Schadenskunde im Maschinenbau
Charakteristische Schadensursachen – Analyse und Aussagen von Schadensfällen
0620
2017
978-3-8385-5162-3
UTB
Johann Grosch
André Werner
Wolfgang Zinn
Thomas Hirsch
Wolfgang Janzen
Jeannette Koop
Axel Rossmann
Bernd Thoden
Die Schadenskunde ist ein wichtiges Hilfsmittel auf allen Gebieten des Maschinenbaus. Eine erfolgreiche Schadensuntersuchung führt zunächst zu einer Aufklärung des Falles und zu konkreten Verbesserungen. Darüber hinaus erlaubt es die systematische Auswertung typischer Versagensursachen, fallbezogene Erkenntnisse zu verallgemeinern und zu übertragen. Damit ist eine Grundlage für die technische und wirtschaftliche Optimierung, für die Erhöhung der Zuverlässigkeit und Sicherheit von Produkten und für die Qualitätskontrolle gegeben.
Der Themenband behandelt Methodik und Methoden der Schadensuntersuchung und -analyse und stellt anhand zahlreicher typischer Schadensbilder und -ursachen Möglichkeiten zur Verallgemeinerung der Aussagen zu einzelnen Schadensfällen dar.
<?page no="0"?> Johann Grosch Schadenskunde im Maschinenbau - Charakteristische Schadensursachen - Analyse und Aussagen von Schadensfällen 7. Auflage <?page no="1"?> Johann Grosch und 10 Mitautoren Schadenskunde im Maschinenbau <?page no="3"?> Schadenskunde im Maschinenbau Charakteristische Schadensursachen - Analyse und Aussagen von Schadensfällen Prof. Dr.-Ing. Johann Grosch Priv.-Doz. Dr.-Ing. Thomas Hirsch Prof. Dr.-Ing. Lothar Issler Dr.-Ing. Wolfgang Janzen Dipl.-Ing. Jeannette Kopp Dipl.-Ing. (FH) Axel Roßmann Dr.-Ing. Rolf Sinz Prof. Dr.-Ing. Bernd Thoden Dr. rer. nat. Andreas Vogt Dr.-Ing. André Werner Dr.-Ing. Wolfgang Zinn 7., neu bearbeitete Auflage Mit 328 Bildern und 14 Tabellen Kontakt & Studium Band 308 Herausgeber: Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Wilfried J. Bartz Dipl.-Ing. Hans-Joachim Mesenholl Dipl.-Ing. Elmar Wippler TAE <?page no="4"?> 7., neu bearbeitete Auflage 2017 6., neu bearbeitete Auflage 2014 5., überarbeitete und erweiterte Auflage 2010 4., überarbeitete Auflage 2004 3., überarbeitete Auflage 1999 2., völlig neu bearbeitete Auflage 1995 1. Auflage 1990 Bei der Erstellung des Buches wurde mit großer Sorgfalt vorgegangen; trotzdem lassen sich Fehler nie vollständig ausschließen. Verlag und Autoren können für fehlerhafte Angaben und deren Folgen weder eine juristische Verantwortung noch irgendeine Haftung übernehmen. Für Verbesserungsvorschläge und Hinweise auf Fehler sind Verlag und Autoren dankbar. © 1990 by expert verlag, Wankelstr. 13, D -71272 Renningen Tel.: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 0, Fax: + 49 (0) 71 59 - 92 65 - 20 E-Mail: expert@expertverlag.de, Internet: www.expertverlag.de Alle Rechte vorbehalten Printed in Germany Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-8385-5162-3 Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http: / / www.dnb.de abrufbar. Bibliographic Information published by Die Deutsche Bibliothek Die Deutsche Bibliothek lists this publication in the Deutsche Nationalbibliografie; detailed bibliographic data are available on the internet at http: / / www.dnb.de <?page no="5"?> Herausgeber-Vorwort Bei der Bewältigung der Zukunftsaufgaben kommt der beruflichen Weiterbildung eine Schlüsselstellung zu. Im Zuge des technischen Fortschritts und angesichts der zunehmenden Konkurrenz müssen wir nicht nur ständig neue Erkenntnisse aufnehmen, sondern auch Anregungen schneller als die Wettbewerber zu marktfähigen Produkten entwickeln. Erstausbildung oder Studium genügen nicht mehr - lebenslanges Lernen ist gefordert! Berufliche und persönliche Weiterbildung ist eine Investition in die Zukunft: - Sie dient dazu, Fachkenntnisse zu erweitern und auf den neuesten Stand zu bringen - sie entwickelt die Fähigkeit, wissenschaftliche Ergebnisse in praktische Problemlösungen umzusetzen - sie fördert die Persönlichkeitsentwicklung und die Teamfähigkeit. Diese Ziele lassen sich am besten durch die Teilnahme an Seminaren und durch das Studium geeigneter Fachbücher erreichen. Die Fachbuchreihe Kontakt & Studium wird in Zusammenarbeit zwischen der Technischen Akademie Esslingen und dem expert verlag herausgegeben. Mit über 700 Themenbänden, verfasst von über 2.800 Experten, erfüllt sie nicht nur eine seminarbegleitende Funktion. Ihre eigenständige Bedeutung als eines der kompetentesten und umfangreichsten deutschsprachigen technischen Nachschlagewerke für Studium und Praxis wird von der Fachpresse und der großen Leserschaft gleichermaßen bestätigt. Herausgeber und Verlag freuen sich über weitere kritischkonstruktive Anregungen aus dem Leserkreis. Möge dieser Themenband vielen Interessenten helfen und nützen. Dipl.-Ing. Hans-Joachim Mesenholl Dipl.-Ing. Matthias Wippler <?page no="6"?> Vorwort „Aus Schaden wird man klug“ ist eine Spruchweisheit, die sich abgewandelt in „Aus Schaden kann und sollte man lernen“ auf die Technik übertragen lässt, wobei es zweckmäßig erscheint, vor allem aus vorhandenen Erfahrungen, den Schadensfällen anderer, zu lernen. Die Schadenskunde dient diesem Zweck. Im Vordergrund einer schadenskundlichen Untersuchung steht zunächst das häufig schwierige Bemühen, aus dem komplexen Beanspruchungsbild eines Schadensfalles die Schadensursache und die letztlich schadensauslösende Einflussgröße zu ermitteln. Die möglichen Schadensursachen sind vielfältig, sie können in einer nicht beanspruchungsgerechten Auslegung eines Produktes oder in einer Werkstoff und Geometrie nicht angepassten Fertigungstechnik liegen, sie können durch Werkstoff- oder Fertigungsfehler bedingt sein, oder es kann sich um Bedienungsbzw. Wartungsfehler handeln. Aus dieser Breite der Einflussgrößen folgen der oft große Aufwand für eine Schadensuntersuchung und die Notwendigkeit für Konstrukteure, Fertigungs- und Werkstofftechniker, sich - möglichst gemeinsam - mit der Schadenskunde zu befassen. Eine erfolgreich durchgeführte Schadensuntersuchung führt zunächst zu einer Aufklärung des vorliegenden Schadensfalles und zu fallbezogenen Verbesserungsmaßnahmen. Darüber hinaus erlaubt die systematische Auswertung typischer Versagensursachen eine Verallgemeinerung und Übertragung fallbezogener Erkenntnisse. Damit ist eine Grundlage zur technischen und wirtschaftlichen Optimierung, zur Erhöhung der Zuverlässigkeit und Sicherheit von Produkten und der Qualitätskontrolle gegeben. Dieser Aspekt der Auswertung von Erkenntnissen schadenskundlicher Untersuchungen hat die Bedeutung der Schadenskunde weit über die reine, oft finanziell bedingte Fehlersuche hinausgehoben und zu einem wichtigen Hilfsmittel in allen Bereichen des Maschinenbaus gemacht. Die Schadenskunde ist im Rahmen der FMEA ein Bestandteil des Qualitätsmanagements. In dem aus einem Seminar an der Technischen Akademie entstandenen Buch werden Methodik und Methoden der Schadensuntersuchung und -analyse behandelt und an kennzeichnenden Schadensbildern und -ursachen Möglichkeiten zur Verallgemeinerung der jeweils fallbezogenen Aussagen eines Schadensfalles vorgestellt. Johann Grosch <?page no="7"?> Inhaltsverzeichnis Herausgeber-Vorwort Vorwort 1 Einführung in die Methodik der Schadensuntersuchung .... 1 Johann Grosch 1.1 Definitionen und Abgrenzungen .................................................................1 1.2 Ablauf einer Schadensuntersuchung. .........................................................2 1.3 Literatur .....................................................................................................4 2 Untersuchungsverfahren ....................................................... 5 2.1 Makroskopische und lichtmikroskopische Untersuchungen ..............5 Johann Grosch 2.1.1 Makroskopische Untersuchungen - Sichtprüfung ......................................5 2.1.2 Lichtmikroskopische Untersuchungen .......................................................8 2.1.3 Literatur ...................................................................................................18 2.2 Schadensuntersuchungen durch Röntgenfeinstrukturanalysen ......19 Wolfgang Zinn, Thomas Hirsch 2.2.1 Einleitung .................................................................................................19 2.2.2 Grundlagen ..............................................................................................20 2.2.3 Ermittlung der Phasenzusammensetzung durch Feinstrukturanalysen ...25 2.2.4 Grundlagen der Eigenspannungsanalyse ................................................27 2.2.5 Anwendungsbeispiele ..............................................................................31 2.2.6 Weitere röntgenographische Untersuchungsverfahren ............................38 2.2.7 Literatur ...................................................................................................39 2.3 Rasterelektronenmikroskopische und elektronenstrahlmikroanalytische Untersuchungen ...................41 Johann Grosch 2.3.1 Wechselwirkung Elektronenstrahl / metallischer Festkörper ....................41 2.3.2 Wirkungsweise des Rasterelektronenmikroskops ....................................43 2.3.3 Elektronenstrahlmikroanalyse ..................................................................48 2.3.4 Literatur ...................................................................................................53 <?page no="8"?> 3 Schadenanalyse bei Polymerwerkstoffen .......................... 54 Wolfgang Janzen 3.1 Einleitung .................................................................................................54 3.2 Spezifische Eigenschaften der Polymerwerkstoffe ..................................56 3.2.1 Mechanisches Verhalten .........................................................................56 3.2.2 Thermo-mechanisches Verhalten ............................................................60 3.2.3 Physikalisch-chemisches Verhalten .........................................................60 3.3 Schadensanalyse bei Polymerwerkstoffen ..............................................61 3.3.1 Prinzipielle Gesichtspunkte ......................................................................61 3.3.2 Optische Begutachtung - Makroskopische Betrachtung .........................62 3.3.3 Mikroskopische Untersuchung .................................................................63 3.3.4 Differentialkalorimetrische Untersuchung ................................................65 3.3.5 Physikalische Untersuchungen ................................................................66 3.4 Wertung der einzelnen Untersuchungsmethoden am Beispiel einiger Schadensfälle ...........................................................67 3.5 Schlussbemerkung ..................................................................................78 3.6 Literatur ...................................................................................................79 4 Schadensuntersuchung und Schadensverhütung an spröden Werkstoffen, insbesondere Keramiken und Gläsern ............................... 80 Axel Roßmann 4.1 Einleitung .................................................................................................80 4.2 Keramische Konstruktionswerkstoffe und Gläser ....................................85 4.2.1 Werkstofftypen und wichtige Herstellungsprobleme ................................85 4.2.2 Werkstoffverhalten ...................................................................................87 4.3 Untersuchungsmethoden bei Schäden ....................................................89 4.3.1 Bauteilversuche .......................................................................................89 4.3.2 Rekonstruktion des Schadens .................................................................89 4.3.3 Bauteilberechnung ...................................................................................90 4.3.4 Bruchflächenuntersuchung ......................................................................93 4.3.4.1 Makroskopische Untersuchung ...............................................................93 4.3.4.2 Mikroskopische Bruchflächenuntersuchung ............................................93 4.3.4.3 Kritische Fehlergröße ..............................................................................95 4.3.5 Keramografie ...........................................................................................97 4.3.6 Zerstörungsfreie Prüfungen .....................................................................98 4.4 Schadensverhütung .................................................................................98 4.5 Literatur ...................................................................................................99 5 Brüche bei metallischen Werkstoffen................................ 100 Johann Grosch 5.1 Gewaltbruch metallischer Werkstoffe .....................................................102 5.1.1 Makroskopisch verformungsloser Gewaltbruch ......................................103 5.1.2 Verformungsbruch ..................................................................................109 5.1.3 Einflussgrößen auf die Bruchausbildung ................................................113 5.1.4 Literatur .................................................................................................119 <?page no="9"?> 5.2 Ermüdungsbruch metallischer Werkstoffe ..............................................120 5.2.1 Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe ........................................120 5.2.2 Makroskopische Merkmale von Ermüdungsbruchflächen ......................123 5.2.3 Rasterelektronenmikroskopische Merkmale von Ermüdungsbruchflächen ..................................................................129 5.2.4 Beispiele .................................................................................................132 5.2.5 Literatur ................................................................................................ 143 6 Schäden als Folge thermischer Beanspruchung ............ 145 André Werner, Axel Roßmann 6.1 Einleitung ...............................................................................................145 6.2 Schadensbilder und Schadensmechanismen infolge thermischer Beanspruchung ......................................................146 6.2.1 Schäden unter Temperatureinwirkung ohne weitere Beanspruchung ...147 6.2.2 Schäden als Folge mechanisch-thermischer Beanspruchung ...............148 6.2.2.1 Kurzzeitbelastung (mechanisch-thermisch) ...........................................148 6.2.2.2 Zeitstandbelastung (mechanisch-thermisch) .........................................152 6.2.2.3 Belastung bei niedriger Lastwechselzahl (Low Cycle Fatigue, LCF) .....155 6.2.2.4 Belastung bei hoher Lastwechselzahl (High Cycle Fatigue, HCF) .........158 6.2.3 Schäden als Folge chemisch-thermischer Beanspruchung ...................158 6.2.3.1 Hochtemperaturkorrosion (HTK) ............................................................158 6.2.3.2 Metallbrände ..........................................................................................160 6.2.4 Schäden als Folge metallphysikalisch-thermischer Beanspruchung .....161 6.3 Hinweise zur Schadenuntersuchung bei thermisch bedingten Schäden ..........................................................163 6.3.1 Makroskopischer Befund .......................................................................163 6.3.2 Metallografischer Befund .......................................................................164 6.3.3 Elektronenoptischer Befund (REM) .......................................................164 6.4 Schadensverhütung, -vorbeugung und abhelfende Maßnahmen ..........165 6.5 Literatur .................................................................................................166 7 Schadenskunde der Schweißverbindungen .................... 167 Lothar Issler, Rolf Sinz 7.1 Einführung .............................................................................................167 7.2 Gefügeausbildung beim Schweißen ......................................................169 7.3 Beanspruchungszustand an Schweißverbindungen ..............................181 7.3.1 Spannungskategorien ............................................................................181 7.3.2 Versagensanalyse .................................................................................184 7.3.3 Eigenspannungen ..................................................................................186 7.4 Schweißfehler ........................................................................................189 7.4.1 Risse ......................................................................................................189 7.4.2 Imperfektionen .......................................................................................200 7.5 Schäden im Betrieb ...............................................................................205 7.5.1 Sprödbruch ............................................................................................205 7.5.2 Schwingfestigkeitsversagen ..................................................................207 7.5.3 Zeitstandversagen .................................................................................208 7.5.4 Korrosionsschäden ................................................................................209 7.6 Vermeidung von Schäden an Schweißverbindungen ............................210 7.7 Literatur .................................................................................................212 <?page no="10"?> 8 Schäden an wärmebehandelten Bauteilen ........................ 214 Johann Grosch 8.1 Allgemeines ...........................................................................................214 8.2 Fehlerbereiche und Beispiele .................................................................215 8.3 Literatur .................................................................................................226 9 Schadensanalysen in tribologischen Systemen an einem Beispiel aus der Automobilindustrie ................ 227 Andreas Vogt 9.1 Einleitung ...............................................................................................227 9.2 Kurze Einführung in die Tribologie .........................................................227 9.2.1 Begriffe und Definitionen .......................................................................227 9.2.2 Das tribologische System ......................................................................228 9.3 Verschleiß als Schadensursache ...........................................................230 9.3.1 Verschleißerscheinungsformen, Verschleißmechanismen und Verschleißarten ...............................................................................230 9.3.2 Abrasion ................................................................................................231 9.3.3 Adhäsion ................................................................................................232 9.3.4 Oberflächenzerrüttung oder Ermüdung .................................................232 9.3.5 Tribochemische Reaktionen ..................................................................234 9.4 Schadensanalyse bei tribologischen Schäden ......................................235 9.4.1 Beispielsystem für eine Schadensanalyse: Kugelventil in einem Common Rail Injektor ...........................................236 9.4.2 Fehlerbeschreibung ...............................................................................238 9.4.3 Erfassung und Beschreibung des Tribosystems ....................................239 9.4.4 Einzeluntersuchungen an den Elementen des Tribosystems ................241 9.4.5 Maßnahmen zur Schadensabhilfe .........................................................245 9.5 Zusammenfassung ................................................................................245 9.6 Literatur .................................................................................................246 10 Methoden für die Schadensanalytik in der Tribologie ..... 247 Jeanette Kopp 10.1 Einleitung ................................................................................................247 10.2 Methoden zur Charakterisierung von Verschleiß ....................................247 10.2.1 Mikroskopie ...........................................................................................250 10.2.2 Topografie ..............................................................................................252 10.2.3 Chemische Analysen ..............................................................................255 10.2.4 Bestimmung mechanischer Eigenschaften und Gefügeanalyse .............258 10.3 Beispiele für Verschleißmechanismen....................................................261 10.3.1 Abrasion .................................................................................................262 10.3.2 Adhäsion.................................................................................................264 10.3.3 Zerrüttung, plastische Deformation und Kavitationserosion....................265 10.3.4 Tribochemische Reaktionen ..................................................................269 10.4 Abschließende Gedanken ......................................................................271 10.5 Empfehlenswerte, weiterführende Literatur ............................................271 <?page no="11"?> 11 Korrosionsschäden an metallischen Werkstoffen ........... 272 Bernd Thoden 11.1 Allgemeines ............................................................................................272 11.2 Grundlagen der Korrosion metallischer Werkstoffe ................................273 11.3 Korrosionsarten ohne mechanische Belastung ......................................277 11.3.1 Gleichmäßige Flächenkorrosion .............................................................278 11.3.2 Muldenkorrosion .....................................................................................279 11.3.3 Lochkorrosion .........................................................................................279 11.3.4 Spaltkorrosion.........................................................................................285 11.3.5 Kontaktkorrosion (Bimetallkorrosion) ......................................................286 11.4 Korrosionsarten mit mechanischer Belastung ........................................288 11.4.1 Spannungsrisskorrosion (SpRK).............................................................288 11.4.2 Schwingungsrisskorrosion ......................................................................294 11.5 Literatur ..................................................................................................296 Verzeichnis von Autorin und Autoren .................................................................298 <?page no="13"?> 1 Einführung in die Methodik der Schadensuntersuchung Johann Grosch 1.1 Definitionen und Abgrenzungen Technische Erzeugnisse - mobile oder immobile Güter - erfüllen eine Funktion (Gebrauchsnutzen und Geltungsnutzen), die vom Hersteller dem Betreiber für eine vereinbarte oder geregelte Nutzungsdauer gewährleistet wird und die in der Betriebsanleitung festgelegt ist. Der Hersteller bestätigt zudem, daß das Erzeugnis konform mit den für diese Erzeugnisklasse geltenden Vorschriften und Vorgaben wie Sicherheiten und Zulassungsbedingungen ist. Die Funktionsfähigkeit eines technischen Erzeugnisses, das meistens aus mehreren Bauteilen oder Bauteilgruppen besteht, wird durch entsprechende Konstruktion (Gestaltung, Auslegung, Werkstoffauswahl) und Fertigung erreicht, insbesondere bei Serienteilen in Bauteilversuchen und Feldversuchen geprüft, und ist nach Fertigstellung (Montage, Qualitätskontrolle) des Erzeugnisses zum Zeitpunkt der Abnahme oder des Erwerbs durch den Betreiber vorhanden - das Erzeugnis ist funktionsfähig. Der Funktionsverlust während der Nutzung, der teilweise oder vollständig, reparabel oder irreparabel sein kann, ist ein Schadensfall. Die Schadenskunde (im Maschinenbau) ist im wesentlichen mit dem Verlust der technischen Funktion befaßt. Der Funktionsverlust, also das Schadensereignis, wird durch zeitabhängige Einflüsse auf die Funktionsfähigkeit, wie Ermüdung, Kriechen Verschleiß, Korrosion, diffusionsgesteuerte Versprödungen, die bei der Auslegung nicht angemessen berücksichtigt worden sind und bei den kurzzeitigen Prüfungen im Bauteilversuch nicht erfaßt werden, oder durch Nutzung außerhalb der Betriebsanweisung, auch bei Wartungen und Instandsetzungen, verursacht. Dementsprechend können herstellungsbedingte Schadensursachen und betriebsbedingte (oder vom Betreiber bedingte) Schadensursachen unterschieden werden. Schäden durch „höhere Gewalt“ wie Naturereignisse sind nicht Gegenstand der hier besprochenen Schadensuntersuchung. Versagensfälle während der Herstellung einschließlich der Abnahmeprüfung sind keine Schäden im genannten Ablauf, auch wenn sie häufig mit den gleichen Methoden untersucht werden. Ein Schadensfall kann zu einem Sicherheitsrisiko werden, wenn die Funktion eines technischen Erzeugnisses soweit geschädigt wurde, daß die Funktionsfähigkeit für eine weitere Nutzung nicht mehr sichergestellt ist. Die vorsorgliche Schadensuntersuchung überwacht Sicherheitsteile. Dabei wird auch versucht, die Restlebensdauer abzuschätzen. Ein weiterer Aspekt der Schadenskunde liegt im Qualitätsmanagement, in dem im Rahmen der FMEA - Failure Mode and Effects Analysis - Schäden und ihre Folgen vorweg gedacht und vermieden werden - eine virtuelle Schadenskunde. In beiden Bereichen sind Kenntnisse aus der Schadenskunde unerläßlich. 1 <?page no="14"?> Jeder technische Schaden ist auch ein finanzieller Schaden. Das ausgefallene Teil muß ersetzt werden, häufig entstehen auch oft teure Folgeschäden (Beschädigung anderer Teile, Stillstand, Verlust an Marktstellung). Zu den Folgeschäden gehören auch Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit beteiligter und unbeteiligter Personen (Beeinträchtigung Dritter) und in die Umwelt, die finanzielle und teilweise auch strafrechtliche Folgen haben können. Neben der technischen und finanziellen Lösung im Einzelfall können aus den Ergebnissen schadenskundlicher Untersuchungen Maßnahmen zur Fehlerbehebung und Schadensvermeidung, zur Verbesserung von Qualität, Zuverlässigkeit und Sicherheit und zur Wirtschaftlichkeit abgeleitet werden. 1.2 Ablauf einer Schadensuntersuchung. Eine Schadensuntersuchung besteht aus der Schadensaufnahme, der Sichtprüfung, den technischen Untersuchungen und Prüfungen und der Auswertung, in der Regel dem Schadensgutachten. Dabei ist immer sinnvoll, zunächst die Schadensart und die technischen Ursachen zu untersuchen, getrennt von der Frage nach den Entscheidungen (Herstellungsfehler) oder Beanspruchungen (Betriebsfehler), die zum Schadensablauf geführt haben. Die Schadensaufnahme beginnt mit der Feststellung und Sicherung des primären Schadensteils. In vielen Fällen ist das primäre Schadensteil bekannt, der Funktionsverlust, der zum Ausfall des Erzeugnisses geführt hat, ist im zur Untersuchung vorgelegten Bauteil auch eingetreten. Schäden an Erzeugnissen, bei denen zum Schadenszeitpunkt gespeicherte Energie unmittelbar freigesetzt wird, z.B. bei mobilen Gütern oder bei druckführenden Anlagen, können erhebliche Folgeschäden erzeugen. Es kann dann schwierig werden, aus einer Vielzahl von Bruchstücken den Ausgangspunkt des Schadens und damit das primäre Schadensteil zu ermitteln. Des weiteren kann das schadensauffällige Teil, das den beklagten Funktionsverlust in einem aus mehreren Elementen bestehenden Erzeugnis auslöste, Folgeschaden eines an anderer Stelle des Funktionsablaufs eingetretenen primären Schadens sein. So kann z.B. eine defekte Dichtung zu Veränderungen der Schmierungsbedingungen mit nachfolgenden Verschleißschäden oder zu Feuchtigkeitszutritt mit nachfolgenden Korrosionsschäden an anderen Stellen der Anlage/ des Erzeugnisses führen. In rechnergesteuerten Anlagen oder Erzeugnissen können Programmfehler zu schadensrelevanten Abweichungen von den vorgesehenen Betriebsbedingungen führen. Die Untersuchungen sollen nach Möglichkeit den Schädigungszustand zum Zeitpunkt des Schadenseintritts erfassen. Dazu muß das Schadensteil oder müssen die Schadensteile gesichert werden, unmittelbar, d.h., die Teile dürfen nicht - wohlmeinend - gereinigt noch dürfen Bruchstücke wieder zusammengeführt werden, und mittelbar, da frische Bruchflächen häufig schnell korrodieren, Schmiermittel oder Agentien sich zeitabhängig verändern können. (Es ist selbstverständlich, daß alle Schadensteile sorgfältig gekennzeichnet und dokumentiert werden). Zur Schadensaufnahme gehört weiterhin, möglichst umfassende Unterlagen zum Sollzustand des Schadensteiles zu beschaffen, das sind Unterlagen zur Auslegung mit Berechnungsgrundlagen und Werkstoffestlegungen, zu Fertigungsabläufen und zum Qualitätsmanagement, zu den Randbedingungen und Ergebnissen von Bauteilprüfungen und Erprobungen, Unterlagen über Abnahmeprüfungen und Abnahmezeugnisse sowie fallbezogen, welche übergeordnete Vorschriften (Gesetze, Normen, 2 <?page no="15"?