Lexikon der Kreativität
Grundlagen - Methoden - Begriffe
0102
2018
978-3-8385-5159-3
UTB
Egon Freitag
In der Zeit beschleunigter Globalisierung und Digitalisierung ist Kreativität zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Der Wettbewerb der Wirtschaft auf den regionalen, nationalen und globalen Märkten verlangt von den Managern und allen Mitarbeitern eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und kreative Strategien, um die Potenziale in ihren Unternehmen optimal zu entwickeln. Der Begriff »Kreativität« hat inzwischen auch Eingang in fast alle Lebensbereiche gefunden.
Dieses Lexikon enthält alle grundlegenden Begriffe und Probleme zur Kreativität des Menschen, um dieses faszinierende Thema für einen breiten Interessentenkreis zu erschließen. Im Zentrum der Darstellung stehen Fragen und Probleme der kreativen Persönlichkeit, des kreativen Prozesses und Produktes, der angewandten Kreativität, Methoden der Ideenfindung und Problemlösung. Weitere Schlüsselbegriffe sind: Kreativwirtschaft, kreatives Denken, Selbstverwirklichung, Innovation, Intuition, Persönlichkeitstypen kreativer Intelligenz, Leistungsmotivation, intrinsische und extrinsische Motivation u. v. m. Alle Begriffe werden umfassend definiert und durch Literaturangaben ergänzt.
Die Neuartigkeit, Tiefe und Dichte der Informationen zu den einzelnen Stichwörtern der theoretischen und angewandten Kreativitätsforschung ist bisher einzigartig, da noch kein derartiges Nachschlagewerk existiert.
Dieses Lexikon dient der begrifflichen Orientierung auf dem wichtigsten Bewährungsfeld menschlicher Selbstverwirklichung und bietet auch zahlreiche Anregungen, um die eigene Kreativität zu steigern, für den persönlichen und unternehmerischen Erfolg.
<?page no="0"?> Egon Freitag Lexikon der Kreativität Grundlagen - Methoden - Begriffe <?page no="1"?> Egon Freitag Lexikon der Kreativität <?page no="3"?> Dr. Egon Freitag Lexikon der Kreativität Grundlagen - Methoden - Begriffe <?page no="4"?> Bei der Erstellung des Buches wurde mit großer Sorgfalt vorgegangen; trotzdem lassen sich Fehler nie vollständig ausschließen. Verlag und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf Fehler sind Verlag und Autoren dankbar. © 2018 by expert verlag, Wankelstr. 13, D -71272 Renningen Tel.: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 0, Fax: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 20 E-Mail: expert@expertverlag.de, Internet: www.expertverlag.de Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-8385-5159-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / www.dnb.de abrufbar. Bibliographic Information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at http: / / www.dnb.de / poserver/ VERLAGE/ SIGNETS/ FSC/ Neusatz_FSC_Logos/ FSC_C083411_hoch1_Mix1_Papier1_deutsch1.pod <?page no="5"?> Vorwort Der US-amerikanische Ökonom und Soziologe Richard Florida spricht vom Beginn des »Kreativen Zeitalters« und prognostiziert den Aufstieg der »Kreativen Klasse«. 1 In der Zeit beschleunigter Globalisierung und Digitalisierung ist Kreativität zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Dies verlangt von den Führungskräften und allen Mitarbeitern eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und kreative Strategien, um die vorhandenen Potenziale in ihren Unternehmen optimal zu entwickeln. Wurde der schöpferische Aspekt ursprünglich vor allem mit Künstlern und Gelehrten in Verbindung gebracht, so entscheiden Kreativität und Innovation heute zunehmend über den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens am Markt. Der Begriff »Kreativität« ist inzwischen zum Schlagwort geworden. Wir erleben geradezu einen Kreativitätsboom, was auch zu einem inflationären Gebrauch dieses Begriffes führt. Ist die Kreativität ein Wundermittel für die Lösung aller Probleme? Die Psychologen Heinz Schuler und Yvonne Görlich stellen fest, dass in Wirtschaftsräumen, die durch offene Märkte gekennzeichnet sind, die Kreativität zur „globalen Allzweckwaffe“ wird. 2 Dieses »Lexikon der Kreativität« - das erste auf diesem Gebiet - erläutert alle wichtigen Begriffe und Probleme zur Schöpferkraft des Menschen. Im Zentrum der Darstellung stehen Fragen und Probleme der kreativen Persönlichkeit, des kreativen Denkens, des kreativen Prozesses und Produktes, Probleme der angewandten Kreativität, Leistungsmotivation, Methoden der Ideenfindung und Problemlösung sowie Ausführungen zu den wichtigsten Kreativitätstechniken, wie Brainstorming, Mind Mapping®, Delphi-Methode, Osborn-Checkliste, Synektik, morphologischer Kasten, Reizwortanalyse usw. Weitere Schlüsselbegriffe sind: Kreativwirtschaft, Ideen-Management, intrinsische und extrinsische Motivation u.v.m. Das »Lexikon der Kreativität« vermittelt fundierte Kenntnisse für Studium und Beruf, für Karriere, Erfolg und Selbstverwirklichung, um im globalen Wettbewerb zu bestehen und enthält alle grundlegenden Begriffe sowie detaillierte Literaturangaben, die zur weiteren Vertiefung und Beschäftigung mit diesem Thema anregen. Dabei musste angesichts der umfangreichen Literatur eine Auswahl getroffen werden. Innerhalb der Artikel wird auf weiterführende Stichworte [ ] verwiesen, wobei der Begriff »Kreativität« hiervon ausgenommen ist. Für die englischsprachigen Titel wird generell die Kleinschreibung gewählt. Da zahlreiche Begriffe aus der US-amerikanischen Kreativitätsforschung stammen, wird für diese auch die amerikanische Schreibweise verwendet. Die Bezeichnung „amerikanisch“ bezieht sich, wenn nicht anders vermerkt, stets auf die USA. Zusammengesetzte Begriffe erscheinen in ihrer natürlichen Reihenfolge, also z. B. kreativer Akt (nicht: Akt, kreativer). Die Stichwörter, die mehrere Bedeutungen haben, werden hier nur unter dem Aspekt der Kreativitätsforschung erläutert. Dabei wurde Wert darauf gelegt, auch komplizierte Zusammenhänge möglichst verständlich zu erklären. Alle Begriffe sind der entsprechenden Fachliteratur entnommen, wobei der neueste Forschungsstand berücksichtigt wird. Bei den Beschreibungen zu den Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden beziehen sich die Bezeichnungen »Teilnehmer« bzw. »Gruppenteilnehmer«, »Mitglieder« oder »Gruppenmitglieder« u. ä. sowohl auf weibliche als auch auf männliche Personen. Das »Lexikon der Kreativität« wendet sich an Manager, Ingenieure, Techniker, Designer, 1 F LORIDA , R.: The rise of the creative class. And how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. Basic Books [Paperback first published], New York 2004, p. 19; D ERS .: The flight of the creative class: the new global competition for talent. Collins. An Imprint of HarperCollins Publishers, New York 2007, p. 23. 2 S CHULER , Heinz/ G ÖRLICH , Yvonne: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen et al. 2007, S. 4. <?page no="6"?> Architekten, Marketing- und Werbefachleute, freiberuflich Tätige, an alle kreativen Persönlichkeiten in der Wirtschaft, Technik, Kultur und in den Wissenschaften, in den Medien, an Auszubildende, Studierende, Stellenbewerber und Stellenwechsler, von denen Kreativität erwartet wird, und an alle, die an Erfolg und Karriere interessiert sind. Das hier vorgelegte Lexikon wurde in über zwanzigjähriger Forschungsarbeit und in ungezählten »kreativen« Nachtschichten erarbeitet. Dabei wird der Versuch gewagt, den historischen und aktuellen Wissensstand der Kreativitätsforschung terminologisch darzustellen. Da kreatives Denken und Problemlösen heute in fast allen Lebensbereichen und Aufgabenfeldern gefragt sind, gewinnt die angewandte Kreativitätsforschung zunehmend an Bedeutung. Dieses Lexikon dient der begrifflichen Orientierung auf dem wichtigsten Bewährungsfeld menschlicher Selbstverwirklichung und bietet auch zahlreiche Anregungen, um die eigene Kreativität zu steigern, für den persönlichen und unternehmerischen Erfolg. Das Streben nach Selbstverwirklichung setzt ungeahnte Kräfte frei. Gilt es doch, seinen Lebensentwurf, seine Träume und Ideen gegen eine Welt von Hindernissen durchzusetzen. Der US-amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) erklärte so treffend: »Herauszufinden, wozu man sich eignet und eine Gelegenheit zu finden, das zu tun, ist der Schlüssel zum Glücklichsein«. 3 Das Lexikon erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll aber zur weiteren Beschäftigung mit dieser faszinierenden Thematik anregen. Diese gewinnt zunehmend an Bedeutung und entwickelt sich allmählich zu einer eigenständigen Disziplin. Der Psychologe Franz E. Weinert sprach bereits von einer „Wissenschaft von der Kreativität“, und der USamerikanische Psychologe und Kognitionswissenschaftler Howard Gardner von einer „Wissenschaft kreativer Intelligenz“, während Dean Keith Simonton nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten von außerordentlicher Kreativität sucht. Zum Schluss seien mir noch einige persönliche Worte des Dankes gestattet. Sehr herzlich danke ich dem Geschäftsführer des expert verlags Renningen Herrn Dipl.-Ing. Matthias C. Wippler, dass er dieses Lexikon in sein Verlagsprogramm aufgenommen hat. Sehr dankbar bin ich auch dem Team des expert verlags, vor allem Frau Sigrid Hackenberg für die sorgfältige Lektorierung, sowie Herrn Joachim Bader für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Sehr dankbar bin ich meinen Eltern und meinem Lehrer und »Doktor-Vater«, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Jacobeit und dessen Frau, Prof. Dr. Sigrid Jacobeit, die mir die interdisziplinäre Betrachtungsweise vermittelten, die auch für die Kreativitätsforschung so wichtig ist. Für umfangreiche Literaturbesorgungen danke ich dem Geschäftsführer der Eckermann- Buchhandlung in Weimar, Herrn Johannes Steinhöfel und seinen Mitarbeiterinnen Antje Krella und Anna Socolowsky. Last but not least danke ich vor allem meiner Frau und meinen Töchtern Katja und Stefanie sehr herzlich, dass sie meinen jahrelangen Wochenend- und Nachtschichten so großes Verständnis entgegenbrachten. Bei Stefanie und bei ihrer Freundin Carola Dittrich bedanke ich mich, dass Sie mich in manch schwierigen Fragen bei den Recherchen unterstützt haben. Weimar, im Oktober 2017 Dr. Egon Freitag 3 D EWEY , John; zitiert nach: Herrmann, Ned: Kreativität und Kompetenz. Das einmalige Gehirn. Einführung von Roland Spinola. Fulda 1991, S. 109. <?page no="7"?> Verwendete Abkürzungen: Abk. Abkürzung amerik. Amerikanisch Aufl. Auflage Ausg. Ausgabe Bd., Bde. Band, Bände bes. besonders bzw. beziehungsweise ca. zirka D ERS . Derselbe d. h. das heißt D IES . Dieselbe bzw. Dieselben Diss. Dissertation dt. deutsch dt. Ausg. deutsche Ausgabe dt. Übers. deutsche Übersetzung ed.: edited herausgegeben Ed(s).: Editor(s) (mehrere) Herausgeber eigtl. eigentlich erw. Aufl. erweiterte Auflage et al.: et alii und die übrigen etc. et cetera (und so weiter) franz. Französisch Ggs. Gegensatz griech. Griechisch H. Heft hg. herausgegeben Hrsg. Herausgeber japan. Japanisch Jh. Jahrhundert lat. Lateinisch Lit. Literaturangaben no. Nummer, Heft, Ausgabe (engl. number; von numero) Nr. Nummer, Heft, Ausgabe o. ä. oder ähnliche(s) p.: page Seite phil. Diss. philosophische Dissertation pp.: pages Seiten S. Seite sog. sogenannt Ts. Taunus u. a. und and[e]re[s]; auch: unter anderem bzw. unter anderen u. ä. und ähnliche[s] überarb. Aufl. überarbeitete Auflage übtrg. übertragen urspr. ursprünglich usw. und so weiter u. ö. und öfter verb. Aufl. verbesserte Auflage vgl. vergleiche vol.; volume Bd., Band vols; volumes Bde., Bände z. B. zum Beispiel z. T. zum Teil Die hochgestellten Ziffern ² und ³ stehen für die 2. oder 3. Auflage. <?page no="8"?> A Ablaufanalyse (procedural analysis) auch Ablaufschema (work schedule), Ablaufdiagramm, Flussdiagramm: Ablauf des kreativen Problemlösungsprozesses; Darstellung der Verfahrens- und Handlungsabläufe und des Informationsflusses. Die Kreativitätstechniken folgen meist folgendem Ablaufschema: Erklärung und Regeln der Technik Problemformulierung (Problemstellung, Problemerklärung, Neuformulierung des Problems) Spontane Lösungsideen Technikdurchführung Bewertung (P OHL , 2012, S. 84). Durch die systematische Vergegenwärtigung der einzelnen Phasen und durch Aufzeigen ihrer Beziehungen untereinander werden die Probleminhalte erschlossen; dient dem Ziel, Schwachstellen zu erkennen und zu beseitigen. Die Ablaufanalyse erleichtert die Lösungsfindung. Diese Methode eignet sich für Analyseprobleme. Lit.: P OHL , M.: Kreative Kompetenz. Kreativität entwickeln - Ideen finden - Probleme lösen. Berlin 2012; W AGNER , K. W./ P ATZAK , G.: Performance excellence. München 2007. Ach, Narziß Kaspar (1871-1946): deutscher Arzt und Psychologe. Er gehörte der Würzburger Schule an und beschäftigte sich mit der experimentellen Erforschung des menschlichen Willens. Er entdeckte das Schwierigkeitsgesetz der Motivation. Es besagt, dass schwierige Aufgaben den Menschen zu einer Steigerung seiner Motivation veranlassen. Mit der Schwierigkeit der Aufgabenstellung wachse auch der Wille, dieses Problem zu lösen. Ach wies auf das besondere Energiepotenzial des Willens hin, denn der Wille ermögliche es den Menschen, ihre Handlungsziele auch gegen Widerstände und Hemmnisse (z. B. Ermüdung) über längere Zeit hinweg zu verfolgen. Lit.: A CH , N ARZIß K ASPAR : Über die Willenstätigkeit und das Denken. Göttingen 1905; D ERS .: Über den Willensakt und das Temperament. Leipzig 1910; D ERS .: Analyse des Willens. In: Abderhalden, E. (Hrsg.): Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, 6. Bd., Berlin 1935; D ERS .: Zur neueren Willenslehre. In: Bericht, 15. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Jena 1936. Acht-Phasen-Modell des kreativen Prozesses (eight-stage model of processes of creativity): Die Psychologen Heinz Schuler (*1945) und Yvonne Görlich (*1975) unterscheiden acht Phasen des kreativen Prozesses: 1. Problementdeckung bzw. Problemwahrnehmung, d.h. das Aufspüren und Erkennen von Problemen und Definieren entsprechender Problem- und Fragestellungen ( Problemanalyse), 2. Informationssuche, Informationsaufnahme und -bewertung, 3. Kombination von Konzepten, d. h. Herstellen von Verknüpfungen, 4. Ideenfindung ( Inspiration Aha-Erlebnis Heureka-Erlebnis Geistesblitz), 5. Ausarbeitung und Entwicklung eines Lösungsansatzes, 6. Ideenbewertung, 7. Anpassung und Umsetzung, 8. Implementierung. <?page no="9"?> 5 Aha-Erlebnis Lit.: S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen et al. 2007. Achtsamkeit (mindfulness): Der Begriff wurde 1995 von dem Volkswirtschaftler Karl- Heinz Brodbeck (*1948) in die Kreativitätsforschung eingeführt. Er bezeichnet die Fähigkeit zur bewussten Wahrnehmung von etwas Neuem, die Veranlassung, etwas als neu zu beachten, um Gewohntes zu verändern. Kreativität könne nicht kausal und objektivierend erklärt werden, sondern sei ein Prozess, in dem sich erlebte Bedeutungen ändern. Durch Kreativität werde „niemals etwas völlig Neues erschaffen“, sondern „das Neue wird im Alten entdeckt, wenn man es beachtet.“ ›Kreativ sein‹ bedeute „vor allem, aufzuwachen und sich für die Kreativität zu entscheiden.“ Die Voraussetzung für die Achtsamkeit bestehe darin, die gewohnten Bahnen des Denkens, Fühlens und Handelns zu verlassen. Kreativität könne sich dann entfalten, „wenn diese Routinen beachtet, erkannt und verändert werden.“ Jeder Mensch müsse seine, jede Gruppe ihre eigene Kreativitätstechnik entwickeln. Dies gelinge dadurch, „dass man sein eigenes kreatives Potential, die Möglichkeiten der eigenen Situation durch Achtsamkeit entdeckt und verändert.“ Die Achtsamkeit erschaffe das Neue aus dem Material des Alten, forme es um und verwandle es. „Durch Achtsamkeit verwandeln sich die Beschränkungen in die Diener der Kreativität.“ (B RODBECK , 1995, S. 2 f.). Die Achtsamkeit sei das Zentrum der kreativen Situation und stelle eine Schlüsselrolle dar. Brodbeck unterscheidet den Begriff der Achtsamkeit als innersituative Perspektive vom Terminus Aufmerksamkeit, da dieser als „Aktivitätsgrad psychischer Funktionen“ oder als „Verteilung kognitiver Ressourcen“ dient. (Ebenda, S. 358). Die Entfaltung der Achtsamkeit ist, neben dem Erkennen und Beseitigen von Hindernissen, der zweite wichtige Schritt in der Entwicklung der Kreativität. (B RODBECK , 1995, S. 56). Brodbeck erklärt: „Die ›normale‹ Funktionsweise unserer Achtsamkeit ist ein beständiges Flackern, Oszillieren, Herumschweifen.“ - „Wir wandern von einem Gegenstand zu einem anderen, von einem Gedanken zu einem Gefühl usw.“, d.h. „die Achtsamkeit flackert unruhig zwischen verschiedenen Sinnen bzw. den situativen Modalitäten hin und her.“ (B RODBECK , 1995, S. 56 u. 59). „Das Flackern der Achtsamkeit ist eine Form der Kreativität. Allerdings eine Form, die eine Vergeudung unserer Möglichkeiten darstellt“, weil sie „sich in einem Zustand unaufhörlicher Suche“ befindet. „Wenn die Achtsamkeit nicht flackert, wenn sie ihren ›Lichtkegel‹ auf einen Aspekt, eine situative Modalität richtet, dann gelingt uns etwas, dann können wir ›produktiv‹ sein, dann sind wir ›kreativ‹: Wir konzentrieren unsere kreative Kraft und erhöhen so ihre Wirkung.“ (B RODBECK , 1995, S. 60). Brodbeck bezeichnet die Achtsamkeit auf die Achtsamkeit als Quelle der Kreativität, als ihr Spiel-Raum, denn diese, „woran immer sie sich entfaltet, erwächst aus einem Zustand, in dem die Achtsamkeit konzentriert, fokussiert ist.“ Die Achtsamkeit sei zugleich „Quelle und Ziel der Kreativität.“ (Ebenda, S. 61 u. 65) Lit.: B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt 1995; D ERS .: Mut zur eigenen Kreativität. Wie wir werden, was wir sein können. Freiburg/ Basel/ Wien 2000; L ANGER , E. J.: Mindfulness. Reading, MA 1989; dt. Ausg.: Aktives Denken. Wie wir geistig auf der Höhe bleiben. Reinbek bei Hamburg 1992; S HAN , H.: Achtsamkeit: Die höchste Form des Selbstmanagements. München 2012. Aha-Erlebnis (›Aha‹ experience): plötzlicher Einfall zur Lösung eines Problems, der einem Überraschungseffekt entspricht. Der Begriff wurde 1917 von dem deutschen Psychologen Karl Bühler (1879-1963) geprägt, bei der Besprechung von Wolfgang Köhlers (1887- 1967) Versuchen mit Affen. Bühler beschreibt das Aha-Erlebnis als einen inneren Ruck, mit dem die Plötzlichkeit einer Aufgabenlösung hervortritt: „Unsere Sprache hat die Interjektion ›aha‹ eigens für die Kundgabe solcher Erlebnisse geschaffen.“ Er weist darauf hin, dass ihm bereits bei seinen Würzburger Denkuntersuchungen das Aha-Erlebnis begegnet sei. Auch das Bewusstwerden von Gesetzmäßigkeiten oder Teilgesetzen („Regelbewusstsein“) könne nach Bühler plötzlich vor sich gehen, besonders bei geometrischen Figuren. Diese Auffassung, <?page no="10"?> Akt, kreativer 6 dass man spontane Problemlösungen erleben könne, wenn man sich von früheren Erfahrungen befreit, wurde zum Teil auch durch die Gestaltpsychologen gefördert. So hat der österreichisch-amerikanische Psychologe Max Wertheimer (1880-1943) an zahlreichen Beispielen, von einfachen Denksportaufgaben bis zur Relativitätstheorie Albert Einsteins (1879-1955), die damit verbundenen Erkenntnisprozesse untersucht und ebenfalls das plötzliche Auftauchen der Lösung, das Aha-Erlebnis, festgestellt. Er deutet es als Umstrukturierung von Wahrnehmung und Denken. Ein Aha-Erlebnis kann eintreten, wenn man überraschend und unvermittelt die Lösung seines Problems ›sieht‹, d.h. wenn die Lösung einer Aufgabe durch einen veränderten Interpretationsansatz plötzlich einfällt. Diese unvermittelte Einsicht kann sprunghaft die Erfahrung erweitern. Man erkennt, dass die Aufgaben in Wirklichkeit nicht nur eine Interpretation zulassen. Solange man daran festhält, die Aufgabe auf der Grundlage der vorhandenen Erfahrungen zu lösen, bleibt der Erkenntnissprung aus. Martin Gardner zeigte Wege auf, wie man Aufgaben leichter lösen kann und dabei generell seine Fähigkeiten zum Problemlösen verbessern kann. Seine Hinweise geben zusammengefasst einen kurzen Überblick über die auf das Aha-Erlebnis gestützte Theorie des kreativen Problemlösens. Der Aha-Effekt stellt sich nach Ansicht Gardners erst ein, wenn es gelingt, sich von herkömmlichen, gewohnten Lösungstechniken frei zu machen. Erst dann werde man dafür empfänglich und finde die Lösung. Der US-amerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Robert W. Weisberg bezeichnet das Aha-Erlebnis als einen Erkenntnissprung, als plötzlichen kreativen Einfall. In seiner kritischen Analyse widerspricht er jedoch dem Mythos vom Aha-Erlebnis und der darauf gestützten Theorie des kreativen Problemlösens. Experimentelle Studien erbrachten nämlich nur wenige Hinweise darauf, „dass kreatives Problemlösen durch einen Erkenntnissprung (ein Aha-Erlebnis) erfolgt, sobald der Problemlöser aus der Fixierung seines eingefahrenen Denkens aufgrund früherer Erfahrungen ausbricht.“ ›Einsicht‹-Probleme können nicht unabhängig von früheren Erfahrungen gelöst werden, sondern die Lösung setze „im Gegenteil detaillierte frühere Erfahrungen mit solchen Problemen“ voraus. (W EISBERG , 1989, S. 180). Heureka Lit.: Ayan, J.: Aha! 10 ways to free your creative spirit and find your great ideas. New York 1997; B ÜHLER , K.: Tatsachen und Probleme zu einer Psychologie der Denkvorgänge. II. Über Gedankenzusammenhänge. III. Über Gedankenerinnerungen. Archiv für die gesamte Psychologie. Organ der Deutschen Gesellschaft für Psychologie, 12, Bonn 1908; D ERS .: Die geistige Entwicklung des Kindes. Jena 1918, 6. Aufl., 1930; G ARD- NER , M.: Aha! oder das wahre Verständnis für Mathematik. Heidelberg 1981. Nachdruck: München 1984; W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989, S. 57-74, 180; W ERTHEIMER , M.: Productive thinking. New York/ London 1945; DT .: Produktives Denken. Frankfurt/ M. 1957. Akt, kreativer kreativer Akt Akt/ Potenz (griech. dynamis/ energeia; lat. actus/ potentia): Dieses Begriffspaar wurde von Aristoteles (384-322 v. Chr.) als „dynamis“ und „energeia“ in die Philosophie eingeführt, um die Bewegung, Veränderung und das Werden zu erklären. „Energeia“ bedeutet die Tätigkeit oder Wirksamkeit, mit der sich die Fähigkeit oder Kraft (dynamis) des Seienden verwirklicht, also die Verwirklichung einer Möglichkeit. Diese Gattungsbegriffe sind als Anlage bereits im rohen Stoff vorhanden, wie die Statue schon im Mamorblock steckt, noch bevor der Bildhauer sie herausmeißelt; oder wie in jedem Samenkorn die ganze Pflanze als Keim schon vorhanden ist. Beim Werden und Entstehen geht dann das bleibende, ursprüngliche Wesen der Dinge aus der bloßen Möglichkeit und Anlage in die Wirklichkeit über. Der alle Möglichkeiten in sich tragende Stoff gestaltet sich zu der in ihm angelegten Form. Das wahre Sein offenbart sich somit im Werden, in diesem Übergang von der bloßen Anlage zu ihrer Verwirklichung. Durch Übung und Gewohnheit veredeln wir unsere Anlagen und Fähigkeiten und bringen „das wirklich zustande und vollenden es, wozu in unsrer Natur nur die Möglichkeit liegt.“ Bei allen Künsten gehen „die Handlungen oder die Übung vorher: und die Fertig- <?page no="11"?> 7 Aktives Denken keit, oder das Vermögen ist erst eine Folge derselben. Die Dinge, welche wir gelernt haben müssen, um sie machen zu können, diese lernen wir, indem wir sie machen.“ Aristoteles vertritt hier bereits das Prinzip: Learning by doing. Dazu erklärt er: „Wir werden Baumeister, indem wir viele Häuser bauen, und Lautenspieler, indem wir oft die Laute rühren. ... Verhielte sich die Sache bei den Künsten nicht auf diese Weise, so brauchten sie nicht erst durch Übung erlernt zu werden, sondern man würde entweder als Künstler geboren, oder man würde es durch die bloße Theorie.“ (A RISTOTELES , 1965, S. 149 f.) In solchen Beispielen betrachtet Aristoteles das tätige Prinzip als eine den Dingen innewohnende Fähigkeit. Bei der Tätigkeit unterscheidet Aristoteles zwischen Bewegung (kinesis) und reiner Tätigkeit (energeia im engeren Sinne), z. B. das Sehen oder das Denken. Auch der aristotelische Seelenbegriff wird als Kreativitätsbegriff gedeutet, „als steigende Anpassungsfähigkeit an Umweltbedingungen, ... die mit den jeweiligen Komplexitätsstufen der Seele einhergeht.“ (G ASSER , 2005, Bd. 2, S. 60). In der scholastischen Philosophie wird das aristotelische Begriffspaar „dynamis/ energeia“ mit potentia (Potenz, Möglichkeit, Kraft, Fähigkeit) und actus (Akt, Tätigkeit, Wirklichkeit, das Getriebenwerden) übersetzt. Akt ist die Entfaltung aller Anlagen, Vermögen, die verwirklichte Gegenwart. Im Verhältnis dazu ist die Potenz die innewohnende Möglichkeit, etwas zu verwirklichen, die zur Verwirklichung des Aktes bedarf. Die Akt/ Potenz- Lehre wird in der Scholastik, vor allem durch Thomas von Aquin (um 1225-1274) weiterentwickelt, der mit seiner Theorie vom reinen Akt (actus purus) die Existenz eines ewigen, unendlichen Geistes nachweisen will. Der reine Akt ist die reine Tätigkeit des sich selbst denkenden Geistes, der die letzte Ursache jeder Verwirklichung des Möglichen ist. In der Phänomenologie Edmund Husserls (1859-1938) ist der Akt ein intentionales ( Intention) Erlebnis, das auf einen Gegenstand gerichtet ist, im Gegensatz zum Sinneseindruck. Der von dynamis abgeleitete Begriff der Dynamik findet auch Anwendung in der Motivationspsychologie ( Motivation). Die Kräfte werden dort entweder als Instinkte, Libido, Triebe, Triebfedern, Antriebe, Strebungen oder als Vektoren aufgefasst. Bei William Louis Stern (1871- 1938) und Eduard Spranger (1882-1963) sind Akte der Boden, auf dem wertstiftende, sinngebende Lebensvollzüge ermöglicht werden bzw. geistige Leistungen mit überindividuellem Sinn entstehen. Lit.: A CKRILL , J. L.: Aristotle’s distinction between energia and kinesis. In: J. Barnes/ M. Schofield/ R. Sorabji (Eds.): Articles on Aristotle, IV: Psychology and aesthetics. London 1979, pp. 65-75; A RISTOTELES : Metaphysik. Neubearbeitung der Übersetzung von Hermann Bonitz, mit Einleitung und Kommentar, hg. von Horst Seidle. Griechischer Text in der Edition von Wilhelm Christ, 2 Bde., Hamburg ³1989/ 91; D ERS .: Die Sittenlehre. In: Gadamer, H.-G. (Hrsg.): Philosophisches Lesebuch I, Frankfurt/ M. 1965, S. 120-169; B ECK , H.: Der Akt-Charakter des Seins. München 1965; B RENTANO , F.: Die Psychologie des Aristoteles. Mainz 1867; B UCHNER , H.: Plotins Möglichkeitslehre. München 1970; F ISCHER , E. P.: Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte. Berlin 2003; F REDE , M.: Aristotle’s notion of potentiality in metaphysics. In: Theodor Scaltas/ David Charles/ Mary L. Gill (Eds.): Unity, identity and explanation in Aristotle’s Metaphysics. Oxford 1994, pp. 173-193; G ASSER , G.: Der aristotelische Seelenbegriff als Kreativitätsbegriff. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 51-61; H ÜBNER , J.: Machen wir je etwas Neues? Aristoteles über technische Kreativität. In: Ebenda, Bd. 2, S. 27-39; J ANSEN , L.: Aristoteles und das Problem des Neuen: Wie kreativ sind Veränderungsprinzipien? In: Ebenda, Bd. 2, S. 15-25; K ÜNZLE , P.: Das Verhältnis der Seele zu ihren Potenzen. Fribourg 1956; N EWMARK , C.: Die dýnamis des Aristoteles: Kreation und Prokreation, Kunst und Zeugung. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.- 30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 41-49; S PRANGER , E.: Lebensformen (1914), 9. Aufl., Tübingen 1966; S TALLMACH , J.: Dynamis und Energeia. Untersuchungen am Werk des Aristoteles zur Problemgeschichte von Möglichkeit und Wirklichkeit. Monographien zur philosophischen Forschung, XXI, Meisenheim am Glan 1959; S TERN , W.: Person und Sache. 3 Bde. Leipzig 1906-1924; W IE- LAND , W.: Die aristotelische Physik. Göttingen 1962; W OLF , U.: Möglichkeit und Notwendigkeit bei Aristoteles und heute. München 1979. Aktives Denken (active thinking; auch: mindfulness: Achtsamkeit, Aufmerksamkeit; in der dt. Ausg. mit ›aktivem Denken‹ übersetzt): achtsames, konzentriertes, offenes und perspektivisches Denken. Der Begriff wurde von der amerikanischen US-Sozialpsychologin El- <?page no="12"?> Aktivierung 8 len Langer eingeführt. Aktives Denken versteht sie als Synonym für kreatives Denken, weil hierfür die gleichen Lebenseinstellungen zugrunde liegen. Sie wies nach, dass aktives, kreatives Denken bei älteren Menschen deutlicher ausgeprägt ist als in jungen Jahren, gesundheitsfördernd und lebensverlängernd wirkt. Kreativität und Lebensalter; Achtsamkeit Lit.: H UBER , A.: Stichwort: Kreativität (= Heyne Sachbuch, Nr. 19/ 4114). München 1998; L ANGER , E.: Mindfulness. Reading, MA 1989; dt. Ausg.: Aktives Denken. Wie wir geistig auf der Höhe bleiben. Reinbek bei Hamburg 1992; N ICKERSON , R. S.: Enhancing creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 392-430. Aktivierung (activation): Anregung zu gesteigerter Tätigkeit. Während des kreativen Prozesses erfolgt eine psychophysiologische Aktivierung. Der Mensch kann durch wohldosierte äußere Anregungen, wie komplexe Reize, Bedürfnisse oder Konflikte aktiviert werden, um sein Energiepotenzial für kreative Problemlösungen anzuwenden. Im Zustand der Langeweile findet er dafür keine adäquaten Möglichkeiten, sondern vergeudet seine Energie in nervöser Unruhe. Siegfried Preiser nennt acht Merkmale der Aktivierung: 1. Eine anregende, abwechslungsreiche, vielseitige, mit komplexen Reizen gesättigte, aber nicht überfordernde, übersättigte Umwelt anbieten (Kinderzimmer, Spielplatz, Klassenzimmer, Arbeitsräume, aktivierende Filme, Geräusche usw.); 2. Informations-, Verständnis- und Provokationsfragen stellen; offene und sinnvolle Fragen formulieren; 3. eigene Produktionen veranlassen oder akzeptieren und dann damit spielen, experimentieren oder arbeiten lassen; 4. ›warm-up‹ ermöglichen: kreative Handlungen sollen sich progressiv, aber nicht abrupt ansteigend auseinander ableiten; sie sollen sich ›wie von selbst‹ aus der Situation ergeben; 5. Spontaneität, Eigeninitiative und Selbständigkeit akzeptieren; 6. Explorationsverhalten und unübliche Fragen tolerieren; 7. Frustrationen und Fehlschläge vermeiden bzw. überwinden: fehlende oder stark eingeschränkte Befriedigung elementarer Bedürfnisse führt zu einem Anstieg der Motivation in dem betroffenen Bereich; dadurch wird Energie absorbiert, die dann nicht mehr für eine aktive Auseinandersetzung mit der Umwelt zur Verfügung steht; es sollen ausreichend Gelegenheiten zur Bedürfnisbefriedigung (oder adäquaten Ersatzbefriedigungen) angeboten werden; 8. aktivierende Psychopharmaka verabreichen (z. B. Koffein).« (P REISER , 1986, S. 88) . Die Psychoanalyse kann inzwischen „mit einiger Genauigkeit“ feststellen, durch welche Faktoren Begabungen und Anlagen so aktiviert werden, dass ein bestimmtes Talent sich kreativ entwickelt. Die Art, in der sich jemand seiner Gaben bedient, hängt von seinem Temperament, von dem Milieu, das die Aktualisierung der Potenzen stimuliert oder hemmt, und von seiner Triebentwicklung ab. Ich-Funktionen treten an die Stelle von durch Vererbung festgelegten ›angeborenen Verhaltensmustern‹. Ob der Lernvorgang günstig verläuft, hängt von zwei Gruppen von Faktoren ab: 1. Die Entwicklung der Begabung, die Mobilisierung der noch schlummernden Fähigkeiten wird durch die Erzieher ermöglicht bzw. stimuliert. 2. Gewisse Konstellationen in der Persönlichkeit fördern, andere hemmen die Entwicklung der Begabung. Diese Konstellationen werden durch die Verarbeitung von Triebimpulsen und die Lösung von Triebkonflikten bestimmt. (K UIPER , 1984, S. 46-48) Lit.: K UIPER , P. C.: Die psychoanalytische Biographie der schöpferischen Persönlichkeit. In: Kraft, H. (Hrsg.) : Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. Köln 1984, S. 38-63; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61). Darmstadt, ²1986. Aktivitätspozential Energiepotenzial Aktualgenese (actual genesis, percept-genesis): ein Vorgestalterlebnis; Formenbildung als Entwicklung von Vorgestalten, d. h. die Entstehung von ungegliederten, zusammenhang- <?page no="13"?> 9 Alltägliche Kreativität losen Gestalten, die in einem Prozess schöpferischer Synthese gleichsam zusammenwachsen und verfestigen zur Endgestalt. Der Begriff geht auf den Psychologen Friedrich Sander (1889- 1971) zurück. Er bezeichnet damit jene Phase des kreativen Prozesses, in der das Sinnganze der künstlerischen und wissenschaftlichen Gestaltung ›aufdämmert‹, aber vom Dichter, bildenden Künstler, Komponisten oder Gelehrten noch ohne klare Konturen und ohne Gliederung erlebt wird. Dieses gefühlsartige Etwas ziehe sich dann gleichsam zu einer „Vorgestalt“ zusammen, die bei rückblickender Betrachtung das Wesentliche des später realisierten Ganzen bereits enthält. Die sinnvoll durchformte, befriedigende Verwirklichung, mit der der kreative Prozess seinen Abschluss findet, bezeichnet Sander als „Endgestalt“. Es besteht eine Verwandtschaft aktualgenetischer Vorgänge „mit echten schöpferischen Gestaltungsvorgängen“. (Sander; zitiert in: Fitzek/ Salber, 1996, S. 80). Der Begriff wird auch im Zusammenhang mit psychischen Vorgängen beim Problemlösen verwendet, auch wenn diese auf einer komplexeren Prozessebene ablaufen. Sie umfassen das Zustandekommen, den zeitlichen Verlauf und Mechanismen von elementaren Prozessen und Komponenten der Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung, -speicherung, -erzeugung und -nutzung in psychischen Prozessen bei der Wahrnehmung und beim kreativen Denken. Lit.: F ITZEK , H./ S ALBER , W.: Gestaltpsychologie. Geschichte und Praxis. Darmstadt 1996; G RAUMANN , C. F.: Aktualgenese. Die deskriptiven Grundlagen und theoretischen Wandlungen des aktualgenetischen Forschungsansatzes. In: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie, 1959, H. 6, S. 410-449; L INSCHOTEN , J.: Aktualgenese als heuristisches Prinzip. In: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie 6, 1959, S. 449-473; S ANDER , F.: Experimentelle Ergebnisse der Gestaltpsychologie. Sammelreferat. Bericht über den X. Kongreß für experimentelle Psychologie Bonn 1927. Jena 1928; Dass. in: Sander, F./ Volkelt, H.: Ganzheitspsychologie. Grundlagen, Ergebnisse, Anwendungen. München 1962, S. 73-112; D ERS .: Psychopathologie des Abbaus graphischer Leistungen und Gestaltpsychologie. In: Suchenwirth, R. (Hrsg.): Abbau der graphischen Leistung. Stuttgart 1967, S. 87-105; S ANDER , F./ V OLKELT , H.: Ganzheitspsychologie. Grundlagen, Ergebnisse, Anwendungen. München 1962. Alltägliche Kreativität (everyday creativity): auch Alltagskreativität oder gewöhnliche Kreativität. Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) bezeichnet diese als „›kleine‹ Kreativität, die ein wichtiger Bestandteil des Alltags ist.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 19). Auch Karl- Heinz Brodbeck (*1948) spricht von der „kleinen Kreativität des Alltags“, die für jedermann bedeutsam sei. (B RODBECK , 1995, S. 26). Offenbar gebe es „keine besonderen Faktoren, die die Menschen in zwei Klassen teilen: kreative und nichtkreative“. Ein Absolvent der Universitäten Cambridge oder Harvard sei „nicht prinzipiell kreativer als eine Hausfrau oder ein Verkäufer für Herrenoberbekleidung. Sie sind nur auf andere Weise kreativ.“ (Ebenda, S. 23). Martin Schuster verbindet mit der alltäglichen Kreativität Synonyme wie Findigkeit, Einfallsreichtum, Schlagfertigkeit, Improvisationsfähigkeit, die Begabung, sich auch in schwierigen Situationen zu behelfen bzw. immer einen Ausweg zu wissen. (vgl. S CHUSTER , 2011, S. 39). Alltägliche Kreativität beinhaltet produktive Leistungen, Ideen und die Gestaltungskraft bei der Lösung alltäglicher Probleme, sofern diese Bewältigung nicht routinemäßig erfolgt, sondern neu und originell ist. Es sind die Mittel und Wege, die unseren Alltag erleichtern oder verschönern; „die täglich verfügbare Kreativität im Alltag“ (S CHUSTER , 2011, S. 13), und zwar „in allen Lebensbereichen: Haushalt, soziale Beziehungen Technik, Mode etc.“ (Ebenda, S. 8). In der Forschungsliteratur wird meist zwischen außergewöhnlicher und alltäglicher Kreativität (eminent and everyday creativity) unterschieden. (Runco/ Richards, 1997). Die Kreativität im Alltag beinhaltet all das, „was der Mensch als gesellschaftliches Individuum für seinen tätigen Anteil am historischen Progress zur Voraussetzung braucht“, vor allem aber, was er „durch die selbstgeschaffenen und erkämpften Möglichkeiten seines Tätigseins je nach den Gegebenheiten verändert - bereichernd oder verarmend“ (JACOBEIT, S. u. W., 1985, S. 10) Dieser „selbstgeschaffene“, „tätige Anteil“, insofern er von „bereichernder“ Effizienz ist und eine Neuleistung oder eine ungewöhnliche Problemlösung bzw. Verbesserung hervorbringt, weist dem Individuum eine kreative Rolle zu. Diese wird entweder als Einzel- <?page no="14"?> Alltägliche Kreativität 10 leistung oder integriert in eine Gruppenleistung verwirklicht und ist oft eine Gratwanderung zwischen Tradition und Innovation, wobei sich Neuerungen vor allem in den wissenschaftlich-technischen Gebieten vollziehen. In der Rechtsauffassung des Volkes, in den Wert- und Glaubensvorstellungen oder innerhalb der Sprache geht die Verwirklichung von Kreativität dagegen erheblich langsamer und mit größerem Widerstand vor sich. (vgl. H EILFURTH , 1974, S. 208). Die kreativen Leistungen im Alltag folgen aber „denselben Gesetzen, ... die auch für die außergewöhnlichen Leistungen gelten.“ (K UBIE , 1966, S. 107). Donald Wouds Winnicott (1896-1971) weist darauf hin, dass „ein Bild, ein Haus, ein Garten, eine Tracht oder eine Frisur“, die Einrichtung eines Zimmers oder „ein gelungenes Mahl, das zu Hause angerichtet wird“, eine kreative Leistung darstellen können. (W INNICOTT , 1984, S. 71). Auch das phantasiebegabte Kind, das sich im Rollenspiel, in Zeichnungen und Geschichten seine Welt gestaltet, der begnadete Tüftler, der sich praktische Lösungen im Alltag ausdenkt und Hilfsmittel für ein bequemeres Leben konstruiert, die Teilnehmer an Mal- und Selbsterfahrungskursen, die damit eine kreative Form der Selbstverwirklichung suchen, gestalten ihren kreativen Alltag. Es ist ein kreativer Selbstfindungsprozess, die Erforschung des Selbst und der Umwelt. Dabei geht es um die Nutzung von individuellen Anlagen, Begabungen und Fähigkeiten, für die es kein Schulfach gibt und die in den Bildungseinrichtungen nicht oder kaum gefördert werden. Robert W. Weisberg beschreibt diese Kreativität als eine Leistung, „die aus den gewöhnlichen Denkprozessen gewöhnlicher Menschen hervorgeht.“ (W EISBERG , 1989, S. 28). Ruth Richards nennt dazu 4 Schlüsselfragen: 1. Das Konstrukt der alltäglichen Kreativität 2. Gesundheitliche Vorteile der alltäglichen Kreativität 3. Alternative Möglichkeiten des Wissens und der Kreativität 4. Kreative Normalität gegen Anpassung im alltäglichen Leben (R ICHARDS , 2010, p. 189 f). Das Konstrukt der alltäglichen Kreativität wird bestimmt durch Begriffe der menschlichen Originalität zur Arbeit und Freizeit quer durch die verschiedenen Aktivitäten des Alltagslebens. Es ist bis zu einem gewissen Grad von zentraler Bedeutung für das menschliche Überleben, und es ist und muss bei jedem vorkommen. (R ICHARDS , 2010, p. 190). Zur Kreativität im Alltag gehören auch Erfindungen von Alltagsgegenständen (z. B. der Klettverschluss), die Rezeption, die Veränderung und Gestaltung der Umwelt durch das Volk, alternative Lebensformen u. a. Andererseits wird die außergewöhnliche Kreativität auch von kulturellen Leistungen des Volkes beeinflusst. Klassische Komponisten ließen sich durch Volksweisen und Volkstänze inspirieren, z. B. Bartok, Liszt, Chopin, Mozart, Beethoven, Orff u. a. Barocke Tanzsuiten und die Sätze zahlreicher klassischer Sinfonien entstanden z. T. aus Melodien der Volksmusik (z. B. die „Slawischen Tänze“ von Dvo ák und die „Ungarischen Tänze“ von Brahms). Alltagskreativität hat oft spielerischen Charakter, kann aber auch in die Fachgebiete der genialen Kreativität übergreifen, so dass eine bedeutende Leistung daraus entstehen kann. Martin Schuster hat eine Skala zur Alltagskreativität entworfen. Dabei unterscheidet er vier Skalenwerte: 1. passive Kreativität, sich auf etwas Neues einlassen, nur für eine Person nützlich; 2. nicht absolut neu, hat es an anderer Stelle auch schon gegeben, aber regional neu, eine andere Erfindung wird nachgeahmt; 3. neu, aber spielerisch aufzufinden, z. B. eine neue Redensart; 4. Die Anwendung eines bekannten Prinzips führt im Bereich des Alltags zu neuen Ergebnissen. (Schuster, 2011, S. 36). Kreativität umfasst nicht nur die Fähigkeit zur Gestaltung der materiellen Welt, sondern auch die Fähigkeit zur Gestaltung der Beziehungswelt, des Miteinanders, die Kultur der zwischenmenschlichen Beziehungen. Die Kreativität im Alltag hängt vor allem von den Daseinsbedingungen des Individuums ab, damit sich seine Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten entfalten können. Neben der angeborenen Veranlagung sind die im Laufe des Lebens erworbenen Erfahrungen und Fähigkeiten, die Erziehung und die Einflüsse der Lebensumwelt prägend und von fördernder oder hemmender Wirkung. Kreativität ist nicht nur den Hochbegabten vorbehalten, sondern weitverbreitet ist die Auffassung, dass jeder <?page no="15"?> 11 Altschuller, Genrich Soulovich Mensch kreativ ist. Günter Ammon (1918-1995) betont: „Ein Arbeiter kann genauso kreativ sein in seinem Lebensstil, in seinem Denken, in seiner Sexualität, in seinem Schaffen am Arbeitsplatz und in seiner Beziehung zu seinen mitarbeitenden Kollegen wie ein Künstler, der komponiert oder bildhauert.“ (Ammon, 1981/ 85, S. 439). Auch Siegfried Preiser (*1943) vertritt die Auffassung, dass es psychologisch unangemessen sei, „den Begriff des Schöpferischen exklusiv auf eine kleine Elite anzuwenden und damit in seiner Anwendbarkeit einzuschränken.“ (P REISER , 1986, S. 4 f.) Die psychologische Forschung hat nachgewiesen, dass kreative Leistungen auch erfolgreich erworben werden können. Jeder verfügt über mehr oder weniger unerschlossene kreative Möglichkeiten, Begabungs- und Kreativitätsreserven. Um mit neuartigen Situationen umgehen zu können, mit denen wir konfrontiert werden, modifizieren wir ständig unser Verhalten, d. h. der Alltag als Form der Daseinsbewältigung erfordert die Anpassung an neuartige Situationen und damit kreatives Handeln und ein Problemlösungsverhalten, das kreative Elemente enthält. Diese gewöhnliche oder alltägliche Kreativität umfasst zwei Facetten: Wahrnehmung und Reaktion. Eine Situation ist nie mit dem Wissen eines Menschen völlig deckungsgleich. Die Fähigkeit, unter diesen Bedingungen zu reagieren, bedeutet, mit etwas Neuartigem umzugehen, d. h. kreativ zu denken und zu handeln. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 193). Auch die alltägliche Lebensführung ist eine kreative Aufgabe. Lit.: A MMON , G.: Zur Dynamik des Schöpferischen. In: Kindlers Enzyklopädie: Der Mensch, hg. von Herbert Wendt und Norbert Loacker, 10 Bde., Zürich 1981-1985, Bd. VI: Sprache, Kunst und Religion, S. 430- 448; D ERS . (Hrsg.): Gruppendynamik der Kreativität. Eschborn bei Frankfurt am Main ²1998; B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt 1995, ²1999; ³2007; C ROPLEY , A. J.: Kreativität im Alltag. Über Grundsätze kreativitätsorientierten Lehrens und Lernens. In: International Review of Education, 36, 1990, pp. 329-344; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997, 6. Aufl., 2003; F REITAG , E.: „Das poetische Talent ist dem Bauer so gut gegeben als dem Ritter.“ Alltagsbegriff und Kreativität zur Goethezeit. In: Kaschuba, W./ Scholze, Th./ Scholze-Irrlitz, L. (Hrsg.): Alltagskultur im Umbruch [Festschrift für Wolfgang Jacobeit zu seinem 75. Geburtstag]; (Alltag & Kultur; Bd. 1). Weimar, Köln, Wien 1996, S. 49-70; H EILFURTH , G.: Volkskunde. In: Handbuch der empirischen Sozialforschung, hg. von René König, Bd. 4: Komplexe Forschungsansätze. Stuttgart ³1974; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen 2005; ²2007; ³2010; J ACOBEIT , S. U . W.: Illustrierte Alltagsgeschichte des deutschen Volkes, 3 Bde; HIER : Bd. 1: 1550-1810. Mit einem Vorwort von Jürgen Kuczynski. Leipzig/ Jena/ Berlin 1985; K UBIE , L. S.: Psychoanalyse und Genie. Der schöpferische Prozess (= rowohlts deutsche enzyklopädie. Das Wissen des 20. Jhs. im Taschenbuch, hg. von Ernesto Grassi, Bd. 244). Reinbek bei Hamburg 1966. Originalausg.: Neurotic distortion of the creative process. Paperback edition. New York 1961; P LÜMACHER , M.: Alltägliche und organisierte Kreativität. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.- 30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 337-348; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; R ICHARDS , R.: Everyday creativity: Our hidden potential. In: Richards, R. (Ed.): Everyday creativity and new views of human nature. Psychological, social, and spiritual perspectives. Washington. DC: American Psychological Association 2007, pp. 25-53; R ICHARDS , R. (Ed.): Everyday creativity and new views of human nature. Psychological, social, and spiritual perspectives. Washington. DC: American Psychological Association 2007; R ICHARDS , R.: Everyday creativity: Process and way of life - four key issues. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 189-215; R UNCO , M. A./ R ICHARDS , R. (Eds.): Eminent creativity, everyday creativity, and health. Greenwich, CT: Ablex 1998; S CHUSTER , M.: Picasso kann jeder? ! Kreativität im Alltag. Stuttgart 2011; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989; W INNICOTT , D. W.: Kreativität und ihre Wurzeln - Das Konzept der Kreativität. In: Kraft, H. (Hrsg.) : Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. (DuMont-Taschenbücher; 151). Köln 1984, S. 64-77. Altschuller, Genrich Soulovich (1926-1998): russischer Wissenschaftler; als Patentoffizier bei der russischen Marine half er den Erfindern beim Verfassen ihrer Patentschriften. Bei der Auswertung von etwa 2,5 Millionen Patenten erkannte er, dass jede bedeutende Erfindung festgelegten Gesetzmäßigkeiten folgt. Auf Grund dieser Beobachtung untersuchte er wiederkehrende Muster kreativer Problemlösungen, die für die unterschiedlichsten Technologien und Branchen Gültigkeit besitzen. Daraus leitete er 200 Strategeme ab, für die er die <?page no="16"?> Amabile, Teresa M. 12 Bezeichnung TRIZ wählte. TRIZ (russische Abk. für „Teorija Reschenija Isobretatelskich Zadach“): Theorie des erfinderischen Problemlösens. Außerdem entwickelte Altschuller die komplexe Methode ARIZ (mitunter auch unter der Bezeichnung ARIS erwähnt). Es ist ein Verfahren zur Problemlösung (sinngemäß übersetzt: Algorithmus bzw. Schrittverfahren zur Lösung der Erfindungsprobleme - oder Algorithmus zum Lösen erfinderischer Aufgaben). Lit.: A LTSHULLER , G. S.: Creativity as an exact science. The theory of the solution of inventive problems. Gordon and Breeach Science Publishers. New York 1984; D ERS .: Erfinden - Wege zur Lösung technischer Probleme. Berlin: Verlag Technik 1984; A LTSHULLER , G. S./ S HULYAK , L.: And suddenly the inventor appeared. TRIZ, the theory of inventive problem solving. Worcester 2004; Z OBEL , D.: TRIZ für Alle - Der systematische Weg zur Problemlösung. Renningen ³2011; Z OBEL , D./ H ARTMANN , R.: Erfindungsmuster TRIZ. Renningen 2009. Amabile, Teresa M. (*1950): amerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin, Kreativitätsforscherin. Sie etablierte 1983 eine Sozialpsychologie der Kreativität, die innerhalb der psychologischen Kreativitätsforschung als Grundlagenwerk gilt. Davon erschien 1996 eine stark überarbeitete Version unter dem Titel „Creativity in context“. Amabile entwickelte ein Drei-Komponenten-Modell der Kreativität“ und die Hypothese der inneren Motivation (internal motivation hypothesis). Erstmals hob sie die Bedeutung von intrinsischer Motivation für kreative Prozesse hervor. Lit.: A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York, Berlin, Heidelberg, Tokyo 1983; D IES .: The social psychology of creativity: A componential conceptualization. In: Journal of Personality and Social Psychology, 45, 1983, pp. 357-376; D IES .: Growing up creative. New York: Crown Publishing Group, Inc., 1989; D IES .: Within you, without you. The social psychology of creativity, and beyond. In: Runco, M. A./ Albert, R. S. (Eds.): Theories of creativity. Newbury Park, California 1990, pp. 61-91; D IES .: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity (Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; D IES .: How to kill creativity. In: Harvard business review on breakthrough thinking. (A Harvard business review paperback). Boston, MA 1999, pp. 1-28; A MABILE , T. M./ B URNSIDE , R./ G RYSKIEWICZ , S. S.: User’s manual for KEYS: Assessing for climate for creativity (Greensboro, N.C.: Center for creative leadership, 1998); Amabile, T. M./ Goldfarb, P., & Brackfield, S. C.: Social influences on creativity: Evaluation, coaction and surveillance. In: Creativity Research Journal, 3, 1990, pp. 6-21; A MABILE , T. M./ G RYSKIEWICZ , S. S.: The creative environment scales. Work environment inventory. In: Creativity Research Journal, 2, 1989, pp. 231- 253; A MABILE , T. M./ H ILL , K. G./ H ENNESSEY , B. A./ T IGHE , E. M.: The work preference inventory. Assessing intrinsic and extrinsic motivational orientations. In: Journal of Personality and Social Psychology, 66, 1994, pp. 950-967; H ENNESSEY , B. A./ A MABILE , T. M.: The conditions of creativity. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney 1988; ²1989, pp. 11-38. Ambiguitätstoleranz (tolerance for ambiguity; von lat. ambiguitas: Zweideutigkeit, Doppelsinnigkeit; Ambiguität: Mehrdeutigkeit oder Doppelseitigkeit eines Sachverhaltes). Ambiguitätstoleranz ist die Bereitschaft und Fähigkeit, problematische, widersprüchliche, unübersichtliche oder nahezu ausweglose Situationen auszuhalten und dennoch unermüdlich an deren Bewältigung zu arbeiten. Es ist die Bereitschaft, „nicht vorschnell in festen Kategorien oder ›Konstrukten‹ zu denken und in mehrdeutigen, unklaren Situationen keine vorzeitigen Entscheidungen oder Festlegungen zu treffen. Auf die Umwelt gerichtete Aktivität und Offenheit setzt also die Bereitschaft voraus, Schwierigkeiten in der Interaktion mit der Umwelt zu ertragen.“ (P REISER , 1986, S. 71) . Die Ambiguitätstoleranz ist die Voraussetzung, widersprüchliche Lösungsmöglichkeiten und die Schwebe der Ungewissheit längere Zeit zu ertragen. Wer voreilig nach Lösungen drängt, büßt damit die Möglichkeit ein, bessere und ausgereiftere Resultate zu erreichen. Der Psychoanalytiker und Psychotherapeut Paul Matussek (1919-2003) meint: „Mit der Ambiguitätstoleranz hängt wohl auch die Vorliebe des schöpferischen Menschen für komplexe, undurchsichtige Gebiete zusammen. Hier muss er oft Antinomien und Ungereimtheiten lange ertragen können. Aber gerade dadurch fühlt er sich und sein Denken herausgefordert, jedenfalls mehr als durch Fortschreiten auf bereits bekann- <?page no="17"?> 13 Analogie-Technik ten Pfaden.“ (M ATUSSEK , 1982, S. 51). Die Ambiguitätstoleranz erhöht die Wahrscheinlichkeit, Sachverhalte auf verschiedenartige Weise zu verstehen und diese zum Problemlösen heranzuziehen; sie erhöht die Sensibilität für Informationen, die zum bisherigen Verständnis einer Sache widersprüchlich sind und die Bereitschaft, konfliktreiche Fakten oder Auffassungen einer Lösung zuzuführen. Die Ambiguitätstoleranz ist ein zentraler Punkt kreativer Persönlichkeitsmerkmale. Lit.: M ATUSSEK , P.: Kreativität. In: Kindlers »Psychologie des 20. Jahrhunderts«. Psychologie der Kultur, Bd. 1: Transzendenz und Religion, hg. von Gion Condrau. Weinheim/ Basel 1982, S. 40-62; M UMFORD , M. D./ G USTAFSON , S. B.: Creativity syndrome: Integration, application, and innovation. In: Psychological Bulletin, 103, 1988, pp. 27-43; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61). Darmstadt, ²1986. Analogie-Technik (analogy technique; von griech. analogos: übereinstimmend, eigtl. der Vernunft entsprechend; lat. analogia: gleiches Verhältnis) eine Kreativitätstechnik, die die Ähnlichkeit oder Entsprechung von Gegenständen, Ideen, Sachverhalten oder Problemstellungen aus anderen Bereichen zum Vorbild nimmt, um sie auf neue Aufgabenstellungen zu übertragen. Alle diesbezüglichen Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten werden ermittelt und ausgewertet. Die Suche nach Analogien aus anderen Bereichen fördert das divergente, assoziative Denken und erleichtert die Hypothesenbildung. Die Analogie bezieht sich z. B. auf strukturelle Ähnlichkeit, auf Aussehen, Funktionalität, auf Kommunikations- oder Verhaltensweisen, jedoch nicht oder nur bedingt auf inhaltliche Ähnlichkeit. (vgl. A RBINGER , 1997, S. 80) Im Prozess der Analogiebildung wird also vorhandenes Wissen auf Grund einer Ähnlichkeitsbeziehung auf neue Situationen übertragen (Wissenstransfer). Dadurch lassen sich häufig brauchbare und originelle Lösungsansätze erzielen. So hält die Natur eine Fülle von Problemlösungen bereit, die man sich in der Bionik durch analoge Übertragungen zunutze macht. Drei verschiedene Analogie-Formen werden unterschieden: die direkte, die persönliche und die symbolische Analogie. Direkte Analogien sind Anleihen in der Natur ( Bionik), Technik und Wissenschaft, wo es bereits adäquate Lösungen für zahlreiche Probleme gibt, die häufig als direkte Vorlage dienen können. Diese Analogie-Technik setzt sich aus folgenden Lösungsschritten zusammen: 1. Zusammenfassung der Problemdefinition; 2. Suche nach direkten Analogien in der Natur, in der Technik und in verschiedenen Wissenschaftsbereichen; 3. Der Moderator dieser Kreativitätstechnik stellt die gefundenen Beispiele in der Gruppe vor und fragt nach der möglichen Anwendung auf das Ausgangsproblem. Für jedes Beispiel werden möglichst viele Vorschläge und Ideen gesammelt. 4. Phase der Anwendung der gefundenen Beispiele auf die gestellte Aufgabe. Persönliche Analogie: Hierbei wird versucht, sich in eine Problemursache oder Lösung emotional hineinzuversetzen, um aus dieser ungewohnten Perspektive neue Ideen zu erhalten. Symbolische Analogie: auch als verfremdete Analogie bezeichnet, weil das Problem dabei verfremdet wird, um aus einer ungewohnten Perspektive neue Lösungsmöglichkeiten zu erhalten. Für die Problemdefinition wird nach Metaphern, Bildern und Gleichnissen gesucht, zu denen Assoziationen gebildet werden. Auch abwegige, paradox klingende Umschreibungen können mitunter zu überraschenden Lösungen führen. Die Analogie-Technik wird vor allem in der klassischen und visuellen Synektik sowie in der Bisoziation verwendet, jedoch ist die Analogiebildung in fast allen Kreativitätstechniken von zentraler oder ergänzender Bedeutung, denn durch Analogieschlüsse wurden bereits zahlreiche Probleme erfolgreich gelöst. Lit.: A RBINGER , R.: Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt 1997; P OHL , M.: Kreative Kompetenz. Kreativität entwickeln - Ideen finden - Probleme lösen. Berlin 2012; R OTH , S.: Kreativitätstechniken. Ideen produzieren, Probleme lösen - allein oder im Team. Praxis-Wissen kompakt, Bd. 7, Bonn 2011; V OHLE , F.: Analogietraining. In: Reinmann, G./ Mandl, H. (Hrsg.): Psychologie <?page no="18"?> Analyseprobleme 14 des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004, S. 341-350. Analyseprobleme Problemgruppen Angewandte Kreativität (applied creativity) auch als praktische, praxisorientierte, problemlösende Kreativität, Creaktivität bzw. als „berufsbezogene Kreativitätsforschung“ bezeichnet. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 2 f.); die Gesamtheit der Anwendung kreativer Ideen, Erkenntnisse und Methoden in verschiedenen Praxisbereichen, wobei sich die angewandte Kreativität heute auf fast alle Lebensbereiche bezieht. Die theoretische Kreativitätsforschung ohne Praxisbezug und Praxiswirksamkeit ist realitätsfern und wissenschaftlich unfruchtbar, d. h. „Kreativität gibt es ... nur als verwirklichte.“ (W ERMKE , 1994, Bd. 1, S. 67). Während sich die theoretische Forschung z. B. mit dem Wesen der Kreativität, ihrer Gegenstandsbestimmung, Relevanz und Angemessenheit verschiedener Strategien und Methoden, mit neuartigen Assoziationen und Begriffen, mit den Merkmalen der kreativen Persönlichkeit, dem kreativen Denken und Problemlösen, dem kreativen Prozess, der kreativen Umwelt, mit dem Zustandekommen kreativer Leistungen und Möglichkeiten ihrer Förderung beschäftigt, erfordert die praktische Kreativität das Aufspüren konkreter Probleme und die Umsetzung origineller Einfälle in speziellen Anwendungsmöglichkeiten, z. B. in neue Produkte und Prozesse, in wirtschaftlich nützliche Innovationen. (Vgl. F ACAOARU , 1985, S. 141 f.) Kreativität zeigt sich vor allem „im innovativen Gehalt ihrer Produkte, die mit Attributen wie originell, neu, künstlerisch, wertvoll, brauchbar belegt sind.“ (R IPKE , 2005, S. 40). Kreative Einfälle, künstlerische Ideen, technische Problemlösungen oder wissenschaftliche Theorien können ihre Anwendung in Form von Gebrauchsmustern, Verbesserungsvorschlägen, Patenten, Kunstwerken oder in wegweisenden wissenschaftlichen Veröffentlichungen finden. Die anwendungsorientierte Forschung sieht in der Kreativität der Mitarbeiter eine Möglichkeit zur Leistungssteigerung, für den unternehmerischen Erfolg, d. h. Kreativität als wirtschaftlicher Wachstumsfaktor ( Kreativwirtschaft), für die Lösung aktueller praktischer Probleme; desweiteren im Bildungssektor, bei der Begabtenförderung usw., aber auch bei der Lösung alltäglicher Probleme. Angewandte Kreativität ist auch die Fähigkeit, „flexibel auf neuartige Herausforderungen zu reagieren, Chancen zu ergreifen, den Wandel als Chance zu verstehen und ihn zu nutzen und dann spontan neue Lösungsansätze hervorzubringen. ...“ (L AUTENSCHLÄGER , 2001, S. 59). Die angewandte, praxisorientierte Kreativitätsforschung bezieht sich z. B. auf: die Verbesserung der Personalauswahl von kreativen Mitarbeitern oder Managern durch spezifische eignungsdiagnostische Verfahren die Zuordnung von Personen und Phasen des kreativen Prozesses - Identifikation und Beratung kreativer Existenzgründer - Kreativitätsförderung durch Training, durch verbesserte Gestaltung des Arbeitsablaufs, durch Interaktion und Führung - Veränderungen der Organisation, die sich auf die Innovationsbereitschaft fördernd auswirken. (Schuler/ Görlich, 2007, S. 3). Neben den traditionellen Anwendungsgebieten der Kreativität in der Kunst, in Wissenschaft und Technik sind es vor allem globale Probleme, die kreative Lösungen erfordern (Ernährung, Rohstoffe, Energie, Verkehrsplanung, Umwelt, die friedliche Lösung politischer Konflikte usw.) Rainer M. Holm-Hadulla (*1951) spricht auch von „politischer Kreativität“. (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 13, 17, 59-66). Eine besondere Bedeutung hat die soziale Kreativität, die Einfluss auf die Lebens- und Entfaltungsbedingungen der Menschen hat, mit dem Ziel, diese „gerecht zu verändern“. Für die Umsetzung von Ideen in Innovationen sind folgende Persönlichkeitsmerkmale erforderlich: - Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, - Überzeugungskraft, <?page no="19"?> 15 Angewandte Kreativität - Anpassungsbereitschaft, - Realitätssinn, verkäuferisches Geschick, unternehmerisches Denken und Handeln, das Akquirieren von Ressourcen, die Bildung von Teams und Koalitionen, die Integration konkurrierender Ideen, das Antizipieren von Problemen, Planen und Gestalten, die Betreibung einer Mikropolitik und die Machtausübung. (Schuler / Görlich, 2007, S. 19). Die Umsetzung und Nutzung einer Idee ist eine Marketing-Aufgabe. Der Einsatz von Kreativitätstechniken kann zum Erfolg eines Unternehmens beitragen. Die Anwendung der Kreativität bezieht sich aber auch auf den individuellen Bereich (Selbstfindung, Selbstverwirklichung, Kreativität als Lebensstil). (Vgl. Holm-Hadulla, 2005). Als Begründer der angewandten Kreativitätsforschung gilt der US-amerikanische Werbepsychologe Alex F. Osborn (1888-1966), der das klassische Brainstorming erfand. Danach wurden zahlreiche Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden entwickelt. Das berühmte Referat des US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) vom 5. September 1950 mit dem Titel „Creativity“, womit er die moderne Kreativitätsforschung etabliert hatte, fiel vor allem deshalb auf so fruchtbaren Boden, weil zu dieser Zeit in den USA ein enormer Bedarf an innovativen Führungskräften bestand. (Vgl. U LMANN , 1973, S. 12). Zu einer der Hauptaufgaben bei der Erforschung der Kreativität wurde die Entwicklung und Anwendung geeigneter Auslese- und Förderungsverfahren von Wissenschaftlern und Technikern erklärt. So wird auch auf die enge Verflechtung der Kreativitätsforschung mit dem Militär, der Industrie und der Werbebranche hingewiesen, d. h. auf deren Verwertungsinteressen, so dass sich von Anfang an eine praxisorientierte, angewandte Kreativitätsforschung etablieren konnte, wobei jede Anwendung auf theoretisch-methodologischen Grundlagen beruht. Industriebetriebe bemühten sich um die Bereitstellung neuer Ideen für industrielle Zwecke, um technische Verbesserungen und Absatzsteigerung. In diesem Zusammenhang entstand auch die Kreativitätstechnik Synektik, um technische Innovationen und Produktverbesserungen zu entwickeln. „Auftraggeber der Kreativitätsforschung sowie Abnehmer ihrer Ergebnisse war zunächst die Industrie.“ (U LMANN , 1973, S. 12). Da kreatives Denken und Problemlösen heute in fast allen Lebensbereichen gefragt sind, gewinnt die angewandte Kreativitätsforschung zunehmend an Bedeutung. Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt ³2007; D ERS .: Erfolgsfaktor Kreativität. Die Zukunft unserer Marktwirtschaft. Darmstadt 1996; D ERS .: Mut zur eigenen Kreativität. Wie wir werden, was wir sein können. Freiburg/ Basel/ Wien 2000; F ACAOARU , C.: Kreativität in Wissenschaft und Technik. Operationalisierung von Problemlösefähigkeiten und kognitiven Stilen. Bern/ Stuttgart/ Toronto 1985; G ESCHKA , H.: Kreativität in Projekten. In: Gassmann, O. (Hrsg.): Praxiswissen Projektmanagement. Bausteine, Instrumente, Checklisten. München 2006, S. 153-181; H ALL , R.: Brilliant business creativity. What the best business creatives know, do and say. Pearson Education Limited Harlow, England; London; New York et al. 2010; H OLM -H ADULLA , R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001; D ERS .: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen 2005; L AUTENSCHLÄGER , M.: Die Kreativität des Unternehmers. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 59-76; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative thinking. New York 1953, ²1963; R IPKE , G.: Kreativität und Diagnostik. (Einführungen Psychologie, Bd. 1), Münster 2005; S CHEITLIN , V.: Kreativität. Das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993; S CHLICKSUPP , H.: Kreative Ideenfindung in der Unternehmung. (Reihe: Mensch und Organisation). Berlin/ New York 1977; D ERS .: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen), 5. überarb. und erw. Aufl., Würzburg 1998; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen- Malmsheim 1995; D ERS .: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999; S CHNETZLER , N.: Die Ideenmaschine. Methode statt Geistesblitz - Wie Ideen industriell produziert werden, 5. Aufl., Weinheim 2006; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; U LMANN , G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes (= Pädagogisches Zentrum. Veröffentlichungen. Hrsg.: Carl-Ludwig Furck, Reihe C: Berichte, Bd. 11), <?page no="20"?> Anlage 16 Weinheim/ Berlin/ Basel 1968, ²1970; D IES . (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973; W ERMKE , J.: Kreativität als paradoxe Aufgabe. Bd. 1: Entwicklung eines Konzepts der Kreativität und ihrer Förderung durch Literatur; Bd. 2: Empirische Überprüfung literaturdidaktischer Möglichkeiten der Kreativitätsförderung. Weinheim ²1994. Anlage (aptitude) die angeborene Veranlagung zu einer Eigenschaft oder zu einem typischen Verhalten. Die Anlagen des Individuums sind vorgeprägte Persönlichkeitseigenschaften und Grundmuster, die die Voraussetzungen einer produktiven Daseinsbewältigung darstellen. Die Anlage beeinflusst die körperliche und seelische Entwicklung sowie die Motivation. Die Anlage und die im Laufe des Lebens erworbene Erfahrung durchdringen sich wechselseitig, so dass Ererbtes und Erworbenes von Anfang an zusammenfließen. Häufig ererbt sind Geschicklichkeit, Reaktionsgeschwindigkeit, Aktivitätsgrad, Sinnesschärfe und Sensitivität, Intelligenz und spezifische Talente. Die Erziehung und die Umwelteinflüsse wirken fördernd oder hemmend auf die Anlagen. Ein erheblicher Unterschied besteht darin, ob wir unsere Anlagen bloß besitzen oder diese auch gebrauchen. Die Anlagen sind ein konstitutiver Aspekt der genetischen Erkenntnistheorie. Die Beziehung zwischen Organismus und Umwelt ist ein wichtiger Faktor möglicher Erkenntnisgewinnung. Anstrengungskalkulation (calculation of effort, intended effort): Teilkonzept einer motivationspsychologischen Theorie, besonders von Prozessen der Leistungsmotivation. Hierbei wird angenommen, dass die Anstrengung mit zunehmender Schwierigkeit der Aufgabenstellung bis zu einem kritischen Punkt ansteigt, jedoch bei einem weiteren Schwierigkeitsanstieg abrupt abfällt, also eine Art „Sparsamkeitsmotiv“. Der Psychologe Wulf-Uwe Meyer entwickelte 1984 das „Konzept von der eigenen Begabung“, auch als „Selbstkonzept eigener Fähigkeit“ bezeichnet. Darin nimmt die Theorie der Anstrengungskalkulation eine zentrale Stellung ein. Schwierigkeitsgesetz der Motivation Lit.: J OPT , U.-J.: Anstrengungskalkulation - ein methodischer Artefakt? In: Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie 25, 1978, S. 274-288; M EYER , W.-U.: Leistungsmotiv und Ursachenerklärung von Erfolg und Misserfolg. Stuttgart 1973; D ERS .: Anstrengungsintention in Abhängigkeit von Begabungseinschätzungen und Aufgabenschwierigkeit. In: Archiv für Psychologie, 125, 1973, S. 245-262; D ERS .: Das Konzept von der eigenen Begabung. Stuttgart 1984; M EYER , W.-U./ H ALLERMANN , B.: Intended effort and informational value of task outcome. In: Archiv für Psychologie 129, 1977, S. 131-140; M EYER , W.- U./ S TARKE , E.: Das Einholen begabungsrelevanter Informationen in Abhängigkeit vom Konzept eigener Begabung. Eine Feldstudie. In: Archiv für Psychologie, H. 134, 1981, S. 109-115. Arthur-D.-Little-Technik Little-Technik Assoziationsflüssigkeit (associational fluency): auch Assoziationsgeläufigkeit ein Faktor des divergenten Denkens; die Produktion von (semantischen) Ideen, die in einer bestimmten Beziehung zu einem gegebenen Problem stehen. Die Assoziationsflüssigkeit beinhaltet die Fähigkeit, z. B. zu einem Begriff möglichst viele Synonyme zu bilden, Gegenstände mit bestimmten Eigenschaften aufzuzählen oder Sätze durch Einfügen von Adjektiven zu vervollständigen. Assoziationstechniken (techniques of association) auch als Brain-Techniken bezeichnet. Hierbei wird unterschieden zwischen: 1. Techniken der freien Assoziation (techniques of free association). Durch freies Assoziieren sollen die Teilnehmer ermutigt werden, ihre Ideen und Vorschläge frei und unzensiert zu äußern und daraus Ideenkom- <?page no="21"?> 17 Assoziationstheorie binationen abzuleiten. Dazu gehören Brainstorming, Brainfloating, Brainwriting, Mind Mapping, Kärtchen-Technik, Methode 6-3-5 (Ringtauschtechnik). 2. Techniken der strukturierten Assoziation (techniques of structured association): die Systematisierung von Lösungsmöglichkeiten nach vorgegebenen Denkrichtungen. Hier erfolgt zunächst die Problemanalyse, Aufteilung des Problems in Teilkomplexe, die Lösung der Teilprobleme und das Zusammenfügen zu einer Gesamtlösung. Zu diesen Techniken gehören: Walt-Disney-Strategie, Hutwechsel-Methode, semantische Intuition Assoziationstheorie Assoziationstheorie (theory of association): Theorie von der Verknüpfung gedanklicher Vorstellungen, von Begriffen, Informationen oder Aussagen, also von bestimmten Bewusstseinsinhalten, wobei eine Vorstellung gleichzeitig eine oder mehrere andere nach sich zieht. So entstehen Assoziationsketten, die als Grundlage der Gedächtnisleistung gelten, wie z. B. für das produktive Denken. Die Assoziationstheorie beinhaltet die Lösung eines neuen Problems aus dem Assoziationstransfer von alten Situationen auf die neue Situation, d. h. die Übertragung der im Zusammenhang mit einer bestimmten Aufgabe erlernten Vorgänge und gedanklichen Vorstellungen auf eine neue Aufgabe. Diese Theorie bezeichnet Robert W. Weisberg als die »Nichts Neues«-Perspektive der Kreativität, „in der das kreative Problemlösen auf die Annahme zurückgeführt wird, dass nichts, was ein Mensch tut, jemals wirklich schöpferisch ist.“ Diese Auffassung lässt sich bis zu John Broadus Watson (1878-1958), dem Mitbegründer des Behaviorismus zurückverfolgen. „Nach Watsons Ansicht ergibt sich die Lösung eines neuen Problems im Grunde daraus, dass die neue Situation in irgendeinem entscheidenden Aspekt einer vorangegangenen gleicht. Die Situation ist also im wesentlichen neu, enthält aber bekannte Elemente. Aufgrund dieser Ähnlichkeit werden alte Assoziationen auf die neue Situation transferiert oder generalisiert, so dass das neuartige Problem gemeistert wird. Aus dieser theoretischen Position heraus wird argumentiert, neuartige Probleme könnten gelöst werden, weil sie nicht völlig neu, sondern eigentlich bekannte Situationen in einem etwas veränderten Gewand seien.“ (W EISBERG , 1989, S. 59). Die moderne Assoziationspsychologie beurteilt den kreativen Prozess als eine Umwandlung der Beziehungen zwischen Bewusstseinsinhalten zu neuen Gedankenverbindungen bzw. zu neuartigen Lösungsansätzen. Dabei können auch Analogien sowie ungewöhnliche, zunächst abwegig erscheinende Assoziationen wichtig sein. Die assoziative Informationsverarbeitung kann auch im Traum erfolgen. Unbewusste Assoziationen treten besonders in der Inkubationsphase des kreativen Prozesses auf. Die Überwindung von Kreativitätsblockaden und die Freisetzung von unbewussten Erinnerungen sowie das freie, unbewusste Gedankenspiel können neuartige Assoziationen ermöglichen. Der bekannteste Vertreter der assoziationspsychologischen Kreativitätstheorie ist der USamerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Sarnoff A. Mednick (1928-2015). Er definiert Kreativität als eine Umformung assoziativer Elemente, d. h. erkenntnismäßiger Einheiten, die Bezug zu anderen Einheiten haben, zu neuen Verknüpfungen, die spezifischen Anforderungen entsprechen oder auf irgendeine Weise nützlich oder angemessen sind. Je entfernter die Elemente der neuen Kombinationen voneinander sind, desto kreativer ist der Prozess oder die Lösung. Um kreative Assoziationen zu erzielen, unterscheidet Mednick drei Möglichkeiten: 1. die Serendipidität 2. die Ähnlichkeit der assoziativen Elemente als auch der diese hervorrufenden Stimuli 3. die Vermittlung (Mediation) von assoziativen Elementen durch einen sie verknüpfenden Faktor. Nach Mednicks Auffassung bildet die geistige Beweglichkeit die Basis für kreative Leistungen. Auch das Denken versteht er als Bildung von Assoziationsketten. Für die neuartige und unbewusste Kombination von Gedanken, die eine kreative Idee hervorbringen und die dort entstehen, wo zuvor noch keine existierten, schlägt Arthur Koestler (1905-1983) den Be- <?page no="22"?> Asynchronie 18 griff Bisoziation vor, als Gegensatz zur Assoziation, die sich nach seiner Meinung auf zuvor schon hergestellte Gedankenverbindungen bezieht. Lit.: M EDNICK , S. A.: The associative basis of the creative process. In: Psychological Review, 69, 1962, pp. 220-232; dt. Übers.: Die assoziative Basis des kreativen Prozesses. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 287-304; M EDNICK , S. A./ M EDNICK , M. T.: An associative interpretation of the creative process. In: Taylor, C. W. (Ed.): Widening horizons in creativity. The proceedings of the fifth Utah creativity research conference. New York, London, Sydney 1964, pp. 54-68; D IES .: Manual: remote associates test. Form 1. Boston 1966; W ATSON , J. B.: Behaviorism. New York 1925; DT . B EHAVIORISMUS . I N : Psychologie, 4. Bd., Frankfurt/ M. ³1979; W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Asynchronie (asynchrony): Ungleichzeitigkeit, Gegenläufigkeit. Der US-amerikanische Psychologe, Neurologe und Kreativitätsforscher Howard Gardner (*1943) versteht darunter „einen Bruch in der Übereinstimmung, eine Abweichung oder Unregelmäßigkeit im Kreativitätsdreieck. Asynchronie innerhalb einer Schnittstelle liegt dann vor, wenn diese eine Abweichung aufweist, zum Beispiel ein ungewöhnliches Profil der individuellen Intelligenzen (wie die frühreife räumliche Intelligenz des jungen Picasso gegenüber seinen dürftigen schulischen Fähigkeiten), eine Domäne, die einen erhöhten Spannungszustand durchmacht (der Kampf verschiedener musikalischer Richtungen zur Zeit Strawinskys), oder ein Feld im Umbruch. ... Nicht weniger bedeutsam ist die schnittstellenübergreifende Asynchronie: Ein individuelles Begabungsprofil kann in einem bestimmten Fachbereich ungewöhnlich sein (so Freuds für einen Naturwissenschaftler ungewöhnlich hohe personale Intelligenzen); es können Spannungen zwischen Individuum und Feld auftreten (wie im Fall Einsteins, der nach seinem Hochschulabschluss keine Anstellung fand); auch zwischen Domäne und Feld kann ein Gefälle bestehen. …“ (G ARDNER , 1996, S. 62) Gardner ist der Auffassung, dass zwischen den Komponenten des Kreativitätsdreiecks, „zwischen der begabten Persönlichkeit, der Domäne seines Faches und dem Feld“, eine „andauernde dialektische Beziehung“, eine „fruchtbare Asynchronie“, d. h. „ein mittleres Maß an Spannung“ bestehen müsse, weil sie eine notwendige Bedingung für herausragende kreative Produktivität sein dürfte, „eine Dynamik, ... die jede kreative Tätigkeit zu kennzeichnen scheint.“ - „Je vielfältiger die fruchtbare Asynchronie, desto wahrscheinlicher wird die kreative Leistung. Ein Übermaß an Asynchronie allerdings kann sich als unproduktiv erweisen. ...“ (G ARDNER , 1996, S. 62, 427). Lit.: G ARDNER , H.: Creating minds. An anatomy of creativity seen through lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi. New York 1993; dt. Ausg.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart 1996; G ARDNER , H./ W OLF , C.: The fruits of asynchrony: Creativity from a psychological point of view. In: Adolescent Psychiatry 15, 1988, pp. 106-123. Aufgabenmotivation (task motivation): Die Aufgabenmotivation beinhaltet die Einstellung zum Problem und die Wahrnehmung der eigenen Motivation, diesen Auftrag zu lösen. Dies ist abhängig von der Qualität der intrinsischen Motivation hinsichtlich der Aufgabe, von äußeren Zwängen im sozialen Umfeld und von der individuellen Fähigkeit, diese Zwänge zu minimieren. Die Aufgabenmotivation besteht aus der grundlegenden Bereitschaft, sich auf die Aufgabe bzw. auf das Problem einzulassen und aus der Triebkraft, diese zu lösen. Diese ist entweder extrinsisch, also durch äußere Einflüsse bzw. Zwänge - oder intrinsisch, also von innen heraus bedingt. Die grundlegende Bereitschaft zur Aufgabenbearbeitung bzw. zur Problemlösung ergibt sich aus dem Grad der Übereinstimmung der eigenen Interessen und Vorlieben der damit beauftragten Person mit den Anforderungen der durch einen Vorgesetzten gestellten Aufgabe. Die wichtigste Hypothese zur Aufgabenmotivation besagt, dass das Ausmaß der externen Zwänge das Ausmaß der intrinsischen Motivation bedingt, und zwar umgekehrt proportional, d. h. eine steigende extrinsische Motivation führt zu sinkender intrinsischer Motivation. Auch die Kreativität sinkt damit rapide ab. Extrinsische Motivation führt unweigerlich zur Kreativitätsblockade. Dagegen sind hohe kreative Leistun- <?page no="23"?> 19 Außergewöhnliche Kreativität gen vor allem dann zu erwarten, wenn die Lösung einer Aufgabe bzw. eines Problems auch den eigenen Interessen, Neigungen und Bedürfnissen des Beschäftigten entspricht. Die Aufgabenmotivation treibt den Problemlösungsprozess an. Sie entscheidet darüber, ob sich ein Mitarbeiter bei der Lösung eines Problems engagiert oder nicht. (Vgl. H USSY , 1986, S. 87-89). Lit.: A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; H USSY , W.: Denkpsychologie. Ein Lehrbuch, Bd. 2: Schlussfolgern, Urteilen, Kreativität, Sprache, Entwicklung, Aufmerksamkeit. (Urban-Taschenbücher; Bd. 364). Stuttgart/ Berlin/ Köln/ Mainz 1986. Aufmerksamkeit (attention): ein Zustand gesteigerter Anspannung und Wachheit des Bewusstseins. Nach Karl-Heinz Brodbeck (*1948) die „konzentrierte Achtsamkeit, die den Modus des Flackerns“, in dem sie „von den verschiedenen Aspekten einer Situation angezogen und abgelenkt wird“, beendet und den „Lichtkegel der Achtsamkeit auf ein Phänomen richtet.“ (B RODBECK , 2000, S. 185, 187). Kreatives Problemlösen sowie selektives Lernen sind nur durch eine Folge von Aufmerksamkeitsleistungen möglich, die das Fortschreiten des Denkens auf einem bestimmten Weg gewährleistet. Je schwieriger die Aufgaben und Denkprobleme sind, desto mehr Aufmerksamkeit und Zeit muss man auf ihre Lösung verwenden. Die „gleitende“ Aufmerksamkeit, d. h. der schnelle Wechsel in der Aufmerksamkeitszuwendung, „kann als Paradigma für rasches Denken gelten.“ Wie man die Aufmerksamkeit und seine Konzentration trainieren kann, ist noch wenig bekannt. „Ein Mittel der Steuerung bildet die Sprache.“ (O ERTER , 1971, S. 482 f.) Lit.: B RODBECK , K.-H.: Mut zur eigenen Kreativität. Wie wir werden, was wir sein können. Freiburg, Basel, Wien 2000; N EUMANN , O./ S ANDERS , A. F.: (Hrsg.): Aufmerksamkeit. In: Enzyklopädie der Psychologie. Serie »Kognition«, Bd. 2. Göttingen/ Bern/ Toronto/ Seattle 1996; O ERTER , R.: Psychologie des Denkens. Donauwörth 1971, 6. Aufl., 1980; W ALDENFELS , B.: Phänomenologie der Aufmerksamkeit. Frankfurt/ M. 2004. Ausdrucksflüssigkeit (auch Expressionsflüssigkeit) Flüssigkeit Außergewöhnliche Kreativität (eminent creativity; exceptional creativity): die Originalität und Exemplarität einer Leistung bzw. eines Produkts wird als herausragend oder einzigartig bewertet. Darin besteht der wesentliche Unterschied zur alltäglichen Kreativität. (Runco/ Richards, 1998). Außergewöhnlich sind z. B. bahnbrechende theoretische Leistungen, wie sie durch Newton oder Einstein erbracht wurden; auch Verdienste und Schöpfungen, die durch das Zusammentreffen mehrerer Formen der Kreativität entstehen, wie bei dem Maler, Bildhauer, Naturforscher und Erfinder Leonardo da Vinci (1452-1519), oder bei dem Universalgelehrten der deutschen Frühaufklärung Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716), der nicht nur Philosoph, sondern auch Mathematiker, Physiker, Techniker und Jurist war. Die Forschung untersucht, welche kreativen Kompetenzen es ermöglichen, um Spitzenleistungen zu erbringen. Höchstleistungen beruhen nicht allein auf fachlichem Wissen, sondern vor allem auf emotionaler Intelligenz. Die Liebe zur Sache, die Objektbegeisterung oder das „Objekt- Engagement“ und die intrinsische Motivation sind notwendige Voraussetzungen und Bedingungen der Kreativität, vor allem, „wenn man etwas Außergewöhnliches leisten oder zustande bringen will. Es ist ein Kennzeichen der Kreativität, dass man durch harte Arbeit, durch große Sachkenntnis, aber eben auch durch eine besonders starke Innenmotivation sowie eine Sach- und Aufgabenbegeisterung erst bestimmte kreative Produkte schaffen und neuartige Resultate schöpferisch erzielen kann.“ (L ENK , 2000, S. 73 f.) Hochbegabte junge Wissenschaftler haben einen Vorsprung, wenn sie an einer Elite- Universität den reichen Erfahrungsschatz von herausragenden älteren Wissenschaftlern nutzen können. Die Begegnung mit erstklassigen älteren Gelehrten „ist in der Laufbahn eines Wissenschaftlers von höchster Bedeutung,“ denn „Nobelpreisträger bringen Nobelpreisträger <?page no="24"?> Außergewöhnliche Kreativität 20 hervor.“ (Z UCKERMAN , 1990, S. 52) Es erfolgt eine selektive Rekrutierung durch die älteren Wissenschaftler, die als wissenschaftliche „Trüffelhunde“ fungieren, weil sie die Begabungen der Jüngeren entdecken. Daneben erfolgt aber auch die Selbstrekrutierung der Jüngeren, die sich ihre besten Lehrmeister aussuchen. (vgl. Z UCKERMAN , 1990, S. 53) Das kreativitätsrelevante Lehrer-Schüler-Verhältnis, die Existenz von wissenschaftlichen Schulen bzw. Denkschulen ermöglichen ein kontinuierliches Beziehungsmuster über Generationen hinweg. Neben hervorragenden Forschern finden die Studierenden an den Elite-Universitäten auch herausragende Kommilitonen. Diese wirken als „Referenzindividuen“, an denen der einzelne sich und seine Leistungen ständig misst, d. h. für das Entstehen von außergewöhnlicher Kreativität ist das kreative Umfeld ebenfalls von Bedeutung. Als entscheidendes Kennzeichen für außergewöhnliche Kreativität wird auch die immense Produktivität der Persönlichkeiten bewertet. Einige Forscher untersuchen die Biografien von genialen Erfindern und bedeutenden Persönlichkeiten, um „die kreativen Wege großer Neuerer nachzuvollziehen und auf verallgemeinerungsfähige Schritte zu prüfen.“ So gehört der Physiker Albert Einstein (1879- 1955) „zu den schöpferisch aktivsten Menschen“. (C ARRIER , 2006, S. 555). Das Studium von Einsteins Entdeckungen ermögliche allgemeingültige Einsichten in die Beschaffenheit menschlicher Kreativität. Aus der Untersuchung von Denk- und Vorgehensweisen Einsteins leitet Martin Carrier zwei übergreifende Mechanismen schöpferischer Entfaltung ab, die „Verknüpfung von zuvor Getrenntem und die konsequente Artikulation von selbst naheliegenden Grundsätzen.“ (C ARRIER , 2006, S. 568). Carrier weist nach, dass es sich bei diesen Mechanismen um übergreifende Typisierungen menschlicher Innovation handelt. Bei der theoretischen Zusammenführung von zuvor begrifflich Getrenntem handle es sich um einen Weg zu kreativen Spitzenleistungen. ( Assoziationstheorie) Dean Keith Simonton (*1948) erforscht, nach welchen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten die außerordentliche Kreativität entsteht. (Simonton, 1994). Der Unterschied zwischen alltäglicher und außergewöhnlicher Kreativität wird nicht von allen Psychologen und Kreativitätsforschern geteilt, aber nach Simontons Auffassung konnte bisher noch nicht wissenschaftlich belegt werden, dass sich die kognitiven (erkenntnismäßigen) Mechanismen für alltägliche und außergewöhnliche Kreativität tatsächlich gleichen. (S IMONTON , 1997, p. 322; Simonton, 2010, pp. 174-188). multiple Kreativität Lit.: B RIGGS , J.: Fire in the crucible: The self-creation of creativity and genius. Los Angeles 1990; B RIGGS . J.: Chaos. Neue Expeditionen in fraktale Welten. München/ Wien 1993; B RIGGS , J.: Fire in the crucible: Understanding the process of creative genius. New York: St. Martin’s 2000; C ARRIER , M.: Schöpfung durch begriffliche Verbindung und theoretische Ausarbeitung: Modi der Kreativitätsentfaltung bei Albert Einstein. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 555-573; G OLEMAN , D.: Der Erfolgsquotient. Aus dem Amerikanischen von Friedrich Griese und Thorsten Schmidt. München/ Wien 1999; Originalausgabe: Goleman, D.: Working with emotional intelligence. Bantam Books, New York 1998; G OLEMAN , D.: Emotionale Intelligenz. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. München 2001; L ASKO , W. W.: Kreative Elite. Vom begrenzten Denken zur originären Innovation. Bielefeld 2008; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; R UNCO , M. A./ R ICHARDS , R. (Eds.): Eminent creativity, everyday creativity, and health. Greenwich, CT: Ablex 1998; S AWYER , R. K.: Explaining creativity. The science of human innovation. Oxford 2006; S IMONTON , D. K.: Genius, creativity, and leadership. Harvard University Press. Cambridge, Mass. 1984; S IMONTON , D. K.: Multiples, chance, genius, and zeitgeist. In: Jackson, D. N./ Rushton, J. P. (Eds.): Scientific Excellence. Berverly Hills, CA 1987, pp. 98-128; S IMONTON , D. K.: Creativity, leadership, and chance. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne/ Sydney 1988; ²1989, pp. 386-426; S IMONTON , D. K.: Scientific genius: A psychology of science. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1988; S IMONTON , D. K.: Greatness: Who makes history and why. New York 1994; S IMONTON , D. 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In: Hofschneider, P. H./ Mayer, K. U. (Hrsg.): Generationsdynamik und Innovation in der Grundlagenforschung. (Symposium der Max-Planck-Gesellschaft Schloss Ringberg/ Tegernsee, Juni 1989); Berichte und Mitteilungen der Max- Planck-Gesellschaft, München, H. 3/ 1990, S. 45-65. Auswahlprobleme Problemgruppen Autoschediast jemand, der eine Leistung bzw. eine Tätigkeit, wozu gewöhnlich Kunst, Wissenschaft und große Übung erforderlich sind, ohne Vorbereitung, aus dem Stegreif bzw. ohne Unterricht, aus bloßem instinktmäßigen inneren Antrieb, durchführt. autotelische Produktivität (von griech. auto: selbst; telos: Ziel): Tätigkeit, die das Ziel in sich selbst findet. Kreative Persönlichkeiten verfügen über diese Fähigkeit. Sie arbeiten an der Lösung ihrer Aufgaben oder Probleme um der Sache selbst willen, mit voller Hingabe und Begeisterung, trotz Niederlagen, Enttäuschungen oder Widerständen, ohne an die Belohnung zu denken. intrinsische Motivation, Gratifikationsaufschub Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010. B Basadurs Drei-Phasen-Modell des kreativen Prozesses (three-stage scheme of creative process by Basadur): Das Modell wurde 1994 von dem kanadischen Ingenieur und Kreativitätsforscher Min S. Basadur entworfen und umfasst die drei Stufen: Problemfinden (problem finding), Problemlösen (problem solving) und die Umsetzung der Lösung (solution implementation), wobei jede dieser drei Phasen in eine Stufe des Einfalls (Ideation) und der Bewertung (Evaluation) unterteilt ist. Dies ist notwendig, um zu brauchbaren Innovationen zu kommen. Der Versuch, die Idee in eine konkrete, funktionierende Problemlösung umzusetzen, erfordert die Bewertung ihrer Brauchbarkeit und Realisierbarkeit. Dabei wird zugleich die Akzeptanz und Durchsetzbarkeit des Produkts geprüft. Auch der zu erwartende Nutzen und die damit verbundenen Kosten des Produkts werden geschätzt bzw. berechnet. Überwiegen die Kosten, führt dies meist dazu, dass auf die Umsetzung der Idee verzichtet wird. Die Akzeptanz kreativer Leistungen wird z. B. begünstigt durch den erkennbaren Vorteil und Gewinn (Kosten-Nutzen-Relation), durch die Kompatibilität mit dem existierenden sozioökonomischen bzw. soziotechnischen System, durch eine geringe oder „mäßige Abweichung vom Gewohnten, Akzeptierten“, durch eine beherrschbare Komplexität, die Innovation wird nicht als störend empfunden, besonders für soziale Interessen; durch die Überzeugungskraft und Unterstützung durch einflussreiche Persönlichkeiten sowie durch die Aufgeschlossenheit der Betroffenen gegenüber Neuerungen. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 36). Implementierung <?page no="26"?> Bearbeitung, unbewusste 22 Lit.: B ASADUR , M. S.: Managing the creative process in organizations. In: Runco, M. A. (Ed.): Problem finding, problem solving, and creativity. Norwood, New Jersey 1994, pp. 237-268; D ERS .: Organizational development interventions for enhancing creativity in the workplace. In: Journal of Creative Behavior, 31 (1), 1997, pp. 59-72; D ERS : Simplex - A flight to creativity, 3 rd Edition, Buffalo, New York 1998; D ERS .: The Basadur Simplex© Creative Problem Solving Profile™. Ontario 1998; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen et al. 2007. Basadurs Drei-Phasen-Modell des kreativen Prozesses (1994) Quelle: Schuler, Heinz/ Görlich, Yvonne: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen et al. 2007, S. 29. Bearbeitung, unbewusste Inkubationsphase Bedürfnis Motivation Bedürfnishierarchie Maslowsche Bedürfnispyramide Begabung/ Hochbegabung (genius/ giftedness; auch: high ability) Der Begriff „Hochbegabung“ wurde 1928 von dem deutsch-amerikanischen Psychologen und Philosophen William Louis Stern (1871-1938) in die Psychologie eingeführt. Weitere Belege für die Begriffe „Höhere Begabung“, „Höchstbegabung“ und „Hochbegabung“ finden sich 1949 bei Adolf Hermann Heinrich Busemann, 1951 bei dem Schweizer Psychologen Richard Meili, bei Adele Juda (1888-1949), 1957 bei Peter Robert Hofstätter (1913-1994) und 1963 bei Franz J. Mönks. Begabung ist die Gesamtheit angeborener bzw. ererbter Anlagen, also vorhandener und angeeigneter Fähigkeiten. Durch intrinsische Motivation und Begabtenförderung kann die Begabung bis zu einer individuell variablen oberen Leistungsgrenze (des Hochbegabten) gesteigert werden. Deren Fehlen kann zur Verkümmerung vorhandener Begabung führen. Der britische Naturforscher Sir Francis Galton (1822-1911) nahm an, dass bestimmte Begabungen vererbbar seien. Mit ihm begann die empirische Begabungsforschung. Die von ihm aufgestellte Vererbungsregel (Galtonsche Regel) besagt, besonders hinsichtlich der Hoch- und Höchstbegabungen, dass die Abweichungen der Individuen einer Art um einen bestimmten Höchstwert schwanke. Zur Erfassung individueller Unterschiede bediente er sich auch statistischer Methoden. Die wissenschaftliche Begabungsforschung begann seit Anfang des 20. Jhs., als Teilgebiet der angewandten Psychologie, die u. a. Begabungstests bzw. Begabtenaus- <?page no="27"?> 23 Begabung/ Hochbegabung lesetests und Begabungsprüfungen erstellte. Sie bildet zugleich eine der Grundlagen der praktischen Pädagogik, der Bildungsforschung und Erziehungsberatung, der Berufsberatung sowie der Erschließung von Begabungsreserven. Die Einzel- oder Sonder-Begabung, z. B. musikalische, technische, mathematische, sprachliche Begabung, basiert auf der Annahme, dass besonders spezielle Hoch- oder Spitzenleistungen anlagebedingt sind. Die These der angeborenen Veranlagung bestimmter Leistungen ist jedoch umstritten. Die Hochbegabung umfasst im allgemeinen ein breit angelegtes intellektuelles Potenzial zu außergewöhnlicher Leistung. Der Hochbegabungsforscher Abraham J. Tannenbaum nennt fünf Faktoren: 1. allgemeine Intelligenz 2. spezielle Fähigkeiten 3. nichtintellektuelle Faktoren, wie Ich-Stärke, Interesse, langfristiges Arbeitsverhalten und Motivation 4. fördernde Umweltfaktoren 5. Zufallseinflüsse Joy Paul Guilford (1897-1987) und Joseph S. Renzulli (*1936) fordern die Berücksichtigung zusätzlicher Merkmale, vor allem Kreativität bzw. divergentes Denken sowie Leistungsmotivation und Engagement bzw. Durchhaltevermögen bei der Erledigung von Aufgaben. Renzulli definiert die Hochbegabung als Schnittmenge von „guter Intelligenz“, „hoher Kreativität“ und „Leistungsorientierung“ und hat dazu ein Drei-Ringe-Modell entwickelt ( Enrichment-Modell). Arthur J. Cropley (*1935) u. a. bezeichnen Kreativität als das Herzstück der Hochbegabung. Eine Richtung der Begabungsforschung befasst sich mit dem Problem schöpferischer Leistungen. Dabei wird die Ansicht vertreten, dass diese nicht nur bei Hochbegabten zu erwarten sind, sondern allgemein durch bestimmte Bedingungskonstellationen gefördert oder gehemmt werden. So wurde nachgewiesen, dass kreative Leistungen auch erfolgreich erworben werden können. Jeder verfügt über mehr oder weniger unerschlossene kreative Möglichkeiten, Begabungs- und Kreativitätsreserven. Individuelle Begabungen sind, nach der Auffassung von Robert W. Weisberg, neben einem fundierten Spezialwissen, großem Fleiß, Beharrlichkeit im Denken und im Verfolgen eingeschlagener Wege sowie Offenheit gegenüber neuen Erfahrungen, notwendige Voraussetzungen für kreative Leistungen. Weisberg meint, ein gutes Gedächtnis für visuelle Details sei eine mögliche Bedingung für kreatives zeichnerisches Gestalten, und betont, dass zwar jeder Mensch ein Instrument erlernen und gewisse Kompositionsfertigkeiten erwerben kann, dass aber wahrscheinlich besondere Fähigkeiten des auditiven Gedächtnisses und der auditiven Vorstellung erforderlich sein könnten, um ein wirklich kreativer Musiker zu werden. (W EISBERG , 1989, S. 12 f.) Die Intelligenz gilt als eine Form der Begabung, die sich auf den Bereich des diskursiven Denkens und erkennend-unterscheidenden Problemlösens konzentriert. Die Intelligenzstruktur sowie Persönlichkeitsfaktoren, Interessen und Leistungsmotivation sind für die Art der Begabung mitbestimmend. Heinrich Roth vertritt die Auffassung, dass die Begabung eine auf bestimmte Kulturbereiche gerichtete Lernfähigkeit ist. Dies kennzeichnet die Begabung durch die Fähigkeiten zu schöpferischem Denken und zur kreativen Gestaltung der Umwelt und damit als ein sich veränderndes Produkt von Lernerfahrungen. Bei der Entwicklung einer kreativen Begabung spielen spezifische Lernerfahrungen eine wesentliche Rolle. So wird von zahlreichen Psychologen betont, dass nur kreative Lehrer kreative Schüler erziehen können, weil nur sie flexibel genug sind, schöpferische Denkansätze der Kinder zu erkennen, zu akzeptieren und zu fördern. Auch die kreative Vorbildwirkung ist hierbei relevant. Hochbegabte Kinder werden oft als Besserwisser abqualifiziert, fühlen sich unverstanden und einsam, langweilen sich im Umgang mit Gleichaltrigen, werden mitunter sogar diskriminiert oder gelten als verhaltensgestört. Wird ihre außergewöhnliche Begabung nicht erkannt und gefördert, kommt es nicht selten zu extremen Fehleinschätzungen. So gibt es Beispiele, dass solche Kinder die ihnen gestellten Aufgaben nicht ernst nehmen, weil sie andere Spezialgebiete bevorzugen. Dadurch wird ihnen nur eine geringe Lernfähigkeit bescheinigt, wodurch sie im Extremfall in die Sonderschule abgeschoben werden. Die Standardmethoden an den Schulen berücksichtigen nicht die individuellen Denkstrukturen hochbegabter Kinder. Ihre speziellen Fördermöglichkeiten sind besonders im <?page no="28"?> Begabung/ Hochbegabung 24 Grundschulalter völlig unzureichend. Hochbegabte Kinder sind wissbegierig, lebhaft, voller Energie, fühlen sich unterfordert und kommen mit wenig Schlaf aus. Frühzeitige Hochbegabung ist jedoch nicht auf allen Gebieten möglich. In der Literatur gibt es z. B. keine Wunderkinder, wie sie die Musikgeschichte kennt. Ein Kind verfügt noch nicht über den nuancenreichen Wortschatz und über all die stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten, die zum Schreiben eines Gedichts, einer Novelle oder eines Romans erforderlich sind. Auch die Technik des Schreibens muss erst allmählich erworben werden. Ein angehender Schriftsteller sucht zunächst nach literarischen Vorbildern, schult an diesen seinen sprachlichen und rhythmischen Ausdruck, bis er seinen eigenen Stil findet. kreatives Schreiben; literarische Kreativität William Louis Stern prägte 1911 auch den Begriff „Intelligenzquotient“ (IQ), bei dem ursprünglich das Intelligenzalter durch das Lebensalter dividiert und mit 100 multipliziert wurde. Da bei Erwachsenen nach beendeter Pubertät „zwar das Lebensalter, nicht aber das Intelligenzalter ansteigt, ... ergaben sich zum großen Teil grotesk niedrige Intelligenzquotienten für Erwachsene.“ Deshalb verwendet man heute sogenannte Abweichungsquotienten, mit einer Standardabweichung von 15, in bezug auf „die statistische Normierung der Leistungsstreuungen einer Altersgruppe um den Mittelwert 100. ...“ (W ALDMANN / W EINERT , 1990, S. 12 f.) Als hochbegabt gelten nach dieser Berechnung Personen mit einem Intelligenzquotienten von über 130. Diesen IQ erreichen nur etwa 2 Prozent der Bevölkerung, bezogen auf die Altersgruppe. Nach anderen Einschätzungen ist die psychometrische Hochbegabung durch einen IQ von mehr als 140 gekennzeichnet. Dieser IQ wird nur von einem Prozent der Bevölkerung erreicht, wieder bezogen auf die Altersgruppe. Der US-amerikanische Psychologe Lewis Madison Terman (1877-1956) hat mit seinen Mitarbeitern in einer Längsschnittuntersuchung die Entwicklung von über 1000 hochbegabten Jungen und Mädchen aus Kalifornien bis ins Erwachsenenalter verfolgt. Alle Kinder waren jünger als 11 Jahre und besaßen einen IQ von über 140. Es ist die bedeutendste, umfassendste und längste genetische Studie über Genies, mit einer Dauer von mehr als siebzig Jahren, die 1925 begann und nach Termans Tod von Psychologen der Stanford-University weitergeführt wurde. Termans Probanden werden inzwischen auch als „Termiten“ bezeichnet. Terman hatte festgestellt, dass hochbegabte Kinder aufgeschlossen, karrierebewusst und sozial engagiert sind und diese Eigenschaften auch im Verlauf ihrer Entwicklung beibehalten. Aus ihnen wurden fast immer erfolgreiche Erwachsene, darunter Botschafter, Atomforscher, Ingenieure und Rechtsanwälte. Sie erwarben 350 Patente und veröffentlichten 200 Bücher. Allerdings war kein Nobelpreisträger darunter. Nur einer von ihnen kam jemals mit dem Gesetz in Konflikt. Von ihren Kindern waren wiederum 16 Prozent hochbegabt. Hochbegabte Menschen leben im allgemeinen länger und gesünder, sie führen glücklichere Ehen, lassen sich seltener scheiden als die durchschnittlich begabten Personen. Dennoch gelang es in dieser Längsschnittuntersuchung nicht, die verborgenen Talente sowie Kreativität und Ideenreichtum zu messen. In der Pädagogik wird der Begriff Begabung durch die Bezeichnung „Lernfähigkeit“ ersetzt. Kreativität und Intelligenz Lit.: A LVAREZ , C H .: Hochbegabung. Tipps für den Umgang mit fast normalen Kindern. München 2007; B RACKMANN , A.: Ganz normal hochbegabt. Leben als hochbegabter Erwachsener. Stuttart, 4. Aufl. 2010; D IES .: Jenseits der Norm - hochbegabt und hoch sensibel? Stuttgart, 6. Aufl. 2010; B RUNNER , I./ R OTTENSTEINER , E.: Auf in die schillernd bunte Welt der Begabungen. Eine Entdeckungsreise ins Reich der Multiplen Intelligenz. Hohengehren 2002; B USEMANN , A.: Höhere Begabung. Ratingen 1949; C ALLA- HAN , C. M.: Intelligence and giftedness. In: R. J. Sternberg (Ed.): Handbook of intelligence. Cambridge University Press. Cambridge 2000, pp. 159-175; C OLANGELO , N./ D AVIS , G. A. (Eds.): Handbook on gifted education. Boston, MA ³2003; C ROPLEY , A. J./ M C L EOD , J./ D EHN , D.: Begabung und Begabungsförderung. Heidelberg 1988; C ROPLEY , A. J./ U RBAN , K. K./ W AGNER , H./ W IECZERKOWSKI , W. (Eds.): Giftedness. A continuing worldwide challenge. New York, NY 1986; G ALTON , F.: Hereditary talent and character. London 1865; G OWAN , J. C.: Annotated bibliography on creativity and giftedness. Northridge, Calif.: San Fernando Valley State College Foundation 1965; D ERS .: What makes a gifted child creative? - Four theories. In: Gowan, J. C./ Demos, G. G./ Torrance, E. P. (Eds.): Creativity - its educational implications. New York, London, Sidney 1967; H ELLER , K. A./ M ÖNKS , F. J./ P ASSOW , A. H.: International handbook of research and development of giftedness and talent. Oxford: Pergamon 1993; H ELLER , K. A./ M ÖNKS , F. J./ S TERNBERG , R.J./ S UBOTNIK , R.F.: International handbook of giftedness and talent. 2 nd . Edition. Oxford: Elsevier 2000; H ELLER , K. A./ R EIMANN , R./ S ENFTER , A.: Hochbegabung im Grundschulalter. Münster 2005; H ORSCH , H./ M ÜLLER , G./ S PICHER , H.-J.: Hoch begabt - und trotzdem glücklich. Ratingen 2006; J UDA , A.: Höchstbe- <?page no="29"?> 25 Begabung/ Hochbegabung gabung, ihre Erbverhältnisse sowie ihre Beziehungen zu psychischen Anomalien. München 1953; K AROLYI , C. VON / R AMOS -F ORD , V./ G ARDNER , H.: Multiple intelligences. A perspective on giftedness. In: Colangelo, N./ Davis, G. A. (Eds.): Handbook on gifted education. Boston, MA ³2003, pp. 100-112; L INKE , S.: Wie zufrieden sind Hochbegabte? - Lebensqualität - Wohlbefinden. 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Erkennen, Verstehen, Fördern. München 2013; P RECKEL , F./ V OCK , M.: Hochbegabung. Ein Lehrbuch zu Grundlagen, Diagnostik und Fördermöglichkeiten. Göttingen et al. 2013; P RUISKEN , C H .: Interessen und Hobbys hochbegabter Grundschulkinder. Münster 2005; R EINSCH , M.: Hochbegabt oder gescheit gescheitert? Wegweiser im positiven Umgang mit hochbegabten Kindern. Norderstedt 2007; R ENZULLI , J. S.: The enrichment triad model. Mansfield Center, CT: Creative Learning Press 1977; D ERS .: What makes giftedness? Reexamining a definition. Phi Delta Kappa, 60, 1978, pp. 180-184, 261; D ERS .: The three-ring conception of giftedness: A developmental model for creative productivity. In: R. J. Sternberg/ J. E. Davidson (Eds.): Conceptions of giftedness. Cambridge University Press. Cambridge, Massachusetts et al. 1986, pp. 53-92; D ERS .: What is the thing called giftedness, and how do we develop it? A twenty-five year perspective. 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(Hrsg.): Begabungen entwickeln, erkennen und fördern. Hannover 1992; D ERS .: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule- Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004; D ERS .: Hochbegabungen. Aufgaben und Chancen für Erziehung, Schule und Gesellschaft. Münster 2004; W AGNER , H. (Hrsg.): Begabung und Leistung in der Schule. Bad Honnef ²2000; D ERS . (Hrsg.): Hochbegabung im Kindes- und Jugendalter. Göttingen ²2001; D ERS . (Hrsg.): Hochbegabte Mädchen und Frauen. Begabungsentwicklung und Geschlechterunterschiede. Tagungsbericht. Bad Honnef 2002; W ALDMANN , M./ W EINERT , F. E.: Intelligenz und Denken. Perspektiven der Hochbegabungsforschung. Göttingen et al. 1990; W EINERT , F. E. (Hrsg.): Leistungsmessungen in der Schule. Weinheim, Basel 2002; W EINERT , F. E./ W ALDMANN , M. R.: Das Denken Hochbegabter intellektuelle Fähigkeiten und kognitive Prozesse. Zeitschrift für Pädagogik, 31, 1985, S. 789-804; W EISBERG , R. 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Johann Gottfried Herder (1744-1803) erkannte: „Ohne Begeisterung geschah nichts Großes und Gutes auf der Erde; die man für Schwärmer hielt, haben dem menschlichen Geschlecht die nützlichsten Dienste geleistet. Trotz alles Spottes, trotz jeder Verfolgung und Verachtung drangen sie durch; und wenn sie nicht zum Ziel kamen, so kamen sie doch weiter und brachten weiter.“ (Herder: SWS, 18. Bd., S. 285). Der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Hans Lenk (*1935) sieht in der Begeisterung, in „des Begeisterten Getragenseins von einer Idee, von einem Entwurf, von seinem Engagement“, generell „das Hauptkennzeichen der Kreativität“, gewissermaßen „die Mutter der Kreativität“. - „Und nur Begeisterte können andere begeistern.“ (L ENK , 2000, S. 73). Nur durch die hingebungsvolle Liebe zu einer Sache, <?page no="31"?> 27 Behaviorismus durch die begeisterte Suche nach der Lösung eines Problems, einer Aufgabe, kann diese auch optimal gelingen. Der US-amerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Ellis Paul Torrance (1915-2003) erklärt: „The essence of creativity is being in love with what one is doing.“ (T ORRANCE , 1988, S. 68) - [„Das Wesen der Kreativität besteht darin, sich zu verlieben in das, was man tut.“] Die Liebe zur Sache, die Objektbegeisterung oder das „Objektengagement“ und die intrinsische Motivation sind notwendige Voraussetzungen und Bedingungen der Kreativität, vor allem, „wenn man etwas Außergewöhnliches leisten oder zustande bringen will. Es ist ein Kennzeichen der Kreativität, dass man durch harte Arbeit, durch große Sachkenntnis, aber eben auch durch eine besonders starke Innenmotivation sowie eine Sach- und Aufgabenbegeisterung erst bestimmte kreative Produkte schaffen und neuartige Resultate schöpferisch erzielen kann.“ (L ENK , 2000, S. 73 f.) Enthusiasmus Lit.: B AUMGARTNER , P. J.: Das Geheimnis der Begeisterung. Mehr Leidenschaft. Mehr Umsatz. Mehr Erfolg. Offenbach 2014; F REITAG , E.: „Eine höchst interessante Bekanntschaft“. Wieland und Schopenhauer und ihre Auffassung von dichterischer Begeisterung. In: Wieland-Studien. Aufsätze, Texte und Dokumente, Diskussion, Berichte, Bibliographie, hg. von Klaus Manger und vom Wieland-Archiv Biberach, Bd. 5, Heidelberg 2005, S. 181-198; H ERDER , J. G.: Briefe zu Beförderung der Humanität. Zehnte Sammlung. 121. Brief. In: Herders Sämmtliche Werke, hg. von Bernhard Suphan, 33 Bände. Berlin 1877-1913. [SWS] 18. Bd.; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; P EALE , N. V.: Was Begeisterung vermag. München 1994; T ORRANCE , E. P.: The nature of creativity as manifest in its testing. In: Sternberg, R. J. (Ed.): The nature of creativity. Cambridge, UK u. a. 1988, pp. 43-75. Behaviorismus (behaviorism, von amerik. behavior: Verhalten, Betragen; engl. behaviour): sozialpsychologische Forschungsrichtung aus den USA, die das objektiv beobachtbare und messbare Verhalten von Mensch und Tier untersucht, um dadurch Rückschlüsse auf deren seelische Merkmale abzuleiten. Der Begriff wurde 1913 von dem USamerikanischen Psychologen John Broadus Watson (1878-1958) eingeführt, der diese Forschungsrichtung begründete. (Watson, 1913) Der behavioristische Grundsatz lautet, dass nur direkt beobachtbares Geschehen Gegenstand der psychologischen Untersuchung sein dürfe. Alle Schlussfolgerungen, die sich nicht durch beobachtbare Vorgänge belegen lassen, werden für unerlaubte Spekulation gehalten. So werden alle subjektiven Bezeichnungen, wie z. B. Empfindung, Wahrnehmung, Vorstellung, Wunsch, Zweck und selbst das Denken und Fühlen ausgeklammert. Auch das Bewusstsein, die Selbstbeobachtung bzw. die Analyse innerseelischer Vorgänge werden als unwissenschaftlich abgelehnt. Watson leugnet die Kreativität und stellt die Behauptung auf, dass nichts, was ein Mensch tue, wirklich kreativ sei. Kreativität im Sinne eines spezifischen Prozesses zur Erzeugung von etwas genuin Neuem existiere nicht. Das Ergebnis sei in Wirklichkeit etwas Altes in einem neuen Gewand, weil die neue Situation bekannte Elemente enthalte. Deshalb könnten diese Elemente als Grundlage dienen, um auf eine neue Situation übertragen zu werden. Gleicht die neue Situation keiner alten, ist sie also wirklich neuartig, dann verhalte sich die betreffende Person nach Watson rein zufällig und kombiniere nur verschiedene Reaktionen auf unterschiedliche Art und Weise. Ein Dichter beispielsweise bringt ein neues Gedicht hervor, indem er so lange auf gut Glück Wörter kombiniert, bis zufällig etwas Akzeptables herauskommt. Weisberg nennt diese Auffassung die »Nichts Neues«-Perspektive der Kreativität. (W EISBERG , 1989, S. 16 f. u. 59). Lit.: B ERGMANN , G.: The contributions of J. B. Watson. In: Psychological Review, 1956, vol. 63, pp. 265- 276; F RIEDRICH , W. (Hrsg.): Zur Kritik des Behaviorismus. Berlin 1978; H ULL , C. L.: Principles of behavior. New York 1943; M C K ELLAR , P.: Experience and behaviour. London 1968; R ACHLIN , H.: Introduction to modern behaviorism. Oxford ²1976; S KINNER , B. F.: The behavior of organisms. New York 1938; D ERS .: Science and human behaviour. New York 1953 (dt. Ausg.: Wissenschaft und menschliches Verhalten. München 1973); T OLMAN , E. C.: A new formula for behaviorism. In: Psychological Review, 1922, vol. 29, pp. 44-53; D ERS .: A behavioristic theory of ideas. In: Psychological Review, 1926, vol. 33, pp. 352-369; D ERS .: Purposive behavior in animals or men. New York/ London 1932, ²1949; D ERS .: Operational behaviorism and current trends in psychology. Berkeley 1950; W ATSON , J. B.: Psychology as the behaviorist views it. In: Psychological Review, 1913, vol. 20, pp. 158-177; D ERS .: Behavior: An introduction to comparative psychology. <?page no="32"?> Belohnungsaufschub 28 New York 1914; D ERS .: Psychology from the standpoint of a behaviorist. Philadelphia/ London 1919; D ERS .: Behaviorism. New York 1925; ( DT . Nachdruck IN : Psychologie, 4. Bd., Frankfurt/ M. ³1979); W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Belohnungsaufschub Gratifikationsaufschub Benchmark, Benchmarking auch „Best Practice“, „Best in Class“, Wettbewerbs- Benchmarking; Leistungsvergleich; ein als Vergleichsmaßstab dienender Marktführer; Instrument des strategischen Controllings, mit dem Wertschöpfungsprozesse, Managementpraktiken, Produkte oder Dienstleistungen zwischen Unternehmen oder zwischen Geschäftseinheiten eines Unternehmens (internes Benchmarking) verglichen werden; entspricht etwa dem japanischen Begriff „dantotsu“, d. h. „der Beste der Besten zu sein“. (C AMP , 1994, S. 3). Das Ziel besteht in der Aufdeckung von Schwachstellen und Leistungsdefiziten. Benchmarking ist „die Kunst herauszufinden, ob und wie einige Unternehmen bestimmte Aufgaben viel besser erfüllen können als andere Unternehmen.“ (K OTLER / B LIEMEL , 1995, S. 372). Benchmarks sind „Bestleistungen als Eckwerte“. (C AMP , 1994, S. 9). Dazu gehört u. a. die Konkurrenzmarktforschung, die Informationsgewinnung über das Marketing-Instrumentarium der Konkurrenz (Testkäufe, Analysen von Preislisten, Beobachtung der Distributionsorgane, Auswertung der Werbematerialien der Konkurrenz, deren Konditionen, Sonderaktionen und Werbeslogans u. a. Der regelmäßige Vergleich interner Prozesse und Leistungsindikatoren mit Konkurrenzunternehmen; die Analyse der Stärken und Schwächen im Vergleich zu den jeweils stärksten Konkurrenten; die eigene Unternehmenstätigkeit und ein Vergleich der Strategien mit verschiedenen Konkurrenten (Benchmarking der strategischen Ausrichtung); Es gilt, die Erkenntnisse aus der Markt-, Konkurrenz- und Unternehmensanalyse mit den aktuellen und zukünftigen Strategien der Konkurrenten im weitesten Sinne zu vergleichen und zu messen. Es werden „nicht nur Produkte und Dienstleistungen verglichen, sondern auch Methoden und Prozesse.“ (G OMEZ / P ROBST , 1999, S. 182). Meist vergleicht sich eine Firma oder ein Konzern mit seinem schärfsten Konkurrenten derselben Branche, aber Benchmarking kann auch zwischen Unternehmen unterschiedlicher Branchen erfolgen, wenn die Prozesse oder Strukturen ähnlich sind. Wird die Ideensuche auf problemfremde Bereich ausgedehnt, kann dies zu neuen Verknüpfungen und damit zu Innovationen führen. Das Benchmarking lässt sich in sechs Phasen gliedern: 1. Bestimmung des Benchmarking-Objekts 2. Interne Analyse zur Bestimmung der eigenen Praxis 3. Bestimmung von Benchmarking-Partnern 4. Analyse der Benchmarking-Partner 5. Bewertung der Ergebnisse 6. Aktionsplanung, Realisierung und Perfektionierung (Vgl. Pieske, 1994; Gomez/ Probst, 1999, S. 184). Benchmarking dient der Gewinnung von Marktanteilen und dadurch erzielter Konkurrenzvorteile. Der Wettbewerb der Wirtschaft auf den regionalen, nationalen und globalen Märkten verlangt von den Managern eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und kreative Strategien, um die kreativen Potenziale in ihren Unternehmen optimal zu entwickeln. Benchmarking soll dazu dienen, sich an den Besten zu messen und so viel wie möglich von ihnen zu lernen. Jede Bestlösung taugt als Benchmark nur mit knappem Verfallsdatum, bis sie von neuen, besseren Lösungen ersetzt wird. Der Benchmarking-Vergleich hat auch seine Grenzen, wenn er nicht der eigenen Innovation dient, sondern nur der Bestätigung eigener Ideen. Wenn die präzise Marktstellung des Konkurrenten nicht genau bekannt ist, besteht die Gefahr der Überbewertung und Legendenbildung der Konkurrenz, wodurch eigene kreative Anstrengungen nicht realistisch eingeschätzt werden. Gottlieb Guntern warnt vor „skewed benchmarking“, dem allzu bescheidenen, <?page no="33"?> 29 Biologische Kreativität schrägen oder falschen Vergleich mit einer Beziehungsgröße, denn dies bedeutet Selbstbetrug. (G UNTERN , 1994, S. 9). Lit.: C AMP , R.: Benchmarking. München/ Wien 1994; F ÜSER , K.: Modernes Management. Business Reengineering, Benchmarking, Wertorientiertes Management und viele andere Methoden. (Beck- Wirtschaftsberater im dtv), 4. Aufl., München 2007; G OMEZ , P./ P ROBST , G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen. Bern/ Stuttgart/ Wien ³1999; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; K OTLER , P H ./ B LIEMEL , F.: Marketing-Management, 8. Aufl., Stuttgart 1995; L EIBFRIED , K./ M C N AIR , C. J.: Benchmarking. New York 1992; P IESKE , R.: Benchmarking: das Lernen von anderen und seine Begrenzung. In: Management-Zeitschrift io 63 (1994), S. 6, 19 ff.; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S OUSA , F./ M ONTEIRO , I.: A benchmarking study on organizational creativity practices in high technology industries. In: Mesquita, A. (Ed.): Technology for creativity and innovation: Tools, techniques and applications. Information science reference, Hershey/ Pennsylvania, New York 2011, pp. 1-25; W EHRLIN , U. (Hrsg.): Benchmarking. Leistungssteigerung und Stärkung der strategischen Wettbewerbsposition durch Best Practices: Vergleichen mit Marktumfeld - Lernen - Gestaltung der Organisations- und Lernkultur - Verbessern - Prozessoptimierung - Innovation. (Future Management; Bd. 17). München 2012. Besessenheit (griech. katoché; engl. obsession, possession) urspr. die Inbesitznahme des Menschen durch einen bösen Geist oder Dämon; gezielte Einflussnahme übernatürlicher Kräfte; ein Zustand höchster Verzückung bzw. das „Außersich-Sein“, das vom normalen Zustand völlig abweicht. Bereits in der Antike wurde dieser Schaffensrausch mit Trunkenheit und Wahnsinn in Verbindung gebracht. Platon erklärt, der Dichter singe seinen Gesang in einem rauschähnlichen Zustand, in Erregung, in Trance, ohne sich darüber bewusst zu sein, was er tue. Durch ihn spreche die Stimme Gottes zu den Menschen, d. h. er werde ein Medium und Sprachrohr seiner göttlichen Eingebungen. In jedem kreativen Prozess gibt es Momente oder Phasen der Besessenheit. Der Künstler oder Wissenschaftler ist zutiefst bewegt und ergriffen von seiner Aufgabe und erlebt zeitweise einen Schaffensrausch, indem er sich der Vollendung seines Kunstwerks oder der Lösung seines Problems nähert oder nahe glaubt. Ohne diese Begeisterung und Anspannung seiner Geisteskräfte würde sein Interesse an der Lösungssuche und Fertigstellung erkalten, so dass die Erleuchtung ( Illumination) seines Problems ausbliebe und der kreative Prozess in der Inkubationsphase stecken bliebe. Kreativität und Psychose Lit.: Z UTT , J. (Hrsg.): Ergriffenheit und Besessenheit. Bern/ München 1972. Bildhafte Synektik Visuelle Synektik Bildmappen-Brainwriting Battelle-Bildmappen-Brainwriting Bildstimulation Reizbild-Analyse Biologische Kreativität (biological creativity): eine „natürliche“ Kreativität, die auf der Annahme beruht, dass in der Evolution Neues entsteht. Sie bezieht sich auf die Lebewesen, auf die Kreaturen als Paradigma kreativer Gestaltungen. Elisabeth Gutjahr (*1960) ist der Auffassung: „Von Kreativität in der Natur spricht man, wenn neuartige Lebensformen (Lebewesen, Verhaltensweisen u.a.), aber auch biochemische oder elektrophysikalische Phäno- <?page no="34"?> Biologische Kreativität 30 mene normierte Erscheinungsformen durchbrechen und zu wesentlich Andersartigem mutieren. Die Entstehung des Lebens aus dem Ur-Ozean ist dafür das markanteste Beispiel; aber auch die Entwicklung von Lungen aus den Kiemen, welche das Leben der Wassertiere an der Luft ermöglicht hat, der aufrechte Gang des homo sapiens sapiens, die Entdeckung des Feuers und vieles mehr. Dem entscheidenden Sprung aus alten in völlig neue Erscheinungsformen geht meist eine lange Kette von ›Vorversuchen‹, die unzählige Abweichungen und Variationen bildet, voraus, so dass der Eindruck entsteht, die Natur würfle solange, bis sie einen Glückstreffer erzielt hat.“ (G UTJAHR , 1996, S. 10). Auch der Physiker Gerd Binnig (*1947) bezieht die gesamte Natur mit ein und erklärt: „Kreativität ist die Fähigkeit zur Evolution.“ (B INNIG , 1995, S. 314). Der englische Anatom, Zoologe und Paläontologe Sir Richard Owen (1804-1892) hatte bereits 1858 die kontinuierliche Wirksamkeit eines ›kreativen Vermögens‹ bzw. einer ›kreativen Kraft‹ (creative power, creative force) bei der Entstehung von Lebewesen als unumstößlichen Grundsatz formuliert. Charles Robert Darwin (1809-1882) schuf mit seiner Selektionstheorie die Grundlage für ein Verständnis von allmählicher Veränderung der Organismen hinsichtlich ihrer Anpassungen als auch der Mannigfaltigkeit ihrer Formen. Darwin deutete dies als Ergebnis eines natürlichen Mechanismus, wobei er den Begriff der Kreation im Sinne der deistischen Schöpfungstheorien ablehnte. Die Synthese von Kreativität und Evolution wurde 1907 von dem französischen Philosophen Henri Louis Bergson (1859-1941) in seinem Hauptwerk „L’évolution créatrice“ (Schöpferische Entwicklung) vertreten. Konventionelle Kreativitätskonzepte in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. gingen davon aus, dass Kreativität „ein entwerfendes Denken, das Vorgehen nach einem die Handlungen antizipierenden Plan“, also Intentionalität voraussetzt, aber die Natur handelt nach modernem Verständnis nicht nach einem vorweggenommenen Plan oder Entwurf, deshalb könne sie auch nicht kreativ genannt werden. (vgl. T OEPFER , 2005, Bd. 1, S. 811). Konträr dazu wird behauptet, die biologische Evolution sei „eindeutig kreativ“ und bringe „Arten hervor, die es zuvor nicht gegeben hat.“ (J ANSEN , 2005, Bd. 2, S. 22). Die Kreativität als Metapher für die Entstehung des Neuen ohne Annahme von Vorsatz und Planung ließe sich somit auch auf das Anorganische ausweiten. So wurden die Begriffe „kreatives Universum“ und „kosmische Kreativität“ geprägt. Lit.: B ERGSON , H.: L’évolution créatrice. Paris 1907; DT .: Schöpferische Entwicklung. Jena 1912; B INNIG , G.: Aus dem Nichts. Über die Kreativität von Natur und Mensch. München/ Zürich, 4. Aufl., 1992; D ERS .: Kreativität - die Fähigkeit zur Evolution. In: Guntern, Gottlieb (Hrsg.): Chaos und Kreativität. Rigorous Chaos. Mit Beiträgen von Gerd Binnig, Mitchell Feigenbaum u.a. - Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich/ Berlin/ New York 1995, S. 303-338; D ARWIN , C H . R.: On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life. London 1859; dt. Ausg.: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um’s Dasein. Stuttgart 1876; F ISCHER , E. P.: Die aufschimmernde Nachtseite. Kreativität und Offenbarung in den Naturwissenschaften. Konstanz ³2004; G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder Die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; H ILL , B.: Naturorientierte Lösungsfindung. Entwickeln und Konstruieren nach biologischen Vorbildern. Remmingen-Malmsheim 1999; J ANSEN , L.: Aristoteles und das Problem des Neuen: Wie kreativ sind Veränderungsprinzipien? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 15-25; K ANITSCHEIDER , B.: Von der mechanistischen Welt zum kreativen Universum. Zu einem neuen philosophischen Verständnis der Natur. Darmstadt 1993; M ARTINDALE , C.: Biological bases of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge 1999, pp. 137- 152; O WEN , R.: Presidential address. In: Reports of the British Association for the Advancement of science. 1858, pp. IL-CXI; R UNCO , M. A.: Biological perspectives on creativity. In: The same: Creativity. Theories and themes: Research, development, and practice. Elsevier Academic Press, Burlington, MA, San Diego, Calif., London 2007, pp. 71-113; T OEPFER , G.: Die Kreativität der Evolution - eine Kreativität der Mittel, nicht der Zwecke. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 1, S. 811-822; U LMANN , G.: Die Problematik der biologischen Fundierung menschlicher Intelligenz. In: Ahrens, H. J./ Amelang, M. (Hrsg.): Biologische Funktionen individueller Differenzierung. Beiträge zum Verhältnis von Psychologie und Biologie. Brennpunkte der Persönlichkeitsforschung. Bd. 2. Göttingen 1989, S. 160-171. <?page no="35"?