei der Darstellung des Unbekannten und Fremden beim Bekannten an. Dies wiederum erleich‐ tert das Verständnis des (zunächst) Fremden. 3.4 Konnotative Äquivalenz 3.4.1 Denotative Bedeutung und konnotative Werte Sprachliche Ausdrücke haben nicht nur denotative Bedeutung, sondern mit der spezifischen Art der sprachlichen Erfassung des Denotats werden zu‐ sätzliche konnotative Werte vermittelt, in der Terminologie K. Bühlers (1934) sind es symptomfunktionale Werte. Für den Ausdruck eines denotativ Gemeinten stehen unterschiedliche bezeichnungsgleiche (synonymische bzw. quasi-synonymische) Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung: essen : speisen : tafeln : fressen sterben : ins Gras beißen etwas durchführen : etwas zur Durchführung bringen Wir sind die Schuldigen : Die Schuldigen sind wir In Abschnitt II.3.3 sind die fünf Entsprechungstypen unter rein denotativem Aspekt, d. h. dem Sachverhalts-/ Wirklichkeitsbezug (konkrete und abs‐ trakte Wirklichkeit) betrachtet worden. Berücksichtigt man neben der de‐ notativen Dimension auch konnotative Werte, so müssen die Eins-zu-eins-, Eins-zu-viele-, Viele-zu-eins-Entsprechungen und die mittels verschiedener Übersetzungsverfahren aufgehobenen Eins-zu-Null-Entsprechungen zu‐ gleich als Eins-zu-Teil-Entsprechungen behandelt werden. Bei den Eins-zu- Teil-Entsprechungen wiederum steigert sich der Teil-Charakter der Ent‐ sprechungen. 3.4 Konnotative Äquivalenz 279 <?page no="280"?> 67 Dabei kann sie sich auf Stilistiken dieser Sprachen stützen; für das Deutsche, s. B. So‐ winski (1999), B. Sandig (2006), W. Fleischer/ G. Michel/ G. Starke (1993), G. Michel (2001), K.-H. Göttert/ O. Jungen (2004), H.-W. Eroms (2008). 68 Zur Heterogenität der Einzelsprachen als Übersetzungsproblem, s. E. Steiner (2004). Die Übersetzungswissenschaft hat die Aufgaben, die konnotativen Di‐ mensionen und Werte in den Einzelsprachen zu charakterisieren, 67 ihre Merkmale und Strukturelemente herauszuarbeiten, und diese in Beziehung zu den Konnotationsdimensionen der jeweiligen Zielsprachen zu setzen. Ferner sind die beim Übersetzen bestimmter Texte problematischen Fälle sowie die Übersetzungsverfahren im konnotativen Bereich zu beschreiben. Die Herstellung konnotativer Äquivalenz gehört zu den meist nur an‐ näherungsweise lösbaren Problemen des Übersetzens; um so wichtiger sind korpusorientierte, sprach- und textbezogene Analysen einzelner konnotativ „geladener“ lexikalischer und syntagmatischer Bereiche. 3.4.2 Konnotationen und Stil Konnotative Werte ergeben sich als Folge der Heterogenität der Einzel‐ sprachen: 68 Sprachliche Ausdrücke (Wörter, Syntagmen, Sätze) lassen sich verschiedenen Sprachschichten zuordnen; sie unterscheiden sich in der Fre‐ quenz, der stilistischen Wirkung, dem Anwendungsbereich; sie können be‐ schränkt sein auf bestimmte Benutzergruppen usw. Unter rein denotativem Aspekt ist frz. boucher eine Eins-zu-eins-Entsprechung zu dt. Fleischhauer, unter dem Aspekt des zusätzlichen konnotativen Wertes [+ österreichisch] von Fleischhauer ist boucher nur eine Eins-zu-Teil-Entsprechung. Frz. tête ist unter denotativem Aspekt eine adäquate Übersetzung von dt. Haupt; der konnotative Wert [+ gehobene Sprachschicht] von Haupt wird mit dem frz. Ausdruck nicht vermittelt. Fahr zur Hölle! kann als denotative Eins-zu-eins- Entsprechung von Go to hell! gelten, die konnotativen Wirkungswerte sind jedoch verschieden. Entzündung des Wurmfortsatzes, Blinddarmentzündung und Appendizitis (als mögliche Entsprechungen zu engl. appendicitis) un‐ terscheiden sich hinsichtlich Frequenz und Anwendungsbereich. Auch bei den konnotativen Werten ist anzumerken, dass auf der Textebene zwischen übersetzungsrelevanten und irrelevanten konnotativen Werten zu 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 280 <?page no="281"?> unterscheiden ist. So kann es in einem bestimmten dt. Textzusammenhang irrelevant sein, ob Metzger, Fleischer oder Fleischhauer verwendet wird. Zu den textanalytischen Aufgaben des Übersetzers gehört die Feststellung, Be‐ wertung und Hierarchisierung der konnotativen Werte sprachlicher Ein‐ heiten bezüglich ihrer Erhaltung im ZS-Text. Der Stil eines Textes ergibt sich aus dem Vorkommen, der Frequenz, Distribution und Kombination von konnotativ wertigen sprachlichen Einheiten auf Wort-, Syntagma-, Satz- und satzübergreifender Ebene. Der konnotative Wert [+ gespreizt] lässt sich an einzelnen Wörtern, aber auch an Syntagmen und Sätzen festmachen. [+ fachsprachlich] geprägt ist nicht nur der Wortschatz, sondern auch die Syntax eines Fachtextes. [+ geo‐ graphisch] markiert kann nicht nur die Wortwahl, sondern auch eine syn‐ taktische Erscheinung wie die Perfektbildung mit sein oder haben sein: Ich bin gelegen [+ süddt. Raum]. Dabei ist zu beachten, dass auch Neutralität bezüglich einer konnotativen Dimension stilprägend ist. So ist der Stil von Texten im wissenschaftlich-technischen Bereich in der Regel durch stilisti‐ sche Neutralität hinsichtlich mehrerer konnotativer Dimensionen gekenn‐ zeichnet. Die stilistische Übersetzbarkeitsproblematik resultiert daraus, dass die Systeme der konnotativen Werte, die stilprägend sind, sich in verschiedenen Sprachen nicht eins zu eins decken. Aufgabe des Übersetzers ist es, auf der Textebene in der ZS diejenigen sprachlich-stilistischen Möglichkeiten zu realisieren, die als optimale konnotative Entsprechungen fungieren können. Die Entscheidung für eine bestimmte Entsprechung hängt einerseits von den zur Verfügung stehenden sprachlich-stilistischen (Wahl-)Möglichkeiten ab, andererseits von der Hierarchie der zu erhaltenden Werte, die der Übersetzer aus der für den betreffenden Text/ die betreffende Textstelle maßgeblichen Hierarchie der Äquivalenzforderungen ableitet. Analyse und Bewertung dieser vom Übersetzer getroffenen Entscheidungen ist Aufgabe der wissen‐ schaftlichen Übersetzungskritik. Wie bei der Herstellung denotativer Äquivalenz besteht im konnotativen Bereich grundsätzlich die Möglichkeit, konnotative Werte, die nicht erhalten werden können, durch kommentierende Verfahren (s. u., II.3.9) zu vermit‐ teln. Diese können jedoch in Texten, in denen konnotative Werte eine wich‐ 3.4 Konnotative Äquivalenz 281 <?page no="282"?> 69 Zum Begriff der Konnotation, s. T. Schippan (1992: 155 ff.); s. dazu auch das Kap. „Über‐ setzung und Varietätenlinguistik: Soziostilistische Probleme der Übersetzung“ in J. Al‐ brecht (2005). tige stilprägende Funktion haben (zum Beispiel soziolektale oder dialektale Einschläge in literarischen Texten) kaum in größerem Umfange angewendet werden, ohne dass der Text entscheidender ästhetischer Qualitäten verlustig ginge und als künstlerischer Text unter Umständen unlesbar würde. 3.4.3 Konnotative Dimensionen Die übersetzungsrelevanten konnotativen Dimensionen, wie sie im Folgen‐ den charakterisiert werden, sind vom Deutschen her gewonnen; die ange‐ führten Beispiele zeigen aber, dass sie (teilweise) auch auf andere europäi‐ sche Sprachen angewendet werden können. (Unterschiede ergeben sich allerdings bei den konnotativen Werten.) Zu beachten ist, dass eine konno‐ tativ markierte Form oft verschiedenen konnotativen Dimensionen zugleich zugeordnet werden kann. 69 1. Konnotationen der Stilschicht (konnotative Werte wie [+ geho‐ 1. ben], [+ dichterisch], [+ normalsprachlich], [+ umgangssprachlich], [+ Slang], [+ vulgär]) Beispiel II.3.-2 sterben ist normalsprachlich-unmarkiert, entschlafen und das Zeitli‐ che segnen gehören der gehobenen Stilschicht an, abkratzen ist sa‐ lopp-umgangssprachlich, krepieren und verrecken sind vulgär. 2. Soziolektale Konnotationen, d. h. Konnotationen sozial (grup‐ 2. penspezifisch) bedingten Sprachgebrauchs (konnotative Werte wie [+ studentensprachlich], [+ soldatensprachlich], [+ Sprache der Arbeiterschicht], [+ Sprache des Bildungsbürgertums]) Beispiel II.3.-3 In einem Brief an den Übersetzer Victor Barrucand (6. 3. 1891) weist Henrik Ibsen auf Übersetzungsschwierigkeiten in „Vildanden“ („Die 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 282 <?page no="283"?> 70 S. dazu B. Czennia (2004), W. Kolb (1999). Wildente“) hin, die mit der Verwendung verschiedener Register des Dänisch-Norwegischen als Mittel der individuellen Charakterisie‐ rung und gleichzeitig der sozialen Markierung der Personen, d. h. mit der soziolektalen Dimension zusammenhängen: „Die Wildente“ enthält zudem ganz besondere Schwierigkeiten, indem man mit der norwegischen Sprache sehr vertraut sein muss, um verstehen zu können, wie konsequent jede einzelne Person im Stück ihre eigentümliche, individuelle Art hat, sich auszudrücken, wodurch gleichzeitig das Bildungsniveau der be‐ treffenden Person markiert wird. Wenn zum Beispiel Gina spricht, muss man unmittelbar hören können, dass sie nie Grammatik ge‐ lernt hat und dass sie den unteren Gesellschaftsschichten ent‐ stammt. Und so auf je verschiedene Weise für alle anderen Per‐ sonen auch. Die Aufgabe des Übersetzers ist also keineswegs einfach zu lösen. [Unsere Übersetzung] 3. Geographische Konnotationen (konnotative Werte wie [+ überre‐ 3. gional], [+ plattdeutsch], [+ berlinerisch], [+ schwäbisch], [+ öster‐ reichisch]) 70 Beispiel II.3.-4 Thomas Manns „Buddenbrooks“ enthält zahlreiche Beispiele für re‐ gional/ dialektal markierten Sprachgebrauch, der häufig zugleich - wie es für das Deutsche charakteristisch ist - sozial bestimmt ist. So ist die „Revolutionsszene“ gekennzeichnet durch den Wechsel zwi‐ schen bzw. die Mischung von Plattdeutsch und Standardsprache: „Hür mal, Smolt, un ihr annern Lüd! Wer nu’n verstännigen Kierl is, der geht naa Hus un schert sich nich mihr um Revolution und stört hier nich de Ordnung.“ „Die heilige Ordnung! “ unterbrach Herr Gosch ihn zischend. „De Ordnung, segg ick! “ beschloß Kon‐ sul Buddenbrook. „Nicht mal die Lampen sind angezündet. Dat geiht denn doch tau wied mit de Revolution! “ (Teil IV, Kap. 3) 3.4 Konnotative Äquivalenz 283 <?page no="284"?> 71 S. dazu K. Freese (1987), H. M. Braem (1979: 13 ff.: „Der Dialog in Prosa, Drama, Hör‐ spiel“, mit engl., frz., it., russ., schwed., slowak. und span. Textbeispielen), B. Czennia (1992), K. B. Henjum (2003, 2004, 2018), A. Detken (1997). Das soziolektal bestimmte, für den Sprachgebrauch des Konsuls in der betreffenden Situation typische „paternalistische“ Codeswit‐ ching wird in der engl. Übersetzung eingeebnet: „Now, listen, Carl Smolt and the rest of you. Whoever’s got any sense will go home and not bother himself over any revolutions, disturbing the regular order of things -“ „The sacred order,“ interrupted Herr Gosch dramatically. „The regular order, I say,“ finished the Consul. „Why, even the lamps aren’t lighted. That’s going too far with the revolution.“ (Thomas Mann, „Buddenbrooks“, übersetzt von H. T. Lowe-Por‐ ter, New York 1961/ 1924). 4. Konnotationen des Mediums (konnotative Werte wie [+ geschrie‐ 4. bensprachlich], [+ gesprochensprachlich]). Das Problem der Überset‐ zung von sprachlichem Material mit gesprochensprachlicher Markie‐ rung stellt sich besonders bei literarischen Texten. 71 In Alfred Döblins „Berlin Alexanderplatz“ wimmelt es nicht nur von berlinerischen Be‐ sonderheiten (Molle ‚Glas Bier‘, Dativ statt Akkusativ wie in Ich lach mir schief), sondern Döblin macht in großem Umfang von gespro‐ chensprachlichen Formen Gebrauch, wie beispielsweise Versteh ick nicht (für standardsprachliches Das verstehe ich nicht), Ick möchte nicht in dem seine Haut stecken (für Ich möchte nicht in seiner Haut stecken), Da geb ich meinen Segen zu (für Dazu gebe ich meinen Segen). Für die Übersetzung lassen sich dafür oft nur - wenn überhaupt - annähe‐ rungsweise Lösungen finden. 5. Konnotationen der stilistischen Wirkung (konnotative Werte wie 5. [+ veraltet], [+ gespreizt], [+ papierdeutsch], [+ modisch], [+ euphe‐ mistisch], [+ anschaulich], [+ bildhaft]) 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 284 <?page no="285"?> Beispiel II.3.-5 Die folgende Textstelle findet sich im I. Akt von Henrik Ibsens „Fruen fra havet“ („Die Frau vom Meer“): Lyngstrand […] Jeg kommer i anledning af geburtsdagen, frue. Ellida. Geburtsdagen? Så har De ta’t fejl, herr Lyngstrand. Der er ingen fødselsdag her i huset idag. Lyngstrand (smiler lunt). Å, jeg véd det nok. Men jeg trode ikke, det skulde være så hemmeligt. Ellida. Hvad for noget véd De? Lyngstrand. At det er fruens gefruens fødselsdag. In der deutschen Übersetzung von Elias/ Schlenther (1907): Lyngstrand […] Ich komme aus Anlaß des Geburtstages, gnädige Frau. Ellida Des Geburtstages? Da haben Sie sich geirrt, Herr Lyng‐ strand. Es ist kein Geburtstag heut hier im Hause. […] Ellida Was wissen Sie denn? Lyngstrand Dass der gnädigen Frau ihr Geihr Wiegenfest ist. In einem Brief an Julius Hoffory (16. 11. 1888) geht Ibsen auf das Problem der konnotativen Werte ein, die mit den Ausdrücken ge‐ burtsdag/ fødselsdag verknüpft sind: Dann finden sich dort die Ausdrücke ‚geburtsdag‘ und ‚fødsels‐ dag‘. Der erstere wird bei uns jetzt als altertümlich und nicht als guter Sprachgebrauch betrachtet. [Unsere Übersetzung] Für Ibsen aber scheint die Erhaltung dieses Unterschieds, die be‐ wusste Verwendung von Synonymen und des mit dem einen Aus‐ druck verbundenen konnotativen Werts ‚altertümlich‘ also, nicht besonders wichtig zu sein: Aber da ich mir nicht vorstellen kann, dass diese Nuance in der Übersetzung wiedergegeben werden kann, so haben Sie sie vermut‐ lich fallen gelassen, wogegen nicht das geringste einzuwenden ist. Interessant ist, dass Julius Hoffory in seiner Übersetzung (Berlin 1889, „Einzige vom Verfasser autorisierte deutsche Ausgabe“ von „Die Frau vom Meer“) trotzdem versucht, die von Ibsen intendierte Nuance des 3.4 Konnotative Äquivalenz 285 <?page no="286"?> Originaltextes in der Übersetzung zu bewahren, indem er zwischen Geburtsfest und Geburtstag wechselt. Ähnlich verfahren spätere Über‐ setzer, die Geburtstag - Geburtsfest und Geburtstag - Wiegenfest ver‐ wenden. 6. Konnotationen der Frequenz (konnotative Werte wie [+ gebräuch‐ 6. lich], [+ wenig gebräuchlich]) Beispiel II.3.-6 1. Das Fremdwort Plastizität wird in folgendem Textauszug 1. nicht in der (Haupt-)Bedeutung ‚körperhafte Anschaulich‐ keit‘, sondern in der Bedeutung ‚Formbarkeit‘ (des „Materi‐ als“, aus dem die Generative Grammatik besteht) gebraucht: (Die Generative Grammatik muss am Phänomen des Sprachwan‐ dels scheitern), „solange sie nicht bereit ist, einige mehr oder minder drastische Theoriemodifikationen vorzunehmen. Ob sie die hierzu notwendige Plastizität aufbringt, muss der Zukunft‐ überlassen bleiben.“ (W. Mayerthaer, in: W. Besch u. a. (Hrsg.), „Sprachgeschichte“, Bd. I, Berlin/ New York 1984, 802) Bei der Übersetzung ins Norwegische ist die Wiedergabe mit fleksibilitet vorzuziehen, obwohl auch norw. plastisitet beide Be‐ deutungsvarianten hat. Im betreffenden Textzusammenhang würde aber die Formulierung Om den generative grammatikken har den dertil nødvendige plastisitet, må fremtiden vise verwir‐ rend wirken. Die Hauptbedeutung ‚Anschaulichkeit‘ ist im Nor‐ wegischen so viel frequenter, dass die Verwendung von plastisi‐ tet beim Leser wenn nicht Un- oder Missverständnis, so mindestens Irritation über die unnötige Interpretations- (bzw. Textverbesserungs-)arbeit zur Folge hat. 2. G. Magnusson (1987) weist u. a. auf folgende Frequenzunter‐ 2. schiede im deutschen und schwedischen Sprachgebrauch hin: Fremdwörter werden in der deutschen Pressesprache häufi‐ ger verwendet als in der schwedischen (16, 115 ff.), die Ver‐ wendung des modalen Infinitivs (sein + zu-Infinitiv) ist im 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 286 <?page no="287"?> 72 Information zu einer empfängnisverhütenden Spirale. Man kann sich allerdings fragen, ob der Text für die Patientin nicht benutzerfreundlicher abgefasst werden könnte/ müsste. Deutschen häufiger als im Schwedischen (22), Nominalisie‐ rungen, zusammengesetzte Adjektive und schwere deutsche Satzkonstruktionen müssen im Schwedischen oft aufgelöst werden (28 f., 36 f., 39 f.). 7. Konnotationen des Anwendungsbereichs (konnotative Werte wie 7. [+ gemeinsprachlich], [+ fachsprachlich], [+ medizinische Fachsprache]) Beispiel II.3.-7 Dieselben medizinischen Sachverhalte werden in der Allgemein‐ sprache (bzw. in einer der Allgemeinsprache näher stehenden Sprachform) und in der Fachsprache anders formuliert; man ver‐ gleiche dazu folgende zwei Textausschnitte. Es handelt sich um int‐ ralinguale Übersetzung (s. o., I.5.3): 72 (Aus der Information für den Arzt: ) Kontraindikationen ▸ akute Zervizitis, akute oder ▸ subakute rezidivierende Entzündungen des Genital‐ bereiches, anamnestisch be‐ kannter infizierter Abort, postpartale Endometritis, die nicht länger als 3 Mo‐ nate zurückliegen. ▸ Endometriumhyperiplasie ▸ mit Menometrorrhagie. (Aus der Information für die Patien‐ tin: ) Unverträglichkeiten und Risiken ▸ akute oder subakute wie‐ ▸ derholt aufgetretene Ent‐ zündungen der Ge‐ schlechtsorgane, fieberhafte Fehlgeburt und/ oder Entzündung der Ge‐ bärmutterschleimhaut, die nicht länger als 3 Monate zurückliegen ▸ Veränderungen der Gebär‐ ▸ mutterschleimhaut, die zu zyklischen oder azyklischen Dauerblutungen führen 3.4 Konnotative Äquivalenz 287 <?page no="288"?> 8. Konnotationen der Bewertung (konnotative Werte wie [+ positive 8. Bewertung [eines Sachverhalts]], [+ negative Bewertung], [+ ironi‐ sierende Bewertung]) Beispiel II.3.-8 Wenn man sagt: „Bei dieser Arbeit hast du dir auch nicht gerade ein Bein ausgerissen“, so meint man damit: ‚Du hast dich bei dieser Arbeit nicht besonders angestrengt‘. Durch die Verwendung der Redensart in ihrer drastischen Anschaulichkeit kommt eine ironische Bewer‐ tung des Verhaltens zum Ausdruck. Diese Konnotation geht bei der Übersetzung mit norw. 1. „Dette arbeidet har du tatt litt for lett på“ (‚Mit dieser Arbeit hast du es dir ein bisschen zu leicht gemacht‘) oder 2. „I denne oppgaven har du ikke akkurat overanstrengt deg“ (‚Bei dieser Aufgabe hast du dich nicht gerade überanstrengt‘) ganz (wie in 1.) oder teilweise (wie in 2.) verloren. In die obige Zusammenstellung konnotativer Dimensionen sind nicht auf‐ genommen die Dimensionen der intralinguistischen, der soziokulturellen und der intertextuellen Bedeutungen, die mit guten Gründen auch zu den Konnotationen gerechnet werden könnten. Wir rechnen sie nicht dazu, weil sie sich erst auf der textuellen und/ oder kommunikativen Ebene ergeben; sie werden in II.4.1.4 behandelt. 3.5 Textnormative Äquivalenz Vertragstexte, Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte, Geschäftsbriefe, wissenschaftliche Texte usw. folgen hinsichtlich Auswahl und Verwen‐ dungsweise sprachlicher Mittel im syntaktischen und lexikalischen Be‐ reich bestimmten sprachlichen Normen (Stilnormen), deren Einhaltung in der Übersetzung Herstellung textnormativer Äquivalenz bedeutet. W. Wilss (1974: 37) spricht von Gebrauchsnormen, „weil es im ausgangs‐ sprachlichen und im zielsprachlichen Raum vorgeprägte sprachliche Aus‐ drucksschemata, eingespielte sprachliche Verhaltensweisen und restriktive 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 288 <?page no="289"?> 73 S. dazu S. Göpferich (1995), B. Sandig (2006). - Zu Überschriften zu und Aufbau von Presse- und publizistischen Texten, s. A. D. Švejcer (1987: 151 ff.). Regeln gibt, wo also der kommunikative Effekt der Übersetzung in der ziel‐ sprachlichen Aktualisierung ganz bestimmter, in ihren Grundstrukturen intralingualer und damit auch interlingual bis zu einem gewissen Grad kon‐ ventionalisierter Performanzgesetzlichkeiten liegt, die korrelierbar sein müssen“. Die Bedingungen der Textsorte steuern dabei nicht nur die Selek‐ tion der sprachlichen Mittel (s. A. Rothkegel 1986), sondern auch den Text‐ aufbau. 73 R. van den Broeck (1986) weist darauf hin, dass Übersetzungen in der Regel nicht die Textfunktionund -pragmatik verändern, wohl aber ver‐ ändern sich funktional-stilistische und textkonventionelle Eigenschaften. In der ZS geltende Textnormen (Gebrauchsnormen) sind dafür verantwortlich, dass der Übersetzer sprachliche Veränderungen vornimmt, die nicht aus Unterschieden zwischen AS und ZS erklärt werden können. (R. van den Broeck zeigt dies am Beispiel von niederländischen und englischen Koch‐ rezepten.) Die Beschreibung und Korrelierung solcher Sprachverwendungsmuster in einzelnen Textgattungen ist eine zentrale, bisher eher stiefmütterlich behan‐ delte Aufgabe der sprachenpaar- und textbezogenen Übersetzungswissen‐ schaft. Dabei können die Methoden und Ergebnisse der funktional-stilisti‐ schen Sprach- und Textanalyse, die sich mit den funktional differenzierten, verbindlichen Sprachverwendungsmustern in konkreten Kommunikationsbe‐ reichen und -situationen beschäftigt, fruchtbar gemacht werden. Die Materi‐ albasis für solche Untersuchungen liefern dabei nicht nur Übersetzungen, son‐ dern insbesondere auch Paralleltexte (s. o., I.7.1). Denn die „Normen der parallelen ZS-Textklasse“ entscheiden darüber, ob eine Übersetzung als „wohl‐ geformter Text“ und nicht bloß als Addition wohlgeformter Sätze gelten kann (A. Neubert 1983: 104). Beispiele für solche Analysen: S. etwa die Beiträge im Kapitel EG-Text‐ sorten in A. Rothkegel/ B. Sandig, Hrsg. (1984), G. Thiel/ G. Thome (1987). - Für das Deutsche und Norwegische, s. C. Fabricius-Hansen (1986). Zahlrei‐ che praktische Beispiele Deutsch → Schwedisch bringt G. Magnusson (1987); für die Richtung Französisch → Deutsch, s. K. Henschelmann (1980). 3.5 Textnormative Äquivalenz 289 <?page no="290"?> 74 J. Borgen, „Lillelord“, Oslo 1955, 197; J. Borgen, „Lillelord“, Frankfurt a. M. 1983 (Fischer Taschenbuch 5370), 182. 3.6 Pragmatische Äquivalenz Pragmatische Äquivalenz herstellen heißt, die Übersetzung auf die Leser in der ZS „einstellen“. Dabei ist auszugehen von für AS- und ZS-Text unterschiedlichen Rezept‐ ionsbedingungen, wie sie in I.7.1 dargestellt worden sind. Aufgabe der Über‐ setzungswissenschaft ist es, die für bestimmte Sprachenpaare und Texte hinsichtlich bestimmter Empfängergruppen geltenden kommunikativen Be‐ dingungen zu analysieren und die Prinzipien und Verfahren der Herstellung pragmatischer Äquivalenz zu erarbeiten. Für den Übersetzer stellt sich in diesem Zusammenhang immer wieder die Frage, wie weit er in den Text eingreifen darf und soll, wenn er ihn auf den ZS-Empfänger „einstellt“ (s. o., I.7.2.1). Zu den „harmlosen“ Eingriffen gehören Zusätze als Resultat kom‐ mentierender Übersetzungsverfahren, mit denen Wissensdefizite der ZS-Le‐ ser oder Verluste im Bereich denotativer und konnotativer Werte, intralin‐ guistischer, soziokultureller und intertextueller Bedeutungen ausgeglichen werden. Im Hinblick auf die Wissensvoraussetzungen der ZS-Leser besteht sowohl die Gefahr der Leserunterschätzung als auch der Leserüber‐ schätzung. Im ersten Fall schätzt der Übersetzer das Verstehenspotential der Leser zu gering ein, und er kommentiert, wo dies gar nicht erforderlich wäre (E. A. Nida 1964: 155 spricht von der Gefahr einer paternalistischen Übersetzerhaltung); im zweiten Fall verkennt er, dass der ZS-Leser nicht wie er selbst zugleich in AS- und ZS-Kultur verankert ist. Hierzu ein Beispiel: Im Roman „Lillelord“ des norwegischen Schriftstellers Johan Borgen findet sich der Satz Det var 17. mai i september (in der dt. Übersetzung Es war ein 17. Mai im September), um einen schönen Septembertag mit vielen Leuten in den Straßen von Oslo zu beschreiben. 74 Der Übersetzer versieht diese Stelle mit der Fußnote: Norwegischer Nationalfeiertag. Vom Sachverhalt her gesehen, trifft das zu. Aber der norwegische Nationalfeiertag lässt sich nur bedingt mit dem deutschen vergleichen: Der norwegische ist - im Unter‐ schied zum deutschen - mit Aufzügen und viel Pomp verbunden (s. zum 17. Mai auch Beispiel I.7.-5). Diese Komponente wird dem deutschen Leser nicht 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 290 <?page no="291"?> 75 Unzweifelhaft nicht mehr um „eigentliche“ Übersetzungen handelt es sich, wenn der betreffende Text nicht von einer fremdsprachigen Vorlage ausgeht, sondern bereits von einer Übersetzung, wie dies bei Dürrenmatts „Play Strindberg“ (s. o., Beispiel II.2.-2) oder bei der Bearbeitung von Herman Melvilles „Benito Cereno“ durch Heinz Weissenberg (s. D. Göske 1990: 156 ff.) der Fall ist. 76 Ein besonderes Problem für die französische Übersetzung stellen die französischen und spanischen Textstellen dar. Der Übersetzer löst das Problem drucktechnisch und mit einer Fußnote: „Les mots français et espagnols en italique se trouvent dans l’original (N. d. T.).“ vermittelt. Nur stellt sich die Frage, ob es sich dabei um einen Wert handelt, der in der Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte weit oben anzusiedeln ist (s. dazu II.3.8). Letztlich geht es auch hier um die Frage der Abgrenzung von überset‐ zender Textreproduktion und -produktion (s. o., II.2.4). Obwohl die Grenze nicht einfach zu ziehen ist, gehören fremdsprachige Texte, in denen ein AS-Text für eine Empfängergruppe in der ZS bearbeitet wird, die in ent‐ scheidenden Merkmalen von der Empfängergruppe der AS abweicht, nicht zu den Übersetzungen, in denen pragmatische Äquivalenz realisiert wird. So ist die mit einschneidenden Veränderungen verbundene „Übersetzung“ von Defoes „Robinson Crusoe“ für Kinder und Jugendliche als Ganzes keine Übersetzung (auch wenn einzelne Sätze/ Abschnitte übersetzt sind). Ebenso wenig kann die Umarbeitung eines juristischen Fachbuches, das sich in der Originalfassung an einen eingeschränkten Kreis von Fachjuristen richtet, für the man in the street als Übersetzung gelten. Und auch die „Verwissen‐ schaftlichung“ eines populärwissenschaftlichen Werkes (vgl. das Beispiel in C. Nord 2009: 27) durch den Übersetzer ist - als Ganzes genommen - keine Übersetzung. (Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass diese Bearbei‐ tungen Teile enthalten, die als Übersetzungen gelten können.) 