> Richtlinien, Konformitätsanforderungen) galten und nachgewiesen wurden. Des weiteren sind Unterlagen zum Betrieb bis zum Schadenseintritt einzuholen. Dazu gehören Angaben zur Nutzungsdauer, Wartungsberichte, Hinweise zu bereits vorher eingetretene Beanstandungen und deren Behebung sowie Beobachtungen beim Schadenseintritt, z.B. veränderte Laufruhe, Geräuschentwicklung, höhere Leistungsaufnahme oder Leistungsabfall. Diese Unterlagen beschreiben den Weg zum Istzustand des Schadensteils beim Schadenseintritt, der mit der Sichtprüfung und den technischen Untersuchungen ermittelt wird. Hinsichtlich der genannten betriebsbedingten Schadensursachen kann es nützlich sein, die Betriebsanleitung zu berücksichtigen. Am Ende der Schadensaufnahme sollte auch klar sein, welches Ziel und welchen Stellenwert die Schadensuntersuchung hat. Die Untersuchung des primären Schadensteils ist immer eine Werkstoffuntersuchung, da alle Schäden vordergründig durch Werkstoffversagen eintreten, auch wenn Werkstoffehler als Schadensursache eher selten sind. Zur Untersuchung des primären Schadensobjekts gehört immer die Sichtprüfung (makroskopische Untersuchung einschließlich zerstörungsfreier Prüfungen) und die Werkstoffuntersuchung, beginnend mit dem Werkstoffnachweis, dann Oberflächenuntersuchungen (lichtmikroskopisch und rasterelektronen-mikroskopisch für Brüche und Korrosion- und Verschleißschäden) und die Gefügeuntersuchung. In den meisten Fällen steht nicht genügend Werkstoff für die erforderlichen Proben in der Werkstoffprüfung zur Verfügung, so daß aus den Ergebnissen der bei der Gefügeuntersuchung durchgeführten Härteprüfung auf Festigkeitseigenschaften geschlossen werden muss. Es ist selbstverständlich, daß der Aufwand für die Schadensuntersuchung in einem vertretbaren Verhältnis zum Schadensfall stehen sollte. Der größere Teil der genannten Untersuchungsverfahren wird in den nachfolgenden Kapiteln des Buchs besprochen. Die Auswertung der Untersuchungsergebnisse soll die Frage nach der Ursache des technischen Schadens beantworten. Dabei ist zu beachten, daß ein Schadensfall ein Systemverhalten darstellt, die festgestellten Ursachen und Fehler nur in diesem System wirksam sind und nicht verallgemeinert werden dürfen. Die Antwort kann eindeutig sein, bei komplexen Schadensabläufen muß aber häufig mit dem Ausschlußverfahren gearbeitet werden - alle aus dem Vergleich des Ist-Zustands mit dem Soll- Zustand abgeleiteten möglichen Ursachen werden betrachtet und die nichtzutreffenden ausgeschlossen, bis eine Ursache übrigbleibt - die zwar nicht exakt bewiesen, aber plausibel ist. Abhängig vom Untersuchungsauftrag kann auch beantwortet werden, wer die Schadensursache zu verantworten hat und wie der Schaden hätte vermieden werden können, möglicherweise auch, wie zukünftig vergleichbare Schäden vermieden werden können. Eine unabdingbare Folgerung ist bei Sicherheitsteilen die sofortige Überprüfung gleicher oder vergleichbar beanspruchter Teile. Am Ende einer Schadensuntersuchung steht der Schadensbericht (Gutachten), der zweckmäßigerweise mit der Nennung des Auftraggebers und der Fragestellung beginnt und mit der Antwort auf die gestellte Frage endet. Weiterhin sollte der den Untersuchungen und den getroffenen Aussagen zugrundeliegende Kenntnisstand über den Schadensfall aus der Schadensaufnahme und der Schadensuntersuchung einschließlich der zugehörigen Quellen genannt werden. 3 <?page no="16"?> 1.3 Literatur Allianz-Handbuch der Schadensverhütung. VDI-Verlag, Düsseldorf 1984 ASM Handbook Vol. 11: Failure Analysis and Prevention. ASM International 2002 Esaklul, K. A. (Ed.): Handbook of Case Histories in Failure Analysis. Vol. I and II. ASM International 1992 and 1993 Kurr, F.: Praxishandbuch der Qualitäts- und Schadensanalyse für Kunststoffe. Carl Hanser Verlag 2014 Lange, G., Pohl, M. (Hrsg.): Systematische Beurteilung technischer Schadensfälle. Wiley-VCH Verlag 2014. Neidel, A. (Hrsg.): Handbuch Metallschäden. Carl Hanser Verlag 2011 Schmitt-Thomas, Kh. G: Integrierte Schadensanalyse. Springer-Verlag 2016. VDI-Richtlinie 3822: Schadensanalyse. Beuth-Verlag. 4 <?page no="17"?> 2 Untersuchungsverfahren 2.1 Makroskopische und lichtmikroskopische Untersuchungen Johann Grosch 2.1.1 Makroskopische Untersuchungen - Sichtprüfung Die makroskopische Untersuchung umfasst die Aufnahme des Schadensfalls und insbesondere die Sichtprüfung des Schadensobjekts, wobei die beiden Aufgaben häufig ineinander übergehen. Anhand der Ergebnisse der makroskopischen Untersuchung wird der Untersuchungsplan aufgestellt, die darin enthaltenen Untersuchungen und deren Ergebnisse sind nur dann sinnvoll, wenn die makroskopische Untersuchung zu einer tragfähigen Hypothese über Ursachen und Ablauf des Schadensfalls und daraus abgeleiteten - richtigen - Fragen führte. Unbegründet angesetzte Untersuchungen ("Schrotschuss ins Dunkle") sind nur selten nützlich. Eine Schadensuntersuchung wird somit entscheidend durch die Qualität der makroskopischen Untersuchung bestimmt, da eine zutreffende Hypothese mit meistens nur wenigen Untersuchungen belegt werden muss, falsche Annahmen viel unnötigen Aufwand verursachen können. Schadensobjekte sind zudem meistens nur einmal vorhanden, bei aller verständlichen Eile sind verfrühte Schlussfolgerungen und unbedachte Untersuchungen auch deshalb unzulässig, weil das Schadensobjekt unwiderruflich zerstört und damit ein Beweismittel vernichtet wird, in manchen Rechtssystemen eine strafbare Handlung. Die Sichtprüfung ist mit der Schadensaufnahme eng verbunden und oft geeignet, widersprüchliche Aussagen einzuordnen. Das Schadensobjekt wird mit dem Auge, unterstützt durch Lupe und Stereomikroskop, betrachtet, alle, auch nebensächlich oder untergeordnet erscheinende Merkmale werden systematisch festgehalten. Die Bauteilgestalt im Vergleich zur Zeichnung (Verformungen, Querschnittsverluste), Oberflächenveränderungen (Beschädigungen, Verfärbungen, Beläge, Verschmutzungen, Glanzstellen) und bei Brüchen zusätzlich Bruchform und Bruchfläche(n) sowie weitere Anrisse sind wesentliche Merkmale. Der Versuch, den Zustand des Schadensteils maßstabsgetreu zu skizzieren, schärft die Beobachtung ungemein. Kennzeichnende Schadensbilder, deren Analyse und Aussagen werden in den nachfolgenden Kapiteln im einzelnen besprochen. Mit der Sichtprüfung ist häufig auch die zerstörungsfreie Untersuchung des Schadensobjekts oder vergleichbarer Teile verbunden, zu der neben der Prüfung auf Risse oder Ungänzen auch die experimentelle Spannungsanalyse gehört. Eine sorgfältige Dokumentation aller Unterlagen in Zeichnungen, Skizzen, Notizen, Bildern ist unerlässlich, vor allen bei großen Schadensfällen ist eine Numerierung oder Datierung der Unterlagen nützlich. Der Umfang der Untersuchungen ist zweckmäßigerweise mit dem Auftraggeber abzusprechen, dessen Fragestellungen bearbeitet und im Schadensbericht beantwortet werden, der auch zustimmen muss, wenn in das Schadensteil eingegriffen werden soll. 5 <?page no="18"?> Das Zusammenwirken von Schadensaufnahme und Sichtprüfung soll an einem Beispiel erläutert werden. Im Rahmen des Umbaus eines Glasdaches wurde in der tragenden Dachkonstruktion eine gebrochene Stange gefunden. Die Stange war aus einem Eisenwerkstoff, 3,70 m lang mit 30 mm Durchmesser, und an beiden Enden über Augen und Bolzen mit der Dachkonstruktion verbunden. Eine Schadensuntersuchung sollte klären, ob die Stange durch ein zufälliges Ereignis gebrochen war oder ob mit dem Versagen weiterer Elemente der mehr als 100 Jahre alten Dachkonstruktion gerechnet werden musste, eine für die Kosten - eine neue Stange oder eine neue Dachkonstruktion - entscheidende Frage. Die Schadensaufnahme ergab, dass die Dachkonstruktion (Tragwerk), nachdem (1944) Kriegsereignisse das Glasdach zerstört hatten, fast 20 Jahre der Witterung ausgesetzt gewesen war und der aktuelle Umbau wiederum 20 Jahre nach der zwischenzeitlich erfolgten Erneuerung des Glasdachs begonnen wurde. Die weiß gestrichene Stange war ohne makroskopische Verformung in der Nähe eines Auges senkrecht zu ihrer Längsrichtung gebrochen, Kennzeichen eines spröden Bruchs, der nach Auskunft eines Statikers ausschließlich durch eine konstante Zugkraft von 20 kN beanspruchten Stange. Die grob strukturierte Bruchfläche (Bild 1) bestand überwiegend aus einem bräunlichen belegten Bereich, nur am Rand war einseitig eine kleine, etwa 20% des Querschnitts entsprechende metallisch blanke, glänzende Fläche zu erkennen, offensichtlich eine nicht oxidierte oder belegte und damit frische Bruchfläche. Gegenüber dieser Bruchfläche waren rote und weiße Farbflecken auf den Rand gelangt, offensichtlich Bestandteile der Grundierung und der Deckfarbe. Die Stange war erheblich überdimensioniert, da rund 20% des Querschnitts die Nennbelastung trugen, wobei der Restbruch vermutlich durch zusätzliche Kräfte beim Einbau eines Montagegerüsts während des Umbaus ausgelöst worden war. Der Anriss muss schon bei der Instandsetzung des zerstörten Glasdachs vorhanden gewesen sein, weil nur dabei Farbe auf die Bruchfläche gelangen konnte und weil die Bruchfläche nur vor der Erneuerung des Glasdachs hatte korrodieren können (brauner Belag). Daraus konnte abgeleitet werden, dass die Stange durch eine bei der Auslegung nicht vorgesehene schlagartig aufgebrachte Kraft, höchstwahrscheinlich als Kriegsereignis, spröde gebrochen war und kein systematischer Fehler vorlag. Die ergänzend durchgeführten werkstoffanalytischen Untersuchungen bestätigten das nach der Sichtprüfung im wesentlichen bereits vorliegende Ergebnis. Die Festigkeitskennwerte Rp 0,2 =266N/ mm² und Rm=350N/ mm² entsprachen denen eines St42 nach DIN 17100 (S235/ S275 nach DIN EN 10025), die verglichen mit diesem Stahl viel geringeren Dehnungswerte (Ar=9% und Az=4%) sind aufgrund des mit zahlreichen nichtmetallischen Einschlüssen behafteten Gefüges (Bild 2) verständlich. Die Zugkraft von 20kN führt im Querschnitt der Stange (531mm²) zu einer Zugspannung von 38 N/ mm², für die ein Querschnitt von 110mm² erforderlich wäre. Dies entspricht einer fünffachen Sicherheit. Aufgrund der Untersuchungsergebnisse konnte entschieden werden, dass nur die gebrochene Stange durch eine gleich dimensionierte Stange aus Stahl St42 zu ersetzen war, der bei gleichgroßer statischer Sicherheit beträchtlich duktiler ist als der ursprünglich verwendete Werkstoff. 6 <?page no="19"?> Bild 1: Makro-Bruchbild einer Dachstange (Durchmesser 26 mm) Bild 2: Gefüge der Dachstange 7 <?page no="20"?> 2.1.2 Lichtmikroskopische Untersuchungen Bei fast allen Schadensfällen wird das das Gefüge im Schadensteil (Ist-Zustand) und nach Möglichkeit das Gefüge in einem Vergleichsteil oder in unbeeinflussten Bereichen des Schadensteils (Soll-Zustand) nach Art, Größe, Form und Verteilung der Gefügebestandteile und der Ungänzen wie Einschlüsse, Poren oder Lunker untersucht. Die Gefügemerkmale sind in der Regel kleiner als das Auflösungsvermögen des Auges und müssen daher vergrößert werden. Mit dem Lichtmikroskop können Korngrößen und Partikel ab etwa 0,3μm Größe erkannt werden. Aufgrund der geringen Tiefenschärfe des Lichtmikroskops sind ebene Flächen innerhalb ±0,2μm (abhängig von der Vergrößerung) erforderlich, die zudem Unterschiede für das auffallende Licht enthalten. Dazu müssen Schliffe angefertigt und diese durch Ätzen oder Bedampfen kontrastiert werden. Das in aller Regel nur einmal vorhandene Schadensteil muss also zerlegt werden. Die Sichtprüfung legt die zu untersuchenden Bereiche und damit die Zahl der Schliffe und die Schnittebenen fest. Dabei ist unerlässlich, dass die Schnittebenen in Zeichnungen oder Skizzen festgehalten werden (Schliffplan), geschnittene Teile unverzüglich und dauerhaft bezeichnet werden, einschließlich der Schnittebenen, und bezeichnete Teile mit dem zugehörigen Blickwinkel (Schlifffläche) im Schliffplan eingetragen werden. Versäumnisse oder Fehler bei der Zuordnung sind nachträglich nur schwer zu beheben und können zu peinlichen Unsicherheiten führen. Der Ablauf einer Gefügeuntersuchung von der Probennahme bis zur Gefügebeurteilung ist allgemein bekannt / 1-3/ und braucht hier nicht besprochen zu werden. Eine sorgfältige Präparation und, wenn erforderlich, schonende Reinigung, die selbstgemachte Gefügefehler und Oberflächenänderungen insbesondere beim Trennen (Bild 3 zeigt den Einfluss des Erodierens auf das Randgefüge und Bild 4 Folgen der Wärmeeinwirkungen beim Trennen mit einer ungeeigneten Trennscheibe) vermeidet, gehört zum selbstverständlichen Standard dieser Untersuchungen, der bei den in der Schadenskunde häufigen Einzelteilen um so wichtiger ist. Bild 3: Gefüge des mit W=1,1J senkerodierten Stahls 90MnV8 8 <?page no="21"?> Bild 4: Gefüge des Stahls X210Cr12, 64HRC mit einer Trennscheibe grobgetrennt Bei schadenskundlichen Untersuchungen geben ungeätzte und geätzte Makroschliffe oft einen aussagekräftigen Überblick über Verformungen und Gefügeverteilungen (Korngrößen, Phasen, Einschlüsse, Gradierungen). Aus dem Mikroschliff eines gehärteten Stahls 100Cr6 in zwei Vergrößerungen und einer Korngrenzenverteilung (Bilder 5 a-c) ist die im Makroschliff sichtbar gemachte Gefügeverteilung (Bild 6) kaum zu erkennen. a 9 <?page no="22"?> b c Bild 5 a c: Mikroschliffe, 100Cr6 10 <?page no="23"?> Bild 6: Makroschliff eines Lagerrings (größte Breite 29mm) aus 100Cr6 (Maranilätzung) Das Auge der bereits erwähnten Dachstange ist nach dem Verformungszustand gebohrt und nicht geschmiedet, der Baumannabdruck (Bild 7) zeigt, bestätigt durch ein Kornflächenverteilungsbild (Bild 8), einen erheblich verunreinigten Werkstoff, dessen Gefüge einem vor mehr als 100 Jahren hergestellten Stahl entspricht. Bild 7: Makroschliff (Baumannabdruck, Durchmesser der Bohrung 24 mm) 11 <?page no="24"?> Bild 8: Makroschliff (Kornflächenätzung, Durchmesser der Bohrung 24 mm) Die zerstörungsarme Gefügebeurteilung mittels Abdrucktechnik oder den Möglichkeiten der ambulanten Metallographie wird im Wesentlichen bei der vorsorglichen Schadensuntersuchung eingesetzt, die Gefügebilder aus einem Abdruck sind mit dem entsprechend Gefügebild vom Schliff gut vergleichbar, wie die Bilder 9 und 10 belegen, so dass das Verfahren eingesetzt werden kann, wenn ein Schadensteil nicht zerlegt werden darf und das Gefüge an der Bauteiloberfläche für die Schadensanalyse hinreichend aussagefähig ist. Bild 9. Gefüge vom Schliff, 10CrMo9-10 12 <?page no="25"?> Bild 10: Gefüge vom Abdruck, 10CrMo9-10 Mikrogefüge (50 bis 1000-fach, bei Ölimmersionsobjektiven auch bis 1500-fach, Bilder 11 und 12 können nur im Vergleich Soll/ Ist beurteilt werden, allgemeine Aussagen für schadenskundliche Untersuchungen sind hier nicht möglich. Vergleichsbasis können Gefüge in ungeschädigten gleichen Teilen oder in unbeeinflussten Bereichen des Schadensteils sein. Weiterhin kann anhand der Herstellungsbedingungen und des Werkstoffs mit Zustands- und Umwandlungsdiagrammen / s. z.B. 4/ , mit Gefügebildsammlungen und Richtreihen / s. z.B. 5,6/ das zu erwartende Gefüge abgeleitet oder, wenn solche Unterlagen nicht verfügbar sind, durch Simulation nachgestellt werden. . Bild 11: Cf53, Perlit, „Luft“-Aufnahme 13 <?page no="26"?> Bild 12: Cf53, Perlit, aufgenommen mit Ölimmersion Die mögliche Auswirkung erkennbarer Schädigungen oder auch Abweichungen vom gewohnten Befund wie Verformungen (Bild 13), Seigerungen (Bild 14), Ungänzen (Bild 15), Entkohlung (Bild 16), um einige markante Beispiele zu nennen, darf wie eingangs besprochen nur im System Schadensfall beurteilt werden. Bild 13: Cf45, verschleißbedingte Verformungen und nachfolgende Rissbildung durch Wälzermüdung 14 <?page no="27"?> Bild 14: Kristallseigerung, 70MnCr5 angelassen, dunkles Gefüge 485±15HV0.1, helles Gefüge 299±3HV0,1 Bild 15: Anschmelzung in G-XCrNiMoCuN26-6-3-3 15 <?page no="28"?> Bild 16: C45N, entkohlt Rissverläufe können im Schliffbild gut verfolgt werden. Bild 17 zeigt einen interkristallinen Härteriss in einem ungeätzten Schliff und Bild 18 einen ebenfalls interkristallinen Rissverlauf mit belegtem Rissufer aus einem durch Wasserstoff versprödeten Vergütungsgefüge. Bild 17: Interkristalliner Rissverlauf, 42CrMo4 16 <?page no="29"?> Bild 18: Interkristalliner Rissverlauf, 42CrMo4, 453HV1 Bei vielen Schadensfällen kann das Festigkeitsverhalten nicht ermittelt werden, weil nicht genügend Werkstoff für die in der Werkstoffprüfung vorgeschriebene Probengröße und Probenzahl verfügbar ist. Meistens kann nur die Härte gemessen und mit Umrechnungsbeziehungen aus den Härtewerten die Festigkeiten abgeschätzt werden. In Tabelle 1 sind die wesentlichen Härteprüfverfahren zusammengestellt. Tabelle 1: Härteprüfverfahren Härteprüfverfahren Normen Eindringkörper Brinell DIN EN ISO 6506 (10/ 99) Hartmetallkugel Vickers DIN EN ISO 6507 (1/ 98) Diamantpyramide Rockwell DIN EN ISO 6508 (10/ 99) HRC: Diamantkegel HRB: Hartmetallkugel Knoop ISO 4545 Diamantpyramide (rhombisch) Martenshärte DIN EN ISO 14577 Vickers- oder Berkovich- Pyramide 17 <?page no="30"?> DIN EN ISO 18265 gibt einige Umwertungen an: Brinell in Vickers HB ~ 0,95·HV Rockwell C in Vickers HRC ~ 116-1500/ HV Rockwell B in Brinell HRB ~ 176-1165/ HB Vickers in Knoop HV ~ HK Rm ~ 3,4·HB (bis 600HB) Diese Umwertungsbeziehungen sind mittels Regressionsrechnung aus gemessenen Wertepaaren bestimmt worden und keine physikalischen Gleichungen, sie sollten daher mit „Augenmaß“ verwendet werden. 2.1.3 Literatur / 1/ De Ferri Metallographia. Band I: Grundlagen. Presses Académiques Européennes, Brüssel 1966 / 2/ Petzow, G.: Metallographisches, Keramographies, Plastographisches Ätzen. Borntraeger, Stuttgart 2015 / 3/ Schumann, H., Oettel, H.: Metallographie. Wiley-VCH, Weinheim 2011 / 4/ Rose, A., Hougardy, H. P.: Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle, Band 2. Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1972 Vander Voort, G. (Ed.): Atlas of Time-Temperature Diagrams for Irons and Steels. ASM International, Materials Park 1991 / 5/ De Ferri Metallographia. Band II: Gefüge der Stähle. Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1966 / 6/ ASM Handbook Vol. 9: Metallography and Microstructures. ASM International 2004 18 <?page no="31"?> 2.2 Schadensuntersuchungen durch Röntgenfeinstrukturanalysen Wolfgang Zinn, Thomas Hirsch 2.2.1 Einleitung Eine Röntgenfeinstrukturanalyse ist grundsätzlich von einer Grobstrukturanalyse zu unterscheiden. Bei der Grobstrukturanalyse werden Bauteile mit weißem Röntgenlicht durchstrahlt, um Werkstofffehler zu detektieren. Die Durchstrahlung eines menschlichen Körperteils in der Medizin und die durch eine unterschiedliche Absorption der Röntgenstrahlen mögliche Sichtbarmachung auf Filmen oder Computermonitoren kann als Beispiel für Grobstrukturuntersuchungen gelten. In dieser Weise werden auch Durchstrahlungen metallischer und nichtmetallischer Bauteile durchgeführt, um Werkstofffehler sichtbar zu machen. Bei einer Feinstrukturuntersuchung wird in den meisten Fällen die charakteristische Strahlung einer Röntgenröhre verwendet. Durch die Wechselwirkung der Röntgenstrahlen mit dem Kristallgitter eines Werkstoffs ergeben sich Interferenzerscheinungen, die als Messsignale genutzt werden [1 - 3]. Röntgenfeinstrukturuntersuchungen haben in der Technik eine vielfältige Anwendung erfahren. Bei der Änderung von Fertigungsparametern oder der Einführung einer anderen Produktionstechnologie werden Werkstoffeigenschaften wie Phasenzusammensetzung und/ oder die fertigungsbedingten Eigenspannungen heute sogar teilweise prozessbegleitend mit der röntgenographischen Feinstrukturanalyse ermittelt (siehe z. B. [1]). Dieser Sachverhalt gewinnt noch an Bedeutung, da vielfach eine quantitative Phasenzusammensetzung oder nicht zu über- oder unterschreitende Eigenspannungsbeträge in Konstruktionszeichnungen verlangt werden. In Bild 1 ist ein Überblick der Hauptgruppen der Fertigungstechnik wiedergegeben, der in der Regel den typischen Produktionsgang eines Maschinenbauteils darstellt [4]. In allen Hauptgruppen der Fertigungstechnik vom Urformen zum Umformen, von einer Weichbearbeitung (Trennen), über verschiedene Wärmebehandlungsvorgänge (Stoffeigenschaften ändern) und in auf die Wärmebehandlung folgenden Hartbearbeitungen können Eigenspannungen in unterschiedlichen Querschnittsbereichen eines Bauteils entstehen, umgelagert und/ oder vermindert werden. Während dieses Produktionsprozesses wird vielfach eine zunehmende Festigkeit von Werkstoffen erzeugt, die zusätzlich einen erhöhten Einfluss von Eigenspannungen auf das Versagens- oder Betriebsverhalten von Bauteilen zur Folge hat. Die in Richtung des oberen bzw. unteren Bildrandes weisenden Pfeile in Bild 1 sollen zusätzliche Fertigungsoperationen wie Richten, Fügen und Beschichten andeuten, die den Eigenspannungszustand eines Bauteils ebenfalls deutlich beeinflussen können. Im Allgemeinen eliminieren große plastische Deformation des Gesamtquerschnitts die durch vorangegangene Fertigungsoperationen erzeugten Eigenspannungszustände und führen zu völlig anderen Eigenspannungsverteilungen im Bauteilquerschnitt. Bei vielen anderen Fertigungsprozessen sind nur oberflächennahe Volumina der Bauteile betroffen, so dass hier gegebenenfalls eine Überlagerung der in Randnähe neu erzeugten 19 <?page no="32"?> Eigenspannungen mit umgelagerten Eigenspannungen aus dem vorangegangenen Fertigungsschritt stattfindet. Während dieser Fertigungsoperationen sind die Veränderungen der Eigenspannungszustände nicht nur mit Versagen durch Riss- oder Anrissbildung, sondern auch mit Verzugserscheinungen verknüpft, die gegebenenfalls nachfolgende Fertigungsoperationen erschweren (siehe z.B. [5]). Eine Minimierung dieser Probleme kann erfolgen, wenn neben der Vielzahl anderer Einflussgrößen auch die Auswirkungen der in jedem Fertigungsschritt erzeugten, umgelagerten oder verminderten Eigenspannungen in gebotener Weise mit berücksichtigt werden und ihre Einflüsse auf die folgenden Produktionsschritte beachtet werden. Es muss an dieser Stelle besonders darauf hingewiesen werden, dass das Betriebsverhalten von Bauteilen durch die am Ende der Fertigungsprozesse vorliegenden Eigenspannungszustände je nach Werkstoffzustand ganz erheblich beeinflusst werden kann [6 - 8]. Urformen Umformen Trennen, Weichbearbeitung Stoffeigenschaften ändern Trennen Hartbearbeitung Betriebsverhalten Fügen Richten Fügen Richten Beschichten Beschichten Urformen Umformen Trennen, Weichbearbeitung Stoffeigenschaften ändern Trennen Hartbearbeitung Betriebsverhalten Fügen Richten Beschichten Beschichten Oft: zunehmende Festigkeit der Werkstoffe zunehmender Einfluss von Eigenspannungen Urformen Umformen Trennen, Weichbearbeitung Stoffeigenschaften ändern Trennen Hartbearbeitung Betriebsverhalten Fügen Richten Fügen Richten Beschichten Beschichten Urformen Umformen Trennen, Weichbearbeitung Stoffeigenschaften ändern Trennen Hartbearbeitung Betriebsverhalten Fügen Richten Beschichten Beschichten Oft: zunehmende Festigkeit der Werkstoffe zunehmender Einfluss von Eigenspannungen Bild 1: Fertigungshauptgruppen, die Ursachen der Entstehung, Umlagerung und Verminderung von Eigenspannungen sind [4]. Die weite Verbreitung, eine relativ einfache Probenherstellung und Präparation, die Möglichkeit aus den Messungen mehrere Kenngrößen über den Werkstoff abzuleiten, die Standardfreiheit und eine sichere rechnergesteuerte Messung und Auswertung bieten bei der Anwendung röntgenographischer Feinstrukturuntersuchungen Vorteile gegenüber anderen Untersuchungsverfahren. Die heute gut bekannten Einflüsse von Eigenspannungen auf Werkstoffeigenschaften haben zunehmend auch dazu geführt, dass Feinstrukturuntersuchungen bei Schadensfalluntersuchungen eingesetzt werden. Auch eine unerwünschte Phasenzusammensetzung kann im Schadensfall durch eine Feinstrukturanalyse erkannt werden. 2.2.2 Grundlagen Für Feinstrukturuntersuchungen wird die charakteristische Strahlung einer Röntgenröhre verwendet, wobei die gebräuchlichen Wellenlängen zwischen 0,3 nm und 0,07 nm liegen (siehe z. B. [1, 2, 9, 10]). Als elektromagnetische Strahlung kann die Röntgenstrahlung auch mit der Energie oder der Frequenz beschrieben werden. Die verwendeten Wellenlängen sind etwa um 3 Größenordnungen kleiner als die Wellenlän- 20 <?page no="33"?> gen ultravioletten Lichts. Da die Wellenlängen der Röntgenstrahlung und die Gitterabstände in einem regelmäßigen Kristallgitter in der gleichen Größenordnung sind, stellen sie für die Röntgenstrahlung ein Beugungsgitter dar und es treten Interferenzerscheinungen wie Auslöschung, Abschwächung und Verstärkung bei der Feinstrukturanalyse mit Röntgenstrahlung auf. Das folgende Bild 2 zeigt im linken Teilbild die Entstehung von Röntgenstrahlen in einer Röntgenröhre und im rechten Teilbild ein Wellenlängenspektrum einer Molybdänanode mit Bremsstrahlung und charakteristischer K , K 1 und K 2 -Strahlung [1, 2, 9]. 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 Wellenlänge [nm] 120 90 60 30 0 K K Intensität 0,02 0,04 0,06 0,08 0,1 Wellenlänge [nm] 120 90 60 30 0 K K Intensität Bild 2: Erzeugung von Röntgenstrahlen und Wellenlängespektrum einer Molybdänanode [1, 2, 9]. Metallische Werkstoffe und Keramiken sind in der Regel aus Kristallgittern regelmäßig aufgebaut (siehe Bild 3a)) (siehe z.B. [1, 2, 10]. Im einfachsten Fall ist dies ein kubisch primitives Gitter, bei dem jede Ecke des Würfels der Elementarzelle mit einem Atom des zur Diskussion stehenden Werkstoffs besetzt ist. In dieser Elementarzelle (und natürlich in den Elementarzellen jedes anderen Gittertyps) können nun bestimmte Ebenen durch sogenannte Miller´sche Indizes definiert werden, die für die Interferenzerscheinungen von grundsätzlicher Bedeutung sind. Bild 3a) zeigt mit staffierten Flächen beispielsweise {100}-Ebenen (Würfelflächen), {110}-Ebenen (Diagonale Fläche in der Basisebene) und {111}-Ebenen (Diagonale Fläche im Würfel). Für das Verständnis der Wechselwirkung von Röntgenstrahlen mit dem Kristallgitter sind nun noch die Spuren dieser Gitterebenen (auch Netzebenen genannt) von Bedeutung (Bild 3b)) [10]. Das Bild 3 b) zeigt als Aufsicht die Gitterebenen des Bildes 2a). Es wird deutlich, dass mit steigenden Werten der Miller´schen Indizierung der Gitterebenen die Abstände d zwischen den Gitterebenen (oder Netzebenen) geringer werden. Die Röntgenstrahlung (charakteristische Strahlung) wird nun von den Gitterebenen abgebeugt, wie dies in Bild 4 dargestellt ist [1, 2]. Interferenzen (eine starke Zunahme der abgebeugten Intensität) treten immer dann auf, wenn die Bragg´sche Gleichung erfüllt ist: 21 <?page no="34"?