> 31 Bionik Bionik (bionics): mitunter auch als ›Biomimikry‹ (engl. biomimicry) bezeichnet; der Begriff „Bionik“ wurde um 1958 von dem US-amerikanischen Luftwaffenmajor Jack E. Steele (1924-2009) geprägt und 1960 auf dem Symposium „Living prototypes - the key to new technology“ in Dayton (Ohio) erstmals öffentlich verwendet. „Bionics“ ist vermutlich aus den beiden Wörtern „Biology“ und „Electronics“ entstanden, weil sich die Tagung hauptsächlich mit neuronaler Verarbeitung, Bio-Computern und Sensorik beschäftigte. (Cerman; Barthlott; Nieder, 2005, S. 15 f.) Der Begriff „Biotechnik“ (aus Biologie und Technik gebildet), geht auf den österreichischen Biologen Raoul Heinrich Francé, eigtl. Rudolf Franzé (1874-1943) zurück. Jack E. Steele versuchte, die Arbeitsweise des menschlichen Gehirns auf Probleme der technischen Informationsverarbeitung zu übertragen. Die Natur hat Formen, Strukturen, Organismen und Prozesse hervorgebracht, deren Studium eine reiche Quelle für menschliche Problemlösungen darstellt. Die Natur diente als Vorlage für zahlreiche Erfindungen, wie z. B. für die Aerodynamik von Flugzeugen, für den Hubschrauber, für die Fotolinse, für den Klettverschluss bei Kleidungsstücken u. a. Der Samen des Löwenzahns und sein Flugvermögen dienten als Vorbild für die Entwicklung des Fallschirms. Die bionischen Untersuchungen des Echo-Schall-Mechanismus einer Fledermaus führten zur Entwicklung des Doppler-Radars. Die Qualle besitzt eine Sensibilität für Infraschall, wodurch sie aufkommende Stürme auf dem Meer rechtzeitig zu erkennen vermag. Sie stellt ihre Schwimmbewegungen ein und lässt sich in die Tiefe sinken, um der Gefahr zu entgehen. Nach diesem Vorbild wurde ein Medusenbarometer entwickelt, das als Frühwarnsystem die zu erwartenden Sturmfluten rechtzeitig anzeigt. Die Arzneimittelindustrie wendet eine lebensrettende Idee nach dem Vorbild der Natur an: „Es gibt eine Schmetterlingsart, die gegen Vögel einen wirksamen Abwehrmechanismus entwickelt hat. 10 % dieser Art besitzen ein starkes Herzgift, das bei einem potentiellen Konsumenten einen zwar nicht tödlichen, aber dennoch sehr starken Herzanfall hervorruft. Da giftige und ungiftige Schmetterlinge äußerlich nicht voneinander unterscheidbar sind, werden sie von Vögeln zukünftig gemieden. Eine analoge Lösung wurde von einem großen Pharmakonzern entwickelt, um Überdosierungen von Schlaftabletten zu verhindern bzw. ihre fatalen Auswirkungen zu unterbinden. Bei dieser sog. Schmetterlingsschlaftablette ist das eigentliche Schlafmittel mit einem Brechmittel gekoppelt, das bei normaler Dosierung keinerlei Wirkung zeigt. Bei Überdosierungen wird allerdings die zum Übergeben führende kritische Menge des Brechmittels schneller erreicht als die kritische Menge des Schlafmittels; es kommt zum Erbrechen, und die gefährliche Wirkung des Schlafmittels wird damit rechtzeitig unterbunden.“ (A RBINGER , 1997, S. 97). Bei der Bionik handelt es sich um eine Kreativitätstechnik, die die organischen Elemente sowie die Artenvielfalt der Natur nach Strukturen, Eigenschaften, Funktionen und Wirkungszusammenhängen untersucht, um daraus Anregungen zur Lösung technischer Probleme zu erhalten, d. h. um ihre Vorgänge und Bewegungsabläufe auf technische Aufgabenstellungen zu übertragen. Dabei geht es um die systematische technische Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen, Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme. Dazu gehört auch die wirtschaftlich-technische Anwendung biologischer Organisationskriterien. „Die Vielfalt biologischer Lösungsmöglichkeiten regt die kreative Phantasie an! “ Deshalb ist die Bionik „als Kreativitätstraining“ geradezu prädestiniert. (N ACHTIGALL , 2002, S. 429). Es kann sorgfältig beobachtet, ausgewertet und dargestellt werden, „wie die Natur entsprechende Problemlösungen als evolutionäre Entwicklungen hervorgebracht hat.“ (L ENK , 2006, S. 264) Die Natur kann aber nicht nur bei Einzelkonstruktionen oder Entwürfen, bei Ideen-Varianten oder Kombinationen als Vorbild dienen, sondern auch für ganzheitliche vernetzte Denkprozesse, für übergreifende methodische Prinzipien, z. B. für Grundregeln der Biokybernetik mit Vorbildfunktion für komplexe technische Systeme sowie für das Verknüpfen bionischer Aspekte in den Konstruktionsprozess. Die Gestaltungs- und Entwicklungsprinzipien der Natur können für eine positivere Vernetzung von Mensch, Umwelt und Technik dienen. Bei der Suche nach Problemlösungen ist also die Einbeziehung der Bionik von weitreichender Bedeutung. <?page no="36"?> Bisoziation 32 Lit.: A LLEN , R./ K AMPHUIS , A.: Das kugelsichere Federkleid: Wie die Natur uns Technologie lehrt. Heidelberg 2011; A RBINGER , R.: Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt 1997; B ENGELSDORF , C.: Bionik - Stellenwert in der deutschen Industrie. München, Ravensburg 2011; B LÜCHEL , K. G.: Bionik. Wie wir die geheimen Baupläne der Natur nutzen können. München ²2006; B LÜCHEL , K. G./ M ALIK , F.: Faszination Bionik. München 2006; B LÜCHEL , K. G./ N ACHTIGALL , W.: Das große Buch der Bionik. Neue Technologien nach dem Vorbild der Natur. Stuttgart, München ²2003; B OBLAN , I./ B ANNASCH , R. (Hrsg.): First International Industrial Conference Bionik 2004. Fortschritt-Berichte VDI, Reihe 15, Nr. 249. Düsseldorf 2004; C ERMAN , Z./ B ARTHLOTT , W./ N IEDER , J.: Erfindungen der Natur. Bionik - Was wir von Pflanzen und Tieren lernen können (rororo science). Reinbek bei Hamburg 2005; H EYDE- MANN , B.: Vielfalt im Leben. Biologische Diversität. Vorbilder für die Ökotechnologie - Ausblicke in die Zukunft - Menschen lernen vom Ingenieurbüro Natur. Nieklitzer Ökotechnologie-Stiftung NICOL. Kiel 2004; H ILL , B.: Naturorientierte Lösungsfindung. Entwickeln und Konstruieren nach biologischen Vorbildern. Renningen-Malmsheim 1999; K REUZER , F./ F INK , R. (Hrsg.): Nobelpreis für den lieben Gott. Chancen und Grenzen der BIONIK. Wunder und Rätsel der EVOLUTION. Offene und versperrte Tore der ER- KENNTNIS. Wien 2004; L ENK , H.: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongreß für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289 [passim S. 262-266: Bionik zur kreativen Anregung]; N ACHTIGALL , W.: Bionik. Grundlagen und Beispiele für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Berlin, Heidelberg, New York ²2002; D ERS .: Biologisches Design. Systematischer Katalog für bionisches Gestalten. Berlin, Heidelberg, New York 2005; D ERS .: Bionik. Lernen von der Natur. München 2008; D ERS .: Bionik als Wissenschaft. Erkennen - Abstrahieren - Umsetzen. Berlin, Heidelberg 2010; N ACHTIGALL , W./ P OHL , G.: Bau-Bionik: Natur - Analogien - Technik. Heidelberg, Berlin 2013; N ACHTIGALL , W./ W ISSER , A.: Bionik in Beispielen: 250 illustrierte Ansätze. Heidelberg 2013; R OSSMANN , T./ T ROPEA , C. (Hrsg.): Bionik. Aktuelle Forschungsergebnisse in Natur-, Ingenieur- und Geisteswissenschaft. Berlin, Heidelberg, New York 2005; S CHERGE , M./ G ORB , S.: Biological Microand Nanotribiology. Nature’s solutions. Berlin, Heidelberg, New York 2001. Bisoziation (bisociation): Dieser Begriff wurde 1964 von dem Schriftsteller Arthur Koestler (1905-1983) in seinem Buch „The act of creation“ geprägt und bezeichnet den Prozess, in dem einzelne Gedanken verknüpft und miteinander kombiniert werden; das Nebeneinanderstellen zuvor beziehungsloser Ideen, d. h. Kreativität als Bisoziation von Denksystemen, die gewöhnlich nicht miteinander in Verbindung gebracht werden und sogar unvereinbar erscheinen mögen. Einige von Henri Poincarés (1854-1912) Vorstellungen verknüpfte Koestler mit Überlegungen von Sigmund Freud (1856-1939) zu einer Theorie der Bisoziation. Koestler nimmt an, dass eine kreative Idee durch eine unbewusste Kombination von Ideen zustande kommt, die nicht mit dem bewussten Denken zusammenhängen kann. Kreatives Problemlösen erfordere neuartige Gedankenkombinationen. Koestler verstand Bisoziation als Gegensatz zur Assoziation, die sich auf zuvor schon hergestellte Verbindungen von Gedanken bezieht; dagegen erzeuge die Bisoziation dort neue Verbindungen, wo zuvor gar keine existierten. Nach Koestler setzt jeder kreative Akt eine solche Bisoziation voraus. Die Gedanken existieren nach dieser Theorie in miteinander verbundenen Reihen oder Matrizen. Beim normalen, bewussten, assoziativen Denken führt innerhalb derselben Matrix ein Gedanke zum anderen. In Situationen dagegen, die kreatives Denken erfordern, muss der Denker von einer Matrix zur anderen wechseln. Nach Koestler entsteht erst dann eine Bisoziation, wenn man sich zuvor schon lange Zeit ernsthaft mit einem Problem befasst hat. Erst dann ist das Problem so weit ›herangereift‹, dass die bisoziative Verbindung zwischen zwei Matrizen entstehen kann. Koestler hebt in diesem Zusammenhang auch die Bedeutung der Träume hervor, in denen wir, von assoziativen Verbindungen befreit, in passiver Weise bisoziieren. Das unbewusste Denken kann so neuartige Gedankenverbindungen schaffen, weil es weniger rigide und spezialisiert ist als das bewusste Denken. Diese unbewusste neuartige Kombination von Gedanken ist die Voraussetzung für die Kreativität. Potenziell brauchbare Kombinationen werden dem Bewusstsein präsentiert und von ihm weiter bearbeitet. Es gibt auch die Annahme, dass die Abkehr von einem Problem sinnvoll ist, um die Inkubation, also die unbewusste Kombination von Gedanken zu fördern. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 33, 40-43). Lit.: K OESTLER , A.: The act of creation. London/ NewYork 1964, ³1990 (dt. Ausg.: Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. Bern, München, Wien 1966; ²1968; L OHMEIER , F.: Bisoziative <?page no="37"?> 33 Bono, Edward de Ideenfindung. Erforschung und Technisierung kreativer Prozesse. Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1985; W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Boden, Margaret A. (*1936): britische Psychologin und Philosophin; eine der renommiertesten Expertinnen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: Künstliche Intelligenz, Computermodelle des Gehirns, biologische Aspekte der Psychologie u. a. Margaret A. Boden vertritt einen computerwissenschaftlichen Ansatz der Kreativitätsforschung und ist der Auffassung, dass es möglich ist, die menschliche Kreativität mit Hilfe von Computern zu steigern. Computer können dazu verwendet werden, um Möglichkeitsräume in der Musik, Grafik, in den Wissenschaften, in der Politik und Wirtschaft zu erkunden, wenn das menschliche Vorstellungsvermögen als zu langsam erscheint. Durch die digitale Simulation menschlicher Kreativitätsleistungen könne man deren Funktionsweisen (besser) verstehen und deren Mechanismen aufspüren. Es gibt Computerprogramme, die wissenschaftliche Entdeckungen nachvollziehen und aus empirischen Daten, Zahlen- und Messwertreihen, die jeweils die Werte einer bestimmten Größe angeben, quantitative Gesetze ableiten. So hat das Programm BACON „eine Reihe wichtiger Naturgesetze wieder entdeckt“, z. B. „das Boyle-Mariottesche Gesetz, das den Druck p eines Gases zu seinem Volumen V in Beziehung setzt (pV = const.)“. (B ODEN , 1992, S. 238). Boden spricht von einem „conceptual space“, der für einen bestimmten Wirklichkeitsbereich durch ein System von Regeln bestimmt ist. Solche Möglichkeitsräume sind z. B. eine Einzelsprache, die Harmonielehre oder eine wissenschaftliche Theorie. Verschiedene Computerprogramme sind bereits in der Lage, mit beschränktem Erfolg kreativ zu arbeiten, z. B. Zeichenprogramme, solche die Fabeln oder Haikus (eine japanische Gedichtform) verfassen, bzw. ein Programm das Jazz improvisiert. (Boden, 1991; Mayer, 2005, Bd. 2, S. 239). Dieser Forschungsansatz könne zu einem besseren Verständnis von menschlicher Kreativität beitragen. Kritiker der künstlichen Intelligenz argumentieren, dass Maschinen, die intelligentes Verhalten simulieren, selbst nicht intelligent sind, weil sie ihre eigenen Manipulationen nicht verstehen und weil sie „als bloße Trickmaschinen fungieren, die den Testpersonen Intelligenz vorspiegeln, während die eigentliche Intelligenz vom Architekten des Systems repräsentiert wird.“ (M AYER , 2005, Bd. 2, S. 240). Programmierer, die die Computerprogramme entwickeln, sind kreativ, aber nicht die Computer selbst. Computer und Kreativität Lit.: B ODEN , M. A.: Purposive explanation in psychology. Cambridge, MA: Harvard University Press. 1972; D IES .: Artificial intelligence and natural man. London: MIT Press; N EW Y ORK : Basic Books, 2 nd .ed. 1987; D IES .: The creative mind: Myths and mechanisms. London: Abacus; N EW Y ORK : Basic Books 1990; 2 nd edition. London: Routledge 2004; dt. Ausg.: Die Flügel des Geistes. Kreativität und künstliche Intelligenz. München 1992; D IES .: Horses of a different color? In: W. Ramsey, S. P. Stich, D. E. Rumelhart (Eds.): Philosophy and connectionist theory. Hillsdale, NJ: Erlbaum, 1991, pp. 3-19; D IES . (Ed.): Dimensions of creativity. Cambridge, MA: MIT Press 1994; D IES .: What is creativity? In: M. A. Boden (Ed.): Dimensions of creativity. Cambridge, MA: MIT Press 1994, pp. 75-117; D IES . (Ed.): The philosophy of artificial life. Oxford: Oxford University Press 1996; D IES .: Creativity and artificial intelligence. In: Artificial Intelligence, 103, 1998, pp. 347-356; D IES .: Computer models of creativity. In: The Psychologist 13, 2000, pp. 72-76; Dass. in: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge/ MA et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 351-372; M AYER , V.: Ist Kreativität naturalisierbar? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 237-243; R EICHENBERGER , A. A.: Können Computer kreativ sein? In: Ebenda, S. 245-256; S CHRÖ- DER , J.: Computer und Kreativität. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 926- 944. Bono, Edward de de Bono, Edward <?page no="38"?> Brain Building 34 Brain Building Aufbau der geistigen Kräfte, Intelligenzaufbau. Ein Trainingsprogramm zur Verbesserung des Wahrnehmungsvermögens, der Ausdrucksweise, der Entscheidungs- und Urteilskraft sowie für Gedächtnis, Logik und Kreativität; von der US-amerikanischen Autorin Marilyn vos Savant entwickelt. Lit.: S AVANT , M. VOS / F LEISCHER , L.: Brain Building. Das Supertraining für Gedächtnis, Logik, Kreativität. Reinbek bei Hamburg 2002 (Originalausgabe: New York 1990. Brainchild kreative Schöpfung; eigtl. ein geistig gezeugtes Kind; weist auf den Zusammenhang von sexuellem Zeugungsvorgang und daraus entstehender Schöpfung hin. Diese Metapher kennzeichnet die Kreativität selbst, denn „darin wird festgehalten, dass das Konzept der Kreativität einmal sexuell gemeint war; im Akt der Kreation schuf man Kinder.“ Später wurde „der Begriff in bezug auf den Schöpfergott desexualisiert. Von Gott hat ihn dann der Künstler geerbt. Wie Gott eine Welt schafft, schafft der Künstler seine Welt. Beide sind Väter und Autoren ihrer Schöpfung.“ (S CHWANITZ , 1999, S. 475). Lit.: S CHWANITZ , D.: Bildung. Alles, was man wissen muß. Frankfurt am Main 1999. Brainstorming (auch als „klassisches Brainstorming“ bezeichnet). Der Begriff wurde 1938 von dem US-amerikanischen Werbepsychologen Alex F. Osborn (1888-1966) geprägt und setzt sich zusammen aus ›brain‹ (Gehirn) und ›storm‹ (Sturm). Diese von ihm entwickelte Methode, das Gehirn zu benutzen, um ein Problem zu ›stürmen‹, hat Vorläufer bei den Hindu-Lehrern in Indien, die dieses Verfahren bereits seit über vierhundert Jahren anwenden. Osborn begründete damit die angewandte Kreativitätsforschung, eine auf die Praxis ausgerichtete Entwicklung von Methoden zur Hervorbringung von technischen Erfindungen, wissenschaftlichen Entdeckungen und Innovationen. Das Brainstorming ist der „Prototyp kreativer Teamarbeit, vermutlich die weltweit am häufigsten angewandte Methode zur Ideenfindung.“ (S CHLICKSUPP , 1995, S. 182). Sie verfolgt das Ziel, möglichst zahlreiche spontane Einfälle und Vorschläge der Mitarbeiter zu einem Projekt zu sammeln, um daraus die bestmögliche Lösung für ein bestimmtes Problem zu finden. Hierbei kommt es auf das unbefangene Äußern möglichst vieler Ideen an, so abwegig sie auch zunächst erscheinen mögen. Die ersten Lösungsvorschläge sind meist noch konventionell und erst die späteren kreativ und ungewöhnlich. Da die meisten Menschen nur eine geringe Anzahl von außergewöhnlichen Ideen äußern, aus Furcht, sich vor ihren Mitmenschen zu blamieren, soll keine Bewertung ( Evaluation) und Kritik der Vorschläge stattfinden. Erst danach erfolgt eine qualitative Sichtung der vorgeschlagenen Lösungsideen durch eine Jury, wobei die besten Ideen strukturiert und weiterentwickelt werden. Das Brainstorming wird deshalb auch als klassisches Verfahren zur Ideenfindung oder Ideenkonferenz bezeichnet. In zwangloser Atmosphäre kann eine Kettenreaktion neuer Ideen ausgelöst werden, also eine Wechselwirkung durch Ideenassoziationen. Je mehr Einfälle produziert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit von Treffern, also von Ideen, die ein bestimmtes Problem „kreativ“ lösen können. Diese Methode besteht aus zwei Phasen: In der ersten werden Vorschläge und Lösungsmöglichkeiten unkontrolliert assoziiert und kumuliert, in der zweiten werden die Ideen bewertet. Die Verhaltensregeln für die kreative Teamarbeit des Brainstormings lauten: 1. Vermeide jegliche Wertung bzw. Kritik der hervorgebrachten Ideen, d. h. trenne die kreative Phase konsequent von der Phase der Bewertung. 2. Suche das Positive in den Ideen der anderen, greife es auf und versuche, es weiterzudenken. Prüfe die Kombination von Einfällen. 3. Lass deiner Phantasie und Intuition freien Lauf; äußere auch ungewöhnliche Gedanken. 4. Befreie dich vom Zwang, nur gute, sofort brauchbare Ideen finden zu müssen. Lass dich von Spontaneität tragen, aber fasse dich kurz. (Vgl. S CHLICKSUPP , 1995, S. 182) <?page no="39"?> 35 Brainstorming Die Teilnehmer werden somit auch zur Quantität ermutigt: Je mehr Gedanken man produziert, umso größer ist die Chance, unter diesen einige gute Ideen zu finden. Bei dieser assoziationstheoretischen Konzeption wird vor allem der Faktor Flüssigkeit hervorgehoben. Die Innovation Osborns besteht in der klaren Trennung zwischen der Phase der Ideenfindung (auch als Produktionsphase bezeichnet) und der Bewertungsphase. Durch das Aufschieben der Beurteilung an den Schluss werden die Kontrollinstanzen zunächst ausgeschaltet. Damit soll ein vorschnelles Verwerfen originaler Gedanken und Einfälle verhindert werden. Kommt die Evaluation zu früh, kann dies kreativitätshemmend sein. Mitunter ist es sogar günstiger, die unterbreiteten Einfälle und Lösungsvorschläge erst in einer zeitlich davon separaten Sitzung zu bewerten. Dies erfolgt nach verschiedenen Bewertungskriterien, z. B. Schwierigkeit, Realisierungsmöglichkeit usw. Die von Osborn vorgeschlagene Trennung zwischen der Phase der Ideenfindung und der Bewertungsphase hat sich in der Praxis bewährt und erfolgreich durchgesetzt. Als Bewertungsmaßstab hat der US-amerikanische Psychologe Leo B. Moore im Jahre 1962 folgende Technik entwickelt: Die Gruppenmitglieder des Brainstormings versehen alle Einfälle mit den Kennziffern I, II oder III, die für den jeweiligen Schwierigkeitsgrad der Realisierung der Lösungsvorschläge stehen. Nach der Brainstorming-Sitzung geht die Gruppe alle eingereichten Ideen durch und prüft, ob sie einfach, schwer oder äußerst schwierig umzusetzen sind. Der Schwierigkeitsgrad wird dabei auf einer Punkte-Skala eingetragen. Diese Methode so betont Moore bereite den Gruppenmitgliedern auch Freude, da sie selbst ihre Gedanken noch weiter durchdenken können, außerdem sei sie zeitsparend. Die mit I bewerteten Vorschläge beanspruchen den geringsten Zeit- und Kostenaufwand, während die Ideen zu II und III einen entsprechend höheren Aufwand erfordern. Dieses Verfahren ist schnell und leicht durchzuführen und führt aus der unverbindlichen Ideenäußerung zur Verantwortung und Begründung des zu Bewertenden. Untersuchungen haben aber auch ergeben, dass diese Methode nicht unbedingt zu einer höheren Kreativität führen muss. Zwar können mehr Ideen zu einem gestellten Problem produziert werden, doch ob sie wirklich originell und neuartig sind, ist nicht selbstverständlich. Teilweise äußern die Teilnehmer des Brainstormings nach einem Vorschlag konformistisch ähnliche Ideen. Es ist also fraglich, ob man diese Methode erfolgreich mit allen Personen praktizieren könne, ohne dass diese vorher entsprechend trainiert worden sind. Der Erfolg dieser Trainingskurse ist umstritten, in vielen Fällen gar nicht messbar. Neben dem klassischen Brainstorming wird auch das elektronische Brainstorming (electronic brainstorming) mittels Computer-Interaktion durchgeführt. Vom Brainstorming sind zahlreiche Varianten bekannt, z. B.: Anonymes Brainstorming, Destruktiv-konstruktives Brainstorming, Didaktisches Brainstorming, Imaginäres Brainstorming, Inverses Brainstorming, SIL-Methode, Solo-Brainstorming, Visuelles Brainstorming, Brainwriting, Diskussion 66, And-also-Methode, Creative Collaboration Technique. Robert W. Weisberg, Adrian Furnham und Mario Pricken setzen sich kritisch mit der Methode des Brainstormings auseinander. An Hand von Untersuchungsergebnissen stellt Weisberg sowohl den Nutzen des Brainstormings als auch die Annahme in Frage, dass Kreativität von divergentem oder lateralem Denken abhängig ist. So sei das Problemlösen in der Gruppe weniger produktiv als das individuelle Problemlösen, und die Instruktionen des Brainstormings seien weniger effizient als Anweisungen, die eine vorherige Festlegung von Kriterien sowie eine Beurteilung der Ideen hervorheben. Außerdem zeigen die Forschungsergebnisse auch, dass das kreative wissenschaftliche Denken nicht mit der Fähigkeit zum divergenten Denken zusammenhängt. Das kreative Denken sei keine außergewöhnliche Form des Denkens, sondern zeichne sich erst durch das Denkprodukt aus und nicht durch den Weg, auf dem der Denker zu ihm gelangt ist. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 85-98). Kevin P. Coyne, Patricia Gorman Clifford und Renée Dye empfehlen ein effektives Brainstorming, weil die meisten Mitarbeiter „unstrukturiertes und abstraktes Brainstorming nicht besonders gut beherrschen. … Ohne Leitlinien wissen die Teammitglieder nicht, ob sie ihre erste Idee weiterverfolgen oder doch lieber in eine völlig andere Richtung denken sollen.“ (C OYNE / C LIFFORD / D YE , 2011, S. 8). Diese Unsicherheit führe zu Frustrationen und schließ- <?page no="40"?> Brain-Techniken 36 lich zur Resignation. Nützliche Vorgaben, die nicht zu eng ausgelegt sind, sowie gezielte Fragestellungen, die der Ideenfindung einen Rahmen geben, um bessere Antworten zu erhalten, führen dagegen zu einem effektiveren Brainstorming. Auf dieser Grundlage können Entscheidungen getroffen und verglichen werden. Lit.: C OYNE , K. P./ C LIFFORD , P. G./ D YE , R.: Querdenken mit System. In: Harvard Business manager. Das Wissen der Besten. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 7-15; D ENNIS , A. R./ V ALACICH , J. S.: Computer Brainstorms: More heads are better than one. In: Journal of Applied Psychology, 78, No. 4, 1993, pp. 531-537; D UNNETTE , M. D./ C AMPBELL , J./ J ASTAAD , K.: The effects of group participation on brainstorming effectiveness for two industrial samples. In: Journal of applied psychology 47, 1963, pp. 10-37; F URNHAM , A.: The brainstorming myth. In: Business Strategy Review, yearbook 11, No. 4, 2000, pp. 21-28; Gallupe, R. B./ Cooper, W. H./ Grisé, M. L. & Bastianutti, L. M.: Blocking electronic brainstorms. In: Journal of Applied Psychology, Vol. 79, 1994, pp. 77-86; G OMEZ , P./ P ROBST , G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen. Bern/ Stuttgart/ Wien ³1999; M ILLER , B. C.: Quick Brainstorming activities for Busy Managers: 50 Exercises to spark your team’s creativity and get results fast. New York 2012; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative thinking, New York 1953; überarb. Ausg. 1963; D ERS .: Is education becoming more creative? An address given at the seventh annual Creative Problem-Solving Institute, University of Buffalo, 1961; D ERS .: Development in creative education. In: Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 19-29; P RICKEN , M.: Kribbeln im Kopf. Kreativitätstechniken & Denkstrategien für Werbung, Marketing und Medien. 11. Aufl., Mainz 2010; R OY , M. C./ G AUVIN , S./ L IMAYEM , M.: Electronic group brainstorming. The role of feedback on productivity. Small Group Research, 27, 1996, pp. 215-247; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung, Würzburg ³1989, S. 101-113; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; S CHMIDT , T.: Brainstorming in Gruppen und die Auswirkungen auf die Kreativität. Ein wirtschaftspsychologischer Essay. München/ Ravensburg 2012; Stroebe, W.; N IJSTAD , B.: Warum Brainstorming in Gruppen Kreativität vermindert: eine kognitive Theorie der Leistungsverluste. In: Psychologische Rundschau, 54. Jg., H. 1, 2004, S. 2-10; T AYLOR , D. W./ B ERRY , P.C./ B LOCK , C. H.: Does group participation when using brainstorming facilitate of inhibit creative thinking? Administrative Science Quarterly, 3, 1958, pp. 23-47; V ALACICH , J. S./ D ENNIS , A. R./ C ONNOLLY , T.: Idea-generation in computer-based groups. A new ending to an old story. In: Organizational Behavior and Human Decision Processes, Vol. 57, 1994, pp. 448-467; W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989; W ILSON , C H .: Brainstorming and beyond. A user-centered Design Method. Elsevier Inc. Kidlington, Oxford, UK/ Waltham, MA, USA 2013. Brain-Techniken Assoziationstechniken; Sammelbegriff für Kreativitätstechniken, die auf dem Brainstorming beruhen bzw. eine Variation zu dieser Methode darstellen, wie Brainfloating, Brainwriting, Braincards, Brainwalking, Mind Mapping. Diese Methoden beruhen im Wesentlichen auf dem Sammeln und Assoziieren möglichst vieler Ideen, die zunächst nicht bewertet oder kritisiert werden, weil deren Überprüfung auf mögliche Anwendbarkeit erst abschließend erfolgt. Brainware Ideenware, Ideenspeicher Brainwave Geistesblitz, genialer Einfall. Brainwriting schriftliche Ideenausarbeitung; eine aus dem Brainstorming abgeleitete Variante zur Ideenfindung; 1972 von dem Unternehmensberater und Managementtrainer Bernd Rohrbach eingeführt. Bei dieser Kreativitätstechnik werden die schriftlich formulierten Ideen der anderen Teilnehmer aufgenommen, um daraus eigene zu entwickeln. Dabei kommt es darauf an, in Ruhe und konzentriert über neuartige oder originelle Lösungansätze für ein Problem nachzudenken. Es ist besonders für Personen geeignet, denen das spontane mündliche Vorschlagen von Ideen und Lösungen Mühe bereitet. Die entstehenden Notizen <?page no="41"?> 37 Breakthrough thinking regen zu weiteren Überlegungen an und das sorgfältige Formulieren und Erkennen von Zusammenhängen wird dadurch erleichtert, dass man nicht unter Zeitdruck steht. Da dies eine individuelle Kreativitätstechnik ist, entfällt die gruppendynamische Anregung bzw. der Ideenaustausch mit anderen Personen. Jedoch kann auch beides verknüpft werden, indem die individuell ausgearbeiteten Lösungsvorschläge und Resultate in eine Gruppendiskussion eingebracht werden, oder wenn die schriftlichen Ideenausarbeitungen jedes Teilnehmers in der Gruppe zirkulieren und durch diese ergänzt bzw. miteinander kombiniert werden. Varianten des Brainwriting sind: Brainwriting-Pool, Collective Notebook, Crawford Slip Method, Creative writing, Delphi-Methode Galerie-Methode, Idea engineering, Kärtchen- Technik, Methode 6-3-5, SIL-Methode. Lit.: F RIEDRICH , M.: Kreatives Brainwriting mit Brain-Maps. Wissenschaftliche Fundierung eines innovativen Konzeptes (Wirtschafts- und Berufspädagogische Schriften, hg. von W. Stratenwerth, B. Schurer und H.- J. Albers, Bd. 13). Bergisch Gladbach 1994; P AULUS , P. B./ Y ANG , H. C.: Idea generation in groups. A basis for creativity in organizations. In: Organizational Behavior and Human Decision Processes, Vol. 82, 2000, pp. 76-87; R OHRBACH , B.: Techniken des Lösens von Innovationsproblemen (Schriften für Unternehmensführung, Bd. 15). Wiesbaden 1972; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung. Würzburg ³1989. Brainwriting-Pool auch Ideen-Pool genannt; eine Variante der schriftlichen Ideenausarbeitung, bei dem die Teilnehmer völlig frei ihre Aufzeichnungen gegen andere, in der Tischmitte (dem Ideen-Pool) liegende, austauschen können. Diese Kreativitätstechnik wurde von Helmut Schlicksupp (1943-2010) entworfen und bedeutet eine Weiterentwicklung der Methode 6-3-5. Schlicksupp hat damit deren Nachteile aufgehoben, dass sechs Personen jeweils drei Ideen innerhalb von fünf Minuten notieren sollen (daher die Bezeichnung 6-3-5), denn diese Zeitvorgabe erweist sich mitunter als kreativitätshemmend. Beim Brainwriting- Pool hingegen kann jeder Teilnehmer die Ideenproduktion seinen Möglichkeiten bzw. seinem persönlichen Arbeitsrhythmus anpassen. Es ist auch kein besonderes Formular nötig, sondern ein formloses Blatt genügt. Jeder Teilnehmer notiert ohne Zeitvorgabe zum betreffenden Problem seine Lösungsvorschläge. Fällt einem Teilnehmer kein neuer Gedanke ein, tauscht er sein beschriebenes Blatt gegen eines aus der Tischmitte, also aus dem Brainwriting-Pool bzw. dem Ideen-Pool. Die darauf notierten Empfehlungen sollen ihn zu weiteren Lösungsvorschlägen oder -varianten anregen, die er auf dem jetzt vorliegenden Zettel hinzufügt. Dies kann beliebig oft geschehen, so dass am Schluss der Sitzung zahlreiche Lösungsmodelle zur Auswahl stehen. Durch häufigen Austausch der Aufzeichnungen kann jeder Beteiligte die Lösungsvorschläge der anderen Mitwirkenden erfahren. Die Dauer der Ideenberatung lässt sich flexibel getalten (gewöhnlich etwa 20 bis 40 Minuten). Vorteilhaft erweist es sich, wenn bereits vor Beginn der Ideenberatung ein Zettel mit einigen Lösungsvorschlägen auf die Tischmitte gelegt wird. Lit.: B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (Reihe Management). Würzburg 1991; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen). Würzburg ³1989; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; D ERS .: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999. Breakthrough thinking™: „bahnbrechendes Durchbruchsdenken“ (S CHRÖDER , 2005, S. 17); ein zielorientiertes Denken, mit deren Hilfe man Schwierigkeiten und Hindernisse überwindet und den Durchbruch schafft (breakthrough: Durchbruch). Dabei wird das verfügbare Wissen systematisch angewandt. Eine Lösungsstrategie, die zwischen dem verfügbaren Wissen und dessen systematischer Anwendung vermittelt. Frühester Beleg für diesen Begriff bei Werner Hürlimann 1981. Bei ihm als »Breakthrough-Denktechnik« bezeichnet. Nach Hürlimann beinhaltet diese Methode, eine gefundene Idee selbst in Frage zu stellen, die Gegenargumente in einer hitch-list (Problemliste) zu verzeichnen, und anschließend zu versuchen, <?page no="42"?> Brodbeck, Karl-Heinz 38 diese zu überwinden. Diese Methode sei gewissermaßen „ein Solo-Dialog“. (H ÜRLIMANN , 1981, S. 65). Die Weiterentwicklung als »Breakthrough thinking™« erfolgte durch den USamerikanischen Professor für Engineering Management Gerald Nadler und den japanischen Professor für Planung und Design Shozo Hibino. Für dieses Denken entwickelten sie sieben Lösungsprinzipien: 1. Einmaligkeit 2. zielgerichtetes Vorgehen 3. Vorausschau 4. Systemansatz 5. Maßhalten beim Sammeln von Informationen 6. Einbeziehung der Betroffenen 7. kontinuierliche Verbesserung der gefundenen Lösung Nadler und Hibino weisen aber auch auf sieben Mythen der Problemlösung hin: 1. Altruismus. Gönnerhafte Zugeständnisse ohne eigene Anstrengungen sind tabu. 2. Experten wissen alles. Die Mitarbeiter wollen von Anfang an in die Problemlösung einbezogen werden und diese nicht allein den Experten überlassen. 3. Schnappschuss. Die Annahme, dass die Lösung eines Problems blitzartig erfolge. Meist stellt sich das Ergebnis erst nach sorgfältiger Planung ein. 4. Soforterfolg. Die Vorstellung, dass die Durchsetzung und Umsetzung kein Problem mehr sei, wenn ein Qualitätsprogramm erst einmal verabschiedet und eingeführt ist. 5. Kopieren. Die Meinung, dass ein Programm automatisch auch woanders funktioniere, wenn es sich in einem Unternehmen bewährt hat. 6. Typisierung. Die Ansicht, dass die Reaktionen der Mitarbeiter durch Studien eindeutig vorhergesagt werden können, trifft nicht zu. Kreativität braucht Freiräume, die durch Typisierung verhindert werden. 7. Abteilung XY. Es ist falsch, zu glauben, dass zur Einführung eines Qualitätsprogramms eine besondere Abteilung geschaffen werden muss. Das Unternehmen muss als Ganzes einbezogen werden, nicht nur eine Abeilung. Umfassende Planung und eine verbesserte Arbeitsstruktur sollten die Folge des neuen Programms sein. (vgl. N EUBEISER , 1993, S. 69-71). Lit.: E RIKSEN , K.: Perfect phrases for creativity and innovation. Hundreds of ready-to-use phrases for breakthrough thinking, inventive problem solving, and team collaboration. New York et al.; The McGraw-Hill Companies 2012; F LORIDA , R./ K ENNY , M.: The breakthrough illusion. Corporate America’s failure to move from innovation to mass production. Basic Books, New York 1990; Harvard business review on breakthrough thinking. (A Harvard business review paperback). Boston, MA 1999; H ÜRLIMANN , W.: Methodenkatalog. Ein systematisches Inventar von über 3000 Problemlösungsmethoden (Schriftenreihe der Fritz- Zwicky-Stiftung, Bd. 2), Bern/ Frankfurt am Main/ Las Vegas 1981; N ADLER , G./ H IBINO , S.: Breakthrough thinking: why we must change the way we solve problems, and the seven principles to achieve this. Prima Publishing & Communications Rocklin, CA 1990; N ADLER , G./ H IBINO , S./ F ARREL , J.: Creative solution finding: The triumph of full-spectrum creativity over conventional thinking. Prima Publishing Rocklin, CA 1995; N ADLER , G./ H IBINO , S.: Breakthrough thinking: The 7 principles of creative problem solving. Rocklin, CA 1994; N ADLER , G./ H IBINO , S./ F ARREL , J.: Creative solution finding: The triumph of breakthrough thinking over conventional problem solving. Rocklin, CA 1999; N EUBEISER , M.-L.: Die Logik des Genialen. Mit Intuition, Kreativität und Intelligenz Probleme lösen. Wiesbaden 1993; P ERKINS , D. N.: Archimedes’ bathtub. The art and logic of breakthrough thinking. New York, London 2000; dt. Ausg.: Geistesblitze. Innovatives Denken lernen mit Archimedes, Einstein & Co., Frankfurt am Main/ New York 2001; München ²2003; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke, Bochum 2005; S IMS , P.: Little bets: How breakthrough ideas emerge from small discoveries. New York: Free Press, 2011. Brodbeck, Karl-Heinz (*1948): Kreativitätsforscher, Philosoph, Ökonom und Wirtschaftsethiker; Professor für Volkswirtschaftslehre, Statistik und Kreativitätstechniken an der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt sowie an der Hochschule für Politik in München. Er führte den Begriff Achtsamkeit in die Kreativitätsforschung ein. Lit.: B RODBECK , K.-H.: Erfolgsfaktor Kreativität. Die Zukunft unserer Marktwirtschaft. Darmstadt 1996; D ERS .: Kreativität und Unsicherheit. Zur Synthese der Theorien von Schumpeter und Keynes. In: Brodbeck, K.-H. (Hrsg.): praxisperspektiven, Bd. 1. Würzburg 1996, S. 107-112; B RODBECK , K.-H.: Ist Kreativität erlernbar? In: Ders. (Hrsg.): Praxis Perspektiven, Bd. 3: Jahresbuch des Vereins für betriebswirtschaftlichen Wissenstransfer am Fachbereich Betriebswirtschaft der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt- <?page no="43"?> 39 Business Creativity Aschaffenburg. Würzburg 1998; D ERS .: Mut zur eigenen Kreativität. Wie wir werden, was wir sein können. (Herder spektrum, Bd. 4804), Freiburg, Basel, Wien 2000; D ERS .: Neue Trends in der Kreativitätsforschung. In: Psychologie in Österreich 26, 2006, S. 246-253; D ERS .: Entscheidung zur Kreativität. Wege aus dem Labyrinth der Gewohnheiten, 4. Aufl., Darmstadt 2010; D ERS .: Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie. Eine philosophische Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften, 5. Aufl., Darmstadt 2011; D ERS .: Buddhistische Wirtschaftsethik. Eine Einführung. Berlin ²2011; D ERS .: Kreativität als individueller und sozialer Prozess. In: psycho-logik: Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur, hg. von Stephan Grätzel und Jann E. Schlimme, Bd. 8: Arbeit und Kreativität. Freiburg, München 2013, S. 41-57; D ERS .: Zur Philosophie der Kreativität. Historische und interdisziplinäre Aspekte. In: Schick, J. F. M./ Ziegler, R. H. (Hrsg.): Die innere Logik der Kreativität. Würzburg 2013, S. 41-68; D ERS .: Kreativität, Achtsamkeit und Wirtschaft. In: Julmi, Ch.: Gespräche über Kreativität. Philosophische Annäherungen an ein subjektives Phänomen. (kultur & philosophie. beiträge, analysen, kommentare, Bd. 5, hg. von Christian Julmi, Sonya Gzyl, Michael Nagenborg, Guido Rappe). Bochum, Freiburg 2013, S. 104-146. Business Creativity: unternehmerische Kreativität; auch »creative entrepreneurship«: kreatives Unternehmertum; die Fähigkeit: - „neue ökonomische, technische oder wissenschaftliche Abläufe und Verfahren zu entdecken, neue Produkte, Objekte und Subjekte zu finden und in den möglichen kommunikativen Zusammenhang einzuordnen, - Denkanstöße für die Schaffung der materiellen Voraussetzungen zu geben, die Möglichkeiten zur markttechnischen Verwertung dieser Produkte zu erkennen, die logistische Versorgung von Produkten und Systemen festzulegen, - und diese Produkte der menschlichen Kreativität in praktischen Erfolg umzusetzen.“ (H OFFMANN , 1996, S. 3) Am Beginn steht meist die Fähigkeit zur Findung einer neuen und nützlichen Geschäftsidee. „Die unternehmerische Kreativität zeichnet sich durch die Fähigkeit aus, flexibel auf Herausforderungen zu reagieren, Möglichkeiten zu ergreifen, den Wandel als Chance zu verstehen, ihn zu nutzen und spontan neue Lösungsansätze hervorzubringen. Kreativität ist ein Teil des immateriellen Kapitals, das offen kaum in einer Bilanz erscheint und dennoch zu den wichtigsten Aktiva eines Unternehmens zählt.“ (Holm-Hadulla, ³2010, S. 67). Der österreichische Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) prägte die Formel vom Unternehmer als Erneuerer, der sich durch besonderen Mut, Entschlusskraft und Urteilsvermögen auszeichnet. Außerhalb von Routinesituationen ist sein Handeln innovativ und kreativ. Seine besondere Eigenschaft bestehe darin, reale Bedürfnisse, aber auch unausgesprochene Wünsche aufzuspüren und eine Lösung anzubieten. Die Gesellschaft, das Umfeld, muss seinem Handeln aufgeschlossen gegenüberstehen. Der US-amerikanische Autor, Filmproduzent und Begründer des Zeichentrickfilms in den USA, Walt Disney (1901-1966), hat vier Prinzipien erfolgreichen Unternehmertums formuliert: Neugier, Mut, Zuversicht und Beharrlichkeit. ( Walt-Disney-Strategie). Für den Erfolg unternehmerischer Kreativität sind zahlreiche Faktoren von entscheidender Bedeutung, wie ein schöpferisches Arbeitsklima der Offenheit, des Vertrauens und der Neugier, in dem die Mitarbeiter ihre optimale Kreativität entfalten können ( kreative Atmosphäre). Wichtig sind Teamfähigkeit, emotionale Intelligenz und eine generelle Aufgeschlossenheit des Managements gegenüber Innovationen. „Die Krönung der unternehmerischen Kreativität ist die Durchsetzung einer Innovation, die Umsetzung einer Erfindung in einen Markterfolg.“ (Holm-Hadulla, ³2010, S. 68). Ein erfolgreiches und kreatives Wirtschaftsunternehmen befindet sich in einem ständigen Lernprozess. Die unternehmerische Kreativität dient nicht nur dem Unternehmer, sondern der gesamten Volkswirtschaft, denn durch erfolgreiche Innovationen werden eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und eine erhöhte Wertschöpfung erreicht. Der Konkurrenzdruck kann sich positiv auf die Kreativität eines Unternehmens auswirken, denn Branchen, die dem globalen Wettbewerb ausgesetzt sind, sind wesentlich innovativer als Branchen ohne bzw. mit geringer Konkurrenz. Kreativitätsfördernde Maßnahmen zielen darauf, dass sich alle Mitarbeiter für ihre Arbeit voll verantwortlich fühlen, sich in den Produktionsprozess einbringen, <?page no="44"?> Business Creativity 40 mitdenken und Verbesserungsvorschläge unterbreiten. Anfallende Routinearbeiten sind so rationell zu gestalten, dass den Mitarbeitern Zeit für kreative Aufgaben bleibt. Rainer M. Holm-Hadulla führt dazu aus: „Die Bildung von funktionsübergreifenden Teams begünstigt neue Lösungen. Die Mitarbeiter müssen regelmäßig mit den für ihre Arbeit relevanten Daten und Informationen versorgt werden, nach ihrer persönlichen Meinung über Vorschläge der Unternehmensleitung befragt werden und darauf Feedback erhalten. Sie müssen die Möglichkeit haben, die Arbeitssituation, in der sie sich befinden, zu ihrem eigenen und zum Vorteil des Unternehmens zu verbessern.“ Dazu gehört auch das betriebliche Vorschlagswesen. Kreative Ideen der Mitarbeiter müssen erkannt, objektiv bewertet und gefördert werden. Die Mitarbeiter sind am Unternehmen zu beteiligen nach dem Motto: Was für das Unternehmen gut ist, ist auch für mich gut. „Unternehmenskultur und Führungsstil sollten darauf ausgerichtet sein, dass die Mitarbeiter zur Arbeit kommen, weil sie arbeiten wollen, und nicht, weil sie müssen.“ (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 6 f.). In der Marktwirtschaft entfaltet sich Kreativität auf drei Gebieten: in der Erfindung von Maschinen und Werkzeugen; in der Findung neuer Produkte und Produktionsweisen der Bedürfnisbefriedigung und in der Erweckung neuer, bisher unbekannter Bedürfnisse, also 1. technische Erfindungen 2. neue Produkte 3. neue Bedürfnisse Der Wettbewerb der Wirtschaft auf den regionalen, nationalen und globalen Märkten verlangt von den Managern eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und kreative Strategien, um die kreativen Potenziale in ihrem Unternehmen optimal zu entwickeln. Dabei kann in Zukunft die Innovation der Unternehmenskultur, des Führungsstils und die der Führungsinhalte womöglich noch eine wichtigere Rolle spielen als die technologische. (Vgl. D RUCKER , 1989, p. 227). Kreativität ist besonders bei der Findung einer tragfähigen Geschäftsidee gefragt. Hierbei werden drei Arten unterschieden: 1. kreativ-innovative, d. h. die Schaffung einer neuartigen Unternehmensgrundlage, die sich keiner direkten Vorbilder (aus einer Branche) bedient. 2. kreativ-imitative Unternehmensideen orientieren sich an einer bereits bekannten, meist etablierten und erfolgreichen Geschäftsidee. In enger Anlehnung daran wird eine eigene generiert, die jedoch eine Variante oder Abwandlung zur Ausgangsidee darstellt. 3. rein imitative, also nachahmende Geschäftsideen (H ORNEBER , 2013, S. 4 f.; Freiling, 2006, S. 198 ff.) Führungskräfte in den Unternehmen konzentrieren sich auf kreativitäts- und innovationsfördernde Arbeits- und Organisationsbedingungen, wie: - Sinnstiftung, Ausrichtung auf gemeinsame Ziele (Unternehmensphilosophie, Leitbild) - Vorbildwirkung transformationale Führung die Förderung der kreativen Potenziale der Mitarbeiter - Betonung der Bedeutung und Belohnung kreativen Verhaltens - Förderung von Eigenständigkeit und selbstverantwortlichem Handeln - Fehlertoleranz üben - Wertschätzung, Ermunterung und Ansporn - Motivierende Gesprächsführung, Anregung und Inspiration - Interesse für die Ideen und Vorschläge der Mitarbeiter, Anerkennung und Unterstützung neuer Ideen - Vermittlung von Erfolgserlebnissen - Durchsetzung innovativer Ideen - Beschaffung erforderlicher Ressourcen gutes Projektmanagement - Vorgabe eines angemessenes Zeitrahmens - Interessenvertretung nach außen (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 100 f.) Kreativwirtschaft, Kreative Klasse Lit.: A DAIR , J.: Leadership for innovation. How to organize team creativity and harvest ideas. London, Philadelphia, New Delhi 2011; B RÖCKLING , U.: Das unternehmerische Selbst. Soziologie eiuer Subjektivierungsform. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1832). Frankfurt am Main 2007; B RODBECK , K.-H.: Erfolgsfaktor <?page no="45"?> 41 Buzan, Tony Kreativität. Die Zukunft unserer Marktwirtschaft. Darmstadt 1996; D RUCKER , P. F.: The new realities. New York 1989; D RUCKER , P. F.: Innovation and entrepreneurship. Oxford, Burlington 2007; D RUCKER , P. F. MIT J IM C OLLINS , P HILIP K OTLER U . A .: Die fünf entscheidenden Fragen des Managements. Weinheim 2009; Englische Originalausgabe: The five most important questions you will ever ask about your organization. Jossey- Bass, A Wiley Imprint. San Francisco, USA 2008; D RUCKER , P. F./ P ASCHECK , P. (Hrsg.): Kardinaltugenden effektiver Führung. Mit Beiträgen von Fredmund Malik u. a. Heidelberg 2007; F ISCHER , J./ P FEFFEL , F.: Systematische Problemlösung in Unternehmen. Ein Ansatz zur strukturierten Analyse und Lösungsentwicklung. Berlin, Wiesbaden ²2010; F REILING , J.: Entrepreneurship. Theoretische Grundlagen und unternehmerische Praxis. München 2006; H ALL , R.: Brilliant business creativity. What the best business creatives know, do and say. Pearson Education Limited Harlow, England; London; New York et al. 2010; H OFFMANN , H.: Kreativität. Die Herausforderung an Geist und Kompetenz. Damit Sie auch in Zukunft Spitze bleiben. München 1996; H OFFMANN , R.: Wege zum Erfolg. Innovationsfähigkeit, Erfahrung und Kreativität. Stärkung des Human Capital im Unternehmen. IPRA Innovationsprocessing Wehingen o. J.; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; K OHLERT , H.: Faszination Selbständigkeit. Herausforderung Entrepreneurship. Renningen 2002; L OMBERG , C.: Kreativität im Kontext von Corporate Entrepreneurship. (Gabler Research Entrepreneurship, hg. von Malte Brettel u. a., Wiesbaden 2010; M OERAN , B.: The Business of creativity. Toward an anthropology of worth. Walnut Creek, California 2014; N EWMAN , J.: Introducing business creativity: A practical guide. London 2013; R ECKWITZ , A.: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Berlin 2012; R ÜCKLE , H./ B EHN , M.: Unternehmenserfolg mit Zielen. Checklisten, Leitfäden, Übungen. Renningen ²2014; S CHUMPETER , J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. Leipzig 1912; S CHUMPETER , J. A.: The Creative Response in Economic History. In: Journal of Economic History. New York 1947, pp. 149-159; S CHUMPETER , J. A.: Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung. In: The American Journal of Economics and Sociology: publ. quarterly in the interest of constructive synthesis in the social sciences under grants from the Francis Nelson Fund an the Robert Schalkenbach Foundation. Vol. 61, No 2 (2002), pp. 405-437. Buzan, Tony (*1942): britischer Pädagoge und Intelligenzforscher; Präsident der Stiftung „Brain Foundation“ und Gründer des Brain Trust „Use Your Head Clubs“, einer internationalen Gesellschaft zur Förderung des geistigen, körperlichen und spirituellen Bewusstseins. Erfinder der Mind-Mapping-Methode®, die er gemeinsam mit seinem Bruder Barry Buzan (*1946) Anfang der siebziger Jahre des 20. Jhs. entwickelt hat (erstmals im Frühjahr 1974 der Öffentlichkeit vorgestellt; vgl. Buzan/ Buzan, 2002, S. 15). Lit. Buzan, T.: Use your head. BBC, London 1974; D ASS . UNTER : Use both sides of your brain. New York 1976; D ERS .: Make the most of your mind. Cambridge 1977, 2. Aufl., London 1981; D ERS .: The brain user’s guide. New York 1983; D ERS .: Harnessing the ParaBrain. London 1988; D ERS .: Speed and range reading. Newton, Abbot 1989; D ERS .: Power Brain: Das Tony-Buzan-Training. Besser denken, mehr behalten, Neues leichter aufnehmen. Landsberg am Lech ²1992; D ERS .: Brain Selling. Landsberg am Lech 1996; D ERS .: Kopftraining. Anleitung zum kreativen Denken. Tests und Übungen. München 1998; D ERS .: Speed Reading. Schneller lesen - mehr verstehen - besser behalten. Landsberg am Lech, 7. Aufl. 2000; D ERS .: Nichts vergessen! Kopftraining für ein Supergedächtnis. München 2000; D ERS .: Head first. London 2000; dt. Ausg.: Sie sind klüger, als Sie denken. Mehr Köpfchen. Entdecken und nutzen Sie Ihre 10 verschiedenen Intelligenzen. München 2002; D ERS .: The power of creative intelligence. London 2001; dt. Ausg.: Entdecken Sie Ihre Kreative Intelligenz. 10 Wege zur vollen Entfaltung. München 2002; D ERS .: Das kleine Mind-Map-Buch. München 2004; B UZAN , T./ B UZAN , B.: Das Mind-Map-Buch. Die beste Methode zur Steigerung Ihres geistigen Potentials. Aus dem Englischen übersetzt von Christiana Haak, 5. Aufl., Landsberg am Lech 2002; Originalausgabe: The mindmap book. London 1993; B UZAN , T./ D OTTINO , T./ I SRAEL , R.: Gehirngerecht führen. Die eigenen Potentiale und die der Mitarbeiter entdecken und ausschöpfen. Landsberg am Lech 2000; B UZAN , T./ I SRAEL , R.: Brain Selling. Kopftraining für Verkäufer. Landsberg am Lech 1996; D IES .: Der Weg zum Verkaufsgenie. Ungenutzte Potentiale entdecken, verborgene Talente ausschöpfen, ungeahnte Erfolge erzielen. Landsberg am Lech 2000; B UZAN , T./ K EENE , R.: (K)eine Frage des Alters. Das geistige Potential und die Leistungsfähigkeit erhalten und stärken. Landsberg am Lech 1999; D IES .: Die Genie-Formel. Das Tony- Buzan-Programm zur Entfesselung Ihres geistigen Potentials. Landsberg am Lech 1999; B UZAN , T./ N ORTH , V.: Mind Mapping® - Der Weg zu Ihrem persönlichen Erfolg. Wien 1997; D IES .: Business Mind Mapping®. Visuell organisieren - übersichtlich strukturieren - Arbeitstechniken optimieren. München 1999; B UZAN , T./ S TANEK , W.: Memory Power. Die Gebrauchsanweisung für Ihr Gehirn. Augsburg 1998; <?page no="46"?> CBM 42 C CBM Computer Based Mapping: computergestütztes Mapping Mind Mapping Chance-configuration-theory of creativity Zufall-Gestalt-Theorie der Kreativität Chaos (chaos): gestaltlose Urmasse; das formlose, allumfassende Urelement, woraus alles, was Form hat, was lebt und existiert, Himmel, Luft, Erde, Meer und alles, was diese bewohnt, entstand. Das Chaos ist der amorphe Ursitz aller Formen und Kräfte, aus dem der geordnete Kosmos der Welt entstand. Wie erst der planmäßig schaffende Geist des Künstlers aus dem Ton eine Plastik bildet, so bedurfte es auch nach naturphilosophischer Anschauung eines planmäßig, zielstrebig wirkenden Geistes, um die Bewegung der Atome einzuleiten, die zur Weltbildung führte. Mit dieser Begründung wurde der griechische Philosoph Anaxagoras (um 500-428 v. Chr.) der erste Vertreter einer teleologischen Naturauffassung. Bei Friedrich Nietzsche (1844-1900) wird das Chaos zur Grundbedingung des Schöpferischen. Als Entdecker der modernen Chaostheorie gelten Edward N. Lorenz, (entdeckte 1961 den Schmetterlingseffekt.), Mitchell Feigenbaum und Benoit Mandelbrot (Begründer der fraktalen Geometrie). Die moderne Chaosforschung untersucht die Übergänge von „chaotischen“ Zuständen zu geordneten Formen. Das Chaos wird als Quelle für Neuordnung gesehen. In der Natur gibt es Spontaneität, die die Natur zum Kreativum macht. Für die „Konnektionisten“ unter den Hirnforschern entstehen Wahrnehmung, Denken und Erinnerung aus kreativem Chaos, aus den dynamischen Fluktuationen von raffiniert verknüpften Nervenzellen. In dieser enormen internen Vernetzung der Hirnrinde scheint die Möglichkeit zum kreativen Chaos, zum blitzschnellen Ausbalancieren vielfältigster Informationen angelegt zu sein. Chaos kann ebenso spontan in Ordnung umschlagen, wie Ordnung in Chaos. Die beiden Begriffe Ordnung und Chaos sind keine unvereinbaren Gegensätze, sondern gehören zusammen, denn das eine kann nicht ohne das andere fortbestehen. Es sind die kreativen Elemente des Chaos, die für den Formenreichtum und die Komplexität des Lebens verantwortlich sind. Bei der Entstehung komplexer Systeme liegt das Geheimnis der Vielfalt in einer Nichtlinearität. Die Wechselwirkungen zwischen den Teilen eines solchen Systems sind nichtlinear, wenn sie sich nicht einfach addieren, sondern das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Ein nichtlinearer Aufbaumechanismus führt mathematisch gesehen in endlicher Zeit zu unendlichen Zustandsgrößen. So können sich bereits kleinste Schwankungen in den Anfangsbedingungen gravierend auf den Endzustand des betreffenden Systems auswirken, d. h. die kleinste anfängliche Unbestimmtheit kann sich lawinenartig verstärken. Bereits der Flügelschlag eines Schmetterlings kann zumindest theoretisch der Auslöser eines Wirbelsturms sein, der z. B. zwei Wochen später stattfindet. Solche im Sinne traditioneller Physik unberechenbaren Wirkungszusammenhänge werden als chaotische Systeme bezeichnet. Man spricht auch vom »Schmetterlingseffekt«. Chaos hat hier die Bedeutung für das Unberechenbare. Diese nichtlinearen Wechselwirkungen zwischen den Teilen einer komplexen Ganzheit können durch eine starke dynamische Rückkopplung kreativ sein, indem der Endzustand eines Systems nicht ein für allemal fixiert ist, sondern zum Ausgangspunkt einer neuen Entwicklung wird. So verändern sich unter dem Einfluss der Rückkopplung die Anfangsbedingungen fortwährend selbst. Wie das Chaos der Urzustand ist, aus dem die Schöpfung hervorgeht, kann auch aus dem brodelnden Durcheinander von Ideen während des kreativen Prozesses ein neuer Gedanke Gestalt annehmen. Sybren Polet vertritt die Auffassung: „Das Chaotische bei Schriftstellern ist geplantes Chaos, also eines, das eine klare Funktion in der Ganzheit hat.“ (P OLET , 1993, S. 94) Nach Meinung des Chemikers Ilya Prigogine und der Chemikerin Isabelle Stengers ent- <?page no="47"?> 43 Chaos steht eine neue, selbstgeschaffene Ordnung aus dem Chaotischen und dem Entropischen, bzw. Chaos und Entropie setzen andere Prozesse zum Schaffen von Ordnung in Gang. Das Prinzip von Selbstordnung und Chaotisierung liegt vermutlich auch unserer Hirnaktivität zugrunde. Der Psychoanalytiker Otto Rank (1884-1939) vertritt die Auffassung, der Künstler werde von der Gefahr einer chaotischen Erschöpfung seiner Persönlichkeit infolge der Heftigkeit und Ausschließlichkeit seines schöpferischen Drangs bedrängt, d. h. der Künstler könne von der Gewalt seiner eigenen Kreativität verschlungen werden. Gleichermaßen getrieben von seiner Furcht, nicht unsterblich zu sein, und der Furcht vor zuviel Leben (d. h. einer zerstörerischen Entleerung oder einem Verlust des Selbst), sucht er die Lösung in seinem Kunstwerk, das nun für seine einzigartige Symbolisierung von Tod und Unsterblichkeit wie die seiner Gesellschaft steht. Das Streben nach Vollkommenheit ist die Bekundung seines individuellen Anspruchs auf Unsterblichkeit. Der Künstler sieht sich gezwungen, die Form als Mittel zur Beherrschung und Ordnung chaotischer kreativer Kräfte in seinem Inneren (d. h. seine Neigung zu totalem Erleben) zu benutzen, die ihn andernfalls zu überwältigen drohen. (Vgl. R ANK , 2000, S. 74, 326 f.). Chaos ist ein unvorhersagbares Verhalten, das in komplexen, dynamischen, nicht-linearen Systemen entsteht. Die Tendenz zu solchem Verhalten wird als chaotische Dynamik bezeichnet, die zu einer neuen Selbst-Organisation führt. Diese Wirkungsweise ähnelt den Beschreibungen und Erklärungsversuchen des kreativen Denkprozesses in hohem Grade und wird mitunter sogar als Urbild der Kreativität (archetype of creativity) bezeichnet. Die Chaostheorie dient zur Erklärung des Entstehens einer kreativen Produktion. Die Quelle für die Neuheit eines Produkts liegt in den Dynamiken nicht-linearer Systeme, d. h. auf Grund von Chaos hat das Gehirn die Fähigkeit, „flexibel auf die Außenwelt zu reagieren und neue Aktivitätsmuster zu generieren, einschließlich solcher, die als frische Ideen erfahren werden.“ (F REEMAN , 1991, p. 78). Lit.: B RIGGS , J.: Fire in the crucible. The self-creation of creativity and genius. Los Angeles 1990; D ERS .: Chaos. Neue Expeditionen in fraktale Welten. München/ Wien 1993; B RIGGS , J./ P EAT , F. D.: Turbulent mirror. An illustrated guide to chaos theory and the science of wholeness. New York 1989; D IES .: Die Entdeckung des Chaos. Eine Reise durch die Chaos-Theorie. München, Wien 1990; B RUNNER , A.: Ordnung ins Chaos. München 2007; Chaos und Fraktale (Spektrum der Wissenschaft. Reihe: Verständliche Forschung). Heidelberg 1989; Chaos + Kreativität. GEO-WISSEN, Hamburg 1990; F REEMAN , W. F.: The physiology of perception. In: Scientific American, 2, 64 (2), 1991, pp. 78-85; G LEICK , J.: Chaos. Making a new science. New York 1987; D ERS .: Chaos die Ordnung des Universums. Vorstoß in Grenzbereiche der modernen Physik. München 1990; G UNTERN , G.: Im Zeichen des Schmetterlings. Vom Powerplay zum sanften Spiel der Kräfte. Bern, München, Wien 1992; D ERS . (Hrsg.): Chaos und Kreativität. Rigorous Chaos. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011; K ADANOFF , L. P.: From order to chaos. Essays: Critical, chaotic and otherwise. World Scientific. Singapore/ New Jersey/ London/ Hongkong 1993; K ÜPPERS , B.-O. (Hrsg.): Ordnung aus dem Chaos. Prinzipien der Selbstorganisation und Evolution des Lebens. München 1987; L ANSDOWN , J.: Chaos, design and creativity. In: Crilly, A. J./ Earnshaw, R. A./ Jones, H. (Eds.): Fractals and chaos. New York 1991, pp. 212-224; L ORENZ , E. N.: The essence of chaos. University of Washington Press. Seattle 1993; M ANDELBROT , B.: The fractal geometry of nature. W. H. Freeman and Company. New York 1982; dt. Ausg.: Die fraktale Geometrie der Natur. Basel 1983; M ORFILL , G./ S CHEINGRABER , H.: Chaos ist überall ... und es funktioniert. Eine neue Weltsicht. Frankfurt 1993; P EITGEN , H.-O./ J ÜRGENS , H./ S AUPE , D.: Bausteine des Chaos-Fraktale. Stuttgart, Berlin, Heidelberg 1993; D IES .: Chaos - Bausteine der Ordnung, Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anna M. Rodenhausen. Stuttgart/ Berlin/ Heidelberg/ New York 1994; P OLET , S.: Der kreative Faktor. Kleine Kritik der kreativen (Un-)Vernunft. Aus dem Niederländischen übersetzt. Bensheim/ Düsseldorf 1993; P RIGOGINE , I./ S TENGERS , I.: Order out of chaos. Man’s new dialogue with nature. New York/ London ²1984; R ANK , O.: Art und artist. Creative --urge and personality development. New York 1932; dt. Ausg.: Kunst und Künstler. Studien zur Genese und Entwicklung des Schaffensdranges, hg. von Hans-Jürgen Wirth unter Mitarbeit von Ludwig Janus, E. James Lieberman, Elke Mühlleitner und Bertram Müller. (= Bibliothek der Psychoanalyse, hg. von Hans-Jürgen Wirth). Gießen 2000; R ICHARDS , R.: Does the lone genius ride again? Chaos, creativity, and community. In: Journal of Humanistic Psychology, 36 (2) 1996, pp. 44-60; R ICHARDS , R.: Millennium as opportunity: Chaos, creativity, and J. P. Guilford’s Structure-of-Intellect model. In: Creativity Research Journal 13 (3 & 4), 2000-2001, pp. 249-265; R ICHARDS , R.: A new aesthetic for environmental awareness: Chaos theory, the natural world, and our broader humanistic identity. In: Journal of Humanistic Psychology, 41, 2001, pp. 59-95; S CHUSTER , H.-G.: Deterministic chaos. An introduction. Weinheim 1989; S KARDA , C H . <?page no="48"?> Checkliste 44 A./ F REEMAN , W. J.: How brains make chaos in order to make sense of the world. In: Behavioral and Brain Sciences, vol. 10, no. 2, Princeton, New Jersey, June 1987. Cambridge University Press, New York 1987, pp. 161-195; S MITH , L. A.: Chaos. Aus dem Englischen übersetzt von Volker Ellerbeck. (Reclam Sachbuch; Reclams Universal-Bibliothek Nr. 18594). Stuttgart 2010; U RBAN , K. K.: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule- Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004; W ALDROP , M. M.: Inseln im Chaos. Die Erforschung komplexer Systeme. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Anita Ehlers. Reinbek 1993; Z EITLER , H./ N EIDHARDT , W.: Fraktale und Chaos. Eine Einführung. Darmstadt ²1994. Checkliste Osborn-Checkliste Chinesische Schrift Die wohl großartigste kreative Leistung auf geistig-kulturellem Gebiet bestand in der Schaffung der chinesischen Schrift, der kaum Vergleichbares aus anderen Weltkulturen an die Seite zu stellen ist. Sie wurde „seit dem späten 2. Jahrtausend v. Chr. entwickelt und ist mit ihren an die fünfzigtausend unterscheidbaren Zeichen wahrscheinlich das komplexeste System von Formen, welches die Menschheit in vormoderner Zeit hervorgebracht hat.“ Dieses Schriftsystem wird „heute noch von über einer Milliarde Menschen“ täglich verwendet und bildet den „Kern der chinesischen Kultur.“ Es könne deshalb auch als ein „Paradigma für Kreativität in China gelten.“ (L EDDEROSE , 2001, S. 190) Auch die Anzahl der geschaffenen Werke „übertrifft in der Regel diejenige in vergleichbaren anderen Gebieten der Weltkunst.“ Zahlreiche Kalligraphen schreiben Tag für Tag „oft Tausende von Schriftzeichen“, so dass sich die „Gesamtproduktion eines Künstlerlebens“ bei den Kalligraphen, aber auch bei den chinesischen Malern, „auf Zehntausende von Werken belaufen“ kann. Ein berühmtes Werk der Schriftkunst ist das sogenannte „Vorwort vom Orchideenpavillon“ (Lanting xu) von Wang Xizhih (303-361) aus dem Jahre 353. Davon fertigte im 6. Jahrhundert ein Kalligraph im Laufe von 30 Jahren 800 Kopien an. Die in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts gedruckte kaiserliche Enzyklopädie umfasst 40 000 Bände und enthält 100 Millionen Schriftzeichen. Lothar Ledderose spricht hierbei von „massenhafter Kreativität“. (L EDDEROSE , 2001, S. 201) Der Entstehung der Schriftzeichen liege ein biologisches Modell zugrunde. Derartige Massenhaftigkeit der Produktion habe „eine Parallele in der Kreativität der Natur, welche Organismen und deren Teile in unvorstellbaren Mengen erschafft. Eine einzige Linde kann jedes Jahr über hunderttausend Blätter hervorbringen.“ Vergleichbar sei, „dass sich lexikalisch identische Zeichen ausnahmslos in minutiösen Einzelheiten der Ausführung voneinander unterscheiden, wie es eben auch Blätter tun, die auf den ersten Blick identisch aussehen mögen.“ Lothar Ledderose ist der Auffassung, dass sich diesbezüglich „Originalität und Massenhaftigkeit“ in China nicht ausschließen, sondern „nur zwei Seiten derselben Medaille“ sind, deren Name Kreativität ist. (L EDDEROSE , 2001, S. 202). Lit. Ledderose, L.: Kreativität und Schrift in China. In: Holm-Hadulla, Rainer M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin, Heidelberg, New York; Nachdruck 2001, S. 189-204; D ERS .: Ten thousand things: Module and mass production in Chinese Art. Princeton: Princeton University Press 2000. Chunks Wissens- oder Sinneinheiten, Erfahrungselemente Cluster (Traube, Büschel, Haufen, anhäufen, zusammenballen, zu Büscheln anordnen): eine Sammlung von zusammengehörigen Stichworten oder Begriffen, sogenannte „Begriffs- Cluster“. Sie werden beim Mind Mapping gebildet und auf einer Pinwand oder Flipchart sichtbar gemacht. <?page no="49"?> 45 Collective Notebook Clustering (abgeleitet von cluster): Bezeichnung für die Methode, zusammengehörige Stichwörter oder Begriffe so anzuordnen, dass sie sich, ausgehend von einem Hauptthema oder Schlüsselwort, von der Mitte des Blattes Papier „büschelartig“ verbreiten. Dabei werden die Stichwörter eingekreist, in Ringe oder Sprechblasen geschrieben. Diese Methode der assoziativen Ideenverknüpfung wurde 1973 von der US-amerikanischen Dozentin Gabriele Lusser Rico entwickelt. Dieses Verfahren erleichtert den kreativen Ideenfindungsprozess und vermittelt „ein Gefühl für den inneren Zusammenhang ... von Wörtern und Wendungen, Gedanken und Bildern, ... ein Gespür für die Möglichkeiten innerer Strukturierung“. Es versetzt uns in die Lage, „das Schreiben aus einer neuen Perspektive zu betrachten.“ (R ICO , 2001, S. 8-10) Mind Mapping Lit.: R ICO , G. L.: Garantiert schreiben lernen. Sprachliche Kreativität methodisch entwickeln - ein Intensivkurs auf der Grundlage der modernen Gehirnforschung, 11. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2001. (Originalausgabe: Writing the natural way. Using right-brain techniques to release your expressive powers. Los Angeles 1983). CNB Collective Notebook Co-Kreativität Der Begriff wurde von dem Pädagogen Olaf-Axel Burow (*1951) geprägt. Er bezeichnet die „Paarbzw. Team-Kreativität“, auch „Synergiekreativität“ genannt. (B UROW , 2000, S. 49). Burow vertritt die Auffassung, bei der Kreativitätsförderung seien außergewöhnliche Leistungen weniger von herausragenden Individuen zu erwarten, sondern eher von produktiven Paar- und Gruppenbeziehungen. Lit.: B UROW , O.-A.: Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural. Stuttgart 1999; D ERS .: Ich bin gut wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Stuttgart 2000. Collective Notebook (Abk. CNB); kollektives Notizbuch; auch Collective-Notebook- Methode: Die kollektive Notizbuch-Methode ist eine Variante des Brainstorming und des Brainwriting. Sie wurde 1962 von dem US-amerikanischen Chemiker John W. Haefele entwickelt und eignet sich für abgegrenzte Such- und Konstellationsprobleme ( Problemgruppen), die auch einzeln durchgeführt werden können. Hierbei werden von den Projektteilnehmern über einen längeren Zeitraum alle Eindrücke und Ereignisse täglich protokolliert und in einem Projekttagebuch festgehalten. Anschließend werden die Ergebnisse untereinander ausgetauscht und zusammengeführt. Der Ablauf erfolgt in drei Phasen: 1. Es werden Notizbücher verteilt, die die genaue Problemstellung enthalten. 2. Die Teilnehmer sollen eine eigenständige Problemanalyse durchführen und niederschreiben. Dabei werden die spontanen Einfälle während eines längeren Zeitraums täglich notiert (eine Art „Solo- Brainstorming mit Leistungsdruck“ (B UGDAHL , 1991, S. 32). 3. Die Lösungsvorschläge werden etwa nach drei bis vier Wochen eingesammelt, untereinander ausgetauscht und ausgewertet. Bei komplexen Problemlösungen, wie z. B. der Umstrukturierung von betrieblichen Abläufen oder bei der Suche nach kommunikativen Verbesserungen im Betrieb, wie der Verkürzung des Informationsaustausches, kann diese Methode nützlich sein, ist jedoch kaum kreativitätsfördernd. Ein Vorteil dieser Methode besteht allerdings in der örtlichen und zeitlichen Unabhängigkeit der Teilnehmer während der Phase der Ideenfindung. Lit.: B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (Reihe Management). Würzburg 1991; B USCH , B. G.: Erfolg durch neue Ideen (Das professionelle 1 x 1). Berlin 1999; H AEFELE , J. W.: Creativity and innovation. New York 1962; M EHRMANN , E.: Schnell zum Ziel. Kreativitäts- und Problemlösungstechniken (= Reihe Arbeitstechniken im Unternehmen). Düsseldorf und Wien 1994; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke, Bochum 2005. <?page no="50"?> Community-Kreativität 46 Community-Kreativität (community creativity): Kreativität, die durch das freiwillige und ungehinderte Zusammenspiel von vielen Faktoren entsteht. Eine Form der global vernetzten kreativen Zusammenarbeit, wie z. B. beim Betriebssystem Linux, an dem Entwickler und Programmierer weltweit gemeinsam arbeiten. Neue technologische Möglichkeiten und Interaktionsformate, wie Foren, Wikis, Blogs und andere Web-2.0-Anwendungen schaffen dafür die Voraussetzungen, um global zu denken und zu experimentieren. Diese neue Form der Kreativität enthält ein enormes Wachstums- und Innovationspotenzial, verlangt aber auch viel Mut und Ergebnisoffenheit. (vgl. K EICHER / B RÜHL , 2008, S. 81). Lit.: K EICHER , I./ B RÜHL , K.: Sie bewegt sich doch! Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen. Zürich 2008; McCormack, J./ d’Inverno, M. (Eds.): Computers and creativity. Berlin 2012. Computer Based Mapping (CBM): computergestütztes Mapping Mind Mapping Computer und Kreativität (Computer and creativity): Die US-amerikanischen Informatiker Allen Newell (1927-1992) und Herbert A. Simon (1916-2001) konzipierten 1972 gemeinsam die Computersimulation menschlichen Denkens und Problemlösens. Das Problemlösen verstehen sie als zielgerichtete Suche der Informationsverarbeitung in einem Problemraum. Sie entwickelten mit Hilfe heuristischer Programmprozeduren („Finderegeln“), die das Problemlösen erheblich abkürzen können, das Computerprogramm GPS (General Problem Solver: Allgemeiner Problemlöser) und vertreten die Auffassung, dass sich viele Probleme nur dadurch bewältigen lassen, dass sie in einfachere Teilprobleme zerlegt werden, die möglichst unabhängig voneinander bearbeitet werden können. Doch es zeigte sich, dass sich mit diesem Programm nur einzelne geometrische Probleme lösen lassen, so dass dieses Konzept zugunsten von Expertensystemen für engumrissene Problembereiche wieder aufgegeben wurde. Auch die britische Psychologin und Philosophin Margaret A. Boden (*1936) vertritt einen computerwissenschaftlichen Ansatz der Kreativitätsforschung und versucht, durch die maschinelle Simulation menschlicher Kreativitätsleistungen deren Funktionsweisen (besser) zu verstehen und deren Mechanismen aufzuspüren. Dieser Forschungsansatz könne auch zu einem besseren Verständnis von menschlicher Kreativität beitragen. Obwohl die Leistungsmöglichkeiten eines Computers durch sein Programm begrenzt sind, bedeute dies jedoch nicht, dass ein Computer nicht kreativ sein könnte. Dazu formuliert Boden vier Fragen: 1. Können uns Computer-Programme behilflich sein, um zu verstehen, wie menschliche Kreativität möglich ist? 2. Können Computer (jetzt oder in Zukunft) jemals Dinge tun, die mindestens kreativ zu sein scheinen? 3. Kann ein Computer jemals dazu in der Lage sein, um Kreativität in Gedichten zu erkennen bzw. wieder zu erkennen - in Gedichten, die z. B. durch menschliche Dichter (by human poets) geschrieben wurden, oder kann er in seinem eigenen Roman Ideen über Wissenschaft oder Kunst erkennen? 4. Können Computer selbst jemals wirklich kreativ sein? (B ODEN , 1995, p. 51; Reichenberger, 2005, Bd. 2, S. 247). Margaret A. Boden ist der Auffassung, dass es möglich ist, die menschliche Kreativität mit Hilfe von Computern zu steigern. Computer können dazu verwendet werden, um Möglichkeitsräume in der Musik, Grafik, in den Wissenschaften, in der Politik und Wirtschaft zu erkunden, wenn das menschliche Vorstellungsvermögen als zu langsam erscheint. Durch die digitale Simulation menschlicher Kreativitätsleistungen könne man deren Funktionsweisen (besser) verstehen und deren Mechanismen aufspüren. Es gibt Computerprogramme, die wissenschaftliche Entdeckungen nachvollziehen und aus empirischen Daten, Zahlen- und Messwertreihen, die jeweils die Werte einer bestimmten Größe angeben, quantitative Gesetze ableiten. So hat das Programm BACON „eine Reihe wichtiger Naturgesetze wieder entdeckt“, z. B. „das Boyle-Mariottesche Gesetz, das den Druck p eines Gases zu seinem Volumen V in Beziehung setzt (pV = const.)“. (B ODEN , 1992, S. 238). Boden spricht von einem „conceptual <?page no="51"?> 47 Concept Mapping space“, der für einen bestimmten Wirklichkeitsbereich durch ein System von Regeln bestimmt ist. Solche Möglichkeitsräume sind z. B. eine Einzelsprache, die Harmonielehre oder eine wissenschaftliche Theorie. Verschiedene Computerprogramme sind bereits in der Lage, mit beschränktem Erfolg kreativ zu arbeiten. Sie verfügen über Zeichenprogramme, können Fabeln oder Haikus (eine japanische Gedichtform) verfassen. Es gibt auch ein Programm, das Jazz improvisiert. (Boden, 1991; Mayer, 2005, Bd. 2, S. 239). Dieser Forschungsansatz könne zu einem besseren Verständnis von menschlicher Kreativität beitragen. Kritiker der künstlichen Intelligenz argumentieren, dass Maschinen, die intelligentes Verhalten simulieren, selbst nicht intelligent sind, weil sie ihre eigenen Manipulationen nicht verstehen und weil sie „als bloße Trickmaschinen fungieren, die den Testpersonen Intelligenz vorspiegeln, während die eigentliche Intelligenz vom Architekten des Systems repräsentiert wird.“ (M AYER , 2005, Bd. 2, S. 240). Programmierer, die die Computerprogramme entwickeln, sind kreativ, aber nicht die Computer selbst. Auf die Fragen, ob Computer kreativ sein können, ob sich Kreativität wie am Fließband produzieren ließe und die Aufgabe und Herausforderung des Menschen, Kreatives zu schaffen, dadurch wegfiele, erklärt Andrea Anna Reichenberger: „Kreativität ist keine Ware. Sie lässt sich nicht herstellen. Es lässt sich allenfalls Kreatives herstellen bzw. solches, das wir als kreativ bezeichnen. Computer - übrigens selbst das Resultat menschlicher ›Kreation‹ - können uns dabei unterstützen, indem wir sie als Werkzeuge bzw. als technische Hilfsmittel einsetzen.“ (R EICHENBERGER , 2005, Bd. 2, S. 254). Lit.: B ODEN , M. A.: Artificial intelligence and natural man. London: MIT Press; N EW Y ORK : Basic Books, 2 nd .ed. 1987; D IES .: The creative mind: Myths and mechanisms. London: Abacus; N EW Y ORK : Basic Books 1990; 2 nd edition. London: Routledge 2004; dt. Ausg.: Die Flügel des Geistes. Kreativität und künstliche Intelligenz. München 1992; Dies. Could a robot be creative - and would we know? In: Ford, K. M./ Glymour, C./ Hayes, P. J. (Eds.): Android epistemology. Menlo Park, Cambridge, London 1995; D IES . (Ed.): The philosophy of artificial life. Oxford: Oxford University Press 1996; D IES .: Creativity and artificial intelligence. In: Artificial Intelligence, 103, 1998, pp. 347-356; D IES .: Computer models of creativity. In: The Psychologist 13, 2000, pp. 72-76; Dass. in: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge/ MA et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 351-372; F ORSTER , F.: Computerunterstützung von kollaborativen Kreativitätsprozessen. Modell, Architektur und Evaluation eines einheitlichen Kreativitätsunterstützungssystems für Ideengenerierungs- und Ideenbewertungstechniken. Saarbrücken 2010; G AWLAK , M.: Kreativitätstechniken im Innovationsprozess. Von den klassischen Kreativitätstechniken hin zu webbasierten kreativen Netzwerken. Hamburg 2014; J OHNSON , S.: Interface culture. How new technology transforms the way we create and communicate. Harper Edge. New York 1997; dt. Ausg.: Interface culture. Wie neue Technologien Kreativität und Kommunikation verändern. Stuttgart 1999; D ERS .: Where good ideas come from. New York: Riverhead, 2011; M AYER , V.: Ist Kreativität naturalisierbar? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 237-243; McCormack, J./ d’Inverno, M. (Eds.): Computers and creativity. Berlin 2012; N EWELL , A./ S HAW , J. C./ S IMON , H. A.: The processes of creative thinking. In: Gruber, H./ Terrell, G. & Wertheimer, M. (Eds.): Contemporary approaches to creative thinking. New York: Atherton 1962, pp. 63- 119; N EWELL , A./ S IMON , H. A.: Human problem solving. Englewood Cliffs: Prentice-Hall 1972; R EICHEN- BERGER , A. A.: Können Computer kreativ sein? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie, a.a.O., Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 245-256; S CHRÖDER , J.: Computer und Kreativität. In: Ebenda, S. 926-944; S IMON , H. A.: Scientific discovery as problem solving. Reply to critics. In: International Studies in the Philosophy of Science, 6, 1992, pp. 69-88. Concept Mapping (auch Concept Map): eine Variante des Mind Mapping. Hierbei handelt es sich um eine Visualisierungstechnik, mit der zahlreiche Informationen untergebracht werden können. Komplexe Themen können hierarchisch, als Begriffsnetz oder in einer anderen Darstellungsform veranschaulicht werden. Auch mehrere Elemente können dadurch verknüpft werden. Diese Methode wurde in den 1960er Jahren von Josef D. Novak entwickelt. Lit.: Nückles, M.; Gurlitt, J.; Pabst, T.; R ENKL , A.: Mind Maps und Concept Maps. Visualisieren, Organisieren, Kommunizieren. München 2004; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke, Bochum 2005; T ERGAN , S.-O.: Wissensmanagement mit <?page no="52"?> Consensual Assessment Technique (CAT) 48 Concept Maps. In: Reinmann, G./ Mandl, H. (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Göttingen et al. 2004, S. 259-266. Consensual Assessment Technique (CAT): übereinstimmende Bewertungstechnik; auch: Consensual Technique for Creativity Assessment (übereinstimmende Technik zur Kreativitätsbewertung). Das Prinzip besteht darin, dass mehrere Sachverständige unabhängig voneinander die Kreativität von neuen Ideen und Erzeugnissen einschätzen. Dabei werden die Produkte in wechselnder, zufälliger Reihenfolge vorgegeben und vergleichend beurteilt. Um den Einfluss von technischer Qualität und ansprechener Ästhetik (Design) auf das Kreativitätsurteil zu kontrollieren, werden diese beiden Variablen zusätzlich bewertet. In den Ergebnissen erzielten die Gutachter trotz unerschiedlicher Produkte recht gute Übereinstimmungswerte. Teresa M. Amabile konnte nachweisen, dass Sachverständige, die mit dem zu bewertenden Gebiet vertraut sind, auch ohne ein spezifisches Kriterienraster zu verlässlichen und übereinstimmenden Urteilen gelangen können. (s. Amabile, 1983, pp. 37-63; Amabile, 1996, pp. 41-79; Preiser, 2006, S. 113 f.) Lit.: A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York/ Berlin/ Heidelberg/ Tokyo 1983; A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; P REISER , S.: Kreativitätsdiagnostik. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 112-125. CPS (Creative Problem Solving) kreatives Problemlösen CREANDO Internationale Stiftung für Kreativität und Leadership (International Foundation for Creativity and Leadership); Sitz in Brig/ Schweiz; 1979 von Gottlieb Guntern und Greta Guntern-Gallati gegründet. Die Stiftung dient der angewandten Erforschung auf den Gebieten von Kreativität und Leadership. Unter der Leitung des Kreativitätsforschers Gottlieb Guntern werden dazu zahlreiche Veranstaltungen durchgeführt: die Internationalen CREANDO-Symposien und seit 2006 der Internationale CREANDO-Day. creatio continua (lat.): fortgesetzte Schöpfung, im Gegensatz zum einmaligen Schöpfungsakt. creatio ex nihilo (lat.): Schöpfung aus dem Nichts: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde („In principio creavit Deus coelum et terram.“). Dieser Schöpfungsakt war eine Schöpfung aus dem Nichts (creatio ex nihilo). Durch die antike Philosophie, vor allem seit Platon und Aristoteles, geriet der Mythos wegen seiner Vieldeutigkeit und Irrationalität in Gegensatz zum Logos als dem Prinzip der Vernunft. Der Mythos fand seine Ausdrucksform vor allem in der Dichtung und in der Kunst. Jan Assmann schreibt: „In der Figur des Demiurgen in Platons Schöpfungsmythos drückt sich schon eine ganz andere Auffassung technischer Kreativität aus, die auf theoretischer, vor allem mathematischer Durchdringung der Formgesetze beruht und eine entsprechend mathematisierte und formalisierte Technologie ins Werk setzt, um die Welt zu schaffen. Schöpfungsbilder sind (auch) Menschenbilder. Andererseits sind sie jedoch auch Gegenbilder menschlicher Kreativität. Im Wirken von Schöpfergöttern manifestiert sich eine Tatkraft und Wirkungsmacht, der sich der Mensch unterworfen und unterlegen sieht und die er sich selbst vorenthalten weiß.“ (A SSMANN , 2001, S. 158). Lit.: A SSMANN , J.: Schöpfungsmythen und Kreativitätskonzepte im Alten Ägypten. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin, Heidelberg, New York et al.; Nachdruck 2001, S. 157-188. <?page no="53"?> 49 Csikszentmihalyi, Mihaly Creative Class Kreative Klasse Creative Economy Kreativwirtschaft Creative Entrepreneurship Business Creativity Creative Problem Solving (CPS) kreatives Problemlösen Creative writing kreatives Schreiben Brainwriting literarische Kreativität creativity light auch „Volks-Kreativität“, „Instant-Kreativität“ oder „Pseudo-Kreativität“ genannt. (K RAUSE , 1972, S. 20, 35; Preiser, 1986, S. 1); bezeichnet Kreativität als umstrittenen Modebegriff, die inflationäre Anwendung „auf Kleidung und Frisuren, Basteln, aktive Freizeitgestaltung und Unterhaltungsmusik.“ (P REISER , 2006, S. 51). Lit.: K RAUSE , R.: Kreativität. Untersuchungen zu einem problematischen Konzept. (Das wissenschaftliche Taschenbuch. Abt. Geisteswissenschaften). München 1972; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; D ERS .: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67. Csikszentmihalyi, Mihaly (*1934) ungarisch-amerikanischer Soziologe, Verhaltenspsychologe und Kreativitätsforscher. Er prägte 1975 den Begriff „flow“ bzw. Flow- Erlebnis, womit er das Phänomen geistigen Höhenflugs bezeichnet. Seine Untersuchung lautet: „Beyond boredom and anxiety - The experience of play in work and games“. (dt. Ausg.: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile: im Tun aufgehen, 2008). 1988 entwickelte er eine Systemtheorie der Kreativität. Dabei entwarf er ein Kreativitätsdreieck zwischen Feld, Bereich und Person, das den ›Ort‹ der Kreativität bezeichnet. Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren bestimmt die Existenz einer kreativen Idee, Handlung oder eines kreativen Objekts. Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Society, culture, and person. A systems view of creativity. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney 1988, pp. 325-339; D ERS .: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Stuttgart 1997, 6. Aufl., 2003; (Originalausg.: Creativity. Flow and the psychology of discovery and invention. New York 1996); D ERS .: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen. Stuttgart 2008; (Originalausg.: Beyond boredom and anxiety. The experience of play in work and games. San Francisco, Washington, London 1975); D ERS .: Creativity. In: Wilson, R. A./ Keil, F. C. (Eds.): The MIT encyclopedia of the cognitive sciences. MIT Press, Cambridge, MA, 1999, pp. 205-206; D ERS .: Good business. Leadership, flow, and the making of meaning. New York 2003; D ERS .: Implications of a systems perspective for the study of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge et al., University Press, 10 th printing 2007, pp. 313-335; D ERS .: Flow. Das Geheimnis des Glücks. Stuttgart 2010; C SIKSZENTMIHALYI , M./ C SIKSZENTMIHALYI , I. S.: Die außergewöhnliche Erfahrung im Alltag. Die Psychologie des Flow-Erlebnisses. Stuttgart 1991; C SIKSZENTMIHALYI , M./ G ETZELS , J. W.: Creativity and problem finding in art. In: Farley, F. H./ Nepernd, R. W. (Eds.): The foundations of aesthetics, art, and art education. New York 1988, pp. 91-116. <?page no="54"?> DANTE 50 D DANTE: Akronym für Diagnose Außergewöhnlichen Naturwissenschaftlich-Technischen Erfindungsgeistes (Das Akronym steht auch für das Denken in ANalogien, Transfer und Elaboration); benannt nach dem italienischen Dichter Dante Alighieri (1265-1321), der in seinem Hauptwerk, der „Göttlichen Komödie“, häufig in Analogien erzählt. DANTE ist ein computergesteuertes prozessorientiertes Testverfahren zur Prognose des erfinderischen Problemlösens; 1990 von Hermann Rüppell entwickelt. Damit werden komplexe Problemstellungen unter diagnostischen Gesichtspunkten vorgegeben und die Problemlösungsprozesse mikrostrukturell überwacht, gesteuert und ausgewertet. Die einzelnen Lösungsschritte, Fehlerquellen, Lösungszeiten und Reaktionen auf Rückmeldungen werden analysiert. Im Zentrum des DANTE-Programms stehen vier Aspekte, bei denen das logische Denken mit Analogien und bildhaften Vorstellungen verknüpft werden: 1. Bildlich-analoges Schlussfolgern: Das Arbeitsgedächtnis erhält mittels Analogie verallgemeinerte Strukturen und wird dadurch entlastet. Durch verallgemeinerte Strukturen 2. Mentale Modell-Qualität: Mentale Modelle entstehen durch intensives Schlussfolgern, wenn dieses mit bildlichen Vorstellungen und Analogien durchsetzt ist. Das Erfassen der analogen Zusammenhänge zwischen zwei mentalen Modellen ist beim Erfinden und Entdecken die höchste Form des Problemlösens. Die Ansätze zum erfinderischen Denken können durch das DANTE-Programm verstärkt werden. 3. Koordinationskapazität: Sie bezieht sich auf die Fähigkeit, zahlreiche verschiedene Fakten im Arbeitsgedächtnis zu speichern und aufeinander abzustimmen; eine Art schlussfolgerndes Denken. 4. Visuelle Strukturflexibilität, d.h. die Fähigkeit, Denkprozesse durch sich ständig wandelnde Objektvisualisierung, Perspektivenwechsel und räumliche Rotation zu unterstützen. Lit.: R IPKE , G.: Kreativität und Diagnostik. (Einführungen Psychologie, Bd. 1), Münster 2005; R ÜPPELL , H./ V OHLE , F.: DANTE - Diagnose und Training erfinderischen Denkens. In: Reinmann, G./ Mandl, H. (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Hogrefe, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004, S. 267-276. de Bono, Edward (*1931): britischer Psychologe und Unternehmensberater maltesischer Herkunft; einer der führenden Kreativitätsexperten. Er gründete das »World Centre for New Thinking«, das die spezifische Aufgabe hat, sich direkt auf neue Ideen und neue Möglichkeiten zu konzentrieren, um Hypothesen zu entwickeln. Er begründete auch die Theorie des lateralen Denkens, dessen Begriff er 1967 prägte. Auf Grund der Annahme, dass sich die Leistungen unseres Gehirns durch geeignete Techniken und durch Training entscheidend verbessern lassen, entwickelte er zahlreiche Denk- und Kreativitätsmethoden, z. B. die Technik der Sechs Denkhüte (six thinking hats®); Hutwechsel-Methode Lit.: D E B ONO , E.: Lateral thinking. A textbook of creativity. London 1967; dt. Ausg.: Laterales Denken. Der Kurs zur Erschließung Ihrer Kreativitätsreserven. Düsseldorf, Wien 1989, ²1992; D ERS .: New think. New York 1968; D ERS .: Laterales Denken. Trainingsbogen. Düsseldorf, Wien, New York 1989; Edward De Bono's Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität (Business Training, Bd. 1105). München/ Landsberg am Lech ²1990; D ASS .: (Sonderausgabe). München 1995; D ERS .: In 15 Tagen denken lernen. München 1990; D ERS .: Die 4 richtigen und die 5 falschen Denkmethoden. München 1990; D ERS .: Der Weg zum kreativen Denken. Übungen zum kreativen Denken. München 1991; D ERS .: Die positive Revolution. Konstruktiv denken und handeln. Düsseldorf 1992; D ERS .: Serious Creativity. New York 1992, 2005; dt. Ausg.: Serious Creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; D ERS .: Taktiken und Strategien erfolgreicher Menschen. Erfolgsfaktoren erkennen (Business-Training; 1120). München/ Landsberg am Lech ²1995; D E B ONO , E.: Six thinking hats. Great Britain, Penguin Books. London 2000; D E B ONO , E.: Der kluge Kopf. Frankfurt/ M. 2004; D E B ONO , E.: De Bonos neue Denkschule. Kreativer denken, effektiver arbeiten, mehr erreichen. Heidelberg ²2005; N OVAK , A.: Schöpferisch mit System. Kreativitätstechniken nach Edward de Bono (Arbeitshefte Führungspsychologie, hg. von Ekkehard Crisand; Bd. 39), Heidelberg 2001. <?page no="55"?> 51 Delphi-Methode Delphi-Methode benannt nach dem klassischen Orakel in Delphi; eine intuitiv-kreative Methode, die sich für die Vorhersage von Problemen komplexerer Art und größerer Unsicherheit eignet, die sich auf die Zukunft beziehen und eine hohe Dynamik entwickeln. Sie dient z. B. zur Voraussage technischer Veränderungen und Innovationen, die für die ökonomische Entwicklung und für den Unternehmenserfolg relevant sind. Sie ist keine Problemlösungsmethode, sondern eine Prognosemethode und geeignet, wenn für die Lösung eines Problems mehrere Experten in den Prozess der Ideenfindung einbezogen werden sollen, die aber zeitlich und örtlich nicht zusammentreffen können. Den Expertenmeinungen liegen Forschungs- und Entwicklungsergebnisse zugrunde, die eine Voraussage gestatten. Damit hat diese Methode etwas von Prophezeiung, Orakel bzw. Weissagung. Die Delphi-Methode wurde zu Beginn der sechziger Jahre des 20. Jhs. von William J. J. Gordon, der auch 1961 das klassische Synektik-Verfahren erfand, und von dem deutsch-amerikanischen Mathematiker Olaf Helmer entwickelt. Erste Ansätze zu dieser Kreativitätstechnik erfolgten bereits in den 40er Jahren des 20. Jhs. in den USA. Die erste umfassende Delphi-Studie führten Gordon und Helmer 1964 durch. Dazu verschickten sie Fragebögen an 150 Personen, darunter Ökonomen, Unternehmensberater, Ingenieure, Mathematiker, Physiker, Soziologen und Offiziere sowie an fünf Schriftsteller. Von den angeschriebenen Persönlichkeiten erklärten sich 81 bereit, bedeutende Erfindungen und wissenschaftliche Umwälzungen zu nennen, die ihnen sowohl dringend notwendig als auch innerhalb der nächsten 50 Jahre realisierbar erscheinen. Die Ergebnisse wurden ausgewertet, aufgelistet und den Teilnehmern zurückgesandt. In weiteren Befragungsrunden sollten sich die angeschriebenen Experten differenzierter äußern, um eine mögliche Übereinstimmung zu erzielen. Die Befragung wird also meist in mehreren Runden durchgeführt, so dass im fortgesetzten Informationsaustausch versucht wird, zu möglichst großer Übereinstimmung der Expertenmeinungen zu gelangen. Die Ergebnisse werden durch eine sogenannte Monitorgruppe zentral analysiert und methodisch ausgewertet. Nach der Durchführung der Befragung kann die Aufgabe gelöst sein. Die Ergebnisse können jedoch auch zum Ausgangspunkt anderer Methoden dienen. Die herkömmliche Delphi-Methode (auch Standard Delphi-Methode genannt) beinhaltet eine getrennte und formalisierte Befragung mehrerer Experten über ein vorgegebenes Problem. Es sind Spezialisten aus unterschiedlichen Fachgebieten, die unabhängig voneinander ihre Meinungen mitteilen. Da die Experten untereinander anonym bleiben, spricht man auch von einer synthetischen Gruppe. In der Praxis hat sich eine Gruppengröße von sieben Teilnehmern bewährt. Ist die Anzahl zu groß, kann sich die Auswertung der Ergebnisse verzögern. Wesentliche gemeinsame Merkmale der herkömmlichen Delphi-Methode sind: 1. Die Auftraggeber und die Monitorgruppe (sind zumeist identisch). 2. Die anonyme Expertengruppe (Die Experten sind nur den Auftraggebern bzw. der Monitorgruppe bekannt.) 3. Der formalisierte Fragebogen 4. Die intuitiv von den Experten zu gebenden Antworten 5. Die Bildung eines statistischen Gruppenurteils sowie die von den Experten vorzunehmende Begründung ihrer Ansichten. 6. Standard-Feedback 7. Mehrstufige Befragung, bis ein stabiles (gemeinsames) Gruppenurteil gefunden ist. (K NIEß , 1995, S. 73). Der Verlauf der herkömmlichen Delphi-Methode gliedert sich in: I. Vorbereitungsphase (Formulierung der Fragebögen, Auswahl der zu befragenden Experten) II. Durchführungsphase (1. Befragung, 1. Analyse, 2. Befragung, 2. Analyse und evtl. eine 3. und 4. Befragung mit anschließender Analyse) III. Phase der Ergebnisformulierung (mit Bewertung) Vorteile der Delphi-Methode: Statistische Analysen der Antworten sind möglich. Die meisten Vorhersagen über technische Entwicklungen werden von Expertengruppen getroffen. Gruppendynamische Effekte, wie Sympathie, Antipathie, Redegewandtheit oder Autorität, die das Ergebnis der offenen Diskussion verfälschen können, werden durch die schriftliche Form ausgeschaltet. <?page no="56"?> Denken 52 Da die offene Diskussion vermieden wird, entfällt die Scheu, einmal vertretene Ideen korrigieren zu müssen. Es wird ein möglichst einheitliches Urteil der Expertengruppe angestrebt. Anonymität Nachteile der Delphi-Methode: Die Ergebnisse können durch persönliche Interessen der Experten beeinflusst werden. Eine Abstimmung zwischen den Experten findet nicht statt. Die Bereitschaft der Experten zur Mitarbeit kann mitunter schwierig werden. Durch die Anonymität kann die Beantwortung des Fragebogens oberflächlich ausfallen. Während das Hauptanwendungsgebiet der Delphi-Befragung ursprünglich auf die Vorhersage des technischen Fortschritts (technological forecasting) zielte, wurde sie später auch auf soziale, politische und unternehmerische Probleme ausgedehnt. Diese Methode ist vor allem in den USA verbreitet und wird vorwiegend in der Zukunftsforschung und in der Militärwissenschaft angewandt. Diese Kreativitätstechnik wird deshalb auch als Planungs- und Entscheidungsinstrument genutzt. Neben der herkömmlichen Standard Delphi-Methode gibt es auch das Gruppen-Delphi und Ideen-Delphi. Lit.: B AMBERGER , I./ M AIR , L.: Die Delphi-Methode in der Praxis. In: management international review, H. 2, 1976, S. 81 ff.; B LOHM , H.: Methoden zur Prognose technischer Entwicklungen (Teil I). In: Das Wirtschaftsstudium, H. 3/ 1979, S. 115-120; D ERS .: Methoden zur Prognose technischer Entwicklungen (Teil II). In: Ebenda, H. 4, 1979, S. 167-173; H ELMER , O.: 50 Jahre Zukunft. Hamburg 1967; K NIEß , M.: Kreatives Arbeiten. Methoden und Übungen zur Kreativitätssteigerung (Beck-Wirtschaftsberater), München 1995; S CHWAN- DER , F.: Methoden der ereignisorientierten Prognose als Hilfsmittel der betrieblichen Absatzmarktforschung für langlebige Gebrauchsgüter am Beispiel der Möbelindustrie (Diss.) Karlsruhe 1977; S EEGER , T H .: Die Delphi-Methode. Expertenbefragung zwischen Prognose und Gruppenmeinungsbildungsprozessen. Freiburg/ Br. 1979; W ECHSLER , W.: Delphi-Methode. München 1978; W ELTERS , K.: Delphi-Technik. In: Szyperski, N./ Winand, U. (Hrsg.): Handwörterbuch der Planung. Stuttgart 1989, Sp. 262-269. Denken divergentes Denken, konvergentes Denken, kreatives Denken, laterales Denken, produktives Denken Denkhüte Hutwechsel-Methode Deregulierung, auch Deregulation (deregulation): Beseitigung von regelnden Maßnahmen und damit von kreativitätshemmenden Fesseln; Wettbewerbsfreiheit. Der Schweizer Arzt und Kreativitätsforscher Gottlieb Guntern (*1939) betont, es sei notwendig, „Regeln, Gesetze und Strukturzwänge“ abzuschaffen, „um endlich mehr Freiheit, Flexibilität und Bewegung ins strategische Spiel zu bringen, ... wenn man im weltweiten Konkurrenzkampf und im laufenden Strukturwandel überleben, mithalten und eine positive Entwicklung durchmachen will. Doch der Ruf nach Deregulierung übersieht gern ein wichtiges Faktum: Die Deregulation muss zuerst einmal im eigenen Kopf beginnen! “ (G UNTERN , 1994, S. 20). „Im eigenen Kopf sorgen Selbstzufriedenheit, dogmatische Ideen, stereotypes Denken, negative Emotionen (zum Beispiel Ärger, Zweifel, Furcht, Scham, Depression, Hilflosigkeit, Resignation) und der daraus resultierende Mangel an Inspiration und Motivation für die Hemmung kreativer Kräfte. Ohne mentale Deregulierung dreht man sich steril im Kreise und findet keine neuen Wege.“ (G UNTERN , 2000, S. 191). Kreativitätsblockaden Lit.: G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; D ERS .: Maskentanz der Mediokratie. Mittelmaß versus kreative Leadership. Zürich 2000. <?page no="57"?> 53 Design Thinking Design Thinking Diese Denkweise und Methode orientiert sich an der Arbeit von Designern. Wer mit neuen Produkten und Dienstleistungen erfolgreich sein will, muss lernen, wie ein hervorragender Designer zu denken. Es ist die „Transformation (Umgestaltung) durch Innovation und kreative Techniken, die von erfahrenen Teams angewandt werden, um Lösungsmodelle in vielfältigen Kontexten zu entwickeln.“ (W AGNER , 2011, S. 26) Hierbei erfolgt die Suche nach Lösungen für Probleme potenzieller Rezipienten und Zielgruppen, denen verschiedene Angebote mit angepassten praktischen bzw. technischen sowie ästhetischen und symbolischen Funktionen unterbreitet werden. (vgl. W AGNER , 2011, S. 27). „Das design thinking als Managementtechnik geht von einer Ästhetisierbarkeit jeder Ware und Dienstleistung als Trägerin von Symbolen, Perzepten und Affekten aus.“ (R ECKWITZ , 2012, S. 187). Die Produkte und Dienstleistungen sollen sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen der Verbraucher orientieren und ein Gewinn an Lebensqualität für alle sein. Sie sollen: 1. für einen möglichst großen Nutzerkreis verwendbar sein, 2. adaptierbar sein, d. h. verschiedenen Anforderungen entsprechen, 3. die Nutzung individueller Hilfsmittel ermöglichen 4. die potenziellen Nutzer in allen Entwicklungsphasen beteiligen. (H INZ / W ELLER , 2011, S. 20). Dabei wird auch Wert auf die Vielfalt und Gebrauchstauglichkeit von Produkten und Dienstleistungen gelegt, um den Erwartungshaltungen der Kunden zu entsprechen. Die Bedürfnisse der Kunden werden optimal verknüpft mit dem technisch Machbaren. Innovationen werden auf die Kundenbedürfnisse abgestimmt. Diese Geschäftsstrategie ist auf Rentabilität ausgerichtet und erhöht die Marktchancen. Die Gestalter und Entwickler fungieren als Trendsetter. Dabei ist Diversity (Vielfalt) gefragt, keine Standardisierung und kulturelle Uniformität. Das Konzept basiert auf einem sozialen, am Menschen orientierten Gestaltungsansatz, der das Ziel verfolgt, die gesamte gestaltete Umwelt für alle zugänglich und nutzbar zu machen. Ziele sind u. a. eine barrierefreie Umgebung, sichere und einfach zu bedienende Produkte, Bildungsmöglichkeiten und Technologien, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Dies bedeutet einen Zuwachs an Lebensqualität. In der zweiten Hälfte des 20. Jhs. entwickelte sich Design zu einem wichtigen Wettbewerbsvorteil, z. B. in der Unterhaltungselektronik, Automobil- und Konsumgüterindustrie. Die Arbeit der Designer besteht heute nicht mehr darin, eine bereits ausgereifte Idee für den Verbraucher attraktiver zu gestalten, sondern sie sollen selbst Ideen entwickeln, die den Bedürfnissen und Wünschen der Verbraucher besser gerecht werden. Beim Übergang von industrieller Fertigung zur Wissensarbeit und zu Dienstleistungen erweitert sich das Gebiet für Innovationen. Dabei geht es um neuartige Prozesse, Dienstleistungen, IT-gestützte Interaktionen, Unterhaltungsmöglichkeiten sowie Chancen im Kommunikations- und Kooperationsbereich. Dies sind die kundenorientierten Aktivitäten, bei denen Design Thinking ausschlaggebend ist. Alle an der Entwicklung beteiligten Mitarbeiter sollen lernen, wie Designer zu denken. Dazu gehören: - Empathie (Einfühlungsvermögen in die Kundenwünsche und in deren latent vorhandenen Bedürfnisse; der Verbraucher steht im Mittelpunkt; Designer achten auch auf kleinste Details, bemerken Chancen, die anderen entgehen und nutzen diese Erkenntnisse, um etwas Innovatives zu schaffen), integratives und interdisziplinäres Denken: Designer verlassen sich nicht nur auf analytische Prozesse, die zu Entweder-oder-Entscheidungen führen, sondern können alle Aspekte eines komplizierten Problems erfassen und neuartige Lösungen finden, die über die vorhandenen Alternativen hinausgehen und diese drastisch verbessern. - Optimismus: Designer sind davon überzeugt, dass eine potenzielle Lösung besser ist als die vorhandenen Entwürfe bzw. Möglichkeiten, mögen die Schwierigkeiten bei einem bestimmten Problem noch so groß sein. - Experimentierfreude: Bedeutende Innovationen entstehen nicht durch schrittweise Anpassungen. Designer hinterfragen das Problem, setzen sich kreativ mit den Schwierigkeiten auseinander und schlagen dabei neue Richtungen ein. - Teamfähigkeit: Die besten Designer arbeiten nicht nur Seite an Seite mit Experten anderer Disziplinen. Viele von ihnen verfügen selbst über umfassende Erfahrungen auf mehreren Gebieten. (B ROWN , 2011, S. 17, 19). <?page no="58"?> Design Thinking 54 Design Thinking ist eine nutzerorientierte Annäherung zur Problemlösung; Innovation ist erreichbar in erster Linie durch sorgfältige Beobachtungen der unbefriedigten Kundenwünsche. Die Kundenerfahrungen mit Produkten und Dienstleistungen bieten häufig Hinweise auf die unausgesprochenen Lücken im Angebot, die zu Quellen der Frustration werden. Die Konsumenten werden als emanzipierte Nutzer mit ihren eigenen ästhetischen Interessen entdeckt. Die Lebensstile und das Alltagsdesign des Publikums werden durch die „Design Ethnography“ erforscht. Gerard J. Puccio und John F. Cabra gliedern das „Design Thinking“ in fünf Phasen: 1. Understand: „Design thinking“ beginnt mit dem Begreifen, welch umfangreiches Lernen über die Verwendung eines einzelnen Produktes oder einer Dienstleistung nötig sind. In diesem Stadium wird eine komplette Liste aller Merkmale des Produkts oder der Dienstleistung erstellt. 2. Observe (beobachten, bemerken): Hier gilt es, sich individuell oder im Team mit „ethnographischer“ Beobachtung der Kunden zu beschäftigen. („ethnographic” observation of users). Diese Phase enthält auch das Finden und Interviewen der Konsumenten, die bereitwillig ihre Erfahrungen mit dem Produkt oder mit dem Service mitteilen. 3. Point of view (Perspektive): Diese ist abhängig und wird beeinflusst von den Beobachtungen und Befragungen der Kunden. 4. Visualize (visualisieren, sich vorstellen, Ideen optisch umsetzen): Dieser Schritt enthält Brainstorming- Entwürfe (Skizzen), die Lösungen zu den Kundenwünschen und Problemen aufzeigen und mit dem Produkt oder mit der Dienstleistung in Verbindung gebracht werden. Nach dem besten Entwurf bzw. Lösungsvorschlag wird ein Muster (Prototyp) entworfen zur praktischen Erprobung und Weiterentwicklung. 5. Prototype step (Prototyp-Schritt): das Muster, der erste Entwurf, wird in der Praxis getestet. Die Tests werden wiederholt. Im letzten Schritt werden die Kunden um Reaktionen auf den Prototyp gebeten. Nach dem Feedback werden entsprechende Veränderungen und Verbesserungen vorgenommen. (P UCCIO / C ABRA , 2010, p. 162). Gavin Ambrose und Paul Harris gliedern den Designprozess in sieben Phasen: 1. Definition: der Auftrag, das Designproblem und die Zielgruppe müssen konkretisiert werden, um möglichst präzise Lösungen zu finden. 2. Recherche: dabei werden Hintergrundinformationen, Marktforschungen und Befragungen gesammelt und ausgewertet, um mögliche Kreativitätsblockaden und Hemmnisse zu ermitteln. 3. Ideenfindung: In dieser Phase werden die Motivationen und Bedürfnisse der Kunden bzw. Verbraucher aufgespürt und analysiert. Durch Brainstorming bzw. durch andere Kreativitätstechniken werden erste Ideen oder Lösungen entwickelt. 4. Prototyping: Mit einem Prototyp werden die technische Machbarkeit einer Designidee und ihre Funktion geprüft, bevor sie dem Kunden präsentiert werden. 5. Auswahl: die vorgeschlagenen Lösungen werden mit dem Auftragsziel abgeglichen. 6. Umsetzung: das Design wird fertig entwickelt und an den Kunden geliefert. 7. Lernen: Die Lernphase wird hier zwar als letzte Phase genannt, ist aber während des gesamten Designprozesses wichtig. Die Fähigkeit, aus jeder Phase zu lernen, wo man steht, was man erreichen will, was funktioniert und was nicht, verbessert die Entwicklung des Designdenkens und führt zu erfolgreichen Designs. Das Feedback der Kunden ist eine gute Gelegenheit, um für künftige Projekte dazuzulernen und seine Leistung zu verbessern. (A MBROSE / H ARRIS , 2013, S. 12-27) Hans Lenk spricht von „Design-Kreativität“ bzw. „Designerkreativität“, im Sinne einer bewussten, geplanten oder zielorientierten bzw. zweckorientierten Auswahl. (L ENK , 2000, S. 300, 315). Design ist nicht nur „eine bloße Nische des Produktdesigns, sondern verfolgt das politische Projekt, der menschlichen Umwelt insgesamt eine im Sinne befriedigende und praktisch handhabbare Form zu geben.“ Das Design erhält somit „den Status einer Generaldisziplin der Kreativökonomie.“ (R ECKWITZ , 2012, S. 180) Lit.: A MBROSE , G./ H ARRIS , P.: Design Thinking: Fragestellung, Recherche, Ideenfindung, Prototyping, Auswahl, Ausführung, Feedback. München ²2013; B ERZBACH , F.: Kreativität aushalten. Psychologie für Designer. Mainz ³2012; B ROWN , T.: Designer als Entwickler. In: Harvard Business Manager. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 16-25; B ROWN , T./ K ATZ , B.: Chance by design. How design thinking can transform organizations and inspire innovation. HarperCollins Publishers, New York NY 2009; C ARAYANNIS , E. G. (Ed.): Encyclopedia of creativity, invention, innovation, and entrepreneurship. Volume 1-3. New York, Heidelberg, Dordrecht, London 2013, Vol. 1, pp. 73-116; E RBELDINGER , J./ R AMGE , T.: Durch die Decke denken: Design Thinking in der Praxis. München ²2014; G ÜRTLER , J./ M EYER , J.: 30 Minu- <?page no="59"?> 55 Diffusionsmodell ten Design Thinking. In 30 Minuten wissen Sie mehr! Offenbach ²2014; H INZ , K./ W ELLER , B.: Diversity braucht Universal Design. In: Knaut, M. (Hrsg.): Kreativwirtschaft. Design - Mode - Medien - Games - Kommunikation - Kulturelles Erbe. Bd. 1 der Schriftenreihe: Beiträge und Positionen der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, hg. von Michael Heine, Präsident der HTW Berlin. Berlin 2011, S. 18-25; K ELLEY , T., WITH J. L ITTMAN : The art of innovation: Lessons in creativity from IDEO, America’s leading design firm. New York et al. 2001; K ELLEY , T./ L ITTMAN , J.: Das IDEO Innovationsbuch. Wie Unternehmen auf neue Ideen kommen. München 2002; K NAUT , M. (Hrsg.): Kreativwirtschaft. Design - Mode - Medien - Games - Kommunikation - Kulturelles Erbe. Bd. 1 der Schriftenreihe: Beiträge und Positionen der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, hg. von Michael Heine, Präsident der HTW Berlin. Berlin 2011; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; L OCKWOOD , T H .: Design thinking. Integrating innovation, customer experience, and brand value. New York 2009; M EYER , J.-U.: Das Edison-Prinzip. Der genial einfache Weg zu erfolgreichen Ideen. Frankfurt am Main/ New York 2008; P LATTNER , H./ M EINEL , C H ./ W EINBERG , U.: Design-Thinking. Innovation lernen - Ideenwelten öffnen. München 2009; P RICKEN , M.: Kribbeln im Kopf. Kreativitätstechniken & Denkstrategien für Werbung, Marketing und Medien. 11. Aufl., Mainz 2010; D ERS .: Clou. Strategisches Ideenmanagement in Marketing, Werbung, Medien & Design. Mainz 2010; P RICKEN , M./ K LELL , C.: Kribbeln im Kopf - Creative Sessions. Mainz ³2010; P UCCIO , G. J./ C ABRA , J. F.: Organizational creativity. A Systems approach. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 145-173; R ECKWITZ , A.: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Berlin 2012; S ALVADOR , T./ G ENEVIEVE B ELL et al.: Design Ethnography. In: Design. Management Journal, 10, 1999, pp. 35-41; S HAMIYEH , M.: Creating desired futures. Solving complex business problems with design thinking. Basel 2010; W AGNER , A. C.: Design 2.0 - Chancen für einen kreativen Kulturwandel. In: Knaut, M. (Hrsg.): Kreativwirtschaft. Design - Mode - Medien - Games - Kommunikation - Kulturelles Erbe. Bd. 1 der Schriftenreihe: Beiträge und Positionen der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, hg. von Michael Heine. Berlin 2011, S. 26-29. Destruktiv-konstruktives Brainstorming Kopfstand-Technik Dialektische Kreativitätstheorie (dialectical theory of creativity): 2011 von Rainer M. Holm-Hadulla entwickelt; beruht auf dem Wechselspiel zwischen Schöpfung und Zerstörung, Ordnung und Chaos, Konstruktion und Destruktion; eine Synthese von kulturellen, psychologischen und neurobiologischen Kreativitätsvorstellungen. Nach Holm-Hadulla entsteht Kreativität vor allem durch „Neukombination von Informationen“. Der Zusammenhang sowie die Auflösung und beständige Neuformierung von Informationen stellt einen Schlüsselbegriff dar, um biologische, psychologische und kulturelle Perspektiven zu verbinden. (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 7). Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011. Didaktisches Brainstorming Little-Technik Diffusionsmodell (diffusion model): ein Verlaufsmodell für die Akzeptanz und Ausbreitung neuer Ideen. Es wurde Anfang der sechziger Jahre des 20. Jhs. von dem USamerikanischen Kommunikationsforscher Everett M. Rogers (1931-2004) entwickelt. Er hatte erkannt, dass alles Wissen, besonders neue Erkenntnisse und Ideen einem bestimmten Verbreitungszyklus in der Gesellschaft folgen. Das Diffusionsmodell beschreibt den Verlauf der Ausbreitung neuer Ideen in fünf Phasen, bezogen auf den jeweiligen Personenkreis: 1. Neuerer (innovators): Zuerst erreichen die neuen Ideen nur wenige Personen, denn die Einführung von etwas Neuem bedeutet Veränderung und damit Abschied von Gewohntem, aber diese Gruppe verfügt über einen hohen Kenntnisstand, hat großes Interesse an der Änderung des bestehenden Zustandes und ist daher dem Neuen gegenüber sehr aufgeschlossen. Von dieser Gruppe wird das Neue oft sofort ausprobiert. <?page no="60"?> Dissatisfiers 56 2. frühe Akzeptierer (early adopters): Erst im Gespräch mit den Meinungsmachern (opinion leaders) ist diese Gruppe bereit, sich mit der neuen Idee gedanklich und praktisch auseinanderzusetzen. 3. frühe Mehrheit (early majority): Sie handeln erst nach reiflicher Überlegung aller Für und Wider. 4. späte Mehrheit (late majority) 5. Nachzügler (laggards) Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; M AHAJAN , V./ M ULLER , E./ B ASS , F. M.: New product diffusion models in marketing. In: Journal of Marketing, 54 (1), 1990, pp. 1-26; R OGERS , E. M.: Fire in the Valley. Osborne/ McGraw-Hill 1984; D ERS .: Communication technology. The new media in society. New York 1986; D ERS .: Diffusion of innovations. 5. ed., New York, NY [u.a.] 2003; Rogers, E. M.; L ARSEN , J. K.: Silicon Valley Fieber. An der Schwelle zur High-Tech-Zivilisation. Berlin 1985. Dissatisfiers sogenannte „Unzufriedenmacher“, z. B. belastete Beziehungen zu Vorgesetzten und Mitarbeitern, Mobbing, schwierige physische oder psychische Arbeitsplatzbedingungen, Unsicherheit des Arbeitsplatzes u. a. Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Psychologen Frederick Irving Herzberg (1923-2000) zurück. Er entwarf eine „Satisfier- Dissatisfier-Theorie“. Sie weist den unteren drei Bedürfnisebenen von Abraham Harold Maslow (1908-1970): physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse, die Eigenschaft von Dissatisfiers zu. Satisfiers. Lit.: H ERZBERG , F./ M AUSNER , B./ S NYDERMAN , B. B.: The motivation to work. New York, London, Sydney ²1959. Divergentes Denken (divergent thinking): auch divergierendes Denken, entgegengesetztes Denken, das Reflektieren in verschiedenen Richtungen bzw. in Alternativen, wodurch ein Problem von unterschiedlichen Seiten aus betrachtet wird, so dass die Produktion neuartiger Ideen erleichtert oder überhaupt erst möglich wird. Diese Art wird auch als kreatives, produktives, schöpferisches oder laterales Denken bezeichnet. Dieser Begriff wurde von dem US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) eingeführt. Das divergente Denken „wechselt beim Problemlösen die Richtung, sobald dies erforderlich ist, und führt somit zu einer Mannigfaltigkeit von Antworten, die alle richtig und angemessen sein können.“ (G UILFORD , 1964, S. 374) Das divergente Denken ist nach Guilford die wichtigste Voraussetzung kreativer Tätigkeit und durch die Merkmale Flüssigkeit, Flexibilität und Elaborationsfähigkeit ( Elaboration) gekennzeichnet. Durch diese Denkoperation gelange man zu neuartigen, vom Gewohnten abweichenden, entgegengesetzten, also divergierenden Erkenntnissen. So werde es möglich, die Aufgabe oder das Problem in Sinnzusammenhänge einzuordnen, die eine unerwartete Lösung ermöglichen. Zwar wirken bei kreativen Tätigkeiten sowohl konvergentes als auch divergentes Denken mit, doch gelte besonders letzteres als typisch kreativ. Die „Theorie des divergenten Denkens wurde zur entscheidenden Theorie der amerikanischen Kreativitätsforschung der sechziger und siebziger Jahre“ des 20. Jhs. (G UNTERN , 1994, S. 33). Lit.: G UILFORD , J. P.: Personality. New York 1959; dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen Erforschung. Weinheim/ Bergstr. 1964; D ERS .: The nature of human intelligence. New York 1967; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; R UNCO , M. A.: Divergent thinking, creativity, and ideation. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 413-446. Domänen der Kreativität (domains of creativity): die Bereiche, in denen Kreativität stattfindet. Der ungarisch-amerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) unterscheidet spezifische „Domänen der Kreativität“. Er ist der <?page no="61"?> 57 Drei-Komponenten-Modell der Kreativität Ansicht, Kreativität entsteht aus der Interaktion von drei Komponenten, die gemeinsam ein System bilden: 1. Kultur, die symbolische Regeln umfasst 2. das Individuum, das etwas Neues in diese symbolische Domäne einbringt. 3. ein Feld von Experten, die diese Innovation anerkennen und bestätigen. Diese drei Komponenten sind notwendig, damit es zu einer kreativen Idee, einer kreativen Tätigkeit oder zu einer Entdeckung kommt. Auch Rolf Oerter unterscheidet zwischen drei Bereichen, in denen kreative Leistungen entstehen, „dem künstlerischen, dem sachlichwissenschaftlichen und dem sozialen.“ (O ERTER , 1971, S. 291). Kreativität hängt nicht nur von Personen, sondern auch vom verfügbaren Wissen in einer Domäne ab. Sobald bestimmte grundlegende Ideen in einer neuen Wissenschaftsdisziplin bekannt werden, kommt es in diesem Bereich „zu einer explosionsartigen Zunahme an kreativen Ideen“. Wenn die Forschungslücken abnehmen, „lassen auch die kreativen Erfindungen nach - die Domäne kommt aus dem positiv beschleunigten Ast der Entwicklung“, aus dem Wachstumsprozess in den negativ beschleunigten Ast, den Bremsprozess, d.h. eine Sättigung tritt ein. (F UNKE , 2001, S. 297). Quellen der Kreativität; Ort der Kreativität Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Society, culture, and persons: A systems view of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): The nature of creativity. Cambridge, UK u.a. 1988, S. 325-339; D ERS .: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997; F UNKE , J.: Psychologie der Kreativität. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin/ Heidelberg/ New York et al.; Nachdruck 2001, S. 283-300; F UNKE , J. (Hrsg.): Denken und Problemlösen. (Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 8). Göttingen u.a. 2006; O ERTER , R.: Psychologie des Denkens. Donauwörth 1971, 6. Aufl., 1980. DPT (Divergent Production Test): divergente Produktions-Testbatterien zur Messung kreativer Fähigkeiten und kreativen Verhaltens; von Joy Paul Guilford (1897-1987) entwickelt. Er hatte erkannt, dass sich Kreativität nicht mit den herkömmlichen Intelligenztests messen lässt und entwarf mit Hilfe psychometrischer Methoden, besonders der Faktorenanalyse, „eine einheitliche Theorie des menschlichen Intellekts, die die bekannten speziellen oder primären intellektuellen Fähigkeiten zu einem einzigen System, der sog. Struktur des Intellekts zusammenfasst.“ (G UILFORD , 1959, S. 470). Mit Hilfe dieser divergenten Produktions-Testbatterien werden z. B. Flüssigkeit, Flexibilität, Originalität, Elaboration, Sensitivität und die Fähigkeit zum Neudefinieren gemessen. Intelligenz-Struktur-Modell Lit.: G UILFORD , J. P.: Three faces of intellect. In: American Psychologist, 1959, 14, pp. 469-479. Drei-Komponenten-Modell der Kreativität (The Three Components of Creativity): ein Informationsverarbeitungsmodell, 1983 von der US-amerikanischen Wirtschaftswissenschaftlerin und Kreativitätsforscherin Teresa M. Amabile entwickelt. Sie unterscheidet drei Komponenten kreativer Leistungen: 1. bereichsrelevante Fähigkeiten (domain-relevant skills) 2. kreativitätsspezifische Fähigkeiten (creativity-relevant skills) 3. Aufgabenmotivation (task motivation) Jede individuelle Kreativität beruhe auf einer Funktion von drei Komponenten: 1. Sachkenntnis (expertise), 2. kreative Denkfähigkeiten (creative-thinking skills) 3. Motivation (motivation). Nach Amabiles Auffassung bildet die Komponente der bereichsspezifischen Fähigkeiten die Grundlage für jede kreative Leistung in einem bestimmten Realitätsbereich. <?page no="62"?> Ebenen der Kreativität 58 1. Zu den bereichsrelevanten Fähigkeiten gehören Faktenwissen, bestimmte technische Fertigkeiten und bereichsspezifische Talente. Diese sind abhängig von angeborenen kognitiven, wahrnehmungsmäßigen und motorischen Fähigkeiten sowie von formaler und zwangloser Bildung. Erforderlich sind sogenannte »kognitive Pfade«, um ein Problem lösen zu können. Mit zunehmendem Sachverstand wächst die Möglichkeit, eine neue Kombination von Ideen und damit neue Lösungswege zu finden. 2. kreativitätsspezifische Fähigkeiten sind z. B. heuristische, kognitive Begabungen, die für kreative Tätigkeiten, wie Konzeptionen, die Entwicklung neuartiger Produkte und Problemlösungen erforderlich sind. Sie beinhalten einen angemessenen kognitiven Stil, Begeisterungsfähigkeit, Motivation, Ausdauer, Beharrlichkeit, implizites oder explizites Wissen über heuristische Strategien, um neue Ideen zu entwickeln, und einen kreativen Arbeitsstil. Dies ist abhängig vom Training, von kreativen Erfahrungen bei der Ideenerzeugung und von den Persönlichkeitsmerkmalen. Diese Komponente entscheidet darüber, ob generelles oder kreatives Problemlösen vorliegt. Fehlen diese spezifischen Fähigkeiten und Merkmale, so sind kreative Leistungen unmöglich. Zu den kognitiven Stilen zählt Teresa M. Amabile das Aufbrechen von erkenntnismäßigen Festlegungen und Wahrnehmungsfixierungen, das Offenhalten von Antwortmöglichkeiten und ein kreatives Wahrnehmen, um z. B. an herkömmlichen Objekten Merkmale zu entdecken, die von den meisten Personen nicht bemerkt werden. Achtsamkeit 3. Die Aufgabenmotivation beinhaltet die Einstellung zum Problem und die Wahrnehmung der eigenen Motivation, diesen Auftrag zu lösen. Dies ist abhängig von der Qualität der intrinsischen Motivation hinsichtlich der Aufgabe, von äußeren Zwängen im sozialen Umfeld und von der individuellen Fähigkeit, diese Zwänge zu minimieren. Lit.: A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York/ Berlin/ Heidelberg/ Tokyo 1983; D IES .: The social psychology of creativity: A componential conceptualization. In: Journal of Personality and Social Psychology, 45, 1983, pp. 357-376; D IES .: Within you, without you. The social psychology of creativity, and beyond. In: Runco, M. A./ Albert, R. S. (Eds.): Theories of creativity. Newbury Park, California 1990, pp. 61- 91; D IES .: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity (Boulder, Colo: Westview Press, 1996; D IES .: How to kill creativity. In: Harvard business review on breakthrough thinking. (A Harvard business review paperback). Boston, MA 1999, pp. 1-28. E Ebenen der Kreativität (levels of creativity): Bewertungskriterien, die die kreativen Produkte nach ihrer Effektivität beurteilen. Der US-amerikanische Psychologe Irving A. Taylor führte 1959 diese Kriterien ein und unterscheidet fünf hierarchische Ebenen der Kreativität: 1. Expressive Kreativität: Sie beinhaltet die Spontaneität und Freiheit des Handelns (z. B. in spontanen Kinderzeichnungen oder Kinderspielen, in denen die Kinder unbefangen und neugierig ihre Umgebung beobachten, erforschen und sich spontan ausdrücken). Diese Ebene ist die niedrigste Stufe der Kreativität, in der Originalität und Qualität noch ohne Bedeutung sind. „Das ›Kreativitätsmaß‹ hier ist vor allem die Entfaltung der emotional-motivationalen Kräfte.“ (W ERMKE , 1994, Bd. 1, S. 81). 2. Produktive Kreativität: Sie beinhaltet einen Realitätsbezug und besteht in der Aneignung von Informationen, Techniken und Fertigkeiten und deren Anwendung auf neue Produkte. In dieser Ebene erfolgt die Gestaltung von Empfindungen und Phantasien mittels erworbener Fähigkeiten und Begabungen (z. B. ein Gedicht, ein Bild, eine technische Konstruktion). Freiheit und Spontaneität sind hierbei jedoch eingeengt, durch vorhandenes Material und Wissen, dafür besteht aber ein größerer Kommunikationsgehalt. In der Entwicklung der Kreativität bleiben die meisten Menschen auf dieser Ebene stehen. 