75 Beispiel II.3.-9 Unter dem Aspekt der pragmatischen Äquivalenz könnte sich der Über‐ setzer fragen, ob die Information, die Ernest Hemingway in „Fiesta“ zu pernod gibt, in der französischen Übersetzung wiedergegeben werden soll: Welcher Franzose wüsste nicht, was ein pernod ist? Ein Übersetzer literarischer Texte wird sich (hoffentlich) hüten, in den Text einzugrei‐ fen - selbst wenn die betreffende Textstelle auf den französischen Leser etwas befremdlich wirken sollte. 76 3.6 Pragmatische Äquivalenz 291 <?page no="292"?> ‚Well, what will you drink? ‘ I asked. ‚Pernod.‘ ‚That‘s not good for little girls.‘ ‚Little girl yourself. Dites garçon, un pernod.‘ ‚A pernod for me, too.‘ […] Pernod is greenish imitation absinthe. When you add water it turns milky. It tastes like licorice and it has a good uplift, but it drops you just as far. - Qu’est-ce que tu prends? dis-je. - Un Pernod. - Ce n’est pas bon pour les petites filles. - Petite fille toi-même. Dites, garçon, un Pernod. - Un Pernod pour moi aussi. […] Le Pernod est une imitation verdâtre d’absinthe. Quand on y ajoute de l’eau, la teinte en devient laiteuse. Ça a goût de réglisse et ça vous donne un bon coup de fouet, mais la dépression qui suit n’en est que plus grande. Würde man die funktionalistische These ernst nehmen, dass eine Über‐ setzung dann geglückt ist, wenn sie „vom Rezipienten hinreichend ko‐ härent mit seiner Situation interpretiert wird und kein Protest, in wel‐ cher Form auch immer, zu Übermittlung, Sprache und deren Sinn (‚Gemeintem‘) folgt“ (K. Reiß/ H. J. Vermeer 1984: 112), so wäre der fran‐ zösische Übersetzer gezwungen, die Pernod-Erläuterung Hemingways umzuschreiben oder gar auszulassen. Obwohl die Grenzen fließend sind, ist zu unterscheiden zwischen Überset‐ zungen, die bearbeitende Elemente enthalten, und Bearbeitungen mit übersetzten Elementen. Wir gehen dabei von einem Übersetzungsbegriff aus, wie er sich als kulturelle Leistung in den letzten zweihundert Jahren etabliert hat; es ist an anderer Stelle darauf hingewiesen worden, dass sich dies aus der Sicht der historischen Übersetzungsforschung anders darstellt (s. o., I.5.2). 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 292 <?page no="293"?> Beispiel II.3.-10 Um eine Übersetzung mit bearbeitenden Elementen, die sich als Folge der Berücksichtigung pragmatischer Äquivalenzforderungen ergeben, handelt es sich im Fall eines zweisprachigen Prospektes, der zum Besuch von Alt-Bergen, eines Freilichtmuseums in Bergen, einlädt: VELKOM‐ MEN TIL GAMLE BERGEN/ WELCOME TO OLD BERGEN. Der norwe‐ gische Satz Velkommen til dine oldeforeldres by (wörtlich: „Willkommen in der Stadt deiner Urgroßeltern“), der in diesem Text erscheint, wird in der englischen Fassung wiedergegeben mit Welcome to the town of our greatgrand-parents. D. h., die norwegischen Leser des Prospekts werden in der Stadt ihrer eigenen Urgroßeltern willkommen geheißen; bei den Lesern der englischen Übersetzung wird davon ausgegangen, dass es sich nicht um Norweger handelt. Beispiel II.3.-11 Als bearbeitende Übersetzungen sind auch Textabschnitte zu betrach‐ ten, in denen der Übersetzer aufgrund moralischer, politischer usw. Vor‐ behalte den Originaltext in der Übersetzung kürzt oder strafft. Der Über‐ setzer E. Schaper ging bei seiner Übersetzung von Harry Martinsons „Vägen till klockrike“ (dt. „Der Weg nach Glockenreich“, 1953/ 1974) zweifellos davon aus, dass erotische Partien und Anspielungen ent‐ schärft werden mussten, um möglichen „Protesten“ der Leserschaft vor‐ zubeugen (s. dazu G. Korlén 1966: 30). Dazu ein Beispiel: schwed. Original: Och skrattande åt våldtäktsrädslan som han berät‐ tade om, lät hon kläderna falla, reste sig naken mot honom, lade sig sedan bakåt och drog honom intill sig. Och likt en levande sax med utfällda skänklar gjorde hon det härligt skrevande upproret mot räds‐ lan i våldtäktsrädslans land. […] Hon gjorde allt för att ta rädslan ur den häpne luffaren; höll om hans fallos som en rorkult och styrde honom av och an över golvet i sovkammaren. Och han följde uppja‐ gad, lydig och förundrad med i svängarna, mer än en gång fast i den tanken att det hela bara var en könsdröm. (88) Gedruckte Übersetzung: „Und la‐ chend über das Misstrauen, von dem er erzählt hatte, ließ sie die Kleider Unsere Übersetzung, zensurierte bzw. abgeschwächte Stellen kursiv ge‐ druckt: „Und lachend über die Verge‐ 3.6 Pragmatische Äquivalenz 293 <?page no="294"?> fallen, stand nackend vor ihm und zog ihn zu sich. […] Sie tat alles, um dem verdutzten Landstreicher seine Angst auszutreiben, und er fügte sich erhitzt, gehorsam und staunend ih‐ ren Einfällen, sich mehr als einmal bei dem Gedanken ertappend, das Ganze sei nur ein Traum des Begeh‐ rens.“ (S. 138) (Man beachte die Ver‐ wendung des veralteten nackend statt nackt - auch dies steht im Dienste der Entsexualisierung der geschilderten Szene.) waltigungsangst, von der er erzählte, ließ sie ihre Kleider fallen, richtete sich nackt zu ihm auf, lehnte sich dann zurück und zog ihn an sich. Und wie eine lebende Schere mit offenen Schenkeln machte sie diesen herrlich spreizenden Aufruhr gegen die Angst im Lande der Vergewaltigungsangst. […] Und sie machte alles, um dem verdutzten Landstreicher die Angst zu nehmen; hielt sein Glied wie eine Ruderpinne und steuerte ihn damit auf dem Schlafzimmerboden hin und her. Und er hielt erregt, gehorsam und staunend mit; mehr als einmal er‐ tappte er sich beim Gedanken, das Ganze sei nur ein Geschlechtstraum […]. B. Bödeker/ K. Freese (1987: 154 f.) sehen die Vermeidung von Anstößi‐ gem in Übersetzungen (die etwa darin zum Ausdruck kommt, dass aus den Unterhosen eines Pastors Hosen werden) mit Recht im Zusammen‐ hang einer übersetzerischen „Tendenz zur Einebnung, zur Normalisie‐ rung“, die sich auch in den Bereichen der Realienübersetzung und der Übersetzung von Metaphern feststellen lässt (s. u., II.3.7.2). 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 3.7.1 Formal-ästhetische Qualitäten in literarischen Texten und in Sachtexten Herstellung formal-ästhetischer Äquivalenz im ZS-Text bedeutet - un‐ ter Ausnutzung der in der ZS vorgegebenen Gestaltungsmöglichkeiten, ggf. unter Schaffung neuer Gestaltungsformen - „Analogie der Gestal‐ tung“ in der Übersetzung. 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 294 <?page no="295"?> K. Reiß (1976: 21) beschreibt diesen Typ von Äquivalenz wie folgt: Sie [die Übersetzung] orientiert sich am Eigencharakter des Kunstwerks und nimmt den Gestaltungswillen des Autors zur Richtschnur. Lexik, Syntax, Stil und Aufbau werden so gehandhabt, dass sie eine dem expressiven Individualcharakter des AS-Textes analoge ästhetische Wirkung in der ZS erzielen können. Aufgabe der Übersetzungswissenschaft ist es, die Möglichkeiten formal-äs‐ thetischer Äquivalenz im Blick auf Kategorien wie Reim, Versformen, Rhythmus, besondere stilistische (auch individualstilistische und werkspe‐ zifische) Ausdrucksformen in Syntax und Lexik, Sprachspiel, Metaphorik usw. zu analysieren (s. beispielsweise N. Hofmann 1980). Von literaturwis‐ senschaftlicher Seite liegen hierzu einerseits eine Vielzahl von Einzelunter‐ suchungen zu literarischen Texten und Autoren vor, andererseits gibt es einige zusammenfassende Darstellungen zu Theorie und Problemen der li‐ terarischen Übersetzung wie R. Kloepfer (1967), J. Levý (1969), T. Savory (1968), R. Zimmer (1981), F. Apel (1982, 1983), N. Greiner (2004). Formal-ästhetische Gestaltungsmittel und Ausdrucksformen finden sich nicht nur in literarischen Texten. Treten sie aber in nicht-literarischen Tex‐ ten auf, haben sie dort in der Regel einen anderen Stellenwert. Formal-äs‐ thetische Qualitäten sind konstitutiv für literarische Texte, d. h., ein literarischer Text, der dieser Qualitäten verlustig geht, verliert seine Litera‐ rizität. Das gilt in der Regel nicht für Sachtexte, die auch in „ent-ästheti‐ sierter“ Form ihre Sachtextfunktion(en) erfüllen können. Oder wie es R. van den Broeck (1981: 84) im Zusammenhang mit der Frage nach der Übersetz‐ barkeit von Metaphern zum Ausdruck bringt: Finally it seems reasonable to assume that ‚decorative‘ metaphors (as e. g., in journalistic prose) will impose lower requirements on the translator than ‚crea‐ tive‘ ones (as in poetry); to the degree that they are less relevant for the commu‐ nicative function of the text - at least in so far as their ‚vehicles‘ are concerned - they may often either be substituted by TL-specific equivalents or paraphrased. Zu den formal-ästhetischen Qualitäten sind auch die intralinguistischen (intratextuellen) Bedeutungen zu rechnen (s. u., II.4.1.4), die sich aus den strukturellen Beziehungen im Text selbst ergeben. So ist es sicher nicht zu‐ fällig, dass in August Strindbergs „Dödsdansen“ (Beispiel II.2.-3) die Repliken mit Vill du oder Vill du inte beginnen. Die Übersetzungen verfahren hin‐ sichtlich dieses textstrukturierenden Merkmals unterschiedlich. 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 295 <?page no="296"?> 77 S. etwa N. Hofmann (1980, Kap. 7), R. van den Broeck (1981), P. Newmark (1981, Kap. 7), U. Kjär (1988), A. Pisarska (1989, 2004), E.-N. Kurth (1995), C. Schäffner (1999), L. Mitrache (2006). 78 P. Newmark (1981: 88 ff.) unterscheidet sieben Übersetzungsverfahren und dürfte damit der Vielfalt der Übersetzungswirklichkeit näher kommen als R. van den Broeck; dies bestätigt die Untersuchung von A. Pisarska (1989), bei der es um die Übersetzung von Metaphern in Sachtexten geht. Die Übersetzungsverfahren P. Newmarks decken sich teilweise mit den Äquivalenztypen N. Hofmanns (1980: 96 ff.), die anhand der Analyse von deutschen „Hamlet“-Übersetzungen gewonnen und quantifiziert werden. 79 Hinsichtlich kühner Metaphern zieht N. Hofmann (1980: 96) den gleichen Schluss wie R. van den Broeck: „Weitgehend unproblematisch muten dagegen die ‚rein poetischen‘ Metaphern und Vergleiche an, die zum einen leicht erkennbar und zum anderen wegen In den folgenden Abschnitten wird exemplarisch auf die besonderen Pro‐ bleme im Zusammenhang mit der Übersetzung von Metaphern und von Sprachspielen eingegangen. 3.7.2 Metaphern Mit den Problemen und Verfahren der Übersetzung von Metaphern hat man sich in der Übersetzungswissenschaft intensiv beschäftigt. 77 R. van den Bro‐ eck (1981) geht von drei Metaphern-Typen aus: 1. Lexikalisierte („tote“) Metaphern, d. h. sprachliche Ausdrücke, die nur noch unter sprachhisto‐ rischem Aspekt als bildhaft zu betrachten sind (Beispiele: in the face of, lay a finger on, anhand, die öffentliche Hand, ungeschoren davonkommen), 2. konventionelle/ konventionalisierte Metaphern (d. h. traditionelle, li‐ terarisch „institutionalisierte“ Metaphern): du bist eine Rose (für ‚du bist sehr schön‘), und 3. private (kühne, okkasionelle) Metaphern, d. h. autoren‐ spezifische, individuelle Metaphern (R. van den Broeck weist darauf hin, dass es schwierig ist, eine scharfe Grenze zwischen der 2. und der 3. Kategorie zu ziehen). Drei Übersetzungsverfahren lassen sich unterscheiden: 1. Über‐ setzung sensu stricto: Das der AS-Metapher zugrunde liegende Bild ist in der ZS wiedergegeben. 2. Substitution: Das der AS-Metapher zugrunde liegende Bild wird in der ZS durch ein anderes Bild ersetzt. 3. Paraphrase: Die AS-Metapher wird nicht-metaphorisch übersetzt. 78 Bezüglich der Über‐ setzbarkeit von Metaphern (und zwar allein hinsichtlich der Kategorie der Übersetzung sensu stricto) vertritt R. van den Broeck die Auffassung, dass kühne Metaphern oft leichter übersetzbar sind als konventionelle Meta‐ phern, insofern erstere wenig oder keine kulturspezifische Information ent‐ halten. 79 Aber auch konventionelle Metaphern zeichnen sich durch einen 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 296 <?page no="297"?> der abendländischen Bildkongruenz und der kognitiv-kreativen Fähigkeit des Rezipi‐ enten, zwischen unbekannt-exotischen und vertrauten Sinnbezirken Analogien zu kon‐ struieren, auch in der Zielsprache ohne Verlust der Bildkraft nachvollzogen werden können.“ 80 So in Beispiel II.3.-17, wo in der dt. Übersetzung C das Adjektiv weitschweifig im Kotext langer Schwanz deautomatisiert, d. h. wörtlich genommen wird. hohen Grad an Übersetzbarkeit aus, wenn sie - obwohl abhängig von zeit‐ bedingten ästhetischen Normen - zum allgemeinen Kulturgut („Weltlitera‐ tur“) gehören. Am problematischsten ist die Übersetzung lexikalisierter Me‐ taphern, weil sie häufig einzelsprach- und kulturspezifisch sind. Der Grad der Übersetzbarkeit verringert sich noch mehr, wenn die Metaphern (etwa in sprachspielerischem Zusammenhang) „deautomatisiert“ (foregrounding) sind: 80 Foregrounded lexical metaphors in complex texts (poems, puns) are of a very low translatability since they convey contextual (semantic as well as pragmatic or cultural), poetic, and metalingual information simultaneously. (84) Mindestens was die Übersetzung okkasioneller Metaphern angeht, bietet die Übersetzungswirklichkeit ein anderes Bild, wie die empirische Untersu‐ chung von U. Kjär (1988) zeigt. U. Kjär analysiert okkasionelle (in der Ter‐ minologie von R. van den Broeck: private, d. h. ungewöhnliche, nicht selten kühne) Verbalmetaphern des Typs ‚das Schweigen wuchert‘ oder ‚ein Lä‐ cheln weht (über das Gesicht)‘, ausgehend von schwedischen Übersetzungen einer Reihe von Romanen der deutschen Gegenwartsliteratur. Es lassen sich folgende Übersetzungsverfahren unterscheiden: Verfahren I: Okkasionelle Metapher im Original → okkasionelle Meta‐ pher in der Übersetzung: ein gewaltiger Gesang, der wieder versinkt und verrinnt - en väldig sång, som åter sjunker hän och rinner bort (‚ein gewaltiger Gesang, der wieder hinsinkt und wegrinnnt‘) Verfahren II: Okkasionelle Metapher im Original → usuelle Metapher (in der Terminologie von R. van den Broeck: konventionelle Metapher) in der Übersetzung: wehte ein kleines Lächeln über sein Gesicht - gled ett litet leende över hans ansikte (‚glitt ein kleines Lächeln über sein Gesicht‘) Verfahren III: Okkasionelle Metapher im Original → Neutralisierung in der Übersetzung: Allenfalls sang im Kessel die Brühe - På sin höjd sjöd ox‐ bensbuljongen i kitteln (‚Allenfalls siedete die Fleischbrühe im Kessel.‘) Verfahren IV: Nicht-metaphorisches Element im Original → Metapher in der Übersetzung (Kompensation) 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 297 <?page no="298"?> Wird nach Verfahren I übersetzt, kann von Metaphern-Übersetzungsä‐ quivalenz unter Bewahrung des Merkmals der Okkasionalität gesprochen werden. Übersetzungen nach Verfahren I + II realisieren Metaphern-Über‐ setzungsäquivalenz mit dem Merkmal Metaphorizität. Die Übersetzungen nach Verfahren I + II + IV ergeben die (Gesamt-)Metaphern-Dichte des be‐ treffenden Textes. In der Untersuchung von U. Kjär werden - mit einer differenzierteren Skala von Übersetzungsverfahren - die Resultate der Analyse von 1200 deutsch-schwedischen Belegstellen vorgelegt. Dabei zeigt sich (s. Tab. II.3-1, Kolonne Durchschnitt), dass in fast der Hälfte der Fälle Verfahren I angewen‐ det wird, in etwas weniger als einem Fünftel der Fälle Verfahren II. Die Durch‐ schnitts-Metaphorizität der Übersetzungen beträgt im Vergleich mit den Ori‐ ginalen 66 %, d. h., in zwei Dritteln der Fälle werden Metaphern des Originals mit Metaphern übersetzt. In knapp einem Viertel der Fälle werden die Origi‐ nalmetaphern mit Verfahren III neutralisiert, und bei einem Achtel der Fälle handelt es sich um freie Übersetzungen, Auslassungen und einen schwer klas‐ sifizierbaren Rest. Über die Anwendung des Kompensations-Verfahrens IV in den schwedischen Übersetzungen gibt die Untersuchung keine Auskunft; zur (Gesamt-)Metaphern-Dichte kann damit nichts gesagt werden. Die Tabelle macht deutlich, dass einzelne Übersetzungen mehr oder weniger stark vom Durchschnittswert abweichen (die Übersetzungen der drei Romane stammen von verschiedenen schwedischen Übersetzern): 258 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs Verfahren II: okkasionelle Metapher im Original → usuelle Metapher (in der Terminologie von R. van den Broeck: konventionelle Metapher) in der Übersetzung: wehte ein kleines Lächeln über sein Gesicht - gled ett litet leende över hans ansikte (‚glitt ein kleines Lächeln über sein Gesicht‘). Verfahren III: okkasionelle Metapher im Original → Neutralisierung in der Übersetzung: Allenfalls sang im Kessel die Brühe - På sin höjd sjöd oxbensbuljongen i kitteln (‚Allenfalls siedete die Fleischbrühe im Kessel.‘). Verfahren IV: Kompensation: nicht-metaphorisches Element im Original → Metapher in der Übersetzung. Wird nach Verfahren I übersetzt, kann von Metaphern-Übersetzungsäquivalenz unter Bewahrung des Merkmals der Okkasionalität gesprochen werden. Übersetzungen nach Verfahren I + II realisieren Metaphern-Übersetzungsäquivalenz mit dem Merkmal Metaphorizität. Die Übersetzungen nach Verfahren I + II + IV ergeben die (Gesamt-)Metaphern-Dichte des betreffenden Textes. In der Untersuchung von U. Kjär werden - mit einer differenzierteren Skala von Übersetzungsverfahren - die Resultate der Analyse von 1200 deutsch-schwedischen Belegstellen vorgelegt. Dabei zeigt sich (s. Tab. II.3.-1, Kolonne Durchschnitt), dass in fast der Hälfte der Fälle Verfahren I angewendet wird, in etwas weniger als einem Fünftel der Fälle Verfahren II. Die Durchschnitts-Metaphorizität der Übersetzungen beträgt im Vergleich mit den Originalen 66 %, d. h., in zwei Dritteln der Fälle werden Metaphern des Originals mit Metaphern übersetzt. In knapp einem Viertel der Fälle werden die Originalmetaphern mit Verfahren III neutralisiert, und bei einem Achtel der Fälle handelt es sich um freie Übersetzungen, Auslassungen und einen schwer klassifizierbaren Rest. Über die Anwendung des Kompensations-Verfahrens IV in den schwedischen Übersetzungen gibt die Untersuchung keine Auskunft; zur (Gesamt-)Metaphern- Dichte kann damit nichts gesagt werden. Die Tabelle macht deutlich, dass einzelne Übersetzungen mehr oder weniger stark vom Durchschnittswert abweichen (die Übersetzungen der drei Romane stammen von verschiedenen schwedischen Übersetzern): Schwed. „Blechtrommel“ Schwed. „Butt“ Schwed. „Stiller“ Durchschnitt Verfahren I Verfahren II Verfahren III Freie Übersetzung Auslassung Restgruppe 25 % 17 % 30 % 13 % 24 % 11% 4 % 60 % 17 % 17 % 2 % - 4% 44 % 17 % 26 % 6 % - 8% 48 % 66 % 18 % 23 % 6 % 9 % 3 % 3 % 100 % n = 261 100 % n = 235 100 % n = 66 100 % n = 1188 Verfahren IV ? ? ? ? Tab. II.3-1 Tab. II.3-1 Die Zahlen sind eindrücklich und ohne Zweifel von direkter übersetzungs‐ kritischer Relevanz; sie machen u. a. einsichtig, dass die Behauptung, Über‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 298 <?page no="299"?> 81 Die Behauptung, Übersetzungen seien grundsätzlich flacher als die Originale, wird im‐ mer wieder erhoben. So stellt etwa B. Grünbeck (1983: 249) bezüglich der Übersetzung lebendiger Metaphern (Dt. → Frz.) bei „traditionalistischen“ Übersetzern die Tendenz fest, „gewisse Retouchen, meist logisierende Korrekturen, vorzunehmen, wenn das deutsche Bild allzu kühn, dem logischen und harmonischen Gleichmaß zuwiderlaufend, oder gar als logisch nicht haltbar erscheint“. B. Grünbeck spricht von „Beckmesserei“ bzw. „der gerade unter Berufsübersetzern allgemein verbreiteten Krankheit der stilis‐ tischen Besserwisserei“ (249). - Die Anpassung an literatursprachliche Normen hat eine „Ausdünnung des Textes“ zur Folge (A. Gardt 1989: 155, im Zusammenhang mit dem Vergleich der deutschen Übersetzungen von James Joyces „Ulysses“). Bei „flachen“ Ori‐ ginalen ist allerdings auch der umgekehrte Vorgang denkbar: Die Übersetzung wirkt farbiger; vgl. R. Barczaitis (1985: 270) zu Arno Schmidt als Übersetzer. 82 Zur Übersetzung der Metaphern in der „Blechtrommel“ ins Arabische, s. H. Salim-Mo‐ hammad (2007). setzungen seien „flacher“ als die Originale nicht aus der Luft gegriffen ist, jedenfalls wenn man die Übersetzung von Metaphern als Maßstab nimmt. Während nach Auffassung von U. Kjär ein Resultat seines Übersetzungs‐ vergleichs in der Widerlegung der These von der „Unübersetzbarkeit von Metaphern“ (120) besteht, würden wir das Gewicht auf den Sachverhalt le‐ gen, dass im Durchschnitt nur die Hälfte der okkasionellen Originalmeta‐ phern als okkasionelle, d. h. stilistisch wirksame Metaphern übersetzt sind - und das bei Sprachen, die so nahe verwandt sind wie das Deutsche und das Schwedische. 81 Überraschend sind, wie die Tabelle zeigt, die großen Unterschiede in der Metaphern-Dichte einzelner Übersetzungen, und das heißt: Die Übersetzer verhalten sich gegenüber der übersetzerischen Herausforderung der okka‐ sionellen Metapher ganz verschieden. Sehen wir uns dazu die Werte der „Blechtrommel“ und des „Butt“ an (unter der Annahme, dass die Metaphern der „Blechtrommel“ nicht schwieriger oder unmöglicher zu übersetzen sind als diejenigen des „Butt“): Während im „Butt“ drei Fünftel der okkasionellen Metaphern mit okkasionellen Metaphern übersetzt werden, sind es in der „Blechtrommel“ nur ein Viertel. Und während der „Blechtrommel“-Über‐ setzer in einem Viertel der Fälle auf freie Weise paraphrasiert oder auch auslässt, wird dieses Übersetzungsverfahren vom „Butt“-Übersetzer nur in wenigen Ausnahmefällen eingesetzt. Der Schluss liegt nahe, dass sich der Übersetzer der „Blechtrommel“ von einem anderen Begriff von Überset‐ zungstreue leiten lässt als der Übersetzer des „Butt“. 82 Lassen sich schon innerhalb der einen Zielsprache Schwedisch große Un‐ terschiede in den Übersetzungen feststellen, so wird das Bild noch vielfälti‐ ger, lebendiger, auch verwirrender, wenn man Übersetzungen in verschie‐ 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 299 <?page no="300"?> denen Sprachen miteinander vergleicht. Das gilt schon für auf den ersten Blick so einfache Fälle wie bei folgender Stelle aus „Stiller“ von Max Frisch. Beispiel II.3.-12 Max Frisch, „Stiller“: […] und in der Mitte glitzert ein grünes Flüßchen, das die Richtung nach den großen Ozeanen verrät (wie allerdings jedes Gewässer) […] schwed.: och i mitten glittrar en liten grön flod, som visar riktningen mot oceanen norw.: Og tvers gjennom dette yppige landskapet glitrer en grønn liten elv, som renner mot havet dän.: og i midten glitrer en lille grøn flod, som røber retningen mod de store oceaner engl.: while in the centre there glitters a little green river that reveals the direction in which great oceans lie niederl.: en in het midden glinstert een groen riviertje dat de richting naar de grote oceanen verraadt frz.: elle [die Stadt Zürich] s’étend le long d’une petite rivière dont le cour scintillant indique la direction de l’océan ital.: e nel mezzo scintilla un piccolo fiume verde che tradisce la direzione verso i grandi oceani span.: en medio de la ciudad brilla un riachuelo verde, que indica la dirección de los grandes océanos finn.: ja keskellä välkehtii vihreä pikku joki, joka näyttää suunnan suu‐ riin valtameriin Während in einigen Übersetzungen das Verb verraten erhalten bleibt, schwächt ein Teil ab zu zeigen/ anzeigen (das Flüsschen zeigt die Rich‐ tung), und im Fall der norw. Übersetzung fließt (renner) das Flüsschen zum Meer, wodurch - wenn man den trocken-ironischen Kommentar (wie allerdings jedes Gewässer) berücksichtigt - der Inhalt auf eine Tri‐ vialität reduziert wird. Wesentlich ungewöhnlicher ist die Metapher in folgendem Beispiel (in ei‐ nem unmetaphorischen Kontext wird wuchern zusammen mit Unkraut oder Geschwulst, Tumor gebraucht): 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 300 <?page no="301"?> Beispiel II.3.-13 Max Frisch, „Stiller“: Und das Schweigen wucherte, ein Schweigen, das schlimmer war als Zank. schwed.: Och det blev en ruvande tystnad som var värre än gräl. norw.: Og tausheten vokste over alle grenser og ble verre enn den verste trette. dän.: Og tavsheden voksede, en tavshed, der var værre end skænderi. engl.: And the silence proliferated, a silence that was worse than quar‐ relling. niederl.: En het zwijgen woekerde voort, en zwijgen dat erger dan ruzie was. frz.: Et ce fut alors un silence envahissant, un silence bien pire que les disputes. ital.: E il silenzio crebbe, s’ingrandì, un silenzio che era peggio di una lite. span.: El silencio creció, un silencio que era peor que la disputa. finn.: Ja vaitiolo jatkui, vaitiolo, joka oli pahempaa kuin riita. Warum viele Übersetzungen so viel weniger kühn, so viel vorsichtiger als das Original mit der Sprache umgehen, und wie diese hier nur bruchstück‐ haft angeführten Befunde unter sprachstrukturellem und -normativem, sti‐ listisch-ästhetischem und wirkungsmäßigem Aspekt zu interpretieren sind, bedürfte weiterer Überlegungen und eingehender korpusbasierter Analy‐ searbeit. Jedenfalls können diese Beispiele als Belege für das „Gesetz der zunehmenden Standardisierung“ (the law of growing standardization) die‐ nen, das G. Toury (1995: 268) folgendermaßen formuliert: In translation, textual relations obtaining in the original are often modified, so‐ metimes to the point of totally ignored, in favour of [more] habitual options of‐ fered by a target repertoire. 