> n =2d*sin nach der bei konstanter Wellenlänge charakteristische Strahlung) der Gitterebenenabstand d dem Beugungswinkel einer Interferenz umgekehrt proportional ist. Aus Bild 3b) folgt mit der Bragg´schen Gleichung unmittelbar, dass die Interferenzen höher indizierter Gitterebenen bei größeren Winkeln auftreten. (100) (100) (110) (110) (210) (210) (111) (111) (211) (211) (221) (221) (100) (100) (110) (110) (210) (210) (111) (111) (211) (211) (221) (221) Bild 3a: Typen von Gitterebenen im kubischen Gitter a a {110} {210} {010} {310} {410} Höher indizierte Netzebenene haben kleinere Gitterabstände (d-Werte) d a a {110} {210} {010} {310} {410} Höher indizierte Netzebenene haben kleinere Gitterabstände (d-Werte) d Bild 3b: Spuren von Gitterebenenscharen (Aufsicht aus Bild 3a) 22 <?page no="35"?> Röntgenfeinstrukturuntersuchungen werden heute nahezu ausschließlich mit sogenannten Diffraktometern durchgeführt, die kommerziell von mehreren Anbietern angeboten werden (siehe zum Beispiel Bild 5). In vielen Fällen können diese Messinstrumente den jeweiligen Aufgabenstellungen hinsichtlich der notwendigen Probenbewegung angepasst werden. Auch bei der Detektion der Röntgenstrahlung sind heute nicht mehr Zählrohre (Geiger-Müller-Zähler) sondern schnelle ortsempfindliche lineare oder zweidimensionale Detektoren Stand der Technik. n =2 d sin d=a/ ( h 2 +k 2 +l 2) = Wellenlänge der Röngenstrahlung, z. B. Cr-K =0,2290 nm, a = Größe der kubischen Elementarzelle d = Netzebenenabstand (Gitterabstand der gewählten Ebene) = Beugungswinkel, unter dem die Interferenz auftritt n =2 d sin d=a/ ( h 2 +k 2 +l 2) = Wellenlänge der Röngenstrahlung, z. B. Cr-K =0,2290 nm, a = Größe der kubischen Elementarzelle d = Netzebenenabstand (Gitterabstand der gewählten Ebene) = Beugungswinkel, unter dem die Interferenz auftritt Bild 4: Beugung am Kristallgitter, Bragg´sche Gleichung [1, 2, 10] Bild 5: Schematische (links) und Bildansicht (rechts) eines modernen Theta/ Theta-Diffraktometers mit ortsempfindlichem Detektor (Hersteller: GE-Inspection Technologies, Ahrensburg) Steuer und Auswerterechner Generator Impulszählung Motorsteuerung Röntgenröhre Fokussierungskreis Detektor Probe Aperturblende Detektorblende Steuer und Auswerterechner Generator Impulszählung Motorsteuerung Röntgenröhre Fokussierungskreis Detektor Probe Aperturblende Detektorblende 23 <?page no="36"?> Wesentliche Gesichtpunkte für diese letztgenannte Entwicklung sind die simultane, schnelle Erfassung größerer Messbereiche in 2 . Durch eine höhere Quantenausbeute ergibt sich bei diesen Neuentwicklungen eine deutliche Zeitersparnis bei der Messung. In Bild 4 ist der Winkel sowohl des einfallenden Strahls (der Röntgenröhre), als auch des abgebeugten Strahls einstellbar, wie dies auch für das Messinstrument in Bild 5 gilt. Bei anderen Diffraktometern steht die Röhre fest und die Probe oder das Bauteil bewegen sich mit dem Winkel . Zur Erfüllung der Bragg´schen Gleichung muss dann der Detektor mit dem Winkel 2 bewegt werden. Durch die Probenbewegung und die Bewegung des Detektors ergeben sich immer Interferenzen für bestimmte Gitterebenen, wenn die Bragg´sche Gleichung erfüllt ist. In Bild 6 ist eine Interferenzlinie in der Darstellung Intensität als Funktion des Beugungswinkels 2 wiedergegeben. Nach der Bragg´schen Gleichung muss zur Bewertung dieser Interferenzlinie die Strahlungsart (im vorliegenden Fall die Cr-K - Strahlung), der Werkstoff und sein Netzebenenabstand d (hier die {211}-Gitterebene von -Eisen (Ferrit)) bekannt sein. Damit liegt die Linienlage des Maximums der Interferenz (Beugungswinkel) fest. Zur rechnergestützten Auswertung der Linienlagen wird immer der Streuuntergrund bestimmt und subtrahiert. Für viele Aussagen wird auch die Halbwertsbreite der Interferenzlinie (Breite der Linie bei 50% der Maximalintensität) benötigt. In Schadensuntersuchungen wird beispielsweise die Fläche unter der Linie für quantitative Phasenanalysen (Restaustenitbestimmung), die Linienlage zur Bestimmung der Eigenspannungen, die Breite und die Form der Linie zu Aussagen über die Mikroeigenspannungen und die Menge der Kristallbaufehler benutzt [1, 2, 9, 10]. In einfachen Fällen eines halbquantitativen Vergleichs der Mengenanteile an Phasen genügen auch Intensitätsvergleiche gleichartig indizierter Gitterebenen bei nahe beieinander liegenden Linienlagen 2 . 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 140 150 160 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] Linienlage des Maximums (Beugungswinkel) Untergrund Maximalintensität Linienbreite (Halbwertsbreite) Interferenz der {211}-Ebene des -Eisens für Cr-K -Strahlung 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 140 150 160 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] Linienlage des Maximums (Beugungswinkel) Untergrund Maximalintensität Linienbreite (Halbwertsbreite) Interferenz der {211}-Ebene des -Eisens für Cr-K -Strahlung Bild 6: Kennzeichnende Größen einer Interferenzlinie 24 <?page no="37"?> 2.2.3 Ermittlung der Phasenzusammensetzung durch Feinstrukturanalysen Für jedes Kristallgitter und jede Phase eines mehrphasigen Werkstoffs ergeben sich charakteristische Beugungsdiagramme. Kristalline Werkstoffe weisen eine Vielzahl von Beugungsreflexen auf. Bei einer Kenntnis der chemischen Zusammensetzung können durch Beugungsuntersuchungen die vorliegenden chemischen Verbindungen die Phasen bzw. die Phasenzusammensetzung bestimmt werden. Dieser Sachverhalt wird intensiv genutzt, um als Qualitätskontrolle oder gegebenenfalls in einer Schadensuntersuchung die Restaustenitgehalte nach dem letzten Wärmebehandlungsschritt zu bestimmen. Nach einer Wärmebehandlung höher kohlenstoffhaltiger Stähle oder nach einem Einsatzhärten liegen neben einem martensitischen Gefüge Gehalte an Restaustenit vor. Restaustenitgehalte werden in der Regel nach einer Wärmebehandlung definiert eingestellt oder es wird bei so hohen Temperaturen angelassen, dass kein Restaustenit mehr vorhanden ist. Im Falle unerwartet hoher Restaustenitgehalte kann dieser durch höhere Betriebstemperaturen und/ oder eine mechanische Beanspruchung unter Volumenvergrößerung in nicht angelassenen Martensit umwandeln. Geschieht dies unerwartet, oder wurden z. B. Anlaßbehandlungen vergessen, wird sich dieser Sachverhalt schädigend auf ein Bauteil auswirken. Als Beispiel sind in den folgenden zwei Bildern 7 und 8 Phasendiagramme eines Wälzlagerstahls mit etwa 16 Volumenprozent Restaustenit wiedergegeben. Die beiden Phasen Martensit und Restaustenit weisen eine unterschiedliche Gitterstruktur und unterschiedliche Gitterabstände auf. Damit ergeben sich in Bild 7 für jede Phase Interferenzen, die zur Unterscheidung der beiden Phasen und zur quantitativen Phasenanalyse benutzt werden können. Wie in Bild 8 demonstriert wird, erfolgt die quantitative Restaustenitbestimmung durch eine Berechnung der Fläche unter den Interferenzen nach Untergrundabzug. Um die durch die Röntgenstrahlung und die Einstrahlbedingungen verursachten Unterschiede zu berücksichtigen, können die für jede Interferenz benötigten Strukturfaktoren Tabellen entnommen werden. Bei einsatzgehärteten Gefügen liegen Restaustenitgehalte entsprechend des Kohlenstoffgradienten vor. In Bild 9 ist der Restaustenitgehalt eines Zahnrads aus dem Werkstoff 16MnCr5 nach einer typischen Einsatzhärtung wiedergegeben (Kennzeichnung „nur wärmebehandelt“). Die Einsatzhärtungstiefe betrug etwa 1 mm. Der Restaustenit nimmt wie der Kohlenstoffgehalt zu größeren Abständen von der Oberfläche deutlich ab. In Bild 9 ergeben sich jedoch auch für Randabstände kleiner als 50 μm Abnahmen des Restaustenitgehalts von 36 Volumenprozent auf 2 Volumenprozent. Diese Veränderung ist der Ausdruck einer Randschädigung durch die Einsatzhärtung in einer Gasatmosphäre. Sie kann hier auch durch eine Phasenanalyse detektiert werden kann. Von Einsatzhärtungen ist bekannt, dass Randentkohlung und Randoxidation auftreten, die zu einem verringerten Kohlenstoffgehalt in Oberflächennähe führen und damit auch zu einer Abnahme des Restaustenitgehalts. Da diese oberflächennahen Werkstoffveränderungen das Ermüdungsverhalten von Zahnrädern negativ beeinflussen, wird kugelgestrahlt, um den Widerstand gegen eine Werkstoffermüdung durch die Wirkung von Druckeigenspannungen positiv zu beeinflussen. Durch die mechanische Einwirkung des Strahlmittels ergibt sich eine Veränderung der Phasenzusammensetzung. Der Restaustenitgehalt verringert sich in 25 <?page no="38"?> den durch das Kugelstrahlen beeinflussten Oberflächenabständen und wandelt in Martensit um. In vielen Fällen stellen unerwartet hohe oder noch vorhandene Restaustenitgehalte, besonders bei Werkzeugstählen ein nicht dem gewünschten Produktionsergebnis entsprechendes Qualitätsmerkmal dar, welches mit einer röntgenographischen Feinstrukturanalyse relativ einfach zu beurteilen ist. 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 70 90 110 130 150 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] {200}-Ebene Ferrit {211}-Ebene Interferenzen für Cr-K -Strahlung {200} Restaustenit {220} 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 70 90 110 130 150 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] {200}-Ebene Ferrit {211}-Ebene Interferenzen für Cr-K -Strahlung {200} Restaustenit {220} Bild 7: Beugungsdiagramm eines Wälzlagerstahls (Martensit und Restaustenit), Interferenzen für die Cr-K -Strahlung. 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 70 90 110 130 150 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] {200} Restaustenit {220} Restaustenitbestimmung: Flächenberechnung für die einzelnen Phasen gewichtet mit Strukturfaktoren {200}-Ebene Ferrit {211}-Ebene Interferenzen für Cr-K -Strahlung 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 70 90 110 130 150 Beugungswinkel 2 [°] Intensität [Impulse] {200} Restaustenit {220} Restaustenitbestimmung: Flächenberechnung für die einzelnen Phasen gewichtet mit Strukturfaktoren {200}-Ebene Ferrit {211}-Ebene Interferenzen für Cr-K -Strahlung Bild 8: Flächenberechnung für jede Interferenz des Martensits und des Restaustenits zur quantitativen Bestimmung des Restaustenitgehalts. 26 <?page no="39"?> 0 5 10 15 20 25 30 35 40 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] ungestrahlt S230, v=81m/ s Restaustenitgehalt [Vol%] Kugelgestrahlt Nur wärmebehandelt 0 5 10 15 20 25 30 35 40 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] ungestrahlt S230, v=81m/ s Restaustenitgehalt [Vol%] Kugelgestrahlt Nur wärmebehandelt Bild 9: Restaustenitgehalte in einem Zahnrad aus 16MnCr5 nach Einsatzhärtung und Veränderung der Phasenzusammensetzung durch eine mechanische Einwirkung wie z.B. nach dem Kugelstrahlen [11] 2.2.4 Grundlagen der Eigenspannungsanalyse Eigenspannungsfreie Bauteile gibt es nicht. Jedes Bauteil enthält verschiedenartige Eigenspannungszustände als Resultat der verschiedenen Operationen in den 6 Hauptgruppen der Fertigungsverfahren (Urformen, Umformen, Trennen, Fügen, Beschichten und Stoffeigenschaften ändern) [1, 2, 6, 9]. Alle inhomogenen plastischen Deformationen während einer (Betriebs-)Beanspruchung führen zu einer Veränderung der vorliegenden Eigenspannungszustände bzw. zum Aufbau neuer Eigenspannungen. Eigenspannungen in beträchtlicher Höhe können nach Wärmebehandlungen und/ oder nach mechanischer Bearbeitung auftreten. In vielen Fällen besteht nach wie vor eine Unsicherheit im Verständnis des Werkstoffverhaltens aus der Unkenntnis der vorliegenden Eigenspannungszustände. Veränderungen von Eigenspannungszuständen können sich auch in einem unerwünschten Verzug von Bauteilen bemerkbar machen. Einflüsse von Eigenspannungen werden meist erst in Schadensbetrachtungen mit einbezogen, wenn eine Gefügebeurteilung und ggfs. die Höhe äußerer Lastspannungen nicht als Ursachen für Schäden, Risse oder Verzüge in Frage kommen. Zum leichteren Verständnis können Eigenspannungen I. Art wie mechanische Lastspannungen betrachtet werden. Es gibt bei näherer Betrachtung jedoch deutliche Unterschiede zwischen Lastspannungen und Eigenspannungen. Eigenspannungen sind mehrachsige, elastische Spannungen, die ohne äußere Kräfte und Momente existieren und sich im betrachteten System hinsichtlich der entstehenden Kräfte und Momente im mechanischen Gleichgewicht befinden. Infolge des vielkristallinen, heterogenen Aufbaus von Werkstoffen können Eigenspannungsbereiche eine makroskopische, mikroskopische und submikroskopische Ausdehnung 27 <?page no="40"?> annehmen [6, 9]. Eigenspannungen werden daher unterteilt in Eigenspannungen I., II. und III. Art. Eigenspannungen I. Art oder "Makroeigenspannungen" sind über größere Werkstoffbereiche homogen und die mit ihnen verbundenen Kräfte und Momente gleichen sich über jede Schnittfläche bzw. bezüglich jeder Achse aus. Mit den Eigenspannungen I. Art entstehen jedoch auch Eigenspannungen II. (Mikroeigenspannungen in mehrphasigen Werkstoffen) und III. Art ("Mikroeigenspannungen"). Diese sind über ein Korn oder Kornbereiche (II. Art) bzw. nur über Atomabstände (III. Art) homogen [6, 9]. Wie das Bild 10 belegt, ist der Eigenspannungswert an jedem Ort eines Bauteils (x,y,z) die Summe aus allen 3 Arten der Eigenspannungen. Das Bild 10 zeigt auch, dass durch diese Komplexität eine exakte und unabhängige Bestimmung aller 3 Eigenspannungsarten auf experimentelle Schwierigkeiten stößt [9]. Durch geeignete thermische und/ oder mechanische Beanspruchungen kann eine Minimierung der Eigenspannungsbeträge erreicht werden, eine völlige Eigenspannungsfreiheit von Bauteilen und/ oder Werkstoffverbunden ist jedoch nicht möglich (siehe z. B. [12, 13]). ES,I Summe (x,y,z ES,I + ES,II + ES,III an jedem Punkt x,y,z einer Pobe oder eines Bauteils X Halbwertsbreite HWB ax , ES,I Abschrecken eines Zylinders ES I. Art V= 1: 500 Abschrecken eines 2-phasigen Gefüges ES II. Art V= 1: 1000 + X ES,II Korn Phase A Korn Phase B + X ES,III X ES III.Art in einem Korn = ES,I Summe (x,y,z ES,I + ES,II + ES,III an jedem Punkt x,y,z einer Pobe oder eines Bauteils X Halbwertsbreite HWB ax , ES,I Abschrecken eines Zylinders ES I. Art V= 1: 500 Abschrecken eines 2-phasigen Gefüges ES II. Art V= 1: 1000 + X ES,II Korn Phase A Korn Phase B + X ES,III X ES III.Art in einem Korn = Bild 10: Eigenspannungen I., II. und III. Art in einem zweiphasigen Zylinder nach dem Abschrecken von hohen Temperaturen [6, 9] Im englischsprachigen Schrifttum sind oft die Begriffe Makro- und Mikroeigenspannungen gebräuchlich. Dem sind im Sinne der obigen Definitionen für die Makroeigenspannungen die Eigenspannungen I. Art gleichzusetzen, während unter Mikroeigenspannungen die Summe der Eigenspannungen II. und III. Art verstanden wird. Mit Röntgenbeugungsuntersuchungen können aus Linienlagenverschiebungen der Interferenzlinien Eigenspannungen I und II. Art bestimmt werden. Über die Halbwertsbreite ergeben sich Hinweise auf die Eigenspannungen III. Art. Die Eigen- 28 <?page no="41"?> spannungen werden mit Röntgenstrahlen in ähnlicher Weise bestimmt, wie z. B. die Dehnungen auf der Oberfläche eines Bauteils mit den bekannten Dehnmessstreifen. Bild 11 verdeutlicht die Analogien [7, 10]. Als Messgitter werden die Gitterebenen kristalliner Werkstoffe verwendet. Die durch Eigenspannungen oder auch Lastspannungen verursachte Änderung der Gitterebenenabstände, die zu einer Verschiebung der Interferenzlinienlagen führen, kann zu Analysen von Eigenspannungen mit der Röntgenfeinstrukturanalyse benutzt werden. Im Realfall ergibt sich eine Schwierigkeit dadurch, dass natürlich der Werkstoff nicht wie in Bild 11 aus einem vollkommen regelmäßigen Gitter aufgebaut ist. Dies würde bei sehr wenigen Gitterbaufehlern nur für Einkristalle gelten. Ein reales Bauteil ist also aus Körnern unterschiedlicher Orientierungen aufgebaut, in dem nach Bild 12 zunächst bei entsprechender Einstellung des Diffraktometers nur die Körner in der Bildmitte mit ihren Normalen parallel zur Oberflächennormalen die Bragg´sche Gleichung erfüllen. Die weisen unter Spannungseinwirkung einen bestimmten Gitterebenenabstand d 1 auf. Diese selektive Messung an wenigen Körnern würde jedoch zu falschen Aussagen über den Spannungszustand an diesem Ort führen. Als Folge muss das Bauteil um einen Winkel (oder ) gekippt werden, um auch andere Körner mit dem Gitterebenenabstand d 2 zu erfassen. Die Spannungswirkung auf diese Körner ist auf Grund der anderen Orientierung zu der von außen angelegten Spannung eine andere, was durch den Gitterebenenabstand d 2 zum Ausdruck kommt. Werden Probenbewegungen um oder in einem regellos orientierten homogenen, einphasigen Werkstoff vorgenommen und die über die Bragg´ sche Gleichung erhaltenen d-Werte über sin 2 aufgetragen, so ergibt sich auf Grund elastizitätstheoretischer Betrachtungen in Bild 13 aus der Steigung der Ausgleichsgeraden durch die Messpunkte die an dem betreffenden Messpunkt vorliegenden Eigenspannung [6, 14, 15]. Makrokopische Deh- Mikroskopische Messung nungsmessung mit von Dehnungen an Gitter- Dehnmeßstreifen ebenen (Röntgenstrahlen) X 0 Vergrößerung 1: 10 7 Y 0 X F F F Y X- X 0 längs = X 0 Y- Y 0 quer = Y 0 2D X,0 D z,0 D X D z D x -D x,0 Gitter,längs = D x,0 D y -D y,0 Gitter,längs = D x,0 Über die Bragg´sche Gleichung führt diese Änderung der Gitterabstände zu einer kleinen Änderung des Beugungswinkels der Interferenz Makrokopische Deh- Mikroskopische Messung nungsmessung mit von Dehnungen an Gitter- Dehnmeßstreifen ebenen (Röntgenstrahlen) X 0 Vergrößerung 1: 10 7 Y 0 Y 0 X F F F Y X- X 0 längs = X 0 Y- Y 0 quer = Y 0 2D X,0 D z,0 2D X,0 D z,0 D X D z D x -D x,0 Gitter,längs = D x,0 D y -D y,0 Gitter,längs = D x,0 Über die Bragg´sche Gleichung führt diese Änderung der Gitterabstände zu einer kleinen Änderung des Beugungswinkels der Interferenz Bild 11: Prinzip der Dehnungsmessung am Kristallgitter [7] 29 <?page no="42"?> Bild 13 belegt auch, dass offenbar pro Messung mit der röntgenographischen Eigenspannungsanalyse zunächst nur eine Spannungskomponente bestimmt werden kann. Der zweiachsige Eigenspannungszustand an der Oberfläche muss also mit zwei Messungen bestimmt werden. Die Wahl eines geeigneten Koordinatensystems auf der Bauteiloberfläche ist wichtig, da vorzugsweise die Messrichtungen nach charakteristischen Bauteilabmessungen ausgerichtet werden, wie Bild 14 zeigt. In vielen Fällen wird der Eigenspannungszustand aus Kostengründen nur an einem oder wenigen Orten der Oberfläche bestimmt und als repräsentativ angesehen. Diese Messungen sollten dann in den hochbeanspruchten Zonen eines Bauteils durchgeführt werden. Berechnungen von Eigenspannungen mittels der Methode der Finiten Elemente (FEM) verlangen eine sehr genaue Kenntnis aller notwendigen Werkstoffdaten. Röntgenstrahl Röntgenstrahl Röntgenstrahl Röntgenstrahl Röntgenstrahl Röntgenstrahl Bild 12: Regellose Verteilung der Orientierung von Gitterebenen in verschiedenen Körnern, die unter Spannungswirkung zu unterschiedlichen Abstandsänderungen der Gitterebenen führen [10] -4 -2 0 2 4 6 8 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 sin 2 Dehnung, Beugungswinkel Dehnungsfreie Richtung oder 2 meist in ausgewählter Richtung =const m =const=1/ 2s 2 Körner unter 1 Körner unter 3 Körner unter 2 -4 -2 0 2 4 6 8 0 0,2 0,4 0,6 0,8 1 sin 2 Dehnung, Beugungswinkel Dehnungsfreie Richtung oder 2 meist in ausgewählter Richtung =const m =const=1/ 2s 2 Körner unter 1 Körner unter 3 Körner unter 2 Bild 13: Auswertung von Eigenspannungen aus den Messergebnissen bei verschiedenen Winkeln bzw. [15] 30 <?page no="43"?> Volumenelement der Messung: (Messfläche x Eindringtiefe) z y x ES (x,y) Der Spannungszustand an der Oberfläche ist zweiachsig. Gewählt: Axialrichtung Gewählt: Tangentialrichtung Volumenelement der Messung: (Messfläche x Eindringtiefe) z y x ES (x,y) Der Spannungszustand an der Oberfläche ist zweiachsig. Gewählt: Axialrichtung Gewählt: Tangentialrichtung Bild 14: Wahl der Messorte und der Messrichtungen am Beispiel eines komplexen Bauteils 2.2.5 Anwendungsbeispiele Mit den folgenden Beispielen werden einige typische Anwendungsfälle gezeigt, die ungünstige oder stark durch eine Beanspruchung veränderte Eigenspannungszustände aufweisen. In Schadensfällen geben diese Untersuchungen Hinweise auf einen schon bei der Fertigung ungünstigen Eigenspannungszustand oder ggfs. auf unzulässig hohe Lastspannungen. Oft sind bearbeitete Oberflächen zu beurteilen. Da Bearbeitungen vielfach nach der letzten Wärmebehandlung vorgenommen werden und dann hohe Festigkeiten der Bauteile vorliegen, sind dort die positiven oder negativen Wirkungen von Eigenspannungen besonders deutlich (siehe z.B. [16 - 20]). Dabei werden in den folgenden Beispielen vorwiegend die Eigenspannungen I. Art - die Makroeigenspannungen diskutiert und nur vereinzelt die Halbwertsbreiten als Maß für die Mikroeigenspannungen bzw. den Werkstoffzustand angesprochen. Eigenspannungen führen ohne oder mit der Wirkung von Lastspannungen und ggfs. durch innere (Werkstofffehler) und äußere Kerbwirkung zum Versagen durch Riss- oder Anrissbildung [22] zum Beispiel bei: Gussstücken während oder nach Abkühlen oder nach Bearbeitung.Halbzeugen durch Richten oder Bearbeiten.kaltgezogenen Stangen und Drähten für bestimmte Umformbedingungen.Rohren und gedrückten Hohlkörpern.Wärmebehandlung unter inhomogen Bedingungen.der Bearbeitung mit ungünstigen Parametern. Bild 15 zeigt die nach einer Austenitisierung in einem Salzbad und der Abschreckung in Öl aufgenommenen Tiefenverteilungen von Eigenspannungen, Halbwertsbreiten und Restaustenit in einem Wälzelement aus dem Werkstoff 100Cr6 [21]. Eine Bearbeitung wurde nicht vorgenommen. Diese Resultate dienten unter anderem zur Beurteilung der beim Schleifen zu entfernenden Randschicht (hier etwa 0,2 mm). Wieder liegt, wie in Bild 9, eine Randschädigung vor, die sich in zur Oberfläche in veränderten Eigenspannungen, Halbwertsbreiten und Gehalten an Restaustenit ausdrückt. In Oberflächenabständen größer als etwa 0,3 mm wird der Zustand des nicht geschädigten Werkstoffs erreicht. Dort liegen wärmebehandlungsbedingte Eigenspannungen vor, die in diesem Fall nur wenig von null verschieden sind. Auf Grund des durch 31 <?page no="44"?> die Entkohlung verursachten, veränderten Umwandlungsverhaltens ergeben sich zur Oberfläche bis auf 500 MPa ansteigende Zugeigenspannungen. Besonders deutlich wird diese Randschädigung durch die Messwerte von Halbwertsbreiten und Restaustenit. Durch den zur Oberfläche verringerten Kohlenstoffgehalt entsteht in diesen Schichten ein Martensit mit einer geringeren Anzahl an Versetzungen und größeren Kohärenzlängen, die sich in einer zur Oberfläche hin verringerten Halbwertsbreite wiederspiegeln. Bei geringeren Kohlenstoffgehalten in Oberflächennähe liegen dann auch entsprechend niedrigere Restaustenitgehalte vor (vergleiche dazu auch Bild 9) -200 -100 0 100 200 300 400 500 600 0 0,2 0,4 0,6 0,8 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 5 10 15 20 25 RA-Gehalt [Vol%], HWB [°] Tangential-ES RA HWB 100 Cr 6 830°C 15 min/ Öl 60°C Nicht bearbeitet -200 -100 0 100 200 300 400 500 600 0 0,2 0,4 0,6 0,8 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 5 10 15 20 25 RA-Gehalt [Vol%], HWB [°] Tangential-ES RA HWB 100 Cr 6 830°C 15 min/ Öl 60°C Nicht bearbeitet Bild 15: Tiefenverteilungen von Eigenspannungen, Halbwertsbreiten und Restaustenit in einer gehärteten Probe eines Wälzlagerstahls ohne nachfolgende Bearbeitung [21] Die in Bild 14 aufgezeigten Schwierigkeiten bei der Wahl eines geeigneten Koordinatensystems von Haupteigenspannungen und Messrichtungen werden in Bild 16 für eine ausscheidungsgehärtete Aluminiumlegierung verdeutlicht (z. B. AA6082). In vielen Fällen einfacher Bauteile entsprechen die Bauteilachsen auch den Hauptspannungsrichtungen. Es bietet sich somit an, in diesen Richtungen auch die Eigenspannungen zu bestimmen. In Bild 16 wurde jedoch mit einem Stirnfräser gearbeitet, durch den sich charakteristische gekrümmte Bearbeitungsriefen auf der Oberfläche ausbilden. Es kann nun sowohl parallel und senkrecht zur äußeren Geometrie des Bleches, als auch parallel und senkrecht zu den Bearbeitungsriefen gemessen werden. Gegebenenfalls sind hier zur eindeutigen Bewertung des vorliegenden Eigenspannungszustands noch weitere Messungen notwendig. Das linke Teilbild von Bild 16 belegt, dass parallel zur Blechrichtung Zugeigenspannungen von 120 MPa vorliegen. Mit zunehmendem Oberflächenabstand sinken diese Zugeigenspannungen zunächst ab und erreichen in 0,25 mm Randabstand erneut Beträge von 100 MPa. Für Oberflächenabstände größer als 0,3 mm wird ein eigenspannungsarmer Zustand erreicht. Die senkrecht dazu ermittelten Eigenspannungen sind, mit Ausnahme des Oberflächenwerts, Druckeigenspannungen von im Mittel -100 MPa. Auch hier wird in 0,35 mm Randabstand ein eigenspannungsarmer Zustand erreicht. Die Einwirktiefe der Bearbeitung kann also zu etwa 0,3 bis 0,35 mm abgeschätzt werden. 32 <?page no="45"?> Fräsriefen Quer zur Blechrichtung ( 22) Parallel zur Blechrichtung 11 Koordinatensystem der Bearbeitung „längs der Bearbeitung“ „quer zur Bearbeitung“ -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 11 22 Fräsriefen Quer zur Blechrichtung ( 22) Parallel zur Blechrichtung 11 Koordinatensystem der Bearbeitung „längs der Bearbeitung“ „quer zur Bearbeitung“ Fräsriefen Quer zur Blechrichtung ( 22) Parallel zur Blechrichtung 11 Koordinatensystem der Bearbeitung „längs der Bearbeitung“ „quer zur Bearbeitung“ -200 -150 -100 -50 0 50 100 150 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 11 22 Bild 16: Eigenspannungen parallel und quer zur Blechrichtung als Funktion des Abstands von der Oberfläche (links) und ein ebenfalls mögliches Koordinatensystem entlang der Bearbeitungsriefen Das nächste Beispiel demonstriert die durch eine Schleifbearbeitung mit zu hoher Zustellung entstandenen Zugeigenspannungen, die in diesem Fall jedoch noch nicht zu einer Neuhärtungszone bzw. zur Rissbildung (Überschreiten der lokalen Zugfestigkeit) geführt haben. Wie Bild 17 belegt, ergeben sich durch diese Wärmeinwirkung beim Schleifen hohe Zugeigenspannungen von 500 MPa, die erst wieder in 100 μm Tiefe auf die wärmebehandlungsbedingten Eigenspannungen abgeklungen sind. Diese Zugeigenspannungszustände lassen sich nur schwer durch eine Schleifbrandätzung oder nur durch eine Oberflächenmessung der Eigenspannungen nachweisen. An der Oberfläche liegen in Schleifrichtung Eigenspannungsbeträge um 0 vor, während quer zur Schleifrichtung sogar Druckeigenspannungen von -250 MPa beobachtet werden. Durch die Wärmeeinwirkung (Anlassen) haben sich die Restaustenitgehalte in Oberflächennähe verringert. Die Halbwertsbreiten martensitisch gehärteter Werkstoffe liegen bei der Verwendung von relativ großen Blenden und der Chromstrahlung bei 6° bis 7° in 2 . Diese großen Halbwertsbreiten ergeben sich durch die vielen Gitterbaufehler (Versetzungen) im Martensit und durch die kleinen, dann vorhanden Kohärenzlängen (Größe der kohärent streuenden Gitterbereiche). Mit steigender Anlasstemperatur tritt Erholung auf und die Versetzungsdichten verringern sich. Dies führt zur einer Verringerung der Halbwertsbreite und natürlich auch zu einer Abnahme der Härte. Es ist verständlich, dass solch hohe Zugeigenspannungen bei einer Überlagerung mit Lastspannungen sehr schnell zur Anrissbildung und damit zu einem Schadensfall führen würden. 33 <?page no="46"?