3. Inventive (erfinderische) Kreativität: Diese Ebene beinhaltet Flexibilität, die Fähigkeit, neue Beziehungen zu entdecken oder bekannte Beziehungen neu zu sehen und zu interpretieren. Erfindungen und Entdeckungen entstehen auf der Basis der bisherigen Erfahrungswelt. Genialität und Einfallsreichtum entfalten sich mit Hilfe vorhandener Materialien, Methoden und Techniken. 4. Die innovative (erneuernde) Kreativität: Sie beinhaltet ein weitreichendes Verständnis der Zusammenhänge für einen ganzen Problembereich und auf dieser Basis eine neue Problemsicht, die zu bedeutsamen Veränderungen grundsätzlicher Art führen. Auf dieser Ebene leitet die Erfindung neue Entwicklungen ein. 5. Emergierende oder emergentive Kreativität (herausragende Kreativität): Diese Ebene ist die höchste Stufe der Kreativität. Erst auf dieser Ebene entstehen neue wissenschaftliche, technische oder künstlerische Pro- <?page no="63"?> 59 élan vital dukte. Sie beinhaltet eine totale Umstrukturierung eines großen Wissens- oder Erfahrungsbereiches, das Schaffen neuer Systeme oder revolutionärer Theorien (z. B. Einsteins Relativitätstheorie). Taylors Modell stellt den prozessualen Charakter und das Produkt in einen intersubjektiven Bezugsrahmen, dessen Unterscheidung letztlich von der verwertungsorientierten Beurteilung ausgeht. Daraus folgt der soziale Stellenwert des Produzenten wie seines Produkts. Letztendlich ist es kaum möglich, objektive Bewertungskriterien für ein kreatives Produkt anzuwenden, aber es sollte sich an der Realität orientieren, ein Problem angemessen lösen und sich durchsetzen. Der schweizerische Unternehmensberater Victor Scheitlin differenziert zwischen expressiver und operationaler Kreativität: „Expressive Kreativität befasst sich mit der spezifisch künstlerischen Gestaltung von Werken, wo Ästhetik, Formgefühl, geistig-seelisches oder auch besonders sprachliches Ausdrucksvermögen (wie z. B. in Dichtung, Poesie, Aphoristik oder rhetorischen Glanzleistungen) gefordert wird. Operationale Kreativität befasst sich mit Neuerungsprozessen (Innovationen) im soziotechnischen System von Firmen und Zweckorganisationen, also mit Produkt-, Verfahrens- und Sozial-Innovationen.“ (S CHEITLIN , 1993, S. 23 f.) Lit.: J ACKSON , P H . W./ M ESSICK , S.: The person, the product and the response: conceptual problems in the assessment of creativity. In: Journal of personality, 1965, 33, pp. 309-329 (dt. Ausg.: Die Person, das Produkt und die Reaktion: Begriffliche Probleme bei der Bestimmung der Kreativität. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 93-110; L ANDAU , E.: Psychologie der Kreativität, 2. verb. Aufl., München/ Basel 1971, S. 76-82; D IES .: Kreatives Erleben (Psychologie und Person; Bd. 17), München/ Basel 1984, S. 75-87, 112-114; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung; Bd. 61). Darmstadt ²1986, S. 35-38; S CHEITLIN , V.: Kreativität - das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993; S TERNBERG , R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge; New York; Port Chester; Melbourne; Sydney ²1989; T AYLOR , I. A.: The nature of the creative process. In: P. Smith (Ed.): Creativity. An evaluation of the creative process. New York 1959, pp. 51-82; W ERMKE , J.: Kreativität als paradoxe Aufgabe. Bd. 1: Entwicklung eines Konzepts der Kreativität und ihrer Förderung durch Literatur; Bd. 2: Empirische Überprüfung literaturdidaktischer Möglichkeiten der Kreativitätsförderung. Weinheim ²1994. Eigenschaftsliste Attribute Listing Eingebung Inspiration Einstellung, kreative kreative Einstellung Elaboration (elaboration): Ausarbeitung; ein Kennzeichen des divergenten Denkens. Sie entscheidet darüber, ob eine Idee realisierbar ist, indem sie diese bewertet und auf ihre Nutzanwendung überprüft. Die Elaboration ist die kreative Fähigkeit, von einem gedanklichen Entwurf zu einem konkreten, realisierbaren Plan überzugehen, Ideen und Gedanken zusammenzutragen, auszugestalten und zu assoziieren; eine Phase des gründlichen Durchdenkens und Bearbeitens von Gedanken und Ideen. Hierbei wird zwischen der semantischen und der figuralen Elaboration unterschieden. In der semantischen Bearbeitungsstufe werden die notwendigen Schritte möglichst detailliert festgelegt, um einen vorgegebenen Plan auszuführen. Die figurale Elaboration bezeichnet die ausschmückende, figürliche, bildhafte Stufe der Ausarbeitung einer Idee. Daneben besteht auch die Annahme einer symbolischen und behavioralen Elaboration. élan vital (franz. Urkraft): Lebenskraft, Lebensschwungkraft. Begriff von dem französischen Philosophen Henri Louis Bergson (1859-1941). Er weist nach, dass das Leben in sei- <?page no="64"?> Emotionale Intelligenz 60 nem Wesen schöpferische Aktivität und daher durch Vernunft nicht fassbar sei, sondern es könne nur in der Intuition, in den intellektuellen Leistungen erfasst werden. Dem Leben wohne also eine Lebenskraft inne, „die ununterbrochene Schöpfung von unvorhersehbar Neuem“ erzeuge, „die sich im Universum fortzusetzen scheint.“ (B ERGSON , 1993, S. 110) Die Wirklichkeit sei ein unerschöpflicher Bewusstseinsstrom, der eine schöpferische Entwicklung verkörpere, also ein ständiger Schaffensprozess. Die Entwicklung des Lebens bis zu seiner heute beobachtbaren Mannigfaltigkeit gehe von einem ursprünglichen Impuls psychischer Art, dem élan vital aus. Das Schöpferische sei das Grundprinzip des Seins und von unbegrenzter Freiheit im Hervorbringen neuer Formen. Dieser Schaffensprozess bedinge die Entwicklung der mit eigenem Elan ausgestatteten Individuen und stelle zugleich auch selbst eine Evolution dar, da sich das Lebensprinzip fortwährend neu erschafft, d.h. im ständigen Prozess des Werdens befinde, nach dem ihm innewohnenden Lebensdrang (élan vital). Das angestrebte Ziel sei die Verwirklichung eines reinen Schaffens, ohne Bezug zur Materie, denn diese sei auch ein Produkt des élan vital. Bergson meint, „dass wir Schöpfer unserer Absichten, unserer Entscheidungen, unserer Akte und dadurch unserer Gewohnheiten, unseres Charakters, unseres Selbst sind. Als Schöpfer unseres Lebens, ja als Künstler sogar, wenn man will, arbeiten wir ununterbrochen daran, aus dem Stoff, den uns die Vergangenheit und Gegenwart, Vererbung und Umstände liefern, eine einzigartige, neue, originelle, unvorhersehbare Form zu kneten, wie diejenige, die der Bildhauer dem Ton verleiht.“ Das ihr Eigene, Einzigartige dieser kreativen Tätigkeit verinnerlichen wir, „während sie sich vollzieht, aber wesentlich ist, dass wir sie ausführen. Wir brauchen sie nicht zu vertiefen; es ist sogar nicht nötig, dass wir sie ganz bewusst tun, ebensowenig, wie der Künstler sein schöpferisches Vermögen nicht zu analysieren braucht; er überlässt diese Sorgen den Philosophen und begnügt sich mit dem Schaffen.“ Die Aufmerksamkeit des Künstlers konzentriere sich „auf die eigentliche Schöpfung selbst.“ (B ERGSON , 1993, S. 113). Metaphysische Probleme entstünden dadurch, „dass wir das, was in Wirklichkeit Schöpfung ist, in die Ebene des künstlichen Machens projizieren. Die Wirklichkeit ist ein ungeteiltes Wachstum als Ganzes, fortschreitende Erfindung, kurz, Dauer. ...“ (B ERGSON , 1993, S. 115). évolution créatrice Lit.: B ERGSON , H. L.: L' évolution créatrice. Paris 1907; dt. Ausg.: Schöpferische Entwicklung. Jena 1912); D ERS .: La pensée et le mouvant. Paris 1934; dt. Ausg.: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge, hg. von Friedrich Kottje. Meisenheim am Glan 1948; Dass. Mit einem Nachwort von Konstantinos P. Romanòs (= eva-Taschenbuch; Bd. 50). Hamburg 1993. Emotionale Intelligenz (emotional intelligence): Der US-amerikanische Psychologe Daniel Goleman (*1946) subsumiert die beiden „personalen“ Intelligenzen, die interpersonale und die intrapersonale, unter dem Begriff „emotionale Intelligenz“. Dazu gehören persönliche Qualitäten, wie Initiative, Empathie, Anpassungsfähigkeit und Überzeugungskraft. Sie bilden eine wesentliche Voraussetzung für herausragende Leistungen. Lit.: G OLEMAN , D.: Emotionale Intelligenz. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. München 2001; G O- LEMAN , D./ K AUFMANN , P./ R AY , M.: The creative spirit. New York 1991; G OLKS , B./ S CHEINER , O./ R IECH , M.: Erfolgreich führen mit emotionaler Intelligenz. Die neuen Werte im Management. Renningen ²2008; S CHULER , H.: Emotionale Intelligenz - ein irreführender und unnötiger Begriff. In: Zeitschrift für Personalpsychologie, 3, 2002, S. 138-140. Empathie (empathy): Einfühlungsvermögen, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen. Kreativität und Empathie „entwickeln sich zu Schlüssel-Ressourcen für die Zukunft.“ (K EICHER / B RÜHL , 2008, S. 9). Lit.: K EICHER , I./ B RÜHL , K.: Sie bewegt sich doch! Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen. Zürich 2008. <?page no="65"?> 61 Energiepotenzial Employability Selbstvermarktung, Talent zur Vermarktbarbeit, die Fähigkeit zur Vermittelbarkeit auf dem Arbeitsmarkt. Für die permanente Anfertigung und Vermarktbarkeit des eigenen Qualifikationsportfolios ist der Arbeitnehmer selbst zuständig. Lit.: G ELDMACHER , E.: Faszination. Gemeinsamkeiten zwischen Marken und Menschen. In: Herbst, D. (Hrsg.): Der Mensch als Marke. Göttingen: Business Village 2002, S. 19-24; H ERBST , D. (Hrsg.): Der Mensch als Marke. Göttingen: Business Village 2002; H ONEGGER , J.: Employability statt Jobsicherheit. In: Personalwirtschaft 6, 2001, S. 50-54; M OLDASCHL , M.: Die regelmäßige Wiederkehr anthropologischer Irrtümer. Menschenbilder der Ökonomik und der Hirnforschung. In: Schmidinger, H./ Sedmak, C. (Hrsg.): Der Mensch - ein kreatives Wesen? Kunst - Technik- Innovation. (Topologien des Menschlichen, Bd. 5). Darmstadt 2008, S. 133-159; M OLDASCHL , M./ V Oß , G. G. (Hrsg.): Subjektivierung der Arbeit. München, Mering: Hampp ²2003; P RISCHING , M.: Vermarktlichung - ein Aspekt des Wandels von Koordinationsmechanismen. In: Jahrbuch Ökonomie und Gesellschaft: Alles käuflich? Marburg: Metropolis 2002, S. 15-38. Empowerment Selbstorganisation (eigtl. Befähigung, Stärkung, Unterstützung, Ermächtigung, Bevollmächtigung); Förderung von ökonomischen Kompetenzen der Arbeitnehmer, die sich im und außerhalb der Unternehmen selbst „bewirtschaften“, rationalisieren und vermarkten. Dahinter verbirgt sich die Stärkung der Eigenverantwortung, auch hinsichtlich von Weiterbildung und sozialer Absicherung. Durch die Verantwortungsübertragung soll die Eigeninitiative der Mitarbeiter gefördert und ihr reicher Erfahrungsschatz genutzt werden, um zur erfolgreichen Entwicklung des Unternehmens effektiv und innovationsorientiert beizutragen. Dabei ist vor allem der Teamgeist gefragt. Hierbei gelten folgende Faktoren: die Probleme werden benannt; wechselseitiger Respekt der Mitarbeiter - Hilfsbereitschaft - Fehler werden nicht nachgetragen eine gewisse Risikobereitschaft ständige Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten Kritiker des Empowerments sind allerdings der Ansicht, diese Selbstökonomie habe in der neuen Arbeitswelt „wenig Aussicht auf Selbstbestimmung und kreatives Handeln.“ (M OLDASCHL , 2008, S. 153). Kenneth J. Gergen spricht vom „Tod des Selbst“ und stellt fest: „Es gibt wenig Bedarf für das innengeleitete, ›one-style-for-all‹ Individuum. Solch eine Person ist beschränkt, engstirnig, unflexibel.“ (G ERGEN , 2000, pp. 100-115). Lit.: B RÖCKLING , U.: Das unternehmerische Selbst. Soziologie eiuer Subjektivierungsform. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1832). Frankfurt am Main 2007; G ERGEN , K. J.: The self: death by technology. In: Fee, D. (Ed.): Pathology and the postmodern. Mental illness as discourse and experience. London: Sage 2000, pp. 100-115; H ERRIGER , N.: Empowerment in der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. Stuttgart 1997; M OLDASCHL , M.: Die regelmäßige Wiederkehr anthropologischer Irrtümer. Menschenbilder der Ökonomik und der Hirnforschung. In: Schmidinger, H./ Sedmak, C. (Hrsg.): Der Mensch - ein kreatives Wesen? Kunst - Technik- Innovation. (Topologien des Menschlichen, Bd. 5). Darmstadt 2008, S. 133-159; P ANKOFER , S.: Empowerment eine Einführung. In: Miller, T./ Pankofer, S. (Hrsg.): Empowerment konkret. Handlungsentwürfe und Reflexionen aus der psychosozialen Praxis. Stuttgart 2000, S. 7-22; P RILLELTENSKY , I.: Empowerment in mainstream psychology: Legitimacy, obstacles, and possibilities. In: Canadian Psychology/ Psychologie canadienne, 35, 1994, No. 4, pp. 358-375; S TARK , W.: Empowerment. Neue Handlungskompetenzen in der psychosozialen Praxis. Freiburg 1996; S WIFT , C./ L EVIN , G.: Empowerment: An emerging mental health technology. In: Journal of Primary Prevention, 8, 1987, No. 1/ 2, pp. 71-94; Z IMMERMAN , M. A.: Empowerment theory. Psychological, organizational and community levels of analysis. In: Rappaport, J./ Seidman, E. (Eds.): Handbook of community psychology. New York 2000, pp. 43-63. Energiepotenzial (energy mobilization): auch Aktivitätspotenzial oder Motivationspotenzial. Bezeichnung für den Ausprägungsgrad der erzeugten und notwendigen Energie, um eine bestimmte Tätigkeit ausführen zu können. Der Begriff wurde von Elizabeth Duffy geprägt. Sie entwickelte ab 1951 die Theorie einer allgemeinen Energiemobilisation bzw. Energiemobilisierung und vertritt die These von einem einheitlichen Energiepotenzial. Dabei be- <?page no="66"?> Enrichment-Modell 62 rücksichtigt sie den Energieverbrauch des Organismus, der über die direkte kaloriemetrische Bestimmung der Wärmeentwicklung oder über die Messung des Sauerstoffverbrauchs im Stoffwechsel gemessen werden kann. Vor allem konzentriert sie sich auf Messungen des Muskeltonus und des Hautwiderstandes, auf Atmung, Puls, Blutdruck, Blutvolumen und Hauttemperatur. Ab 1957 hat Elizabeth Duffy den Begriff „Energiemobilisierung“ zunehmend durch die Begriffe „Erregung“ (arousal) und Aktivierung (activation) ersetzt. Das Energiepotenzial zeigt sich besonders im leistungsmotivierten und erfolgsorientierten Verhalten von Entrepreneuren, Führungskräften sowie von allen kreativen Persönlichkeiten. Diese sind vital, energisch, voller Tatendrang, spontan, mutig und risikofreudig, gründlich, ausdauernd und haben Verantwortungsgefühl. Sie werden aber auch als einflussreich, aggressiv und dominant geschildert, jedoch nicht als autoritär. Das Energiepotenzial kann als Maß für die Gesamtheit aller Aktivitäten gelten, die ein Individuum von sich aus produziert. Es verleiht den kreativen Persönlichkeiten „die Kraft und die Ausdauer, Probleme nicht einfach hinzunehmen, sondern sie als lösbar zu betrachten und sich mit ihnen zu beschäftigen. Sie sind aktiv mit ihrer Umwelt beschäftigt und versuchen, die Umwelt den eigenen Bedürfnissen anzupassen, anstatt sich selbst der Umwelt mit ihren Problemen unterzuordnen und anzupassen.“ (P REISER , 1986, S. 68 f.) Der deutsche Arzt und Psychologe Narziß Kaspar Ach (1871-1946), der das Schwierigkeitsgesetz der Motivation entdeckte, wies ebenfalls auf das besondere Energiepotenzial des Willens hin, denn der Wille ermögliche es den Menschen, ihre Handlungsziele auch gegen Widerstände und Hemmnisse (z. B. Ermüdung) über längere Zeit hinweg zu verfolgen. Lit.: A CH , N. K.: Über die Willenstätigkeit und das Denken. Göttingen 1905; A CH , N. K.: Über den Willensakt und das Temperament. Leipzig 1910; D UFFY , E.: The concept of energy mobilization. In: Psychological Review 58, 1951, pp. 30-40; D UFFY , E.: Activation and behavior. New York: Wiley 1962; D UFFY , E.: The psychological significance of the concept of arousal or activation. In: Fisher, A. C. (Ed.): Psychology of sport. Palo Alto 1976, pp. 90-124; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61). Darmstadt ²1986; S CHÖNPFLUG , W. (Hrsg.): Methoden der Aktivierungsforschung. Bern 1969. Enrichment-Modell (enrichment triad model): ein Drei-Ring-Modell der Hochbegabung; wurde 1977 von dem US-amerikanischen Hochbegabungsforscher Joseph S. Renzulli (*1936) entwickelt. Ein hoher IQ bildet nur eine von vielen Bedingungen herausragender Leistungen. Renzulli geht von drei Faktoren aus, die vorhanden sein müssen, um exzellente Leistungen zu ermöglichen: 1. überdurchschnittliche (intellektuelle) Fähigkeiten 2. Kreativität 3. Motivation, d. h. ein großes Interesse am Aufgabengebiet bzw. an der Lösung eines Problems Diese drei Komponenten »befruchten« sich gewissermaßen (engl. enrichment: Befruchtung, Bereicherung). Die Schnittmenge dieser drei Ringe weist auf die Hochbegabung hin. Renzulli wertet seine Drei-Ring-Konzeption der Begabung als ein Entwicklungsmodell für die kreative Produktivität. (R ENZULLI , 1986, pp. 53-92). Franz J. Mönks und andere Forscher auf dem Gebiet der Hochbegabung erweiterten die Komponenten des Modells von Renzulli um die Einflüsse der Schule, der Gruppe von Gleichaltrigen und der Familie. Weitere wichtige Zuordnungen für die Erklärung herausragender Leistungen sind kritische Lebensereignisse, Zufälle, einschneidende biographische Ereignisse, verschiedene Lern- und Leistungsmotive sowie das Selbst-Konzept eigener Tüchtigkeit. Auch der kulturelle Zusammenhang ist von entscheidender Bedeutung dafür, welche Fähigkeiten und Leistungen als Hinweise auf Hochbegabungen erkannt werden und die es zu fördern gilt. (vgl. W ALDMANN / W EINERT , 1990, S. 19 f.) Lit.: H OWE , M. J. A.: Biographical evidence and the development of outstanding individuals. In: American Psychologist, 37, 1982, pp. 1071-1081; J ARELL , R. H./ B ORLAND , J. H.: The research base for Renzulli’s three-ring conception of giftedness. In: Journal for the Education of the Gifted, 13, 1990, pp. 288-308; J EL- LEN , H.: Renzulli’s enrichment scheme for the gifted. Educational accommodation of the gifted in the Ameri- <?page no="67"?> 63 Erfindung can context. In: Gifted Education International, 3 (2) 1985, pp. 12-17; M ÖNKS , F. J./ B OXTEL , H. W. VAN / R OELOFS , J. J. W./ S ANDERS , M. P. M.: The identification of gifted children in secondary education and a description of their situation. In: K. A. Heller/ J. Feldhusen (Eds.): Identifying and nurturing the gifted. Bern 1986, pp. 39-66; R ENZULLI , J. S.: The enrichment triad model. Mansfield Center, CT: Creative Learning Press 1977; D ERS .: The three-ring conception of giftedness: A developmental model for creative productivity. In: R. J. Sternberg/ J. E. Davidson (Eds.): Conceptions of giftedness. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1986, pp. 53-92; R IPKE , G.: Kreativität und Diagnostik. (Einführungen Psychologie, Bd. 1), Münster 2005; S IMONTON , D. K.: Genius, creativity, and leadership. Harvard University Press. Cambridge, Mass. 1984; D ERS .: Scientific genius: A psychology of science. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1988; T ANNENBAUM , A. J.: Gifted children. Psychological and educational perspectives. New York 1983; D ERS .: Giftedness: a psychosocial approach. In: R. J. Sternberg/ J. E. Davidson (Eds.): Conceptions of giftedness. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1986, pp. 21-52; W ALDMANN , M./ W EINERT , F. E.: Intelligenz und Denken. Perspektiven der Hochbegabungsforschung. Göttingen/ Toronto/ Zürich 1990. Enthusiasmus (enthusiasm): Begeisterung, leidenschaftliche Erregung durch ein Ideal oder eine Idee, hervorgerufen durch gesteigertes Interesse an einer Aufgabe oder an einem Problem, auch durch Vorbilder oder außerordentliche Ereignisse; urspr. das Ergriffensein vom Göttlichen ( Inspiration). Der englische Moralphilosoph und Ästhetiker Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury (1671-1713) beschreibt den Enthusiasmus als eine Leidenschaft für das Gute und Schöne. Die Eingebung sei ein „göttlicher Enthusiasmus“ und bezeichne „alles Erhabne in den menschlichen Leidenschaften“. Nur durch einen edlen Enthusiasmus können Helden, Staatsmänner, Dichter, Redner, Tonkünstler und selbst Philosophen „Großes hervorbringen.“ (S HAFTESBURY , 1990, S. 38 f.) Ohne diese Triebkraft würden viele Leistungen in Kunst und Wissenschaft gar nicht entstehen. Sobald der Enthusiasmus jedoch die Grenzen des Individuums überschreitet und die Menge in politische oder religiöse Panik versetzt bzw. wenn sich der Enthusiasmus anmaßt, das Glück anderer Menschen oder Völker zu beeinflussen oder zu befördern, werde er zur Quelle des Unheils. Diese Auffassung teilt auch Immanuel Kant (1724-1804), der erklärt, dass ohne Enthusiasmus „niemals ... in der Welt etwas Großes ausgerichtet worden“ ist. (Kant: Versuch über die Krankheiten des Kopfes. In: Akademie-Ausg., 2. Bd., S. 267). Der Enthusiasmus sei „erhaben, weil er eine Anspannung der Kräfte durch Ideen ist, welche dem Gemüt einen Schwung geben, der weit mächtiger und dauerhafter wirkt als der Antrieb durch Sinnesvorstellungen.“ (Kant: Kritik der Urteilskraft, § 29, S. 46 f.). Der Enthusiasmus verleiht dem Menschen die Steigerung seiner Erlebnis- und Leistungsfähigkeit, auch Tätigkeitsfreude und Wohlbefinden sowie das Phänomen geistigen Höhenflugs Flow-Erlebnis; intrinsische Motivation). Dadurch erfolgt das Lösen von Aufgaben oder Problemen mit Hingabe und Leidenschaft. Enthusiasmus kann aber auch in Ekstase oder Fanatismus ausarten. Lit.: F INK , E.: Vom Wesen des Enthusiasmus. Essen 1948; K ANT , I.: Gesammelte Schriften. Hg. von der Königlich Preußischen Akademie der Wissenschaften, [später: ] von der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. 23 Bde., Berlin [später: ] Berlin/ Leipzig 1900-1955; P EALE , N. V.: Was Begeisterung vermag. München 1994; S HAFTESBURY , A. A. C.: Ein Brief über den Enthusiasmus an Mylord ***. In: Ders.: Der gesellige Enthusiast. Philosophische Essays, hg. von Karl-Heinz Schwabe. München/ Leipzig/ Weimar 1990, S. 7-40. Entrepreneurship Business Creativity Erfindung (invention): auch Erfindungsgabe; das Ergebnis der kreativen Tätigkeit, durch die etwas Neues, bisher noch nicht Vorhandenes hervorgebracht wird, im Unterschied zur Entdeckung, dem Auffinden von etwas bereits Vorhandenem, aber bisher Unbekanntem. Die erfinderische Ebene der Kreativität beinhaltet Flexibilität, die Fähigkeit, neue Beziehungen zu entdecken oder bekannte Beziehungen neu zu sehen und zu interpretieren. ( Ebenen der <?page no="68"?> Erfolg und Misserfolg 64 Kreativität). Der US-amerikanische Psychologe Joseph Rossman entwickelte 1931 ein Modell für die einzelnen Phasen des Problemlösungsprozesses bei einer Erfindung. Diese lauten: 1. Bemerken eines Bedürfnisses oder einer Schwierigkeit 2. Formulierung des Problems 3. Prüfung der verfügbaren Informationen 4. Formulierung von Lösungen 5. kritische Überprüfung der Lösungen 6. Formulierung neuer Ideen 7. Erprobung und Akzeptierung der neuen Ideen Technische Innovationen können Vorbilder in der Natur haben ( Bionik), aber auch originäre Erfindungen sein, wodurch neue, künstliche Wirklichkeiten geschaffen werden. Heuristik Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Flow and the psychology of discovery and invention. New York: Harper Perennial 1997; F OSTER , J./ C ORBY , L.: How to get ideas. Berrett-Koehler Publishers, Inc., San Francisco, CA 1996; dt. Ausg.: Einfälle für alle Fälle. Erfinden, Kreieren, Ausdenken und andere Möglichkeiten, Ideen in die Welt zu setzen. Wien, Frankfurt 1998; H ENDERSON , S. J.: Inventors: The ordinary genius next door. In: Sternberg, R. J./ Grigorenko, E. L./ Singer, J. L. (Eds.): Creativity. From potential to realization. American Psychological Association. Washington, DC ²2006, pp. 103-125; H INKEL , H. M./ E LSNER , G.: Erfinden ist genial. So sprengen wir unsere Denkschablonen. Renningen 2013; P ERKINS , D. N.: The topography of invention. In: Weber, R. J./ Perkins, D. N. (Eds.): Inventive minds. Creativity in Technology. New York 1992, pp. 238-250; R OSSMAN , J.: The psychology of the inventor. (Inventors Publishing Company), Washington, D.C. 1931; ²1963; R OSSMAN , J.: A study of childhood, education and age of 710 inventors. In Journal of the Patent Office Society, XVII (5), 1935, pp. 411-414; S CHNETZLER , N.: Die Ideenmaschine. Methode statt Geistesblitz - Wie Ideen industriell produziert werden, 5. Aufl., Weinheim 2006; S CHUSTER , M.: Picasso kann jeder? ! Kreativität im Alltag. Stuttgart 2011; S UHR , C.: Patentliteratur und ihre Nutzung. Der Leitfaden zu den Quellen technischer Kreativität. Renningen 2000. Erfolg und Misserfolg Leistungsmotivation Erfolgsintelligenz (successful intelligence): jene Art von Intelligenz, die wir einsetzen, um wichtige Ziele zu erreichen, d. h. die zu einem zielorientierten Handeln führt. Der Begriff wurde 1996 von dem US-amerikanischen Intelligenz- und Kreativitätsforscher Robert J. Sternberg (*1949) eingeführt. Erfolgreiche Menschen verfügen über ein umfassendes Spektrum intellektueller Fähigkeiten und wissen, wo ihre Stärken und ihre Schwächen liegen. Ihre Stärken bauen sie aus und setzen alles daran, ihre Schwächen zu korrigieren oder zu kompensieren. Mit einem hohen Grad an Eigenmotivation schaffen sie sich ihre Chancen selbst. Sternberg weist nach, warum wir mehr brauchen als EQ und IQ. Die Erfolgsintelligenz setzt sich aus drei Aspekten zusammen: 1. Analytische Intelligenz 2. Kreative Intelligenz 3. Praktische Intelligenz Nach Sternbergs Meinung ist Erfolgsintelligenz erlernbar. Der Prüfstein der Erfolgsintelligenz ist die erfolgreiche Arbeit. Sternberg hat dazu 20 Leitsätze formuliert: 1. Menschen mit Erfolgsintelligenz motivieren sich selbst. Sie verbinden innere und äußere Motivation ( intrinsische und extrinsische Motivation). 2. Sie lernen ihr impulsives Verhalten zu kontrollieren, denn Impulsivität steht jeder kreativen Leistung im Wege, weil sie die Lösung eines Problems behindert. Erfolgreiche Menschen handeln aus Erfahrung, nicht impulsiv. Sie nehmen sich Zeit, ein Problem oder eine Entscheidung gründlich zu durchdenken. 3. Menschen mit Erfolgsintelligenz haben ein großes Durchhaltevermögen. Sie lassen sich von Misserfolgen, fehlgeschlagenen Versuchen, Enttäuschungen, Rückschlägen oder anderen Kreativitätsblockaden nicht entmutigen und arbeiten beharrlich an ihrer Aufgabe oder an ihrem Problem. 4. Sie wissen das Beste aus ihren Fähigkeiten zu machen. Fühlen sie sich in ihrem Job unterfordert, wechseln sie meist ihre Arbeitsstelle oder ihren Beruf. Sie probieren ihre Möglichkeiten aus und wählen einen Job, <?page no="69"?> 65 Erfolgsintelligenz der ihren Anlagen, Begabungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten entspricht. Menschen mit Erfolgsintelligenz kennen ihre Stärken und arbeiten daran, diese zur vollen Entfaltung zu bringen. 5. Menschen mit Erfolgsintelligenz setzen ihre Gedanken und Entscheidungen in Taten um. Sie haben nicht nur gute Ideen, sondern versuchen alles, um diese zu verwirklichen. Die Fähigkeit, alternative Handlungsmöglichkeiten zu erkennen, ist genauso wichtig, wie die richtige Entscheidung, wann man warten und wann man handeln muss. 6. Menschen mit Erfolgsintelligenz sind ergebnisorientiert. 7. Sie bringen ihre Aufgaben zu Ende und kommen an ihr Ziel, wenn es darum geht, ein Problem zu lösen oder eine Entscheidung zu treffen. 8. Menschen mit Erfolgsintelligenz sind initiativreich. Sie haben Entschlusskraft und Unternehmungsgeist und beginnen ihre Projekte aus eigenem Antrieb. ( intrinsische Motivation). 9. Menschen mit Erfolgsintelligenz haben keine Angst vor Fehlschlägen. Misserfolge und Enttäuschungen nehmen sie als normalen Bestandteil des Lernprozesses in Kauf. Kreative Persönlichkeiten mit einem ausgeprägten Leistungsbedürfnis neigen dazu, Aufgaben mit maßvollen Risiken zu übernehmen, ohne Erfolgsgarantie. Einen Fehler zu machen ist nicht gleichbedeutend mit Versagen oder Misserfolg, aber Menschen mit Erfolgsintelligenz machen niemals den gleichen Fehler zweimal, sondern korrigieren sie und lernen daraus. Aus Rückschlägen ziehen sie ihre Lehren. 10. Menschen mit Erfolgsintelligenz schieben nichts auf die lange Bank. Sie zögern nicht, um die für ihre Arbeit und ihre Karriere wirklich wichtigen Projekte in Angriff zu nehmen. Zauderer dagegen haben nie Zeit, weil sie alle Termine bis zur letzten Minute vor sich herschieben. 11. Menschen mit Erfolgsintelligenz akzeptieren berechtigte Kritik und übernehmen die Verantwortung für die Fehler, die sie machen. 12. Menschen mit Erfolgsintelligenz lehnen Selbstmitleid ab, weil es sie daran hindert, gute Arbeit zu leisten. 13. Menschen mit Erfolgsintelligenz sind unabhängig, arbeiten selbständig und vertrauen vor allem auf sich selbst, auf ihre Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten. 14. Menschen mit Erfolgsintelligenz versuchen, persönliche Schwierigkeiten zu überwinden. Sie lassen sich von persönlichen Sorgen und Lebenskrisen nicht entmutigen und sind darum bemüht, Berufs- und Privatleben zu trennen. 15. Menschen mit Erfolgsintelligenz konzentrieren sich auf ihre Ziele. Sie lassen sich nicht ablenken, arbeiten effektiv und kennen die Bedingungen, unter denen sie am besten arbeiten können. Sie schaffen sich diese Bedingungen, z. B. das Arbeitsumfeld, die Umgebung, in der sie ihre Ziele erreichen können und nutzen sie zu ihrem größtmöglichen Vorteil. 16. Menschen mit Erfolgsintelligenz kennen den schmalen Grat zwischen Über- und Unterbelastung. Sie verfügen über ein gutes Zeitmanagement, um ihre Leistungen zu maximieren. Kreative Persönlichkeiten neigen dazu, gleichzeitig an mehreren Projekten zu arbeiten und kommen dadurch mitunter nicht recht voran. Gerade bei mehreren gleichzeitig in Arbeit befindlichen Projekten ist ein straffes Timing erforderlich, um diese Vorhaben auch abschließen zu können. Bei ständiger Unterbelastung kommen jedoch die kreativen Begabungen, Talente und Fähigkeiten nicht zur vollen Geltung, Chancen werden nicht genutzt und die Qualifikation bleibt zurück. Multitasking Overachievement Underachievement 17. Menschen mit Erfolgsintelligenz besitzen die Fähigkeit, auf Belohnungen zu warten. ( Gratifikationsaufschub). Sie lehnen z. B. kurzfristig erreichbare Ziele ab und widmen sich den wichtigeren, längerfristigen und für ihre Karriere entscheidenden Projekten. Dort investieren sie ihre ganze Zeit und Energie, weil ihnen diese Aufgaben langfristig die größte Begeisterung und Freude verschaffen. 18. Menschen mit Erfolgsintelligenz können den Wald und die Bäume sehen. Sie verlieren ihr Projekt nie aus den Augen und können zwischen wichtigen und unwichtigen, folgenschweren und folgenlosen Dingen unterscheiden. Sie wissen, was sie tun und ob ihre Anstrengungen zum Ziel führen. Im Gegensatz dazu arbeiten viele Menschen unkonzentriert, verharren in kleinen Details und sind dadurch nicht in der Lage, die großen Entwürfe ihrer Projekte zu erkennen und zu realisieren. Sie sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht und bleiben deshalb trotz ihrer hohen intellektuellen Fähigkeiten im Berufsleben relativ erfolglos. 19. Menschen mit Erfolgsintelligenz besitzen ein vernünftiges Maß an Selbstvertrauen und glauben an ihre Fähigkeit, ihre Ziele zu erreichen. Selbstvertrauen ist oft von entscheidender Bedeutung für den Erfolg. Unser Selbstwertgefühl muss so viele Schläge und Rückschläge verkraften, dass wir ohne Selbstbewusstsein unsere Ziele nie erreichen könnten. Mangel an Selbstsicherheit kann unsere Fähigkeiten schwächen. Dabei ist es aber wichtig, das richtige Maß zu finden, weil zuviel oder zuwenig Selbstvertrauen schadet. 20. Menschen mit Erfolgsintelligenz denken gleichermaßen analytisch, kreativ und praktisch. Sie lernen, welche Art des Denkens in der jeweiligen Situation von ihnen erwartet wird und wissen, wann sie diese verschiedenen Formen des Denkens anzuwenden haben. Beim Problemlösen und in Entscheidungssituationen nutzen sie diese drei Denkformen kontinuierlich. Sie analysieren die Situation und finden Lösungen, die sowohl kreativ als auch praktisch umsetzbar sind. <?page no="70"?> Erfolgsmotivation 66 Robert J. Sternberg ist der Auffassung, dass bei der Lösung der gegenwärtigen Probleme in der Welt nicht die statische Intelligenz, sondern die Erfolgsintelligenz zählt, eine ausgewogene Verbindung von analytischem, kreativem und praktischem Denken. (vgl. S TERNBERG , 1998, S. 275-295). Lit.: M AIER , P.: New Business. Was Erfolgreiche für den Erfolg von morgen tun. Unter Mitarbeit von 16 Ko- Autoren. Renningen 2000; P EIFFER , V.: Erfolgsintelligenz. Das 7-Schritte-Programm für den beruflichen Aufstieg und ein erfülltes Leben. München 2001; S TERNBERG , R. J.: IQ counts, but what really counts is successful intelligence. In: NASSP Bulletin, 80, 1996, pp. 18-23; S TERNBERG , R. J.: Successful intelligence. How practical and creative intelligence determine success in life. New York 1996; dt. Ausg.: Erfolgsintelligenz. Warum wir mehr brauchen als EQ + IQ. München 1998; S TERNBERG , R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007; S TERNBERG , R. J. (Ed.): Handbook of intelligence. Cambridge University Press. Cambridge 2000; S TERNBERG , R. J.: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007. Erfolgsmotivation Leistungsmotivation Evaluation (evaluation) Bewertung, Bestimmung des Wertes, der Qualität einer Idee oder eines Lösungsvorschlags; eine Phase des Problemlösens, in der die Erfolgschancen eines vorstellbaren Lösungsweges geprüft und beurteilt werden. Im Intelligenz-Struktur-Modell des US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) stellt die Evaluationsfähigkeit eine eigene Kategorie von Denkoperationen dar. Seine Definition lautet: „Evaluation ist der Prozess des Vergleichens von Informationen im Hinblick auf bekannte Spezifikationen auf der Basis von logischen Kriterien wie Identität und Konsistenz.“ (G UILFORD / H OEPFNER , 1976, S. 285) Guilford unterscheidet semantische, symbolische und figurale Evaluationsfähigkeiten. (G UILFORD / H OEPFNER , 1976, S. 237-285). Lit.: G UILFORD , J. P./ H OEPFNER , R.: Analyse der Intelligenz. Aus dem Amerikanischen übertragen von Ralf Horn. Weinheim und Basel 1976. évolution créatrice (franz.): schöpferische Entwicklung, schöpferischer Entwicklungsdrang; Begriff von dem französischen Philosophen Henri Louis Bergson (1859-1941). In der Wirklichkeit vollziehe sich ein permanenter Schaffensprozess, eine kreative Entwicklung, die immer neue Gestalten hervorbringe. (B ERGSON , 1993, S. 110) Dieser Schaffensprozess stellt zugleich auch selbst eine Evolution dar, da sich das Lebensprinzip im ständigen Prozess des Werdens befindet, nach dem ihm innewohnenden Lebensdrang. élan vital Lit.: B ERGSON , H. L.: L' évolution créatrice. Paris 1907; dt. Ausg.: Schöpferische Entwicklung. Jena 1912); D ERS .: La pensée et le mouvant. Paris 1934; dt. Ausg.: Denken und schöpferisches Werden. Aufsätze und Vorträge, hg. von Friedrich Kottje. Meisenheim am Glan 1948; Dass. Mit einem Nachwort von Konstantinos P. Romanòs (= eva-Taschenbuch; Bd. 50). Hamburg 1993. Evolutionäre Kreativitätstheorien (evolutionary theories of creativity): auch als Darwinistisches Modell von Dean Keith Simonton (*1948) bezeichnet (Darwinian model of Dean Keith Simonton). Es beruht auf konzeptionellen Ansätzen von Donald T. Campbell (1916-1996). (K OZBELT / B EGHETTO / R UNCO , 2010, pp. 35-37; Lumsden, 2007, pp. 153-168). Gerd Binnig (*1947) erklärt: „Kreativität ist die Fähigkeit zur Evolution.“ (B INNIG , 1995, S. 314.) Die Evolution ist ohne ununterbrochene Kreativität gar nicht denkbar. Gottlieb Guntern (*1939) stellt Ähnlichkeiten zwischen dem kreativen Prozess und dem kreativen Grundmechanismus in der gesamten Evolution fest. Er nennt vier Hauptetappen des kreativen Prozesses, die sich in unterschiedlicher räumlicher und zeitlicher Ordnung kombinieren: 1. Chaos und Ordnung (Zufall und Gesetz, Freiheit und Strukturzwang) treten in eine Interaktion. <?page no="71"?> 67 Evolutionäre Kreativitätstheorien 2. Die Interaktion führt zu einem mehrphasigen Prozess, der schließlich eine neue Form hervorbringt. 3. Die neue Form unterliegt einer Selektion durch die Umwelt. 4. Ist die Selektion positiv, kommt es zur Strukturentwicklung oder Morpho-Evolution der neuen Form. Beide Ergebnisse münden erneut in das Transaktionsfeld hinein, aus dessen Chaos und Ordnung neue kreative Prozesse entstehen. (G UNTERN , 1995, S. 315) Dieser Grundmechanismus des kreativen Prozesses funktioniere in allen drei Formen der Evolution. Die Natur ist kreativ und hat im Verlauf ihrer Existenz drei verschiedene Typen der Evolution hervorgebracht: 1. Die nicht-biologische Evolution. Sie bringt neue geophysikalische Formen hervor (z. B. Vulkane, Gletscher, Erosionskegel). Die geophysikalische Selektion entscheidet über das weitere Schicksal dieser neuen Formen. 2. Die biologische Evolution bringt neue Pflanzen- und Tierarten und neue Formen von Organen und Verhaltensweisen hervor. Die biologische Selektion (von Darwin natürliche Selektion genannt) entscheidet über das weitere Schicksal dieser neuen Lebensarten. 3. Die kulturelle Evolution bringt permanent neue Formen hervor, z. B. Legenden, Mythen, Ideologien, Traditionen, Sitten und Gebräuche, Normen und Werte, Theorien, Kunstwerke, Technologien, Wissenschaften u. a. Die kulturelle Selektion entscheidet über das weitere Schicksal dieser neuen Formen. (G UNTERN ,1991, S. 54; Guntern, 1995, S. 315). Die Evolution wird als kreativer und nicht-intentionaler Prozess auf der Grundlage von Vielfalt und natürlicher Selektion aufgefasst. Für die Bildung immer wieder neuer genetischer Varianten nennt Charles J. Lumsden vier Prozesse: 1. Mutation 2. Rekombination 3. Migration 4. Sexualität (L UMSDEN , 2007, p. 155) In der menschlichen Evolution besteht eine enge Verbindung zwischen genetischer und kultureller Information. Kreativität führt immer wieder zu neuer kultureller Information und ist das kulturelle Gegenstück zum genetischen Veränderungsprozess, der die biologische Evolution bewirkt. (vgl. C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 17). „Was Gene für die biologische Evolution sind, sind Ideen für die metabiologische Evolution.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 403). Die Evolution hängt seit einigen Jahrtausenden nicht mehr ausschließlich von den chemischen Mutationen der Gene ab, sondern zunehmend von den Veränderungen der Meme, also jener Informationen, die wir erlernen und selbst wiederum weitergeben. (vgl. C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 452). Lit.: B INNIG , G ERD : Aus dem Nichts. Über die Kreativität von Natur und Mensch. München, Zürich, 4. Aufl., 1992; D ERS .: Kreativität - die Fähigkeit zur Evolution. In: Guntern, Gottlieb (Hrsg.): Chaos und Kreativität. Rigorous Chaos. Mit Beiträgen von Gerd Binnig, Mitchell Feigenbaum u. a. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995, S. 303-338; C AMPBELL , D. T.: Blind variation and selective retention in creative thougt and in other knowledge processes. In: Psychological Review 67, 1960, pp. 380-400; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Creativity. Flow and the psychology of discovery and invention. New York 1996; dt. Ausg.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Stuttgart 1997, 6. Aufl., 2003; F INDLAY , C. S./ L UMSDEN , C. J.: The creative mind. Toward an evolutionary theory of discovery and innovation. In: Journal of Social and Biological Structures, Vol. 11, 1988, pp. 3-55; G UNTERN , G. (Hrsg.): Der kreative Weg. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Mit Beiträgen von Maya Angelou, Luc Bondy u. a., Zürich 1991; D ERS . (Hrsg.): Chaos und Kreativität. Rigorous Chaos. Mit Beiträgen von Gerd Binnig, Mitchell Feigenbaum u. a. und einer Einführung von Gottlieb Guntern. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; K OZBELT , A./ B EGHETTO , R. A./ R UNCO , M. A.: Theories of creativity. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 20-47; L UMSDEN , C. J.: Evolving creative minds: stories and mechanisms. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al., 10 th printing 2007, pp. 153-168; L UMSDEN , C. J./ F INDLAY , C. S.: Evolution of the creative mind. In: Creativity Research Journal, 1, 1988, pp. 75-91; S IMONTON , D. K.: Origins of genius: Darwinian perspectives on creativity. New York: Oxford University Press 1999; T OEPFER , G.: Die Kreativität der Evolution - eine Kreativität der Mittel, nicht der Zwecke. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., <?page no="72"?> extrinsische Motivation 68 Berlin 2005, Bd. 1, S. 811-822; V OGT , T.: Kalkulierte Kreativität. Die Rationalität kreativer Prozesse. Wiesbaden 2010. extrinsische Motivation (extrinsic motivation): auch als sekundäre, äußere Motivation bezeichnet; von außen, durch äußere sachfremde Antriebe, Belohnungen, Zwänge oder Strafen verursachte Beweggründe des Handelns; eine Triebkraft für Tätigkeiten, die nur aus Gründen der Belohnung oder des materiellen Ertrags, wie Geld, Gehaltserhöhung, Beförderung, Karrieredenken, Status, Macht oder Prestigegewinn durchgeführt werden, ohne innere Anteilnahme, oder aus Angst vor Strafen, wie Abmahnung, Kündigung o. ä. Die extrinsische Motivation hat Aufforderungscharakter (Valenz). Meist sind es ökonomische Anreizeffekte zu erhöhter Leistungsbereitschaft (Incentive). Wie kann ein Vorgesetzter einen Mitarbeiter dazu bringen, etwas zu tun, was er von sich aus nicht tun will? - Dazu verwendet die Führungskraft fünf bewährte Motivierungs-Strategien, die aus einer Kombination von Verhaltensweisen bestehen. Reinhard K. Sprenger kennzeichnet diese extrinsischen Motivierungs- Strategien durch die 5 großen »B«: - Bedrohen - Bestrafen - Bestechen - Belohnen - Belobigen (S PRENGER , 1998, S. 54). Aber die extrinsischen, von außen kommenden Anregungen, wie Belohnungen und Bestrafungen, sind gegenüber den intrinsischen weniger effektiv, denn kreative Erfindungen und Problemlösungen lassen sich nicht erzwingen und durch Belohnung oder Strafe sind sie kaum zu erreichen. „Im Gegenteil: externe Belohnung - selbst wenn es sich um eine relativ hohe Belohnung oder gar Dauerbelohnung handelt - stört eher die Kreativität. Nur bei Aufgaben zum Beispiel von algorithmischer Form, also beim Aufgabenlösen im Sinne von bestimmten Strategien, die nun schrittweise abzuarbeiten sind, erhöht sich die Leistung (»Kreativität«) mit der Belohnung.“ (L ENK , 2000, S. 78 f.) Die Unterscheidung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation geht auf den Psychologen Heinz Heckhausen (1926-1988) zurück. Die Untersuchungsergebnisse von Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) lassen vermuten, dass sich in realen Situationen extrinsische und intrinsische Belohnungen nicht notwendig einander ausschließen müssen, denn „Geld, Status oder das Gefühl, eine Pflicht zu erfüllen, können gewiss die Freude an einer Tätigkeit erhöhen. Aber auch die intrinsische Dimension kann eine mächtige Motivationsquelle sein, sei es allein oder in Verbindung mit äußerer Belohnung.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1992, S. 43). Lit.: A MABILE , T. M./ H ILL , K. G./ H ENNESSEY , B. A./ T IGHE , E. M.: The work preference inventory. Assessing intrinsic and extrinsic motivational orientations. In: Journal of Personality and Social Psychology, 66, 1994, pp. 950-967; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Beyond boredom and anxiety. The experience of play in work and games. San Francisco/ Washington/ London 1975; dt. Ausg.: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen, 4. Aufl., Stuttgart 1992; H UGO -B ECKER , A./ B ECKER , H.: Motivation. Neue Wege zum Erfolg (Beck-Wirtschaftsberater im dtv, 5896), München 1997; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; S PRENGER , R. K.: Die Entscheidung liegt bei dir! Wege aus der alltäglichen Unzufriedenheit. Frankfurt am Main/ New York, 3. Aufl., 1998; D ERS .: Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Frankfurt am Main/ New York, 14. Aufl., 1998. Extuition (extuition): die Art unserer Wahrnehmung und Analyse, die das logischrationale Denken gewissermaßen als die Erkenntnisform par excellence betrachtet; eine logisch-rationale Sichtweise auf die Welt aus objektiver oder sachlicher Distanz, die „auf der Trennung von Subjekt und Objekt beruht“ (G UNTERN , 1996, S.10), das Ich zum aktiven Subjekt erhebt und die Welt zum passiven Objekt deklassiert.“ (G UNTERN , 1994, S. 98). Der Begriff wurde 1994 von dem Schweizer Kreativitätsforscher Gottlieb Guntern geprägt. Nach <?page no="73"?> 69 Faktoren der Kreativität seiner Auffassung handelt es sich dabei um „die logische Resonanzstruktur zur Intuition“, weil sie gewissermaßen einen ›Gegen-Stand‹ produziert, während die Intuition einen ›Zusammen-Stand‹ erzeugt, d. h. „das beobachtete Subjekt mit dem beobachteten Objekt“ identifiziert und „somit den Gegenstand der Beobachtung sozusagen von innen her“ begreift. „Die Extuition ist die Vorgehensweise des rationalen Hirns, das analytisch-dualistisch denkt, d. h. es reißt zwischen Subjekt und Objekt einen Graben auf, und das beobachtende Subjekt blickt von außen her auf das beobachtete Objekt.“ Die Welt könne man „nur begreifen, wenn wir Intuition und Extuition richtig kombinieren - und wenn zudem noch das Instinkthirn, die sensori-motorische Intelligenz des Kleinhirns und das Emotionshirn dafür sorgen, dass man auch alle anderen vitalen Aspekte einer beobachteten Welt richtig in Betracht zieht.“ (G UNTERN , 1994, S. 127). Die Extuition orientiert sich quantitativ an Fakten und Zahlen, im Gegensatz zur Intuition, die unser logisch-rationales Denken wirkungsvoll ergänzt. Die Extuition ist der Intuition dann überlegen, wenn die Problemstellung durch folgende Faktoren gekennzeichnet ist: - Man verfügt über relativ viel Erfahrung auf diesem Gebiet. - Die Situation ist relativ übersichtlich. - Die verfügbaren Daten sind klar definiert, vollständig, quantifizierbar (zähl- oder messbar) und ergänzen sich gegenseitig. Bei den meisten Problemen müssen wir Intuition und Extuition kombinieren, um die jeweilige Situation richtig einzuschätzen und die Aufgabenstellung vernünftig zu lösen. Lit.: G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich, Berlin, New York 1994; D ERS .: Kreativität und Intuition. Eine Einführung. In: Guntern, G. (Hrsg.): Intuition und Kreativität. Intuition and Creativity. Mit Beiträgen von Joseph Brodsky, Werner Herzog u. a. und einer Einführung von Gottlieb Guntern. (Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium). Zürich, Berlin, New York 1996. F Fähigkeiten kreative Fähigkeiten Faktoren der Kreativität (factors of creativity): Neben Intelligenz sind eine Reihe von emotionalen und motivationalen Faktoren von besonderer Bedeutung für die Kreativität. Rainer M. Holm-Hadulla nennt folgende emotionalen Faktoren: 1. Neugier kreative Neugier 2. Interesse 3. Ehrgeiz, als positives menschliches Streben Motivationale Faktoren: Sie hängen eng mit Persönlichkeitseigenschaften zusammen. 1. Originalität 2. Hingabefähigkeit 3. Phantasie 4. Selbstvertrauen 5. Frustrationstoleranz (H OLM -H ADULLA , 2010, S. 15 f. Drei-Faktoren-Theorie der Kreativität; Motivation Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010. <?page no="74"?> Faktorenanalyse 70 Faktorenanalyse (factor analysis): 1904 von dem britischen Psychologen und Statistiker Charles Edward Spearman (1863-1945) entwickelt. Er nahm an, dass jede kognitive Leistung eine Funktion zweier Faktoren darstellt: eines allgemeinen Intelligenzfaktors, den er als g- Faktor (generellen Faktor) bezeichnete, sowie spezifischer Begabungsfaktoren, die jeweils nur bei bestimmten Aufgabenarten beteiligt sind. Die Leistungen einer bestimmten Aufgabe sind von einem zusätzlichen, einem spezifischen Faktor abhängig, den er s-Faktor nannte. Auf dem g- und s-Faktor beruht seine „Zwei-Faktoren-Theorie“ der Intelligenz. Sie wurde neben den Testverfahren von Alfred Binet (1857-1911) für die Entwicklung der Theorie und Messung der Intelligenz im 20. Jh. bedeutsam. Louis Leon Thurstone (1887-1955) entwickelte die faktorenanalytische Intelligenztheorie weiter. Im Gegensatz zum Konzept des g-Faktors von Spearman führte er die kognitiven Leistungen auf mehrere Gruppenfaktoren zurück und entwarf 1938 eine „multiple Faktorenanalyse“. Das geistige Potenzial des Menschen beruhe auf sieben elementaren intellektuellen Fähigkeiten. Diese sind: Sprachverständnis Wortflüssigkeit Rechengewandtheit Gedächtnis logisches Denkvermögen Raumvorstellung Auffassungsgeschwindigkeit Für jeden dieser Faktoren wurden Testverfahren entwickelt. Auf Grund der Faktorenanalyse entwickelte Joy Paul Guilford (1897-1987) ein dreidimensionales Intelligenz-Struktur- Modell, das er 1956 veröffentlichte. Damit wurde erstmals eine integrierte Betrachtung der intellektuellen Fähigkeiten einschließlich der kreativen Fähigkeiten möglich. Guilford nennt folgende Faktoren: 1. Wortgeläufigkeit (die Fähigkeit, rasch viele Wörter zu bilden) 2. Assoziationsgeläufigkeit (die Fähigkeit, z. B. Synonyme zu bilden) 3. Ideenflüssigkeit (die Fähigkeit, Bedeutungszusammenhänge zu erkennen) 4. visuelles Gedächtnis 5. auditives Gedächtnis 6. Ausdrucksflüssigkeit (die Fähigkeit, Ideen in Worte umzusetzen) 7. spontane Flexibilität (die Fähigkeit, gegebenes Material umzufunktionieren) 8. adaptive Flexibilität (die Fähigkeit, ein bestimmtes Problem durch eine ungewohnte Betrachtungsweise zu lösen) 9. Originalität (die Fähigkeit zur Bildung ungewöhnlicher Sinnzusammenhänge) 10. Visualisierung (die Fähigkeit zu Umstrukturierungen an gesehenem oder vorgestelltem Material) 11. Evaluation (die Fähigkeit, Gegenstände realitätsgerecht und nach Maßgabe eigener Erfahrung beurteilen zu können). Inzwischen sind die faktorenanalytischen Methoden umstritten. Howard Gardner erklärt, der IQ habe ausgedient, denn jeder Mensch könne sieben oder mehr verschiedene Intelligenzen entwickeln, die mit bisherigen Standardtests gar nicht erfasst werden. Lit.: G ARDNER , H.: Frames of mind. The theory of multiple intelligences. New York 1983; dt. Ausg.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart 1991, ²1998; D ERS .: Intelligence reframed. Multiple intelligences for the 21. century. New York 1999; dt. Ausg.: Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Stuttgart 2002; G UILFORD , J. P.: Personality. New York 1959; dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen Erforschung. Weinheim 1964; G UILFORD , J. P./ H OEPFNER , R.: The analysis of intelligence. New York/ London 1971; dt. Ausg.: Analyse der Intelligenz. Weinheim und Basel 1976; S PEARMAN , C. E.: ›General intelligence‹, objectively determined and measured. In: American Journal of Psychology, 15/ 1904, pp. 201-293; D ERS .: The nature of intelligence and the principles of cognition. London 1922; D ERS .: The abilities of man. London ²1932; T HURSTONE , L. L.: The nature of intelligence. New York, London 1924; D ERS .: Primary mental abilities. Chicago 1938; D ERS .: Multiple-factor analysis. Chicago 1947; Ueberla, K.: Faktorenanalyse. Berlin, Heidelberg/ New York 1968. <?page no="75"?> 71 Flip-Flop-Technik Falsifikation Verifikation FASZINATION nach Rainer M. Holm-Hadulla ein Akronym für das Zusammenspiel von Begabung, Motivation, Persönlichkeit und für die Rahmenbedingungen der Kreativität. FASZINATION steht für: Flexibilität, Assoziatives Denken, Selbstvertrauen, Zielorientierung, Intelligenz, Nonkonformismus, Authentizität, Transzendenz, Interesse, Originalität, Neugier. (H OLM -H ADULLA , 2010, S. 45 f.) Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010. feed-forward Antizipieren und Vorausdenken bzw. Voraussehen. Nach der regelmäßig erfolgenden Rückkopplung bw. Rückmeldung, dem Feedback, vollzieht sich beim kreativen Denken in allen Stadien von Bewusstheit oder Unbewusstheit auch ein permanentes Vorausdenken. Das Gehirn ist rastlos beschäftigt, auch während des Schlafs, wenn die Bewusstseinsschwellen herabgesetzt sind. Auch dann kann ein vorgegebenes, ungelöstes Problem verarbeitet bzw. eine selbstgewählte Aufgabe durchdacht werden. Feed-forward ist gewissermaßen „ein typisches Denken in den Startblöcken, ... stets wach und sprungbereit, springt tatsächlich an, wenn ein gezielter Impuls gegeben oder ausgelöst wird.“ (P OLET , 1993, S. 121). Lit.: P OLET , S.: Der kreative Faktor. Kleine Kritik der kreativen (Un-)Vernunft. Aus dem Niederländischen von Wilfried W. Meyer. Bensheim/ Düsseldorf 1993; (N IEDERLÄNDISCHE Originalausg.: De creatieve factor. Kleine kritiek der creatieve (on)rede. Amsterdam 1993). Fish-bone diagram Ursache-Wirkungs-Diagramm Flexibilität (flexibility): geistige Beweglichkeit; die kreative Fähigkeit, aus eingefahrenen Gleisen auszubrechen und sich den veränderten Bedingungen anzupassen; eine Auffassungsänderung; ein Merkmal des divergenten Denkens. Flexibilität bedeutet, neue Beziehungen zu entdecken oder bekannte Beziehungen neu zu sehen und zu interpretieren. Es ist die Fähigkeit, anpassungsfähig in verschiedenen Richtungen zu denken, leicht von einer Denkkategorie zu einer anderen überzuwechseln, ein Problem von verschiedenen Seiten bzw. aus ganz unterschiedlichen Richtungen zu betrachten. Im Gegensatz zum quantitativen Aspekt der Geläufigkeit (Flüssigkeit) ist bei der Flexibilität der qualitative Aspekt (die Verschiedenartigkeit) von Bedeutung. (vgl. P REISER , 1986, S. 61 f.; Preiser, 2006, S. 60). Joy Paul Guilford (1897-1987) unterscheidet eine spontane und eine adaptive Flexibilität. Die spontane besteht darin, Neues zu denken, zu konzipieren, ohne Einengung durch eine vorgegebene Aufgabenstellung, während die adaptive Flexibilität sich zwar innerhalb bestimmter Anweisungen und Regeln zu bewegen hat, aber dennoch zu einer neuen originellen Lösung kommt. Die adaptive Flexibilität nennt Guilford daher auch Originalität. Beide Arten der Flexibilität sind für die Qualität einer Lösung entscheidend. Lit.: F RICK , J. W./ G UILFORD , J. P./ C HRISTENSEN , P. R./ M ERRIFIELD , P. R.: A factor-analytic study of flexibility in thinking. In: Educational psychological measurements, 1959, 9, pp. 469-496; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; R ENZULLI , J. S./ O WEN , S. V./ C ALLAHAN , C. M.: Fluency, flexibility, and originality as a function of group size. In: Journal of Creative Behavior, 8, 1974, pp. 107-113. Flip-Flop-Technik Kopfstand-Technik <?page no="76"?> Florida, Richard 72 Florida, Richard (*1957): US-amerikanischer Soziologe und Ökonom; er entwarf eine Wirtschaftstheorie, die den Aufstieg der Kreativen Klasse („Creative Class“) prognostiziert und ist der Auffassung, dass die Kreativen einer Gesellschaft und die von ihnen ausgehenden Innovationen von grundlegender Bedeutung für das ökonomische Wachstum von Regionen sind. Der wichtigste Faktor für das Wirtschaftswachstum sei der kreative Output (Ertrag, die kreative Leistung). Jeder Mensch verfüge über ein kreatives Potenzial, doch dieses kann er nur zur vollen Entfaltung bringen, wenn er innerhalb eines Systems lebt, das diese Kreativität fördert. (F LORIDA , 2002, pp. 56-57). Nach Floridas Untersuchung zieht die ökonomische Stärke einer Region nicht nur Kapital und Arbeit an, sondern insbesondere kreative Menschen. Er untersuchte verschiedene Regionen der USA und entwickelte dazu einen Kreativitätsindex (Creativity Index). Lit.: F LORIDA , R.: The breakthrough illusion. Corporate America’s failure to move from innovation to mass production. Basic Books, New York 1990; D ER .: The rise of the creative class. And how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. Basic Books [Paperback first published], New York 2004; D ERS .: Cities and the creatice class. Routledge: New York 2005; D ERS .: The flight of the creative class: the new global competition for talent. Collins. An Imprint of HarperCollins Publishers, New York 2007; D ERS .: The great reset. How the post-crash economy will chance the way we live and work. HarperCollins Publishers. [Hardcover edition], New York 2010 [First Harper paperback published, 2011]; dt. Ausg.: Reset. Wie wir anders leben, arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden. Frankfurt am Main/ New York 2010. Flow-Erlebnis (abgeleitet von flow: fließen, fluten, strömen) Der Begriff wurde 1975 von dem ungarisch-amerikanischen Psychologen und Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) geprägt. Flow-Erlebnis ist das Phänomen geistigen Höhenflugs, die Bezeichnung für einen Bewusstseinszustand aktiver Selbstkontrolle, in dem der Geist sprichwörtlich zu fliegen scheint und ungeahnte Leistungen hervorbringt. Tätigkeitsfreude und kreatives Schaffen aus intrinsischer Motivation tragen zu einem erhöhten Lebensgefühl bei. Es ist der Prozess vollständigen Einsseins mit dem Leben, ein Zustand höchsten Wohlbefindens, der in einer meist sebstgewählten, mit uneingeschränkter Hingabe und Leidenschaft ausgeübten Tätigkeit seine Erfüllung findet. Dabei ist das kreative Individuum von seiner Aufgabe um ihrer selbst willen so besessen, dass es keine Anstrengungen und Entbehrungen scheut und diese unabhängig vom finanziellen Nutzen, Prestige- oder Karriere-Denken verfolgt. Es ist ein Glückszustand, in dem der Mensch alles um sich herum vergisst und völlig in seiner Beschäftigung aufgeht. Das Flow-Erlebnis basiert auf einer fast vollständigen Kongruenz zwischen der Aufgabe bzw. dem zu lösenden Problem und den vorhandenen kreativen Fähigkeiten. Es ist das Verschmelzen von Handeln und Bewusstsein. Flow ist ein autotelischer und intrinsisch lohnender Erlebniszustand, der aus diesem Grunde seine eigene Motivation erzeugt. „Das vielleicht hervorstechendste Element des Flow-Zustandes ist ein Gefühl, die Umwelt unter Kontrolle zu haben. Man muss fühlen, dass das eigene Können genügt, um den vorhandenen Handlungsmöglichkeiten zu begegnen. ›Inneres‹ Können und ›äußere‹ Anforderungen müssen sich die Waage halten, damit flow erlebt werden kann.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1992, S. 216 f.) Einschränkend stellt Csikszentmihalyi jedoch fest: „Soziale, politische und ökonomische Unterschiede hindern die Menschen daran, ihre Umwelt zu bewältigen und damit flow zu erleben.“ (Ebenda, S. 222). Für Csikszentmihalyi ist die menschliche Psyche nur ein Spiegelbild des gebändigten Chaos. Die moderne Zivilisation bringe eine wachsende Selbstentfremdung, Depressionen sowie Reizüberflutung mit sich. Dagegen könne das Individuum durch das Flow-Erlebnis, das sich nur durch bewusstes Handeln, Sehen und Erleben verwirklichen lässt, Freude und intrinsische Belohnung seiner Anstrengungen finden. Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Flow. Das Geheimnis des Glücks, 16. Aufl., Stuttgart 2013; D ERS .: Beyond boredom and anxiety. The experience of play in work and games. San Francisco, Washington, London 1975; dt. Ausg.: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen, 4. Aufl., Stuttgart 1992; <?page no="77"?> 73 Forced Relationship D ERS ./ C SIKSZENTMIHALYI , I. S.: Die außergewöhnliche Erfahrung im Alltag. Die Psychologie des Flow- Erlebnisses. Stuttgart 1991. Flüssigkeit (fluency): auch als Geläufigkeit bezeichnet; ein Merkmal des divergenten Denkens. Der US-amerikanische Psychologe Joy Paul Guilford (1897-1987) unterscheidet fünf verschiedene Faktoren der Flüssigkeit: figurale Flüssigkeit Wortflüssigkeit Ideenflüssigkeit Assoziationsflüssigkeit Expressionsflüssigkeit (Ausdrucksflüssigkeit) Diese Merkmale sind für kreative Prozesse, besonders für künstlerische Tätigkeiten wichtig. Die Flüssigkeit des Denkens bezieht sich auf die Menge der produzierten Ideen, bestimmt also die Quantität des Ergebnisses. Je schneller die Gedanken, Ideen oder Assoziationen fließen, desto mehr Ideen kann man erzeugen, im Gegensatz zu den zäh und langsam Denkenden. Die Wortflüssigkeit (word-fluency) als Intelligenzfaktor wurde bereits 1938 von dem US-amerikanischen Psychologen Louis Leon Thurstone (1887-1955) entdeckt. Auch der Schweizer Psychologe Richard Meili (1900-1991) fand einen Faktor „Flüssigkeit“. Er entwickelte um 1930 den Analytischen Intelligenztest (AIT), mit dem die Intelligenz in den Faktoren Komplexität, Plastizität, Ganzheit und Flüssigkeit erfasst werden soll. Lit.: G UILFORD , J. P.: The nature of human intelligence. New York 1967; M EILI , R.: L'analyse de l'intelligence. In: Archives de Psychologie, 1946, Vol. XXXI, Nr. 121; D ERS .: Die faktorenanalytische Interpretation der Intelligenz. In: Schweizerische Zeitschrift für Psychologie, 23, 1964, S. 135-155; D ERS .: Analytischer Intelligenztest (AIT). Bern/ Stuttgart 1966, ²1971; R ENZULLI , J. S./ O WEN , S. V./ C ALLAHAN , C. M.: Fluency, flexibility, and originality as a function of group size. In: Journal of Creative Behavior, 8, 1974, pp. 107-113; T HURSTONE , L. L.: Primary mental abilities. Chicago: Psychometric Monographs, Nr. 1, 1938. fokussierte Kreativität (focused creativity; concentrated creativity): bewusste, zielgerichtete Kreativität, die unter größter Anspannung bzw. unter enormem Zeitdruck entsteht, um ein äußerst schwieriges Problem zu lösen. Dies ist vor allem im Berufsleben der Fall, aber auch zahlreiche Künstler und andere Kreativarbeiter nutzen professionell eine reiche Wissensbasis und große Erfahrungen im Umgang mit kreativen Prozessen, um z. B. mit Hilfe von Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden ihre eigene Kreativität zu aktivieren. (vgl. K EICHER / B RÜHL , 2008, S. 81.) Lit.: K EICHER , I./ B RÜHL , K.: Sie bewegt sich doch! Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen. Zürich 2008. Force-Fit erzwungene Anpassung; Übertragung einer gefundenen Lösung auf das reale Problem; die letzte Phase in der synektischen Kreativitätstechnik, in der alle Lösungsvorschläge und Ideen so verändert werden, dass sie sich auf das Ausgangsproblem anwenden lassen. Das bedeutet auch, dass die vorgeschlagenen Ideen aus einer Kreativsitzung häufig noch einer tiefergehenden Betrachtung bedürfen, um darin versteckte, interessante Lösungsansätze nicht zu übersehen. Forced Relationship erzwungene Beziehung, ungewohnte Verknüpfung; eine zwangsläufig hergestellte Verbindung zwischen Gegenständen, Ideen und Produkten, die auf den ersten Blick keinerlei Beziehungen zueinander haben. Diese Methode wurde 1958 von Charles S. Whiting eingeführt, um durch das Zufallsprinzip aus ungewohnter Perspektive neue und <?page no="78"?> Fromm, Erich 74 originelle Ideen zu entwickeln. Dies kann z. B. durch das willkürliche Aufschlagen eines Wörterbuchs oder Lexikons erfolgen. Reizwortanalyse Superposition Lit.: W HITING , C. S.: Creative thinking. New York 1958. Fromm, Erich (1900-1980): deutsch-amerikanischer Philosoph und Psychoanalytiker Erich Fromm unterscheidet zwei Arten der Kreativität: 1. die kreative Tätigkeit, die auf Talent beruht, erlernt und geübt werden kann und deren Ziel die Schaffung neuer Produkte ist. Deren Ergebnisse kann man sehen oder hören, wie z. B. ein Gemälde, eine Sinfonie oder ein Gedicht. 2. eine kreative Einstellung bzw. Haltung (attitude). Sie ist die Grundlage jeder Kreativität, auch wenn sie sich nicht unbedingt in einem neuen Produkt sichtbar niederschlägt. Die kreative Einstellung existiert also auch dann, wenn nichts Neues geschaffen wird. Dieser Charakterzug ist unabhängig von der Welt der Dinge, eine Art Daseins-Form. Eine der wichtigsten Voraussetzungen für dieses Verhalten besteht in der Fähigkeit, sich »wundern« zu können, die besonders bei Kindern stark ausgeprägt ist. Fromms Interesse gilt der zweiten Art, der Kreativität als einer Grundhaltung. Der Mensch verfügt über Vernunft und Vorstellungsvermögen und ist darauf gerichtet, eine schöpferische Rolle einzunehmen, um seine kreatürliche Existenz zu erfüllen und zu transzendieren. (B RUNNER , 2008, S. 8). Fromm prägte 1959 den Begriff „kreative Einstellung“ (creative attitude), der nach seiner Auffassung die Basis jeder Kreativität darstellt. (F ROMM , 1959, pp. 44- 54). Den Mut, anders zu sein und sich von gewohnten Dingen zu lösen, bewertet Fromm als hervorragende Basis für eine kreative Einstellung. Lit.: B RUNNER , A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. München 2008; F ROMM , E.: Die Furcht vor der Freiheit. Zürich 1945; D ERS .: Man for himself. New York 1947; D ERS .: The art of loving. New York 1956; dt. Ausg.: Die Kunst des Liebens. (Ullstein-Materialien; Ullstein-Buch, Nr. 35258), Frankfurt am Main, Berlin, Wien 1980; D ERS .: The creative attitude. In: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York: Harper and Brothers Publishers 1959, pp. 44-54; W EHR , H.: Fromm zur Einführung. (Zur Einführung; Bd. 52), Hamburg 1990. Frustrationstoleranz (tolerance of frustration): Widerstandsfähigkeit; sie ist ein wichtiger Faktor, damit kreative Impulse und Ideen auch in die Realität umgesetzt werden können. Der Begriff geht auf den Psychoanalytiker Saul Rosenzweig zurück. Frustrationstoleranz ist die Umwandlung einer Enttäuschung in Wunschvorstellungen; eine erlernbare Fähigkeit, das eigene Versagen bzw. die nicht erbrachte Leistung zu ertragen und zu verarbeiten; der konstruktive Umgang mit Enttäuschungen. Die Frustrationstoleranz ist auch von bisherigen Erfahrungen abhängig. Wer bereits viel Frustrationstoleranz entwickeln konnte, verfügt meist über eine größere Ausdauer und Willenskraft, um sein Ziel zu erreichen. Wer zu früh aufgibt, erzielt kaum Erfolgserlebnisse. Kreative Persönlichkeiten entwickeln meist soviel Energie, Beharrungs- und Durchhaltevermögen, dass sie trotz ungünstiger Bedingungen und frustrierender Umstände ihr Ziel trotzdem weiterverfolgen. Diese Fähigkeit dient auch der Kompensation, d. h. dem Ausgleich eines Leistungsdefizits auf einem bestimmten Gebiet bzw. bei der Lösung eines bestimmten Problems durch besonders gute Leistungen auf einem anderen Gebiet oder bei der Lösung einer anderen Aufgabe. Das ist eine Form der produktiven Verarbeitung von Frustrationserlebnissen. Ambiguitätstoleranz Resilienz Kreativitätsblockaden Lit.: Rosenzweig, S.: Types of reaction to frustration: a heuristic classification. In: JASP 29, 1934, S. 298- 300; D ERS .: A cast for types of reaction to frustration. In: American Journal of Orthopsychiatry 4, 1935, pp. 395-403; D ERS .: The experimental measurement of types of reaction to frustration. In: Murray, H. (Ed.): Explorations in personality. New York 1938. <?page no="79"?> 75 Galerie-Methode Fulguration (von lat. fulguratio: Wetterleuchten, Flächenblitz): plötzlicher Geistesblitz. Die blitzartige Erleuchtung bezeichnet Arthur Koestler (1905-1983) als „bisoziativen Akt“. Bisoziation Lit.: K OESTLER , A.: The act of creation. London, NewYork 1964, ³1990; dt. Ausg.: Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. Bern, München, Wien 1966; ²1968. Future Research Zukunftsforschung Zukunftswerkstatt; Szenario-Technik G Galerie-Methode (gallery method): eine Kreativitätstechnik, 1978 von Heinrich Hellfritz, entwickelt. Auf großen Papierbögen (möglichst DIN-A1) werden von den Teilnehmern Ideen skizziert. Die Lösungsvorschläge werden - wie Bilder in einer Galerie - im Raum aufgehängt. In einer anschließenden Assoziationsphase besichtigen alle Teilnehmer, wie in einer Galerie, die einzelnen Arbeiten, die traditionell als Flipchart präsentiert werden. Danach erfolgt die Verbesserung einzelner Lösungsideen oder, angeregt durch den Gedankenaustausch, die Entwicklung neuer Vorschläge. In einem weiteren Schritt werden die erzielten Ergebnisse erneut ausgewertet. Hierbei ist Kritik erlaubt. Der Verlauf dieser Kreativitätstechnik erfolgt meist in vier oder in sechs Phasen. Das Vier-Phasen-Modell lautet: 1. Ideenfindung. Die Teilnehmer schreiben oder skizzieren ihre Ideen auf DIN-A1-Bögen. 2. Assoziationsphase. Die Teilnehmer besichtigen die „Galerie“ der Lösungsvorschläge und lassen sich zu neuen oder veränderten Ideen anregen. 3. Ideenbildungsphase. Die Beteiligten notieren ihre neuen Lösungsvorschläge. 4. Auswertungsphase. Die Endergebnisse können in Form einer Galerie-Präsentation vorgestellt werden. Ist die Lösung noch unbefriedigend, kann diese Methode wiederholt werden. Die einzelnen Phasen des Lösungsprozesses können auch mehrfach durchlaufen werden. (Vgl. B UGDAHL , 1991, S. 33). Das Sechs-Phasen-Modell beinhaltet folgende Stufen: 1. Problemdefinition 2. Ideenfindungsphase 1 3. Präsentation 4. Diskussion 5. Ideenfindungsphase 2 6. Auswertung Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens an der Lösung des Problems beteiligt werden können, wobei die Aspekte der Problemstellung möglichst umfassend berücksichtigt werden. Durch die bildhafte Präsentation werden die Teilnehmer zu Assoziationen angeregt, so dass sich mögliche Lösungsansätze erschließen. Diese Methode ist z. B. zur Lösungssuche bei Gestaltungsproblemen geeignet. Auch hier wird der Einsatz neuer Medien empfohlen: Präsentation mit Hilfe von Laptop und Beamer; evtl. Veröffentlichung der gefundenen Lösungen im Web. <?page no="80"?> Gardner, Howard 76 Lit.: B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (Reihe Management). Würzburg 1991; H ELLFRITZ , H.: Innovationen via Galeriemethode. Informationen zur Teamarbeit für die Praxis. Königstein/ Ts. 1978; P AHL , G./ B EITZ , W.: Konstruktionslehre. Berlin 1993. Gardner, Howard (*1943): US-amerikanischer Psychologe, Neurologe und Kognitionswissenschaftler; gilt als ein führender Experte auf den Gebieten der Intelligenz- und Kreativitätsforschung. Er stellt die Messung des Intelligenzquotienten (IQ) grundsätzlich in Frage und entwarf seit Mitte der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts eine „Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen“ (multiple Intelligenztheorie). Darin weist er nach, dass jeder Mensch eine Vielzahl von Intelligenzen entwickeln kann, von denen einige mit den Standardtests der Intelligenzmessung gar nicht erfasst werden können. Kreativität und Intelligenz Lit.: G ARDNER , H.: Frames of mind. The theory of multiple intelligences. New York 1983; dt. Ausg.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart 1991, ²1998; D ERS .: Creating Minds. An anatomy of creativity seen through lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi. New York 1993; dt. Ausg.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart 1996; D ERS .: Extraordinary Minds. Portraits of four exceptional individuals and an examination of our own extraordinariness. Basic Books, New York 1997; dt. Ausg.: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Fankfurt am Main, New York 1999; D ERS .: Intelligence reframed. Multiple intelligences for the 21st century. New York 1999; dt. Ausg.: Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Stuttgart 2002; D ERS .: Three distinct meanings of intelligence. In: Sternberg, R. J./ Lautrey, J./ Lubart, T. I. (Eds.): Models of intelligence. International perspectives. American Psychological Association. Washington, DC 2003, pp. 43-54; P OLICASTRO , E./ G ARDNER , H.: From case studies to robust generalizations: an approach to the study of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge/ MA et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 213-225; K AROLYI , C. VON / R AMOS -F ORD , V./ G ARDNER , H.: Multiple intelligences. A perspective on giftedness. In: Colangelo, N./ Davis, G. A. (Eds.): Handbook on gifted education. Boston, MA ³2003, pp. 100-112. Geistesblitz (brainwave; flash of inspiration): ein plötzlicher Einfall bzw. eine intuitive Erkenntnis, die „wie ein Blitz aus heiterem Himmel“ auftaucht; auch als göttlicher Funke bezeichnet; eine schlagartig auftauchende Idee bzw. ein Erkenntnissprung, der z. B. das plötzliche Auftauchen einer Lösung bringt; die plötzliche Erleuchtung oder Eingebung, die lange Zeit als Ursprung kreativer Leistungen in Kunst und Wissenschaft angesehen wurde und zum Teil noch wird. Eine kreative Idee kann mitunter selbst für den, der sie entwickelt, auf unerklärliche Weise, im Unterbewusstsein entstehen. Nach Auffassung des französischen Mathematikers Jules Henri Poincaré (1854-1912) können kreative Ideen nach einer Periode unbewussten Denkens plötzlich durch Inkubation auftauchen. Die plötzliche Erleuchtung sei ein manifestes Zeichen einer lang andauernden und vorangegangenen unbewussten Bearbeitung. Auch in jeder Art von Unterbrechung, z. B. im Traum oder in einem Zustand zwischen Traum und Wachsein, also wenn man nicht bewusst mit der Lösung eines Problems beschäftigt ist, kann der Geistesblitz plötzlich auftreten. Besonders in der Phase zwischen Wachen und Schlafen können die Gedanken unbeschwert zirkulieren. Dieses Stadium scheint die beste Atmosphäre für einen Geistesblitz zu sein, denn der Prozess der Lösungssuche wird auch im Unterbewusstsein fortgesetzt. Es werden Einfälle produziert, woraus das Ich die geeigneten auswählt. Dies geschieht durch systematische Verknüpfung der fraglichen Informationen, bis gelegentlich eine Verknüpfung gefunden wird, die dann die entscheidende Idee produziert, die schließlich zur Lösung führt. Solche Neuverknüpfungen bezeichnet man als Bisoziationen. Der Kreativitätsforscher Gottlieb Guntern (*1939) gibt dafür folgende Erklärung: „Dieses Phänomen hat vermutlich damit zu tun, dass zwischen den beiden Hirnhemisphären ein regelrechter Daten-Highway existiert. Er bildet eine Brücke zwischen den beiden Hirnhemisphären, heißt Hirnbalken oder Corpus callosum und besteht aus ca. 200 Millionen Nervenfasern, über die pro Sekunde bis zu 2 Milliarden Signalimpulse hin- und herflitzen können.“ (G UNTERN , 1996, S. 16) Eine wahrhaft kreative Erfindung ist jedoch höchst selten das Ergebnis einer göttlichen Eingebung oder eines Geistesblitzes, „sondern das Resultat jahrelanger <?page no="81"?> 77 Genialität harter Arbeit.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 9) Aha-Erlebnis Heureka Inspiration Intuition Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997; G UNTERN , G.: Kreativität und Intuition. Eine Einführung. In: Ders. (Hrsg.): Intuition und Kreativität (= Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium), Zürich, Berlin, New York 1996; P ERKINS , D. N.: Archimedes’ bathtub. The art and logic of breakthrough thinking. New York/ London 2000; dt. Ausg.: Geistesblitze. Innovatives Denken lernen mit Archimedes, Einstein & Co., Frankfurt am Main/ New York 2001; München ²2003; R OSENZWEIG , R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010. Geläufigkeit Flüssigkeit Genialität (ingenuity): Geistesgröße, die schöpferische Kraft oder Veranlagung des Genies; das Schöpferische im höchsten Maße; schöpferische Geisteskraft und Hochbegabung in einem bestimmten wissenschaftlichen, künstlerischen oder praktischen Bereich, für dessen Entfaltung vor allem überdurchschnittliche intellektuelle Fähigkeiten, Kreativität und intrinsische Motivation gehören. Als Kennzeichen genialer Leistungen gilt deren Originalität. Für die Entwicklung der Genialität werden anlagemäßige Faktoren angenommen, die sich innerhalb genialer Familien häufen. Die Lehre von den genialen Veranlagungen (Geniologie) nimmt an, dass im Anschluss an eine gewisse Sättigung die genialen Faktoren der Vererbung wiederum abfallen. Die geniale Begabung scheint sich unabhängig von erzieherischen Einflüssen durchzusetzen. Genialität ist nach Arthur Schopenhauer (1788-1860) diejenige „Geisteseigenschaft, welche allein echte Kunstwerke schaffen kann. ...“ (S CHOPENHAUER , 1986, Bd. I, S. 274). Sie sei „nichts anderes als die vollkommenste Objektivität, d. h. objektive Richtung des Geistes, entgegengesetzt der subjektiven, auf die eigene Person, d.i. den Willen gehenden. Demnach ist Genialität die Fähigkeit, sich rein anschauend zu verhalten, sich in die Anschauung zu verlieren und die Erkenntnis, welche ursprünglich nur zum Dienste des Willens da ist, diesem Dienste zu entziehn. ...“ (Ebenda, S. 266). Die künstlerische Genialität beruhe daher auf der Objektivität im Aufnehmen der Sinnes- und Phantasieeindrücke, auf der Liebe des Künstlers zu seinem Gegenstand. Genialität besteht nicht in einem passiven Verhalten, sondern ist höchste Energie und Konzentration der Kraft, also höchster Wille zum Leben. Der britische Wissenschaftler Francis Galton (1822-1911) untersuchte 1869 die Genialität des Menschen und begründete 1883 im wesentlichen die Intelligenzforschung. Doch erst die Überzeugung, dass die Genialität weit über die Intelligenz hinausgehe, bewirkte vielseitigere Forschungsansätze unter Einbeziehung des Kreativitätskonzeptes. (Vgl. P REISER , 1986, S. 12). Der US-amerikanische Psychologe Robert W. Weisberg erklärt, dass Genialität kein psychologisches Merkmal ist und auch keine Gruppe von Merkmalen eines Individuums darstellt. Die Genialität lasse sich nicht wie der IQ messen. (W EISBERG , 1989, S. 106). Sie stellt auch keine konstante Eigenschaft eines Künstlers dar, sondern „ist vielmehr eine Eigenschaft, die die Gesellschaft einem Künstler als Reaktion auf sein Werk verleiht wobei sich ihr Urteil darüber, was genial ist, ständig ändert.“ (Ebenda, S. 121). Nach Weisbergs Auffassung können außergewöhnliche Erfindungen, Entdeckungen und Meisterwerke nicht als Ergebnisse genialer Intuitionen erklärt werden. Die notwendige Voraussetzung jeder bedeutenden Leistung ist ein fundiertes Spezialwissen, sei es in Kunst, Wissenschaft oder Technik. Eine Psychologie der Genialität existiert bisher nur in Ansätzen. Der Unterschied zwischen Genialität und Kreativität besteht darin, dass Genialität eine Eigenschaft ist, „die radikal individualisiert ist, und zwar nicht so sehr in Bezug auf die kognitive Ausstattung, sondern auf die ›Natur‹ bestimmter Personen.“ Die Kreativität ist „zwar auch eine personale Eigenschaft, sie betrifft aber eher kognitive Technik als natürlichen Impuls und ist deshalb nicht auf ausgezeichnete Individuen beschränkt.“ (M AYER , 2005, Bd. 2, S. 238) Aus diesem Bedeutungswandel resultiert die heute verbreitete Vorstellung, dass man Kreativität lehren und erlernen könne. <?page no="82"?> Genie 78 Lit.: G ALTON , F.: Hereditary genius. London, New York 1869; ²1892; D ERS .: English men of science. Their nature and nurture. London, New York 1874; D ERS .: Inquiries into human faculty and its development. London, New York 1883; G ARDNER , H.: Creating minds. An anatomy of creativity seen through the lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi. New York 1993; dt. Ausg.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart 1996; M AYER , V.: Ist Kreativität naturalisierbar? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 237-243; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; S CHOPENHAUER , A.: Die Welt als Wille und Vorstellung. In: Sämtliche Werke, hg. von Wolfgang Frhr. von Löhneysen. Frankfurt am Main 1986; W EISBERG , R. W.: Creativity (A series of books in psychology, ed. by R. C. Atkinson, G. Lindzey and R. F. Thompson). New York 1986; dt. Ausg.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Genie (genius): Geist, außerirdisches Wesen; schöpferischer, außergewöhnlich begabter Mensch; auch hervorragende Veranlagung; aus lat. genius: unsichtbarer schicksalsbestimmender Schutzgeist, der über Zeugung, Geburt und Leben des Menschen waltet, bei jeder bedeutenderen Tätigkeit (griech. Daimon). Im Spätlateinischen auch: Schöpfergeist und ingenium: natürliche Anlage des Menschen, (geistig) angeborene Fähigkeit, Geisteskraft, Verstand, Erfindungsgabe, Scharfsinn. Genie bezeichnet: 1. die höchste Stufe schöpferischer Begabungen und geistiger Fähigkeiten, die Erfindungsgabe in wissenschaftlich-technischer und besonders in künstlerischer Hinsicht; 2. hochbegabter schöpferischer Mensch, meist auf hervorragende Dichter, bildende Künstler, Komponisten, aber auch auf Philosophen und Gelehrte angewandt. Besonders im 18. Jh. als eigentliche schöpferische Kraft, als ›Ebenbild‹ Gottes angesehen. Aus dem Geniebegriff ist die Überzeugung von der uneingeschränkten Erkenntnis- und Schaffenskraft des Menschen abgeleitet. „Die drei grundlegenden Potenzen des Genies sind die Imagination, die Kreativität und die Originalität“. Demnach verfügte das Genie über eine besondere, außergewöhnliche Begabung aus den Gebieten „der Invention, des Schöpferischen und der Erkenntnis.“ (S ZYROCKI , 1984, S. 61). Genie wird auch als Gegenbegriff zu Talent verstanden. Genie ist die angeborene oder auf göttlicher Eingebung beruhende, also nicht lehr- und erlernbare Fähigkeit, im künstlerischen Handeln neue Sicht- und Erfahrungsweisen der Wirklichkeit zu einer Einheit der Gestalt, zum Kunstwerk, zu synthetisieren. Während Genie nicht erworben werden kann, gehören Talente als Geschicklichkeiten zu den verschiedenen Künsten. Robert W. Weisberg erklärt, das Genie lasse sich nicht durch psychologische Merkmale eines kreativen Individuums definieren. Dennoch sind Persönlichkeitsmerkmale des Genies für die Kreativitätsforschung von Interesse. Der „Study of Values Test“ zur Untersuchung von Wertvorstellungen und Interessen benennt sechs Merkmale, die bei verschiedenen Personen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind. Hierbei wird vorausgesetzt, dass es sich dabei um Überzeugungen handelt, die dem Menschen helfen, sein Verhalten zu beeinflussen und sein Leben zu strukturieren. Die sechs Merkmale sind: 1. theoretisch (Interesse an der Wahrheitsfindung) 2. ökonomisch (Interesse an den Dingen aufgrund ihres Nutzens) 3. ästhetisch (Streben nach Harmonie) 4. sozial (altruistische Liebe) 5. politisch (Macht) 6. religös (Glaube an eine allumfassende Einheit). Weisberg benennt einige Persönlichkeitsmerkmale des Genies, die allen kreativen Menschen gemeinsam sind: Dazu gehören ein breites Interessenspektrum, die Unabhängigkeit von Kritik, Selbstvertrauen, Intuition und die eigene Überzeugung, ›kreativ‹ zu sein, da diese Gewissheit für die eigene Arbeit erheblich motivierend wirkt. Kreative Persönlichkeiten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich nicht gern bestehenden Normen und Regeln unterwerfen, flexibel und für neue Erfahrungen offener sind als andere. <?page no="83"?> 79 Genius Diese Offenheit für neue Erfahrungen erhöht die Sensibilität für Probleme. Kreative Wissenschaftler reagieren demzufolge auf wichtige Probleme im Bereich der Forschung sensibler als andere. Sie legen z. B. Wert auf Grundlagenforschung und haben ein Gespür dafür, in welchem Bereich sich ein wissenschaftlicher Durchbruch erzielen lässt. Sie spüren z. B. eher Desiderata, Defizite und Marktlücken auf. Weisberg schreibt: „Ein genialer Wissenschaftler vergeudet keine Zeit und Mühe mit Problemen, die entweder unlösbar oder aber so einfach sind, dass ihre Lösung keine große Bedeutung hätte. Außerdem sieht ein genialer Forscher gelegentlich auch ein Problem, wo sonst niemand eines vermutet, und eröffnet damit eine neue Forschungsrichtung.“ (W EISBERG , 1989, S. 103). Der kreative Wissenschaftler sucht sich immer das richtige Forschungsproblem zur richtigen Zeit aus. Er schätzt auch richtig ein, wenn er einen Forschungsansatz aufgeben und einen besseren entwickeln muss. Seine Denkprozesse sind flexibel. Dennoch besteht ein Defizit darin, dass man über die Persönlichkeitsmerkmale des kreativen Genies noch sehr wenig weiß. Weisberg schlussfolgert daraus, dass das Konzept des Genies in Wirklichkeit ein Mythos ist. (vgl. W EISBERG , 1989, S. 104). Lit.: B RIGGS , J.: The genius mind. In: Science digest 92 (1984), pp. 74-78; E YSENCK , H. J.: Genius. The natural history of creativity. New York 1995; G EISSELHART , R. R./ B URKART , C H .: Werden Sie ein Genie! Begabungen erkennen, entwickeln und optimal nutzen (humboldt-Paperback 988), München 1997; L ASKO , W. W.: Kreative Elite. Vom begrenzten Denken zur originären Innovation. Bielefeld 2008; S IMONTON , D. K.: Genius, creativity, and leadership. Cambridge (Havard University Press) 1984; S ZYROCKI , M.: Barde - Genie - Wieszcz. Zum Geniebegriff im 18. Jahrhundert und seiner Rezeption. In: Goethe-Jahrbuch, Bd. 101, Weimar 1984, S. 56-62; V OIGTMANN , M.: Genies wie du und ich. Kreativ sein hat System. Heidelberg 1997; W EIS- BERG , R. W.: Creativity (A series of books in psychology, ed. by R. C. Atkinson, G. Lindzey and R. F. Thompson). New York 1986; dt. Ausg.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Genie und Irrsinn (genius and madness): Titel einer Veröffentlichung des italienischen Psychiaters Cesare Lombroso (1836-1909), der seine Untersuchungsergebnisse im Jahre 1864 unter diesem Titel „Genio e Degenerazione“ publiziert hatte. Die deutsche Übersetzung erschien zuerst 1887. Darin stellte er seine einflussreiche, aber heftig umstrittene Hypothese vom Irrsinn des Genies auf, wobei er z. B. behauptete, dass die Geistesriesen für ihre übermäßige Geisteskraft mit Entartung und Geisteskrankheit zu büßen hätten. Aus diesem Grunde begegne man der Degeneration auch häufiger bei ihnen als bei den Irren. Lombroso meinte, dass immer, wenn ein Organ sich über das gewöhnliche Maß hinaus entwickelt, ein anderes Organ dabei krankhaft verkümmern müsse. Indem er diese Hypothese speziell auf die Hirntätigkeit anwandte, behauptete er, dass nie ein Mensch über das Durchschnittsmaß hinaus geistig begabt sein könne, ohne auf der anderen Seite in seinem Geist und Gemüt irgendeine Einbuße zu erleiden, also irgendwie geistesgestört zu sein. Kreativität und Psychose Lit.: L ANGE -E ICHBAUM , W./ K URTH , W.: Genie, Irrsinn und Ruhm. Frechen 2000; L OMBROSO , C.: Genio e follia. Prelizione ai corsi di antropologia e clinica psichiatrica presso la R. Università di Pavia (Antrittsvorlesung 1863). In: Gazzetta Medica Italiana Lombardia. Pavia 1864; dt. Ausg.: Genie und Irrsinn in ihren Beziehungen zum Gesetz, zur Kritik und zur Geschichte. Leipzig 1887; ²1920; D ERS .: Genio e degenerazione. Palermo 1894, Bd. II: 1898, Bd. III: 1907; dt. Ausg.: Genie und Entartung. Leipzig 1894; D ERS .: Man of genius. London 1901; D ERS .: Studies on genius and degeneration. Leipzig 1910; T ÜRCK , H.: Die Entwicklung des höheren Menschen nach Darwin; L OMBROSOS I RRSINNSHYPOTHESE . I N : Ders.: Der geniale Mensch, 11. Aufl., Berlin 1920, S. 266-284. Genie und Wahnsinn Genie und Irrsinn Kreativität und Psychose Genius Genie <?page no="84"?> Geschichte der Kreativität 80 Geschichte der Kreativität (history of creativity): Erste Schöpfungsvorstellungen finden sich bereits in den frühen Zivilisationen der Ägypter, Sumerer, Babylonier, Hethiter sowie in China. Ohne den schöpferischen Menschen mit seiner Begabung, Originalität, Phantasie und Neugier, seinem Ideen- und Erfindungsreichtum und seiner Kunstfertigkeit wäre der Aufbau der menschlichen Welt gar nicht denkbar, so dass man gewissermaßen feststellen kann, die ganze Menschheitsgeschichte ist in ihrem zivilisatorischen Fortschritt und mit ihrem gigantischen Erkenntniszuwachs auf allen gesellschaftlichen, künstlerischen, wissenschaftlichen und technischen Gebieten eigentlich Kreativitätsgeschichte. Die Gelehrten und Künstler haben sich zu allen Zeiten mit dem Phänomen des Schöpferischen beschäftigt. So reichen die Anfänge der Deutungsversuche des außergewöhnlichen, schöpferischen Menschen bis in die Antike zurück. Die Genie-, Begabungs- und Inspirationslehren seit dieser Zeit können als Vorläufer der Kreativitätsforschung gelten. Jahrhundertelang dominierte die Vorstellung, geniale Leistungen beruhen auf göttlicher Eingebung. In der Renaissance, der Epoche der Rückbesinnung auf die klassische Welt der Antike, wurden normative Wertvorstellungen formuliert, wie der Mensch sein sollte. Ein Idealbild war die ständige Vervollkommnung des Menschen, verbunden mit einem Höchstmaß an Gelehrsamkeit und Bildung. Der klassische Bildungskanon, der an Schulen, Klosterschulen und Universitäten gelehrt wurde, bestand aus sieben freien Künsten, im Gegensatz zu den weniger geachteten handwerklichen Erwerbskünsten. Die sieben freien Künste bestanden aus dem Trivium mit Grammatik, Rhetorik und Dialektik, und aus dem Quadrivium mit Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Die Bildungssprache war Latein. Die göttliche Heilsordnung des christlichen Mittelalters wurde zunehmend in Frage gestellt, womit auch das Schöpferische allmählich säkularisiert wurde. Ein neues Selbstbewusstsein erwachte, wodurch die handwerkliche Arbeit, vor allem das Kunsthandwerk und die menschlichen Wirkungsmöglichkeiten eine bis dahin ungeahnte Aufwertung erfuhren. Diese anthropozentrische Neubewertung mündete in der Maxime »Der Mensch ist das Maß aller Dinge«. Damit gewann das Individuum an Bedeutung. Der Einzelne wurde zur Selbstverantwortung und zur kritischen Prüfung des Gegebenen und Überlieferten aufgerufen. Der Künstler und seine schöpferischen Fähigkeiten genossen eine besondere Wertschätzung. Der englische Philosoph, Jurist und Staatsmann Francis Bacon (1561-1626) gilt als Wegbereiter der modernen Naturwissenschaften und der angewandten Forschung, als Vorläufer des englischen Empirismus und Theoretiker der Induktion als Methode zur Gewinnung allgemeiner Erkenntnisse aus einzelnen Beobachtungen, Wahrnehmungen und Experimenten, die von den Einzelerfahrungen zum Wesen der Dinge aufsteigt. Gegenüber der aristotelisch-scholastischen Philosophie und Wissenschaft entwarf Bacon ein neues Konzept der Wissenschaften auf der Grundlage von Beobachtung und Experiment. Bacon hat den Begriff der Forschung etabliert und als neuartige wissenschaftliche Tätigkeit aufgefasst. Forschung ist für ihn experimentelles Handeln, theoretisches Beobachten und Erklären. Das Experiment soll zum Ausgangspunkt aller wissenschaftlichen Forschung werden und wird von ihm als Quelle der Erkenntnis aufgefasst. In seinem Werk „Novum Organum Scientiarum“ (1620), [dt. „Neues Instrument der Wissenschaften“] entwickelte er eine Erkenntnistheorie, in der die Erfahrung als Grundlage dominiert und ihr deshalb die entscheidende Rolle bei der Theoriebildung zukommt. Besonders betonte Bacon die Bedeutung der Erfindungen. Sie seien „gleichsam neue Schöpfungen und ... Nachahmungen der göttlichen Werke. ...“ (B ACON , 1990, S. 269), die er nicht länger dem Zufall überlassen wollte. Bacons kreative Leistung besteht besonders darin, eine Wissenschaft bzw. Logik der Erfindungen zu begründen, d. h. er plante die Kunst des Erfindens („ars inveniendi“), um „etwas zu entdecken, wodurch alles andere leichter erfunden werden kann! “ (B ACON , 1990, S. 271). Die Menschen sollen nicht bloß finden, sondern erfinden. Bacon betrachtete die intellektuellen Fähigkeiten nicht isoliert voneinander, sondern in ihrer „Verknüpfung mit den Dingen“ und äußerte die Hoffnung, „dass die Kunst des Erfindens mit den Erfindungen erstarken kann.“ (B ACON , 1990, S. 275). Sein Verdienst ist es, eine Methode zu entwickeln, „wie man erfindet und wie man entdeckt und schließlich, wie man denken muss, um erfinden und entdecken zu können.“ (B UHR , 1977, S. 36). „In einer Philosophie der Entdeckungen und Erfindungen“ sah er die Möglichkeit, „die Natur so zu erkennen, dass Erkenntnisfortschritt und mate- <?page no="85"?> 81 Geschichte der Kreativität rielles Wohl der Menschheit zusammengehen können,“ (K ROHN , 1987, S. 9), denn „die Wohltaten der Erfinder können dem ganzen menschlichen Geschlecht zugute kommen“ (B ACON , 1990, S. 269). In seiner „Nova Atlantis“ entwirft Bacon eine Gesellschaftsutopie, in der die entscheidende Kraft des Fortschritts in der rationalen Beherrschung der Natur durch den Menschen gesehen wird. ( Heuristik) Durch den subjektiven und individuellen Selbstfindungsprozess wurde das schöpferische Hervorbringen von möglichst »unsterblichen« Werken und Werten in der Literatur, Musik, in den bildenden Künsten sowie die Erfindungen und Entdeckungen in Wissenschaft und Technik von der Gesellschaft anerkannt. Damit wurden sie bedeutsam und erstrebenswert. Künstler und Gelehrte wurden als Genie angesehen, denn sie verfügten über geniale schöpferische Fähigkeiten. Im 18. Jahrhundert sprach man häufig vom Originalgenie, wobei geradezu ein Geniekult betrieben wurde. Damit gewann auch das schöpferische Denken an Bedeutung. Wegbereitend für eine diesseitsgerichtete Schöpferkraft des Menschen wurde die These des englischen Moralphilosophen und Ästhetikers Anthony Ashley Cooper, Earl of Shaftesbury (1671-1713), der den Menschen mit seinen Fähigkeiten als einen »zweiten Schöpfer« (second maker) bezeichnete. Das war revolutionär und eine Abkehr von der traditionellen Schöpfungslehre. Gott allein galt als Kreator, seine Geschöpfe als Kreaturen, aber nun wurde der Mensch, das göttliche Geschöpf, selbst zum Schöpfer erhoben. 1707 veröffentlichte Shaftesbury seine Schrift „A Letter Concerning Enthusiasm“, worin er die Auffassung vertrat, dass nur der Enthusiasmus das wahrhaft Große hervorbringe und viele Leistungen in Kunst und Wissenschaft ohne diese Triebkraft nicht entstünden. Shaftesbury wurde auch zum Wegbereiter für die Höherbewertung der schöpferischen Phantasie. Erst die psychologische und die sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts etablierende psychoanalytische Forschung begann, das Schöpferische zu entmythifizieren und im Kontext individueller und gesellschaftlicher Phänomene zu untersuchen, wobei die Persönlichkeitsentwicklung, der Charakter, aber auch die genetischen Faktoren berücksichtigt wurden, die die Kreativität beeinflussen. Als Begründer der modernen Kreativitätsforschung gilt der US-amerikanische Psychologe Joy Paul Guilford (1897-1987). Als ihm die Präsidentschaft der American Psychological Association übertragen wurde, wählte er für seine Antrittsrede das Thema »Creativity«. Diese berühmt gewordene Rede hielt er am 5. September 1950 am Pennsylvania State College, womit er die psychometrische Kreativitätsforschung ins Leben rief. Sie beruht auf der Messung kreativer Fähigkeiten durch Tests. Er entwarf ein erweitertes Intelligenzkonzept, um mit Hilfe statistischer Methoden, besonders der Faktorenanalyse, die Fähigkeiten des kreativen Verhaltens nachzuweisen. In Europa begann die Kreativitätsforschung erst Mitte der sechziger Jahre, also etwa 15 Jahre später, obwohl es auch hier Vorläufer auf dem Gebiet des schöpferischen Denkens und Problemlösens gab. Wurde der schöpferische Aspekt ursprünglich vor allem mit Künstlern und Gelehrten in Verbindung gebracht, so entscheiden Kreativität und Innovation in der modernen Informationsgesellschaft zunehmend über den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens am Markt. Damit gewinnt die Kreativitätsforschung an Bedeutung und entwickelt sich allmählich zu einer eigenständigen Disziplin. Der US-amerikanische Psychologe Howard Gardner spricht von einer »Wissenschaft kreativer Intelligenz«. Lit.: A LBERT , R. S./ R UNCO , M. A.: A history of research on creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 16-31; B ACON , F.: Instauratio Magna. Novum organum sive indicia vera de interpretatione naturae. London 1620; dt. Ausg.: Neues Organon, Teilband 1 u. 2, hg. und mit einer Einleitung von Wolfgang Krohn. Lateinisch - deutsch. Hamburg 1990; B RODBECK , K.-H.: Zur Philosophie der Kreativität. Historische und interdisziplinäre Aspekte. In: Schick, J. F. M./ Ziegler, R. H. (Hrsg.): Die innere Logik der Kreativität. Würzburg 2013, S. 41-68; B UHR , M.: Vernunft - Mensch - Geschichte. Studien zur Entwicklungsgeschichte der klassischen bürgerlichen Philosophie. Berlin 1977; G UNTERN , G.: Kreativität und Kreativitätsforschung. In: Ders. (Hrsg.): Der kreative Weg. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Mit Beiträgen von Maya Angelou, Luc Bondy u. a., Zürich 1991, S. 25-70; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; K ROHN , W.: Francis Bacon (Beck’sche Reihe; BsR 509: Große Denker). München 1987; M AHRENHOLZ , S.: Kreativität. Eine philosophische Analyse. Berlin 2011; R UNCO , M. <?page no="86"?> Geschka, Horst 82 A./ A LBERT , R. S.: Creativity research: A historical view. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 3-19; W ATSON , P.: Ideas: A history of thought and invention, from fire to Freud. New York: HarperCollins, 2005. Geschka, Horst (*1938): Kreativitätsforscher, Innovations- und Unternehmensberater; beschäftigt sich seit Ende der 1960er Jahre mit Kreativitätstechniken und mit der Kreativitätsförderung in den Unternehmen; 1969-1983 am Battelle-Institut in Frankfurt am Main und in Columbus/ Ohio (USA); einer der Wegbereiter für Angewandte Kreativität in Deutschland; entwickelte mit einem Team eine grundlegende experimentelle Studie zu den Kreativitätstechniken. Er begründete die deutsche Abteilung für Innovationsplanung am Battelle-Institut in Frankfurt am Main und den Darmstädter Kreis, aus dem 1998 die „Gesellschaft für Kreativität e.V.“ hervorging. Er ist Gründungsvorsitzender und ab 2002 Mitglied des Vorstandes. Er entwickelte mehrere Kreativitätstechniken, wie die Kartenumlauftechnik, die Progressive Abstraktion, gemeinsam mit Götz R. Schaude (*1943) die Reizwortanalyse, mit Schaude und Helmut Schlicksupp (1943-2010) die Visuelle Synektik und verbesserte gemeinsam mit Ute von Reibnitz die Szenario-Technik. Prof. Dr. Geschka lehrte als Inhaber des Dr. Otto-Röhm-Stiftungslehrstuhls für Unternehmensgründung an der Technischen Universität Darmstadt; außerdem Vorsitzender des Aufsichtsrats des Softwareentwicklers „5 Point AG“ Darmstadt sowie seit 2001 Mitglied des Kuratoriums des Fraunhofer-Instituts für Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen in Euskirchen. Lit.: G ESCHKA , H.: Kreativitätstechniken. In: Staudt, E. (Hrsg.): Das Management von Innovationen. Frankfurt/ Main 1986, S. 147-160; G ESCHKA , H.: Management von Kreativität im Unternehmen. (Tagungsband von Geschka & Partner). Darmstadt 1998; G ESCHKA , H.: Kreativität in Projekten. In: Gassmann, O. (Hrsg.): Praxiswissen Projektmanagement. Bausteine, Instrumente, Checklisten. München ²2006, S. 153-181; G ESCHKA , H.: Kreativitätstechniken und Methoden der Ideenbewertung. In: Sommerlatte, T./ Beyer, G./ Seidel, G. (Hrsg.): Innovationskultur und Ideenmanagement - Strategien und praktische Ansätze für mehr Wachstum. Düsseldorf 2006, S. 217-249; G ESCHKA , H.: Das offene Problemlösungsmodell (OPM) und andere Problemlösungsstrategien. In: Preiß, J. (Hrsg.): Jahrbuch der Kreativität. Köln 2010, S. 82-100; G ESCHKA , H.: So werden Sie kreativ. In: Harvard Business manager. Das Wissen der Besten. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 26-27; G ESCHKA , H./ H AMMER , R.: Die Szenario-Technik in der strategischen Unternehmensplanung. In: Hahn, D./ Taylor, B. (Hrsg.): Strategische Unternehmensplanung, 5. Aufl., Heidelberg/ Wien 1990, S. 311-336; G ESCHKA , H./ R EIBNITZ , U. V .: Kreativität in der Werbung. München 1977; G ESCHKA , H./ R EIBNITZ , U. V .: Vademecum der Ideenfindung. Battelle-Institut, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1980; G ESCHKA , H./ R EIBNITZ , U. V .: Die Szenario-Technik - ein Instrument der Zukunftsanalyse und der strategischen Planung. In: Töpfer, A./ Afheldt, H. (Hrsg.): Praxis der strategischen Unternehmensplanung. Landsberg am Lech ²1986, S. 125-170; G ESCHKA , H./ S CHAUDE , G./ S CHLICKSUPP , H.: Methoden und Organisation der Ideenfindung in der Industrie (Multiklientenstudie des Battelle-Instituts). Frankfurt/ M. 1971; G ESCHKA , H./ S CHAUDE , G. R./ S CHLICKSUPP , H.: Modern techniques for solving problems. In: Chemical Engineering, 1973, pp. 91-97; Dass. in: International studies of management & organization, 1976/ 77, pp. 45-63; G ESCHKA , H./ S CHLICKSUPP , H./ S CHAUDE , G. R.: Methoden und Organisation der Ideenfindung in der Industrie. Battelle-Institut, Frankfurt am Main 1971; G ESCHKA , H./ Z IRM , A.: Kreativitätstechniken. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 279-302; W ARFIELD , J. N., G ESCHKA , H., H AMILTON , R.: Methods of idea management. Battelle Institute & The Academy of Contemporary Problems. Columbus/ Ohio 1975. Gesellschaft für Kreativität eine Vereinigung, die den Stellenwert des menschlichen Ideenreichtums und der Erfindungsgabe in allen Schichten der Bevölkerung stärken will. Die Mitglieder der Gesellschaft für Kreativität haben zwölf Thesen zur Kreativität formuliert. Sie lauten: 1. Jeder Mensch hat kreative Fähigkeiten. Sie sind in Art und Ausmaß unterschiedlich. 2. In der Kindheit ist die kreative Begabung zumeist am größten; später wird sie zunehmend verdrängt. 3. Kreativität baut auf Wissen, Erfahrungen und Verständnis auf - sei der Zugang bewusst oder unbewusst. 4. Angst und fehlende Freiräume können die Kreativität stark hemmen. Sie entfaltet sich vielmehr bei geistiger Offenheit und Mut zu Veränderungen. 5. Kreativität ist entwicklungsfähig und kann durch Einsicht, Erleben und Üben wie jede Fähigkeit gefördert werden. <?page no="87"?> 83 Gordon-Methode 6. Aus der Auseinandersetzung mit anderen Wissens- und Erfahrungsfeldern entstehen meist origenelle und weiterführendere Ansätze als durch weitere fachliche Vertiefung im engen Problemfeld. 7. Die kreativen Fähigkeiten werden in einer konstruktiven Gruppe angeregt und verstärkt. 8. Durch Kreativitätstechniken lassen sich Anzahl, Originalität und Qualität der Ideen deutlich erhö hen. 9. Kreatives Denken und Handeln motiviert und führt zu Erfolgserlebnissen. Der schöpferische Mensch findet Sinn und Erfüllung in seinem Leben. 10. Kreativität ist die Quelle aller Innovationen; sie trägt wesentlich zu Wohlstand und Lebensqualität bei. 11. Kreativität ist eine unerschöpfliche Ressource eine Energiequelle, die nie versiegt. 12. Von der Beachtung und Anwendung dieser Thesen ist sowohl ein Beitrag zur Bewältigung der dringlichen Probleme unserer Zeit - wie Arbeitslosigkeit und Umweltverschmutzung - als auch höhere Zufriedenheit der Menschen zu erwarten. Die »Gesellschaft für Kreativität« setzt sich in diesem Sinne für die Förderung der Kreativität in allen gesellschaftlichen Bereichen ein. (Quelle: www.kreativ-sein.de) Als dem US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) die Präsidentschaft der »American Psychological Association« übertragen wurde, wählte er für seine Antrittsrede das Thema „Creativity“. Diese berühmt gewordene Rede hielt er am 5. September 1950 am Pennsylvania State College, womit er die moderne Kreativitätsforschung ins Leben rief. Die »Gesellschaft für Kreativität« hat deshalb den 5. September zum „Tag der Kreativität“ erklärt. Gesellschaft für Kreativität e.V. - Vorsitzender: Prof. Dr. Jörg Mehlhorn (http: / / www.kreativ-sein.org) Jahrbuch der Kreativität (http: / / www.jahrbuch-kreativität.de/ ) Gipfelerfahrung (peak experience): gilt als Höhepunkt der Kreativität, ein Zustand, in dem das Individuum offener für Erfahrungen ist, spontaner handelt und auf diese Weise zur sich selbst aktualisierenden Kreativität kommt. Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Psychologen Abraham Harold Maslow (1908-1970) zurück; sein Konzept des Gipfelerlebnisses ist die Fähigkeit des Menschen, ein tiefes Glück bei Selbstverwirklichungsaktivitäten zu empfinden, das in einer quasi-mystischen Art und Weise die Lust durch Triebbefriedigung übersteigt. Durch kreatives Verhalten kann man die Gipfelerfahrung erreichen. Diese kann Drang und Ziel zugleich sein. Das Erlebnis der Gipfelerfahrung ist eine Motivation für die Kreativität. Die Gipfelerfahrung ist nach Maslows Auffassung eine Synthese des Freudschen Lustprinzips mit dem Realitätsprinzip. Es ist eine Offenheit der Umwelt gegenüber, frei von jeder Angst, die die Sinne irre führen könnte, doch zugleich ein bewusstes „in-der-Welt-sein“. Wird diese Gipfelerfahrung einmal empfunden, regt sie zur Wiederholung an. Flow- Erlebnis Lit.: M ASLOW , A. H.: Motivation and personality. New York 1954; dt. Ausgabe: Motivation und Persönlichkeit. Reinbek bei Hamburg 1999; D ERS .: Emotional blocks to creativity. In: Journal of Individual Psychology 14, 1958, pp. 51-56; D ERS .: Creativity in self-actualizing people. In: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 83-95. Gordon, William J. J. (1919-2003): US-amerikanischer Erfinder und Psychologe; entwarf 1944 die Kreativitätstechnik „synectics“ ( Synektik), die in den 1960er Jahren von George M. Prince (1918-2009) weiterentwickelt wurde. Gordon arbeitete lange Zeit für die Arthur D. Little Inc., eine Unternehmensberatung in Cambridge, Massachusetts. In dieser Zeit erfand er die „Arthur-D.-Little-Technik“, kurz „Little-Technik“ genannt; auch als „Gordon-Methode“, „Operational Creativity“ oder als didaktisches Brainstorming bezeichnet. Lit.: G ORDON , W. J. J.: Operational approach to creativity. In: Harvard Business Review, 34, 1956, pp. 41- 56; D ERS .: Synectics. The development of creative capacity. New York 1961. Gordon-Methode Little-Technik <?page no="88"?> GPS 84 GPS (General Problem Solver): Allgemeiner Problemlöser Problemlösen Gratifikationsaufschub (delayed gratification): auch Belohnungsaufschub (delayed reinforcement): die Fähigkeit und Bereitschaft, unmittelbare Versagungen auf sich zu nehmen, Verzicht zu üben, „um damit das Erreichen eines größeren, entfernteren Zieles zu begünstigen“. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 15; vgl. Sternberg, 2007, pp. 117-118). Kreativität und Leistungsmotivation lassen sich nicht in kurzer Zeit erzwingen, denn extrinsische Motivation, Termindruck, Stress u. ä. wirken sich kreativitätshemmend aus. Ebensowenig lässt sich die erforderliche breite Wissensbasis, die für kreative Leistungen erforderlich ist, in einem Crash-Kurs erwerben. Lit.: S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S TERNBERG , R. J.: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007. Gruppen-Delphi eine Bewertungsmethode für Problemlösungen, bei der die Teilnehmer einer Gruppe Punkte für die besten Lösungsvorschläge vergeben. Das Gruppen-Delphi kommt zum Einsatz, wenn am Ende der Auswertungsphase mehrere Teillösungen zur Auswahl stehen. Die Lösungsvorschläge werden nach Prioritäten geordnet. Der Moderator fasst die wichtigsten Lösungsvorschläge zusammen. Für die Abstimmung (Punktevergabe) werden sie auf Kärtchen geschrieben und untereinander auf einer Pinnwand befestigt. Es können, je nach Bewertung, mehrere Punkte für einen Lösungsvorschlag vergeben werden. Die Delphi- Methode lässt sich auch mit anderen Methoden kombinieren. Delphi-Methode Gruppenkreativität (group creativity); auch Teamkreativität (team creativity), kollektive Kreativität (collective creativity), Schwarmkreativität (swarm creativity): ein Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich kompetent und konstruktiv, aber auch kritisch gegenseitig unterstützen und zu Höchstleistungen motivieren, um ihre Ziele zu erreichen. Stephan Sonnenburg spricht von „kooperativer Kreativität“, in deren Mittelpunkt die Kommunikation als ihre treibende Kraft steht, denn ohne Kommunikation gebe es „überhaupt keine Kreativität in Kooperation.“ (S ONNENBURG , 2007, S. 238). Zahlreiche Führungskräfte, Psychologen, Psychoanalytiker, Pädagogen und Kreativitätsforscher sind der Auffassung, dass sich die Fähigkeiten des Individuums in der Gruppe besser entfalten können, weil sich aus den unterschiedlichen Erfahrungen der Gruppenmitglieder kreative Anregungen für ein Unternehmen ergeben (Ideengenerierung). Dies führt zu neuen Sichtweisen und Lösungsansätzen. Die Teamarbeit (teamwork) wird hierbei als eine entscheidende Grundlage für die Entfaltung der Kreativität angesehen. Der Wert der Gruppenkreativität hängt davon ab, wie die Sitzung geleitet wird, ferner von der Größe und Dimension des anstehenden Problems und von den Vorkenntnissen der Teilnehmer. Die Gruppe sollte sich aus Personen zusammensetzen, die aus unterschiedlichen Fachbereichen kommen. Olaf-Axel Burow (*1951) lehnt Egotrip, Zwangsindividualismus und Einzelkämpferdasein ab und erklärt: „Kreativität gibt es nur im Plural“. Um die eigenen Ideen nicht verkümmern zu lassen, soll man sich Gleichgesinnte und Hochmotivierte suchen, sogenannte „kreative Felder“ bilden und gemeinsam etwas Neues oder etwas anderes wagen. Marco Mencke nennt folgende Regeln für die kreative Gruppenarbeit: - Quantität geht vor Qualität. - „Spinnereien“ sind erwünscht. - Einfälle werden nicht diskutiert. <?page no="89"?> 85 Gruppenkreativität - Keine Kritik: Sowohl verbale als auch nonverbale Kritik sind während der kreativen Phase grundsätzlich nicht erlaubt. - Zuerst erfolgt die Ideensuche und erst im Anschluss die Beurteilung, d. h. es wird zunächst keine Strukturierung und Bewertung der Ideen vorgenommen. - Jede Idee muss protokolliert werden. (M ENCKE , 2012, S. 15). Zahlreiche Kreativitätstechniken, z. B. Brainstorming, Synektik werden in der Gruppe durchgeführt, woraus sich sowohl positive als auch negative Einflüsse auf den kreativen Prozess ergeben. Fördernde Gruppeneinflüsse sind: gegenseitige Verstärkungen; - Stimulierung und Aktivierung; vielseitige Personenzusammensetzung; - Assoziationsförderung durch gegenseitige Anregungen; - Aktivierung durch aufgabenorientierten Wettbewerb zwischen einzelnen Gruppen; großes Informationsreservoir (Hintergrundspeicher); emotionale Sicherheit, Identifikationsmöglichkeit, Abbau von Hemmungen, Verständnis bei der Bewältigung individueller Probleme; - Möglichkeit sozialer Erfahrungen (wichtig für soziale Kreativität, durch Analogiebildung sowie für andere Probleme. Hemmende Gruppeneinflüsse sind: - Gruppendruck, Konformitätszwang, Normierungstendenz; - Hemmungen durch soziale Hierarchien; - Aggression, Destruktion, soziale Konflikte (Energie absorbierend); - Konzentrationsstörungen durch Ablenkungen. (vgl. P REISER , 1986, S. 92 f.). Es gibt aber auch berechtigte Zweifel am außergewöhnlichen Erfolg der Gruppenkreativität. Wechselseitige Anregungen und interdisziplinäre Kontakte wirken zwar kreativitätsfördernd, aber zumeist nur quantitativ, wie z. B. beim Brainstorming, während „die Qualität der Lösungen (zumal in der eher nivellierenden Bewertungs- und Abstimmungsphase aber meistens sinkt; insbesondere ist auch das absolut Unerwartete und Ungewöhnliche sehr selten in einer Gruppensituation zu finden. Hier scheint es wichtig zu sein, dass gerade auch die Möglichkeiten des einsamen, beharrenden Denkens aufrechterhalten, ja gefördert werden keine überflüssige Forderung in einer tendenziell sich ausbreitenden Team- und Kommunikationsgesellschaft.“ (L ENK , 2000, S. 93). Auch Wolfgang Stroebe und Bernard A. Nijstad bezweifeln, dass die gemeinschaftliche Ideensuche effektiver sei als die individuelle. Ihre Untersuchungen ergaben, dass die Ideensuche in der Gruppe kognitive Abläufe im Gehirn behindere, weil die Teilnehmer häufig abgelenkt werden. Indem sie die Beiträge der anderen verarbeiten, werden ihre eigenen Gedankengänge ständig unterbrochen. Die Effektivität des Problemlösens in der Gruppe oder individuell scheint aufgabenspezifisch zu sein: „Aufgaben, die intensive Konzentration, Aufmerksamkeit und eher konvergente Fragestellungen benötigen, scheinen für individuelles Problemlösen eher geeignet, während Problematiken, die eine flüssige und vielseitige Bearbeitung verlangen, in Gruppen besser bearbeitet werden. - Aber auch divergente Produktionen müssen in der Gruppe nicht zwangsläufig besser ablaufen: Vergleicht man die Leistung eines Gruppenmitgliedes pro Zeiteinheit mit einem Alleinarbeitenden, so sind bezüglich Qualität und Quantität häufig keine Unterschiede zu finden.“ (S EIFFGE - K RENKE , 1974, S. 266) Ob eine Gruppe effizienter arbeitet als ein Individuum, hängt mit der Art des Problems, der Variabilität der Mitglieder, der Gruppengröße u. a. zusammen. So können individuelle Fehler in der Gruppe korrigiert werden. Eine heterogene Gruppe kann z. B. die Anzahl unterschiedlicher Lösungsvorschläge erhöhen und extreme Sichtweisen nivellieren. R. Keith Sawyer entwickelte einen interdisziplinären Ansatz für die Gruppenkreativität, ein mikrointeraktionales Modell. Dabei verzichtet er auf einen Leiter und auf normierte Führungsrichtlinien. (Sawyer, 2003) Nach Auffassung von Henning Patzner ist es jedoch effektiver, „wenn ganz bestimmte Rollenfunktionen im Team relativ ausgewogen verteilt sind, nämlich die des Ideators, die des Modulators und die des Animators.“ Der Ideator generiert schnell zahlreiche Ideen. Der Modulator kann diese Ideenimpulse aufnehmen, weiterentwickeln und konkretisieren. Der Animator entwickelt selbst eher weniger Ideen, kann aber zwi- <?page no="90"?> Guilford, Joy Paul 86 schen den Ideenerzeugern vermitteln und diese motivieren. So setzen alle Teammitglieder arbeitsteilig in ihren Funktionen einen wirklich kreativen Gruppenprozess in Gang. (P ATZNER , 2014, S. 19-21). Lit.: A MMON , G. (Hrsg.): Gruppendynamik der Kreativität. Eschborn bei Frankfurt am Main ²1998; A NDER- SON , N./ W EST , M.: Measuring climate for work group innovation. Development and validation of the team climate inventory. In: Journal of Organizational Behavior, 19, 1998, pp. 235-258; B ARRON , F.: All creation is a collaboration. In: Montuori, A./ Purser, R. E. (Eds.): Social creativity: Volume 1: Cresskill 1999, pp. 49-59; B ENNIS , W./ B IEDERMANN , P. W.: Geniale Teams. Das Geheimnis kreativer Zusammenarbeit. Frankfurt am Main 1998; B OSSE , A.: Das kollektive Genie. Die Innovationsleistung rollengestützter Gruppen. Marburg 2007; B UROW , O.-A.: Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural. Stuttgart 1999; D ERS .: Ich bin gut wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Stuttgart 2000; F ISCHER , G./ V ASSEN , F. (Eds.): Collective creativity. Collaborative work in the sciences, literature and the arts. (Internationale Forschungen zur Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft 148, Editions rodopi B.V. - Amsterdam 2011; K LUGE , A./ Z YSNO , P. V.: Teamkreativität. München 1993; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; M ENCKE , M.: 99 Tipps für Kreativitätstechniken. Ideenschöpfung und Problemlösung bei Innovationsprozessen und Produktentwicklung. (Das professionelle 1 x 1). Berlin 2006; M ENCKE , M.: Kreativitätstechniken - Kreative Problemlösung und Entscheidungsfindung. Berlin 2012; M ONTUORI , A./ P URSER , R. E. (Eds.): Social creativity: Volume 2. Cresskill 1999; P ATZNER , H.: Creative Explosion. Neue Sprengkraft für Ideen, Innovationen und Kreativprozesse. Frankfurt am Main, New York 2014; P AULUS , P. B./ N IJSTAD , B. A. (Eds.): Group creativity. Innovation through collaboration. Oxford University Press. London 2003; P IROLA - M ERLO , A./ M ANN , L.: The relationship between individual creativity and team creativity. Aggregating across people and time. In: Journal of Organizational Behavior, 25, 2004, pp. 235-257; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; S AWYER , R. K.: Group creativity: Music, theatre, collaboration. Mahwah 2003; S AWYER , R. K.: Group genius: the creative power of collaboration. New York: Basic books, 2007; S AWYER , R. K.: Individual and group creativity. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 366-380; S ONNENBURG , S.: Kooperative Kreativität. Theoretische Basisentwürfe und organisationale Erfolgsfaktoren. Wiesbaden 2007; S TROEBE , W./ N IJSTAD , B.: Warum Brainstorming in Gruppen Kreativität vermindert. Eine kognitive Theorie der Leistungsverluste. In: Psychologische Rundschau, 54. Jg., H. 1, 2004, S. 2-10. Guilford, Joy Paul (1897-1987): US-amerikanischer Psychologe; bedeutendster Initiator der Kreativitätsforschung. Seit Anfang der dreißiger Jahre des 20. Jhs. hatte er Fragebogen und Eignungstests zur Persönlichkeit entwickelt. Die herkömmlichen Intelligenztests schienen ihm wenig geeignet, um kreative Begabungen zu erkennen. Als ihm die Präsidentschaft der amerikanischen Psychologenvereinigung (American Psychological Association - APA) zuteil wurde, wählte er für seine Antrittsrede, die er am 5. September 1950 am Pennsylvania State College hielt, das Thema „Creativity“. Darin beklagte er, dass sich die Psychologen seit vielen Jahren intensiv mit dem Lernverhalten von Tieren beschäftigen, während die Erforschung der menschlichen Kreativität sehr vernachlässigt werde. Es war ein aufrüttelnder Appell. Nach dieser berühmt gewordenen Rede setzte ein allgemeiner Aufschwung der Kreativitätsforschung in den USA ein. Sie widmete sich zunächst der Messung kreativer Fähigkeiten durch Tests und der Kreativitätsförderung. Joy Paul Guilford entwickelte ein erweitertes Intelligenzkonzept, um mit Hilfe statistischer Methoden, besonders der Faktorenanalyse, die Fähigkeiten des kreativen Verhaltens nachzuweisen. Durch die faktorenanalytische Beschäftigung mit Leistungs- und Persönlichkeitsvariablen entwarf er 1955 ein dreidimensionales Intelligenz-Struktur-Modell (Structure-of-intellect model). Es klassifiziert intellektuelle Fähigkeiten nach den drei Dimensionen: Denkoperationen, Denkinhalte und Denkprodukte. Damit wurde erstmals eine integrierte Betrachtung der intellektuellen Begabungen einschließlich der kreativen Fähigkeiten möglich. Guilford prägte auch die Begriffe divergentes und konvergentes Denken. Lit.: G UILFORD , J. P.: Creativity. In: American Psychologist, 5, 1950, pp. 444-454; (dt. Ausg.: Kreativität. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule. Texte (Erziehung in Wissenschaft und Praxis, Bd. 10), München ³1973, S. 13-36; Dass. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 25-43; D ERS .: Personality. New York 1959; (dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen <?page no="91"?> 87 Hauptformen kreativer Intelligenz Erforschung. Weinheim/ Bergstr. 1964); P IMMER , H.: Kreativitätsforschung und Joy Paul Guilford (1897- 1987), München 1995. Guilfords Schwellenhypothese Nach dem US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) benannte Feststellung, wonach Kreativität ohne eine mindestens gute allgemeine Intelligenz nicht oder nur in seltenen Fällen möglich ist, eine hohe Intelligenz und ein umfangreiches Wissen hingegen noch keine Garantie für Einfallsreichtum, Originalität und Neuartigkeit sowie für kreative Problemlösungen sind. Nach dieser Auffassung wird die Kreativität mitunter als Kerngebiet der Hochbegabung angesehen. „Man erwartet kreative Leistungen von Menschen mit hohem und nicht mit niedrigem IQ.“ (G UILFORD , 1973, S.19). Lit.: G UILFORD , J. P.: Creativity. In: American Psychologist, 5, 1950, pp. 444-454 (dt. Ausg.: Kreativität. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule. Texte (Erziehung in Wissenschaft und Praxis, Bd. 10), München ³1973, S. 13-36; Dass. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 25-43. Guntern, Gottlieb (*1939): Schweizer Arzt, Psychiater und Kreativitätsforscher; gründete 1979 die »ISO-Stiftung für Kreativitätsforschung« in Martigny/ Schweiz und ist Initiator und Leiter der Internationalen Zermatter Symposien über »Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft«. Gemeinsam mit Greta Guntern-Gallati etablierte er 1979 »Creando - The International Foundation for Creativity and Leadership«. Lit.: G UNTERN , G. (Hrsg.): Die Welt, ein schwingendes Gewebe. International Foundation for Creativity and Leadership. Martigny 1983; D ERS . (Hrsg.): Der blinde Tanz zur lautlosen Musik. International Foundation for Creativity and Leadership. Martigny 1987; D ERS . (Hrsg.): Der Gesang des Schamanen. Hirnforschung - Veränderte Bewusstseinszustände - Schamanismus. International Foundation for Creativity and Leadership. Martigny 1990; D ERS . (Hrsg.): Der kreative Weg. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Mit Beiträgen von Maya Angelou, Luc Bondy u. a., Zürich 1991; D ERS . (Hrsg.): Irritation und Kreativität. Hemmende und fördernde Faktoren im kreativen Prozess. Mit Beiträgen von François Couchepin, Gottlieb Guntern u. a.; Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich 1993; D ERS .: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich, Berlin, New York 1994; D ERS . (Hrsg.): Chaos und Kreativität. Rigorous Chaos. Mit Beiträgen von Gerd Binnig, Mitchell Feigenbaum u. a. und einer Einführung von Gottlieb Guntern. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995; D ERS . (Hrsg.): Imagination und Kreativität. Playful Imagination. Mit Beiträgen von Gerald M. Edelman, Jane Goodall u. a. und einer Einführung von Gottlieb Guntern. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995; D ERS . (Hrsg.): Intuition und Kreativität. Intuition and Creativity. Mit Beiträgen von Joseph Brodsky, Werner Herzog u. a. und einer Einführung von Gottlieb Guntern. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1996; D ERS .: Maskentanz der Mediokratie. Mittelmaß versus kreative Leadership. Zürich 2000. H Hauptformen kreativer Intelligenz (principal forms of creative intelligence): Der USamerikanische Psychologe Howard Gardner (*1943) unterscheidet vier Hauptformen kreativer Intelligenz: Meister, Neuerer, Selbstbeobachter und Beeinflusser. Dementsprechend kann man die Virtuosität, Innovation, Introspektion und die Wirksamkeit einer Persönlichkeit unterscheiden. Als beispielhafte außergewöhnliche Persönlichkeiten für jede dieser <?page no="92"?> Heureka! 88 Hauptformen nennt Gardner Mozart (für kreative Meisterschaft), Sigmund Freud (für kreative Neuerung), Virginia Woolf (für kreative Selbstbeobachtung) und Mahatma Gandhi (für kreative Einflussnahme). „Der Meister ist ein Individuum, der völlige Meisterschaft über eines oder mehrere Bildungsgebiete erlangt hat. Seine oder ihre Neuerung vollzieht sich inerhalb einer etablierten Praxis.“ (G ARDNER , 1999, S. 24). „Ein Neuerer kann eine bereits existierende Domäne gemeistert haben, aber er konzentriert seine Energien auf die Schaffung eines neuen Gebiets.“ (Ebenda, S. 24 f.) Der Selbstbeobachter erkundet sein Innenleben, die alltäglichen Erfahrungen, Bedürfnisse und Ängste eigener oder fremder Bewusstseinsvorgänge. Vom Beeinflusser geht eine Faszination und Vorbildwirkung auf andere Individuen aus. Gardner ist davon überzeugt, „dass jeder von uns die wesentlichen Zutaten dieser vier Arten von kreativer Intelligenz in sich trägt.“ (G ARDNER , 1999, S. 12). Manche Persönlichkeiten besitzen gleichzeitig mehrere oder sogar all diese Hauptformen kreativer Intelligenz in unterschiedlicher Ausprägung. Lit.: G ARDNER , H.: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Aus dem Englischen von Andreas Simon. Frankfurt am Main/ New York 1999. Heureka! (griech.: »ich habe [es] gefunden! «; engl. ›Eureka! ‹) So lautete angeblich der Ausruf des griechischen Mathematikers und Physikers Archimedes (um 285-212 v. Chr.), als ihm die Lösung für die Echtheitsprüfung eines Goldkranzes einfiel. Jener legendäre Ausspruch hängt mit seiner Entdeckung des hydrostatischen Grundgesetzes zusammen. Ein in eine Flüssigkeit getauchter Körper verliert so viel von seinem Gewicht, wie das Gewicht der von ihm verdrängten Flüssigkeitsmenge beträgt (Gesetz des hydrostatischen Auftriebs, sogenanntes Archimedisches Prinzip). Hieron II. von Syrakus (um 306-214 v. Chr.) hatte eine Krone geschenkt bekommen, die angeblich aus purem Gold bestand. Misstrauisch hegte er aber den Verdacht, es könne sich dabei lediglich um eine Legierung handeln. Deshalb beauftragte er Archimedes, den Goldgehalt zu prüfen. Dieser kannte zwar das spezifische Gewicht des Goldes, aber nicht das Volumen dieser reichverzierten Krone. Wie sollte er das feststellen, ohne dabei das Kunstwerk zu zerstören. Die Krone einzuschmelzen und einen Kubus daraus zu formen, verbot sich von selbst. Als er ins Bad stieg, bemerkte er plötzlich, dass das Wasser im gleichen Maße stieg, wie er sich darin niederließ. In diesem Augenblick kam ihm blitzartig die Erkenntnis: Das Volumen des verdrängten Wassers musste mit dem seines im Wasser liegenden Körpers identisch sein, und auf die gleiche Weise könnte er auch das Volumen der Krone des Hieron messen. Die Lösung war gefunden und Archimedes soll mit dem Ausruf „Heureka! “ aus dem Bade kommend, splitternackt nach Hause gelaufen sein, wie Vitruv berichtet. Heureka! ist auch heute noch der freudige Ausruf bei der Lösung eines schwierigen Problems. Elisabeth Gutjahr schreibt dazu: „Dieser vor Lebenskraft strotzende Ausruf voller Begeisterung und Vision ist tatsächlich das Sinnbild eines göttlichen Funkens, ein Moment von Schwerelosigkeit und Unsterblichkeit, der den alltagsgebeutelten Menschen für eine Lichtsekunde in die Sphären kosmischer Harmonien erhebt.“ (G UTJAHR , 1996, S. 11). Heureka ist die charakteristische Bezeichnung für das Erlebnis der Illumination während des kreativen Prozesses, wenn plötzlich die Lösung eines Problems unvermutet auftaucht. Lit.: G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder die Erfindung des Sebstverständlichen. Berlin 1996; M ACRONE , M.: Heureka! Das archimedische Prinzip und 80 weitere Versuche, die Welt zu erklären. Eine kleine Geschichte unseres Denkens von der Antike bis heute. Wiesbaden 2004; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005. Heuristik (griech.) Findungsbzw. Erfindungskunst (lat. ars inveniendi); die Lehre, auf methodischem Wege neue Erkenntnisse zu finden bzw. Neues zu erfinden; auch als Lullische Kunst bezeichnet, nach dem spanischen Scholastiker Raymundus Lullus (1235-1315). Er entwickelte ein System von obersten, allgemeinsten evidenten Begriffen und Prädikaten, <?page no="93"?> 89 Homo faber durch deren Kombination alle möglichen Urteile gebildet und neue Wahrheiten gefunden werden sollten. Um diese Kombinationen zu erleichtern, bezeichnete er die Grundbegriffe durch Buchstaben, stellte sie in Tafeln, Kolumnen und Dreiecken zusammen oder ordnete sie auf konzentrischen, drehbaren Kreisen an. Wenn man diese Kreise dreht, bleiben immer andere Begriffe untereinander stehen, so dass neue Begriffsverbindungen möglich werden. Den frühesten Beleg für den Begriff „Heuristik“ finden wir bei dem Philosophen, Mathematiker und Naturwissenschaftler Joachim Jungius (1587-1657). Die Heuristik ist auch eine „erfahrungsabhängige Vorgehensweise (Methode) zur Auffindung eines Lösungsweges“. (H USSY , 1993, S. 132). Der Psychologe Walter Hussy (*1946) unterscheidet zwischen der Repräsentativitätsheuristik und der Verfügbarkeitsheuristik als spezifische heuristische Strategien im Bereich der Urteilsprozesse. Bert J. Spector führte den Begriff kreative Heuristik ein. Lit.: G IGERENZER , G./ G AISSMAIER , W.: Denken und Urteilen unter Unsicherheit: Kognitive Heuristiken. In: Funke, J. (Hrsg.): Denken und Problemlösen. (Enzyklopädie der Psychologie, Bd. 8). Göttingen u. a. 2006, S. 329-374; H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart, Berlin, Köln 1993; S PECTOR , B. J.: Theory and decision. Kluwer academic publishers. Den Haag 1993; D ERS .: Creativity heuristics for impasse resolution: Cognitive process to help reframe intractable negotiations. In: The annales of the Academy of political and social science 542, November 1995, pp. 81-99. Holm-Hadulla, Rainer M. (*1951): Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie; Kreativitätsforscher; er stellte 2011 eine interdisziplinäre dialektische Kreativitätstheorie vor, die kulturwissenschaftliche, psychologische und neurobiologische Kreativitätsauffassungen verbindet. Kreativitätstheorien Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Die psychotherapeutische Kunst. Hermeneutik als Basis therapeutischen Handelns. Göttingen 1997; D ERS . (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin, Heidelberg, New York et al.; Nachdruck 2001; D ERS .: Psychoanalysis as creative act of shaping. In: International Journal of Psychoanalysis, 84, 2003, pp. 1203-1220; D ERS .: The art of counselling and psychotherapy. London, New York: Karnac Books, 2004; D ERS .: Leidenschaft: Goethes Weg zur Kreativität. Eine Psychobiographie. Göttingen 2008; D ERS .: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; D ERS .: Kreativität zwischen Frust und Flow. Das Schöpferische in Theorie und Praxis. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 45-59; D ERS .: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011; H OLM - H ADULLA , R. M./ R OUSSEL , M./ H OFMANN , F. H.: Depression and creativity - The case of the german poet, scientist and statesman J. W. v. Goethe. In: Journal of Affective Disorders, 127, 2010, pp. 43-49. Homo faber (lat. der Mensch als Handwerker, „Verfertiger“): der geschickte, kunstfertige, technische Mensch, z. B. Schmied, Tischler, Zimmermann; der Mensch mit seiner Fähigkeit, Werkzeuge und technische Hilfsmittel zur Naturbewältigung herzustellen. Dieser Begriff geht auf Anaxagoras (um 500-428 v. Chr.) zurück und wurde u. a. von Benjamin Franklin (1706-1790), Karl Marx (1818-1883), Henri Louis Bergson (1859-1941), Max Scheler (1874- 1928), Max Frisch (1911-1991), von dem australischen Schriftsteller Barry Oakley (*1931) und von dem amerikanischen Zoologen und Paläontologen George Gaylord Simpson (1902- 1984) verwendet. Die wichtigsten Merkmale des Homo faber sind das Schaffen und Gestalten, die Werkzeugherstellung bzw. der Werkzeuggebrauch zur Werkzeugherstellung (toolmaking animal). (Vgl. L ENK , 2000, S. 21). Diese typologische Charakterisierung betont, dass der Mensch, sich ausprobierend, seine Existenz hauptsächlich in produktiver Auseinandersetzung mit der Natur sichert und dafür technische Hilfsmittel entwickelt hat. Unter Zuhilfenahme von Werkzeugen gestaltet er die ihn umgebende Natur zu seiner eigenen, selbstgeschaffenen Umwelt. Sein erfolgsorientiertes Handeln wird auch vom eigenen Denken und von seiner Stellung gegenüber der Natur bestimmt. Damit wird der Mensch als Wesen charakterisiert, das seine Existenz durch die Nutzung seiner technischen Intelligenz sichern kann. Die <?page no="94"?> Hutwechsel-Methode 90 Kreativität des Homo faber wird von folgenden Merkmalen bestimmt: Intentionalität, Reflexivität, Lokalität, Temporalität, Distanzialität, Variabilität, Virtualität und Finalität. (Vgl. R OPOHL , 2008, S. 266). Der Mensch ist sich aber nicht nur des Wirklichen bewusst, sondern entwickelt auch ein Bewusstsein des Möglichen. Lit.: L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; R OPOHL , G.: Homo faber: Die Macht des Machens. In: Schmidinger, H./ Sedmak, C. (Hrsg.): Der Mensch - ein kreatives Wesen? Kunst - Technik- Innovation. Topologien des Menschlichen. Human- und Naturwissenschaften im Dialog über das heute verfügbare Wissen über den Menschen, Bd. 5. Darmstadt 2008, S. 259-274. Hutwechsel-Methode Sechs Denkhüte (six thinking hats®; six hats method); eine Technik des lateralen Denkens; 1986 von Edward de Bono (*1931) entwickelt. Er unterscheidet sechs Hüte des Denkens. Das symbolische Aufsetzen oder Tragen eines farbigen Huts in einer Diskussionsrunde steht für eine bestimmte Denkrichtung, die der Teilnehmer einnimmt und unter der er ein Thema oder ein Problem betrachtet. Jede Denkart enthält einen eigenen Hut, dem eine bestimmte Farbe zugeordnet wird: 1. Der weiße Hut steht für das analytische Denken, für die Erkundung nach Informationen, Zahlen, Daten und Fakten; 2. der rote Hut steht für emotionales Denken, für Intuition und Empfinden des Teilnehmers zu einem Problem; 3. Der schwarze Hut bedeutet Vorsicht und logisch begründbare negative Aspekte. Er steht für kritisches Denken, für Gefahren, Schwierigkeiten und Probleme. Der Träger des schwarzen Hutes muss begründen, ob eine Idee mit der Unternehmensphilosophie, mit Gesetzen und Vorschriften im Einklang steht; 4. Der gelbe Hut steht für optimistisches Denken, für logisch begründbare positive Aspekte einer Idee oder eines Vorschlags. Dabei werden deren Effektivität und Nutzen untersucht; 5. Der grüne Hut steht für Kreativität und kreatives Denken; 6. Der blaue Hut steht für die Kontrolle über den Denkprozess selbst. Dadurch könne man fließend von einer Denkweise in eine andere wechseln. Mit dieser Methode soll das kritische Denken produktiver werden, da es auf den richtigen Moment beschränkt bleibt. „Die sechs Hüte bieten ein konkretes Rahmenwerk, um aus der Schablone herkömmlicher Debatten und kontroverser Denkweisen auszubrechen und ein Thema kooperativ zu erforschen.“ (de Bono, 1996, S. 295). Diese Methode dient dem Ziel, die Arbeitsbesprechungen zu verbessern und Denkvorgänge zu strukturieren. Lit.: DE B ONO , E.: Six Thinking Hats. Little, Brown. New York 1986; D ERS .: Serious Creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; D ERS .: Der umwälzende Charakter des parallelen Denkens. Begleitheft zum Seminar: Die sechs Hüte des Denkens. (Advanced Practical Thinking and Training). Des Moines 1998; N OVAK , A.: Schöpferisch mit System. Kreativitätstechniken nach Edward de Bono (Arbeitshefte Führungspsychologie, hg. von Ekkehard Crisand, Bd. 39). Heidelberg 2001. Hybrid Thinking die Verschmelzung von Design Thinking, IT-Denken, Geschäftsdenken und -Empathie. Der Begriff wurde von Dev Patnaik, Professor an der Stanford University und CEO von Jump Associates, geprägt. Das Hybrid Thinking dient dazu, strategische Veränderungen herbeizuführen. Es ist der Prozess, wenn interdisziplinär und empathisch denkende Personen an einem neuen Thema arbeiten. Es geht darum, sich in andere Menschen hineinzuversetzen, diese besser zu verstehen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und diese zu befriedigen. Lit.: P ATNAIK , D./ M ORTENSEN , P.: Wired to care. How companies prosper when they create widespread empathy. FT Press, Prentice Hall, NJ 2009. <?page no="95"?> 91 Ideen-Delphi Hypothese der inneren Motivation intrinsische Motivationshypothese der Kreativität I Idea Engineering Ideenausarbeitung, eine Variante des Brainwriting. Das Idea- Engineering eignet sich für eine Wissens- und Ideensammlung der Mitarbeiter eines Unternehmens. Die Geschäftsleitung erstellt zunächst eine Zielvorgabe. Der Ablauf ist ähnlich wie beim klassischen Brainstorming. Bei dieser Technik wird das Hauptproblem in Teilprobleme zerlegt. 1. Wie ist das Problem entstanden? Die Ursachen werden analysiert und auf Kärtchen geschrieben bzw. in ein Fischgräten-Diagramm eingetragen. 2. Die Ursachen werden in Fragen umformuliert. 3. Zu den Fragen werden Lösungsvorschläge unterbreitet. 4. Abschließend werden die vorgeschlagenen Lösungsansätze von Experten bewertet. Die beste Lösung wird ausgewählt. (B UGDAHL , 1991, S. 33) Lit.: B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (Reihe Management). Würzburg 1991; M EHRMANN , E.: Schnell zum Ziel. Kreativitäts- und Problemlösungstechniken (Reihe: Arbeitstechniken im Unternehmen), Düsseldorf/ Wien 1994; S CHLICKSUPP , H.: Kreative Ideenfindung in der Unternehmung. Methoden und Modelle. Berlin/ New York 1977; D ERS .: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen), 4. Aufl., Würzburg 1992. Ideation (ideation): Ideenbildung, Ideengenerierung, Ideenproduktion, Einfallsreichtum; der Hervorbringungsprozess bzw. die Erzeugung von Ideen, Gedanken, Einfällen oder konstruktiver Vorschläge, die Ideenfindung, besonders durch kreatives Denken sowie durch Kreativitätstechniken. Die ideationale Phase des Denkens beinhaltet besonders die aus dem Gedächtnis kommenden Ideen oder Vorstellungen. (Kaufman/ Sternberg (Eds.), 2010, p. 414 f.). Der US-amerikanische Psychologe Edward Chace Tolman (1886-1959) verwendet den Begriff „schöpferische Ideation“ und Alex F. Osborn (1888-1966) spricht von reichhaltiger Ideation. (G UTJAHR , 1996, S. 20). In der Phänomenologie Edmund Husserls (1859-1938) ist Ideation ein Grundbegriff für Wesensschau. Lit.: G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder Die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; M AHON , N.: Marketing Basics: Ideation. Kreative Werbeideen entwickeln und umsetzen. München 2012; Pannells, T., & Claxton, A.: Happiness, creative ideation, and locus of control. In: Creativity Research Journal, 20, 2008, pp. 67-71; R UNCO , M. A.: Divergent thinking, creativity, and ideation. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 413-446; T OLMAN , E. C.: A new formula for behaviorism. In: Psychological Review, 1922, 29, pp. 44-53; D ERS .: Purposive behavior in animals or men. New York, London 1932. Idee Idea Engineering Ideation Ideen-Delphi Ideenfindung Ideenflüssigkeit Ideen-Management Ideenwirtschaft kreative Idee Ideen-Delphi Delphi-Methode Gruppen-Delphi <?page no="96"?> Ideenfindung 92 Ideenfindung (idea finding): auch Ideengenerierung (idea generation): Die Grundlage jeder Produktplanung ist die gezielte Gewinnung neuer Ideen und Vorschläge, die zu neuen Produkten führen können. Es geht um die Entwicklung möglichst vieler Lösungsansätze, zunächst unabhängig von der Realisierbarkeit. Für die Ideenfindung ist Kreativität zwingend erforderlich, ob für bahnbrechende Innovationen, für eine neue und nützliche Geschäftsidee, oder für clevere Neukombinationen vorhandener Lösungen, um sie auf das spezielle Problem anzuwenden. Zahlreiche Unternehmen betreiben ein aktives Innovations-Management und überlassen die Ideenfindung nicht dem Zufall, denn Ideenfindung ist ein Teil des Innovationsprozesses. Alle Vorschläge und Produktideen werden in einer Ideen-Kartei gesammelt und dokumentiert. Für die Ideenfindung wurden zahlreiche Methoden und Kreativitätstechniken entwickelt, z. B. das Brainstorming. Quellen für neue Ideen sind z. B.: eigene damit beauftragte Abteilungen eines Unternehmens (Konstruktionsbüros, Forschungs- und Entwicklungsabteilungen, Labore, Modellwerkstätten u. a.) - Vertriebsorganisationen, die den Markt analysieren (Marketingstrukturen) - Innovationsseminare die eigenen Mitarbeiter innerhalb des betrieblichen Vorschlagwesens die eigenen Kunden; gegenwärtige und potenzielle Interessenten außerbetriebliche Fachberater - Zulieferer, sowohl im Hardware-, als auch im Software-Bereich - Studium von Patentschriften, sowohl von eigenen als auch von fremden spontane Erfindungen Möglichkeiten der Ideenfindung: 1. Systematische Erschließung externer und interner Anregungen, um ständig Informationen für neue Produkte oder Produktverbesserungen zu erhalten (Vorschlagswesen). 2. Schulung der Kreativität der Mitarbeiter, um Ideen systematisch durch den Einsatz von Kreativitätstechniken hervorzubringen. (Ideenproduktion). Kreative Persönlichkeiten, wie Künstler, Wissenschaftler, Unternehmer, Manager, Designer, Werbefachleute u. a. erhalten ihre Ideen und Anregungen aber nicht nur im vertrauten Arbeitszimmer, denn „seit undenklichen Zeiten haben Künstler, Dichter, Gelehrte und Wissenschaftler auch die Schönheit der Natur gesucht, weil sie sich Inspiration von majestätischen Gipfeln oder donnernder Brandung erhofften. Aber was kreative Individuen letztlich von anderen Menschen unterscheidet, ist die Fähigkeit, ihrer Umgebung, sei sie nun luxuriös oder ärmlich, eine ganz persönliche Note zu geben, die dem Rhythmus ihrer Gedanken und Gewohnheiten entspricht. Innerhalb dieser selbstgestalteten Umgebung können sie die übrige Welt vergessen und sich voll und ganz der Muse hingeben.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 185). Die Ortsveränderung, das Reisen in nahe oder ferne Länder, das Durchstreifen fremder Städte und unbekannter Landschaften vermittelt uns vielfältige und neuartige Eindrücke, die zu einer Quelle der Inspiration werden können. Indem wir die neue Umgebung bewusst wahrnehmen und auf uns wirken lassen, verlassen wir die gewohnten Bahnen und damit auch die Routinen des Denkens, Fühlens und Handelns. Der Volkswirtschaftler Karl-Heinz Brodbeck (*1948) vertritt die Auffassung, Kreativität könne sich dann entfalten, „wenn diese Routinen beachtet, erkannt und verändert werden.“ Entscheidend dafür sei die Achtsamkeit. Dieser Begriff wurde von ihm 1995 in die Kreativitätsforschung eingeführt. Er bezeichnet die Fähigkeit zur bewussten Wahrnehmung von etwas Neuem, die Veranlassung, etwas als neu zu beachten, um Gewohntes zu verändern. Die Achtsamkeit sei zugleich „Quelle und Ziel der Kreativität.“ (B RODBECK , 1995, S. 61 u. 65). Auf Reisen, am Meer, im Gebirge oder beim Blick aus dem Flugzeug hat man eine andere Perspektive, die nicht selten kreative Gedanken auslöst. Es muss aber nicht unbedingt die große Reise sein. Bereits die Entfernung vom Schreibtisch, von Stechuhr und von bürokratischen Zwängen kann Denkblockaden lösen und unsere kreative Phantasie beflügeln. Bei einer Befragung in namhaften Unternehmen gaben die Mitarbeiter an, 76 Prozent aller neuen Ideen seien ihnen im entspannten Zustand, und zwar außerhalb des Firmengeländes, eingefallen. (G UNTERN , 1994, S. 12). Erfahrende Unternehmensberater empfehlen deshalb mehr kreative Freiräume. „Mindestens 15 Prozent der Arbeitszeit sollten zur freien Verfügung stehen.“ Doch so leicht stellt sich die zündende Idee <?page no="97"?> 93 Ideen-Management nicht ein: „Voraussetzungen für den kreativen Kick sind ein über Jahre angehäufter Wissensschatz.“ (A UGTER , 2002, S. 73). Ort der Kreativität Lit.: A UDEHM , D.: Systematische Ideenfindung. Kreativitäts-Techniken bei der Entwicklung und Verbesserung von Produkten und Dienstleistungen sowie bei der Lösung betrieblicher Probleme. Renningen- Malmsheim 1995; A UGTER , S.: Erfolg - Kreativität. Wo Manager der Geistesblitz trifft. In: Wirtschaftswoche, Nr. 36 vom 29.8.2002, S. 73; B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt 1995; C SIK- SZENTMIHALYI , M.: Creativity. Flow and the psychology of discovery and invention. New York 1996; dt. Ausg.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Stuttgart 1997; D UN- CAN , K.: Das Buch der Ideen. 50 Wege, um Ideen effizient zu produzieren. Zürich 2014; G ESCHKA , H.: Kreativität in Projekten. In: Gassmann, O. (Hrsg.): Praxiswissen Projektmanagement. Bausteine, Instrumente, Checklisten. München ²2006, S. 153-181; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; H OFFMANN , H.: Kreativitätstechniken für Manager. Zürich 1980; H OFFMANN , H.: Kreativität. Die Herausforderung an Geist und Kompetenz. Damit Sie auch in Zukunft Spitze bleiben. München 1996; H OFFMANN , H. J.: Synectics - Bionics, Kreativitätsmethoden, Betriebliches Vorschlagswesen. Berlin 1982; H OLZER , P.: Kreativitätstechniken zur Ideenfindung. Hamburg 2012; J OHNSON , S.: Where good ideas come from. New York: Riverhead, 2011; L ANGWOST , R.: How to catch the Big Idea. Die Strategien der Top-Kreativen. Erlangen 2004; L OHMEIER , F.: Bisoziative Ideenfindung. Erforschung und Technisierung kreativer Prozesse. Frankfurt am Main, Bern, New York, Nancy 1985; M ÜLLER , M.: Ideenfindung, Problemlösen, Innovation. Das Entwickeln und Optimieren von Produkten, Systemen und Strategien. Erlangen 2011; P ATZNER , H.: Creative Explosion. Neue Sprengkraft für Ideen, Innovationen und Kreativprozesse. Frankfurt am Main, New York 2014; S CHNETZLER , N.: Die Ideenmaschine. Methode statt Geistesblitz - Wie Ideen industriell produziert werden, 5. Aufl., Weinheim 2006; Y OUNG , J. W.: A technique for producing ideas. New York; McGraw-Hill Companies 2003. Ideenflüssigkeit (ideational fluency): ein Faktor des divergenten Denkens; die Fähigkeit, Ideen zu produzieren und Bedeutungszusammenhänge zu erkennen. Sie bezieht sich auf die Menge der produzierten Ideen, bestimmt also die Quantität des Ergebnisses. Je schneller die Gedanken, Ideen oder Assoziationen fließen, desto mehr Ideen kann man erzeugen, im Gegensatz zu den zäh und langsam Denkenden. Dazu müssen Informationen aus dem Gedächtnisspeicher abgerufen werden. Die Fähigkeit zur Ideenflüssigkeit scheint der wichtigste Bestandteil der Kreativität zu sein. „Hierzu gehört die Begabung, das brodelnde Chaos des eigenen Unterbewussten anzuzapfen.“ (S CHWANITZ , 1999, S. 474). Der Ideenfluss tritt z. B. in der Phase zwischen Wachen und Schlafen auf, wo die Gedanken unbeschwert zirkulieren. Hier scheint die beste kreative Atmosphäre für einen Geistesblitz zu sein. Unbewusst werden zunächst zahlreiche Einfälle produziert, woraus das Ich die geeigneten auswählt. Lit.: Benedek, M./ Fink, A., & Neubauer, A.: Enhancement of ideational fluency by means of computerbased training. In: Creativity Research Journal, 18, 2006, pp. 317-328; S CHWANITZ , D.: Bildung. Alles, was man wissen muss. Frankfurt am Main 1999; P REISER , S.: Kreativitätsdiagnostik. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 112-125. Ideen-Management (idea management) die systematische Anwendung von Techniken und Methoden im Umgang mit Ideen; umfasst alle Vorgänge der Planung, Entwicklung, Bewertung, Auswahl, Realisierung und Überprüfung von Ideen. (B LUMENSCHEIN / E HLERS , 2002, S. 12). Ideen-Management bedeutet, den kreativen Prozess vom Briefing bis zur Umsetzung einer Idee gezielt zu inspirieren und zu steuern. (P RICKEN , 2010, S. 12). Dies führt zur Vernetzung von individuellen kreativen Potenzialen. Ideen-Management schafft einen Informations- und Wissensvorsprung, um im nationalen und globalen Wettbewerb zu bestehen. Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers plädieren für ein strukturiertes Ideen- Management und entwickelten ein Sieben-Phasen-Modell des Ideen-Managements: 1. Phase: kreative Unzufriedenheit 2. Phase: Problemanalyse, Aufgabendefinition 3. Phase: Ideenfindung 4. Phase: Ideen-Strukturierung, Ideen-Bewertung, Ideen-Auswahl 5. Phase: Ideen-Realisierung <?page no="98"?> Ideenwirtschaft 94 6. Phase: Ideen-Überprüfung 7. Phase: erneut kreative Unzufriedenheit (B LUMENSCHEIN / E HLERS , 2002, S. 13). Damit bekommt Kreativität eine ökonomisch nutzbare Dimension: „Kreativität als Grundpotenzial des Menschen, als Ausdruck für Problemlöse- und Kombinationsfähigkeit, als Gestaltungsbedürfnis wird zum Schlüsselfaktor unternehmerischer Produktions- und Leistungserstellung.“ (B LUMENSCHEIN / E HLERS , 2002, S. 11). Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; D IES .: Ideen managen. Eine verlässliche Navigation im Kreativprozess. Leonberg 2007; P RICKEN , M.: Clou. Strategisches Ideenmanagement in Marketing, Werbung, Medien & Design. Mainz 2010. Ideenwirtschaft Kreativwirtschaft Illumination (illumination; von lat. illumino: erleuchten, erhellen) Erleuchtung, schlagartiger Einfall; nach dem Vier-Phasen-Modell des kreativen Prozesses von Graham Wallas (1858-1932) ist es die dritte Phase, in der die Lösung des Problems unvermutet auftaucht. Doch dabei handelt es sich meist nur um den Ansatz, um die Idee einer Lösung. In dieser Phase erfolgt also der Lösungsvorschlag, die Ideenfindung oder die Inspiration als plötzlicher Einfall, als Aha-Erlebnis, Heureka-Erlebnis oder als Geistesblitz. Der Einfall erscheint meist überraschend, zufällig und von außen kommend wie eine Inspiration. Die scheinbar zusammenhanglosen, erkenntnismäßigen Elemente erhalten plötzlich eine neue Struktur. Die vorhandenen Elemente werden umstrukturiert, so dass sich eine neue harmonische Gestalt bildet. Diese neue Ordnung ermöglicht eine Integration der bedeutsamen Informationen und gleichzeitig eine Lösung des Problems. Die Phase der Illumination wird oft emotional als etwas „Rauschhaftes“, als Schaffensrausch erlebt, während die Phase der Verifikation, in der der Lösungsvorschlag auf seine Durchführbarkeit und Brauchbarkeit geprüft, modifiziert und elaboriert wird, viel nüchterner und kritischer ist. Neue Ideen beginnen oft als vage Bildvorstellungen. Der Schweizer Kreativitätsforscher Gottlieb Guntern (*1939) bemerkt dazu: „Gerade die kreativen Menschen sind offenbar fähig, den an der Grenze zwischen Unterbewusstsein und Bewusstsein oft nur flüchtig auftauchenden Bildern die nötige Beachtung zu schenken und sie solange behutsam zu hegen und zu pflegen, bis sie sich zu einer ausgereiften, innovativen Idee verdichten, die sich im Bewusstsein festsetzt. Menschen, die eine gut entwickelte Intuition besitzen, bringen dies ebenfalls zustande; ihre Ahnungen und Einsichten sind bildhafter Natur. Sie verstehen diese ernst zu nehmen und ins sprachfähige Bewusstsein zu übersetzen - oder wenigstens danach zu handeln. Und manche können selbst noch aus ihren Traumbildern wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Kreative Menschen beispielsweise verdanken gerade ihren Tag- und Nachtträumen die sogenannte Illuminationsphase, die Phase der plötzlich ins Tagesbewusstsein durchbrechenden kreativen Problemlösung.“ (G UNTERN , 1994, S. 52). Achtsamkeit Lit.: G UNTERN , G: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich, Berlin, New York 1994; W ALLAS , G.: The art of thought. New York 1926. Imagination (imagination): Einbildung, Phantasie, Vorstellung, Einbildungskraft, die Fähigkeit, aus Erinnerungen, Erlebnissen, Gedanken und bildhaft anschaulichen Vorstellungen neue kreative Ideen und Problemlösungen zu entwickeln. Imagination ist das Vorherrschen von anschaulichen Bildern gegenüber formal-begrifflichen Denkformen. Dies tritt häufig als subjektives Erlebnis während des kreativen Prozesses auf. Siegfried Preiser (*1943) betont: „Imagination, schöpferisches und produktives Denken erweisen sich als Vorläufer des Kreativitätsbegriffes, kreatives Denken als eine Form des Problemlösens.“ (P REISER , 1986, S. 9). Reinhard Reichstein sieht in der Imagination <?page no="99"?> 95 Implementierung „keine Spielart der Wahrnehmung oder der Erinnerung, sondern ein selbständiges Vermögen. Ihre Eigenständigkeit wurde zuerst dort eingeräumt, wo sie Gegenstände bildlich vorstellt, die es in der Wirklichkeit überhaupt oder in der bestimmten Modifikation nicht gibt, also in den Träumen, Visionen und Halluzinationen, aber auch bei den künstlerischen und wissenschaftlichen Erfindungen und Intuitionen.“ (R EICHSTEIN , 1992, S. 13). Lit.: G UNTERN , G. (Hrsg.): Imagination und Kreativität. Playful Imagination. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich, Berlin, New York 1995; L E B OEUF , M.: Imagination, Inspiration, Innovation. Kreative Kräfte nutzen. München ²1991; L EHRER , J.: Imagine: how creativity works. Boston: Houghton Mifflin Harcourt, 2012; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative problem-solving. 3 rd revised edition. Ninth Printing Hadley, Massachusetts 2006; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; R EICHSTEIN , R.: Imagination in Gérard de Nervals erzählerischem Werk (Romania occidentalis, hg. von Johannes Kramer, Bd. 22), Gerbrunn bei Würzburg 1992; S ARTRE , J. P.: Das Imaginäre. Phänomenologische Psychologie der Einbildungskraft. Reinbek bei Hamburg 1971; W ELT , T./ D EWENDER , T. (Hrsg.): Imagination - Fiktion - Kreation. Das kulturschaffende Vermögen der Phantasie. München 2003. Imaginationstechniken (imagination techniques): Diese Techniken sollen das visuelle Vorstellungsvermögen stärken und unbewusste Erfahrungen mit in die Lösungsfindung einbeziehen. Die Anwendung erfolgt in der Gruppe. Dazu gehören z. B. Try to become the problem (Versuche, das Problem zu werden), Take a picture of the problem (Mach dir ein Bild von dem Problem), die geleitete Phantasiereise (Fantasy Journey). Der Moderator animiert die Teilnehmer bei einer Phantasiereise, gedanklich Bilder, Erlebnisse und Geschichten aneinanderzureihen. Diese Methode soll helfen, Stress abzubauen, sowie Offenheit und Kreativität zu fördern. Lit.: C ARAYANNIS , E. G. (Ed.): Encyclopedia of creativity, invention, innovation, and entrepreneurship. Volume 1-3. New York, Heidelberg, Dordrecht, London 2013, vol. 1, p. 466-467; G ESCHKA , H.: Auf einen Blick. So werden Sie kreativ. In: Harvard Business Manager. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 26-27. Implementierung, auch Implementation (implementation): die Einführung, Durchsetzung und Verbreitung des kreativen Produkts; die Überführung in eine technische Anwendungsform bzw. in die Produktion nach erfolgter Funktionsreife, die Durchsetzung in einer Organisation o. ä. ( angewandte Kreativität). Nach dem Acht-Phasen-Modell des kreativen Prozesses von Heinz Schuler (*1945) und Yvonne Görlich (*1975) bildet die Implementierung die abschließende 8. Phase. Im Falle einer ökonomisch relevanten Innovation sind die technischen und organisatorischen Voraussetzungen zu prüfen und gegebenenfalls zu schaffen, Systemanpassungen müssen eingeleitet werden, Betroffene überzeugt werden. Die Implementierung von originellen, neuen bzw. ungewöhnlichen Ideen und Produkten erfordert Überzeugung und Akzeptanz, besonders wenn sie den Interessen anderer zuwiderläuft. Die meisten kreativen Ideen sind in der Phase ihrer Durchsetzung gescheitert, deshalb ist dieser Abschnitt oft der schwierigste. Ein Hauptgrund wird darin gesehen, dass für die Durchsetzung andere Fähigkeiten erforderlich sind als für die Erfindung, Entwicklung und Ausarbeitung kreativer Produkte. Die praktische Umsetzung erfordert unternehmerisches Denken und Handeln, Realitätssinn, Überzeugungskraft, Machtausübung u. a., also Eigenschaften, die den meisten Erfindern, Wissenschaftlern und Künstlern eher fremd sind, denn sie investieren ihre Energie und Leistungskraft lieber in neue Ideen als in die Durchsetzung der bereits abgeschlossenen. Wird „die Phase der Implementierung allein den Erfindern überlassen, scheitern nicht die schlechteren Ideen - was gut wäre -, sondern diejenigen, die nicht überzeugend genug vorgebracht werden.“ (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 36). Die Akzeptanz kreativer Leistungen wird begünstigt durch: erkennbare Nützlichkeit (Kosten-Nutzen-Relation) - Kompatibilität mit existierendem sozioökonomischen bzw. soziotechnischen System <?page no="100"?> Inkubation/ Inkubationsphase 96 eine maßvolle Abweichung vom Gewohnten, Akzeptierten eine beherrschbare Komplexität wenn die Innovation nicht als störend empfunden wird, besonders für soziale Interessen durch die Überzeugungskraft von Experten und Unterstützung durch einflussreiche Persönlichkeiten - Aufgeschlossenheit der Betroffenen gegenüber Neuerungen (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 36). Implementierungskonzepte sind kaum zu verallgemeinern, denn in jeder speziellen Situation, in jedem Unternehmen, in einzelnen Marktsegmenten kann die Umsetzung völlig andere Voraussetzungen haben. Dies erfordert vernetztes Denken, unternehmerisches Handeln und persönliche Überzeugungsarbeit, um z. B. gleichzeitig die Kosten zu reduzieren, die Qualität zu verbessern, die Kundenorientierung zu förden und schneller als die Konkurrenz zu werden. Lit.: A LTRICHTER , H./ W IESINGER , S.: Der Beitrag der Innovationsforschung im Bildungswesen zum Implementierungsproblem. In: Reinmann, G./ Mandl, H. (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Hogrefe, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004, S. 220-233; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S HERWOOD , D.: Creating an innovative culture. Capstone Publishing. Oxford, UK 2002; W INKLER , K./ M ANDL , H.: Mitarbeiterorientierte Implementation von Wissensmanagement in Unternehmen. In: Reinmann, G./ Mandl, H. (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004, S. 207- 219. Inkubation/ Inkubationsphase (incubation/ incubation period; von lat. incubo: über etwas brüten, auf oder in etwas liegen): In der Antike bedeutete dies einen rituellen Tempelschlaf zum Zweck göttlicher Eingebung, also um eine Offenbarung, Belehrung oder Heilung durch den Gott zu erhalten. Der Begriff wurde 1926 von dem britischen Psychologen Graham Wallas (1858-1932) in die Denk- und Problemlösepsychologie eingeführt. In seinem Vier-Phasen-Modell des kreativen Prozesses ist die Inkubation die zweite Phase, die den Prozess der Bisoziation, der unbewussten Kombination von Gedanken umfasst und zur Phase der Illumination, der Erleuchtung oder Eingebung führt. Inkubation ist gewissermaßen die Bebrütungsphase, in der das „Ausbrüten“ bzw. Durchdenken des Problems erfolgt. In Analogie zu der Zeit zwischen Infektion und Ausbruch einer Krankheit spricht man hier von Inkubation. In diesem Stadium werden die einzelnen Gedanken, Informationen und Aspekte eines Problems oft spielerisch und unvoreingenommen, zum Teil auch unbewusst assoziiert. Es erfolgt die Analyse, Informationssammlung und Konzeptbildung, die Problemdefinition und Hypothesenbildung. In diesem Stadium kommt es auch vor, dass das Problem nicht mehr bewusst durchdacht, aber unbewusst weiter bearbeitet wird, also die unbewusste Kombination von Gedanken erfolgt. Deshalb wird dieses Stadium auch als Phase der unbewussten Bearbeitung bezeichnet. Die Zuverlässigkeit der Inkubationstheorie wird jedoch auch angezweifelt. In einer Reihe von Untersuchungen wurde sie beim Denken überprüft, wobei sich deren Existenz in kontrollierten Situationen kaum nachweisen ließ. Der US-amerikanische Psychologe Robert W. Weisberg stellt die Theorie der unbewussten Inkubation beim kreativen Problemlösen grundsätzlich in Frage, da sie sich experimentell nicht belegen lasse und nur auf einer Reihe subjektiver Berichte von Künstlern und Wissenschaftlern beruhe. (W EISBERG , 1989, S. 38 f., 43-51.) Lit.: B ROWNE , B. A./ C RUSE , D. F.: The incubation effect: Illusion or illumination? Human Performance, 1 (3), pp. 177-185; D ORFMAN , J./ S HAMES , V. A./ K IHLSTROM , J. F.: Intuition, incubation, and insight. Implicit cognition in problem solving. In: Underwood, G. (Ed.): Implicit cognition. Oxford University Press. Oxford 1996, pp. 257-296; O LTON , R. M.: Experimental studies of incubation. Search for the elusive. In: Journal of Creative Behavior 13, 1979, pp. 9-22; W ALLAS , G.: The art of thought. New York 1926; W EISBERG , R. W.: <?page no="101"?> 97 Innovation Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Innenmotivation (internal motivation): Der Begriff wurde von dem Philosophen, Wissenschaftstheoretiker und Kreativitätsforscher Hans Lenk (*1935) eingeführt. (L ENK , 2000, S. 74); Innenmotivation wird meist als intrinsische Motivation oder Eigenmotivation bezeichnet. Lit.: L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. Innovation (innovation): Erneuerung; die Fähigkeit zur Entwicklung und Ausarbeitung von neuen, originellen bzw. ungewöhnlichen Ideen und Produkten bis zur Funktionsreife, bis zur Einführung und praktischen Nutzung einer Neuerung. Neben der Anwendung neuer Ideen, der Erfindung bzw. Neuentwicklung von Produkten, Verfahren, Methoden, Konzepten oder Strategien zählen auch die Verbesserung bestehender Produkte (Qualitätsverbesserung) und die Optimierung interner Abläufe eines Unternehmens zu den Innovationen. Jürgen Witt bezeichnet diese als »Innovationen im Kleinen«. (W ITT , 2010, S. 15). Innovationen sind für den geschäftlichen Erfolg unverzichtbar. Der Managementexperte Peter F. Drucker (1909- 2005) erklärte, der Zweck eines Unternehmens bestehe darin, „Kunden zu schaffen. Daher haben Unternehmen zwei - und nur zwei grundlegende Aufgaben: Marketing und Innovation. Marketing und Innovation schaffen Resultate, alles andere sind Kosten.“ (D RUCKER , 1973, p. 64 f.). Der Ablauf eines Innovationsprozesses lässt sich in einzelne Phasen gliedern, die die unterschiedlichen Anforderungen und Schwierigkeiten aufzeigen. Tim Brown gliedert den Innovationszyklus in drei Phasen: 1. Inspiration: die Umstände, die zur Suche nach einer neuen Lösung führen. 2. Ideenfindung: der Prozess des Kreierens, Weiterentwickelns und Testens von Ideen 3. Implementierung: die Planung der Markteinführung (B ROWN , 2011, S. 20 f.) Ein Projekt durchläuft diese Phasen mehrmals, insbesondere die ersten beiden. Bei der Produktinnovation werden meist fünf Phasen unterschieden: 1. Innovationsstrategie 2. Konzeptfindung 3. Innovationsentwicklung 4. Bereithaltung für den Markt Markteinführung des Produkts (C ARAYANNIS , 2013, Vol 1, pp. 467-469) Von der Innovationsidee bis zur Umsetzung werden auch sechs Phasen unterschieden: 1. Initiierung 2. Ideengewinnung 3. Ideenauswahl und -bewertung 4. Grobkonzept 5. Umsetzungskonzept 6. Realisierung, Markteinführung, Multiplikation (Hartschen/ Scherer/ Brügger, 2012). Jürgen Witt differenziert diesen Prozess in folgende Phasen: 1. Suchfelder festlegen (Chancen, Verbesserungsmöglichkeiten, Mängel) 2. Suchfelder durchforsten, das Problem analysieren und Ansatzpunkte für Innovationen aufspüren 3. Ideen für Neuerungen finden 4. Ideen bewerten und auswählen 5. Ideen konkretisieren - Maßnahmen entwickeln, um den Lösungsvorschlag anzuwenden 6. die Neuerung testen 7. die Neuerung einführen 8. das Ergebnis überprüfen und die Neuerung evtl. verbessern (W ITT , 2010, S. 34). <?page no="102"?> Innovation 98 Eine entscheidende Voraussetzung für den Innovationserfolg im Unternehmen sind qualifizierte und motivierte Mitarbeiter, die kreativ denken und handeln, neue Ideen generieren und umsetzen. Durch gezielte Kreativitätsförderung ist das Innovationspotenzial der Mitarbeiter zu erhöhen. Um notwendige Innovationen zu entwickeln, braucht ein Unternehmen das Innovationsmanagement, das die Erarbeitung und Einführung von Neuerungen als eine Grundaufgabe der Unternehmenspolitik ansieht und damit die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sichert. Lit.: A DAIR , J.: Leadership for innovation. How to organize team creativity and harvest ideas. London, Philadelphia, New Delhi 2011; A LBERS , S./ G ASSMANN , O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011; A MABILE , T. M.: A model of creativity and innovation in organizations. In: Research in Organizational Behavior, 10, 1988, pp. 123-167; A NDERSON , N./ K ING , N.: Innovation in organizations. In: International Review of Industrial and Organizational Psychology, 8, 1993, pp. 1-34; B REM , A./ B REM , S.: Kreativität und Innovation im Unternehmen. Methoden und Workshops zur Sammlung und Generierung von Ideen. Stuttgart 2013; B ROWN , T.: Designer als Entwickler. In: Harvard Business Manager. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 16-25; B ULLINGER , H.-J./ S CHLICK , G. H.: Wissenspool Innovation. Kompendium für Zukunftsgestalter. Frankfurt am Main 2002; B URR , W.: Innovation. Theorien, Konzepte, Modelle und Geschichte der Innovationsforschung. Stuttgart et al. 2014; C ARAYANNIS , E. G. (Ed.): Encyclopedia of creativity, invention, innovation, and entrepreneurship. Volume 1-3. New York, Heidelberg, Dordrecht, London 2013; D RUCKER , P. F.: Management: Tasks, Responsibilities, Practices. Harper & Row. New York 1973; D RUCKER , P. F.: The discipline of innovation. In: Harvard Business Review on Breakthrough Thinking. (A Harvard business review paperback). Boston, MA 1999, pp. 135- 151; D RUCKER , P. F.: Innovation and entrepreneurship. Oxford, Burlington 2007; E CHEVERRIA , L. M.: Idea Agent. Leadership that liberates creativity and accelerates innovation. The McGraw-Hill Companies, New York et al. 2012; E KVALL , G.: Organizational climate for creativity and innovation. In: European Journal of Work and Organizational Psychology, 5, 1996, pp. 105-123; E RIKSEN , K.: Perfect phrases for creativity and innovation. Hundreds of ready-to-use phrases for breakthrough thinking, inventive problem solving, and team collaboration. The McGraw-Hill Companies, New York et al. 2012; Franken, S.; B RAND , D.: Ideenmanagement für intelligente Unternehmen. Frankfurt am Main u. a. 2009: Gassmann, O./ Friesike, S.: 33 Erfolgsprinzipien der Innovation. München 2012; G ASSMANN , O./ S UTTER , P H .: Praxiswissen Innovationsmanagement. Von der Idee zum Markterfolg. München ³2013; G EBERT , D.: Führung und Innovation. Stuttgart 2002; D ERS .: Innovation durch Teamarbeit. Stuttgart 2004; G ESCHKA , H./ Z IRM , A.: Kreativitätstechniken. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 279-302; G ETZ , I., R OBINSON , A. G.: InnovationsPOWER: Kreative Mitarbeiter fördern - Ideen systematisch generieren. München 2003; G OUTH , F.: Profitable Innovation? Der goldene Pfad der wirkungsvollen Innovation. Berlin, Wien 2012; G REGERMAN , A. 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Renningen- Malmsheim 1995; S CHLICKSUPP , H.: Produktinnovation. Wege zu innovativen Produkten und Dienstleistungen (Management-Wissen). Würzburg 1988; D ERS .: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management- <?page no="103"?> 99 Innovatoren-DNS Wissen), 5. Aufl., Würzburg 1998; S CHOLL , W.: Innovation und Information. Wie in Unternehmen neues Wissen produziert wird. Göttingen 2004; S CHUH , G. (Hrsg.): Innovationsmanagement. Handbuch Produktion und Management 3. Berlin ²2012; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; T SIFIDARIS , M.: Management der Innovation. Pragmatische Konzepte zur Zukunftssicherung des Unternehmens. Renningen 1994; Vahs, D.; B REM , A.: Innovationsmanagement. Von der Idee zur erfolgreichen Vermarktung. 4. Aufl., Stuttgart 2013; Völker, R.; Schaaf, H.; T HOME , C H .: Innovationsmanagement. Bestandteile - Theorien - Methoden. Stuttgart 2012; W ITT , J.: Kreativität und Innovation. (Arbeitshefte Führungspsychologie, Bd. 61, hg. von Ekkehard Crisand und Gerhard Raab). Hamburg 2010; Zillner, S.; K RUSCHE , B.: Systematisches Innovationsmanagement. Grundlagen -Strategien - Instrumente. Stuttgart 2012. Innovatoren-DNS Der Erfolg eines Unternehmens hängt wesentlich von seiner Innovationsfähigkeit ab. Wie gelingt es visionären Unternehmerpersönlichkeiten, bahnbrechende Ideen zu entwickeln? Jeffrey H. Dyer, Hal B. Gregersen und Clayton M. Christensen aus den USA haben fünf herausragende Merkmale kreativer Führungskräfte festgestellt, sogenannte Entdeckerqualitäten, und prägten dafür den Begriff „Innovatoren-DNS“. Diese Eigenschaften sind: 1. Verknüpfen, d. h. die Fähigkeit, Fragen, Probleme oder Ideen unterschiedlichster Art, die auf den ersten Blick in keinerlei Beziehung zueinander stehen, erfolgreich miteinander zu kombinieren. 2. Hinterfragen: Es geht darum, gängige Meinungen anzuzweifeln, um sie aufzubrechen und neue Ideen oder Lösungsmöglichkeiten zu finden.. 3. Beobachten: Das Umfeld, wie Kunden, Lieferanten, Mitbewerber oder andere Unternehmen, werden genau beobachtet, um auch kleinste Verhaltensdetails aufzuspüren, die Hinweise auf eigene Chancen, Möglichkeiten oder Vorteile versprechen. 4. Experimentieren: das Ausprobieren, um praktische Erfahrungen, Kenntnisse und Erkenntnisse zu gewinnen. 5. Vernetzen: Die Vernetzung mit Menschen unterschiedlicher Herkunft aus den verschiedensten Tätigkeitsbereichen eröffnet radikal neue Perspektiven. (D YER / G REGERSEN / C HRISTENSEN , 2011, S. 29-36) Innovative Persönlichkeiten nutzen beide Gehirnhälften, wenn sie sich der fünf Entdeckerqualitäten bedienen, um neue Ideen zu entwickeln. Das »Verknüpfen« gleicht dem Rückgrat der Doppelhelix der DNS; die vier anderen Handlungsmuster: Hinterfragen, Beobachten, Experimentieren und Vernetzen, umschlingen gewissermaßen dieses Rückgrat und helfen uns, neue Einsichten zu gewinnen. Und genauso wie die physische DNS eines jedes Menschen einmalig ist, weist auch jede kreative Persönlichkeit eine einmalige Innovatoren-DNS auf, die es ihr ermöglicht, bahnbrechende Geschäftsideen zu entwickeln. (D YER / G REGERSEN / C HRISTENSEN , 2011, S. 30). Es gibt unterschiedliche „Kreativprozesstypen“, den Strategen, den Ideengenerierer, den Ideenoptimierer und den Macher. (P ATZNER , 2014, S. 17-37). Allgemein können zehn verschiedene Typen bzw. Charaktere innovativer Persönlichkeiten unterschieden werden, die sich zu einem heterogenen Team zusammenschließen, um den Erneuerungsprozess voranzutreiben: 1. Der couragierte Kapitän (courageous captain). Er ist enthusiastisch, optimistisch, hochmotiviert und zielorientiert. 2. Der inspirierende Coach (inspiring coach). Er macht sich nützlich, bringt seine Kenntnisse ein, unterstützt andere, fühlt sich dem Erfolg des Teams verpflichtet, kann aber auch mit Kritik umgehen. 3. Das willige Opfer (willing victim): hat eine pessimistische Grundeinstellung, bemitleidet sich selbst, fühlt sich und die eigene Arbeit nicht wertgeschätzt, schiebt die Schuld gern auf andere und ergreift keine Initiative. 4. Der engstirnige Nörgler (narrow-minded nitpicker): er ist voreingenommen, kleinlich, spießig, verliert sich in Einzelheiten, ist wenig kommunikativ, arbeitet lieber allein oder in engen Grenzen. 5. Der akribische Bürokrat (meticulous bureaucrat): ist peinlich genau bis ins kleinste Detail, strebt nach Perfektion, ist angetrieben von Regeln und Abgabeterminen, geht analytisch vor, gerät aber schnell in Konflikt mit anderen. 6. Der ungeschickte Grünschnabel (clumsy puppy: eigtl. unbeholfener Welpe): ein neuer Mitarbeiter mit geringer Erfahrung, unsicher, aber begeistert, übereifrig, hört nur wenig zu, benötigt konstruktives Feedback, braucht Rat und Unterstützung durch erfahrene Gruppenmitglieder. <?page no="104"?> Insinuierung 100 7. Der Sofa-Schiedsrichter (couch referee): ein Besserwisser mit unrealistischen Erwartungen, wird von den Mitarbeitern meist als anstrengend, fordernd und arrogant eingeschätzt. 8. Der Forscher voller Schwung und Elan (bright-eyed and bushy-tailed researcher): meist jung, hochmotiviert, leistungs- und zielorientiert; Organisationstalent, verfügt über Managementfähigkeiten. 9. Der intellektuelle Einzelgänger (intellectual maverick): visionär, verfügt über ein breites Wissensspektrum, hat das große Gesamtanliegen im Blick, liebt die Herausforderung und die Lösung konplexer Probleme, denkt konzeptionell, ist charakterstark, hat Einblick in das Marktgeschehen. 10. Der unerschrockene Forscher (intrepid explorer): ein Querdenker und Individualist, der in seinem Verhalten und in seiner Denkweise vom Team unabhängig sein möchte. Er liebt es, neue Wege zu gehen, ist furchtlos, unternehmungslustig, übernimmt gern die Initiative, ist aber auch schnell gelangweilt und braucht kontinuierliche Anregung; wird von den Mitarbeitern als arrogant, voreingenommen und eigenwillig eingeschätzt. (M AREE / R OUX / M ARAIS , 2006, pp. 105-125; Müller-Prothmann/ Dörr, 2014, S. 25-27) Lit.: C HRISTENSEN , C. M.: The innovator’s dilemma. New York: Harper Business, 2011; D YER , J. H./ G REGERSEN , H. B./ C HRISTENSEN , C. M.: Die Innovatoren-DNS. In: Harvard Business manager. Das Wissen der Besten. Edition 2/ 2011: Kreativität. Wie Sie Ideen entwickeln und umsetzen, S. 29-36; M AREE , G. A./ R OUX , D. J./ M ARAIS , M. A.: Beneath the surface of conscious patterns: Using narrative to characterise the culture of innovation at leading R&D organisations. In: Kazi, A. S./ Wolf, P. (Eds.): Real-life knowledge management: Lessons from the field. KnowledgeBoard, Finnland 2006, pp. 105-125; M ÜLLER -P ROTHMANN , T./ D ÖRR , N.: Innovationsmanagement. Strategien, Methoden und Werkzeuge für systematische Innovationsprozesse. München ³2014; P ATZNER , H.: Creative Explosion. Neue Sprengkraft für Ideen, Innovationen und Kreativprozesse. Frankfurt am Main, New York 2014. Insinuierung (insinuation): (versteckte) Andeutung, Anspielung, die bei der Umgestaltung kreativer Entwürfe von Bedeutung ist; z. B. durch Anregungen aus der Umwelt. In Hans Lenks „verfeinerter Phasenbildung“ des kreativen Prozesses in zehn Stufen bildet die Insinuierung die erste Phase. (L ENK , 2006, S. 261; Lenk, 2007, S. 127). kreativer Prozess Lit.: L ENK , H.: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongreß für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007. Inspiration (inspiration; von lat. inspiratio: Eingebung, Einhauchung, Begeisterung): der scheinbar spontane künstlerische, unternehmerische, technische oder wissenschaftliche Einfall, das Phänomen der plötzlichen Eingebung, Erleuchtung, wodurch der gesuchte Lösungsvorschlag eines Problems bzw. die Ideenfindung eintritt. Die Inspirations-, Besessenheits- und Eingebungslehre, die schöpferische Kraft der Dichter und Gelehrten wurde in der Antike auf eine Gabe der Besessenheit (Mania), also auf die Manie zurückgeführt, z. B. in der Genielehre Platons. Es ist die Auffassung von der charismatischen Gnadengabe einer von den Göttern direkt verliehenen Schöpferkraft. Die Vorstellung, der Künstler oder Gelehrte brauche nur auf ein schöpferisches Pneuma, auf den Einfall von »oben« zu warten, der sich auch ungewollt einstellt, wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, weist darauf hin, dass das Schöpfertum passiv, als Rezeption und Übermittlung einer jenseitigen oder übernatürlichen Botschaft gedeutet wurde. Jahrhundertelang dominierte die Vorstellung, nach der die schöpferische Kraft als rational unbegreifliches Schicksalsgeschenk einer Eingebung oder Intuition aufgefasst wurde. Tatsächlich kann nach einer Phase intensiver geistiger Auseinandersetzung mit einem Problem die Lösungssuche im Unterbewusstsein fortgesetzt werden, so dass sich die Lösung plötzlich und unvermittelt einstellt. Der Psychologe und Kreativitätsforscher Siegfried Preiser (*1943) schreibt hierzu: „Der kreative Akt ist nicht, wie manche ›Kreative‹ uns glauben lassen wollen, ein blitzartiges Ereignis, das wie eine göttliche Inspiration den Menschen überfällt und ihn teilhaben lässt am unerklärlichen, geheimnisvollen Schöpfungsprozess. Kreativität ist nur zu einem Teil ›Inspiration‹, großenteils aber ›Transpiration‹ (Schweiß und Fleiß). Vor und nach dem kreati- <?page no="105"?> 101 Intelligenz-Struktur-Modell ven Einfall liegen oft harte Vorbereitungen und Ausarbeitungen.“ (P REISER , 1986, S. 42). Innerhalb des kreativen Prozesses erfolgt die Inspiration in der Phase der Illumination. Lit.: F REITAG , E.: „Die Natur als die Schatzkammer der Stoffe im allgemeinen“. Goethes Harzreisen als Quelle der Inspiration. In: Juranek, C. (Hrsg.): Abenteuer - Natur - Spekulation. Goethe und der Harz. [Edition Schloss Wernigerode, Bd. 2], Halle/ Saale 1999, S. 207-221; L E B OEUF , M.: Imagination, Inspiration, Innovation. Kreative Kräfte nutzen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Peter Weller. München ²1991; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986. inspiration and elaboration Eingebung bzw. geistige Anregung und tätige Ausarbeitung. Dieses Begriffspaar bezieht sich auf die Wechselbeziehung zwischen Künstler und Publikum und wurde 1952 von dem österreichischen Psychoanalytiker Ernst Kris (1900-1957) eingeführt, ebenso das Begriffspaar „creation and re-creation“. Inspiration Elaboration Lit.: K RIS , E.: Psychoanalytic explorations in art. New York 1952; dt. Ausgabe: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst in der Sicht der Psychoanalyse (edition suhrkamp 867), Frankfurt/ Main 1977. Instant-Kreativität creativity light integratives Kreativitätskonzept (integrated concept of creativity): die Verknüpfung der Kreativitätstheorien und der daraus resultierenden zahlreichen Kreativitätstechniken mit der Theorie der menschlichen Informationsverarbeitung. Lit.: R IPKE , G.: Kreativität und Diagnostik. (Einführungen Psychologie, Bd. 1), Münster 2005; V OGT , T.: Kalkulierte Kreativität. Die Rationalität kreativer Prozesse. Wiesbaden 2010. Intelligenz Kreativität und Intelligenz Intelligenz-Struktur-Modell (structure-of-intellect model: SI), auch als „Würfelmodell“ bezeichnet: ein dreidimensionales morphologisches Modell, das die Strukturtheorie der Intelligenz aufzeigt; 1956 von dem US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897- 1987) entwickelt. Guilford klassifiziert die intellektuellen Fähigkeiten nach drei Dimensionen: Denkoperationen, Denkinhalte und Denkprodukte, weil er annimmt, dass jedes intelligente Verhalten durch eine Operation, einen Inhalt und ein Produkt charakterisiert wird. Sein Intelligenz-Struktur-Modell verknüpft fünf Operationen mit vier Inhalten und sechs Produkten (5 x 4 x 6), woraus sich ein Würfel von 120 verschiedenen Intelligenzfaktoren ergibt. Später revidierte er mehrmals dieses Modell und erweiterte es auf 150 Intelligenzfaktoren. Eine größere Zahl dieser Faktoren wurde in Testverfahren verwendet. Eine maßgebliche Voraussetzung für das Zustandekommen kreativer Leistungen besteht nach Guilfords Auffassung im divergenten Denken. Lit.: A MTHAUER , R.: Intelligenz-Struktur-Test (IST-70). Göttingen ³1970; G UILFORD , J. P.: The structure of intellect. In: Psychological Bulletin, vol. 53, 1956, pp. 267-293; D ERS .: A revised structure of intellect. In: Report of the Psychological Laboratory. University of Southern California, no. 19, 1957; D ERS .: Creative abilities in the arts. In: Psychological Review, vol. 64, 1957, pp. 110-118; D ERS ., et al.: The relations of creative thinking aptitudes to non-aptitude personality traits. In: Report of the Psychological Laboratory. University of Southern California, no. 20, 1957; G UILFORD , J. P./ M ERRIFIELD , P. R.: The structure-of-intellect model. Its uses and implications. In: Report of the Psychological Laboratory. University of Southern California, no. 24, 1960; M EEKER , M.: The structure of intellect. Its interpretation and uses. Columbus, OH 1969; Richards, R.: Millennium as opportunity: Chaos, creativity, and Guilford’s structure of intellect model. In: Creativity Research Journal 13 (3&4), 2001, pp. 249-266. <?page no="106"?> Intrapreneur 102 Dreidimensionales Intelligenz-Struktur-Modell von Joy Paul Guilford Quelle: Landau, Erika: Kreatives Erleben (Psychologie und Person; Bd. 17). München, Basel 1984, S. 23 Intrapreneur ein kreativer und meist selbstständig handelnder Arbeitnehmer, der als Teil eines bestehenden Unternehmens neue Produkte bzw. innovative Projekte entwickelt oder bestehende Waren verbessert. Er hat ein Abkommen mit der Führungsspitze. Die Innovationen erfolgen meist in vielen kleinen Schritten. Grundlegende Umgestaltungen im Produktionsprozess sind eher selten. Die Intrapreneursprojekte dienen dazu, die Leistungsfähigkeit und die Bilanz der Firma zu verbessern. Intrapreneure sind die Hauptakteure der Innovationsmaschine. (They are the main stakeholders of the ›innovation machine‹). (Baumol, 2002; Carayannis, 2013, p. 1064-1065) Innerhalb etablierter Firmen entwickelt sich eine unternehmerische Denkart bzw. Mentalität (entrepreneurial mindset). - (McGrath/ MacMillan, 2000). Dabei gibt es verschiedene Typen oder Entwicklungsstufen innerhalb der Intrapreneurship- Orientierung eines Unternehmens: 1. Die unternehmerisch ablehnende Firma (The entrepreneurially challenged firm). Hier dominiert eine ablehnende Haltung gegenüber jeglicher Art von Innovationsvorschlägen. 2. Die zufällig unternehmerisch handelnde Firma (The accidentally entrepreneurial firm). Innovationen und Verbesserungen im Organisationsablauf werden eher durch Zufall als durch Absicht realisiert. 3. Die unternehmerisch orientierte Organisation (The entrepreneurially oriented organization). Die Mitarbeiter werden zur Unterbreitung von Innovationsvorschlägen aufgefordert, z. B. durch ein betriebliches Vorschlagswesen. Die Organisation ist dabei vor allem an Innovationen interessiert, die der Wertsteigerung des Unternehmens dienen. 4. Die unternehmerische Organisation (The entrepreneurial organization). Hier werden die Mitarbeiter motiviert, unternehmerisch zu denken und zu handeln, radikale Innovationsvorschläge zu unterbreiten und einen gewissen Teil der Arbeitszeit eigenen Projekten zu widmen. (Brazeal/ Herbert, 1999; Gruber/ Henkel, 2011, S. 125) Kaizen Lit.: B AUMOL , W. J.: The free market innovation machine. Princeton: Princeton University Press 2002; B AUMOL , W. J.: Entrepreneurial enterprises, large established firms and other components of the free-market growth machine. In: Small Business Economy 2004, 23 (1), pp. 9-21; B RAZEAL , D. V./ H ERBERT , T. T.: The <?page no="107"?> 103 intrinsische Motivationshypothese genesis of entrepreneurship. In: Entrepreneurship Theory & Practice, Spring Issue 1999, pp. 29-45; C ARA- YANNIS , E. G. (Ed.): Encyclopedia of creativity, invention, innovation, and entrepreneurship. Volume 1-3. New York, Heidelberg, Dordrecht, London 2013; G RUBER , M./ H ENKEL , J.: Corporate Venturing. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 119- 136; L OMBERG , C.: Kreativität im Kontext von Corporate Entrepreneurship. (Gabler Research Entrepreneurship, hg. von Malte Brettel u. a., Wiesbaden 2010; M C G RATH , R. G./ M AC M ILLAN , I.: The entrepreneurial mindset - strategies for continously creating opportunity in an age of uncertainty. Boston (Mass.): Harvard Business School Press 2000. intrinsische Motivation (intrinsic motivation): auch als primäre, innere Motivation, Innenmotivation, Primärmotivation oder Eigenmotivation bezeichnet. Motivation aus eigenem Antrieb, von innen heraus, die von einer Aufgabe ausgehenden Anreize des Handelns. Die Unterscheidung zwischen intrinsisch und extrinsisch geht auf den Psychologen Heinz Heckhausen (1926-1988) zurück. Er unterschied zwei Komponenten der Lernmotivierung. Die intrinsische Motivation setzt sich zusammen aus der Leistungsmotivation, aus sachbereichsbezogenen Anreizen, die von einem Fach oder Gebiet ausgehen, aus dem Reiz einer Aufgabe, aus dem Erreichbarkeitsgrad, d. h. aus der geschätzten Erfolgswahrscheinlichkeit beim Lösen einer Aufgabe, und aus dem Neuigkeitsgrad, den eine Aufgabe oder Sache hat. Das Individuum findet den Antrieb in sich selbst, es wird funktionell autonom. Die intrinsische Motivation entspringt also aus einem inneren Bedürfnis, aus Trieb, Wunsch oder Neigung, aus einem festen Willen, Vorsatz oder Plan bzw. auch aus innerer Spannung (auch Funktionslust, Gipfelerlebnis, spielerische Assimilation). Das Lösen von Aufgaben oder Problemen bzw. das Aufsichnehmen eines gewagten Unternehmens erfolgt hierbei unabhängig von äußerer Belohnung oder finanziellem Nutzen, sondern wird mit Hingabe und Leidenschaft ausgeübt und impliziert Tätigkeitsfreude, Wohlbefinden sowie das Phänomen geistigen Höhenflugs ( Flow-Erlebnis). Der Ansporn zu besonderer Leistung muss in der Aufgabe selbst liegen. Hieraus folgt, dass die Handlung oder die Aufgabe ein Interesse oder Neugier (im Sinne von „Gier nach Neuem“) voraussetzt. Indem sich jemand mit einer Aufgabe identifiziert, kann er ganz in ihr „aufgehen“, Spontaneität und kreatives Denken entwickeln und dadurch seine Leistung steigern. (Leistungsmotivation) Durch Gehaltsverbesserungen, Prämien, Orden und Ehrenzeichen lassen sich keine Spitzenleistungen erzielen, d. h. die die extrinsischen, von außen kommenden Anregungen sind gegenüber den intrinsischen auf die Dauer weniger effektiv. Der ungarisch-amerikanische Soziologe und Verhaltenspsychologe Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) sieht den entscheidenden Unterschied zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation darin, ob jemand deshalb tätig ist, „weil sein Verhalten durch die in der Tätigkeit selbst erfahrene Freude motiviert wird.“ In diesem Fall verstärkt sich „sein Selbstvertrauen, seine Zufriedenheit und sein Gefühl der Solidarität mit anderen.“ Ist dagegen „sein Verhalten durch äußeren Druck oder äußere Belohnung motiviert, mag er Unsicherheit, Frustration und ein Gefühl der Entfremdung erleben.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1992, S. 13). Das Flow-Erlebnis stellt die entscheidende Komponente der Tätigkeitsfreude dar. Selbstmotivation Lit.: A MABILE , T. M./ H ILL , K. G./ H ENNESSEY , B. A./ T IGHE , E. M.: The work preference inventory. Assessing intrinsic and extrinsic motivational orientations. In: Journal of Personality and Social Psychology, 66, 1994, pp. 950-967; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Das Flow-Erlebnis. Jenseits von Angst und Langeweile im Tun aufgehen, 4. Aufl., Stuttgart 1992. intrinsische Motivationshypothese der Kreativität (intrinsic motivation hypothesis of creativity): 1983 von der US-amerikanischen Kreativitätsforscherin Theresa M. Amabile entworfen. Sie lautet: „Der intrinsisch motivierte Zustand ist förderlich für die Kreativität, während der extrinsisch motivierte Zustand dafür schädlich ist.“ (A MABILE , 1983, p. 91; Amabile, 1996, p. 107). Amabile untersuchte 1983 erstmals die Bedeutung von intrinsischer Motivation für kreative Prozesse und betrachtet sie und die Rahmenbedingungen, die diese Motivationen unterstützen, als Schlüsselfaktoren im kreativen Prozess. Diese Hypo- <?page no="108"?> Intuition 104 these ist vor allem für die Sach- oder Aufgabenmotivation bedeutsam. „... Die interne Orientierung, die intrinsische Motivation ist insbesondere bei kreativen Aufgaben des heuristischen Typs vorrangig - also dort, wo man unter Umständen die Probleme erst präzisieren und finden muss, wo man die Lösungswege selbst entwickeln, wo man sich zum Teil, vielleicht sogar überwiegend die Regeln erst selber geben muss.“ (L ENK , 2000, S. 79). In neueren Studien konnte aber nachgewiesen warden, dass auch bestimmte Formen extrinsischer Motivation durchaus positiven Einfluss auf den kreativen Prozess haben können. (A MABILE , 1996, 2001; Collins & Amabile 2007, pp. 297-312). Lit.: A MABILE , T. M.: The Social psychology of creativity. New York 1983; D IES .: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; D IES .: Beyond talent. John Irving and the passionate craft of creativity. In: American Psychologist, Vol. 56, No. 4, 2001, pp. 333- 336; C OLLINS , M. A./ A MABILE , T. M.: Motivation and creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al., 10 th printing 2007, pp. 297-312; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. Intuition (intuition): Eingebung, unmittelbares, plötzliches Erfassen oder Erkennen eines Sachverhalts bzw. eines Problems. Im Gegensatz zur diskursiven Erkenntnis, die durch Beweis, Erklärung und Definition vermittelt wird, entsteht das intuitive Denken durch einen plötzlichen Einfall oder durch Eingebung, wodurch der Lösungsweg bzw. die Zusammenhänge unerwartet aufgezeigt werden. Der Philosoph Hans Larsson sieht in der Intuition die Grundlage aller Kreativität, sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf künstlerischem Gebiet, indem er sie als schöpferische Kombinationsleistung versteht, bei der alle rationalen und irrationalen Fähigkeiten beteiligt sind. Intuition ist eine Form der direkten Erkenntnis, die auf der spontanen, blitzschnellen Kombination von äußerer und innerer Wahrnehmung oder Vorstellung, von Inspiration und Ahnung beruht, die ohne Kontrolle des bewussten Denkens abläuft. Sie erfolgt somit unbewusst und unreflektiert und kann nicht vom Willen gesteuert werden. Sie kann eine Vorahnung oder ein „sicheres Gefühl“ sein und lässt sich nicht logisch erklären. Das Lösen von Problemen erfordert sowohl Intuition als auch Logik. Die Intuition ist die blitzartige Eingebung der rechten Hirnhälfte, die zur Lösung bzw. zu einer neuen Erkenntnis führt, aber diese Eingebung sollte mit dem Verstand überprüft werden. Oft kommt der erleuchtende Gedanke blitzartig, scheinbar ohne vorher intensiv über das Problem nachgedacht zu haben. Bevor sich jedoch der entscheidende Einfall einstellt, ist eine längere Zeit der intensiven Beschäftigung mit dem Problem erforderlich, wenn diese auch zunächst nicht zum gewünschten Ziel führt. Die Intuition erfolgt meist erst nach intensiver Vorarbeit und unbewusst, d. h. der Manager, Ingenieur, Designer, Künstler oder Wissenschaftler erlebt die plötzliche Problemlösung, ohne sich über den Weg der Ideenfindung bewusst zu sein. Es scheint, dass bei der Intuition unbewusst auch die im Gedächtnis gespeicherte Erfahrung und zahlreiche Fakten und Erkenntnisse einfließen. Erfindungen, Entdeckungen bzw. neue Ideen erfolgen oft auf dem Wege der Intuition. Der US-amerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Joy Paul Guilford (1897- 1987) erklärt: „Für den Wissenschaftler ... ist eine auf Intuition beruhende Idee eine Hypothese, die zu verifizieren, beziehungsweise zu falsifizieren ist. Ein guter Wissenschaftler prüft bereits bekannte Tatsachen, findet auf dieser Grundlage intuitiv eine neue Idee über den wahrscheinlichen Sachverhalt der Dinge und entwirft dann einen experimentellen Plan, um seine Hypothese zu prüfen. Nachdem die neuen Daten da sind, reflektiert er über alles, was er nunmehr über den Gegenstand weiß, und gelangt endlich zu einer Schlussfolgerung über seine ursprüngliche Annahme. Eventuell stellt er dann eine neue Hypothese auf, die abermals zu prüfen ist.“ In der wissenschaftlichen Forschung liege „also der geeignete Zeitpunkt für das Erwachen von Intuitionen entweder vor oder nach der Sammlung von Informationen.“ Bei der Datensammlung hingegen sei „die Intuition doch absolut fehl am Platze“, da zwischen einer wissenschaftlichen Beobachtung und ihrer intuitiven Ausdeutung bzw. Schlussfolgerung un- <?page no="109"?> 105 Investmenttheorie der Kreativität terschieden werden müsse. (G UILFORD , 1964, S. 23 f.). Michael Knieß bezeichnet die Intuition als „eine unbewusste Intelligenz“, als „das ›richtige Gefühl/ Gespür‹, wodurch das unmittelbar Wesentliche erkannt werden kann“, und meint: „Intuition kann daher als eine Quelle der Kreativität betrachtet werden. Die andere Quelle kreativ zu wirken ist ... die Rationalität. Wichtig ist, dass beide Möglichkeiten sich nicht gegenseitig ausschließen, sondern ergänzen und wechselseitig verstärken.“ (K NIEß , 1995, S. 1 f.) Die Intuition ist das spontane und ganzheitliche Erfassen von Wirklichkeitszusammenhängen bzw. die plötzliche Lösungsfindung wissenschaftlicher, technischer oder künstlerischer Aufgaben, die von einem Gefühl der Gewissheit und einleuchtenden Erkenntnis (Evidenz) begleitet wird. Intuition und Zufall sorgen bei Erfindungen und Entdeckungen mitunter für den entscheidenden Geistesblitz, wodurch sich die lange gesuchte Lösung eines Problems ganz unvermittelt einstellt. Die zielgerichtete Intuition ist ein Bestandteil kreativer Problemlösung. Semantische Intuition Lit.: A GOR , W. H.: Intuitive management. Integration left and right brain management skills. Prentice-Hall, Inc., Englewood Cliffs, N. J. 1984; dt. Ausg.: Intuitives Management. Die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit durch integrierten Einsatz der Fähigkeiten des linken und rechten Gehirns. Offenbach 1995; D ERS .: The logic of intuitive decision making. A research-based approach for top management. New York 1986; D ERS .: (Ed.): Intuition in organizations. Leading and managing productively. Newbury Park, London, New Delhi 1989; B ECKER , J.: Das Geheimnis der Intuition. Wie man spürt, was man nicht wissen kann. München 2014; D ORFMAN , J./ S HAMES , V. A./ K IHLSTROM , J. F.: Intuition, incubation, and insight. Implicit cognition in problem solving. In: Underwood, G. (Ed.): Implicit cognition. Oxford University Press. Oxford 1996, pp. 257- 296; E NGELEN , E.-M.: Emotion und Intuition. Zwei ungleiche Geschwister. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 121-137; F AAS , A.: Intuition zum rechten Zeitpunkt das Richtige tun. (HERDER spektrum, Bd. 5521), Freiburg, Basel, Wien 2000; G IGERENZER , G.: Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition. München 2008; G UILFORD , J. P.: Personality. New York 1959 (dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen Erforschung. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heinrich Kottenhoff und Ursula Agrell. Weinheim/ Bergstr. 1964); G UNTERN , G. (Hrsg.): Intuition und Kreativität. Intuition and creativity. Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich/ Berlin/ New York 1996; H AUSER , T H .: Intuition und Innovationen. Bedeutung für das Innovationsmanagement. Wiesbaden 1991; K AST , B.: Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft. Die Kraft der Intuition. Frankfurt am Main 2007; K ELLER , M.: Zwischen Fairness und Eigeninteresse. Intuition und Reflexion in ökonomischen Entscheidungen. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 107-120; K NIEß , M.: Kreatives Arbeiten. Methoden und Übungen zur Kreativitätssteigerung (Beck-Wirtschaftsberater), München 1995; L EEB , H.: Mit der Intuition zur Kreativität. In: psycho-logik: Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur, hg. von Stephan Grätzel und Jann E. Schlimme, Bd. 8: Arbeit und Kreativität. Freiburg/ München 2013, S. 58-71; M ÉRÖ , L.: Die Grenzen der Vernunft. Kognition, Intuition und komplexes Denken. Aus dem Ungarischen übersetzt von Anita Ehlers. Reinbek bei Hamburg 2002; O BERMAYR -B REITFUSS , R.: Intuition. Theorie und praktische Anwendung. Norderstedt ²2010; S IMONTON , D. K.: Intuition and analysis. A predictive and explanatory model. In: Genetic psychology monographs. August 1980, pp. 3-60; T EPPERWEIN , K.: Super-Intuition. So entwickeln Sie Ihre verborgenen geistigen Fähigkeiten. Frankfurt am Main ³2005; T HIELE -D OHRMANN , K.: Intuition. Göttlicher Funke oder unbewusster Datenspeicher? , Hamburg 1990; T RAUFETTER , G.: Intuition. Die Weisheit der Gefühle. Reinbek bei Hamburg 2007; V OLKAMER , K./ S TREICHER , C./ W ALTON , K. G.: Intuition, Kreativität und ganzheitliches Denken. Neue Wege zum bewußten Handeln. Heidelberg 1991. Intuition, semantische semantische Intuition Investmenttheorie der Kreativität (investment theory of creativity): Sie geht davon aus, dass kreative Persönlichkeiten wie gute Investoren handeln. Sie produzieren Ideen wie unterbewertete Aktien, die von der Öffentlichkeit zunächst abgelehnt bzw. nicht akzeptiert werden; Persönlichkeiten mit Erfolgsintelligenz sind dazu entschlossen, auch in der Welt der Ideen möglichst günstig oder preiswert zu kaufen und hoch zu verkaufen. (to buy low and sell high in the world of ideas) (S TERNBERG , 2007, p. 106), d. h. eine von den Zeitgenossen unterschätzte und damit unterbewertete, „billige“ Idee wird aufgegriffen und weiterentwi- <?page no="110"?> Ishikawa-Diagramm 106 ckelt. Wenn diese weiterentwickelte kreative Idee als neuartig und nützlich erkannt wird und andere Menschen überzeugt, steigert dies den Investitionswert und die Idee kann teuer verkauft werden. Die »Investmenttheorie der Kreativität« wurde 1991 von den US-amerikanischen Kreativitätsforschern Robert J. Sternberg und Todd I. Lubart entwickelt. Sie sind der Auffassung, dass die Kreativität weitgehend von der Entschlossenheit der Menschen abhängt, also auch eine Frage der persönlichen Einstellung ist. Hierzu werden ökonomische Faktoren auf kreative Problemlösungen übertragen. Es wird versucht, „die Produktion von kreativen Ergebnissen bzw. das Engagement von einzelnen Personen und von Gruppen in kreativen Problemlöseprozessen mit im- oder expliziten Kosten(investment)-Nutzen-Rechnungen zu erklären oder Investmentstrategien auf kreatives Schaffen zu übertragen.“ (U RBAN , 2004, S. 42). Diese Theorie bezieht sich auf die persönliche Entscheidung, kreativ zu sein bzw. zu werden und danach zu handeln. Dafür sind die Personen bereit, für ihre neuen, ungewöhnlichen Ideen zu werben und zu kämpfen, indem sie „der Menge trotzen“ (defy the crowd! ), um ihre kreativen Gedanken und Vorschläge gesellschaftlich durchzusetzen. Sternberg und Lubart möchten dazu eine Art Gesamtkonstrukt von intellektuellen Fähigkeiten, von Wissen, Denkstilen, Persönlichkeitsvariablen sowie die Risikobereitschaft und den Willen der Personen schulen, um Hindernisse zu überwinden, Mehrdeutigkeiten auszuhalten ( Ambiguitätstoleranz) sowie die Selbstwirksamkeit, die intrinsische Motivation und eine kreativitätsförderliche Umgebung zu einer dynamischen Synthese zu gestalten. Kreative Ideen verkaufen sich nicht von selbst, also verkaufe sie, lautet die Devise. Dies fördere die Risikobereitschaft, aber auch die Konfliktbereitschaft, den Gratifikationsaufschub, kreatives Denken sowie Querdenken. (vgl. S TERNBERG , 2003, pp. 106-123; Lenk, 2007, S. 127 f.). Kreativitätstheorien Lit.: F UNKE , J.: Psychologie der Kreativität. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin/ Heidelberg/ New York et al.; Nachdruck 2001, S. 283-300; L ENK , H.: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; L UBART , T. I./ S TERNBERG , R. J.: An investment approach to creativity: Theory and data. In: S. M. Smith/ T. B. Ward/ R. A. Finke (Eds.): The creative cognition approach. Cambridge, MA: MIT Press 1995, pp. 269-302; M C D ONALD , H. P.: Creative actualization. A meliorist theory of values (Value Inquiry Book Series 224. Editions rodopi B.V., Amsterdam 2011; R UBENSON , D. L./ R UNCO , M. A.: The psychoeconomic approach to creativity. In: New Ideas in Psychology, 10, 1992, pp. 131-147; R UNCO , M. A.: On economic theories of creativity. In: Creativity Research Journal, 4, 1991, pp. 198-200; D ERS .: Runco, M. A.: On investment and creativity. A response to Sternberg and Lubart. In: Creativity Research Journal, 4, 1991, pp. 202-205; S TERNBERG , R. J.: Successful intelligence. How practical and creative intelligence determine success in life. New York 1996; dt. Ausg.: Erfolgsintelligenz. Warum wir mehr brauchen als EQ + IQ. Aus dem Amerikanischen von Christel Erbacher-von Grumbkow. München 1998; D ERS .: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: An investment theory of creativity and its development. In: Human Development, 34, 1991, pp. 1-31; D IES .: On short-selling the investment theory of creativity. A reply to Runco. In: Creativity Research Journal, 4, 1991, pp. 200-202; D IES .: Buy low and sell high: An investment approach to creativity. In: Current Directions in Psychological Science, 1 (1), 1992, pp. 1-5; D IES .: Defying the crowd: Cultivating creativity in a culture of conformity. New York 1995; D IES .: Investing in creativity. In: American Psychologist, 51, 1996, pp. 677-688; U RBAN , K. K.: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule- Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004. Ishikawa-Diagramm Ursache-Wirkungs-Diagramm <?page no="111"?> 107 Kaizen K Kaizen (japan. „kai“: Veränderung, Wandel; „zen“: gut, zum Besseren; Kaizen: die Chance des Guten): in japanischen Unternehmen entwickelte und praktizierte Methode, die „die ununterbrochene Innovation von Waren, Herstellungsverfahren, Dienstleistungen und anderen Produkten“ beinhaltet. (G UNTERN , 1994, S. 95). In Deutschland wurde diese Strategie auf den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) übertragen. Beide Verfahrensweisen zielen darauf, die Faktoren Zeit, Kosten und Qualität unter betriebswirtschaftlichen Aspekten zu optimieren. Kaizen ist die Unternehmensphilosophie der ständigen Veränderung und Flexibilität, um auf die globalen Anforderungen und Umwelteinflüsse rasch zu reagieren und den Wachstumsprozess voranzutreiben. Der kontinuierliche Verbesserungsprozess wird fest in den Arbeitsprozess integriert; die Veränderung ist ein integraler Bestandteil des gesamten Leistungsprozesses. Die Tätigkeiten, Betriebsabläufe, die Qualität der Produkte sowie die Kundenbeziehungen werden ständig hinterfragt. Kaizen ist eine geeignete Methode, um das Kreativitätspotenzial der Mitarbeiter zu mobilisieren, weiterzuentwickeln und nutzbringend einzusetzen. Ihre Ideen, Anregungen und Vorschläge führen zur Qualitäts- und Produktivitätssteigerung. Kreativität wird damit zum festen Bestandteil der Tätigkeit jedes Mitarbeiters. Das japanische Kaizen beinhaltet also grundlegende Zielvorgaben, die über den Erfolg des Unternehmens entscheiden. Dazu gehören Material-, Zeit- und Energieeinsparungen, Qualitätssteigerungen, Arbeitsplatzgestaltung, Arbeitserleichterung und Umweltschutz. • Alle Anregungen, Ideen und Vorschläge, die von den Mitarbeitern unterbreitet werden und dazu dienen, die Abläufe zu verbessern, kreativer zu gestalten und die Qualität zu erhöhen, werden ernst genommen. • Auch abwegig erscheinende Einfälle, die zunächst unbrauchbar erscheinen, werden sachlich geprüft. Die japanischen Unternehmer vertreten den Standpunkt, dass sie dies ihren Mitarbeitern schuldig sind. • Die Verbesserungen (Innovationen) erfolgen meist in vielen kleinen Schritten. Grundlegende Umgestaltungen im Produktionsprozess sind eher selten. • Alle Mitarbeiter werden in das Vorschlagswesen einbezogen, auch die wenig qualifizierten. • Die Mitarbeiter sind an der Umsetzung ihrer Vorschläge beteiligt. • Die Unternehmenskultur spielt in diesem Umsetzungsprozess eine entscheidende Rolle. Alles, was ein japanisches Unternehmen erreichen kann, erreicht es mit den dort arbeitenden Personen, niemals gegen sie. • Teamwork und Workgroups sind die Basis für jede kreative Verbesserung. • Letztendlich bezahlt der Kunde mit dem gekauften Produkt auch die Gehälter der Mitarbeiter, nicht der Unternehmer. Das sollte jedem Angestellten bewusst sein. • Alle unternehmerischen Aktivitäten sind kundenorientiert. Die Zufriedenheit der Kunden hat oberste Priorität. (Vgl. B USCH , 1999, S. 99 f.) Jede neu erreichte Qualität wird zum verbindlichen Standard ernannt. Das Ende eines Innovationsprozesses ist der Beginn eines Optimierungsprozesses. Kaizen ist eine aktive Führungsaufgabe. Dabei ist es wichtig, die Mitarbeiter zu qualifizieren, um ihre Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu steigern und in den Innovationsbzw. Verbesserungsprozess zu integrieren. Es geht darum, neue Produkte zu entwickeln und die vorhandenen qualitativ zu verbessern. Dieser kontinuierliche Verbesserungsprozess führt zu Kosteneinsparungen durch Qualitätsverbesserungen. Dabei soll jegliche Verschwendung beseitigt werden: Einsparung von Energie, Material und Ressourcen, Verbesserung des Arbeitsumfeldes, der Produktionsmittel, Verbesserung von Verwaltungsabläufen, Arbeitssicherheit, Produktqualität und Arbeitsproduktivität. Es besteht eine Kultur der Fehlertoleranz, denn in Mängeln und Fehlleistungen liegt die Chance, dazuzulernen. Bei Fehlern werden nicht Sündenböcke gesucht, sondern deren Ursachen. Zu den Erfolgsfaktoren zählen auch die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen in Japan. Dazu gehören „intakte Familien, hohes Bildungsniveau, Fleiß, eiserne Disziplin, Perfektio- <?page no="112"?> Katalog-Methode 108 nismus in der Leistungserbringung, Flexibilität, Innovationsfreude und der hohe Stellenwert der Arbeit.“ (F ÜSER , 2007, S. 118). Kaizen ist mehr als die Weiterentwicklung des betrieblichen Vorschlagswesens, denn diese Unternehmensphilosophie nutzt die Kreativität der Mitarbeiter für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess und bezieht sie aktiv ein. Dadurch wird gleichzeitig die Teamkreativität gefördert. Lit.: B USCH , B. G.: Erfolg durch neue Ideen. (Das professionelle 1 x 1). Berlin 1999; F ÜSER , K.: Modernes Management. Business Reengineering, Benchmarking, Wertorientiertes Management und viele andere Methoden. (Beck-Wirtschaftsberater im dtv), 4. Aufl., München 2007; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich, Berlin, New York 1994; I MAI , M.: Kaizen. Der Schlüssel zum Erfolg im Wettbewerb. Berlin 2001; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; W ÖLM , D.: Kreatives Marketing. Eine zukunftsorientierte Perspektive. Stuttgart 1998. Katalog-Methode Reizwortanalyse Kernkompetenz (core competence): umfasst die besondere Fähigkeit des Herstellers, das spezifische Wissen eines Unternehmens, um Spitzenleistungen zu erreichen und auf dem Markt zu bestehen. Der Begriff wurde von dem US-amerikanischen Ökonomen und Managementexperten Peter F. Drucker (1909-2005) und von dem indisch-amerikanischen Wirtschaftsmanager Coimbatore Krishnarao Prahalad (1941-2010) eingeführt. Jedes Unternehmen benötigt Kernkompetenzen, um eine Führungsposition einzunehmen und diese gegen die Konkurrenten zu verteidigen. Das erfordert, die eigene Leistung und die der Konkurrenten zu überwachen ( Benchmarking). Die wichtigste Kernkompetenz ist die Innovationskraft. Deshalb muss sich das Unternehmen darauf konzentrieren, seine Kernkompetenzen in hohem Maße zu beherrschen. Lit.: B UHL -B ÖHNERT , T.: Führen im Dialog mit sich und anderen. Dialog als Kernkompetenz in der professionellen Kommunikation. Renningen ²2013; D RUCKER , P. F.: Management: Tasks, Responsibilities, Practices. Harper & Row. New York 1973; F ÜSER , K.: Modernes Management. Business Reengineering, Benchmarking, Wertorientiertes Management und viele andere Methoden. (Beck-Wirtschaftsberater im dtv), 4. Aufl., München 2007; P RAHALAD , C. K.: Manager Magazin, Nr. 2, 1995, S. 84; P RAHALAD , C. K./ H AMEL , G.: Nur Kernkompetenzen sichern das Überleben. In: Harvard Business Manager, Nr. 2, 1991, S. 66-78. KJ-Methode (KJ method): Kawakita-Jiro-Methode; eine Analysemethode, mit deren Hilfe man die Struktur und die Besonderheiten eines Problems ermitteln und darstellen kann. Sie wurde von dem japanischen Anthropologen Jiro Kawakita entwickelt und 1967 eingeführt; KJ ist benannt nach den Anfangsbuchstaben seines Nachnamens und Vornamens, denn im Japanischen steht zuerst der Nachname. In Japan unter der Bezeichnung kami-kire ho (Altpapiertechnik) bekannt, weil Kawakita die Teilnehmer ihre Gedanken und Vorschläge ursprünglich auf Altpapier schreiben ließ. Es ist „eine Brainstorming-Technik, bei der Ideen, gemäß der neutralen Fakten und Nuancen der jeweiligen Situation, individuell entwickelt werden können.“ (M ICHALKO , 2001, S. 223). Die Methode besteht aus zwei Stufen, der Problemdefinition und der Problemlösung. Jedes Gruppenmitglied analysiert zunächst den Kern des Problems (Faktensammlung). Alle Einzelinformationen zu einem Problem werden auf Kärtchen geschrieben. Die Anzahl der Kärtchen ist nicht vorgegeben, aber es können ca. 100 bis 200 sein. Diese werden auf einer großen Tischfläche ausgebreitet. Danach erfolgt die Suche nach Oberbegriffen, d. h. diejenigen Kärtchen, deren Informationsgehalte miteinander in Beziehung stehen, werden zu kleinen Stapeln zusammengefasst. Für jeden dieser Stapel wird ein neues Deckblatt geschrieben, das den Inhalt der darunterliegenden Informationen als Oberbegriff <?page no="113"?> 109 klassische Synektik enthält. Aus den verbliebenen Kärtchen wird erneut nach Oberbegriffen selektiert. Anschließend werden die Kartenstapel detailliert ausgewertet, d. h. die auf den Kärtchen notierten Informationen werden auf ihre inhaltlichen Beziehungen, Gemeinsamkeiten und Abhängigkeiten untersucht. Diese werden mit Hilfe von Verbindungspfeilen, Symbolen und Beschriftungen grafisch hervorgehoben. Aus den gewonnenen Informationen werden Hypothesen formuliert und Lösungsvorschläge unterbreitet. Diese Methode ist in Japan sehr verbreitet und wird zur Formulierung wissenschaftlicher Hypothesen, zur Lösung technischer Probleme sowie im Marketingbereich angewandt. Sie dient der intensiven analytischen Durchdringung komplexer Problembereiche. Alle wichtigen Elemente eines Problems können dadurch erfasst und ihr Zusammenhang in Teilsystemen dargestellt werden. Wesentliche Beziehungen zwischen diesen Substrukturen werden dadurch erkennbar. Diese Methode ist allerdings relativ zeitaufwendig. Lit.: M ICHALKO , M.: Erfolgsgeheimnis Kreativität. Was wir von Michelangelo, Einstein & Co. lernen können. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Sabine Gebhardt-Herzberg. Landsberg am Lech 2001; S CHRÖ- DER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005. klassische Synektik (classical synectics; von griech. synektikós: zusammenfassend; synechein: verknüpfen, etwas miteinander in Verbindung bringen): ein kreativer Problemlösungsprozess; das Zusammenfügen unterschiedlicher, scheinbar zusammenhangloser Faktoren, um das Problem auf Umwegen einzukreisen, ohne sich dabei durch konventionelle Lösungsvorschläge hemmen zu lassen. Dabei nutzt man die Analogie-Technik, eine Methode, um Lösungen aus problemfremden Bereichen auf neue Aufgabenstellungen zu übertragen, wobei das Fremdartige vertraut gemacht und das Vertraute wieder verfremdet wird. Dadurch werden weit auseinanderliegende Sachverhalte aus unterschiedlichen Wissenschaften in einen neuen Sinnzusammenhang gebracht. Synectics wurde 1944 von dem US-amerikanischen Psychologen William J. J. Gordon (1919-2003) als Gruppentechnik zur Förderung des kreativen Denkens und Problemlösens entwickelt. (A MABILE , 1996, p. 245). Diese Technik wird heute als klassische Synektik bezeichnet und umfasst drei grundlegende Merkmale: 1. Auswahl möglichst kreativer, hochqualifizierter Personen; 2. intensive Schulung (z. B. in Psychoanalyse, Informationsverarbeitung, Problemlösungsverhalten); 3. Konfrontation mit schwierigen Aufgaben, um den Teilnehmern ein hohes Maß an Kreativität abzuverlangen. Die Grundregel dieser Technik lautet: 1. Das Fremde vertraut zu machen, d. h. es zu analysieren, damit es vertrauter wird. In dieser analytischen Phase wird das Fremde mit dem bereits Bekannten verknüpft. 2. Das Vertraute fremd zu machen, d. h. es aus einer anderen Sicht zu betrachten, wobei durch Verfremdung des gestellten Problems nach Lösungsmöglichkeiten gesucht wird. William J. J. Gordon unterscheidet vier Phasen: 1. Selbständiges Involvement: In diesem Stadium soll sich der Teilnehmer für das Problem interessieren und motiviert werden, sich damit zu beschäftigen. 2. Aufschub: Der Mitarbeiter soll sich nicht mit dem ersten Lösungsvorschlag zufriedengeben, sondern sich um weitere bemühen, ein Prinzip, das an den Bewertungsaufschub beim Brainstorming erinnert. 3. Spekulation: Diese Phase dient der freien unkritischen Produktion. 4. Objektautonomie: Kreative Gedanken gewinnen ein Eigenleben, eine eigene Dynamik, wodurch subjektiv das Gefühl entsteht, nicht an ihrem Entstehen beteiligt zu sein. (Vgl. S EIFFGE -K RENKE , 1974, S. 267). Durch das Zusammenwirken von Personen verschiedener Berufe, Fähigkeiten und Bildungsgrade in einer Gruppe wird eine unterschiedliche, auch ungewöhnliche Sicht auf das Problem ermöglicht. Die Gruppe assoziiert zunächst über bestimmte Aspekte des Problems, wobei dieses selbst ein Eigenleben bekommt und durch Analogien und Metaphern aus den verschiekleine <?page no="114"?> Kreativität 110 densten Bereichen verfremdet wird. Über scheinbar irrelevante Einfälle, Ideen und Spekulationen, durch das nicht rationale und frei assoziative Denken wird eine neue Perspektive sichtbar, die das Potenzial einer Lösung des Problems in sich birgt. Die Gruppe kehrt nun zur ursprünglichen Fragestellung zurück und erarbeitet alle Details der Lösung bis zur praktischen Durchführbarkeit. Bei dieser Kreativitätstechnik kommt es darauf an, die Problemlösung nicht durch ein starres, direktes und willentliches Lossteuern auf das Ziel, sondern gewissermaßen durch ein »Beiseiteschauen« anzugehen. Diese Methode des ›Wegschauens‹ wird besonders in Asien angewandt, wo sie in den Varianten Yoga (in Indien), Taoismus (in China) und im Zen- Buddhismus (in Japan) verbreitet ist. Eugen Herrigel (1884-1955) hat dieses Prinzip 1948 in seinem Buch „Zen in der Kunst des Bogenschießens“ erläutert. Wer mit Pfeil und Bogen etwa sportlich umgeht, verfehlt diesen Weg. Nur wer vom Ziel wegsieht, entspannt sich so, dass das „Es“ den Pfeil absichtslos genau in die Mitte der Scheibe trifft. Dietmar Zobel gliedert die synektische Methode in acht Phasen: 1. Problemanalyse und Problemdefinition, spontane Lösungen 2. Neu definiertes Problem (Neuformulierung) 3. Direkte Analogien zum Problem (z. B. aus der Natur) 4. Persönliche Analogien 5. Symbolische Analogien (Analogien, die sich scheinbar noch weiter vom Thema entfernen, die aber durchaus den Kern treffen) 6. Direkte Analogien aus der Technik 7. Analyse der direkten Analogien, Auswahl 8. Übertragung auf das Problem, Entwicklung konkreter Lösungsideen (Z OBEL , 2007, S. 30) Die Anwendung der klassischen Synektik ist für Gruppen besonders geeignet, da sie das Individuum vom Konformismus abbringt und Originalität und Erfindungsgeist fördert. Durch die Verfremdung des Problems sollen die Teilnehmer zu neuen originellen, oft überraschenden Lösungsansätzen gelangen, analog dem unbewusst ablaufenden Prozessen. Die Theorie basiert auf dem bewussten Gebrauch von unbewussten oder vorbewussten psychologischen Mechanismen. Eine Variante dazu ist die visuelle Synektik, die mit bildlichen Anregungen arbeitet. Lit.: A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; G ORDON , W. J. J.: Synectics. The development of creative capacity. New York 1961; D ERS .: Operational approach to creativity. In: Harvard Business Review, 34, 1956, pp. 41-56; H ER- RIGEL , E.: Zen in der Kunst des Bogenschießens. München 1948; L INNEWEH , K.: Kreatives Denken. Techniken und Organisation produktiver Kreativität, 6. Aufl., Rheinzabern 1994; P IMMER , H.: Kreativitätsforschung und Joy Paul Guilford (1897-1987). München 1995; P RINCE , G. M.: The practice of creativity. New York/ Evanston/ London 1970; S EIFFGE -K RENKE , I.: Probleme und Ergebnisse der Kreativitätsforschung. Bern/ Stuttgart/ Wien 1974; Z OBEL , D.: Kreatives Arbeiten. Methoden - Erfahrungen - Beispiele. Renningen 2007. kleine Kreativität (little creativity): eine Art „spielerisch-kombinatorischer ›Kreativität‹“, bei der es „nicht um die geniale Neuerfindung von Gesamtgebieten, Regelungen und völlig neuen Grundlageninspirationen geht“ (L ENK , 2006, S. 260 f.), sondern um eine Art Vorwärtsverbesserung (forward incrementation). Dabei können kreative sinnvolle Lösungen erbracht werden, die sich in die Fortentwicklung eines Bereichs einordnen. (L ENK , 2007, S. 128). Sie besteht aus einem „optimalen Mix“ von „kombinatorischen Entdeckungen, Transformationen, Umgestaltungen“ (Umwandlungen und Verwandlungen) „von bereits Vorhandenem - jedenfalls der Tendenz oder Ausrichtung nach.“ (L ENK , 2006, S. 261; Lenk, 2007, S. 127). Kreative Personen neigen dazu, sich zwischen Originalität und Rezeption traditioneller Methoden hin und her zu bewegen. Dies, vermutet Hans Lenk, ist „eine notwendige Bedingung zur Aufrechterhaltung einer produktiven Originalitätsspannung“. (L ENK , 2007, S. 127). Die Form der „kleinen Kreativität“ bildet in Sternbergs Propulsionstheorie der Kreativität den dritten Typ. <?page no="115"?> 111 kreativ Lit.: L ENK , H.: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongreß für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007. kollektive Kreativität Gruppenkreativität Konsequenzprobleme Problemgruppen Konstellationsprobleme Problemgruppen kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP): Continuous Process Improvement (CPI) Kaizen konvergentes Denken (convergent thinking): gleichgerichtetes, planmäßiges Denken, das meist nur eine präzise Lösung für ein gegebenes Problem verfolgt; die systematische Ausarbeitung einer vorgegebenen Idee. Dies ist meist in herkömmlichen Intelligenztests der Fall. divergentes Denken Kooperative Kreativität Gruppenkreativität Kopfstand-Technik (headstand-technique): auch als Umkehrmethode, Destruktivkonstruktives Brainstorming, Flip-Flop-Technik oder Worst-Case-Methode bezeichnet. Diese Kreativitätstechnik dient dazu, ein zu lösendes Problem aus einer anderen Perspektive zu betrachten, um dadurch neue Lösungsansätze zu ermöglichen. Fragestellungen werden dabei bewusst auf den Kopf gestellt, also ›umgekehrt‹, um die herkömmliche, festgefahrene Sichtweise zu verlassen und Bekanntes aus einem neuen Blickwinkel zu sehen. Dabei wird das Problem zunächst neu formuliert. Für die umgekehrte Fragestellung kann ein Brainstorming oder Brainwriting durchgeführt werden. Nach der Sichtbarmachung der Fragestellung (z. B. auf einer Pinnwand), wozu die Teilnehmer ihre Ideen auf Karteikarten vermerken, werden die negativ formulierten Vorschläge anschließend positiv umgedeutet, woraus schließlich konkrete Lösungsvorschläge abgeleitet werden. Diese können auf einer zweiten Pinnwand sichtbar gemacht werden. Die dabei erzielten Lösungsangebote werden abschließend nach Oberbegriffen geordnet und bewertet. Da die Denk- und Verhaltensmuster auch vom jeweiligen Standpunkt des Betrachters abhängen, kann durch die Umkehrmethode das logische oder konvergente Denken in divergentes oder kreatives Denken gelenkt werden. Lit.: B ONO , E. DE : Laterales Denken. Der Kurs zur Erschließung Ihrer Kreativitätsreserven. Düsseldorf/ Wien 1992. kreativ (lat.-neulat.; engl. creative): schöpferisch, einfallsreich, erfinderisch, eigene Ideen entwickelnd Kreativität <?page no="116"?> Kreativarbeiter 112 Kreativarbeiter (creative worker): Bezeichnung für innovative Mitarbeiter, die im fundamentalen Wandel der Arbeitswelt neue Chancen erkennen und Zukunftskompetenz erwerben. Sie unterscheiden sich vom Angestellten und „Organization Man“, werden zu aktiven Mitgestaltern der sich verändernden neuen Arbeitskultur und zu Lebensunternehmern, die entlang der Berufsbiografie ihr eigentliches Arbeitsportfolio entwickeln. Kreativarbeiter sind alle Personen in den kreativen Berufen der Wirtschaft, Technik, Kultur, in den Wissenschaften und Medien und alle, die die gesellschaftlichen und globalen Veränderungen als Grundlage und Voraussetzung für produktive, originelle, schöpferische Ideen und Leistungen ansehen, im Sinne des Planens, Entwerfens, Gestaltens, Erfindens und Entdeckens. Der Maßstab hierfür ist die Originalität und Neuartigkeit der Problemlösung, der Einfallsreichtum und die Flexibilität des Individuums, die Offenheit und Flüssigkeit des schöpferischen Prozesses und die Fähigkeit, alternative Lösungen für ein Problem zu finden. Kreativarbeiter sind Persönlichkeiten, die nach der Verwirklichung ihres individuellen Lebensentwurfs, nach Selbstverwirklichung streben und an Erfolg und Karriere interessiert sind, z. B. Manager, Ingenieure, Techniker, Designer, Architekten, Marketing- und Werbefachleute, Landschaftsgärtner, Chemiker, Ärzte, Handwerker, künstlerisch und freiberuflich Tätige u. a. Kreativarbeiter sind alle, die ihren Beruf mit intrinsischer Motivation und Begeisterung ausüben, darin Freude und Erfüllung finden und die bereit sind, ihre Arbeit und sich selbst immer wieder neu zu definieren. Kreative Klasse; Wissensarbeiter Lit.: K EICHER , I./ B RÜHL , K.: Sie bewegt sich doch! Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen. Zürich 2008; L OTTER , W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009. kreativer Akt (act of creation): Schöpfungsakt. Er findet in einem besonderen Ich- Zustand statt, in einem Zustand der Entspannung, z. B. zwischen Wachen und Schlafen, in dem die Gedanken und Einfälle unbeschwert zirkulieren. Dieser Zustand wird von dem Psychoanalytiker Günter Ammon (1918-1995) als tertiärer Denkprozess bezeichnet, wobei als primärer Denkprozess das unbewusste Traumdenken und als sekundärer Denkprozess das rational-logische, also bewusste Denken angesehen wird. (Ammon, 1981/ 85, S. 433). „Im kreativen Akt werden die neuen Erfahrungen und Erlebnisse in das Ich integriert. Immer wird durch kreative Akte die zentrale Ich-Struktur im Sinne von Ich- und Identitätserweiterung verändert. Kreativität bedeutet dementsprechend Strukturgewinn, Veränderung der Persönlichkeit und der Gruppe, was immer auch mit einem Infragestellen der bisherigen Identität bis zum letzten Risiko der Selbstaufopferung verbunden ist.“ (Ammon, 1981/ 85, S. 437). Der wichtigste kreative Akt eines Menschen und „die Basis seiner kreativen Tätigkeit überhaupt“ ist nach Ammons Auffassung „die Entwicklung einer eigenen Identität.“ (A MMON , 1998, S. 22 u. 27). Thomas Auchter (*1948) meint: „Der erste schöpferische Akt des Menschen ist das Schaffen seines Selbst er hört nie auf.“ (A UCHTER , 1984, S. 224 f.) Heinz Kohut (1913-1981) betont die Ichbezogenheit, die Selbstliebe des kreativen Aktes: „Ein gewisses schöpferisches Potenzial wie begrenzt dies auch immer sein mag liegt im Erfahrungsbereich vieler Menschen, und die narzisstische Natur des schöpferischen Aktes (die Tatsache, dass der Gegenstand schöpferischen Interesses mit narzisstischer Libido besetzt ist) kann durch gewöhnliche Selbstbeobachtung und Einfühlung nachvollzogen werden. Ungelöste intellektuelle und ästhetische Probleme führen etwa zu einem narzisstischen Ungleichgewicht, das das Individuum zu einer Lösung drängt. ...“ (K OHUT , 1984, S. 242 f.) „Die im Schöpfungsakt begriffene Person fühlt sich integrierter als im gewöhnlichen Zustand; ist stärker verbunden mit der Welt als üblich; empfindet, dass sie anstrengungslos funktioniert; erlebt sich als aktive Quelle ihres Handelns und Erlebens; fühlt sich frei von Einengungen; ist spontaner und ausdrucksfähiger als sonst; antwortet stärker auf ihr innerstes Selbst als auf äußere Mächte; fühlt sich niederer Triebkräfte entbunden; erlebt sich als Beschenkte.“ (M ATUSSEK , 1982, S. 56). Der kreative Akt wird in der Psychologie auch mit dem Zeugungs- <?page no="117"?> 113 kreatives Arbeitsklima, kreative Atmosphäre akt verglichen bzw. mit einer Schwangerschaft, worauf die Redewendungen „etwas austragen“, „etwas ausbrüten“, „eine befruchtende Idee“ hinweisen. „Vielleicht ist solche Nähe zur Schwangerschaft auch ein Grund dafür, dass mehr Männer als Frauen es nötig haben, in diesem Sinne schöpferisch zu sein. Denn im kreativen Akt ist es dem Manne möglich, ohne seine sonstige Abhängigkeit von der Frau etwas zu zeugen, wie das Wort ›Geisteskinder‹ andeutet.“ (A UCHTER , 1984, S. 218; Kuiper, 1984, S. 50). Der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer (*1947) betont: „... Am Anfang einer wissenschaftlichen Neuerung steht der kreative Akt eines einzelnen Menschen“, und aus diesem Grund schlägt er vor, „dem Kuhnschen Konzept der normalen Wissenschaft nicht die revolutionäre, sondern die kreative Wissenschaft gegenüberzustellen.“ Dazu führt er aus: „Wer forscht, hat viel Routinearbeit (»Normalität«) zu erledigen, wobei diese Tätigkeit durch hochwertige Eigenschaften charakterisiert ist. Wer als Wissenschaftler erfolgreich arbeiten (und damit sein Geld verdienen) will, muss sorgfältig, korrekt, logisch, detailbesessen und umfassend vorgehen und möglichst vollständig aufzeichnen, was er tut. All dies bringt allerdings kaum Kreativität hervor. Mit den genannten »unkreativen« Qualitäten ist der stetige technische Fortschritt derjenige, an den wir alle gewöhnt sind und der durch äußere Momente und Bedürfnisse angetrieben und ausgerichtet wird. Revolutionäre Neuerungen kommen nicht von außen, sondern von innen, und sie vollziehen sich so plötzlich, dass sie von den forschenden Personen, in denen innere Bilder auftauchen, als Offenbarung erlebt werden.“ (F ISCHER , 2003, S. 384 f.) Potenzialität Lit.: A MMON , G.: Zur Dynamik des Schöpferischen. In: Kindlers Enzyklopädie. Der Mensch, hg. von Herbert Wendt und Norbert Loacker, 10 Bde., Zürich 1981-1985, Bd. VI: Sprache, Kunst und Religion, S. 430- 448; D ERS .: Kreativität und Ich-Entwicklung in der Gruppe. In: Ammon, G. (Hrsg.): Gruppendynamik der Kreativität. Eschborn bei Frankfurt/ M. ²1998, S. 12-36; A UCHTER , T H .: Die Suche nach dem Vorgestern - Trauer und Kreativität. In: Kraft, H. (Hrsg.): Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. Köln 1984, S. 206-233; F ISCHER , E. P.: Die andere Bildung. Was man von den Naturwissenschaften wissen sollte. Berlin 2003; K OESTLER , A.: The act of creation. London, NewYork 1964, ³1990; dt. Ausg.: Der göttliche Funke. Der schöpferische Akt in Kunst und Wissenschaft. (dms - das moderne Sachbuch, Bd. 78). Bern, München, Wien 1966, ²1968; K OHUT , H.: Kreativität. In: Kraft, H. (Hrsg.): Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. Köln 1984, S. 234-251; K UIPER , P. C.: Die psychoanalytische Biographie der schöpferischen Persönlichkeit. In: Kraft, H. (Hrsg.): Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. Köln 1984, S. 38-63; M ATUSSEK , P.: Kreativität. In: Kindlers »Psychologie des 20. Jahrhunderts«. Psychologie der Kultur, Bd. 1: Transzendenz und Religion, hg. von Gion Condrau. Weinheim/ Basel 1982, S. 40-62. kreatives Arbeitsklima, kreative Atmosphäre (creative work climate; creative atmosphere at work): ein schöpferisches Arbeitsklima; das Schaffen von Bedingungen, unter denen Personen ihre optimale Kreativität entfalten können. Dazu zählen persönliche Freiheit, Sicherheit, kreativer Gedankenaustausch, eine motivationspsychologische Arbeits- und Arbeitsplatzgestaltung sowie kreativitätsfördernde Maßnahmen, die den Mitarbeiter zur intrinsischen Motivation und zum beruflichen Engagement inspirieren (z. B. die Einführung von flexibler Arbeitszeit). Der Wirtschaftsingenieur und Unternehmensberater Helmut Schlicksupp (1943-2010) nennt folgende erfolgversprechende Ansätze zur Entfaltung von Kreativität. Sie bestehen in: - „Delegation als Führungsprinzip; Gewährung weitgehender Autonomie bei der Sachbearbeitung (Wahl der Vorgehensweise, keine Vorgabe von starren Schemata, wie bei Problemlösungen oder der Bewältigung von Aufgaben zu verfahren ist); mitarbeiterorientierter Führung, die weder patriarchalisch-autoritär ist noch nach dem Motto des »laisserfaire« handelt; Unterstützung der Mitarbeiter in sachlichen und persönlichen Fragen; Bemühen um die fachliche Entwicklung und das Fortkommen des Mitarbeiters (systematische Personalentwicklung); der Weitergabe relevanter Planungs- und Führungsinformationen an die Mitarbeiter; Einschaltung der Mitarbeiter in Zielbildungs- und Entscheidungsprozessen (erst Zieltransparenz ermöglicht eine kritische Reflexion der ausgeführten Arbeiten; Mitwirkung an Entscheidungen führt zu Identifikation und Engagement); <?page no="118"?> kreatives Denken 114 - Beförderungsrichtlinien, die sich nicht nur an Sachkenntnissen und materiellen Erfolgen orientieren, sondern ebenso an sozialen Fähigkeiten, an Kooperationsbereitschaft, Teamfähigkeiten usw.; einer generellen Aufgeschlossenheit des Managements gegenüber Neuerungen und einer vertikalen Durchlässigkeit der Organisation für Vorschläge aus allen Ebenen; Aufbau eines Unternehmensklimas, in dem innovatives Verhalten gewürdigt wird; einer Abkehr von individueller Isolation in der Berufserfüllung hin zu stärker betonter Teamorientierung.“ (S CHLICKSUPP , 2004, S. 46). Der Psychoanalytiker Günter Ammon (1918-1995) erklärt: „Die Atmosphäre kreativen Tätigseins wird immer eine individuelle sein. Dazu kann eine persönlich gestaltete Umgebung gehören, Freiheit in der Wahl der Kleidung, ein eigenwilliger körperlicher Ausdruck, eine besondere Sprechweise. Freilich lässt sich ein kreativer Zustand durch bloße Manipulation der umgebenden Atmosphäre nicht erzwingen. Zu einer kreativen Atmosphäre gehört der Kontakt zwischen den Menschen, ebenso eine intensive Konzentration und Eindringlichkeit mit unerbittlicher Zielrichtung. Man kann fallweise von einer ekstatischen Gestimmtheit sprechen, die mit oft ungeheuer großer Leistungskraft einhergeht. Zu der kreativen Atmosphäre gehört immer ein in sich ruhendes Zeiterleben, das manchmal die Fülle von jahrelanger gemessener, fließender Zeit in sich birgt und mit einer besonderen Empfindlichkeit und Freude verbunden ist, einer gesteigerten Wahrnehmung für Licht, Farben und Gerüche. - Immer wird die kreative Situation ein Stück gelebte Lebenszeit darstellen, in der häufig »schlagartig« so viele bedeutsame Ereignisse auftreten wie sonst manchmal in Jahrzehnten nicht.“ (Ammon, 1981/ 85, S. 438). kreatives Umfeld. Lit.: A MMON , G.: Zur Dynamik des Schöpferischen. In: Kindlers Enzyklopädie. Der Mensch, hg. von Herbert Wendt und Norbert Loacker, 10 Bde., Zürich 1981-1985, Bd. VI, S. 430-448; G OLEMAN , D./ K AUFMAN , P./ R AY , M.: Kreativität entdecken. München/ Wien 1997; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; D ERS .: Maskentanz der Mediokratie. Mittelmaß versus kreative Leadership. Zürich 2000; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen), 6. Aufl., Würzburg 2004. kreatives Denken (creative thinking) auch als produktives, schöpferisches, divergentes oder laterales Denken bezeichnet. Es beinhaltet etwas Neues, bisher nicht Gedachtes zu denken, das Suchen nach neuen Problemlösungen bzw. möglichen Lösungswegen, deren Anwendbarkeit anschließend durch evaluatives Denken geprüft und verifiziert, also bewertet wird. Damit werden gleichzeitig noch völlig unbekannte Möglichkeiten aus dem Unbewussten freigelegt. ( unbewusste Denkprozesse). Die fragende Neugierde, d. h. der Impuls, grundsätzliche Denkweisen, herkömmliche Vorstellungen, vorgegebene künstlerische und wissenschaftliche Normen, Lebensstile und Systeme in Frage zu stellen, bildet die entscheidende Voraussetzung für Kreativität. Die ideale Voraussetzung für kreatives Denken ist ein besonderer Ich-Zustand der Entspannung, zwischen Wachen und Schlafen, in dem die Einfälle leichter, fast spielerisch zirkulieren. Der Psychoanalytiker Günter Ammon (1918-1995) führte dafür den Begriff „tertiärer Denkprozess“ ein, wobei er das unbewusste Traumdenken als primären Denkprozess und das rational-logische, also bewusste Denken als sekundären Denkprozess bezeichnet. (Ammon, 1981/ 85, S. 433, 435-438). Der „tertiäre Denkprozess“ ist gekennzeichnet durch: 1. die lang andauernde Beschäftigung mit einem Thema, das den ganzen Menschen ergreift. Sie kann oft unterbrochen werden, wird aber immer wieder aufgenommen. 2. eine außerordentliche Sensibilität, sowohl für stimulierende Momente der wirklichen Situation als auch für die Welt der eigenen Vorstellungen; 3. im schöpferischen Prozess sind alle Ich-Funktionen enthalten, die im kreativen Akt eine Verbindung zwischen Künstler und Werk herstellen; 4. eine erhöhte Beweglichkeit der Ich-Funktionen, besonders der Ich-Abgrenzung, verbunden mit besonderer Offenheit für Denken, Erotik und Aggression; 5. die Freiheit von Kanalisierungen im Sinne eines konventionell erstarrten formalistisch-logischen, rationalen Denkens. <?page no="119"?> 115 kreatives Denken Joy Paul Guilford (1897-1987) unterscheidet drei Bereiche des Denkens: Kognition, Produktion und Evaluation. Die Kognition repräsentiert die Fähigkeit, Informationen zu erkennen oder wiederzuerkennen. Die Produktion bezeichnet die Fähigkeit, bekannte Informationen anzuwenden, manchmal mit dem Ziel, neue Informationen zu gewinnen. Die Produktion gliedert sich in konvergentes und divergentes Denken, wobei ersteres für diejenigen Aufgaben zur Anwendung kommt, für die es nur eine Lösung gibt. Divergentes Denken ist dagegen bei Problemen notwendig, die mehrere Lösungen zulassen. Evaluation ist die Fähigkeit zur Bewertung, welche Lösungsmöglichkeit brauchbar ist. Durch Kreativitätstechniken kann das Denken beeinflusst werden, um auch entferntere und ungewohnte Vorstellungen miteinander zu verknüpfen, flüssiger, weiträumiger, dynamischer, phantasievoller zu denken. Das divergierende oder divergente Denken ist nach Guilford die wichtigste Voraussetzung kreativer Tätigkeit und durch die Merkmale Flüssigkeit, Flexibilität und Elaborationsfähigkeit ( Elaboration) gekennzeichnet. Kreatives Denken dient der problemlösenden Daseinsbewältigung und der Erkenntnis ihrer Möglichkeiten. Das Denken ist ein Forschungsgebiet der Kognitionspsychologie, die gegenüber der traditionellen Denkpsychologie eine erweiterte Auffassung von der kreativen Bewältigung von Lebensaufgaben und Problemlösungen hat. Beim kreativen Denken erfolgt in kognitiver Hinsicht „eine Verarbeitung von Wissensinhalten, deren Deutung und Umordnung und vor allem ... ein Hinterfragen ihrer Voraussetzungen, um auf diese Weise etwas Neues zu schaffen.“ (T OEPFER , 2005, Bd. 1, S. 811). Es ist ein entwerfendes, gestaltendes Denken, das Vorgehen nach einem Plan, der die Handlungen antizipiert. Das kreative Denken fasst die verschiedenen Formen des produktiven Denkens zusammen. Kennzeichnend sind z. B. eine hohe Problemsensitivität (gesteigertes Fragepotenzial), Ideenreichtum (schnelle und vielfältige Ideenassoziationen), Flexibilität (die Fähigkeit, vorhandenes Material umzustruktuieren), Originalität, ein heuristischer Denkstil (das Entwickeln und Probieren neuartiger Lösungsmöglichkeiten), das Aufstellen, Prüfen, Verwerfen und Neufassen von Hypothesen, bis für ein Problem ein als adäquat erkannter Lösungsweg gefunden ist. Im Verlauf des Prozesses der Umstrukturierung und Neuformierung können neuartige Assoziationen und Pläne zur Bewältigung der Problemsituation entworfen werden. Es werden verschiedene Denktypen unterschieden: Diskursives Denken ist dadurch gekennzeichnet, dass die einzelnen Denkoperationen unter hoher Bewusstseinskontrolle logischsystematisch und geplant erfolgen. Im Gegensatz dazu verläuft das intuitive Denken sprunghaft, gekennzeichnet durch plötzliche Einfälle, die sich z. T. unbewusst einstellen und subjektiv mit dem Erlebnis der Evidenz verbunden sind. Divergentes Denken kommt zu neuartigen, vom Gewohnten abweichenden, entgegengesetzten, also divergierenden Erkenntnissen. So wird es möglich, die Aufgabe oder das Problem in Sinnzusammenhänge einzuordnen, die eine unerwartete Lösung ermöglichen. Zwar wirken bei kreativen Tätigkeiten sowohl konvergentes als auch divergentes Denken mit, doch gilt letzteres als typisch kreativ. Nach Alex F. Osborn (1888-1966) hängt das kreative Denken vom freien Fluss der Ideen ab. Viele Menschen neigen dazu, ihre eigenen Ideen und die der anderen allzu rasch zu beurteilen, wodurch ihr Ideenfluss blockiert wird und sie dadurch nicht wirklich kreativ denken können. ( Kreativitätsblockade) Robert W. Weisberg meint dagegen, dass kreative Problemlösungen kein divergentes oder laterales Denken erfordern, sondern diese über Denkprozesse entstehen, die sich nicht von anderen unterscheiden. Außerdem zeigt er anhand von Forschungsergebnissen, dass das kreative wissenschaftliche Denken nicht mit der Fähigkeit zum divergenten Denken zusammenhängt. Das kreative Denken zeichne sich erst durch das Denkprodukt aus und nicht durch den Weg, auf dem der Denker zu ihm gelangt ist. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 95-98). Verbreitet ist auch die Annahme, dass kreatives Denken durch Kreativitätstechniken erlernbar ist. Andere Auffassungen besagen, dass kreative Menschen über bestimmte entscheidende psychologische Merkmale verfügen, wonach kreatives Denken nicht eine erlernbare Fertigkeit, sondern eine Ausdrucksform der Gesamtpersönlichkeit darstellt. Soll ein Mensch kreativ werden, müsse demnach seine Persönlichkeit verändert werden. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 102) Kreatives Denken bedeutet auch Fragen zu stellen und „in Frage stellen, Anpaskreatives <?page no="120"?> Denken 116 sung verweigern und Probleme artikulieren. Kreativität, soweit sie sich nicht auf vorgegebene Probleme beschränkt, kann deshalb zu Konflikten in Schule und Beruf führen.“ (P REISER , 1986, S. 21). Annette Blumenschein und Ingrid Ute Ehlers nennen folgende Hauptbestandteile bzw. Komponenten kreativen Denkens und Handelns: die Fähigkeit zur Bildung von Analogien, um Parallelen zu erkennen - Assoziationsfähigkeit - Vorstellungskraft und bildhaftes Denken, d. h. die Fähigkeit, Inhalte mit Bildern zu verbinden ganzheitliches Denken (unter Einbeziehung beider Gehirnhälften) prozessorientiertes Denken (d. h. Denken nicht nur in einzelnen Lösungsschritten, sondern im gesamten Verlauf der Aufgabenstellung) - Kombinationsfähigkeit (die Fähigkeit des konstruktiven Zusammenfügens) - Improvisationstalent (kreatives Umgehen mit Fehlern und Mängeln) die Fähigkeit zum Perspektivwechsel, zum Einnehmen verschiedener Denkpositionen - Scharfsinnigkeit - Sowohl-als-auch-Denken (die Bereitschaft, sich auf Mehrdeutigkeiten einzulassen) kreativer Mut (Risikobereitschaft und Mut zu unkonventionellen Gedanken) - Vielseitigkeit (Förderung verschiedener Facetten und Talente) konstruktive Kritikfähigkeit (die Bereitschaft, Sachverhalte und auch das eigene Denken und Handeln in Frage zu stellen) kreativer Humor (Blumenschein/ Ehlers 2002, S. 14 f.) Beim kreativen Denkprozess können sieben Phasen unterschieden werden: 1. Ideensammlung 2. Problemfindung 3. Ideenerzeugung 4. unterbewusster (intuitiver) Prozess 5. Ideenbewertung 6. Ideenentwicklung 7. Ideeneinführung (Kim, 2011) Bei dem derzeitigen Forschungsstand ist es allerdings schwierig, exakt zu bestimmen, worin kreatives Denken in Wissenschaft und Kunst besteht und wodurch es entsteht. Die Erkenntnis, wie sich durch das Zusammenwirken von Erbanlagen und Lernprozessen jenes Wissen und Können herausbildet, das die Grundlage für die kreativen Leistungen eines Menschen bildet, stellt ein Forschungsdesiderat dar. Lit.: A DAIR , J.: The art of creative thinking. How to be innovative and develop great ideas. London, Philadelphia 2009; A MMON , G.: Zur Dynamik des Schöpferischen. In: Kindlers Enzyklopädie. Der Mensch, hg. von Herbert Wendt und Norbert Loacker, 10 Bde., Zürich 1981-1985, Bd. VI, S. 430-448; B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; B RANDER , S./ K OMPA , A./ P ELTZER , U.: Denken und Problemlösen. Einführung in die kognitive Psychologie. Opladen ²1989; C RAWFORD , R. P.: Techniques of creative thinking. Englewood Cliffs, New York 1954; C RUTCH- FIELD , R. S.: Instructing the individual in creative thinking. In: New approach to individualizing instruction. Princeton, New York: Educational Testing Service, 1965, pp. 13-25; dt. Fassung: Individueller Unterricht in kreativem Denken. In: Mühle, G./ Schell, Ch. (Hrsg.): Kreativität und Schule. München 1970, ²1971, S. 116- 128; D ACEY , J. S.: Fundamentals of Creative Thinking. Lexington Books, Lexington, Massachusetts 1989; D E B ONO , E.: Der Weg zum kreativen Denken. Übungen zum kreativen Denken. München 1991; D ERS .: Kreatives Denken, München 1992; D ÖRNER , D.: Die kognitive Organisation beim Problemlösen. Versuche zu einer kybernetischen Theorie der elementaren Informationsverarbeitungsprozesse beim Denken. Bern 1974; G ARDNER , H.: Creating minds. An anatomy of creativity seen through the lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi. New York 1993; dt. Ausg.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart 1996; Hunter, S./ Bedell-Avers, K./ Hunsicker, C./ Mumford, M., & Ligon, G.: Applying multiple knowledge structures in creative thought: Effects on idea generation and problem-solving. In: Creativity Research Journal, 20, 2008, pp. 137-154; H UTCHINSON , E. D.: Materials for the study of creative thinking. In: Psychological Bulletin 1931, 28, pp. 392-410; K IM , K. H.: The creativity crisis: the decrease in creative thinking scores on the Torrance Tests of Creative Thinking. Creativity Research Journal 2011, 23, pp. 285-295; L INNEWEH , K.: Kreatives Denken. Techniken und Organisation produktiver Kreativität; kreative Denkprozesse, Problemlöseverhalten, Planungssystematik, Techniken der Ideenfindung, soziale Kreativität, 6. Aufl., Rheinzabern 1994; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative thinking. New York 1953; P ARNES , S. J./ H ARDING , H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61). Darmstadt, ²1986; S CHU- LER , H./ H ELL , B.: Analyse des schlußfolgernden und kreativen Denkens. Bern 2005; S ZEKELY , L.: Denkver- <?page no="121"?> 117 kreative Fähigkeiten lauf, Einsamkeit und Angst. Experimentelle und psychoanalytische Untersuchung über das kreative Denken. Bern 1976; T OEPFER , G.: Die Kreativität der Evolution - eine Kreativität der Mittel, nicht der Zwecke. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongreß für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 1, S. 811-822; T ORRANCE , E. P.: Torrance tests of creative thinking. Princeton 1966, ²1969; W EISBERG , R. W.: Creativity (A series of books in psychology, ed. by R. C. Atkinson, G. Lindzey and R. F. Thompson). New York 1986; dt. Ausg.