3.7.3 Sprachspiel Die Übersetzung von Textstellen, in denen mit sprachlichen Formen und Inhalten gespielt wird, stellt den Übersetzer in der Regel vor nur annähe‐ rungsweise lösbare, häufig unlösbare Probleme. Gespielt werden kann mit der Polysemie von Wörtern und Syntagmen, mit der Kontrastierung oder 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 301 <?page no="302"?> dem Gleichzeitigmeinen von wörtlicher (konkreter) und übertragener (me‐ taphorischer) Bedeutung von Ausdrücken, mit der phonetischen oder gra‐ phischen Ähnlichkeit von Wörtern, mit „sprechenden Namen“ (Father Cof‐ fey. I knew his name was like a coffin), mit festen oder relativ festen Syntagmen (Auf großem Fuße lesen. Freut Euch des Lesens - Werbung einer Tageszeitung). Zu den Übersetzungsproblemen, die Sprachspiele stellen, und den Übersetzungsverfahren, die angewendet werden, s. etwa F. J. Hausmann (1974), N. Hofmann (1980, Kap. 8), R. Zimmer (1981), H. Grassegger (1985), C. Schmitt (1997), D. Delabastita (2004, 2004a), S. I. Klitgård (2005), R. Kohl‐ mayer (2017). Beispiel II.3.-14 Das Father-Coffey-Beispiel stammt aus „Ulysses“ von James Joyce. Zur Übersetzungsproblematik führt F. Senn (1968: 367) aus: In keiner anderen Sprache ist Coffey einem Wort für Sarg (coffin) gleich. Coffey ist, nebenbei gesagt, der wirkliche Name des Priesters im Friedhof Glasnevin von 1904 - Joyce ist naturalistisch genau. Der Übersetzer, der die Assoziation glaubhaft machen will, ist auf einen Behelf angewiesen. Zum Beispiel eine Erklärung in einer Klammer: „Pater Coffey. Wusste doch, dass sein Name an coffin (Sarg) erinnert“ (D 120). Die französische und die spanische Übersetzung entscheiden sich in derartigen Fällen meist für einen anderen Namen. Das Wort für Sarg (cercueil, ataúd) wird Grundlage für „Le Père Serqreux“ (F 102) und „El padre Esaúd“ (SP 138). Einen Mittelweg scheint die serbo-kroatische Übersetzung eingeschlagen zu haben, wo der Name „Otac Covey“ noch immer einen irischen Einschlag aufweist (im Ge‐ gensatz zu Serqreux oder Esaúd) und dennoch einem Wort „kovceg“ ähnlich sieht. Um Sprachspiel handelt es sich auch dann, wenn lexikalische oder syntak‐ tische Möglichkeiten einer Sprache in ungewöhnlicher (d. h. von den Ge‐ brauchsnormen einer Sprache abweichenden) Weise ausgenützt werden (Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänswitwenrentenauszahlungstag), wenn Sätze/ Satzteile durch überraschende lexikalische oder syntaktische Parallelismen miteinander verbunden werden (Einem nackten Hohen sieht 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 302 <?page no="303"?> 83 Beispiel aus H. Wiesner, „Lapidare Geschichten“, München 1967, 53. 84 G. Grass, „Die Blechtrommel“, Frankfurt a. M. 1962 (= Fischer Bücherei), 12; G. Grass, „The Tin Drum“, 1965 (Penguin Books), 15; G. Grass, „Le tambour“, 1969 (Editions du Seuil. Le livre de poche), Bd. I/ II, hier I, 13. 85 G. Grass, a. a. O., 19; engl. 23; frz. I, 25. niemand den Hohen an. Erst die Uniform erhöht ihn). 83 oder wenn reimende oder alliterierende Formen eine textstrukturierende Funktion haben (Veni, vidi, vici). Folgende Beispiele sollen einige typische Fälle des Sprachspiels mit ihren Übersetzungsvarianten illustrieren. Beispiel II.3.-15 Günter Grass, „Die Blechtrommel“: Wenn meine Großmutter nach solch einem Hausputzbackwaschundbügelsonnabend […] ganz und gar in den Badezuber stieg […]. 84 engl.: When, after one of these Saturdays spent in housecleaning, baking, washing, and ironing […] my grandmother immersed herself from top to toe in the tub […]. frz.: Quand ma grand-mère, après un samedi de grand ménage-cui‐ sine-lavage-repassage […] entrait tout entière dans le cuvier […]. Beispiel II.3.-16 Günter Grass, „Die Blechtrommel“: Gewiss um der Redensart recht zu geben, die da besagt, man könne einen Streit vom Zaune brechen, brach sich der Sägemeister je eine weiße und eine rote Latte aus dem Zaun, zerschlug die polnischen Latten auf Koljaiczeks Kaschubenrücken […]. 85 engl.: Whereupon the boss had broken one white and one red slat out of the fence and smashed the patriotic slat into tinder over Koljaiczek’s Kachubian back. frz.: Histoire probablement de montrer de quel bois il se chauffait, le patron de la scierie arracha de la clôture une latte rouge et une blanche et, cognant sur le dos kachoube de Koljaiczek à grands coups de lattes polonaises, il en fit un joli tas de petit bois tricolore. 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 303 <?page no="304"?> 86 L. Carroll, „The Annotated Alice. Alice’s Adventures in Wonderland and Through the Looking-Glass.“ With an Introduction and Notes by Martin Gardner, 1965 (Penguin Books), hier 8 f. 87 L. Carroll, a. a. O., 50; dt. A = L. C., „Alice im Wunderland.“ Englisch und Deutsch, München o. J. (Goldmanns Gelbe Taschenbücher, Übertragung von K. Schrey), 41; dt. B = L. C., „Alice im Wunderland. Eine Geschichte für Kinder, Zürich/ Köln 1972 (bt Kinder-Taschenbuch, Übersetzung von A. Zimmermann, bearbeitet von P. Kent), 44 f.; dt. C = L. C., „Alice im Wunderland“, Frankfurt a. M. 1973 (insel taschenbuch, übersetzt und mit einem Nachwort von C. Enzensberger), 32; dt. D = L. C., „Alice im Wunderland“, München 1973 (dtv junior, Prosa-Übersetzung von L. Remané, Nachdichtungen von M. Remané), 50; L. C., „Les aventures d’Alice au pays des merveilles“, Paris 1970 (Bilingue Aubier Flammarion), 117. Auf die Spitze getrieben wird das Spiel mit Sprache in L. Carrolls „Alice’s Adventures in Wonderland“. M. Gardner weist in seiner Einführung zur englischen Ausgabe darauf hin, „that many characters and episodes in Alice are a direct result of puns and other linguistic jokes, and would have taken quite different forms if Carroll had been writing, say, in French“. 86 In der Wiedergabe der Sprachspiele zeigen die Übersetzungen ganz unterschiedli‐ che Lösungen. Zwei Beispiele: Beispiel II.3.-17 L. Carroll, „Alice in Wonderland“: „You promised to tell me your history, you know“, said Alice […] „Mine is a long and a sad tale! “ said the Mouse, turning to Alice, and sighing. „It is a long tail, certainly“, said Alice, looking down with wonder at the Mouse’s tail […] 87 dt. A: „Was ich hinter mir habe, ist sehr lang und traurig“, sagte die Maus, wandte sich zu Alice herum und seufzte. „Allerdings, du hast was Langes hinter dir“, sagte Alice und schaute verwundert auf den langen, gewun‐ denen Mauseschwanz […] dt. B: „Ach“, seufzte das Mäuslein, „ihr macht euch ja aus meinem Er‐ zählen doch nichts; meine Geschichten sind euch zu langschwänzig.“ Dabei sah sie Alice fragend an. „Langschwänzig! das ist wahr! “ rief Alice und sah mit Verwunderung auf den langen, geringelten Schwanz der Maus. dt. C: „Meine Geschichte ist traurig“, sagte die Maus. „Aber ich bin von Natur aus weitschweifig, und deswegen fürchte ich, meine Geschichte könnte es auch werden.“ „Was deine Person angeht, so hast du recht“, 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 304 <?page no="305"?> 88 L. Carroll, a. a. O., 126 f.; dt. A, 147; dt. B, 142; dt. C, 98; dt. D, 153; frz., 229. sagte Alice und sah dabei mit Staunen auf den langen Schwanz der Maus hinunter. dt. D: „Mein Lebensbericht ist lang und hat ein trauriges Ende“, begann die Maus seufzend. Alice war gerade in die Betrachtung des langen Schwanzes der Maus vertieft und hatte deshalb nur die letzte Hälfte des Satzes gehört. „Ja, lang ist er, aber warum bezeichnest du sein Ende als traurig? “ forschte sie erstaunt, […] frz.: „C’est que … c’est long et triste! “ dit la Souris en se tournant vers Alice et en exhalant un soupir. „Vos queues, à vous autres souris, sont longues sans doute, dit Alice, en abaissant avec étonnement son regard vers l’appendice caudal de son interlocutrice; mais pourquoi dire qu’elles sont tristes? “ Beispiel II.3.-18 L. Carroll, „Alice in Wonderland“: „When we were little“, the Mock Turtle went on at last, more calmly, though still sobbing a little now and then, „we went to school in the sea. The master was an old Turtle - we used to call him Tortoise -“ „Why did you call him Tortoise, if he wasn’t one? “ Alice asked. „We called him Tortoise because he taught us“, said the Mock Turtle angrily. „Really you are very dull! “ 88 dt. A: „Als wir noch klein waren“, so fuhr der Mockturtel endlich fort - er war jetzt etwas ruhiger, aber dann und wann schluchzte er immer noch -, „da gingen wir mitten im Meer in die Schule. Der Lehrer war ein alter Herr - wir nannten ihn Seeturtel -“ „Warum nannten Sie ihn denn Seeturtel, wenn er kein Seeturtel war? “ fragte Alice. „Wir nannten ihn Seeturtel, weil er uns so gut sehen konnte“, sagte die falsche Schild‐ kröte ärgerlich, „Sie sind aber wirklich schwer von Begriff! “ dt. B: „Warum nanntet ihr sie Fräulein Schalthier? “ fragte Alice. „Sie schalt uns hier und da, oder sie schalt uns alle Tage, darum“, sagte die falsche Suppenschildkröte ärgerlich. „Du bist wirklich sehr dumm.“ dt. C: „Warum denn Schaltier, wenn er doch keins war? “ fragte Alice. „Wir nannten ihn Schaltier, denn er schalt hier“, sagte die falsche Sup‐ penschildkröte ungehalten; „du bist wirklich sehr schwer von Begriff.“ 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 305 <?page no="306"?> 89 Auf Bierdeckeln der Brauerei Hürlimann ist das Bild eines Glases mit Bier zu sehen, umrahmt von folgendem Text: „Frauen brauchen täglich 5000 Wörter. (Männer nur 2000. Der stille Geniesser schweigt.) Hürlimann. Nur für Männer.“ Das scheint auch im Jahre 2010 noch anzukommen - jedenfalls bei biertrinkenden, stillen Genießern … dt. D: „Warum nanntet ihr ihn ‚Herzog‘, wenn er keiner war? “ fiel Alice ihr ins Wort. „Wir nannten ihn ‚Herzog‘, weil er uns ‚erzog‘“, versetzte die Falsche Suppenschildkröte ärgerlich. „Du bist wirklich schwer von Begriff.“ frz.: „Pourquoi l’appeliez-vous la Tortoise, puisque c’était une tortue? “ s’enquit Alice. „Nous l’appelions la Tortoise parce que, tous les mois, elle nous faisait passer sous la toise, répondit la Tortue „fantaisie“. Vraiment, je vous trouve l’esprit bien obtus.“ Viele Witze leben vom Sprachspiel (vgl. B. Marfurt 1977); die Problematik der Witzübersetzung kann folgendes Beispiel illustrieren, an dem zugleich die Rolle der soziokulturellen Bedeutung, die den Witz erst möglich macht, illustriert werden kann: Es geht um das in unserer Kultur (immer noch? ) verbreitete Stereotyp, dass Frauen als geschwätzig gelten - ein Stereotyp, das sich in zahlreichen Sprichwörtern, Redensarten und eben auch Witzen niedergeschlagen hat. 89 Beispiel II.3.-19 - Elle: Après avoir fait voir ma langue au médecin, celui-ci m’a dit que tout mon mal provenait du surménage. - Lui: Tu vois! Combien de fois ne t’ai-je pas dit: ne parle pas tant! In der dt. Übersetzung geht die (implizite) wortspielerische Komponente verloren (frz. langue - dt. Zunge/ Sprache), d. h. die Komponente, die den doch ziemlich anspruchslosen Witz (etwas) geistreicher macht: Sie: „Nachdem ich dem Arzt meine Zunge gezeigt hatte, hat er gesagt, bei mir käme alles von der Überarbeitung.“ Er: „Siehst du! Wie oft hab ich dir schon gesagt: sprich nicht so viel! “ („Rire et sourire.“ Franzö‐ sische Witze, München 1975 (1967) (= dtv zweisprachig), 14 f.) 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 306 <?page no="307"?> 90 R. Manheim, „Aus der Übersetzerküche“, in: Der Übersetzer 7/ 1971. Sprachspiele sind keineswegs nur in der schönen Literatur oder in der Wer‐ bung anzutreffen. In Überschriften zu Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln, die als Blickfang dienen sollen, werden sie gerne verwendet. Bei folgender Überschrift wird die Kenntnis der intertextuellen Bedeutung vorausgesetzt (There is no business like show business): Beispiel II.3.-20 THERE’S NO BUSINESS LIKE SHOE BUSINESS The fabulous Ferragamos keep their position at the top of the tree when it comes to footwear. (SCANORAMA, December 1990/ January 1991) Sprachspiele finden sich in den verschiedensten Texten und Textgattun‐ gen, mit unterschiedlicher Frequenz und unterschiedlichen Funktionen. Während aber Sprachspiele in nicht-literarischen Texten und außerhalb der Werbung häufig nur beiläufig-ornamentalen Wert haben, in einer Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte demnach weiter unten ran‐ gieren, sind sie in literarischen Texten (wie auch in der Werbesprache) von zentraler Bedeutung (man denke an obige Beispiele aus G. Grass und L. Carroll). Die Übersetzung stößt hier nicht selten an Grenzen, die auch der (sprach-)schöpferischste Übersetzer nicht überwinden kann. Textstellen, in denen sprachliche Inhalte an spezifisch einzelsprachliche Formen gebunden sind, bzw. in denen sprachliche Formen bestimmte inhaltliche Verknüpfun‐ gen erst ermöglichen, erweisen sich als unübersetzbar. Und weil solche Sprachspiele nicht Spiele mit bloßen Formen sind, sondern (meistens) auch Spiele mit ästhetischen und thematischen Bedeutungen, ist die Möglichkeit des Einsatzes kompensatorischer Verfahren begrenzt. Wenn der englische „Blechtrommel“-Übersetzer die Meinung vertritt: Schließlich braucht ein Wortspiel nicht unbedingt an derselben Stelle wie im Ori‐ ginal zu stehen. Im nächsten oder übernächsten Satz kann sich ein anderes ganz natürlich aus der englischen Sprache ergeben. 90 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 307 <?page no="308"?> 91 In Comics wiederum verbieten sich Erläuterungen in der Regel nur schon deshalb, weil der Platz dafür fehlt (H. Grassegger 1985: 102). 92 Gunnar Staalesen, „I mørket er alle ulver grå“, Oslo 1983, 30; G. S., „Im Dunkeln sind alle Wölfe grau“, Mönkeberg 1987, 27. - so halten wir dieses Verfahren in vielen Fällen nur für eine ausgesprochene Notlösung (wobei freilich eine Notlösung oft besser ist als keine Lösung). Denn in anspruchsvolleren literarischen Texten stehen Sprachspiele nicht zufällig und austauschbar an einer bestimmten Stelle; sie sind nicht bloßes Ornament. Theoretisch könnten mit Sprachspielen zusammenhängende Übersetzungsprobleme zwar mit kommentierenden Verfahren gelöst wer‐ den, d. h., das AS-Spiel wird in einer Fußnote oder im Text selbst erklärt (dies ist der Fall in der in Beispiel II.3.-14 angeführten dt. Übersetzung der Fa‐ ther-Coffin-Stelle). Wenn aber das Sprachspiel zu den entscheidenden sti‐ listisch-ästhetischen Qualitäten des AS-Textes gehört, so wird durch die bloß kommentierende Wiedergabe dieser Qualitäten in der ZS die ästhetische Identität des Originals mehr oder weniger stark beeinträchtigt oder gar zer‐ stört. Ein Witz, der erklärt werden muss, funktioniert bekanntlich nicht mehr wie ein (richtiger) Witz; ein Sprachspiel, das kommentiert wird, ver‐ liert (mindestens teilweise) seinen spielerischen Charakter. 91 So bleibt dem Übersetzer nur noch die (schöpferische) Bearbeitung oder die produktive Annäherung, wie die beiden folgenden Beispiele zeigen. Beispiel II.3.-21 In einem norw. Kriminalroman 92 findet sich folgender vulgärer Sprach‐ witz: „… og så sa den ene hollenderen, men du vet hollendere, de sier f når de mener v - altså han skulle si, og han pekte på kartet, at, han sa: Fi kommer akkurat fra den berømte Hardangerfidda. Men billettøren, han så bare rolig på ham og sa: Åja? Den i Kinsarvik eller den i Odda? “ Wörtliche Übersetzung: „… Und so sagte der eine Holländer, aber weißt du, die Holländer sagen f wenn sie v meinen - also, er wollte sagen, und er zeigte auf die Karte - er sagte also: Wir [fi statt norw. vi] kommen von der be‐ rühmten Hardangerfidda (gemeint ist Hardangervidda [die Hardan‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 308 <?page no="309"?> 93 „The Gallow Songs. Christian Morgenstern’s Galgenlieder.“ A Selection. Translated, with an Introduction, by Max Knight, Berkeley/ Los Angeles 1964. gerhochebene], wenn auf Norwegisch ausgesprochen als fidda, ergibt sich die phonetische Ähnlichkeit zu fitte, d. h. Fotze]. Aber der Schaff‐ ner schaute sie nur ganz ruhig an und sagte: ‚Ah ja - die in Kinsarvik oder die in Odda? ‘ Gedruckte Übersetzung: „… sie ’ne hübsche Französin und er so’n Ornithologe oder so, jeden‐ falls säuselt er rum und will ihr seine ganzen Viecher beschreiben und da sagt sie, weißt ja, mit so’m süßen Akzent und so, sie sagt also: Ach, wie schön, isch liebe Vögeln! “ Beispiel II.3.-22 In der Einleitung zur zweisprachigen Ausgabe einer Auswahl von Chris‐ tian Morgensterns „Galgenlieder“ 93 schreibt der Übersetzer Max Knight: Because of the Galgenlieder’s dependence on the German language, they have been said to defy translation. In the present collection, some poems based on puns were translated by trying a similar pun (e. g., „Das Gebet“), others were rendered by analogy - by an experimental „approach“ (e. g., „Der Werwolf “). Im Falle des berühmten Gedichts „Der Mond“ wird der erklärende Kom‐ mentar auf kongeniale Weise Bestandteil des Gedichtes selbst: „an A describing and a Z/ (read „Ab“ and „Zu“ in Germany)“. Um eine produk‐ tive Bearbeitung/ Neuschöpfung handelt es sich bei der als approach charakterisierten Wiedergabe von „Der Werwolf “ (nur die erste und die dritte Strophe werden angeführt): 94 Der Werwolf Ein Werwolf eines Nachts entwich von Weib und Kind, und sich begab an eines Dorfschullehrers Grab The Banshee [An Approach] One night, a banshee slunk away from mate and child, and in the gloom went to a village teacher’s tomb, 3.7 Formal-ästhetische Äquivalenz 309 <?page no="310"?> 94 Zu „Der Werwolf “, s. auch E. Lesner (2011). 95 Zur Übersetzung expliziter Sprachthematisierungen, s. das Kapitel „Die Übersetzung von Metasprache“ in R. Zimmer (1981). und bat ihn: Bitte, beuge mich! […] „Der Werwolf, - sprach der gute Mann, „des Weswolfs, Genetiv sodann, „dem Wemwolf, Dativ, wie man’s nennt, „den Wenwolf, - damit hat’s ein End‘.“ requesting him: „Inflect me, pray.“ […] „The banSHEE, in the subject’s place; „the banHERS, the possessive case.“ „The banHER, next, is what they call“ „objective case - and that is all.“ Als Sprachspiel ist, wie das Morgenstern-Beispiel zeigt, auch die Sprach‐ thematisierung (Metasprache) zu betrachten, d. h., im Text werden gram‐ matische Eigenschaften, Polysemien, stilistische Qualitäten, etymologische Zusammenhänge usw. explizit oder implizit zum Gegenstand der Aussage gemacht. 95 Nicht wenige sprachreflektierende philosophische Texte basie‐ ren auf solchen (in vielen Fällen einzelsprachspezifischen) Sprachthemati‐ sierungen. Ebenso anschauliche wie extreme Beispiele dafür finden sich im Werk Martin Heideggers. Beispiel II.3.-23 Das Bergende und Verbergende hat sein Wesen im Be-wahren, im Ver-wahren, eigentlich im Wahrenden. Die Wahr, das Wahrende, be‐ deutet anfänglich die Hut, das Hütende. (M. Heidegger, „Was heißt Denken? “, Tübingen 1954, 97) Die englische Übersetzung von „Sein und Zeit“ bietet ein reiches An‐ schauungs- und Analysematerial für die Übersetzungsprobleme, die Heideggers Sprachspiele stellen, und für die Verfahren, die angewandt werden, um sie im Engl. wiederzugeben („Being and Time“, Oxford 1973 [1962]). Im Vorwort weisen die Übersetzer J. Macquarrie und E. Robin‐ son u. a. auf folgende Übersetzungsschwierigkeiten hin: As long as an author is using words in their ordinary ways, the trans‐ lator should not have much trouble in showing what he is trying to 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 310 <?page no="311"?> say. But Heidegger is constantly using words in ways which are by no means ordinary, and a great part of his merit lies in the freshness and penetration which his very innovations reflect. He tends to dis‐ card much of the traditional philosophical terminology, substituting an elaborate vocabulary of his own. He occasionally coins new ex‐ pressions from older roots, and he takes full advantage of the ease with which the German language lends itself to the formation of new compounds. He also uses familiar expressions in new ways. Adverbs, prepositions, pronouns, conjunctions are made to do service as nouns; words which have undergone a long history of semantical change are used afresh in their older senses; specialized modern idioms are ge‐ neralized far beyond the limits within which they would ordinarily be applicable. Puns are by no means uncommon and frequently a key-word may be used in several senses, successively or even simul‐ taneously. He is especially fond of ringing the changes on words with a common stem or a common prefix. He tends on the whole to avoid personal constructions, and often uses abstract nouns (‚Dasein‘, ‚Zeit‐ lichkeit‘, ‚Sorge‘, ‚In-der-Welt-sein‘, and so forth) as subjects of sen‐ tences where a personal subject would ordinarily be found. Like Aris‐ totle or Wittgenstein, he likes to talk about his words, and seldom makes an innovation without explaining it; but sometimes he will have used a word in a special sense many times before he gets round to the explanation; and he may often use it in the ordinary senses as well. (13 f.) 3.8 Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte R.W. Jumpelt weist in seiner Pionierarbeit zur „Übersetzung naturwissen‐ schaftlicher und technischer Literatur“ (1961) auf die Erfahrungstatsache hin, „dass es keine globale und unterschiedslose Erhaltung aller Werte durch die Übersetzung gibt, sondern dass sie in sich stets die Notwendigkeit einer Wahl beschließt“ (46). Der Übersetzer, der eine solche Wahl bewusst voll‐ zieht, hat bei jedem Text als Ganzem wie auch bei Textsegmenten die Auf‐ 3.8 Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte 311 <?page no="312"?> 96 Zur Wahl von Übersetzungslösungen (und Übersetzungsstrategien), s. etwa A. Ku‐ charska (2001), K. Schulte/ H. Roussel (2007), M. Ivanova (2009), K. B. Henjum (2013). 97 Beispiele für übersetzungsrelevante Analysen von Texten unterschiedlicher Textgat‐ tungen finden sich in H. Kittel u. a., Hrsg. (2004, Kap. VIII). gabe, eine Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte aufzu‐ stellen, aufgrund deren er eine Hierarchie der Äquivalenzforderungen bezüglich des betreffenden Textes bzw. des betreffenden Textsegmentes ab‐ leiten kann. Diese Hierarchie steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der impliziten bzw. impliziten und expliziten Übersetzungstheorie des Über‐ setzers (s. o., I.2.1). Sie ist, betrachtet man Übersetzen als Entscheidungs‐ prozess ( J. Levý, 1981 [1967], s. auch I.6.6), einer der Faktoren, die im kon‐ kreten Übersetzungsfall die Wahl einer Übersetzungslösung mitbestimmen; es kommt ihr, sieht man Übersetzen im Bild des Spiels, eine wichtige stra‐ tegische Rolle bei der Festlegung der einzelnen (Übersetzungs-)Spielzüge zu. 96 Der Aufstellung einer solchen Hierarchie der zu erhaltenden Werte muss eine übersetzungsrelevante Textanalyse vorausgehen. In der Er‐ arbeitung der Methodik und des begrifflichen Instrumentariums einer sol‐ chen Textanalyse wie auch in der Zusammenfassung und Systematisierung dieser Textanalysen in übersetzungsrelevanten Textmerkmalstypologien liegt eine vordringliche, bisher erst in Ansätzen gelöste Aufgabe der Über‐ setzungswissenschaft. Mit übersetzungsrelevanter Textanalyse hat man sich bisher hauptsächlich aus übersetzungskritischer Sicht beschäftigt (K. Reiß 1971); um eine theoretische Grundlegung, die zugleich übersetzungsprakti‐ sche und -didaktische Aspekte mit einbezieht, geht es C. Nord (2009). 97 Eine Methode der übersetzungsrelevanten Textanalyse erarbeiten H. Ge‐ rzymisch-Arbogast/ K. Mudersbach (1998). Sie gehen von drei Ansätzen der übersetzerischen Texterschließung aus, die als Aspektra, Holontra und Relatra bezeichnet werden. Das aspektive Textverständnis zielt auf die Herausarbeitung (einzelner) formaler (sprachlich-stilistischer) und inhaltli‐ cher Eigenschaften und Auffälligkeiten eines Textes/ von Textsegmenten. Beim holistischen Textverständnis handelt es sich um die hinter einem Text stehenden Systeme des Sach-, Fach- und Kulturwissens. Beim relatio‐ nalen Textverständnis geht es um interne Textbezüge und um die Bezüge des Textes/ von Textelementen zu Wissenssystemen sowie um die Möglich‐ keiten der Wiedergabe dieser Elemente und Strukturen in der ZS. 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 312 <?page no="313"?> 3.9 Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren Textverarbeitende Aktivitäten wie (einen Text in einer anderen Sprache) zusammenfassen, kommentieren, (für eine bestimmte Rezipienten‐ gruppe) bearbeiten, (teilweise) in ein anderes Medium umsetzen, über‐ setzen usw. weisen ohne Zweifel Gemeinsamkeiten auf. Mehr noch: Über‐ setzen kommt in vielen Fällen nicht ohne kommentierende, interpretierende, bearbeitende, kürzende und erweiternde Verfahren aus, wenn bestimmte Werte des AS-Textes dem zielsprachlichen Leser vermittelt werden sollen, bzw. wenn die Übersetzung versteh- und lesbar sein soll („Verstehbarkeit“ kann allerdings nicht als genereller Äquivalenzmaßstab gelten, s. o., II.3.2.3). Geht man von einem alltagssprachlichen und -sachli‐ chen Verständnis der Funktion der Übersetzung aus, nämlich das, was in einer Sprache gesagt ist, Lesern in einer anderen Sprache zu vermitteln, so kann diese Funktion oft nur durch den Einsatz kommentierender Überset‐ zungsverfahren erfüllt werden, mit denen insbesondere im Fall von Eins-zu-Null-Entsprechungen (Lücken) oder Eins-zu-Teil-Entsprechungen das, was zunächst nicht oder nur unzulänglich übersetzt werden kann, recht eigentlich übersetzbar gemacht wird. Auf das Problem der Übersetzbarkeit ist in II.1 ausführlich eingegan‐ gen worden. Wenn hier der Begriff der (prinzipiellen) Übersetzbarkeit ver‐ wendet wird, dann ausschließlich in rationaler Hinsicht. Er besagt in keiner Weise, dass mit einer Übersetzung, die mit den verschiedensten Formen des Kommentierens arbeitet, um Übersetzbarkeit herzustellen, die gleichen un‐ mittelbaren Effekte erzielt werden wie durch den Originaltext. Ebenso wenig besagt er, dass die grammatischen, semantischen, kommunikativen und Äu‐ ßerungs-Bedeutungen von AS-Einheiten durch gleichrangige, auf allen Be‐ deutungsebenen identische Äquivalente in der ZS substituiert werden kön‐ nen. Gemeint ist damit nicht mehr (aber auch nicht weniger! ), als dass dem Leser über die Darstellungsfunktion der Sprache (K. Bühler 1934) in der Form eines Kommentars etwa die konnotativen Werte oder die intralinguistischen Bedeutungen des AS-Textes erkenntnis- und verstandesmäßig vermittelt werden können - und auch dies vielleicht nicht in ihrer ganzen Potentialität, sondern nur annäherungsweise. Gerade bei literarischen Texten zeigt sich, dass der „Sprung in die Metasprache“, das heißt der Weg der Kommentie‐ rung, oft weder ein hilfreicher noch ein gangbarer Ausweg aus der Über‐ setzungsnot ist, wenn der literarisch-ästhetische Charakter des Textes in der Übersetzung bewahrt werden soll. Es kann nicht genug betont werden, dass 3.9 Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren 313 <?page no="314"?