> 0 5 10 15 20 25 0 100 200 300 Abstand von der Oberfläche [μm] -400 -200 0 200 400 600 0 100 200 300 Abstand von der Oberfläche [μm] 5 6 7 8 9 10 ES quer ES längs HWB Restaustenitgehalt [Vol%] Halbwertsbreite [°] Eigenspannungen [MPa] 0 5 10 15 20 25 0 100 200 300 Abstand von der Oberfläche [μm] -400 -200 0 200 400 600 0 100 200 300 Abstand von der Oberfläche [μm] 5 6 7 8 9 10 ES quer ES längs HWB Restaustenitgehalt [Vol%] Halbwertsbreite [°] Eigenspannungen [MPa] Bild 17: Schleifen mit hoher Zustellung und dadurch verursachte Randschädigung bei einem gehärteten und bei 180°C angelassenen 100Cr6 In vielen Fällen werden Bauteile und Werkzeuge funkenerosiv bearbeitet, sei es, um Probenteile für die metallographische Präparation herauszutrennen oder Werkzeuge mit komplexen Geometrien zu versehen. Diese Bearbeitung entspricht einer Wärmebehandlung der Oberfläche mit Austenitisierung und Abschrecken durch das Medium und/ oder durch den kalten Restquerschnitt des bearbeiteten Bauteils. Entsprechend dieser Wärmeeinwirkung ergeben sich die oberflächenahen Zustände von Eigenspannungen und Halbwertsbreite. In Bild 18 sind typische Ergebnisse eines gehärteten und funkenerosiv bearbeiteten Wälzlagerstahls 100Cr6 (links) sowie eines vergüteten und funkenerosiv bearbeiteten Warmarbeitsstahls X40CrMoV51 wiedergegeben [20]. Für den Wälzlagerstahl ist auch der Vergleich mit einer korrekt geschliffenen Oberfläche in Bild 18 einbezogen. Das Gefügebild des Wälzlagerstahls zeigt klar, dass in diesem Fall eine Neuhärtungszone an der Oberfläche vorlag. Hier liegen in der neugehärteten Zone hohe Zugeigenspannungen von 500 MPa vor. In der darunter liegenden Anlasszone steigen die Eigenspannungen weiter an und erreichen Maximalbeträge von 900 MPa. In der Anlasszone muss entsprechend der weiter oben diskutierten Sachverhalte natürlich auch die Halbwertsbreite abnehmen, was experimentell in Bild 18 belegt wird. Der Anstieg der Halbwertsbreite zur Oberfläche ist das Ergebnis der Neuhärtungszone. Da jedoch die Neuhärtungszone nur 2 μm dick ist (Halbwertsbreite >6°) und die Eindringtiefe der Röntgenstrahlung etwa 6 μm beträgt, wird als Integralwert zwischen den Halbwertsbreiten der Neuhärtungszone und den kleineren Halbwertsbreiten von 5° in der Anlasszone nur eine geringe Zunahme ermittelt. In dem Warmarbeitsstahl kann dagegen klar aus der deutlichen Zunahme der Halbwertsbreite zur Oberfläche auf eine dickere Neuhärtungszone geschlossen werden. Für die Eigenspannungen ergeben sich ähnliche Verteilungen wie bei dem Wälzlagerstahl. Werden an dem Werkzeug nicht nachträgliche Bearbeitungen wie z. B. ein Honen oder ein mechanisches Polieren vorgenommen, so muss auch hier im Betrieb mit einem frühzeitigen Versagen gerechnet werden. 34 <?page no="47"?> X40 CrMoV 5 1 vergütet funkenerosiv bearbeitet 100 Cr 6 830°C 15 min/ Öl 60°C funkenerosiv bearbeitet -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 800 1000 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Halbwertsbreite [°] ES, geschliffen ES, EDM HWB,EDM HWB,geschliffen 11 HWB -200 0 200 400 600 800 1000 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Halbwertsbreite [°] 22 X40 CrMoV 5 1 vergütet funkenerosiv bearbeitet 100 Cr 6 830°C 15 min/ Öl 60°C funkenerosiv bearbeitet -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 800 1000 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Halbwertsbreite [°] ES, geschliffen ES, EDM HWB,EDM HWB,geschliffen 11 HWB -200 0 200 400 600 800 1000 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Halbwertsbreite [°] -200 0 200 400 600 800 1000 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 Halbwertsbreite [°] 22 Bild 18: Funkenerosive Bearbeitung von Oberflächen (links: Wälzlagerstahl, gehärtet), (rechts: Warmarbeitsstahl, vergütet) und resultierende Eigenspannungs- und Halbwertsbreitenzustände [20, 21] -1200 -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,2 0,4 0,6 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 Halbwertsbreite [°] ES-axial ES-tang. HWB -1200 -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 Halbwertsbreite [°] -1200 -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,2 0,4 0,6 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 Halbwertsbreite [°] -1200 -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,2 0,4 0,6 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 Halbwertsbreite [°] ES-axial ES-tang. HWB ES-axial ES-tang. HWB -1200 -1000 -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,1 0,2 0,3 0,4 0,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 0 1 2 3 4 5 6 7 Halbwertsbreite [°] Bild 19: Fertigungskontrolle von Eigenspannungen an einsatzgehärteten Zahnradflanken eines 20 MnCr5 (links: zulässige Zustände: kleines Zerspanvolumen; rechts: nicht mehr tolerierbare Zustände: großes Zerspanvolumen) [19]. Die negativen Auswirkungen unerwünschter Zugeigenspannungen nach dem Schleifen gehärteter Werkstoffzustände führten in der letzten 20 Jahren zu einem großen Aufwand an Untersuchungen. Dem Stand der Technik entsprechend werden Maschinenparameter zur Kontrolle benutzt und die Schleifscheiben nach einem bestimmten Zerspanvolumen ausgewechselt. Eine Kalibrierung dieser Maschinenparameter erfolgte aufwendig mit röntgenographisch ermittelten Tiefenverteilungen der Eigen- 35 <?page no="48"?> spannungen und Halbwertsbreiten [19]. In Bild 19 wird in der linken Hälfte ein Eigenspannungstiefenverlauf gezeigt, der von Druckeigenspannungen um -600 bis - 100 MPa an der Oberfläche auf die wärmebehandlungsbedingten Eigenspannungen von etwa -200 bis -400 MPa zurückgeht. Im rechten Teilbild ergeben sich jedoch in den Zahnradflanken nach hohen Zerspanvolumina schon deutliche Zugeigenspannungen unter der Oberfläche, die nicht mehr akzeptiert werden. Die Schleifscheibe wird also vor dem Erreichen dieses Zustands ausgewechselt. Bei Wälzlagern werden die eindeutigen Zusammenhänge zwischen Lastspannungen und den auftretenden Änderungen zu Schadensuntersuchungen benutzt (siehe z. B. [10, 16, 17]. Das Bild 20 gibt einen Überblick über die bei unterschiedlichen Hertz´schen Pressungen während einer Überrollungsbeanspruchung auftretenden Eigenspannungs- und Halbwertsbreitenänderungen. Ursachen sind mikroplastische Deformationen als Folge dieser Ermüdungsbeanspruchung. Im Schadensfall kann aus der Höhe der gemessenen Eigenspannungen auf die Last und z. B. eine vom Kunden aufgeprägte Überlast geschlossen werden. In vielen Schadensfällen liegt auch eine Verschmutzung des Schmieröls vor. Die im Öl enthaltenen Teilchen führen über eine zusätzliche Tangentialbeanspruchung zu einer Verschiebung des unter der Oberfläche auftretenden Druckeigenspannungsmaximums in Richtung Oberfläche. Neben den visuell sichtbaren Verschleißerscheinungen ist dies ein weiteres Indiz für die vor dem Ausfall im Lager herrschenden Betriebsbedingungen (Bild 21). Allerdings sind derartige Verteilungen von solchen zu unterscheiden, die bei größeren Lagern und einer durch Schleifen erzeugten Oberflächentopographie nach Einlaufvorgängen und Anpassungsverformungen der Rauheitsspitzen entstanden sind und nur eine geringere Tiefenwirkung haben. -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,5 1 1,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] p 0 = 0 N/ mm² p 0 = 2300 N/ mm² p 0 = 4300 N/ mm² 4 5 6 7 0 0,5 1 1,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] p 0 = 0 N/ mm² p 0 = 2300 N/ mm² p 0 = 4300 N/ mm² -800 -600 -400 -200 0 200 400 0 0,5 1 1,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] p 0 = 0 N/ mm² p 0 = 2300 N/ mm² p 0 = 4300 N/ mm² 4 5 6 7 0 0,5 1 1,5 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] p 0 = 0 N/ mm² p 0 = 2300 N/ mm² p 0 = 4300 N/ mm² Bild 20: Eigenspannungs- und Halbwertsbeitenänderungen bei Überrollungsbeanspruchung [10] Das Bild 22 fasst nun für verschiedene Werkstoffzustände „duktil“ und „spröde“, die Auswirkung von Eigenspannungen zusammen. Bei Bauteilen mit hoher Festigkeit ist sowohl für die Streckgrenze als auch für die Zugfestigkeit mit einer vollen Auswirkung der Eigenspannungen bei statischer Beanspruchung zu rechnen. In diesem Fall wirken die Eigenspannungen nicht in voller Höhe wie Mittelspannungen bei einer Ermüdungsbeanspruchung. Grundsätzlich sind bei einer Ermüdungsbeanspruchung das Abbauverhalten der Eigenspannungen durch die Schwingbeanspruchung und die unterschiedlichen Einflüsse in den verschiedenen Ermüdungsstadien mit zu be- 36 <?page no="49"?> rücksichtigen [7, 8]. Im Falle von Werkstoffen mit geringer Festigkeit werden die Eigenspannungen nach Überschreiten der Streckgrenze durch die zunehmende plastische Deformation abgebaut und wirken sich daher nur auf die Streckgrenzen in voller Höhe aus. Bei Ermüdungsbeanspruchung ist bei Werkstoffen mit geringer Festigkeit nur mit einem relativ kleinen Einfluss zu rechnen. Bild 21: Eigenspannungen und Halbwertsbreiten eines Lagerinnenrings, bei dem Teilchen mit überrollt wurden [10] kein voller Bruch ES- ES- Einfluß Einfluß plastische voller voller Deformation ES- ES- Einfluß Einfluß Art des Werkstoffzustand Versagens duktil spröde kein voller Bruch ES- ES- Einfluß Einfluß plastische voller voller Deformation ES- ES- Einfluß Einfluß Art des Werkstoffzustand Versagens duktil spröde Ermüdung Die Ermüdungsstadien und der Abbau von ES müssen berücksichtigt werden Kleiner ES-Einfluß ES-Einfluß wie Mittelsp. Bild 22: Auswirkungen von Eigenspannungen bei unterschiedlichen Werkstoffzuständen [6, 7] -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 5 6 7 8 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 5 6 7 8 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] geschliffen überrollt geschliffen überrollt -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 5 6 7 8 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] -800 -600 -400 -200 0 200 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Eigenspannungen [MPa] 5 6 7 8 0 0,1 0,2 0,3 0,4 Abstand von der Oberfläche [mm] Halbwertsbreite [°] geschliffen überrollt geschliffen überrollt geschliffen überrollt 37 <?page no="50"?> 2.2.6 Weitere röntgenographische Untersuchungsverfahren (nach [10]) Bei Schadensuntersuchungen oder bei der allgemeinen Beurteilung von Werkstoffeigenschaften kommen weitere Verfahren zum Einsatz, die ebenfalls Feinstrukturuntersuchungen sind, bzw. die Röntgenstrahlung nutzen. Die Textur eines Werkstoffs oder einer Werkstoffoberfläche ist ein Maß für die Abweichung von der regellosen Orientierung der Körner des Werkstoffs. Damit werden die Werkstoffeigenschaften in einigen Fällen über die elastische Anisotropie zunehmend in Richtung von Einkristallen einer bestimmten Orientierung verändert. Im Prinzip können die eigenspannungserzeugenden Prozesse (siehe Abschnitt 2.2.3) auch zu einer Veränderung der Textur führen. Mit sogenannten Texturdiffraktometern wird die Intensität der unterschiedlich orientierten Körner bestimmt und diese Intensitätsverteilungen als Maß für die Orientierung in einer Polfigur sichtbar gemacht. (Bild 23) [22]. Das rechte Teilbild zeigt die Polfigur eines kugelgestrahlten Oberflächenzustandes [6]. Hier ergeben sich {110} Fasertexturen durch die senkrechte Einwirkung des Strahlmittels. Bei einer Vermessung der Intensitäten der {110}-Gitterebene liegen die meisten Ebenen parallel zur Oberfläche und führen daher im Zentrum der Polfigur zu maximalen Intensitäten. Bild 23: Lage der Elementarzellen in einem Walzblech (links) und Polfigur einer kugelgestrahlten Oberfläche eines normalisierten Ck 45 [6, 10, 22] Wie aus Bild 2 bekannt ist, entsteht beim Auftreffen beschleunigter Elektronen auf ein Anodenmaterial Röntgenstrahlung. Trifft diese kurwellige Röntgenstrahlung, beispielweise einer Wolframanode und damit ausreichend hoher Energie auf Materie, so werden die darin enthaltenen Elemente ihrerseits zur weiteren Emission von K - Röntgenstrahlung (Fluoreszenzstrahlung) angeregt. Diese elementspezifische Strah- 38 <?page no="51"?> lung wird über einen Analysatorkristall wellenlängendispersiv zerlegt und gibt damit ein qualitatives und quantitatives Maß für die im Werkstoff enthaltenen Elemente (Bild 24). Der Zeitaufwand für diese Messungen ist im Allgemeinen sehr kurz. Geräte dieser Art werden zur kontinuierlichen Überwachung der chemischen Zusammensetzung von Werkstoffen eingesetzt. Wie in der Röntgenröhre kann der auch der direkte Beschuss einer Oberfläche mit Elektronen in Elektronenstrahlgeräten über die erzeugte elementspezifische Röntgenstrahlung zur Elementanalyse genutzt werden. Bekannt sind die wellenlängen- oder energiedispersiven Zusätze an Raster- oder Durchstrahlungselektronenmikroskopen. Bild 24: Schematischer Aufbau eines Röntgenfluoreszenzgerätes [23] 2.2.7 Literatur [1] Spieß, L., Schwarzer, R., Behnken, H., Teichert, G.: „Moderne Röntgenbeugung: Röntgendiffraktometrie für Materialwissenschaftler, Physiker und Chemiker“, Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden, 2005 [2] Glocker, R.: „Materialprüfung mit Röntgenstrahlen“, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, 1971 [3] ASM Metals Handbook Vol. 10: „Materials Characterisation”, ASM International, Cleveland, Ohio, 1998 [4] Hirsch, T. Härterei - Technische Mitteilungen, 58, Heft 3, 2003 [5] Rocha, A.S., Nunes, R.M., Hirsch, T., Materials Research, 2012, http: / / dx.doi.org/ 10.1590/ S1516-14392012005000020 39 <?page no="52"?> [6] Scholtes, B.: "Eigenspannungen in mechanisch randschichtverformten Werkstoffzuständen, Ursachen, Ermittlung und Bewertung", 1991, DGM-Verlag Oberursel [7] Macherauch,E., Kloos, K.-H., in Int. Conf. on Residual Stresses, DGM, Oberursel, 1987, S. 3 [8] Macherauch, E., Kloos, K.H., Teil I , Mat.-Wiss. u. Werkstofftech., 20, 1989, S. 1, Teil II, Mat.-Wiss. u. Werkstofftech., 20, 1989, S. 53, Teil III, Mat.-Wiss. u. Werkstofftech., 20, 1989, S. 82 [9=1] Hauk, V.: “Structural and Residual Stress Analysis”, Elsevier, Amsterdam, 1997 [10] Schreiber, E.: in „Schadenskunde im Maschinenbau“, Expert-Verlag, Renningen, 3. Auflage, 1999 [11] Hirsch,T., Wohlfahrt,H., Antriebstechnik, 25, 1986, S. 73-80 [12] Vöhringer, O., in Eigenspannungen: Entstehung - Messung - Bewertung Band 1, eds.: E. Macherauch und V. Hauk, DGM, Oberursel, 1983, S. 49 [13] ASM Handbook of residual stress and deformation of steel, ASM International, Cleveland, Ohio, 2002, [14] AWT- Arbeitsblatt 1: Röntgenographische Ermittlung von Eigenspannungen - Ermittlung und Bewertung in kristallinen, makroskopisch isotropen Werkstoffen, AWT, November 2000 [15] Macherauch, E., Müller, P.: Z. angew. Physik, 13, 1961, S. 305 [16] Voskamp, A. P., Österlund, R., Becker, P. C. and Vingsbo, O.; Metals Technology, 1980, S. 14 [17] Schreiber, E., Schlicht, H.: in “Residual Stresses in Science and Technology”, eds. E. Macherauch, V. Hauk, DGM, 1987, S. 853 [18] Betzold, J., Schmidt, J.: in "Randschichtermüdung im Wälzkontakt", AWT- Tagungsband 1992, Suhl, AWT-Verlag Wiesbaden, S. 158 [19] Herzog, R., Sollich, A., Scholtes, B.: Härterei - Technische - Mitteilungen, 51, 1996, S.188 [20] Prata Pina, J., Morao Diaz, A., Lebrun J. L.: in International Conference on Residual Stresses ICRS 2, Elsevier, London 1989, S. 690 [21] Ilg, U., Dissertation, Universität Karlsruhe,1980 [22] Wassermann, G., Grewen, J.: "Texturen metallischer Werkstoffe", Springer Verlag, Berlin, 1962 [23] Macherauch, E., „Praktikum in Werkstoffkunde“, Verlag Vieweg, Braunschweig, 5. Auflage 1990 40 <?page no="53"?> 2.3 Rasterelektronenmikroskopische und elektronenstrahlmikroanalytische Untersuchungen Johann Grosch Schadensursachen und Schadensmerkmale in Gefügen und auf Oberflächen liegen in den meisten Fällen in Größenordnungen, die bei den in Schadensuntersuchungen obligatorischen Sichtprüfungen nicht gesehen werden können. Das Lichtmikroskop, mit dem ein Auflösungsvermögen bis zu 0,2 μm (menschliches Auge im Bereich von 20 μm) erreicht wird, ist für Schadensuntersuchungen nur teilweise geeignet, weil mit zunehmender Auflösung die Tiefenschärfe abnimmt (bei einer 1000-fachen Vergrößerung wird eine Tiefenschärfe in der Größenordnung von 0,2 μm erreicht) und deshalb, wie in Kapitel 2.1 besprochen, entsprechend ebene Flächen hergestellt werden müssen. Bei Bruchflächen, bei verschlissenen und bei korrodierten Oberflächen gehen jedoch durch eine solche Einebnung wertvolle, vielfach entscheidende Aussagen verloren. Der wesentliche Vorteil des Rasterelektronenmikroskops, dessen Entwicklungen mit den Namen de Broglie (entdeckte 1924 den Wellencharakter der Elektronenstrahlen), Busch (entwickelte 1927 ”Elektronen-Linsen”), Knoll und Ruska (entwickelten ab 1930 das Durchstrahlungselektronenmikroskop) und von Ardenne (baute 1938 das erste funktionsfähige Durchstrahlungs-Rasterelektronenmikroskop) verbunden sind, ist die bei gleicher Auflösung viel größere Tiefenschärfe, die unmittelbare Abbildung von Oberflächen und die verglichen mit der Lichtmikroskopie meistens einfachere Vorbereitung der Proben. Beides trug entscheidend dazu bei, die Rasterelektronenmikroskopie in kurzer Zeit zu einem praktisch unentbehrlichen Untersuchungsverfahren in der Schadenskunde wurde. Ausgehend von der Wechselwirkung zwischen Elektronenstrahl und Festkörper werden nachfolgend Grundlagen und Wirkungsweise des Rasterelektronenmikroskops und der damit verbundenen Elektronenstrahlmikroanalyse besprochen und die Möglichkeiten und Grenzen beider Verfahren abgeleitet. 2.3.1 Wechselwirkung Elektronenstrahl / metallischer Festkörper Die beschleunigten Primär-Elektronen eines in einem Vakuum auf einen metallischen Festkörper auftreffenden Elektronenstrahles dringen in diesen ein und lösen im Bereich einer ”Anregungsbirne” (Bild 1), deren Größe im Wesentlichen von der Beschleunigungsspannung abhängt, mehrere Vorgänge aus: Primärelektronen werden elastisch rückgestreut, die Energie der Rückstreuelektronen ist bei vollelastischer Rückstreuung gleich der Energie der Primärelektronen. Primärelektronen bleiben im Festkörper und reagieren mit den Elektronen der Atome der beaufschlagten Materie, dabei können Augerelektronen, Sekundärelektronen und Röntgenstrahlung entstehen, die aus dem Festkörper austreten. Entsprechend dünne Körper werden von Primärelektronen durchdrungen. Die eingebrachte Energie der Primärelektronen, die nicht als Energie der Rück- 41 <?page no="54"?> streu-, Auger- und Sekundärelektronen wieder austritt, erhöht die (negative) Ladung des Festkörpers, bei geerdeten Proben fließt ein Probenstrom. Bild 1: Wechselwirkungen Elektronenstrahl-Materie Diese Reaktionen sind jeweils spezifisch zur Werkstoffuntersuchung nutzbar: Rückstreuelektronen, Sekundärelektronen und der Probenstrom werden im Rasterelektronenmikroskop verarbeitet, die verschiedenen Möglichkeiten sind Gegenstand des nächsten Abschnitts. Augerelektronen stammen aus einer wenige Nanometer tiefen Randschicht. Ihre Energie ist für das aussendende Atom spezifisch, so dass mit der Augerelektronenspektroskopie die Zusammensetzung dünner (Rand-) Schichten bestimmt werden kann. Die geringe Energie der Augerelektronen erfordert ein Vakuum besser 10 -8 mbar. Die charakteristische Röntgenstrahlung enthält Informationen über Art und Menge der im vom Primärelektronenstrahl beaufschlagten Volumen enthaltenen Elemente, die mit der wellenlängen- oder der energiedispersiven Elektronenstrahlmikroanalyse ausgewertet werden. An der Probenrückseite austretende Elektronen sind Ausgangspunkt der Durchstrahlungselektronenmikroskopie, die in der Schadenskunde selten eingesetzt wird und daher nicht besprochen werden soll, obwohl mit dem Durchstrahlungselektronenmikroskop z.B. eine Schwingbeanspruchung anhand kennzeichnender Versetzungsanordnungen eindeutig nachgewiesen werden kann. 42 <?page no="55"?> 2.3.2 Wirkungsweise des Rasterelektronenmikroskopes Mit geeigneten Detektoren (und in einem Vakuum von etwa 10 -6 mbar) können die von einem Primärelektronenstrahl ausgelösten Rückstreu- und Sekundärelektronen aufgefangen und in elektrische Spannungen umgesetzt werden. Die Zahl der aufgefangenen Elektronen und damit die Höhe der elektrischen Spannungen hängt von der Energie des Primärelektronenstrahles, beschrieben durch die Beschleunigungsspannung, und vor allem von der geometrischen Anordnung Primärelektronenstrahl und Probe zu ortsfestem Detektor ab, wie dies in Bild 2 schematisch gezeigt ist. Ein über eine Probenoberfläche geführter Primärelektronenstrahl ergibt somit längs der Bewegungslinie eine Intensitätsverteilung. Im Rasterelektronenmikroskop wird der Primärelektronenstrahl über eine definierte Probenoberfläche und synchron dazu ein Referenzelektronenstrahl über die Bildfläche einer Braun‘schen Röhre gerastert. Die Helligkeit der Bildpunkte auf der Braun‘schen Röhre wird dabei durch die für die jeweils zugehörigen Orte des Primärelektronenstrahls auf der Probe erhaltenen Intensitäten gesteuert. Bild 2: Prinzip der Bildentstehung im Rasterelektronenmikroskop (nach Winsch und Geiger) Sekundärelektronen gelangen aufgrund ihrer niedrigen Energie aus einem großen Raumwinkel mit verhältnismäßig hoher, nach Entstehungsort gestufter Intensität zum Detektor, entsprechend differenziert ist die über die Sekundärelektronenausbeute gesteuerte Helligkeitsverteilung auf dem Bildschirm. Mit Sekundärelektronen kann daher die Oberfläche einer Probe ”direkt” abgebildet werden, es entsteht der Eindruck eines optischen Bildes, bei dem in Richtung des Primärelektronenstrahls auf das aus der Richtung des Detektors ”beleuchtete” Objekt gesehen wird: Zum Detektor gerichtete - höhere - Bereiche erscheinen heller, abgewandte - tiefere - Bereiche dunkler. Herausragende Eigenschaft ist die hohe Tiefenschärfe bei vergleichsweise großer Auflösung (bei 1000-facher Vergrößerung liegt die Tiefenschärfe in der Größenordnung von 75μm). In Bild 3 ist als Beispiel ein Nebenriss (a) in der Bruchfläche einer Zugprobe aus stranggepresstem Aluminiumpulver gezeigt, in den bei gleicher Stellung der Probe verschieden tief ”hineingesehen” werden kann (c-d). Das letzte Teilbild (e) zeigt, dass das nutzbare Auflösungsvermögen in den meisten Fällen von der Struktur der Probe bestimmt wird, eine weitere Vergrößerung ergäbe nur noch Grautöne. . 43 <?page no="56"?> (a) (b) (c) (d) (e) Bild 3: Abbildung mit dem Rasterelektronenmikroskop (Blick in einen Riss) Bild 4 zeigt als weiteres Beispiel die Draufsicht auf eine erodierte Oberfläche, die Schmelzzone mit Entladungskanälen, Anrissen und kugelförmig wiedererstarrten Teilen des bei der Funkenentladung verdampften Werkstoffs ist eindrucksvoll wiedergegeben. 44 <?page no="57"?> Bild 4: Funkenerodierte Oberfläche (senkerodiert, 90MnV8; Entladeenergie=1,1J) Die Sekundärelektronen, mit denen üblicherweise die Oberflächen abgebildet werden, stammen aus oberflächennahen Bereichen des Objektes, deren Dicke in der Größenordnung von 1-10nm von der Beschleunigungsspannung abhängt, für die meistens 30kV gewählt wird. Sehr feine Strukturen können jedoch mit niedrigeren Beschleunigungsspannungen (Bild 5) oder mit speziellen Detektoren besser sichtbar gemacht werden. Bild 5: Bruchspiegel auf der Bruchfläche eines Hartmetalls, Beschleunigungsspannung linkes Bild 30keV, rechtes Bild 5KeV. Rückstreuelektronen breiten sich wegen ihrer hohen Energie geradlinig aus und sind deshalb zur Abbildung von rauhen Oberflächen weniger gut geeignet, auch wenn durch spezielle Anordnung des Detektors (Ringdetektoren oder segmentiere Detektoren) die Schattenwirkung (siehe Bild 2) gemildert wird. An ebenen Proben können 45 <?page no="58"?> dafür Unterschiede in der Zusammensetzung des Werkstoffs sichtbar gemacht werden, da die Rückstreukoeffizienten von der Ordnungszahl der betroffenen Elemente abhängen. Leichte Elemente reflektieren die Primärelektronen weniger gut als schwere Elemente oder stabile Verbindungen und erscheinen dadurch im Bild dunkler. Bild 6 zeigt das wenig aufschlussreiche Sekundärelektronenbild eines Schliffes, Bild 7 die gleiche, über einen Ringdetektor mit Rückstreuelektronen abgebildete Stelle eines nunmehr deutlich zu erkennenden grobzweiphasigen Gefüges Chrom in einer Eisenmatrix. Bild 6: Sekundärelektronenbild Bild 7: Rückstreuelektronenbild Ein Rasterelektronenmikroskop besteht somit (Bild 8) aus den Bereichen (Primärelektronen-) Strahlerzeugung (Elektronenquelle ‚Beschleunigung und Bündelung der Elektronen zu einem Elektronenstrahl), Probenkammer mit Detektoren und Probentisch und dem Bildbereich, die vielfältigen gerätetechnischen Lösungen dieses grundsätzlichen Aufbaus müssen für das hier angestrebte allgemeine Verständnis des Rasterelektronenmikroskops nicht besprochen werden. In Bild 9 ist der Zusammenhang zwischen förderlicher Vergrößerung und Tiefenschärfe für lichtmikroskopische und für rasterelektronenmikroskopische Abbildungen enthalten und gezeigt, dass die mit dem Rasterelektronenmikroskop bei gleicher Vergrößerung erreichbare Tiefenschärfe um Größenordnungen besser ist als beim Lichtmikroskop. Die Proben müssen elektrisch leitend und vakuumfest sein. Bei nichtleitenden Werkstoffen genügt eine metallische Beschichtung, Objekte der Schadenskunde metallischer Bauteile sind in aller Regel vakuumfest, lediglich ”gasende” Beläge oder Verschmutzungen müssen entfernt werden. Die Probenvorbereitung ist damit normalerweise einfach, ein weiterer Vorteil des Rasterelektronenmikroskops. Die Betrachtung im Mikrobereich setzt zwingend voraus, dass die Schadensursachen auch im untersuchten Bereich liegen (Sichtprüfung! ) und kennzeichnende Merkmale an Oberflächen und in Gefügen bekannt sind. 46 <?page no="59"?> Bild 8: Schematischer Aufbau eines Rasterelektronenmikroskops Bild 9: Vergleich von Vergrößerung und Tiefenschärfe beim Licht- und beim Rasterelektronenmikroskop (nach Pfefferkorn) 47 <?page no="60"?> 2.3.3 Elektronenstrahlmikroanalyse Bei der Wechselwirkung zwischen Primärelektronenstrahl und Materie entsteht wie besprochen ein Röntgenspektrum (Bild 10), das aus der (unerwünschten) Bremsstrahlung und aus einem kennzeichnenden Röntgenspektrum, einer Anzahl von Spektrallinien, zusammengesetzt ist. Jedes Element sendet Spektrallinien definierter Wellenlänge aus, je nach Art des Elektronenübergangs zwischen den Atomschalen können für ein Element mehrere Spektrallinien unterschieden werden. Eine geeignete Analyse der Röntgenspektren lässt damit zu, für kleine Oberflächenbereiche die chemische Zusammensetzung zu bestimmen, wobei die Ausdehnung der Anregungsbirne die räumliche Auflösung festlegt. Die Spektrallinien eines Röntgenspektrums werden durch energiedispersive oder wellenlängendispersive Röntgenspektrometer getrennt und nach ihrer Wellenlänge bestimmt. Bild 10: Prinzip der Entstehung von Röntgenstrahlung durch Elektronenbeschuss Beim wellenlängendispersiven Spektrometer (Kristallspektrometer, WDX) wird die Bragg‘sche Beugung ausgenutzt, nach der aus den auf die Netzebenen eines Analysatorkristalles einfallenden Röntgenstrahlen für definierte Winkel zwischen einfallenden Strahlen und Netzebene jeweils Strahlen einer Wellenlänge gebeugt werden. Die Wellenlänge und damit die Atomnummer der emittierenden Materie kann über einen Detektor aus den Beugungsbedingungen ermittelt werden. Die Intensität der so gebeugten Strahlung kann mit einem Röntgenzählrohr gemessen werden, nach geeigneter Kalibrierung wird daraus eine quantitative Analyse möglich. Zwischen Probe, drehbarem Analysatorkristall und Detektor müssen geordnete geometrische Bedingungen (Rowland-Kreis) eingehalten werden (Bild 11), die erheblichen apparativen Aufwand erfordern und ebene Probenoberflächen voraussetzen. Das Prinzip der wellenlängendispersiven Analyse wird in der Mikrosonde und in entsprechenden Analysatorsystemen am Rasterelektronenmikroskop eingesetzt. Das Kristallspektrometer trennt die Spektrallinien benachbarter Elemente recht gut (hohes spektrales Auflösungsvermögen), die Intensität ist gering, da bei der Reflexion ein großer Teil der Energie verlorengeht. Der Analysenbereich beginnt bei der Atomnummer 4 (Be), allerdings kann jedes Element nur einzeln erfasst wenden, die Analyse einer Mehrstofflegierung unbekannter Zusammensetzung ist daher zeitraubend. 48 <?page no="61"?