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989; W HITING , C. S.: Creative thinking. New York 1958. kreative Einstellung (creative attitude): Dieser Begriff wurde 1959 von dem Psychoanalytiker Erich Fromm (1900-1980) geprägt. Nach seiner Auffassung stellt er die Basis jeder Kreativität dar. Diese Auffassung wird auch von Rollo May (1909-1994), von Frank Barron (1922-2002) und von Timothy Francis Leary (1920-1996) vertreten. Fromm definiert die Kreativität als objektives und unverzerrtes Sehen der Welt. „Diese Haltung der Umwelt gegenüber führt zum Eins-Werden mit ihr und ermöglicht gleichzeitig, dass die Welt durch die Identifikation aktiv umgestaltet wird. In dieser Aktivität erfährt sich das Individuum selbst und fühlt sich durch keine außerhalb seiner selbst liegenden Kräfte getrieben.“ (U LMANN , 1970, S. 37). Um also ein Problem überhaupt erst zu erkennen, muss das Individuum eine kreative Einstellung bzw. Geisteshaltung, ein aufgeschlossenes Verhalten gegenüber seiner Umwelt haben. Dabei muss die Einstellung jedoch kritisch sein, wobei auf die spezielle Situation differenziert zu reagieren ist. Dazu gehört auch eine unkonventionelle, originelle Sichtweise. Die kreative Einstellung, eine exzellente Beobachtungsgabe, die Sensibilität gegenüber der Umwelt ist wichtig für die Auslösung des kreativen Prozesses. Fromm unterscheidet zwischen kreativer Tätigkeit, wie malen, schreiben, komponieren, die eine Fähigkeit darstellt und auf Talent basiert, die erlernt und geübt werden kann, und zu einem neuen Produkt führt, und der kreativen Einstellung, die nicht unbedingt in einem Produkt sichtbar werden muss. Wichtige Voraussetzungen dafür sind die Fähigkeit der Wahrnehmung, die Veranlagung, „sich wundern“ zu können, und der Drang nach dem Neuen, dem kreativen Erleben. Dazu gehört auch Mut, die gewohnten Bahnen zu verlassen, um neue Wege zu gehen, der Mut zur Veränderung. Nur wenn das Individuum dazu bereit ist, keine Lebensphase als endgültig zu betrachten, kommt es zum kreativen Verhalten. Lit.: B ARRON , F.: The relationship of ego diffusion to creative perception. In: Taylor, C. W. (Ed.): Widening horizons in creativity. New York 1964, pp. 80-86; F ROMM , E.: The creative attitude. In: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 44-54; L EARY , T.: The effects of test feedback on creative experience. In: Taylor, C. W. (Ed.): Widening horizons in creativity. New York 1964, pp. 87-111; M AY , R.: The nature of creativity. In: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 55-68; U LMANN , G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes. Weinheim/ Berlin/ Basel ²1970. kreative Fähigkeiten (creative abilities): individuell spezifisch ausgeprägte Eigenschaften, die zur Lösungsfindung von Problemen erforderlich sind. Davon zu unterscheiden sind die angeborenen Anlagen, die im Laufe des Lebens erworbenen Erfahrungen und fachlichen Kenntnisse, individuelle Leistungsmerkmale und kognitive Faktoren. Zum integralen Bestandteil kreativer Fähigkeiten gehören die Problemwahrnehmung und die Problemanalyse. Die US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) und Victor Lowenfeld (1903-1960) unterscheiden zwischen kreativen Faktoren und kreativen Fähigkeiten. Faktoren sind die analytischen Elemente des Intelligenz-Struktur-Modells, während die Fähigkeiten komplexerer Natur sind, die oft aus mehreren Faktoren zusammengesetzt sind. Siegfried Preiser (*1943) nennt folgende kreativen Fähigkeiten: 1. Problemsensivität; 2. Einfalls- und Denkflüssigkeit, d. h. die Fähigkeit, zu einem Thema in kurzer Zeit möglichst viele Ideen zu produzieren. Dazu müssen die entsprechenden Informationen aus dem Gedächtnisspeicher abgerufen werden. Diese Fähigkeit beruht auf divergentem Denken; <?page no="122"?> kreatives Feld 118 3. Flexibilität; 4. Originalität; 5. die Fähigkeit zur Umstrukturierung; 6. Elaboration (Ausarbeitung); 7. Penetration (Durchdringung): Sie umfasst die Fähigkeit, nicht nur an der Oberfläche zu bleiben, sondern ein Problemgebiet in Gedanken intensiv und gründlich zu durchdringen. (P REISER , 2006, S. 58-60). 8. Analytische und synthetische Fähigkeiten (Kommunikationsfähigkeit): „Analytisch ist die Fähigkeit, Gesamtheiten zu zerlegen, auf ihre Elemente hin zu analysieren, auf Einzelheiten zu achten. ... Synthetisch ist die Fähigkeit, verschiedene Elemente zu neuen Systemen zu kombinieren, Bestandteile zu einer (neuen) Ganzheit zusammenzufassen.“ (P REISER , 1986, S. 65). Victor Scheitlin nennt folgende kreative Fähigkeiten: 1. Dynamik/ Initiative/ Macherlaune; 2. Vorstellungsvermögen / Visionäre Kraft/ Intuition; 3. Bildungsreichtum/ vielseitige Interessen; 4. Zielbewusstsein/ Zieltreue; 5. Selbstvertrauen; 6. Freude an anspruchsvoller Denkarbeit; 7. Wahrnehmungs- und Beobachtungsvermögen; 8. Perfektionismus; 9. Durchsetzungsvermögen; 10. Selbstprogrammierfähigkeit; 11. Arbeitssystematik/ Planungsvermögen; 12. Entscheidungsvermögen/ Mut; 13. Sensibilität; 14. Erfolgsgläubigkeit / Optimismus, positive Lebenseinstellung; 15. Vorurteilslosigkeit; 16. Originalität; 17. Lernbereitschaft/ Flexibilität; 18. Befähigung zur Erfahrungsnutzung; 19. Ordnungsbewusstsein; 20. Konzentrationsvermögen; 21.Gedächtnisstärke; 22. Begeisterungsfähigkeit/ Lebensfreude; 23. Kommunikations- und Motivationsfähigkeit; 24. kritisch wertendes Denken; 25. Geduld/ Gelassenheit bei auftauchenden Schwierigkeiten; 26. Toleranz/ Akzeptanz von Gegensätzlichkeit/ Widersprüchlichkeit; 27. Humor und Witz. (S CHEITLIN , 1993, S. 154). Lit.: G UILFORD , J. P. (Ed.): Modern approaches to creative thinking. New York 1962; L OWENFELD , V.: Creativity: Educations stepchild. In: Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 10-17; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; S CHEITLIN , V.: Kreativität. Das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993. kreatives Feld (creative field): Die Idee des kreativen Feldes geht auf den Zukunftsforscher Robert Jungk (1913-1994) zurück. Der Pädagoge Olaf-Axel Burow (*1951) erklärt: „Das Kreative Feld zeichnet sich durch den Zusammenschluss von Persönlichkeiten mit stark unterschiedlich ausgeprägten Fähigkeiten aus, die eine gemeinsam geteilte Vision verbindet: Zwei (oder mehr) unverwechselbare Egos, die sich trotz ihrer Verschiedenheit ihres gemeinsamen Grundes bewusst sind, versuchen in einem wechselseitigen Lernprozess ihr kreatives Potenzial gegenseitig hervorzulocken, zu erweitern und zu entfalten.“ (B UROW , 1999, S. 123). Er unterscheidet sieben Grundtypen kreativer Felder: Paar-Kreativität, Team-Kreativität, Netzwerk-Kreativität, virtuelle Kreativität, lernende Organisation als kreatives Feld, Haus der Zukunft als kreatives Feld und Kreativitätskreise. (B UROW , 2000, S. 71). Lit.: B UROW , O.-A.: Die Individualisierungsfalle. Kreativität gibt es nur im Plural. Stuttgart 1999; D ERS .: Ich bin gut wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Stuttgart 2000. <?page no="123"?> 119 kreative Herausforderung kreatives Fortschreiten (creative advance): Der Begriff wurde von dem britischen Philosophen und Mathematiker Alfred North Whitehead (1861-1947) geprägt und zuerst 1920 in seiner Schrift „The concept of nature“ (Das Konzept der Natur) verwendet. Die Kreativität, die bei Whitehead eine Grundkategorie darstellt und die elementaren Sachverhalte und Einzelwesen verbindet, entwickelt sich ständig weiter und wirkt so fortschreitend zu einer komplexen Einheit. Darunter verstand er kein lineares Fortschreiten, sondern den Verlauf in Entwicklungsphasen. „›Kreativität‹ ist das Prinzip des Neuen. ... Das ›kreative Fortschreiten‹ ist die Anwendung dieses elementaren Prinzips der Kreativität auf jede neue Situation, die es hervorbringt.“ (W HITEHEAD , 1995, S. 62). Lit.: Whitehead, A. N.: The concept of nature. Cambridge/ England 1920; D ERS .: Prozess und Realität. Entwurf einer Kosmologie. Übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Hans Günter Holl, Frankfurt/ M. ²1995. kreatives Grübeln (creative muse): Der Begriff wurde von Robert M. Olton geprägt und bezeichnet kurze Episoden des Nachdenkens über ein Problem, während man sich in einer Pause mit etwas anderem beschäftigt. Dabei handelt es sich jedoch um eine bewusste Beschäftigung mit einem Problem und nicht um eine Phase der unbewussten Bearbeitung. Inkubation Lit.: O LTON , R. M.: Experimental studies of incubation: Searching for the elusive. In: Journal of Creative Behavior, 13 (1979), pp. 9-22; O LTON , R. M./ J OHNSON , D. M.: Mechanisms of incubation in creative problem solving. In: American Journal of Psychology, 89 (1976), pp. 617-630. kreatives Handeln kreative Leistung kreative Herausforderung (creative challenge): eine Kreativitätstechnik nach Edward de Bono. Sie besteht in der systematischen Infragestellung und Herausforderung der Ist-Situation. In den Unternehmen sollte man nicht davon ausgehen, dass die gegenwärtig praktizierte Methode die einzige mögliche und beste ist, denn sie stellt oft nur eine von mehreren Optionen dar. Eine kreative oder mentale Herausforderung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus: Warum wird eine Aufgabe so und nicht anders erledigt? Könnte man sie auch anders lösen? Die kreative Herausforderung wird auch als Zustand der kreativen Unzufriedenheit bezeichnet. Dies kann auf Mängel oder Unzulänglichkeiten hindeuten und der Grund sein, über Lösungen und Alternativen nachzudenken. Edward de Bono betont aber, dass die kreative Herausforderung nicht auf Kritik beruht, weil sie sich sonst nur mit unbefriedigenden Lösungen auseinandersetzt. Dies würde die Anwendungsmöglichkeiten der Kreativität einschränken. De Bono empfiehlt, „sich den Status quo bewusst zu machen, mögliche Alternativen zu erkunden und diese dann mit der bestehenden Methode zu vergleichen.“ (de Bono, 1996, S. 99). Die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum eines Unternehmens werden vor allem von zwei Faktoren bestimmt, von der Qualität und der Innovationsfähigkeit. Wer die kreative Herausforderung ernst nimmt, sichert sich einen Wettbewerbsvorteil auf dem Weltmarkt. (De Bono, 1996, S. 98-112). Lit.: D E B ONO , E.: Serious creativity. Using the power of lateral thinking to create new ideas. New York: HarperCollins 1992; dt. Ausg.: Serious creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996. <?page no="124"?> kreative Heuristik 120 kreative Heuristik (creative heuristics): ein Verfahren, das neue oder andere Einstellungen und Sichtweisen ermöglicht. Der Begriff geht auf Bert J. Spector zurück. Hierzu rechnet er das Denken in Analogien, den Rollentausch, wodurch die Interessen des anderen wahrgenommen werden, auch das Brainstorming, mit dessen Hilfe neue oder originelle Ideen produziert werden. Heuristik Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen 2005; S PECTOR , B. J.: Theory and decision. Kluwer academic publishers. Den Haag 1993; D ERS .: Creativity heuristics for impasse resolution: Cognitive process to help reframe intractable negotiations. In: The annales of the Academy of political and social science 542, November 1995, pp. 81-99. kreative Ideation Ideation kreative Idee (creative idea): Nach Auffassung des Kreativitätsforschers Siegfried Preiser (*1943) wird eine Idee „in einem sozialen System als kreativ akzeptiert, wenn sie in einer bestimmten Situation neu ist oder neuartige Elemente enthält und wenn ein sinnvoller Beitrag zu einer Problemlösung gesehen wird.“ (P REISER , 1986, S. 5; Preiser, 2006, S. 52). Auch Carina Lomberg stellt fest: „Eine Idee wird dann als kreativ bezeichnet, wenn sie neuartig und potenziell nützlich ist. Die Bewertung der Neuartigkeit und des Wertpotenzials ist ein sozialer Prozess der Evaluation durch andere.“ (L OMBERG , 2010, S. VII). Idea Engineering Ideation Ideen-Delphi Ideenfindung Ideenflüssigkeit Ideen-Management Ideenwirtschaft Lit.: L OMBERG , C.: Kreativität im Kontext von Corporate Entrepreneurship. (Gabler Research Entrepreneurship, hg. von Malte Brettel u. a., Wiesbaden 2010; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67. kreative Intelligenz Kreativität und Intelligenz Kreative Klasse (Creative Class): eine Wirtschaftstheorie, die den Aufstieg der kreativen Klasse prognostiziert; von dem US-amerikanischen Soziologen und Ökonomen Richard Florida (*1957) entwickelt. Florida ist der Auffassung, dass die Kreativen einer Gesellschaft und die von ihnen ausgehenden Innovationen von grundlegender Bedeutung für das ökonomische Wachstum von Regionen sind. Mitwirkende der Kreativen Klasse gibt es in allen Bereichen der Arbeitswelt, sofern der Inhalt ihrer Tätigkeit einen kreativen Prozess darstellt. Entscheidend sind ihre kreative Leistung und die daraus entstehenden Innovationen. Richard Florida untersuchte dazu die räumliche Verteilung der Kreativen im Lande, um dadurch die Entwicklung von Regionen zu erklären. Kreative seien überdurchschnittlich mobil und arbeiten gern in attraktiven Regionen bzw. Großstädten, in denen kreative Ballungszentren entstehen, eine Art Clusterbildung von Humankapital. Kreativität wird als entscheidender Standortfaktor der Wissens- und Informationsgesellschaft erkannt. Die damit verbundene Gründung und Ansiedlung kreativer Unternehmen führe in diesen Regionen zu Wachstum und Wohlstand. Um die Attraktivität und das kreative Potenzial einer Region zu analysieren, entwarf Florida das Modell der drei T’s: Technologie, Talent und Toleranz: 1. Der Faktor Technologie steht für Innovationen und für die Konzentration von Spitzentechnologie (oder Hochtechnologie), für die bereits vorhandene wissensintensive Wirtschaft einer Region. 2. Talent stellt das kreative Potenzial dar, bestimmt durch die Anzahl der Mitarbeiter in kreativen Berufen in der Region. <?page no="125"?> 121 Kreative Klasse 3. Toleranz steht für die Offenheit einer Gesellschaft oder Region, wodurch ein großes Spektrum von Kreativen angezogen wird. Dies führt zu wissenschaftlichem Erfahrungsaustausch, zum Wissenstransfer von neuen Ideen. Regionen, in denen diese drei Aspekte stark ausgeprägt sind, entwickeln sich zu kreativen Zentren und Wachstumsmotoren einer Gesellschaft. Es sind weltoffene, bildungsintensive und zukunftsträchtige Wirtschaftsbranchen. Die von diesen Regionen ausgehenden Innovationen sind von überregionalem Einfluss bzw. von internationaler Bedeutung. Sie ziehen hochqualifizierte Kreative an, da die Erfolgschancen hier besonders hoch sind. Zur Kreativen Klasse gehören Menschen, die in der Lage sind, für die Unternehmen einen Mehrwert in Form von neuen Ideen zu fnden. Darin liegt ihre wirtschaftliche Wertschöpfung. Städte und Regionen sind wirtschaftlich nur erfolgreich, wenn wenn viele Menschen der kreativen Klasse dort arbeiten und leben. Florida untersuchte verschiedene Regionen der USA und entwickelte dazu einen Kreativitätsindex (Creativity Index). Die Ergebnisse von Floridas Untersuchung werden in einem Ranking aufgezeigt. Stark wachsende Regionen zeichnen sich durch einen hohen Kreativitätsindex aus. Die am meisten prosperierenden Städte in den USA sind nach diesem Ranking: San Francisco, Austin, Boston und Seattle. Der wichtigste Faktor für das Wirtschaftswachstum sei die kreative Leistung, der kreative Output. Jeder Mensch verfüge über ein kreatives Potenzial, doch dieses kann er nur zur vollen Entfaltung bringen, wenn er innerhalb eines Systems lebt, das diese Kreativität fördert. Zur kreativen Klasse gehören Forscher und Wissenschaftler, Künstler, Autoren, Schauspieler, Regisseure, Maler, Tänzer, Architekten, Fotografen, Kabarettisten, Comiczeichner, Musiker, Illustratoren, Puppenspieler, Designer, Unternehmer u. a. Innerhalb der kreativen Klasse unterscheidet Florida zwei Gruppen: 1. Super-Creative Core (der superkreative Kern). Dazu gehören: - Computerspezialisten (z. B. Software-Entwickler), Mathematiker - Architekten, Ingenieure - Kreative in gemeinnützigen und sozialwissenschaftlichen Berufen - Lehrer, Erzieher, Ausbilder, Geisteswissenschaftler - Künstler, Designer, Kreative in den Unterhaltungs-, Sport- und Medienberufen Ihre Hauptaufgabe besteht darin, Neues zu erschaffen. Diese Innovationen führen zu neuen Produkten, optimierten Prozessen oder zu neuen Ideen. 2. Creative Professionals (kreative Fachleute). Ihre Berufe erfordern eigenständiges Denken und kreative Problemlösungen. Es sind „die schöpferischen Ingenieure, Tüftler und Problemlöser“. Matthias Horx nennt sie „rationale Innovateure“. (H ORX , 2009, S. 33). Zu dieser Gruppe gehören: - Manager - Geschäfts- und Finanzleute - Juristen, Anwälte - Ärzte, Fachkräfte in der Gesundheitsfürsorge - Technologiespezialisten hochwertige Verkäufer und Verkaufsleiter (F LORIDA , 2004, p. 328). Kreativwirtschaft Lit.: F LORIDA , R.: The rise of the creative class. And how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. Basic Books [Paperback first published], New York 2004; D ERS .: Cities and the creatice class. Routledge 2005; D ERS .: The flight of the creative class: the new global competition for talent. Collins. An Imprint of HarperCollins Publishers, New York 2007; D ERS .: The great reset: how new ways of living and working drive post-crash prosperity. HarperCollins Publishers [Hardcover edition], New York 2010; D ERS .: Reset. Wie wir anders leben, arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden. Frankfurt am Main/ New York 2010; D ERS .: The great reset. How the post-crash economy will chance the way we live and work. HarperCollins Publishers. First Harper paperback published, New York 2011; F LORIDA , R./ B RANSCOMB , L./ K ODAMA , F.: Industrializing knowledge: University-Industry linkages in Japan and the United States. MIT Press 1999; F LORIDA , R./ K ENNY , M.: The breakthrough illusion. Corporate America’s failure to move from innovation to mass production. Basic Books, New York 1990; F LORIDA , R./ K ENNY , M.: Beyond mass production: The Japanese system and its transfer to the US. Oxford University Press, 1993; <?page no="126"?> kreative Leistung 122 H ORX , M.: Wacht auf, Verkannte dieser Erde! In: Lotter, W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009, S. 27-42; L ASKO , W. W.: Kreative Elite. Vom begrenzten Denken zur originären Innovation. Bielefeld 2008; L OTTER , W.: Die Gestörten. In: brand eins. Wirtschaftsmagazin, 9. Jg., H. 5/ Mai 2007: Achtung! Sie betreten den kreativen Sektor. Schwerpunkt Ideenwirtschaft, S. 52-62; L OTTER , W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009; Zimmermann, C./ Heßler, M.; M IT- ARBEIT : David Gilbert u.a.: Creative Urban Milieus. Historical perspectives on culture, economy, and the city. Frankfurt am Main/ New York 2008. kreative Leistung (creative achievement): die Anwendung der Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person oder eines Teams für die Lösung eines Problems oder einer anspruchsvollen schöpferischen Aufgabe bzw. Tätigkeit; „Motive haben eine energetisierende Wirkung, steigern also die Leistung.“ (S CHMIDT -A TZERT , 2006, S. 225). Extrinsische Motive können die Leistung ebenso beeinflussen wie intrinsische Faktoren. ( extrinsische Motivation; intrinsische Motivation). Heinrich Popitz (1925-2002) nennt drei innere Voraussetzungen, um kreativ tätig zu werden: 1. Vorstellungskraft, die Fähigkeit, sich etwas »vorzustellen«; „etwas, was nicht da ist, innerlich da sein zu lassen“; 2. die Fähigkeit, über die Vorstellungskraft bzw. Phantasie „in Verborgenes einzudringen, also auch in das, was sich gegen unsere Vorstellung sperrt, der Vergegenwärtigung entzieht“; 3. ein „allozentrisches“ Vermögen, ein Hin-Hören und Hin-Sehen-Können, ein Begreifen vom Anderen her, um „den Eigensinn eines Andersseienden zu erfassen“. (P OPITZ , 2000, S. 4). Der US-amerikanische Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn (1922-1996) untersuchte bedeutende kreative Leistungen, die als wissenschaftliche Fortschritte eingestuft werden. Dafür prägte er 1962 den Begriff „Paradigma“ (vom griech. paradigma: Vorbild). Diese bedeutsamen und sehr seltenen kreativen Leistungen entstanden nicht allmählich und kontinuierlich, sondern in Brüchen, durch „Wissenschaftliche Revolutionen“ und sind deshalb durch einen Wechsel des Paradigmas, d. h. durch Beispiele oder Muster gekennzeichnet. Zu den Unterscheidungsmerkmalen kreativer Leistungen gehören die „Major contributions“. Das sind bedeutende und originale Beiträge, die entscheidend zur Lösung von Problemen dienen. Von geringerer kreativer Leistung sind Beiträge, die lediglich eine Verbesserung oder Erweiterung des Bestehenden darstellen und begrenzte, nützliche Problemlösungen bieten. Diese werden als „Minor contributions“ bezeichnet. Kreative Leistungen wurden bezüglich der Hirnlokalisation oft in der rechten Hirnhälfte vermutet, weil intuitive Vorgänge, wie Musikhören bzw. das Wiedererkennen von Klängen vor allem rechts lokalisiert werden konnten. Die linke Hemisphäre wurde demgegenüber als Ort kontrollierter Leistungen, wie Sprache und logisches Denken angesehen. Die Datenlage hierzu ist nicht eindeutig, so dass die mittlerweile populär gewordene Zuordnung von Hirnhälften und kreativen Leistungen umstritten ist. (Vgl. M ARTINDALE , 1999, pp. 137-152). Die kreative Leistungsfähigkeit hängt von zahlreichen Faktoren ab, wie Erfahrung, Erinnerung, vorhandenes Wissen, Aufmerksamkeit, Konzentration, Offenheit, Beobachtungsfähigkeit, Vorstellungskraft, Abstraktionsvermögen, Kreativität, Intuition, Logik, Intelligenz, Gedächtnis, Lernkompetenz, emotionale Beteiligung, Motivation. (B OLDT , 2011, S. 46). Aber auch die Herausforderung, die Arbeitsbedingungen, die Eigenverantwortung und das Feedback, wie gut die Aufgabe oder das Problem gelöst wurden, entscheiden über die kreative Leistungsfähigkeit. (S CHMIDT -A TZERT , 2006, S. 227). Der US-amerikanische Ökonom und Managementexperte Peter F. Drucker (1909-2005) erklärt: „Der ultimative Prüfstein des Managements ist die Leistung.“ (D RUCKER , 2008, S. 31). „In jedem Bereich, in dem die Leistung und Ergebnisse das Überleben und Florieren des Unternehmens direkt und maßgeblich beeinflussen, müssen Zielvorgaben formuliert werden. Es gibt acht Bereiche, in denen Leistungs- und Zielvorgaben definiert werden müssen: 1. Marktposition 2. Innovation <?page no="127"?> 123 kreative Leistung 3. Produktivität 4. physische und finanzielle Mittel 5. Rentabilität 6. Leistung und Weiterentwicklung der Manager 7. Leistung und Einstellung der Mitarbeiter 8. Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit.“ (D RUCKER , 2008, S. 84). Um kreative Spitzenleistungen zu erreichen, sind auch klare Regeln und Prinzipien erforderlich. Ralf Langwost nennt dazu 15 Schlüsselfaktoren, die in jedem Unternehmen zum Tragen kommen und durch Training gezielt verbessert werden können: 1. Die ideenorientierte Unternehmensvision, die der großartigen Idee Vorrang gegenüber anderen Unternehmenszielen gibt und so eine kreative Arbeitskultur entstehen lässt. 2. Der mutige und kreativ verantwortliche Auftraggeber, der großartige Ideen mit allem Nachdruck fordert und fördert und nicht nur offen dafür ist. 3. Die faszinierende Aufgabenstellung oder der Auftrag, der das Kernproblem des Kunden so formuliert, dass sich eine inspirierende und spannende Perspektive auf die Aufgabe, auf eine neue Idee ergibt. 4. Die überraschende und inspirierende Erkenntnis, die tiefere Einsichten in Zusammenhänge zwischen Produkt, Zielgruppe, Wettbewerb und Marke vermittelt und so die Problemlösung mit dem wahren Leben verbindet. 5. Die relevante und überzeugende Strategie, die der Idee eine Richtung gibt und anhand derer später beurteilt werden kann, ob die Idee richtig ist und funktioniert. 6. Der inspirierende Creative Brief, der das Innovationsteam mit einem klaren Nutzen gleichermaßen fokussiert wie begeistert und die Kernaufgabe in eine spannende Frage übersetzt. 7. Die spielerische, entspannte Ideenfindung, die zu einer überraschend einfachen »Antwort« führt, die einem vor allem außerhalb des gewohnten Arbeitsumfeldes »einfällt«. 8. Die professionelle Ideenbeschreibung, die ein klares Gefühl für die Idee vermittelt und mit Strategie, Leitidee, Idee und Umsetzung einen spannenden Rahmen schafft, der andere begeistert. 9. Die extrem harte Ideenbewertung, die sich brutal ehrlich und offen ausschließlich an der Beurteilung und dem Nutzen der Idee ausrichtet und anspornt, nach noch besseren Lösungen zu suchen. 10. Die überzeugende Ideenpräsentation, welche die Idee in den Mittelpunkt stellt und mit Leichtigkeit und ansteckender Überzeugung eine Lösung aufzeigt, von der man selbst aufrichtig begeistert ist. 11. Der prozessorientierte Ideenschutz, der mit dem Glauben an die großartige Idee schon weit vor dem eigentlichen Einfall das kreative Produkt in den Mittelpunkt unternehmerischen Handelns stellt. 12. Die sensible und begeisterte Produktion der Idee mit anspruchsvollen Produktionspartnern, die mit ihrer Professionalität die Lösung auf ein noch höheres Energielevel führen und sie dort manifestieren. 13. Das Aufstellen herausragender Teams, deren Mitglieder einander durch unterschiedliche Perspektiven inspirieren und eine Teamkultur schaffen, in der auch anfänglich »schwachsinnige« Ideen ihren Sinn entwickeln können. 14. Das inspirierende räumliche Umfeld, in dem unsere Fähigkeiten im Management von Ideen unterstützt werden und in dem wir uns wohl und sicher genug fühlen, um auch das Unbekannte willkommen zu heißen. 15. Die persönliche kreative Führungsstärke, die hilft, das eigene Ego und die damit verbundenen Wahrnehmungsgrenzen und Ängste zu überwinden, um sich mutig, liebe- und vertrauensvoll für neue Lösungen zu öffnen. (L ANGWOST , 2009, S. 130-132) Leistungsmotivation Lit.: B OLDT , K.-W.: Erfolg durch Kompetenz. Das Wissen zur Optimierung eigener Fähigkeiten. Darmstadt 2011; Carson, S./ Peterson, J., & Higgins, D.: Reliability, validity, and factor structure of the creative achievement questionnaire. In: Creativity Research Journal, 17, 2005, pp. 37-50; D RUCKER , P. F. MIT J OSEPH A. M ACIARIELLO : Daily Drucker. Wirtschaftswissen zum täglichen Gebrauch. Mit Beiträgen von Herrmann Simon und Jim Collins, hg. von Katharina Neuser-von Oettingen. Berlin, Heidelberg 2008; H ENNESSEY , B. A.: The creativity-motivation connection. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 342-365; K UHN , T. S.: The structure of scientific revolutions. Chicago 1962; dt. Ausg.: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/ M. 1967; L ANGWOST , R.: How to catch the Big Idea. Die Strategien der Top-Kreativen. Erlangen 2004; D ERS .: Glauben Sie an Wunder oder wollen Sie Ideen? Wie ein kreativer Wertschöpfungsprozess gezielt Innovationen ermöglicht. In: Lotter, W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009, S. 121-138; M ARTINDALE , C.: Biological bases of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge 1999, pp. 137-152; P OPITZ , H.: Wege der Kreativität. Tübingen ²2000; S CHMIDT , F. L./ H UNTER , J. E.: The validity and utility of selection methods in personnel psychology. In: Psychological Bulletin, 124, 1998, pp. 262-274; S CHMIDT -A TZERT , L.: Leistungsrelevante Rahmenbedingungen/ Leistungsmotivation. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 223-241; S CHWEIZER , K. <?page no="128"?> kreative Neugier 124 (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006; W ILLFORT , R./ T OCHTERMANN , K./ N EUBAUER , A. (Hrsg.): Creativity@Work für Wissensarbeit. Kreative Höchstleistungen am Wissensarbeitsplatz auf Basis neuester Erkenntnisse der Gehirnforschung. Aachen 2007; W OLTERS , C. A.: Advancing achievement goal theory: Using goal structures and goal orientations to predict students’ motivation, cognition, and achievement. In: Journal of Education Psychology, 96, 2004, pp. 236-250. kreative Neugier (creative curiosity): auch Explorationsverhalten: Erkundungstrieb, Wissbegier, das Bedürfnis und Interesse nach Informationen und Kenntnissen, um Neues zu erforschen, zu entdecken oder zu erproben; ein kreatives Persönlichkeitsmerkmal im Sinne von ›Gier nach Neuem‹, ›auf Neues begierig‹, das dem Wissensbedürfnis und Erkenntnisstreben, der geistigen Bereicherung und Vertiefung dient. Kreative Persönlichkeiten sind meist empfänglich für neue Eindrücke, Erfahrungen und unbekannte Umweltreize. Dadurch gewinnen sie zugleich viel mehr Informationen über bestimmte Sachverhalte in ihrer Umwelt und entwickeln im Umgang damit mehr Kompetenz als Personen, die mit dem bereits Bekannten und Erforschten zufrieden sind bzw. vor Neuem zurückschrecken. Personen mit kreativer Neugier sind „in der Lage, ungelöste Probleme in ihrer Umwelt zu entdecken und auf die zur Lösung relevanten Informationen aufmerksam zu werden.“ (P REISER , 1986, S. 69) Der französische Physiker Louis-Victor Duc de Broglie (1892-1987), der die Wellentheorie der Materie begründete, erklärte: „Die Wissenschaft von heute ist die Tochter des Erstaunens und der Neugier, jener verborgenen Antriebskräfte, die ihre unaufhörliche Entwicklung gewährleisten.“ (zitiert in: Radunskaja, 1986, S. 124). Der US-amerikanische Psychologe David Clarence McClelland (1917-1998) führt den Ursprung der Kreativität auf die Neugierde der phallischen Phase zurück. Bei der Untersuchung einer Gruppe von Physikern kam er zu der Erkenntnis, dass der Motivation die Überwindung des Ödipuskomplexes zugrunde liegt. Der früh unterdrückte Sexualtrieb findet ein Ersatz-Ventil in der intellektuellen Neugier bzw. im Versuch, die Geheimnisse des Lebens zu ergründen, was in der klassischen Psychoanalyse als prägenitale, besonders phallische, sexuelle Aktivitäten bezeichnet wird. Wird kindliche Neugier nicht unterdrückt, sondern gefördert, kann dies später Grundlage zu explorativem Verhalten, zu Wissensdrang, Lerneifer, Forschung und kreativer Tätigkeit werden. Kreatives Verhalten ist vor allem auf Wissenserwerb, Achtsamkeit, Orientierung und aktiven Austausch mit der Umwelt gerichtet, denn „die Beschäftigung mit Denkproblemen und Aufgaben wirkt in sich selbst befriedigend.“ (S EIFFGE -K RENKE , 1974, S. 117). Experimente, in denen Versuchspersonen in Situationen versetzt wurden, in denen ihre kreative Neugier nicht befriedigt wurde (sog. Deprivationsexperimente), zeigten, dass sich Monotonie, Zwang zur Untätigkeit, also der Entzug abwechslungsreicher Umgebungsreize kreativitätshemmend auswirkte, in der Bandbreite von verringerter Aktivität bis zu irreversiblen Entwicklungsrückständen. Festgestellt wurden ein Absinken der allgemeinen Leistungsfähigkeit sowie das Auftreten von veränderten Bewusstseinszuständen, sog. „Reizhunger“. Der britisch-kanadische Psychologe Daniel E. Berlyne unterscheidet zwei Arten der Neugier: perzeptive und epistemische Neugier, d. h. eine sinnlich wahrnehmende Neugier und den Erkundungstrieb, die Wissbegier. Der Mensch ist stets auf der Suche nach dem Neuen, dem Ungewöhnlchen, denn Eintönigkeit und Langeweile lassen seine Aktivierung absinken. Lit.: B ERLYNE , D. E.: Conflict, arousal, and curiosity. New York 1960; dt. Ausg.: Konflikt, Erregung und Neugier. Stuttgart 1974; M C C LELLAND , D. C.: On the psychodynamics of creative physical scientists. In: Gruber, H. E./ Terrell, G./ Wertheimer, M. (Eds.): Contemporary approaches to creative thinking. A symposium held at the University of Colorado. New York 1963, pp. 141-174; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; R ADUNSKAJA , I.: Die Legende vom Erfolg. Talente, Träume und Atome. Moskau/ Leipzig/ Jena/ Berlin 1986; S EIFFGE -K RENKE , I.: Probleme und Ergebnisse der Kreativitätsforschung. Bern/ Stuttgart/ Wien 1974; V OSS , H. G./ K ELLER , H. (Hrsg.): Neugierforschung. Weinheim 1981. kreative Ökonomie Kreativwirtschaft <?page no="129"?> 125 kreative Persönlichkeit kreativer Ort Ort der Kreativität kreative Persönlichkeit (creative personality): Der US-amerikanische Kreativitätsforscher Joy Paul Guilford (1897-1987) nennt elf wesentliche Merkmale, die eine Persönlichkeit als kreativ ausweisen: 1. divergentes Denken; 2. unkonventionelles Denken; 3. Gedankenflüssigkeit bzw. Flüssigkeit im Denken (meist bezogen auf den Einfallsreichtum); 4. Originalität; 5. Problemsensitivität. Das Finden eines Problems birgt mitunter schon die Lösung in sich. ( Problemfindungsprozess); 6. Elaboration (Ausarbeitung); 7. Wortflüssigkeit; 8. Konzentrationsfähigkeit; 9. Redefinition (Abstraktionsfähigkeit); 10. Realitätskontrolle ( Verifikation), d. h. die gefundenen Lösungsvorschläge werden auf ihre Anwendbarkeit überprüft; 11. Organisationsfähigkeit. Der britisch-amerikanische Psychologe und Intelligenzforscher Raymond Bernard Cattell (1905-1998) entwickelte 1970 mit seinen Mitarbeitern H. W. Eber und M. Tatsuoka einen Test zur Bestimmung der kreativen Persönlichkeit auf der Basis von 16 Persönlichkeitsfaktoren (16 PF). Auf dieser Grundlage ermittelten sie diejenigen Merkmale, die mit kreativen Leistungen in empirisch belegbarem Zusammenhang stehen. In einer Regressionsgleichung gaben sie exakte Werte an. Die daraus errechnete Summe soll mehr oder weniger die Idealkombination des kreativen Menschen, also den Idealtyp der Kreativität darstellen. Im Ergebnis zeigt sich, dass kognitive Fähigkeiten zwar für kreative Leistungen bedeutsam sind, jedoch von einer Anzahl nichtkognitiver Merkmale begleitet werden. Die 16 Persönlichkeitsfaktoren lauten: 1. Kontaktorientierung 2. Intelligenz 3. emotionale Stabilität 4. Dominanz 5. Lebhaftigkeit 6. Regelbewusstsein 7. Selbstsicherheit 8. Empfindsamkeit 9. Wachsamkeit (Misstrauen) 10. Unkonventionalität 11. Zurückhaltung 12. Besorgtheit 13. Offenheit für Veränderungen 14. Selbstgenügsamkeit (Eigenständigkeit) 15. Selbstkontrolle 16. Anspannung Hans Pimmer gliedert die kreativen Persönlichkeitsmerkmale in sieben Gruppen: 1. psychische Gesundheit und Ich-Stärke, d. h. die Leistungsfähigkeit der Persönlichkeitsstruktur; 2. ein erheblicher Einfluss auf andere Menschen sowie ein vitales Energiepotential, d. h. Kraft und Ausdauer beim Lösen von Problemen, auch Aktivität in der Beschäftigung mit der Umwelt und im Bemühen, sich die Umweltbedingungen den eigenen Bedürfnissen anzupassen; 3. eine offene, aufnehmende Haltung zur Umwelt, besonders gegenüber neuen, unbekannten Reizen, vielseitige Interessiertheit und Informiertheit, wissenschaftliche Neugier (i.S.v. Gier nach Neuem) und ein Explorationsverhalten, d. h. die Untersuchung durch persönliche Befragung von Gewährsleuten. Dieses Verfahren hat sich in der Psychologie, Medizin und besonders bei der Erforschung der Volkskultur (Sprache, Brauchtum, Geräte u. a.) bewährt (auch als Feldforschung bezeichnet); 4. die Empfänglichkeit für Empfindungen und Emotionen, die Fähigkeit zu divergenter, intuitiver Arbeitsweise, die neue Sichtweisen, Ideenkombinationen und Problemlösungsansätze hervorbringt. Ferner ein bildliches Vorstellungsvermögen ( Imagination) sowie eine unbefangene Wahrnehmung; <?page no="130"?> kreative Persönlichkeit 126 5. die Konflikt-, Frustrations- und Ambiguitätstoleranz; 6. die Fähigkeit, mehrdeutige Situationen zu akzeptieren, heterogene Aspekte eines Problems gleichwertig nebeneinander gelten zu lassen; 7. eine unabhängige, unvoreingenommene Sichtweise. (vgl. P IMMER , 1995, S. 25 f.) Kreative Personen sind z. B. risikofreudig, spontan, impulsiv, emotional und unabhängig im Denken, humorvoll u. a. Sie haben Phantasie und Visionen, ihre eigene Einstellung und richten sich nicht nach der herrschenden Meinung. (Nonkonformismus). In ihrem selbstgewählten Aufgabengebiet streben sie nach dem Höchstmöglichen und gehen dabei bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit, und dies aus intrinsischer Motivation. Dabei wagen sie sich in Aufgabengebiete vor, die andere für unlösbar halten und arbeiten hart und mit großer Ausdauer an deren Realisierung. Sie bilden sich in ihrem Fachgebiet unentwegt weiter. Gerade die Sensibilität für ungelöste Fragen und Probleme, die Fähigkeit, ein Problem zu erkennen und zu formulieren, die Bereitschaft zur Kritik und Selbstkritik, die Vorliebe für komplexe oder unbekannte Gebiete, Risikobereitschaft, Offenheit für Erfahrungen, der Blick für das Wesentliche, Urteilsvermögen und Orientierungsfähigkeit, Selektionsvermögen, analytische und zusammengesetzte Fähigkeiten, divergentes Denken sowie ein ausgeprägtes Assoziationsvermögen und die Fähigkeit, Ähnlichkeiten zu erkennen und Metaphern zu formulieren, werden als wichtige Merkmale einer kreativen Persönlichkeit hervorgehoben. Außerdem werden genannt: Einfallsreichtum oder reichhaltige Ideation, Flexibilität des Denkens, Fühlens, Wertens und Vorgehens, Originalität, ausgeprägtes Selbstbewusstsein, Triebbestimmtheit und Individualität, auch moderate Aggressivität und kontrollierte Regressionsfähigkeit, Antriebskraft, Motivation, Erfolgsorientiertheit, die Fähigkeit, Kritik zu ertragen bzw. zu übergehen, Unbestechlichkeit in der Urteilskraft, Autonomie, Zähigkeit und Ausdauer im Verfolgen einer Idee, Abstraktionsvermögen, Symbolverständnis und Ausdrucksfähigkeit. (Vgl. W EISBERG , 1989, S. 81; Gutjahr, 1996, S. 19 f.) Nach eingehenden Untersuchungen kreativer Persönlichkeiten wurden folgende Merkmale ermittelt: 1. flexibel; 2. feminin oder sensibel; 3. tolerant gegenüber anderen Menschen; 4. verantwortungsbewusst; 5. psychologisch denkend und empfindend; 6. erfolgreich durch eigenständige Tätigkeit; 7. mit einem ausgeprägten positiven Selbstkonzept ausgestattet; 8. befähigt, einen hohen sozialen Status zu erwerben; 9. mit dem Bedürfnis nach sozialen Kontakten ausgestattet. (Vgl. G UTJAHR , 1996, S. 20 f.). Robert W. Weisberg nennt einige Persönlichkeitsmerkmale, die allen kreativen Menschen gemeinsam sind und bezieht diese auch auf das Genie. Dazu gehören: ein breites Interessenspektrum, die Unabhängigkeit von Kritik, Selbstvertrauen, Intuition und die eigene Überzeugung, „kreativ“ zu sein, da diese Gewissheit für die eigene Arbeit erheblich motivierend wirkt. Kreative Persönlichkeiten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich nicht gern bestehenden Normen und Regeln unterwerfen, flexibel und für neue Erfahrungen offener sind als andere. Diese Offenheit erhöht die Sensibilität für Probleme. Kreative Wissenschaftler reagieren demzufolge auf wichtige Probleme im Bereich der Forschung auch sensibler als andere. Sie legen z. B. Wert auf Grundlagenforschung und haben ein Gespür dafür, in welchem Bereich sich ein wissenschaftlicher Durchbruch erzielen lässt. Sie spüren auch eher als andere Desiderata, Defizite und Marktlücken oder Trends auf. (vgl. W EISBERG , 1989, S. 102 f.) Die schöpferische Persönlichkeit wird sich - zumindest während des kreativen Prozesses bzw. im Zeitraum der Suche nach einer Problemlösung - mitunter auch von der Außenwelt fernhalten, Geselligkeit meiden, die schöpferische Einsamkeit suchen und sich in ihr Arbeitszimmer verkriechen. Außerdem wird sie eine strenge Informationssperre über ihre Arbeit verhängen, so dass nur wenige Vertraute davon wissen. Zu den wichtigsten Persönlichkeitseigenschaften kreativer Führungskräfte bzw. von Entrepreneuren gehören: Leistungsmotivation Risikoneigung <?page no="131"?> 127 kreative Potenziale Innovativität Autonomie Kontrollüberzeugung Selbstvertrauen (H ORNEBER , 2013, S. 3, 128; Rauch/ Frese, 2007, pp 48 ff.) Lit.: C ATTELL , R. B./ E BER , H. W./ T ATSUOKA , M.: Handbook for the sixteen personality factor questionnaire. Institute for Personality and Ability Testing. Champaign, IL 1970; C ATTELL , R. B./ B UTCHER , H. J.: Creativity and personality. In: Vernon, P. E. (Ed.): Creativity. Harmondsworth 1970, pp. 312-326; F EIST , G. J.: The influence of personality on artistic and scientific creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 273-296; F EIST , G. J.: The function of personality in creativity. The nature and nurture of the creative personality. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 113-130; G UILFORD , J. P.: Personality. McGraw Hill, Inc. New York 1959; dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen Erforschung. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heinrich Kottenhoff und Ursula Agrell. Weinheim/ Bergstr. 1964; G UILFORD , J. P., et al.: The relations of creative thinking aptitudes to non aptitudes personality traits. In: Report of the Psychological Laboratory. University of Southern California Los Angeles, no. 20, 1967; G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder Die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; L ASKO , W. W.: Kreative Elite. Vom begrenzten Denken zur originären Innovation. Bielefeld 2008; P IMMER , H.: Kreativitätsforschung und Joy Paul Guilford (1897-1987). München 1995; R AUCH , A./ F RESE , M.: Born to be an entrepreneur? Revisiting the personality approach to entrepreneurship. In: Baum, J. R./ Frese, M. & Baron, R. A. (Eds.): The psychology of entrepreneurship. 1. edition. Mahwah/ New Jersey: Larence Erlbaum Associates 2007, pp. 41-66; S CHEIBNER , B.: Kreativität und Persönlichkeit. Mit Impulsivität und Gewissenhaftigkeit zur kreativen Leistung. Hamburg 2012; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. kreative Plätze (creative places): auch als kreatives Umfeld oder kreative Umwelt bezeichnet. Es sind kreativitätsfördernde, anregende Orte, an denen sich Kreativität entwickelt. Der Begriff wurde 1988 von den US-amerikanischen Kreativitätsforschern Robert J. Sternberg (*1949) und Calvin W. Taylor (1915-2000) eingeführt. Sie vertreten eine Vier- Punkte-Theorie zur Erfassung der Kreativität. Neben den drei Faktoren kreativer Prozess, kreative Persönlichkeit und kreatives Produkt benennen sie als vierten Faktor die kreativen Plätze oder Orte. Auch die soziale Umgebung, die Einflüsse des Wohn- und Arbeitsumfeldes, sind von großer Bedeutung, z. B. familiäre Bindungen, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft oder Organisation, das Team, dem man angehört, der Ort, von dem man angeregt wird oder sich inspiriert fühlt. Besonders Natur- und Landschaftseindrücke sind eine wichtige Quelle der Inspiration. Der Arbeitsplatz, an dem man tätig ist, kann z. B. durch Mobbing zu einer irreparablen Kreativitätsblockade führen. Auch eine verhasste Umgebung, nicht wohlgesonnene Nachbarn, ein belastendes Wohnumfeld, Lärmbelästigung, gestörte Familienbeziehungen bzw. Eheprobleme, wirken sich kreativitätshemmend aus. Kreativitätserfassung Ort der Kreativität Vier-Punkte-Theorie zur Erfassung der Kreativität Lit.: S TERNBERG , R. J. (Ed.): The nature of creativity. New York 1988; T AYLOR , C. W.: Various approaches to and definitions of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): The nature of creativity. New York 1988, pp. 99- 121. kreative Potenziale (creative potentials): Der Begriff wurde von dem Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Hans Lenk (*1935) eingeführt und bezeichnet die vorhandenen kreativen Fähigkeiten, die das Problemlösungsverhalten beeinflussen und für die kreative Lösung von Aufgaben und Problemen erforderlich sind. Kreative Potenziale sind „entweder kreativitätsfördernd oder kreativitätsfordernd.“ (L ENK , 2000, S. 92) Mit diesem Topos sowie einer Anzahl anderer Faktoren plädiert Hans Lenk für eine Erweiterung der Vier-Punkte- Theorie zur Erfassung der Kreativität. Kreativitätserfassung <?page no="132"?> kreatives Problemlösen 128 Lit.: L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. kreatives Problemlösen (Creative Problem Solving; Abk.: CPS): eine strukturierte Methode zur Lösungsfindung von Problemen durch eine neuartige Reaktion, zu deren Ideen kreatives Denken erforderlich ist. Diese Methode wurde 1953 von Alex F. Osborn (1888-1966), dem Erfinder des Brainstorming, entwickelt. Das CPS-Modell wurde später verbessert und verfeinert. Der US-amerikanische Kreativitätsforscher Joy Paul Guilford (1897-1987) unterscheidet zwei Arten von Problemen: solche, für die es nur eine richtige Lösung gibt, wozu konvergentes Denken erforderlich ist, und Probleme, für die sich unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten anbieten. Dazu ist die Fähigkeit zum divergenten oder kreativen Denken erforderlich. Bei einer schwierigen Aufgabe stellt sich zunächst die Frage nach der Problemfindung. Durch die Interaktion mit dem Gegenstand lässt sich das Problem z. T. bereits erkennen, bevor der kreative Prozess einsetzt. Es ist eine Art Problemfindungsprozess mit offenem Ausgang. Aus einer vagen Problemsituation heraus muss das eigentliche Problem erst definiert werden, damit eine optimale Lösung ermöglicht wird. Dazu bedarf es der Fähigkeit zum divergenten oder kreativen Denken und der Problemsensitivität. Es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen und das Problem so zu formulieren, dass sich eine oder mehrere Lösungsmöglichkeiten daraus ableiten lassen. Verfügt eine Person über allgemeine kreative Fähigkeiten, wie Problemsensitivität, Flüssigkeit, Flexibilität und Originalität, so ist auch die Wahrscheinlichkeit einer kreativen Problemlösung gegeben. Die Denk- und Problemlösungsstrategien beinhalten die Informationssuche, Informationsselektion, Risikofestlegung, die überschaubare Begrenzung des Problemgebietes und das Auffinden eines vorher nicht bekannten Lösungsweges, mit dessen Hilfe man von einem gegebenen Anfangszustand zu einer gewünschten Zielstellung gelangen kann. Die Lösung eines Problems erfordert die Erfassung des Kerns eines Problems, die Fähigkeit, für die Bearbeitung eines Problems den optimalen Ansatz zu finden, und die Fähigkeit, sich richtig zu entscheiden. Siegfried Preiser und Nicola Buchholz nennen drei Merkmale einer Problemsituation: 1. Problemdruck. Die Ausgangssituation bzw. der Istzustand werden als unbefriedrigend eingeschätzt. Die Notwendigkeit und Wichtigkeit einer Lösung wird erkannt. Ohne Problemdruck fehlt der Antrieb, etwas zu verändern. 2. Fehlende Eindeutigkeit: der Lösungsweg ist unklar, so dass mehrere Optionen denkbar sind. 3. Offenheit für Neues, für originelle, auch ungewöhnliche Problemlösungen, um sich nicht auf konventionelle Lösungsmöglichkeiten zu beschränken. (Vgl. Preiser/ Buchholz 2004; vgl. auch Preiser, 2006, S. 52 f.) Bei zahlreichen Problemen kommt es auf den entscheidenden Einfall an. Erst die Umstrukturierung des Problems bringt mitunter die gewünschte Lösung. Robert W. Weisberg meint, dass kreative Produkte oder Lösungen sich langsam und schrittweise in einem kreativen Prozess entwickeln, indem sich jedes Teilstück unmittelbar auf das vorhergehende aufbaut. Mit Hilfe von Versuchsaufgaben beschreibt er die Kreativität als eine Leistung, die aus den gewöhnlichen Denkprozessen gewöhnlicher Menschen hervorgeht. Indem wir beim Problemlösen unser Verhalten ständig modifizieren und dadurch mit den immer wieder neuartigen Situationen umgehen können, finden - nach Weisbergs Auffassung - große bewusste oder unbewusste Erkenntnissprünge nicht unbedingt statt. Die vertraute Art, mit einem Problem umzugehen, entwickelt sich ganz allmählich zu etwas Neuem. Demnach ist das kreative Problemlösen von vergangenen Erfahrungen abhängig, woraus er schlussfolgert, dass man Kreativität nicht lehren kann, indem man jemandem rät, sich von seinen vergangenen Erfahrungen zu lösen. Für die Fähigkeit zum kreativen Problemlösen sind detaillierte Sachkenntnisse und neuartige Gedankenkombinationen erforderlich. Doch wirkliches Problemlösen beruht nicht auf bloßem Fachwissen, sondern indem man aufgrund seiner Fähigkeiten zum Problemlösen etwas Neues entwickelt. Beim kreativen Problemlösen kommt es darauf an, vor der Suche nach Antworten zunächst einmal die richtigen Fragen zu stellen. „Beim kreativen Problemlö- <?page no="133"?> 129 kreatives Problemlösen sen wird durch eine neuartige Reaktion ein gegebenes Problem gelöst.“ (W EISBERG , 1989, S. 18). Dazu stellt Walter Hussy fest: „Allerdings ist dann jeder gelungene Problemlösevorgang kreativ, denn immer wird ... eine Neuverknüpfung der problemrelevanten Informationen erforderlich.“ Hussy hebt drei Aspekte hervor: Die Art der Neuverknüpfung beim kreativen Prozess (a) ist selten, (b) bezieht sich auf ein umfangreiches bereichsspezifisches Faktenwissen (c) und folgt keinem gängigen Lösungsweg.“ Zu a: Mit dem Schlüsselbegriff „selten“ meint Hussy, „dass nur ganz wenige Personen diesen Weg zur Verknüpfung der problemrelevanten Informationen beschreiten.“ (H USSY , 1993, S. 118) Dieses Kriterium ist von den beiden anderen Aspekten nicht unabhängig, denn je freier die Kombinationsmöglichkeiten und je umfangreicher die Kombinationsgrundlagen, desto seltener sind meist die resultierenden Lösungen. Zu b: Mit der Zunahme des Umfangs des spezifischen Faktenwissens steigt exponentiell die Vielfalt der Verknüpfungsmöglichkeiten. Zu c: Das dritte Kriterium ist in enger Beziehung mit der Fähigkeit zu sehen, Fixierungen, also Festlegungen, auf den unterschiedlichen erkenntnismäßigen Verarbeitungsebenen zu erkennen und aufzubrechen. Je weniger Festlegungen vorliegen und je besser vorliegende Fixierungen überwunden werden können, „desto vielfältiger werden die Möglichkeiten zur Neuverknüpfung von Informationen und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, einen Lösungsweg zu finden, der keinem gängigen Denkschema entspricht.“ Das trifft besonders für Problemstellungen zu, die umfangreiches Faktenwissen erfordern. (H USSY , 1993, S. 123 f.) Allgemein werden drei Phasen unterschieden, wobei diese mehrere Zwischenstufen enthalten: 1. Problemdefinition (problem definition) 2. Problemlösung (problem solving) 3. Umsetzung der Lösung (solution implementation) - (S OUSA / M ONTEIRO / P ELLISSIER , 2011, pp. 142-145) Sidney J. Parnes (1922-2013) und Ruth Noller (1922-2008) unterscheiden sechs Phasen der Problemlösung: 1. Zielsetzung (objective finding) 2. Untersuchung der Fakten; die Erfassung von Informationen über ein Problem (fact finding) 3. Problemfindung (problem finding) 4. Ideenfindung (idea finding) 5. Lösungsfindung (solution finding) 6. Anerkennung bzw. Akzeptanz der gefundenen Lösung (acceptance finding) - (P ARNES / N OLLER , 1972, pp. 11-22). Eine verbreitete Version des kreativen Problemlösens heißt »Thinking Skills Model« (Denkfähigkeiten-Modell) und wird am »International Center for Studies in Creativity« at the State University of New York - Buffalo State verwendet. Es besteht aus sechs Phasen: 1. Exploring the Vision (Erforsche die visionäre Kraft) 2. Formulating Challenges (Formuliere die Herausforderungen) 3. Exploring Ideas (Überprüfe die Ideen) 4. Formulating Solutions (Erarbeite Lösungen) 5. Exploring Acceptance (Erkunde die Akzeptanz) 6. Formulating a Plan (Entwickle einen Plan) - (Puccio et al. 2007; Puccio/ Cabra, 2010, p. 159). kreativer Problemlösungsprozess Lit.: A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; A RBINGER , R.: Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt 1997; B ARTLETT , F. C.: Denken und Begreifen. Experimente der praktischen Psychologie. Köln 1952; B ARTLETT , F. C.: Thinking. An experimental and social study. Allen and Unwin university books. London 1958; B RANDER , S./ K OMPA . A./ P ELTZER , U.: Denken und Problemlösen. Einführung in die kognitive Psychologie (WV-Studium; Bd. 131). Opladen ²1989; B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (Reihe Management), Würzburg 1991; F UNKE , J./ B IRBAUMER , N.: Denken und Problemlösen. Göttingen 2006; <?page no="134"?> kreativer Problemlösungsprozess 130 G ESCHKA , H./ Z IRM , A.: Kreativitätstechniken. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 279-302; G OMEZ , P./ P ROBST , G.: Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens. Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen. Bern, Stuttgart, Wien ³1999; H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart, Berlin, Köln 1993; M EADOW , A./ P ARNES , S. J.: Evaluation of training in creative problem-solving. In: Journal of Applied Psychology 43, 1959, pp. 189-194; M ENCKE , M.: Kreativitätstechniken - Kreative Problemlösung und Entscheidungsfindung. Berlin 2012; Noller, R. B./ Parnes, S. J., & Biondi, A. M.: Creative actionbook: Revised edition of the creative behavior workbook. New York: Scribner 1976; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative problem-solving. 3 rd revised edition. Ninth Printing Hadley, Massachusetts 2006; P ARNES , S. J.: Instructors manual for semester courses in creative problem solving. Creative Education Foundation Press. Buffalo, New York 1960; P ARNES , S. J.: Student workbook for creative problemsolving courses and institutes. University of Buffalo, New York 1961; P ARNES , S. J./ N OLLER , R. B.: Applied creativity: The creative studies project: Part 1: The development. In: The Journal of Creative Behavior, 6, 1972, pp. 11-22; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; P REISER , S./ B UCHHOLZ , N.: Kreativität. Ein Trainingsprogramm für Alltag und Beruf. Heidelberg ²2004; P UCCIO , G. J./ C ABRA , J. F.: Organizational creativity. A Systems approach. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 145-173; R UNCO , M. A. (Ed.): Problem finding, problem solving, and creativity. Norwood, New Jersey 1994; S CHAFFAR , G.: Radikale Innovationen und grundsätzliche Problemlösungen finden - ein Praxishandbuch. Zen oder die Kunst, die richtige Erfindung zu machen. Gelnhausen 2012; S OUSA , F./ M ONTEIRO , I./ P ELLISSIER , R.: Methods to improve creativity and innovation: The effectiveness of creative problem solving. In: Mesquita, A. (Ed.): Technology for creativity and innovation: Tools, techniques and applications. Information science reference, Hershey/ Pennsylvania, New York 2011, pp. 136-155; V OGT , H. M.: Persönlichkeitsmerkmale und komplexes Problemlösen. Der Zusammenhang von handlungstheoretischen Persönlichkeitskonstrukten mit Verhaltensweisen und Steuerungsleistungen bei dem computersimulierten komplexen Szenario UTOPIA. München und Mering 1998; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. kreativer Problemlösungsprozess (creative problem solving process): Er wurde von dem US-amerikanischen Werbepsychologen Alex F. Osborn (1888-1966) entwickelt, der auch das Brainstorming eingeführt hat. Der Problemlösungsprozess ist ein Vorgang aktiver Informationsaufnahme und -verarbeitung bei der Bewältigung eines Problems. Er wird auch als Prozess der Strukturerkennung und Umstrukturierung gekennzeichnet. Die Problemlösung erfolgt, ähnlich dem kreativen Prozess in mehreren Phasen. Ein Drei-Phasen-Modell besteht aus: 1. Problemerkennung und Problemdefinition 2. Problembefragung und Problemformulierung 3. Ideenfindung zur Lösung des Problems Das Vier-Phasen-Modell lautet: 1. Problemanalyse 2. Ideenfindungsphase 3. Bewertungsphase 4. Umsetzungsphase Dean Keith Simonton (*1948) veröffentlichte 1988 seine „Chance-configuration-theory“ ( Zufall-Gestalt-Theorie) der Kreativität. Sie enthält zwei zentrale Komponenten für kreative Problemlösungen: 1. Die Erzeugung von Variabilität durch die Kombination und Rekombination der verfügbaren kognitiven Elemente eines Problemfeldes, und 2. das Erkennen oder Herstellen von stabilen, sinnstiftenden und neuen Konfigurationen aus der Wandlungsfähigkeit der Elemente. Um ein Problem erfolgreich lösen zu können, muss man sich gelegentlich davon »lösen«. Es kann auch eine Kurskorrektur nötig werden, um die vorgesehene Lösung den neuen Anforde- <?page no="135"?> 131 kreativer Problemlösungsprozess rungen anzupassen. Bei zahlreichen Erfindungen oder technischen Entwicklungen handelt es sich um eine Weiterentwicklung bereits vorhandener Ideen. Bei der Kombination von alternativen Vorschlägen zur Verbesserung eines Gegenstandes kann mitunter die Idee zu einer Neuschöpfung entstehen. So kann auch durch eine Zufallskombination die Lösung eines Problems gefunden werden. Trial-and-error-Methode. Helmut Schlicksupp (1943-2010) gliedert den kreativen Problemlösungsprozess in neun Phasen: 1. Auseinandersetzung der Person mit ihrer Umwelt: Dabei werden Unzulänglichkeiten bzw. Probleme erkannt, die nach einer Lösung verlangen und damit kreatives Denken und Handeln auslösen. Völlige Zufriedenheit mit der vorhandenen Situation wirkt sich dagegen kreativitätshemmend aus. 2. Problemanalyse: Dabei werden die Größe und Bedeutung des Problems für die eigenen Interessen, Absichten und Ziele eingeschätzt. Danach erfolgt die Visualisierung des Problems, z. B. durch Ablaufanalyse, durch Pfeil- oder Blockdiagramm oder durch Mind Mapping®; anschließend Zerlegung komplexer Probleme in Teilprobleme, die in eine sinnfällige Reihenfolge der Bearbeitung gebracht werden. 3. Problemdefinition 4. Informationsammlung zur Lösungsvorbereitung 5. Erste Lösungsansätze und Absinken des Problems in das Unterbewusstsein ( Inkubation) 6. Plötzliche Erleuchtung ( Geistesblitz) 7. Überprüfung und Ausarbeitung der Ideen 8. Präsentation der ausgewählten Idee 9. Realisierung der Lösung (Vgl. S CHLICKSUPP , 1999, S. 27-31). Walter Hussy (*1946) meint, von einem kreativen Problemlöseprozess sei erst dann zu sprechen, „wenn eine gelungene Problemlösung auf einem neuen Weg erreicht wurde.“ (H USSY , 1993, S. 119). In der Praxis werden meist fünf Problemgruppen unterschieden: 1. Analyseprobleme 2. Suchprobleme 3. Konstellationsprobleme 4. Konsequenzprobleme 5. Auswahlprobleme Ein Analyseproblem setzt große Sachkenntnis voraus. Die Schwierigkeit besteht im Erkennen der Problem-Strukturen. Diese sind sichtbar zu machen und die Zusammenhänge aufzuzeigen. Ohne gründliche Problemanalyse ist eine befriedigende Lösung kaum möglich. Suchprobleme zielen auf das Suchen von alternativen Lösungen, wobei Analogien, Assoziationen und Bisoziationen von großer Bedeutung sind. Um ein Suchproblem handelt es sich auch, wenn die Schwierigkeit darin besteht, bestimmte Lösungen aus einem bereits existierenden Lösungsspektrum zu selektieren. Mit Hilfe von Suchkriterien, die durch die Definition des Problems vorgegeben sind, wird der Suchvorgang durchgeführt. Die Wahrscheinlichkeit, neue Lösungen zu finden, wird dadurch erhöht. Suchkriterien (auch Suchregeln genannt), sind: 1. Die systematische Zerlegung von Problemen in ihre Bestandteile, um eine systematische Strukturierung zu erreichen. 2. Abstrahierung vom Ursprungsproblem 3. Bildung von Analogien, um die Ähnlichkeit oder Entsprechung von Gegenständen, Ideen, Sachverhalten oder Problemstellungen aus anderen Bereichen zu prüfen, denn auch in anderen Wissensbereichen können Lösungen für ein Problem liegen. 4. Anknüpfung und Assoziation, mit dem Ziel, möglichst zahlreiche verwertbare Ideen durch einen ungehinderten Gedankenfluss zu erreichen. 5. Bildliches Denken: Gut visualisierte Probleme sind anschaulicher und lassen sich dadurch einfacher lösen. Damit wird gleichzeitig die rechte Gehirnhälfte genutzt. Bei Konstellationsproblemen geht es um die Anwendung vorhandenen Wissens an neue Gegebenheiten. Bei Konsequenzproblemen wird durch die Befolgung erkannter Gesetzmäßigkeiten das Problem bzw. die Aufgabe gelöst. Bei einem Auswahlproblem werden Alternativen nach bestimmten Kriterien auf ihren Nutzen für ein vorgegeben Ziel hin untersucht. Es wird auch zwischen gut- und schlechtstrukturierten Problemen unterschieden. Bei schlechtkreatives <?page no="136"?> Produkt 132 strukturierten Problemen sind nicht alle Bestandteile eines Problems bekannt und Zusammenhänge nur begrenzt erkennbar. Dies erfordert eher eine intuitive, ungerichtete Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Marco Mencke nennt 10 Stufen des Problemlösungsprozesses: 1. Problemsammlung 2. Problemauswahl 3. Problemdefinition 4. Problemanalyse, Ursachenanalyse 5. Zielsetzung 6. Entwicklung möglicher Lösungen 7. Bewertung und Entscheidungsfindung 8. Aktionsplanung 9. Umsetzung 10. Erfolgskontrolle (M ENCKE , 2012, S. 46 f.) Lit.: H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993; L INNEWEH , K.: Kreatives Denken. Techniken und Organisation produktiver Kreativität, 6. Aufl., Rheinzabern 1994; M ENCKE , M.: Kreativitätstechniken - Kreative Problemlösung und Entscheidungsfindung. Berlin 2012; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative problem-solving. Scribner: New York 1953; 2. edition 1963; D ERS .: Is education becoming more creative? An address given at the seventh annual Creative Problem-Solving Institute, University of Buffalo, 1961; D ERS .: Development in creative education. In: Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 19-29; S CHLICKSUPP , H.: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999; S IMONTON , D. K.: Scientific genius: A psychology of science. Cambridge: Cambridge University Press 1988. kreatives Produkt (creative product): Die US-amerikanischen Psychologen Philip W. Jackson und Samuel Messick entwickelten Bewertungsskalen, nach denen ein Produkt als kreativ eingestuft werden kann. Dazu gehören: 1. Ungewöhnlichkeit oder Seltenheit, bezogen auf eine Vergleichsgruppe 2. Angemessenheit, bezogen auf die Erfordernisse der Situation 3. Transformation: radikale Verschiebung des Standpunktes oder Überwindung von Zwängen 4. Verdichtung: Verschmelzung von Bedeutungen oder Vielfalt an Interpretations- und Übertragungsmöglichkeiten Donald W. MacKinnon (1903-1987) nennt folgende Merkmale eines kreativen Produkts: 1. Neuheit, Originalität: Je größer der Personenkreis ist, für den das Produkt neu ist, desto kreativer ist es. Mindestens muss der Aspekt der Neuheit und Originalität für eine bestimmte Gruppe von Menschen gegeben sein. 2. Realitätsangepasstheit: Die neue Lösung, das neue Produkt muss in sinnvoller Weise auf die vorhandenen Probleme individueller oder gesellschaftlicher Art Bezug nehmen. 3. Ästhetische Vollkommenheit der Lösung: Unabhängig von der Realitätsangepasstheit muss die neue Lösung/ das neue Produkt elegant und ästhetisch sein. Da es für die meisten Probleme verschiedene Lösungen gibt, sollen nur solche als kreativ bezeichnet werden, die auch ästhetisch sind. 4. Hervorbringung neuer Existenzmöglichkeiten für Menschen durch die Schaffung des kreativen Produkts: Die Lösung/ das Produkt muss herkömmliche und akzeptierte Erfahrungsformen des Menschen überschreiten und umgestalten, indem neue Prinzipien eingeführt werden. 5. Ausarbeitung, Realisierung und Kommunikation der zugrundeliegenden Idee: Das kreative Produkt muss auch hergestellt werden, die kreative Idee soll realisiert werden. Nur dann kann sie geprüft und bestätigt werden. (MacKinnon 1962, 1965; Krause, 1972, S. 42 f.) Die Bewertung der Neuheit bzw. Neuartigkeit (in einer bestimmten Situation) ist abhängig von der Bezugsgruppe; die Bewertung der Angemessenheit oder Sinnhaftigkeit (bezogen auf ein Problem), ist von den (subjektiven) Werten des Beurteilers abhängig, und was als sinnvoll und als originell akzeptiert wird, hängt vom historischen und gesellschaftlichen Kontext ab. Das betrifft nicht nur technische oder künstlerische Produkte, sondern auch wissenschaftliche Theorien und politische Projekte. Kreativität wird somit als ein gesellschaftliches Konstrukt <?page no="137"?> 133 kreative Provokationen aufgefasst. (Vgl. Westmeyer, 1998; Preiser, 2006, S. 52). Das kreative Produkt lässt Originalität und Einfallsreichtum erkennen. Auch der Psychologe Franz E. Weinert (1930-2001) stuft ein Produkt als kreativ ein, „wenn es neu, überraschend, originell und zugleich bedeutsam ist.“ Dabei sei es gleichgültig, ob es sich um eine herausragende wissenschaftliche Erfindung, eine innovative Problemlösung, ein Kunstwerk, eine originelle Werbeidee oder um eine neuartige Lösung eines Alltagsproblems handelt. Wesentliche Voraussetzungen für die Erzeugung eines kreativen Produkts „sind im allgemeinen die Konzentration auf ein Ziel, harte Arbeit, Anstrengung, Ausdauer, Verkraften von Misserfolgen und ein ständig verfügbares, exzellentes, flexibel nutzbares Wissen.“ (W EINERT , 1990, S. 35). Stephan Sonnenburg unterscheidet zwei Arten kreativer Produkte: Innovation und Invention. Diese Differenzierung erfolgt hinsichtlich der Bedeutung des Produkts für den jeweils relevanten gesellschaftlichen Bereich. (S ONNENBURG , 2007, S. 34). Robert J. Sternberg, James C. Kaufman und Jean E. Pretz unterscheiden acht Typen kreativer Produkte: 1. Reproduktion, Nachbildung (replication) 2. Umstrukturierung (redefinition) 3. weitere Verbesserung (forward incrementation) 4. fortgeschrittene Optimierung, weitere Verbesserung (advance forward incrementation) 5. Neuausrichtung (redirection) 6. Neustrukturierung/ Neuausrichtung (reconstruction/ redirection) 7. Neuinszenierung (reinitiation) 8. Synthese (synthesis) - (Sternberg/ Kaufman/ Pretz, 2002; Sternberg/ Kaufman, 2010, pp. 471-472). Howard Gardner (*1943) behauptet, dass „schöpferische Leistungen nur dann als solche gelten können, wenn sie in einem besonderen kulturellen Umfeld akzeptiert sind. Dabei ist keine zeitliche Grenze gesetzt; ein Produkt kann sofort nach seiner Entstehung als kreativ erkannt werden oder ein Jahrhundert oder ein Jahrtausend lang unbeachtet bleiben.“ (G ARD- NER , 1996, S. 56) Ebenen der Kreativität; Kreativitätskriterien Lit.: C OOPER , R. G.: Top oder Flop in der Produktentwicklung. Erfolgsstrategien. Weinheim 2002; G ARD- NER , H.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Stuttgart 1996; J ACKSON , P H . W./ M ESSICK , S.: The person, the product, and the response: conceptual problems in the assessment of creativity. In: The Journal of Personality, 33, 1965, pp. 309-329; Dass. in: Kagan, J. (Ed.): Creativity and learning. Boston 1967; dt. Übers.: Die Person, das Produkt und die Reaktion. Begriffliche Probleme bei der Bestimmung der Kreativität. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 93-110; K RAUSE , R.: Kreativität. Untersuchungen zu einem problematischen Konzept. (Das wissenschaftliche Taschenbuch. Abt. Geisteswissenschaften). München 1972; M AC K INNON , D.: The nature and nurture of creative talent. In: American Psychologist, 17, 1962, pp. 484-495; D ERS .: Personality and the realization of creative potential. In: American Psychologist, 20, 1965, pp. 273-281; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. 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E.: Der aktuelle Stand der psychologischen Kreativitätsforschung und einige daraus ableitbare Schlussfolgerungen für die Lösung praktischer Probleme. In: Generationsdynamik und Innovation in der Grundlagenforschung. Symposium der Max-Planck-Gesellschaft Schloß Ringberg/ Tegernsee, Juni 1989, hg. von Peter Hans Hofschneider und Karl Ulrich Mayer für den Wissenschaftlichen Rat der Max-Planck-Gesellschaft, München. Max-Planck-Gesellschaft; Berichte und Mitteilungen, Heft 3/ 1990, S. 21-44; W ESTMEYER , H.: The social construction and psychological assessment of creativity. In: High Ability Studies, 9, 1998, pp. 11-21. kreative Provokationen (creative provocations): „Herausforderungen durch besondere Anreize im zwischenmenschlichen Bereich, ... also Provokationen, die kreativitätsfördernd oder kreativitätsauslösend sein können.“ (L ENK , 2000, S. 93). Der Begriff wurde von dem <?page no="138"?> kreativer Prozess 134 Philosophen und Wissenschaftstheoretiker Hans Lenk in die Kreativitätsforschung eingeführt. Die meisten Erfindungen, Entdeckungen und Innovationen sind kreative Herausforderungen und setzen sich oft nur in harten produktiven Auseinandersetzungen durch, wobei auch oft Tabus gebrochen werden. (z. B. bei der Erforschung der Gentechnik). Mit diesem Topos sowie einer Anzahl anderer Faktoren plädiert Hans Lenk für eine Erweiterung der Vier-Punkte-Theorie zur Erfassung der Kreativität. Auch die Provokation ist eine Operation des kreativen Denkens. Dazu „gehört ein scheinbar unvernünftiger Schritt, der gemacht wird, um unsere Ideen in eine andere Richtung zu lenken“, z. B. Negieren, Übertreiben, Umkehren oder Wunschdenken. (De Bono, 1989, S. 251). Es ist die Infragestellung von Bewährtem, Eingefahrenem. Auch Führungskräfte sollten „eine Innovationsatmosphäre pflegen, in der es jederzeit möglich ist, gewohnte Auffassungen und etablierte Lösungsmuster provozierend anzugreifen.“ (S CHLICKSUPP , 1995, S. 119). Kreativitätserfassung Lit.: D E B ONO , E.: Chancen. Das Trainingsmodell für erfolgreiche Ideensuche. Düsseldorf/ Wien/ New York 1989; K REUZ , P./ F ÖRSTER , A.: Alles, außer gewöhnlich. Provokative Ideen für Manager, Märkte, Mitarbeiter. Berlin/ München 2007; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; S CHLICKSUPP , H.: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995. kreativer Prozess (creative process): schöpferischer Verlauf von der Ideenfindung bis zur Vollendung eines Werkes. Der kreative Prozess ist der psychische Weg, den eine Persönlichkeit von der Idee bis zum fertigen Produkt, bzw. von der gestellten Aufgabe, der Problemfindung bis zur Problemlösung durchläuft. Während der Suche nach möglichen Lösungen werden Hypothesen aufgestellt, getestet, kontrolliert, modifiziert, wieder verworfen, erneut getestet und schließlich veröffentlicht. Der kreative Prozess beinhaltet somit die Sensitivierung gegenüber Problemen, Mängeln, Wissenslücken, fehlenden Komponenten und Disharmonien. Er verlangt ein hohes Maß an geistiger Konzentration, Disziplin und Aufmerksamkeit, aber vor allem intrinsische Motivation und große Begeisterungsfähigkeit für das zu lösende Problem. Graham Wallas (1858-1932) entwarf 1926 ein Vier-Phasenmodell der Kreativität (four-stage scheme of creativity) zur Erfassung der Erlebnis- und Bewusstseinsvorgänge, um den Verlauf des komplizierten schöpferischen Prozesses wissenschaftlich zu erklären. Die einzelnen Phasen haben die Bezeichnungen: Präparation, Inkubation, Illumination und Verifikation. Es gibt auch Stufenmodelle, bei denen der kreative Prozess mit drei, fünf, sechs, sieben, acht oder sogar zehn Phasen angegeben wird. Im Ablauf des kreativen Prozesses stimmen Künstler und Wissenschaftler weitgehend überein. Sie alle berichten „vom Herauspräparieren eines Themas, von der Ideensammlung, der Materialbeschaffung, vom Schlummern im Unbewussten, vom erhellenden Blitz“ und seiner Bändigung und Organisation in der produktiven Realisierung. (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 13) Rainer M. Holm-Hadulla nennt fünf Phasen: 1. Vorbereitung 2. Inkubation 3. Illumination 4. Produktion bzw. Realisierung 5. Verifikation (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 16, 54-58.) Siegfried Preiser und Nicola Buchholz gehen von sieben Stufen des kreativen Prozesses aus: 1. Offen auf die Welt zugehen; 2. Probleme analysieren und Ziele klären; 3. Informationen bereitstellen; 4. Auf Distanz zum Problem gehen; 5. Einfälle entwickeln; 6. Ideen bewerten und auswählen; <?page no="139"?> 135 kreativer Prozess 7. Ideen ausarbeiten, präsentieren und verwirklichen. (P REISER / B UCHHOLZ , 1997, S. 17; Preiser, 2006, S. 53 f.). Die Psychologen Heinz Schuler und Yvonne Görlich unterscheiden acht Phasen des kreativen Prozesses: 1. Problementdeckung 2. Informationssuche, -aufnahme und -bewertung 3. Kombination von Konzepten 4. Ideenfindung 5. Ausarbeitung und Entwicklung eines Lösungsansatzes 6. Ideenbewertung 7. Anpassung und Umsetzung 8. Implementierung Auch Robert Keith Sawyer entwickelte ein Acht-Phasenmodell des kreativen Prozesses. Es lautet: 1. Finde und definiere das Problem. 2. Sammle wichtige Informationen. Die Erzeugung und Beurteilung neuer und nützlicher Ideen erfordern ein beträchtliches Wissen über das entsprechende Fachgebiet. 3. Sammle möglichst zusammenhängende Informationen. Das Wissen über das eigene Fachgebiet ist wichtig, aber manchmal werden die besten Lösungen auch durch Ideen und Konzepte erzielt, die außerhalb der eigenen Disziplin liegen. 4. Nimm dir Zeit für die Inkubation. Das unbewusste Denken braucht Zeit für den Prozess und für die Verknüpfung aller Informationen in neuer Weise. 5. Erzeuge eine große Vielfalt von Ideen. Nach der Inkubation können die Ideen und Verknüpfungen vom bewussten Denken aufmerksam beurteilt werden. 6. Kombiniere die Ideen auf unübliche Weise. Zahlreiche kreative Ideen sind das Ergebnis neuer Kombinationen von bereits existierenden Ideen oder Erfindungen. 7. Wähle die besten Ideen aus. 8. Setze die Ideen um. (S AWYER , 2012, pp. 88-89; Sawyer, 2013; Burkus, 2014, pp. 130-131) Hans Lenk entwickelte eine erweiterte und „verfeinerte Phasenbildung“, zunächst in zehn, dann in zwölf Stufen, die er als die 12 „Is“ bezeichnet. Das ist die Abfolge von: 1. Insinuierung (Anregung durch die Umwelt) 2. Induzierung (Ein- und Anverwandlung) 3. Inkubation 4. (vorbereitende und aktuelle) Intuition 5. (zündende) Inspiration und 6. Interpretation, sowie deren 7. Internalisierung - vor der eigentlichen 8. Intention und 9. Invention im engeren Sinne, die anschließend zur 10. Implementierung und 11. (akzeptierten und evtl. verbreiteten) Innovation sowie zur 12. (gesellschaftlichen und übergreifenden) Integration führt. (L ENK , 2013, S. 75). In der Kreativitätsforschung wird jedoch am häufigsten auf das Vier-Phasenmodell von Wallas zurückgegriffen, „dessen Tauglichkeit sich in seiner Funktion als Bezugsgröße für analoge Nachfolgemodelle zu beweisen scheint.“ (H EMMER -J UNK , 1995, S. 60; vgl. Stemmler et al. 2011, S. 229). Die Phasen sind jedoch nicht streng voneinander getrennt, sondern bedingen sich wechselseitig und überschneiden sich. Meist verlaufen sie nicht in einer linearen Stufenfolge, sondern in mehreren Rückkopplungschleifen, so dass mitunter eine Phase übersprungen oder mehrmals durchlaufen wird. „Der kreative Prozess ist ein Spezialfall des allgemeinen Problemlösungsprozesses. Er gewinnt seine besondere Bedeutung in Situationen, in denen gängige Denk- und Vorgehensweisen nicht zielführend sind.“ (H USSY , 1993, S. 131). Lit.: B ARRON , F.: Creative person and creative process. New York 1969; B ASADUR , M.: Managing the creative process in organizations. In: Runco, M. A. (Ed.): Problem finding, problem solving, and creativity. Norwood, New Jersey 1994, pp. 237-268; B URKUS , D.: The myths of creativity. The truth about how innovative <?page no="140"?> kreatives Schreiben 136 companies and people generate great ideas. Jossey-Bass, San Francisco, CA 2014; G AIER , C.: Management kreativer Prozesse. Eine Analyse der Wirkung psychologischer Variablen auf ökonomische Erfolgsindikatoren. Wiesbaden 2011; G UNTERN , G. (Hrsg.): Irritation und Kreativität. Hemmende und fördernde Faktoren im kreativen Prozess. Mit Beiträgen von François Couchepin, Gottlieb Guntern u. a. - Kreativität in Wirtschaft, Kunst und Wissenschaft. Internationales Zermatter Symposium. Zürich 1993; G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996, S. 25-46; H EMMER -J UNK , K.: Kreativität - Weg und Ziel [Europäische Hochschulschriften, Reihe 11, Pädagogik; Bd. 648]. Frankfurt am Main 1995; H OLM -H ADULLA , R. M.: 17 Wege zur Kreativität - Ein Überblick. In: Ders. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin, Heidelberg, New York et al.; Nachdruck 2001, S. 1-19; H OLM -H ADULLA , R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin/ Heidelberg/ New York et al.; Nachdruck 2001; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen 2005; ²2007; ³2010; H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993; L ENK , H.: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289; L ENK , H.: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; D ERS .: Kreativität, Leistung und Motivation. In: Julmi, Ch.: Gespräche über Kreativität. Philosophische Annäherungen an ein subjektives Phänomen. (kultur & philosophie. beiträge, analysen, kommentare, Bd. 5, hg. von Christian Julmi, Sonya Gzyl, Michael Nagenborg, Guido Rappe). Bochum, Freiburg 2013, S. 74-97; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; P REISER , S./ B UCHHOLZ , N.: Kreativitätstraining. Das 7-Stufen-Programm für Alltag, Studium und Beruf. Augsburg 1997; D IES .: Kreativität. Ein Trainingsprogramm für Alltag und Beruf. Heidelberg ³2008; S AWYER , R. K.: Explaining creativity: The science of human innovation. Cambridge: Oxford University Press 2012; S AWYER , R. K.: Zig Zag: The surprising path to greater creativity. San Francisco, CA: Jossey-Bass 2013; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, et al. 2007; V OGT , T.: Kalkulierte Kreativität. Die Rationalität kreativer Prozesse. Wiesbaden 2010; W ALLAS , G.: The art of thought. New York 1926. kreatives Schreiben (creative writing): ein mentaler Problemlösungsprozess, der sich auf die Produktion eines schriftlichen Textes bezieht. Im Unterschied zum alltäglichen Aufschreiben, zum Mitschreiben beim Diktat und Abschreiben, zum Schriftverkehr in den Verwaltungen, zu amtlichen Schreiben, z. B. der Schriftform beim Abschluss von Rechtsgeschäften, der Erarbeitung von Gesetzestexten, von Bedienungsanleitungen usw. steht beim kreativen Schreiben der schöpferische Aspekt im Vordergrund. Die Abgrenzung zwischen kreativem Schreiben und literarischer Kreativität ist nicht eindeutig, da diese Begriffe oft synonym verwendet werden. Wenn es sich um die Erarbeitung und Gestaltung von Dichtkunst handelt (Gedichte, Novellen, Kurzgeschichten, Romane, Autobiographien, Hörspiele, Drehbücher, u. a., also um das Hervorbringen literarischer Werke in Lyrik und Prosa, ist der Begriff »literarische Kreativität« geeigneter. Kreatives Schreiben umfasst auch wissenschaftliche Publikationen und Forschungsarbeiten, Hypothesen, philosophische Texte, Werbetexte u. a., wenn diese neu, originell und einfallsreich sind, d. h. eine schöpferische Leistung darstellen, im Sinne des Planens, Entwerfens, Gestaltens, Erfindens und Entdeckens. Die Kognitionswissenschaftler unterscheiden aus analytischer Sichtweise drei Phasen des kreativen Schreibens: 1. Planung: die Problemstellung, das heißt die Schreibaufgabe wird festgelegt; Faktensammlung Materalsammlung durch kreatives Denken, Phantasie, Nachdenken oder von externen Informationsquellen (z. B. durch Literaturstudien, durch Erzählungen anderer Personen). Auch das Lesepublikum wird bereits in die Planung einbezogen (An wen richtet sich der Text? ; mögliche Interessenten, Nutzer und Käufer der beabsichtigten Publikation). All diese Komponenten fließen in die Schreib- und Publikationsplanung ein. 2. Produktion: in dieser Phase erfolgt die Formulierung (sogenannte Versprachlichung) und die Niederschrift des geplanten Textes. 3. Textrevision: Entspricht der erarbeitete Text inhaltlich und strukturell dem vorher anvisierten Schreibplan? Überprüfung der sprachlichen Form (Vgl. S TRUBE , 1996, S. 610). Möglichkeiten des kreativen Schreibens im digitalen Zeitalter, das Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. zeigt Stephan Porombka. (Porombka, 2012). Der Erlernbar- <?page no="141"?> 137 kreative Situation keit des kreativen Schreibens dient ein Bachelor-Studiengang der Universität Hildesheim. Der Dozent Prof. Dr. Hanns-Josef Ortheil erhielt an dieser Universität 2002 die erste Professur für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus in Deutschland. Auch das Deutsche Literaturinstitut Leipzig und das Schweizerische Literaturinstitut in Biel bieten solche Studiengänge an. literarische Kreativität Lit.: Alter, R.; C ANON AND CREATIVITY : Modern writing and the authority of scripture. Yale University Press, New Haven (Connecticut) 2013; C AREY , L. J./ F LOWER , L.: Foundations for Creativity in the Writing Process. In: Glover, J. A./ Ronning, R. R./ Reynolds, C. R. (Hrsg.): Handbook of Creativity. New York 1989, S. 283-303; G REGG , L. W./ S TEINBERG , E. R. (Eds.): Cognitive processes in writing. Hillsdale, N. J.: Erlbaum, 1980; H EIMES , S.: Schreib es dir von der Seele. Kreatives Schreiben leicht gemacht. Göttingen 2010; K ÖR- BER , F.: Kreativität und kreatives Schreiben. Ist kreatives Schreiben lehrbzw. lernbar? München/ Ravensburg 2008; Leis, M.; UNTER M ITARBEIT VON A. B AHRENBERG , B. C HRISTMANN , J. V OSS : Kreatives Schreiben. 111 Übungen. Texte und Materialien für den Unterricht. (Universal-Bibliothek Nr. 15228), Stuttgart 2009; O RTHEIL , H.-J.: Das Element des Elephanten. Wie mein Schreiben begann. München 1994; D ERS .: Wie fang’ ich nach der Regel an? Überlegungen zum Kreativen Schreiben. In: Werner Brändle (Hrsg.): Identität und Schreiben. Eine Festschrift für Martin Walser. Hildesheim 1997; D ERS .: Selbstversuch am offenen Herzen. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin, Heidelberg, New York; Nachdruck 2001, S. 227-244; D ERS .: Aristoteles und andere Ahnherren. Über Herkunft und Ursprünge des »Kreativen Schreibens«. In: Schreiben lernen - Schreiben lehren, hg. von Josef Haslinger und Hans Ulrich Treichel. Frankfurt/ M. 2006, S. 17-29; D ERS .: (Hrsg.): Calendarium 3 & 4. Der Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus im Wintersemester 2008/ 2009 und im Sommersemester 2009. Zentrum für Kreatives Schreiben e.V.; Edition Pächterhaus Hildesheim 2011; D ERS .: Duden - Kreatives Schreiben Blank Book, mit einem Essay von Hanns-Josef Ortheil: Weiße Blätter, leere Seiten. Das Schreiben vor dem Schreiben. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Bibliographisches Institut Mannheim 2012; D ERS .: Schreiben dicht am Leben: Notieren und Skizzieren. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Bibliographisches Institut Mannheim 2012; O RTHEIL , H.-J./ M ESCH , S./ S PLITTGERBER , K.: Kulturtagebuch: Leben und Schreiben in Hildesheim. Glück & Schiller Verlag (Taschenbuch) 2007; P OGODA , G. M.: Kreativ Schreiben. Von der Idee zum Text. Wirkungsvoll formulieren für Schule, Studium, Beruf, Literatur, Selbsterfahrung (mvg-paperbacks; 08655), Landsberg am Lech 2000; P OROMBKA , S.: Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Mannheim, Zürich 2012; P YERIN , B.: Kreatives wissenschaftliches Schreiben. Tipps und Tricks gegen Schreibblockaden, Weinheim, Basel ³2007; R ICO , G. L.: Writing the natural way. Using right-brain techniques to release your expressive powers. Los Angeles 1983. Dt. Ausgabe: Garantiert schreiben lernen. Sprachliche Kreativität methodisch entwickeln - ein Intensivkurs auf der Grundlage der modernen Gehirnforschung, 11. Aufl., Reinbek bei Hamburg 2001; S CHÄRF , C.: Schreiben Tag für Tag. Journal und Tagebuch. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Mannheim, Zürich 2011; S CHEIDT , J. VOM : Kreatives Schreiben. Frankfurt am Main ³2003; S CHMITZ , A. D.: Handbuch des Kreativen Schreibens für den Unterricht in der Sekundarstufe I. Donauwörth 2001; S PÄKER , B.: Zwei Modelle des Schreibens - Schreibprozess- und Schreibentwicklungsmodelle im Vergleich. Essen 2006; S TRUBE , G., zusammen mit B. B ECKER U . A . (Hrsg.): Wörterbuch der Kognitionswissenschaft. Stuttgart 1996; W OHLGEMUTH , R. B.: Schreibspiele, Kreatives Schreiben. 2 Bde., Bad Zwischenahn 1995/ 98. kreativer Sektor Kreativwirtschaft kreative Situation (creative situation): das Betätigungsfeld, die individuelle Wirklichkeit bzw. der Erlebnisraum, in dem sich Kreativität vollzieht. Karl-Heinz Brodbeck unterscheidet fünf Aspekte der kreativen Situation (situative Modalitäten): 1. Sinnesgegenstände, Sinnesobjekte, Formen oder Gegenstände in unserer Sinneswahrnehmung, das, was wir sehen, hören, tasten, schmecken und riechen können. 2. Gefühle, Emotionen, Stimmungen 3. Wahrnehmungen (Wahrnehmen und Beobachten), wobei die Wahrnehmung auch unbewusst geschieht. „Unsere Sinne und unser Gehirn nehmen beständig wahr. Sie verarbeiten unentwegt ›Informationen‹; doch nur ein Teil davon gelangt in den ›Lichtkegel‹ unserer Achtsamkeit.“ (B RODBECK , 1995, S. 38); 4. Bewegungsmuster oder Gewohnheitsmuster, d. h. alle von uns ausgeführten Bewegungen, Handlungen Aktivitäten, Denk- und Handlungsmuster (pattern); 5. Gedanken: Sie können beachtet oder unbeachtet, bewusst oder unbewusst sein. Das Denken begleitet all unser Tun. Das Zentrum der kreativen Situation ist die Achtsamkeit. <?page no="142"?> kreativer Sprung 138 Lit.: B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Wege aus dem Labyrinth der Gewohnheiten, 4. Aufl., Darmstadt 2010. kreativer Sprung (creative jump): die Annahme, dass sich Kreativität nicht in einem langwierigen und quälenden Schaffensprozess vollzieht, sondern dass z. B. die Lösung eines Problems bzw. die Idee zu einem neuartigen Produkt plötzlich und unerwartet, gewissermaßen ›sprunghaft‹ gelingt. Zahlreiche Wissenschaftler und Künstler berichten, dass sich ihr kreatives Denken häufig in Erkenntnissprüngen vollziehe, so „dass ihnen kreative Werke plötzlich in vollendeter Form ins Bewusstsein drangen.“ Dabei wird angenommen, „dass solche kreativen Sprünge auf unbewusste Denkprozesse zurückzuführen seien.“ (W EISBERG , 1989, S. 144). Robert W. Weisberg misstraut jedoch diesen Schilderungen und erklärt: „Versucht ein Wissenschaftler, eventuell Jahre zurückliegende komplizierte Denkprozesse im Zusammenhang mit einer Problemstellung, bei deren Lösung er emotional sehr engagiert war, aus dem Gedächtnis zu rekonstruieren, so enthält seine Rekonstruktion mit ziemlicher Sicherheit Fehler. Verlässt man sich anstelle von subjektiven Berichten auf objektives Befundmaterial, besteht keinerlei Notwendigkeit, Erkenntnissprünge zu postulieren.“ Weisberg schlussfolgert daraus, „dass sich kreative Menschen, die über großartige Erkenntnissprünge berichten, einfach im Irrtum befinden. Da die meisten von ihnen weder als Experten (das heißt als professionelle Psychologen) ihre Denkprozesse untersuchten noch zum Zeitpunkt des kreativen Aktes auf ihre Denkprozesse achteten, sind ihre Irrtümer nicht überraschend.“ (W EISBERG , 1989, S. 143). Weisberg vertritt dagegen die Auffassung, dass das kreative Denken durch eine Reihe aufeinander aufbauender Schritte erfolgt, und unter Umständen auch in unterschiedlichen Richtungen verläuft. Neuerungen entstehen durch die Weiterentwicklung von etwas bereits Vorhandenem. Auch die künstlerische Kreativität vollziehe sich nicht sprunghaft, sondern schrittweise als kreativer Prozess. Ein Kunstwerk entsteht, vom ersten Entwurf bis zur fertigen Ausführung, meist innerhalb eines längeren Zeitraums, während sich der Künstler darum bemüht, „die im Verlauf seiner Arbeit auftauchenden Probleme zu lösen.“ Zugleich bekräftigt Weisberg, dass selbst „die Inspiration zu einem neuen Kunstwerk direkt auf verschiedene Erfahrungen des Künstlers zurückgeführt werden kann.“ (W EISBERG , 1989, S. 153). Auch die Erschaffung eines vollkommen neuen künstlerischen Stils lasse sich allgemein als eine schrittweise Weiterentwicklung, über längere Zeitabschnitte hinweg, auf der Basis früherer Erfahrungen, Übungen und Gewohnheiten sowie früherer Arbeiten eines Künstlers heraus verstehen. „Auch im Einzelfall entspringen spezielle Kunstwerke nicht in Vollendung aus der Vorstellung des Künstlers, sondern sie entwickeln sich aus seinen Versuchen, mit ›Problemen‹ früherer Entwürfe fertigzuwerden. Außerdem wird der künstlerische Prozess häufig durch einen konkreten Umstand vorangetrieben - ein weiterer Hinweis darauf, dass Ideen keineswegs aus dem Nichts entstehen.“ (W EISBERG , 1989, S. 145). Kreativitätsskala Lit.: W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. kreative Tätigkeit kreative Leistung; kreatives Produkt kreatives Umfeld kreative Umwelt kreative Umwelt (creative environment): auch kreatives Umfeld. Die Umgebung, das Arbeitsumfeld, in dem kreative Leistungen stattfinden, beeinflussen den kreativen Prozess und können sich auf die Ideenfindung, Produktentwicklung sowie auf die Lösung von <?page no="143"?> 139 kreative Unruhe Problemen sowohl fördernd als auch hemmend erweisen (konstruktive bzw. destruktive Umwelteinflüsse). Kreativität wird, zumindest zu großen Teilen, in der Interaktion mit der Umwelt erworben. Es besteht eine komplexe Wechselwirkung zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und Umweltfaktoren. Kreativen Persönlichkeiten gelingt es auch eher, an negativen Umwelteinflüssen nicht zu zerbrechen, sondern diese positiv umzuwerten. ( Ambiguitätstoleranz). Ein wichtiger Aspekt ist auch die Lebens- und Wohnumwelt: „Es ist wichtig, an einem Ort zu leben, der nicht zu viel potenzielle Energie verbraucht, indem er entweder unsere Aufmerksamkeit einschläfert oder indem er uns zwingt, gegen eine unerträgliche Umgebung anzukämpfen.“ (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 505). Vor allem Natur- und Landschaftseindrücke, Ortsveränderungen, Reisen in nahe oder ferne Länder, das Durchstreifen fremder Städte und unbekannter Landschaften vermitteln uns vielfältige und neuartige Eindrücke, die zu einer Quelle der Inspiration werden können. Am Meer, im Gebirge oder beim Blick aus dem Flugzeug hat man eine andere Perspektive, die nicht selten kreative Gedanken auslöst. Es muss aber nicht unbedingt die große Reise sein. Bereits die Entfernung von Schreibtisch, Stechuhr und von bürokratischen Zwängen kann Denkblockaden lösen und unsere kreative Phantasie beflügeln. Bei Mitarbeiterbefragungen in ausgewählten führenden Unternehmen stellte sich heraus, dass den Beschäftigten etwa dreiviertel aller neuen Ideen im entspannten Zustand eingefallen sind, und zwar außerhalb des Firmengeländes, vor allem in der Natur, im Urlaub und auf Geschäftsreisen. Indem wir die neue Umgebung bewusst wahrnehmen und auf uns wirken lassen, verlassen wir die gewohnten Bahnen und damit auch die Routinen des Denkens, Fühlens und Handelns, denn die hierarchischen Strukturen in den Unternehmen wirken eher kreativitätshemmend. Kreative Persönlichkeiten nehmen Einfluss auf ihre Umwelt und versuchen, diese den eigenen Bedürfnissen anzupassen, anstatt sich den Umweltbedingungen bedingungslos unterzuordnen. Sie haben eine offene, empfängliche (rezeptive) Haltung zur Umwelt. Ihre kreative Neugier motiviert sie, sich intensiv mit den Umwelteinflüssen auseinanderzusetzen, um ungelöste Probleme zu entdecken und zur Lösungsfindung beizutragen. Der US-amerikanische Psychologe Calvin W. Taylor (1915-2000) ist der Auffassung, dass sich Fortschritte in der Kreativität am schnellsten durch geeignete Veränderungen der Umweltbedingungen herbeiführen lassen. Eine Idee, eine Erfindung bzw. ein Produkt sind nur dann ›kreativitätsfähig‹, wenn sie von der Gesellschaft akzeptiert werden. Kreative Führungskräfte müssen in der Lage sein, plötzliche Veränderungen der Umfeldbedingungen, wie das Verhalten der Konkurrenz und der Konsumenten sowie gesellschaftliche Veränderungen rechtzeitig zu erkennen, Marktnischen und Chancen aufzuspüren und zu nutzen, flexibel auf neuartige Herausforderungen zu reagieren und spontan neue Lösungsansätze zu entwickeln, denn das sind wichtige Wettbewerbsfaktoren. Ort der Kreativität Lit.: A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; A MABILE , T. M./ G RYSKIEWICZ , N. D.: The creative environment scales. Work environment inventory. In: Creativity Research Journal, 2, 1989, pp. 231-253; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997, 6. Aufl., 2003; G ROEBEN , N.: Kreativität. Originalität diesseits des Genialen. Darmstadt 2013; T AYLOR , C. W. (Ed.): Climate for creativity. Report of the seventh national research conference on creativity. New York et al., Pergamon Press 1972; T AYLOR , D. W.: Environment and creativity - the identification and utilication of talent: a symposium. In: Nielsen, G. S. (Ed.): Industrial and business psychology. Proceedings of the XIV International Congress of Applied Psychology, Vol. 5, Munksgaard, Copenhagen, 1962, pp. 69-79. kreative Unruhe (creative restlessness): Aufgewühltheit, eine Störung des inneren psychischen Gleichgewichts. Als kreative Unruhe erleben wir den Anreiz des Schöpferischen, z. B. wenn sich der Wissenschaftler oder Künstler der Lösung eines Problems nähert oder nahe glaubt. Mit zunehmender Angst steigt auch das Gefühl der Unruhe, Getriebenheit und Unrast. Diese Erscheinungen haben psychische und psychomotorische Ursachen. Die kreative Unruhe tritt besonders bei Termin- und Leistungsdruck und nach Schlafentzug auf, auch bei <?page no="144"?> kreatives Unternehmertum 140 Depressionen und psychischen Erkrankungen. Kreativität und Psychose. Der Missbrauch von Medikamenten, Koffein und Stimulanzien, von Drogen oder Alkohol, kann von toxischer Wirkung sein und als Nebenwirkung ebenfalls das Gefühl von Unruhe hervorrufen. Im Laufe des kreativen Prozesses erfährt die kreative Persönlichkeit nicht selten Ängste, Depressionen und quälende Zweifel. Der US-amerikanische Psychologe Morris I. Stein (1921-2006) bemerkt dazu: „Im frühen Stadium des kreativen Prozesses erlebt das Individuum den Zustand einer Gleichgewichtsstörung“, einen „Mangel an Geschlossenheit“ und „an Befriedigung. ... Der Kreative hat eine niedere Schwelle oder eine größere Sensitivität für die Lücken oder das Fehlen an Geschlossenheit, das in der Umwelt existiert.“ (S TEIN , 1973, S. 66) „Die nicht abgerufenen Energien schöpferischer Menschen schaffen sich häufig Raum in ergebnisloser nervöser Unruhe, in sinnlosen Störaktionen bei Schülern. Nur wenige Zeugen solcher Ausweichhandlungen erkennen, dass es sich bei solchen unbequemen Störfeuern um Entladungen kreativer Energie handelt.“ (Höhler/ Hoerburger/ Huber/ Seitz/ Serve, 1994, S. 73). Lit.: H ÖHLER , G./ H OERBURGER , C H ./ H UBER , H./ S EITZ , R./ S ERVE , H. J.: Kreativität in Schule und Gesellschaft. (Thema Erziehung. Eine Schriftenreihe der Pädagogischen Stiftung Cassianeum in Donauwörth, hg. von Helmut Wittmann, Helmut Zöpfl, Herbert Huber und Norbert Seibert). Donauwörth 1994; S TEIN , M. I.: Kreativität und Kultur. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 65-75. kreatives Unternehmertum Business Creativity Kreativwirtschaft kreative Verfahren (creative procedures): Anleitungen für kreatives Denken und zur Lösungsfindung. Sie lösen Denkblockaden, fördern die Entscheidungsfindung, ermöglichen bewusste Entwicklungen und motivieren unbewusst die Erkenntnisgewinnung. Die Anwendung kreativer Verfahren erfolgt in einzelnen Phasen: 1. Problembewusstsein, Problemstellung und Zieldefinition; 2. Gewinnung und Auswertung von Daten (hier: Gedanken, Ideen); 3. Lösung/ Erkenntnis; 4. Anwendung. (B OLDT , 2011, S. 46 f.) Lit.: B OLDT , K.-W.: Erfolg durch Kompetenz. Das Wissen zur Optimierung eigener Fähigkeiten. Darmstadt 2011. kreatives Vergessen (creative forgetting): die auf der Basis von Textverarbeitungs- und -wiedergabeprozessen gewonnene Erkenntnis, dass das Vergessen nicht bloß aus einem allmählichen Verlust von Einzelheiten besteht, sondern dass gleichzeitig eine Umarbeitung des Stoffes zu einer neuen Geschichte stattfindet. Hierbei wird das Gedächtnis von Schemata beeinflusst, bei denen es sich um organisierte, aktiv-verändernde mentale Prozesse handelt, die von unseren früheren Erfahrungen und Reaktionen geprägt sind. Der Begriff „kreatives Vergessen“ wurde 1932 von dem britischen Psychologen Frederic Charles Bartlett (1886-1969) geprägt, einer der Begründer der konstruktiven Gedächtnisforschung. Er wies nach, dass Gedächtnis- und Erinnerungsleistungen nicht nur reproduktive Tätigkeiten sind, sondern aktive, kreative bzw. konstruktive Leistungen darstellen, d. h. wir erinnern uns nicht nur an Zurückliegendes, sondern wir organisieren diese Erinnerungsdaten in sinnvollen Schemata und Zusammenhängen. Nach Bartlett ist die Ursache der Modifikation (Verformung) in einer kreativen Rekonstruktion nach den Prinzipien der Rationalisierung und Konventionalisierung zu suchen, z. B. eine nachträgliche Sinnverleihung und die Vermeidung von Widersprüchen. Bartlett untersuchte das Erinnern von komplexen Geschichten und analysierte dabei, wie diese Geschichten bei den Versuchspersonen zunehmend von ihrer wortwörtlichen Form hin zu <?page no="145"?> 141 kreatives Verhalten schematisierten Formen umgewandelt werden. Die Geschichten hatte Bartlett anderen Kulturen entnommen. Die ursprünglichen Geschichten waren den Versuchspersonen wegen des fehlenden Verständnisses des kulturellen Hintergrundes offensichtlich unklar gewesen. Um die Geschichten sinnvoller zu machen, veränderten die Testpersonen Einzelheiten, so dass sie besser zu ihren Schemata passten. Dabei stellte Bartlett charakteristische Umgestaltungen fest, wie Auslassung, Rationalisierung, Orientierung auf eine dominante Einzelheit hin, Veränderung der Reihenfolge von Details. In verschiedenen Intervallen prüfte er das Erinnerungsvermögen der Probanden und stellte fest, dass 1. die allgemeine Form der ersten Nacherzählung in späteren Wiedergaben beibehalten wurde; 2. dass Elemente der ursprünglichen Geschichte, die einer Testperson zusammenhanglos oder sinnlos erschienen, verändert worden waren, um sie „sinnvoller“ zu machen; 3. dass neue Details erfunden wurden, um die Story zusammenhängender zu machen und sie britischen Sprachmustern, Gebräuchen und Werten anzugleichen. Am Ende des Tests war die Geschichte häufig anders als die ursprünglich gehörte Erzählung, aber das Vergessen bestand nicht bloß aus einem allmählichen Verlust von Einzelheiten, sondern es fand eine Umarbeitung des Stoffes zu einer neuen Geschichte statt. Diesen Vorgang bezeichnet Bartlett als kreatives Vergessen und erklärt das Erinnern als einen konstruktiven Vorgang. Das kreative Vergessen, das bei zusammenhängenden, sinnvollen Stoffen passiert, wird als eine Art aktives Vergessen betrachtet, im Gegensatz zum passiven Vergessen, das durch Interferenz (Überlagerung) oder simplen Schwund verursacht wird. Eine andere mögliche Ursache des aktiven Vergessens ist die Verdrängung. Lit.: B ARTLETT , F. C.: Remembering. A study in experimental and social psychology. Cambridge University Press. Cambridge, Mass.: 1932; D ERS .: Denken und Begreifen. Experimente der praktischen Psychologie. Köln 1952; K RECH , D./ C RUTCHFIELD , R. S./ L IVSON , N./ W ILSON , W. A. JR ./ P ARDUCCI , A.: Grundlagen der Psychologie. Studienausgabe, hg. von Hellmuth Benesch. Augsburg 1998. kreatives Verhalten (creative behavior): Wesentliche Merkmale des kreativen Verhaltens sind: Neuartigkeit, d. h. das Verhalten weicht von dem Gewohnten ab; Originaliät, Relevanz, Spontaneität, Flexibilität, Phantasie und Überzeugungskraft. Das kreative Verhalten muss von der Umwelt bzw. von der Gesellschaft erkannt und anerkannt werden. Kreative Einfälle, die zur falschen Zeit entstehen, werden von der Gesellschaft als nicht brauchbar abgelehnt. Das betrifft oft die Visionen von Wissenschaftlern, die ihrer Zeit weit voraus sind. Der Wert des kreativen Verhaltens ist damit eine variable Größe, die von zahlreichen Faktoren abhängt, z. B. von der Bereitschaft, den kreativen Aspekt überhaupt anzuerkennen, ferner vom Vergleichsmaßstab, vom Sach- und Situationszusammenhang und von den Konsequenzen, die das Verhalten auslöst. Kreatives Verhalten beinhaltet nach Joy Paul Guilford (1897-1987) folgende Faktoren: Problemsensitivität, Einfühlungsvermögen, Ideenflüssigkeit, Flexibilität, synthetische und analytische Fähigkeit, Umorganisationsbzw. Neudefinierungsvermögen, Motivationsfaktoren, Einstellungen und Temperament. (Guilford, 1950. In: Mühle/ Schell, 1973, S. 30 ff.) Die kreative Persönlichkeit unterscheidet sich von der weniger kreativen auf Grund ihrer Fähigkeit, sich auch schwierigen, scheinbar unmöglich zu lösenden Problemen zu stellen und nach einer Lösung zu suchen, anstatt ihnen auszuweichen. Kreative Bemühungen entstehen auch aus schwierigen, ungesicherten Verhältnissen. Eine entscheidene Triebkraft für kreatives Verhalten ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Um die Mitarbeiter eines Unternehmens zu kreativem Verhalten zu motivieren, sind ein kreativer Führungsstil, ein gutes, kreativitätsförderndes Betriebsklima und eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre erforderlich. In der Auseinandersetzung mit geltenden Normen und Konventionen verhalten sich kreative Personen oft als Außenseiter oder Einzelgänger. Abweichendes Verhalten wird von der Gesellschaft meist misstrauisch beäugt. kreative Atmosphäre; Anstrengungskalkulation; Konzept von der eigenen Begabung <?page no="146"?> kreatives Wissen 142 Lit.: G UILFORD , J. P.: Creativity. In: American Psychologist 1950, vol. 5, pp. 444-454; dt. Übers.: Kreativität. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule (= Erziehung in Wissenschaft und Praxis, hg. von Andreas Flitner, Bd. 10), München ³1973, S. 13-36; Dass. in: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 25-43; P ARNES , S. J.: Research on developing creative behavior. In: Taylor, C. W. (Ed.): Widening horizons in creativity (The proceedings of the 5th Utah creativity research conference). New York 1964; D ERS .: Creative behavior guidebook. New York 1967; W OODMAN . R. W./ S CHOENFELDT , L. F.: Individual differences in creativity. An interactionist perspective. In: Glover, J. A./ Ronning, R. R./ Reynolds, C. R. (Eds.): Handbook of creativity. Perspectives on individual differences. New York, London 1989, pp. 77-91. kreatives Wissen (creative knowledge): Eine reiche Wissensbasis ist die Voraussetzung für Kreativität. Weisberg ist der Auffassung, „dass Ideen keineswegs aus dem Nichts entstehen.“ (W EISBERG , 1989, S. 145) Sie sind das Ergebnis einer reichen Wissensbasis. Der USamerikanische Kreativitätsforscher Todd I. Lubart nennt sechs Fakten, wodurch die Kreativität durch einen entsprechenden Wissensstand beeinflusst wird: 1. Ohne entsprechende Kenntnisse ist es schwierig, Probleme zu erkennen oder zu verstehen, wo das Problem liegt. 2. Mit zunehmendem Wissen ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass alte Ideen einfach kopiert werden. 3. Ein entsprechender Kenntnisstand erleichtert die Lossagung von alten Vorstellungen und die Einführung von neuen Ideen. 4. Wissen trägt zur Qualität von Produkten bei. Für die Einführung und Vermarktung neuer Produkte sind hohe Qualitätsanforderungen unerlässlich. 5. Ein hoher Informationsstand erleichtert es, Marktnischen und günstige Gelegenheiten zu erkennen und für die Entwicklung neuer Produkte zu nutzen ( Benchmarking) 6. Wissen erleichtert die Konzentration der kognitiven Ressourcen für neue Ideen, Problemlösungen und Produktentwicklungen. (L UBART , 1994, pp. 289-332; Kruse/ Schmitt, 2011, S. 19). Für die Fähigkeit zum kreativen Problemlösen sind detaillierte Sachkenntnisse und neuartige Gedankenkombinationen erforderlich. Aber auch frühere Erfahrungen haben Einfluss darauf, wie erfolgreich ein neuartiges Problem gelöst wird. Doch wirkliches Problemlösen beruht nicht auf bloßem Fachwissen, sondern indem man aufgrund seiner Fähigkeiten zum Problemlösen etwas Neues entwickelt. Der österreichische Ökonom Fritz Machlup hat die Begriffe „Wissensökonomie“ und „Informationsgesellschaft“ geprägt. Für ihn ist Kreativität selbständiges Denken und Handeln, das Entscheiden auf der Grundlage des eigenen Wissens. Er fand heraus, dass Selbständige effektiver arbeiten und von selbst auch kreativer sind. (L OTTER , 2009, S. 175) Im Unterschied zum angelernten, tradierten und reproduzierbarem Wissen entsteht kreatives Wissen „aus der immer wieder stattfindenden Anpassungsleistung des menschlichen Geistes an seine Umwelt“ (L OTTER , 2009, S. 47) Lit.: B ROCKHOFF , K.: Management des Wissens als Hauptaufgabe des Technologie- und Innovationsmanagements. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 39-60; K RUSE , A./ S CHMITT , E.: Die Ausbildung und Verwirklichung kreativer Potenziale im Alter im Kontext individueller und gesellschaftlicher Entwicklung. In: Kruse, A. (Hrsg.): Kreativität im Alter (Schriften des Marsilius-Kollegs, Bd. 4; Universität Heidelberg), Heidelberg 2011, S. 15-46; L OTTER , W.: Die Gestörten. In: brand eins. Wirtschaftsmagazin, 9. Jg., H. 5/ Mai 2007: Achtung! Sie betreten den kreativen Sektor. Schwerpunkt Ideenwirtschaft, S. 52-62; L OTTER , W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009; L UBART , T. I.: Creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Thinking and problem solving. Cambridge. Academic Press 1994, pp. 289-332; R EINMANN , G./ M ANDL , H. (Hrsg.): Psychologie des Wissensmanagements. Perspektiven, Theorien und Methoden. Hogrefe, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. kreative Zerstörung schöpferische Zerstörung <?page no="147"?> 143 Kreativität Kreativität (creativity): von lat. creare: schaffen, erschaffen, erzeugen, hervorbringen; creatio: das Erschaffen, Erzeugen; création (franz.): Schöpfung; creator: Schöpfer, Erzeuger; mitunter auch Synonym für das Schöpferische, für Schöpferkraft, doch vom stärker geprägten individualistischen Begriff des Schöpferischen unterscheidet sich der Kreativitätsbegriff durch den soziokulturellen Bezugsrahmen. Wie der Helmut Schlicksupp feststellt, hat der Begriff »Kreativität« gegenüber dem Geniebegriff „eine Bedeutungserweiterung erfahren, die das Schöpferische im Menschen ganzheitlich erfasst, vom spielerischen Gestalten des Kindes über technische Erfindungen bis hin zum Entwurf neuer Weltbilder von völkerumspannender Bedeutung. Genius, Talent und Begabung haben im Begriff „Kreativität“ gleichermaßen ihre Heimat gefunden, dem wir Gültigkeit für alle Schaffensbereiche zumessen. Dabei entspricht es den Interessen und Notwendigkeiten unserer Zeit, dass Kreativität in Verbindung mit technischen Neuerungen einen besonderen Stellenwert erhielt, umso mehr, als die Technik zur ökonomischen Grundlage unserer Gesellschaften und auf vielen Gebieten die Erfindungsfähigkeit zum Gradmesser der Wettbewerbsfähigkeit zwischen Unternehmen und Nationen wurde.“ (S CHLICKSUPP , 1995, S. 28 f.) Kreativität wird als Grundlage und Voraussetzung für produktive, originelle, schöpferische Ideen und Leistungen angesehen, im Sinne des Planens, Entwerfens, Gestaltens, Erfindens und Entdeckens. Der Maßstab hierfür ist die Originalität und Neuartigkeit der Problemlösung, der Einfallsreichtum und die Flexibilität des Individuums, die Offenheit und Flüssigkeit des schöpferischen Prozesses und die Fähigkeit, alternative Lösungen für ein Problem zu finden. Dafür sei divergentes oder laterales Denken erforderlich. Ein Geistesblitz, eine Problemlösung, ein Produkt müssen drei Kriterien erfüllen, um als kreativ bezeichnet zu werden: 1. „Neuartigkeit, ... zumindest für die betreffende Person, für die aktuelle Situation“ bzw. für „die konkrete Problemstellung“; 2. „Angemessenheit“, d. h. „kreative Ideen ergeben einen Sinn. Sie bringen einen ästhetischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder wissenschaftlichen Fortschritt oder sind als angemessener Beitrag zu einer Problemlösung erkennbar.“ 3. Als Kriterium für eine kreative Leistung wird auch die Nützlichkeit für die Gesellschaft bewertet, also die „gesellschaftliche Akzeptanz: Eine kreative Idee gilt erst dann als kreativ, wenn der neuartige Wert von der Gesellschaft anerkannt wird, zumindest von einem Teil des sozialen Umfeldes. Ohne soziale Akzeptanz gibt es niemanden, der die Sinnhaftigkeit einer Idee anerkennen und somit das Prädikat ›kreativ‹ erteilen könnte.“ (P REISER , 2008, S. 121). Der vermutlich früheste Beleg des Begriffs „creativity“ findet sich 1929 bei dem britischen Mathematiker und Philosophen Alfred North Whitehead (1861-1947). Er hat eine neue Sichtweise eröffnet, indem er der Kreativität innerhalb des dynamischen Werdeprozesses eine Schlüsselstellung einräumt und sie „zur Grundlage eines neuartigen Kategoriensystems macht, in welchem dem Werden gegenüber dem Sein Priorität eingeräumt ist.“ (R APP / W IEHL , 1986, S. 7). An Stelle eines transzendenten Schöpfergottes und der Schöpfung aus dem Nichts entwickelte er eine kosmische Philosophie der Kreativität, in der er „das Prinzip des Neuen“ verkörpert sieht. „Das ›kreative Fortschreiten‹ ist die Anwendung dieses elementaren Prinzips der Kreativität auf jede neue Situation, die es hervorbringt.“ (W HITEHEAD , 1995, S. 62). Am 5. September 1950 hielt der US-amerikanische Psychologe Joy Paul Guilford (1897-1987) einen programmatischen Vortrag zum Thema „Creativity“, womit er diesem Begriff zum entscheidenden Durchbruch verhalf und die moderne psychometrische Kreativitätsforschung begründete. Über die Begriffsinhalte und Definitionsbemühungen, was unter dem Begriff „Kreativität“ zu verstehen ist, gehen die Meinungen weit auseinander. Dazu gibt es fast 400 verschiedene Erklärungsversuche, wobei meist die Bedeutungen „Originalität, Erfindungsreichtum, Flexibilität, Entdeckung, Außergewöhnliches“ und „Intelligenz“ in Verbindung gebracht werden. (M ATUSSEK , 1979, S. 13). Im Zusammenhang mit dem Begriff „Kreativität“ werden an anderer Stelle sogar 645 Bedeutungsvarianten erwähnt. (G ROTE , 1969, S. 139). Neben der menschlichen Kreativität wird dieser Terminus auch auf die Natur und auf den Kosmos angewandt. (biologische Kreativität; kosmische Kreativität). Gisela Ulmann bemerkte zum Kreativitätsbegriff: „Eine endgültige definitorische Klärung steht noch aus.“ <?page no="148"?> Kreativität 144 (U LMANN , 1968, ²1970, S. 13) Und Siegfried Preiser stellte ernüchternd fest: „Eine eindeutige, präzise Definition von Kreativität erweist sich als unmöglich.“ (P REISER , 1986, S. 19). Der Begriff hat seit seiner Einführung und weltweiten Verbreitung unterschiedliche und vielfältige Beschreibungs- und Erklärungsversuche sowie konzeptionelle Ansätze erfahren. Bei der Vielzahl der Definitionen und Zuschreibungen dessen, was unter Kreativität zu verstehen ist, scheint es äußerst schwierig, die Variationsbreite aller Bedeutungsinhalte und Ausdrucksformen auch nur annähernd zusammenzufassen bzw. zu systematisieren. Die Vielfalt der vorgeschlagenen Definitionen und terminologischen Zuschreibungen ist auch ein Kennzeichen für das noch immer bestehende theoretische Defizit. Das Spektrum der Kreativität reicht „von der neugefundenen Fähigkeit, eine begrenzte Aufgabe mit eifriger Initiative zu erfüllen, bis hin zum Auftauchen glänzender, phantasievoller künstlerischer Entwürfe oder tiefschürfender wissenschaftlicher Forschungen.“ (K OHUT , 1984, S. 236). Elisabeth Gutjahr skizziert eine „Kartographie der Begriffslandschaft ›Kreativität‹“. (G UTJAHR , 1996, S. 9-24). Karin Hemmer-Junk plädiert für einen „ganzheitlichen Kreativitäts-Begriff“ (H EMMER -J UNK , 1995, S. 168), der die dynamische, synergetische und autonom organisierte Natur der Kreativität in den Blickpunkt rückt und den ganzen Menschen betrifft. Andere Forscher sehen in der Kreativität eine isolierte Leistung, die man erwerben, testen oder messen kann. ( Kreativitätsmessung). Edward de Bono (*1931) hält die Kreativität für „eine Fertigkeit, die wie Autofahren geübt und gelernt werden kann.“ Er sieht in ihr nicht „die Gabe einer guten Fee.“ Sie hänge auch nicht mit Intelligenz zusammen, sondern bedeute „sowohl eine Geisteshaltung als auch die Anwendung bestimmter Techniken.“ (De Bono, 1992, S. 9). ( Kreativitätstechniken). Klaus K. Urban (*1944) beschreibt Kreativität als „spezifisches Person-Problem- Prozess-Produkt-Umwelt-Verhältnis“ (genannt „4P-U-Modell“) und entwarf dazu ein „komplexes Komponentenmodell der Kreativität“. (U RBAN , 2004, S. 2). Es gibt keine einheitliche Kreativität, sondern unterschiedliche Formen oder Typen. Der US-amerikanische Psychologe und Kognitionswissenschaftler Howard Gardner (*1943) weist nach, „dass es mehrere Arten gibt, kreativ zu sein; man sollte nicht eine Form mit den anderen verwechseln (etwa Problemlösung oder künstlerische Produktion).“ (G ARDNER , 1999, S. 82). Neben der künstlerischen und literarischen Kreativität unterscheiden wir eine wissenschaftliche, technische, soziale und unternehmerische Kreativität, die Kreativität im Alltag u. a. - Rainer M. Holm-Hadulla (*1951) schlägt deshalb vor, in Anlehnung an den Begriff der multiplen Intelligenz auch von multipler Kreativität zu sprechen, weil sie in allen Bereichen menschlicher Tätigkeit vorgefunden wird. (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 31 f.) Nach seiner Auffassung besteht Kreativität „in der Neukombination von Informationen.“ (H OLM - H ADULLA , 2011, S. 71). Die Lebensumstände, die die Menschen „zu einer Form von Kreativität führen“, können „jeweils unterschiedlich sein. Wissenschaftler mit vielen Jahren Forschungserfahrung, die erforderlich sind, um ein Problem zu lösen oder eine Theorie aufzustellen, unterscheiden sich völlig von Kreativen, die sich am meisten in ihrem Element fühlen, wenn sie vor einem Publikum stehen. Und selbst innerhalb dieser Gruppen gibt es Unterschiede.“ Gardner nennt vier Persönlichkeitstypen kreativer Intelligenz: „Meister, Neuerer, Selbstbeobachter und Beeinflusser.“ (G ARDNER , 1999, S. 82). Dementsprechend können wir also die Virtuosität, Innovation, Introspektion und die Wirksamkeit einer kreativen Persönlichkeit unterscheiden. Die anwendungsorientierte Forschung sieht in der Kreativität auch ein entscheidendes Bewährungsfeld menschlicher Selbstverwirklichung, eine Art „emanzipatorische Lebensführung, ... was stets Einfallsreichtum, Mut zur Entscheidung, Problemlösungsfähigkeit, alles dem Oberbegriff Kreativität zugeschriebene Eigenschaften, beinhaltet.“ (S CHÜTZ , 1989, S. 57). ( Angewandte Kreativität). Das Streben nach Selbstverwirklichung (Selbstaktualisierung), die kreative Neugier sowie der Gestaltungstrieb des Menschen u. a. können als Quelle der Kreativität angesehen werden. Der ungarisch-amerikanische Soziologe, Verhaltenspsychologe und Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) entwickelte 1988 eine Systemtheorie der Kreativität. Dazu entwarf er ein Kreativitätsdreieck zwischen Feld, Bereich und Person, das den Ort <?page no="149"?> 145 Kreativität der Kreativität bezeichnet. Das Zusammenspiel dieser drei Faktoren bestimme die Existenz einer kreativen Idee, Handlung oder eines kreativen Objekts. (C SIKSZENTMIHALYI , 1988, pp. 325-339). „Die Ressource Kreativität ist im Prinzip unerschöpflich, denn kreatives Denken und Handeln erzeugen neues kreatives Denken und Handeln. Kreativität erzeugt Kreativität.“ (G UNTERN , 1991, S. 16). Lit.: A LTSHULLER , G. S.: Creativity as an exact science. The theory of the solution of inventive problems. Gordon and Breeach Science Publishers. New York 1984; A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York/ Berlin/ Heidelberg/ Tokyo 1983; A MABILE , T. 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Kreativität im Alltag Alltägliche Kreativität Kreativität im Alter Kreativität und Lebensalter <?page no="151"?> 147 Kreativität und Intelligenz Kreativität und Intelligenz (creativity and intelligence): „Ohne ein bestimmtes Maß an Intelligenz scheinen kreative Leistungen nicht möglich zu sein.“ (S EIFFGE -K RENKE , 1974, S. 50). Daraus wird die These abgeleitet, „dass Personen mit höherem IQ erheblich bessere Chancen haben, auch kreative Leistungen zustande zu bringen, als solche mit einem geringen Gesamtwert.“ (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 21). Aber eine höhere Intelligenz bietet keine hinreichende Voraussetzung für Kreativität. Rolf Oerter meint: „Der Hochkreative braucht nicht hochintelligent im Sinne herkömmlicher Tests zu sein und der Hochintelligente nicht ausgeprägt kreativ.“ (O ERTER , 1980, S. 341) Aber auch Oerter geht davon aus, „dass Kreativität ein integrierender Bestandteil der Intelligenz ist“, denn „problemlösendes Denken bedarf, sofern produktive Leistungen verlangt werden, immer der Kreativität. ... ›Probleme erfassen‹ und ›Probleme sehen‹ wird als eigener Faktor der Kreativität angesehen, beim Auffinden von neuen Lösungswegen ist neben Flüssigkeit und Flexibilität auch Originalität beteiligt. Das Erkennen einer neuen Lösung als brauchbares Ergebnis erfordert ebenfalls Kreativität.“ (O ERTER , 1980, S. 344). Der US-amerikanische Psychologe Joy Paul Guilford (1897-1987) entwarf ein erweitertes Intelligenzkonzept, um mit Hilfe statistischer Methoden, besonders der Faktorenanalyse, die Fähigkeiten des kreativen Verhaltens nachzuweisen. Er begründete die psychometrische Kreativitätsforschung, die auf der Messung kreativer Fähigkeiten durch Tests beruht. In seinem Intelligenz-Struktur-Modell weist Guilford der Kreativität eindeutig einen Platz innerhalb der Intelligenz zu, während andere Forscher, z. B. Robert J. Sternberg (*1949), eher die Unterscheidungsmerkmale hervorheben. Sternbergs „Triarchische Theorie menschlicher Intelligenz“ (A triarchic theory of human intelligence; 1985) differenziert zwischen analytischen, kreativen und praktischen intellektuellen Fähigkeiten und betrachtet diese als weitgehend unabhängig voneinander. Diese These wurde von Sternberg 1996 zu einer Theorie der Erfolgsintelligenz (successful intelligence) und 2003 zu einer Synthese von Weisheit, Intelligenz und Kreativität weiterentwickelt, die heuristisch analytische, kreative und praktische Fähigkeiten mit einem moralisch verstandenen Weisheitsbegriff verknüpft. (Wisdom, intelligence, and creativity synthesized). Gerhard Roth sieht kaum Unterschiede zwischen kreativer und allgemeiner Intelligenz. Intelligentere Menschen besitzen aber ein effektiveres Arbeitsgedächtnis als weniger intelligente. Dieses bildet eine Art Integrationszentrum. Das Expertenwissen wird in anderen Hirnarealen gespeichert und vom Arbeitsgedächtnis abgerufen. (Roth, 2010). Die meisten Intelligenztests wurden auf der Grundlage psychometrischer Intelligenzmodelle und Intelligenztheorien entwickelt. William Louis Stern (1871-1938) prägte 1911 den Begriff Intelligenzquotient (IQ). Auf Grund neuerer psychologischer Forschungen sind die intellektuellen Fähigkeiten viel zu komplex, um mit einer einzigen IQ-Zahl gemessen zu werden. Bereits 1931 entwickelte der US-amerikanische Psychologe Louis Leon Thurstone (1887-1955) eine Intelligenztheorie, in der er eine „multiple Faktorenanalyse“ (multiple factor analysis) mit sieben Primärfähigkeiten entwarf. Diese beinhalten: 1. das Sprachverständnis/ Begriffsverständnis; 2. die Rechengewandtheit/ numerische Fähigkeit; 3. räumliche Vorstellung; 4. die Auffassungsgeschwindigkeit/ Wahrnehmungsfähigkeit; 5. ein assoziatives Gedächtnis; 6. schlussfolgerndes Denken/ induktives bzw. deduktives Denken 7. Wortflüssigkeit. (T HURSTONE , 1931, pp. 406-427). Howard Gardner (*1943) stellt das bisherige Konzept der Intelligenzmessung, das auf standardisierten Fragebögen oder schriftlichen Tests beruht, grundsätzlich in Frage und entwarf eine „Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen“. Er wies nach, dass hohe Leistungen in verschiedenen Aufgabenbereichen auf unterschiedlichen kognitiven (erkenntnismäßigen) Strukturen beruhen, die relativ unabhängig voneinander wirken. Jeder Mensch könne eine Vielzahl von Intelligenzen entwickeln, die mit den bisherigen Intelligenztests gar nicht erfasst werden können. Gardner hat seine Theorie der multiplen Intelligenzen 1983 vorgestellt und unterschied zu diesem Zeitpunkt sieben Intelligenzformen. Zusammengefasst und stark <?page no="152"?> Kreativität und Intelligenz 148 vereinfacht lässt sich feststellen: „Der Mensch denkt in Sprache, fasst in räumlichen Begriffen auf, erspürt Rhythmen und Harmonien, rechnet mit logischen und mathematischen Hilfsmitteln, löst Probleme unter Einsatz seines Körpers und kann andere Menschen verstehen sowie sich selbst begreifen.“ (L ANGBEIN / F OCHLER , 1999, S. 95). 