> der Begriff der Übersetzbarkeit, wie er hier unter (eng) linguistischem As‐ pekt gesehen wird, zu unterscheiden ist von Begriffen der Übersetzbarkeit, die von der Frage nach der Möglichkeit der unmittelbaren Wiedergabe äs‐ thetischer, stilistischer, konnotativer, assoziativer, sprachspielerischer Text‐ eigenschaften ausgehen. Übersetzung als Kunst heißt, das Unmögliche zu versuchen, das Unmögliche möglich zu machen und die (unvermeidbaren) Verluste möglichst gering zu halten. Als Kommentare fungieren Fußnoten, Anmerkungen und/ oder Zusätze im Text. Dazu einige Beispiele: In einer Fußnote zum Personenverzeichnis erklärt der Übersetzer von August Strindbergs „Fadren“ die Bedeutung des Namens CORPORAL NOYD (metasprachlicher Kommentar): Beispiel II.3.-24 „Noyd“ is an approximate phonetic pronunciation of the Corporal’s name, Nöjd, which means „satisfied“ (translator). (A. Strindberg, „Five Plays“, Translated, with an Introduction, by H. G. Carlson, 1981) Das folgende Beispiel ist ein Kommentar, in dem ein AS-Phraseologismus, der in wörtlicher Übersetzung nicht unmittelbar verständlich oder missver‐ ständlich ist, erläutert wird. Das Beispiel stammt aus der Erzählung „Bei unserem Batjko Machno“ in Isaak Babels „Die Reiterarmee“ (aus dem Rus‐ sischen übersetzt von Peter Urban), Zürich 1998. Im zweitletzten Abschnitt äußert sich die „Rotznase Kikin, ein Melder“, folgendermaßen: Beispiel II.3.-25 - Da redet das Volk über die Machno-Kämpfer, über ihren Heldenmut, - stieß er mürrisch hervor, - aber wenn du mit denen nur mal n bißchen Salz gegessen hast, dann weißt du, daß jeder von denen einen Stein un‐ term Hemd trägt … Es geht um den Ausdruck einen Stein unter dem Hemd tragen, der kaum wörtlich gemeint sein kann. Nach einigem Nachdenken macht man viel‐ leicht einen Interpretationsversuch mit Bedeutungsübertragungen: Stein als ‚Herz‘, d. h. die Machno-Kämpfer sind völlig gefühllos („das steinerne Herz“) oder Stein als ‚Waffe‘ (ein Hyponym steht für das Hyperonym), d. h. Machno-Kämpfer greifen schnell und heimtückisch zu einer versteckten 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 314 <?page no="315"?> Waffe. Aber so ganz einleuchten wollen diese Erklärungen nicht im Zusam‐ menhang der Äußerung. So schlägt man im Anhang nach und findet zu Stein unter dem Hemd folgende Erklärung: „populäre russ. Redewendung, meint: der Mensch ist unberechenbar; noch tut er freundlich, und gleich haut er dir den Stein über den Schädel.“ - Nicht kommentiert wird der Ausdruck mit jmdm. (ein bisschen) Salz gegessen haben, der möglicherweise ebenso erklä‐ rungsbedürftig ist. Vielleicht helfen aber der Kontext („wenn … dann weißt du …“) und/ oder enzyklopädisches Wissen weiter: In Russland spielt die Be‐ grüßung mit Brot und Salz eine wichtige Rolle; in der Bibel isst der aufer‐ standene Jesus mit seinen Jüngern Salz; in den von Karl Simrock gesam‐ melten deutschen Sprichwörtern (Reclam) findet sich „Traue keinem, du habest denn ein Scheffel Salz mit ihm gegessen“. Man wird also diesen Aus‐ druck interpretieren können als ‚jmdn. kennen, mit jmdm. vertraut/ freund‐ schaftlich verbunden sein‘. Ein interpretierender (und teilweise metasprachlicher) Kommentar findet sich in einer Anmerkung zur englischen Übersetzung eines Abschnit‐ tes aus Friedrich Nietzsches „Jenseits von Gut und Böse“ (Nr. 42): Beispiel II.3.-26 attempters … attempt … temptation: Versucher … Versuch … Versuchung. ‚Versucher‘ also means ‚experimenter‘, ‚Versuch‘ experiment. The point is that these ‚coming philosophers‘ will not be dogmatics. Compare Gay Science 51: ‚Give me any kind of sceptical proposal to which I am permit‐ ted to reply: „Let’s try it! [Versuchen wir’s! ]“ But I want to hear nothing more of any thing or any question which does not permit of experimen‐ tation …‘ The play upon Versuch and Versuchung is very frequent in Nietzsche’s work. (F. Nietzsche, „Beyond Good and Evil.“ Translated, with an Introduction and Commentary, by R. J. Hollingdale, 1973, 221). Diese Anmerkung bezieht sich auf folgende Textstelle: A new species of philosophers is appearing: I venture to baptize these philosophers with a name not without danger in it. As I divine them, as they let themselves be divined - for it pertains to their nature to want to remain a riddle in some respects - these philosophers of the future might rightly, but perhaps also wrongly, be described as attempters. This name itself is in the end only an attempt and, if you will, a temptation. (52) 3.9 Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren 315 <?page no="316"?> Im Original lautet die Stelle folgendermaßen: Eine neue Gattung von Philosophen kommt herauf: ich wage es, sie auf einen nicht ungefährlichen Namen zu taufen. So wie ich sie errate, so wie sie sich erraten lassen - denn es gehört zu ihrer Art, irgendworin Rätsel bleiben zu wollen -, möchten diese Philosophen der Zukunft ein Recht, vielleicht auch ein Unrecht darauf haben, als Versucher bezeichnet zu werden. Dieser Name selbst ist zuletzt nur ein Versuch, und, wenn man will, eine Versuchung. (F. Nietzsche, „Werke“; Bd. II, 605) Als terminologischer Kommentar (d. h., es handelt sich um das Verfahren der Explikation) fungiert folgende Fußnote in der schwedischen Überset‐ zung von Dorothy Sayers „Murder must advertise“: Beispiel II.3.-27 [Fußnote: ] Enligt engelsk lag går „kronvittne“, d. v. s. en brottsling som lämnar bevis mot sine medskyldiga, straffri. (D. Sayers, „Mörd‐ ande reklam“, 238) Die betreffende Textstelle lautet folgendermaßen: It never occurred to you, I suppose, to turn King’s Evidence and ex‐ pose the whole system. (D. L. Sayers, „Murder Must Advertise“, 246) In der schwedischen Übersetzung: Kom ni aldrig att tänka på, att ni skulle kunna bli kronvittne och avslöja det hela? (238) Die deutsche Übersetzung kommentiert dagegen nicht (dabei gibt es in Deutschland erst seit 2009 eine Kronzeugenregelung, die mit der engli‐ schen Praxis vergleichbar ist): Der Gedanke, als Kronzeuge aufzutreten und die ganze Bande bloß‐ zustellen, ist Ihnen wohl gar nicht gekommen? (D. L. Sayers, „Mord braucht Reklame“, 196) 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 316 <?page no="317"?> Um einen erläuternden Zusatz im Text selbst handelt es sich in folgendem Beispiel aus M. Sjöwall/ P. Wahlöö, „Den vedervärdige mannen från Säffle. Roman om ett brott“: Beispiel II.3.-28 [Stockholm såg annorlunda ut då.] Gamla Stan hade varit rena små‐ stadsidyllen. (15) In der deutschen Übersetzung („Das Ekel aus Säffle. Kriminalroman“): Gamla Stan, die Altstadt, war damals ein richtiges Kleinstadtidyll ge‐ wesen. (15) (In der norwegischen Übersetzung bleibt Gamla Stan unkommentiert: „Gamla stan var rene småbyidyllen.“ M. Sjöwall/ P. Wahlöö, „Udyret fra Säffle. Roman om en forbrytelse“, 15) Ähnlich gelagert ist folgendes Beispiel mit einer Textstelle aus Max Frischs „Montauk“: Beispiel II.3.-29 Sie möchte nicht, dass ich je zu einer Tagung der GRUPPE 47 er‐ scheine. (Max Frisch, „Montauk“, 147) She did not want me to attend meetings of the writers’ group, GRUPPE 47. (101) Wenn wir versuchsweise annehmen, dass die engl. Übersetzung der Originaltext wäre, so würde die (Rück-)Übersetzung resultieren in ent‐ weder a) … der Schriftstellergruppe/ -vereinigung GRUPPE 47, oder even‐ tuell b) … der GRUPPE 47, wenn der Übersetzer den Wissensstand der deutschen Leser so einschätzt, dass er die Explikation für unnötig hält. Die Beispiele II.3.-28/ 29 machen deutlich, dass Textzusätze u. a. die Funktion haben, implizite Information in der Übersetzung explizit zu machen. Die Frage, die sich dem Übersetzer immer wieder stellt, ist dabei: Welche impli‐ zite Information muss notwendigerweise expliziert werden? Schwedische Leser haben bezüglich Gamla Stan ein gemeinsames Hintergrundswissen: 3.9 Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren 317 <?page no="318"?> Es handelt sich dabei um „die Stadt zwischen den Brücken“ mit engen Gassen und einer mittelalterlich anmutenden Architektonik; alte Kirchen, das Reichtagsgebäude und das Königliche Schloss prägen das Bild. In Bezug auf Beispiel II.3.-29 ist es allerdings keineswegs sicher, dass der Durch‐ schnitts-Frisch-Leser von heute weiß, was mit der Gruppe 47 gemeint ist. Die engl. Übersetzung dieser Textstelle dürfte für den englischen Leser ver‐ ständlicher sein als die Originaltextstelle für viele deutschsprachige Leser. Von den kommentierenden Übersetzungsverfahren zu unterscheiden sind die freistehenden, nicht in die Übersetzung integrierten Kommentare, in denen die Übersetzer auf ihre Übersetzungsprinzipien und -methoden, auf Übersetzungsprobleme und -entscheidungen eingehen (s. o., I.2.5). Solche Kommentare enthalten oft auch Informationen zum Text, die dem Überset‐ zer als so wichtig scheinen, dass er sie in dieser Form vermittelt. So findet sich in den dt. Übersetzungen der Romane Henning Mankells folgende „Vor‐ bemerkung des Übersetzers“ (Wolfgang Butt): Der mit den schwedischen Verhältnissen vertraute Leser wird in der vorliegenden Übersetzung das in Schweden durchgängig gebrauchte Du als Anredeform ver‐ missen. Es wurde, soweit es sich nicht um ein kollegiales oder freundschaftliches Du handelt, durch das den deutschen Gepflogenheiten entsprechende Sie ersetzt, auch wenn damit ein Stück schwedischer Authentizität des Textes verlorengeht. Das Verfahren des Kommentierens ist nicht auf Übersetzungen beschränkt: Ältere Originalliteratur erscheint in kommentierten Ausgaben, die das Ver‐ ständnis erleichtern sollen, ebenso werden modernen Texten gelegentlich sprachliche (und sachliche) Erläuterungen beigegeben. Beispiel II.3.-30 Stößt der Leser von R. K. Narayans „Malgudi Days“ auf die Stelle „I can buy some jaggery and coconut tomorrow“ (19), dann kann er im „Glos‐ sary“ nachlesen: „jaggery: product similar to brown sugar, made by boi‐ ling sugarcane juice“. Unauffällig-selbstverständlich erscheint das kommentierende Verfahren in Originaltexten, wenn beispielsweise fachsprachliche Termini erläutert/ defi‐ niert, regionale/ dialektale Ausdrücke oder ungewöhnliche oder wenig fre‐ quente Wörter umschrieben und komplizierte Sachverhalte paraphrasiert werden. Mit solchen „Hilfen“ - sie treten auch in der Form von Präzisie‐ 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 318 <?page no="319"?> rungen, Wiederholungen, Ergänzungen, Hervorhebungen auf (vgl. W. Hei‐ nemann/ D. Viehweger 1991: 109) - versucht der Textproduzent, das Text‐ verstehen sicherzustellen. Man siehe dazu folgendes Beispiel (Unsere Hervorhebung): Beispiel II.3.-31 Miserable Zustände beim ostdeutschen Inkasso […] Viele der rund 8000 Kombinate der früheren DDR hätten Außen‐ stände, also unbezahlte Rechnungen, in Millionenhöhe. […] Ein Inkasso-Wesen, das heißt eine betriebliche Organisation, die für das pünktliche Bezahlen von Rechnungen sorgt, ist […] in der ehemaligen DDR praktisch unbekannt. (Süddeutsche Zeitung, 24./ 25./ 26. 12. 1990) In unserer Zeit müsste man wahrscheinlich auch den Ausdruck Kombi‐ nat erläutern, und früher oder später dürfte auch die Auflösung des Akronyms DDR nicht mehr allgemein geläufig sein … Ob und inwieweit Fußnoten, Anmerkungen und kommentierende Textzu‐ sätze empfehlenswerte, ja berechtigte Übersetzungsverfahren sind, wird unterschiedlich beurteilt. P. Newmark (1981: 148 f.) spricht sich gegen An‐ merkungen und für Zusätze im Text aus: „[…] it is better to write the back‐ ground into the text to make it meaningful rather than as a note.“ Und: „The text should be self-sufficient.“ Apodiktisch urteilt M. Ammann (1989: 53): Im Grunde genommen sind Erläuterungen (in Form von Fußnoten) oft lediglich Ausdruck für die Mühe, die der Translator mit dem Text hatte. Der Translator möchte das Ergebnis seiner Recherchen unbedingt vorlegen. Nichts dagegen. Nur sollte er dies m. E. nicht im Translat tun. Ein Blick auf die obigen Beispiele zeigt, dass diese Behauptung kaum haltbar ist. Die angeführten Übersetzungsvorschläge können nicht als missglückt bezeichnet werden; die betreffenden Kommentare sind in ihrer Mehrheit dem Leser der Übersetzungen durchaus dienlich. Selbstverständlich sind im Einzelfall (vielleicht sogar bessere) Alternativen denkbar, und über die Art und die Notwendigkeit des einen oder anderen Kommentars lässt sich dis‐ kutieren. Einen Extremfall in dieser Beziehung stellt die Neuübersetzung von T. S. Eliots „The Waste Land“ durch K. Junkes-Kirchen (1988) dar: Verstehens-, 3.9 Exkurs: Kommentierende Übersetzungsverfahren 319 <?page no="320"?> 98 Bedenkenswert ist der Hinweis von H. Turk (1989: 38 f.), dass es seit dem 18. Jahrhundert dem „Selbstverständnis der Übersetzer“ widerspreche, „der Übersetzung durch Anmer‐ kungen oder Kommentare aufzuhelfen“, würden diese „Zusatztexte“ doch belegen, „dass die Übersetzung eigentlich nicht gelungen ist“. - Dabei ist nicht auszuschließen, dass Selbstverständnis, d. h. Theorie, und Praxis in diesem Zusammenhang unter Umstän‐ den ebenso wenig miteinander übereinstimmen wie theoretische Äußerungen von Übersetzern zu ihren Übersetzungsprinzipien mit ihrem tatsächlichen übersetzerischen Verhalten (d. h. explizite und implizite Übersetzungstheorie der Übersetzer weichen voneinander ab, s. o., I.2.1). - Zum Kommentar in Bibelübersetzungen der Aufklärung, s. D. Weidner (2017). Interpretations- und Übersetzungsprobleme werden eingehend behandelt und die Übersetzungsentscheidungen ausführlich begründet. Kein Wunder, dass der Kommentar, der das „Bedeutungspotential“ des Originals möglichst umfassend vermitteln will, umfangmäßig ein Mehrfaches des Originaltextes ausmacht (s. o., II.3.3.4). Grundsätzlich ist anzumerken, dass sich über die Legitimität kommen‐ tierender Übersetzungsverfahren a priori nichts sagen lässt - wie sich denn die Übersetzungswissenschaft überhaupt hüten sollte, für die Praxis apo‐ diktisch Anweisungen zu formulieren. Als empirische Wissenschaft sollte sie die angewendeten Verfahren, ihre Funktionen, ihr Vorkommen und quantitative Verteilung in verschiedenen Textsorten, ausgehend von kon‐ kreten Übersetzungsfällen, beschreiben. Erst dann (wenn überhaupt) kann eine übersetzungskritische Bewertung der angewendeten Verfahren erfol‐ gen. 98 3.10 Zusammenfassung In Kapitel 3 wird der Begriff der Äquivalenz differenziert und operationali‐ siert. Fünf Bezugsrahmen der Übersetzungsäquivalenz werden unterschie‐ den und mit Äquivalenztypen gekoppelt: der außerspachliche Sachverhalt mit der denotativen Äquivalenz, die Art der Verbalisierung mit der konno‐ tativen Äquivalenz, die Text- und Sprachnormen mit der textnormativen Äquivalenz, der Empfängerbezug mit der pragmatischen Äquivalenz und die ästhetischen Eigenschaften eines Textes mit der formal-ästhetischen Äqui‐ valenz. Die fünf Äquivalenztypen werden mit zahlreichen Übersetzungs‐ beispielen illustriert. In einem Exkurs werden kommentierende Überset‐ zungsverfahren (Fußnote, Anmerkung, Textzusätze) behandelt. 3 Differenzierung des Äquivalenzbegriffs 320 <?page no="321"?> 99 Eine Übersicht über die Forschungslage im Bereich der übersetzungsbezogenen Text‐ typologie gibt I.-A. Busch-Lauer (2004). Für die Textsorten in Naturwissenschaft und Technik sei auf die breit angelegte, theoretisch und empirisch fundierte Untersuchung von S. Göpferich (1995) hingewiesen. 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien In der Textlinguistik gibt es eine ganze Reihe von Ansätzen und Versuchen, Textsorten oder Textgattungen zu unterscheiden und Texttypologien mit Hilfe textinterner und -externer Kriterien und Merkmale zu erstellen. Von einer „geschlossenen und in sich stimmigen Texttypologie“ ist man freilich „noch weit entfernt“ (K. Brinker 2010: 121). Unter dem Aspekt der Überset‐ zung scheint es uns sinnvoll, die zwei Hauptgattungen Fiktivtexte und Sachtexte anzusetzen (vgl. auch I.2.5 und I.9.2); dies im Unterschied etwa zu R.W. Jumpelt (1961) mit sechs Übersetzungsgattungen und K. Reiß (1971) mit drei fundamentalen Texttypen. 99 R.W. Jumpelt (1961: 25) unterscheidet folgende Übersetzungsgattungen: 1. die ästhetische (künstlerische) Übersetzung, 2. die religiöse Übersetzung, 3. die pragmatische Übersetzung (dazu gehören Texte der Natur- und der an‐ gewandten Wissenschaften, der Sozialwissenschaften und eine Reihe „spe‐ zieller Arten“ wie offizielle Dokumente, Werbetexte, Pressenachrichten usw.), 4. die ethnographische Übersetzung, 5. die sprachwissenschaftliche Übersetzung, 6. die geisteswissenschaftliche Übersetzung. K. Reiß (1971) geht von den Sprachfunktionen K. Bühlers (1934) aus; je nach der Dominanz einer Funktion im Text werden unterschieden: 1. in‐ haltsbetonte Texte (die Darstellungsfunktion der Sprache dominiert, d. h. der Text ist sachbzw. informativ orientiert), 2. formbetonte Texte (die Aus‐ drucksfunktion dominiert, d. h. der formal-ästhetische und expressive As‐ pekt ist vorrangig), und 3. appellbetonte Texte (die Appellfunktion domi‐ niert, d. h. die Beeinflussung des Empfängers steht im Vordergrund. In K. Reiß (1976: 18) werden die drei Haupttypen als informative, expres‐ sive und operative Texte bezeichnet. <?page no="322"?> 100 M. Dimter (1981: 33) hat in der Duden-Rechtschreibung von 1973 nicht weniger als 1642 alltagssprachliche Namen für Textklassen ermittelt; 480 davon stehen für grundlegende, „die restlichen 1163“ [sic] für abgeleitete Textklassen. Es handelt sich dabei um eine idealtypische Unterscheidung und jede der beiden Hauptgattungen könnte unter Anwendung weiterer Kriterien kommunikativer, linguistischer und literarisch-ästhetischer Art weiter un‐ tergliedert werden. Dass die Zuordnung einzelner Textsorten, wie sie in der Alltagssprache benannt werden, 100 zu diesen Hauptgattungen nicht immer einfach ist, versteht sich von selbst (die Probleme fangen nicht erst bei Schriften religiösen Inhalts an, sondern schon bei Textsorten wie Reisepro‐ spekt, Brief oder Kontaktanzeige). Die Zuordnung zur einen oder anderen Kategorie kann sich ändern, weil sich die Interpretation eines Textes ändert. So ist, von einem bestimmten theologischen Gesichtspunkt aus, die Bibel als Sachtext zu lesen, von anderen Gesichtspunkten aus als fiktiver Text. Ebenso kann die Zuordnung aufgrund unterschiedlicher Rezeptionsinteressen der Leser unterschiedlich sein. Es ist denkbar, dass ein literarischer Text nicht als fiktiver, sondern als Sachtext rezipiert wird, wenn man sich für geogra‐ phische Beschreibungen in älteren literarischen Texten oder für Beschrei‐ bungen von gesellschaftlichen Zuständen in älteren Romanen aus der Sicht des Geographen oder des Sozialwissenschaftlers interessiert. Bezüglich der Werke von V. S. Naipaul merkt U. Schoettli an: Sein stofflich und sprachlich in orientalischer Breite angelegtes, intellektuell in okzidentaler Tiefe und Analyse verankertes Werk gehört zur Weltliteratur. Das inzwischen zwanzig Haupttitel umfassende Opus wird von englischen Heraus‐ gebern in „Fiction“ und „Non-Fiction“ unterteilt; Kategorien, die sich indessen seit Naipauls ersten Büchern so klar nicht auseinanderhalten lassen und die in der Entwicklung des Werks - wie „The Enigma of Arrival“, als „Fiction“ aufge‐ führt, und „India“, mit dem Etikett „Non-Fiction“ versehen, beweisen - noch fragwürdiger geworden sind. (Neue Zürcher Zeitung, 18./ 19. 5. 1991). Interessant sind in diesem Zusammenhang die Überlegungen W. Baumgart‐ ners (1991) zu August Strindbergs „Plaidoyer d’un fou“: Eine „faktische“ Lesart ist möglich und legitim (d. h. man liest den Text als Autobiographie, in der schonungslos die „Wahrheit“ über die Ehe mit Siri von Essen darge‐ stellt wird), aber auch eine fiktive bietet sich an (literarische Selektion und Kombination von Realitätsfragmenten, Stilisierung, ästhetische Überstruk‐ turierung). 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 322 <?page no="323"?> 101 Man kann auch auf einem anderen, nicht übersetzungsbezogenen Weg zur Unterschei‐ dung von zwei (bzw. drei) Haupt-Textgattungen kommen. Nach H. Steger (1988) bezieht sich die Sprache von Sachtexten auf spezielle Ausschnitte von Welt. Dies im Unterschied zur Alltagssprache, die sich auf die alltägliche Lebenspraxis bezieht und zur Sprache literarischer Texte, die sich auf die in diesen Texten geschaffene Welt bezieht. Die „Wahrheit“ alltagssprachlich gefasster Sachverhalte ist eine andere als die „Wahrheit“ fachsprachlich beschriebener Sachverhalte, und wieder etwas anderes ist die „Wahr‐ heit“, wie sie in literarischen Texten vermittelt wird. Für W. Wilss (1988: 112 ff.) besteht zwischen literarischen und fachsprachlichen Texten ein entscheidender Unterschied im Hinblick auf die Dimension der Kreativität. 102 S. dazu Überlegungen von J. Anderegg (1973), S. J. SchmidtSchmidt (1972) und J. Land‐ wehr (1975). Bei der Verwendung des Begriffs der intralinguistischen Bedeutungen schließen wir uns L. Barchudarow (1979: 142 ff., mit guten Beispielen) an. Im Unterschied zu Auffassungen, wie sie von der funktionalistischen Translationswissenschaft vertreten werden (s. o., II.2.9), gehen wir davon aus, dass zwischen Fiktivtexten und Sachtexten nicht nur graduelle, sondern qualitative Unterschiede bestehen. Dies lässt sich gerade aus der Per‐ spektive des Lesers begründen: Der Leser als Rezipient - und der Übersetzer als Rezipient sui generis und als Sekundärsender (s. o., I.6.7) - tritt einem Text mit unterschiedlichen Erwartungen entgegen, je nachdem, ob er ihn der Kategorie Fiktivtexte bzw. der ästhetischen Kommunikation oder ob er ihn der Kategorie Sachtexte bzw. der sachlich/ fachlich orientierten Kom‐ munikation zurechnet. Es sind unterschiedliche Erwartungen, aus denen der Übersetzer unterschiedliche Forderungen hinsichtlich der Übersetzungsä‐ quivalenz ableitet. Mittels der Kriterien 1. praktische Folgen, 2. Fiktionalität und 3. Ästhetizität wird im Folgenden versucht, Fiktiv- und Sachkommuni‐ kation in übersetzungsrelevanter Sicht voneinander abzugrenzen. 101 Ein viertes Kriterium, das auf einer anderen, im Wesentlichen sprachbezogenen Ebene liegt, ergibt sich aus den unterschiedlichen Rollen, die den intralin‐ guistischen, den soziokulturellen und den intertextuellen Bedeutungen in Fiktiv- und Sachtexten zukommen. 102 Unter dem Begriff des Sachtextes wird hier, ausgehend von sprachlichen Kriterien und Texteigenschaften, eine höchst heterogene Textmasse zusam‐ mengefasst. In sprachlicher, also in engerer linguistischer Hinsicht lassen sich unter dem Aspekt der Übersetzung und der Anforderungen an den Übersetzer in Bezug auf Sprach- und Sach-/ Fachwissen drei Kategorien von Sachtexten unterscheiden (eine Einteilung, die uns insbesondere auch in übersetzungsdidaktischer Hinsicht relevant zu sein scheint): 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 323 <?page no="324"?> 1. Sachtexte, die überwiegend allgemeinsprachlichen Charakter haben 1. und die primär der nicht-fachlichen Kommunikation dienen (Beispiel: Gebrauchsanleitungen) = Gebrauchstexte verschiedenster Art 2. Sachtexte, die allgemeinsprachlichen und fachsprachlichen Charakter 2. haben und die der fachlichen Kommunikation mit und unter Nicht-Fachleuten, zum Teil aber auch mit und unter Fachleuten dienen (Beispiel: populärwissenschaftliche Schriften, Einführungswerke in Fachgebiete) = Fachtexte im weiteren Sinne 3. Sachtexte, die spezifisch fachsprachlichen Charakter haben, und die 3. der Kommunikation unter Fachleuten und Spezialisten dienen (Bei‐ spiel: wissenschaftlich-technische Fachliteratur) = Fachtexte im en‐ geren Sinne Bei den Fachtexten im engeren Sinne unterscheiden wir wiederum drei Un‐ tergruppen: A. Fachtexte, deren Wortschatz durch internationale Sprachnor‐ A. mung mehrsprachig terminologisiert ist, und zwar in der Weise, dass sich die Benennungen in den verschiedenen Sprachen in eindeuti‐ ger Weise auf eindeutig definierte Begriffe beziehen. Die Übersetzung solcher Texte - man denke an naturwissenschaftliche Texte, deren Wort‐ schatz ganz oder teilweise aus Internationalismen besteht, die auf grie‐ chisch-lateinischen Wortstämmen basieren - kann von anderen Voraus‐ setzungen bezüglich Sprach- und Sachwissen des Übersetzers (s.M. Gerbert 1972: 69 f.) ausgehen als die Untergruppen B. und C. B. Fachtexte, deren Wortschatz nicht oder nur teilweise mehr‐ B. sprachig terminologisiert ist. Bei diesen Texten stellt sich die Auf‐ gabe der übersetzungsbezogenen Terminologiearbeit (s. dazu R. Arntz/ H. Picht/ F. Mayer 2004, I. Hohnhold 1990; zur dolmetschorien‐ tierten Terminologiearbeit, s. M. Will 2009). C. Fachtexte, deren Wortschatz sich auf landesspezifische Sach‐ C. verhalte bezieht, d. h. Fachtexte im juristischen, soziologischen und ökonomischen Bereich, die gebunden sind an institutionelle Verhält‐ nisse in einem bestimmten Land. Bei diesen Texten stellt sich insbe‐ sondere das Problem der Wiedergabe landeskonventioneller Elemente (s. o., II.3.3.4). 