> Bild 11: Prinzip der wellenlängendispersiven Analyse Die energiedispersive Analyse EDX arbeitet mit einem Siliziumhalbleiter-Detektor. Die Röntgenstrahlung fällt unzerlegt auf einen (je nach Gerätebauart ungekühlten oder mit flüssigem Stickstoff gekühlten) Silizium-Einkristall und erzeugt in diesem durch Ionisierung freie Elektronen, deren Zahl der Energie der einfallenden Röntgenstrahlung proportional ist. Die erzeugten Elektronen werden in analoge Spannungsimpulse umgesetzt, die verstärkt und digitalisiert auf einen Vielkanalanalysator gegeben werden. Der Vielkanalanalysator ”sortiert” die Impulse nach ihrer Höhe, die Impulshöhe entspricht den Elementen in der Probe und kann sichtbar gemacht werden. Die energiedispersive Analyse hat ihre Vorteile in der gleichzeitigen Analyse des gesamten Spektrums und in der großen Empfindlichkeit auch bei kleinem Strahlstrom der Primärelektronen (geringe Belastung der Probe). Der Analysenbereich beginnt bei der Atomnummer 5. Die Verbindung eines Rasterelektronenmikroskopes mit beiden Mikroanalysezusätzen eröffnet verschiedene Analysenarten durch einen geeignet geführten Primärelektronenstrahl: Bei der Aufnahme eines Röntgenverteilungsbildes rastert der Primärelektronenstrahl die Probenoberfläche ab, der Röntgendetektor ist dabei auf ein Element eingestellt. Bei jeder Wechselwirkung zwischen Primärelektronenstrahl und dem im Detektor eingestellten Element registriert der Detektor die zugehörige Röntgenstrahlung, auf dem Bildschirm erscheint ein Leuchtpunkt. Das Ergebnis zeigt die Verteilung des analysierten Elementes über die Probenfläche. Das grob zweiphasige Gefüge im Sekundärelektronen-Bild (Bild 12) kann mit Röntgenverteilungsaufnahmen in eine Antimonphase (Bild 13) und in eine Bleiphase (Bild 14) aufgeschlüsselt werden. 49 <?page no="62"?> Bild 12: Grobzweiphasige Gefüge, SE-Bild Bild 13: Verteilungsbild Blei Bild 14: Verteilungsbild Antimon Bei der Linienanalyse (X-ray line scan) wird, ebenfalls für ein ausgewähltes Element, neben der Feststellung der charakteristischen Röntgenstrahlung für dieses Element die jeweilige Intensität erfasst und dafür auf die Flächenaussage verzichtet. Der Primärelektronenstrahl wird dazu langsam über die Probe geführt und der Intensitätsverlauf in das Sekundärelektronenbild eingeblendet. In Bild 15 ist die Linienanalyse für Blei (in der Probe nach Bild 12) gezeigt. Die Punktanalyse mit während der Analyse auf dem gewünschten Probenbereich feststehendem Primärelektronenstrahl erlaubt in Verbindung mit einem energiedispersiven Analysesystem eine gleichzeitige Analyse des gesamten Spektrums innerhalb einer Analysendauer im Bereich von einer Minute. Die Zählrate je Element wird dabei über der Röntgenenergie aufgetragen, anhand der (tabellierten) Röntgenenergie können die im Diagramm angezeigten Intensitäts-Peaks einzelnen Elementen zugeordnet werden (Bilder 16 und 17). 50 <?page no="63"?> Bild 15: Linienanalyse für Antimon Bild 16: EDX-Analyse der Matrix des Automatenstahls 9SMnPb28K 51 <?page no="64"?> Bild 17: EDX-Analyse eines Mangansulfids Mit der Augerelektronenspektroskopie (AES), die wegen des hohen erforderlichen Vakuums in gesonderten Geräten durchgeführt wird, kann die chemische Zusammensetzung sehr dünner Schichten bestimmt werden. Ein Beispiel ist die Analyse von Belägen auf Kornflächen interkristallin gebrochener Teile, damit konnte die Seigerung von Verunreinigungsatomen wie Zinn, Arsen, Antimon an Korngrenzen als Ursache des Versagens hochfesten Vergütungsstähle nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Augerelektronenspektroskopie werden durch adsorbierte Gase empfindliche beeinflusst, die zu untersuchenden Bruchflächen (von Vergleichsproben) müssen daher im Vakuum erzeugt, vorhandene Bruchflächen durch Ionenbeschuss, wenn möglich, gereinigt werden. 52 <?page no="65"?> 2.3.4 Literatur R. Blöck: Moderne metallkundlicheUntersuchungsverfahren - Teil II. Metall 36 (1982), 977- 983 B. C. Edwards, H. E. Bishop, J. C. Riviere, B. L. Eyre: An AES study of temper embrittlement in a low alloy steel. Acta Metall. 24(1976)957-967 L. Engel, H. Klingele: Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen von Metallschäden. In: Neidel, A. (Hrsg.): Handbuch Metallschäden. Carl Hanser Verlag, 2. Auflage München 2011 H. Hantsche, K.-H. Habig: Oberflächenspezifische Analysenverfahren (AES/ SAM, ESCA, VPS, SIMS) und ihr Einsatz zur Untersuchung von Verschleiß- Schutzschichten. Z.Werkstofftechnik 13 (1982), 361-369 T. Hillmer: Auger-Elektronen-Spektrometrie. Prakt. Metallographie 19 (1982), 431-443 und 509-524 H.-J. Hunger, S. Baumgartl: Rasterelektronenmikroskopie und Elektronenstrahlmikroanalyse. In: Hunger, H.-J. (Hrsg.): Werkstoffanalytische Verfahren. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig 1995. S. 281-314 G. Pfefferkorn: Oberflächenuntersuchungen mit dem Rasterelektronenmikroskop. Radex Rundschau, Heft 3/ 4, 1978. S. 575-590 L. Reimer, G. Pfefferkorn: Rasterelektronenmikroskopie. Springerverlag 1973 53 <?page no="66"?> 3 Schadenanalyse bei Polymerwerkstoffen Wolfgang Janzen 3.1 Einleitung Polymerwerkstoffe haben einen festen Platz im gesamten Spektrum der technischen Werkstoffe erhalten. Durch vielfältige wirtschaftliche Herstellungsprozesse bieten sie sich zum Einsatz in Serien-Bauteilen mit komplexer Gestalt an. Diese Bauteile werden formgenau hergestellt und integral als Gehäuse-, Verbindungs- und Funktionselemente eingesetzt [1,2,3]. Die mechanischen Eigenschaften der Polymerwerkstoffe können mit Additiven, Füll- und Verstärkungsstoffen in einem weiten Rahmen variiert werden. Darüber hinaus werden hochtemperaturbeständige Polymerwerkstoffe angeboten. Einige Polymerwerkstofftypen die technischen Kunststoffe werden gezielt für Bauteile entwickelt, die einer hohen mechanischen Beanspruchung ausgesetzt sind und eine Funktion entscheidende Aufgabe in einem Gesamtsystem übernehmen. Die Eigenschaften von Bauteilen werden von Herstellung, Verarbeitung und Struktur der Polymerwerkstoffe bestimmt [4]. Nur mit weitgehender Kenntnis der Werkstoff- und Bauteilentstehung ist eine systematische und erfolgreiche Schadensanalyse möglich. Ein Auswahl grundlegender charakteristischer Eigenschaften von einigen wichtigen Polymerwerkstoffen sind in Tabelle 1 im Vergleich zu Stahl aufgeführt. Zu dem sich weit unterscheidenden mechanischen Verhalten im Zugversuch werden geringere Einsatztemperaturbereiche, eine mögliche Wasseraufnahme und eine erhebliche thermische Längenausdehnung je nach Polymer und Verstärkungsstoff differenziert dargestellt. Für die wichtigsten Kennwerte stehen Tabellenwerke und im Internet Werkstoff- Datenbanken zur Verfügung. Trotz dieser Hilfestellung ist zur werkstoffgerechten Konstruktion die intensive Auseinandersetzung mit den speziellen Eigenschaften und vielfältige Erfahrungen im Umgang mit Polymerwerkstoffen notwendig. Das Versagen von Bauteilen wird zu Unrecht häufig den Polymerwerkstoffen angelastet, auch wenn eine nicht werkstoffgerechte Konstruktion die Ursache ist. 54 <?page no="67"?> Tabelle 1: Eigenschaften von Polymerwerkstoffen im Vergleich zu Stahl (Anhaltswerte von verschiedenen Rohstoffherstellern) Werkstoff Zug- E- Modul Streckspannung Zugfestigkeit Bruchdehnung max. Temperatur dauernd Wasseraufnahme bei Normalklima Längenausdehnung N/ mm 2 N/ mm 2 % °C % 10-6/ K Polyethylen PE-LD 200 9 >400 70 <0,1 230 Polyethylen PE-HD 1350 30 >400 90 <0,1 120-150 Polypropylen PP-H 1450 33 700 100 <0,1 100-200 Polyamid 6 PA6 3000 1500 80 50 70 200 90 3,0 70 100 PA 66 GF25 8000 6500 170 120 3 5 120 1,9 30 65 PA 66 CF20 16000 11000 220 150 3 6 120 2,0 25 75 Polysulfon PSU 2480 70 >50 175 0,23 56 Polyetheretherketon PEEK 3600 97 >60 250 <0,1 47 Stahl S235 210000 R m = 240 - 510 15 - 25 nicht definiert nicht definiert 11,5 55 <?page no="68"?> Durch verarbeitungs-, konstruktions- und werkstoffbedingte Fehler und durch überhöhte Beanspruchungen treten Schäden auf. Zur Analyse derartiger Schäden bedarf es einer ganzen Palette von mikroskopischen und zum Teil hoch entwickelten physikalischen Untersuchungsmethoden. Die Entwicklung solcher Untersuchungsmethoden ist Aufgabe der Kunststoff-Forschungsinstitute, da neben bekannten Methoden auch neue, speziell für die Analyse von Polymerwerkstoffen geeignete Methoden hinzukommen. In diesem Beitrag sollen neben den spezifischen Eigenschaftsmerkmalen der Polymerwerkstoffe einige wichtige Untersuchungsmethoden vorgestellt und deren Aussagemöglichkeiten an typischen Schadensfällen erläutert werden. 3.2 Spezifische Eigenschaften der Polymerwerkstoffe Die mechanischen Eigenschaften der Polymerwerkstoffe hängen in sehr viel stärkerem Masse von der Temperatur, der Zeit und der Höhe und Art der aufgeprägten Belastung ab, als dies von Metallen bekannt ist. Ferner spielen Umgebungseinflüsse, wie zum Beispiel das Einwirken von Medien und der UV-Strahlung, bei der Alterung eine wesentliche, schwer zu erfassende Rolle. 3.2.1 Mechanisches Verhalten Die Festigkeit von Polymerwerkstoffen liegt etwa eine Zehnerpotenz unter der von Metallen. Entscheidend für das mechanische Verhalten und für eine Bauteilauslegung ist jedoch häufig der Elastizitätsmodul. Er differiert sogar um zwei Größenordnungen. Die Verformung von Polymerwerkstoffen kann spröde und duktil, mit geringer und außerordentlich hoher Bruchdehnung sein. Die Festigkeit wird je nach Verformungsverhalten als Zugfestigkeit oder als Streckgrenze angegeben. Ein Bauteil aus Polymerwerkstoffen kann daher aufgrund übergroßer duktiler Verformung und durch katastrophales, sprödes Bruchversagen unbrauchbar werden. Zur Dimensionierung werden die Kennwerte Streckspannung, Zugfestigkeit, x %-Dehnspannung und Bruchspannung angegeben, Bild 1. Wesentlichen Einfluss auf die Festigkeitskennwerte und damit auf die Bauteilauslegung haben oft Umgebungsbedingungen. In einer feuchten Umgebung nehmen Polymerwerkstoffe in unterschiedlichem Maße Feuchtigkeit auf und erfahren eine Änderung der Eigenschaften, Tabelle 1. Mit der Aufnahme von Feuchtigkeit ist eine Volumenbzw. Längenzunahme verbunden. Dieser Vorgang ist bei Trocknung reversibel. Für eine langjährige sichere Funktion muss das zeitabhängige Verformungsverhalten bei konstanter Belastung bei der Bauteilauslegung beachtet werden. Polymerwerkstoffe verformen sich elastisch, viskos und viskoelastisch je nach Höhe und Dauer der Beanspruchung. Die rein elastische reversible Verformung ist im Allgemeinen auf eine geringe Beanspruchung beschränkt. Im praxisrelevanten Beanspruchungsbereich wird die Verformung fast ausschließlich von der irreversiblen viskosen und reversiblen viskoelastischer Dehnung bestimmt, Bild 2. 56 <?page no="69"?> Bild 1: Bemessungskennwerte aus Spannungs-Dehnungs-Kurven im Zugversuch A: spröde Kunststoffe; B: zähe Kunststoffe mit Streckgrenze C: zähe Kunststoffe ohne Streckgrenze / 4/ Bild 2: Kennzeichnung des zeitabhängigen Verformungsverhaltens el = elastische Verformung, v = viskose Verformung, r = viskoelastische Verformung [4] Unter konstanter Last weisen insbesondere thermoplastische Polymerwerkstoffe eine ausgeprägte Kriechneigung auf. Die Kriechneigung wird verringert, wenn Verstärkungsmaterialien z.B. Glasfasern zugemischt werden. Dies kann jedoch zu ausgeprägter Anisotropie der so entstandenen Verbundwerkstoffe führen. Auch während der Formgebung können ver- und bearbeitungsbedingt Eigenspannungen hervorgerufen werden. Zusammen mit Orientierungen und Anisotropien wird damit die Abschätzung der Bauteileigenschaften sehr erschwert. Das Verformungsverhalten von Polymerwerkstoffen wird durch die kettenförmige Gestalt der Makromoleküle und die physikalischen Bindekräfte bestimmt, mit denen diese miteinander verbunden sind. Diese physikalischen Bindekräfte sind vergleichsweise niedrig und können mechanisch, thermisch und durch Lösemittel gelöst werden. Polymerwerkstoffe reagieren nicht spontan auf eine Belastung. Sie versuchen durch Umlagerung der Moleküle auftretende Spannungen auf einen Gleichgewichtszustand abzubauen. Erhöhte Temperaturen fördern den Ablauf der Umlagerungsprozesse. 57 <?page no="70"?> Diese Umlagerungsprozesse sind zeitabhängig und verlaufen vergleichsweise langsam. Ist also die Beanspruchungszeit verglichen mit der Dauer der molekularen Umlagerung kurz, so reagieren die Polymerwerkstoffe spröde und hart. Steht ihnen dagegen genügend Zeit zur Umlagerung zur Verfügung, so verhalten sie sich zäh und weich, Bild 3. Bild 3: Spannungs-Dehnungsdiagramm von Polyvinylchlorid (PVC) bei verschiedenen Abziehgeschwindigkeiten und Temperaturen [4] Bei einigen Polymerwerkstoffen, vor allem bei den Polyamiden, kommt hierzu eine ausgeprägte Abhängigkeit des Verformungsverhaltens vom Feuchtigkeitsgehalt. Mit zunehmendem Feuchtigkeitsgehalt erhöht sich die Beanspruchung und die Zähigkeit, während der E-Modul stark abnimmt, Bild 4. Eine Besonderheit ergibt sich bei teilkristallinen Thermoplasten, die aus einer amorphen und einer kristallinen Phase bestehen. Die thermische Erweichung der amorphen Phase liegt häufig unterhalb oder in der Nähe der Raumtemperatur. Die Schmelztemperatur der kristallinen Phase liegt dagegen bedeutend höher. 58 <?page no="71"?> Bild 4: Spannungs-Dehnungsdiagramm von Polyamid (PA 6) bei verschiedenen Feuchtigkeitsgehalten in Gew.-% [4] Mit dem Erweichen der amorphen Phase ändert sich das Verformungsverhalten der teilkristallinen Polymerwerkstoffe erheblich. Ein zunächst spröder Werkstoff wird zäh und duktil, ohne aber schmelzflüssig zu werden, da die kristallinen Bereiche den Zusammenhalt bewirken. Für einige technisch interessante teilkristalline Thermoplaste sind die Erweichungstemperaturen der amorphen Phase und die Schmelztemperaturen angegeben, Tabelle 2. Tabelle 2: Thermische Eigenschaften bekannter teilkristalliner Thermoplaste [4] Polymer- Werkstoff Feuchte [%] Erweichungstemperatur Glasübergangstemperatur T g [°C] Schmelztemperatur T m [°C] PE -125 135 PP 20 170 POM -65 178 PET 80 255 PBT 43 223 PA6 tr 0,2 lf 3,0 n 8,0 51 28 -8 223 223 223 PA66 tr 0,2 lf 2,7 n 7,2 90 39 -6 264 264 264 tr: trockene Probe lf: luftfeucht konditionierte Probe (Lagerung bis zur Gewichtskonstanz im Normklima mit 23°C und 50 % rel. Luftfeuchte) n: nass (Lagerung bis zur Gewichtskonstanz in Wasser) 59 <?page no="72"?> 3.2.2 Thermo-mechanisches Verhalten Wie stark die Abhängigkeit von Zeit, Temperatur und Belastungsgeschwindigkeit sowie von Art und Höhe der Belastung ist, hängt im Einzelnen von den materialspezifischen Parametern der einzelnen Polymerwerkstoffe ab. Das Molekulargewicht (auch als relative Molekülmasse bezeichnet), der Verzweigungs- und Vernetzungsgrad sowie die Kettenbeweglichkeit sind einige wichtige charakterisierende Merkmale. Diese Merkmale werden durch Rohstoffherstellung und bei der Verarbeitung verändert und stellen daher Fehlerquellen dar. Die thermisch-mechanische Vorgeschichte ist für das Auftreten von Schäden an Bauteilen aus Polymerwerkstoffen von entscheidender Bedeutung. Beim Einsatz können Schäden nach thermischem Abbau oder aufgrund von Eigenspannungen, Orientierungen, Kristallisation und Gefügeveränderungen entstehen. Eine Trennung von thermo-mechanischen und betrieblichen Werkstoffänderungen ist schwierig. 3.2.3 Physikalisch-chemisches Verhalten Trotz der bekannten guten chemischen Beständigkeit, können Schäden infolge Einwirkung von chemischen Medien auftreten, Als chemisches Reagenz genügt in manchen Fällen bereits die Anwesenheit von Feuchtigkeit z.B. bei erhöhter Temperatur. Beim Einwirken von Lösemitteln und zusätzlicher Zugbelastung kann es zur Spannungsrissbildung kommen. Dabei bilden sich sog. „Crazes". Unter Crazes versteht man flächig begrenzte Materialbereiche, deren gegenüberliegende Ufer durch Fibrillen von 10 bis 50 nm Durchmesser verbunden sind. Sie entstehen nach einer Induktionszeit, dann aber spontan senkrecht zur größten Zugspannung. Durch Lösemittel wird der Prozess erheblich gefördert. Crazes sind Schädigungen und wandeln sich bei lang andauernder oder größer werdender Belastung in Risse um. Polymerwerkstoffe werden jedoch im Vergleich mit vielen Materialien für den Einsatz mit Medien, mechanischer Beanspruchung und Temperatur gezielt ausgewählt. Schäden sind fast ausschließlich auf einen unzulässigen Anwendungsbereich oder eine falsche Materialauswahl zurückzuführen. Eine physikalisch-chemische Einwirkung kann als äußere Alterung bezeichnet werden, die Spannungsrissbildung, Ermüdungsrisse, thermo-oxidativen Abbau und Quellung der Werkstoffe hervorruft. Durch Beigabe von Stabilisatoren können diese Einwirkungen erfolgreich vermindert werden. Eine optimale Ausnutzung des mechanischen und chemischen Eigenschaftspotentials von Polymerwerkstoffen und deren Bauteilen wird oft erst nach einer Wärmebehandlung / Temperung der Bauteile durch Abbau von Eigenspannungen bei spanend bearbeiteten Hochtemperaturthermoplasten, vollständiger Aushärtung von Duroplasten sowie weitgehender Vernetzung bei Elastomeren erreicht. Die Tempertemperatur und -Dauer ist oft individuell zu ermitteln und nachweislich durchzuführen. Übermäßiges Tempern kann eine erste Alterung darstellen und zu geringes Tempern kann bei nicht optimaler Werkstoffeinstellung für eine Schadenseinleitung verantwortlich sein. Im Idealfall liegt die Tempertemperatur über der Anwendungstemperatur. 60 <?page no="73"?> 3.3 Schadensanalyse bei Polymer Werkstoffen Nur mit großem Aufwand ist es möglich, die Vielzahl der Einflüsse, die das Verhalten eines Polymerwerkstoffes bestimmen, bei der Konstruktion eines Bauteils zu berücksichtigen. Der Soll-Zustand eines Polymerwerkstoffes, wie er in Datenblättern festgehalten ist, stimmt mit dem tatsächlichen in einem Bauteil vorliegenden Ist-Zustand selten überein, da Werkstoffproben wie Zug-, Biege- und Kerbschlagbiegeproben bereits als Formteile eine Entstehungsgeschichte haben. Alle Formteile sind mit unterschiedlichen Verarbeitungs- und Fließbedingungen hergestellt und weisen in Folge unterschiedliche Eigenschaften auf. Bei der Schadenanalyse ist zu ermitteln, welcher Art und wie groß die Abweichung zwischen Soll- und Ist-Zustand ist und wie dieser zustande kam. Eine solche Untersuchung gibt Auskunft über die verschiedenen Einflüsse, denen das Bauteil ausgesetzt war, und ist daher ein Schlüssel zur Schadenursache. 3.3.1 Prinzipielle Gesichtspunkte Bei der Aufklärung des Versagens eines Bauteils aus Polymerwerkstoffen stößt man sehr schnell auf ein in der Polymerwerkstofftechnik allgemein vorhandenes Problem: Bei einem Bauteil können die Bereiche Werkstoff, Konstruktion, Verarbeitung und Einsatz nicht unabhängig voneinander betrachtet werden. Das instabile, von komplexen Zusammenhängen geprägte Verhalten der Polymerwerkstoffe ist die Folge des engen Zusammenwirkens dieser Teilgebiete. In Bild 5 werden mögliche Versagensursachen aufgelistet. Ein vorhersehbares Versagen kann durch eine Fehleranalyse aufgeklärt werden und sollte zur Vorbeugung eines Schadens in der Entwicklungsphase eines Bauteils aus Polymerwerkstoff bereits erfolgen. Dazu existieren verschiedene Werkzeuge wie die FMEA (Failure Mode and Effect Analyse), die MFA (Mold Flow Analyse) oder auch speziell auf die Werkstoffauswahl und Fragestellung ausgerichtete Untersuchungsverfahren zur Fehlervermeidung. Bei komplexen Bauteilen und sicherheitsrelevanten Anwendungen reichen einzelne Fehlervorbeugungsmaßnahmen selten aus. Die Wirksamkeit einer Fehlervorbeugung sollte durch ein weiteres Verfahren überprüft und nachgewiesen werden. Eine Aufklärung von Versagensfällen durch vorhersehbare Fehler, ist durch ein möglichst genaues Nachvollziehen aller Schritte von der Konstruktion des Teils bis zum Schadenszeitpunkt möglich. Steht nach einer Untersuchung nach den genannten Gesichtspunkten fest, dass keine verarbeitungs-, konstruktions- und werkstoffbedingten Fehler unterlaufen sind, so handelt es sich um ein unvorhersehbares Versagen. Die Bedingungen müssen rekonstruiert werden. Das schadhafte Teil ist das entscheidende Hilfsmittel für diese Rekonstruktion. Höhe und Art der Belastung, das Auftreten von Temperatur, Strahlung und Medien können an bestimmten Merkmalen am schadhaften Teil abgelesen werden. Um Ursachen zu analysieren, bedarf es verschiedener Untersuchungsverfahren. 61 <?page no="74"?> Vorhersehbares Versagen - Aufklärung durch Fehleranalyse Möglichkeiten und Verfahren zur Fehlervorbeugung Unvorhersehbares Versagen - Rekonstruktion der Bedingungen Annahmen / Use Cases CAD Alterung Konstruktion MFA Relaxation Berechnung FMEA Korrosion* Auslegung Werkstoffuntersuchung Spannungsrisse Toleranzanalyse Bauteilprüfung Werkstoffveränderungen Formgebung Untersuchung der chemischen und thermischen Beständigkeit Werkstoffverwechselung Werkstoffauswahl Verpackungsprüfung Werkstoffzustand Belastungsort Montagetest Beanspruchung Verarbeitung Probespritzguss Verarbeitungseinflüsse Lagerung Verträglichkeitsprüfung Temperatur-, Medien- und Strahlungseinfluss Transport Ausbildung der Kunststoffverarbeiter und Kunststofffügetechniker Montage Bild 5: Werkzeuge bei der Schadensanalyse zur Ermittlung von vorhersehbarem Versagen bzw. zur Fehlervorbeugung und des unvorhersehbaren Versagens im Schadensfall 3.3.2 Optische Begutachtung - Makroskopische Betrachtung Das erste und fast wichtigste Verfahren ist eine optische Betrachtung. Die erste makroskopische Analyse mit dem bloßen Auge oder dem Stereomikroskop sollte möglichst ohne Vorinformation erfolgen. Dabei sind folgende Fragen zu beantworten: — Schadenart: Bruch, Riss, Verformung, Korrosion, Ermüdung, Alterung oder Versagen durch Temperatureinfluss — Ausprägung der Schadenart: spröder oder duktiler Bruch, Grad der Verformung, Tiefe des korrosiven Angriffs — Zusammenhang mit geometrischer Form des Teils: Schadensmerkmale an Ecken, Kanten, Bohrungen, Rippen und Radien — Verarbeitungsspuren: Riefen durch spanabhebende Bearbeitung Schweißnähte, Oberflächenbehandlung, thermische Einwirkungen, Schmelzstrukturen (partiell) — Farbe und Form des Teils: Änderungen von Farbe und Form in Zusammenhang mit dem Schaden 62 <?page no="75"?> — Hinweise auf eindeutige Fehler; scharfkantige Übergänge und rissauslösende Kerben: Erst nach dieser ersten Bestandsaufnahme durch optische Betrachtung zum Erfassen des Schadenszustandes sollten möglichst getrennt mit dem Betreiber, Hersteller oder Konstrukteur folgende Fragen geklärt werden: Fragen: — zu Werkstoff und Verarbeiter: genauer Typ, Hersteller, Zulieferer, Konfektionär, Compoundeur, Verarbeiter — zum genauen Ablauf der Verarbeitung: Prozesse, Maschinen, Materialvor- und Aufbereitung, Lagerung, Trocknung, Konditionierung, Nacharbeit, Montage — zur Funktion des Teils: vorgesehene Belastung. Inwieweit Ist sie bekannt? — zur Funktion des Gesamtsystems: Einwirkungen aus diesen Funktionen — zum Einsatz, Betrieb und Umgebung: Dauer, Temperatur, Strahlung und Medien — zur Konstruktion, Auslegung und Statik — zum zeitlichen Ablauf des Schadens — zu Voruntersuchungen: Zeitpunkt, Person, Institution, Ergebnisse — zu Besonderheiten: Ereignisse im Zusammenhang mit dem Schaden. Nach der Beantwortung dieser Fragen kann eine erste Schadenshypothese aufgestellt werden und ein Untersuchungsprogramm zur Klärung der offenen Fragen ausgearbeitet werden. Schwerwiegende Fehler sind an diesem Punkt durch ein Nachvollziehen beziehungsweise Überprüfen der Bauteilgeschichte bereits ermittelt. Nicht vergessen werden sollte der mögliche Fall einer Werkstoffverwechslung. Eine Unterscheidung der gebräuchlichsten Thermoplaste kann mit einfachen Methoden und wenigen Hilfsmitteln z.B. der Schwimmprobe, Brennprobe, Lösemittelprobe oder Beilsteinprobe erfolgen. Zur zweifelsfreien Werkstoffbestimmung eignen sich die analytische Methoden DSC und IR-Spektroskopie. Unter Umständen muss zur Klärung der Werkstofffestigkeit an noch intakten Teilen eine mechanische Festigkeits- und Schlagfestigkeitsprüfung vorgenommen werden. Bruchdehnungs- und Schlagfestigkeitskennwerte im Vergleich zu unbeanspruchten Prüfmustern liefern gute Anhaltspunkte zur Alterung der Werkstoffe. Zur Klärung der Wechselwirkung mit Kontaktmedien ist es hier vielleicht auch notwendig die Spannungsrissbildung insbesondere an amorphen Kunststoffen zu untersuchen. Sind die äußeren Merkmale nicht aussagekräftig, so werden mit der mikroskopischen Betrachtung die inneren Merkmale analysiert. 3.3.3 Mikroskopische Untersuchung Die mikroskopischen Untersuchungsmethoden stellen die direkteste und häufig beste Möglichkeit dar, die inneren strukturellen Merkmale von Polymerwerkstoffen zu erfassen und daraus Schadenshypothesen zu entwickeln. Bei lichtmikroskopischer Abbildung entsteht ein Kontrast durch unterschiedliches Reflexions- und 63 <?page no="76"?> Absorbtionsvermögen der Materialstruktur und durch Präparation. Artefaktfreie Präparationstechniken sind für aussagefähige mikroskopische Untersuchungen daher ebenso wie Kenntnisse über die verschiedenen Mikroskopierverfahren eine notwendige Grundvoraussetzung zur mikroskopischen Untersuchung. Zur lichtmikroskopischen Abbildung werden bei Bedarf Eingriffe in die Beleuchtungsanordnung am Mikroskop vorgenommen. Der Kontrast entsteht bei Durchlichtmikroskopie an Dünnschnitten und Dünnschliffen wahlweise mit Phasenkontrast, Differential-Interferenzkontrast und Polarisationskontrast. Bei Auflichtmikroskopie an Anschliffen kann mit Dunkelfeld, schräger Beleuchtung Differential-Interferenzkontrast und mit der Fluoreszenzmikroskopie in speziellen Fällen zur Risserkennung der Abbildungskontrast, verstärkt werden. Die Auflicht-Abbildung kann ergänzend mit chemischer und Ionen-Ätzung zur Reliefbildung auf unterschiedlich angegriffenen Präparatoberflächen verfeinert werden. Jedoch ist hierfür ein hohes Maß an Erfahrung notwendig wie es Kunststofflaboratorien aufweisen. Diese Untersuchungsverfahren für Polymerwerkstoffe sind noch nicht in dem Maße wie für Metalle in den Unternehmen eingeführt. Durchlichtmikroskopie (Polarisationsmikroskop) Die mikroskopische Untersuchung von unverstärkten Polymerwerkstoffen wird am Durchlichtmikroskop mit polarisiertem Licht vorgenommen. Man fertigt einen Dünnschnitt mit Hilfe eines Mikrotoms an. Hierbei wird mit einem Hartmetall-Messer eine etwa 10 μm dicke Schicht abgetragen. Diese wird danach in Kanadabalsam oder Xylol auf einen Objektträger unter einem Deckglas, das für die Planlage sorgt, für die Betrachtung präpariert. Im Durchlichtmikroskop mit polarisiertem Licht erkennt man das Auftreten und den Verlauf von Rissen, Lunker und Einschlüsse, Entmischungen bei mehrphasigen Materialien, Fließlinien die Rückschlüsse auf den Formfüllvorgang und die Qualität von Fügevorgängen zulassen, die Ausbildung von Bindenähten an Spritzgussteilen als einen wichtigen Anhaltspunkt für den richtigen Ort der Angussstelle und den Einfluss der gewählten Spritzgießparameter, bei teilkristallinen Werkstoffen die Größe und Form von Sphärolithen und kristalline Oberstrukturen. Teile mit geringer Form-Steifigkeit, wie Folien oder Fasern, die nicht eingespannt und geschnitten werden können, werden in kaltaushärtendem Gießharz eingebettet und geschnitten. In einigen Fällen, bei denen bei Raumtemperatur kein riefenarmer Schnitt erzielt werden kann, kann eine Kühlung des Mikrotoms oder bereits eine Kühlung der Probe hilfreich sein. Anstatt eines Dünnschnittes kann auch ein Dünnschliff angefertigt werden. Die Dünnschlifftechnik stellt die wichtigste Präparationsmöglichkeit von faserverstärkten Materialien zur Betrachtung der Matrixstruktur von Verbundwerkstoffen im Durchlicht dar. Zur Herstellung eines Dünnschliffs wird das zu untersuchende Teil in kalthärtendes Reaktionsharz eingebettet, geschliffen und poliert. Danach wird es mit der Schliffseite auf ein Objektglas aufgeklebt und von der anderen Seite durch Sägen, Schleifen und Polieren auf eine Dicke von 10 bis 15 μm gebracht. Dieses Präparat kann im Durchlichtmikroskop untersucht werden. Neben den Merkmalen der Matrixstruktur, sind hier von besonderer Bedeutung die Füll- und Verstärkungsmittelverteilung, die Art- und Größenverteilung, die Faserorientierung. 64 <?page no="77"?