1999 erweiterte Gardner seinen Intelligenzbegriff und geht inzwischen von achteinhalb Arten der Intelligenz aus. Gardners Theorie umfasst folgende Kriterien: 1. Linguistische Intelligenz. Dazu schreibt er: „Zur sprachlichen Intelligenz gehören die Sensibilität für die gesprochene und die geschriebene Sprache, die Fähigkeit, Sprachen zu lernen, und die Fähigkeit, Sprache zu bestimmten Zwecken zu gebrauchen. Rechtsanwälte, Redner, Schriftsteller und Dichter zählen zum Kreis der Personen mit hoher sprachlicher Intelligenz.“ 2. Logisch-mathematische Intelligenz. Dazu zählt „die Fähigkeit, Probleme logisch zu analysieren, mathematische Operationen durchzuführen und wissenschaftliche Fragen zu untersuchen. Von der logischmathematischen Intelligenz machen Mathematiker, Logiker und Naturwissenschaftler Gebrauch.“ 3. „Musikalische Intelligenz bedeutet Begabung zum Musizieren, zum Komponieren und Sinn für die musikalischen Prinzipien.“ Nach Gardners Auffassung ist diese Kategorie „eine strukturelle Parallele zur sprachlichen Intelligenz, und es wäre weder wissenschaftlich noch logisch gerechtfertigt, die eine (meist ist es die sprachliche) als Intelligenz zu bezeichnen, die andere hingegen (meist ist es die musikalische) als Talent.“ 4. „Die körperlich-kinästhetische Intelligenz enthält das Potential, den Körper und einzelne Körperteile (wie die Hand oder den Mund) zur Problemlösung oder zur Gestaltung von Produkten einzusetzen. Die offensichtlichen Vertreter dieser Intelligenz sind natürlich die Tänzer, Schauspieler und Sportler. Wichtig ist diese Form der Intelligenz aber auch für Handwerker, Chirurgen, experimentell arbeitende Naturwiss senschaftler, Mechaniker und Angehörige vieler anderer technischer Berufe.“ 5. Räumliche Intelligenz. Dazu „gehört der theoretische und praktische Sinn einerseits für die Strukturen großer Räume, wie sie zum Beispiel von Seeleuten und Piloten zu bewältigen sind, andererseits aber auch für das Erfassen der enger begrenzten Raumfelder, die für Bildhauer, Chirurgen, Schachspieler, Graphiker oder Architekten wichtig sind.“ Die beiden folgenden Kategorien fasst Gardner unter dem Begriff „personale Intelligenzen“ zusammen und unterscheidet diese wie folgt: 6. Interpersonale Intelligenz. Damit bezeichnet er die Fähigkeit, „Absichten, Motive und Wünsche anderer Menschen zu verstehen und dementsprechend in der Lage zu sein, erfolgreich mit ihnen zu kooperieren.“ 7. „Die intrapersonale Intelligenz schließlich ist die Fähigkeit, sich selbst zu verstehen, ein lebensgerechtes Bild der eigenen Persönlichkeit - mitsamt ihren Wünschen, Ängsten und Fähigkeiten - zu entwickeln und dieses Wissen im Alltag zu nutzen.“ (G ARDNER , 2002, S. 55-57). Die Reihenfolge der einzelnen Intelligenzen weicht hierbei von der ursprünglichen Fassung ab. (Gardner, 1998). Das Verstehen des eigenen Selbst beinhaltet die Entwicklung eines Identitätsbewusstseins. Daniel Goleman (*1946) subsumiert die beiden „personalen“ Intelligenzen unter dem Begriff „emotionale Intelligenz“. (Goleman, 2001). 8. Die naturkundliche Intelligenz. Die wichtigsten Kriterien einer Intelligenzform sind nach Gardner „eine sozial anerkannte Rolle, die allgemeine Wertschätzung genießt und maßgeblich von einer besonderen intellektuellen Fähigkeit abzuhängen scheint. ... Bereits der Begriff naturkundlich verbindet die Beschreibung der Kernkompetenz mit der Charakterisierung einer in vielen Kulturen geachteten sozialen Rolle. Der Naturkundige ist sachverständig in der Erkennung und Klassifizierung der zahlreichen biologischen Arten - der Flora und Fauna - seines Lebensbereiches.“ Er zeichnet sich auch durch die Fähigkeit aus, neue oder unbekannte Lebewesen zutreffend in das Klassifizierungssystem einzuordnen. „In wissenschaftlich ausgerichteten Kulturen ist der Naturkundler ein Biologe, der die individuellen Exemplare in den Begriffen anerkannter formaler Ordnungssysteme wie der Linnéschen identifiziert und klassifiziert.“ Gardner erklärt: „Selbst scheinbar fernliegende Fähigkeiten, etwa ... die Entdeckung neuer Gesetzmäßigkeiten bei Experimenten im Labor oder die Wahrnehmung von stilistischen Unterschieden auf dem Gebiet der Kunst, könnten von Mechanismen gespeist werden, die sich ursprünglich herausbildeten, weil sie der biologisch nützlichen Unterscheidung von giftigen und ungiftigen Efeuarten, Schlangen oder Beeren dienten. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die Begabung zur Erkennung formaler Gesetzmäßigkeiten bei Künstlern, Dichtern, Sozial- und Naturwissenschaftlern auf der elementaren Wahrnehmungsfähigkeit der naturkundlichen Intelligenz beruht.“ (G ARDNER , 2002, S. 64 u. 66). Gardner betont, „dass die Zahl der Intelligenzen provisorisch sei, dass in jeder Intelligenz ein Areal von Subintelligenzen eingeschlossen sei. ...“. (G ARDNER , 2002, S. 58). Seine differenzierte Definition von Intelligenz lautet: Sie ist ein „biopsychologisches Potenzial zur Verar- <?page no="153"?> 149 Kreativität und Lebensalter beitung von Informationen, das in einem kulturellen Umfeld aktiviert werden kann, um Probleme zu lösen oder geistige oder materielle Güter zu schaffen, die in einer Kultur hohe Wertschätzung genießen.“ (G ARDNER , 2002, S. 46 f.). Den engen Zusammenhang zwischen Kreativität und Intelligenz hervorhebend, spricht Gardner von der „kreativen Intelligenz“ und von einer „Wissenschaft kreativer Intelligenz“, die sich entwickelt. (G ARDNER , 1999, S. 16). Lit.: G ARDNER , H.: Frames of mind. The theory of multiple intelligences. New York 1983; dt. Ausg.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart ²1998; G ARDNER , H.: Extraordinary minds. New York 1997; dt. Ausg.: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Frankfurt am Main/ New York 1999; D ERS .: Intelligence reframed. Multiple intelligences for the 21. century. New York 1999; dt. Ausg.: Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Stuttgart 2002; G OLEMAN , D.: Emotionale Intelligenz. Aus dem Englischen von Friedrich Griese. München 2001; G UILFORD , J. P.: The nature of human intelligence. New York 1967; D ERS .: Intelligence, creativity and their educational implications. 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Als „goldene Dekade“ gilt die Zeit zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr. (Vgl. M ATUSSEK , 1979, S. 41; Amabile, 1983, p. 85). In diesem Alter ist mehr oder weniger genügend Wissen vorhanden und sind ausreichende Fertigkeiten erworben worden, um eine Disziplin soweit zu beherrschen, dass neue Ideen entwickelt werden können, wobei ihre Ausarbeitung und Realisierung meist erst viel später erfolgt. Dennoch gibt es zwischen den Dis- <?page no="154"?> Kreativität und Lebensalter 150 ziplinen gravierende Unterschiede. Bei Naturwissenschaftlern liegt ihre leistungsstärkste Zeit eher unter 30, während Philosophen ihre entscheidenden Werke meist erst in den 60er Jahren schreiben. Der Grund für diese starke bereichsspezifische Abweichung wird darin gesehen, dass kreative Höchstleistungen in den exakten Naturwissenschaften früher erreicht werden, weil für sie die Kenntnisse von Gesetzmäßigkeiten ausschlaggebend sind, während in den Geisteswissenschaften in starkem Maße die Lebenserfahrung eine Rolle spielt. Auch Dean Keith Simonton stellte in seinen historiometrischen Untersuchungen fest, dass die Phase maximaler Produktivität zwischen dem fünfunddreißigsten und neununddreißigsten Lebensjahr liegt, wobei dies vom jeweiligen Arbeitsgebiet abhängt. „Bei Dichtern und Mathematikern ist die fruchtbarste Phase das dritte Lebensjahrzehnt, während Historiker und Philosophen ihren Leistungsgipfel Jahrzehnte später erreichen können.“ (vgl. G ARDNER , 1996, S. 47). Das wird auch von W. Dennis bestätigt, dessen Untersuchung ergab, „dass Philosophen, wenn überhaupt, erst ab einem Alter von 60 Jahren so richtig kreativ werden (können).“ (zitiert nach: Lenk, 2000, S. 118). Die maximale Leistungsfähigkeit liegt im jungen Erwachsenenalter, aber die langen Ausbildungszeiten und die erforderliche Wissensbasis verzögern den Gipfel kreativer Leistungen. Der Arzt und Psychotherapeut Rainer M. Holm-Hadulla ist der Auffassung: „Das kreative Altern ist nicht allein Abschied von Kindheit und Jugend, Hoffnung und Vitalität, sondern wird zu einer Quelle tiefen Empfindens und reifer Persönlichkeitsentfaltung.“ (H OLM - H ADULLA , 2005, S. 146). „Geisteswissenschaftler, Politiker und Unternehmer haben häufig einen kreativen Altersgipfel.“ (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 35). Auch die US-amerikanische Sozialpsychologin Ellen Langer wies nach, dass aktives, kreatives Denken bei älteren Menschen deutlicher ausgeprägt ist als in jungen Jahren, außerdem gesundheitsfördernd und lebensverlängernd wirkt. Bis ins späte Erwachsenenalter ist keine Verminderung der (durchschnittlichen) Intelligenzleistungen nachzuweisen. Da der Erfahrungsgewinn im Alter zunimmt, können sich die Leistungen, die darauf basieren, sogar verbessern, sofern nicht ein abnehmendes Gedächtnis oder mangelndes Konzentrationsvermögen hierbei entgegen wirken. Bei Ergebnissen herkömmlicher Kreativitätstests wurde mit zunehmendem Alter ein Ansteigen des allgemeinen Niveaus divergenter Denkfähigkeiten festgestellt. (F ACAOARU , 1985, S. 144; Torrance, 1977). Der Erhalt der Kreativität sowie herausragende Leistungen sind in verschiedenen Disziplinen und bei Künstlern bis ins hohe Alter möglich. So wurde festgestellt, dass bei komplexen Tätigkeiten die Leistung mit dem Alter steigt. (Sturman, 2003; Schuler/ Görlich, 2007, S. 48). Durch die rückläufige demografische Entwicklung in Deutschland werde jedoch auch der Altersverlauf kreativer Leistungen abnehmen. (S CHU- LER / G ÖRLICH , 2007, S. 44 f.). Für das kreative Potenzial älterer Personen sind nicht nur die Faktoren der Berufstätigkeit maßgeblich, sondern auch diejenigen, die für die gesamte Lebensführung von Bedeutung sind. Dennoch treten je nach Art der intellektuellen Anforderungen im Alter Veränderungen auf, wovon bestimmte Bereiche der kognitiven Funktionen betroffen sind. Der US-amerikanische Psychologe Harvey C. Lehman nennt 16 Faktoren, die die Kreativität im Alter beeinflussen und zu deren Verringerung beitragen: 1. Abnahme der Vitalität 2. Sensorische und motorische Beeinträchtigung 3. Krankheit 4. Hormonelle Veränderungen 5. Unglückliche Partnerschaften 6. Motivationsverluste durch den Tod nahestehender Personen 7. Auslastung mit den praktischen Dingen des Lebens 8. Ablenkung von konzentrierter Arbeit durch beruflichen Erfolg 9. Abnehmendes Anerkennungsmotiv 10. Ausruhen auf frühgewonnenen Lorbeeren 11. Frustration durch mangelnde Anerkennung und destruktive Kritik 12. Inflexibilität 13. Abnehmendes intellektuelles Interesse und Neugier 14. Längerer Vergessenszeitraum seit der formalen Bildung 15. Psychische Erkrankungen 16. Alkohol und Drogen (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 49) <?page no="155"?> 151 Kreativität und Lebensalter Die kreative Persönlichkeit, die gegenüber dem Neuen stets aufgeschlossen bleibt, aktuelle Trends verfolgt, Fragen stellt und vieles In-Frage stellt, vermag sich auch den veränderten Bedingungen der Umwelt anzupassen. Der Faktor Offenheit für neue Erfahrungen wird als die wichtigste Eigenschaft kreativer Personen bezeichnet. (Kaufman et al., 2008, p. 102; Horneber, 2013, S. 164). Während Neueinsteiger bzw. jüngere Personen im Berufsleben einem höheren Konformitätsdruck ausgesetzt sind, um sich auf den „mainstream“ ihres Fachgebietes zu konzentrieren, verfügen Ältere meist über ein höheres differenziert ausgebildetes Wissen und Urteilsvermögen. Wichtige Faktoren im Alter sind die Lebenserfahrung und die gewonnene freie Zeit am Ende einer beruflichen Karriere bzw. nach dem Ausscheiden aus der Firma. Das erworbene Wissen kann „mit einer gesteigerten Fähigkeit einhergehen, sich von früheren Gewohnheiten und Verpflichtungen zu lösen und sich einerseits risikobereit und hochmotiviert, andererseits hinreichend kontrolliert auf neue Vorstellungen und Erfahrungen einzulassen.“ (K RUSE / S CHMITT , 2011, S. 23). Dadurch, dass der permanente Termin- und Leistungsdruck wegfällt, können kreative Ältere ihre Ideen und Entwürfe gründlicher durchdenken, bearbeiten und zu einem konkreten, realisierbaren Plan übergehen. ( Elaboration). Andreas Kruse und Eric Schmitt nennen vier Merkmale, wodurch sich die altersspezifische Kreativität auszeichnet: 1. ein hohes Maß an subjektiver Erfahrung 2. eine geschlossene Gestalt im Sinne von Einheit und Harmonie 3. die Integration unterschiedlicher Ideen und Pespektiven 4. eine besondere Akzentsetzung auf Alternsprozesse. (K RUSE / S CHMITT , 2011, S. 23) Die Autoren stellen fest: „Altern ist kein unaufhaltsam fortschreitender, dem Einfluss des Menschen entzogener Abbauprozess. Menschen sind vielmehr in allen Lebensabschnitten immer auch aktive Gestalter ihrer eigenen Entwicklung.“ (K RUSE / S CHMITT , 2011, S. 25). Das höhere und hohe Alter schließt Kreativität keinesfalls aus. Wenn Menschen auch in früheren Jahren kreativ gewesen sind, originelle und neuartige Ideen und Problemlösungen entwickelt haben, so besitzen sie die entscheidende Voraussetzung dafür, auch im Alter ihr Kreativitätspotenzial auszuschöpfen. Entscheidend dafür sind die intrinsische Motivation, die Aufgeschlossenheit gegenüber Neuem, Wissenserwerb über aktuelle Trends und Forschungsergebnisse, Kenntniserweiterung und die Freude am Sich-Ausprobieren. Dagegen führt der sogenannte „Altersstarrsinn“ unweigerlich in die Kreativlosigkeit. Lit.: A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York, Berlin, Heidelberg, Tokyo 1983; D IES .: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; B ALTES , P. B.: Intelligenz im Alter. In: Spektrum der Wissenschaft, H. 5, 1984, S. 46-60; D ERS .: Korreferat zu: Zuckerman, H.: Die Werdegänge von Nobelpreisträgern. In: Hofschneider, P. H./ Mayer, K. U. (Hrsg.): Generationsdynamik und Innovation in der Grundlagenforschung. 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Für die soziologischpsychiatrische Lehre vom angeblichen Wesenszusammenhang zwischen Genie und Geistesstörung nennt der Psychologe und Psychotherapeut Otto Walter Haseloff drei Motive: 1. „die scheinbare Unerklärlichkeit des Einfalls oder der Produktion neuer Ideen, künstlerischer Formen und geistiger Entwürfe, von Leistungen also, die ... normalen Gehirnen zunächst nicht zugetraut werden.“; 2. „die alte Degenerations-, Erregungs- und Erschöpfungsthese, nach der die kulturelle Neuleistung durch einen körperlich und seelisch ungeheuer erschöpfenden, die Lebenskraft und normale Gesundheit zerstörenden Vorgang zustande komme.“ 3. wurde behauptet, dass „das Genie für sein übermenschliches Dasein mit Krankheit, mit Einsamkeit und Armut, mit Verkanntwerden und oft genug mit frühem Tod zu bezahlen hat.“ (H ASELOFF , 1989, S. 302). Arthur Schopenhauer (1788-1860) schreibt, man finde „bekanntlich selten große Genialität mit vorherrschender Vernünftigkeit gepaart, vielmehr sind umgekehrt geniale Individuen oft heftigen Affekten und unvernünftigen Leidenschaften unterworfen. Der Grund hiervon ist dennoch nicht Schwäche der Vernunft, sondern teils ungewöhnliche Energie der ganzen Willenserscheinung, die das geniale Individuum ist und welche sich durch Heftigkeit aller Willensakte äußert.“ Auch die dichterische Begeisterung wurde als eine Art Wahnsinn bezeichnet. (S CHOPENHAUER , 1986, Bd. I, S. 271 f.). Bereits 1845 führte der französische Irrenarzt Jacques-Joseph Moreau (de Tours) (1804- 1884) den angeblich medizinischen Nachweis (? ) für den häufigen Zusammenhang zwischen Genialität und Nervenkrankheit und veröffentlichte 1859 die erste gründliche Untersuchung zum Problem Genie und Irrsinn. Moreau vertrat die Ansicht, dass eine gesteigerte Reizbarkeit des Nervensystems die gemeinsame Quelle für größere geistige Energie und für geis- <?page no="157"?> 153 Kreativität und Psychose tige Krankheit sei. Beide berühren sich in der Inspiration. Dagegen vertrage sich ein völlig normaler Zustand des Organismus niemals mit einer höheren Begabung des Geistes. Der deutsche Neurologe Paul Julius Möbius (1853-1907) begründete die Pathographie, die versucht, die enge Verflechtung von seelischer Entwicklung mit biographischen Daten und kreativen Leistungen darzustellen. So verfasste er einige Pathographien genialer Menschen, über Rousseau, Schopenhauer, Nietzsche sowie „Über das Pathologische bei Goethe“. Das Begriffspaar „Genie und Irrsinn“ geht auf den italienischen Arzt, Psychopathologen und Kriminalpsychologen Cesare Lombroso (1836-1909) zurück, der 1864 sein aufsehenerregendes Buch „Genio e follia“ (Genie und Irrsinn) veröffentlicht hatte, in dem er die These vom Zusammenhang zwischen Genie und Wahnsinn aufstellte. (Die erste dt. Ausg. „Genie und Irrsinn“ erschien 1887). Mit dieser Veröffentlichung wird mitunter gleichzeitig der Beginn der eigentlichen Kreativitätsforschung datiert. Eckhard Neumann bezeichnet jedoch Arthur Schopenhauer als den „eigentlichen Begründer des Genie-und-Irrsinn-Mythos.“ (N EUMANN , 1986, S. 135). Dieser habe sich mit der dichterischen Begeisterung als einer Art Wahnsinn psychologisch auseinandergesetzt und auch das Phänomen von Kreativität und Psychose, d. h. die Gefahr neurotischer Störungen beim schöpferischen Menschen erörtert. Schopenhauer begreife den Wahnsinn nicht mehr als göttlichen Enthusiasmus, sondern setze ihn mit Tollheit gleich. Damit werde, als Reaktion auf das romantische Selbstverständnis des Künstlers, der Mythos von Genie und Irrsinn herausgebildet und beginne seinen Siegeszug durch das 19. Jahrhundert. Versuche, das Genie mit psychopathologischen Kriterien zu erfassen, sind umstritten. Auch Sigmund Freud (1856-1939) betonte die Verwandtschaft des schöpferischen, künstlerischen Prozesses mit der neurotischen Entwicklung. Der Künstler scheine zur Neurose prädestiniert durch eine hohe Konfliktintensität, infantile Regression und eine starke Tendenz zur Realitätsverleugnung. Freud erklärte, der Künstler sei im Ansatz auch ein Introvertierter, der es nicht weit zur Neurose hat. Er werde von überstarken Triebbedürfnissen gedrängt, möchte Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm und die Liebe der Frauen erwerben; es fehlen ihm aber die Mittel, um diese Befriedigungen zu erreichen. Darum wende er sich wie ein anderer Unbefriedigter von der Wirklichkeit ab und übertrage all sein Interesse, auch seine Libido, auf die Wunschbildungen seines Phantasielebens, von denen aus der Weg zur Neurose führen könnte. Auf Grund einer für Freud rätselhaften künstlerischen Begabung wird der Künstler jedoch von der krankhaften Entwicklung gerettet und zur kreativen Produktion befreit. Wie wir aus zahlreichen Biographien wissen, leiden besonders Künstler unter psychischen Erkrankungen, die von neurotischen Störungen bis zu echten Psychosen reichen. Jedoch, solange die Krankheit nicht in schwerster Form die Kreativität des Künstlers blockiert, hat sie keinen Einfluss auf den künstlerischen Wert ihres Werkes. Das meist spontan und unreflektiert entstandene künstlerische Schaffen von Geisteskranken wird inzwischen als echte Kunst gewertet, als Art brut (franz. „unverbildete Kunst“). Der Begriff wurde von dem französischen Maler Jean Dubuffet (1901-1985) eingeführt; diese Bezeichnung wird aber auch für die Werke von Kindern oder Amateurmalern angewandt. Das erste grundlegende Werk über das künstlerische Schaffen von Schizophrenen veröffentlichte 1922 der Psychiater und Kunsthistoriker Hans Prinzhorn (1886-1933) unter dem Titel „Bildnerei der Geisteskranken“. Für den Zusammenhang zwischen Psychopathologie und Kunst nennt Gaetano Benedetti drei historische Wurzeln: 1. der geniale Mensch ist in der Art kreativ, wie er soziale Ordnungen seiner Zeit stärker in Frage stellt als andere und entwickelt somit in seiner Lebensführung Merkmale, die aus der Perspektive jener Ordnungen als psychopathologisch gelten. Er stehe „sogar konstitutionell dem Irrsinn nahe.“ (B ENEDETTI , 1982, S. 571). 2. Das Unbewusste der Künstler spiegelt in deren Werken Motive wider, die denjenigen der neurotischen Patienten ähnlich sind. Diese Feststellung geht auf die Forschungen von Sigmund Freud zurück. 3. Prinzhorn kam umgekehrt zu der Beobachtung, dass Geisteskranke in einem überdurchschnittlichen Ausmaß künstlerisch produktiv sind und Werke von unbestreitbarer künstlerischer Qualität schaffen können, deren Wirkung auf den Betrachter in allen wesentlichen Teilen denen von echten Kunstwerken entsprechen. Andererseits werden aber auch „die pathologischen Merkmale der schizophrenen Bildnereien“ benannt: vertikale Blickwinkelverschiebung, barock-verschnörkelte Formen, gedrängtes Durcheinander, <?page no="158"?> Kreativität und Psychose 154 randvolle Überladungen, Einbau von Schriftelementen, Kombination heterogener Materialien und einzelner Körperteile mit unbelebten Objekten, ornamentale Stereotypie, flächenfüllende Wiederholung von Symbolen, Geometrisierung, Schematisierung, Missachtung der räumlichen Beziehungen, Verlust der Komposition, Auflösung der Physiognomie u.a. (Vgl. Rennert, 1966). Andere Wissenschaftler sehen in der Psychose eine Quelle der Kreativität. Der österreichische Psychiater Leo Navratil (1921-2006) schreibt: „Wir beobachten in der Psychose eine Eruption von Kreativität, die unter bestimmten Umständen zur Kunst führen kann.“ (B A- DER / N AVRATIL , 1976, S. 133). Navratil geht davon aus, „dass die psychotische Kreativität zwar durch den Krankheitsprozess hervorgerufen wird und teilweise mit diesem identisch ist, dass sich die Kreativität der Gesunden ihrem Wesen nach aber in einem gleichen seelischen Geschehen ausdrückt“, d. h. „es gibt keine spezifische psychotische Kreativität, sondern nur eine einheitliche Form der Kreativität, an der jeder schöpferisch tätige Mensch teilhat. Bei dem an die vorgegebenen sozialen Inhalte angepassten Menschen kommt es häufig zu einer Verschüttung kreativer Potenziale. Der Kranke, der sich infolge seiner Krankheit von den überkommenen Konventionen abwendet, findet so häufig auch wieder zu vergessenen kreativen Potenzialen zurück.“ (C ONDRAU , 1982, S. 584). Navratil schreibt: „Immer wieder kann man beobachten, dass Menschen in einer Psychose auf bildnerischem, sprachlichem, gedanklichem Gebiet Ungewöhnliches, Überraschendes, Faszinierendes und Schockierendes hervorbringen, wogegen die gleichen Menschen vor ihrer Erkrankung und nach der Heilung nur zu banalen, konventionellen Leistungen befähigt sind. In diesem Neuen, das die Psychose dem Patienten zu dessen ursprünglicher Begabung hinzugibt, liegt die Kreativität. ... Die psychotische Kreativität wird durch den Krankheitsprozess hervorgerufen und ist mit dessen Erscheinungsweisen teilweise identisch, die Kreativität der Gesunden ist aber ein im Wesen seelisches Geschehen. ... Kreativität ist weder ein Privileg der Geisteskranken noch weniger Genialer, sondern ein allgemeinmenschliches Phänomen. Die ›schizophrenen Gestaltungstendenzen‹ sind die ›kreativen Grundfunktionen‹ des Menschen.“ (N AVRATIL , 1982, S. 587). Navratils Theorie der Kreativität geht von der Beobachtung aus, „dass eine Psychose dem Menschen auf geistigem, vor allem künstlerischem Gebiet Fähigkeiten verleihen kann, die dieser Mensch normalerweise nicht besitzt. Der nächste Schritt lag in der Erkenntnis, dass die Psychose nicht nur als ein Auslöser künstlerischer Leistungen wirkt, sondern dass jenes Künstlerische, das die Psychose in manchen Fällen hervorzurufen vermag, zu einem wesentlichen Teil die Psychose selber ist - die schizophrenen Gestaltungstendenzen sind Kreativität. … Aber auch Normalität und Kreativität schließen einander nicht aus.“ Man müsse allerdings „die Normalität ein wenig verlassen, um kreativ zu sein.“ (N AVRATIL , 1982, S. 591). Manfred Pflanz bemerkt: „Die Andersartigkeit, durch die sich der schöpferische Mensch von seinen Mitmenschen unterscheidet, wird als ›abnorm‹ betrachtet, als krankhaft im weitesten soziologischen, aber nicht notwendigerweise auch im klinischen Sinne. … Schließlich gibt es aber auch die entgegengesetzte Auffassung, dass eine außergewöhnliche Leistung nur von einem hochtalentierten und geistig weit überdurchschnittlich gesunden Menschen vollbracht werden könne.“ (P FLANZ , 1966, S. 107). Die Vertreter der sogenannten Humanistischen Psychologie sehen dazu im Gegensatz die Kreativität als Ausdruck psychischer Gesundheit an, als Integration der Persönlichkeit und Form der Selbstverwirklichung, als freie, objektive, unverfälschte Wahrnehmung der Welt. (Vgl. P REISER , 1986, S. 67 f.). Der Psychoanalytiker Pinchas Noy ist der Ansicht: „Die Neurose ist eine regressive Lösung, ein Versuch, das innere Gleichgewicht wiederherzustellen und sich der Realität anzupassen, indem man auf infantile Anpassungsmuster regrediert, die sich in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesen haben, während die Kreativität eine progressive Lösung ist, ein Versuch, neue, kühne Anpassungsmuster zu schaffen, die nie zuvor erprobt wurden. Dies bedeutet nicht, dass Kreativität seelische Gesundheit ist, noch dass ein kreativer Künstler kein Neurotiker, Borderline-Fall oder gar psychotisch sein kann, sondern vielmehr, dass Neurose und Kreativität zwei antipodische Versuche darstellen, dieselben grundlegenden Probleme zu lösen. … Die kreative Lösung ist jedoch im Gegensatz zur neurotischen ein Schritt in die Richtung seelischer Gesundheit. … Und wenn es Künstlern gelingt, eine neue Form zu schaffen, die all ihren Vorstellungen entspricht, dann hört diese Form auf, nur ihrem Schöpfer allein zu gehö- <?page no="159"?> 155 Kreativität und Psychose ren und wird zum Besitz aller, die sich ihrer erfreuen wollen - ein Rezept für alle, die es sich erlauben können, die Richtung zur seelischen Gesundheit einzuschlagen. (N OY , 1984, S. 202 f.) Kreativität und psychische Erkrankung sind zwar nicht unbedingt auszuschließen, eine gegenseitige Abhängigkeit von Kreativität und Psychose sowie Neurotizismus lässt sich dagegen nicht belegen. Der Psychoanalytiker Otto Rank (1884-1939) überwand den triebtheoretischen Ansatz der klassischen Psychoanalyse, entwickelte eine Willens- und Beziehungspsychologie und stellte das schöpferische Ich in den Mittelpunkt. Nach seiner Überzeugung bestehe die Aufgabe des „schöpferischen Typus“, d. h. des künstlerisch begabten Individuums, darin, „seinen Schaffensdrang direkt in den Dienst der eigenen Persönlichkeitsgestaltung“ zu stellen, „seine volle Schöpferkraft dem Leben und der Lebensgestaltung zuzuwenden“ und somit „das volle Glück der Persönlichkeitsschöpfung“ zu erreichen. (R ANK , 2000, S. 360). Diese Überlegung „öffnet den Blick dafür, dass Kreativität zu den grundlegenden Möglichkeiten des Menschen gehört, die ihn unter anderem dazu befähigen, einen Weg aus Neurose und psychischer Krankheit zu finden. Die Neurose selbst kann als (gescheiterte) kreative Leistung aufgefasst werden. In einer Gesellschaft, in der Individualisierung und Kreativität zu den am höchsten geschätzten Eigenschaften gehören, steht die Psychoanalyse heute vor der Aufgabe, ihren Begriff von Kreativität und ihr implizites und explizites Menschenbild kritisch zu reflektieren, wozu Ranks Werk wichtige Vorarbeiten geleistet hat.“ (J ANUS / W IRTH , 2000, S. 17). Der Arzt und Psychotherapeut Rainer M. Holm-Hadulla erklärt: „Dem Genie ist alles gestattet, selbst die Übertretung der naturgegebenen Grenzen und der Gesetze. Die Verknüpfung von Genie mit Wahnsinn gewinnt an Popularität, obwohl vieles darauf hinweist, dass übersteigerte, realitätsferne Genialität zum Zusammenbruch der Kreativität führt.“ (H OLM - H ADULLA , 2001, S. 12). Lit.: B ADER , A. (Hrsg.): Geisteskrankheit, bildnerischer Ausdruck und Kunst. Eine Sammlung von Texten zur Psychopathologie des Schöpferischen. Bern, Stuttgart, Wien 1975; B ADER . A./ N AVRATIL , L.: Zwischen Wahn und Wirklichkeit. Kunst - Psychose - Kreativität. Luzern 1976; B ENEDETTI , G.: Psychopathologie und Kunst. In: Kindlers „Psychologie des 20. Jahrhunderts“. Psychologie der Kultur, Bd. 2: Imagination, Kunst und Kreativität, hg. von Gion Condrau. Weinheim und Basel 1982, S. 571-580; D ERS .: Psychiatrische Aspekte des Schöpferischen und schöpferische Aspekte der Psychiatrie. Göttingen 1975; C REMERIUS , J. (Hrsg.): Neurose und Genialität. Psychoanalytische Biographien. 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Der schöpferische Prozess (rowohlts deutsche enzyklopädie. Das Wissen des 20. Jhs. im Taschenbuch mit enzyklopädischem Stichwort, hg. von Ernesto Grassi, Bd. 244. - Sachgebiet: Psychologie). Reinbek bei Hamburg 1966; L ANGE -E ICHBAUM , W.: Genie, Irrsinn und Ruhm. München 1928; L ANGE -E ICHBAUM , W./ K URTH , W.: Genie, Irrsinn und Ruhm. Geniemythos und Pathographie des Genies, Bd. 1-3, 7. Aufl., München/ Basel 1986; L OMBROSO , C.: Genio e follia. Prelizione ai corsi di antropologia e clinica psichiatrica presso la R. Università di Pavia (Antrittsvorlesung 1863). In: Gazzetta Medica Italiana Lombardia. Pavia 1864; dt. Ausg.: Genie und Irrsinn in ihren Beziehungen zum Gesetz, zur Kritik und zur Geschichte. Leipzig 1887; D ERS .: Genio e degenerazione. Palermo 1894, Bd. II: 1898, Bd. III: 1907 (Neubearbeitung der Ausgabe von 1898); dt. Ausg.: Genie und Entartung. Leipzig 1894; D ERS .: Man of genius. London 1901; D ERS .: Studies on genius and degeneration. 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Psychoanalytischer Essay über die ›Krankheit der Idealität‹“. Darmstadt 1985. Kreativität und Selbstverwirklichung Selbstverwirklichung Kreativität und Wirtschaft Kreativwirtschaft Kreativitätsblockaden (obstacles to creativity): auch Kreativitätskiller oder Kreativitätsbarrieren; Störfaktoren emotionaler oder motivationaler Art, die die kreative Leistung erheblich beeinträchtigen oder unmöglich machen; Störungen des kreativen Prozesses, des kreativen Denkens und Handelns. Die Kreativitätsblockade stellt „eine Art Problemlösungsaufgabe dar. Wie lässt sie sich beseitigen, welche Maßnahmen müssen unternommen werden, um die Situation wieder in den Griff zu bekommen? Kreatives Verhalten wird notwendig, wenn keine der bekannten Strategien geeignet ist, zu einer Lösung vorzudringen. Es entsteht ein Akkomodationsnotstand: entweder die Situation kann den eigenen Bedürfnissen angepasst werden oder aber das Individuum muss etwas in sich ändern, erfinden und umstrukturieren, um mit der Situation zurecht zu kommen. Gelingt dies nicht, entsteht Frustration, Stress oder Verdrängung.“ (G UTJAHR , 1996, S. 17). James L. Adams unterscheidet vier Haupttypen von Kreativitätsblockaden: 1. Wahrnehmungsblockaden, 2. gefühlsbedingte Blockaden, 3. kulturbedingte und umweltbedingte Behinderungen sowie 4. Blockaden des Intellekts und der Ausdrucksfähigkeit. Eine Wahrnehmungsblockade besteht z. B., wenn die frühere Erfahrung verhindert, ein Problem aus unterschiedlichen Blickrichtungen zu betrachten. Solange man auf eine Sichtweise beschränkt ist, können nicht die originellen Ideen erzeugt werden, die zur Lösung eines schwierigen Problems erforderlich sind. Eine gefühlsbedingte Blockade für das kreative Denken entsteht nach Adams Ansicht aus Angst, ein Risiko einzugehen, denn zur Produktion einer kreativen Idee gehört Mut zum Risi- <?page no="161"?> 157 Kreativitätsblockaden ko. Vor allem ist es wichtiger, selbst Ideen zu entwickeln, anstatt über andere Ideen zu urteilen. Urteilen ist zwar leichter als etwas Neues zu versuchen, und manche Manager und Mitarbeiter konzentrieren sich so sehr darauf, Ideen zu beurteilen, dass sie keine eigenen, neuen produzieren. Gerade dieses Hemmnis ist eine besonders relevante gefühlsbedingte Blockade. Kreative Mitarbeiter werden mitunter belächelt, als Spinner oder Fantasten angesehen und nicht ernst genommen. Blockierend kann es sich erweisen, wenn eine neue Idee allzu früh beurteilt und verworfen wird, bevor man all ihre Möglichkeiten und Zusammenhänge durchdacht hat, die vielleicht zur Lösung eines Problems geführt hätte. Kreativitätsblockaden entstehen meist in Stresssituationen, denn Stress blockiert das kreative Denken und verhindert die Lösung eines komplizierten Problems. Termindruck, Ablenkungen, schlechtes Betriebsklima, Karriereängste, Mobbing, drohender Arbeitsplatzverlust, auch Stolz, Egoismus und mangelnde Selbstkritik, Aufregung, Lärm, Alltagssorgen, familiäre Spannungen, Ärger, Wut, Hass oder Trauer wirken sich kreativitätshemmend aus. Zahlreiche Personen werden an der Kreativitätsentfaltung deshalb gehindert, weil sie sich lediglich auf ihre Erfahrungen verlassen und es ihnen nicht gelingt, jede neue Aufgabe als einzigartige Situation zu betrachten und unvoreingenommen zu beginnen bzw. sich daran zu versuchen. Wer in einer Situation, in der die empirischen Kenntnisse nicht anwendbar sind, dennoch darauf beharrt, bleibt erfolglos, d. h. wenn die Lösung eines Problems nur nach den gewohnten Schemata erfolgt, wird die Wahrnehmung einer neuen Funktion für ein Objekt, das bisher mit einem anderen Zweck verknüpft war, verhindert. Der US-amerikanische Psychologe Norman Raymond Frederick Maier (1900-1977) prägte 1931 dafür den Begriff „funktionale Fixiertheit“, den auch Karl Duncker (1903-1940) innerhalb seiner Denkpsychologie verwendete. Sobald die Fixierung auf die Erfahrung überwunden wird, kann die Lösung in einer blitzartigen Erkenntnis oder schrittweise in einem kreativen Prozess erfolgen. Unter dem Zwang zu stehen, ständig neue Ideen haben zu müssen, ist der Tod der Kreativität. Auch „Angepasstheit“ und Konformität wirken kreativitätshemmend. Joy Paul Guilford, Sidney J. Parnes und Arnold Meadow erklärten die Mittelmäßigkeit bzw. die Durchschnittsnorm zum stärksten Kreativitätsblocker. Diese Auffassung vertritt auch Gottlieb Guntern (Guntern, 2000). Nach Meinung von Karl- Heinz Brodbeck ist „Unachtsamkeit, unbewusstes und routiniertes Verhalten“ im Denken, Fühlen und Handeln „das wirksamste Kreativitätshemmnis.“ (B RODBECK , 2010, S. 2) Es ist meist mit einer Denkblockade der rechten Hirnhemisphäre verbunden. Dort werden visuelle Bilder verarbeitet, entstehen Ideen und kreative Impulse. Dort erfolgt auch die Synthese aller aufgenommenen Informationen und Erfahrungen. Die Kreativitätsblockade „findet meistens nicht schlagartig, sondern als schleichende Perspektivenverengung statt. Der geistige Blickwinkel für das Problem und die Problemdurchdringung verringern sich - für den betroffenen Menschen meist unbemerkt.“ (M ALORNY / S CHWARZ / B ACKERRA , 1997, S. 13) Kreative Höchstleistungen bzw. innovative Lösungen entstehen meist im entspannten Zustand. Das Umfeld ist für eine kreative Atmosphäre ebenfalls wichtig. Auch gespannte Beziehungen im Team blockieren die Kreativität. ( Gruppenkreativität). Helmut Schlicksupp unterscheidet zwischen psychologischen und soziologischen Kreativitätsblockaden. Psychologische Blockaden sind: die Neigung, den eigenen Standpunkt aufzugeben und anderen nachzugeben; - Unsicherheit über mögliche Negativfolgen aus neuen Ideen; - Neigung zu gewohnten Vorgehensweisen; zu schnelle Meinungsbildung; - Suche nach dem absolut Richtigen; erlebte Enttäuschungen; Resignation; zu wenig Vertrauen in das eigene Wissen und in die eigenen Fähigkeiten; - Hemmungen, sich zu äußern; das Gefühl, anderen nichts aufdrängen zu wollen; - Scheu vor der alleinigen Verantwortung eigener Ideen; - Zufriedenheit mit dem Erreichten; die Neigung, sich auf den Lorbeern auszuruhen. (S CHLICKSUPP , 1989, S. 56). Soziologische Blockaden, die die Beschäftigten eines Unternehmens an der Entfaltung ihrer Kreativität hindern, sind: <?page no="162"?> Kreativitätsblockaden 158 mangelnde Anerkennung neuer Ideen und kreativen Verhaltens; - Tabus; ›heilige Kühe‹; Traditionen; zu hoch vorgegebene Ziele und Anforderungen; mangelnde Objektivität durch Interessenkonflikte und Rivalitäten (Kompetenzgerangel); - Entmutigung, Kritik und Zweifel durch Dritte (Vorgesetzte, Kollegen); zu viele Komitees und Gremien; Zerreden neuer Vorhaben; zu geringer eigener Verantwortungsspielraum; - Blockierung von Kommunikation; wenig Möglichkeiten zu Gedankenaustausch und Teamarbeit; bürokratische Starrheit, viele Vorschriften; strenge Instanzwege; Anonymität; wenig Anregungen aus zu einseitiger und zu abgegrenzter Tätigkeit; zu viele Routinearbeiten; wenig Zeit für schöpferische Tätigkeiten; (S CHLICKSUPP , 1989, S. 57). In der Angst, durch eine originelle Meinung aufzufallen, sich Ärger, Spott, Ablehnung und die Unterdrückung der kreativen Idee bzw. des Verbesserungsvorschlags einzuhandeln, wird meist am Althergebrachten festgehalten. Um die Mitarbeiter eines Unternehmens zu kreativem Verhalten zu motivieren, ist eine offene, vertrauensvolle Atmosphäre erforderlich, ein gutes Betriebsklima und ein kreativer Führungsstil. Wird die Kreativität der Beschäftigten unterdrückt bzw. ist sie unerwünscht, passen sich die Mitarbeiter weitgehend dieser Situation an und resignieren. Eine einmal erlernte Denk- und Lösungsstrategie blockiert oft den Zugang zum kreativen Verhalten, zur Suche nach neuen, originellen, ungewöhnlichen Ideen und Lösungsmöglichkeiten. Diese Formen der Kreativitätsblockaden sind: 1. Verdrängung von Ideen und Bedürfnissen: Da der Mitarbeiter mit seinen Vorschlägen und Ideen keine Anerkennung erfährt, resigniert er. 2. Regression: Der Mitarbeiter zieht sich auf andere Ebenen der Wirkungsmöglichkeiten zurück. Er äußert seine Ideen z. B. humorvoll. 3. Sublimierung: Da die kreativen Ideen des Mitarbeiters am Arbeitsplatz unerwünscht sind, sucht er sich andere Wirkungsmöglichkeiten, z. B. in der Freizeit, um dadurch seine blockierte Kreativität zu kompensieren. 4. Rationalisierung: Das geänderte Verhalten wird rationalisiert, also entgegen ursprünglicher Motive glaubhaft begründet. (M ALORNY / S CHWARZ / B ACKERRA , 1997, S. 35). Kreativitätshemmende Einflussfaktoren sind: 1. eine falsche Haltung gegenüber Problemen 2. mangelndes Selbstvertrauen 3. übertriebene Furcht vor Kritik 4. Mangel an positiven Gefühlen, Neigung zu Pessimismus, innerer Unruhe oder Furcht 5. Neigung zu vorschneller Urteilsbildung 6. Gefühl der Abhängigkeit von anderen 7. Gefühl, keine Zeit zu haben (zahlreiche Störfaktoren, Termindruck, Besuche, Telefonate u. a.) 8. das Bedürfnis nach Vertrautem. Das führt dazu, neue Ideen abzulehnen. 9. Konformitätszwang (Abhängigkeit der eigenen Urteilsfähigkeit von den Meinungen anderer, Neigung zu Nachahmung und zu Anpassung, kritiklose Annahme von Weisungen; passives Beobachten statt aktiver Teilnahme) 10. Dominant praktische Einstellung (die Erwartung schneller Ergebnisse; die sofortige Erledigung einer Aufgabe, ohne nach neuen Lösungswegen zu suchen). - (S CHLICKSUPP , 1999, S. 21-24). Materielle Erfolge, die sich in Stückzahlen, Euro oder in Leistungskennzahlen eindeutig messen lassen, sind den Unternehmen meist wichtiger als neue Ideen oder kreative Lösungen, deren potentielle Chancen noch nicht nachgewiesen sind. Weiterbildungsmaßnahmen, z. B. Kurse zum Projektmanagement, erfolgen oft ohne Bedarfsermittlung, ohne klare Zielkriterien und ohne Erfolgskontrolle. Die meisten dieser Veranstaltungen sind außerdem viel zu knapp, um dauerhafte Lernprozesse zu ermöglichen bzw. um erwünschte Verhaltensänderungen zu festigen. Gute Ideen werden oft voreilig abgelehnt, denn es gibt Hoffnungsträger und Bedenkenträger! Typische Ideenkiller und verbreitete Standardfloskeln, um neue Gedanken und Vorschläge abzuwürgen, sind: „Sehen Sie zu, dass Sie wieder an Ihren Arbeitsplatz zurückkommen, Ideen haben wir selbst genug.“ „Die Praxis sieht ganz anders aus, das verstehen Sie nicht.“ „Daraus wird doch nie etwas! “ „Vielleicht später einmal, wir kommen darauf noch einmal zurück.“ <?page no="163"?> 159 Kreativitätsdiagnostik „Die Experten denken darüber ganz anders.“ „Das haben schon ganz andere vor Ihnen versucht! “ „Das ist nicht Ihre Aufgabe.“ „Ich bin dafür nicht zuständig.“ „Diese Idee hatte ich auch schon einmal! “ „Niemand weiß das besser als ich! “ „Das ist Befehl von oben! “ „Sie bekommen wieder Bescheid! “ „Glauben Sie unseren langjährigen Erfahrungen! “ „Das ist für unser Unternehmen überhaupt nicht geeignet! “ „Jetzt ist dafür nicht der richtige Zeitpunkt! “ „Nur über meine Leiche! “ (H OFFMANN , 1996, S. 84-87). Solche Antworten sind wahre Kreativitätskiller. Damit wird jede noch so hoffnungsvolle und kreative Idee abgewürgt. Aber gerade das zeichnet eine starke kreative Persönlichkeit aus, dass sie sich nicht scheut, trotz aller Widrigkeiten das Äußerste zu wagen und dabei auch Risiken einzugehen. In Kreativitätskursen wird gelehrt, Blockaden zu überwinden und das kreative Denken zu fördern. Lit.: A DAMS , J. L.: Conceptual blockbusting. A guide to better ideas. San Francisco 1974; A DAMS , J. L.: Ich hab’s! Wie man Denkblockaden mit Phantasie überwindet. Braunschweig 1984; A DAMS , J. L.: The care and feeding of ideas. Addison-Wesley, Reading, Mass. 1986; A DAMS , J. L.: Think! Einfach genial denken lernen. Berlin 2005; A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; A MABILE , T. M.: How to kill creativity. In: Harvard Business Review on Breakthrough Thinking. (A Harvard business review paperback). Boston, MA 1999, pp. 1-28; B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Wege aus dem Labyrinth der Gewohnheiten, 4. Aufl., Darmstadt 2010; D UNCKER , K.: Zur Psychologie des produktiven Denkens. Berlin 1935; G UILFORD , J. P.: Creativity. In: American Psychologist 1950, vol. 5, pp. 444-454; dt. Übers.: Kreativität. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule (= Erziehung in Wissenschaft und Praxis, hg. von Andreas Flitner, Bd. 10), München ³1973, S. 13-36; Dass. in: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 25-43; G UNTERN , G.: Maskentanz der Mediokratie. Mittelmaß versus kreative Leadership. Zürich 2000; G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder Die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; H OFFMANN , H.: Kreativität. Die Herausforderung an Geist und Kompetenz. Damit Sie auch in Zukunft Spitze bleiben. München 1996; M ALORNY , C./ S CHWARZ , W./ B ACKERRA , H.: Die sieben Kreativitätswerkzeuge K 7. Kreative Prozesse anstoßen, Innovationen fördern (Pocket Power), hg. von der Schule der Qualitätswissenschaft der Technischen Universität Berlin unter Leitung von Gerd F. Kamiske. München/ Wien 1997; M AIER , N. R. F.: Reasoning in humans. II. The solution of a problem and its appearance in consciousness. In: Journal of Comparative Psychology 1931, 12, pp. 181-194; M EADOW , A./ P ARNES , S. J.: Evaluation of training in creative problem-solving. In: Journal of Applied Psychology 43, 1959, pp. 189-194; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen). Würzburg ³1989; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; D ERS .: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999. Kreativitätscoaching Kreativitätstraining Kreativitätsdiagnostik (diagnostics of creativity): Verfahren zur Untersuchung, Klassifikation und Bewertung kreativer Fähigkeiten, Leistungen und Produkte; dient der Ermittlung der individuell unterschiedlich stark ausgeprägten Faktoren, die das kreative Denken ermöglichen. Dies sind nach der Auffassung von Joy Paul Guilford vor allem die Faktoren Flüssigkeit, Flexibilität und Elaboration. Die Kreativitätsdiagnostik erfasst auch die individuelle bzw. gesellschaftliche Neuheit von Denkprodukten und die Originalität von Denkprozessen und dient zugleich als Grundlage für die Personalauswahl und Personalentwicklung. (Vgl. S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 57-59). Dazu werden diagnostische Instrumente angewandt, z. B. Kreativitätstests, um kreative Leistungen zu bewerten; als Auswahlinstrumente, um kreativ Hochbegabte gezielt zu fördern, um erfolgversprechende Personen als Führungskräfte, Wissenschaftler, Architekten oder als Künstler auszubilden. Die angewandten Tests zur Kreativitätsdiagnostik gehen über die traditionellen Verfahren der Intelligenzdiagnostik hinaus. Die ersten Tests wurden von den US-amerikanischen Psychologen Ellis Paul <?page no="164"?> Kreativitätsdreieck 160 Torrance, Michael A. Wallach, Nathan Kogan, Sarnoff A. Mednick und Joy Paul Guilford entwickelt. In Deutschland wurden diese Tests z. T. weiterentwickelt, aber auch neue Verfahren zur Untersuchung der Kreativität konzipiert, u. a. von Karl Josef Schoppe, Klaus-Udo Ettrich, Ursula Mainberger und Klaus K. Urban. Remote Associates Test Lit.: G UILFORD , J. P.: The relation of intellectual factors to creative thinking in science. In: Taylor, C. W. (Ed.): The identification of creative scientific talent. University of Utah, 1956, pp. 69-95; G UILFORD , J. P.: The structure of intellect. In: Psychological Bulletin, vol. 53, 1956, pp. 267-293; G UILFORD , J. 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(Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S CHULER , H./ M ARCUS , B.: Biografieorientierte Verfahren der Personalauswahl. In: Schuler, H. (Hrsg.): Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen ²2006, S. 189-226; S CHWEIZER , K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006; U RBAN , K. K.: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule - Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004. Kreativitätsdreieck (intersection of creativity): Schnittpunkt der Kreativität; drei Faktoren oder Systeme, die in ihrem Zusammenspiel den Ort der Kreativität, d. h. das Auftreten einer kreativen Idee, einer Handlung oder eines kreativen Produkts bestimmen. Kreativität ist ein Prozess, der nur als Schnittpunkt gesehen werden kann, wo sich Individuen, Bereiche und Felder gegenseitig beeinflussen. (C SIKSZENTMIHALYI , 2007, p. 314). Diese Systemtheorie wurde 1988 von dem ungarisch-amerikanischen Soziologen, Verhaltenspsychologen und Kreativitätsforscher Mihaly Csikszentmihalyi (*1934) entwickelt. Das Kreativitätsdreieck entsteht aus den drei Komponenten: Person, Feld und Bereich (person, field, and domain). Das Zusammenspiel dieser Faktoren erfolgt in dreifacher Hinsicht: Das Individuum ist durch genetische Anlagen, Erfahrungen und Erlebnisse geprägt; das Feld wird durch die soziale Organisation des Bereichs beeinflusst, und der Bereich oder die Domäne, in denen Kreativität stattfindet, wird besonders von der jeweiligen Kultur beeinflusst. (C SIKSZENTMIHALYI , 1988, pp. 325-339). Howard Gardner (*1943) ist der Auffassung, dass zwischen den Polen des Kreativitätsdreiecks eine „fruchtbare Asynchronie“ bestehen müsse, d. h. „ein mittleres Maß an Spannung“, weil diese eine notwendige Bedingung für herausragende kreative, geniale Produktivität sein dürfte. „Je vielfältiger die fruchtbare Asynchronie, desto wahrscheinlicher wird die kreative Leistung. Ein Übermaß an Asynchronie allerdings kann sich als unproduktiv erweisen. ...“ (G ARDNER , 1996, S. 62). Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Society, culture, and person. A systems view of creativity. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge, New York, Port Chester, Melbourne, Sydney 1988, pp. 325-339; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Implications of a systems perspective for the study of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge et al., University Press, 10 th printing 2007, pp. 313-335; F ELDMAN , D. 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Mooney entwickelte eine Vier-Punkte-Theorie zur Erfassung der Kreativität, die sich <?page no="165"?> 161 Kreativitätsförderung in unterschiedlicher Reihenfolge in der Forschung weitgehend durchgesetzt hat. Mooneys vier wichtige Zugänge zur Kreativität sind: 1. die kreative Umwelt bzw. die kreative Atmosphäre, Situationen, Plätze oder Orte, an denen sich Kreativität entwickelt. 2. das kreative Produkt 3. den kreativen Prozess 4. die kreative Persönlichkeit (T AYLOR , 1989, p. 100-101). Hans Lenk vertritt jedoch die Auffassung, dass durch diese Faktoren die Kreativität nur unzureichend erfasst werde. Dieses Konzept müsse erweitert werden. Lenk nennt neun weitere Faktoren: 1. Problemlösungskreativität; 2. kreative Potentiale; 3. Possibilitäten (Möglichkeiten); 4. Produktionstätigkeiten; 5. kreative Provokationen; 6. Präferenzen und Prioritäten (kreative Vorzüge, Faktoren von kreativem Vorrang); 7. intrinsische Motivation; 8. Partnerschaften und Populationen; 9. kreativitätsfördernde Perspektiven. Die psychologische Erforschung dieser Topoi bildet weitgehend ein Desiderat. (L ENK , 2000, S. 91-94). Lit.: L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; S TERNBERG , R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne/ Sydney 1988; ²1989; T AYLOR , C. W.: Various approaches to and definitions of creativity. In: Ebenda, pp. 99-121. Kreativitätsförderung (supporting creativity): Zahlreiche Forscher sehen in der Kreativität eine wertvolle Eigenschaft, die grundsätzlich bei allen Menschen entwickelt werden kann, d. h. Kreativität ist nicht nur den Hochbegabten vorbehalten, sondern weitverbreitet ist die Auffassung, dass jeder Mensch kreativ ist. Die psychologische Forschung hat nachgewiesen, dass kreative Leistungen auch erfolgreich erworben werden können. Jeder verfügt über mehr oder weniger unerschlossene kreative Möglichkeiten, Begabungs- und Kreativitätsreserven. Diesem Ziel dienen die Vermittlung und Übung von speziell erarbeiteten Kreativitätstechniken und Trainingsprogrammen, in denen Methoden zur Ideenfindung, zum kreativen Denken und Problemlösen vermittelt werden, mit dem Ziel die vorhandenen kreativen Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu fördern und zu steigern. Angestrebt wird die Förderung kreativer Persönlichkeits- und Leistungsmerkmale, die Überwindung von Kreativitätsblockaden u. a. Zur Erhöhung der kreativen Arbeitsleistung gibt Robert J. Sternberg folgende Empfehlungen: 1. Entwickeln Sie eine hohe Motivation dafür, auf einem speziellen Gebiet kreativ zu sein! Lassen Sie sich um keinen Preis durch extrinsische Motivation (z. B. in Form von Geld) als Entschädigung für kreative Leistungen bestechen - Geld korrumpiert! Generell sollte das Streben zu kreativen Handlungen aus Ihnen selbst kommen ( intrinsische Motivation)! 2. Zeigen Sie ein gewisses Maß an Nonkonformismus - Regeln, die Ihre kreativen Handlungen beschränken, können gegebenenfalls missachtet werden! Allerdings: nicht alle Regeln und Gewohnheiten sind schädlich. Was die eigene Leistung angeht: höchste Ansprüche und Selbstdisziplin beim Schaffen sind nötig! 3. Sie müssen vom Wert und der Bedeutung Ihrer kreativen Tätigkeit völlig überzeugt sein, Kritik und Abwertung durch andere Personen darf Sie nicht stören! Die Selbstkritik sollte jedoch den eigenen Prozess überwachen und verbessern! 4. Suchen Sie sich Gegenstände und Personen, auf die sich Ihre kreative Aufmerksamkeit konzentriert, sorgfältig aus - dabei kann es sich auch (und gerade) um solche handeln, die von anderen Personen nicht geschätzt werden. 5. Benutzen Sie Analogien und divergentes Denken, wo immer möglich. Aber: kreatives Denken <?page no="166"?> Kreativitätsforschung 162 berücksichtigt auch die alten Traditionen - und sei es nur, um ihnen zu widersprechen. 6. Suchen Sie sich Mitstreiter, die gegen die Konvention angehen und neue Ideen ausprobieren, Mitstreiter, die zum Risiko ermutigen! 7. Sammeln Sie soviel Wissen über Ihren Bereich wie möglich! Damit kann verhindert werden, dass das Rad zum 100. Mal erfunden wird. Vermeiden Sie gleichzeitig, von diesen Daten gefesselt zu werden! 8. Verpflichten Sie sich auf das strengste zu Ihren kreativen Unternehmungen.“ (S TERNBERG , 1995, p. 363 f.; Funke, 2001, S. 295 f.) Ein wichtiges Merkmal vieler Förderprogramme ist das Zurückstellen der Evaluation während der Phase der Ideenfindung und Ideenproduktion. Damit soll ein vorschnelles Verwerfen origineller Gedanken und Einfälle verhindert werden. Kommt die Evaluation zu früh, kann dies kreativitätshemmend sein. Die Psychologen Heinz Schuler und Yvonne Görlich gliedern die kreativitätsfördernden, begünstigenden bzw. kreativitätsbedingenden Merkmale und Faktoren in sechs Gruppen: 1. Intelligenz: Bildung, Komplexität, Intuition, Einsicht, Vorstellungskraft, Phantasie, Integrationsfähigkeit 2. Intrinsische Motivation: Ehrgeiz, Ausdauer, Konzentration, Leistungsmotivation, Energie, Leistungsfreude, Antrieb, Gratifikationsaufschub 3. Nonkonformität: Originalität, Unkonventionalität, Autonomiestreben, Individualismus, Unabhängigkeit des Urteils, Eigenwilligkeit 4. Selbstvertrauen: (fähigkeits- und zielbezogen), emotionale Stabilität, Selbstbild „kreativ“, Risikobereitschaft 5. Offenheit: Neugierde, Freude am Neuen, ästhetische Ansprüche, intellektuelle Werte, Bedürfnis nach Komplexität, breite Interessen, Ambiguitätstoleranz ( kreative Neugier) 6. Erfahrung: Wissen, Einstellungen und Werthaltungen, metakognitive Fertigkeiten (Planung, Monitoring, Feedback, Selbststeuerung, Selbstbeurteilung) - (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 14). Rainer M. Holm-Hadulla nennt weitere Faktoren, wie die Überzeugung von der eigenen Sache, Toleranz für Kritik, die sorgfältige Auswahl von geeigneten Arbeitsfeldern, divergentes Denken unter Berücksichtigung der Tradition, qualifizierte Mitarbeiter und die persönliche Verpflichtung auf die kreative Unternehmung. (H OLM -H ADULLA , 2010, S. 36). Kreativitätstraining Lit.: F UNKE , J.: Psychologie der Kreativität. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin/ Heidelberg/ New York et al.; Nachdruck 2001, S. 283-300; G UNTERN , G OTTLIEB : Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich/ Berlin/ New York 1994; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; S CHLICKSUPP , H.: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S EGLER , T.: Kreativitätsförderung im Unternehmen. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 77-108; S TERNBERG , R. J.: In search of the human mind. Harcourt Brace College Publishers, Fort Worth, TX 1995. Kreativitätsforschung (creativity research): Die „eigentliche Kreativitätsforschung“ begann Ende des 19. Jhs., doch „sie war zuerst einmal reichlich spekulativ.“ (G UNTERN , 1991, S. 27). Mitunter wird der Beginn mit dem Jahr 1864 datiert. In jenem Jahr veröffentlichte der italienische Arzt, Psychopathologe und Kriminalpsychologe Cesare Lombroso (1836-1909) sein aufsehenerregendes Buch „Genio e follia“ (Genie und Irrsinn), in dem er die These vom Zusammenhang zwischen Genie und Wahnsinn aufstellt. (erste dt. Ausg. 1887). Kreativität und Psychose. Vorläufer und Wegbereiter auf den Gebieten des schöpferischen Denkens und Problemlösens sind u. a. Alfred North Whitehead (1861-1947), Max Wertheimer (1880- 1943), Wolfgang Köhler (1887-1967), Karl Duncker (1903-1940). Erst der US-amerikanische Psychologe Joy Paul Guilford (1897-1987) hat dieser Fachrichtung zum entscheidenden Durchbruch verholfen. Als ihm die Präsidentschaft der American Psychological Association <?page no="167"?> 163 Kreativitätsforschung übertragen wurde, wählte er für seine Antrittsrede das Thema „Creativity“. Diese berühmt gewordene Rede hielt er am 5. September 1950 am Pennsylvania State College, womit er als Begründer der modernen psychologischen Kreativitätsforschung gilt. (B RODBECK , 2013, S. 54). Sie beruht auf der Messung kreativer Fähigkeiten durch Tests. Er entwarf ein erweitertes Intelligenzkonzept, um mit Hilfe statistischer Methoden, besonders der Faktorenanalyse, die Fähigkeiten des kreativen Verhaltens nachzuweisen. Dies hatte auch politische und militärische Gründe. Denn für den Kreativitäts-Boom, der in den sechziger Jahren in der westlichen Welt einsetzte, sorgte vor allem der »Sputnik-Schock«. Am 4. Oktober 1957 hatte die Sowjetunion den ersten künstlichen, noch unbemannten Erdsatelliten erfolgreich auf eine Umlaufbahn ins Weltall gestartet. Dies löste in den USA eine ziemliche Bestürzung unter den Militärs und Wissenschaftlern aus und hatte weitreichende Konsequenzen. Das Pentagon schloss eine militärische Bedrohung nicht mehr aus. In hektischer Betriebsamkeit wurden Kreativitätstests und Kreativitätstechniken zur Messung und Steigerung schöpferischer Leistungen entwickelt, um hochbegabte Probanden zu erkennen und zu fördern. Die europäischen Untersuchungen zur Kreativität orientieren sich vorwiegend an der Kreativitätsforschung in den USA. Hierbei werden die amerikanischen Ansätze übernommen, auch Kreativitätstechniken und andere Instrumente, erweitert oder modifiziert. In Deutschland begann die Kreativitätsforschung erst Mitte der sechziger Jahre, also etwa 15 Jahre später, durch ›Herüberschwappen‹ der Kreativitätswelle aus den USA, „deren wissenschaftliche Ansätze, Methoden und Ergebnisse relativ kritiklos übernommen wurden.“ (W ISKOW , 1992, S. 35). Die erste zusammenfassende Monographie zur Kreativitätsforschung veröffentlichte Gisela Ulmann 1968. Wichtige Beiträge und Forschungsergebnisse publizierten Erika Landau, Rainer Krause, Inge Seiffge-Krenke, Siegfried Preiser, Karin Hemmer- Junk, Hans Lenk, Rainer M. Holm-Hadulla, Klaus K. Urban, Günter Abel, Heinz Schuler und Yvonne Görlich, Stephan Sonnenburg, Thomas Vogt, Christian Horneber u. a. Das wichtigste Ergebnis der modernen Kreativitätsforschung ist die Entmystifizierung des schöpferischen Prozesses. Die originären, innovativen Leistungen und Produkte von Künstlern, Wissenschaftlern und Technikern, ihre Erfindungen und Entdeckungen, aber auch die schöpferischen Leistungen im Alltag werden nicht mehr als Ergebnisse von göttlichen Eingebungen und Inspirationen angesehen, sondern als Resultat divergenter, lateraler Denkprozesse und bisoziativer Ideenfindung. Die Kreativitätsforschung beschäftigt sich u. a. mit den Merkmalen der kreativen Persönlichkeit, mit dem kreativen Denken und Problemlösen, dem kreativen Prozess und Produkt sowie der mit kreativen Umwelt. Die anwendungsorientierte Forschung sieht in der Kreativität eine Form der Selbstverwirklichung und einen Weg zum Erfolg und widmet sich der kreativen Lösung aktueller praktischer Probleme, wie Verkehrsplanung, Umwelt usw. Die Kreativitätsforschung hat inzwischen Eingang in zahlreiche Wissenschaftsdisziplinen gefunden. So beschäftigen sich mittlerweile nicht nur Philosophen, Psychologen und Psychoanalytiker, sondern auch Künstler und Kunsttheoretiker, Pädagogen, Literatur- und Naturwissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Soziologen, Ethnographen, Therapeuten, Wirtschaftswissenschaftler, Manager, Designer, Werbefachleute u. a. mit der Kreativität des Menschen. Diese unterschiedlichen Forschungsansätze führen einerseits zu einer umfassenderen Sicht auf die Spezifik schöpferischer Problemlösungen, spiegeln aber andererseits auch die Vielfältigkeit und Vieldeutigkeit des Phänomens »Kreativität« wider. Die Kreativitätsforschung besitzt keine einheitliche Theorie oder allgemein akzeptierte Forschungsmethoden. Thomas Vogt spricht von der „relativen Unüberschaubarkeit der Kreativitätsforschung“, von einer „kaum überschaubaren Anzahl von theoretischen Ansätzen“, denn „das Forschungsfeld Kreativität ist vielfältig, heterogen und qualitativ nur schwer zu bewerten.“ (V OGT , 2010, S. 83). Die Diskussion um den Kreativitätsbegriff, um die Gegenstandsbestimmung, über die Relevanz und Angemessenheit verschiedener Forschungsstrategien, Theorieansätze und Diagnosemethoden ist außerordentlich widersprüchlich. Dies betrifft auch die Messbarkeit der Kreativität, die Gültigkeit der Kreativitätstests und -techniken u. a. Im Zusammenhang mit der Kritik an der psychometrischen Kreativitätsforschung und der Prosperität kognitionspsychologischer Forschungsmethoden erfolgte eine Neuorientierung. Bisherige statistisch-strukturelle Auffassun- <?page no="168"?> Kreativitätsforschung 164 gen werden zunehmend durch prozessorientierte Konstrukte ersetzt. Hierbei sind besonders die Arbeiten und Forschungsergebnisse von Teresa M. Amabile, Mihaly Csikszentmihalyi, James C. Kaufman, Marc A. Runco, Dean Keith Simonton, Robert J. Sternberg, Robert W. Weisberg u. a. richtungweisend. Zu den Forschungsmethoden der Kreativität schlägt Rainer M. Holm-Hadulla (*1951) folgende Aspekte vor: „Reflexion kulturgeschichtlicher Dokumente, Interpretation neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse, Analyse von Leben und Werk schöpferischer Menschen, themenzentrierte Konferenzen mit kreativen Persönlichkeiten sowie Beobachtung und Analyse kreativer Prozesse des Alltagslebens.“ (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 7). 2011 stellte Holm-Hadulla eine dialektische Kreativitätstheorie vor. Gefragt sind die Verwertung und praktische Anwendung wissenschaftlicher Konzepte. Die Forschungsziele sind stärker auf die neuen Herausforderungen der Informationsgesellschaft zu präzisieren. ( Angewandte Kreativität) Die britische Psychologin und Philosophin Margaret A. Boden vertritt einen computerwissenschaftlichen Ansatz der Kreativitätsforschung und versucht, durch die maschinelle Simulation menschlicher Kreativitätsleistungen deren Funktionsweisen (besser) zu verstehen und deren Mechanismen aufzuspüren. Dieser Forschungsansatz könne auch zu einem besseren Verständnis von menschlicher Kreativität beitragen. Auch Jürgen Schröder (S CHRÖDER , 2006, S. 926-944), Jon McCormack, Mark d’Inverno u. a. haben dazu fundierte theoretische Beiträge geliefert und praktische Anwendungen aufgezeigt. (McCormack/ d’Inverno, 2012). Hans Lenk weist auf die große Herausforderungen hin, die „eine künftige Philosophie der kreativen Entwicklungen, Schöpfungen und Prozesse“ zu leisten hat. Sie hat die kreativen Beiträge oder Provokationen bzw. Veränderungen der Welt des Menschen zu deuten, z. B. die Herstellung von Techno-Bio-Organismen, die Prothetik mit Neuro-Implantaten, die Verknüpfung virtueller Technologien mit realen Prozessen und Phänomenen, wie Virtual Reality, Künstliche-Intelligenz-Strukturen, Techno-Organische Hybridwesen, transgene Organismen, Neuromanipulationen durch Implantate oder Programmierungen, Veränderung des menschlichen Genoms u. a. Dabei sind auch brisante Probleme „missgeleiteter Kreativität“ zu untersuchen, wie z. B. der immense Einfluss der Medien auf Kinder und Jugendliche, die z. T. zwischen realer und virtueller Realität nicht mehr scharf zu unterscheiden vermögen. (vgl. L ENK , 2007, S. 130 f.). Christian Horneber unterscheidet 10 Hauptkategorien bzw. theoretische Bereiche der Kreativitätsforschung. ( Kreativitätstheorien). Kreativität ist von globalem Interesse. Die Universalität und Vielfalt menschlicher Kreativität wird inzwischen weltweit erforscht. Die Kernthemen beziehen sich auf die angewandte Forschung und Grundlagenforschung, auf Theorien und Techniken. (vgl. Kaufman/ Sternberg, 2006). Kreativität und Innovation entscheiden zunehmend über den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens am Markt. Diese globale Aufgabe verlangt nach neuen, kreativen Formen der Problemlösung. Die Anforderung an die Kreativität wird somit „zur globalen Allzweckwaffe“. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 4). Die Kreativitätsforschung gewinnt zunehmend an Bedeutung und entwickelt sich allmählich zu einer eigenständigen Disziplin. Geschichte der Kreativität Lit.: A BEL , G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005; D ERS .: Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.- 30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006; A LBERT , R. S./ R UNCO , M. A.: A history of research on creativity. 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Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S EIFFGE -K RENKE , I.: Probleme und Ergebnisse der Kreativitätsforschung. Bern/ Stuttgart/ Wien 1974; S IMONTON , D. K.: Historiometric studies of creative genius. In: Runco, M. A. (Ed.): The creativity rekreativitätshemmende <?page no="170"?> Faktoren 166 search handbook, Cresskill 1997, Vol 1, pp. 3-28; D ERS .: Creativity around the world in 80 ways … but with one destination. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The international handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 2006, pp. 490-496; D ERS .: Creativity from a historiometric perspective. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. 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Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes (Pädagogisches Zentrum. Veröffentlichungen. Hrsg.: Carl-Ludwig Furck, Reihe C: Berichte, Bd. 11), Weinheim, Berlin, Basel 1968, ²1970; D IES . (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973; U RBAN , K. K.: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule- Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004; V ERNON , P H . E. (Ed.): Creativity. Selected readings (Penguin Education Psychology Readings), 7. printing, Harmondsworth, Middlesex 1980; V OGT , T.: Kalkulierte Kreativität. Die Rationalität kreativer Prozesse. Wiesbaden 2010; W ALLNER , M.: Kreativitätsforschung in den USA (Literaturbericht). In: Deutsche Zeitschrift für Philosophie 35, H. 9, 1987, S. 832-840; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989; D ERS .: Creativity. Understanding innovation in problem solving, science, invention, and the arts. John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey 2006; W ERTHEIMER , M.: Productive thinking. New York, London 1945; dt. Ausg.: Produktives Denken. Frankfurt/ M. 1957, 4. Aufl. 1962; W OLTERS , B. J.: Creatief denken. Groningen 1977; D ERS .: Kann de impasse in het creativiteitsonderzoek doorbroken worden? Verwevenheid van intuitie en analyse. In: Ped. Studien, 64, 1987, S. 485-498. kreativitätshemmende Faktoren Kreativitätsblockaden Kreativitätsindex (creativity index): ein statistischer Messwert zur Bestimmung kreativer Eigenschaften und Fähigkeiten, der auf Grund von Testverfahren an Versuchspersonen ermittelt wird. Die US-amerikanischen Psychologen Michael A. Wallach und Nathan Kogan haben 1965 erstmals einen Kreativitätsindex berechnet. Sie wiesen nach, dass Versuchspersonen „mit einem hohen Kreativitätsindex die Fähigkeit zur Kategorienbildung haben und tolerant gegenüber abweichenden Einzelheiten sind. Sie sind außerdem sensitiv gegenüber physiognomischen Stimuli und zeigen wenig manifeste Angst.“ (U LMANN , 1970, S. 92) Der US-amerikanische Ökonom und Soziologe Richard Florida (*1957) untersuchte verschiedene Regionen der USA entwickelte dazu den Kreativitätsindex als neue Kennziffer für das ökonomische Wachstum. Der Schlüssel dazu liege nicht nur in der Fähigkeit, die Kreative Klasse anzuziehen, sondern zu realisieren, dass dieser Vorteil in der Kreativwirtschaft zu grundlegenden Ergebnissen führt, im Form neuer Ideen, neuer High-Tech-Unternehmen und zu regionalem Wachstum. Der Kreativitätsindex setzt sich zusammen aus vier gleichbedeutenden Faktoren: 1. Innovations-Index: Er erfasst die Patentanmeldungen pro Kopf der Bevölkerung. 2. High-Tech-Index: Er erfasst den regionalen Anteil der Beschäftigten in der High-Tech-Industrie. Der High-Tech Index führt zu einem objektiveren Messwert, wenn die Daten der früher begünstigten großstädtischen Gebiete mit den kleineren Regionen, die ebenfalls große Technologie-Sektoren aufweisen, verknüpft werden. 3. Talent-Index: Er ist eine Kennziffer des Humankapitals einer Region und erfasst den Prozentsatz der Bevölkerung mit einem Bachelor-Abschluss bzw. Hochschulabschluss. 4. Gay-Index (Schwulen-Index). Er ist ein Toleranz-Index, der für die Vielfalt und Offenheit unterschiedlicher Menschen und ihrer Ideen steht. Als weitere Kennziffern nennt Richard Florida: <?page no="171"?> 167 Kreativitätskriterien den „Bohemian Index“. Er erfasst die künstlerischen kreativen Personen, wie Autoren, Designer, Musiker, Komponisten, Schauspieler, Direktoren, Maler, Bildhauer, Grafiker, Fotografen, Tänzer, Künstler und Darsteller. - Der „Melting Pot Index“ (Schmelztiegel-Index). Er ermittelt den relativen Prozentsatz ausländischer Bürger in einer Region. - Der „Composite Diversity Index“. Er misst die vielfältige Zusammensetzung der Bevölkerung. Diese Kennziffer verbindet den Gay Index, Bohemian Index und den Melting Pot Index. (F LORIDA , 2004, pp. 332-334). Der Kreativitätsindex als zusammengesetzter Indikator ist eine bessere Kennziffer für eine Region mit grundlegenden kreativen Fähigkeiten als die einfache Messung der Kreativen Klasse, weil er die gemeinsamen Effekte der Konzentration und innovativen ökonomischen Ergebnisse widerspiegelt. Der Kreativitätsindex ist somit der Vergleichsindikator einer Region in der Kreativwirtschaft. (F LORIDA , 2004, pp. 244-245.) Neben dieser regionalen Kennziffer entwickelte Florida den »Global Creativity Index« (GCI), um eine möglichst genaue Einschätzung der kreativen Wettbewerbsfähigkeit auf der Basis der »3 T’s« der ökonomischen Entwicklung zu erhalten: Technologie, Talent und Toleranz. (F LORIDA , 2004, 249-266; Florida, 2007, p. 154). Florida untersuchte auch den Globalization Index, Global Talent Index, Global Technology Index und Global Tolerance Index (F LORIDA , 2007, 138-157, 274-280 u. ö.). Lit.: F LORIDA , R.: The rise of the creative class. And how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. Basic Books [Paperback first published], New York 2004; D ERS .: Cities and the creatice class. Routledge 2005; D ERS .: The flight of the creative class: the new global competition for talent. Collins. An Imprint of HarperCollins Publishers, New York 2007; D ERS .: The great reset: how new ways of living and working drive post-crash prosperity. HarperCollins Publishers [Hardcover edition], New York 2010; D ERS .: Reset. Wie wir anders leben, arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden. Frankfurt am Main/ New York 2010; D ERS .: The great reset. How the post-crash economy will chance the way we live and work. HarperCollins Publishers. First Harper paperback published, New York 2011; F LORIDA , R./ B RANSCOMB , L./ K ODAMA , F.: Industrializing knowledge: University-Industry linkages in Japan and the United States. MIT Press 1999; F LORIDA , R./ K ENNY , M.: The breakthrough illusion. Corporate America’s failure to move from innovation to mass production. Basic Books, New York 1990; D IES .: Beyond mass production: The Japanese system and its transfer to the US. Oxford University Press, 1993; U LMANN , G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes (Pädagogisches Zentrum. Veröffentlichungen. Hrsg.: Carl-Ludwig Furck, Reihe C: Berichte, Bd. 11), Weinheim, Berlin, Basel ²1970. Kreativitätskriterien (criteria of creativity): Klassifikations- und Bewertungsmerkmale, die eine Idee, eine Problemlösung oder ein Produkt aufweisen müssen, um als kreativ eingestuft zu werden. Allgemeine Bewertungskriterien sind: 1. Neuartigkeit. Die Idee oder der Lösungsvorschlag sind bisher unbekannt, zumindest für die betreffende Person, für die aktuelle Situation oder für die konkrete Problemstellung. 2. Angemessenheit bzw. Sinnhaftigkeit. Kreative Ideen oder Lösungsvorschläge ergeben einen Sinn, dienen der Lösung eines Problems oder besitzen einen sozialen, wissenschaftlichen oder ökonomischen Nutzen. 3. gesellschaftliche Akzeptanz: Ein Einfall oder ein Lösungsvorschlag gelten erst dann als kreativ, wenn der Zeitgeist reif ist für die neue Idee, wenn der innovative Nutzen von der Gesellschaft anerkannt wird. (vgl. P REISER , 2006, S. 56). Die Beurteilung von Personen basiert auf der Bewertung ihrer Ideen und Vorschläge. kreatives Produkt; Kreativitätsdiagnostik; Kreativitätsmessung Lit.: J ACKSON , P H . W./ M ESSICK , S.: The person, the product, and the response: conceptual problems in the assessment of creativity. In: The Journal of Personality, 33, 1965, pp. 309-329; Dass. in: Kagan, J. (Ed.): Creativity and learning. Boston 1967; dt. Übers.: Die Person, das Produkt und die Reaktion. Begriffliche Probleme bei der Bestimmung der Kreativität. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 93-110; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67. <?page no="172"?> Kreativitätsmessung 168 Kreativitätsmessung (creativity measurement): Die Identifikation kreativitätsfördernder oder -begünstigender Merkmale ermöglicht die prinzipielle Messbarkeit dieser Eigenschaften und damit die Überprüfbarkeit entsprechender Hypothesen. Die Entwicklung der Theorie zur Messung der Kreativität geht auf den britischen Psychologen und Statistiker Charles Edward Spearman (1863-1945) zurück, der neben dem allgemeinen Intelligenzfaktor spezifische Begabungsfaktoren untersuchte, womit die kreativen Fähigkeiten des Menschen ermittelt werden sollen. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jhs. führten die USamerikanischen Psychologen Calvin W. Taylor (1915-2000) und Joy Paul Guilford (1897- 1987) umfangreiche und bedeutende Kreativitätstests durch. Vor allem Guilford, der zugleich als Begründer der modernen psychometrischen Kreativitätsforschung gilt, hat mit seinem Konzept des divergenten Denkens anwendbare Ergebnisse erzielt. In diesen Tests wird von den Probanden u. a. die Produktion einer möglichst großen Anzahl von Lösungsvorschlägen oder Antworten auf gezielte Fragen erwartet. (z. B. sollen für eine Geschichte möglichst viele passende Überschriften gefunden werden.) Bei der Kreativitätsmessung werden Aufgaben berücksichtigt, die mehrere Lösungen zulassen. Dabei werden u. a. folgende Faktoren erfasst: Flüssigkeit, Flexibilität, Originalität, Problemsensitivität, Neudefinition, Elaboration. (Guilford, 1967). Die US-amerikanischen Psychologen Michael A. Wallach und Nathan Kogan entwickelten eigene Methoden zur Messung von Kreativität. Ihre Tests beruhen auf assoziationstheoretischer Grundlage und bestehen aus verbalen und figuralen Elementen: z. B. sollen verschiedene Verwendungsmöglichkeiten für Gegenstände gefunden werden bzw. mehrere Gemeinsamkeiten für jeweils zwei Dinge entdeckt werden. Diese Tests ermöglichen eine größere Spontaneität, indem sie in einer spielerischen Atmosphäre stattfinden. Sie sind aufeinander abgestimmt, ergänzen sich gegenseitig und bilden deshalb aus den einzelnen Punktwerten einen Gesamtwert. Dadurch wird es erstmals möglich, einen Kreativitätsindex zu berechnen. Die Kreativitätsmessung dient der Feststellung des kreativen Potenzials und der Beurteilung kreativer Leistungen, um begabte Schüler zu erkennen und zu fördern. In den Unternehmen dient sie als Grundlage für die Personalauswahl und Personalentwicklung, für die Berufseignung, um leistungsfähige Mitarbeiter auszuwählen und für höhere Aufgaben, z. B. Führungspositionen, vorzubereiten. Auch Arbeitsprozesse und Organisationsabläufe stützen sich auf Messverfahren, um Personen, Produkte sowie das Arbeitsumfeld möglichst realistisch einzuschätzen. Die Messverfahren betreffen das kreative Denken, das Aufspüren und Erkennen von Problemen und Definieren entsprechender Problem- und Fragestellungen, die Flüssigkeit, Redefinition, Elaboration und Originalität, die kreative Persönlichkeit, das kreative Produkt und die Einflussfaktoren der Umwelt. Dennis Hocevar entwickelte eine Systematik der Kreativitätsmessung und unterscheidet 10 Kategorien: 1. Tests des divergenten Denkens 2. Einstellungs- und Interessenfragebogen 3. Persönlichkeitstests 4. Biografische Fragebogen 5. Nominierung durch Lehrer 6. Nominierung durch Kollegen 7. Beurteilung durch Vorgesetzte 8. Beurteilung von Produkten 9. Eminenz (hohes Ansehen, Auszeichnung, Bedeutung, hohe Stellung) 10. selbstberichtete kreative Aktivitäten und Leistungen Dennoch erweist sich die Messung kreativer Fähigkeiten als schwierig und ist umstritten. Karl-Heinz Brodbeck schreibt dazu: „Das, was ein Kunstwerk, einen neuen Gedanken, einen neuen technischen Prozess als kreativen auszeichnet, kann weder gemessen noch allgemein beschrieben werden; es hängt ausschließlich ab von der Bedeutung, die eine Sache für eine Person oder eine Gruppe in einer bestimmten Situation besitzt. Das Neue unterscheidet sich vom Alten, jeder Unterschied aber ist eine Wahrnehmung. Das handicap der Messung von Kreativität liegt in der einfachen Frage: Nach welchen Kriterien beurteilt der Experimentator eine Leistung als kreative? Woher soll ein Experimentator wissen, welcher Gedanke an <?page no="173"?> 169 Kreativitätsniveau einer Managementkonferenz »kreativ« ist, welche Akkordfolge in einer Komposition oder welche mathematische Gleichung in einer Theorie? Es kommt jeweils auf die Bedeutung einer Sache in einer besonderen Situation an, wenn von Kreativität die Rede ist. Bedeutung aber ist nicht objektivierend zu beschreiben, weder positiv noch negativ. Bedeutung wird nicht verursacht, sie wird erlebt und erkannt.“ (B RODBECK , 1995, S. 1). Lit.: H A LENCAR , E./ B RUNO -F ARIA , M./ F LEITH , D.: Theory and practice of creativity measurement. Prufrock Press Austin/ Texas 2014; A MABILE , T. M.: The social psychology of creativity. New York, Berlin, Heidelberg, Tokyo 1983, chapter 2: The meaning and measurement of creativity, pp. 17-35; A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996, chapter 2: The meaning and measurement of creativity, pp. 19-40; B RODBECK , K ARL -H EINZ : Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt 1995; B ROWN , R. T.: Creativity. What are we to measure? In: Glover, J. A./ Ronning, R. R./ Reynolds, C. R. (Eds.): Handbook of creativity. Perspectives on individual differences. New York, London 1989, pp. 3-32; G UILFORD , J. P.: The nature of human intelligence. New York, Toronto, London 1967; H OCEVAR , D.: Measurement of creativity. Review and critique. In: Journal of Personality Assessment, 45, 1981, pp. 450-464; H OCEVAR , D./ B ACHELOR , P.: A taxonomy and critique of measurements used in the study of creativity. In: Glover, J. A./ Ronning, R. R./ Reynolds, C. R. (Eds.): Handbook of creativity. Perspectives on individual differences. New York, London 1989, pp. 53-75; H OCEVAR , D./ M ICHAEL , W. B.: The effects of scoring formulas on the discriminant validity of tests of divergent thinking. In: Educational and Psychological Measurement, 39, 1979, pp. 917-921; K AUFMANN , G.: What to measure? A new look at the concept of creativity. In: Scandinavian Journal of Educational Research, 47, 2003, pp. 235-251; K RAUSE , R.: Kreativität. Untersuchungen zu einem problematischen Konzept. (Das wissenschaftliche Taschenbuch. Abt. Geisteswissenschaften). München 1972; M EDNICK , S. A.: The associative basis of the creative process. In: Psychological Review, 69, 1962, pp. 220-232; dt. Übers.: Die assoziative Basis des kreativen Prozesses. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 287-304; P LUCKER , J. A./ M AKEL , M. C.: Assessment of creativity. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 48-73; P LUCKER , J. A./ R ENZULLI , J. S.: Psychometric approaches to the study of human creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 35-61; S MITH , K. L. R./ M ICHAEL , W. B./ H OCEVAR , D.: Performance on creativity measures with examination-taking intended to induce high or low levels of test anxiety. In: Creativity Research Journal, 3, 1990, pp. 265-280; T ORRANCE , E. P.: Torrance tests of creative thinking. Directions manual and scoring guide. Verbal tests, Form A and B; Figural tests, Form A and B - Norms-technical manual. Princeton, New Jersey 1966; T ORRANCE , E. P./ G OWAN , J. C.: The reliability of the Minnesota test of creative thinking. Research Memorandum BER-63-4, Bureau of Educational Research, University of Minnesota 1963. Kreativitätsniveau (level of creativity): Klassifikations- und Bewertungskriterien für die unterschiedlichen Arten und Ausdrucksformen kreativer Leistungen. So wird zwischen bedeutenden und weniger bedeutenden kreativen Beiträgen unterschieden. Ein hohes Kreativitätsniveau haben Erfindungen oder Leistungen, die einerseits von großer Originalität sind und zur Lösung einer Vielfalt von Problemen beitragen (major contributions). Sie zeichnen sich durch das Fehlen eindeutig definierter Zielvorgaben und Kenntnisstrukturen aus, durch mutige, kühne Experimente, Versuche oder Hypothesen, durch risikoreiche Situationen mit offenem Ausgang, durch ein Klima der Wertschätzung neuer Möglichkeiten. Demgegenüber gibt es kreative Beiträge von geringerem Niveau, die Verbesserungen oder Erweiterungen auf Grund bereits bekannter Fakten oder bestehender Erkenntnisse liefern und zu begrenzten, aber dennoch nützlichen Problemlösungen beitragen (minor contributions). Diese sind durch klar definierte Ziele und einfache, „vielleicht auch herausfordernde, aber nicht außergewöhnliche Erwartungen und Zielsetzungen gekennzeichnet.“ (S CHULER / G ÖR- LICH , 2007, S. 8 f.). Lit.: M UMFORD , M. D./ G USTAFSON , S. B.: Creativity syndrome: Integration, application, and innovation. In: Psychological Bulletin, 103, 1988, pp. 27-43; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007. <?page no="174"?> Kreativitätsquotient KQ 170 Kreativitätsquotient KQ (Creativity Quotient CQ): das Kontingent an schöpferischem Denken und Problemlösen, über das jeder Mensch auf Grund seiner Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten der Möglichkeit nach verfügt, also die qualitative und quantitative Ausprägung von kreativen Fähigkeiten, um Neues zu schaffen, originelle Lösungen anzubieten und Leistungen zu erbringen, die einen Gebrauchswert haben und von der Gesellschaft als solche anerkannt werden oder auf eine zukünftige Anerkennung zielen. Dazu gehören sowohl gegenwärtige Probleme als auch zukunftsträchtige Modelle, die Perspektiven für die Menschheit eröffnen, aber auch die angewandte Kreativität im Alltag. Der Kreativitätsquotient beinhaltet also die Art und den Umfang kreativer Fähigkeiten, wie Ideenflüssigkeit, Flexibilität, Originalität, Elaboration, die Sensitivität für Probleme sowie die Fähigkeit, ein Objekt anders als gewohnt zu interpretieren bzw. anders zu verwenden (der Faktor Neudefinition). Die Feststellung und Messung kreativer Fähigkeiten erfolgt durch geeignete Testverfahren. ( Kreativitätstests) Der Sinn solcher Tests ist umstritten. Die Befürworter des KQ halten folgende Fähigkeiten für messbar, um daraus den individuellen Kreativitätsquotienten zu berechnen: wertfreies Interesse und forschende Neugier - Flexibilität, um von Plänen und Regeln notfalls abzuweichen planerisches und strategisches Denken auch bei ungewissen Zukunftsfaktoren visionäres Denken kritisches Hinterfragen - Inspiration - Fehlertoleranz - Intuition die Fähigkeit, auch bei komplexen Problemen den Überblick zu behalten und die grundlegenden Strukturen zu erkennen verkäuferisches Talent die Fähigkeit, auf Vorhandenem aufzubauen Der Kreativitätsquotient ist eine variable Größe und abhängig vom kreativen Verhalten der Persönlichkeit, d. h. von der Neuartigkeit, Originalität und Relevanz seiner Wahrnehmung, seines Denkens, Fühlens und Handelns. Der US-amerikanische Psychologe Ellis Paul Torrance (1915-2003) wies aber bereits 1962 darauf hin, dass ein Kreativitätsquotient - analog dem Intelligenzquotienten - nicht errechnet werden könne. (vgl. U LMANN , 1970, S. 75). Die Spontaneität des Individuums lasse sich nicht messen und sei kaum in einer Testsituation nachahmbar. Lit.: B OSSOMAIER , T./ H ARR , M./ K NITTEL , A., & S NYDER , A.: A semantic network approach to the creativity quotient: CQ). In: Creativity Research Journal, 21, 2009, pp. 64-71; T ORRANCE , E. P.: Guiding creative talent. Prentice-Hall, Englewood Cliffs, New Jersey 1962; U LMANN , G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes (Pädagogisches Zentrum. Veröffentlichungen. Hrsg.: Carl- Ludwig Furck, Reihe C: Berichte, Bd. 11), Weinheim, Berlin, Basel ²1970. Kreativitätsrating (rating of creativity): Verfahren zur Einschätzung bzw. Beurteilung von Personen, Situationen o. ä., um z. B. die kreativen Fähigkeiten von Schülerinnen und Schülern sowie den Ausprägungsgrad ihrer kreativen Leistungen zu erfassen, möglichst objektiv einzuschätzen und zu bewerten, gemessen an Kreativitätstests. Die Aussagen über die Zuverlässigkeit und Gültigkeit der Beurteilung kreativer Schüler durch Lehrer und Mitschüler sind widersprüchlich. Die Bewertung hänge weniger davon ab, was beurteilt wird als davon, welche Schülerin bzw. welcher Schüler beurteilt wird. Aus der Sicht der Beurteilungsfehler lassen Ratings vermutlich eher Rückschlüsse auf die Erwartung des Urteilenden als auf das tatsächliche Verhalten und die konkret erbrachte Leistung des Beurteilten zu. Die schulische Bewertung bezieht sich vorrangig auf Leistungsvariablen und wird auch durch das Rollenverständnis geprägt. Es ist anzunehmen, dass die Lehrer verschiedene kreative Faktoren unterschiedlich begutachten. Am leichtesten lassen sich vermutlich die Kreativitätsfaktoren Flüssigkeit und Elaboration taxieren, wegen ihrer Ähnlichkeit zu den Leistungsvariab- <?page no="175"?> 171 Kreativitätstechniken len; am schwersten sind sicherlich Originalität und Flexibilität festzustellen. Der ermittelte Kreativitätsgrad ist nicht nur abhängig von Alter, Geschlecht und vom Status des Beurteilten, „sondern auch von dem ›background‹ des Urteilenden“, denn „intensive affektive Beziehungen und Vertrautheit zwischen Urteiler und Beurteiltem können sich positiv oder negativ verfälschend auswirken.“ (S EIFFGE -K RENKE , 1974, S. 199). Lit.: S EIFFGE -K RENKE , I.: Probleme und Ergebnisse der Kreativitätsforschung. Bern, Stuttgart, Wien 1974. Kreativitätsskala (scale of creativity): Kriterien zur Klassifikation von Kunstwerken in qualitativer Stufenfolge; aufgestellt 1986 von dem US-amerikanischen Psychologen und Kreativitätsforscher Robert W. Weisberg. Die niedrigste Stufe beinhalte die Herstellung einer originalgetreuen Kopie, an der „absolut nichts“ hinzugefügt wird, so „dass man sie nicht vom Original unterscheiden kann. In diesem Fall kommt keinerlei Kreativität ins Spiel. ...“ (W EISBERG , 1989, S. 146). Die erste wirkliche Stufe bedeutet: „Der Künstler produziert etwas Neues, sein Stil gleicht aber dem eines anderen.“ (W EISBERG , 1989, S. 146). Die zweite Stufe „schließt die Entwicklung eines eigenen Stils mit erkennbaren eigenen Wurzeln ein. Man erkennt nun das Werk am Stil des Künstlers und verwechselt es nicht mit dem eines anderen, weil man die Ursprünge dieses Stils im früheren Werk des jeweiligen Künstlers und in den Werken anderer nachvollziehen kann. Vielleicht lässt sich das neue Werk in seinen Motiven auf frühere Werke des Künstlers und auf die Werke anderer Künstler zurückführen; vielleicht kann man aber auch neuartige Aspekte eines neuen Werkes auf kleinere Veränderungen im Laufe der früheren Arbeit zurückführen. In diesem Fall entwickelte sich das neue Werk oder der neue Stil nicht sprunghaft, sondern schrittweise aus früheren Arbeiten.“ Auf der dritten Stufe der Kreativitätsskala „entsteht ein neuer Stil, der in keinem erkennbaren Zusammenhang mit all dem steht, was der Künstler zuvor geschaffen hat. Obwohl er auf dem fraglichen Gebiet Erfahrungen gesammelt hat, zeigt sein neues Werk keine Spuren seiner Geschichte. Man würde also selbst dann, wenn man mit dem früheren Werk des Künstlers vertraut ist, das neue Werk nicht demselben Künstler zuordnen. In diesem Fall würde man von einem kreativen Sprung sprechen.“ (W EISBERG , 1989, S. 146 f.). Die höchste Stufe dieser Skala bestehe darin, wenn ein Laie oder Dilettant, ohne jegliche Erfahrung, Vorbereitung, Vorbildung und Vorbilder, plötzlich ein Kunstwerk hervorbringe. Auch bei dieser Person hätte ein kreativer Sprung stattgefunden. Die Klassifikationskriterien für kreative Sprünge sind jedoch viel differenzierter, weil der Künstler meist bestimmte Elemente aus dem Werk eines anderen rezipiert, ohne sie im eigentlichen Sinne zu kopieren. Weisberg erklärt, „dass die Fähigkeit, zeitlose Kunstwerke zu schaffen, eine jahrelange Beschäftigung mit dem jeweiligen Gegenstand voraussetzt, eine Zeit des Lernens, in der sich der heranreifende Künstler zunächst mit den Arbeiten und Ideen anderer vertraut macht und erst ganz allmählich die Fähigkeit erwirbt, etwas Eigenes zu schaffen, das Bestand hat.“ (W EIS- BERG , 1989, S. 145). Lit.: W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Kreativitätstechniken (creativity techniques): methodische Verfahren und Vorgehensweisen zur Anregung und Verbesserung der Ideenfindung, mit dem Ziel, möglichst zahlreiche spontane Einfälle und Vorschläge zu einem Projekt oder zu einem Problem zu erzeugen, um daraus die bestmögliche Lösung zu finden. Hierbei kommt es meist auf das unbefangene Generieren vieler Ideen an, so abwegig sie auch zunächst erscheinen mögen, um daraus neuartige, originelle Lösungsmöglichkeiten zu gewinnen. Durch die Anwendung von Kreativitätstechniken sollen verkrustete Strukturen, Denkschablonen sowie eingeschliffene Antwor- <?page no="176"?> Kreativitätstechniken 172 ten abgebaut oder vermieden werden, um der Phantasie freien Raum zu gewähren. Für die Entfaltung schöpferischer Leistungen sind spielerische Elemente von großer Bedeutung. Werner Hürlimann verzeichnete über 3000 Problemlösungsmethoden und Techniken zur Unterstützung geistiger Tätigkeiten. (Hürlimann, 1981). Dabei gehören jedoch die meisten dieser Methoden nicht zu den Kreativitätstechniken im engeren Sinne. Es gibt zahlreiche Varianten, die sich nur geringfügig voneinander unterscheiden. Victor Scheitlin äußert sich kritisch, dass im Laufe der Zeit „viele Abarten von Kreativitätstechniken“ wie ›Wucherungen‹ entstanden sind, wie die Delphi-Methode, Bisoziation, Synapse, das Quickstorming, die BAS- Methode, EMU-Methode, ADI-Methode, APC-Methode, SNA-Methode u. a., die man seiner Meinung nach „vergessen kann“, weil sie von den gebräuchlichsten Verfahren nur geringfügig abweichen. Mitunter erhalten bereits bekannte Kreativitätstechniken auch nur andere Abkürzungen. Auch eine Trennung zwischen rationalen und intuitiv-unbewussten Techniken erweist sich als schwierig, weil es hierbei zu Überschneidungen kommt. (S CHEITLIN , 1993, S. 277). Evelyn Boos unterscheidet drei Arten von Kreativitätstechniken, die intuitiven, die diskursiven und die Kombimethoden, die sowohl intuitive als auch diskursive Elemente enthalten. (B OOS , 2007, S. 26). 1. Zu den intuitiven Techniken zählen: Brainstorming und seine zahlreichen Varianten: Anonymes Brainstorming, Destruktiv-konstruktives Brainstorming, Didaktisches Brainstorming, Imaginäres Brainstorming, Inverses Brainstorming, SIL-Methode, Solo-Brainstorming, Visuelles Brainstorming, Brainwriting, Diskussion 66, And-also-Methode, Creative Collaboration Technique, Bionik, Bisoziation, Kartentechnik, Collective Notebook, Kopfstand-Technik, Galerie-Methode, Methode 6-3-5, klassische Synektik, Mind Mapping, Reizwortanalyse und semantische Intuition. 2. Zu den diskursiven Kreativitätstechniken gehören: Funktionsanalyse, Morphologischer Kasten, Morphologische Matrix, Osborn-Checkliste, Progressive Abstraktion, Relevanzbaum, SCAMPER-Technik, Ursache-Wirkungs-Diagramm. 3. Kombimethoden sind: Hutwechsel-Methode, TRIZ, Walt-Disney-Strategie, Zukunftswerkstatt. (B OOS , 2007, S. 27 f.) Die meisten Kreativitätstechniken beruhen auf bestimmten Grundprinzipien. Um die unterschiedliche Herangehensweise zu systematisieren, werden sie in Gruppen eingeteilt: 1. Assoziations-Techniken: Durch freies Assoziieren sollen die Teilnehmer ermutigt werden, ihre Ideen und Vorschläge frei und unzensiert zu äußern und daraus Ideenkombinationen abzuleiten. (z. B. durch Brainstorming, Brainwriting, Methode 6-3-5, Collective Notebook, Delphi-Methode u. a.) 2. Visualisierungstechniken: das Prinzip der Bildhaftigkeit; bildhaftes Denken: Aus der Verknüpfung von gezielt oder willkürlich ausgewählten Bildern mit einer Problemsituation entstehen neue Sichtweisen und originelle Lösungsansätze. (z. B. Bisoziation, Mind Mapping, visuelle Synektik). 3. Analogie-Techniken: Die Ideenfindung soll durch das Bilden von Analogien zu anderen Erfahrungsbereichen angeregt werden, z. B. aus der Natur, um eine Lösung für technische Probleme zu finden. (Bionik). 4. Verfremdung des Problems und Zufallsanregung: Durch Konfrontation mit dem Ungewöhnlichen, abwegig Erscheinenden sollen die Denkvorgänge aus fest gefügten Bahnen befreit werden, um die kreative Phantasie zu beflügeln und originelle Lösungsansätze zu finden. (Reizwortanalyse, semantische Intuition). 5. Systematische Bedingungsvariationen: Die Vielfalt von Lösungsmöglichkeiten wird erweitert, indem einzelne Elemente der Fragestellung bzw. des Problems aus dem Zusammenhang gelöst und systematisch variiert werden. (Progressive Abstraktion, TRIZ, Kopfstand-Technik, Osborn-Checkliste u. a.) - (Schuler/ Görlich, 2007, S. 92; Pohl, 2012, S. 83 f.). Kreativitätstechniken dienen vor allem dazu, den Prozess des Problemlösens zu unterstützen, Kreativitätsblockaden zu überwinden, das kreative Denken und die Ideenfindung zu fördern. Trotz berechtigter Zweifel und Einwände gegenüber zu großen Erwartungen hat sich die Anwendung von Kreativitätstechniken im Prozess der Ideenfindung und des Problemlösens vielfach bewährt. Aber nicht alle Kreativitätstechniken sind dazu geeignet, die schöpferischen Kräfte zu aktivieren. Die meisten dieser Methoden beeinflussen zunächst nur das Denken und tragen dazu bei, nicht nur in gewohnten Bahnen zu denken und Nahe-beieinander- <?page no="177"?> 173 Kreativitätstests Liegendes zu verknüpfen, sondern auch entferntere und ungewohnte Vorstellungen miteinander zu verbinden. ( divergentes Denken) In der Praxis werden allerdings nur relativ wenige Methoden angewandt. Diese werden hauptsächlich in Gruppen genutzt, um die potentiellen kreativitätsfördernden Wirkungen der Teamarbeit zu nutzen. Besonders beliebt und verbreitet ist das klassische Brainstorming. Neben den klassischen Kreativitätstechniken gibt es auch webbasierte Methoden, die mit Hilfe einer speziellen Software durchgeführt werden. (s. Gawlak, 2014). Lit.: B OOS , E.: Das große Buch der Kreativitätstechniken. München 2007; G AWLAK , M.: Kreativitätstechniken im Innovationsprozess. Von den klassischen Kreativitätstechniken hin zu webbasierten kreativen Netzwerken. Hamburg 2014; H ÜRLIMANN , W.: Methodenkatalog. Ein systematisches Inventar von über 3000 Problemlösungsmethoden (Schriftenreihe der Fritz-Zwicky-Stiftung, Bd. 2), Bern 1981; L UTHER , M.: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden. Wie Sie in vier Schritten mit Pfiff und Methode Ihre Problemlösungskompetenz entwickeln und zum Ideen-Profi werden. Bonn 2013; M ENCKE , M.: 99 Tipps für Kreativitätstechniken. Ideenschöpfung und Problemlösung bei Innovationsprozessen und Produktentwicklung. Berlin 2006; M ENCKE , M.: Kreativitätstechniken - Kreative Problemlösung und Entscheidungsfindung. Berlin 2012; N OVAK , A.: Schöpferisch mit System. Kreativitätstechniken nach Edward de Bono (Arbeitshefte Führungspsychologie, hg. von Ekkehard Crisand; Bd. 39), Heidelberg 2001; P OHL , M.: Kreative Kompetenz. Kreativität entwickeln - Ideen finden - Probleme lösen. Berlin 2012; R OTH , S.: Kreativitätstechniken. Ideen produzieren, Probleme lösen - allein oder im Team. Praxis-Wissen kompakt, Bd. 7. Orgenda Verlag für persönliche Weiterentwicklung, Bonn 2011; S CHEITLIN , V.: Kreativität das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993; S CHERER , J IRI : Kreativitätstechniken. In 10 Schritten Ideen finden, bewerten, umsetzen. Offenbach ²2009; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen). Würzburg ³1989; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; D ERS .: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007. Kreativitätstests (creativity tests; creativity assessment): Eignungstests zur Messung kreativer Fähigkeiten; Kreativitätstests dienen dazu, mit Hilfe von Denk- und Problemlöseaufgaben die kreativen Begabungen und Fähigkeiten einer Testperson zu ermitteln. Sie beruhen auf der Grundlage eines erweiterten Intelligenzkonzepts und sind ein Indikator für die schöpferische Leistungskraft, für das kognitive Potenzial zur Hervorbringung neuartiger, originärer und relevanter Ideen bzw. zur Messung eines ingeniösen Problemlösungsverhaltens. Bestimmte Merkmale gelten für den kreativen Denkstil als besonders charakteristisch und werden vor allem getestet. Dazu gehören: Problemsensibilität, divergentes Denken, Ideenflüssigkeit, Flexibilität, Originalität, Urteilskraft, Problembewusstsein, Phantasie, Assoziationsvermögen, die Fähigkeit, neue Strategien zu entwickeln oder gewohnte Konzepte den neuen Bedürfnissen anzupassen u. a. Zur Erfassung ›dynamischer‹ Begabungen sind sie damit aufschlussreicher als herkömmliche Intelligenztests. Die bekanntesten Kreativitätstests sind der „Torrance Test of Creative Thinking“, der Wallach-Kogan-Test, der Unusual Uses Test of Guilford (ein unüblicher Verwendungstest, d. h. die Testpersonen müssen möglichst viele Verwendungsmöglichkeiten für bestimmte Gegenstände finden), und der „Remote Associates Test“ (RAT), ein Test entfernter Assoziationen, der von Sarnoff A. Mednick entwickelt wurde. Dabei handelt es sich um ein Verfahren zur Vorhersagbarkeit der Kreativität. Bewertet wird das Bedürfnis nach assoziativen Elementen, die assoziative Hierarchie, die Anzahl der Assoziationen, kognitive oder Persönlichkeitsfaktoren und die Selektion der kreativen Kombinationen. Je größer die Anzahl von Assoziationen ist, die eine Testperson zu den erforderlichen Elementen eines Problems entwickelt, desto größer sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer kreativen Lösung kommt; d. h. die Anzahl der Assoziationen bestimme den Grad der Kreativität. Mednick unterscheidet zwischen hochkreativen Individuen und solchen mit geringerer Kreativität. Nach seiner Auffassung bildet die geistige Beweglichkeit die Basis für kreative Leistungen. Das Denken versteht <?page no="178"?> Kreativitätstests 174 er als Bildung von Assoziationsketten und das kreative Denken als Umformung assoziativer Elemente, d. h. erkenntnismäßiger Einheiten, die Bezug zu anderen Einheiten haben, zu neuen Kombinationen, die nützlich oder angemessen sein sollen. Der Psychologe Karl Joseph Schoppe arbeitete an der Weiterentwicklung amerikanischer Kreativitätstests und entwickelte 1975 den ersten Kreativitätstest in Deutschland, ein Verfahren zur Erfassung verbal-produktiver Kreativitätsmerkmale, den Verbalen Kreativitätstest (VKT). Hierbei werden die Probanden nach folgenden Kriterien getestet: Wortflüssigkeit, spontane semantische Flexibilität, Assoziationsfähigkeit, Ausdrucksflüssigkeit (auch als Expressionsflüssigkeit bezeichnet) und Originalität in Form semantisch adaptiver Flexibilität. Kreativitätstests wurden zunächst als Ausleseinstrumente konzipiert, z. B. für Führungskräfte beim Militär und in der Industrie, in öffentlichen und sozialen Einrichtungen, für Doktoranden und zukünftige Wissenschaftler und für Astronauten. Siegfried Preiser stellt 12 Forderungen auf, die die Kreativitätstests beinhalten sollen: 1. Kreativitätstests sollen qualitative Potenziale erfassen und nicht die Geschwindigkeit. Sie sollten deshalb nicht unter Zeitdruck erfolgen. Lediglich die Ideenflüssigkeit, die Fähigkeit, Ideen zu produzieren und Bedeutungszusammenhänge zu erkennen, muss schnell erfolgen. Sie bezieht sich auf die Menge der produzierten Ideen, bestimmt also die Quantität des Ergebnisses. Je schneller die Gedanken, Ideen oder Assoziationen fließen, desto mehr Ideen kann man erzeugen, im Gegensatz zu den zäh und langsam Denkenden. Die Registrierung der Anzahl und der Brauchbarkeit der Einfälle erfolgt im zeitlichen Verlauf, also unter Einbeziehung des kreativen Prozesses. 2. Kreativitätstests sollten in spielerischer Atmosphäre stattfinden und nicht unter Leistungsdruck stehen. 3. Sie sollen keine starren Schemata der Auswahlantworten anwenden ( Multiple-choice-method), sondern Gestaltungsfreiräume eröffnen und Gelegenheiten für ungewöhnliche, originelle Ideen bieten. 4. Sie können Aufgaben aus dem Alltagsbereich wählen und dabei die Interessen der Testperson und dessen Motivation berücksichtigen. 5. Vor dem Test ist zu klären, ob eine Vielzahl von Einfällen, besonders ausgefallene, originelle oder vor allem nützliche Ideen hervorgebracht werden sollen. Die Instruktion beeinflusst die Qualität und die Quantität der Ergebnisse. 6. Berücksichtigung der Alters-, Geschlechts-, Schicht- und Kulturabhängigkeit der Testergebnisse. 7. Kreativitätstests sollten eine einseitige Sprachabhängigkeit vermeiden. Die Fähigkeit, kreative Ideen zu kommunizieren und überzeugend zu präsentieren, sollte unabhängig von der Ideenproduktion erfasst werden. 8. Kreativitätstests sollten mit verschiedenartigen Inhalten arbeiten. Vorher ist zu klären, welche spezifischen kreativitätsrelevanten Merkmale getestet werden sollen. 9. Es sollten nicht nur einfache kognitive Funktionen, sondern auch Problemlösungsstrategien und die Fähigkeit zum Bearbeiten komplexer Probleme getestet werden. 10. Neben kognitiven Fähigkeiten sind auch Persönlichkeits- und Motivationsmerkmale zu berücksichtigen. 11. Kreativitätstests sollten auch kreative Prozesse analysieren, z. B. indem die Anzahl und Qualität der Ideen im zeitlichen Verlauf registriert werden. 12. Die Auswertung der Tests soll objektiv nach spezifischen kreativitätsrelevanten Merkmalen erfolgen. (P REISER , 2006, S. 114 f.). Durch entsprechende Tests lassen sich bestimmte kreative Fähigkeiten, wie Problemsensitivität, Flüssigkeit, Flexibilität und Originalität messen. „Eine Kombination der dabei ermittelten Messwerte ergibt das kreative Potenzial einer Person.“ (W EINERT , 1990, S. 31). Zwar gelang es, brauchbare Tests zur Messung kreativer Fähigkeiten zu entwickeln, doch erweist sich deren Gültigkeit als gering, wenn es darum geht, kreative Leistungen in der Wissenschaft oder im Beruf vorherzusagen. Die Testergebnisse spiegeln nur ein unvollkommenes Bild wider. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob in den Kreativitätstests all jene Aspekte erfasst werden, die bei der Analyse der kreativen Persönlichkeit als relevant erscheinen. Die bisherigen Kreativitätstests sind zwar verwertbar, ihre Validität ist jedoch gering. Howard Gardner meint, Testergebnisse lassen kaum Rückschlüsse auf die realen kreativen Leistungen außerhalb der Labor- und Testbedingungen zu. (vgl. G ARDNER , 1996, S. 39 f.) Mit neueren Tests wurden bessere Ergebnisse erzielt, z. B. mit dem TSD-Z (Test zum schöpferischen Denken - Zeichnerisch), der 1995 von Klaus K. Urban gemeinsam mit Hans G. Jellen entwickelt wurde. Es handelt sich dabei um einen Test für zeichnerische Kreativität. <?page no="179"?> 175 Kreativitätstheorien Lit.: G ARDNER , H.: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Aus dem Amerikanischen von Ute Spengler. Stuttgart 1996; G UILFORD , J. P.: Personality. New York 1959; dt. Ausg.: Persönlichkeit. Logik, Methodik und Ergebnisse ihrer quantitativen Erforschung. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Heinrich Kottenhoff und Ursula Agrell. Weinheim/ Bergstr., 1964, 6. Aufl. 1974; G UILFORD , J. P.: The nature of human intelligence. New York/ London 1967; G UILFORD , J. P./ H OEPFNER , R.: The analysis of intelligence. New York/ London 1971; dt. Ausg.: Analyse der Intelligenz. Weinheim/ Basel 1976; M AINBERGER , U.: Test zum Divergenten Denken. TDK (Kreativität). Weinheim 1977; M EDNICK , S. A.: The associative basis of the creative process. In: Psychological Review, 69, 1962, pp. 220-232; dt. Übers.: Die assoziative Basis des kreativen Prozesses. In: Ulmann, G. 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P RINCETON , N EW J ERSEY : Personnel Press, Inc., 1966; T ORRAN- CE , E. P.: Neue Item-Arten zur Erfassung kreativer Denkfähigkeiten. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973, S. 124-140; U RBAN , K. K.: Kreativität. Herausforderung für Schule, Wissenschaft und Gesellschaft. (Hochbegabte: Individuum - Schule- Gesellschaft, Bd. 7). Münster 2004; U RBAN , K. K./ J ELLEN , H. G.: Der TSD-Z: Test zum schöpferischen Denken - zeichnerisch. Arbeitsstelle HEFE, Universität Hannover, 1986, Paper 6; U RBAN , K. K./ J ELLEN , H. G.: Assessing creative potential via drawing production: The Test for Creative Thinking - Drawing Production (TCT-DP). In: Cropley, A. J. et al. (Eds.): Giftedness: A continuing worldwide challenge. New York: Trillium Press 1986, pp. 163-169; U RBAN , K. K./ J ELLEN , H. G.: Test zum schöpferischen Denken - Zeichnerisch (TSD-Z). Frankfurt/ M.: Swets Test Services. 1995; U RBAN , K. K./ J ELLEN , H. 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Die psychoanalytische Theorie der Kreativität Sie beruht auf der Psychoanalyse Sigmund Freuds (1856-1939), der Tiefenpsychologie Carl Gustav Jungs (1875-1961) und auf der Gestalttherapie von Frederick Solomon Perls (1893-1970). Die Basis dazu bildet Freuds Sublimierungskonzept ( Sublimierung). Carl Gustav Jung (1875-1961) sah die Bedürfnisse nach Kreativität und Selbstverwirklichung als mächtige unbewusste Triebe in allen Menschen. Er begründete eine eigene „Analytische Psychologie“ und eine Philosophie des Unbewussten, die im Gegensatz zu Freuds „Pansexualismus“ das Ganze des Seelenlebens als ein dynamisches System (Energetik der Seele) auf dem Grund des schöpferischen „kollektiven Unbewussten“ betrachtet. Die Vertreter der psychoanalytischen Kreativitätstheorie erforschen besonders den Motivations- und Emotionsaspekt der Kreativität. Die Entstehung der Kreativität beruhe auf einem inneren Konflikt, der auch zur Neurose führen könne ( Kreativität und Psychose). Der kreative Prozess sei eine Erfüllung aufgestauter Emotionen und entwickelt sich mittels freier Assoziationen, die von der Phantasie, den Tagträumen und den Kindheitsspielen beeinflusst werden. Die kreative Persönlichkeit akzeptiert und verarbeitet diese Assoziationen, während sie bei nichtkreativen Individuen verdängt werden. (vgl. L ANDAU , 1971, S. 22). 2. Die assoziationspsychologische Kreativitätstheorie Sie betrachtet den kreativen Prozess als eine Umwandlung der Beziehungen zwischen geistigen Inhalten zu neuen Kombinationen. Der bekannteste Vertreter dieser Theorie ist der US-amerikanische Psychologe und Kreativitätsforscher Sarnoff A. Mednick. Er definiert Kreativität als eine Umformung assoziativer Elemente, d. h. erkenntnismäßiger Einheiten, die Bezug zu anderen Einheiten haben, zu neuen Verknüpfungen, die spezifischen Anforderungen entsprechen oder auf irgendeine Weise nützlich oder angemessen sind. Je ungewöhnlicher oder entfernter die Elemente der neuen Kombinationen voneinander sind, desto kreativer ist <?page no="180"?> Kreativitätstheorien 176 der Prozess oder die Lösung. Die Anzahl der Assoziationen bestimme den Grad der Kreativität. Eine zu starke Konzentration auf das Problem und ein zuviel an Wissen können dagegen die Wahrscheinlichkeit einer kreativen Lösung verringern. Ein starres Festhalten in einer Richtung könne zur Kreativitätsblockade führen. Auf der Basis dieser Untersuchungen entwickelte Mednick seinen Remote Associates Test (RAT). Assoziationstheorie 3. Gestalttheorie der Kreativität Die Anhänger der gestaltpsychologischen Betrachtungsweise sehen die Umstrukturierung als Hauptmerkmal des kreativen Problemlösungsprozesses an. Die entscheidenden Umstrukturierungen und Einfälle erklären sie an Hand relativ komplexer Probleme aus der inneren Widersprüchlichkeit der Situation, in der sich der Denkende befindet. Dies führen sie auf ein spontanes Umstrukturieren zurück, das derjenigen auf dem Gebiet der Wahrnehmung gleicht, d. h. eine Umkehrung von Mustern, die unabhängig von den Erfahrungen des Betrachters entsteht und damit im psychologischen Sinne spontan ist. Das Problemlösen wird als Umwandlung einer widersprüchlichen oder unvollständigen Struktur in eine neue Gestalt verstanden, d. h. als eine komplexe, ganzheitliche Anordnung der Elemente, die mehr Einsicht oder Informationen vermittelt als die Summe ihrer Bestandteile. Die „Tendenz zur guten Gestalt“ ist wie eine treibende Kraft, die für eine harmonisierende, problemlösende Umgestaltung verantwortlich ist. (P REISER , 1986, S. 28) 4. Die existenzpsychologische Theorie der Kreativität, auch als existentialistische Kreativitätstheorie bezeichnet; Sie untersucht die Motivation zum kreativen Prozess sowie die Interaktion zwischen Person und Umwelt. „Kreativität wird als Selbstverwirklichung einer psychisch gesunden Person gesehen, die ohne Triebunterdrückung und ohne neurotisch verzerrte Wahrnehmung in eine unreglementierte Interaktion mit ihrer Umwelt tritt.“ (P REISER , 1986, S. 27.) 5. Übertragungstheorie der Kreativität Nach dieser These lässt sich die einmal auf einem Gebiet erworbene Kreativität auch auf andere Bereiche übertragen. Der Schlüssel zu dieser Übertragung ist die Ähnlichkeit (similarity). Diese Auffassung wird von den US-amerikanischen Psychologen Joy Paul Guilford (1897-1987) und Viktor Lowenfeld (1903-1960) vertreten. Der kreative Prozess ist ein stark verallgemeinerter Lernvorgang, der überwiegend auf Transfer, d. h. auf der Übertragung des gelernten Verhaltens auf neue Situationen beruht. Jedes Lernen beinhaltet einen spezifischen, aufgabentypischen Anteil und einen allgemeinen, auf neue Probleme übertragbaren Aspekt. Der Schlüssel zu dieser Übertragung (Transformation) liegt in der Ähnlichkeit der intellektuellen Aufgaben, in der Gemeinsamkeit verschiedener Faktoren der Operationsmöglichkeiten, des Inhalts und des Produkts. Je mehr gemeinsame Faktoren vorhanden sind, umso wahrscheinlicher wird die Übertragbarkeit. Hat sich die kreative Persönlichkeit auf einem Gebiet Kompetenz erworben, wagt sie sich auch in andere Fachrichtungen bzw. Domänen einzudringen. Guilford knüpft eine Verbindung zur Gestalttheorie der Kreativität, betont jedoch auch die Bedeutung vorheriger Erfahrungen für den kreativen Prozess, da dieser nicht in einem Vakuum erfolgt. Damit nähert er sich der assoziationspsychologischen Theorie, wobei er bei der Beurteilung von Originalität die Entferntheit gespeicherter Informationen berücksichtigt. Je größer der Transfer, desto originellere Ideen werden erzeugt. (vgl. P REISER , 1986, S. 28). 6. Die interpersonale oder Kulturtheorie der Kreativität, auch kulturtheoretische Ansätze der Kreativitätstheorie genannt; Im Mittelpunkt dieser Forschungsansätze steht die Rolle der Persönlichkeit in ihrer Beziehung und Abhängigkeit von den Mitmenschen, von der Umgebung und von den kulturellen Einflüssen. Die Vertreter dieser Theorie, z. B. der US-amerikanische Psychologe Melvin Tumin, untersuchen die gesellschaftlichen und kulturellen Voraussetzungen, die sich kreativitätshemmend oder -fördernd auf das Individuum auswirken. Tumin sieht die Konformität der Gesellschaft als Hindernis für die Kreativität. Er betont, dass das Bedürfnis des Menschen nach sozialer Sicherheit leicht dazu verleitet, sich konform zu verhalten, d. h. sich an den Mitmenschen zu orientieren. Die Gesellschaft beurteilt das Individuum nicht nach dem, wie es ist, sondern nach dem, was es ist. Daher orientiert sich das Individuum am Urteil der Gesellschaft und strebt nach Status. Nach Tumin ist die Status-Suche identisch mit Konformität, denn um von der Gesellschaft akzeptiert zu werden, darf man nicht „anders“ sein. Eine Möglichkeit, um diesen kreativitätshemmenden Faktor zu umgehen, sieht Tumin darin, darauf zu orientieren, dass das Individuum seine Befriedigung im kreativen Prozess findet und nicht im Produkt und seinen sozialen Begleiterscheinungen, wie Anerkennung etc. Die Gesellschaft andererseits müsste die Status-Betonung auf ein Minimum reduzieren. <?page no="181"?> 177 Kreativitätstheorien 7. Strukturtheorien der Kreativität Sie untersuchen die Struktur der kognitiven Fähigkeiten einschließlich der kreativen Faktoren. Es werden die Beziehungen zwischen einzelnen Leistungsmerkmalen untersucht. Diese werden auf grundlegende Fähigkeiten oder Faktoren zurückgeführt. (P REISER , 1986, S. 28) Christian Horneber unterscheidet 10 Hauptkategorien bzw. theoretische Bereiche der Kreativitätsforschung: 1. Entwicklungsorientierte Kreativitätstheorien 2. Psychometrische Kreativitätstheorien 3. Ökonomische Kreativitätstheorien 4. Stufen- und Komponentenmodelle der Kreativität Drei-Komponenten-Modell der Kreativität 5. Kognitive Kreativitätstheorien 6. Problemlösungs- und expertiseorientierte Kreativitätstheorien 7. Problemfindungsorientierte Kreativitätstheorien 8. Evolutionär/ darwinistische Kreativitätstheorien Evolutionstheoretische Ansätze der Kreativität 9. Typologische Kreativitätstheorien 10. Systemorientierte Kreativitätstheorien (H ORNEBER , 2013, S. 99-117) Der Psychologe Hans Jürgen Eysenck (1916-1997) entwickelte 1995 eine hirnphysiologische Kreativitätstheorie bzw. eine Kausaltheorie der Kreativität. Er geht davon aus, dass wesentliche Merkmale kreativer Persönlichkeiten zum Teil auf angeborene, also genetisch bedingte Ursachen zurückgehen, d. h. in der DNA begründet sind. Das betrifft ihr abweichendes, unangepasstes Verhalten, somit eine verhaltensbezogene Ungehemmtheit, ihre divergente Denkleistung u. a. Faktoren, die ihre kreativen Leistungen begünstigen. Demzufolge hängt die Kreativität mit der Art der Reizverarbeitung im Hippocampus zusammen, einer unterhalb der Hirnrinde gelegenen Zwischenhirnregion, die für die Steuerung der Gedächtnis- und Orientierungsfunktionen, der Aufmerksamkeit und des Verhaltens von großer Bedeutung ist. Die Neurotransmitter Dopamin und Serotonin beeinflussen die Kreativität, ersterer positiv, zweiterer negativ. Eysenck ist der Auffassung, dass sie sich direkt auf die kognitive Hemmung auswirken. Neuere Theorien sind: Investmenttheorie der Kreativität Propulsionstheorie der Kreativität Simontons Permutations- und Konfigurationstheorie - Theorie der kontextabhängigen Kreativität (Foerster/ Friedman, 2003). Rainer M. Holm-Hadulla entwickelte eine dialektische Kreativitätstheorie. Der Überblick erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Lit.: B EITZ , L.-E.: Schlüsselqualifikation Kreativität. Begriffs-, Erfassungs- und Entwicklungsproblematik (Personal - Organisation - Management; Bd. 4), Hamburg 1996; C RUTCHFIELD , R. S.: Conformity and character. In: American Psychologist, 10, 1955, pp. 191-198; C RUTCHFIELD , R. S.: Personal and situational factors in conformity to group pressure. In: Acta Psychologica, 15, 1959, pp. 386-388; C RUTCHFIELD , R. S.: Conformity and creative thinking. In: H. Gruber/ G. Terrell, & M. Wertheimer (Eds.): Contemporary approaches to creative thinking. New York: Atherton Press 1962; E YSENCK , H. J.: Genius. The natural history of creativity. New York 1995; F ÖRSTER , J./ F RIEDMAN , R.: Kontextabhängige Kreativität. In: Zeitschrift für Psychologie, 211. Jg., Nr. 3, 2003, S. 149-160; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011; K AUFMAN , J. C./ S TERNBERG , R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010; K OZBELT , A./ B EGHETTO , R. A./ R UNCO , M. A.: Theories of creativity. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 20-47; L ANDAU , E.: Psychologie der Kreativität. (Psychologie und Person; Bd. 17). München, Basel ²1971; ³1974; D IES .: Kreatives Erleben (Psychologie und Person; Bd. 17). München, Basel 1984: Lowenfeld, V.: Creativity. Education’s stepchild. 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(Eds.): A source book of creative thinking. (Scribner’s Sons). New York 1962, pp. 105-113; U LMANN , G.: Kreativität. Neue amerikanische Ansätze zur Erweiterung des Intelligenzkonzeptes (Pädagogisches Zentrum. Veröffentlichungen. Hrsg.: Carl-Ludwig Furck, Reihe C: Berichte, Bd. 11), Weinheim, Berlin, Basel 1968, ²1970; U LMANN , G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung (Neue Wissenschaftliche Bibliothek). Köln 1973. Kreativitätstraining (creativity-training programs): dient der Steigerung kreativer Fähigkeiten durch spezielle Testverfahren. Dazu werden entsprechende Seminare für Führungskräfte angeboten. In zahlreichen Tests werden die unterschiedlichen Arten des Denkens analysiert und beurteilt, die verschiedenen Phasen des kreativen Prozesses erläutert, Kreativitätsblockaden und Wege zu ihrer Überwindung aufgezeigt, wobei verschiedene Kreativitätstechniken zum Einsatz kommen. Dabei geht es nicht um die Vermittlung fertiger Lösungen, sondern um das Aufzeigen von Lösungswegen oder Problem- Lösungsbedingungen. Zwischen 1950 und 1970 wurden in den USA zahlreiche Trainingsprogramme zur Förderung individueller Kreativität entwickelt, um Entwicklungs- und Lerndefizite zu korrigieren und die Lebenszufriedenheit sowie die Produktivität durch effizient organisierte Lernerfahrungen auf breiter Basis zu steigern. Die Erfolge derartiger Trainingsprogramme sind jedoch umstritten. Bewährt hat sich jedoch ein Programm der Selbstinstruktion zum kreativen Verhalten, das 1975 von dem USamerikanischen Psychologen Donald H. Meichenbaum entwickelt wurde. Es besteht darin, dass man sich individuell oder in der Gruppe über bestimmte geistige Fähigkeiten klar wird. In einer Art von Selbstüberzeugung oder Selbstsuggestion wird das Bewusstsein geschärft, etwas Neues zu versuchen, Ideen auszuarbeiten, verschiedene Analogien zu benutzen und das Problem in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Um Kreativitätsblockaden zu überwinden, werden auch Entspannungssituationen, wie das Tagträumen empfohlen u. a. Hierbei wird gewissermaßen positives Denken im kreativen Versuchsprozess oder in einer Versuchsphase initiiert und aktiviert. Diesbezüglich wurde bei den teilnehmenden Testpersonen in den Standardtests zur Kreativität eine bemerkenswerte Erhöhung der Originalität und Flexibilität verzeichnet. Der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Hans Lenk ist der Auffassung: „Dieses Training scheint die einzige Methode zu sein, die hinsichtlich der Kreativitätsförderung irgendeinen Erfolg zeitigt.“ (L ENK , 2000, S. 80). Rainer M. Holm-Hadulla führte den Begriff „Kreativitätscoaching“ ein, d. h. die Förderung der Kreativität durch Beratung, um die Ziele einzelner Persönlichkeiten und der Organisationen, in denen sie tätig sind, synergetisch zu verwirklichen. Das Coaching besteht aus einer Kombination aus: <?page no="183"?> 179 Kreativitätstraining persönlicher Unterstützung, - Verbesserung der Arbeitsorganisation, - Verstärkung sozialer Fähigkeiten, - Klärung von Lebensthemen und - Aktivierung von Ressourcen.“ (H OLM -H ADULLA , 2005, S. 97) Das Kreativitätscoaching behandelt Konflikte, die die kreative Begabung blockieren. Dabei handelt es sich um „Konflikte, Autoritäten anzuerkennen, aber auch genügend unabhängig zu sein, Konflikte, in Bescheidenheit zu arbeiten und zur rechten Zeit aus dem Schatten der Bescheidenheit herauszutreten etc.“ (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 360). „Führungskräfte und Berater sind überzeugt: Es gibt wenige Möglichkeiten, eine Karriere so intensiv und nachhaltig zu fördern wie durch professionelles Coaching. … Kompetenz und Konfliktfähigkeit bedürfen ständiger Neuorientierung.“ (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 377 f.) Für den Wirtschaftsmanager ist der Mensch die „wertvollste Ressource, die er gezielt, mitunter kreativ in einem komplexen persönlichen, institutionellen und technologischen Feld einsetzt.