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 324 <?page no="325"?> 4.1.1 Das Kriterium der praktischen Folgen Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an ästhetischer Kommunikation und die Art dieser Teilnahme ziehen in der Regel keine gesellschaftlichen Sanktionen nach sich. Auch dient uns ein Fiktivtext im Allgemeinen nicht als Anleitung in un‐ serem praktischen Handeln. Das Lesen literarischer Texte geschieht gleichsam in einem Freiraum („Freizeit“) - es sei denn, es handle sich um „lesende“ Lite‐ raturwissenschaftler, oder um Sprachwissenschaftler beim Suchen nach Bele‐ gen für grammatische Erscheinungen, oder um Historiker, die Romane als Quellenmaterial benutzen. Ob man Kafkas „Prozess“ liest oder nicht liest, und auf welche Weise man ihn versteht, hat im gesellschaftlichen Zusammenhang kaum Konsequenzen. Für die Übersetzung bedeutet das: Es ist ärgerlich, wenn ein literarischer Text dilettantisch übersetzt ist oder wenn der Übersetzer selbst‐ herrlich (manchmal nicht nur mit subjektiv, sondern auch objektiv guten Grün‐ den) den Originaltext in der Übersetzung verändert. Folgen hat dies vielleicht für den Übersetzer selbst oder für das Ansehen eines Verlags, kaum jedoch für den Leser in seiner alltäglichen Lebenspraxis. Diese generalisierende Aussage wäre nicht nur in literaturgeschichtlicher Hinsicht zu differenzieren (man denke an die Selbstmorde im Gefolge von Goethes „Die Leiden des jungen Werther“) und in politischer Hinsicht zu modifizieren. Es gibt Beispiele genug, die zeigen, mit welchen Folgen für einzelne Menschen und Gruppen die Teilnahme an ästhetischer Kommuni‐ kation verbunden sein kann. Und aus übersetzungskritischer Sicht ist hin‐ zuzufügen: Durch „schlechte“ Übersetzungen (mehr wohl noch durch Nicht-Übersetzung) kann das „kulturelle Ansehen“ eines Landes im Ausland beschädigt werden. Schon das Auszählen der Wörter in folgendem Beispiel zeigt, dass die schwedische Übersetzung von Hermann Hesses „Steppenwolf “ kaum den‐ selben Inhalt vermitteln kann wie das deutsche Original oder wie die eng‐ lische Übersetzung: Beispiel II.4.-1 a. Noch ehe die Besichtigung der beiden Räume und die andern Ver‐ a. handlungen beendet waren, war meine Mittagszeit abgelaufen, und ich mußte in mein Geschäft gehen. (H. Hesse, „Der Steppenwolf “, 7) = 24 Wörter 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 325 <?page no="326"?> b. Min middagsrast var emellertid till ända, og jag måste gå till mitt b. arbete. (‚Meine Mittagspause war jedoch zu Ende, und ich musste zur Arbeit gehen.‘) (H. Hesse, „Stäppvargen“, 11) = 13 Wörter c. Before both rooms were inspected and the arrangements settled, my c. luncheon hour was over and I had to go back to business. (H. Hesse, „Steppenwolf “, 5) = 22 Wörter Es ist allerdings zu bezweifeln, ob der schwedische Leser bei dieser Textstelle überhaupt etwas „vermisst“, wenn er die stark verkürzte Version liest. Anders bei Sachtexten: Unterstellen wir, dass diese Sachwissen und Hand‐ lungsanweisungen vermitteln, die im gesellschaftlichen Zusammenhang oder in unserer Lebenspraxis notwendig oder bedeutungsvoll sind, so haben Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an der Sachkommunikation, richtiges, un‐ genaues oder falsches Verstehen soziale Folgen. Dabei kann es sich auch um praktische Folgen handeln, wenn wir beispielsweise an Bedienungsanlei‐ tungen denken. Man vergleiche dazu folgende Stelle aus einer mehrspra‐ chigen Gebrauchsanweisung für einen Kaffeeautomaten: Beispiel II.4.-2 a. La kaffetrakteren gå to omganger kun med vann før De tar den i a. bruk første gang. b. Lassen Sie beim ersten Durchgang nur Wasser durchlaufen. b. c. Kør maskinen igennem to gange med koldt vand inden De brygger c. kaffe første gang. d. Laat de koffiezetter eerst twee keer alleen met water werken. d. Praktische Folge: Während der Norweger, der Däne und der Holländer den Kaffeeautomaten vor dem ersten Gebrauch zweimal mit Wasser allein in Betrieb setzen, kann sich der Deutsche mit einem Durchgang begnügen … Gravierender ist folgender Fall: In der Gebrauchsanweisung für einen in Schweden hergestellten Snow Racer heißt es in einem Abschnitt mit der Überschrift VARNING: 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 326 <?page no="327"?> Beispiel II.4.-3 a. VARNING - LÄS DETTA FÖRST a. Snow Racern är svårare att styra vid höga hastigheter och om man åker två på den. b. CAUTION - READ THIS FIRST b. Remember that the greater the speed the harder the Snow Racer is to steer - and that also applies when it is carrying two people. c. ACHTUNG - VOR GEBRAUCH LESEN c. Der Snow Racer lässt sich schwerer lenken bei Mehrbelastung und bei höherer Geschwindigkeit. d. ATTENTION - LISEZ D’ABORD CESI [sic] d. Le Snow Racer est plus difficile à conduire à grande vitesse et quand on s’y met à deux. Während also der schwedische, englische und französische Leser der Ge‐ brauchsanweisung genau erfahren, was gefährlich ist (wenn nämlich zwei Personen auf dem Rennschlitten fahren), ist in der deutschen Übersetzung von Mehrbelastung die Rede. Das aber ist ein ganz unbestimmter Begriff, besonders wenn man sich vor Augen hält, dass (laut Gebrauchsanweisung) die Benutzer dieses Schlittens Kinder ab sieben Jahren sind. 4.1.2 Das Kriterium der Fiktionalität Der Fiktivtext stellt seine Welt, seine Wirklichkeit im Text und durch den Text selbst her, bzw. der Leser konstruiert diese Wirklichkeit im Leseprozess; der Fiktivtext zeichnet sich durch „immanente Sinnhaftigkeit“ aus ( J. An‐ deregg 1973: 96). Übereinstimmungen mit lebenden oder toten Personen, mit realen historisch-gesellschaftlichen Zuständen oder geographischen Gege‐ benheiten können aber vorliegen; deshalb die Warnungen von Autoren fik‐ tiver Texte, deren „Wirklichkeit“ nicht mit der Wirklichkeit zu verwechseln. So schreibt Robert Barnard in einer „Author’s Note“ zu seinem Kriminalro‐ man „Death in a Cold Climate“ (1980): Setting a book in a real town always involves the danger that the reader will assume that the characters as well as the topography are based on reality. I should like to insist, therefore, with even more force than usual, that though I have re‐ 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 327 <?page no="328"?> mained fairly faithful to the geographical facts in depicting Tromsø, the charac‐ ters are entirely fictitious: the policemen are not Tromsø policemen, the students are not Tromsø students, and above all the Professor of English is not Tromsø’s Professor of English. Beispiel II.4.-4 Die R. K. Narayans „Malgudi Days“ beigelegte Skizze der Ortschaft Mal‐ gudi könnte uns helfen, den Weg von der Malgudi Railroad Station zu Old East India Co. zu finden, wenn wir mit der Eisenbahn in Malgudi ankommen. Nur: Malgudi ist, wie Narayan in „Author’s Introduction“ ausführt, „imaginary and not to be found on any map“. Zugleich weist Narayan auf die Universalität seines Malgudi hin: „If I explain that Mal‐ gudi is a small town in South India I shall only be expressing a half-truth, for the characteristics of Malgudi seem to me universal. I can detect Malgudi characters even in New York: for instance, West Twenty-third Street, where I have lived for months at a time off and on since 1959, possesses every element of Malgudi, with its landmarks and humanity remaining unchanged […].“ Außerdem schafft die Einbildungskraft der Dichter Wirklichkeiten, die oft höchst authentisch wirken: „Genau so muss Wallenstein gesprochen haben“ (Schillers „Wallenstein“), „Genau so muss es im Land der Liliputaner ausge‐ sehen haben“ (Swifts „Gulliver’s Travels“). Aber diesen vom literarischen Text hergestellten Wirklichkeiten steht der Leser auf andere Weise gegen‐ über als den Inhalten von Sachtexten, die erst dadurch sinnvoll werden, dass sie sich auf Gegenstände und Sachverhalte außerhalb des Textes beziehen, mit anderen Worten, dass sie überprüfbar (verifizierbar) sind. Einem Sacht‐ ext kann bekanntlich nichts Schlimmeres widerfahren, als wenn man ihm vorwerfen muss, einer solchen Überprüfung mit der Wirklichkeit nicht standzuhalten, d. h. Wirklichkeiten zu beschreiben, die außerhalb des Textes gar nicht existieren: Entlarvung des Sachtextes als Fiktivtext. Aber selbst wenn die Wirklichkeiten, die der Fiktivtext beschreibt, zu‐ gleich ihre realen Entsprechungen haben, verhält sich der Übersetzer ihnen gegenüber anders. Der Sachtextübersetzer, der eine „Diskrepanz zwischen Text und Realität“ (P. A. Schmitt 1999: 83 ff.) feststellt, fühlt sich im Allge‐ 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 328 <?page no="329"?> 103 E. Fleischmann/ P. A. Schmitt (2004: 537) merken dazu an: „Eine rechtliche Verpflich‐ tung, AT [Ausgangstext]-Defekte zu erkennen und im ZT [Zieltext] zu beheben, besteht für Übersetzer zwar nicht, doch verbietet schon das Handlungsziel, einen zweckge‐ rechten ZT zu produzieren, eine Übernahme von AT-Mängeln in den ZT.“ 104 Dies wäre kein übersetzungsrelevanter Kommentar, sondern ein philologischer Text‐ kommentar. Darum handelt es sich bei H. Binders „Kafka-Kommentar“ (1976) zu „Der Verschollene (Amerika)“, dem der Hinweis auf die betreffende Textstelle zu verdanken ist. meinen verpflichtet, den Text zu korrigieren. 103 Nicht so (jedenfalls nicht so ohne Weiteres) beim literarischen Text: Die Freiheitsstatue, die der Held von Franz Kafkas „Amerika“ zu Gesicht bekommt, hält ein Schwert in der Hand - in der realen Welt ist es eine Fackel (s. o., II.2.4). Der kompetente Übersetzer wird diese Diskrepanz kaum korrigieren, und er wird sie in der Regel auch nicht kommentieren. 104 In Adelbert von Chamissos Peter Schlemihl findet sich folgende Textstelle: Ich verfolgte durch beide Amerika die Bergkette, die die höchsten bekannten Unebenheiten unserer Kugel in sich faßt. Die Übersetzer gehen mit der Tat‐ sache, dass zu der Zeit, als Chamisso seine Erzählung schrieb, die Berge des Himalaya noch nicht als die höchsten der Welt galten, unterschiedlich um, wie etwa die dänische oder die englisch-amerikanische Übersetzung zeigen: saa gik jeg videre langs den lange Bjergkæde, der strekker sig gennem baade Nordog Sydamerika. Det er nogle af de højeste Bjerge paa vor Klode (‚Das sind einige der höchsten Berge auf unserer Erdkugel.‘); I followed in both the Americas the vast chain of the Andes, once considered the loftiest on our globe (s. dazu K. B. Henjum 2013: 286 f.). Beispiel II.4.-5 In Thomas Manns „Lotte in Weimar“ wird an einer Stelle Miss Cuzzle als „Angelsächsin“ bezeichnet. In der englischen Übersetzung wird dies als Irishwoman wiedergegeben. In einem Abschnitt über „Zielsprachli‐ cher Empfängerbezug“ bemerkt J. C. Guess (1977: 175): An dieser Stelle ist auch Lowe-Porters Verbesserung eines kulturellen ‚Schnitzers‘ von Thomas Mann zu erwähnen, der vielleicht für deutschsprachige Leser relativ unwichtig ist, aber in der englisch‐ sprachigen Welt die Gemüter erhitzen könnte. Es handelt sich näm‐ 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 329 <?page no="330"?> lich um seine Bezeichnung der reisenden Irin Miss Cuzzle als ‚An‐ gelsächsin‘, was unbedingt in ‚Irishwoman‘ geändert werden musste. Das ist nun allerdings wenig überzeugend, führt doch Thomas Mann einige Seiten vorher Miss Cuzzle als „englische Dame“ ein, um dies we‐ nig später zu präzisieren: „Eigentlich war sie Irin.“ Es liegt also keines‐ wegs ein „kultureller Schnitzer“ Thomas Manns vor, wohl aber eine den Leser bevormundende „Verbesserung“ des Originaltextes durch die Übersetzerin (Leserunterschätzung). Die unterschiedlichen Rezeptionserwartungen bei Fiktiv- und bei Sachtex‐ ten lassen sich an einem Beispiel aus dem Roman „örtlich betäubt“ von Günter Grass veranschaulichen. Der Protagonist muss eine langwierige Zahnbehandlung über sich ergehen lassen, die in allen Einzelheiten unter Verwendung der entsprechenden Fachtermini geschildert wird: Beispiel II.4.-6 a. Statt dessen plapperte es in meinem rückwärtigen Gebiet: „… echter a. Tiefbiss mit mesialer Ruhelage … Aktivierung der schiefen Ebene durch Beschleifen der Occlusalflächen … Extraktion von 4 plus 4 … offener Biss vorn … Kreuzbiss seitlich … palatinale Nonocclusion … echte Progenie …“ (83) b. Instead there was this babbling behind me: „… true overbite with b. Class 2 malocclusion … Correct plane by grinding occlusal surfaces … Extraction of the first bicuspids … Open bite front … cross bite on the side … anterior inocclusion … true prognathism …“ (G. Grass, „Local Anaesthetic“, 119 f.) c. I stället hördes det lågmälda rabblandet i bakgrunden: „… normalt c. djupbett i mesialläge … Aktivering av ojämnheter genom nedslip‐ ning av cuspor … Extraktion av 4 plus 4 … öppet bett framtill … korsbett sida … palatinal nonocklusion … äkta progenie …“ (G. Grass, „Lokalbedövad“, 100) 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 330 <?page no="331"?> 105 H.-R. Fluck (1997: 260) stellt die Verbindung her zwischen der Forderung nach inhaltli‐ cher Invarianz und dem bei mir an erster Stelle angeführten Kriterium praktische Fol‐ gen: „Begeht der technische Übersetzer Fehler, können dadurch erhebliche Kosten oder Konsequenzen hervorgerufen werden. Daher ist das Prinzip der inhaltlichen Invarianz bei der Fachübersetzung unbedingt zu befolgen.“ Interessieren wir uns als Leser solcher Textstellen dafür, ob die geschil‐ derten zahnheilkundlichen Sachverhalte mit tatsächlichen odontologischen Befunden übereinstimmen? Lesen wir diese Textstellen überhaupt im Hin‐ blick auf ihren konkreten Informationsgehalt? Es dürfte dem Leser viel we‐ niger darauf ankommen, was beschrieben wird, als dass und wie es beschrie‐ ben wird. Entscheidend sind die Information ‚komplizierter odontologischer Befund‘ und die Konnotation [+ zahnheilkundliche Fachsprache]. In der Hierarchie der in der Übersetzung zu erhaltenden Werte (s. o., II.3.8) steht diese Konnotation an oberster Stelle. Damit soll keineswegs gesagt sein, dass es nicht auch auf möglichst genaue inhaltliche Wiedergabe an‐ kommt. Aber wenn wir von der Annahme ausgehen, dass der Übersetzer vor der Wahl steht, die Information (Denotation) zu vermitteln oder die Kon‐ notation, dann dürften starke Gründe für die Priorität der Konnotation vor‐ liegen, unter Umständen auf Kosten der Genauigkeit der Informationswie‐ dergabe. Von der Übersetzung von Sachtexten, die mit dem Anspruch auftreten, Gegenstände und Sachverhalte außerhalb des Textes zu erfassen und zu vermitteln, verlangen wir dagegen, dass die Inhalte des Originals unverändert in der ZS vermittelt werden. 105 4.1.3 Das Kriterium der Ästhetizität Literarische Texte werden unter ästhetischem Aspekt rezipiert. Das bedeu‐ tet, dass man sie auf der Basis der individuellen „ästhetischen Kompetenz“ (S. J. Schmidt 1972: 65) auf sprachlich-stilistische und ästhetische Normen bezieht, die sich literatur- und literatursprachgeschichtlich herausgebildet haben. Selbst (oder gerade) die fachsprachlichen Elemente in Günter Grass’ „örtlich betäubt“ werden in der ästhetischen Kommunikation als künstle‐ risch absichtsvoll eingesetzte Stilmittel wahrgenommen. Besonders auffällig ist der ästhetische Charakter literarischer Texte dort, wo literatursprachliche Normen durchbrochen werden: bei „abweichenden“ und literarisch innova‐ tiven Texten. 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 331 <?page no="332"?> Man vergleiche die folgende Textstelle aus James Joyce’s „Ulysses“ mit den Versuchen Hans Wollschlägers (1979) und Georg Goyerts (1956), Sprach‐ experimente nachzuvollziehen (s. dazu H. Versteegen 1988): Beispiel II.4-7 When? Going to a dark bed there was a square round Sinbad the Sailor roc’s auk’s egg in the night of the bed of all the auks of the rocs of Darkinbad the Brightdayler. Where? (658) Wann? Es begab sich zu finsterem Bette ein vierschrötig rundes Sinnbad des Sehfragers Rock Alkes Ei in der Nacht des Bettes der Alke aller der Rocke von Finstbatt dem Helltagler. Wohin? (Übersetzung von H. Wollschläger, 938 f.) Wann? Auf das dunkle Bett zu kam ein viereckiges rundes Sindbad des Seefah‐ rers Rocks Alks Ei ins Dunkel des Bettes aller Alken der Rocks des Dun‐ kelindbad des Hellichtfahrers. Wohin? (Übersetzung von G. Goyert, 760) In einem Sachtext dagegen wird abweichender Sprachgebrauch kaum mit dem Hinweis auf dessen Ästhetizität „entschuldigt“. So sind Fehler, wie man sie etwa in Broschüren findet, in denen sich Wirtschaftsbetriebe oder Städte/ Regionen als Wirtschaftsstandorte präsentieren, manchmal mehr als pein‐ lich. Eine Broschüre der Stadt Bergen („BERGEN - DIE ÖLSTADT“) enthält u. a. folgende Passagen: 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 332 <?page no="333"?> Beispiel II.4.-8 Und wer kennt nicht die touristischen Broschüren, deren sprachlich-stilis‐ tische Schnitzer, unbeholfen und unfreiwillig komisch wie sie sind, für Ge‐ sprächs- und Lachstoff sorgen. Zur Ästhetizität ist auch die latente oder manifeste Vieldeutigkeit lite‐ rarischer Texte zu rechnen, die sich aus deren „Unbestimmtheitsstellen“ 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 333 <?page no="334"?> und „Leerstellen“ ergibt, die vom Leser unterschiedlich gefüllt oder aber auch offen gelassen werden (W. Iser 1976). Diese Vieldeutigkeit und Mehr‐ schichtigkeit fiktiver Texte entsteht nicht zuletzt dadurch, dass mit der Spra‐ che auf syntagmatischer und paradigmatischer Ebene gespielt wird. Sprach‐ liche Formen werden spielerisch miteinander verknüpft und vertauscht (s. o., II.3.7.3.); dadurch können sich neue oder mindestens ungewohnte in‐ haltliche Zusammenhänge ergeben. Man vergleiche dazu einen Abschnitt aus Gerold Späths „Sindbadland“ (1984): Beispiel II.4-9 Der fleißige Landmann In der Heide durch den Morgentau gestiefelt, da gräbt ein scheuer Mann im Sand, sieben Tage machen ihm noch lange keine Woche, mag auch das Volk um ihn herum schon nach kläglichen täglichen sieben acht Stunden mehr als gnug han, was ein müdes Gesocks! er stellt sich vor, wie die Militärtrottel, welch Wort ein Pleonasmus, von Triest bis Danzig einen sogenannten Bombenteppich ausrollen, das wäre, wie er weiß dass man’s im Alpenland nennt, ein Läufer im Korridor, Muster unsichtbar aus tödlichem Gestrahle, und es gibt noch einen zweiten, doppelt gerie‐ gelt macht militärlogischerweise besser alles kaputt, Läufer zwo liegt weiter westlich, streckt sich von dort wo Marseille war bis dort wo ein‐ mal Rotterdam, auf dieser Strecke hätt’s beinah mal ein karlkühnes Mit‐ telreich gegeben, der Mann spricht Schnellfeuerstakkato, sozusagen alle wären nun doot, selbstverständlich, nur ich nicht hier allein, sagt er, im Umfeld von ner lütten Kilomeile, und alle acht Jahre vielleicht mal für paar Monate eine nicht zu dumme, nicht zu zickige Menschin, eine im Freiland zwischen und hinter Korridoren und anderm Strahlengeflecke nomadisierende Metzin, aber sonst: endlich alleine! endlich mondgroße Einsamkeit! ich und die Gedanken! Waldrand und Wolken! er zieht einen aus dem Flachmann und schnalzt, bei der Arbeit spuckt der gute Bauer nicht in die Hände, er fährt nur immer mal wieder mit der Hand über seine schweißglänzende Stirn und ist weiter fleißig. (56 f.) Da ist von einem Bombenteppich die Rede, der dadurch zum Teppich wie bei jedem zuhause wird, weil ihn Militärtrottel ausrollen, und zwar in einem Korridor. Damit ist der geopolitische Begriff und zugleich der Wohnungs‐ 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 334 <?page no="335"?> 106 Wie in der norwegischen Übersetzung, wo es heißt „ute på heiene“ ‚draußen auf der Heide‘. korridor gemeint, indem Teppich als Läufer im Text synonymisch wieder aufgenommen wird. Die Übersetzung dieser Mehrdeutigkeiten beispiels‐ weise ins Norwegische stellt allerdings kein Problem dar, weil die entspre‐ chenden norwegischen Ausdrücke dieselbe Struktur aufweisen wie die deut‐ schen. Doch erst der Autor selbst wies in einem Gespräch auf die eigentliche Schwierigkeit dieses Textes hin, die nicht im sprachlichen Bereich liegt: Es handelt sich bei diesem Abschnitt um eine Hommage an Arno Schmidt. So‐ bald man das weiß, fällt es (jedenfalls dem Arno Schmidt-Kenner) wie Schuppen von den Augen: Da ist der „scheue Mann“, der „Schnellfeuerstak‐ kato“ spricht, da ist der „Flachmann“, da sind die plattdeutschen Wörter - und da sind die Sprachspielereien. Und da sind, ganz in Schmidtscher Manier, die Anspielungen auf andere Werke: die atomar verseuchte Erde in „Kaff auch Mare Crisium“ (1960) und der ABC-Krieg, wie er im dritten Teil („Schwarze Spiegel“) der Romantrilogie „Nobodaddy’s Kinder“ geschildert wird. Hier taucht auch die „Menschin“ des Späth-Textes auf, die für einige Zeit bei dem Mann lebt, der als einer der letzten den Krieg überlebt und in der Lüneburger Heide eine Hütte gebaut hat. Dieses Wissen um den Bezug auf Arno Schmidt hat nun allerdings auch übersetzungspraktische Folgen: Die Heide der ersten Zeile des Späth-Textes ist bei diesen Wissensvoraus‐ setzungen nicht mehr irgendeine Heidelandschaft, 106 sondern konkret die Lüneburger Heide. Es muss allerdings unterschieden werden zwischen ästhetisch wirksamen (oder jedenfalls intendierten) und ästhetisch unwirksamen (zufälligen) Mehrdeutigkeiten; eine Unterscheidung, die im Einzelfall nicht immer ein‐ fach ist, für die Übersetzung aber Konsequenzen hat. Die Mehrheit der lexi‐ kalischen und grammatischen Mehrdeutigkeiten, wie sie in I.9.1 behandelt worden sind, stellen keine übersetzungsrelevanten Mehrdeutigkeiten dar; dazu werden sie erst, wenn ganz spezifische Kotext-/ Kontextmerkmale vorliegen (z. B. im Kontext eines Witzes). (Anders verhält es sich bei den in II.3.7.3. angeführten Mehrdeutigkeiten, die in einem sprachspielerischen Kotext stehen.) 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 335 <?page no="336"?> 107 S. dazu die Studie von H. Kittel (1990), die von der Frage ausgeht: „How will a translator cope with a narrative device such as grammatically and syntactically marked free in‐ direct discourse [erlebte Rede] in the first person, which has not yet been described by grammarians, and which has no established precedents in the source literature or in the target literature? “ Beispiel II.4-10 In Günter Grass’ „örtlich betäubt“ findet sich folgender Dialog: ‚Ein Hund ist nicht zum Verbrennen da.‘ ‚Menschen auch nicht.‘ ‚Zu‐ gegeben. Aber warum ein Hund? ‘ ‚Weil die Berliner Hunde am meis‐ ten lieben.‘ (93) Natürlich ist hier von der Hundeliebe der Berliner die Rede - und nicht von der Liebespotenz der Hunde in Berlin. Weil es sich um keine über‐ setzungsrelevante Mehrdeutigkeit handelt, wird es dem norwegischen Übersetzer leicht fallen, sich für die Fassung mit den Hunde liebenden Berlinern („Fordi berlinerne elsker hunder mest“) und nicht für „Fordi hundene i Berlin elsker mest“ (‚Weil die Hunde in Berlin am meisten lieben‘) zu entscheiden. Von der literarischen Übersetzung erwarten wir, dass sie die ästheti‐ schen Qualitäten des Originaltextes in der Übersetzung so weit wie möglich erhält; sei es durch Verwendung entsprechender literatursprach‐ licher Mittel in der ZS, sei es durch Nach- oder Neuschöpfung. 107 Und wir erwarten von der „guten“ Übersetzung - als utopisches Ziel -, dass sie dem Charakter der Vieldeutigkeit und Unbestimmtheit Rechnung trägt, dass sie also gegenüber der kreativen Verstehensleistung des Lesers ebenso offen ist wie der Originaltext gegenüber dem Originalleser. Gerade bei der sprachspielerischen Ausnützung des Mehrdeutigkeitspo‐ tentials der Sprache stößt die Übersetzung immer wieder an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Das Mittel des Kommentars ist dabei nur sehr be‐ schränkt anwendbar, wenn die „Literarizität“ des Textes erhalten bleiben soll. Hart ins Gericht mit den „Literalisten“ unter den Übersetzern geht E. Seidensticker (1989: 142 f.): „He faces puns and honorifics with grim deter‐ mination, he annotates as he translates, he spares himself none of the pro‐ 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 336 <?page no="337"?> blems - except the problem of what is to be done about the literary quality of the original.“ Anders verhält es sich mit der Sachkommunikation: Wir erwarten bei ihr, dass sich der Informationsgehalt mit möglichst geringem sprachlich-sti‐ listischem Verstehensaufwand dem Text entnehmen lässt (s. dazu E. A. Nida 1976: 74). Für die Übersetzung bedeutet das, dass sie sich im Rahmen oft ein‐ geschränkter und spezialisierter Sprach- und Textnormen bewegen muss und dass sie, anders als bei literarischen Texten, nur die usuell für die be‐ treffende Textkategorie gültigen Ausdrucksmöglichkeiten ausnützen sollte. Für die Sachtextübersetzung gilt die Forderung nach sprachlich-sti‐ listischer Adäquatheit, die sich erstens auf grammatische Korrektheit und zweitens auf die Einhaltung der für die betreffenden Texte gel‐ tenden sprachlich-stilistischen Gebrauchsnormen bezieht. Sachtexte sind (oder sie sollten es jedenfalls sein) auf sprachlich-stilis‐ tische und inhaltliche Eindeutigkeit hin angelegt, um zu gewährleisten, dass die Gegenstände und Sachverhalte, um die es in den betreffenden Tex‐ ten geht, für den Leser eindeutig erfassbar gemacht werden. Unbestimmt‐ heiten, Mehrdeutigkeiten und Leerstellen sind höchst unerwünscht. Nach H.