> Rasterelektronenmikroskopie Zur mikroskopischen Untersuchung von Oberflächen insbesondere von Bruchflächen reicht die Tiefenschärfe eines Lichtmikroskops häufig nicht aus. Aus diesem Grund und wegen der hohen Vergrößerungsmöglichkeit, bedient man sich des Rasterelektronenmikroskops (REM). Mit der rasterelektronenmikroskopischen Oberflächenabbildung sind vielfältige Anwendungsmöglichkeiten gegeben: fraktografische Untersuchungen zur Beschreibung des Bruchverhaltens und Bruchverlauf mit Aussagen über spröden und duktilen Bruch, Gewaltbruch, Schwingbruch, fraktografische Untersuchungen zur Beschreibung der Bruchmechanismen speziell der Füll- und Verstärkungsmittel/ Matrixkopplung, Untersuchungen der Verarbeitung mit Beurteilung der Polymerisationsgrundstrukturen, Oberflächenabbildung zur Kennzeichnung von Kavitation und Tropfenschlag, Oberflächenabbildung von Schäden aus äußeren Einwirkungen mit Chemikalien, Temperatur und Strahlung, Untersuchungen von Reibungs- und Verschleißmechanismen, Verschleißrichtung, Verschleißgrad. Bei Kunststoffproben für die Rasterelektronenmikroskopie müssen die Probenoberflächen mit leitfähigen Materialien meistens Gold oder Kohlenstoff bedampft werden. Zu beachten sind besonders bei temperaturempfindlichen Proben während des Bedampfens (Sputtern) und der REM-Untersuchung die Probenerwärmung, die durch geeignete Maßnahmen wie Probenkühlung, Sputtern in Intervallen und Verringerung der Elektronenstrahlenergie in Grenzen gehalten werden muss, um Artefaktbildung zu vermeiden. Ein grundsätzlicher Nachteil ist, dass die Proben im Mikroskop einem Vakuum ausgesetzt werden müssen, d.h. das mit Verdampfen niedermolekularer Bestandteile gerechnet werden muss. 3.3.4 Differentialkalorimetrische Untersuchung Für die Schadenanalyse an Polymerwerkstoff-Bauteilen hat sich die Thermoanalyse bewährt. Hier ist es besonders die Differentialkalorimetrie (DSC), die Aussagen über die physikalisch-chemischen Vorgänge in Abhängigkeit von der Temperatur erlaubt. Bei der gleichmäßigen Erwärmung einer kleinen Probe (im Bereich von mg) treten endo- und exotherme Reaktionen auf, die kennzeichnend für bestimmte thermisch bedingte Änderungen im Material sind. Für teilkristalline Polymerwerkstoffe stellt die DSC mit die wichtigste Untersuchungsmethode dar, da mit ihrer Hilfe Thermoplaste über die genaue Bestimmung des Schmelzpunktes identifiziert, der Feuchteeinfluss bei Polyamid und die thermische Vorgeschichte und Stabilisierung der Werkstoffe untersucht werden können. Bild 6 zeigt den prinzipiellen Verlauf einer DSC-Kurve für einen teilkristallinen Polymerwerkstoff. 65 <?page no="78"?> Bild 6: Modellvorstellung zum Verlauf einer DSC-Kurve für einen teilkristallinen Polymerwerkstoff Die Lage und die Breite des Schmelzbereiches wird durch die Anfangs-, die Peak- und die Endtemperatur festgelegt. Die relative Lage ist ein Maß für die Größenverteilung der Kristallite. Die Peakhöhe ist ebenfalls ein Maß für die Größenverteilung der Kristallite. Aus der Fläche des Peaks lässt sich die Schmelzwärme und damit der Kristallanteil oder Kristallinitätsgrad ermitteln. Aus der DSC-Kurve lassen sich die Glasübergangstemperatur sowie der Schmelztemperaturbereich ablesen. An bestimmten charakteristischen Kurvenverlaufsmerkmalen können Aussagen über die Kristallisationskinetik, den thermisch-oxidativen Abbau und über eventuelle Zersetzungsprozesse gemacht werden. Der Verlauf einer DSC-Kurve enthält unter Umständen auch Informationen über den Orientierungs-, Eigenspannungs- und Verformungszustand eines Werkstoffes. Die Merkmale hierzu sind jedoch nur schwer zu erfassen. Durch vergleichende Messungen am Ausgangswerkstoff, an einem neuen Teil und an einem gebrauchten Teil können entscheidende Erkenntnisse über den Schädigungsablauf und damit über die Schadensursache gewonnen werden. 3.3.5 Physikalische Untersuchungen Die Dichte ist für einen Polymerwerkstoff eine wichtige Größe zur Identifizierung des Werkstofftyps. Mit Hilfe von genauen Dichtemessverfahren (Gradientenrohr) können geringe Dichteabweichungen von z.B. unterschiedlichen Polyäthylentypen feststellt werden. Die Bestimmung von Fließkurven zur Ermittlung der Viskositäts-Beanspruchungsfunktion und Viskositäts-Zeitfunktion von schmelzflüssigen Polymerwerkstoffformmassen werden zur Berechnung der Verarbeitungsprozesse und zum Verständnis des Werkstoffverhaltens beim Verarbeiten eingesetzt. Die Ermittlung von Fließkurven ist zeitintensiv und erfolgt mit Kapillar- und Rotations- Rheometern. Für die Schadenanalyse ist die Bestimmung der Schmelzviskosität, 66 <?page no="79"?> Schmelz-Volumenfließrate MVR nach ISO 1133 (ehemals als MVI bezeichnet) oder die Lösungsviskosität gebräuchlich. Sie kann Auskünfte über Fehler bei der Verarbeitung, besonders bei zu hoher thermischer und/ oder chemischer Beanspruchung geben. Mit diesen Untersuchungsmethoden kann die relative Molekülmasse, ein Maß für die mittlere Molekülkettenlänge, abgeschätzt werden. Die relative Molekülmasse ist direkt mit Polymereigenschaften verknüpft. Bei speziellen Schäden ist es unter Umständen notwendig, weitere Untersuchungsmethoden zur Schadenanalyse heranzuziehen. Es existieren noch eine ganze Reihe Untersuchungsmethoden zur genaueren Analyse des chemischen Aufbaues der Molekülketten zum Beispiel die IR-Spektroskopie, auf die hier nicht weiter eingegangen werden soll. 3.4 Wertung der einzelnen Untersuchungsmethoden am Beispiel einiger Schadensfälle Die folgenden Beispiele zeigen, welche Bedeutung den einzelnen hier besprochenen Methoden bei der Schadenanalyse zukommt und welche Aussagen mit ihnen jeweils gemacht wurden. An einem Filtergehäuse war mit dem unbewaffneten Auge der Ausgang des Risses an der Trennebene des Spritzgusswerkzeuges zu erkennen. Das Bauteil war noch nicht in Betrieb und wurde während der Bauphase des Hauses als defekt gefunden. Aufgrund der deutlich ausgeprägten Rissstruktur wird die Schadensursache als eine schlagartige Beanspruchung des Bauteils erkannt. In einem rauen Baustellenbetrieb ist dies plausibel. Unter dieser Annahme hat ein Schlag zu der weit verzweigten Rissstruktur geführt hat, Bild 7. Bild 7: Schlagartige Beanspruchung an einem Filtergehäuse Im Vergleich zu einer schlagartigen Beanspruchung kann an der Art der Schadensausprägung im nächsten Beispiel ein Ermüdungsfehler erkannt werden. An einem anderen Polycarbonat Filtergehäuse wurde nach 10 Jahren Betrieb bei 0.6 MPa mit ein/ aus Druckzyklus und wenigen Zyklen pro Tag im Bruchbild makroskopisch die Initiierung eines Crazes erkannt. Nach einem Ermüdungsrisswachstum folgt ein spröder Bruch beim Erreichen einer kritischen Risslänge von ca. 20 mm im letzten Zyklus [11], Bild 8. 67 <?page no="80"?> Bild 8: Ermüdungsbruch an einem Polycarbonat Filtergehäuse [11] Bild 9: Flanschanschluss aus PVC mit Handarmatur 68 <?page no="81"?> Bei dem folgenden Beispiel eines Flanschanschluss aus PVC mit Handarmatur waren mehrerer Untersuchungen notwendig, um eine Schadenshypothese bestätigen zu können. Der PVC Flansch war spröde in mehrerer Stücke gebrochen. Augenscheinlich waren keine offensichtlichen Spuren erkennbar, die beispielsweise auf eine mechanische, thermische und chemische Schädigung hätten hinweisen können. Beim Lösen der Schrauben wurde ein hohes Lösebzw. Anzugsdrehmoment festgestellt, dass weit über der zulässigen Beanspruchung des Werkstoffes lag. Darüber hinaus war aus der Geometrie der Flanschfläche ersichtlich, dass es aufgrund einer Phase zu einem Biegemoment in der Dichtfläche kommen musste. Die Untersuchungen an Kerbschlagbiegeproben zeigen keine Materialveränderungen im Vergleich zu Neumaterial, so dass die Schadensursache eindeutig auf konstruktive Mängel und Montagefehler zurückgeführt wurde, Bild 9. Die Bildung von Crazes ist im folgenden Beispiel auf die Empfindlichkeit des Werkstoffs gegenüber spannungsrissauslösenden im Einsatz vorkommenden Medien begründet. Dabei kommt es in der Praxis zu spontanen und unerwarteten Bruchgeschehen bei verhältnismäßig kleinen Beanspruchungen, Bild 10. Im Labor kann die Spannungsrissempfindlichkeit durch kurzes Eintauchen in spannungsrissauslösenden Medien und nachfolgender optischer Begutachtung nachgewiesen werden. Dazu werden die Medien aus der Praxis oder Testmedien verwendet. In [6] sind für die gebräuchlichsten Werkstoffe die Testmedien zusammengestellt. Die Beanspruchungen werden dazu praxisnah beispielsweise als Biegebelastung oder als Lochleibung im Vergleich zu unbelasteten Prüfmustern aufgebracht. Falls es bei unbelasteten Prüfmustern zur Crazebildung kommt, sind bereits Eigenspannungen aus dem Verarbeitungsprozess Ursache für die Spannungsrissbildung. Eine Mehrfachbruchbildung wird im Zugbereich der Biegebeanspruchung eingeleitet. Erkennbar sind die vom Schadensbzw. Rissbeginn ausgehenden typischen Sprödbruchbahnen. Zumeist senkrecht zu den Sprödbruchbahnen ist die Ausbildung der konzentrisch verlaufenden Rastlinien abgebildet, Bild 11. In diesem Fall besteht eine Spannungsrissbildung durch Praxismedien am dauerhaft unter Biegebelastung stehenden Bauteil. Falls die Betriebsmedien nicht vermieden werden können, ist Abhilfe nur durch einen Werkstoffwechsel möglich. 69 <?page no="82"?> Bild 10: Spannungsrisse in einem biegebeanspruchten Bauteil nach 15 minütiger Lagerung in einem Gemisch Toluol/ n-Propanol-Gemisch 1: 3 Volumenanteile bei Raumtemperatur Bild 11: Übersichts- und Detailbild in einem biegebeanspruchten Bauteil, sprödes Bruchverhalten, mehrfach Bruchbildung im Bereich der Zugbelastung 70 <?page no="83"?> Ein mit einer Extrusionsschweißnaht versehenes Abwasserrohr war infolge der auftretenden Biegung an den Muffenstößen zu Bruch gegangen. Es waren in der Bruchebene schon bei der ersten Betrachtung mit dem bloßen Auge Schleifriefen zu erkennen, Bild 12. Diese Schleifriefen stammten vom Säubern und Aufrauen des Nahtbettes vor dem Schweißen. Bei einem vorschriftsmäßigen Anwärmen des Nahtbettes wären diese Riefen aufgeschmolzen worden und nach dem Eindrücken des ebenfalls aufgeschmolzenen Schweißzusatzes vollkommen verschwunden. An einigen Stellen der Naht war dies auch der Fall. Es handelt sich hier um einen Verarbeitungsfehler. Dieser Fehler konnte bereits durch eine makroskopische Betrachtung aufgedeckt werden. Die sichtbaren Schleifriefen waren eindeutige Zeichen. Bild 12: Vom Säubern des Nahtbettes stammende Schleifriefen, Pfeil, in der Bruchfläche einer Extrusionsschweißnaht Während es sich beim letzten Beispiel um einen recht offensichtlichen Fehler handelte, musste im folgenden Fall eine Schadenanalyse unter Zuhilfenahme mehrerer Untersuchungsmethoden durchgeführt werden. An Wasserbehältern aus Polypropylen (PP) waren an der Innenseite ein starker korrosiver Angriff festgestellt worden. Es existierten keinerlei systematische Zusammenhänge zwischen der Art und der Stärke des Schadens und den Einsatzorten der Behälter. 71 <?page no="84"?> Bild 13: Sphärolithische Struktur von Polypropylen nach Lagerung bei erhöhter Temperatur 72 <?page no="85"?> Eine Untersuchung unter dem Polarisationsmikroskop an einem neuen Behältermaterial, einem 1300 h bei 100 °C gelagerten und einem Material aus einem geschädigten Behälter ergab eine deutliche Zunahme des Sphärolithgröße mit der Lagerzeit bei erhöhter Temperatur, Bild 13. In der DSC- Untersuchung dieser Proben konnte diese Veränderung ebenfalls eindeutig nachgewiesen werden. Am schadhaften Behälter war gegenüber dem neuen Behälter eine Zunahme des Kristallinitätsgrades um etwa 10% festzustellen, Bild 14. Im Rasterelektonenmikroskop ergaben die Bilder von der korrodierten Oberfläche stark zerklüftete aber mit relativ regelmäßiger Mauerwerkstruktur ausgestattete Rissmuster, Bild 15. Ähnliche Bilder lagen bei Bewitterung und UV-Bestrahlung vor. Die genaue Schadenursache konnte hier nicht ermittelt werden. Als rissauslösendes Moment wurde ein oxidatitiver Angriff vermutet, der in dem Spröden, grobsphäroithisches Material leicht zu Makrorissen führen konnte. Bild 14: Erhöhung des Kristallinitätsgrades durch Lagerung bei erhöhterTemperatur Bild 15: Mauerwerkartiges Rissmuster auf der Oberfläche eines schadhaften Behälters aus Polypropylen 35 40 45 50 55 60 65 Kristallinitätsgrad % Behälter 1 Behälter 2 Behälter 3 73 <?page no="86"?> In einem weiteren Beispiel einer Schadenanalyse konnten direkt mit Hilfe der Mikrotomie und der Polarisationsmikroskopie eindeutige Hinweise auf die Schadensursache ermittelt werden. Der Druckknopf eines Gaszählerbauteils aus Polyamid brach bei der Montage häufig spröde ab, Bild 16. Zur Schadensuntersuchung wurden Mikrotomschnitte über den Druckknopfquerschnitt angefertigt. Die polarisationsmikroskopischen Aufnahmen zeigen Fließlinien der Schmelze im Knopffuß und eine inhomogene Verteilung der Sphärolithdurchmesser. In der Mitte des Knopfes sind die Durchmesser der Sphärolithe relativ groß und werden zum Rand hin kleiner bis schließlich im Randbereich keine sphärolithische Struktur mehr mikroskopisch aufgelöst wird, Bild 17. Über diese inhomogenen Strukturen hinaus werden bei höherer Vergrößerung als Ergebnis einer ungenügenden Formfüllung in der Nachdruckphase Mikrolunker in der Mitte des Knopffußes festgestellt, Bild 18. Bild 16: Druckknopf eines Gaszählerbauteils Bild 17: Gaszählerbauteil mit Fließlinien und inhomogener Sphärolitstruktur 74 <?page no="87"?> Die mikroskopischen Untersuchungsergebnisse weisen auf Verarbeitungsfehler und konstruktive Mängel hin, die die Bauteileigenschaften vermindern. Die Fließlinien entstehen durch die Kristallisation der gescherten Schmelze im Übergang zwischen erstarrten Materialbereichen an der Formwand und noch schmelzflüssigen Bereichen in Formteilmitte. Die mikroskopisch strukturlosen Bereiche an den Rändern des Druckknopfes sind auf eine zu schnelle Abkühlung und Erstarrung des Materials an zu kalten Formwänden zurückzuführen. Zur Bildung von Mikrolunkern trägt die insgesamt zu geringe Massetemperatur bei. Mit der geringen Massetemperatur sind infolge eine zu geringe Fließfähigkeit und ein frühes Erstarren der Schmelze verbunden, welche die vollständige Formfüllung in der Nachdruckphase verhindert. Die Bildung von Mikrolunkern wird zusätzlich durch einen Querschnittübergang von dünner zu dicker Wandstärke begünstigt, da bei einer Erstarrung der Schmelze im Bereich der dünnen zuführenden Querschnitte nicht genügend Material in den Knopfbereich des Bauteils nachgefördert werden kann. Die Fließlinien, die in der Regel mit Scherorientierungen und inneren Spannungen verbunden sind, sowie der verminderte Bauteilquerschnitt durch Lunker haben letztendlich die Festigkeit des Bauteils vermindert. Bild 18: Lunker im Druckknopffuß des Gaszählerbauteils In einem Fall von undichten PP Rohren im Kraftwerksbereich konnte mit Hilfe der Mikrotomie dem Schadensbild eine eindeutige Schadensursache zugeordnet werden. Die Rohre führen Kalkmilchsuspension und werden von Rauchgasen umströmt. Daher lässt sich der bräunliche Belag auf der Oberfläche erklären. Die Rauchgase verändern die Oberfläche in einer dünnen Schicht. Das Eindringen und der mögliche chemische Angriff der Rauchgase wird alleine noch nicht als Auslöser für das Aufreißen des Rohres im mittleren Wandbereich erkannt. Wird die Pigmentverteilung im Mikrotomschnitt bei höherer Vergrößerung betrachtet, stellt sich in diesem Zusammenhang die inhomogene Pigmentverteilung des Rohrwerkstoff schadenauslösend dar, Bild 19. Pigmente können eine Schwächung des Materials verursachen. Hier waren die Pigmentanhäufungen größer als es die Norm zulässt. 75 <?page no="88"?> Bild 19: links: aufgetretener Schaden an einen PP-Rohr mit undichter Stelle, Mitte: Mikrotomschnitt des Rohrquerschnitts, rechts: inhomogene Pigmentverteilung und Pigmentanhäufungen Bei verstärkten Kunststoffen, wie im nächsten Beispiel einer Ölfilterhalterung aus PA6 GF30, wurden in einem Unternehmen bei der stichprobenartigen Eingangsprüfung der Spritzgussteile augenscheinlich Risse an einem Befestigungsauge festgestellt. Die entsprechenden Bereiche wurden für die Auflichtmikroskpie „metallografisch“ präpariert. Ein Bindenahtproblem am Befestigungsauge wurde als Fehler erkannt. Je nach Probe lag eine Bindung der Fließfronten vor oder auch nicht, Bild 20. Daher können Optimierungen des Spritzgussprozesses möglicherweise helfen Bindung entstehen zu lassen, die in gleichbleibender Qualität gefertigt werden kann. Grundsätzlich stellt eine Bindenaht eine Schwächung des Spritzgussbauteils dar, insbesondere dann, wenn wie in diesem Beispiel, in der Bindenaht Fasern quer in der Bindenaht liegen und damit quer zur Belastung orientiert sind. Wenn möglich sollten Bindnähte in unkritische Bereiche des Bauteils verlegt werden. Möglichkeiten der Fehlervorbeugung sind Mold Flow Analysen bevor das Werkzeug hergestellt wurde und Füllbildstudien mit dem Werkzeug. 76 <?page no="89"?> Bild 20: a) Schaden am Befestigungsauge einer Ölfilterhalterung; b): Bindenaht ohne direkte Bindung; c) Bindenaht mit quer orientierten Fasern a) b) c) 77 <?page no="90"?> Seile aus PP waren der freien Bewitterung ausgesetzt und durch Ausbleichen auffällig geworden. Die Verwendung der Seile wurde daraufhin aus Sicherheitsgründen in Frage gestellt. Zugversuchsuntersuchungen an einzelnen Fäden des Seils aus dem Innern und Äußerem zeigten einen Abfall der Festigkeit auf 35 % von innen nach außen an. Durch DSC Messungen speziell der Oxidationsinduktionszeit (OIT Zeit) konnte die verminderte und durch den Einsatz verbrauchte Stabilisierung des PP an der Seiloberfläche gezeigt werden. Die OIT Zeit beträgt in der Seiloberfläche 35,5 Minuten und im Seilinnern 100.5 Minuten, Bild 21. Dieses Ergebnis zeigt den Verbrauch an Stabilisatoren im Werkstoff an. Von einer weiteren Verwendung des Seils wurde aufgrund der reduzierten Festigkeit abgeraten: Verbesserungspotential kann in einer verbesserten Stabilisierung des Polymerwerkstoffs gesucht werden. Der Wirksamkeitsnachweis der Maßnahme kann wiederum durch DSC Messungen und Festigkeitsuntersuchungen an natürlich und künstlich durch Bewitterungstest gealterten Mustern geführt werden. Bild 21: DSC-OIT Messung, statisch, an einem PP Seil freier Bewitterung, links kurze OIT Zeit in der Seiloberfläche und rechts lange OIT Zeit im Seilinnern 3.5 Schlussbemerkung Wegen der Vielzahl der Parameter, die die Eigenschaften der Polymerwerkstoffe beeinflussen, tauchen in der Schadenanalyse von Polymerwerkstoffbauteilen noch häufig Versagensfälle auf, die eigentlich einer falschen konstruktiven Lösung zuzuschreiben sind. Mit fortschreitender Konstruktionspraxis in den unterschiedlichen Anwendungsgebieten wird der Anteil dieser Fehler an den Versagensfällen gegenüber den echten unvorhersehbaren Schäden ständig zurückgedrängt. Die Vielfalt der Einflüsse erfordert jedoch in der Schadenanalyse ein behutsames und genaues Vorgehen. Die Forschung wird zeigen, ob es möglich ist, für das Vorgehen bei der Schadenanalyse eine Systematik zu erstellen, derer man sich bei der Lösung eines Schadenfalles bedienen kann. Bis jetzt spielt die Erfahrung noch eine wesentliche Rolle. Zu dem im Augenblick fast ausschließlich qualitativen Aussagemöglichkeiten, müssen quantitative hinzukommen. Bis dieses Ziel erreicht ist, muss versucht werden, durch schnelle und möglichst sichere Analysen Schäden aufzuklären, sowie zu beheben und damit zu helfen neue zu verhindern. 78 <?page no="91"?> 3.6 Literatur [1] Johannaber, F.; Michaeli W.: Handbuch Spritzgießen. 2. Aufl. München: Hanser, 2004 [2] Ehrenstein G.W. ( Hrsg.): Handbuch der Kunststoff-Verbindungstechnik. München: Hanser 2004 [3] Schmachtenberg, E.: Montagespritzgießen Verfahrensprinzipien und Definition, Fachtagung Montagespritzgießen, Lehrstuhl für Kunststofftechnik, Erlangen 2007 [4] Ehrenstein, G.W.: Polymer Werkstoffe. 2. Aufl. München, Wien: Hanser 1978, 1999 [5] Krebs, Chr.; Avondet, M.-A.; bearb. v. Leu, K.W.: Langzeitverhalten von Thermoplasten. München, Wien: Hanser 1999 [6] Ehrenstein, G.W.; Ponkratz, S.: Beständigkeit von Kunststoffen, Band 1 und Band 2. München: Hanser 2007 [7] Ehrhard, G.; Strickle, E.: Maschinenelemente aus thermoplastischen Kunststoffen. Düsseldorf: VDI-Verlag, 1974 [8] Ehrenstein, G.W.: Schadenanalyse an Kunststoff-Formteilen. Düsseldorf: VDI- Verlag, 1981 [9] Berndtsen, H.; Jansen, F.J.: Präparation von Polymeren für die Licht- und Elektronenmikroskopie. IKV-Aachen, 1979 [10] Engel, L.; Klingele, H.; Ehrenstein, G.W.; Schaper, H.: Rasterelektronische Untersuchung von Kunststoffschäden. München: Hanser, 1978 [11] Wright, D.C.: Failure of Plastics and Rubber Products. Causes, Effects and Case Studies Involving Degradation, Rapra Technology, 2001 79 <?page no="92"?> 4 Schadensuntersuchung und Schadensverhütung an spröden Werkstoffen, insbesondere Keramiken und Gläsern Axel Roßmann 4. 1 Einleitung Der Schadensuntersucher wird in steigendem Maß mit Sprödbrüchen durch Gewaltüberlastung konfrontiert. Das gilt nicht nur für das extrem spröde Versagen von Massivkeramiken (monolithische Keramik, Ingenieurkeramik), Grafit und Gläsern (Bild 1). Eine weitere Werkstofffamilie sind Intermetallische Phasen. Besonders interessant ist ihre hohe spezifische Warmfestigkeit. Sie zeigen bis zu einer werkstofftypischen Betriebstemperatur ein sprödes Verhalten das über ihre praktische Anwendung entscheiden kann. Auch die Festigkeitssteigerung und damit eine entsprechend höhere Belastung von Metallen wie hochfesten Stählen begünstigt ein sprödes Verhalten. Selbst sehr zähe Werkstoffe wie unlegierte Baustähle können sich bei hohen Verformungsgeschwindigkeiten wie sie der Aufschlag eines hochenergetischen Körpers erzeugt, unerwartet spröd verhalten. Weiter ist zu berücksichtigen, dass ein Werkstoff der sich in dünneren Querschnitten zäh verhält, in ausreichender Dicke spröd reagiert (Bild 2). Dies muss in der Auslegung, beispielsweise von Druckgefäßen mit dicken Wandquerschnitten wie sie im Kraftwerksbau vorkommen, berücksichtigt werden. Sprödbrüche können bei Metallen durch Einflüsse wie Spannungsrisskorrosion und Wasserstoffversprödung entstehen. Das ist auch bei Keramiken mit Glasphasen und Gläsern der Fall (Bild 3). 80 <?page no="93"?> Bild 1: Vorgänge bei Schlagbeanspruchung auf einen spröden Werkstoff Spröde Werkstoffe zeigen besondere Bruchverhalten. t = 0 t > 0 t > l/ c Schlag l Druckimpuls: z.B. Schlag, Explosion Fortschrittsgeschwindigkeit "c" der Druckwelle. Entspricht ohne Energieverlust der Schallgeschwindigkeit im Stab c c c prismatischer Stab freies Ende Druck Zug 0 Reflexion der elastischen Druckwelle am freien Stabende in eine "Zugwelle" Zug Zug > Bruchfestigkeit des Stabs Gesamteffekt der Druck- und Zugwelle durch Superposition Abplatzen des Stabendes Zeit ! v Druck max v = / ( x c) = Geschwindigkeit des abfliegenden Stabendes (Teilchenbewegung in einer bestimmten Querschnittsebene). v liegt bei Stählen im Bereich weniger m/ s. c= = Fortschrittsgeschwindigkeit der Druckwelle (ohne Energieverlust). "c" entspricht der Schallgeschwindigkeit im Stabmaterial. Bei Stahl beträgt c = 5200 m/ s. E = Elastizitätsmodul des Stabmaterials = Dichte des Stabmaterials E x spröde Wand, z.B. Glas ausplatzende Rückwand mit hoher Geschwindigkeit aufschlagende Masse Beispiel eines Schadens am Panzerglas Fenster eines Schleuderstands 81 <?page no="94"?> Bild 2: Abhängigkeit der Zähigkeit von der Querschnittsdicke bei Metallen Bei Gewaltbrüchen ist das Bruchverhalten und das Bruchbild stark von der Querschnittsdicke abhängig. Die Merkmale aller dieser Sprödbrüche können dem Schadensuntersucher wichtige Hinweise auf Ursachen und Abläufe geben (Bild 7). Immer mehr gewinnen auch spröde Beschichtungen als Wärmedämmung, Verschleiß- und Korrosionsschutz an Bedeutung. Sie zeigen besondere Versagensmechanismen (Bild 8) und weniger gut bewertbare Bruchstrukturen. Von großer Bedeutung ist die Auswirkung spröder Schichten auf die Schwingfestigkeit des Bauteils (Bild 4). 1 1 2 2 3 K 1C Risszähigkeit Kc Querschnittdicke D Zäh Mischbruch Spröd D D D Sprödbruch Scherbrüche (Scherlippen) Zähbruch 82 <?page no="95"?> Bild 3: Vorgänge bei Schlagbeanspruchung auf einen spröden Werkstoff Mit unerwarteten Effekten ist bei neuen Technologien immer zu rechnen, hierzu gehört unterkritisches Risswachstum in Gläsern an feuchter Luft. modernes Pyrometer mit flexiblem Glasfaserlichtleiter Glasfaser-Lichtleiter Wärmestrahlung des Messflecks Brüche von Glasfasern unter hohen Zugspannungen durch unterkritisches Risswachstum unterkritisches Risswachstum von einer Beschädigung des Glasrandes ausgehend unterkritisches Risswachstum von einem Steinschlag ausgehend Unterkritisches Risswachstum bei Gläsern, zwei Beispiele aus dem täglichen Leben 83 <?page no="96"?> Bild 4: Vorgänge bei Schlagbeanspruchung auf einen spröden Werkstoff Bei der Ermittlung der Schwingfestigkeit eines beschichteten Bauteils müssen rissbildende Betriebseinflüsse berücksichtigt und Bauteile mit entsprechenden Rissen geprüft werden. Schichtriss durch plastische Dehnung infolge Wärmespannungen. Schichtriss durch plastische Verformung infolge der Fliehkraft. Schichtriss durch plastische Verformung infolge eines Fremdkörpereinschlags. Grundmaterial Schichtriss wächst in das Grundmaterial und senkt die Schwingfestigkeit deutlich ab. Schichtriss wächst nicht in das Grundmaterial. Die Schwingfestigkeit ist wenig betroffen. Grundmaterial festhaftende spröde Schicht schlecht haftende spröde Schicht Schaufel mit spröder Schicht 84 <?page no="97"?> 4 .2 Keramische Konstruktionswerkstoffe und Gläser 4 .2.1 Werkstofftypen und wichtige Herstellungsprobleme In Tab. 1 sind spröde Werkstoffe des heutigen Maschinenbaus mit charakteristischen Anwendungen und Daten für eine Schadensklärung zusammengestellt. Die Grenztemperatur hängt von Betriebszeit und Einflüssen wie Oxidation ab. Es handelt sich deshalb nur um Richtwerte. Unter sog. Ingenieurkeramiken (Konstruktionskeramiken) versteht man Massivkeramiken deren Festigkeit Betriebslasten vergleichbar konventionellen metallischen Bauteilen aufnimmt. Wird die hohe Festigkeit im Zugbereich genutzt, werden bereits sehr kleine Fehlstellen um Bereich von 10 μm kritisch und lösen einen Gewaltbruch aus. Werkstofffehler sind für die unterschiedlichen Herstellungstechniken wie Pressen, Sintern und Schlickergießen typisch. Dabei sind bereits winzige Verunreinigungen im Ausgangspulver zu vermeiden was nicht selten Reinraumbedingungen erfordert. Solche Fehlergrößen entziehen sich den üblichen seriengeeigneten zerstörungsfreien Prüfverfahren. Deren Nachweissicherheit reicht gewöhnlich nicht aus. Die Festigkeit wird in hohem Maß auch von winzigen Fehlstellen der Oberfläche bestimmt. Diese können in Form von Mikrorissen bei einer Bearbeitung, üblicherweise Schleifen unbemerkt entstehen. Auch eingebrachte Zugeigenspannungen sind gefürchtet. Sie sind im Serienprozess schwer beherrschbar und nur aufwändig nachweisbar. Auch ein anschließendes Polieren kann solche Schädigungen nicht immer entfernen. Die Erfahrung zeigt, dass in manchen Fällen eine Wärmebehandlung nach der Bearbeitung kleine Fehlstellen ‚ausheilen’ kann. Aus diesem Grund muss die Qualitätssicherung über die Überwachung des Herstellungsverfahrens erfolgen. Dafür sind alle relevanten Parameter genau festzuschreiben. Trotzdem werden hochbelastete keramische Bauteile wie Turboladerräder einem Überlastungstest (Prooftest) unterzogen der die maximale Belastung im Betrieb ausreichend simuliert. Dies ist äußerst anspruchsvoll, insbesondere wenn sich im Betrieb Wärmespannungen überlagern. Die problematische Prüfbarkeit gilt auch für keramische Schichten. Voraussetzung für die Anwendung der Schichten ist eine ausreichende Haftfestigkeit. Sie hängt entscheidend von der Einhaltung optimierter Herstellungsverfahren bzw. der Parameter ab. Das gilt besonders für die üblichen thermischen Spritz- oder Aufdampfverfahren. Die Haftfestigkeit sicher zerstörungsfrei nachzuweisen ist äußerst problematisch. Als erfolgversprechend kann die Thermografie gelten. Sie hat sich bereits in der Anwendung bewährt. 85 <?page no="98"?> Tab. 1: Die wichtigsten Keramiken im Maschinenbau und für eine Schadenanalyse nutzbare Kenngrößen „Nitride“ · reaktionsgebundenes Si 3 N 4 .. RBSN .................. 1300 ..... 2 - 3 · heißgepresstes Si 3 N 4 ............ HPSN................... 1200...... 6 - 8 · drucklos gesintertes Si 3 N 4 .... PSSN (SSN)....... 1200...... ~ 5 „Karbide“ · heißgepresstes SiC............... HPSC .................. 1400 · drucklos gesintertes SiC ....... PSSC (SSiC)...... 1400...... 3,5 · Si infiltriertes SiC ................. SiC - Si (Si SiC)... 