“ Eine wichtige Aufgabe des Managers ist die Lernfähigkeit seiner Organisation (Organisational Learning). In den Unternehmen kommt es nicht nur auf gelegentliche kreative Highlights an, sondern auf einen „alltäglichen Innovationsprozess, auf Freude an Wachstum und Veränderung. Dies wird durch kreative Führungskompetenzen begünstigt: Mit Visionen Aufmerksamkeit erzeugen; durch Kommunikation Sinn vermitteln; Vertrauen und Selbstwertgefühl durch Entfaltung der Persönlichkeit.“ (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 361 f.) Um Spitzenleistungen im Management zu ermöglichen, haben sich folgende Prinzipien innovativen Unternehmertums bewährt: Primat des Handelns: „Do it, try it, fix it“; Nähe zum Kunden; Freiraum für Unternehmertum: „Die innovativen Unternehmen fördern in all ihren Bereichen möglichst viele Führungstalente und Neuerer“; Produktivität durch Menschen: „Gutes Selbstgefühl im Unternehmen ist produktiv; Lustlosigkeit macht krank“; Sichtbar gelebtes Wertesystem; Konzentration auf das Kerngeschäft; einfacher, flexibler Aufbau, strafflockere Führung: „Temporäre Strukturen, ad-hoc-Gruppen, fließende Organisation“ u. a. (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 362). Die Eigenschaften erfolgreicher Führungspersönlichkeiten sind „Charisma, Authentizität, Integrität, Dynamik und visionäre Offenheit.“ (H OLM - H ADULLA , 2001, S. 362). Erfolgreiches Kreativitätscoaching beseitigt die den produktiven Prozess störenden Faktoren und fördert die positiven Grundbedingungen der Kreativität, wie Originalität, Flexibilität, Sensitivität, Nonkonformismus, Finalismus und Authentizität. Zunächst werden die Ressourcen des Individuums oder der Gruppe analysiert, also das kreative Potenzial. „Durch besondere Gesprächstechniken werden Selbstachtung und Selbstvertrauen positiv verstärkt. Erst dann ist eine Schwachstellenanalyse sinnvoll: Wie weit bleiben Klienten hinter ihren Möglichkeiten zurück, weil sie Konflikte mit Einsamkeit, Unsicherheit, Verletzbarkeit und sozialer Ablehnung nicht wahrnehmen und ihnen unbewusst ausweichen? “ (H OLM -H ADULLA , 2001, S. 378). Emotionale Grundlagen des Kreativitätscoaching sind folgende Themen, die gemeinsam mit den Klienten bearbeitet werden: 1. Alleinsein - Eigenständigkeit 2. Tagträume - frei assoziatives Denken 3. Flexibilität und Nonkonformismus 4. Begeisterung - Autotelische Hingabe 5. Lebensgeschichtliche Kontinuität - Struktur 6. Fleiß - Beharrlichkeit 7. Selbstwertgefühl und Selbstachtung Erfolgreiches Coaching sollte sich immer positiv auf das gesamte Arbeitsteam und auf das Unternehmen auswirken. Die wichtigsten Aufgaben des Kreativitätscoaching sind: „persönliche Begabung erkennen und fördern“, die „individuelle und gemeinschaftliche Kreativität vernetzen“ und „die gesellschaftlichen Ressourcen verantwortungsvoll nutzen.“ (H OLM - H ADULLA , 2001, S. 384). <?page no="184"?> Kreativwirtschaft 180 Lit.: F ISCHER , R.: Denk- und Kreativitätstraining. Ehningen 1983; H ANY , E. A.: Kreativitätstraining. Positionen, Probleme, Perspektiven. In: Klauer, K. J. (Hrsg.): Kognitives Training. Göttingen/ Bern/ Toronto/ Seattle 1993, S. 189-216; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität - Psychodynamik und Coaching. In: Ders. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000, hg. von der Universitätsgesellschaft Heidelberg). Berlin, Heidelberg, New York et al.; Nachdruck 2001, S. 355-384; H OLM -H ADULLA , R. M.: Coaching. In Psychotherapeut, 47, 2002, S. 241-248; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; K IRST , W./ D IEKMEYER , U.: Creativitätstraining. Die Technik kreativen Verhaltens und produktiver Denkstrategien. Stuttgart 1971; D ASS .: Reinbek bei Hamburg 1973, ²1977; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; M ANSFIELD , R. S./ B USSÉ , T. V./ K REPELKA . E. J.: The effectiveness of creativity training. In: Review of Educational Research, 48, no. 4, 1978, pp. 517-536; M EICHENBAUM , D. H.: Enhancing creativity by modifying what subjects say to themselves. In: American Educational Research Journal, 12, 1975, pp. 129-145; D ERS .: Cognitive behavior modification. An integrative approach. New York 1977; dt. Ausg.: Kognitive Verhaltensmodifikation. München 1979; M ÜLLER , K.-D./ F LIEGER , W./ K RUG , J.: Beratung und Coaching in der Kreativwirtschaft. (Edition Kreativwirtschaft, hg. von Herbert Grüner und Elmar D. Konrad). Stuttgart 2011; P REISER , S./ B UCHHOLZ , N.: Kreativität. Ein Trainingsprogramm für Alltag und Beruf. Heidelberg ³2008. Kreativwirtschaft (Creative Economy): Kreativökonomie, auch Ideenwirtschaft, Innovationsökonomie, Kreativsektor, Wissensgesellschaft; der Bereich, der die ökonomische Zukunft entscheidend beeinflusst. Die Kreativwirtschaft ist eine Folge des Übergangs von der Industriezur globalen Wissensgesellschaft, aber bereits in den 1920er Jahren gab es erste Anzeichen der Kreativindustrie, vor allem in den Branchen Mode, Werbung und Design. (R ECKWITZ , 2012, S. 144 f.) Die gegenwärtige Globalisierung erzeugt einen veränderten, grenzenlosen Arbeitsmarkt. Um international konkurrenzfähig zu bleiben, wächst der Druck auf die westlichen Industriestaaten. Wurde der schöpferische Aspekt ursprünglich vor allem mit Künstlern und Gelehrten in Verbindung gebracht, so entscheiden Kreativität und Innovation heute zunehmend über den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens am Markt. In der Zeit beschleunigter Globalisierung und Digitalisierung ist Kreativität zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. „In Wirtschaftsräumen, die durch offene Märkte gekennzeichnet sind, sorgt das evolutionistische Prinzip der Konkurrenz dafür, dass das Streben nach Verbesserung zum allgegenwärtigen Mechanismus wird. ... Im regionalen wie im globalen Wettbewerb siegen heute die billigste Herstellungsweise, die flexibelste Distribution, der niedrigste Preis.“ (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 4). Diese globale Aufgabe verlangt nach neuen, kreativen Formen der Problemlösung. Dabei geht es nicht darum, „die Bestlösung vorgegebener Probleme zu finden, sondern die von laufenden Open-end-Versuchen der Optimierung. Jede Bestlösung ... taugt als Benchmark nur mit knappem Verfallsdatum, bis sie von neuen, besseren Lösungen überholt wird.“ Die Anforderung an die Kreativität wird somit „zur globalen Allzweckwaffe“. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 4). Der wahre Reichtum eines Landes beruht auf Kreativität, denn sie ist die einzige Methode, um im großen, weltweiten Wettkampf zu überleben.“ (M ORITA , 1990, S. 177). Der Wettbewerb der Wirtschaft auf den regionalen, nationalen und globalen Märkten verlangt von den Managern eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und erfolgreiche Strategien, um die kreativen Potenziale in ihren Unternehmen optimal zu entwickeln. Dabei kann in Zukunft die Innovation der Unternehmenskultur, des Führungsstils und die der Führungsinhalte womöglich noch eine wichtigere Rolle spielen als die technologische. (Vgl. D RUCKER , 1989, p. 227). Innovation ist nicht nur technische Verbesserung und Weiterentwicklung, sondern sie erfordert eine neue Denkart und Mentalität („Mindsets“), die sich im kreativen Milieur etabliert. Andreas Reckwitz nennt vier Merkmale: 1. permanente Innovation. Diese wird „zunächst weiterhin als eine technische, zunehmend aber auch als eine Aufgabe der beständigen kulturellen Reformierung von Organisationsroutinen und Mitarbeiterkompetenzen wahrgenommen.“ 2. „Ideenmanagement und Ideenkreation“: die Herstellung von Waren und Dienstleistungen, „die mit neuen Bedeutungen ausgestattet sind“ und die auf überraschende Weise auch sinnlich wahrgenommen, er- <?page no="185"?> 181 Kreativwirtschaft lebt und genossen werden können, d. h. es geht „um die Produktion ästhetischer Objekte und ästhetischer Ereignisse. … Die kreative Arbeit ist ästhetische Arbeit.“ 3. Befriedigende Arbeit muss kreative Tätigkeit sein, „die anstelle der Wiederholung technischer oder administrativer Prozesse auf die abwechslungsreiche und herausfordernde Herstellung von neuen, vor allem ästhetischen Objekten und Ereignissen ausgerichtet ist.“ 4. Die Kreativwirtschaft muss auch ihre Kunden als ästhetisch orientierte Personen begreifen und eine Sensibilität für deren Bedürfnisse entwickeln. Die Konsumenten selbst werden als »kreativ« eingeschätzt, die nicht bloß Produkte kaufen und nutzen, „sondern aktiv Bedeutungen, Erfahrungen und Emotionen“ produzieren und sich mit ihrer Hilfe einen eigenen Lebensstil zusammenstellen. (vgl. R ECKWITZ , 2012, S. 141-143) Der Kreativsektor bringt neue Berufe hervor und wird zum Prototyp der Zukunftswirtschaft. Ein global digitalisierter Markt löst bisherige Vertriebs- und Ländergrenzen auf, denn die Verbreitung über das Internet erlaubt den Zugriff auf einen globalen Markt. Im Zusammenspiel aus Digitalisierung und Globalisierung eröffnen sich neue Chancen. Zur Kreativwirtschaft gehören u. a. folgende Bereiche: Architektur, Design, bildende und darstellende Künste, Musikwirtschaft, Rundfunk und Fernsehen, Werbung, Buchmarkt/ Schriftstellerei, Filmindustrie, Journalismus/ Presse/ Fotografie, Software und Games- Industrie (L UTHER , 2013, S. 30; Grüner, 2012, S. 20). Andreas Reckwitz zählt auch „Internetdienste, Öffentlichkeitsarbeit und Ausstellungswesen, Mode und Tourismus“ sowie Beratung, Forschung und Entwicklung zum Kreativsektor. (R ECKWITZ , 2012, S. 140 f.) Die Kreativwirtschaft besteht nicht in erster Linie in technischen Erfindungen, sondern im Erwecken neuer Bedürfnisse und Ersinnen neuer Mittel der Bedürfnisbefriedigung, in der Umgestaltung der Produktions- und Arbeitsorganisation. (P ETERSEN , 2003, S. 188). Es geht um die erfolgreiche Umsetzung von Wissen und Ideen, von neuen Lösungen und kreativem Denken. Das wertvollste Vermögen eines Unternehmens sind seine Mitarbeiter, das Human Capital. Der Kreativsektor wird als Innovationsfaktor und als Wachstumsbranche gesehen und wird somit zum entscheidenden Standortfaktor. Der US-amerikanische Ökonom Richard Florida (*1957) prognostiziert den Aufstieg der kreativen Klasse („Creative Class“). Die Kreativwirtschaft verändert die Arbeitswelt grundlegend. In der Ideenwelt des Internets, in der Computer- und Softwareproduktion sowie in der Unterhaltungsindustrie gelten andere Regeln. Statt Arbeitszeiterfassung mit der Stechuhr, Anwesenheit, Stückzahlen u. ä. gelten flache Hierarchien. Kreative bevorzugen das digitale Vernetzen (Networking) und flexible Arbeitszeitmodelle. Business Creativity Lit.: A RAYA , D./ P ETERS , M. A. (Eds.): Education in the creative economy. Knowledge and learning in the age of innovation. New York et al. 2010; B RÖCKLING , U.: Das unternehmerische Selbst. Soziologie einer Subjektivierungsform. (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1832). Frankfurt am Main 2007; B RODBECK , K.- H.: Erfolgsfaktor Kreativität. Die Zukunft unserer Marktwirtschaft. Darmstadt 1996; D RUCKER , P. F.: The new realities. New York 1989; F LORIDA , R.: The rise of the creative class. And how it’s transforming work, leisure, community and everyday life. Basic Books [Paperback first published], New York 2004; F LORIDA , R.: Reset. Wie wir anders leben, arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden. Frankfurt am Main/ New York 2010; F LORIDA , R.: The great reset. How the post-crash economy will chance the way we live and work. HarperCollins Publishers. First Harper paperback published, New York 2011; G RÜNER , H.: Management für Kreativunternehmen. Konzepte und Strategien für wachstumsorientierte Unternehmen in der Kreativwirtschaft. (Edition Kreativwirtschaft, hg. von Herbert Grüner und Elmar D. Konrad). Stuttgart 2012; H AGLEITNER , S.: Kreativität als Beruf. Wenn die Kür zur Pflicht und der Ausnahmezustand zur Regel wird. Graz ²2011; H ALL , R.: Brilliant business creativity. What the best business creatives know, do and say. Pearson Education Limited Harlow, England; London; New York et al. 2010; Lit.: H OWKINS , J.: The Creative Economy: How people make money from ideas. Penguin Books: London et al. ²2013; K EICHER , I./ B RÜHL , K.: Sie bewegt sich doch! Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen. Zürich 2008; K NAUT , M. (Hrsg.): Kreativwirtschaft. Design - Mode - Medien - Games - Kommunikation - Kulturelles Erbe. Bd. 1 der Schriftenreihe: Beiträge und Positionen der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin, hg. von Michael Heine, Präsident der HTW Berlin. Berlin 2011; L OTTER , W.: Die Gestörten. In: brand eins. Wirtschaftsmagazin, 9. Jg., H. 5/ Mai 2007: Achtung! Sie betreten den kreativen Sektor. Schwerpunkt Ideenwirtschaft, S. 52-62; L OTTER , W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Hamburg 2009; L UTHER , M.: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden. Wie Sie in vier Schritten mit Pfiff und Methode Ihre Problemlösungskompetenz entwickeln und zum Ideen-Profi werden. Bonn 2013; M ENGER , P.-M.: Le Travail Créateur. Seuil/ Gallimard 2009; engl. gekürzte Ausg.: The economics of creativity. Art and achievement under uncertainty. Harvard University Press. Cambridge, Massa- <?page no="186"?> KVP 182 chusetts; London 2014; M ORITA , A.: Le Japon n’obéira plus. In : Figaro magazine, Nr. 517, 7. April 1990, S. 174-177; P ETERSEN , T H .: Wirtschaft und Kreativität. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 109-125; P ETERSEN , T H .: Die Formen der Kreativität in der Wirtschaft. In: Berka, W./ Brix, E./ Smekal, Ch. (Hrsg.): Woher kommt das Neue? Kreativität in Wissenschaft und Kunst (Wissenschaft - Bildung - Politik, hg. von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft, Bd. 6). Wien, Köln, Weimar 2003, S. 169-188; P OTTS , J.: Creative industries and economic evolution. Cheltenham 2011; P RIDDAT , B. P./ S EELE , P. (Hrsg.): Das Neue in Ökonomie und Management. Grundlagen, Methoden, Beispiele. Wiesbaden 2008; R AUNIG , G.: Kreativindustrie als Massenbetrug. In: Raunig, G./ Wuggenig, U. (Hrsg.): Kritik der Kreativität. (republicart 6. Eine Schriftenreihe des eipcp). Verlag Turia + Kant Wien 2007, S. 67-78; R ECKWITZ , A.: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Berlin 2012; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007; S CHUMPETER , J. A.: The Creative Response in Economic History. In: Journal of Economic History. New York 1947, pp. 149- 159; S EGLER , T.: Kreativitätsförderung im Unternehmen. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 77-108. KVP kontinuierlicher Verbesserungsprozess Kaizen L Laterales Denken® (lateral thinking) lateral: seitlich, seitwärts (gelegen), seitlich gerichtetes Denken, ein produktives Querdenken bzw. spielerisches, intuitives Denken; im Gegensatz zum logischen oder vertikalen, senkrechten Denken, bei dem eine Idee auf der vorherigen aufbaut. Der Begriff wurde von dem Psychologen Edward de Bono (*1931) geprägt. Er verwendet ihn für das divergente Denken, das neue Sichtweisen, Ideenkombinationen und Problemlösungsansätze hervorbringt. Er meint, dass logisches Denken keine neue Sicht auf die Probleme erzeugt, weil wir damit lediglich versuchen, die Probleme mit unseren früheren Erfahrungen und bewährten Methoden zu lösen. „Durch das laterale Denken versuchen wir, uns von den Mustern zu lösen, die uns in eine ganz bestimmte Richtung lenken, und wir bemühen uns, durch eine Um-Strukturierung der Muster seitwärts auszuscheren.“ (De Bono, 1968, S. 2 f. u. 5). Laterales Denken bezeichnet das Denken, das alle Seiten eines Problems einzuschließen sucht, wobei auch unorthodoxe, beim logischen Denken oft unbeachtete oder ignorierte Methoden angewendet werden. Dadurch sollen neuartige Ideen gefunden werden, die Dinge unbefangen betrachtet werden, soll das Ausbrechen aus alten Denkgewohnheiten erleichtert werden, um neue Ideenkombinationen und Sichtweisen auf das Problem zu erschließen, wodurch schließlich eine kreative Lösung erzielt werden soll. Laterales Denken kann auch als produktives Querdenken bezeichnet werden. Es kommt vor allem dann in Frage, wenn eine völlig neue Erfindung oder unventionelle Idee notwendig ist, um ein Problem zu lösen, besonders auf noch nicht oder wenig erforschten Gebieten. Nach Edward de Bono lassen sich kreative Lösungen spontan oder auch gezielt durch Vorschläge provozieren, die auf den ersten Blick absurd erscheinen, bei genauerer Prüfung jedoch mitunter zu einer vernünftigen, effektiven Lösung führen. Hierbei sind vorgefasste oder bereits bekannte Meinungen zu einem Gegenstand oder einer Situation außer acht zu lassen. Eine Möglichkeit, das Problem zu hinterfragen, besteht nach de Bono darin, mit einer eindeutig falschen Bewertung der Situation zu beginnen. Dies scheine zwar absurd, zwinge aber z. B. die Teilnehmer an einem Brainstorming, die Frage „Was wäre, wenn ... ? “ zu erörtern. Das Beharren auf einem scheinbar abwegigen Standpunkt habe schon häufig kreative Ideen zutage gefördert. Der <?page no="187"?> 183 Leistungsmotivation Vorteil des lateralen Denkens liege in seiner Fülle an unkonventionellen Einfällen, die auch Spaß bereiten können. Lit.: D E B ONO , E.: Lateral Thinking. A Textbook of Creativity. London 1967; deutsche Ausgabe: Laterales Denken. Der Kurs zur Erschließung Ihrer Kreativitätsreserven. Düsseldorf/ Wien 1989, ²1992; D ERS .: New Think. New York 1968; D ERS .: Laterales Denken. Trainingsbogen. Düsseldorf/ Wien/ New York 1989; Edward De Bono's Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität (Business Training, Bd. 1105). München/ Landsberg am Lech ²1990; D ASS .: (Sonderausgabe). München 1995; D ERS .: In 15 Tagen denken lernen. München 1990; D ERS .: Die 4 richtigen und die 5 falschen Denkmethoden. München 1990; D ERS .: Die positive Revolution. Konstruktiv denken und handeln. Düsseldorf 1992; D ERS .: Serious Creativity. New York 1992; deutsche Ausgabe: Serious Creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; G OLEMAN , D./ K AUFMANN , P./ R AY , M.: The Creative Spirit. New York 1991; N OVAK , A.: Schöpferisch mit System. Kreativitätstechniken nach Edward de Bono (Arbeitshefte Führungspsychologie, hg. von Ekkehard Crisand; Bd. 39), Heidelberg 2001. Leistung, kreative kreative Leistung Leistungsbedürfnis Leistungsmotivation Leistungsmotivation (achievement motivation): die individuell verschiedene Stärke des Leistungsverhaltens und die Gesamtheit der Motive des Individuums, die notwendig sind, um die Leistungsanforderungen auf möglichst hohem Niveau zu erfüllen. Die moderne Leistungsmotivationsforschung wurde durch die US-amerikanischen Psychologen David Clarence McClelland (1917-1998) und John William Atkinson (1923-2003) begründet. Atkinson entwarf 1957 ein Modell der Risikowahl. Es unterscheidet zwei Motivgruppen: die Erfolgsmotivierten und die Misserfolgsmotivierten. Das „Risikowahl-Modell“ besagt, dass unser Verhalten von der subjektiven Erfolgswahrscheinlichkeit beeinflusst wird. Atkinson untersuchte, wie man sich verhält, wenn man die Möglichkeit hat, verschiedene Schwierigkeitsgrade zu wählen. Die meisten Menschen wählen Aufgaben mit einem mittleren Schwierigkeitsgrad. Hoch leistungsmotivierte Personen wählen ein realistisches Leistungsziel, während niedrig leistungsmotivierte Personen auch Aufgaben wählen, die auf einem unrealistischen Anspruchsniveau beruhen, also zu leicht oder zu schwierig für sie sind. Atkinson sieht in der Leistungsmotivation den Ausgleich von Annäherungs- und Vermeidungstendenzen (ein Modell, das auf „Erwartung mal Wert“ beruht). Ob man eine Leistung in Angriff nimmt oder nicht, hängt davon ab, ob die Hoffnung auf Erfolg besteht oder ob die Furcht vor Misserfolg überwiegt. Das Folgegefühl ist entweder Stolz oder Scham. (Atkinson, 1964). In der deutschsprachigen Literatur wurde der Begriff „Leistungsmotivation“ zuerst 1963 von Heinz Heckhausen (1926- 1988) verwendet. Leistungsmotivation ist auf allen Gebieten eine unverzichtbare Voraussetzung für außergewöhnliche Leistungen. Nur die intrinsische Motivation verleiht uns die immense Energie und lang anhaltende Ausdauer und Konzentration, die für ein schwieriges, zu lösendes Problem bzw. für eine umfangreiche Aufgabenbewältigung erforderlich sind, um erfolgreich zu sein. Für die Motivation des Individuums, um seine Leistungen zu steigern, werden drei Gründe genannt: 1. Leistungsmotivierte versuchen, ihre eigenen bisherigen Leistungen zu übertreffen; 2. Sie streben nach Erfolg, sie versuchen, ein Ziel zu erreichen, eine Aufgabe zu bewältigen; 3. Sie versuchen, andere zu übertreffen (einen bestimmten Konkurrenten oder generell besser zu sein als die anderen). (Vgl. S CHMIDT -A TZERT , 2006, S. 224). Die Leistungsmotivation hat besondere Bedeutung für die inhaltliche und zielgerichtete kreative Tätigkeit des Menschen. Sie beeinflusst die Intensität seines Kräfteeinsatzes, vor allem seinen Leistungseinsatz in Belastungssituationen. Ob und wie stark die Anstrengung mobili- <?page no="188"?> Lenk, Hans 184 siert wird, hängt von zwei Komponenten ab: dem Wert des Leistungsziels und dem Erreichbarkeitsgrad (Erwartungs-Nutzen-Theorie). Um die Leistungsmotivation zu messen, wurden mehrere Tests entwickelt. Lit.: A TKINSON , J. W.: Motivational determinants of risk-taking behavior. In: Psychological Review, 1957, 64, pp. 359-372; A TKINSON , J. W.: An introduction to motivation. Princeton, N. J. 1964; A TKINSON , J. W./ F EATHER , N. T. (E DS ): A theory of achievement motivation. New York 1966; H ECKHAUSEN , H.: Hoffnung und Furcht in der Leistungsmotivation. Meisenheim 1963; H ECKHAUSEN , H.: Leistungsmotivation. In: H. Thomae (Hrsg.): Handbuch der Psychologie. Bd. 2: Motivation. Göttingen ²1970, S. 602-702; H ECKHAU- SEN , H.: Motivation und Handeln. Lehrbuch der Motivationspsychologie. Berlin ²1989; M C C LELLAND , D. C.: Toward a theory of motive acquisition. In: American Psychologist, 1965, 20, pp. 321-333; M C C LELLAND , D. C.: Die Leistungsgesellschaft. Stuttgart 1966; M C C LELLAND , D. C./ A TKINSON , J. W./ C LARK , R. A./ L OWELL , E. L.: The achievement motive. New York 1953; M C C LELLAND , D. C./ W INTER , D.: Motivating economic achievement. New York 1969; S CHMIDT -A TZERT , L.: Leistungsrelevante Rahmenbedingungen/ Leistungsmotivation. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 223-241. Lenk, Hans (*1935): Philosoph, Wissenschaftstheoretiker und Kreativitätsforscher, Professor emeritus am Institut für Philosophie der Universität Karlsruhe; seit 2005 Präsident und seit 2008 Ehrenpräsident des „Institut International de Philosophie“ (der Weltakademie der Philosophen). Er veröffentlichte ca. 130 Bücher und über 3000 Artikel. Eines seiner Forschungsschwerpunkte ist „eine Philosophie des Kreativseins oder der Kreataphern“, und zwar „unter dem Gesichtspunkt der Eigenaktivität, der ›Eigenhandlung‹ [und] der ›Eigenleistung‹.“ (L ENK , 2007, S. 165). Lit.: L ENK , H.: Leistungsmotivation als theoretischer Begriff. In: Ders.: Pragmatische Philosophie. Hamburg 1975, S. 168-183; D ERS .: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; D ERS .: Kleine Philosophie des Gehirns. Darmstadt 2001; D ERS .: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; D ERS .: Global TechnoScience and Responsibility: Schemes Applied to Human Values, Technology, Creativity and Globalisation. Berlin, Münster 2007; D ERS .: Das flexible Vielfachwesen: Einführung in die moderne philosophische Anthropologie zwischen Bio-, Techno- und Kulturwissenschaften. Weilerswist 2010; D ERS .: Kreativität, Leistung und Motivation. In: Julmi, Ch.: Gespräche über Kreativität. Philosophische Annäherungen an ein subjektives Phänomen. (kultur & philosophie. beiträge, analysen, kommentare, Bd. 5, hg. von Christian Julmi, Sonya Gzyl, Michael Nagenborg, Guido Rappe). Bochum, Freiburg 2013, S. 74-97. Lexikon-Methode Reizwortanalyse literarische Kreativität (literary creativity): die Erarbeitung literarischer Texte in Lyrik oder Prosa; die Produktion, Reproduktion und Kommunikation von Ideen und Gedanken durch sprachliche Formulierung und Fixierung mittels unterschiedlicher Schreibwerkzeuge (Niederschrift durch Federkiel, Bleistift, Stahlfeder, Kugelschreiber, Schreibmaschine u. ä. und digitale Speicherung (Computer). Eine Theorie literarischer Kreativität umfasst: 1. biographische, psychologische und kreativitätstheoretische Voraussetzungen 2. den Prozess literarischen Schreibens (Schreibmethoden, Schreibpraxis) 3. das literarische Produkt (Beziehungen zwischen Werturteilen und literarischen Texten). (vgl. Kellner, 1999, S. 7-9.) Der Romancier und Professor für Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus Hanns-Josef Ortheil (*1951) zeigt die Entstehungsbedingungen literarischer Kreativität und schildert, wie kreative Phantasiebildung zu Stande kommt. Der Ausgangspunkt dafür ist die Originalität kindlicher Sprachbildung. Dennoch gibt es in der Literatur keine Wunderkin- <?page no="189"?> 185 literarische Kreativität der, wie sie die Musikgeschichte kennt. Ein Kind verfügt noch nicht über den nuancenreichen Wortschatz und über all die stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten, die zum Schreiben eines Gedichts, einer Novelle oder eines Romans erforderlich sind. Auch die Technik des Schreibens muss erst erworben werden. Ein angehender Schriftsteller sucht zunächst nach literarischen Vorbildern, schult an diesen seinen sprachlichen und rhythmischen Ausdruck, bis er seinen eigenen Stil findet. Eine Voraussetzung literarischer Kreativität ist die linguistische Intelligenz, die Beherrschung der Semantik und Syntax und ein Gefühl für Phonetik, „für den Klang der Wörter und ihre musikalischen Wechselwirkungen. Der zentrale metrische Aspekt der Lyrik hängt eindeutig von dieser auditiven Sensitivität ab, und Lyriker haben oft betont, wie sehr sie auf klangliche Qualitäten achten.“ (G ARDNER , 1998, S. 80). Hanns-Josef Ortheil und Klaus Siblewski beschreiben auf Grund eigener Erfahrungen detailliert den facettenreichen Entstehungsprozess von Romanen, die einzelnen Arbeitsphasen vom ersten poetischen Einfall, das Notieren und Skizzieren von Roman-Bauplänen (die Roman-Disposition), den Erwerb exakter Kenntnisse, die genaue Beobachtungsgabe (detaillierte Wahrnehmung und das Studium der Welt), die Erfindung von Figuren, Schauplätzen (Räumen) und Texten, die Entwicklung von Szenen, Dramaturgien und Handlungen bis zur Fertigstellung des Manuskripts. (Ortheil/ Siblewski, 2008). Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) nennt vier „Haupterfordernisse“, die ein guter Poet erfüllen müsse: „Einbildungskraft, Erfindung, Geist, Produktivität.“ (Zu Eckermann, 11.2.1831. In: Eckermann, 1948, S. 353 f.). Am Beispiel von Goethes Erzählungen lassen sich fünf Arbeitsschritte feststellen, wobei diese mitunter ineinander übergehen und sich wechselseitig durchdringen: 1. Gedankliche Konzeption 2. Schematisierung 3. Ausführung 4. Überarbeitung (eventuell mit Schematisierung neu entstehender Teile) 5. Revision. Die erste Idee zu einem literarischen Werk empfing Goethe meist durch einen äußeren Anlass. Aus der Eingebung des Augenblicks heraus entstanden spontan zahlreiche Gelegenheitsgedichte, die er bisweilen gleich in der endgültigen Form niederschrieb. Bedeutsam sind auch der kreative Ort und die Stimmung zum Schreiben. Auch Friedrich Schiller (1759-1805) notierte sich die einzelnen Arbeitsschritte, den Prozess der Konzeptbildung, das Ringen um die Form und den Aufbau seiner großen Gedichte und Balladen, bevor er mit der eigentlichen Niederschrift begann. Aber Schiller nahm sich nicht die Zeit, ein Werk langsam reifen zu lassen, sondern arbeitete mit äußerster Konzentration und großer Rastlosigkeit. Er wartete nicht auf irgendeine Inspiration, sondern versuchte, durch Reflexionen den kreativen Prozess in fortwährender Bewegung zu halten. Hatte er ein Thema gefunden, waren all seine Gedanken darauf gerichtet. Dann vertiefte er sich in das Quellenstudium und versuchte, sich in seine dramatischen Gestalten völlig hineinzuversetzen. Während des Schaffensprozesses nutzte er verschiedene Stimulanzien, um sich in kreative Stimmung zu bringen. Grundvoraussetzungen des Schriftstellers sind: Talent, Begabung, Phantasie, „die Gabe zur freien Assoziation und zur Vergegenwärtigung des Nichterlebten“, „Originalität als das Signum der Einzigartigkeit und Unverwechselbarkeit“, „Intuition als das Vermögen zur Antizipation oder Vorahnung von Entwicklungen“, Sensibilität sowie Erfindungsgabe ( Invention), d. h. „die Rekombination von bekannten Fakten zu etwas grundsätzlich Neuem“, Produktivität, Inspiration u. a. (H UBER , 2001, S. 205). Erforderliche Fähigkeiten sind auch: sprachliche Intelligenz, Auffassungsgeschwindigkeit bzw. Wahrnehmungsfähigkeit, ein assoziatives Gedächtnis, produktives Denken sowie Wortflüssigkeit u. a. Frank Xavier Barron (1922-2002) und Donald W. MacKinnon (1903-1987) nennen folgende Persönlichkeitsmerkmale kreativer Schriftsteller: 1. Flexibilität 2. Feminität <?page no="190"?> literarische Kreativität 186 3. Toleranz 4. Verantwortlichkeit 5. die Fähigkeit, psychologisch zu denken und zu empfinden 6. Erfolg durch eigenständige Tätigkeit 7. ein ausgeprägt positives Selbstkonzept 8. Bedürfnis und Freude an sozialem Kontakt 9. die Befähigung, einen hohen sozialen Status zu erwerben Weniger ausgeprägt sind bei kreativen Autoren folgende Merkmale: 1. Gefühl des Wohlbefindens 2. Soziabilität (i.S.v. der Bereitschaft und Fähigkeit zur Anpassung) 3. Selbstkontrolle 4. Vermittlung von »gutem Eindruck« 5. Erfolg durch konformes Verhalten (vgl. K RAUSE , 1972, S. 60). Der kreative Einfall kommt meist unbewusst vor. Ortheil nennt Heinrich von Kleist (1777- 1811) einen „kreativitätspsychologischen Denker“. Dieser empfiehlt in seinem Aufsatz „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ jenen, die etwas Bestimmtes wissen wollen, mit dem nächsten Bekannten darüber zu sprechen und die Rede vor dem Spiegel eines Zuhörers zu testen. Im sprachlichen Formulieren, Präzisieren, Klarstellen und Wiederholen gruppieren sich die Gedanken neu, und der Sprecher wird vor dem Spiegel des Zuhörers „selbst zum Teil dieses Spiegels, der sein Reden auf ihn zurückwirft.“ Bei dem Vortrag des Sprechers kommen dem Zuhörer Ahnungen der richtigen Antwort. „Der Spiegel emanzipiert sich, er wirft einen Blitz zurück, den Blitz des kreativen Funkens.“ (O RTHEIL , 2001, S. 230). Es ist kaum nachzuvollziehen, wieviel Anstrengungen es kostet, ein Werk von der ersten Idee bis zum fertigen Druckmanuskript niederzuschreiben. Welch unglaublicher Fleiß, wieviel durchgearbeitete Nächte am Schreibtisch, welch kräftezehrendes Ringen sind für die Erarbeitung und Gestaltung eines Manuskripts erforderlich, und wieviel Kreativitätsblockaden und andere Störungen können dabei den Schreibprozess behindern. Der kreative Prozess erfolgt zumeist in vier Phasen: Präparation, Inkubation, Illumination und Verifikation, die sich wechselseitig bedingen und überschneiden. Meist verlaufen sie nicht in einer linearen Stufenfolge, sondern in mehreren Rückkopplungschleifen, so dass mitunter eine Phase übersprungen oder mehrmals durchlaufen wird. Die vier Phasen des Schreibprozesses lauten: 1. Präparation, die Vorbereitungsphase, in der die Problemwahrnehmung und Problemanalyse erfolgt. 2. Inkubation: Sie ist gewissermaßen die »Bebrütungsphase«. In diesem Stadium kommt es vor, dass das Problem nicht mehr bewusst durchdacht, aber unbewusst weiter bearbeitet wird. Es sind vor allem die unbewussten Denkprozesse, in denen sich eine Inspiration, oft nach langem, vergeblichen, mitunter qualvollem Suchen einstellt. 3. Illumination. In dieser Phase erfolgt die Inspiration, der plötzliche Einfall, der Lösungsvorschlag bzw. die Ideenfindung. Goethe nannte dies ein Aperçu, eine der „glücklichen Eingebungen des Augenblicks“, ein momentanes „Gewahrwerden, Auffassen, Vorstellen, Begriff, Idee, wie man es nennen mag. ...“ 4. Verifikation. In diesem Stadium wird die Erstfassung kritisch beurteilt und in die endgültige Form gebracht. Es gibt auch Stufenmodelle, bei denen der kreative Prozess mit drei, fünf, sechs oder sieben Phasen angegeben wird. In der Kreativitätsforschung wird jedoch am häufigsten auf das Vier-Phasenmodell von Graham Wallas zurückgegriffen, „dessen Tauglichkeit sich in seiner Funktion als Bezugsgröße für analoge Nachfolgemodelle zu beweisen scheint.“ (H EMMER - J UNK , 1995, S. 60; Gutjahr, 1996, S. 25-46; Preiser, 1986, S. 42-49; Freitag, 2002, S. 15-17). Das vertraute Interieur des Arbeitszimmers, der kreative Ort und eine schöpferische Atmosphäre sind fördernde Faktoren im kreativen Prozess. Aber nicht nur das häusliche Arbeitszimmer, sondern auch die Natur- und Landschaftseindrücke auf Reisen u. a. sind wichtige Quellen der Inspiration. Zur Erfassung literarischer Kreativität wurden spezielle Testmethoden entwickelt. Frank Barron unterschied in einem kreativen Schreibkurs professionelle Schriftsteller von studenti- <?page no="191"?> 187 literarische Kreativität schen Teilnehmern u. a. mit Hilfe eines „Symbol Equivalence Tests“. Die Probanden mussten sich zu Bildern symbolisch äquivalente Gleichnisse ausdenken. Dabei schnitten die professionellen Autoren besser ab und erreichten höhere Qualitätswerte. (B ARRON , 1967, pp. 69-74). Aber die Kreativitätsmessung ist generell fragwürdig. Robert W. Weisberg bemerkt über die Entstehung von Gedichten: „Experimentelle Studien mit Dichtern belegen ebenso wie die Untersuchung der ersten Entwürfe zu einzelnen Gedichten von bekannten Dichtern, dass Lyrik nicht in vollendeter Form im Kopf des Dichters entsteht. Weder die allgemeine Form eines Gedichts noch die spezifischen Merkmale wie einzelne Verse, Wörter oder Phrasen, sind von vornherein festgelegt. Vielmehr erfordert der Arbeitsprozess eine durchgängige Überarbeitung und Änderung anfänglicher Versionen, bis schließlich eine akzeptable Endfassung vorliegt. Gedichte werden im Laufe ihrer Entstehung einer intensiven und kritischen Prüfung unterworfen, und selbst die größten Gedichte werden umfassend modifiziert und korrigiert.“ (W EISBERG , 1989, S. 153). Für die Arbeit des Schriftstellers sind auch die Schreibgeräte zu nennen. Jahrhundertelang waren diese der Gänsekiel und das dazu gehörige Federmesser zum Anspitzen, sowie Tintenfass und Streusandbüchse. Das Schreiben ist auch ein zutiefst sinnlicher Vorgang. Die enge Beziehung des Dichters zu seinem Schreibgerät betonte Gustave Flaubert (1821-1880): „Ich bin ein Mann der Feder, ich fühle durch sie, wegen ihr, in Beziehung zu ihr und noch viel mehr mit ihr.“ Dabei müsse der Autor seine Umwelt bewusst und mit gesteigerter Aufmerksamkeit wahrnehmen: „Wir müssen uns angewöhnen, in den Menschen um uns herum nur Bücher zu sehen; ein vernünftiger Mann studiert sie, vergleicht sie und macht von all diesen Dingen eine Synthese zum eigenen Besten.“ (P OLET , 1993, S. 78). Friedrich Nietzsche (1844-1900) bezeichnete sich als „philosophischen Flaneur“ und meint damit die Entstehung der Gedanken beim Spazierengehen. Seine wichtigsten philosophischen Werke sind auf Reisen entstanden. Nietzsches zunehmende Erblindung wurde zum ernsten Hemmnis. Der dänische Pfarrer und Direktor einer Kopenhagener Taubstummenanstalt Rasmus Malling Hansen (1835-1890) hatte eine Maschine erfunden, mit der fortlaufend Schriftzeichen über ein Farbband auf Papier geschrieben werden konnten. Sie war mit einer Schreibkugel und 54 Tastenstößeln versehen, womit man allerdings nur Großbuchstaben schreiben konnte. Aber Ziffern und Interpunktionszeichen waren bereits vorhanden und der Wagen ließ sich über einen Tastendruck bewegen. Seit 1870 hatte er diese Maschine kommerziell in Kleinserie produziert. Diese „Schreibkugel“ war die erste in Serie hergestellte gebrauchsfähige Schreibmaschine der Welt. Nietzsche erwarb 1882 eine dieser Schreibmaschinen und schrieb damit: „UNSER SCHREIBZEUG ARBEITET MIT AN UNSEREN GE- DANKEN.“ (N IETZSCHE , KSB, Bd. 6, Nr. 202, S. 172). Honoré de Balzac (1799-1850) schrieb ab 1829 in schneller Folge 91 Romane und Erzählungen, die er 1842 größtenteils unter dem Titel „Die menschliche Komödie“ zusammenfasste. Stefan Zweig zollte ihm höchstes Lob und schrieb anerkennend: „Balzac ist ein Genie der Fülle und der vielleicht größte Heros der dichterischen Arbeit. ... Die Romanmanuskripte Balzacs gehören zu den wertvollsten Offenbarungen des episch dichterischen Prozesses, es sind Phänomene einzigartiger Natur, weil in ihnen der dichterische Reinigungs- und Gestaltungsprozess, der sich doch sonst meist im Unbewussten, im Unsichtbaren vollzieht, dokumentarisch in allen Stadien des Überganges niedergelegt ist.“ (Z WEIG , 1993, S. 332 f.) Balzac hat seine Manuskripte oft mehrmals geschrieben und überarbeitet. Durch die Vergleichung der einzelnen Niederschriften von der ersten flüchtigen Skizze, von den Korrekturfassungen und Manuskriptrevisionen bis zur endgültigen Druckfassung werden die einzelnen Arbeitsschritte dieses Autors deutlich. Sigmund Freud (1856-1939) vergleicht literarische Texte mit Tagträumen und interpretiert die Produktivität des Dichters, wie jede andere geistige Tätigkeit, als Sublimierung, als Triebabwehr, ähnlich der Verdrängung. Diese ist aber konstruktiv, weil sich die Triebenergie in künstlerischen Produktionen niederschlägt. (Freud, 1908). Howard Gardner (*1943) kommt durch zahlreiche Untersuchungen zu dem Ergebnis: „Während die Schaffenskraft in anderen literarischen Genres durch den menschlichen Alterungsprozess offenbar nur unmerklich abnimmt, zeigt sich lyrisches Talent früh, kommt <?page no="192"?> literarische Kreativität 188 schnell zu intensiver Blüte und hat sich in jungen Jahren bereits erschöpft, eine Regel, die nur wenige Ausnahmen kennt.“ (G ARDNER , 1996, S. 446). Die Bedeutung eines Autors oder eines Wissenschaftlers wird auch häufig an der Anzahl seiner Publikationen gemessen. Die Fülle der Veröffentlichungen ist jedoch kein Maßstab für die Kreativität eines Schriftstellers. kreatives Schreiben Lit.: A RNOLD , H. L. (Hrsg.): Da schwimmen manchmal ein paar gute Sätze vorbei ... Aus der poetischen Werkstatt. Frankfurt am Main 2001; B ARRON , F.: The psychology of creative writers. In: Ders. (Ed.): Explorations in creativity. New York 1967, pp. 69-74; dt. Übersetzung in: Schmidt, S. J./ Zobel, R.: Empirische Untersuchungen zu Persönlichkeitsvariablen von Literaturproduzenten. Braunschweig/ Wiebaden 1983, S. 142- 150; B ARRON , F.: Creative person and creative process. New York 1969; B LAMBERGER , G.: Das Geheimnis des Schöpferischen oder: ingenium est ineffabile? Studien zur Literaturgeschichte der Kreativität zwischen Goethezeit und Moderne. Stuttgart 1991; B ROPHY , K.: Patterns of creativity. Investigations into the sources and methods of creativity (Consciousness, Literature and the Arts 22). Amsterdam/ New York, NY 2009; D URZAK , M./ S TEINECKE , H. (Hrsg.): Hanns-Josef Ortheil. Im Innern seiner Texte. Studien zu seinem Werk. (Serie Piper Materialien 2037). München 1995; F REITAG , E.: „Wenn ... eine vertraute Feder meine Worte auffängt“. Schreibgeräte und kreatives Schreiben im 18. und 19. Jahrhundert. In: Schroeder, Susanne, unter Mitwirkung von Egon Freitag und Viola Geyersbach: Werkzeuge des Pegasus. Historische Schreibzeuge im Goethe-Nationalmuseum. Stiftung Weimarer Klassik, Weimar 2002, S. 9-37; D ERS .: Die Kunst zu schreiben. Aspekte literarischer Kreativität. I. Teil: Kein Tag ohne eine Zeile - Schreibzwang und Schaffensrausch. In: ART & GRAPHIC magazine, vierteljährlich erscheinendes Magazin der Akademie Faber-Castell, Nr. 9/ Oktober 2004, S. 24-29. II. Teil: Der kreative Prozeß. In: ebenda, Nr. 10/ Januar 2005, S. 30-38; F REY , J. N.: How to write a damn good novel, 1987. Dt. Ausgabe: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. Köln 1993; D ERS .: How to write a damn good novel, vol. 2, 1994. Dt. Ausgabe: Wie man einen verdammt guten Roman schreibt. Bd. 2: Anleitungen zum spannenden Erzählen für Fortgeschrittene, Köln 1998; G ARDNER , H.: Frames of mind. The theory of multiple intelligences. New York 1983. (dt. Ausg.: Abschied vom IQ. Die Rahmen-Theorie der vielfachen Intelligenzen. Stuttgart ²1998; D ERS .: So genial wie Einstein. Schlüssel zum kreativen Denken. Aus dem Amerikanischen von Ute Spengler. Stuttgart 1996. [Amerikanische Originalausgabe: „Creating Minds. An anatomy of creativity seen through lives of Freud, Einstein, Picasso, Stravinsky, Eliot, Graham and Gandhi“. New York 1993]; G ESING , F.: Kreativ schreiben. Handwerk und Techniken des Erzählens, Köln 2010; G UTJAHR , E LISABETH : Der Mythos Kreativität oder die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; H EINRICHS , H.-J.: Schreiben ist das bessere Leben. Gespräche mit Autoren. 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Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister. Was Robert Gernhardt von Lichtenberg, Daniel Kehlmann von ..., Hanns-Josef Ortheil von Hemingway lernten. (Sammlung Luchterhand - Kindle Edition) München 2007; L IEBERG , G.: Zu Idee und Figur des dichterischen Schöpfertums. Bochum 1985; M AC K INNON , D. W.: Personality and the realization of creative potential. In: American Psychologist, 20, 1965, pp. 273-281; dt. Fassung: Persönlichkeit und Realisierung kreativen Potentials. In: Ulmann, Gisela (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 164-179; M AC K INNON , D. W.: Creativity: Psychological aspects. In: International Encyclopaedia of Social Sciences, Vol. 3, 1968; M AUGHAM , W. S OMER- SET : Notizbuch eines Schriftstellers. Zürich 2004; Modick, K.; M ÖRCHEN , H. (H RSG ): Von Lust und Last literarischen Schreibens. Ein Blick in die Werkstatt deutscher Schriftsteller. Frankfurt/ M. 2001; Friedrich Nietzsche an Heinrich Köselitz, Ende Februar 1882. [Typoskript] In: Nietzsche, F.: Sämtliche Briefe. Kritische Studienausgabe in acht Bänden [KSB], hg. von Giorgio Colli und Mazzino Montinari. München/ Berlin/ New York 1986; O RTH , I./ P ETZOLD , H.: Metamorphosen - Prozesse der Wandlung in der intermedialen Arbeit der Integrativen Therapie. In: Petzold, H./ Orth, I. (Hrsg.): Die neuen Kreativitätstherapien. Handbuch der Kunstherapie (Reihe: Kunst - Therapie - Kreativität; Bd. 8), 2 Bände. Paderborn ²1991, Bd. II, S. 721-773; O RTHEIL , H.-J.: Wie fang’ ich nach der Regel an? Überlegungen zum Kreativen Schreiben. In: Werner Brändle (Hrsg.): Identität und Schreiben. Eine Festschrift für Martin Walser. Hildesheim 1997; D ERS .: Das Element des Elephanten. Wie mein Schreiben begann. München 1994; D ERS .: Wie fang’ ich nach der Regel an? Überlegungen zum Kreativen Schreiben. In: Werner Brändle (Hrsg.): Identität und Schreiben. Eine Festschrift für Martin Walser. Hildesheim 1997; D ERS .: Selbstversuch am offenen Herzen. In: Holm-Hadulla, R. M. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 227-244; D ERS .: Die Prosa meines Vaters. Zu Ernest Hemingways Erinnerungs- und Nachlassband »Paris - ein Fest fürs Leben.« In: Kutzmutz, O./ Porombka, S.: Erst lesen. Dann schreiben: 22 Autoren und ihre Lehrmeister. München 2007, S. 141-144; D ERS .: Die Erfindung des Lebens. (Luchterhand-Verlag) Mün- <?page no="193"?> 189 Little-Technik chen 2009; D ERS . (Hrsg.): Calendarium 3 & 4. Der Studiengang Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus im Wintersemester 2008/ 2009 und im Sommersemester 2009. Zentrum für Kreatives Schreiben e.V.; Edition Pächterhaus Hildesheim 2011; D ERS .: Duden - Kreatives Schreiben Blank Book, mit einem Essay von Hanns-Josef Ortheil: Weiße Blätter, leere Seiten. Das Schreiben vor dem Schreiben. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Bibliographisches Institut Mannheim 2012; D ERS .: Schreiben dicht am Leben: Notieren und Skizzieren. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Bibliographisches Institut Mannheim 2012; O RTHEIL , H.-J./ M ESCH , S./ S PLITTGERBER , K.: Kulturtagebuch: Leben und Schreiben in Hildesheim. Glück & Schiller Verlag (Taschenbuch) 2007; O RTHEIL , H.-J./ S IBLEWSKI , K.: Wie Romane entstehen (Sammlung Luchterhand). Ästhetik des Schreibens, Bd. 2, hg. von Hanns-Josef Ortheil. München 2008; P OLET , S.: Der kreative Faktor. Kleine Kritik der kreativen (Un-)Vernunft. Aus dem Niederländischen von Wilfried W. Meyer. Bensheim/ Düsseldorf 1993; P OROMBKA , S.: Schreiben unter Strom. Experimentieren mit Twitter, Blogs, Facebook & Co. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Dudenverlag Mannheim/ Zürich 2012; P REISER , S IEGFRIED : Kreativitätsforschung [Erträge der Forschung; Bd. 61], 2. Aufl., Darmstadt 1986; S CHÄRF , C.: Schreiben Tag für Tag. Journal und Tagebuch. (Reihe: Kreatives Schreiben, hg. von Hanns-Josef Ortheil). Dudenverlag Mannheim/ Zürich 2011; S TINGELIN , M ARTIN : „Unser Schreibzeug arbeitet mit an unseren Gedanken.“ Die poetologische Reflexion der Schreibwerkzeuge bei Georg Christoph Lichtenberg und Friedrich Nietzsche. In: Lichtenberg-Jahrbuch 1999, hg. im Auftrag der Lichtenberg-Gesellschaft von Wolfgang Promies und Ulrich Joost unter Mitwirkung von Alexander Neumann. Saarbrücken 2000, S. 81-98; D ERS .: Kugeläußerungen. Nietzsches Spiel auf der Schreibmaschine. In: Gumbrecht, Hans Ulrich/ Pfeiffer, K. Ludwig: Materialität der Kommunikation. Unter Mitarbeit von Monika Elsner u.a. [Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 750], Frankfurt am Main ²1995, S. 326- 341; S TRUBE , G., zusammen mit B. B ECKER U . A . (Hrsg.): Wörterbuch der Kognitionswissenschaft. Stuttgart 1996; T HURSTONE , L. L.: The vectors of the mind. Chicago 1935; D ERS .: Primary mental abilities. Psychometric Monographs, Nr. 1, Chicago 1938; D ERS .: Multiple-factor analysis. Chicago 1947; V ARGAS L LOSA , M.: Briefe an einen jungen Schriftsteller. Frankfurt/ M. 2004; V OGLER , C H .: The writer’s journey. 1997. Dt. Ausgabe: Die Odyssee des Drehbuchschreibens. Frankfurt am Main 1998; W ERDER , L. V .: Schreiben als Therapie. München 1988; V OGT , J.: Aspekte erzählender Prosa. Wiesbaden 2005; W ERMKE , J.: Kreativität als paradoxe Aufgabe. Bd. 1: Entwicklung eines Konzepts der Kreativität und ihrer Förderung durch Literatur; Bd. 2: Empirische Überprüfung literaturdidaktischer Möglichkeiten der Kreativitätsförderung. Weinheim ²1994; Z WEIG , S.: Das Geheimnis des künstlerischen Schaffens. Essays, hg. von Knut Beck. Frankfurt am Main 1993. Little-c to Big-C little creativity to big Creativity: kleine Kreativität bis zu großer Kreativität; Robert J. Sternberg (*1949) unterscheidet zwischen einer kleineren, geringeren Bedeutung der Kreativität (little c) und einer größeren Wirksamkeit (big C), d. h. ob die Leistung bzw. der Beitrag nur im Hinblick auf die kreative Persönlichkeit oder in Bezug auf den ganzen Bereich und auf die Tragweite (magnitude) als kreativ eingestuft werden kann. (S TERN- BERG , 2003, 2007, p. 106). Lit.: S TERNBERG , R. J.: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007; K AUFMAN , J. C./ S TERNBERG , R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010. Little-Technik (eigtl. Arthur-D.-Little-Technik; auch als Gordon-Methode, Operational Creativity (operationale Kreativität) oder didaktisches Brainstorming bezeichnet, von William J. J. Gordon (1919-2003) entwickelt. Er arbeitete lange Zeit für die Arthur D. Little Inc., eine Unternehmensberatung in Cambridge, Massachusetts. In dieser Zeit entwickelte er diese Kreativitätstechnik, die Ähnlichkeiten mit dem Brainstorming aufweist und eine Weiterentwicklung darstellt. Im Unterschied dazu kennt bei dieser Methode nur der Moderator die zu lösende Aufgabe, um Einmischungen zu vermeiden und zu verhindern, dass sich die Teilnehmer vorschnell auf bestimmte Lösungen festlegen. Diese Vorgehensweise dient dem psychologischen »Warmwerden« der Beteiligten, um in kleinen Schritten („little steps“, daher der Begriff „Little- Technik) die Assoziationsbereitschaft anzuregen und die Problematik zu umreißen. Der Moderator bzw. Koordinator stellt zunächst allgemeine Fragen, die sich entfernt auf die Aufgabenstellung beziehen und kreist dann das Problem immer mehr ein. Auf diese Weise <?page no="194"?> Majaro-Matrix 190 möchte er auch weit entfernte Ideen bzw. Lösungsansätze zulassen und damit ein zu frühes Einengen des Suchfeldes verhindern. Die Aufmerksamkeit der Teilnehmer wird also erst allmählich auf die konkrete Zielstellung gelenkt. Diese Kreativitätstechnik ermöglicht eine präzise Problemdefinition und eignet sich besonders für die Suche nach komplexen Lösungen. Sie setzt aber eine entsprechende Vorbildung voraus, auch beim Moderator. Gefragt sind vor allem Analogiedenken, Systemdenken und laterales Denken. Der Nachteil dieser Methode ist der immense Zeitaufwand, weil die Problemlösung meist erst im Verlauf mehrerer Sitzungen erfolgt. Gordon entwickelte auch die klassische Synektik. Lit.: B ROWN , G. J.: Operationale Kreativität: eine Strategie zur Veränderung des Lehrers. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule (Erziehung in Wissenschaft und Praxis, hg. von Andreas Flitner, Bd. 10), München ³1973, S. 195-203; G ORDON , W. J. J.: Operational approach to creativity. In: Harvard Business Review, 34, 1956, pp. 41-56; G REGORY , C. E.: The management of intelligence. Scientific problem solving and creativity. New York 1967; dt. Ausg.: Die Organisation des Denkens. Kreatives Lösen von Problemen. Frankfurt am Main/ New York 1974; S CHEITLIN , V.: Kreativität. Das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993. M Majaro-Matrix eine Ideenbewertungsmatrix, von dem Innovationsberater Simon Majaro entwickelt. Die zu bewertenden Ideen werden auf einem Schema mit 10 Feldern eingetragen. Anhand einer ansteigenden 10-stufigen Skala werden die Dimensionen »Kreativität« und »Innovation« eingetragen. Majaro versteht unter Kreativität die Attraktivität einer Idee, der er folgende Operationalisierungskriterien zugrunde legt: Originalität, Einfachheit, Einzigartigkeit, Eleganz, Anwenderfreundlichkeit, leichte Implementierbarkeit und schwere Kopierbarkeit. Die Dimension »Innovation« interpretiert er als Ideenverträglichkeit mit den Zielen und Ressourcen und nennt dazu folgende Kriterien: finanzielle Ressourcen, menschliche Ressourcen, Firmenimage, Schutzrecht und Problemlösungsbedarf. In diesen beiden Kategorien werden die Ideen mit Punkten bewertet, wobei 1 die niedrigste und 10 die höchste Kennzeichnung darstellt. Danach werden die Schnittstellen auf beiden Achsen eingetragen, wodurch die Plazierung optisch hervorgehoben wird. Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; M AJARO , S.: Erfolgsfaktor Kreativität - Ertragssteigerung durch Ideen-Management. London 1993. Mapping-Techniken Sammelbegriff für diejenigen Kreativitätstechniken, die die Zusammenhänge oder Lösungsideen strukturieren oder bildhaft darstellen (visualisieren). Die bekanntesten sind Mind Mapping und Concept Mapping. Maslowsche Bedürfnispyramide (Maslow’s hierarchy of needs): ein hierarchisches Stufenmodell in Pyramidenform, das das Verlangen und die Motivation des Menschen von den Grundbedürfnissen bis zu den höchsten Sehnsüchten und Wünschen in fünf Bedürfnisgruppen zusammenfasst; von dem US-amerikanischen Psychologen Abraham Harold Maslow (1908-1970) entwickelt. Aufsteigend von unten nach oben gliedert er diese Bedürfnishierarchie folgendermaßen: 1. Physiologische oder körperliche Bedürfnisse, wie Essen und Trinken, Kleidung, Schlaf und Unterkunft. <?page no="195"?> 191 Methode 6-3-5 2. Sicherheit: Schutz der körperlichen Unversehrtheit, materielle Sicherheit; Sicherheit des Arbeitsplatzes. 3. Soziale Bedürfnisse: Geborgenheit, Liebe, die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft. 4. Selbstwertgefühl, Wertschätzung: das Bewusstsein der Kompetenz, der Wunsch nach Erfolg und Ansehen, nach Anerkennung der eigenen Leistungen; das Einbringen eigener Fähigkeiten. 5. Selbstverwirklichung. An der Spitze der Bedürfnispyramide steht die Verwirklichung der eigenen Potenziale, der Anlagen, Begabungen, Talente, Fähigkeiten und Fertigkeiten; die Entwicklung der Persönlichkeit. 1968 erweiterte Maslow sein Stufenmodell und fügte als 6. Bedürfnis den Wunsch nach Transzendenz hinzu, das Erleben von Sinn, Religion, Spiritualität, d. h. ein Bedürfnis, über sich selbst hinauszugelangen und einzugehen in eine höhere Welt des Kosmischen und des Göttlichen. (M ASLOW , 1968, pp. 56-66). Zur vierten Bedürfniskategorie, dem Selbstwertgefühl, zählte Maslow nun auch kognitive und ästhetische Bedürfnisse, das Verlangen nach Wissen, Bildung und Erkenntnis sowie nach einer schönen Umgebung. Nach Maslows Auffassung müssen zunächst die Grundbedürfnisse, wie Nahrung und Kleidung erfüllt sein, bevor der Mensch höhere Bedürfnisse hat und seine Fähigkeiten entwickeln kann. Die Maslowsche Bedürfnispyramide ist ein wichtiger Beitrag zur Motivationspsychologie, weil sie die kreativen Möglichkeiten des Menschen, zu wachsen und seine Fähigkeiten zu entfalten, hervorhebt. Lit.: M ASLOW , A. H.: A theory of human motivation. In: Psychological Review 50, 1943, pp. 370-396; M ASLOW , A. H.: Motivation and personality. New York 1954; dt. Ausgabe: Motivation und Persönlichkeit. Reinbek bei Hamburg 1977, 2002; M ASLOW , A. H.: Various meanings of transcendence. In: Journal of Transpersonal Psychology 1, 1968, pp. 56-66. Matrix Morphologische Matrix Merkmale der kreativen Persönlichkeit kreative Persönlichkeit Methode 6-3-5 auch Ringtauschtechnik (ring exchange technique): eine Kreativitätstechnik, die 1969 von dem Unternehmensberater und Managementtrainer Bernd Rohrbach entwickelt wurde. Die Ziffernfolge weist auf die äußere Struktur dieser Methode hin und bedeutet, dass sechs Personen jeweils drei Ideen bzw. Lösungsansätze zu einem Problem innerhalb von fünf Minuten zu Papier bringen. Das Ergebnis wird in Formblätter eingetragen (DIN A 4-Blätter mit 3 Spalten und 6 Zeilen). Die Formulare mit den notierten Vorschlägen werden danach an den nächsten Teilnehmer weitergereicht, der wiederum innerhalb von fünf Minuten drei weitere Einfälle hinzufügt. Diese können eine Variante oder Ergänzung zu den bereits vorliegenden Ideen darstellen oder auch völlig neu sein. Dies wird fortgeführt, bis alle Personen ihre Gedanken notiert haben, so dass im Idealfall nach 30 Minuten diese Ideenberatung beendet werden kann. Abschließend erfolgt eine Auswertung aller Ideen, wobei die erfolgversprechendsten Lösungsvorschläge ausgewählt werden. Insgesamt könnten somit 3 x 6 x 6, also 108 Lösungsvorschläge zum vorgegebenen Problem notiert worden sein. Jedoch kommen auch Doppelnennungen vor bzw. einigen Teilnehmern gelang es nicht, in fünf Minuten drei Lösungen vorzuschlagen. Diese Methode fördert das frei assoziative Denken und kann Synergieeffekte auslösen, weil man z. B. auch die Ideen des Vorgängers aufgreifen, modifizieren und weiterentwickeln kann. Sie ist ein Kreativitätsstimulus für das Spielerische im Menschen, eine Art Gruppenspiel, bei dem verkrustete Strukturen und Denkschablonen sowie eingeschliffene Antworten abgebaut werden sollen, um der Phantasie freien Lauf zu gewähren, denn für schöpferische Leistungen sind spielerische Elemente von großer Bedeutung. Diese Methode eignet sich besonders für Such- und Analyseprobleme, z. B. bei der Suche nach geeigneten Werbe- und Marketingideen bzw. bei der Entwicklung neuer Design- Möglichkeiten. <?page no="196"?> Mind Mapping® 192 Ein Nachteil dieser Methode ist die Zeitvorgabe, die sich kreativitätshemmend auswirken kann. Da sich die Teilnehmer nicht mündlich austauschen können, ist eine unmittelbare Reaktion auf die notierten Vorschläge nicht möglich. Auf Grund dieser Nachteile entwickelte Helmut Schlicksupp den Brainwriting-Pool. Lit.: R OHRBACH , B.: Kreativ nach Regeln: Methode 635. Eine Technik zum Lösen von Problemen. In: Absatzwirtschaft, H. 10, Oktober 1969, S. 73-76; D ERS .: Techniken des Lösens von Innovationsproblemen (Schriften für Unternehmensführung, 15), Wiesbaden 1972; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung, Würzburg ³1989, S. 114-117. Mind Mapping® auch: Mind Maps (zusammengesetzt aus mind: Geist, Verstand, Gedanken, und map: Karte, Landkarte; eine Art Landkarte des Geistes, Gedankenkarten oder mentale Landkarten); eine Kreativitätstechnik zur Steigerung des geistigen Potenzials, die die Einfälle und Gedanken wie auf einer Landkarte verzeichnet. Mind Maps stellen grafische Projektionen des semantischen Gedächtnisses dar, gewissermaßen ein neuronales Netzwerk. Diese Technik wurde Anfang der 1970er Jahre von dem britischen Pädagogen und Intelligenzforscher Tony Buzan (*1942) entwickelt. Diese Methode dient der exakten Beschreibung eines Problems. Für die Erstellung und Visualisierung der Mind Maps haben sich folgende Richtlinien bewährt: 1. das Thema, das Problem oder das Schlüsselwort wird in die Mitte eines Papierbogens geschrieben und eingekreist. Alle sich daraus ergebenden Teilprobleme und Einflussgrößen werden als Haupt- oder Nebenäste abgezweigt, die in verschiedenen Farben dargestellt werden können. So entstehen assoziative oder konzeptionelle Gedankenketten, deren Inhalte (Knoten) linear verbunden sind. Die konzeptionellen Verknüpfungen erfolgen meist mit Pfeilen, um die Verbindungen zu verdeutlichen. 2. Die Inhalte (Ideen, Assoziationen) werden als Schlüsselworte oder als kurze Texte formuliert. 3. Die Texte werden waagerecht angeordnet. 4. Wichtiges wird durch Schriftwahl, Symbole, Bilder, Grafiken oder Farben hervorgehoben. Sie erleichtern die Orientierung. 5. Jeder neue Einfall wird auf dieser mentalen Landkarte hinzugefügt und richtig plaziert, so dass allmählich ein Plan zur Lösung des Problems entsteht. Dabei können ausschlaggebende Informationen im Zentrum stehen und weniger bedeutende an den Rändern des Blattes. Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, können auch Informationen farbig hinterlegt und eingerahmt werden. Auch Aufzählungen sind möglich. Durch diese Gruppierungen wird die Map strukturiert. Zusätzliche Querverbindungen (Linien oder Pfeile) zwischen den Inhalten bzw. Assoziationen erweitern die Gedankenkarte zu einem kognitiven Netz (neuronales Netzwerk). 6. Die Verbindungen zwischen den inhaltlichen Knoten können beschriftet werden, um die Zusammenhänge, Ursachen und Wirkungen sichtbar zu machen. (vgl. B OLDT , 2011, S. 49). Mind Maps werden meist im Uhrzeigersinn gelesen. Bei geänderter Reihenfolge empfiehlt es sich, die Haupt- und Nebenäste zu nummerieren. Durch bildliche Vernetzungen erleichtert diese Methode die Strukturierung und Visualisierung von Ideen, das schnelle Erfassen inhaltlicher Zusammenhänge und Abhängigkeiten und hilft, Problemlösungsansätze zu erkennen. Es ist eine Art Denken in vernetzten Strukturen. Dabei nutzt diese Kreativitätstechnik die Erkenntnisse der Gehirnforschung, das Potenzial beider Gehirnhälften. Wenn sich ein neuer inhaltlicher Schwerpunkt bzw. ein neues Thema anbahnt, das im Mind Map nicht mehr plaziert werden kann, wird die betreffende Stelle mit einem Sternchen oder mit einem anderes Symbol markiert und ein neues Mind Map erstellt und mit einem Namen oder einem Begriff versehen. Auf diese Weise wird die Darstellung verlinkt. Wenn einem nichts mehr einfällt, wird empfohlen, ein oder mehrere leere Äste einzuzeichnen, um den Ideenfluss anzuregen. Diese Art der Informationssammlung und -verarbeitung bezeichnet Tony Buzan auch als radiales Denken, weil die Darstellung einem Radialbild entspricht. Die wichtigsten Anwendungsbereiche dieser Methode sind: Problemanalyse, Konzeptentwicklung, Planungsaufgaben, Protokollerstellung, Prüfungsvorbereitung (Aufbereiten von Lehr- und Lernstoff), Wissensmanagement, Übersichten über Themengebiete, zur Stoffsammlung (für Journalisten und Autoren zur Vorbereitung auf Veröffentlichungen), Organisieren <?page no="197"?> 193 Monitoring (zur Terminplanung für Beruf und Freizeit, Reisevorbereitung u. ä.), Gedanken und Einfälle sammeln (z. B. ein persönliches Ideen-Mind-Map), Präsentieren (Vorträge, Referate, Seminare), zum Gedächtnistraining u. a. Vorteile des Mind-Mapping®: 1. Die Zentral- oder Hauptidee wird deutlicher hervorgehoben. 2. Die relative Bedeutung jeder Idee kommt besser zur Geltung. Wichtige Ideen befinden sich in der Nähe des Zentrums, weniger wichtige in den Randzonen. 3. Die Vernetzungen und Verknüpfungen werden sofort sichtbar. 4. Der Erinnerungsprozess und die Wiederholungstechnik werden effektiver und schneller. 5. Neue Informationen können leicht in die bestehende Struktur eingezeichnet und integriert werden. 6. Jede „gedankliche Landkarte“ unterscheidet sich durch Form und Inhalt von den anderen. 7. Die Informationen und Ideen lassen sich z. B. bei der Vorbereitung von Referaten, Aufsätzen u. a. jederzeit leicht abrufen. Neue Ideenverknüpfungen können dazu spontan einfallen. (Vgl. N EUBEISER , 1993, S. 75). Auf Grund der Informationsfülle können Mind Maps auch ziemlich unübersichtlich werden, so dass es wichtig ist, darauf zu achten, gut lesbar zu schreiben und überschaubar zu arbeiten. Mind Maps lassen sich beliebig erweitern und auch mit Hilfe von Computerprogrammen (Mind Map-Software) erstellen. Im computergestützten Mapping (Computer Based Mapping, CBM) integriert die Software diverse Dateiformate als Links in die Maps (z. B. Texte, Tabellen, Datenbanken, Bilder). Dadurch wird der Aufbau von Wissensnetzwerken ermöglicht, die im Team verwendet werden können. Mit Hilfe der Software kann auch ein bestimmter Knoten im Netzwerk als neues Schlüsselwort, Problem oder Hauptthema dargestellt werden, um von dort aus eine neue Gedankenkarte zu beginnen. Es gibt auch Softwarepakete mit integrierten Funktionen zur Projektentwicklung (z. B. Gantt-Diagramme). (vgl. B OLDT , 2011, S. 49). Lit.: B EYER , M.: Brain Land. Mind mapping in action, Paderborn ³1997; B OLDT , K.-W.: Erfolg durch Kompetenz. Das Wissen zur Optimierung eigener Fähigkeiten. Darmstadt 2011; B UZAN , T.: Mind-Map - die Erfolgsmethode. Die geistigen Möglichkeiten steigern und optimal nutzen. München 2005; B UZAN , T./ B UZAN , B.: Das Mind-Map-Buch. Die beste Methode zur Steigerung Ihres geistigen Potentials. Aus dem Englischen übersetzt von Christiana Haak, 5. Aufl., Landsberg am Lech 2002; Originalausgabe: The mindmap book. London 1993; B UZAN , T.: Speed Reading. Schneller lesen - mehr verstehen - besser behalten. Landsberg am Lech, 7. Aufl. 2000; B UZAN , T./ D OTTINO , T./ I SRAEL , R.: Gehirngerecht führen. Die eigenen Potentiale und die der Mitarbeiter entdecken und ausschöpfen. Landsberg am Lech 2000; B UZAN , T./ I SRAEL , R.: Brain Selling. Kopftraining für Verkäufer. Landsberg am Lech 1996; B UZAN , T./ I SRAEL , R.: Der Weg zum Verkaufsgenie. Ungenutzte Potentiale entdecken, verborgene Talente ausschöpfen, ungeahnte Erfolge erzielen. Landsberg am Lech 2000; B UZAN , T./ N ORTH , V.: Business Mind Mapping®. Visuell organisieren - übersichtlich strukturieren - Arbeitstechniken optimieren. München 1999; E IPPER , M.: Sehen - Erkennen - Wissen. Arbeitstechniken rund um Mind Mapping. Renningen ²2001; N EUBEISER , M.-L.: Die Logik des Genialen. Mit Intuition, Kreativität und Intelligenz Probleme lösen. Wiesbaden 1993; Nückles, M.; Gurlitt, J.; Pabst, T.; R ENKL , A.: Mind Maps und Concept Maps. Visualisieren, Organisieren, Kommunizieren. München 2004. Mini-c to Big-C Little-c to Big-C Modell zur Kreativitätsentfaltung (model for unfolding of creativity): Stephan Sonnenburg entwickelte ein „1-5P-Modell zur Kreativitätsentfaltung“. Es besagt, dass fünf Faktoren zur Entwicklung des Kreativitätspotenzials beitragen. Die 5 Ps sind: die Person bzw. die Personen, der Prozess, der Prototyp, das Problem und der Platz. Lit.: S ONNENBURG , S.: Kooperative Kreativität. Theoretische Basisentwürfe und organisationale Erfolgsfaktoren. Wiesbaden 2007. Monitoring eine Methode, um die Belastung der Informationsverarbeitung einer Versuchsperson zu prüfen. Dabei muss der Proband einen bestimmten Reiz beachten und so <?page no="198"?> Morphologischer Kasten 194 schnell wie möglich darauf reagieren. Das Monitoring zählt zu den metakognitiven Fertigkeiten und gehört zur Gruppierung kreativitätsbedingender oder -begünstigender Eigenschaften. Lit.: A NDERSON , J. R.: Cognitive psychology and its implications. New York ²1985; dt. Ausg.: Kognitive Psychologie. Heidelberg 1988. Morphologischer Kasten (morphological box); auch morphologische Analyse (morphological analysis), morphologische Methode (morphological method), morphologische Übersicht (morphological tableau): eine systematisch-analytische Methode der Ideenfindung, die der schweizerisch-amerikanische Astrophysiker Fritz Zwicky (1898-1974) entwickelt hat. Bei dieser Kreativitätstechnik können Ideen durch eine Zufallskombination miteinander verknüpft werden. Das Ziel besteht darin, in Anlehnung an die Erkenntnisse der Morphologie, ein zu lösendes Problem in Teilprobleme bzw. in seine Einzelaspekte zu zerlegen, um es aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Dadurch sollen Mängel an bisherigen Ergebnissen erkannt und neue Lösungswege aufgezeigt werden. Die erzielten Resultate werden protokolliert. Diese Methode kann sowohl in Gruppen als auch einzeln durchgeführt werden. Sie beschreibt die wichtigsten Merkmale eines Problems, einer Tätigkeit oder eines Produkts, das z. B. verbessert werden soll, und ordnet diese Kennzeichen in einem Koordinatensystem an, um ihre veränderlichen Eigenschaften gezielt zu untersuchen. Für jedes Teilproblem werden verschiedene Lösungsalternativen gesucht und in einer Matrix ( Morphologische Matrix) aufgelistet. Mit Hilfe dieses Systems, das die zusammengehörenden Einzelfaktoren aufzeigt, können Ideen und Lösungen leichter entwickelt und durch Kombination miteinander in Beziehung gesetzt werden. Die Matrix kann in Form eines Würfels dargestellt werden, der als morphologischer Kasten bezeichnet wird. Die morphologische Analyse besteht aus folgenden Einzelaspekten: 1. Problemdefinition: genaue Beschreibung des Problems oder der Aufgabe; 2. Ermittlung der konstanten oder veränderlichen Größen eines Problems (Parameter), d. h. der wichtigen Problem-, Funktions-, Beschaffenheits- oder Zweckkomponenten; 3. Erarbeitung des morphologischen Kastens in Matrixform, der in Beziehung zu den Parametern steht und die Grundlage für eine Gegenüberstellung der Lösungsvarianten bildet. 4. Bestimmung der Lösungsmöglichkeiten und Bewertung ihrer Anwendbarkeit; 5. Auswahl und Festlegung der besten Lösung. (Vgl. S CHEITLIN , 1993, S. 252). Gerhard Werst empfiehlt die morphologische Analyse nicht nur als Ideenfindungsmethode, sondern auch als Ideen-Sortiersystem sowie als System zur Bildung von alternativen Lösungen, denn durch das Aneinanderreihen, Sortieren und Ordnen nach bestimmten Kriterien erhalte man einen Überblick zu den Strukturen eines Problems. Deshalb sei die Feststellung: › Die Idee hat jetzt langsam Gestalt angenommen ‹ durchaus berechtigt. Morphologische Modelle werden auch zunehmend am Computer erstellt. Lit.: A LLEN , S. M.: Morphological creativity. Englewood Cliffs, NJ: Prentice-Hall 1962; S CHEITLIN , V.: Kreativität das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993; W ERST , G.: Die Morphologische Analyse zur Bildung von Alternativen. Neustadt/ Weinstraße 1994; W HITING , C. S.: Creative thinking. New York 1958; Z WICKY , F.: Morphological astronomy. Berlin 1957; D ERS .: Entdecken, Erfinden, Forschen im morphologischen Weltbild. München/ Zürich 1966; ENGL . A USG .: Discovery, invention, research. New York 1969. Morphologische Matrix (morphological matrix): Diese Methode wurde, wie der morphologische Kasten, von Fritz Zwicky entwickelt. Sie ist eine Art »Rasterfahndung« nach Ideen und stellt eine Vereinfachung des dreidimensionalen Kastenprinzips dar. Die Teilaspekte eines Problems werden systematisch kombiniert. Anschließend wird aus den gewonnenen Formen ein vollständiges Raster der möglichen Lösungsideen entwickelt. Diese Methode kann sowohl einzeln als auch in der Gruppe angewandt werden. Zur Beschleunigung der Ras- <?page no="199"?> 195 Motivation tereintragung empfiehlt es sich, ein Formblatt zu verwenden bzw. eine Flipchart, Tafel oder Pinwand. Morphologische Methode morphologischer Kasten Morphologisches Tableau morphologischer Kasten Motivation (motivation): die Bestimmung des Willens und Verhaltens durch den Beweggrund, die Ursache, der Anlass, Antrieb und die Bereitschaft zum Handeln durch bestimmte Motive. Die Motivation ist ein notwendiges Moment bewusster, praktischer, verändernder Tätigkeit und verleiht uns die Richtungsorientierung, Aktivität und Beharrlichkeit. Sie resultiert sowohl aus inneren als auch aus äußeren Beweggründen. Hierbei unterscheidet man intrinsische und extrinsische Motivation. Eine sachbezogene, zielgerichtete Motivation kann kreative Prozesse beflügeln. Die Motivation zur Kreativität, zum schöpferischen Hervorbringen oder Gestalten, hat vor allem intrinsischen Charakter. Kreative Personen sind meist hoch motiviert. Sie gehen ganz in ihrer Tätigkeit auf und können über ihrer Arbeit „den Rest der Welt vergessen.“ Auch verbringen sie viel mehr Zeit damit als der Durchschnittsmensch. Eine Arbeitswoche von 60 bis 80 Stunden ist bei ihnen keine Seltenheit. Weil sie mehr Zeit damit verbringen, „über ihr jeweiliges Problem nachzudenken, steigt die Wahrscheinlichkeit eines glücklichen Zufalls auf ein Maximum an. Zusammenfassend heißt dies, dass Motivationsunterschiede zu individuell signifikanten Produktivitäts- und Kreativitätsunterschieden führen können, auch wenn bei jedem Menschen ähnliche Denkprozesse beteiligt sind.“ (W EISBERG , 1989, S. 191). Auch Konflikte können ein wichtiger Antrieb für das kreative Schaffen sein, um sie dadurch zu verarbeiten. Nach Auffassung des US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl R. Rogers (1902-1987) besteht die Motivation zur Kreativität im „Bestreben des Menschen, sich selbst zu aktualisieren“, d. h. sich selbst zu verwirklichen. Damit meint er die Zielgerichtetheit, den „Drang nach Expansion, Ausdehnung, Entwicklung und Reife; die Tendenz, alle Kapazitäten des Organismus oder des Selbst zum Ausdruck zu bringen und zu aktivieren“, um das zu werden, wozu die Anlagen und Möglichkeiten im Menschen bereits vorhanden sind. Diese Tendenz bezeichnet Rogers als „die primäre Motivation für Kreativität“ und glaubt, „dass sie in jedem Individuum existiert und nur auf die richtigen Bedingungen wartet, um freigesetzt und ausgedrückt zu werden.“ (R OGERS , 2004, S. 340). Der Arzt und Psychologe Narziß Kaspar Ach (1871-1946) entdeckte das Schwierigkeitsgesetz der Motivation. Es besagt, dass schwierige Aufgaben den Menschen zu einer Steigerung seiner Motivation veranlassen. Mit der Schwierigkeit der Aufgabenstellung wachse auch der Wille, dieses Problem zu lösen. Ach wies auf das besondere Energiepotenzial des Willens hin, denn der Wille ermögliche es den Menschen, ihre Handlungsziele auch gegen Widerstände und Hemmnisse (z. B. Ermüdungserscheinungen) über längere Zeit hinweg zu verfolgen. Große Belastungen führen bei kreativen Persönlichkeiten nicht unweigerlich zum Zusammenbruch, sondern oft zu erhöhter Motivation und Leistungssteigerung. Der Arzt und Psychoanalytiker Kurt Robert Eissler (1908-1999) bemerkt dazu: „Das Rätsel des Genies ist, dass die scheinbar fürchterlichsten Belastungen und Deformierungen seiner Persönlichkeit nicht zum krankhaften Zusammenbruch führen, sondern den Acker bilden, aus dem höchste Werte sprossen.“ (E ISSLER , 1984, S. 24). Dies kann gewissermaßen auch eine Trotzreaktion sein, nach der Devise: „Denen werde ich es zeigen! “, wodurch der Stachel zum Erfolg gelockt wird. Ähnlichkeiten finden sich in neueren Modellen zur Anstrengungskalkulation. Als <?page no="200"?> Motivatoren 196 Motivationsgründe für Führungskräfte bzw. Unternehmer werden häufig folgende Faktoren genannt: 1. Streben nach Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung 2. Möglichkeit, die eigenen Ideen zu verwirklichen 3. Aus Selbstbestimmung und Umsetzung eigener Ideen entsteht Freude und Zufriedenheit. Der eigentliche Reiz am Entrepreneurship liegt also nicht vordergründig „im zu Erwerbenden, sondern vielmehr in der Tätigkeit des Erwerbs.“ (H ORNEBER , 2013, S. 2). Lit.: A CH , N.: Zur neueren Willenslehre. In: Bericht 15. Kongress deutscher Gesellschaft Psychologie. Jena 1936, Jena 1937; A TKINSON , J. W.: An introduction to motivation. Princeton/ New York 1966; dt. Ausg.: Einführung in die Motivationsforschung, 3 Bde., Stuttgart 1975 ff.; B ECK , R. C.: Motivation. Theories and principles, 5 th Edition, Upper Saddle River. New Jersey 2004; C OLLINS , M. A./ A MABILE , T. M.: Motivation and creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 297-312; E ISSLER , K. R.: Prinzipielles zur Psychoanalyse des Genies. In: Jahrbuch für Psychoanalyse, 8, 1975, S. 7-47; ZITIERT IN : Kraft, Hartmut (Hrsg.): Psychoanalyse, Kunst und Kreativität heute. Die Entwicklung der analytischen Kunstpsychologie seit Freud. Köln 1984: Heinzel, H.: Zielwirksam führen aus transaktionsanalytischer Sicht, II: Motivation und Demotivation im Unternehmen. Renningen 2008; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; H UGO -B ECKER , A./ B ECKER , H.: Motivation. Neue Wege zum Erfolg (Beck-Wirtschaftsberater im dtv, 5896), München 1997; J OPT , U.-J.: Anstrengungskalkulation - ein methodischer Artefakt? ZEAP 25, 1978, S. 274-288; K EHR , H. M.: Motivation und Volition. Funktionsanalysen, Feldstudien mit Führungskräften und Entwicklung eines Selbstmanagement-Trainings (SMT); (Reihe: Motivationsforschung, Band 20), Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2004; N ERDINGER , F. W.: Motivation von Mitarbeitern. Hogrefe, Göttingen, Bern, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2003; R HEINBERG , F./ V OLLMEYER , R.: Motivation (Grundriss der Psychologie, Bd. 6; Urban-Taschenbücher; Bd. 555), Stuttgart, Berlin, Köln, 8. Aufl. 2011; R OGERS , C. R.: Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der Sicht eines Therapeuten. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jacqueline Giere. Mit einem Vorwort von Reinhard Tausch (= Konzepte der Humanwissenschaften), 15. Aufl., Stuttgart 2004; S CHMALT , H.-D.: Motivationspsychologie. (Urban- Taschenbücher; Bd. 380), Stuttgart/ Berlin/ Köln/ Mainz 1986; S PRENGER , R. K.: Mythos Motivation. Wege aus einer Sackgasse. Frankfurt am Main, New York, 20. Aufl., 2014; W EISBERG , R. W.: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Motivatoren (motivators): Motivationsfaktoren, die Erfolgserlebnisse in Aussicht stellen, wie Arbeitszufriedenheit, Bedürfnis nach Anerkennung, Beförderung, Entscheidungsverantwortung, Selbstbetätigung und Selbstverwirklichung, Vorwärtskommen, Entfaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse führt zu beträchtlicher Leistungssteigerung. Satisfiers multiple Kreativität (multiple creativity): Theorie der vielfachen Kreativität; Mehrdimensionalität der menschlichen Kreativität; von Rainer M. Holm-Hadulla entworfen. Er schlägt vor, in Anlehnung an den Begriff der multiplen Intelligenz von multipler Kreativität zu sprechen, weil es in allen Bereichen menschlicher Tätigkeit vielfältige Ausdrucksformen von kreativen Leistungen gibt. Daraus resultiert die Aufgabe, „Eigenschaften zu differenzieren, die kreative Persönlichkeiten und ihr jeweiliges Betätigungsfeld auszeichnen.“ (H OLM - H ADULLA , 2010, S. 31 f.) Howard Gardner weist nach, „dass es mehrere Arten gibt, kreativ zu sein; man sollte nicht eine Form mit den anderen verwechseln“ (etwa Problemlösung oder künstlerische Produktion). Die Lebensumstände, die die Menschen „zu einer Form von Kreativität führen“, können „jeweils unterschiedlich sein. „Wissenschaftler mit vielen Jahren Forschungserfahrung, die erforderlich sind, um ein Problem zu lösen oder eine Theorie aufzustellen, unterscheiden sich völlig von Kreativen, die sich am meisten in ihrem Element fühlen, wenn sie vor einem Publikum stehen. Und selbst innerhalb dieser Gruppen gibt es Unterschiede: Durchgestaltete Auftritte verlangen ganz andere Gemütsanlagen und Fähigkeiten als Auftritte mit hohem Einsatz.“ Gardner nennt vier Persönlichkeitstypen kreativer Intelligenz: „Meister, Neuerer, Selbstbeobachter und Beeinflusser.“ (G ARDNER , 1999, S. 82). Dement- <?page no="201"?> 197 Myers-Briggs Type Indicator (MBTI) sprechend können wir also die Virtuosität, Innovation, Introspektion und die Wirksamkeit einer kreativen Persönlichkeit unterscheiden. Auch Karl-Heinz Brodbeck meint, die Kreativität sei so „vielfältig wie die menschliche Lebenswelt.“ (B RODBECK , 1999, S. 2 f.). Alle wissenschaftlichen und technischen Erfindungen, Entdeckungen sowie die künstlerischen Werke auf den Gebieten der Literatur, Musik, der bildenden und angewandten Künste, Film, Theater, Werbung, Ökonomie und viele andere Bereiche des Lebens beruhen auf menschlicher Kreativität. Die gesamte Menschheitsgeschichte ist eigentlich Kreativitätsgeschichte, denn ohne den schöpferischen Menschen mit seinen Anlagen und Talenten, seiner Begabung, Originalität, Phantasie und Neugier, seinem Ideen- und Erfindungsreichtum und seiner Kunstfertigkeit wäre der Aufbau der menschlichen Welt gar nicht denkbar. Immer, wo es um die Lösung von kleinen und großen Problemen, um Entscheidungen von Belang und vor allem um die Hervorbringung von Neuem, bis dahin noch nie Dagewesenen und originellen Ideen geht, ist die schöpferische Fähigkeit des Individuums und kreativer Teams gefragt. Um die Anforderungen und gesellschaftlichen Probleme in der Gegenwart und Zukunft zu lösen, aber auch für den angestrebten Erfolg jedes einzelnen ist Kreativität unverzichtbar. Es geht also um die ganzheitliche Erfassung der Kreativität, um eine multiple Kreativitätstheorie. Lit.: B RODBECK , K.-H.: Entscheidung zur Kreativität. Darmstadt ²1999; G ARDNER , H.: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Aus dem Englischen von Andreas Simon. Frankfurt am Main/ New York 1999; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; M AC K INNON , D. W.: Creativity. A multi-faceted phenomenon. In: Roslansky, J. D. (Ed.): Creativity. A discussion at the Nobel conference. Amsterdam 1970, pp. 17-32. Multitasking Vielbeschäftigung; die Fähigkeit, mehrere Arbeitsvorgänge gleichzeitig zu bewältigen. Kreative Persönlichkeiten arbeiten oft an mehreren Projekten gleichzeitig und nutzen dabei unterschiedliche Methoden. Dies verhindert, dass sie sich langweilen oder abstumpfen und beugt auch Ermüdungserscheinungen vor. Stellt sich beim Recherchieren oder bei der Lösung eines Problems eine Kreativitätsblockade ein, wechseln sie das Aufgabengebiet und arbeiten an einem anderen Vorhaben weiter. Diese Veränderung und Vielseitigkeit erzeugt unerwartete Querverbindungen, die zu fruchtbaren Ideen führen. (C SIKSZENTMIHALYI , 2003, S. 385). Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann, 6. Aufl., Stuttgart 2003; G EIßLER , K. A.: Alles. Gleichzeitig. Und zwar sofort. Unsere Suche nach dem pausenlosen Glück. (Herder spektrum; Bd. 5842). Freiburg/ Basel/ Wien 2004. Myers-Briggs Type Indicator (MBTI) ein Kreativitätstest zur Feststellung kognitiver Persönlichkeitsmerkmale (zur Messung des Persönlichkeitstyps); wurde 1962 von Isabel Myers-Briggs nach der Theorie von Carl Gustav Jung (1875-1961) konzipiert. Im Test sollen vier Persönlichkeitsdimensionen gemessen werden, um die wissenschaftlichen Fähigkeiten festzustellen, die es ermöglichen, zwischen kreativen und nicht-kreativen bzw. weniger kreativen Versuchspersonen zu differenzieren. Die einzelnen Aufgaben umfassen jeweils zwei grundlegende Geisteshaltungen: 1. Extraversion und Introversion 2. Sinneseindruck und Intuition 3. Denken und Fühlen 4. Wahrnehmen und Urteilen Lit.: M YERS -B RIGGS , I.: The Myers-Briggs type indicator. Educational Testing Service. Princeton/ New York 1962; S TOCKHAMMER , H.: Sozialisation und Kreativität. Theorien, Techniken, Materialien. (Klagenfurter Beiträge zur Philosophie, hg. von Thomas Macho und Christof Šubik; Reihe: Gruppendynamik und Organisationsentwicklung 2), Wien 1983. <?page no="202"?> n-achievement 198 N n-achievement Abk. für achievement need (Leistungsbedürfnis). Eine Testaufgabe aus der Liste psychischer Bedürfnisse, die der US-amerikanische Psychologe Henry Alexander Murray (1893-1988) entworfen hat. Dieser Bestandteil (Item) bezieht sich auf das Bedürfnis, bei kreativen Unternehmungen und Wettbewerben erfolgreich zu sein. Das Konzept einer »achievement motivation« Leistungsmotivation erlangte 1953 durch die Forschungen von David Clarence McClelland, John William Atkinson, Russell A. Clark und Edgar L. Lowell weitverbreitete Popularität. Ein projektives Maß dieses Leistungsbedürfnisses (nachievement) wandten die Forscher auf der Basis des Thematic Apperception Test (TAT) an. Lit.: M C C LELLAND , D. C./ A TKINSON , J. W./ C LARK , R. A./ L OWELL , E. L.: The achievement motive. New York 1953; M URRAY , H. A.: Explorations in personality. New York 1938. Nebenfeldintegration (integration of surrounding field): Da ein Problem auch von seinem Umfeld, von seiner Umgebung beeinflusst wird, sollen mit dieser Methode auch die Nebenfelder des Problems in die Lösungsfindung einbezogen werden, um seine Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Die Lösungsvorschläge können somit besser dem Problemumfeld angepasst werden. Zunächst werden für das zu lösende Problem alle wichtigen Nebenfelder bestimmt, mit denen eine Wechselwirkung besteht oder angenommen wird. Von den dabei gefundenen Bestandteilen werden mögliche Lösungsvorschläge abgeleitet, kritisch beurteilt und weiterentwickelt. Danach werden sie und ihre einzelnen Elemente in die angestrebte Lösung integriert. Die Durchführung erfolgt in folgenden Schritten: 1. Problemstellung 2. Problemklärung 3. Neuformulierung des Problems 4. Bestimmung der Nebenfelder 5. Benennung der einzelnen Elemente aus den Nebenfeldern 6. Lösungsfindung 7. Auswertung. (W ACK / D ETLINGER / G ROTHOFF , 1998, S. 125 f.) Diese Kreativitätstechnik kann einzeln oder in der Gruppe durchgeführt werden. Lit.: W ACK , O. G./ D ETLINGER , G./ G ROTHOFF , H.: Kreativ sein kann jeder. Kreativitätstechniken für Leiter von Projektgruppen, Arbeitsteams, Workshops und von Seminaren. Ein Handbuch zum Problemlösen. Hamburg ²1998. Negativkonferenz (negative transfer): Umkehrung der klassischen Brainstorming- Methode. Anstelle von Lösungen werden Probleme gesucht. Die gewonnenen Probleme werden für ein separates Brainstorming verwendet. Ähnliche Kreativitätstechniken sind Destruktiv-konstruktives Brainstorming, negatives Brainstorming, Kopfstandtechnik Neudefinition (redefinition): auch Neudefinieren bzw. Transformation: eine Art der Informationsveränderung, die kreative Fähigkeit, einen Gegenstand anders als vorher zu in- <?page no="203"?> 199 neurobiologische Kreativitätsforschung terpretieren und ihn zu einem völlig neuen Zweck oder in einem neuen Zusammenhang zu verwenden, wenn er eine andere Bedeutung erhält; eine Revision, wenn z. B. ein System modernisiert oder umorganisiert wird; auch eine Neuformulierung, wenn z. B. eine Theorie revidiert wird. Eine bewährte Kreativitätstechnik dafür ist die Osborn-Checkliste. Die Fähigkeit zur Neudefinierung bedeutet, „dass man ganz grundlegende Begriffe neu fasst und damit völlig neue Gesichtspunkte liefert bzw. neue Bewegungen anstößt.“ (L ENK , 2000, S. 95) Die Neudefinition eines Bereichs bzw. Problems bringt eine neue Sichtweise hervor, verändert aber das Aufgabengebiet nicht. Lit.: G UILFORD , J. P.: Basic problems in teaching for creativity. In: C. W. Taylor/ F. E. Williams (Eds.): Instructional media and creativity. New York 1966, pp. 71-103; dt. Teilübersetzung: Grundlegende Fragen bei kreativitätsorientiertem Lehren. In: Mühle, G./ Schell, C. (Hrsg.): Kreativität und Schule (Erziehung in Wissenschaft und Praxis, hg. von Andreas Flitner, Bd. 10), München ³1973, S. 139-164; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. Neugier kreative Neugier neurobiologische Kreativitätsforschung (neurobiological creativity research): Sie erforscht den Strukturaufbau und Strukturabbau, d. h. wie das Gehirn im Chaos von ungeordneten Erregungen und Wahrnehmungen zusammenhängende Strukturen ausbildet und diese auch wieder auflöst. Im Gehirn, besonders in der präfrontalen Hirnrinde (Kortex), finden hochdifferenzierte kognitive (erkenntnismäßige) Prozesse statt, die mit zusammenhängender mentaler Strukturbildung und der Erschaffung neuer Formen zusammenhängen. Auch unter neurobiologischem Aspekt scheint Kreativität „in einem Wechselspiel von Ordnung und Chaos, Schöpfung und Zerstörung stattzufinden.“ (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 65 f.) Für die kreative Neuformulierung bekannter Wissensbestände scheint die Interaktion von fokussiertem und frei-assoziativem Denken von großer Bedeutung zu sein. (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 69). Unter neurobiologischem Aspekt ist die Intelligenzleistung ein kreatives Problemlösen unter Zeitdruck. (Roth, 2010). Das permanent sich selbst neu organisierende System des Gehirns ist ein Abbild der gewöhnlichen oder alltäglichen Kreativität, denn das Gehirn kann in kürzester Zeit neue neuronale Verbindungen erzeugen und die Übertragungsstärke vorhandener Synapsen verändern. (Andreasen, 2005) Aus neurowissenschaftlicher Sichtweise werden kreative Prozesse durch ein Gleichgewicht von Konzentration und Distraktion (Zerstreuung) begünstigt. Dies entspricht den psychologischen Theorien zur Balance von konvergentem und divergentem Denken. Die neurobiologische Kreativitätsforschung untersucht z. B. die Fragestellung, wie kreative Leistungen entstehen. Dabei erfolgt die Messung der Hirnaktivität während des kreativen Problemlösungsprozesses. Lit.: A NDREASEN , N. C.: Creativity and mental illness: Prevalence rates in writers and their first-degree relatives. In: American Journal of Psychiatry. 144, 1987, pp. 1288-1292; A NDREASEN , N. C.: The creating brain. The neuroscience of genius. New York/ Washington D.C., Dana Press 2005; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011; K AUFMAN , A. B./ K ORNILOV , S. A./ B RISTOL , A. S./ T AN , M./ G RIGORENKO , E. L.: The neurobiological foundation of creative cognition. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 216-232; L ENK , H.: Kleine Philosophie des Gehirns. Darmstadt 2001; M ARTINDALE , C.: Biological bases of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge 1999, pp. 137-152; M ARTINDALE , C./ A RMSTRONG , J.: The relationship of creativity to cortical activation and its operant control. In: Journal of Genetic Psychology, 124, 1974, pp. 311-320; M ARTINDALE , C./ G REENOUGH , J.: The differential effect of increased arousal on creative and intellectual performance. In: Journal of Genetic Psychology, 123, 1973, pp. 329-335; Martindale, C./ Hasenfus, N.: EEG differences as a function of creativity, stage of the creative process, and effort to be original. In: Biological Psychology, 6, 1978, pp. 157-167; M ARTINDALE , C./ H INES , D.: Creativity and cortical activation during creative, intellectual, and EEG feedback tasks. In: Biological Psychology, 3, 1975, pp. 71-80; R OTH , G.: Vernetzte Neuronen und neue Ideen. Gehirn, Intelligenz und Kreativität. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 15-28. <?page no="204"?> Offenes Problemlösungsmodell (OPM) 200 O Offenes Problemlösungsmodell (OPM) (Model for Open Problem Solving): eine Weiterentwicklung des kreativen Problemlösungsmodells (CPS: Creative Problem Solving). kreatives Problemlösen Lit.: G ESCHKA , H.: Das offene Problemlösungsmodell (OPM) und andere Problemlösungsstrategien. In: Preiß, J. (Hrsg.): Jahrbuch der Kreativität. Köln 2010, S. 82-100; G ESCHKA , H./ Z IRM , A.: Kreativitätstechniken. In: Albers, S./ Gassmann, O. (Hrsg.): Handbuch Technologie- und Innovationsmanagement. Wiesbaden ²2011, S. 283 f., 288-291. Offenheit für Erfahrungen (openness to experiences): Der Faktor Offenheit für (neue) Erfahrungen, Eindrücke, Erlebnisse, Kenntnisse und Erkenntnisse wird als die wichtigste Eigenschaft kreativer Persönlichkeiten bezeichnet. (Kaufman et al., 2008, p. 102; Kruse, 2011, S. 11; Horneber, 2013, S. 164, 168-172). Die Bezeichnung „openness to experience“ geht auf den US-amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl Ransom Rogers (1902- 1987) zurück. (Rogers, 1961; vgl. Reckwitz, 2012, S. 219). Personen, die gegenüber dem Neuen aufgeschlossen sind, an Erlebnissen und Eindrücken interessiert ist, aktuelle Trends verfolgen, Fragen stellen, können sich auch den veränderten Bedingungen der Umwelt anpassen. Sie lassen sich auf neue Ideen ein, beurteilen sich selbst als vielfältig interessiert, wissenshungrig, kreativ, sind auch aufgeschlossen gegenüber neuen Theorien, nehmen am kulturellen Geschehen teil, hinterfragen bestehende Normen und Wertvorstellungen kritisch und sind bereit, sich mit neuen ethischen, politischen und sozialen Themen und Orientierungen zu beschäftigen. Lit.: H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; Kaufman, J. C./ Plucker, J. A. & Baer, J. (Eds.): Essentials of creativity assessment. Hoboken: John Wiley & Sons 2008; K RUSE , A. (Hrsg.): Kreativität im Alter (Schriften des Marsilius-Kollegs, Bd. 4; Universität Heidelberg), Heidelberg 2011; R ECKWITZ , A.: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Berlin 2012; R OGERS , C. R. (Ed.): On becoming a person. A therapist’s view of psychotherapy. Boston 1961. Open Space Technology (Offene Raum-Technik); ein Forum der offenen Tagungs- und Konferenzgestaltung; 1997 von dem Organisationsberater Harrison Owen in den USA entwickelt. Er nutzte die Tatsache, dass kreative Gedanken und originelle Lösungsvorschläge oft am Rande von Seminaren und Konferenzen erfolgen, vor allem in den Kaffeepausen und abendlichen Zusammenkünften. In ungezwungener Atmosphäre kann der Ideenfluss der Teilnehmer frei zirkulieren. In den Pausengesprächen werden meist die gehörten Referate kritisch bewertet und Gegenargumente frei geäußert, weil zahlreiche Teilnehmer eine gewisse Scheu haben, diese offen im Plenum anzusprechen. Dabei werden persönliche Konktakte geknüpft, oft neue Aspekte und Sichtweisen geäußert und wertvolle Informationen ausgetauscht. Auf Grund dieser Erfahrungen verbesserte Owen die Seminar- und Konferenzgestaltung, um den Bedürfnissen der Teilnehmer den größtmöglichen Spielraum zu gewährleisten. Bei der Gruppenarbeit wirkt sich ein zwangloses Umfeld positiv auf den Gedankenfluss aus. Das kreative Feld kann damit Synergieeffekte auslösen. Die Open-Space-Methode nutzt einen offenen Raum, in dem viele Menschen zum Gedankenaustausch zusammenkommen. Davon erhofft <?page no="205"?> 201 Organisierte Kreativität man sich einen intensiven Gedankenaustausch mit zahlreichen Ideen und Lösungsvorschlägen, also ein hohes kreatives Potenzial. Ein solches Meeting, an dem bis zu tausend Teilnehmer anreisen, dauert meist mehrere Tage. Im Open Space organisieren die Teilnehmer selbst ihr kreatives Feld. Jeder Teilnehmer kann frei wählen, an welchen Zusammenkünften er mitwirken und wie er sich daran beteiligen möchte. Für diese offene Form der Großveranstaltung gelten folgende Kriterien: 1. Gleichbehandlung aller Teilnehmer 2. Gruppenprozess - spontan geäußerte Ideen können kreative Lösungen enthalten; 3. Beginn und Ende der Sitzungen sind flexibel, ohne festgelegte Zeitvorgaben. 4. Werden keine Ideen und Vorschläge mehr eingebracht, wird das Meeting beendet. „Das Gesetz der zwei Füße“ besagt, dass die Abstimmung mit den Füßen erfolgt, d. h. der Teilnehmer geht in die Gruppe bzw. in den Workshop, deren Thematik ihn interessiert. Wenn er feststellt, dass er dort nichts Neues erfährt oder selbst nichts dazu beitragen kann, verlässt er diese Gruppe und begibt sich in eine andere. Alle Ergebnisse der einzelnen Workshops werden protokolliert und den Teilnehmern zugänglich gemacht. Ablauf der Open-Space-Methode: 1. Begrüßung und Eröffnung des Diskussionsforums durch den Moderator 2. kurze Einführung in das Thema der Veranstaltung; Grundlagen für die gemeinsame Arbeit 3. Verfahrensweise der Gruppenarbeit: die Teilnehmer tragen sich für die einzelnen Workshops ein, die sie besonders interessieren. 4. Die Gruppen stellen ihre Ergebnisse im Plenum vor. Auch Anschlussprojekte und ein Ausblick auf das nächste Zusammentreffen werden vorgestellt. Die Teilnehmer, die auch weiter daran mitarbeiten möchten, tragen sich in eine Liste ein. Am Ende der Veranstaltung werden die gewonnenen Erkenntnisse, Ideen und Lösungsvorschläge im Plenum ausgestauscht. (Feedback). Der Nachteil solcher Großveranstaltungen besteht in dem hohen Organisationsaufwand. (S ARTORIUS , 2010, S. 50-52). Lit.: B ERGMANN , U.: Erfolgsteams - der ungewöhnliche Weg, berufliche und persönliche Ziele zu erreichen. Landsberg 1998; B UROW , O.-A.: Ich bin gut wir sind besser. Erfolgsmodelle kreativer Gruppen. Stuttgart 2000; M ALEH , C.: Open Space. Effektiv arbeiten mit großen Gruppen. Ein Handbuch für Anwender, Entscheider und Berater. Weinheim 2000; O WEN , H.: Open Space Technology. San Francisco: Berrett-Koehler 1997; P ETERSEN , H. C.: Open Space in Aktion. Kommunikation ohne Grenzen. Paderborn: Junfermann 2000; S ARTORIUS , V.: Die besten Kreativitätstechniken. New Business Line - Arbeitstechniken. Redline: München 2010. Operationale Kreativität (operational creativity): Sie befasst sich mit Neuerungsprozessen (Innovationen) im soziotechnischen System von Firmen und Zweckorganisationen, also mit Produkt-, Verfahrens- und Sozial-Innovationen.“ (S CHEITLIN , 1993, S. 23 f.) Lit.: S CHEITLIN , V.: Kreativität. Das Handbuch für die Praxis. Zürich 1993. Organisierte Kreativität (organizational creativity): Kreative Leistungen stehen nicht in einem Gegensatz zur Institutionalisierung der Entwicklung von Wissenschaft, Kunst und Technik, sondern sind das Ergebnis systematischer, vertiefter Auseinandersetzung mit Problemen. Sie beruhen auf einer breiten Wissensbasis und auf praktischer Erfahrung. Sie entdecken Beschränkungen und überwinden diese begründet. Kreative Leistungen sind deshalb als „Ergebnisse ›organisierter Kreativität‹ zu verstehen.“ (P LÜMACHER , 2005, S. 338). Martina Plümacher hält die These für „unhaltbar“, Kreativität entfalte sich vorwiegend außerhalb von Institutionen. Ohne institutionelle Organisation von Bildung und Forschung ließe sich die qualitativ hochentwickelte Produktherstellung nicht aufrechterhalten. <?page no="206"?> Originalität 202 Lit.: P LÜMACHER , M.: Alltägliche und organisierte Kreativität. In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongress für Philosophie 26.-30. September 2005 in Berlin. Sektionsbeiträge, 2 Bde., Berlin 2005, Bd. 2, S. 337-348. Originalität (originality): in traditionellem Sinne: Ursprünglichkeit, Besonderheit, die Fähigkeit der kreativen Persölichkeit zu außergewöhnlichen Denk-, Handlungs- und Darstellungsweisen; die Voraussetzung, ungewöhnliche Lösungsansätze und Ideen zu produzieren. Dieses Potenzial ist besonders für die Illuminationsphase des kreativen Prozesses von Bedeutung. Die wichtigsten Bewertungskriterien der Originalität sind Seltenheit, Ausgefallenheit und Qualität. Lit.: B ARRON , F.: The disposition towards originality. In: Journal of Abnormal and Social Psychology, vol. 51, 1955; Dass. in: Taylor, C. W./ Barron, F. (Eds.): Scientific creativity. Its recognition and development. Selected papers from th proceedings of the 1., 2. and 3. University of Utah conference on the identification of creative scientific talent. New York 1963, pp. 139-152; R ENZULLI , J. S./ O WEN , S. V./ C ALLAHAN , C. M.: Fluency, flexibility, and originality as a function of group size. In: Journal of Creative Behavior, 8, 1974, pp. 107-113. Ort der Kreativität (locus of creativity): Mihaly Csikszentmihalyi entwarf 1988 ein Kreativitätsdreieck, das aus drei Faktoren oder Systemen besteht, die in ihrem Zusammenspiel den Ort der Kreativität, d. h. das Auftreten einer kreativen Idee, einer Handlung oder eines kreativen Produkts bestimmen. Das Kreativitätsdreieck entsteht aus den drei Komponenten: Bereich, Feld und Person. Das Zusammenspiel dieser Faktoren erfolgt in dreifacher Hinsicht: Das Individuum ist durch genetische Anlagen, Erfahrungen und Erlebnisse geprägt; das Feld wird durch die soziale Organisation des Bereichs beeinflusst, und der Bereich oder die Domäne, in denen Kreativität stattfindet, wird besonders von der jeweiligen Kultur geprägt. Das Arbeitszimmer mit seinem Interieur und das Milieu sind ebenfalls wichtige Faktoren für die Kreativität. „Seit undenklichen Zeiten haben Künstler, Dichter, Gelehrte und Wissenschaftler auch die Schönheit der Natur gesucht, weil sie sich Inspiration von majestätischen Gipfeln oder donnernder Brandung erhofften. Aber was kreative Individuen letztlich von anderen Menschen unterscheidet, ist die Fähigkeit, ihrer Umgebung, sei sie nun luxuriös oder ärmlich, eine ganz persönliche Note zu geben, die dem Rhythmus ihrer Gedanken und Gewohnheiten entspricht. Innerhalb dieser selbstgestalteten Umgebung können sie die übrige Welt vergessen und sich voll und ganz der Muse hingeben. (C SIKSZENTMIHALYI , 1997, S. 185). kreative Umwelt Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Society, culture, and persons. A systems view of creativity. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Cambridge, UK et al. 1988, S. 325-339; C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997; F REITAG , E.: „Genio huius loci” - Der kreative Ort. In: ART & GRAPHICmagazine. Akademiezeitung der Firma Faber-Castell, Nr. 13/ Oktober 2005, S. 46-53. Osborn, Alex F. (1888-1966) US-amerikanischer Werbepsychologe; 1919: Mitbegründer der Werbeagentur BBD&O (Batten, Barton, Durstine & Osborn advertising agency) in New York. Unter seiner Obhut wurden seit 1949 an der State University of New York in Buffalo kreative Problemlösungskurse (problem-solving-courses) durchgeführt, an denen Studierende aller Studienrichtungen teilnehmen konnten. 1954 konstituierte er die „Creative Education Foundation“; 1960 wurde er Recipient of the Chancellor’s Medal of the University of Buffalo; Osborns Vision führte 1967 zur Gründung des „Center for Studies in Creativity“ am Buffalo State College, unter der Direktion von Sidney J. Parnes. 1984 wurde der „Alex F. Osborn (AFO) Visiting Professorship“ ins Leben gerufen, in Anerkennung seiner grundlegenden Verdienste für die Kreativitätsförderung und seiner Bestrebungen, einen kreativen <?page no="207"?> 203 Out-of-the-Box-Denken Trend in die amerikanische Erziehung zu bringen. Osborn gilt als Begründer der angewandten Kreativitätsforschung, die speziell die „Entwicklung von Methoden zur Hervorbringung von wissenschaftlichen Entdeckungen, technischen Erfindungen und anderen Innovationen zum Inhalt hat.“ (P IMMER , 1995, S. 29). Er entwickelte 1938 das Brainstorming (auch als „klassisches Brainstorming“ bezeichnet), das als Vorbild für zahlreiche Varianten von Kreativitätstechniken und Problemlösungsmethoden dient. ( Brain-Techniken). 1962 entwarf Osborn eine Checkliste für neue Ideen ( Osborn-Checkliste). Angewandte Kreativität Lit.: O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative problem-solving. Scribner: 1. edition, New York 1953; 2. edition 1963; 3 rd revised edition. Ninth Printing Hadley, Massachusetts 2006; D ERS .: Is education becoming more creative? An address given at the seventh annual Creative Problem- Solving Institute, University of Buffalo, 1961; D ERS .: Development in creative education. In: Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 19-29. Osborn-Checkliste eigtl. Checkliste für neue Ideen (check list for new ideas); nach ihrem Erfinder, dem US-amerikanischen Werbepsychologen Alex F. Osborn benannt, der diese Kreativitätstechnik entwickelt hat. Mit deren Hilfe kann eine bereits bekannte Idee oder ein vorliegendes Produkt neu hinterfragt, aus einer anderen Perspektive betrachtet bzw. verfremdet werden, um daraus originelle Produktideen bzw. Lösungsansätze für ein Problem zu finden. Die Checkliste erleichtert das Anpassen, Umstrukturieren und Übertragen von Ideen auf das gesuchte Problem. So können z. B. Veränderungsmöglichkeiten eines Produkts systematisch herausgefunden werden. Die Checkliste besteht meist aus neun Fragen oder Punkten: 1. Anders verwenden! - Gibt es eine andere Verwendungsmöglichkeit oder ein anderes Einsatzgebiet dafür? 2. Adaptieren - eine Idee oder ein Produkt den neuen Anforderungen anpassen. Gibt es dazu Parallelen? Welche Vergleiche lassen sich anstellen? 3. Modifizieren - die Idee oder das Produkt abwandeln, verändern. Kann man Bedeutung, Farbe, Bewegung, Klang, Geruch, Form, Größe verändern bzw. hinzufügen? Was lässt sich noch verändern? 4. Vergrößern (magnifizieren) - die Idee oder das Produkt in größeren Dimensionen (Abmessungen) vorstellen; etwas hinzufügen, erweitern; 5. Verkleinern: in kleineren Dimensionen denken; Lässt sich das Produkt kleiner, kompakter gestalten? Auf welche Bestandteile kann man verzichten, ohne die Funktion zu beeinträchtigen? 6. Substituieren (ersetzen, austauschen) - Was kann an der Idee oder am Produkt ersetzt werden? Was kann an deren Stelle treten? Welches andere Material kann für das Produkt verwendet werden? 7. Neuordnen bzw. umstellen, umgruppieren (rearrangieren) - Lässt sich die Reihenfolge ändern bzw. Ursache und Wirkung umstellen? Kann man Komponenten, Details, Strukturen austauschen und verändern? 8. Umkehren: Ist das Gegenteil möglich? Lassen sich Ursache und Wirkung positiv oder negativ vertauschen? - ein gedanklicher Rollentausch, um die Idee oder das Problem aus einer anderen Perspektive, gewissermaßen spiegelverkehrt zu betrachten, wodurch sich evtl. ein neuer Lösungsansatz ergibt. 9. Kombinieren - Lässt sich die Idee oder das Produkt mit anderen Ideen oder Produkten kombinieren? Die Verknüpfung der Idee mit anderen Vorstellungen, ihre Einbeziehung in größere Zusammenhänge oder ihre Zerlegung in einzelne Teile. Gelegentlich wird noch ein weiterer Punkt hinzugefügt: 10. Transformieren - Lässt sich die Idee auf ein anderes Problem übertragen, umformen oder umwandeln? Es empfiehlt sich, für jedes Problem eine eigene Checkliste anzulegen, die auch weitere Fragestellungen beinhalten kann. Osborn empfiehlt die Anwendung dieser Technik sowohl von Gruppen als auch von Einzelpersonen. Diese Methode eignet sich auch als Nachbearbeitung einer Brainstorming-Sitzung. Brainstorming Lit.: B RUNNER , A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. München 2008; O SBORN , A. F.: Development in creative education. In: Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 19-29. Out-of-the-Box-Denken Think outside the Box <?page no="208"?> Overachievement 204 Overachievement (zu: to overachieve: einen Leistungsüberschuss haben); Bezeichnung für erbrachte Leistungen einer Person, die deutlich über ihrem angenommenen bzw. durch einen Intelligenztest festgestellten Leistungsvermögen liegen. Personen, die bessere Leistungen erzielen, als ihre Intelligenz vermuten lässt, gehören zur Gruppe der Overachiever; Personen mit einem Leistungsdefizit zählen zur Gruppe der Underachiever. Underachievement P P- Kreativität Psychologische Kreativität. Der Begriff wurde von der britischen Psychologin und Philosophin Margaret A. Boden (geb. 1936) eingeführt. Sie versteht darunter die persönliche, psychisch erlebte Kreativität des Einzelnen, die relativ häufig auftritt. Nach ihrer Auffassung kann jeder Mench kreativ sein und z. B. Ideen entwickeln oder ungewöhnliche Lösungen zu Problemen finden, die für ihn persönlich absolut neu sind. Im Gegensatz dazu unterscheidet sie die sogenannte H- Kreativität (Historische Kreativität). Lit.: B ODEN , M. A.: The creative mind. Myths & mechanisms. London 1990 (dt. Ausg.: Die Flügel des Geistes. Kreativität und künstliche Intelligenz. München 1992); D IES . (Ed.): Dimensions of creativity. Cambridge, MA 1994. Paar-Kreativität Co-Kreativität peak experience Gipfelerfahrung Perseverationstendenz (perseverative tendency; auch perseverative set): die Neigung zur Ausdauer und Beharrlichkeit; eine kreative Einstellung und ein typisches Merkmal kreativer Persönlichkeiten, die sich bis zur Lösung eines Problems mit schwierigen und oft langwierigen Aufgaben, die eine hohe Konzentration erfordern, anhaltend beschäftigen. Ist diese Aufgabe gelöst, suchen sich diese Personen immer wieder neue langwierige Aufgaben, wobei sie mitunter auch das Forschungsgebiet wechseln, denn gleichartige Aufgaben erfordern eine Monotonieresistenz, die den kreativen Personen fehlt. In diesem Sinne stellt das Beharrungsvermögen kreativer Persönlichkeiten bei ein und demselben Denkinhalt kein krankhaftes Verweilen dar. (Vgl. S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 17-19). Lit.: S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007. Personale Kreativität (personnel creativity): Donald W. MacKinnon unterscheidet zwischen der personalen Kreativität, die dem Menschen zukommt, dessen größtes kreatives Produkt sein eigenes Leben ist, und der produktiven Kreativität. Lit.: M AC K INNON , D. W.: Instructional media in the nurturing of creativity. In: Taylor, C. W./ Williams, F. E. (Eds.): Instructional media and creativity, 1966, p. 179-216. <?page no="209"?> 205 Phantasie Persönlichkeitseigenschaften von Unternehmern (personality traits of entrepreneurs): Über den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens am Markt entscheiden vor allem Kreativität und Innovation. Das verlangt von den Führungskräften eine kontinuierliche Innovationsfähigkeit und kreative Strategien. Der Unternehmer soll vor allem folgende Persönlichkeitseigenschaften besitzen, um am Markt erfolgreich handeln zu können: 1. Leistungsmotivation 2. Risikobereitschaft 3. Innovativität 4. Autonomie 5. Kontrollüberzeugung 6. Selbstvertrauen (R AUCH / F RESE , 2007, pp. 48 ff.; Horneber, 2013, S. 87). In der Forschung wird davon ausgegangen, dass Unternehmer kreativer und innovativer sind als andere vergleichbare soziale Gruppen, denn für den unternehmerischen Erfolg, für die Entwicklung neuartiger Ideen und Produkte und deren Vermarktung wird Kreativität benötigt. Lit.: H ALL , R.: Brilliant business creativity. What the best business creatives know, do and say. Pearson Education Limited Harlow, England; London; New York et al. 2010; H ORNEBER , C H .: Der kreative Entrepreneur. Eine empirische Multimethoden-Studie. Wiesbaden 2013; R AUCH , A./ F RESE , M.: Born to be an entrepreneur? Revisiting the personality approach to entrepreneurship. In: Baum, J. R./ Frese, M. & Baron, R. A. (Eds.): The psychology of entrepreneurship. 1. edition. Mahwah/ New Jersey: Larence Erlbaum Associates 2007, pp. 41-66. Persönlichkeitstypen kreativer Intelligenz (personality types of creative intelligence): Der US-amerikanische Psychologe und Kognitionswissenschaftler Howard Gardner (*1943) unterscheidet vier Persönlichkeitstypen kreativer Intelligenz: 1. Meister 2. Neuerer 3. Selbstbeobachter (Introspekteur) 4. Beeinflusser (G ARDNER , 1999, S. 23-26). Dementsprechend können wir also die Virtuosität, Innovation, Introspektion und die Wirksamkeit einer Persönlichkeit unterscheiden. kreative Persönlichkeit Lit.: G ARDNER , H.: Kreative Intelligenz. Was wir mit Mozart, Freud, Woolf und Gandhi gemeinsam haben. Fankfurt am Main, New York 1999. Phantasie (fantasy, imagination): Einbildungskraft, Einfallsreichtum, Vorstellungsvermögen. Die Phantasie gilt als ein Intelligenzfaktor, weil sie zum Finden von Problemlösungen beitragen kann. Sie ist neben der Inspiration eine Hauptbedingung des künstlerischen Schaffens. Mit der Gestaltung seiner Phantasie gewinnt der Mensch „gleichzeitig eine Möglichkeit der übenden oder spielerischen Vorwegnahme der später in der Realität auf ihn zukommenden Anforderungen.“ (Battegay. In: Franzke, 1994, S. 7). Paul Matussek (1919-2003) schreibt: „Phantasien haben viele, nur wenige aber verknüpfen sie zu einer richtigen Idee. Dazu bedarf es eben mehr als der Beherrschung bestimmter Gedankenoperationen.“ Matussek ist der Auffassung, dass „erst die neue originelle, alles Bisherige sprengende Verbindung“ verschiedenartiger „Vorstellungen, Assoziationen und Phantasien“ das Schöpferische darstellt. (M ATUSSEK , 1974, S. 19) Der Soziologe Heinrich Popitz (1925-2002) unterscheidet drei Arten der Phantasie: 1. Erkundende Phantasie: Sie ist „suchend, probierend, fragend, entdeckend, erfindend - auf der Suche nach neuem Wissen.“ 2. Gestaltende Phantasie: Ihre Merkmale sind: „Artefakte technisch und künstlerisch herstellend und formend - auf der Suche nach neuen Gehalten und Weisen des Bewirkens.“ 3. Sinnstiftende Phantasie: Sie ist „deutend, begründend, rechtfertigend - auf der Suche nach neuem Sinn.“ <?page no="210"?> Potenzialität 206 Hierbei wertet Popitz die erkundende und gestaltende Phantasie als „kognitiv kreativ, insofern neues Wissen und neue Glaubensgewissheiten entstehen; gestaltende Phantasie wirkt faktisch, ›artefaktisch‹“, d. h. dadurch werden Kunstwerke durch menschliches Können hervorgebracht. Durch diese drei Formen gelinge es dem Menschen, grundlegend und dauerhaft etwas Neues zu schaffen, aus eigenen Kräften die Welt, in der er lebt, zu verändern und so als Urheber seine eigene Existenz neu zu definieren. (P OPITZ , 2000, S. 3) Die Phantasie übt meist eine kreativitätsfördernde Wirkung aus. schöpferische Phantasie Einbildungskraft Imagination Lit.: A DAMS , J.: Ich hab’s! Wie man Denkblockaden mit Phantasie überwindet. Braunschweig 1984; B ATTEGAY , R.: Geleitwort zu: Franzke, E.: Der Mensch und sein Gestaltungserleben. Psychotherapeutische Nutzung kreativer Arbeitsweisen. Bern, Göttingen, Toronto, Seattle ³1994, S. 7-8; F REUD , S.: Der Dichter und das Phantasieren. In: Sigmund Freud: Das Lesebuch. Schriften aus vier Jahrzehnten, hg. von Cordelia Schmidt-Hellerau. Frankfurt am Main 2006, S. 157-168; Dass. In: Freud, S.: Studienausgabe, hg. von A. Mitscherlich, A. Richards, J. Strachey. Frankfurt am Main 1969, Bd. 10, S. 171-179; G RASSI , E.: Die Macht der Phantasie. Zur Geschichte abendländischen Denkens (Taschenbücher Syndikat, EVA; Bd. 28). Frankfurt am Main 1984; H ECKMANN , H./ D ETTE , G. (Hrsg.): Phantasie als Leistung. Voraussetzungen der Literatur und der Wirtschaft. Drittes Symposion der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und des Gesamtverbandes der metallindustriellen Arbeitgeberverbände. Göttingen 1996; H ILLMANN , H.: Alltagsphantasie und dichterische Phantasie. Versuch einer Produktionsästhetik (Athenäum-Taschenbücher; 2130: Literaturwissenschaft), Kronberg 1977; H EMMER -J UNK , K.: Kreativität - Weg und Ziel [Europäische Hochschulschriften, Reihe 11: Pädagogik; Bd. 648], Frankfurt am Main 1995; K AMPER , D.: Macht und Ohnmacht der Phantasie. Darmstadt 1986; K NAUFF , M./ B UCHER , L./ H AMBURGER , K.: Bilder im Kopf. Wie die Phantasie unser Denken lenkt. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 91-106; K RIS , E.: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst in der Sicht der Psychoanalyse. Frankfurt/ M. 1977; M ATUSSEK , P.: Kreativität als Chance. Der schöpferische Mensch in psychodynamischer Sicht. München, Zürich 1974; P OPITZ , H.: Wege der Kreativität. Tübingen ²2000; R IBOT , T H . A.: Essai sur L'Imagination créatrice. Paris 1900; dt. Ausgabe: Die Schöpferkraft der Phantasie. Bonn 1902; W ELT , T./ D EWENDER , T. (Hrsg.): Imagination - Fiktion - Kreation. Das kulturschaffende Vermögen der Phantasie. München 2003. Potenzialität (potentiality): Potenzial, Leistungsfähigkeit. Es ist die Möglichkeit, die zur Wirklichkeit werden kann, eine Wirkungskraft, d. h. die im Individuum vorhandene Möglichkeit, die durch entsprechende Begabungs- und Kreativitätsförderung entwickelt, gesteigert und verwirklicht werden kann. Die Potenzialitäten umfassen vor allem folgende Faktoren: Anlagen Talente Lernfähigkeit Motivation Leistungswillen Neben der genetischen und sozialen Herkunft sind es vor allem Bildungs- und Erziehungsfaktoren sowie Umwelteinflüsse ( kreative Umwelt), die sich fördernd oder hemmend auf die eigene Kreativität auswirken und die Potenzialitäten im positiven oder negativen Sinne beeinflussen. Aber auch die gesellschaftlichen, ökonomischen und kulturellen Bedingungen und Einflüsse, Chancen und Möglichkeiten, das jeweilige Alter, die bisherige Lebensweise, die Zeitumstände u. a. sind hierfür relevant. Der Mensch hat nicht nur das Bedürfnis, sich zu ernähren und zu kleiden, sondern auch das Verlangen, sich schöpferisch zu entfalten und unabhängig zu werden. Vor allem das Streben nach Selbstverwirklichung setzt ungeahnte schöpferische Energien frei. Gilt es doch, seinen Lebensentwurf, seine Träume und Ideen gegen eine Welt von Hindernissen durchzusetzen. Der US-amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) erklärte: „Herauszufinden, wozu man sich eignet und eine Gelegenheit zu finden, das zu tun, ist der Schlüssel zum Glücklichsein“. (H ERRMANN , 1991, S. 109.) Der US-amerikanische Philosoph und Psychologe William James (1842-1910) widmete seine Aufmerksamkeit in besonderer Weise dem menschlichen Potenzial. Vor allem seine Annahme, dass dieses durch geeignete Techniken nutzbar gemacht werden kann, ist von großer Aktualität. Kreativitätstechniken <?page no="211"?> 207 Problemanalyse Lit.: H ERRMANN , N.: Kreativität und Kompetenz. Das einmalige Gehirn. Einführung von Roland Spinola. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Becker. Fulda 1991; M EURER , C.: Selbstverwirklichung im „New Age“ und bei John Dewey. Berlin 2000; M URPHY , G.: Human potentialities. New York 1958. Präparation (preparation): nach dem Vier-Phasen-Modell von Graham Wallas (1858- 1932) die erste Phase des kreativen Prozesses, die Vorbereitungsphase, in der die Problemwahrnehmung und Problemanalyse (Problemdefinition) erfolgt. Preiser, Siegfried (*1943): Psychologe und Kreativitätsforscher; von 1974 bis 2011 Professor am Institut für Pädagogische Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, danach Rektor der Psychologischen Hochschule Berlin Lit.: P REISER , S.: Kreativitätsforschung (Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986; D ERS .: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; D ERS .: Kreativitätsdiagnostik. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 112-125; D ERS .: Creativity research in German-speaking countries. In: J. C. Kaufman/ R. J. Sternberg (Eds.): The international handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 2006, pp. 167-201; D ERS .: Kreativität im Spannungsfeld von Chaos, Sinnstiftung und Kultur: Psychologische Beiträge. In: Schmidinger, H./ Sedmak, C. (Hrsg.): Der Mensch - ein kreatives Wesen? Kunst - Technik- Innovation. (Topologien des Menschlichen, Bd. 5). Darmstadt 2008, S. 119-131; P REISER , S./ B UCHHOLZ , N.: Kreativität. Ein Trainingsprogramm für Alltag und Beruf. Heidelberg ³2008. Primäre Kreativität (primary creativity): Der US-amerikanische Psychologe Abraham Harold Maslow (1908-1970) unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Kreativität. Die primäre Kreativität der Selbstaktualisierung ( Selbstverwirklichung) ist die Fähigkeit zur Erschaffung von Kunstwerken, von wissenschaftlichen Entdeckungen, technischen Erfindungen oder innovativen Problemlösungen, also von neuen Ideen und Informationsinhalten, die nicht allein durch Umstrukturierung oder geschickte Verarbeitung bereits bekannten Wissens erzielt wird. „Primäre Kreativität umfasst schöpferische Aspekte, die uns befähigen, vollkommen neue Gedanken zu denken, neue, überraschende und weiterführende Zusammenhänge und integrierende Gesetzmäßigkeiten zu erkennen, zu formulieren und anzuwenden. Auf dieser Fähigkeit beruht letztlich die eigentliche Innovationskraft einer Gesellschaft.“ (V OLKAMER / S TREICHER / W ALTON , 1991, S. 171). Lit.: M ASLOW , A. H.: Creativity in self-actualizing people. In: Anderson, H. H.: (Hrsg.): Creativity and its cultivation, 1959, S. 83-95; V OLKAMER , K./ S TREICHER , C./ W ALTON , K. G.: Intuition, Kreativität und ganzheitliches Denken. Neue Wege zum bewußten Handeln. Heidelberg 1991. Primärmotivation intrinsische Motivation Problem reversal (Problemumkehrung) Kopfstand-Technik Problemanalyse (problem analysis): ein analytischer Prozess, in dem Informationen gesammelt werden. Daraus folgt die Problemstellung. Durch Trennung von Ursachen und Symptomen wird der eigentliche Kern des Problems erkannt und definiert (Problemdefinition). „Auch das Unterteilen von Unterproblemen ist eine Analyse, während es sich beim Beurteilen von Unterproblemen ... um eine Synthese handelt.“ (G REGORY , 1974, S. 81). Für die Problemanalyse sind folgende Kreativitätstechniken nützlich: Progressive Abstraktion, Suchfeldauflockerung, Hypothesenmatrix, KJ-Methode oder Funktionsanalyse. <?page no="212"?> Problematisierung 208 Lit.: G REGORY , C. E.: The management of intelligence. Scientific problem solving and creativity. New York 1967; dt. Ausg.: Die Organisation des Denkens. Kreatives Lösen von Problemen. Frankfurt am Main/ New York 1974; H AGLEITNER , S.: Kreativität als Beruf. Wenn die Kür zur Pflicht und der Ausnahmezustand zur Regel wird. Graz ²2011; Problematisierung (problematization): die Phase der Problemwahrnehmung und Problemanalyse (Problemdefinition). Nach dem Sechs-Stufen-Modell von Otto Walter Haseloff die erste Phase des kreativen Prozesses, die meist als Präparation (Vorbereitungsphase) bezeichnet wird. Sie kennzeichnet „die beginnende Herauslösung der kreativen Persönlichkeit aus dem Konsensus der Gewissheiten des Urteils und des Verfahrens. ... Jeder schöpferische Prozess beginnt damit, dass eingelebte Praxisformen, Verfahrensgewohnheiten oder Wissensbereiche bei ihrer Anwendung zu spürbaren Misserfolgen führen oder aber zu den Anforderungen und Möglichkeiten neu sich konstellierender Tätigkeitsbereiche in Widerspruch geraten. ... In allen kulturellen Bereichen aber bedeutet das Problematischwerden von Wissen, Methoden und Erfahrungen wachsende Wahrscheinlichkeit für produktive Prozesse. Die Problematisierung bedeutet zugleich subjektiv eine entschiedene und manchmal auch leidenschaftliche Abwendung von der rezeptiven und schablonenhaften Befolgung jener Denk- und Beurteilungsmuster, die uns vorgegeben sind.