-R. Fluck (1997: 265) können „Sachbezogenheit, Eindeutigkeit, Klarheit, Effizienz und Ökonomie“ in der naturwissenschaftlich-technischen Fach‐ sprache als „Universalien“ gelten. Allerdings sind viele Sachtexte in sprachlich-stilistischer und inhaltlicher Hinsicht alles andere als eindeutig, klar, effizient und ökonomisch. Nach E. Fleischmann/ P. A. Schmitt (2004: 537) sind Texte, die unter hohem Zeitdruck entstehen, „besonders anfällig“ für Defekte, und dies treffe für viele Fach‐ texte zu. Um solche „schlechten“ Texte übersetzen zu können, muss der Übersetzer (selbst im Idealfall, dass er mit dem Verfasser, d. h. dem Fach‐ mann, zusammenarbeiten kann) über ein gewisses Maß an Sachwissen ver‐ fügen. Die „Verbesserung“ von AS-Sachtexten in der Übersetzung dürfte da‐ bei nicht einmal der Ausnahmefall sein. Hier liegt ein entscheidender Unterschied zwischen Fiktiv- und Sachtexten; die Eigenschaft der „Ganzheit des literarischen Textes“ - man kann auch von dessen (relativer) Autonomie sprechen - macht es aus, dass man als Übersetzer (wie auch als Herausgeber) sehr gute Gründe haben muss, wenn man eine Originalvorlage „verbes‐ sern“ zu müssen glaubt. Bei Sachtexten dagegen sind bearbeitende (d. h. textproduzierende) Eingriffe oft unerlässlich, wenn die Übersetzung als Übersetzung tatsächlich fungieren, mit anderen Worten: brauchbar sein soll für den Auftraggeber und den Benutzer der Übersetzung (s. o., II.4.1.2). 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 337 <?page no="338"?> 108 Wenn K. Reiß/ H. J. Vermeer (1984: 26) schreiben: „Den Translator (als Translator) in‐ teressieren weder objektive Realität noch Wahrheitswerte“, so sieht das in der Über‐ setzungswirklichkeit (nicht zuletzt aus der Sicht der Auftraggeber) bei Sachtextüber‐ setzungen anders aus. Der Übersetzer muss sich für Realitäten und Wahrheitswerte seiner Übersetzungsvorlagen interessieren, denn nur dann kann er sachliche Fehler des Originaltextes in der Übersetzung korrigieren. Dabei zeigt sich auch, dass bei vielen Sachtexten keineswegs der Text die „primäre Translationseinheit“ (K. Reiß/ H. J.Ver‐ meer 1984: 30) ist, sondern das Fachwort, insofern man primäre Übersetzungseinheit versteht als primäre übersetzungsrelevante Einheit. Von der Übersetzung eines Sachtextes erwarten wir, dass die Eindeutig‐ keit des Originaltextes in der ZS gewahrt bleibt, indem etwa im Bereich der Terminologie die standardisierten ZS-Entsprechungen verwendet werden. Und dort, wo der AS-Text unklar oder missverständlich ist, erwarten wir vom Übersetzer, dass er aufgrund seines Sachwissens den AS-Text in der ZS „verbessert“. 108 4.1.4 Intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Bedeutungen Intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Bedeutungen und da‐ mit verbundene Übersetzungsprobleme haben in Fiktivtexten in der Regel ein anderes Gewicht als in Sachtexten. Während aber die 3 oben behandelten Kriterien einen qualitativen Unterschied zwischen Fiktiv- und Sachtexten begründen, handelt es sich bei diesen Bedeutungskomponenten um Unter‐ scheidungskriterien gradueller Art. Intralinguistische Bedeutungen liegen vor, wenn zwischen sprachli‐ chen Einheiten bestehende Beziehungen bedeutungstragend sind, etwa als sprachliche Assoziationen, die sich aufgrund phonetischer, graphemati‐ scher, morphologischer und lexikalischer Ähnlichkeiten ergeben. Beispiele für die Ausnützung dieser intralinguistischen Bedeutungen bieten die in Beispiel II.3.-26 angeführte Nietzsche-Stelle, bei der es um die formale Ähn‐ lichkeit zwischen Versuch, Versuchung und Versucher geht, und Beispiel II.4-9 (den Bombenteppich ausrollen). Geht man von R. Jakobsons (1960) Sprachfunktionen aus, so handelt es sich bei den intralinguistischen Bedeutungen um die poetische und die metasprachliche Sprachfunktion. Die poetische Sprachfunktion ist da‐ durch gekennzeichnet, dass die syntagmatischen Beziehungen zwischen Sprachzeichen den Vorrang haben vor dem Bezug der sprachlichen Zeichen 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 338 <?page no="339"?> 109 W. A. Mozart, „Don Giovanni“, München 1981. 110 „Neue wörtliche deutsche Übersetzung von Karl Dietrich Gräwe“, in: W. A. Mozart, „Don Giovanni“, Hamburg 1981. auf außersprachliche Gegenstände und Sachverhalte. Dies wirkt sich bei der Übersetzung dahingehend aus, dass die Wahrung poetischer Eigenschaften häufig nur unter Veränderung des Denotats möglich ist. Ein Beispiel dafür sind die Übersetzungen einer Stelle aus der 5. Szene des 1. Aktes von Mozarts „Don Giovanni“: Beispiel II.4-11 Giovanni (piano a Leporello) Udisti? qualche bella Dal vago abbandonata. Poverina! Cerchiamo di consolare il suo tormento. Leporello (Così ne consolò milleottocento.) In einer deutschen Übersetzung, die den Reim bewahrt, verringert der Übersetzer die Zahl der von Don Giovanni „getrösteten“ Frauen von 1800 auf 1000: 109 G.: Komm lass uns, sie zu trösten, näher gehen! L.: So hab’ ich ihn schon Tausend trösten sehen. In den „wortgetreuen“ deutschen und englischen Übersetzungen bleibt es dagegen bei 1800, allerdings auf Kosten des Reims: 110 G.: Versuchen wir, sie in ihrer Qual zu trösten L.: (So tröstete er ihrer tausendachthundert.) G.: Let’s attempt to console her in her sorrow. L.: (As he’s consoled some eighteen hundred.) Das folgende Beispiel zeigt, wie sich in der Übersetzung eine intralinguisti‐ sche Bedeutung ergeben kann, die im Originaltext nicht vorliegt. Es geht dabei um die Erscheinung der sprachlichen Assoziation, die aufgrund pho‐ netischer Ähnlichkeit zustande kommt: 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 339 <?page no="340"?> 111 S. dazu die ausführliche Analyse in W. Koller (1988). Beispiel II.4.-12 Im Zusammenhang mit der Aufführung von „Die Frau vom Meer“ unter Direktor Anno am Lessingtheater in Berlin schreibt Ibsen an Julius Hof‐ fory (14. 2. 1889): Herr Anno wünscht also, dass auf dem Plakat und bei der Aufführung der in Deutschland ungebräuchliche Name Bolette mit „Babette“ oder einem andern Mädchennamen ersetzt wird. Da mein Stück ja nicht in Deutschland spielt [„Schauplatz der Handlung ist ein kleiner, an ei‐ nem Fjord im nördlichen Norwegen gelegener Ort“], so kann wahr‐ scheinlich der von ihm angeführte Grund kaum sein einziger oder wichtigster sein. Ich vermute, dass er noch einen anderen Grund hat, und ich komme seinem Wunsch deshalb gerne entgegen. Babette kann also statt Bolette eingesetzt werden, - vorausgesetzt natürlich, dass Arnholms Bemerkung, der Name sei unschön, dem deutschen Zuhörer nicht unerklärlich vorkommt. Dazu kann ich ja keine feste Meinung haben; ich verlasse mich also diesbezüglich ganz auf Sie. (Unsere Übersetzung) Welches dieser „andere Grund“ ist, liegt auf der Hand: Beim Namen Bo‐ lette (das norw. o wird wie dt. u ausgesprochen) assoziiert man den Aus‐ druck Bulette ‚Frikadelle‘. - Wenn Ibsen auf die Bemerkung Arnholms hinweist, der Name Bolette sei unschön, so ist damit zugleich die kon‐ notative Dimension der stilistischen Wirkung genannt. Es handelt sich um folgende Stelle aus dem 2. Akt: „Bolette […] Ich weiß noch genau, wie ich einmal bittere Tränen vergoss, weil er [Oberlehrer Arnholm] gesagt hatte, er fände, Bolette sei ein hässlicher Name.“ (Übersetzung von H. E. Gerlach). Diese Übersetzung zeigt zugleich, dass sich der Übersetzer nicht um die unerwünschte intralinguistische Bedeutung des Namens Bolette kümmert. Zu den intralinguistischen Bedeutungen rechnen wir auch die intratextu‐ elle Bedeutung, die sich durch strukturelle oder thematische Bezüge im selben Text ergibt, wie sie etwa in folgendem Beispiel vorliegen: 111 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 340 <?page no="341"?> Beispiel II.4.-13 In Henrik Ibsens „Vildanden“ („Die Wildente“) wird der alte Werle zu Beginn des ersten Aktes von einem Diener folgendermaßen charakte‐ risiert: Han har nok vær’t en svær buk i sine dage. Am Ende dieses Aktes wendet sich Werles Sohn mit folgenden Worten an seinen Vater: Se, far, - der leger kammerherrerne blindebuk med fru Sørby. In der deutschen Übersetzung von H. E. Gerlach lesen sich die beiden Stellen folgender‐ maßen: Denn früher, da ist er ja mächtig hinter den Weibern hergewesen und Sieh doch, Vater - da spielen die Kammerherren Blindekuh mit Frau Sörby. Im norwegischen Original bilden die beiden Repliken auf kunst- und sinnvolle Weise eine Klammer. Dies betrifft sowohl die formale Ebene, indem der Ausdruck buk (‚Bock‘) wiederholt wird, als auch die inhaltliche Ebene: Der alte Werle wird als Bock charakterisiert (mit der sexuellen Komponente); blindebukk (‚blinder Bock‘) weist auf das für das Stück zentrale Motiv der Blindheit, des Verlusts des Augenlichts; und das Blindekuh- (d. h. ‚Blindebock‘-)Spielen der Kammerherren mit Frau Sørby hat einen stark erotischen Unterton. Zugleich muss der Aus‐ druck buk im Kontext der Tiermetaphorik in Ibsens Werk gesehen wer‐ den. Wie aber soll der Übersetzer diesen Zusammenhang in die ZS ret‐ ten, wo es im Deutschen nun einmal heißt BlindeKUH spielen? Natürlich bietet sich auch hier der Sprung in den Kommentar, in Fußnote oder Anmerkung als letzten Ausweg aus der Übersetzungsnot an. Aber ge‐ rade in einem Bühnentext ist dies kaum ein gangbarer Ausweg. Und selbst wenn der Text als Lesedrama herausgegeben wird, so schränkt ein Kommentar die interpretatorische Freiheit des Lesers ein, wozu auch die Freiheit gehört, die bukk-Klammer gar nicht (bewusst) zu realisieren. Soziokulturelle Bedeutungen sind spezifisch für Kulturen, Länder, soziale Gruppen oder Religionsgemeinschaften; sie sind mitgemeint, und ihre Kenntnis wird beim Leser/ Hörer vorausgesetzt. Sie sind zu sehen im Zu‐ sammenhang mit der Kulturspezifik der Übersetzung bzw. der Verankerung von Texten in einem bestimmten kommunikativen Zusammenhang (s. o., I.7.1). Soziokulturelle Bedeutungen spielen eine entscheidende Rolle in Bei‐ spiel II.3.-19 und in Beispiel II.1.-1. 4.1 Fiktiv- und Sachtexte und ihre Unterscheidungskriterien 341 <?page no="342"?> 112 Zu Namen als Übersetzungsproblem, s. P. Newmark (2004), A. F. Kelletat (1999). Beispiel II.4.-14 So sind für uns bestimmte soziokulturelle Bedeutungen mit dem Aus‐ druck (und der Sache) Hund verbunden. In Kindlers „Literaturlexikon“ heißt es zu Thomas Manns „Herr und Hund“: […] und es ist der Gipfel der heiteren Ironie dieser Erzählung, dass mit der Anwendung des Wortes ‚Humanität‘ auf die Beziehung des Herrn zu seinem Hund der höchste Begriff Thomas Mannschen Den‐ kens fällt. Wenn in Günter Grass’ „örtlich betäubt“ gegen den Vietnam-Krieg pro‐ testierende Schüler planen, auf dem Kurfürstendamm einen Hund zu verbrennen, so setzt dies beim Leser das (nord-)europäische Bild des Hundes voraus. Aus der Sicht eines Moslems ist dies, wie G. Rabassa (1989: 2) anmerkt, kulturspezifisch: […] the dog is considered a vile creature, worthy of a swift kick, while others, notably those of northern Europe, dote on him. Die Vermittlung von solchen soziokulturellen Bedeutungen ist (wenn über‐ haupt) oft nur in der Form von Kommentaren möglich, wie folgendes Bei‐ spiel zeigt: Beispiel II.4.-15 L. L. Albertsen (1978) diskutiert die Übersetzungsproblematik bei kon‐ notativ geladenen Namen in literarischen Texten: Stadtviertelbezeich‐ nungen haben oft soziale Konnotationen: Østerbro = Kopenhagener Stadtteil. Übersetzungsvariante a): das Kopenhagener Viertel Østerbro. Mit dem kommentierenden Zusatz Kopenhagener Viertel wird nur geo‐ graphische Angabe vermittelt. Übersetzungsvariante b): das vornehme Österbroviertel/ das vornehme Kopenhagener Viertel Østerbro. Im Zusatz vornehm wird die soziale Konnotation vermittelt. 112 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 342 <?page no="343"?> Intertextuelle Bedeutungen, die einen literarischen Text in die literari‐ sche Textwelt einbetten, ergeben sich durch unterschiedliche Techniken des (impliziten oder expliziten) inhaltlichen und formalen Anspielens auf andere (eigene oder fremde) Texte und Autoren (s. dazu B. Schultze 2004, A. Maj‐ kiewicz 2015). Beispiele dafür sind der oben behandelte Text von G. Späth (Beispiel II.4.-9, mit der Anspielung auf Arno Schmidt) und Beispiel II.3-20 (There is no business like shoe business). Wenn Friedrich Dürrenmatt (Beispiel II.2.-3) den Namen Kristin ersetzt durch Jenny, so wird dadurch eine inter‐ textuelle Bedeutung eingebaut, die sich durch den Bezug auf Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ ergibt. Dieser Verweis muss wiederum im Kontext von Dürrenmatts Erklärung gesehen werden, sein „Play Strindberg“ transfor‐ miere eine „bürgerliche Ehetragödie“ in eine „Komödie über bürgerliche Ehetragödien“. Die Wiedergabe intralinguistischer, soziokultureller und intertextueller Bedeutungen stellt den Übersetzer oft vor unlösbare Probleme. Hier könnte man von der Progressivität der Übersetzung sprechen: Jede teilweise geglückte, sich immer nur annähernde, tentative Lösung eines Übersetzungsproblems vermindert den Grad der Unübersetzbarkeit und ist ein Schritt auf dem Weg zur Utopie der vollkommenen Vermittlung des Originals, der (theoretisch wie praktisch unmöglichen) „idealen Übersetzung“. 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien Die übersetzungswissenschaftliche Relevanz der Unterscheidung der zwei Haupt-Textgattungen Fiktivtexte und Sachtexte wird dadurch untermauert, dass die ersten (wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden) Theorien von Textgattungen, deren Ausarbeitung in den Bereich der textbezogenen Übersetzungswissenschaft gehört (s. o., I.8.1), Theorien der literarischen und der naturwissenschaftlich-technischen Übersetzung sind. Zu nennen sind insbesondere R. Kloepfers (1967), J. Levýs (1969), R.-R. Wuthe‐ nows (1969) und R. de Beaugrandes (1978) Theorien der literarischen Über‐ setzung (s. auch F. Apel 1983, J. Albrecht 1998, N. Greiner 2004) und R.W. Jumpelts (1961), W. Hornungs u. a. (1974) und I. Pinchucks (1977) Theorien 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 343 <?page no="344"?> 113 Zu verschiedenen Textgattungen in übersetzungstheoretischer und -praktischer Per‐ spektive, s. die einschlägigen Beiträge in H. Kittel u. a., Hrsg. (2004, Kap. VII) und in M. Snell-Hornby u. a. Hrsg. (1999). Das Spektrum reicht von wissenschaftlich-techni‐ schen, geistes- und sozialwissenschaftlichen Texten und Gebrauchstexten über Wer‐ betexte, Operntexte, Dramen und schönliterarische Texte bis zu Comics und Kinder- und Jugendliteratur. 114 Eine große Zahl von Arbeiten zur literarischen Übersetzung spricht denn auch von der „Kunst der Übersetzung“. - Vgl. auch F. Schleiermachers Unterscheidung von Überset‐ zen und Dolmetschen, s. o., I.2.4. der Übersetzung wissenschaftlicher und technischer Literatur (s. auch P. A. Schmitt 1999). 113 Im Folgenden sollen Ansätze und zentrale Punkte der Un‐ tersuchungen von R. Kloepfer, J. Levý und R.W. Jumpelt vorgestellt werden; es sind dies übersetzungswissenschaftliche Pionierarbeiten, die in einer „Einführung in die Übersetzungswissenschaft“ gewürdigt werden müssen. 4.2.1 Literarische Übersetzung (Kloepfer und Levý) R. Kloepfer geht in seiner „Theorie der literarischen Übersetzung“ (1967) davon aus, dass die literarische Übersetzung mit ihrem im Gegensatz zur nicht-literarischen Übersetzung individuellen Gepräge einer eigenen Theo‐ rie bedarf, die sich eng an die Theorie der Dichtkunst und der Hermeneutik anschließen muss. Die Theorie der wissenschaftlichen, nicht-literarischen Übersetzung erwartet er dagegen von der strukturalistischen Sprachwis‐ senschaft und der Informationstheorie. Eine allgemeine linguistische Theo‐ rie des Übersetzens - wie sie etwa von G. Mounin (1963) vorgelegt wird - lehnt er ab, weil diese dem literarischen Sprachgebrauch nicht gerecht wer‐ den könne. In diesem Sinne sei zwischen dem Übersetzen als Kunst, das sich auf literarische Texte bezieht, und dem Dolmetschen, das sich auf den gesamten nicht-literarischen Bereich bezieht, zu unterscheiden. 114 Die Grundfragen des Übersetzens (und auch die Antworten darauf) sind nach R. Kloepfer im 18. und 19. Jahrhundert formuliert und gegeben worden: von D. Diderot und J. G. Hamann, von J.W. von Goethe, F. Schlei‐ ermacher und W. von Humboldt. Als „Grundformen der Übersetzungsthe‐ orie“ werden behandelt: ▸ Übersetzung aus göttlicher in menschliche Sprache ▸▸ primitive Wörtlichkeit (Interlinearversion) ▸▸ freie Übersetzung, ausgehend von Ciceros Aussage: „Ich übersetzte ▸ die Gedanken, ihre Formen, oder, wie man auch sagen kann, ihre Fi‐ 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 344 <?page no="345"?> guren, jedoch in eine Sprache, die unserer Gepflogenheit angemessen ist (verbis ad nostram consuetudinem aptis). Daher hatte ich nicht Wort für Wort wiederzugeben, vielmehr die allgemeine Stilart (genus) und die Bedeutung (vis) der fremden Wörter“ (zit. nach H. Friedrich 1965: 7) ▸ treue Übersetzung ▸ Der treuen Übersetzung - treu im Sinne der „zwiefachen Verantwortung dem Original und dem Leser gegenüber“ (16) - widmet R. Kloepfer am meis‐ ten Aufmerksamkeit; in historischer Perspektive wird die theoretische Aus‐ einandersetzung mit dem Übersetzen, wie wir sie bei Hieronymus und Lu‐ ther, in der italienischen Renaissance und im französischen Humanismus, in der Aufklärungszeit und im Zeitalter der „Wende zur modernen Überset‐ zungstheorie“ (18./ 19. Jahrhundert) finden, dargestellt. Zur „Übersetzungstheorie im 20. Jahrhundert“ bemerkt R. Kloepfer, dass sie sich meist im Rahmen einseitiger Fragen bewege; nur bei wenigen Au‐ toren könne man „eine echte Fortsetzung der klassischen Theorie feststel‐ len“ (56). Dabei werden u. a. die Arbeiten von B. Croce, R. Pannwitz, J. Ortega y Gasset, F. Rosenzweig, M. Buber, P. Valéry, insbesondere aber von W. Schadewaldt behandelt. Zentral für die literarische Übersetzungstheorie ist nach R. Kloepfer die Auseinandersetzung mit F. Schleiermachers Anti‐ these von Verfremden und Verdeutschen, die ihre Synthese in der „Mit‐ tellinie“ von W. Schadewaldts dokumentarischer Übersetzungsmethode fin‐ det: Zu dieser sich öffnenden Grenze oder Mittellinie hin, in dieses „Niemandsland“ muss sich der Übersetzer wagen. Seine Sprachwelt darf nicht irgendwie gegeben oder beliebig entwickelt sein, sondern muss im Ringen mit der Sprachwelt des Originals und nach deren Maßgabe im deutschen Wortlaut neu errichtet werden, gleichsam „ein ‚Griechisch‘ im Bereich der deutschen Zunge“. (75) R. Kloepfers Theorie der literarischen Übersetzung beschränkt sich letztlich auf die Diskussion der Übersetzungsmethode, die ein adäquates Wie‐ dergeben des sprachlichen Kunstwerkes in einer fremden Sprache erlaubt und ein möglichst genaues Verstehen des Fremden gewährleistet. Diese Zielsetzung zeigt sich besonders deutlich in den Analysen von Texten von Plautus, Dante und Rimbaud, in denen es um das Wie des übersetzerischen Nachvollzuges geht. Diese Analysen führen (im Anschluss an die Diskussion der Übersetzungsmethoden verschiedener Übersetzer) im Falle einer Plau‐ 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 345 <?page no="346"?> tus-Szene und eines Rimbaud-Gedichtes zu Verbesserungsvorschlägen, die R. Kloepfer als „Schema“ verstanden wissen will, durch das „alle paar Jahre durch entsprechenden Ersatz die Übersetzung wieder zur nötigen Aktualität kommt“ (96); dies bezieht sich auf eine Plautus-Stelle, wo zeitbedingte Mo‐ detorheiten eine Rolle spielen. In einem abschließenden Kapitel über „Dichtkunst - Hermeneutik - Übersetzungskunst“ zieht R. Kloepfer (in zum Teil etwas dunklen Worten) das Fazit seiner Abhandlung. Anknüpfend an P. Valéry ist von der Uner‐ reichbarkeit des Zieles als dessen Vollendung (123), von den „vielen Weisen des Verstehens“ und von der Übersetzung als „einer Art der Progression“ (125) die Rede. Und die „Theorie der literarischen Übersetzung“ schließt mit den Sätzen: Übersetzung ist Dichtung - nicht irgendeine Dichtung, etwa Nachdichtung oder Umdichtung, sondern die Dichtung der Dichtung. Novalis spricht vielleicht in diesem Sinne vom Übersetzer als dem Dichter des Dichters. (126) Man könnte sich keinen größeren Unterschied vorstellen als den zwischen der Arbeit R. Kloepfers und J. Levýs „Die literarische Übersetzung. Theorie einer Kunstgattung“ (1969), obwohl beide die Übersetzung dichterischer Werke als ihren Gegenstand haben. Für R. Kloepfer ist es selbstverständlich, dass die Methoden der Linguistik in der Theorie der literarischen Überset‐ zung fehl am Platze sind. J. Levý stellt dagegen fest, dass die neuen linguis‐ tischen Methoden „in den kommenden Jahren möglicherweise auch das Denken über Fragen der künstlerischen Übersetzung grundlegend beein‐ flussen werden“ (22). Wie fruchtbar die Anwendung der strukturalistischen Methoden der Prager Schule auf ein Textmaterial ist, das nicht selten als einer exak‐ teren Analyse unzugänglich betrachtet wird, macht J. Levýs literarische Übersetzungstheorie auf überzeugende Weise einsichtig. Dabei geht es um die Dialektik des Allgemeinen und des Einzelnen (allgemeine semantische, stilistische und künstlerisch-ästhetische Merkmale eines Textes versus be‐ sondere und individuelle Merkmale, 91), des Ganzen und der Teile (102), von Inhalt und Form (108), und um die Zusammenhänge zwischen dem einzelnen Werk und der Funktion der Übersetzung im Rahmen einer Kultur, einer Epoche und der National- und Weltliteratur (173). Stützt sich R. Kloepfer bei der Beschreibung der Literatursprache auf P. Valéry („Das höchste Ziel die‐ ser Kunst ist dann erreicht, wenn ihr Leser keinen anderen vollkommenen und notwendigen Ausdruck für die Wirkung, die ein Werk auf ihn ausübt, 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 346 <?page no="347"?> finden kann als dies Werk selbst“, 9), so stellt J. Levý fest, dass die französi‐ sche Ästhetik des Übersetzens seiner Betrachtungsweise „relativ am ent‐ ferntesten“ (30) ist. Nicht verwunderlich ist auch, dass die historische Ein‐ leitung bei J. Levý sehr kurz ausfällt; dem Stand der theoretischen Beschäftigung mit den Fragen des Übersetzens widmet er nur 20 Seiten, während zwei Drittel des Buches von R. Kloepfer Referat und kritische Aus‐ einandersetzung mit den „Grundformen der Übersetzungstheorie“ von den Anfängen bis W. Schadewaldt darstellen. J. Levý erläutert einleitend, was er unter der „richtigen“ Übersetzungs‐ methode versteht. Die Übersetzungsmethoden, die sich in Dichotomien wie wörtlich und frei, philologisch und künstlerisch, verfremdend und ver‐ deutschend bzw. adaptierend fassen, teilt er in zwei Hauptgruppen ein: ▸ illusionistische Methoden, die zu einer Übersetzung führen, die ▸ beim Leser die Illusion wecken sollen, ein Original zu lesen ▸ antiillusionistische Methoden lassen eine solche Illusion nie auf‐ ▸ kommen; der Leser ist sich vielmehr immer bewusst, kein Original, sondern eine Übersetzung zu lesen. Der Übersetzer will kein Origi‐ nalwerk vortäuschen, sondern er kommentiert es und spricht den Le‐ ser „mit persönlichen und aktuellen Anspielungen“ an (32). (Die an‐ tiillusionistische Übersetzung ist nach J. Levý selten.) J. Levýs Konzeption ist die der „illusionistischen“, „funktionellen“ (wenn man sie vom linguistischen Standpunkt aus betrachtet) oder „realistischen“ Übersetzung (vom ästhetischen Standpunkt aus), wobei, wie aus folgendem Zitat hervorgeht, der Begriff der Wirkung im Vordergrund steht (allerdings nicht ohne bedeutsame Einschränkung) und die strukturalistische Auffas‐ sung zur Geltung kommt: Es wird uns keineswegs um eine Erhaltung des ‚Werks an sich‘ gehen, sondern um die Wahrung seines Wertes für den Aufnehmenden (also der distinktiven bzw. soziologischen Funktionen seiner Elemente). Wir werden nicht darauf bestehen, dass das Erlebnis des Lesers des Originals mit dem des Lesers der Übersetzung identisch sein muss, sondern auf einer Identität aus der Sicht der Funktion in der Gesamtstruktur der kulturhistorischen Zusammenhänge beider Leser. Es geht um eine Unterordnung der Einzelheiten unter das Ganze, sei es in Bezug auf die Funktion im System, sei es in Bezug auf eine typisierte Gültigkeit. (32) Unter der illusionistischen Methode will J. Levý jedoch nicht ein Adaptieren verstanden wissen, das alles austilgt, was an den fremden Kontext erinnert. 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 347 <?page no="348"?