1200...... 3,5 „Oxide“ · Aluminiumoxid Al 2 O 3 ...................’Korund’................ 1800 · Zirkonoxid ZrO 2 ....................... PSZ..................... 1700 .... ~ 8 · Glas SiO 2 ................................. (Quarz) ............. 1300 · Mischkeramiken aus Si, Al, O, N .............................. engl.’Sialon’ ....... 1200 · Aluminiumtitanat zum Vergleich: Vergütungsstahl........................................................................................... ~ 100 Kugellagerstahl............................................................................ ~ 30 Grenztemp. °C Kürzel Werkstoffname K 1C MN/ m 3/ 2 86 <?page no="99"?> 4 .2.2 Werkstoffverhalten Die Festigkeit spröder Massivkeramiken ist von Effekten bestimmt die bei den viel zäheren Metallen des Maschinenbaus nicht auffallen. Die im Bauteil nutzbare Festigkeit hängt deutlich vom kritisch hoch belasteten Volumen bzw. der Oberfläche ab. Dies lässt sich mit der Streuung der Festigkeitswerte aus Proben, gekennzeichnet vom ‚Weibull-Modul’ erklären (Bild 5 und Bild 6). Damit steht Form und Belastung der Proben zur Festigkeitsermittlung im Vordergrund (Bild 5). Weil häufig Prospektwerte keine Angaben über das belastete Werkstoffvolumen und die Streuung enthalten, handelt es sich in diesen Fällen um ‚typische Werte’ die kritisch zu hinterfragen sind. Es wäre nicht das erste mal, dass anfangs unerklärliche Brüche keramischer Bauteile sich später auf zu optimistische Festigkeitswerte von Proben zurückführen lassen. In die gleiche Richtung geht der Einfluss der Oberflächenbearbeitung der Proben. Die Oberfläche sollte dem des Bauteils zumindest an der versagenskritischen Stelle ausreichend entsprechen. Dazu genügen selbst gleiche Schleifparameter nicht ,wenn der kleine Probendurchmesser eine plane Schleiffläche am Bauteil simulieren soll. Spröde Werkstoffe sind besonders empfindlich gegen Schlagbeanspruchung. Nicht nur, dass sie am Kontaktpunkt Risse bilden oder aussplittern, weil ihnen die Zähigkeit (Duktilität) der Metalle fehlt. Auch elastische Wellen können Brüche an unerwarteter Stelle auslösen (Bild 4). Der Bruch erfolgt in solchen Fällen auf der ‚Rückseite’ an der die Welle reflektiert wird. Dieser Effekt tritt auch bei Metallen beim Aufschlag von Bruchstücken auf. Unter der Hochgeschwindigkeitsverformung versprödet die Innenseite von Schutzwänden und es entstehen Splitter (Bild 1). Die Zersplitterung einer Keramik bei Aufschlag wird aber in einer unerwarteten Anwendung genutzt. Beim Zersplittern tritt am Ort, ohne Verformung und Beanspruchung darunter liegender Strukturen, ein merklicher Energieverzehr auf. Dies wird bei schusssicheren Westen, Schutz gegen abfliegende Bruchstücke von Rotoren und bei Panzerungen genutzt. Auf Grund der Sprödigkeit machen sich Reibungskräfte an Auflageflächen besonders nachteilig bemerkbar. Treten wie an Schaufelfüßen von Turbinen zusätzliche Schubspannungen und Mikrogleitbewegungen in der Kontaktzone auf, kan ein Anstieg des Reibbeiwerts durch Oxidation oder Verschleiß die Belastungen bei gleichen äußeren Kräften bis zum Bruch erhöhen. Rissbildung und Aussplitterung an spröden Schichten (Bild 4) sind ein Grund, warum mit einem gefährlichen Abfall der Schwingfestigkeit des beschichteten Bauteils im Betrieb zu rechnen ist. Dies ist bei einem beschichteten Bauteil, insbesondere einer Nachbeschichtung, unbedingt zu überprüfen bzw. zu berücksichtigen. Der Schädigungseffekt steigt tendenziell mit einer Schwingfestigkeitssteigerung durch die unbeschädigte Schicht (z.B. Nitrierschicht) und mit der Haftfestigkeit. 87 <?page no="100"?> Bild 5: Volumen- und Oberflächeneinfluss auf die mit Proben ermittelten Festigkeitswerte spröder Werkstoffe, besonders von Keramiken und Glas Bei spröden Werkstoffen, insbesondere Keramiken, hängt der Festigkeitswert in hohem Maß von der Probengröße ab. Bauteile mit relativ großem belasteten Volumen bzw. großer Oberfläche (z.B. Rotorscheiben) müssen deshalb für eine ausreichende Ausfallwahrscheinlichkeit entsprechend niedrig belastet werden! Nach Weibull ergibt sich bei gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit: für Volumenfehler: 2 / 1 = (V 1 / V 2 ) 1/ m v (1) für Oberflächenfehler: 2 / 1 = (O 1 / O 2 ) 1/ m o (2) „m“ ist der sog. „Weibull-Parameter“, ein Werkstoffkennwert für die Streuung. Daraus folgen prüfungsabhängige Festigkeitswerte: F1 > F2 > F3 Biegemomentverlauf kritisch hoch zugbelastetes Volumen keramische Biegeproben Dreipunktbiegung Vierpunktbiegung Zugbeanspruchung Kleines hochbelastetes Volumen führt zu hohen Festigkeitswerten (F1). Größeres hochbelastetes Volumen führt zu niedrigeren Festigkeitswerten (F2). Großes hochbelastetes Volumen führt zu sehr niedrigen Festigkeitswerten (F3). 88 <?page no="101"?> 4 .3 Untersuchungsmethoden bei Schäden 4. 3.1 Bauteilversuche Da die Festigkeit keramischer Bauteile hängt von den individuellen Herstellungsbedingungen und dem Oberflächenzustand bzw. der Bearbeitung ab sowie vom Größenbzw. Oberflächeneinfluss (Bild 5) und der hier herrschenden Spannungsverteilung. Deshalb sind Proben für die Klärung eines Bauteilschades nur von geringer Aussagekraft. Voraussetzung ist die ausreichend bauteil- und betriebsnahe Prüfung. Diese Simulation im Versuch ist äußerst anspruchsvoll, zeitraubend und wahrscheinlich kostspielig. Das gilt selbst für einen scheinbar einfachen Überlasttest, dem sog. ‚Prooftest’. Fehlen beispielsweise betriebstypische Wärmespannungen, die meist bei instationärem Betrieb auftreten, wird die versagenkritische Bauteilzone nicht aussagefähig beansprucht. Damit sind weder Bruchstelle noch Belastung für den echten Betrieb relevant. Dazu kommen schädigende Langzeitveränderungen der Bauteiloberfläche durch Erosion, Reaktionen mit Ablagerungen (Bild 8) oder unterkritischen Rissfortschritt (Bild 3). Ein besonderes Problem ist die Zersplitterung abfliegender Bruchstücke beim Aufschlag. Damit wird eine Bruchflächenuntersuchung unmöglich. Auch bei der primären Rissbildung im Bauteil wächst mit steigendem Spannungsniveau bzw. Festigkeit die Zahl der primären Bruchstücke bzw. nimmt deren Größe ab (Bild 7). Um den Ort des Rissbeginns und damit die Schwachstelle bzw. kritisch beanspruchte Stelle zu ermitteln sind Hochgeschwindigkeitsfotos geeignet. Dazu wird beispielsweise möglichst nah um den rotierenden Prüfling ein freistehender Leiterdraht angeordnet der möglichst früh von einem Bruchstück durchschlagen wird und so einen Blitz bei offener Blende einer Kamera auslöst. Damit die Primärbruchstücke auswertbar erhalten bleiben, werden mögliche Aufschlagflächen im Prüfstand geeignet gepolstert. Mit statischen Belastungsversuchen lässt sich in manchen Fällen ein erster Anriss an einer Schallemission erkennen. Voraussetzung ist, dass der Riss nicht sofort instabil wird, d.h. in den Gewaltbruch übergeht. Diese Chance besteht z.B. bei Langzeitversuchen unter Temperatur in oxidierender Atmosphäre oder Gläsern in Wasserdampf (Bild 3) 4 .3.2 Rekonstruktion des Schadens Aus dem Rissmuster des zusammengesetzten Schadensteils können wichtige Rückschlüsse auf den Rissbeginn und damit den Schadenablauf gezogen werden [1]. Hierzu ist etwas ‚archäologische Technik’ notwendig (Bild 7). Ein gewisser Zeitaufwand darf dabei nicht gescheut werden. Ähnlich einem Puzzle werden die Bruchstücke rekonstruierend zusammengesetzt und mit Schnellkleber fixiert. Hierzu ist es selbstverständlich von Vorteil, wenn möglichst viele Bruchstücke des Bauteils sichergestellt werden. Wichtige Hinweise für die Rekonstruktion sind neben den passenden Bruchflächen auch Verfärbungen, Beläge und Verschleißspuren. 89 <?page no="102"?> Als Regel gilt: Der durchlaufende Riss war immer vor der querlaufenden ‚Abzweigung’. D.h. der Rissfortschritt erfolgt im flachen Winkel (Bild 7). Bei Bauteilen mit Thermospannungen, wie z.B. eine Brennkammer, ist der wärmespannungsbedingte Rissverlauf von den kälteren, Verbrennungsluft führenden Löchern, erkennbar beeinflusst. Die Zone besonders hoher Wandtemperaturen kennzeichnet eine oxidationsbedingte Veränderung wie ‚Glasschaumbildung’. Abschätzung der schadensursächlichen Betriebsbeanspruchung Nicht selten muss davon ausgegangen werden, dass das Bauteil durch Betriebsbeanspruchungen die der Berechnung nicht zugänglich waren, versagte. Falls der bruchauslösende Fehler identifizierbar und auswertbar ist, kann mit einer bruchmechanischen Abschätzung auf die Betriebsbeanspruchung bei Schadenseintritt rückgeschlossen werden (Bild 9). Wenn jedoch trotz auswertbarer Bruchfläche der Initialfehler nicht ausreichend identifizierbar ist, besteht die Möglichkeit, aus dem makroskopischen Bruchflächenbild auf die schadenursächliche Betriebsbeanspruchung im Bruchquerschnitt rückzuschließen. Hierzu kann die Beziehung (3) in Bild 7 dienen. Wichtiger Kennwert aus der Bruchflächenbewertung ist der Radius des Bruchspiegels r m . Der Kennwert A lässt sich an schadensrelevanten Werkstoffproben durch Bruchflächenauswertung ermitteln [4]. 4 .3.3 Bauteilberechnung Spröde Werkkstoffe, gerade auch Keramiken, reagieren auf Spannungskonzentrationen und örtliche Krafteinleitungen bei Überlast mit katastrophalem Versagen (Bruch). Deshalb ist es besonders wichtig gerade hier möglichst genaue Verformungs- und Spannungsanalysen durchzuführen. Dazu dienen vorzugsweise Berechnungen der dreidimensionalen Spannungsverteilung mit finiten Elementen. Sie haben die früher beliebten spannungsoptischen Untersuchungen wegen des kleineren Aufwands abgelöst. Die Spannungsverteilung im Volumen ist notwendig, um den Einfluss auf die zulässige Festigkeit im Bauteil zu kennen (Bild 5 und Bild 6). Die Erfahrung zeigt jedoch, dass keramische Bauteile trotzdem an unerwarteten Stellen versagen. Die Deutung erfordert nicht selten erneute Rechnungen mit geeigneter Variation oder der Einführung neuer Randbedingungen. Dazu gehören Reibungseffekte und betriebsbedingte Langzeit-Oberflächenschädigungen (Bild 8). An Auflageflächen sind unbedingt Reibungskräfte in der Kontaktzone zu berücksichtigen. Schubspannungen und damit die ‚Anstrengung’ steigt mit dem Reibbeiwert. Dessen Kenntnis über den gesamten Betriebstemperaturbereich ist unerlässlich. Dabei sind auch Langzeitveränderungen durch Einflüsse wie Oxidation, korrosive Reaktionen oder Verschleiß zu berücksichtigen. Schäden durch ungenügende Werkstoffkennwerte Wie anfangs erwähnt, ist anders als bei Metallen der Einfluss des belasteten Volumens bzw. der belasteten Oberfläche wegen der schadensauslösenden Fehlerwahrscheinlichkeit von nicht zu vernachlässigender Bedeutung. Deshalb ist im Rah- 90 <?page no="103"?> men der Schadenklärung wichtig, die zur Festigkeitsauslegung verwendeten Werkstoffkennwerte in ihrer Aussagefähigkeit richtig einzuschätzen. Folgende Fragen sind für die Probenprüfung zu klären: - Welche Geometrie und Abmessung hatten die Proben für die Ermittlung der Werkstoffkennwerte? - Wie war die Belastungsanordnung der Probenprüfung? Wichtig ist bei der üblichen Biegeprüfung, ob es sich um eine Dreipunkt- oder Vierpunktbiegung handelt. Auch die Auflagerabstände spielen für das belastete Volumen eine Rolle. - Entsprach die Probenoberfläche der des Schadensteils im Bruchausgang? Wichtig sind Bearbeitungsverfahren und deren Parameter. - Ist der Zustand des Probenwerkstoffs für das Schadenteil im Bruchausgang relevant? Typische Einflüsse sind Gefüge und Schwachstellenbzw. Fehlerart. - Wurden die Proben einem vergleichbaren Bauteil entnommen oder separat hergestellt? - Wie groß war die Streuung der Messwerte? Kennzeichnend ist der sog. Weibull- Parameter. Danach sollte geklärt werden, ob der Bruch von der Oberfläche oder im Inneren (Volumenfehler) ausging. Falls eine Klärung wegen nicht auswertbarer Bruchflächen scheitert, sind die Betrachtungen für beide Möglichkeiten anzustellen. Ein ausgeführtes Beispiel (Bild 6) zeigt die Problematik des Größeneinflusses: Ein Bauteil, z.B. ein monolithisches keramisches Turbinenrad versagt durch einen Volumenfehler und hat, grob geschätzt, ein von Zugspannungen kritisch hoch belastetes Volumen (Bild 6) in der Größenordnung von V 1 = 1 cm 3 bzw. 10 3 mm 3 . Die Festigkeitsauslegung stützte sich auf Dreipunktbiegeproben mit einem Querschnitt von 5 x 5 mm und einem Auflagerabstand von 50 mm. Hier dürfte das durch Zugspannungen kritisch belastete Volumen V 2 in der Größenordnung von 1 mm 3 liegen. Der Weibull-Parameter m als Werkstoffkennwert für die Streuung der Messwerte, wurde mit 10 ermittelt. Entsprechend Formel (1) in Bild 5 ergibt sich, dass nur etwa die halbe Probenfestigkeit im Bauteil nutzbar ist. Mit dem Bruch des Bauteils ist also bei einer nur halb so großen Zug-Betriebsspannung als die Probenfestigkeit zu rechnen. Diese Verhältnisse bestätigte auch die praktische Erfahrung. Daraus erkennt man die, weit mehr als bei Metallen, entscheidende Bedeutung zusätzlicher Angaben zu Festigkeitswerten. Das sollte gegenüber Prospektwerten besonders vorsichtig machen. 91 <?page no="104"?> Bild 6: Volumeneffekt am Beispiel eines keramischen Turbinenrads Verhalten sich Werkstoffe wie Keramiken oder intermetallische Phasen spröd, ist deren nutzbare Festigkeit entscheidend vom Prüfvolumen der Proben, mit denen die Festigkeit ermittelt wurde, abhängig! 3-Punkt Biegebelastung für keramische Proben kritisch hoch belastete Volumen im "mm3 - Bereich" Streichholzschachtel zum Größenvergleich Biegeprobe Dunkle Zone kritisch hoch durch Zugbeanspruchung belastet. Belastetes Volumen im "cm3-Bereich". duktiler Werkstoff spröder Werkstoff 100 80 60 40 20 0 relative nutzbare Zugfestigkeit [%] Bauteil Probe Angenommene Kennwerte Weibullparameter (Weibullmodul) spröder Werkstoff: m1 = 8 zäher Werkstoff: m2 = 32 kritisch belastetes Volumen: Probe: Vp = 1 mm3 Bauteil: VB = 1000 mm3 Zug-Bruchfestigkeit von Metallen Lebensdauer bis zum Abplatzen von PVD abgeschiedenen Wärmedämmschichten Kriechen von Metallen Schwingermüdung von Metallen Oxidations-Lebensdauer von Metallbeschichtungen (Höherer Weibullmodul heißt kleinere Streuung) Weibullmodul 60 50 40 30 20 10 0 Typische Bereiche des Weibullmoduls für Eigenschaften von Heißteilwerkstoffen Streuung verschiedener Datensätze 92 <?page no="105"?> 4 .3.4 Bruchflächenuntersuchung 4 .3.4.1 Makroskopische Untersuchung Auch Bruchflächen von Keramiken und Gläsern weisen typische und auswertbare Bruchmerkmale auf. Gerade die makroskopische Untersuchung hat bei Sprödbruchflächen, insbesondere von Keramiken und Gläsern große Bedeutung. Sie lässt auf Spannungsniveau und -verteilung, Belastungsart und Bruchausgang rückschließen. In Bild 7 sind typische Bruchbilder mit Wallnerlinien dargestellt. Dazu gehören zum Bruchausgang konzentrischen Merkmale. Hier handelt es sich nicht etwa um Rastlinien oder Bruchfortschrittslinien wie bei Schwingrissen. Sie entstehen beim Gewaltbruchfortschritt durch Interaktion mit elastischen Wellen (Schallwellen) vor dem Riss (siehe Bild 1). Weitere wichtige Hinweise können Anlauffarben durch Oxidation (z.B. bei SiC- Keramiken) oder Verfärbungen geben. Sie weisen auf ältere Risszonen und damit auf ein unterkritisches Risswachstum (Bild 3) oder bereits vorhandene herstellungsbedingte Risse hin. Auch Keramiken können Überhitzungen (Tab. 1) und Reaktionen mit Ablagerungen erfahren. Sie sind an werkstoffspezifischen Veränderungen wie Anschmelzungen, Glasbildung (z.B. Blasen/ Schaum) und Verfärbungen zu erkennen. Dabei ist wichtig, dass Keramiken, auch als Schichten wie Wärmedämmschichten aus Zirkonoxid (Thermobarrieren) durchaus nicht immun gegen Reaktionen mit Stäuben sind (Bild 8). In diesem Fall ist eine Mikrorissbildung (Segmentierung) für die Haltbarkeit der Schicht notwendig. Sie ermöglicht den Ausgleich von Wärmedehnungsunterschieden zum tragenden Metall. Können Staubschmelzen in die Risse eindringen, kommt es zum Abplatzen (Bild 8). 4 .3.4.2 Mikroskopische Bruchflächenuntersuchung Bruchflächenuntersuchungen mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops (REM) können sehr hilfreich sein [2]. Porosität, Korngröße und Fremdphasen (Grafit, Glasphasen usw.) sind wichtige Merkmale für die Qualität keramischer Werkstoffe. Einschlüsse aus der Fertigung wie Eisen und Wolfram aus dem Mahlprozess sind im günstigen Fall mit dem Analysenzusatz am REM nachweisbar. Dagegen kann erfahrungsgemäß nicht mit dem Nachweis oder gar der Auswertung von Schwingbrüchen gerechnet werden. Für Keramiken im biologischen Einsatz mit ausgeprägtem unterkritischen Rissfortschritt mag das anders sein. 93 <?page no="106"?> Bild 7: Typische Bruchmerkmale spröder Werkstoffe Bruchflächen spröder Werkstoffe können bei makroskopischer Betrachtung zur Schadensklärung viel beitragen. ungleichmäßige Zugbeanspruchung Biegebeanspruchung + + + ebene Zugbeanspruchung "Wallnerlinien" Je kleiner die Primärbruchstücke, um so höher war das Spannungsniveau. Damit lässt sich auf die Spannungsverteilung und das Spannungsniveau schließen. Rissfront biegt auf der Druckseite ab Rissausgang mit konzentrischer Ausbreitung Spannungsverteilung quer zur Bruchfläche "fiedriger" Bruch auf der Druckseite Entstehungsfolge von Rissen 1 2 3 4 Rissbeginn Ein Riss kann sich beim Fortschritt nur in spitzem Winkel verzweigen. Daraus ergibt sich die Entstehungsfolge 1, 2 + 3, 4 1 2 2 2 der "durchlaufende" Riss war zuerst da. hoch mittel niedrig fiedriger Bruch Bruchspiegel Nebel Bruchflächenmerkmale am Anriss eines spröden Werkstoffs. r m = A . r m (3) 94 <?page no="107"?> Bild 8: Schädigungsmechanismen von Wärmedämmschichten aus Zirkonoxid 4 .3.4.3 Kritische Fehlergröße Durch einfache bruchmechanische Betrachtungen in Kombination mit makroskopischer und mikroskopischer Bruchflächenauswertung lässt sich auf die Größe schadensauslösender Fehler schließen. Dies ist zur Beantwortung folgender Fragen wichtig: - Ist ein in der Bruchfläche gefundener Fehler bei der zu erwartenden Betriebsbeanspruchung bzw. der Bauteilauslegung als schadenursächlich anzusehen? - Welche Betriebsbeanspruchung hat den schadensauslösenden Rissfortschritt von einem in der Bruchfläche gefundenen Initialfehler herbeigeführt? - War die zur Qualitätssicherung angewandte zerstörungsfreie Prüfung für die kritische Fehlergröße empfindlich genug? ca. 1 mm Wärmedämmschicht In Segmentierungsriss eindringende Staubschmelze Erosion, Anschmelzungen chemische Reaktion mit Ablagerung Wärmespannungen Abheben der Wärmedämmschicht Sauerstoffdiffusion 95 <?page no="108"?> Zur überschlägigen Beantwortung dieser Fragen genügt meist die Anwendung der Formel (5) in Bild 9. Die kritische Risslänge a c entspricht der Fehlergröße die unter der Beanspruchung zum Gewaltbruch, d.h. katastrophalem Rissfortschritt und damit zum Schaden führt. Bei unterkritischem Risswachstum vor dem (Rest-)Gewaltbruch durch Kriech und Umgebungseinflüsse gilt für die Fortschrittsgeschwindigkeit: v = A . (K I ) n K I ist die Spannungskonzentration durch die Belastung. A und n sind bruchmechanisch bestimmbare Werkstoffkennwerte. K IC ist die kritische Spannungskonzentration, ein Werkstoffkennwert (Risszähigkeit, Tab. 1) ähnlich der Festigkeit. Sie liegt für Keramiken erwartungsgemäß viel niedriger als für Stähle. Wird sie von der herrschenden Spannungskonzentration überschritten bzw. die sog. kritische Risslänge a c erreicht, kommt es auch bei Metallen zum spröden Gewaltbruch Hierzu ein Beispiel: Ein Bauteilquerschnitt aus der hochfesten Konstruktionskeramik HPSN steht unter der Zug-(Haupt-)Spannung von ca. 400 MN/ m 3/ 2 . Damit berechnet sich nach Formel (5) in Bild 9 die Größenordnung der kritischen, zum Schaden führenden Risslänge/ Fehlergröße auf ca. 0,1 mm. Fehler dieser Größenordnung sind also bei der vorgesehenen Betriebsbeanspruchung bruchauslösend. Bei kleineren Rissen/ Fehlern kann durch langsamen Fortschritt von a nach a c ein Bruch erst nach einiger Zeit auftreten, auch wenn der Ursprungsfehler deutlich kleiner als a c war. Dieses unterkritische Risswachstum muss bei der zulässigen Fehlergröße (ausreichend sichere Z.f.P.- Nachweisgrenze) einkalkuliert werden. Einen solchen Effekt kennt man z.B. von Gläsern unter ausreichend hoher Zugspannung (Eigenspannung), die sich in Feuchtigkeit befinden (Bild 3). Bei auswertbarer Initialfehlergröße ist umgekehrt auf das Niveau der schadensauslösenden Zugspannung rückzuschließen. 96 <?page no="109"?> Bild 9: Abschätzung der kritischen, einen spröden Gewaltbruch auslösenden Rissgröße. 4 .3.5 Keramografie Es handelt sich um das Pendant zur Metallografie. Die Untersuchung keramischer Werkstoffe mit Schliffen ist wie bei Metallen ein wichtiges Werkzeug der Schadensuntersuchung und Qualitätssicherung. Von besonderer Bedeutung ist das Heraustrennen der Proben aus Bauteilen oder Bruchstücken. Dies geschieht üblicher weise mit diamantbeschichteten Trennscheiben. Ungeeignete Schnittparameter können die Schnittfläche durch Ausbrüche und Rissbildung nicht mehr auswertbar schädigen. Die nachfolgenden keramografischen Schleif- und Polierverfahren sind gewöhnlich nicht in der Lage, diese Schädigung ausreichend zu entfernen. In diesem Fall besteht erfahrungsgemäß die Gefahr, dass Artefakte beurteilt werden. Polieren erfolgt vorzugsweise am eingebetteten Schliff. Das gilt besonders für spröde Schichten auf Metall. Zur Anwendung kommen automatische Poliermaschinen und Diamantpolierpasten. Die Präparationsdauer beträgt üblicherweise 1 bis 2 Stunden. Ein anschließendes Polieren mit 0,003 mm Al 2 O 3 ist in vielen Fällen zu empfehlen, um Kantenschärfe und Schliffebenheit zu optimieren. Filigrane Bauteile wie keramische Lamellen oder Beschichtungen auf metallischen Trägerblechen von Katalysatoren sollten vor der Probenentnahme mit Kunstharz infiltriert werden. Beim anschließenden üblichen Einpressen in Kunststoff besteht die Gefahr des Probenbruchs. Weitere Hinweise auf Keramografietechniken gibt [3]. K I = . . a . K Ic = . . a c . Korrekturen für - Rissform - Oberfläche - Rückwand plastische Zone - Breiteneinfluss 2a a Innenriss Oberflächenriss (4) (5) 97 <?page no="110"?> Nach der Beurteilung des polierten Schliffs im Hellfeld, gegebenenfalls auch mit Interferenzkontrast (zur Identifikation von Phasen) kann eine Ätzung erfolgen. Für Alpha-SiC hat sich beispielsweise eine abgeänderte Murakami-Lösung (1 Teil KOH, 1 Teil rotes Blutlaugensalz, 2 Teile dest. Wasser) bewährt. Beta-SiC kann elektrolytisch in Oxalsäure geätzt werden (Farbätzung). Mit diesem Ätzverfahren lassen sich Korngröße und -form bestimmen. Si 3 N 4 kann man uneingebettet in Salzschmelzen ätzen. 4 .3.6 Zerstörungsfreie Prüfungen (Z.f.P.) Selbst wenn kritisch große Fehler hochbelasteter Keramikbauteile mit seriengeeigneten Z.f.P.-Verfahren nicht oder nicht ausreichend sicher auffindbar sind, haben solche Verfahren doch Ihre Berechtigung zur Qualitätssicherung. Das gilt besonders im Verlauf des Herstellungsprozesses. Grundsätzlich sind bekannte Z.f.P.-Verfahren anwendbar. Hierzu gehören Eindringprüfung, Ultraschallprüfung und Röntgenprüfung. Zwar lassen sich damit nur Fehler finden, die gewöhnlich noch deutlich über der kritischen Größe des zu erwartenden Betriebsspannungsniveaus hochfester Keramiken liegen. Es können im Zuge der Herstellung aber bereits fehlerhafte Teile ausgesondert und die Ursachen rechtzeitig ermittelt werden. Beim Röntgen sind die Erfolge mit den üblichen Geräten für Metalle meist nicht zufriedenstellend. Besser sind medizinische Röntgengeräte die eine gute Fehlererkennbarkeit ermöglichen. So sind z.B. Trennungen in ‚Grünlingen’ oder gesinterten Spritzgussteilen erkennbar. Die Eindringprüfung ist bei bearbeiteten Flächen (Schleifen, Polieren) wie in hochbeanspruchten Bauteilzonen besonders empfindlich. Sie sollte deshalb nach Möglichkeit am Fertigteil erfolgen. Natürlich ist eine Eindringprüfung an porösen Bauteilen eingeschränkt. In Sonderfällen kann eine spezielle Eindringstoffvariante helfen. 4 .4 Schadensverhütung Sie erfordert an keramischen und gläsernen Bauteilen des Maschinenbaus langjährige Erfahrung. Diese ist bei Rohteilherstellern mit Branchenfremdheit zum Maschinenbau oft nicht zu erwarten. Einige wichtige Grundregeln, die selbsterarbeitete Erfahrungen jedoch nicht ersetzen können, sind: - Hochbeanspruchte Bauteilzonen müssen eine erstklassige, schädigungsfreie Oberflächenqualität aufweisen. - Keramische Bauteile sollten nach Möglichkeit nicht auf Zug beansprucht werden. Eine Beanspruchung auf Druck (z.B. durch Einschrumpfen von Büchsen) ist dagegen in vielen Fällen vorteilhaft. Dabei sind jedoch Steifigkeitssprünge an den Übergängen der Enden zu entschärfen. Das gilt z.B. bei überlagerten Betriebswärmespannungen. Allgemein gilt: Scherbeanspruchung ist Biegung vorzuziehen. - Gleichmäßige Bauteiltemperaturen bzw. möglichst kleine Gradienten sind anzustreben. An Kontaktflächen zu Metallen sind ausgleichende Zwischenschichten (plastische Anformung, Wärmeisolation) empfehlenswert. 98 <?page no="111"?> - Berücksichtigung von Reibbeiwerten in Kontaktzonen und deren möglicher Langzeitveränderung. Je niedriger der Reibbeiwert, desto niedriger die Anstrengung in einer von Schub- und Zug/ Biegung beanspruchten Auflagefläche. - Die Festigkeitsauslegung von Bauteilen muss auf der Basis bauteilrelevanter Werkstoffdaten unter Berücksichtigung des belasteten Volumens bzw. der Oberfläche erfolgen. - Langzeitschädigungen im Betrieb, insbesondere unterkritischer Rissfortschritt, sind zu berücksichtigen. 4 .5 Literatur [1] Richerson, D.W.: „Modern Ceramic Engineering“. Verlag: Marcel Dekker, Inc. New York und Basel, S. 325 - 375 [2] Engel, L.: „Schäden an keramischen Werkstoffen des Maschinenbaus“. Zeitschrift: VDI-Z, 124 (1982) 21, S. 815 - 820 [3] Weidemann, E.: „Preparation of Ceramic Specimens for Reflected Light Microscopy“. Zeitschrift: Metal Progress, November 1982, S. 51 - 54 [4] Shand, E.B.: „Breaking stress of glass determined from dimensions oft fracture mirrors“. Zeitschrift: J.Am.Ceram.Soc. 42, 474 (1959) [5] Zipperian, D.C., Chanat, S.N.: „Advanced Composites for Microscope“. Zeitschrift: Advanced Materials & Progresses 8/ 93, S. 16 -21 [6] Dillinger, L.: „Metallographic Preparation of Ceramics - Metal Composites“. Zeitschrift: Advanced Materials & Progresses 8/ 89, S. 42 f. [7] Dauskardt, R.H., Ritchie, R.O., Cox, R.N.: „Fatigue of Advanced Materials“. Zeitschrift: Advanced Materials & Progresses 8/ 93, S. 30 - 35 99 <?page no="112"?> 5 Brüche bei metallischen Werkstoffen Johann Grosch Brüche zerlegen ein Bauteil in mehrere Teile und führen zu einem endgültigen Funktionsverlust, sie entstehen, wenn die das Bauteil beanspruchenden Kräfte F in einem Querschnitt A den dort vorhandenen Bruchwiderstand K des Werkstoffs erreichen und ein wachstumsfähiger Riss gebildet wird. Die Größen F, A, und K bestimmen das Bruchgeschehen, wobei dem (Nenn-) Spannungszustand F/ A noch Eigenspannungen überlagert sein können. Gewaltbrüche 1 entstehen, wenn die bruchauslösende Spannung die statischen Festigkeitskennwerte Rm oder Rp 0,2 des Werkstoffs erreicht, der dadurch gebildete Anriss führt zu unmittelbarer Werkstofftrennung. Gemäß F/ A waren dann die einwirkenden Kräfte F größer als bei der Auslegung angenommen oder der Querschnitt A ist durch abrasiven Verschleiß oder durch abtragende Korrosion geschwächt worden. Bild 1 zeigt durch abrasiven Verschleiß geschwächte Verbindungselemente einer Kette und den Bruch an einem abgetragenen Querschnitt. Bild 1: Verschleiß und Bruch eines Verbindungselements einer Kette Die Festigkeitseigenschaften K können während oder besser durch die betriebliche Nutzung kleiner werden und wachstumsfähige Risse bei Nennspannungen ergeben, die kleiner als die statische Festigkeit sind. Dazu gehören Ermüdungsbrüche 2 bei 1 Siehe 5.1 Gewaltbrüche 2 Siehe 5.2 Ermüdungsbrüche 100 <?page no="113"?