“ (H ASELOFF , 1989, S. 307 f.). Lit.: H ASELOFF , O. W.: Über produktive Prozesse und Persönlichkeiten. In: Club Voltaire. Jahrbuch für kritische Aufklärung I. Begründet von Gerhard Szczesny und Otto Bickel. Neu hg. von Frank L. Schütte. Berlin 1989, S. 294-321. Probleme (problems): Es wird zwischen gutstrukturierten (gen. auch wohlstrukturierten) und schlechtstrukturierten Problemen unterschieden. Gutstrukturierte Probleme sind Routineprobleme. Sie können logisch und konsequent gelöst werden, weil alle Elemente des Problems bekannt sind, die in einem gesetzmäßigen Zusammenhang stehen. Meist ist hierbei nur eine Lösung möglich, so dass keine speziellen Methoden erforderlich sind. Bei schlechtstrukturierten Problemen sind nicht alle Bestandteile eines Problems bekannt und Zusammenhänge nur begrenzt erkennbar. Dies erfordert eher eine intuitive, ungerichtete Suche nach Lösungsmöglichkeiten. Wenn also kein Lösungsweg erkennbar ist, handelt es sich um ein schlechtstrukturiertes, d. h. unscharfes, verschwommenes Problem (deshalb auch als diffuses Problem bezeichnet), z. B. wenn es sich um die Entwicklung eines neuen Produkts handelt bzw. um die Konzeption der Marketing-Strategie für ein neues Produkt. Dabei sind mehrere alternative Lösungen möglich. Die optimale Lösung ist nicht eindeutig bestimmbar. Hierbei können entsprechende Problemlösungsmethoden hilfreich sein. Problemfindung Problemsensitivität Problemgruppen (problem groups): Problemtypen oder Problemarten; die Klassifizierung des zu lösenden Problems, um die dafür geeignete Methode zu ermitteln. Der Problemlösungsprozess beginnt mit der Prüfung, um welchen Problemtyp es sich handelt. In der Praxis werden meist fünf Problemgruppen unterschieden: 1. Analyseprobleme 2. Suchprobleme 3. Konstellationsprobleme 4. Konsequenzprobleme <?page no="213"?> 209 Problemlösungsbaum 5. Auswahlprobleme 1. Bei Analyseproblemen sind Strukturen, Wirkungszusammenhänge oder Gesetzmäßigkeiten zu erkennen. Dies setzt eine große Sachkenntnis voraus. Die Schwierigkeit besteht im Erkennen der Problemstrukturen. Diese sind sichtbar zu machen und die Zusammenhänge aufzuzeigen. Ohne eine gründliche Problemanalyse ist eine befriedigende Lösung kaum möglich. 2. Suchprobleme zielen auf das Suchen von alternativen Lösungen, wobei Analogien, Assoziationen und Bisoziationen von großer Bedeutung sind. Um ein Suchproblem handelt es sich auch, wenn die Schwierigkeit darin besteht, bestimmte Lösungen aus einem bereits existierenden Lösungsspektrum zu selektieren. Mit Hilfe von Suchkriterien, die durch die Definition des Problems vorgegeben sind, wird der Suchvorgang durchgeführt. Die Wahrscheinlichkeit, neue Lösungen zu finden, wird dadurch erhöht. Suchkriterien (auch Suchregeln genannt) sind: a: Die Zerlegung von Problemen in ihre Bestandteile, um eine systematische Strukturierung zu erreichen. b: Abstrahierung vom Ursprungsproblem. In diesem Stadium kommt es vor, dass das Problem nicht mehr bewusst durchdacht, aber unbewusst weiter bearbeitet wird, also die unbewusste Kombination von Gedanken und Informationen erfolgt. Das vorübergehende Außerachtlassen des Ursprungsproblems lenkt den Blick auf das kreative Umfeld. c: Bildung von Analogien, um die Ähnlichkeit oder Entsprechung von Gegenständen, Ideen, Sachverhalten oder Problemstellungen aus anderen Bereichen zu prüfen, denn auch in anderen Wissensbereichen können Lösungen für ein Problem liegen. d: Anknüpfung und Assoziation, mit dem Ziel, möglichst zahlreiche verwertbare Ideen durch einen ungehinderten Gedankenfluss zu erreichen. e: Bildliches Denken: Gut visualisierte Probleme sind anschaulicher und lassen sich dadurch einfacher lösen. Damit wird gleichzeitig die rechte Gehirnhälfte genutzt. 3. Bei Konstellationsproblemen geht es um die Anwendung vorhandenen Wissens an neue Gegebenheiten. 4. Bei Konsequenzproblemen wird durch die Befolgung erkannter Gesetzmäßigkeiten das Problem bzw. die Aufgabe gelöst. 5. Bei einem Auswahlproblem werden Alternativen nach bestimmten Kriterien auf ihren Nutzen für ein vorgegeben Ziel hin untersucht. Daneben gibt es auch heuristische Probleme, bei denen mögliche Lösungsansätze erst zu entdecken sind und die - bei Erfolg zu kreativen Lösungen führen. (P REISER , 2006, S. 52). Lit.: A RBINGER , R.: Psychologie des Problemlösens. Eine anwendungsorientierte Einführung. Darmstadt 1997; Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; W EIBER , R.: Multivariate Analysemethoden. Eine anwendungsorientierte Einführung. Berlin: Springer 2003; B RANDER , S./ K OMPA . A./ P ELTZER , U.: Denken und Problemlösen. Einführung in die kognitive Psychologie (WV-Studium; Bd. 131). Opladen ²1989; B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (= Reihe Management), Würzburg 1991; P REISER , S.: Kreativität. In: Schweizer, K. (Hrsg.): Leistung und Leistungsdiagnostik. Heidelberg 2006, S. 51-67; S CHAUDE , G.: Kreativitäts-, Problemlösungs- und Präsentationstechniken. Eschborn ³1995; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen). Würzburg ³1989. Problemlösen kreatives Problemlösen kreativer Problemlösungsprozess Problemlösungsbaum (problem solving-tree) eine Kreativitätstechnik, bei der das Problem stufenweise in seine einzelnen Bestandteile zerlegt wird. Das äußere Erscheinungsbild dieser Methode ähnelt der hierarchisch verästelnden Struktur eines Baumes mit Haupt- und Nebenästen. Dabei wird von einer übergeordneten Komponente ausgegangen, die zu untergeordneten Aspekten verzweigt wird, wodurch Details aufgezeigt werden. Die hierarchische Darstellungsform erleichtert die Strukturierung des Problems und bietet einen Gesamtüberblick über mögliche Lösungsvarianten. Bisher unabhängig voneinander betrachtete Lösungsaspekte können leicht kombiniert werden. Diese Methode zeigt damit Alternativen auf, <?page no="214"?> Problemlösungskreativität 210 die sich zu einer ungelösten Aufgabe anbieten und eignet sich für Analyse- und Konstellationsprobleme, die nicht eindeutig definiert sind. Der Ablauf erfolgt in folgenden Stufen: 1. Problembeschreibung und Problemanalyse; 2. Erste Spontanlösungen dazu können in einem Brainstorming-Verfahren gefunden werden. Anschließend ist innerhalb der Gruppe zu diskutieren und zu prüfen, welche Lösungsmöglichkeiten realisierbar sind. 3. Der Problemlösungsbaum wird in hierarchischer Struktur mit Ober- und Unterebenen in Haupt- und Nebenästen auf einer Pinwand oder einer Flipchart entwickelt. Dazu werden auch alternative Lösungsansätze und Ideen aufgezeigt und eingetragen. Diese Kreativitätstechnik eignet sich sowohl für die individuelle Arbeit als auch für die Gruppenarbeit, fordert jedoch fundiertes Fachwissen über das entsprechende Aufgabengebiet. Bei mehr als vier oder fünf aufeinanderfolgenden Gliederungsstufen, d. h. bei sehr genauen Differenzierungen, kann die Darstellung unübersichtlich werden. Dann empfiehlt es sich, zu einem komplexen Sachverhalt mehrere Problemlösungsbäume anzulegen. Als nachteilig erweist sich das relativ starre Schema, in das die Ideen und Lösungsvorschläge eingetragen werden. Welche Aspekte in welche Gliederungsebene gehören, ergibt sich aus der speziellen Aufgabenstellung, kann aber bei den Teilnehmern zu Kontroversen führen. Eine Variante zu dieser Methode ist der Relevanzbaum. Dabei wird der Problemlösungsbaum durch ein Bewertungsverfahren ergänzt. (vgl. S CHLICKSUPP , 1989, S. 99). Vergleichbare Darstellungen sind sogenannte Entscheidungsbäume und Organigramme. Mind Mapping® Lit.: S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen). Würzburg ³1989; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005. Problemlösungskreativität (creativity of problem solving): die Auffassung von Kreativität als „eine dialektische Problemlösungsstrategie“, da kreatives Denken immer die Lösungsfindung eines Problems beinhaltet. „Kreativität wird fassbar, wenn man den kreativen Prozess mit einem Problemlösungsprozess vergleicht. Denn jeder Problemlösungsprozess und jede Kreativität verlangt die Entwicklung und Anwendung einer neuen Strategie. Problemerkennung, Problemlösung und die Realisierung der Problemlösung sind daher Bestandteile einer zielgerichteten Kreativität.“ (L INNEWEH , 1994, S. 16). Kreative Prozesse hängen zwar bei klar präzisierten Aufgaben mit den Problemlösungsaktivitäten zusammen, aber Hans Lenk vertritt die Auffassung, dass man sie sehr viel allgemeiner sehen sollte. Zunächst gelte es, „intuitive Tätigkeiten der heuristischen Lösungsverfahren und genereller der Gesamtvisionen genauer zu erfassen. ... Auch die Entstehungs-, Strukturierungs- und Bildungsprozesse in der Natur sind sozusagen ›kreativ‹ schöpferisch“, was besagt, „dass man Prozesse der Neubildung, der kreativen Entwicklung durchaus auch unabhängig von der produktiven, kreativen Aktivivät des Menschen sehen kann.“ (L ENK , 2000, S. 91). Rolf Oerter ist der Auffassung, dass in vielen Fällen schon das Erkennen eines Problems eine kreative Leistung darstellt. „Sehr viele Menschen haben vor James Watt die Wirkung der Dampfkraft beobachten können, dennoch kamen vor ihm nur wenige darauf, hier ein Problem zu sehen.“ (O ERTER , 1971, S. 292). Mit diesem Topos der Problemlösungskreativität sowie einer Anzahl anderer Faktoren plädiert Hans Lenk für eine Erweiterung der Vier-Punkte-Theorie zur Erfassung der Kreativität. Kreativitätserfassung, kreativer Problemlösungsprozess Lit.: D ILLION , J. T.: Problem finding and solving. In: Journal of Creative Behavior, 16, 1982, pp. 97-111; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; L INNEWEH , K.: Kreatives Denken. Techniken und Organisation produktiver Kreativität, 6. Aufl., Rheinzabern 1994; O ERTER , R.: Psychologie des Denkens. Donauwörth 1971; R UNCO , M. A. (Ed.): Problem finding, problem solving, and creativity. Norwood, New Jersey 1994; R UNCO , M. A.: Creativity. Theories and themes: Research, development, and practice. Elsevier Academic Press, Burlington, MA, San Diego, Calif., London 2007. <?page no="215"?> 211 Produktives Denken Problemlösungsprozess, kreativer kreativer Problemlösungsprozess Problemsensitivität (sensitivity to problems): das Aufspüren und Erkennen von Problemen und Definieren entsprechender Problem- und Fragestellungen; eine kreative Fähigkeit, die sich offen und kritisch gegenüber der materiellen und sozialen Umwelt verhält, um Probleme und Verbesserungsmöglichkeiten, Widersprüche, Unzulänglichkeiten und Neuigkeiten zu entdecken. Diese Fähigkeit ist für die Phase der Präparation, der Problemwahrnehmung und der Problemanalyse kennzeichnend. Es geht darum, für Probleme überhaupt erst empfänglich zu sein, um sie als solche zu erkennen. Das Finden von Problemen ist ebenso wichtig wie das Finden von Lösungen. Die genaue Problemanalyse verbirgt mitunter bereits einen möglichen Lösungsansatz. Aus dem Problem die richtigen Fragen abzuleiten, kann für die Lösungsfindung entscheidend sein. Problemsensitivität ist das „Bemerken von neuen Problemen dort, wo scheinbar keine vorhanden sind, oder in einem Bereich, in dem Probleme nicht scharf definiert sind.“ - „Man muss im Normalen das Ungewöhnliche sehen können und dort, wo andere Leute kein Problem sehen, plötzlich etwas problematisch finden; umgekehrt muss man auch im Ungewöhnlichen das Normale sehen und erfassen können.“ (L ENK , 2000, S. 95 f.) Albert Einstein (1879-1955) vertrat die Auffassung: „Die Formulierung eines Problems ist häufig wesentlicher als die Lösung, die nur eine Frage mathematischer oder experimenteller Fertigkeiten sein kann. Eine neue Frage aufzuwerfen, neue Möglichkeiten oder alte Fragen aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten, erfordert kreative Vorstellungskraft und kennzeichnet wirklichen Fortschritt in der Wissenschaft.“ (E INSTEIN / I NFELD , 1938, p. 92). Lit.: E INSTEIN , A./ I NFELD , L.: The evolution of physics. New York 1938. (dt. Ausgabe: Die Evolution der Physik. Reinbek bei Hamburg 1995); Hu, W./ Shi, Q. Z./ Han, Q./ Wang, X., & Adey, P.: Creative scientific problem finding and its developmental trend. In: Creativity Research Journal, 22, 2010, pp. 46-52; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. Produkt, kreatives kreatives Produkt Produktives Denken (productive thinking): Der Begriff wurde 1920 von Max Wertheimer (1880-1943) eingeführt und als Gegensatz zu reproduktivem Denken definiert. Er versteht darunter das zielgerichtete schöpferische Denken. Nach seiner Auffassung besteht der Prozess produktiven Denkens in einer Verwandlung einer Situation (S¹), in der der Denkvorgang beginnt und die als „Lücke oder strukturelle Unklarheit“, als unvollständig und gestört erlebt wird, zur Situation (S²), in der die Lücke sinngemäß ausgefüllt, die strukturelle Unklarheit verschwunden und das Problem gelöst ist. Der Sprung von der Situation (S¹) zur Situation (S²) ist dabei die Umstrukturierung, die wirklich produktives Denken auszeichnet. Die Einsicht für eine brauchbare Lösung entstehe aus der Erneuerung der Wahrnehmung und zeige einen bekannten Sachverhalt aus neuer Perspektive. Das Problemlösen gehe einher mit der Ausbildung einer neuen kognitiven Struktur. Für diesen Wechsel prägte Wertheimer den Begriff der Umstrukturierung. Wahrnehmen und produktives Denken beschrieb er als Erkenntnisprozesse, deren Gleichartigkeit es herauszustellen gilt. Die Wahrnehmung mündet in eine erste Struktur im Erkennen. Das produktive Denken leistet einen Strukturwechsel, eine Umstrukturierung. Es führt meist zu einer neuen, bisher unbekannten Sichtweise eines Problems, woraus sich meist auch ein neues Lösungsmodell ableiten lässt. Produktives Denken beinhaltet die Konfliktanalyse (Warum funktioniert etwas nicht? ), die Materialanalyse (Was steht mir zu Verfügung? ) und die Zielanalyse (Was brauche ich und was kann ich entbehren? ). (B EITZ , 1996, S. 90). Demgegenüber wird beim reproduktiven Denken nur auf das verfügbare Wissen zurückgegriffen und dieses auf die Problemlösung übertragen. divergentes Denken <?page no="216"?> Produktive Kreativität 212 Lit.: B EITZ , L.-E.: Schlüsselqualifikation Kreativität. Begriffs-, Erfassungs- und Entwicklungsproblematik (Personal - Organisation - Management; Bd. 4), Hamburg 1996; C OVINGTON , M. V./ C RUTCHFIELD , R. S./ D AVIS , L. B.: The productive thinking program. A course in learning to think. Columbus, OH 1974; D UNCKER , K.: A qualitative (experimental and theoretical) study of productive thinking. In: Journal of genetic psychology. The paedagogical seminary 33/ 1926, pp. 642-708; D UNCKER , K.: Zur Psychologie des produktiven Denkens. Berlin 1935 (3. Aufl., Berlin/ Heidelberg/ New York 1974); H USSY , W.: Denkpsychologie, 2 Bde., Stuttgart u. a. 1984; O ERTER , R.: Psychologie des Denkens, 6. Aufl., Donauwörth 1980; W ERTHEIMER , M.: Über Schlussprozesse im produktiven Denken. Berlin 1920. Nachdruck: Darmstadt 1963; Ders.. Productive thinking. New York/ London 1945, ²1959; dt. Ausg.: Produktives Denken. Frankfurt/ Main 1957, ²1964. Produktive Kreativität (productive creativity): Der US-amerikanische Psychologe Donald W. MacKinnon verwendet diesen Begriff im Unterschied zur sogenannten personalen Kreativität. Die produktive Kreativität ist die höchste Stufe und führt zu neuen Erkenntnissen auf den Gebieten der Wissenschaft, Technik oder Kunst. Lit.: M AC K INNON , D. W.: Instructional media in the nurturing of creativity. In: Taylor, C. W./ Williams, F. E. (Eds.): Instructional media and creativity. The proceedings of the sixth Utah creativity research conference held at Torrey Pines Inn, La Jolla, Calif./ New York et al. 1966, pp. 179-216. Produktives Vergessen (productive oblivion): eine „passive, zeitabhängige Form der Überwindung von Fixierungen“ (H USSY , 1993, S. 124); ein Effekt, der während der Unterbrechung des kreativen Prozesses entsteht, wodurch die vorher blockierten Merkmale bei der Problemlösung wieder verfügbar werden. Die Lösung schwieriger Probleme erfordert oft tage- oder wochenlange, mitunter sogar jahrelange angestrengte Tätigkeit, wodurch zwangsläufig Pausen eingelegt werden müssen, die den Problemlöseprozess unterbrechen. Der Prozess des Vergessens bringt in diesem Fall positive Effekte, indem man durch die Unterbrechung die eingefahrenen Gleise verlässt. Indem man Abstand gewinnt, sieht man das Problem vielleicht aus einem neuen Blickwinkel, wodurch sich mitunter eine überraschende Lösung eröffnet. Mit dem Effekt des „produktiven Vergessens“ lassen sich Berichte von plötzlichen Problemlösungen erklären, die auftreten, nachdem man eine Zeitlang nicht mit dem zuvor erfolglos bearbeiteten Problem beschäftigt war. Kreativitätsblockade Lit.: H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriß der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993. Produktivität und Kreativität der Arbeits- und Lebensgestaltung (productivity and creativity of work structuring and living shape): Der Arzt und Psychotherapeut Rainer M. Holm-Hadulla (*1951) ist der Auffassung, dass Beratung und Psychotherapie die Produktivität und Kreativität der Arbeits- und Lebensgestaltung erheblich verbessern können. Um eine gelungene Balance zwischen Leben und Arbeiten herzustellen und kreative Tätigkeiten gegen hemmende und störende Einflüsse zu schützen, empfiehlt er sieben Regeln: 1. Probleme und Störungen akzeptieren: Die kreative Arbeits- und Lebensgestaltung vollzieht sich in einem Wechselspiel von Konstrukton und Destruktion. „Durch die Akzeptanz von Hindernissen und Problemen werden Prüfungssituationen und störende Lebensereignisse des Alltags entdramatisiert und können als lösbare Aufgaben angesehen werden.“ Dadurch können Hürden, Durststrecken und Enttäuschungen gelassener und erfolgreicher bewältigt werden. 2. Rituale entwickeln: Festgelegte Regeln und Gepflogenheiten, wie Arbeitsbeginn und Arbeitsende, die Einhaltung der Pausen u. ä. entlasten von ständigen Überlegungen und unproduktiven Entscheidungen. Holm- Hadulla empfiehlt „ritualisierte Phantasiereisen, in denen man anstehende Prüfungssituationen in allen Details durchspielen und mental trainieren kann.“ 3. Spannung nutzen: Um Stress in positive Anspannung zu verwandeln, sollten spezielle Techniken genutzt werden, wie Kommunikation, Achtsamkeitsübungen und Phantasiereisen. Positiver Stress, sogenannter Eustress, ist anregend und leistungsfördernd. <?page no="217"?> 213 Progressive Abstraktion 4. Arbeits- und Kreativitätsrituale erproben und üben: Sie sind für den Wechsel von Anspannung und Entspannung, von konvergentem und divergentem Denken wichtig und können gegen Ablenkung, Langeweile und Missmut schützen. 5. Störungen aushalten und vermeiden: Dabei sollte man das richtige Gleichgewicht zwischen konzentrierter Aufmerksamkeit und gelegentlich stillem, ungestörtem Nachdenken finden und sich nicht ablenken lassen. Die US-amerikanische Psychologin Nancy C. Andreasen untersuchte die Bedeutung des frei-assoziativen Denkens für kreative Neukombinationen und prägte dafür den Begriff Random Episodic Silent Thinking: REST. (Andreasen, 2005; Holm-Hadulla, 2011, S. 69(. 6. Freiräume gestalten: kreative Freiräume sind unerlässlich, um produktiv tätig zu sein, jedoch müssen sie bewusst genutzt werden, um geist- und niveaulose Ablenkungen zu vermeiden. „… Kreative Gegenentwürfe zu zerstörerischen individuellen und gesellschaftlichen Tendenzen“, wie „anspruchsvolle kulturelle Aktivitäten sind kein Zeitvertreib für Gebildete, sondern notwendige individuelle und soziale Überlebensstrategien.“ 7. Produktive und kreative Work-Life-Balance: Holm-Hadulla plädiert für „eine Kultur der individuellen und gesellschaftlichen Achtsamkeit. Im Alltag bedeutet das, dass wir den Tag als Aufgabe im Sinne des alten »carpe diem« annehmen.“ (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 222-226). Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Coaching. In Psychotherapeut, 47, 2002, S. 241-248; D ERS .: Psychoanalysis as creative act of shaping. In: International Journal of Psychoanalysis, 84, 2003, pp. 1203-1220; D ERS .: The art of counselling and psychotherapy. Karnac Books, London, New York 2004; D ERS .: Integrative Beratung. In Psychotherapeut, 54, 2009, S. 326-333; D ERS .: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; D ERS .: Kreativität zwischen Frust und Flow. Das Schöpferische in Theorie und Praxis. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 45-59; D ERS .: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011; H OLM -H ADULLA , R. M./ H OFMANN , F. H./ S PERTH , M.: Integrative Beratung. In: Psychotherapeut, 54, 2009, S. 326-333; H OLM -H ADULLA , R. M./ R OUSSEL , M./ H OFMANN , F. H.: Depression and creativity - The case of the german poet, scientist and statesman J. W. v. Goethe. In: Journal of Affective Disorders, 127, 2010, pp. 43-49. Progressive Abstraktion (progressive abstraction): eine Methode zur systematischen Problemerkennung und Problemdurchdringung; um 1972 von dem Kreativitätsforscher Horst Geschka am Battelle-Institut in Frankfurt am Main entwickelt. Sie zählt zu den Analysemethoden. Dabei geht es vor allem darum, Zusammenhänge zu finden, Hintergründe offenzulegen und zum eigentlichen Kern des Problems vorzudringen. Folgende Vorgehensweise wird empfohlen: 1. Beschreibung des Problems 2. Sammeln erster Spontanlösungen. Ausgehend von einer vorläufigen Problemdefinition werden in Form eines Kurz-Brainstormings erste Ergebnisse ermittelt. 3. kritische Prüfung der entstandenen Vorschläge. Falls diese nicht oder nur unzureichend zur Problemlösung beitragen, sollte man sich auf die Ausgangsfrage konzentrieren: „Worauf kommt es hier eigentlich an? “ - Was ist unbefriedigend und besser lösbar? Die Teilnehmer sollen hierzu ihre Vorschläge notieren. 4. Um das Problem einzukreisen und zu einer Lösung zu gelangen, empfiehlt es sich erneut nachzufragen, worauf es vor allem ankommt. 5. Das Problem kann durch weitere Fragen abstrahiert und aus einem neuen Blickwinkel betrachtet werden, bis das Problem erkannt wird und sich die Lösungssuche abzeichnet. 6. Nachdem das Problem erkannt wurde, besteht die Möglichkleit, mit Hilfe weiterer Kreativitätstechniken neue Ideen und Lösungsmöglichkeiten zu generieren. (Vgl. S CHRÖDER , 2005, S. 242 f.) Diese Kreativitätstechnik dient dazu, das Ziel zu erkennen und Lösungen zu suchen. Durch konsequentes Fragen dringt man zum Kern des Problems vor. Dies regt dazu an, die Blickrichtung zu ändern. Durch gezieltes Fragen wird versucht, das eigentliche Problem bzw. die Ursache des Problems herauszufinden, indem die jeweils nächsthöhere, weiter abstrahierte Ebene herausgefiltert wird. Abstraktion bedeutet die gedankliche Verallgemeinerung einer Situation oder Problemstellung. Das Wesentliche wird vom Unwesentlichen getrennt. Mit Hilfe dieser Kreativitätstechnik kann man von einer ungenau formulierten Problemauffassung zu einer detaillierten Formulierung, also zum tatsächlichen Kern des Problems gelangen. Für die Lösung von Innovationsproblemen ist eine gründliche Problemanalyse unverzichtbar. Mit Hilfe der progressiven Abstraktion können alle wichtigen Faktoren und Komponenten einer problematischen Situation und deren Zusammenhänge erkannt werden. <?page no="218"?> Propulsionstheorie der Kreativität 214 Lit.: A LTER , U./ G ESCHKA , H./ S CHAUDE , G./ S CHLICKSUPP , H.: Methoden und Organisation der Ideenfindung. Battelle Institut, Frankfurt/ M. 1973; B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; G ESCHKA , H./ R EIBNITZ , U. V .: Kreativität in der Werbung. München 1977; D IES .: Vademecum der Ideenfindung. Battelle-Institut, 4. Aufl., Frankfurt am Main 1980; G ESCHKA , H./ S CHAUDE , G./ S CHLICKSUPP , H.: Modern techniques for solving problems. In: International studies of management & organization, 1976/ 77, pp. 45-63; S CHAUDE , G.: Kreativitäts-, Problemlösungs- und Präsentationstechniken. Eschborn ³1995; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005; W ARFIELD , J. N., G ESCHKA , H., H AMILTON , R.: Methods of idea management. Battelle Institute & The Academy of Contemporary Problems. Columbus/ Ohio 1975. Propulsionstheorie der Kreativität (propulsion theory of creativity): auch Propulsionstheorie kreativer Beiträge (propulsion theory of creative contributions); Antriebstheorie der Kreativität; eine Komponententheorie (Synthese) expliziter und impliziter Faktoren von Weisheit, Intelligenz und Kreativität; WICS (Wisdom, intelligence, and creativity synthesized). Sie wurde 1999 von dem US-amerikanischen Kreativitätsforscher Robert J. Sternberg (*1949) entwickelt und untersucht die Anlässe, Verläufe und Strukturbedingungen von vorwärtstreibenden kreativen Beiträgen. 2002 wurde diese Theorie gemeinsam von Sternberg, James C. Kaufman und Jean E. Pretz weiterentwickelt. Sie unterscheiden acht Typen kreativer Produkte: 1. Replikation (replication): Erwiderung, Wiederholung. Sie verändert den Bereich nicht. 2. Redefinition Neudefinition 3. Vorwärtsverbesserung (forward incrementation), von Hans Lenk als sogenannte »kleine Kreativität« bezeichnet. (L ENK , 2007, S. 128). 4. fortgeschrittene weitere Erhöhung (advanced forward incrementation), beschleunigte Vorwärtsbewegung (accelerated forward motion): spürbare Veränderung des Bereichs über den bisherigen Stand hinaus; 5. Bereitstellung einer neuen Richtung der Entwicklung, Abweichen von der bisherigen generellen Leitlinie (redirection) 6. Rekonstruktionstyp (reconstruction/ redirection); die bisherige grundsätzliche Entwicklung wird kritisiert; dabei wird auf einen früheren Standpunkt zurückgegangen, um von dort aus, also im Rückblick auf die generelle Richtlinie ein neues Ziel anzupeilen. 7. Neuinszenierung (reinitiation). Sie stellt einen Paradigmenwechsel dar, in dem der kreative Beiträger einen ganz anderen Ausgangspunkt und Ansatz für einen entsprechenden Bereich oder Unterbereich wählt und einen Neuanfang in eine völlig andere Richtung wagt. Bisherige Hypothesen und Vermutungen werden überwunden. 8. Integration: Wiederherstellung einer Einheit, Vervollständigung, Eingliederung in ein größeres Ganzes, Zusammenschluss von Ideen, die bisher als getrennt, entgegengesetzt oder unvereinbar angesehen wurden zu einem Ganzen. (synthesis). (S TERNBERG , 2007, pp. 124-143; Sternberg/ Kaufman, 2010, pp. 471-472; Lenk, 2007, S. 141). Mit den Typen sollen differenzierte Klärungsmöglicheiten in Modellform dargestellt werden. Die Typologie dient auch der Untersuchung, inwieweit Kreativität allgemein oder bereichsspezifisch ist und warum kreative Initation und Initiatoren eher den einen oder anderen Typ bevorzugen. Die differenzielle Sicht ermöglicht mehr Flexibilität hinsichtlich der Komponenten und der Typen, bei denen es auch Berührungspunkte und Überschneidungen gibt. Die typologischen Ansätze sind nicht endgültig erschlossen, denn weitere Typen kreativer Beiträge sind möglich. Investmenttheorie Lit.: L ENK , H.: Postmoderne Kreativität - auch in Wissenschaft und Technik? In: Abel, G. (Hrsg.): Kreativität. XX. Deutscher Kongreß für Philosophie 26.-30. September 2005 an der Technischen Universität Berlin. Kolloquienbeiträge. Hamburg 2006, S. 260-289; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; S TERNBERG , R. J.: A propulsion model of types of creative contributions. In Review of General Psychology, 3, 1999, pp. 83-100; D ERS .: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; First paperback edition 2007; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C.: Constraints on creativity. Obvious and not so obvious. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 467-482; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C./ P RETZ , J. E.: The propulsion model of creativity applied to the arts and letters. In: Journal of Creative Behavior, 35, 2001, pp. 75-101; D IES .: The creativity conundrum. A propulsion model of kinds of creative contributions. <?page no="219"?> 215 Radiales Denken New York 2002; D IES .: A propulsion model of creative leadership. In: Leadership Quarterly, 14 (4-5), 2003, pp. 455-473; D IES .: A propulsion model of creative leadership. In: Innovation and Creativity Management, 13, 2004, pp. 145-153. Provokationen kreative Provokationen Q Quellen der Kreativität (sources of creativity): Mihaly Csikszentmihalyi ist der Ansicht, Kreativität entsteht aus der Interaktion von drei Elementen, die gemeinsam ein System bilden: 1. Kultur, die symbolische Regeln umfasst 2. das Individuum, das etwas Neues in diese symbolische Domäne einbringt 3. ein Feld von Experten, die diese Innovation anerkennen und bestätigen. Diese drei Komponenten sind notwendig, damit es zu einer kreativen Idee, einer kreativen Tätigkeit oder einer Entdeckung kommt. - Edward de Bono nennt sechs Quellen der Kreativität: 1. Unschuld 2. Erfahrung 3. Motivation 4. Zufall, Versehen, Fehler und Verrücktheit, denn Pannen haben oft zündende neue Ideen und Erkenntnisse zur Folge. 5. Freiräume zum Denken - günstige Rahmenbedingungen für die Kreativität 6. Laterales Denken - ungewohnte Perspektiven einnehmen Lit.: C SIKSZENTMIHALYI , M.: Kreativität. Wie Sie das Unmögliche schaffen und Ihre Grenzen überwinden. Aus dem Amerikanischen von Maren Klostermann. Stuttgart 1997, 6. Aufl., 2003; D E B ONO , E.: Lateral thinking. A textbook of creativity. London 1967; dt. Ausg.: Laterales Denken. Der Kurs zur Erschließung Ihrer Kreativitätsreserven. Düsseldorf/ Wien 1989, ²1992; D ERS .: New think. New York 1968; D E B ONO , E.: Lateral thinking for management. New York; McGraw-Hill 1971; D E B ONO , E.: Laterales Denken für Führungskräfte. Reinbek bei Hamburg 1972; Edward De Bono's Denkschule. Zu mehr Innovation und Kreativität (Business Training, Bd. 1105). München/ Landsberg am Lech ²1990; D ASS .: (Sonderausgabe). München 1995; D E B ONO , E.: Serious creativity. Using the power of lateral thinking to create new ideas. New York: HarperCollins 1992; dt. Ausg.: Serious creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; D E B ONO , E.: Taktiken und Strategien erfolgreicher Menschen. Erfolgsfaktoren erkennen (Business-Training; 1120). München/ Landsberg am Lech ²1995. R Radiales Denken (radial thinking): strahlenförmige, vom Mittelpunkt ausgehende bzw. auf diesen hinführende Betrachtungsweise. Der Begriff wurde von Tony Buzan geprägt und bezeichnet die strahlenförmige Anordnung der von ihm entwickelten Mind-Mapping- Methode®, die einem „Radialbild“ entspricht. <?page no="220"?> Random Episodic Silent Thinking 216 Lit.: B UZAN , T./ B UZAN , B.: Das Mind-Map-Buch. Die beste Methode zur Steigerung Ihres geistigen Potentials. Aus dem Englischen übersetzt von Christiana Haak, 5. Aufl., Landsberg am Lech 2002; Originalausgabe: The mindmap book. London 1993. Random Episodic Silent Thinking REST: der Zustand des stillen, ungestörten Nachdenkens. Die US-amerikanische Psychologin Nancy C. Andreasen untersuchte die Bedeutung des frei-assoziativen Denkens für kreative Neukombinationen und prägte dafür diesen Begriff. (Andreasen, 2005). Sie konnte nachweisen, „dass im Zustand des ruhigen Nachsinnens die höchstentwickelten und komplexesten Hirnareale aktiver sind als beim fokussierten Lösen umschriebener Aufgaben.“ (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 69). Lit.: A NDREASEN , N. C.: The creating brain. The neuroscience of genius. New York, Washington D.C., Dana Press 2005; H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Göttingen 2011. Random Input-Technik (Zufall-Eingabe-Technik): Zufallsmethode; 1968 von Edward de Bono entwickelt. Hierbei erfolgt die Lösungssuche nach dem Zufallsprinzip. Aus zufällig ausgewählten Begriffen sollen neue Ideen entwickelt werden. Selbst bei weit auseinanderliegenden Begriffen, die auf den ersten Blick in keinem Zusammenhang stehen, können mentale Verbindungen hergestellt werden. Der Zufallsbegriff wird an den kreativen Fokusbereich angeknüpft. (Input). Scheinbar unlogische Begriffe miteinander zu verknüpfen, wirkt wie eine provokative Reiz-Aussage. Diese kann jedoch das Denken in Bewegung bringen. Lit.: D E B ONO , E.: Serious creativity. New York 1992; dt. Ausg.: Serious creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; D ERS .: De Bonos neue Denkschule. Kreativer denken, effektiver arbeiten, mehr erreichen. Heidelberg 2005. Random-Word eine Kreativitätstechnik nach Edward de Bono; Assoziationen werden anhand eines Zufallsworts hervorgerufen. Dies kann z. B. durch das willkürliche Aufschlagen eines Wörterbuchs oder Lexikons erfolgen. Bereits 1958 hat Charles S. Whiting eine Technik eingeführt, um durch das Zufallprinzip aus ungewohnter Perspektive neue und originelle Ideen zu entwickeln. Ähnliche Techniken sind: Reizwortanalyse (auch Reizwort- Technik), Reizbild-Analyse, Lexikon-Methode, Katalog-Methode oder Warenhaus-Methode, Superposition, Forced relationship. Lit.: D E B ONO , E.: Serious creativity. New York 1992; dt. Ausg.: Serious creativity. Die Entwicklung neuer Ideen durch die Kraft lateralen Denkens. Stuttgart 1996; D ERS .: De Bonos neue Denkschule. Kreativer denken, effektiver arbeiten, mehr erreichen. Heidelberg 2005; W HITING , C H . S.: Creative thinking. New York 1958. Redefinition (redefinition): Neudefinieren, die Fähigkeit, ein Objekt oder ein Teil eines Objekts anders als vorher zu interpretieren und es zu ganz neuen Zwecken zu benutzen; auch eine bekannte allgemeine Interpretation oder Erklärung so zu modifizieren, dass sie auf eine neue Situation passt. Regression im Dienste des Ich (regression of the ego) auch „Regression im Dienste des Ego“. Der Begriff wurde 1952 von dem Psychoanalytiker und Kunsthistoriker Ernst Kris (1900-1957) geprägt. Regression ist eigtl. das Zurückgehen auf frühere Entwicklungsstufen, die Reaktivierung früherer, kindlicher Verhaltensweisen bei zeitweiligem Abbau oder Verlust des höheren Niveaus, aber die Regression als Teil des kreativen Prozesses ( Inkubati- <?page no="221"?> 217 Reinitiation onsphase) wurden zuerst von Sigmund Freud (1856-1939) und Ernst Kris beschrieben. Diese These wird auch von Leopold Bellak und von dem österreichischen Psychoanalytiker Heinz Hartmann (1894-1970) vertreten. Vor neuen Leistungen verlässt der Künstler oder Wissenschaftler vorübergehend die konventionellen Vorstellungen und Denkprozesse, lässt z. B. seine Verstandeskontrolle außer acht, um der bildhaften Phantasie, dem schöpferischen Spiel mit Bildern und Symbolen, mit Metaphern und Gedanken freien Lauf zu lassen. In dieser Phase bleibt das Ich ein distanzierter Betrachter, d. h. die richtungslenkende Gesamtkontrolle des Denkablaufs wird nicht aufgegeben. Die aktivierte Phantasietätigkeit unterliegt einer sachgerichteten, aufgabenbezogenen Auswahl und einer antizipierenden Organisation. Es werden „eine Fülle freikombinierter Wahrnehmungs- und Erfahrungsreste verlebendigt und enthemmt.“ (H ASELOFF , 1989, S. 315). „Kreative leisten sich den Luxus, auch primitive, kindliche (regressive) Motive ohne Unterdrückung zuzulassen: Sie werden daher oft als triebbestimmt und regressionsfähig geschildert.“ (P REISER , 1986, S. 69). Doch sie werden nicht von unbewussten Trieben gesteuert, sondern stehen unter einer Zielsetzung. Das Ausleben elementarer und primitiver Bedürfnisse ermöglicht ihnen jedoch, im Ausgleich Kräfte freizusetzen, die eine Entfaltung zu höheren und komplexeren Aktivitäten erlauben. Es ist ein kontrollierter Zugang zu elementaren Bewusstseinsebenen und zur Motivation. Die „Regression im Dienste des Ich“ erleichtert „ein problembezogenes, aber lockeres und damit unvoreingenommenes Herumspielen mit Informationen, Problemaspekten und Gedankenverknüpfungen (Assoziationen).“ (P REISER , 1986, S. 45). Die kontrollierte Regressionsfähigkeit ist ein kreatives Perönlichkeitsmerkmal. Lit.: H ARTMANN , H.: Mutual influences in the development of the ego and the id. In: The Psychoanalytic study of the child, 7, 1952; D ERS .: Ego-Psychology and the problem of adaption. In: Rapaport, D.: Organisation and pathology of thought. New York 1955; D ERS .: Ich-Psychologie. Stuttgart 1972; D ERS .: Ich- Psychologie und Anpassungsproblem. Stuttgart ³1975; H ASELOFF , O. W.: Über produktive Prozesse und Persönlichkeiten. In: Club Voltaire. Jahrbuch für kritische Aufklärung I. Begründet von Gerhard Szczesny und Otto Bickel. Neu hg. von Frank L. Schütte. Berlin 1989, S. 294-321; K RIS , E.: Psychoanalytic explorations in art. New York 1952; dt. Ausg.: Die ästhetische Illusion. Phänomene der Kunst in der Sicht der Psychoanalyse (= edition suhrkamp 867), Frankfurt/ M. 1977; P REISER , S.: Kreativitätsforschung (= Erträge der Forschung, Bd. 61), Darmstadt ²1986. reichhaltige Ideation (wide ideation, extensive ideation): Der Begriff wurde von dem US-amerikanischen Werbepsychologen Alex F. Osborn (1888-1966) geprägt und bedeutet die Produktion einer Vielzahl von Ideen, auch als Einfallsreichtum bezeichnet. (G UTJAHR , 1996, S. 20; Weisberg, 1989, S. 86). Lit.: G UTJAHR , E.: Der Mythos Kreativität oder Die Erfindung des Selbstverständlichen. Berlin 1996; O SBORN , A. F.: Applied imagination: Principles and procedures of creative problem-solving. Scribner: New York 1953; ²1963; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Reinitiation (reinitiation): Neuinszenierung; stellt einen Paradigmenwechsel dar, in dem der kreative Beiträger einen anderen Ansatz und Ausgangspunkt für einen entsprechenden Bereich oder Unterbereich wählt und einen Neuanfang in eine völlig andere Richtung setzt. Dabei werden bisherige Hypothesen kritisch hinterfragt. (L ENK , 2007, S. 128 f.; Sternberg, 2007, p. 127). Lit.: L ENK , H.: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; S TERNBERG , R. J.: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007. <?page no="222"?> Reizbild-Analyse 218 Reizbild-Analyse (stimulating picture analysis) auch Reizbild-Methode, visuelle Konfrontation, visuelle Synektik, Bildstimulation. Die Methode basiert auf dem Prinzip der Bisoziation bzw. der Zufallsmethode. Anstelle von Begriffen, wie bei der Reizwortanalyse, kommt hier die Bildsprache zum Einsatz. Zufällig ausgewählte Abbildungen werden frei assoziiert, um einen neuen Kontext herzustellen. Es sind „Reizbilder“, die mit dem Thema nichts direkt zu tun haben und die Phantasie der Teilnehmer anregen. Diese werden ausgelegt oder aufgehangen. Welches Motiv bei den Teilnehmern die meisten Emotionen, Gedanken und Assoziationen auslöst, wird ausgewählt und besprochen. Die Einfälle („Reizbild- Elemente“) werden stichwortartig notiert (z. B. auf Karteikarten) und anschließend auf einer Pinnwand angebracht und übersichtlich gruppiert. Die Ideen und Vorschläge werden nun einzeln besprochen und auf mögliche Bezugspunkte zu der Aufgabenstellung hinterfragt. Es findet also eine Rückkopplung (bisoziative Verbindung) statt. Die Analogien werden schriftlich festgehalten und anschließend ausgewertet, um daraus Lösungsmöglichkeiten zu erkennen. Durch die Verknüpfung werden Analogien gebildet, die nach den üblichen, routinierten Denkmustern nicht zusammen gehören. Das gesuchte Problem wird somit in einen neuen Kontext gestellt. Diese Methode bietet sich für technische und kreative Fragestellungen und Probleme an. Lit.: B RUNNER , A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. Oldenbourg Verlag München 2008; Reizwortanalyse (stimulating word analysis; auch random entry): zufälliger Zugang, auch Reizwort-Technik, Lexikon-Methode, Katalog-Methode oder Warenhaus-Methode genannt, weil bei dieser Technik zwischen Gegenständen aller Art, wie in einem Kaufhaus ausgewählt wird, wobei die Eigenschaften dieser Waren mit dem gesuchten Problem in Beziehung gesetzt werden. Diese Kreativitätstechnik, mit deren Hilfe die geistige Flexibilität trainiert wird, wurde um 1972 gemeinsam von Horst Geschka und Götz R. Schaude am Battelle-Institut in Frankfurt am Main entwickelt. Die Methode basiert auf der „erzwungenen“, ungewohnten bzw. zwangsläufig hergestellten Verknüpfung zwischen Gegenständen, Ideen und Produkten, die auf den ersten Blick keinerlei Beziehungen zueinander haben. Man öffnet ein Wörterbuch, Lexikon oder einen Katalog und wählt daraus zufällig ausgewählte Begriffe. Durch dieses spontane Aufschlagen wird ein Reizwort gefunden, dass mit dem gesuchten Problem meist gar nichts zu tun hat, sondern aus einem völlig fremden Bereich kommt, z. B. aus der Pflanzenwelt, aus dem Tierreich oder aus der Technik. Durch Assoziation und Analogiebildung wird versucht, einen Lösungsvorschlag zu finden bzw. neuartige Ideen zu entwickeln. Dabei notiert man alle Möglichkeiten, die zu dem betreffenden Reizwort einfallen. Danach sucht man sich das nächste Reizwort heraus, denn es kommt auf die Vielfalt möglicher Einfälle an, die zur Ideenfindung beitragen. Diese auf Zufall basierende Reizwort-Suche kann mehrmals wiederholt werden. Es empfiehlt sich folgende Vorgehensweise: 1. schriftliche Definition des Problems; 2. Suche nach problemfremden Reizwörtern. Zufällig ausgewählte Begriffe werden aus einem Nachschlagewerk ausgewählt. 3. Die Reizwörter werden nach bestimmten Merkmalen, Prinzipien und Strukturen analysiert; 4. Zwischen den Kriterien der Reizwörter und dem gesuchten Problem werden Analogien und Beziehungen hergestellt, die der Lösungsfindung dienen sollen. Bei dieser Technik wird also das Zufallsprinzip angewandt, gewissermaßen ein planvolles Herbeiführen von Zufällen. Bisoziation. Ein zufällig aufgeschlagener Begriff im Wörterbuch ist natürlich kein Ersatz für kreatives Denken und gesundes Urteilsvermögen, kann jedoch ein Denkanstoß sein, um die Ideenflüssigkeit zu aktivieren und die Lösungssuche in völlig neue Richtungen zu lenken. Diese Methode ist in den USA unter der Bezeichnung Forced Relationship bekannt. <?page no="223"?> 219 Relevanzbaum (S CHLICKSUPP , 1995, S. 191). Random Input-Technik, Superposition Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; B UGDAHL , V.: Kreatives Problemlösen (= Reihe Management), Würzburg 1991; G ESCHKA , H.: Techniken der Zukunft, Heft 2, 1972; G ESCHKA , H./ R EIBNITZ , U. V .: Kreativität in der Werbung. München 1977; D IES .: Die Szenario-Technik - ein Instrument der Zukunftsanalyse und der strategischen Planung. In: Töpfer, A./ Afheldt, H. (Hrsg.): Praxis der strategischen Unternehmensplanung. Landsberg am Lech ²1986, S. 125- 170; G ESCHKA , H./ S CHAUDE , G. R./ S CHLICKSUPP , H.: Modern techniques for solving problems. In: International studies of management & organization, 1976/ 77, pp. 45-63; S CHAUDE , G.: Kreativitäts-, Problemlösungs- und Präsentationstechniken. Eschborn ³1995; S CHLICKSUPP , H.: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen- Malmsheim 1995; W HITING , C. S.: Creative thinking. New York 1958. Reizwort-Technik Reizwortanalyse Relevanzbaum (relevance-tree): „ein Ordnungsschema, das Einflüsse und Abhängigkeiten zwischen Ereignissen und Entwicklungen der Zukunft abbildet.“ (K NIEß , 1995, S. 125); eine Variante des Problemlösungsbaums mit integriertem Bewertungsverfahren (vgl. S CHLICKSUPP , 1989, S. 99). Beim Relevanzbaum-Verfahren wird für den zu lösenden Problembereich eine Systematik entwickelt, die sich von übergeordneten zu untergeordneten Gesichtspunkten verzweigt und Details aufzeigt, d. h. es wird nach wichtigen und weniger bedeutsamen Kriterien sortiert. Die Abstufung erfolgt nach der Bedeutung des jeweiligen Beitrags für die Erreichung des Hauptziels. Dadurch wird das Problem allmählich immer detaillierter in einzelne Elemente aufgefächert. Dabei wird in jeder Stufe eine Bewertung der Alternativen vorgenommen, z. B. in bezug auf die ökonomische Bedeutung, auf die Dringlichkeit, technische Realisierbarkeit o. ä. Dies dient dem Ziel, um zu Planungsmaßnahmen oder Diversifikationsrichtungen, zur Definition von Forschungsobjekten oder -bereichen zu gelangen. Das Relevanzbaum-Verfahren eignet sich für Strukturierungs-, Bewertungs- und Auswahlprobleme bzw. für die Lösung komplexer, innovativer Analyseprobleme, die nicht eindeutig beschrieben sind, d. h. bei denen die vorgegebene Zielstellung undifferenziert ist. Dazu gehören z. B.: 1. Prognosen über künftige politische, soziale und wirtschaftliche Situationen 2. Vorhersagen über die technische Entwicklung 3. Die Formulierung von Zielen und Mitteln und die Herleitung eines hierarchischen Systems zwischen diesen; 4. Die Bewertung der ermittelten Ziele und Mittel 5. Die Auswertung (K NIEß , 1995, S. 125). Durch seine grafische Darstellungsform vermittelt der Relevanzbaum einen hohen Informationsgehalt. Durch logische Verknüpfungen wird angestrebt, die Bedeutung jedes Mittels zur Verwirklichung eines Ziels darzustellen. Die Knoten im Relevanzbaum stellen die Ziele bzw. die Mittel zur Erreichung dieser Ziele dar und dessen Kanten die Beziehungen zwischen den Zielen und Mitteln. Miteinander vergleichbare Ziele oder Mittel werden auf einer Ebene angeordnet. Durch die Verbindungen zwischen den einzelnen Ebenen ergeben sich die Relevanzbeziehungen. Die Bewertung der einzelnen Elemente erfolgt nach ihrer Wichtigkeit (Relevanz) zur vorangegangenen Ebene. Im Unterschied zum Morphologischen Kasten, der nur die Kombinationsmöglichkeiten aufzeigt, veranschaulicht der Relevanzbaum, wie mit Hilfe von Teillösungen eine Gesamtlösung erreicht werden kann. Die Relevanzbaum-Analyse wird z. B. bei der Bewertung konkurrierender Entwicklungsprojekte sowie im militärischen Bereich als Grundlage für Planungsmodelle eingesetzt (z. B. bei der NASA). Die Nachteile dieser Methode sind der hohe Zeitaufwand, den eine Relevanzbaum-Analyse erfordert, die Schwierigkeit, alle Faktoren und Einflußgrößen zu formulieren und darzustellen. Sequentielle Morphologie <?page no="224"?> Remote Associates Test (RAT) 220 Lit.: K NIEß , M.: Kreatives Arbeiten. Methoden und Übungen zur Kreativitätssteigerung (Beck- Wirtschaftsberater), München 1995; S CHLICKSUPP , H.: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen), Würzburg ³1989; S CHRÖDER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005. Remote Associates Test (RAT) Test entfernter Assoziationen; wurde 1962 von demUS-amerikanischen Psychologen Sarnoff A. Mednick (*1928) entwickelt. Er geht davon aus, dass kreatives Denken darin bestehe, entfernte Assoziationen zueinander in Beziehung zu setzen, um neuartige Zuammenhänge sichtbar zu machen, die auf sinnvolle Weise in bereits bestehende Systeme eingegliedert werden können. Der Test misst die Fähigkeit, vorgegebene Begriffe zu assoziieren, d.h. ungewöhnliche gedankliche Vorstellungen miteinander zu verknüpfen. Bewertet wird das Bedürfnis nach assoziativen Elementen, die assoziative Hierarchie, die Anzahl der Assoziationen, kognitive oder Persönlichkeitsfaktoren und die Selektion der kreativen Kombinationen. Je größer die Anzahl von Assoziationen ist, die eine Testperson zu den erforderlichen Elementen eines Problems entwickelt, desto größer sei auch die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer kreativen Lösung kommt; d.h. die Anzahl der Assoziationen bestimme den Grad der Kreativität. Mednick unterscheidet zwischen hochkreativen Individuen und solchen mit geringerer Kreativität. Nach seiner Auffassung bildet die geistige Beweglichkeit die Basis für kreative Leistungen. Das Denken versteht er als Bildung von Assoziationsketten und das kreative Denken als Umformung assoziativer Elemente, d.h. erkenntnismäßiger Einheiten, die Bezug zu anderen Einheiten haben, zu neuen Kombinationen, die nützlich oder angemessen sein sollen. Die Leistungen in Einzeltests korrelierten unterschiedlich hoch, d.h. sie beeinflussten sich unterschiedlich stark. Assoziationstheorie, Kreativitätsmessung Lit.: H OOD , R. W./ G INSBURG , G. P.: Cultural availability. A cross-culturally stable determinant of performance on RAT items. In: Psychological Reports, 26, 1970, pp. 755-758; M EDNICK , S. A.: The associative basis of the creative process. In: Psychological Review, 69, 1962, pp. 220-232; dt. Übers.: Die assoziative Basis des kreativen Prozesses. In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 287-304; M EDNICK , S. A./ M EDNICK , M. T.: An associative interpretation of the creative process. In: Taylor, C. W. (Ed.): Widening horizons in creativity. The proceedings of the fifth Utah creativity research conference. New York, London, Sydney 1964, pp. 54-68; D IES .: Manual: remote associates test. Form 1. Boston 1966. Repräsentativitätsheuristik (heuristic of representativeness): eine spezielle Form des kreativen Problemlösens, die sich auf Situationen mit Wahrscheinlichkeitscharakter bezieht, die dadurch bewältigt werden, dass man sich auf seine Erfahrungen beruft. Diese werden zum typischen Beispiel bzw. zum Normalfall verdichtet und als Urteilskriterium verwendet. Werden hinsichtlich der zu beurteilenden Situation genügend Erfahrungen gesammelt, so bewährt sich die Heuristik. Andernfalls kann es häufiger zu Urteilsfehlern kommen, wozu auch Vorurteile zählen, da sie das Ergebnis einer Abstraktion aus einem zu geringen und damit vielleicht einseitigen Erfahrungshintergrund sein können. Verfügbarkeitsheuristik Lit.: H USSY , W.: Denken und Problemlösen. (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 21 Bänden, hg. von Herbert Selg und Dieter Ulich; Bd. 8). Urban Taschenbücher; Bd. 557. Stuttgart/ Berlin/ Köln 1993; K AHNEMAN , D.: Attention and effort. Englewood Cliffs/ N. J.: Prentice-Hall 1973; K AHNEMAN , D./ T VERSKY , A.: Subjective probability: a judgment of representativeness. In: Cognitive Psychology 3, 1972, pp. 430-454; D IES .: On the psychology of prediction. In: Psychological Review 80, 1973, pp. 237-251; T VERSKY , A./ K AHNEMAN , D.: Belief in a law of small numbers. In: Psychological Bulletin 76, 1971, pp. 105-110; D IES .: Judgment under uncertainty: heuristics and biasis. Science 185, 1974, pp. 1124-1131; Reset Neustart. Resets sind umfassende, grundlegende Umwälzungen der wirtschaftlichen und sozialen Ordnung und beschränken sich nicht nur auf ökonomische oder finanzielle Vorgänge. Resets verändern die Innovations- und Produktionsweise und führen zu einem völ- <?page no="225"?> 221 Rogers, Carl Ransom lig neuen Wirtschaftssystem, der Kreativwirtschaft. Diese löst das industrielle Zeitalter ab. In der neuen Wirtschaftsordnung sind nicht mehr Kapital und Arbeit die Triebkraft der Wirtschaft, sondern Kreativität. Die kreativen Berufe vom Designer bis zum Informatiker, vom Ingenieur bis zum Wissenschaftler verdrängen zunehmend die Produktions- und Dienstleistungsberufe. Kreativität ist jedoch nicht nur den Künstlern vorbehalten, sondern eine Fähigkeit aller Menschen, die sie in ihrer beruflichen Tätigkeit entfalten können. Lit.: F LORIDA , R.: The great reset: how new ways of living and working drive post-crash prosperity. HarperCollins Publishers [Hardcover edition], New York 2010; F LORIDA , R.: Reset. Wie wir anders leben, arbeiten und eine neue Ära des Wohlstands begründen werden. Frankfurt am Main/ New York 2010; F LOR- IDA , R.: The great reset. How the post-crash economy will chance the way we live and work. HarperCollins Publishers. First Harper paperback published, New York 2011. Resilienz (resilience): Elastizität, Widerstandsfähigkeit, Zähigkeit, Durchhaltevermögen, Unverwüstlichkeit. Resilienz „ist ein wichtiger Faktor, damit kreative Impulse und Einfälle auch in die Realität umgesetzt werden.“ (H OLM -H ADULLA , 2010, S. 52). Ambiguitätstoleranz Frustrationstoleranz Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Frust und Flow. Das Schöpferische in Theorie und Praxis. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 45-59. Ringtauschtechnik Methode 6-3-5 Rogers, Carl Ransom (1902-1987): US-amerikanischer Psychologe und Psychotherapeut; Schüler von Otto Rank (1884-1939), Mitbegründer der Humanistischen Psychologie, neben Abraham H. Maslow (1908-1970) und Charlotte Bühler (1893-1974); Begründer der klientenzentrierten Psychotherapie (Gesprächspsychotherapie), wobei der Therapeut auf die Selbstverwirklichungs- und Selbstheilungskräfte des Menschen setzt, die er gleichsam nur unterstützt. 1954 veröffentlichte Rogers seine Auffassungen „Zu einer Theorie der Kreativität“, (R OGERS , 1954, pp. 249-260 u. ö.) und dies vor allem „im Hinblick auf die Natur der kreativen Handlung, die Bedingungen ihres Entstehens, und die Art und Weise, in der man sie konstruktiv fördern kann.“ (R OGERS , 2004, S. 337). Er beklagt die mangelhafte Kreativitätsförderung des traditionellen Bildungs- und Erziehungswesens, in denen die Tendenz vorherrsche, „Konformisten hervorzubringen, stereotype Individuen, deren Ausbildung ›abgeschlossen‹ ist, statt freie, kreative und originelle Denker.“ (Rogers. In: Petzold/ Orth, 1991, I. Bd., S. 237) Die Hauptquelle der Kreativität ist nach Rogers Auffassung, „die Tendenz des Menschen, sich selbst zu verwirklichen, seine Potenzialitäten zu entfalten.“ (Rogers. In: Petzold/ Orth, 1991, I. Bd., S. 240 f.) Die Förderung „konstruktiver Kreativität“ sei an Rahmenbedingungen geknüpft, wie psychologische Sicherheit, den Eindruck, akzeptiert, verstanden zu werden, sowie durch die psychologische Freiheit, sich auszudrücken, zu denken, zu fühlen, zu sein, wer man sein möchte. Doch diese Freiheit sei von den zwischenmenschlichen Beziehungen, von der Rücksichtnahme und Akzeptierung anderer Menschen nicht abzutrennen. (Vgl. Rogers. In: Petzold/ Orth, 1991, I. Bd., S. 249-253). Jeder Mensch habe ein eigenes „Selbst-Konzept“, nach dessen Maßstab er sich selbst bewertet. Wenn es auch selten mit der äußeren Realität übereinstimmt, wollen die Menschen gern so sein, wie es ihrem Selbstbild entspricht. Neben den äußeren Rahmenbedingungen nennt Rogers auch innere Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten: 1. Offenheit für Erfahrungen 2. innere Instanz für Bewertungen 3. die Fähigkeit, mit Elementen und Konzepten zu spielen (B RUNNER , 2008, S. 7 f.) <?page no="226"?> RTSC-Konferenz 222 Lit.: B RUNNER , A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. Oldenbourg Verlag München 2008; G RODDECK , N.: Carl Rogers. Wegbereiter der modernen Psychotherapie. Darmstadt ²2006; R OGERS , C. R.: Towards a theory of creativity. In: ETC: A review of general semantics 11, 1954, pp. 249-260; Dass. in: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 69-82; AUCH IN : Rogers, C. R. (Ed.): On becoming a person. A therapist’s view of psychotherapy. Boston 1961, pp. 347-359; AUßERDEM IN : Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 63-72; dt. Übers.: Auf dem Wege zu einer Theorie der Kreativität. In: Petzold, Hilarion/ Orth, Ilse (Hrsg.): Die neuen Kreativitätstherapien. Handbuch der Kunstherapie (Reihe: Kunst - Therapie - Kreativität; Bd. 8), 2 Bde. Paderborn ²1991, Bd. I, S. 237-255; in anderer Übersetzung unter dem Titel: „Zu einer Theorie der Kreativität“ in: Rogers, C. R.: Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der Sicht eines Therapeuten. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jacqueline Giere. Mit einem Vorwort von Reinhard Tausch (= Konzepte der Humanwissenschaften), 15. Aufl., Stuttgart 2004, S. 337-349. (Titel der Erstausgabe: On becoming a person. A therapist’s view of psychotherapy. Boston 1961). RTSC-Konferenz (Real Time Strategic Change): strategischer Wandel in Echtzeit bzw. in kurzer Zeit; 1994 von Kathleen Dannemiller, Chuck Tyson und Al Davenport entwickelt; eine komplexe Technik zum Verbessern der Zusammenarbeit oder Überprüfen von Visionen, Zielen, Werten und Programmen. Sie dient zum Aufrütteln, zum Entwerfen von Visionen und zum Planen der ersten Schritte und hat das Ziel, einen schnellen Wandel zu ermöglichen. Das Hauptaugenmerk der RTSC-Konferenz ist auf die Problemorientierung gerichtet, ähnlich wie bei der Zukunftswerkstatt. Diese Methode beruht auf der Erkenntnis, dass der Wandel bzw. die Veränderung dann gelingt, wenn bei den Teilnehmern ein positives Spannungsfeld zwischen dem negativen Istzustand und dem positiven Soll-Zustand erzeugt werden kann, d.h. wenn die Mitarbeiter selbst aus dieser Spannung heraus die ersten Schritte zur Veränderung planen, wenn dabei eine große Übereinstimmung zwischen Führungskräften und Mitarbeitern besteht und wenn es gelingt, die Beteiligten für die strategischen Ziele des Unternehmens zu gewinnen. Das Grundanliegen der RTSC-Konferenz besteht in der Erkenntnis, dass erst die Unzufriedenheit der Mitarbeiter mit dem Ist-Zustand, also mit der bisherigen Situation, die Voraussetzung für Veränderungen ist. Dabei ist eine gemeinsame Informationsbasis herzustellen, die Teilnehmer sind aufzurütteln, und der Wandel ist gemeinsam in Angriff zu nehmen. Die gesamte Belegschaft sollte dabei einbezogen werden, um gemeinsam die Verantwortung zu übernehmen. Diese Methode erfordert in der Vorbereitung eine präzise Ausschreibung. Der Ablauf erfolgt in drei Phasen: 1. Aufrütteln: Die Unzufriedenheit mit der bisherigen Situation wird festgestellt. Für alle Teilnehmer wird eine gemeinsame Informationsbasis hergestellt. 2. Die Identifikation mit den Zielen wird angestrebt (Werte, Schlüsselprojekte, Strategien). Die Parameter dazu werden z. B. aus Best-Practice-Beispielen abgeleitet. 3. Erarbeitung der Umsetzung: konkret erreichbare Nahziele festlegen, einen Maßnahmeplan und die Selbstverpflichtung der Mitarbeiter fördern und einfordern. Vorteile dieser Methode: - Sie fördert Aufbruchstimmung, Tatendrang und Teamgeist. Der Ablauf kann an die konkrete Situation des Unternehmens flexibel angepasst werden. - Der Leitgedanke besteht darin, ein hohes Maß an Selbstbeteiligung und Begegnung auf allen hierarchischen Ebenen herzustellen. - Diese Methode betrachtet die Organisation und ihr Umfeld aus verschiedenen Perspektiven. Damit wird die Dringlichkeit von Veränderungen leichter nachvollziehbar. - Die Teilnehmer spüren im Rahmen der vorgegebenen Ziele ein hohes Maß an Mitbestimmung. Sie können ihre Ideen und Vorschläge engagiert und zielorientiert einbringen. Nachteile: - Die Organisation ist sehr hierarchisch aufgebaut. Die Unternehmensführung gibt Thema, Ziel und den Ablauf vor und steckt die Rahmenbedingungen ab. - Die Vorbereitungsmaßnahmen und die Durchführung der RTSC-Konferenz sind sehr zeitintensiv; z. B. die Vorbereitung der Präsentationen. <?page no="227"?> 223 Satisfiers großer Platzbzw. Raumbedarf - Mitunter ist eine spezielle, externe Moderation ist erforderlich. (Vgl. L UTHER , 2013, S. 403-407). Lit.: L UTHER , M.: Das große Handbuch der Kreativitätsmethoden. Wie Sie in vier Schritten mit Pfiff und Methode Ihre Problemlösungskompetenz entwickeln und zum Ideen-Profi werden. Bonn 2013. S Sach- oder Aufgabenmotivation (task motivation): die innere Einstellung zu dem jeweiligen Arbeits- und Aufgabenbereich, zu den lösenden Problemen und Tätigkeiten. Von besonderer Bedeutung ist dabei die „Hypothese der inneren Motivation“ (internal motivation hypothesis). Diese Begriffe wurden 1983 von der US-amerikanischen Kreativitätsforscherin Theresa M. Amabile eingeführt. „Dazu gehört die Fähigkeit, die eigene Motivation auch zu erkennen, die eigenen Motive gleichsam zu reflektieren und einzusetzen, um diese Aufgabe selbst entsprechend verstehen zu können. All das hängt im Wesentlichen von einem besonderen Niveau der intrinsischen Motivation ab, also der Eigenmotivation in Bezug auf die Aufgabe. Somit muss hauptsächlich intern ein entsprechendes Motiv gegeben sein, das heißt, es wird im wesentlichen der Akzent auf die Primärmotivation gelegt, nicht auf die Sekundärmotivation, die durch Erfolge oder Belohnung oder Strafe bestimmt ist.“ (L ENK , 2000, S.78). extrinsische Motivation Lit.: A MABILE , T. M.: The Social psychology of creativity. New York 1983; A MABILE , T. M.: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; C OLLINS , M. A./ A MABILE , T. M.: Motivation and creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 297-312; L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000. Satisfiers (auch Herzberg’sche Motivatoren genannt): sogenannte „Zufriedenmacher“, d. h. Faktoren, die am meisten zur Zufriedenheit und Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beitragen und langfristig wirken; Motivatoren, die Erfolgserlebnisse in Aussicht stellen, wie Arbeitszufriedenheit, Bedürfnis nach Anerkennung, Beförderung, Entscheidungsverantwortung, Selbstbetätigung und Selbstverwirklichung, Vorwärtskommen, Entfaltungsmöglichkeiten und Herausforderungen. Die Erfüllung dieser Bedürfnisse führt zu beträchtlicher Leistungssteigerung. Der Begriff geht auf den US-amerikanischen Psychologen Frederick Irving Herzberg (1923-2000) zurück. Laut einer Studie von Herzberg sind die vier wichtigsten Motivationsfaktoren des Mitarbeiters: 1. Selbständigkeit und Leistungserfolg, 2. Anerkennung durch die Vorgesetzten, 3. der Inhalt der Arbeit selbst, 4. Verantwortung und selbständiges Arbeiten. (Vgl. G ETZ / R OBINSON , 2003, S. 117, 148). Nach einer Studie von Laurence Lindahl sind die drei wichtigsten Motivationsfaktoren des Angestellten: 1. Anerkennung für eine gut ausgeführte Arbeit, 2. Verantwortungsgefühl, 3. das Verständnis der Vorgesetzten für persönliche Probleme. <?page no="228"?> SCAMPER-Technik 224 Herzberg entwickelte eine „Satisfier-Dissatisfier-Theorie“, die über die Bedürfnishierarchie von Abraham Harold Maslow (1908-1970) hinausgeht. Sie weist den unteren drei Bedürfnisebenen (physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse), die Eigenschaft von Dissatisfiers zu. Die beiden oberen Bedürfniskategorien (Geltungsbedürfnis und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung) beinhalten hingegen das Kriterium von Satisfiers. extrinsische und intrinsische Motivation Lit.: G ETZ , I./ R OBINSON , A. G.: Innovations-Power: Kreative Mitarbeiter fördern - Ideen systematisch generieren. Übersetzung von Michael Bayer. München/ Wien 2003; H ERSEY , P./ B LANCHARD , K. H.: Management of organizational behavior, Englewood Cliffs, N.J., Prentice Hall 1993; H ERZBERG , F. I./ M AUSNER , B./ S NYDERMAN , B. B.: The motivation to work. New York/ London/ Sydney ²1959; L INDAHL , L.: What makes a good job? In: Personnel, 25. January 1949. SCAMPER-Technik (von engl. scamper: herumhüpfen, (herum)tollen, umherlaufen, hasten, ausreißen, davonlaufen; Abk. von Substitute, Combine, Adapt, Modify, Put to other uses, Eliminate und Reverse (= ersetzen, kombinieren, anpassen, verändern, eine andere Verwendungsmöglichkeit finden, entfernen und umkehren). Eine Variante der Osborn-Checkliste, die 1997 von Bob Eberle entwickelt wurde. Die einzelnen Fragen bzw. Schritte, z. B. bei der Suche nach der Neugestaltung eines Produkts, sind: Substitute: das Produkt oder Elemente des Produkts durch etwas anderes austauschen; was lässt sich ersetzen? Combine: das Produkt bzw. die Produkteigenschaften mit anderen kombinieren; Adapt: Welche Teile kann man umstellen, anpassen? Modify: Was kann man verändern? (z. B. Größe, Form, Farbe des Produkts) Put to other uses: eine andere Einsatzmöglichkeit finden, z. B. das Produkt für neue Anwendungsbereiche oder Märkte nutzbar machen; Eliminate: Welche Merkmale, Funktionen oder Elemente könnte man entfernen, um das Produkt auf das Wesentliche zu reduzieren? Reverse: Was könnte man umkehren, ins Gegenteil verkehren? Diese Schlüsselwörter bzw. diese gezielten Fragen sollen die Ideenfindung und die Lösungssuche erleichtern. Lit.: B OOS , E.: Das große Buch der Kreativitätstechniken. München 2007; B RUNNER , A.: Kreativer denken. Konzepte und Methoden von A-Z. Lehr- und Studienbuchreihe Schlüsselkompetenzen. München 2008; E BERLE , B.: Scamper. Creative games and activities for imagination development. Waco, Texas. Prufrock Press 1997; M ICHALKO , M.: Thinkertoys. A handbook of business creativity. Ten Speed Press 1991; S CHRÖ- DER , M.: Heureka, ich hab’s gefunden! Kreativitätstechniken, Problemlösung und Ideenfindung. Herdecke/ Bochum 2005. Schlicksupp, Helmut (1943-2010): Wirtschaftsingenieur und Unternehmensberater; 1970-1976 am Battelle-Institut in Frankfurt am Main. Gemeinsam mit Horst Geschka und Götz Schaude arbeitete er am Multiklientenprojekt „Methoden und Organisation der Ideenfindung in der Industrie“. Im Rahmen dieses Projekts erfassten sie weltweit 47 Kreativitätstechniken, führten etwa 170 experimentelle Sitzungen mit verschiedenen Kreativitätsmethoden durch und konzipierten auch eigene Techniken. Zur Förderung von Innovation und Kreativität in der Industrie entwickelte Helmut Schlicksupp folgende Techniken: 1. SIL-Methode 2. Brainwriting-Pool 3. Visuelle Synektik 4. Force-Fit-Spiel 5. TILMAG- Methode 6. Nebenfeldintegration 7. Semantische Intuition 8. Sequentielle Morphologie 9. Hypothesen-Matrix <?page no="229"?> 225 schöpferische Phantasie 10. 3 D-Strategie 11. SCM-Technik 12. CALMI-Technik Daneben leitete Schlicksupp Projekte zur Produktinnovation bzw. Diversifikation. 1975 promovierte er mit einer Arbeit über die Grundlagen kreativer Prozesse und Methoden zum Dr. rer. pol. Er war Dozent an der Technischen Akademie Esslingen und seit 1976 selbständiger Unternehmensberater. Er veröffentlichte zahlreiche Publikationen zur Kreativität und Innovation. Lit.: S CHLICKSUPP , H.: Kreative Ideenfindung in der Unternehmung. (Reihe: Mensch und Organisation). Berlin, New York 1977; D ERS .: Innovation, Kreativität und Ideenfindung (Management-Wissen), 6. Aufl., Würzburg 2004; D ERS .: Produktinnovation. Wege zu innovativen Produkten und Dienstleistungen (Management-Wissen). Würzburg 1988; D ERS .: Kreativitätstechniken. In: Szyperski, N./ Winand, U. (Hrsg.): Handwörterbuch der Planung. Stuttgart 1989, Sp. 930-943; D ERS .: Führung zu kreativer Leistung. So fördert man die schöpferischen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter (Praxiswissen Wirtschaft; 20), Renningen-Malmsheim 1995; D ERS .: 30 Minuten für mehr Kreativität. Offenbach 1999; D ERS .: Humor als Katalysator für Kreativität und Innovation. Würzburg 2008. schöpferisch kreativ schöpferischer Akt kreativer Akt schöpferische Expansion (creative expansion): Entfaltung, Ausweitung der kreativen Möglichkeiten, die Erforschung von etwas Neuem; korrespondiert mit dem Streben nach Selbstverwirklichung. Der vor allem „expensiv Schaffende“ ist nach Charlotte Bühlers Definition „ein Mensch, der in die Welt hinausgeht, um sie zu ›erobern‹, der im Aufbau von Besitz, im Schaffen von Beziehungen und maßgebenden Stellungen oder in der Herstellung von Produkten und Leistungen, die er, wenn möglich, der Nachwelt zu übermitteln hofft, mehr die Erfüllung seines Lebens sieht als in anderen Lebenswerten.“ (B ÜHLER , 1962, S. 118). Menschen mit schöpferischer Expansion sind hochmotiviert und finden darin ihre Selbstverwirklichung. Sie handeln aus intrinsischer Motivation. Lit.: B ÜHLER , C H .: Psychologie im Leben unserer Zeit. München, Zürich 1962. schöpferische Ideation Ideation schöpferischer Mensch kreative Persönlichkeit schöpferische Phantasie (creative imagination): auch Realphantasie; höchste Form vorstellungsmäßiger Antizipation, die in der Lage ist, die Wirklichkeit in ihrer Faktizität gedanklich vorwegzunehmen, „ohne sie sinnlich erfahren zu haben und ohne lediglich frühere Erfahrungen in die Zukunft zu projizieren, wie es im wesentlichen bei der planenden Phantasie geschieht. Freilich kann auch schon in dieser etwas von der Realphantasie enthalten sein, sofern die planende Vorwegnahme der Zukunft nicht ausschließlich aus der Anwendung erworbener Erfahrung stammt, sondern von einer Art Gespür für den Gang der Dinge geleitet werden kann.“ (L ERSCH , 1964, S. 425 f.) Die schöpferische Phantasie besitzt also kognitiven Charakter. Diese Antizipation ist zwar ohne Erfahrung nicht möglich, geht jedoch darüber hinaus und erweist sich als wirkliche Erkenntnis. Während z. B. die Wunschphantasie durch <?page no="230"?> schöpferische Zerstörung 226 ihren illusionistischen Charakter die Wirklichkeit verdeckt und sich gewissermaßen das faktisch Unmögliche vorstellt, so ist die Realphantasie geradezu ein Offenbarwerden der Wirklichkeit, ein plötzliches Erkennen von Sachverhalten und Zusammenhängen, die schlagartig auftauchende Lösung eines Problems, also eine Intuition mittels schöpferischer Phantasie. Diese ist also im Unterschied zur Spiel-, Wunsch-, Furcht- und planenden Phantasie die höchste Art der Vorstellungskraft, die besonders im künstlerischen und wissenschaftlichen Bereich bedeutsam ist. Der Erfinder, der ein technisches oder wissenschaftliches Problem löst, bedarf der schöpferischen Phantasie. Auch für Künstler ist sie unverzichtbar. Der französische Philosoph und Begründer der französischen Psychologie Théodule Armand Ribot (1839-1916) veröffentlichte im Jahre 1900 eine kunstpsychologische Studie „Essai sur L'Imagination créatrice“ (dt. Ausg.: „Die Schöpferkraft der Phantasie“. Bonn 1902). Darin entwickelte er eine Drei-Phasen-Theorie des kreativen Prozesses, die sich besonders auf die schöpferische Phantasie in ihren vielfältigen Erscheinungsformen bezieht. Hierbei unterscheidet er zwei Modelle des kreativen Prozesses, ein vollständiges Verfahren und ein abgekürztes Verfahren. Das vollständige Verfahren beinhaltet die Phasen: 1. Am Beginn des kreativen Prozesses steht die Idee mit zeitlich unterschiedlich langer Erörterung bzw. Beratung des zu lösenden Problems. 2. Erfindung oder Entdeckung (Ziel) 3. Bewahrheitung und Anwendung Das abgekürzte Verfahren beinhaltet die Phasen: 1. Allgemeine Vorbereitung, die unbewusst erfolgt 2. Idee (Beginn), Inspiration und Durchbruch 3. Periode des Aufbaus und der Entwicklung Nach Ribots Auffassung wird das zweite Modell vor allem von den „intuitiven Geistern“ angewandt, wobei es „nur scheinbar abgekürzt“ erscheint, denn die sorgfältige Vorarbeit des ersten Verfahrens werde hier zur Nacharbeit. (R IBOT , 1902, S. 108 f.) Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität. Konzept und Lebensstil. Göttingen ³2010; L ERSCH , P H .: Aufbau der Person, 9. Aufl., München 1964; R IBOT , T H . A.: Essai sur L'Imagination créatrice. Paris 1900; dt. Ausgabe: Die Schöpferkraft der Phantasie. Bonn 1902. schöpferische Zerstörung (creative destruction): Der Begriff „schöpferische Zerstörung“ wurde 1942 von dem österreichischen Nationalökonomen Joseph Alois Schumpeter (1883-1950) geprägt. Jede ökonomische Entwicklung baut auf dem Prinzip der schöpferischen Zerstörung alter Strukturen auf. Die Zerstörung sei also absolut notwendig, damit Neues entstehen könne. Auslöser für die schöpferische Zerstörung sind Innovationen, die von den Unternehmern vorangetrieben werden, um sie auf dem Markt durchzusetzen. Der Unternehmer wird zum Erneuerer. Kreativität findet im Spannungsfeld zwischen Schöpfung und Zerstörung, zwischen Ordnung und Chaos, Konstruktion und Destruktion statt. Es ist ein „kreativer Regelbruch“, denn „der Kreative ist immer auch ein kreativer Zerstörer.“ (S CHUSTER , 2011, S. 27) Die Richtlinien eines Systems werden außer Kraft gesetzt, indem die kreative Persönlichkeit ihre eigenen Spielregeln entwickelt. Werden diese neuen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten von der Öffentlichkeit akzeptiert, gelten sie fortan als normativ, bis diese wiederum zerstört werden. Darin besteht die Ambivalenz menschlicher Kreativität, denn schöpferische Impulse sind von destruktiven Gegenkräften bedroht. Diese Grundaussage kommt bereits bei Friedrich Nietzsche (1844-1900) vor, später bei Werner Sombart (1863- 1941). Eine der größten physikalischen Entdeckungen des 20. Jhs., die Kernspaltung, besitzt zugleich ein ungeheures Zerstörungspotenzial. Das Internet ermöglicht den freien Zugang zum internationalen Wissen, stellt aber zugleich eine Gefahr „kreativer“ Inszenierungen dar, die erheblich zu Gewalt und Selbstzerstörung beitragen. (H OLM -H ADULLA , 2011, S. 55) <?page no="231"?> 227 Sekundäre Kreativität Lit.: H OLM -H ADULLA , R. M.: Kreativität zwischen Schöpfung und Zerstörung. Konzepte aus Kulturwissenschaften, Psychologie, Neurobiologie und ihre praktischen Anwendungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011; S CHUMPETER , J. A.: Capitalism, Socialism and Democracy. Harper & Brothers New York 1942; S CHUSTER , M.: Picasso kann jeder? ! Kreativität im Alltag. Stuttgart 2011. Schwarmkreativität (swarm creativity): Bezeichnung für Gruppenkreativität oder Teamkreativität. Der Begriff wurde 2006 von Peter Andreas Gloor eingeführt und bedeutet, dass durch gemeinsame Anstrengungen im Team die Aussicht auf kreative Leistungen erhöht wird. Durch gemeinsame Innovationsnetzwerke können die Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Gruppenkreativität Lit.: G LOOR , P. A.: Swarm Creativity: Competitive advantage through collaborative innovation networks. New York 2006; G LOOR , P. A./ C OOPER , S.: Coolhunting. Chasing down the next big thing. New York 2007. Schwierigkeitsgesetz der Motivation (law of difficulty of motivation): Es gehört zu den Optimierungsprinzipien der Motivation und besagt, dass schwierige Aufgaben den Menschen zu einer Steigerung seiner Motivation veranlassen. Mit der Schwierigkeit der Aufgabenstellung wachse auch der Wille, dieses Problem zu lösen. Dieses Gesetz wurde von dem deutschen Arzt und Psychologen Narziß Kaspar Ach (1871-1946) aufgestellt. Ach wies auf das besondere Energiepotenzial des Willens hin, denn der Wille ermögliche es den Menschen, ihre Handlungsziele auch gegen Widerstände und Hemmnisse (z. B. Ermüdung) über längere Zeit hinweg zu verfolgen. Ähnlichkeiten finden sich in neueren Modellen zur Anstrengungskalkulation sowie in Wulf-Uwe Meyers „Konzept von der eigenen Begabung“ (1984), das auch als „Selbstkonzept eigener Fähigkeit“ bezeichnet wird. Lit.: A CH , N. K.: Über die Willenstätigkeit und das Denken. Göttingen 1905; D ERS .: Über den Willensakt und das Temperament. Leipzig 1910; D ERS .: Analyse des Willens. In: Abderhalden, E. (Hrsg.): Handbuch der biologischen Arbeitsmethoden, 6. Bd., Berlin 1935; D ERS .: Zur neueren Willenslehre. In: Bericht, 15. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. Jena 1936; H ILLGRUBER , A.: Fortlaufende Arbeit und Willensbetätigung. Untersuchungen zur Psychologie und Philosophie 1, 1912, Heft 6; R HEINBERG , F.: Motivation (Grundriss der Psychologie. Eine Reihe in 22 Bänden, hg. von H. Selg und D. Ulich, Bd. 6; Urban- Taschenbücher; Bd. 555), Stuttgart/ Berlin/ Köln ³2000. Sechs Denkhüte Hutwechsel-Methode Sechs-Phasen-Modell (six-stage scheme): der Verlauf des kreativen Prozesses in sechs Stufen. Dieses Modell wurde von Otto Walter Haseloff entwickelt. Die einzelnen Phasen haben die Bezeichnungen: 1. Problematisierung 2. Exploration 3. Latenz 4. Heuristische Regression 5. Elaboration 6. Kanonisierung Lit.: H ASELOFF , O. W.: Über produktive Prozesse und Persönlichkeiten. In: Club Voltaire. Jahrbuch für kritische Aufklärung I. Begründet von Gerhard Szczesny und Otto Bickel. Neu hg. von Frank L. Schütte. Berlin 1989, S. 294-321. Sekundäre Kreativität (secondary creativity): Hierbei handelt es sich um die Kreativität reproduzierender Künstler, gewissermaßen die „Kreativität aus zweiter Hand“. Bereits be- <?page no="232"?> Sekundärmotivation 228 kanntes Wissen wird möglichst rasch und vollständig erlernt bzw. rezipiert, so dass es Teil der eigenen Denkweise wird und Lösungsmöglichkeiten bei Fragestellungen und Problemen durch seine direkte Anwendung oder nach Permutation und Kombination verschiedener Wissensaspekte ermöglicht. Bei der sekundären Kreativität geht es „um das möglichst richtige und vollständige Nachvollziehen bereits bekannter Informationsinhalte und deren Assimilation in das eigene Wissen und Können.“ (V OLKAMER / S TREICHER / W ALTON , 1991, S. 171 f.) Dennoch besteht gerade bei dieser Fähigkeit zur Umstrukturierung ein eher gleitender Übergang zur primären Kreativität, so dass die Grenzen fließend sind. Der Unterschied zwischen primärer und sekundärer Kreativität ist der zwischen einem produzierenden, also neuschaffenden Künstler (z. B. Komponist, Dramatiker, Maler, Zeichner, Bildhauer) und einem reproduzierenden Künstler (z. B. Interpret, Musiker, Sänger, Schauspieler, Kopist). „Beide müssen eine außergewöhnliche schöpferische Fähigkeit mit technischem Können verbinden. Die Tatsache, dass große Interpreten nicht ohne weiteres auch große Komponisten sein müssen und umgekehrt, zeigt jedoch, dass unterschiedliche Anforderungen an ihre Kreativität gestellt werden. ... Natürlich muss auch ein Interpret bei der Wiedergabe eines Musikstückes Aspekte primärer Kreativität in seine Interpretation einfließen lassen, um seine Zuhörer durch originellen Ausdruck zu überzeugen. Der Komponist bedarf umgekehrt besonders in den technischen Fragen der Kompositionslehre, Harmonielehre usw. Aspekte der sekundären Kreativität.“ Diese unterschiedlichen Arten von Kreativität sind „prinzipiell auch auf wissenschaftliche, technische oder andere Gebiete übertragbar.“ (V OLKAMER / S TREICHER / W ALTON , 1991, S. 168 f.) Abraham Harold Maslow weist darauf hin, dass die sekundäre Kreativität, die in einer rationalen Produktivität, im Anhäufen und Analysieren von Vorgegebenem besteht, mitunter zur Neurose führen kann. Kreativität und Psychose Lit.: M ASLOW , A. H.: Emotional blocks to creativity. In: Humanist 18, 1958, S. 325-332; V OLKAMER , K./ S TREICHER , C./ W ALTON , K. G.: Intuition, Kreativität und ganzheitliches Denken. Neue Wege zum bewussten Handeln. Heidelberg 1991. Sekundärmotivation extrinsische Motivation Selbstaktualisierung Selbstverwirklichung Selbstbild (self-image): Selbstwahrnehmung, Bewertung der eigenen Auffassungen, Überzeugungen, Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gefühle und Wunschvorstellungen, die sich durch Selbstbeobachtung (Introspektion) sowie durch Fremdwahrnehmung (Reaktion der Umwelt) bildet. Das Selbstbild steht in enger Beziehung zur intrapersonalen Intelligenz, zur „Fähigkeit, sich selbst zu verstehen, ein lebensgerechtes Bild der eigenen Persönlichkeit - mitsamt ihren Wünschen, Ängsten und Fähigkeiten - zu entwickeln und dieses Wissen im Alltag zu nutzen.“ (G ARDNER , 2002, S. 57). Die Übereinstimmung von Selbstbild und Wunschbild sowie von Selbstbild und Fremdbild bildet eine wesentliche Voraussetzung für die Leistungsfähigkeit und für die interpersonale Intelligenz. Unser Bild von uns selbst steht auch in enger Verbindung mit Selbstachtung und Selbstbewusstsein, denn es dient dem Bewusstsein der eigenen Identität im Wechsel mit äußeren Bedingungen. Kreative Personen besitzen meist eine realitätsgerechte Selbsteinschätzung bzw. entwerfen von sich ein zielorientiertes Selbstbild, das wegweisend und anspornend wirkt. (S CHULER / G ÖRLICH , 2007, S. 15). Ein negatives Selbstbild wirkt kreativitätshemmend, weil es das Selbstvertrauen untergräbt. Lit.: G ARDNER , H.: Intelligence reframed. Multiple intelligences for the 21st century. New York 1999; dt. Ausg.: Intelligenzen. Die Vielfalt des menschlichen Geistes. Stuttgart 2002; N ORTHOFF , G.: Sind wir nichts als Gehirn? Das Selbst und sein Gehirn. In: Rosenzweig, R. (Hrsg.): Geistesblitz und Neuronendonner. Intuition, Kreativität und Phantasie. Paderborn 2010, S. 155-166; S CHULER , H./ G ÖRLICH , Y.: Kreativität. Ursachen, Messung, Förderung und Umsetzung in Innovation. (Praxis der Personalpsychologie. Human Resource <?page no="233"?> 229 Selbstmotivation Management kompakt, hg. von Heinz Schuler, Rüdiger Hossiep, Martin Kleinmann und Werner Sarges, Bd. 13). Göttingen, Bern, Wien, Toronto, Seattle, Oxford, Prag 2007. Selbstfindung (self-making; self-discovery): Begriff aus der Entwicklungspsychologie; im Sinne des persönlichen Glücks ist die Selbstfindung i.S.v. Selbstentdeckung das Hauptziel der Kreativität, ungeachtet aller kreativen Leistungen, Kunstwerke, Produkte oder Problemlösungen, die die betreffende Person für die Öffentlichkeit vollbringt. Paul Matussek (1919- 2003) erklärt: „Nur die Selbstfindung führt zu dem Schöpferischen, welches etwas wirklich Neues darstellt.“ (M ATUSSEK , 1990, S. 177). Im Ergebnis des Selbstfindungsprozesses entstehen ein persönliches Wertesystem und eine mehr oder weniger detaillierte Zukunftsplanung. Angestrebtes Ziel des Selbstfindungsprozesses ist meist die Selbstverwirklichung. Lit.: B ERKEL , K.: Weißt Du, was in dir steckt? Wege zur Selbstfindung. München 1980; M ATUSSEK , P.: Befreiung schöpferischer Kräfte. In: Schultz, Hans Jürgen (Hrsg.): Was der Mensch braucht. Über die Kunst zu leben. München ²1990, S. 168-180. Selbstkreation (self-creation): Der US-amerikanische Philosoph und Pädagoge John Dewey (1859-1952) verwendet diesen Begriff in Anlehnung an Henri Bergons (1859-1941) Konzept der „duration“ (Dauer). Dewey hat diesen Begriff zu der Idee vom Prozess der „endlosen Selbstkreation“ weiterentwickelt, d. h. die kontinuierliche Hinzufügung neuer Bedeutungsinhalte zu der bereits bestehenden Erfahrung. Dewey geht davon aus, dass 1. die menschliche Existenz zugleich Wandel bedeutet, 2. dass Wandel immer Wachstum und Reifung beinhaltet, und 3. dass Wachstum und Reifung zugleich die „endlose Selbstkreation“ sicherstellen. Die Erfahrung sollte durch ständige „Kreationsprozesse“ erneuert werden. Claudia Meurer versteht darunter „die Fähigkeit, in der Gegenwart das spezifische Handlungspotenzial in voller Höhe und Bewusstheit zu verwirklichen. Das hat zur Folge, dass das Selbst nicht beständig danach strebt, mehr es selbst zu werden, sondern, dass es in dem Bewusstsein lebt, beständig als Selbst zu handeln.“ (M EURER , 2000, S. 95). Lit.: D EWEY , J.: How we think. Boston 1910; dt. Ausg.: Wie wir denken. Eine Untersuchung über die Beziehung des reflektiven Denkens zum Prozess der Erziehung. Zürich 1951; M EURER , C.: Selbstverwirklichung im „New Age“ und bei John Dewey. Berlin 2000; Selbstmotivation (self-motivation): die Motivationsbereitschaft des Individuums, die als Voraussetzung für die intrinsische Motivation gilt. Voraussetzungen der Selbstmotivation sind außer dem motivierenden Ausgangsinteresse eine ausreichende Ichstärke (Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl) und die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme (Selbstverantwortung und Selbstinitiative). Durch Selbstmotivation erreicht man das Leistungsverhalten und damit das angestrebte Ziel. Selbstmotivation setzt Handlungsfähigkeit voraus, die Übernahme der Verantwortung für das eigene Tun. Sich selbst motivierende Persönlichkeiten übernehmen Verantwortung. Sie kennen ihre eigenen Stärken und Schwächen und sagen: „Ich möchte, ich will, ich entscheide“ und vermeiden dadurch, Spielball der Verhältnisse zu sein. Jeder Schritt auf dem Weg zum Ziel ist ein Akt der Selbstmotivation. Die Selbstmotivation und die eigene Willenskraft sind wichtige Aspekte im Selbstmanagement. Lit.: G ASSMANN , O. (Hrsg.): Praxiswissen Projektmanagement. Bausteine, Instrumente, Checklisten. München ²2006; G ROßMANN , A.: Effektives Selbstmanagement. Offenbach 2000; H UHN , G./ B ACKERRA , H.: Selbstmotivation. Flow - statt Stress oder Langeweile. München, ³2008. <?page no="234"?> Selbstverwirklichung 230 Selbstverwirklichung (self actualization; auch self-fulfillment): auch Selbstaktualisierung. Selbstverwirklichung ist die Realisierung der Lebenschancen, die sich aus den eigenen Anlagen, Begabungen, Talenten, Fähigkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten ergeben, also die Verwirklichung der im eigenen Selbst angelegten Bestimmungen. Als Entwicklungsziel wird die Selbstverwirklichung häufig als höchste Stufe der Bedürfnisse angesehen. Das wichtigste Bewährungsfeld menschlicher Selbstverwirklichung und Zielorientierung ist die Kreativität, denn das Streben nach Selbstverwirklichung setzt ungeahnte schöpferische Energien frei. Gilt es doch, seinen Lebensentwurf, seine Träume und Ideen, gegen eine Welt von Hindernissen durchzusetzen. Der US-amerikanische Philosoph John Dewey (1859-1952) erklärte: „Herauszufinden, wozu man sich eignet und eine Gelegenheit zu finden, das zu tun, ist der Schlüssel zum Glücklichsein“. (vgl. H ERRMANN , 1991, S. 109.) Der Drang nach Selbstverwirklichung ist eine wichtige Triebkraft für die kreative Persönlichkeit. Die Tätigkeit bestimmt letztlich den Wert des Menschen, den er sich selbst gibt. Das Bewusstwerden der eigenen Leistungskraft, das Kräftemessen an schwierigen Aufgaben und der Wettstreit mit anderen lässt kreative Persönlichkeiten, wie Entrepreneure, Führungskräfte u. a. über sich hinauswachsen. Dabei verfolgen sie ihr Ziel oft um jeden Preis. Kreativen Persönlichkeiten gelingt es oft, in der Lösung von Problemen, in angestrengter Arbeit sich selbst zu verwirklichen, wobei eine derartige Anspannung als lustvoll erlebt wird. ( Flow-Erlebnis). Die Selbstverwirklichungstheorie wurde besonders von den Vertretern der Humanistischen Psychologie entwickelt, vor allem von Carl Ransom Rogers (1902-1987), Charlotte Bühler (1893-1974) und Abraham Harold Maslow (1908-1970). Sie sehen in der Selbstverwirklichung das höchste Ziel der Persönlichkeitsentfaltung, da die Person darin ihre Selbsterfüllung findet. Jeder hat das Bedürfnis, seine Fähigkeiten und Fertigkeiten optimal zur Geltung zu bringen, seine Ideen und Wertvorstellungen zu verwirklichen, um ein persönlich gesetztes Ziel zu erreichen. Ist ein Bedürfnis unbefriedigt, kann dies zu Spannungen führen und damit Aktivitäten auslösen, mit dem Ziel, den Mangel des Bedürfnisses zu beseitigen. Nach Maslows Auffassung müssen bestimmte Bedürfnisse der jeweils unteren Stufe zumindest teilweise erfüllt sein, bevor der Mensch seine höheren Bedürfnisse nach persönlichem Wachstum und Selbstverwirklichung befriedigen kann. Jedoch hängt die Selbstverwirklichung nicht allein von der Leistung ab, sondern auch von der Anerkennung in der Gesellschaft. Wenn diese blockiert wird, kann die betreffende Person depressiv oder aggressiv werden. ( Maslowsche Bedürfnispyramide). Rogers sieht im menschlichen Bestreben, sich selbst zu verwirklichen, die allgemeine Quelle des kreativen Schaffens. Die Verwirklichung des Selbst setzt kreative Energien frei. Der Mensch darf sich mit dem Erreichten nicht begnügen, sondern muss über das bisher Erreichte hinausstreben, wenn er kreativ bleiben will. Maslow versteht unter dem Begriff Selbstverwirklichung, seiner eigenen Natur treu zu bleiben, die Aktualisierung des eigenen Potenzials, eine in jedem Menschen angelegte geistige Zielsetzung. Dies führe zu Selbstakzeptanz, Spontaneität, zu Unabhängigkeit und Kreativität. (M ASLOW , 1973, S. 166). Doch dieser wünschenswerte Zustand werde leider nur sehr selten erreicht. Maslow schätzte ein, dass es höchstens einem Prozent der Weltbevölkerung gelinge, ihre maximale Selbstverwirklichung zu erreichen. (Vgl. H UGO -B ECKER / B ECKER , 1997, S. 34). Selbst Menschen mit einem hohen Lebensstandard fühlen sich ausgebrannt (Burnout- Syndrom), hetzen von Termin zu Termin, finden nicht die Erfüllung ihres Lebens und fühlen sich wie die Laborratte im Käfig. Es gibt zahlreiche Beispiele, wie es einzelnen Persönlichkeiten erst im hohen Alter gelingt, sich selbst zu verwirklichen. Diese Personen bezeichnet man als „Late Bloomer“ (Spätzünder, Spätentwickler). Die steigende Lebenserwartung bietet uns auch die Chance, nach dem aktiven Berufsleben unser Leben selbstbestimmt in die Hand zu nehmen, Versäumtes nachzuholen und uns entsprechend unseren Fähigkeiten zu verwirklichen. (Kruse, 2011). Die Selbstverwirklichung ist eine kreative Lebensaufgabe, in der im Selbstgeschaffenen die Individualität des Menschen zum Ausdruck kommt. (Vgl. H OLM -H ADULLA , 2001, S. 13) Diese Einstellung ist ein grundlegendes Motiv des Menschen. Eine sich selbstverwirklichende Person akzeptiert sich selbst, verfügt über soziale Fähigkeiten und ist kreativ, spontan und offen für Veränderungen. <?page no="235"?> 231 Serendipidität Lit.: B ÜHLER , C H .: Psychologie im Leben unserer Zeit. München/ Zürich 1962; H ERRMANN , N.: Kreativität und Kompetenz. Das einmalige Gehirn. Einführung von Roland Spinola. Aus dem Amerikanischen von Wolfgang Becker. Fulda 1991; H OLM -H ADULLA , R. M.: 17 Wege zur Kreativität - Ein Überblick. In: Ders. (Hrsg.): Kreativität. (Heidelberger Jahrbücher; Bd. 44/ 2000). Berlin/ Heidelberg/ New York; Nachdruck 2001, S. 1-19; H UGO -B ECKER , A./ B ECKER , H.: Motivation. Neue Wege zum Erfolg (Beck-Wirtschaftsberater im dtv, 5896), München 1997; K RUSE , A. (Hrsg.): Kreativität im Alter (Schriften des Marsilius-Kollegs, Bd. 4; Universität Heidelberg), Heidelberg 2011; M ASLOW , A. H.: Creativity in self-actualizing people. In: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 83-95; M ASLOW , A. H.: Motivation and personality. New York 1954, ²1970; dt. Ausgabe: Motivation und Persönlichkeit. Reinbek bei Hamburg 1999; M ASLOW , A. H.: Psychologie des Seins. Ein Entwurf. München 1973; M EURER , C.: Selbstverwirklichung im „New Age“ und bei John Dewey. Berlin 2000; P ETERHANS , I RÈNE : Werde dich selbst. Das Konstrukt der Selbstverwirklichung aus psychologischer Sicht (Lizentiatsarbeit. Universität Fribourg, Departement für Angewandte Psychologie). Bern 2004; P O IVAVŠEK , L UDVIK : Selbstverwirklichung: eine Analyse aus psychologischer und ethischer Sicht (Europäische Hochschulschriften, Reihe VI: Psychologie, Bd. 693). Frankfurt am Main/ Berlin/ Bern/ Bruxelles/ New York/ Oxford/ Wien 2002; R OGERS , C. R.: Towards a theory of creativity. In: ETC: A review of general semantics 11 (1954), pp. 249-260; Dass. in: Anderson, H. H. (Ed.): Creativity and its cultivation. New York 1959, pp. 69-82; AUCH IN : Rogers, C. R. (Ed.): On becoming a person. A therapist’s view of psychotherapy. Boston 1961, pp. 347-359; AUßERDEM IN : Parnes, S. J./ Harding, H. F. (Eds.): A source book of creative thinking. New York 1962, pp. 63-72; dt. Fassung: Auf dem Wege zu einer Theorie der Kreativität. In: Petzold, Hilarion/ Orth, Ilse (Hrsg.): Die neuen Kreativitätstherapien. Handbuch der Kunstherapie (Reihe: Kunst - Therapie - Kreativität; Bd. 8), 2 Bände. Paderborn ²1991, Bd. I, S. 237-255; in anderer Übersetzung unter dem Titel: „Zu einer Theorie der Kreativität“ in: Rogers, C. R.: Entwicklung der Persönlichkeit. Psychotherapie aus der Sicht eines Therapeuten. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jacqueline Giere. Mit einem Vorwort von Reinhard Tausch (= Konzepte der Humanwissenschaften), 15. Aufl., Stuttgart 2004, S. 337-349; R OGERS , C. R.: On becoming a person. A therapist’s view of psychotherapy. Boston 1961. Selfmademan jemand, der aus eigener Kraft zu beruflichem Erfolg gelangt ist. Sensitivität (sensitivity): ein Merkmal der kreativen Persönlichkeit, die Fähigkeit, Probleme zu erfassen; auch die Offenheit der Umwelt gegenüber. Problemsensitivität Serendipidität (serendipity): die Entdeckung durch Zufall; das Glück, unvorhergesehene Beweise für eine Idee zu finden; die Überraschung, auf neue Dinge oder Beziehungen zu stoßen, die man nicht gesucht hatte, indem man beim Lösungsprozess eines Problems zunächst auf etwas Nebensächliches stößt, das sich aber später als eine wichtige Entdeckung herausstellt. Serendipidität ist also eine Art kreativer Lösung, „die Gabe, durch Zufall glückliche und unerwartete Entdeckungen zu machen. Die erforderlichen assoziativen Elemente können gleichzeitig hervorgerufen werden, wenn die Stimuli, die diese ... hervorrufen, nebeneinander in der Umgebung auftauchen. ... Dieser Art von Entdeckung werden meistens Erfindungen zugeschrieben wie die der Röntgenstrahlen und solche Entdeckungen wie die des Penicillins.“ (Mednick. In: Ulmann, 1973, S. 289). Der Begriff „Serendipidität“ wurde vermutlich von dem englischen Schriftsteller Horace Walpole (1717-1797) geprägt. Nach anderer Überlieferung soll dieser Terminus auf den kanadisch-britischen Internisten Sir William Osler (1849-1919) zurückgehen. Die Entstehung dieses Begriffs ist von dem Märchen „Die drei Prinzen von Serendip“ abgeleitet. Serendip ist die alte Bezeichnung für Ceylon, heute: Sri Lanka). Assoziationstheorie Lit.: L ABHART , A.: Intuition in der Wissenschaft. In: Wendt, H./ Loacker, N. (Hrsg.): Kindlers Enzyklopädie. Der Mensch, 10 Bde., Zürich 1981-1985, Bd. VII, S. 441; M EDNICK , S. A.: Die assoziative Basis des kreativen Prozesses (1963). In: Ulmann, G. (Hrsg.): Kreativitätsforschung. Köln 1973, S. 287-304; R OBERTS , R. M.: Serendipity. Accidental discoveries in science. New York 1989. <?page no="236"?> Simonton, Dean Keith 232 Simonton, Dean Keith (*1948): US-amerikanischer Psychologe und Kreativitätsforscher. Er vertritt die Auffassung, dass kreative Erkenntnisse aus der überwiegend zufälligen Kombination von Situationselementen resultieren und entwickelte die „Chance configuration theory of creativity“ (Zufall-Gestalt-Theorie der Kreativität), auch Permutations- und Konfigurationstheorie genannt. Simontons Permutations- und Konfigurationstheorie Lit.: S IMONTON , D. K.: Genius, creativity, and leadership. Historiometric inquiries. Harvard University Press. Cambridge, Massachusetts; London 1984 (Reprint 2013); D ERS .: Creativity, leadership, and chance. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1988; ²1989, pp. 386-426; D ERS .: Scientific genius: A psychology of science. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1988; D ERS .: Age and outstanding achievement: What do we know after a century of research? In: Psychological Bulletin 104, 1988, pp. 251-267; D ERS .: Creativity in personality, developmental, and social psychology. Any links with cognitive psychology? In: Ward, T. B./ Smith, S. M./ Vaid, J. (Eds.): Creative thought. An investigation of conceptual structures and processes. Washington 1997, pp. 309-324; D ERS .: Historiometric studies of creative genius. In: Runco, M. A. (Ed.): The creativity research handbook, Cresskill 1997, Vol 1, pp. 3-28; D ERS .: Origins of genius. Darwinian perspectives on creativity. Oxford, New York 1999; D ERS .: Creativity from a historiometric perspective. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007, pp. 116-133; D ERS .: Creativity in science. Chance, logic, genius, and Zeitgeist. Cambridge University Press. Cambridge et al. 2004; D ERS .: Creativity as a constrained stochastic process. In: Sternberg, R. J./ Grigorenko, E. L./ Singer, J. L. (Eds.): Creativity. From potential to realization. American Psychological Association. Washington, DC ²2006, pp. 83-101; D ERS .: Creativity around the world in 80 ways … but with one destination. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The international handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 2006, pp. 490-496; D ERS .: Creativity in highly eminent individuals. In: Kaufman, J. C./ Sternberg, R. J. (Eds.): The Cambridge handbook of creativity. (Cambridge handbooks in psychology). Cambridge University Press. Cambridge et al. 2010, pp. 174-188. Simontons Permutations- und Konfigurationstheorie (permutation and configuration theory by Simonton): auch Zufall-Gestalt-Theorie der Kreativität (chance configuration theory of creativity); 1988 von Dean Keith Simonton entwickelt. Dabei orientierte er sich an Vorarbeiten von Donald T. Campbells evolutionär-erkenntnistheoretischen Ansätzen. - Permutation bedeutet Austausch, Änderung bzw. Umstellung der Reihenfolge in der Zusammenstellung von Elementen und Konfigurationen, wobei Simonton auch die Bewertung und Selektion des Charakteristischen einbezieht. Diese Theorie beinhaltet, dass bei ausreichender Aktivität (und sei sie noch so ziellos) irgendwann eine Gedankenkombination ›einfällt‹, die neuartig und brauchbar ist. Simontons Theorie enthält zwei zentrale Komponenten für kreative Problemlösungen: 1. Die Erzeugung von Variabilität (Wandlungsfähigkeit) durch die Kombination und Rekombination der verfügbaren kognitiven Elemente eines Problemfeldes 2. das Erkennen oder Herstellen von stabilen, sinnstiftenden und neuen Konfigurationen aus der Wandlungsfähigkeit der Elemente. Die Theorie umfasst drei Stufen: 1. eine Zufallsvariation (chance permutation of mental elements: Zufallskombination mentaler Elemente) 2. die Bildung von Konfigurationen (Mustern, Schemata, Ordnungen) 3. die Kommunikation bzw. die soziale Akzeptanz dieser Konfigurationen. (L ENK , 2000, S. 128-137). Lit.: L ENK , H.: Kreative Aufstiege. Zur Philosophie und Psychologie der Kreativität (suhrkamp taschenbuch wissenschaft 1456). Frankfurt am Main 2000; D ERS .: Bewusstsein, Kreativität und Leistung. Philosophische Essays zur Psychologie. Darmstadt 2007; M AINZER , K.: Der kreative Zufall. Wie das Neue in die Welt kommt. München 2007; S IMONTON , D. K.: Scientific genius: A psychology of science. Cambridge: Cambridge University Press 1988; D ERS .: Age and outstanding achievement: What do we know after a century of research? In: Psychological Bulletin, 104, 1988, pp. 251-267; D ERS .: Creativity, leadership, and chance. In: Sternberg, R. J.: (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne/ Sydney ²1989, pp. 386-426; W EISBERG , R. W.: Creativity. Understanding innovation in problem solving, science, invention, and the arts. John Wiley & Sons, Inc., Hoboken, New Jersey 2006. <?page no="237"?> 233 Sternberg, Robert J. Soft Skills Schlüsselqualifikationen, eigtl. sanfte oder weiche Fähigkeiten, die zum kreativen Humankapital eines Unternehmens gehören. Neben den Hard Skills, der Fachkompetenz, werden von den Mitarbeitern soziale Kompetenzen verlangt, wie Teamfähigkeit, Kommunikations- und Konfliktverhalten, Kritikfähigkeit, Selbstsicherheit, Selbstmotivation, Eigeninitiative bzw. Selbstorganisation, Urteilsvermögen und Zeitmanagement. Dazu gehören auch Kreativität, analytisches und divergentes Denken, Verantwortungsbewusstsein, Loyalität, Intelligenz, Strebsamkeit, Lernbereitschaft, Anstand, Charakter, Ausdauer, Flexibilität, Veränderungs- und Risikobereitschaft. (vgl. K RAUS , 2005, S. 106-108; Lotter, 2009, S. 73) Die Soft Skills sind vor allem für Führungskräfte von zentraler Bedeutung. „Vielfach verzichten Arbeitgeber sogar auf die formale Befähigung für einen Beruf, wenn nur die Soft Skills stimmen. Für angesehene Unternehmensberater arbeiten mittlerweile nicht allein Betriebswirte und Finanzfachleute, sondern auch Ethnologen, Philosophen und begabte Autodidakten. … Das aber gilt nur für die Arbeitskräfte des kreativen Sektors.“ (L OTTER , 2009, S. 74) Lit.: B OLDT , K.-W.: Erfolg durch Kompetenz. Das Wissen zur Optimierung eigener Fähigkeiten. Darmstadt 2011; G UNTERN , G.: Sieben goldene Regeln der Kreativitätsförderung. Zürich, Berlin, New York 1994; K RAUS , G.: Managementbegriffe. Planegg bei München 2005; L OTTER , W.: Die kreative Revolution. Was kommt nach dem Industriekapitalismus? Mit Beiträgen von Lutz Engelke et al., Hamburg 2009. Sozialpsychologie der Kreativität (social psychology of creativity): Die USamerikanische Wirtschaftswissenschaftlerin Teresa M. Amabile etablierte 1983 eine Sozialpsychologie der Kreativität, die innerhalb der psychologischen Kreativitätsforschung als Grundlagenwerk gilt. Davon erschien 1996 eine stark überarbeitete Version unter dem Titel „Creativity in context“. Amabile erkannte auch erstmals die Bedeutung von intrinsischer Motivation als Schlüsselfaktor im kreativen Prozess. (Vgl. V OGT , 2010, S. 111, 123). Lit.: A MABILE , T. M.: Social psychology of creativity. A consensual assessment technique. In: Journal of Personality and Social Psychology, Vol. 43, 1982, pp. 997-1013; D IES .: The social psychology of creativity. New York et al. 1983; D IES .: The social psychology of creativity: A componential conceptualization. In: Journal of Personality and Social Psychology, 45, 1983, pp. 357-377; D IES .: Within you, without you. The social psychology of creativity, and beyond. In: Runco, M. A./ Albert, R. S. (Eds.): Theories of creativity. Newbury Park, California: Sage Publications 1990, pp. 61-91; D IES .: Creativity in context: Update to the social psychology of creativity. Boulder, Colorado: Westview Press, 1996; A MABILE , T. M./ P HILLIPPS , E. D./ C OLLINS , M. A.: Creativity by contract. Social influences on the creativity of professional fine artists. Paper presented at the meeting of the American Psychological Association, Toronto 1993; V OGT , T.: Kalkulierte Kreativität. Die Rationalität kreativer Prozesse. Wiesbaden 2010. Sternberg, Robert J. (*1949): einer der führenden US-amerikanischen Kreativitäts- und Intelligenzforscher; IBM-Professor für Psychologie und Erziehungswissenschaften an der Yale University, Connecticut; Herausgeber der Zeitschrift „Contemporary Psychology“. Er gehört der „American Academy of Arts and Sciences“ an. Sternberg verfasste über 40 Bücher und mehr als 500 Aufsätze. Er entwickelte 1991, gemeinsam mit Todd I. Lubart, die Investmenttheorie der Kreativität. 1996 führte Sternberg den Begriff „successful intelligence“ ( Erfolgsintelligenz) ein, jene Art von Intelligenz, die wir einsetzen, um wichtige Ziele zu erreichen, die zu einem zielorientiertem Handeln führt. 1999 entwarf Sternberg die Propulsionstheorie der Kreativität. Lit.: S TERNBERG , R. J.: Beyond IQ. A triarchic theory of human intelligence. Cambridge University Press. Cambridge 1985; D ERS .: Implicit theories of intelligence, creativity, and wisdom. In: Journal of Personality and Social Psychology 49, 1985, pp. 607-627; D ERS . (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne/ Sydney 1988; ²1989; D ERS .: A three-facet model of creativity. In: Sternberg, R. J. (Ed.): The nature of creativity. Contemporary psychological perspectives. Cambridge University Press. Cambridge/ New York/ Port Chester/ Melbourne/ Sydney 1988, pp. 125-147; D ERS . (Ed.): Advances in the psychology of human intelligence. Lawrence Erlbaum, Hillsdale, NJ 1989; D ERS .: In search of the human mind. Harcourt Brace College Pub- <?page no="238"?> Structure-of-intellect model 234 lishers, Fort Worth, TX 1995; D ERS .: Successful intelligence. New York 1996; D ERS .: IQ counts, but what really counts is successful intelligence. In: NASSP Bulletin, 80, 1996, pp. 18-23; D ERS .: Successful intelligence. How practical and creative intelligence determine success in life. New York 1996; DT . A US .: Erfolgsintelligenz. Warum wir mehr brauchen als EQ + IQ. München 1998; D ERS .: A propulsion model of types of creative contributions. In Review of General Psychology, 3, 1999, pp. 83-100; D ERS . (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1999, 10 th printing 2007; D ERS . (Ed.): Handbook of intelligence. Cambridge University Press. Cambridge 2000; D ERS .: Wisdom, intelligence, and creativity synthesized. Cambridge University Press, Cambridge et al. 2003; paperback edition 2007; S TERNBERG , R. J./ D AVIDSON , J. E. (Eds.): Conceptions of giftedness. Cambridge University Press. Cambridge et al. 1986; S TERNBERG , R. J./ D AVIDSON , J. E.: Problem solving. In: M. C. Aikin (Ed.): Encyclopedia of educational research. New York 1992, Vol. 3, pp. 1037-1045; S TERNBERG , R. J./ D AVIDSON , J. E. (Eds.): Mechanisms of insight. Cambridge 1995; S TERNBERG , R. J./ G RIGORENKO , E. L./ S INGER , J. L. (Eds.): Creativity. From potential to realization. American Psychological Association. Washington, DC ²2006; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C./ P RETZ , J. E.: The propulsion model of creativity applied to the arts and letters. In: Journal of Creative Behavior, 35, 2001, pp. 75-101; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C./ P RETZ , J. E.: The creativity conundrum. A propulsion model of kinds of creative contributions. New York 2002; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C./ P RETZ , J. E.: A propulsion model of creative leadership. In: Leadership Quarterly, 14 (4-5), 2003, pp. 455- 473; S TERNBERG , R. J./ K AUFMAN , J. C./ P RETZ , J. E.: A propulsion model of creative leadership. In: Innovation and Creativity Management, 13, 2004, pp. 145-153; S TERNBERG , R. J./ L AUTREY , J./ L UBART , T. I. (Eds.): Models of intelligence. International perspectives. American Psychological Association. Washington, DC 2003; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: An investment theory of creativity and its development. In: Human Development, 34, 1991, pp. 1-31; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: On short-selling the investment theory of creativity. A reply to Runco. In: Creativity Research Journal, 4, 1991, pp. 200-202; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: Creating creative minds. In: Phi Delta Kappan 8, 1991, pp. 608-614; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: Buy low and sell high: An investment approach to creativity. In: Current Directions in Psychological Science, 1 (1), 1992, pp. 1-5; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: Defying the crowd: Cultivating creativity in a culture of conformity. New York 1995; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: Investing in creativity. In: American Psychologist, 51, 1996, pp. 677-688; S TERNBERG , R. J./ L UBART , T. I.: The concept of creativity: Prospects and paradigms. In: Sternberg, R. J. (Ed.): Handbook of creativity. Cambridge 1999, 10 th printing 2007, pp. 3-15; F RENSCH , P. A./ S TERNBERG , R. J.: Expertise and intelligent thinking. When is it worse to know better? In: Sternberg, R. J. (Ed.): Advances in the psychology of human intelligence. Lawrence Erlbaum, Hillsdale, NJ 1989, pp. 157-188; K AUFMAN , J. C./ S TERNBERG , R. J. (Eds.): The international handbook of creativity. Cambridge University Press. Cambridge et al. 2006; L UBART , T. I./ S TERNBERG , R. J.: An investment approach to creativity: Theory and data. In: S. M. Smith/ T. B. Ward/ R. A. Finke (Eds.): The creative cognition approach. Cambridge, MA: MIT Press 1995, pp. 271-302; L UBART , T. I./ S TERNBERG , R. J.: Creativity across time and place = lifespan and cross-cultural perspectives. In: High Ability Studies, 9 (1), 1998, pp. 59-74. Structure-of-intellect model (SI) Intelligenz-Struktur-Modell Strukturierte Assoziationstechniken (techniques of structured association) strukturiertes Assoziieren. Dazu gehören Walt-Disney-Strategie, Hutwechsel-Methode, semantische Intuition Strukturtheorie der Kreativität Kreativitätstheorien Study of Values Test ein Test zur Untersuchung von Wertvorstellungen und Interessen. Der Test benennt sechs Merkmale, die bei verschiedenen Personen in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind. Hierbei wird vorausgesetzt, dass es sich dabei um Überzeugungen handelt, die dem Menschen helfen, sein Verhalten zu beeinflussen und sein Leben zu strukturieren. Die sechs Merkmale sind: 1. theoretisch (Interesse an der Wahrheitsfindung) 2. ökonomisch (Interesse an den Dingen aufgrund ihres Nutzens) 3. ästhetisch (Streben nach Harmonie) 4. sozial (altrustische Liebe) 5. politisch (Macht) <?page no="239"?> 235 Superposition 6. religös (Glaube an eine allumfassende Einheit). Lit.: A LLPORT , G. W./ V ERNON , P. E./ L INDZEY , G.: A Study of Values. Boston: Houghton Mifflin 1960; W EISBERG , R. W.: Creativity. What you, Mozart, Einstein and Picasso have in common. New York 1986; dt. Ausg: Kreativität und Begabung. Was wir mit Mozart, Einstein und Picasso gemeinsam haben. Heidelberg 1989. Sublimierung (sublimation): ein Abwehrmechanismus, bei dem ein unbefriedigter Sexualtrieb in künstlerische, wissenschaftliche oder soziale Tätigkeiten umgewandelt und damit auf eine höhere Ebene gesteigert wird. Nach der Sublimierungstheorie von Sigmund Freud (1856-1939) besteht die Motivation zur kreativen Leistung in der Ablenkung bzw. Verschiebung libidinöser Energie auf höhere geistige Ziele, die dem Individuum einen Lustgewinn ermöglichen, der nicht durch die Erfüllung des Sexualtriebes zustandekommt, sondern durch dessen Verschiebung auf höhere geistige Operationen. Trotz dieses Transfers bleibe die Kraft der libidinösen Energie in vollem Umfang erhalten. In diesem Zusammenhang hat der einsetzende kreative Prozess seinen Ursprung im Konflikt und ist „eine Form geglückter Triebabwehr“. (E ISLER -S TEHRENBERGER , 1991, S. 123) Die unterdrückten Triebe finden im kreativen Prozess einen Ausweg, um in Form einer Ersatzbefriedigung Erfüllung zu finden. Das Bedürfnis des kreativ Tätigen, geliebt und anerkannt zu werden (narzisstische Libido) erfülle sich durch diese höheren geistigen Ziele. Freuds Sublimierungskonzept ist aber keine Garantie für Kreativität, denn „der Gestaltungswille ist asexuell und daher durch keine Sublimierungsthese begründbar.“ (R ECKWITZ , 2012, S. 209) Lit.: E ISLER -S TEHRENBERGER , K.: Kreativer Prozess - Therapeutischer Prozess. In: Petzold, H./ Orth, I. (Hrsg.): Die neuen Kreativitätstherapien. Handbuch der Kunsttherapie (Reihe: Kunst - Therapie - Kreativität; Bd. 8), 2 Bände. Paderborn ²1991; 2007, Bd. I, S. 113-168; R ATTNER , J./ D ANZER , G.: Grundbegriffe der Tiefenpsychologie und Psychotherapie. Darmstadt 2000; R ECKWITZ , A.: Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung (suhrkamp taschenbuch wissenschaft). Berlin 2012. Suchprobleme Problemgruppen Superposition (superposition): Übereinanderschichtung, Übereinanderlegung, Überlagerung; auch Schlichtung, Hierarchie. Eine französische Kreativitätstechnik, die aus einer Kombination der amerikanischen Methoden Forced relationship und Attribute listing besteht. (H OFFMANN , 1996, S. 232 f.). Sie wurde 1972 von A. Kaufmann, M. Fustier und A. Drevet entwickelt und stellt die Kombinationsversuche auf eine breitere Basis. Mit dem zu lösenden Problem werden mehrere Fremdobjekte verbunden. Dabei sind Unordnung und Zufall ausdrücklich erwünscht. Vergleichbar mit dem Durcheinander in einem Mückenschwarm oder mit der Bewegung der Gasmoleküle bei der „Brownschen Molekularbewegung“, sollen Denkbewegungen und damit Chancen eröffnet werden, dass durch den Zusammenprall, die schöpferische Konfrontation, neue Gedankenkombinationen entstehen. (vgl. L OHMEIER , 1985, S. 30 u. 110). Diese Methode gehört zu den kreativen Reizworttechniken. Ähnlich wie bei der Reizwort-Analyse wird versucht, durch ein planvolles Herbeiführen von Zufällen die Probleme auf eine neue Art zu lösen. 1. Zunächst werden einzelne Gegenstände oder Produkte aufgelistet. 2. Danach werden diese in ihre Untergruppen, Bestandteile, Funktionen u. a. gegliedert. 3. Der dritte Schritt ist die Entwicklung von Alternativideen aus den eigentlichen Superpositionen heraus. Lit.: H OFFMANN , H EINZ : Kreativität. Die Herausforderung an Geist und Kompetenz. Damit Sie auch in Zukunft Spitze bleiben. München 1996; K AUFMANN , A./ F USTIER , M./ D REVET , A.: Moderne Methoden der Kreativität. München 1972; L OHMEIER , F.: Bisoziative Ideenfindung. Erforschung und Technisierung kreati- <?page no="240"?> Supervision 236 ver Prozesse. Frankfurt am Main/ Bern/ New York/ Nancy 1985; P INK , R.: Wege aus der Routine. Kreativitätstechniken für Beruf und Alltag. Stuttgart 1996; D IES .: Bewußt kreativ. Ausbrechen aus der Routine; Leistungskick statt Leistungsknick; Die besten Kreativitätstechniken für mehr Erfolg im Beruf (Fit for business; 590). Regensburg/ Düsseldorf/ Berlin 2000; W ACK , O. G./ D ETLINGER , G./ G ROTHOFF , H.: Kreativ sein kann jeder. Kreativitätstechniken für Leiter von Projektgruppen, Arbeitsteams, Workshops und von Seminaren. Ein Handbuch zum Problemlösen. Hamburg ²1998. Supervision (supervision): fachliche und praktische Beratung von Einzelpersonen und Einrichtungen durch einen erfahrenen Spezialisten (Supervisor). Der Begriff stammt aus den USA. Er wurde um 1890 zuerst in der Sozialarbeit als Bezeichnung für die Beaufsichtigung bzw. Dienstaufsicht (supervision) und Praxisanleitung von Berufsanfängern verwendet. Neben dem Einsatzgebieten in der Sozialarbeit und Pädagogik wird Supervision in der Psychotherapie als Verfahren der Selbstbeobachtung, Selbstanalyse und Selbstreflexion genutzt, aber auch von Führungskräften bei der Entwicklung von Arbeits- und Projektgruppen, um die kreativen Potenziale der Mitarbeiter und Teams zu fördern. (hier meist Coaching genannt). Lit.: B ELARDI , N.: Supervision. Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg i. Br. ²1998; B UER , F./ S ILLER , G. (Hrsg.): Die flexible Supervision. Wiesbaden 2004; F ATZER , G./ R APPE -G IESECKE , K./ L OOSS , W.: Qualität und Leistung von Beratung: Supervision, Coaching, Organisationsentwicklung. Edition Humanistische Psychologie - (EHP-Organisation), Köln 1999; H ERCHER , H./ K ERSTING , H. J.: Systemische Supervision im Gespräch. Entwicklungen und Konzepte im deutschen Sprachraum. Aachen 2003; K ERSTING , H. J.: Zirkelzeichen: Supervision als konstruktivistische Beratung. Aachen 2002; P ALLASCH , W./ K ÖLLN , D./ R EIMERS , H./ R OTTMANN , C.: Das Kieler Supervisionsmodell (KSM). Manual und Kopiervorlagen zur pädagogischen Supervision. Weinheim und München 2001; P ÜHL , H. (Hrsg.): Handbuch der Supervision. Berlin ²2000; R ICHTER , K. F.: Coaching als kreativer Prozess. Werkbuch für Coaching und Supervision mit Gestalt und System. Göttingen ³2009. Swarm Creativity Schwarmkreativität SWOT-Analyse (SWOT analysis): Die Bezeichnung »SWOT« setzt sich zusammen aus: S = Strengths (Stärken), W = Weaknesses (Schwächen), O = Opportunities (Chancen, Möglichkeiten) und T = Threats (Gefahren, Hindernisse, Bedrohungen, i.S.v. Risiken). Diese Methode wird vor allem im Projektmanagement eingesetzt, um die Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken einer Idee rechtzeitig vor der Markteinführung zu erkennen. Die SWOT-Analyse dient also als Grundlage für eine Entscheidung, ob eine Idee weiterverfolgt werden soll oder nicht. Auch Produkt- und Dienstleistungen sind vor der Markteinführung sorgfältig zu prüfen und zu testen. Die Produktmanager und Marketingexperten verwenden dazu eine sogenannte SWOT-Matrix. Die Ideenbewertung erfolgt in vier Hauptkategorien: 1. Produkteigenschaften 2. Zielgruppe 3. Konkurrenz 4. Branchen- und Umfeldrahmenbedingungen (gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld) Mit Hilfe dieser Methode wird auch sichtbar, was kritisch erscheint, in welchen Bereichen noch Informationsdefizite bestehen und was an der Idee noch verbessert werden muss. Um die Stärken und Schwächen einer Idee zu ermitteln, prüft man die internen Faktoren, wie das Unternehmenspotenzial sowie das Produkt- und Leistungsangebot. Dies erfolgt aus der Position „Innenansicht“. Das Chancen-Risiken-Profil stellt man durch die „Außenansicht“ fest, d. h. durch externe Faktoren, wie die Branchen- und Umfeldrahmenbedingungen (gesellschaftliches und ökonomisches Umfeld). Die einzelnen Bestandteile und Facetten der Idee (Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken) werden in ein entsprechendes Raster eingetragen, also in die SWOT-Matrix. Sie analysiert folgende Faktoren und Merkmale: <?page no="241"?> 237 Synergiekreativität S = Strengthes (Stärken) - Innenansicht Worin besteht die Idee in ihrem Kern und in ihren Hauptelementen? Wie hoch sind Neuartigkeit und Originalität der Idee zu bewerten? Welche Alleinstellungsmerkmale besitzt die Idee? Ist sie eindeutig von Konkurrenzideen oder -produkten abzugrenzen? Sind klare Kenntnisse über die Zielgruppe, über deren Wünsche und Bedürfnisse vorhanden? Nützt diese Idee dem Kunden bzw. dem Verbraucher? Argumente für die zu überzeugende Zielgruppe. Ist diese Idee mit dem Leitbild des Unternehmens vereinbar, mit seiner Unternehmensphilosophie? Ist die Idee mit den vorhandenen Ressourcen realisierbar? Gibt es Vorteile durch Informationsvorsprung im Fertigungs- und Umsetzungsprozess? W = Weaknesses (Schwächen) - Innenansicht Ist die Idee sehr erklärungsbedürftig? Nützt die Idee nur einer sehr kleinen Zielgruppe? Ist das Potenzial tragfähig und ausbaubar? Gibt es Ressourcenengpässe, die sich nicht kurzfristig beseitigen lassen? Gibt es interne Unstimmigkeiten bzw. Skepsis? Ist der Wettbewerbsvorsprung der Idee nur von kurzer Dauer? Wo liegen die Stärken und Schwächen der Konkurrenz? Welche Reaktionen der Mitbewerber sind zu erwarten? Ist mit Verdrängungskämpfen zu rechnen? Ist das Budget für Marketingstrategien ausreichend? O = Opportunities (Chancen, Möglichkeiten) - Außenansicht Gibt es Trends im ökonomischen Umfeld bzw. innerhalb der Branche, um die Idee zu akzeptieren? Ist das mit der Idee verbundene Kernthema ein gesellschaftliches Problem? Wird eine Lösung dieses Problems erwartet? Ist das gesellschaftliche und ökonomische Umfeld sensibilisiert, um diese Idee zu befürworten? Kann die Markteinführung und Verbreitung der Idee durch ökonomische, technologische oder demografische Entwicklungen gefördert werden? T = Threats (Risiken, Gefahren, Bedrohungen) - Außenansicht Beschränkt sich die Idee nur auf eine kurzfristige Modeerscheinung? Gibt es Gesetze und Verordnungen, die die Einführung der Idee eher verhindern? Ist Lobbyismus gegen das Kernthema der Idee zu befürchten? Welche ökonomischen, technologischen oder demografischen Entwicklungen können die Verbreitung der Idee behindern? Ist das gesellschaftspolitische Umfeld derzeit auf die Idee negativ sensibilisiert, z. B. in bezug auf genetisch veränderte Nahrungsmittel? (vgl. B LUMENSCHEIN / E HLERS , 2002, S. 172) Bei der Auswertung der SWOT-Analyse geht es darum, den Effekt aus der Kombination von Stärken und Chancen so zu steigern, dass die möglichen Verluste, die sich aus den Schwächen und Risiken ergeben, an Bedeutung verlieren. Mit Hilfe dieser Matrix werden die besten Argumente für die Idee ermittelt und begründet. Lit.: B LUMENSCHEIN , A./ E HLERS , I. U.: Ideen-Management. Wege zur strukturierten Kreativität. München 2002; S ARTORIUS , V.: Die besten Kreativitätstechniken. New Business Line - Arbeitstechniken. München 2010. Synektik klassische Synektik visuelle Synektik Synektische Konferenz (synectics session): eine Variante der klassischen Synektik, die von George M. Prince (1918-2009) entwickelt wurde. Sie soll den starren Ablauf der klassischen Synektik auflockern. Hierbei wird eine Diskussionsform angestrebt, bei der die Teilnehmer durch die Bildung möglichst zahlreicher direkter Analogien Lösungsideen entwickeln. Analogie-Technik Synergiekreativität Co-Kreativität <?page no="242"?> Szenario-Technik 238 Szenario-Technik (scenario planning): ein Instrument der Zukunftsanalyse und der strategischen Planung; von Herman Kahn Anfang der fünfziger Jahre des 20. Jhs. entwickelt; 1986 von Horst Geschka und Ute von Reibnitz weiterentwickelt. Diese Technik wurde ursprünglich für militärisch-strategische Studien der amerikanischen Regierung für Planungsaufgaben eingesetzt. Kahn bezeichnete diese Methode zunächst als „Future-now thinking“ (jetzt die Zukunft denken), später übernahm er den Begriff „Szenario“ (scenario) aus der Filmindustrie, der den szenisch gegliederten Entwurf eines Films umschreibt, d. h. die Entwicklungsstufe zwischen Exposé und Drehbuch. Szenarien sind Orientierungshilfen, die es gestatten, aktuelle Probleme systematisch und in einer die Problemsicht bereichernden Weise zu untersuchen. Bei der Planung wird die hypothetische Aufeinanderfolge von Ereignissen zur Beachtung kausaler Zuammenhänge konstruiert. Szenarien sind multiple Zukunftsbilder, Instrumente zur Unterstützung von Entscheidungen von strategischen Planungen. Je weiter man versucht, Aufgaben, Probleme und Projekte aus dem kreativen Umfeld der Gegenwart in die Zukunft zu prognostizieren, desto stärker nimmt die Bedeutung der gegenwärtig wirksamen Faktoren ab. Damit öffnet sich das Spektrum möglicher Zukunftsbilder wie ein Trichter. Die Szenario-Technik kann bei der Erarbeitung eines Unternehmensleitbildes, bei der Analyse externer Chancen und Risiken, bei zukunftsweisenden Impulsen in der operativen Planung, zur Überprüfung vorhandener Strategien und als Ausgangspunkt für den Aufbau eines Frühwarnsystems in der Umweltbeobachtung dienen. Mit Hilfe dieser Methode können auch Zukunftsängste, Unsicherheiten und Zweifel reduziert werden. Auf der Grundlage mehrerer plausibler Annahmen werden mehrere Zukunftsbilder entworfen. Dabei werden auch mögliche Störfälle, wie Umwelteinflüsse, plötzlich auftretende politische Veränderungen u. a. berücksichtigt. (Was wäre, wenn ...? ) Die Szenario-Technik dient dazu, technologische oder gesellschaftliche Trends frühzeitig zu erkennen. Entscheidungsträger (Manager, Führungskräfte u. a.) „ve