> Die Substitution (d. h. die Ersetzung von in einem spezifischen fremden Milieu verankerten Begriffen mit Begriffen aus dem Milieu der ZS; zur Adaptation, s. o., II.3.3.4) ist nur „ein Ausweg aus der Not“ (91). In welchem Umfange die Substitution gerechtfertigt ist, wird in der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Übersetzen noch und noch diskutiert und stellt sich dem Übersetzer immer wieder als praktisches Problem. Zwei gegensätzliche Standpunkte lassen sich nach J. Levý un‐ terscheiden: der klassizistische der adaptierenden Übersetzung und der romantische der „wortgetreuen“ Übersetzung (d. h. im Wesentli‐ chen F. Schleiermachers Standpunkt). Führt erstere Übersetzungsme‐ thode zu einer Lokalisierung und Aktualisierung im Bereich der ZS auf Kosten der besonderen AS-kontextbedingten Momente, so bewahrt letz‐ tere gerade diese Momente, allerdings auf Kosten der Allgemeinver‐ ständlichkeit. Das Problem der Substitution stellt sich insbesondere bei Namen (s. o., II.4.1.4); es wird von J. Levý eingehend behandelt. Für die Beurteilung der Frage, wann sich das Verfahren der Übersetzung (möglich bei Namen in mittelalterlichen Allegorien: Everyman/ Jedermann), wann die Substitution (Ersetzung des Namens Archetriclin in Villons „Ballade et Oraison“ durch Salomo) und wann die Transkription (Übernahme von Namen wie Soames, Swithin, Jolyon der „Forsyte Saga“ in den ZS-Text) anbietet, muss auch hier immer von der Wirkung auf den Leser der Übersetzung ausgegangen wer‐ den. Dieses Prinzip ist bei der Beurteilung aller übersetzungstechnischen Probleme anzuwenden. Im ersten Teil seines Buches beschäftigt sich J. Levý - um in Kürze noch einige inhaltliche Hinweise zu geben - im Kapitel „Der Vorgang des Über‐ setzens“ einerseits mit der Entstehung des literarischen Werkes und seiner Übersetzung, andererseits mit den verschiedenen Phasen der übersetze‐ rischen Arbeit, die folgendermaßen charakterisiert werden: ▸ Erfassen der Vorlage (wörtlich-philologisches und stilistisches Erfas‐ ▸ sen sowie Erfassen des Kunstwerkes als Ganzes) ▸ Interpretation der Vorlage (Suchen nach dem objektiven Kern der ▸ Vorlage) 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 348 <?page no="349"?> ▸ Umsetzung der Vorlage (künstlerisch gültige Umformulierung unter ▸ Beachtung der Inkongruenz verschiedener sprachlicher und stilisti‐ scher Systeme) Im Kapitel „Die ästhetischen Probleme des Übersetzens“ steht die Frage nach den Normen der künstlerischen Übersetzung im Vordergrund. Diese Normen sind die Wahrhaftigkeit der Übersetzung, wobei der Aspekt der Wirkungsgleichheit eine zentrale Rolle spielt, und ihre Schönheit. Es geht mit anderen Worten um den Begriff der Übersetzungstreue und um das Übersetzen als schöpferisch-künstlerische, häufig sprachschöpferische Tä‐ tigkeit. Ferner beschäftigt sich J. Levý in „Zwei Kapitel aus der Poetik des Übersetzens“ mit dem künstlerischen und dem „übersetzerischen“ Stil und mit dem Problem der Übersetzung von Buchtiteln. Ein weiteres Kapitel ist der Übersetzung von Theaterstücken gewidmet. Und schließlich werden im Kapitel „Die Übersetzung als literarhistorisches Problem“ Maßstäbe und Methoden der Übersetzungsanalyse sowie die Funktion der Übersetzung in den Nationalliteraturen und in der Weltliteratur erörtert. J. Levýs Buch macht deutlich, dass die Übersetzungsforschung die Isolation nationaler Sprach- und Literaturbetrachtung durchbrechen muss. Verständnis für die Probleme des Übersetzens ist Einsicht in das Andere und Fremde. Und durch Kontrastierung mit dem Fremden wiederum kann das Bekannte und Selbst‐ verständliche in seinen Wesenszügen und seiner Relativität erkannt werden. - Der zweite Teil des Buches gilt der Beschreibung und Analyse von Pro‐ blemen der Gedichtübersetzung. R. Kloepfers und besonders J. Levýs Theorien der literarischen Überset‐ zung sind als Grundlage für die Erforschung von Geschichte und Wirkungs‐ geschichte einzelner Übersetzungen und Übersetzungsgattungen, für die vergleichende (linguistisch und literaturwissenschaftlich orientierte) Stilis‐ tik und für die vergleichende Literaturwissenschaft auch heute noch unent‐ behrlich. In ihnen wird das Phänomen Übersetzung für den literarischen Bereich in seiner Eigenart und Eigengesetzlichkeit als Forschungsgegen‐ stand umrissen, und zwar als literarisch-ästhetisches, stilistisches, linguis‐ tisches, rezeptions- und kulturgeschichtliches Phänomen. 4.2.2 Naturwissenschaftlich-technische Übersetzung (Jumpelt) Im wissenschaftlichen Ansatz, in der Methodik und in der thematischen Ausrichtung unterscheidet sich R.W. Jumpelts Buch „Die Übersetzung na‐ 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 349 <?page no="350"?> turwissenschaftlicher und technischer Literatur“ (1961) grundlegend von R. Kloepfers und J. Levýs Arbeiten zur literarischen Übersetzung. R.W. Jumpelt geht davon aus, dass die Übersetzung „Gegenstand der Sprachwissenschaft“ ist (6), wobei er allerdings einräumt (mit implizitem Bezug auf die literari‐ sche Übersetzung), dass die Übersetzung „Vorgänge enthält, deren wissen‐ schaftliche Analyse mit der Untersuchung der lexikalischen, morphologi‐ schen und syntaktischen Probleme nicht erschöpft werden kann“ (7). Er weist aber die (bekanntlich weit verbreitete) Auffassung zurück, eigentliche Probleme gebe es bei der naturwissenschaftlich-technischen Übersetzung nicht, „die Wörter seien in Wissenschaft und Technik international und den Rest besorge ein Minimum an grammatischen Kenntnissen aus der Schul‐ zeit“ (8 f.). R.W. Jumpelt will mit seiner Untersuchung zeigen, „welche Un‐ terschiede, offene und verdeckte, selbst bei benachbarten Sprachen auch in Technik und Naturwissenschaften der Kommunikation Grenzen setzen“ (9). Er vertritt die Auffassung, dass die Textgattung der Hauptfaktor ist, „der alle Kriterien [d. h. Übersetzungsprinzipien und -verfahren] bestimmt“ (24). Die naturwissenschaftlich-technische Übersetzung als eine Art der pragmati‐ schen Übersetzungsgattung (zu den Textgattungen, s. o., II.4.1) „muss primär die Inhalte der Aussagen wiedergeben“ (26); es geht also um inhaltliche Invarianz. Die Darstellungsfunktion der Sprache steht in naturwissen‐ schaftlich-technischen Texten im Vordergrund; andere Sprachfunktionen, wie die ästhetische oder die appellative, spielen, wenn überhaupt, eine un‐ tergeordnete Rolle. R.W. Jumpelt analysiert und beschreibt im Hauptteil seines Buches die Bedingungen, Probleme und Verfahren der Herstellung inhaltlicher Invari‐ anz. Ausführlich geht er auf die Umsetzungsprozeduren (Übersetzungspro‐ zeduren) der Modulation und der Transposition ein. Unter Modulation werden inhaltliche Verschiebungen verstanden: Während es beim dt. Verb sich verziehen (von Material) keine Rolle spielt, in welcher Richtung die Be‐ wegung verläuft, muss sich der Übersetzer im Engl. entscheiden, ob es sich um to warp handelt (Bewegung in allen Richtungen) oder um to twist (nur in diagonaler Richtung) (72). Transpositionen sind dagegen die gramma‐ tischen Veränderungen, die notwendig sind, um inhaltliche Invarianz zu ge‐ währleisten. Man versteht darunter die Erscheinung, dass bestimmte Wort‐ arten oder grammatische Kategorien der AS in der ZS durch andere Wortarten oder grammatische Kategorien ersetzt werden, wie im folgenden Beispiel: 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 350 <?page no="351"?> 115 Zu den sprachlich-stilistischen Merkmalen von Fachtexten, s. H.-R. Fluck (1996: 47-109), E. Fleischmann/ P. A. Schmitt (2004), S. Göpferich (1995, 2004). - Diese hier für Fachtexte generell als charakteristisch hervorgehobenen Punkte sind allerdings zu relativieren, s. dazu P. A. Schmitt (2002). Beispiel II.4.-16 engl. Verb → dt. Substantiv: as the pressure increases → mit dem An‐ steigen des Druckes engl. ing-Form → finite Konstruktion im Dt.: thoroughly mix the solu‐ tion by running the pump to circulate the mixture with the feed-cock closed → die Lösung gründlich durchmischen, indem man die Pumpe bei geschlossenem Hahn laufen lässt engl. Adjektiv + Substantiv → dt. Zusammensetzung: muscular activity → Muskeltätigkeit, electrical engineer → Elektroingenieur (R.W. Jumpelt 1961: 87, 94, 101) In weiteren Kapiteln analysiert R.W. Jumpelt die Zuordnungen im Bereich komplexer Sinneinheiten (Ableitungen, Zusammensetzungen, Wort‐ gruppen) und im Bereich der fachsprachlichen Terminologie, wobei ins‐ besondere die Benennungsgrundsätze (Grundsätze bei der Bildung und Anwendung von Termini) dargestellt werden (s. o., II.3.3.4). Zusammenfassend lässt sich feststellen: R.W. Jumpelt (1961) konzentriert sich auf die Beschreibung von Umsetzungsprozeduren, die beim Übersetzen „mit einer gewissen Zwangsläufigkeit oder […] mit einer hohen Wahr‐ scheinlichkeit wiederkehren“ (175). Er untersucht sprachliche Bedingun‐ gen und Erscheinungen, die objektivierbar sind, und das heißt, die ver‐ allgemeinert und als Regelmäßigkeiten des Übersetzens beschrieben werden können, und zwar eingeschränkt auf naturwissenschaftlich-technische Texte. Es zeigt sich, dass in dieser Textgattung der Bereich des in diesem Sinne regelhaft Erfassbaren relativ groß ist, wesentlich größer als etwa bei literarischen Texten. Die naturwissenschaftlich-technische Übersetzung ist darum einer Ob‐ jektivierung leichter zugänglich, weil eine Reihe von den die Übersetzung bestimmenden Variablen und Faktoren konstant ist, bzw. weil ihre sprach‐ lich-textuellen Auswirkungen regelhaft sind: 115 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 351 <?page no="352"?> 116 Unübersehbar ist, dass nicht nur die internationale, sondern mehr und mehr auch die nationale Fachkommunikation vom Englisch-Amerikanischen beherrscht werden; die Konsequenzen einer monolingualen wissenschaftlich-technischen Sprach- und Text‐ kultur, die zunehmend ohne Übersetzung auskommt, sind in der Übersetzungsfor‐ schung noch kaum thematisiert worden (s. o., I.4.2). ▸ Das übergeordnete Übersetzungsprinzip kann in der Regel eindeutig ▸ angegeben werden: Es handelt sich um die Forderung nach deno‐ tativer (inhaltlicher) Äquivalenz (s. o., II.3.3.). ▸ Die Variationsbreite im syntaktischen Bereich ist eingeschränkt: Die ▸ Syntax der technisch-wissenschaftlichen Sprache folgt einer relativ begrenzten Zahl von Mustern. ▸ Die Variationsbreite im lexikalischen Bereich ist eingeschränkt durch ▸ die Terminologisierung. ▸ Die Variationsbreite im individualstilistischen Bereich ist stark ein‐ ▸ geschränkt: Die Gebrauchsnormen in der wissenschaftlich-techni‐ schen Sprache sind relativ fest. ▸ Der Empfängerbezug stellt kein grundsätzliches Problem dar: Die ▸ Übersetzungen naturwissenschaftlich-technischer Texte richten sich in der ZS im Allgemeinen an Leser, deren Wissens- und Verstehens‐ hintergrund mit dem der Leser der AS-Fassungen vergleichbar ist. Sie werden von den Mitgliedern einer internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft rezipiert, die auf ähnliche Weise ausgebildet sind und ähnliche fachliche Rollen und Funktionen innehaben. 116 4.2.3 Schlussbemerkung Aus den Befunden der vorangehenden Abschnitte den Schluss zu ziehen, dass sich ein linguistisches Herangehen an literarische Texte verbietet, wäre falsch (s. o., I.8.2). Nicht zuletzt ist die linguistische Analyse als Ausgangs‐ punkt einer wissenschaftlichen Übersetzungskritik unentbehrlich. Sie muss sich jedoch ihrer Grenzen bewusst sein, aber auch ihrer Möglichkeiten, die sich aus der Differenzierung des Äquivalenzbegriffs ergeben. Immer hat je‐ doch die linguistische Analyse literarischer Texte dem im Vergleich mit Sachtexten in der Regel komplexeren Bedingungsgefüge Rechnung zu tra‐ gen. Um zu wiederholen, was im Einführungskapitel hervorgehoben wurde: Eine Übersetzung ist nicht nur die Konfrontation eines Ausgangstextes mit den sprachlich-stilistischen Mitteln und Möglichkeiten einer ZS. Als text‐ reproduzierende Operation ist sie das aber in einem für den Begriff der 4 Übersetzungsrelevante Textgattungen 352 <?page no="353"?> Übersetzung fundamentalen Sinn - und dies unabhängig davon, ob es sich um Sachtexte oder literarische Texte handelt. Die Berücksichtigung der für die beiden Haupttextgattungen zum Teil graduell, zum Teil wesensmäßig unterschiedlichen Bedingungen und Faktoren sprachlich-textueller und au‐ ßersprachlicher Art ist dabei von grundlegender Bedeutung für eine frucht‐ bare Arbeit mit dem Phänomen Übersetzung. Wenn man Übersetzung wie in diesem Buch als sprachlich-textuelle Kul‐ turtechnik auffasst, bedeutet dies, dass Sprache, Text und Kultur als aufs engste miteinander verflochten gesehen werden. Konzentriert man sich auf den sprachlichen-textuellen Aspekt, besteht die Gefahr eines Reduktionismus, der zur Folge haben kann, dass linguistische Befunde unter Absehung von der Komplexität der übersetzerischen Bedingungsfaktoren verallgemeinert wer‐ den. Allerdings gilt auch für die Übersetzungswissenschaft, wenn sie sich als empirische Wissenschaft versteht, dass sie selektiv sein muss, und das heißt notwendigerweise auch reduktiv und abstrahierend. In der Fokussierung auf den sprachlich-textuellen Aspekt liegt zweifellos eine solche Reduktion und Abstraktion; unter wissenschaftlichem Aspekt ist dies aber nicht nur legitim, sondern unverzichtbar, wenn substantielle und gültige Ergebnisse erzielt wer‐ den sollen - substantiell und gültig freilich immer nur im Rahmen und unter Berücksichtigung der durch den wissenschaftlichen Ansatz vorgegebenen Grenzen. 4.3 Zusammenfassung In Kapitel 4 werden Fiktiv- und Sachtext als die zwei übersetzungsrelevanten Haupttextgattungen unterschieden. Dieser Unterscheidung dienen drei Kri‐ terien qualitativer Art: praktische Folgen, Fiktionalität und Ästhetizität. Au‐ ßerdem wird auf intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Be‐ deutungen eingegangen. Abschließend werden Theorien der literarischen und der naturwissenschaftlich-technischen Übersetzung vorgestellt. 4.2. Textgattungsbezogene Übersetzungstheorien 353 <?page no="355"?> Literaturverzeichnis Agricola, E. (1968): Syntaktische Mehrdeutigkeit (Polysyntaktizität) bei der Analyse des Deutschen und des Englischen, Berlin (= Schriften zur Phonetik, Sprachwis‐ senschaft und Kommunikationsforschung, 12). Aboluwade, I. (2011): Zum Stellenwert der Skopostheorie bei der englischen Über‐ setzung von Hans Paasches Novella „Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland“ In: Mayanja, S. (Hrsg.), Übersetzungsgerma‐ nistik aus einer afrikanischen Perspektive, Göttingen, 29-33. Agricola, E. 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Albrecht von Halberstadt 70 Ammann, M. 16, 319 Ammon, U. 83 Anastasiadis, A. 68 Anderegg, J. 323, 327 André, J. St. 42 Andres, D. 14 Angehrn, E. 164 Antos, G. 45, 139 Apel, F. 295, 343 Appignanesi, R./ Zarate, O. 95 Arnaudova, S. 272 Arnauld, A./ Lancelot, C. 209 Arntz, R./ Picht, H./ Mayer, F. 265, 271, 324 Arrojo, R. 91 Arrowsmith, W./ Shattuck, R. 59 Asimakoulas, D. 128 Atayan, V. 147 Babel, I. 314 Baeva, G. A. 60 Baker, M. 18, 220 Bakker, M./ Naaijkens, T. 15 Barchudarow, L. 111, 120, 213, 268f., 323 Barczaitis, R. 261f., 269, 299 Barnard, R. 327 Bassnett, S./ Lefevere, A. 19, 119 Bassnett-McGuire, S. 153, 240 Baudelaire, C. 61 Beaugrande, R. de 245 Becher, J. J. 209 Beckett, S. 230 Belke, H. 130 Benjamin, A. 42, 91 Benjamin, W. 42 Bentahila, A./ Davies, E. 192 Bernstein, B. 169 Best, J./ Kalina, S. 22, 148f. Bierwisch, M. 210f. Biguenet, J./ Schulte, R. 59 Birkenhauer, K. 243 Blanke, D. 81 Blatt, A. u. a. 19, 87 Bloomfield, L. 188 Bödeker, B./ Freese, K. 68, 269, 294 Boecker, E. 207, 269 Bohnenkamp, A. 241 Borchert, W. 59 Bouton, L.F. 254, 256, 258 Bowen, M. 65 Boytcheva, S. 272 Braem, H. M. 284 Brantenberg, G. 192 Breitinger, J. J. 75, 188, 208 Bretthauer, P. 95, 248 Brinker, K. 130f., 321 Broeck, R. van den 289, 295ff. Brower, R.A. 59 <?page no="390"?> Bruns, A. 140 Buber, M. 345 Bühler, K. 214, 313 Busch-Lauer, I.-A. 321 Butt, W. 299, 318 Caillé, P.-F. 29 Carlson, H. G. 50, 226, 314 Carroll, L. 304f., 307 Cary, E. 30 Cassirer, E. 79f. Catford, J. C. 105, 112, 153, 185, 251, 255f. Cervantes, M. de 42 Chesterman, A. 143, 220, 240 Chidolue, D. 193 Chomsky, N. 80, 203, 209f. Colina, S. 247 Coseriu, E. 56, 214, 256 Croce, B. 345 Crystal, D. 31 Czennia, B. 283f. Daigger, A./ Militzer, G. 59 Dalgarno, G. 80 Dante 345 Dedecius, K. 60f. Delabastita, D. 302 Delisle, J. 13, 260 Delisle, J./ Lee-Jahnke, H./ Cormier, M. C. 13 Derrida, J. 42 Descartes, R. 79f., 208 Detken, A. 284 Dialekt 45 Díaz-Diocaretz, M. 128 Diderot, D. 344 Dimter, M. 322 Dirschauer, K. 190 Dukate, A. 240 Dürbeck, H. 197 Dürrenmatt, F. 226, 243, 343 Eco, U. 81 Eichinger, L. M. 79 Enzensberger, C. 57, 304 Eroms, H.-W. 280 Essler, W.K. 244f. Fabricius-Hansen, C. 125, 289 Farghal, M./ Al-Hamly, M. 273 Feihl, S. 146 Finck, A./ Weichselbaum, H. 59f. Firth, J. R. 79 Fleischer, W. 137, 280f. Fleischmann, E./ Schmitt, P. A. 329, 337, 351 Fleischmann, E./ Schmitt, P. A./ Wotjak, G. 149 Flotow, L. von 20, 128 Fluck, H.-R. 138, 271, 331, 337, 351 Fränzel, W. 208 Frawley, W. 94 Freese, K. 284 Freud, S. 66, 95 Friedrich, H. 152, 345 Frielinghaus, H. 59 Frisch, M. 300f., 317f. Fritz-Vannahme, J. 245 Fuchs, G. 208 Funke, O. 208 Gadamer, H.-G. 19, 45, 244 Gardner, M. 304 Gardt, A. 204, 299 Gebhardt, P. 114 Geckeler, H. 198 Gelhaus, H. 43 Gentes, E. 230 Gerbert, M. 324 Gerlach, H. E. 340f. Namensregister 390 <?page no="391"?> Gerlach-Berthaud, C. 230 Gerzymisch-Arbogast, H. 16, 272, 312 Gerzymisch-Arbogast, H./ Mudersbach, K. 16, 312 Gile, D. 14, 22 Gipper, H. 197, 200, 204 Gloning, T. 198 Gnilka, J./ Rüger, H. P. 273 Goethe, J. W. von 32, 40, 344 Göpferich, S. 13, 125, 147, 289, 321, 351 Gorlée, D. L. 94 Gorp, H. van 94 Göske, D. 291 Göttert, K.-H./ Jungen, O. 280 Gottsched, J. C. 75 Goyert, G. 332 Graeber, W. 39 Grass, G. 57, 59, 303, 307, 330f., 336, 342 Grassegger, H. 302, 308 Greiner, N. 295, 343 Grimberg, M. 39 Grimm, J. 27, 32 Grünbeck, B. 299 Gu, M. 196 Guess, J. C. 329 Haarmann, H. 81, 83ff., 274 Haas, I. 232 Habermas, J. 91 Halverson, S. 220 Hamann, J. G. 344 Handwerker, B. 158 Hansen, G. 13, 147 Hansen-Schirra, S./ Kiraly, D. 149 Härtl, H. 197 Hauenschild, C. 86 Haug, J. C. F. 41 Haupenthal, R. 81 Hausmann, F. J. 302 Hausmann, F.-R. 39 Heidegger, M. 310f. Heidermann, W. 34 Heinemann, W./ Viehweger, D. 130f., 319 Helmich, W. 272 Hemingway, E. 291 Henjum, K. B. 284, 312, 329 Henle, P. 197 Henschelmann, K. 119, 134, 146, 195, 261, 264, 269f., 289 Herder, J. G. 76 Hermans, T. 42, 148, 176, 240 Hermans, T./ Koller, W. 93 Hesse, H. 325f. Hieronymus 345 Hjelmslev, L. 212 Hockett, C. F. 277 Hoffory, J. 285, 340 Hoffstaetter, W./ Peters, U. 206 Hofmann, N. 295f., 302 Hohnhold, I. 324 Holmes, J. S. 25, 34, 59, 124 Holz-Mänttäri, J. 247, 263f. Homer 66, 74, 76 Hönig, H. G./ Kußmaul, P. 248 Hörmann, H. 197 Hornung, W. 343 House, J. 128, 147, 233, 269 Huber, T. 208 Hultsch, A. 230 Humboldt, W. von 47, 49, 61ff., 187, 344 Hutchins, W. J. 87 Ibsen, H. 228, 282, 285, 340 Iser, W. 334 Italiaander, R. 59 Namensregister 391 <?page no="392"?> Ivanova, M. 312 Ivir, V. 236, 239, 253 Jäger, G. 107, 109, 151ff., 173, 233f., 267, 269 Jakobson, R. 94, 214, 219, 221 Johnson, B. 43 Jonas, E. 228 Joseph, J. E. 197 Joyce, J. 302, 332 Jumpelt, R. W. 151, 153, 182, 262, 266, 311, 321, 344, 350f. Jüngst, H. E. 104 Junkes-Kirchen, K. 272f., 319 Jürgensen, R. 66 Kade, O. 82, 86, 109, 113, 118, 120, 150f., 153, 174ff., 188, 216ff., 237, 269 Kadrić, M. 14 Kadrić, M./ Kaindl, K./ Cooke, M. 22 Kaemmerling, E. 230 Kafka, F. 231, 329 Kaindl, K. 147 Kalina, S. u. a. 14, 22, 148f. Kant, I. 31 Katz, J. J./ Fodor, J. A. 210 Katzner, K. 31 Kelletat, A. F. 14, 149, 247, 342 Kelly, L. 27, 65 Kemp, F. 58, 61 Kielhöfer, B. 256 Kim, J.-Y. 196, 233 Kittel, H. 14 Kittel, H. u.a. 19, 65, 88, 143, 146-149, 312, 336, 344 Kitzbichler, J. 39 Kjär, U. 296-299 Kleihues, A./ Naumann, B./ Pankow, E. 61 Klitgård, S. I. 302 Kloepfer, R. 19, 59, 153, 295, 344ff. Klopstock, F. G. 41 Knight, M. 229, 309 Kohlmayer, R. 247, 302 Kolb, W. 283 Koller, W. 12, 18, 42, 65, 68, 94, 220, 235, 239f., 340 Königs, F. G. 261f. Korlén, G. 293 Kornitzer, L. 246 Krings, H. P. 13, 147 Krzeszowski, T. P. 254ff. Kubczak, H. 99, 213, 243 Kucharska, A. 312 Kuh, E. M. 41 Kujamäki, P. 269 Kupsch-Losereit, S. 260 Kurth, E.-N. 296 Kußmaul, P. 114, 129, 149, 228, 248 Kusurman, M./ Lysenkkowa, E. L. 59 Kutz, W. 269 Lambert, J. 240 Landwehr, J. 323 Large, A. 79, 82 Lauscher, S. 193 Leech, G. 95, 274 Lehrberger, J./ Bourbeau, L. 88 Leibniz, G. W. 79, 208 Leisi, E. 198, 274 Lenneberg, E. H. 202, 214 Leonhardt, J. 81 Lesner, E. 310 Leuven-Zwart, K.M. 220 Levenston, E. A. 257 Levý, J. 295, 312, 344, 346-349 Liedtke, F. 247 Linke, A. u. a. 130f. Löffler, H. 136f. Namensregister 392 <?page no="393"?> Lörscher, W. 13, 104, 114, 147, 247 Lortholary, B. 245 Lowe-Porter, H. T. 284, 329 Lukačovičová, I. 269 Luther, M. 31, 39, 43f., 49, 54, 71, 74, 345 Macquarrie, J./ Robinson, E. 310 Magnusson, G. 269, 286, 289 Majkiewicz, A. 343 Malblanc, A. 120, 272 Malinowski, B. 55, 277f. Malmberg, B. 221 Malone, J. L. 155 Mango, D. di 21 Manheim, R. 307 Mann, T. 71f., 267, 284, 329f. Marfurt, B. 306 Marín y Presno, A.-R. 140 Martín de León, C. 247 Martínez, J. A. A. 196 Marx, K. 66 Meyer, G. 82 Michel, G. 280 Milton, J. 75 Mitrache, L. 296 Morgenstern, C. 309f. Motsch, W. 170 Mounin, G. 209, 344 Mozart, W. A. 339 Müller, U. 96, 259 Munday, J. 145 Münzberg, F. 40, 148, 208 Murner, T. 73 Musil, R. 59 Mykland, K. 133 Naipaul, V. S. 322 Narayan, R. K. 328 Nemser, W./ Slama-Cazacu, T. 257 Neubert, A. 18, 113, 119, 151, 220, 289 Newmark, P. 19, 269, 296, 319, 342 Nexø, M. Andersen 229 Nickel, G. 253 Nida, E. A./ Taber, C. R. 106, 251 Nietzsche, F. 275f., 315f., 338 Niklas von Wyle 72f. Nikula, H. 60 Nirenburg, S. 86 Nord, B. 88 Nord, C. 147, 196, 229, 247, 291, 312 Nossack, H. E. 29 Nover, G. 93, 273 Oettinger, A. G. 104, 112, 118, 251 Öhman, S. 267, 269 Oittinen, R. 233 Opitz, M. 73f. Ortega y Gasset, J. 345 Osswald, P. 199 Paepcke, F. 245, 263 Pause, E. 101 Petrbok, V. 230 Petrilli, S. 94 Picken, C. 97 Pinchuck, I. 151, 153, 343 Pisarska, A. 296 Pisarz-Ramirèz, G. 128 Plack, I. 140 Platon 45 Plautus 72, 345 Plotke, S. 71 Plutarch 42 Pöchhacker, F. 14 Porsiel, J. 89 Porzig, W. 82 Pym, A. 83, 220, 263 Quah, C. K. 87 Rabassa, G. 342 Namensregister 393 <?page no="394"?> Radaelli, G. 272 Rath, B. 241 Reich, W. 50, 65, 226 Reinart, S. 104, 147 Reiß, K. 19, 29, 42, 147, 219, 247ff., 262, 292, 295, 312, 321, 338 Rickheit, G./ Strohner, H. 94 Rimbaud, A. 345 Risku, H. 29 Roelcke, T. 138 Rosenzweig, F. 44, 345 Rossipal, H. 135 Rothenhagen, R./ Kade, O. 86 Rothkegel, A. 86f., 173, 289 Rothkegel, A./ Sandig, B. 289 Rudloff, M. 81 Sager, J. C. 97, 224 Salim-Mohammad, H. 299 Sandig, B. 130, 280, 289 Santaemilia, J. 20 Sapir, E. 47, 197, 199 Savory, T. 295 Sayers, D. L. 130, 316 Schadewaldt, W. 45, 76, 345, 347 Schaff, A. 197 Schäffner, C. 103, 296 Schaper, E. 293 Schippan, T. 282 Schlegel, A. W. 29, 58, 74, 114, 187 Schleiermacher, F. 39, 43, 45-49, 58, 62, 76, 152, 244, 344 Schmidt, L. 198 Schmidt, S. J. 323, 331 Schmitt, C. 302 Schmitt, P. A. 88, 148, 205, 328, 344 Schmitz, K.-D. 88, 148 Schmitz, K.-D./ Freigang, K.-H. 148 Schoettli, U. 322 Schottel, J. G. 73 Schreiber, M. 18, 94, 97, 146 Schücking, L. L. 58 Schulte, K./ Roussel, H. 312 Schultze, B. 269, 343 Schwarze, S. 39 Searle, R. J. 211f. Seidensticker, E. 336 Seleskovitch, D. 14, 232 Seleskovitch, D./ Lederer, M. 14 Senger, A. 208 Senn, F. 302 Sgambati, G. 230 Shakespeare, W. 66, 74, 76, 114 Sieradzka-Kulasa, M. 196 Siever, H. 145, 149 Silone, I. 125, 129 Simrock, K. 315 Sjöwall, M./ Wahlöö, P. 317 Skudlik, S. 83 Snell-Hornby, M. 15, 19, 107ff., 147, 149f., 240, 263, 344 Sorvali, I. 119 Sowinski, B. 136, 280 Späth, G. 335, 343 Spedicato, E. 94 Springer, M. 98 Staalesen, G. 132, 196, 308 Stachowitz, R. 172f. Stackelberg, J. von 93 Starke, G. 280 Steger, H. 323 Steinbuch, K. 86 Steiner, E. 280 Steiner, G. 19, 65, 79, 91 Steinhöwel, H. 72 Stellbrink, H.-J. 228 Steuer, P. R. 196 Namensregister 394 <?page no="395"?> Stolze, R. 42, 145, 240, 244f., 247, 263f. Strindberg, A. 49f., 226, 231, 243, 291, 314, 343 Sturge, K. 128 Švejcer, A. D. 18, 120, 229, 289 Syntagma 163 Taborek, J. 146 Thiel, G./ Thome, G. 122, 146, 199, 289 Tolstoj, L. N. 66 Toury, G. 19, 239-242, 301 Trakl, G. 59 Translat 16 Trier, J. 198f. Tscharner, E. H. 59f. Turk, H. 260, 320 Ulrich, W. 206 Urban, P. 314 Valéry, P. 345f. Vannerem, M./ Snell-Hornby, M. 107ff. Venuti, L. 65 Vermeer, H. J. 19, 247f., 292, 338 Versteegen, H. 332 Vinay, J.-P./ Darbelnet, J. 120, 272f. Vodička, F. 139 Voß, J. H. 74, 76 Waard, J. de/ Nida, E. A. 114, 205, 223f. Wagner, K. H. 253, 256 Wandruszka, M. 81, 187, 267 Weber, W. 60 Weidner, D. 320 Weinreich, U. 52 Weinrich, H. 105, 213, 218 Weisgerber, L. 47, 197ff., 201ff., 216 Weissenberg, H. 291 Weisshuhn, F. A. 41 Weissmann, D. 230 Wendt, H. F. 31, 81 Weppen, E. E. von der 265 Werlen, I. 197 Wheatley, E. 148 Whorf, B. L. 178, 197, 199-204 Widmer, U. 96 Wienold, G. 92, 203 Wiesner, H. 131, 303 Wilkins, J. 80 Will, M. 324 Wilss, W. 13, 19, 23, 32, 43, 65, 89, 94, 106, 108ff., 147, 150, 185, 222, 228, 239f., 251, 262, 288, 323 Winter, W. 42, 105, 251 Wittig, C. 229 Wolf, M./ Fukari, A. 20, 148 Wolf. M. 20 Wolff, C. 208 Wollschläger, H. 332 Workman, S. K. 39 Wortebene 240 Worth, V. 241 Wotjak, G. 151 Wotjak, G. 128, 220 Wuthenow, R.-R. 343 Zimmer, R. 295, 302, 310 Zybatow, L. N. 14 Namensregister 395 <?page no="396"?> Sachregister Adäquatheit 24, 238, 245, 260 gebrauchsnormative 263 sprachlich-stilistische 337 Adressat 218 der Übersetzung 107 idealer 234 potentieller 189, 218 Ähnlichkeit, formale 259, 338 Alliteration 56, 136, 303 Alltagswissen/ Situationswissen/ Weltwissen 53, 132, 165, 170 Analogie der Gestaltung 294 formale 262 konnotative 263 Äquivalent 20, 51, 119, 145, 180, 239, 251, 258, 265, 313 aktuelles 114, 182 closest natural equivalent 106, 251 funktionelles 224 potentielles 104, 110, 120, 145, 182, 236, 238 Satzäquivalent 121 textuelles 120, 256 Übersetzungs- 145, 257 Wortgruppenäquivalent 121 ZS- 251f. Äquivalenz 204 ästhetische 262 Bezugsrahmen 12, 251 denotative (inhaltliche) , 252, 258, 262, 265, 281 dynamische 49, 58, 106, 114, 126, 181, 223, 251 expressive 251 finalistische 262 formal-ästhetische 115, , 252, 294 formale 49, 114, 126, 141, 202, 223, 251, 262 funktionelle 58, 251 Herstellung 11, 213, 257 interlinguale 220, 256 kommunikative 222, 237, 251 konnotative , 252, 262, 280 potentielle 239 pragmatische 121, 252, 273, 290 referenzsemantische 262 stilistische 115, 251 textnormative 121, 252, 262, 288 textuelle 251 Übersetzungsäquivalenz 173, 182, 242, 251f., 264, 298, 323 und Korrespondenz 253 wirkungsmäßige 251 Äquivalenzbeziehung(en) 107, 109, 153, 175, 177, 222, 239, 252, 260, siehe Ent‐ sprechungstypen auf der Mikroebene 242 denotative 265 generalisierbare/ nicht-generalisierbare 261 potentielle 112, 153, 175, 183, 261, 265 textgattungsbezogene 146 Äquivalenzforderung(en) 21, 54, 58, 91, 108, 115, 239, 252 Hierarchie 40, 261, 281, 312 normativer Art 233 <?page no="397"?> pragmatische 293 Äquivalenzproblematik Bezugsrahmen 11 Äquivalenzrelation 11, 17, 220, 251 Äquivalenztypen 175, 180, 262, 296 Assoziation 56, 116, 125, 302, 338 Ausdrucksformen 51 expressive 135 formal-ästhetische 295 individualstilistische 295 sprachlich-stilistische 67 werkspezifische 262, 295 Axiom(e) der Ausdrückbarkeit 211, 214, 216 der Erlernbarkeit 211 der Formalisierbarkeit 172 der Übersetzbarkeit 212, 221 der Unübersetzbarkeit 201 sprachtheoretisches 199, 211 Bearbeitungsstufen (Qualitätsstufen) der Übersetzung 103, 237 Arbeitsübersetzung 233 druckreife Übersetzung 103, 233, 237 Rohübersetzung 237, 243 Bedeutung 173, siehe Mehrdeutigkeit/ Unbestimmtheit aktuelle 160 Äußerungsbedeutung 170 Bedeutungsgleichheit 173 denotative 189, 266, 279 grammatische (strukturelle) 156, 162, 171 intertextuelle 288, 307, 323, 338, 343 intralinguistische/ intratextuelle 288, 295, 313, 323, 338, 343 lexikalische 156, 171 pragmatische 179 Satzbedeutung/ Wortbedeutung 109, 170 semantische Merkmale 179, 211 soziokulturelle 288, 306, 323, 338, 341 syntaktische 86, 162, 179 Textbedeutung 171 wörtliche/ metaphorische 224, 302 Bedeutungsvarianten 159, 278, 286 Bezeichnungsgleichheit/ -relation 255, 258f. Bibelübersetzung 54, 81, 273 Darstellungstechnik 127, 130 Decodability 181 Dekodierung 116f., 174, 217f. Dialekt 69 dialektal/ regional markierter Sprachgebrauch 283 dialektale Einschläge/ Elemente/ Ausdrücke 31, 282, 318 dialektale Einschläge/ Elemente/ Ausdrücke 146, 204 Dialektstück 96 Übersetzen zwischen Dialekten 96 Dimension denotative 279 kommunikative 105 konnotative 279, 282, 288, 340 soziolektale 283 sprachkritische 191 sprachlich-textuelle 18 Eindeutigkeit 138, 171, 337 inhaltliche 337 Empfängererwartungen 119 , 289 Makroaufbau 127, 130, 140 Mikroaufbau 127, 131, 140 sprachlich-stilistische Gestaltung 127, 135, 140, 237 Sachregister 397 <?page no="398"?> Textfunktion 127, 136, 140 Textverständnis und -interpretation 127, 138, 140 thematischer Bereich 127 Enkodierung 117, 174 Entsprechung(en) 51, 56, 106, 119, 145, 156, 171, 182, 210, 225, 238, 258, 328 expressive 263 inter- und intralinguale 182 konnotative 281 potentielle ZS-Entsprechungen 146, 244, 268, 270, 338 Standard- 159, 240 strukturähnliche 171 Übersetzungs- 239 wortwörtliche 235 Entsprechungsnormen 146 Entsprechungstypen 52, 93, 146, 265, 279 Eins-zu-eins-Entsprechung 104, 260, 265, 280 Eins-zu-Null-Entsprechung (s. auch Lücke) 211, 265, 269, 279, 313 Eins-zu-Teil-Entsprechung 261, 265, 274, 313 Eins-zu-viele-Entsprechung 261, 265, 279 Punkt-für-Punkt- Entsprechungen 210 Teilentsprechung 276 Viele-zu-eins-Entsprechung 261, 265, 268, 279 Erwartungshorizont/ -normen 124, 128, 130, 207 Esperanto 81, 126 Farbbezeichnungen 179, 274 faux amis (false friends/ falsche Freunde) 259 Fiktivtexte/ Sachtexte 323, siehe Text‐ gattung(en)/ -sorten Ästhetizität 321, 323, 332 Fiktionalität 177, 323 Nicht-Fiktionalität 177 praktische Folgen 331 soziale Sanktion/ praktische Folgen 323 Floskeln/ Formeln 121, 190, 192 Form/ Inhalt 45, 122, 157, 175 Form(en), literarisch-ästhetische 175 Formulierungsmuster, stereotype 122 frames/ scenes 109 Fremdsprachenerwerb/ -studium 21, 33, 152, 259 Genitiv 162, 268 Gliederungstechnik 140 Grammatik siehe Linguistik allgemeine 208 generative Transformationsgrammatik 50, 80, 113, 208f., 254, 256 Grammatikmodell 254 Humanübersetzen, maschinengestütztes 104 Index translationum 34 Information(en) 116f., 158, 166, 169, 173, 181, 287, 331 fachinterne/ fachsexterne 95 implizite 132, 317 kulturspezifische 296 notwendige 134 redundante 182 Informationsangebot 248 Informationsgehalt 136, 138, 174, 218, 331, 337 inhaltbezogene Sprachauffassung 189, 197, 215 Sachregister 398 <?page no="399"?> inter-/ intralingual 156 Interferenz, translatorische 260 Internationalismen 324 Intersubjektivität 173 Invarianz 47 auf der Inhaltsebene 115, 262 der Wirkung 58 des Sinns (significance) 120 inhaltliche 58, 115, 175, 263, 350 Kinder- und Jugendliteratur 233 Kode(einheiten) 174, 221 Kodewechsel 174, 178, 209, , siehe Sprachwechsel Kommunikation ästhetische 323, 325, 331 inter-/ intralinguale 180, 182 literarisch-ästhetische 12 menschliche 116 Sach-/ Fachkommunikation 12, 326, 337, 350 sprachliche 174, 258 zweisprachige 19, 101, 118 Kommunikationssituation 101, 136, 146, 179, 234, 261 kommunikativer Hintergrund/ Zusammenhang 58, 178, 191, 193, 201, 233, 341, siehe Übersetzbarkeit Konnotation/ Konnotationsdimension/ konnotativer Wert 204, 252, 261, 279, 331, 342, siehe Äquivalenz der Bewertung 288 der Frequenz 286 der stilistischen Wirkung 284 der Stilschicht 282 des Anwendungsbereichs 287 des Mediums 284 geographische 283 soziale/ soziolektale 282, 342 übersetzungsrelevante/ -irrelevante 280 Kontext situativer 160, 164 und Kotext 160 Kontextanalyse 261 Korrespondenzforderung/ -kriterium 259 Kotext 160, 164f., 268, 276, 278, 297 sprachspielerischer 335 Kreativität 22, 264, der Sprache 195, 216 des Übersetzers 228 sprachliche 76 Kultur siehe kommunikativer Hinter‐ grund/ Zusammenhang Kulturbarrieren 30, 79 kulturbedingte Übersetzungsprobleme 32 kulturbedingte Wirklichkeitserfassung 190 kulturelle Differenz/ Fremdheit 30, 67 Kulturspezifik (der Übersetzung) 189, 195, 205, 341 kulturspezifische/ landeskonventionelle Elemente 76, 145, 195, 204, 211, 269, 297, 324 Kultur- und Sprachkontakt 66 language-and-culture-Forschung 178 und Sprache 55, 190 langue/ parole 105, 112, 175, 258 Latein 32, 42, 69, 80, 91, 104, 126 Leserüberschätzung/ -unterschätzung 134, 290 Lexik 46, 174, 177, 244, 265, 269, 295 Fachlexik 81, 138 lexikalisch 86, 89, 156, 158, 162, 171, 173, 209, 216, 237, 259f., 280, 288, 302 Sachregister 399 <?page no="400"?> Lexikon/ lexikographisch 59, 175, 210, 217 Linguistik 208 angewandte 148, 153 Areallinguistik 152 einzelsprachliche 149, 154 Fehler-/ Interferenzlinguistik 259 historisch-vergleichende 152 inhaltbezogene 197 Interlinguistik 81 konstrative/ komparative 152 kontrastive/ komparative 15, 149, 154 Pragmalinguistik 249 Psycholinguistik 148, 249 Soziolinguistik 249 Sprachtypologie 152 strukturalistische 344 Textlinguistik 131, 249, 321 Lokalkolorit 271 Lücken (echt/ unechte) im lexikalischen System 215, 267, 269, siehe Entspre‐ chungstypen Makrostrukturen, textuelle 146, 260 Maschinelle/ maschinenunterstützte/ automatische Übersetzung 19, 79, 86, 148, 155f., 163, 170, 172, 177 ALPAC-Bericht 87 linguistische Probleme 155 Post-/ Präedition 89 Qualität 89 und menschliche Übersetzung 87 Mehrdeutigkeit/ Unbestimmtheit 62, 89, 139, 155, 158f., 237, 337 Aufhebbarkeit/ Aufhebung (Disambiguierung) 158, 160, 170 Bezugs- 168 des Übersetzungsbegriffs 91 grammatische 158, 161, 171, 335 in literarischen Texten 139, 334 lexikalische (s. auch Polysemie, Homonymie) 171 morphologische 161 situative 170 syntaktische 86, 162, 164 übersetzungsrelevante 335 von Texten 138 Wortklassen 162 mehrsprachige Terminologien 154 Message 106, 114, 128, 179ff., 221, 223 Metaphern 20, 75, 145, 242, 295f. Metasprache 180, 211, 310 interlinguale 211 semantische 211 Übersetzung 313 Mikrostrukturen, sprachlich-stilistische 146, 260 Neukodierung (Interpretation) 109 Oberflächenstruktur 113, 209, 256 Originaltext, AS-Text ästhetische Autonomie 246 Intention 139 (relative) Autonomie 54, 61, 76, 102, 128, 224, 337 rhythmische Eigenschaften 63, 136, 213, 295 sprachlich-stilistische und ästhetische Identität 214, 308 Stilintention 222 Paralleltext 125, 146, 271, 289 Paraphrase/ paraphrasieren 16, 47, 69, 91, 94, 99, 233, 256 intralinguale/ interlinguale 105, 182 Phraseologie/ Phraseologismen 33, 137, 146, 159, 237, 314 Polysemie 301, 310 Sachregister 400 <?page no="401"?> receptor/ receptor culture/ receptor language 106, 179, 181, 223 Redensarten 75, 208, 306 Reim 56, 136, 177, 303, 339 Relativitätsprinzip, sprachliches (linguistisches) 47, 189, 197, 199, 204, 215 Rezeptionsgeschichte 139 Rücktransformation 113 Rückübersetzung 91, 223, 234 Sachwissen 109, 170, 324, 338 SAE-Sprachen (Standard Average European) 201, 203 San-Antonio 128 Satz/ Satzebene 122, 136, 156, 160, 169, 240, 280 Semantik 173, 179, siehe Bedeutung allgemeine 178 Sender/ Empfänger 115, 118, 174, 179f., 234, 323 Slang 31, 282 Sprach-/ Stilnormen 67, 136, 146, 252, 258, 288, 337 Sprach-/ Stilschicht(en) 31, 95, 280, 282 Sprachbarriere(n) 30, 79 als Kommunikationsbarriere 30 potentielle 31 und Vielsprachigkeit der Menschen 30, 65 Sprache(n) siehe Sprachfunktion(en) Allgemeinsprache 287 als Teil des human behaviour 178 Amtssprache 86 Arbeitssprache 84 Ausdrucksmittel 67, 124 Geschichtlichkeit 11, 65 Heterogenität 94, 150, 195, 280 in der Sprache 135, 191 „kleine“ und „große“ Sprachen 33 Kreativität 76, 215, 228 lingua franca 37, 82 Mittlersprache 79, 82 Muttersprache 21, 37, 47, 60, 83, 85, 103, 198f. natürliche 202, 210, 215 Plansprachen/ Intersprachen 81 Übersetzungssprache 68, 76 und Denken/ Erkenntnisprozess 202, 215 und Dialekt 31 und Sprachgemeinschaft 30, 33, 60, 124, 198, 203 und Wirklichkeitsinterpretation/ Wirklichkeit 189, 193, 201, 215 Universalität 214, 328 Universalsprache/ lingua universalis 80, 208, 211 Veränderbarkeit/ Erweiterungsfähigkeit 75, 201, 212, 215 Verkehrssprachen, internationale 33, 82 Weltbild/ Weltansicht 203 Welthilfssprachen 79 Weltsprachen 31, 33, 79 Wissenschaftssprache 22, 137 Zwischenwelt, geistige/ sprachliche 199 Sprachenregelung (in internationalen Organisationen) 83 Sprachfunktion(en) 33 Appellfunktion (Signalfunktion) 135, 321 ästhetische/ poetische 135, 338 Ausdrucksfunktion (Symptomfunktion) 321 Sachregister 401 <?page no="402"?> Bewertung 117 Darstellungsfunktion (Symbolfunktion)/ denotative 214, 218, 313, 321, 350 denotative 218 Kontaktfunktion 117 metakommunikative/ selbstreflexive 202 Sprachmittlung Irreversibilitätskriterium 234 kommunikativ äquivalente/ heterovalente 107, 234, 236 Sprachnormung 324 Sprachspiel 56, 110, 145, 192, 295f., 302, 310, 314 Sprachstufen 30f., 45, 91, 96 Sprachthematisierung 310 Sprachvergleich/ Systemvergleich 145, 158, 199, 258 tertium comparationis 254 Sprachverwendung 51, 136, 194, 215, 271, siehe Ausdrucksformen Muster 289 Unterschiede 116 Veränderungen 201 werkspezifische 262 Sprachwechsel 13, 172209 Sprecher, (ideal) zweisprachiger 234, 255 Stil allgemeinsprachlicher 287, 324 fachsprachlicher 32, 55f., 72, 89, 95, 98, 137, 278, 281, 287, 318, 324, 331, 351 Funktionalstil 136 stilistische Bearbeitung 114 stilistische Verflachung 134 Varianten 114 Stilelemente/ -mittel 137, 331 Stylistique comparée 272 Synonymie 62 Syntagma 121, 156, 160, 164, 168, 240, 262, 265, 280, 301 syntagmatische Beziehungen/ Ebene 334, 338 Syntax 179 Terminologie/ Fachterminologie 22, 50, 56, 62, 88, 95, 121, 147, 154, 214, 240, 271, 351 Terminologienormung 271 übersetzungsbezogene Terminologiearbeit 324 Text „defekter“ 32, 228, 329, 337 Einstellung auf den Empfänger 124 expressiver 321 implizite/ explizite Verknüpfung 131 informativer 135, 321 innovativer 140 Konkretisation 139 normgerechter/ -abweichender 124, 140 operativer 321 Thematiktypen 195 Textanalyse 24, 89, 312 funktional-stilistische 289 inhaltliche 171 pragmatische 171 sprachlich-stilistische 171 übersetzungsrelevante 24, 146, 312 Textcharakteristika/ -merkmale des AS-Textes 140, 146 formal-ästhetische 182, 211 individualistische 172 sprachlich-stilistische 135 übersetzungsrelevante 312 Sachregister 402 <?page no="403"?> Textebene 175, 240, 267, 280 Texteigenschaft(en) 141, 323 AS-Texteigenschaft 141 konnotative 314 sprachspielerische 314 Textfunktion(en) 289, 295, siehe Emp‐ fängererwartungen Hierarchie 136 Textgattung(en)/ -sorten 24, 46, 49, 124, 135f., 145, 148, 176, 214, 228, 233, 238, 244, 258, 289, 307, 312, 321, 323, 343, 350 appellbetonte Texte 262, 321 Biografie 130 Börsenkommentar 130 Briefe 97, 130, 288, 322 Comics 36, 94, 308, 344 dramatische Texte 139 Fiktivtexte 177, 323, 325, 327, 343 formbetonte Texte 177, 262, 321 Gebrauchsanweisungen 95, 130, 135, 288, 326 Gebrauchstexte 130, 324, 344 Geschäftsbriefe 288 Horoskop 130 inhaltsbetonte Texte 262, 321 Kinder-/ Jugendliteratur 37, 128, 233, 247, 291, 344 Kontaktanzeige 130, 322 Leitartikel 130 literarische/ poetische 19, 22, 24, 56, 63, 73, 103, 122, 127, 130, 135, 138, 152, 175f., 228, 235, 240, 268, 271, 282, 284, 291, 295, 307f., 313, 322, 331, 337, 342, 351 (natur)wissenschaftliche/ technische Texte 21, 130, 135, 137, 153, 172, 178, 281, 344, 350f. philosophische Texte 141, 310 pragmatische Texte 176 Pressetexte/ -sprache 137, 286, 321 Sach-/ Fachtexte 12, 37, 47, 103, 130, 135, 139, 176, 183, 228, 240, 281, 295, 322f., 343, 353 Touristiktexte/ Reiseprospekte 123, 322, 333 Trivialliteratur 177, 208 Vertragstexte 288 Werbetexte 16, 24, 122, 135, 140, 182, 321, 344 Witze 164, 171, 306, 335 Textnormen 146, 252, 258, 289, 337 Textproduktion/ -rezeption 54, 97, 123, 129, 224, 228, 273 Bedingungen 67 Textreproduktion 54, 94, 97, 101, 129, 181, 224, 228, 273, 291 Texttypologie 146, 321 Textuniversum 125 Textverarbeitung 19, 22, 89, 93, 106, 222, 249, 262 Textverständlichkeit 141, 224 Tiefenstruktur 80, 256 Transem 220 Transfer 114, 147, 247 intersemiotischer 150 inter- und innersprachlicher 143 sprachlich-kultureller 30 Texttransfer 13 Translat 20, 319 Translation 247 Translationsswissenschaft funktionalistische („Skopostheorie“) 323 Translationswissenschaft , 152 Translator 248 Sachregister 403 <?page no="404"?> Überforderung des Empfängers 181 Übersetzbarkeit 11, 47, 58, 60, 74, 76, 106, 188f., 194, 199, 206, 218, 221, 243, 314 abnehmende 196 absolute 193, 208, 211 als sprachtheoretisches Axiom 211, 221 als sprachtheoretisches Problem 253 auf der Kodierungsseite/ Dekodierungsseite 217 aufklärerische/ rationalistische These 205, 208, 215 aus marxistisch-leninistischer Sicht 216 einzelner Wörter 206, 276 Grad 196, 297 Grenzen 276 Herstellung 117, 216, 221, 264 im denotativen Bereich 215 in der Sicht der inhaltbezogenen Sprachwissenschaft 216 praktische 213 prinzipielle 75, 189, 208f., 217, 313 progressive 215 relative 189, 201, 207, 215 stilistische 281 teilweise 194 Text 105, 218 Textgattungen 49 und kommunikativer Zusammenhang 193 und Übersetzungsschwierigkeit 196 und Verstehbarkeit 180 (unübersetzbare) konnotative Werte 218, 266 von Metaphern 296 Übersetzen 13, , siehe Übersetzungsde‐ finitionen/ -modelle als Analyse und Synthese (Rekonstruktion) 108, 113, 223 als Aneignung 52 als Auswahl (Selektion) 173 als hermeneutischer Prozess 45 als Herstellung von Äquivalenz 11, 93, 213, 261 als Herstellung von Bedeutungsgleichheit 156 als Herstellung von Verstehbarkeit 264 als Kommunikationsakt 178, 182 als kommunikative Herausforderung 66, 74 als Kultur- und Spracharbeit 68 als linguistisches Phänomen 172, 178 als literarisch-poetischer Vorgang 153 als schöpferisch-künstlerischer Prozess 103, 349 als sprachliche Kulturtechnik 11, 66, 101, 220, 249, 353 als sprachlich-textuelle(r) Operation/ Prozess 17, 145, 352 als textreproduzierende(r) Operation/ Prozess 11 als Textverarbeitungs- und - reverbalisierungsprozess 19, 106, 222 als Verstehens-/ Interpretationsprozess 52 als Wahl- und Entscheidungsprozess 114, 312 Bedingungen und Faktoren 17, 104, 144, 207, 353 Sachregister 404 <?page no="405"?> Ethik 129 Gesetzmäßigkeiten 151 kulturelle Bedeutung 66 negativer Effekt 32 Notwendigkeit, Rolle und Wert 29, 65, 81 Regelmäßigkeiten 145, 240, 242, 351 und Dolmetschen 13 und Dolmetschen (Schleiermacher) 46, 152, 344 und Kreativität 22, 76, 228, 264, 323 und Transliteration/ Transkription 91, 104, 209 und Verstehen (s. auch Verstehen) 245 Zweck 48, 107, 123 Übersetzer als „Umkodierer“ 118 als Ko-Autor 248 als Sender und Empfänger 174 Berufspraxis 23, 97 Rolle und Funktion im Übersetzungsprozess 126 Selbstverständnis 320 Sprachkompetenz und Sachwissen 21, 32, 111, 168, 337 Status 29 Subjektivität 44 und ihre Theorien 39 Verantwortung 57, 106, 229, 345 Übersetzerausbildung 22, 149, 238, 259 Übersetzung(en) siehe Textreproduk‐ tion als Auslegung/ Interpretation (s. auch Verstehen) 45, 54, 63, 103 als Gegenstand der Sprachwissenschaft 151 als Konkretisation 139 als Lese- und Verständnishilfe 58 als Sprach- und Kulturerweiterung 49 als Textkritik 32 doppelte Bindung 219, 222, 249, 264 eigentliche 92, 98, 213, 219, 223, 237 Eigenübersetzung/ Selbstübersetzung 230 Eingriffe in den Originaltext (s. auch Verbesserung/ Veränderung) 102, 129, 224, 290, 337 Empfängerbezug (s. auch Empfängererwartungen) 178, 258, 265, 352 funktionelle 347 Funktionserhaltung und - wechsel 262 Geschichte 65, 69, 219, 223, 233 Hierarchie der zu bewahrenden Werte 61, 281, 307, 312, 331 interlinguale/ intralinguale 43, 94, 96, 287 Interpretationszwang 169 intersemiotische (Transmutation) 14, 94 kommunikativer Effekt 57, 234 Lesbarkeit/ Verstehbarkeit 234, 264, 279 mehrere Übersetzungen zu einem AS-Text 62, 139, 181, 235 Normen 349 Progressivität 343 Pseudooriginal 84, 241 Pseudoübersetzung 84, 241 realistische 347 receptor-oriented translations 128 Sonderformen 233 und Bearbeitung 54, 93f., 103, 144, Sachregister 405 <?page no="406"?> 233, 236, 292 und Bearbeitungen 71 und Kommentar 16, 99 und Nachdichtung 16 und Paraphrase 16, 99 und Sprachgeschichte 54 und Zusammenfassung 16 und zweisprachige Textausgaben 58, 136, 309 Unidirektionalität 235 Zweck 123 Übersetzungsbarriere 205 Übersetzungsbegriff 16, 71, 144, 213, 219, 249, 292 Mehrdeutigkeit 91, 93 Relativität/ Normativität 108, 229 Übersetzungsdefinitionen/ -modelle 108, 111ff., 115, 155, 222 normativer Aspekt 108, 260 Übersetzungseinheit 108, 119, 242, 262, 338 ausgangstextliche 252 Hierarchie 120 Übersetzungsgrammatik 175, 244 Übersetzungskommunikation 11, 229 Übersetzungskompetenz 149, 259 und Sprachkompetenz 22 Übersetzungskontext 224 Übersetzungskritik 12, 24, 129, 139, 154, 230 wissenschaftliche 147, 281 Übersetzungsmethode(n)/ -prinzip(ien) adaptierende 47, 67, 72, 126, 273 antiillusionistische 347 dokumentarische 345 freie 70, 298, 344 illusionistische 347 transferierende 67 treue 44, 49, 54, 62, 70, 229, 247, 345 verdeutschende (sich einpassende) 44, 49, 68, 71, 76, 345, 347 verfremdende 49, 68, 76, 126, 141, 191, 202, 345, 347 wörtliche 314 Übersetzungspraxis 11, 18, 20, 25, 73, 147, 203, 217, 228, siehe Übersetzungs‐ theorie(n) theoretische Reflexion 39, 61, 77 Übersetzungsprobleme/ -schwierigkeiten/ -fälle 43, 45, 49, 56, 61, 132, 146, 171, 177, 192, 196, 205, 207, 242, 268, 276, 284, 308, 318, 338 bei den verschiedenen Entsprechungstypen 266 bei Namen 342, 348 semantische 178 sprachlich-stilistische 265 textgattungsspezifische 146 und Übersetzungslösungen 242 unlösbare 134, 243, 301, 343 Übersetzungsproduktion 34, 70, 148 Übersetzungsprozeduren 110, 240, 350 Übersetzungsprozess 13, 49, 61, 106, 111, 114, 144, 152, 173, 181, 251, siehe Übersetzen Initialphase 171 Teilmechanisierung 88 Übersetzungssituation 101, 124, 171, 234, 271 Bedingungen 117 Charakteristika 19 und Zweisprachigkeitssituation 99 Übersetzungstheorie(n) 147, 151 allgemeine 151 Aphorismen, Sprüche, Vergleiche, Sachregister 406 <?page no="407"?> Metaphern 40 deutsche Aufklärung 75, 208, 273, 345 explizite und implizite 18, 312, 320 Frühhumanismus 40, 72 für literarische Texte 176 für naturwissenschaftlich-technische Texte 178 Geschichte 71, 145 Grundfragen 49, 145, 148, 344 kommunikationswissenschaftlich orientierte 115 Rechenschaftsberichte 43 romantische Konzeption 76, 348 textgattungsbezogene 343 und Übersetzungspraxis 14 Vor- und Nachworte 39, 49f., 58, 102, 129, 202, 273, 304 Übersetzungstreue/ -loyalität 229, 299, 349 Übersetzungstypen 60, 72, 223 Übersetzungsvariante(n) 115, 303, 342 Übersetzungsverfahren 146, 175, 192, 216, 264, 267, 278, 280, 302, 319, siehe Entsprechungstypen Adaptation 54, 72, 93, 103, 272, 348 Anmerkung 39, 102, 202, 270, 314, 319, 341 automatische 157 definitorische Umschreibung (Explikation) 270, 316 Fremdwort 270 Fußnote 129, 134, 202, 213, 270, 308, 314, 316, 319, 341 Inhaltserläuterung, kommentierende 233 kommentierende 94, 102, 125, 202, 214, 224, 233, 265, 276, 281, 290, 308, 313, 318, 320 Kompensation 192, 298 kompensatorisches 307 Lehnübersetzung 214, 270 Lehnwort 270 Metaphern 296 Modulation 350 Paraphrase 296 Reformulieren, kommentierendes 213 Substitution 296, 348 (Text)zusatz, erläuternder/ kommentierender 44, 234, 317, 319, 342 Transposition 350 Übersetzung sensu stricto 296 Wortform-für-Wortform-Übersetzung 156 Wort-für-Wort-Prinzip 157 Wort-für-Wort-Übersetzung 68, 222 Zitatwort 270, 279 Übersetzungsvergleich 81, 157, 264, 300 Übersetzungswissenschaft allgemeine 151, 175 als angewandte Sprachwissenschaft 153 als empirische Wissenschaft 11, 18, 93, 219, 320, 353 als Hilfsdisziplin der maschinellen Übersetzung 172 als linguistische Teildisziplin 143 als normative Wissenschaft 236, 239 als Translationslinguistik 152, 173, 176, 182 angewandte 147, 150, 153 Ansätze 87, , 145, 219, 249, 262 Sachregister 407 <?page no="408"?> Aufgaben 143 Begriffsbestimmung 17 (Descriptive) Translation Studies 240, 242, 249 deskriptive 150, 182, 236 deskriptiv-prospektive/ -retrospektive 239 didaktische Komponente 148 feministische 20, 128, 191 funktionalistische („Skopostheorie“) 150, 247f., 292 Gegenstandsbestimmung 17, 97, 219, 237, 240, 244 Gliederung 143, 150 historische Übersetzungsforschung 93, 292 interdisziplinärer Charakter 149 Legitimationsproblem 14, 102 Leipziger übersetzungswissenschaftliche Schule 151, 173, 177, 216 linguistische 240 linguistisch-kommunikative 154, 178 linguistisch-sprachenpaarbezogene 150 „moderne“ 49, 73, 345 (neo-)hermeneutische 244f. „neuorientierte“ 15 postkolonialistische 20 produktorientierte 13, 93, 238 prozessorientierte 13 soziolinguistische 181 soziologische 20 spezielle 151, 175 sprachenpaargebundene, angewandte/ deskriptive 150 text-/ textgattungsbezogene 176, 343 theoretisch-deskriptive 242 theoriegeschichtliche Komponente 148 übersetzungsprozessual orientierte 147 übersetzungs- und rezeptionsgeschichtliche Komponente 148, 154 vorwissenschaftliche 40 weitere/ engere Bestimmung(en) 143, 150 Wissenschaftlichkeit 16, 172, 178 Übersetzungswörterbuch 154, 177 Übertragung 60f. Umkodierung (Substitution) 19, 109f., 189, 218 Universalien, linguistische 210 formale 210 semantisches 210 Universalien(theorie) 209 Unübersetzbarkeit 217 als sprachtheoretisches Axiom 199 Axiom der 201 Grad der 343 „objektive Ursachen“ 218 praktische 213 These(n) 189, 201, 205 von Metaphern 299 Varietäten 145 Verbesserung/ Veränderung des Originals in der Übersetzung 337 des AS-Textes 228 von AS-Sachtexten 337 Verbesserung/ Veränderung des Originals in der Übersetzung: Verbesserung „defekter“ AS-Texte 32 Verständigung 30, 65, 117 Verständlichkeit 44, 72, 141, 224, 265 Verständnisbarriere/ -falle 79, 196 Verstehbarkeit 54, 217, 234, 264, 313 Sachregister 408 <?page no="409"?> Verstehen 32, 44, 47, 52, 69, 86, 103, 134, 139, 164, 195, 207, 244, 290, 319, 326, 337, 345 Verstehenshintergrund/ -voraussetzungen 18, 67, 124f., 138, 140, 252, 352 Verstehensprobleme 33, 131, 147, 207, 320 Verwandtschaftsbezeichnungen 198 Weltliteratur/ nationale Literaturen 33, 83, 247, 297, 346, 349 Werbesprache 135, 307 Wert(e) ästhetische/ künstlerische 218, 224 ausgangstextliche 224 denotative 61, 274, 290 Erhaltung 252 formal-ästhetische 211, 265 implizite ausgangstextliche 224 individualistische 211 kommunikative 175, 234 semantische 224 stilistische 224 (unübersetzbare) konnotative 265, 280, 313 Wirkungsgleichheit siehe Invarianz Wissensbarriere 79 Wissenschaftstheorie 245 Wort 112, 121, 206 unübersetzbares 202, 205 Wortebene 280 Wortfeld, sprachliches Feld 189, 198, 274 Wortschatz 62, 95, 126, 137, 198 allgemeinsprachlicher 95 fachsprachlich geprägter 281 mehrsprachig terminologisierter 324 verbotener 191 Zeichen/ -inventar 174, 179 Morsezeichen 91, 104, 115 sprachliches 80, 112, 116, 156, 338 Zeichensprache 212 Zuordnung, formale 256 Zuordnungen 152, 258, 351 feste institutionelle und terminologische 109 potentielle systematische 175 Übersetzungs- 173 ZS-AS- 182 Sachregister 409 <?page no="410"?> ,! 7ID8C5-cfbfhe! ISBN 978-3-8252-5157-4 Dieses Standardwerk der Übersetzungswissenschaft bietet im ersten Teil einen Überblick über Geschichte, Entwicklung und aktuelle Theorien und Modelle des Fachs. Voraussetzungen, Möglichkeiten sowie die kulturelle Bedingtheit des Übersetzens werden systematisch behandelt und durch viele Beispiele veranschaulicht. Der zweite Teil ist dem in der Übersetzungswissenschaft zentralen Begriff der Äquivalenz gewidmet. Darin werden unterschiedliche Dimensionen von Äquivalenz aufgezeigt und ihre Abhängigkeit vom jeweiligen Bezugsrahmen veranschaulicht. Auch die übersetzungsrelevanten Unterschiede verschiedener Textsorten werden behandelt. Die neunte Auflage wurde neu gestaltet und aktualisiert. Zahlreiche Beispiele und die Hervorhebung wichtiger Inhalte über Textboxen erleichtern die Arbeit mit dem Band. Sprachwissenschaft Translationswissenschaft Dies ist ein utb-Band aus dem Narr Francke Attempto Verlag. utb ist eine Kooperation von Verlagen mit einem gemeinsamen Ziel: Lehrbücher und Lernmedien für das erfolgreiche Studium zu veröffentlichen. utb-shop.de QR-Code für mehr Infos und Bewertungen zu diesem Titel