> wechselnder Belastung, Zeitstandbrüche 3 bei höheren Temperaturen und korrosionsbedingte Rissbildung 4 mit nachfolgendem Bruch. Wärmeeinwirkungen und Umgebungseinflüsse können versprödende Gefügeänderungen ergeben, durch die die Duktilität bei gleichbleibenden Festigkeitswerten abnimmt. Die Versprödung, durch Wärmebehandlung, durch Waserstoffaufnahme und durch Strahlungseinflüsse (UV-Strahlung; Röntgenstrahlung, Neutronenstrahlung) sind schadenskundlich relevant, wenn bei der Festigkeitsauslegung duktiles Werkstoffverhalten vorausgesetzt wurde, beispielsweise bei mehrachsigen Zugspannungszuständen oder bei Tieftemperaturbeanspruchungen. 3 Siehe 6 Schäden bei höheren Temperaturen 4 Siehe 11 Korrosionsschäden an metallischen Werkstoffen 101 <?page no="114"?> 5.1 Gewaltbruch metallischer Werkstoffe Johann Grosch Gewaltbrüche sind Schadensfälle, bei denen eine einmalige, zügige und einsinnige Beanspruchung durch Lastspannungen, welche zusammen mit möglicherweise vorhandenen Eigenspannungen die Fließfestigkeit oder die Bruchfestigkeit des Werkstoffs erreichen, zu vollständiger Werkstofftrennung führt und das Bauteil in mindestens zwei Teile mit makroskopisch bestimmbaren Bruchflächen zerlegt wird. Brüche bei Lastspannungen, die kleiner sind als die statischen Festigkeitsgrenzen, setzen eine von der Beanspruchungsdauer abhängige Werkstoffschädigung (durch Temperatur- oder Korrosionseinflüsse, durch wechselnde Kräfte) voraus und sind damit im eigentlichen Sinne keine Gewaltbrüche. Versagen durch Instabilität wie Knicken oder Beulen ist von der Geometrie, dem Beanspruchungszustand und dem Elastizitätsmodul abhängig und soll hier nicht behandelt werden. Der Gewaltbruch wird durch Versetzungsprozesse eingeleitet, die durch die äußeren Kräfte erzwungen werden. Eine äußere Spannung führt in den Körnern des Werkstoffs zu Schubspannungen, die in Versetzungsgleitsystemen am größten sind, in denen die Gleitebenen unter 45° zur äußeren Spannung liegen. Die Schubspannungen bewegen die in technischen metallischen Werkstoffen immer vorhandenen Versetzungen zur Korngrenze und aktivieren Versetzungsquellen. Versetzungen können Korngrenzen nicht überwinden, so dass immer mehr Versetzungen an der Korngrenze aufgestaut werden. An der Spitze der Versetzungsaufstauung entsteht ein Spannungsfeld aus Normal- und Schubspannungen. Das Spannungsfeld wird abgebaut, wenn die Normalspannungen die Trennfestigkeit der Matrix oder der Korngrenze erreichen oder wenn die Schubspannungen Versetzungen vor der Korngrenze im nächsten Korn bewegen können. Normalspannungen führen zu Rissbildung und makroskopisch verformungslosem Bruch, durch Schubspannungen wird plastisches Fließen des Werkstoffs erzwungen, das zum Verformungsbruch führt. Gewaltbrüche ohne makroskopische Verformung treten bei sprödem Werkstoffverhalten auf, der bruchauslösende Spannungsanteil steht senkrecht zur Bruchfläche. Die im Bauteil elastisch gespeicherte Energie wird beim Bruch freigesetzt, vor allem bei hochbelasteten Bauteilen können daraus Folgeschäden entstehen. Gewaltbrüche, denen makroskopische Verformungen vorausgehen, werden durch Schubspannungen ausgelöst, das Versagen ist weniger gefährlich, da ein Teil der elastisch gespeicherten Energie durch die Verformung verbraucht wird. Nach Inbetriebnahme eines Bauteils oder einer Anlage werden Gewaltbrüche nur noch durch unsachgemäßen Betrieb verursacht, da Auslegungsfehler bereits bei der Abnahme zu Versagen führen. Das Schadensbild eines Gewaltbruchs ist vom Werkstoffverhalten und vom Spannungszustand abhängig, kennzeichnende makroskopische und mikroskopische Erscheinungsformen werden nachfolgend besprochen. 102 <?page no="115"?> 5.1.1 Makroskopisch verformungsloser Gewaltbruch Vorgang des spröden Gewaltbruchs. Ein makroskopisch verformungsloser spröder Gewaltbruch eines zunächst fehlerfreien Gefüges besteht aus den Teilvorgängen Rissbildung und instabiles Risswachstum bis zur vollständigen Werkstofftrennung. Die Rissbildung wird dabei durch das Spannungsfeld der Versetzungsaufstauung eingeleitet. Die Normalspannungen können zu Anrissen längs Spaltebenen der Matrix oder zum Aufreißen der Korngrenze führen, je nach dem, ob zuerst die Trennfestigkeit der Matrix oder die Korngrenzenfestigkeit erreicht wird. Risse können demnach interkristallin in den Korngrenzen oder transkristallin in der Matrix entstehen. Ein Riss wächst instabil, wenn die zum Risswachstum benötigte Energie durch die bei der Rissverlängerung freiwerdende elastisch gespeicherte Energie aufgebracht wird. Die kritische Risslänge, bei der instabiles Risswachstum und damit spröder Gewaltbruch eintritt, ist vom Werkstoffzustand und der Lastspannung abhängig, die beschriebene Rissbildung leitet daher den Gewaltbruch unmittelbar nur dann ein, wenn der entstandene Riss die kritische Größe bereits erreicht hat. Rissbildung und Risswachstum ergeben somit die beiden kennzeichnenden Formen des interkristallinen oder des transkristallinen Gewaltbruches, bei denen Rissausbreitungsgeschwindigkeiten bis etwa 1000 m/ s auftreten können. Interkristalline und transkristalline Rissverläufe können in einer Bruchfläche auch gemischt auftreten. Erscheinungsbild des spröden Gewaltbruchs. Der Gewaltbruch ist per Definition makroskopisch verformungslos mit geometrisch bestimmbaren Bruchflächen, die senkrecht zur den Bruch auslösenden (Normal-) Spannung stehen. Bild 1 zeigt die Bruchfläche einer Zerreißprobe eines harten Gefüges, in der von der Probenmitte ausgehende strahlenförmige Bruchlinien zu erkennen sind. Die Bruchflächen vor allem grobkörniger Gefüge erscheinen bei visueller Betrachtung und unter dem Stereomikroskop häufig glitzernd, weil Spaltflächen und freigelegte Korngrenzenflächen einfallendes Licht widerspiegeln (Bild 2). Bruchlinien auf der Bruchfläche weisen auf den Ausgangspunkt des Bruchs hin, in dem sie zusammenlaufen (in Bild 1 in der Mitte und in Bild 3 an der Kante). 103 <?page no="116"?> Bild 1: Bruchfläche einer Zerreißprobe (Stahl 100Cr6, 64 HRC) Bild 2: Gewaltbruch eines Rohres aus C15, 10mmØ gasnitrocarburiert, Kernhärte 200 HV1, 104 <?page no="117"?> Bild 3: Bruchlinien auf einer Biegeprobe (98NiMnCr 14-5, 650 HV10) Der Verlauf von Nebenrissen oder von Rissen, die nicht zur Bauteiltrennung führten, ist lichtmikroskopisch in auf Korngrenzen geätzten Gefügen gut zu erkennen. Transkristalline Risse verlaufen vergleichsweise geradlinig durch das Gefüge Bild 4a, interkristalline Risse folgen den Korngrenzen, umlaufen Körner und sind häufig verzweigt, Bild 4b. Bild 4a: Transkristalliner Rissverlauf (42CrMo4, randschichtgehärtet) 105 <?page no="118"?> Bild 4b: Interkristalliner Rissverlauf (42CrMo4) Kennzeichnende rasterelektronenmikroskopische Merkmale des interkristallinen Bruchs sind die freigelegten Kornflächen (Bild 5, überhärteter, grobkörniger Stahl 100Cr6) und teilweise, bei verzweigten Rissen, auch umlaufene Körner (Bild 6, seigerungsversprödeter Werkstoff CuNi18Zn20). Der transkristalline Bruch harter Gefüge wird überwiegend bei martensitischen Gefügen beobachtet, in den Bruchflächen ist keine Gefügestruktur zu erkennen (Bild 7, Stahl 100Cr6 gehärtet, aus Bild 1, und Bild 8, einsatzgehärtetes Randgefüge des Stahls MUSt 3), der regelmäßige Bruchfortschritt im Plattenmartensit ist für den Gewaltbruch dieser Gefüge kennzeichnend. Bei Schadensfällen werden häufig beide Brucharten in einer Bruchfläche gefunden, (Bild 9, Mischbruch im einsatzgehärteten Randgefüge des Stahls SAE 8620). Bild 5: Interkristalliner Bruch (100Cr6, 760 HV10, ASTM 3) 106 <?page no="119"?> Bild 6: Interkristalliner Bruch (CuNi18Zn20) Bild 7: Transkristalliner Bruch (Stahl 100Cr6, 64HRC), aus Bild 1 107 <?page no="120"?> Bild 8: Transkristalliner Bruch (einsatzgehärtetes Randgefüge (MUSt 3, 825 HV1) Bild 9: Mischbruch (einsatzgehärtetes Randgefüge des Stahls SAE 8620, 740 HV1) 108 <?page no="121"?> 5.1.2 Verformungsbruch Vorgang des Verformungsbruches. Der Schubspannungsanteil des besprochenen Spannungszustands vor der Versetzungsaufstauung kann Versetzungen im Nachbarkorn bewegen, wenn er deren Bewegungsschubspannung erreicht. Diese Versetzungen werden vor der nächsten Korngrenze erneut aufgestaut und ergeben ein Spannungsfeld, das wiederum durch Aktivierung von Versetzungen abgebaut werden kann. Dieser Vorgang wird solange fortgesetzt, bis das gesamte beanspruchte Volumen fließt und der Werkstoff durch Abgleiten getrennt wird. Bei Werkstoffen höherer Festigkeiten entstehen bei diesem Ablauf durch Versetzungsprozesse, die bevorzugt an Ausscheidungen und an Einschlüssen ablaufen, im Werkstoff Hohlräume, die mit zunehmender Verformung größer werden. Die zwischen den Hohlräumen verbliebenen Werkstoffbereiche (Wände zwischen den Hohlräumen) werden schließlich durch Schubspannungen getrennt, der Gewaltbruch durch Abgleitung in der "inneren" und der bei Zugbeanspruchung ausgeprägten "äußeren" Einschnürung ist ohne den spröde Brüche kennzeichnenden Verlauf mit Rissbildung und Risswachstum eingetreten. Erscheinungsbild des Verformungsbruchs. Die ideale Form der Abgleitung kann näherungsweise bei reinen Metallen und Prüftemperaturen größer Raumtemperatur auch makroskopisch beobachtet werden. Im Zugversuch schnürt die Probe nahezu vollständig ein, eine Bruchfläche ist nicht mehr messbar. Technische Werkstoffe schnüren im Zugversuch nur teilweise ein, der restliche Querschnitt "bricht" mit definierter Bruchfläche senkrecht zur Lastspannung, wenn der tragende Querschnitt durch die Hohlraumbildung so gering geworden ist, dass Schubbruch eintritt. Der makroskopische Bruch besteht dann im Außenbereich aus Schublippen, die etwa 45° zur Längsachse geneigt sind, und aus der unregelmäßigen und im Auflicht stumpf erscheinenden Bruchfläche (Bild 10). Die Schublippen sind glatt, oft glänzend und immer am Bruchende, vor allem bei vergüteten Gefügen sind die Schublippen auch fräserförmig angeordnet (Bild 11). Die Hohlräume sind im Makroschliffbild zu erkennen, Bild 12 zeigt den Einschnürbereich einer Zugprobe aus Al99. Die Bruchfläche besteht bei rasterelektronenmikroskopischer Betrachtung aus halbrunden bis elliptischen Vertiefungen (Bild 13), den getrennten Hohlräumen, die als Bruchwaben bezeichnet werden und häufig noch Einschlüsse enthalten (im Bild 13 sind Aluminiumoxide zu erkennen). Im Schliff durch die Bruchfläche sind die Waben ebenfalls darzustellen (Bild 14), bei einem Verformungsbruch ist die lichtmikroskopische Untersuchung hinsichtlich des Bruchzustands jedoch nicht lohnend. Die Bruchwaben sind kennzeichnend für duktilen Bruch, die Größe der Waben ist ein qualitatives Maß für die Zähigkeit, ihre Neigung zur Bruchfläche weist auf die Verformungsrichtung und damit auf den Spannungszustand hin. Bruchwaben können auch entlang der Korngrenzen entstehen (Bild 15), wenn das Gefüge im Bereich der Korngrenzen ausscheidungsfrei und damit weicher als die Korngrenze und die übrige Matrix ist. 109 <?page no="122"?> Bild 10: Einschnürbereich einer Zugprobe (13CrMo44 N, 205 HB30) Bild 11: Einschnürbereich einer Zugprobe (13CrMo44 V, 330 HV10) 110 <?page no="123"?> Bild 12: Makroschliffbild des Einschnürbereichs einer Zugprobe aus Al99 Bild 13: Wabenbruch (Stahl Ck15, blindgehärtet, 410 HV10) 111 <?page no="124"?> Bild 14: Wabenbruch (AlMg3, 73 HB5) Bild 15: Bruchwaben auf Kornflächen, 42CrMo4 112 <?page no="125"?> 5.1.3 Einflussgrößen auf die Bruchausbildung Die Bruchausbildung wird von der Wechselwirkung zwischen Gefüge und Beanspruchungszustand bestimmt, die Einflussgrößen sind für spröden und für zähen Bruch in aller Regel gegenläufig und können daher gemeinsam besprochen werden. Beanspruchungszustand. Spannungszustand und Laststeigerungsgeschwindigkeit sind entscheidende Parameter für die Bruchausbildung oder, aus der Sicht der Auslegung, für den Übergang vom gewünschten zähen Verhalten zum spröden Versagen. Räumliche Zugspannungszustände, die vor allem im Bereich von Kerben vorliegen, begrenzen die Verformungsfähigkeit des Werkstoffs, im isostatischen Zugspannungszustand versagt jeder Werkstoff verformungslos (Gestaltversprödung). Hohe Laststeigerungsgeschwindigkeiten, die bei Schlagbeanspruchung offensichtlich sind, die bei metallischen Schichtverbundwerkstoffen aber auch als hohe Risswachstumsgeschwindigkeiten beim Übergang des Risses von einem harten zu einem weichen Gefüge entstehen können, begünstigen ebenfalls sprödes Versagen auch weicher Gefüge. Dabei entstehen kennzeichnende Bruchstrukturen aus transkristallinen Spaltflächen, die Korngrenzen nicht mehr erkennen lassen, (Bild 16, Stahl MUSt3 in ferritisch-perlitischem Gefügezustand, Bruchstruktur unterhalb des einsatzgehärteten Randgefüges, s. Bild 8), wobei der Bruch oft durch örtliche Spannungskonzentrationen ausgelöst wird (Bild 17, Aluminiumoxid in Stahl 16MnCr5, blindgehärtet). Ebene Spaltflächen weisen auf eine kleine plastische Zone vor dem Riss hin, gewölbte Spaltflächen entstehen, wenn eine große plastische Zone vorgelegen hatte. Bild 16: (Quasi-) Spaltbruch, MUSt3 einsatzgehärtet, Kerngefüge 300HV1 113 <?page no="126"?> Bild 17: Aluminiumoxideinschluss in einer Bruchfläche. 16MnCr5 einsatzgehärtet, Kerngefüge 440HV1 Am Torsionsspannungszustands ist der Einfluss des Spannungszustands auf die Versagensform gut zu erkennen. Das Torsionsmoment führt zu einem ebenen Spannungszustand aus Zug-, Druck- und maximalen Schubspannungen, die dem Betrage nach gleich groß sind. Bei Torsion ist damit Versagen durch Trennbruch und durch Scherung möglich (Bild 18). Torsionsbeanspruchte Wellen können damit duktil quer zur Wellenlängsrichtung (Bild 19) oder spröde längs einer unter 45° zur Längsrichtung verlaufenden Mantellinie (Bild 20) brechen. Entscheidend für die Bruchart ist dabei das Verhältnis von Trennfestigkeit zu Schubfestigkeit im beanspruchten Bauteilquerschnitt. Zur Bruchebene geneigte und gebogene Waben und Trennbruchbereiche in einer Bruchfläche (Bilder 21 und 22, aus Bild 19) sind ein häufig gefundenes Kennzeichen für Versagen durch den gleichwertigen ebenen Torsionsspannungszustand. Bild 18: Versagensarten bei Torsionsbeanspruchung 114 <?page no="127"?> Bild 19: Torsionsgewaltbruch (41Cr4, 285 HV10) Bild 20: Torsionsgewaltbruch, 25mm (42CrMo4, randschichtgehärtet) 115 <?page no="128"?> Bild 21: Torsionsbruchfläche (aus Bild 19) Bild 22: Torsionsbruchfläche (aus Bild 19) 116 <?page no="129"?> Gefügezustand. Harte Gefüge, Gefüge mit wenig aktivierbaren Gleitsystemen wie beispielsweise Metalle mit hexagonalem Gitter oder kubisch-raumzentriertem Gitter bei tiefen Beanspruchungstemperaturen und grobkörnige Gefüge (Bild 23, 145Cr6, Korngröße 2 nach ASTM, 300 HV50, bei -196°C gebrochen) sind bereits bei linearer und langsamer Beanspruchung sprödbruchgefährdet und brechen verformungslos, die genannten sprödbruchfördernden Einflüsse der Beanspruchung verschärfen die Sprödbruchgefahr. Die Festigkeit der Korngrenzen ist bei homogenen Werkstoffen in der Regel größer als die Matrixfestigkeit, interkristalline Brüche weisen daher auf geschädigte Korngrenzen hin. Dazu gehören herstellungs- oder wärmebehandlungsbedingte Seigerungen (Bild 24, 50NiMnCr14-5, 555 HV10, durch Anlassen bei 300°C versprödet) oder Ausscheidungen auf Korngrenzen und durch Korrosion angegriffene Korngrenzen. Im Gefüge gelöster Wasserstoff versprödet, wobei insbesondere Stähle mittlerer Härte gefährdet sind. Interkristalline Bruchanteile mit feinen Bruchlinien ("Krähenfüße") auf den Bruchflächen und Poren kennzeichnen wasserstoffversprödete Zustände (Bild 25). Grob heterogene Gefüge versagen ebenfalls interkristallin, wenn ein weiches Matrixgefüge von einer aus harten Bestandteilen bestehenden Korngrenze umschlossen wird (Bild 26, 145Cr6, Carbide auf Korngrenzen umschließen eine Matrix, die überwiegend (zu 87%) aus Restaustenit besteht). Herstellungsbedingte Risse und Ungänzen begünstigen den Gewaltbruch, da solche Fehler bereits bei geringeren Beanspruchungen als der Auslegung entsprechend eine kritische Größe haben. Bild 23: Spröder Bruch bei tiefen Temperaturen 145Cr5, ASTM2, 300HV50, bei -196°C gebrochen 117 <?page no="130"?> Bild 24: Versprödung durch Seigerungen. 50NiMnCr14-5, bei 300°C angelassen, 555HV10 Bild 25: Bruchstruktur nach Wasserstoffversprödung 20MnCr5, einsatzgehärtet 118 <?page no="131"?> Bild 26: Versprödung durch Ausscheidungen von Carbiden auf den Korngrenzen, 145Cr5, 277HV50 Schlussbemerkung. Art und Ursachen von Gewaltbrüchen können anhand hinreichend bekannter und eindeutiger makroskopischer und mikroskopischer Merkmale, die für interkristalline und für transkristalline Spaltbrüche und für Verformungsbrüche kennzeichnend sind, untersucht und geklärt werden. Aus der makroskopischen Bruchform kann häufig auch der Beanspruchungszustand abgeleitet werden. 5.1.4 Literatur ASM Handbook Vol. 12: Fractography. ASM International 1987 Aurich, D.: Bruchvorgänge in metallischen Werkstoffen. Werkstofftechnische Verlagsgesellschaft., Karlsruhe 1978 Esaklul, K. A. (Ed.): Handbook of Case Histories in Failure Analysis. Vol. I and II. ASM International 1992 and 1993 Grosch, J.: Werkstoffverhalten und Versagensformen bei Torsionsbeanspruchung. Härterei Techn. Mitt. 41(1986)333-339 Henry, G., Horstmann, D.: De Ferri Metallographia, Band V: Fraktographie und Mikrofraktographie. Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1983 Neidel, A. (Hrsg.): Handbuch Metallschäden. Carl Hanser Verlag, München 2011 119 <?page no="132"?> 5.2 Ermüdungsbruch metallischer Werkstoffe Johann Grosch Bauteilversagen durch Bruch während des Betriebs ist in der Mehrzahl der Fälle auf Werkstoffermüdung zurückzuführen, die Untersuchung von Ermüdungsbrüchen ist daher eine häufige Aufgabe in der Schadenskunde. Aus dem makroskopischen Bruchbild und den überwiegend rasterelektronenmikroskopisch aufgenommenen mikroskopischen Bruchstrukturen kann dabei der bruchauslösende Beanspruchungszustand und oft auch der Beanspruchungsverlauf bis zum Versagen abgeleitet werden. Ausgehend von den hierfür notwendigen Grundlagen der Ermüdung metallischer Werkstoffe werden die kennzeichnenden Merkmale und Erscheinungsformen der Ermüdungsbrüche besprochen und anhand einiger Beispiele vertieft. 5.2.1 Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe Metallische Werkstoffe können bei Belastung durch zeitabhängig veränderliche Lastspannungen versagen, die kleiner sind als die im Zugversuch ermittelten Festigkeitskennwerte, wenn die Lastspannungen häufig genug aufgebracht werden. Dieses mit Ermüdung bezeichnete Verhalten kann im Wöhlerschaubild (Bild 1) dargestellt werden, in dem für verschiedene Lastspannungen jeweils die Zahl der Lastwechsel bis zum Bruch aufgetragen ist. Die Wöhlerlinie verbindet die so erhaltenen Wertepaare, sie muss aufgrund der statistischen Natur des Ermüdungsvorgangs als Grenzlinie verschiedener Bruchwahrscheinlichkeiten (Bild 2) verstanden werden / 1/ . Werkstoffe mit kubischraumzentriertem Gitteraufbau der Matrix weisen einen Dauerfestigkeitsbereich mit waagrechtem Verlauf der Wöhlerlinie auf, der vom Zeitfestigkeitsbereich mit begrenzter Lebensdauer zu trennen ist. In einem Übergangsbereich zwischen dem Dauer- und dem Zeitfestigkeitsbereich treten Brüche und Durchläufer nebeneinander auf. Dagegen führen bei Werkstoffen mit kubischflächenzentriertem Gitteraufbau der Matrix schwingende Beanspruchungen immer zum Versagen, diese Werkstoffgruppe kennt somit nur einen Zeitfestigkeitsbereich. 120 <?page no="133"?> Bild 1: Schematische Wöhlerkurve metallischer Werkstoffe A: Werkstoffe mit kubischraumzentriertem Gitter B: Werkstoffe mit kubischflächenzentriertem Gitter Bild 2: Wöhlerdiagramm aus Umlaufbiegeversuchen, 16MnCr5 einsatzgehärtet N G : Grenzschwingspielzahl, P: Bruchwahrscheinlichkeit 300 350 400 450 500 550 600 650 700 750 800 1 E+04 1 E+05 1 E+06 1 E+07 1 E+08 Schwingspielzahl N Spannungsamplitude A N G P = 5 % P = 95 % P = 95 % P = 5 % MPa 10 4 10 5 10 6 10 7 10 8 Brüche Durchläufer 121 <?page no="134"?> Der Ermüdungsbruch / 2/ umfasst Anrissbildung im zuvor rissfreien Gefüge, zeitabhängiges stabiles Risswachstum im linear-elastischen Bereich und den instabilen Gewaltbruch einer Restbruchfläche. Anrisse entstehen an Stellen maximaler positiver Spannungen, bei Bauteilen also überwiegend an der Oberfläche oder in oberflächennahen Bereichen. Dem Anriss gehen kennzeichnende Veränderungen der Versetzungsstruktur im Gefüge und der Oberflächenausbildung durch örtliche Aufrauhungen in Gleitbändern voraus, die jedoch für Schadensuntersuchungen in der Regel nicht nutzbar sind. Der Riss wächst transkristallin (Bild 3) jeweils in der Zugphase der Beanspruchung in einer Bruchebene, die senkrecht zur (Zug-) Spannung steht, wobei abhängig von Beanspruchungszustand auch mehrere Anrisse wachsen können. Der Ermüdungsbruch ist makroskopisch verformungslos, die partiell irreversiblen Versetzungsbewegungen, die dem Anriss vorausgehen, bedeuten eine mikroplastische Verformung. Mit zunehmendem Risswachstum wird die effektive Spannung im verbleibenden nicht getrennten Querschnitt immer grösser, Gewaltbruch tritt ein, wenn die effektive Spannung die Festigkeitskennwerte des Werkstoffs bei zügiger Beanspruchung erreicht. Die äußeren Bruchkräfte sind beim Ermüdungsbruch also immer kleiner als beim Gewaltbruch. Bild 3: Schnitt durch eine Schwingungsbruchfläche (Cf53 randschichtgehärtet), das Rissufer ist jeweils die linke Bildlinie 122 <?page no="135"?> 5.2.2 Makroskopische Merkmale von Ermüdungsbruchflächen Das makroskopische Bild einer Ermüdungsbruchfläche zeigt eine hellere Schwingungsbruchfläche und eine dunklere Gewalt- oder Restbruchfläche (Bild 4). Die Verteilung dieser Flächen und die zugehörigen Oberflächenstrukturen, vor allem die der Schwingungsbruchflächen, enthalten zahlreiche Merkmale für schadenskundliche Aussagen. Die Größenverteilung der Flächenanteile weist auf die Bauteilauslegung hin, große, geglättete Schwingungsbruchflächen mit entsprechend kleiner Restbruchfläche sind Merkmale hoher statischer Sicherheit gegen Gewaltbruch, gleichbedeutend mit einer vergleichsweise niedrigen Spannungsamplitude der Schwingungsbeanspruchung (Bild 4, Umlaufbiegung im Dauerfestigkeitsbereich, verglichen mit Bild 5, Umlaufbiegung im Zeitfestigkeitsbereich, mit insgesamt gröberer makroskopischer Bruchstruktur). Bild 4: Bruchoberfläche einer Umlaufbiegeprobe im Übergangsgebiet 17CrNiMo7-6, einsatzgehärtet, 6,74mm Durchmesser Der Ermüdungsbruch beginnt an der Oberfläche oder in randnahen Bereichen des Bauteils. Die Bruchausgangsstelle kann häufig aus dem makroskopischen Bruchbild anhand kennzeichnender Linien auf der Bruchoberfläche entnommen werden (in Bild 6 am linken Rand der Bruchfläche durch konzentrische Kreise angezeigt). Die Anordnung von Schwingungsbruch- und Gewaltbruchflächen kennzeichnen den Spannungszustand der Beanspruchung nach Art, Höhe und Inhomogenität und sind somit ein wertvolles Merkmal bei der Schadensklärung. Bild 7 zeigt schematisch kennzeichnende geometrische Anordnungen. 123 <?page no="136"?> Bild 5: Bruchoberfläche einer Umlaufbiegeprobe im Zeitfestigkeitsgebiet 16MnCr5, einsatzgehärtet, 6,74mm Durchmesser ² Bild 6: Ermüdungsbruchfläche eines Stabes aus Titan TiAl6V4, im Bild links Bruchbeginn, rechts Restbruchfläche 124 <?page no="137"?> Bild 7: Schematische Anordnung von Schwingungsbruchflächen (Nuness) Der wichtige Zusammenhang zwischen Spannungszustand und makroskopischer Bruchstruktur soll am Beispiel der in Bild 7 nicht enthaltenen Torsionsschwingbeanspruchung / 3/ unterstrichen werden. Der ebene Torsionsspannungszustand aus Zug- , Druck- und maximalen Schubspannungen, die dem Betrage nach gleich groß sind, ergeben die in Bild 8 dargestellten Versagensmöglichkeiten. Der Torsionsschwingungsbruch einer randschichtgehärteten Welle verläuft demnach im gehärteten Gefüge spiralig auf Trennebenen und im weicheren Kerngefüge senkrecht zur Längsachse auf Scherebenen (Bild 9). 125 <?page no="138"?> Bild 8: Versagensmöglichkeiten bei Torsionsschwingbeanspruchung Bild 9: Schwingungsbruch einer randschichtgehärteten Torsionswelle aus Cf53 Glatte Schwingungsbruchflächen weisen auf einen langsamen Rissfortschritt hin, bei dem die gegenüberliegenden Bruchflächen durch die Relativbewegung eingeebnet worden sind. Schwingungsbruchflächen mit nur einer Bruchebene lassen darauf schließen, dass ein Anriss unter regelmäßiger Schwingbeanspruchung mit niedriger Spannungsamplitude fortgeschritten ist. Veränderungen in der Beanspruchung wie zeitweiliger Stillstand oder Übergang zu anderen Spannungsamplituden sind anhand von Rastlinien auf der Schwingungsbruchfläche zu erkennen (Bilder 10 und 11). Rastlinien sind immer konkav zum Bruchbeginn, der damit einfach zu erkennen ist (siehe auch Bild 6). 126 <?page no="139"?> Bild 10: Schwingungsbruchfläche einer durch Wechselbiegung beanspruchten Achse aus Ck45, Ø70mm. Der Bruch begann im Bild rechts, auf der linken Bildseite ist der Restbruchbereich zu erkennen. Bild 11: Rastlinien auf der Schwingungsbruchfläche einer Verdichterschaufel, X20Cr13 Bei randschichtverfestigten ungekerbten Bauteilen kann der Bruch auch unter der Oberfläche beginnen und in Form einer Anrisslinse kreisförmig bis zur Oberfläche wachsen. In Bild 12 ist eine solche Bruchlinse als hellere Stelle zu erkennen. Gefügeinhomogenitäten begünstigen den unter der Oberfläche (Bild 13) 127 <?page no="140"?> Bild 12 Anrisslinse, 14NiCr14, einsatzgehärtet Bild 13: Aluminiumoxid in der Mitte der Anrisslinse, 14NiCr14, einsatzgehärtet 128 <?page no="141"?> Bei gekerbten Bauteilen geht der Bruch von der Oberfläche aus, der Bruchbeginn ist oft als „Daumennagelabdruck“ (Bilder 14) zu erkennen. Bild 14: Bruchausgangsstelle („Daumennagelabdruck“), Torsionsschwingungsbruch 5.2.3 Rasterelektronenmikroskopische Merkmale von Ermüdungsbruchflächen Die Auflösung der Bruchstrukturen mit dem Rasterelektronenmikroskop - das Lichtmikroskop ist wegen der zu geringen Tiefenschärfe hier ungeeignet - ergibt als kennzeichnendes mikroskopisches Merkmal des Ermüdungsbruchs die Schwingungsstreifen (Bilder 15 und 16), die an Proben häufig ausgeprägt und an Bauteilen oftmals weniger gut zu finden sind. Die Schwingungsstreifen entstehen beim Fortschreiten des Risses mit jedem Lastwechsel, wobei teilweise Lastwechselzahl und Schwingungsstreifen korrelieren, und sind in Rissfortschrittsrichtung gebogen. Vor allem beim Übergang zum Gewaltbruch sind die Schwingungsstreifen auch in gegeneinander versetzten Bahnen (Bild 17) angeordnet. Schwingungsstreifen bestätigen immer einen Ermüdungsbruch, der Umkehrschluss ist nicht zulässig, da auch Ermüdungsbruchflächen ohne Schwingungsstreifen möglich sind. In einigen Fällen können auch an Bauteilen die erwähnten Oberflächenveränderungen gefunden werden, Bild 18 zeigt die Oberfläche eines durch Ermüdung gebrochenen Rohres aus einer Aluminiumlegierung neben der Bruchstelle. 129 <?page no="142"?> Bild 15: Schwingungsstreifen, C45 Bild 16: Schwingungsstreifen, AlMg3 130 <?page no="143"?> Bild 17: Schwingungsstreifen in Bruchbahnen, Gußgefüge Bild 18: Oberflächenveränderung durch Schwingbeanspruchung, AlMg3 131 <?page no="144"?> 5.2.4 Beispiele Die Auswahl von Beispielen unterliegt immer der Notwendigkeit, aus der Vielfalt interessanter Schadensfälle einige wenige zu finden, bei denen die für den Ermüdungsbruch wichtigen (Teil-) Untersuchungen und Lösungen auch ohne die immer umfangreiche Schadensuntersuchung insgesamt dargestellt werden können. Im folgenden wird die Frage besprochen, ob ein Bruch überhaupt ein Ermüdungsbruch ist, sowie Beispiele für die Bruchursachen Werkstoffehler, Fertigungsfehler, Gestaltungsfehler und Ermüdungsbruch durch äußere Beschädigungen beim Betrieb besprochen. Erkennen der Bruchart. Bruchflächen sind durch sekundäre Einflüsse oft so beschädigt, dass sie makroskopisch nicht eindeutig als Ermüdungsbruchflächen identifizierbar sind. Bild 19 zeigt einen gebrochenen Nietzapfen aus X20Cr13, dessen Bruchfläche nach dem Bruch mechanisch beschädigt und durch Korrosionseinflüsse zusätzlich verändert wurde. Nach dem makroskopischen Befund kann die Bruchstruktur den von der Beanspruchung her möglichen Versagensarten Gewaltbruch oder Ermüdungsbruch nicht eindeutig zugeordnet werden, da die Bruchfläche zu stark beschädigt ist. Die rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der Mikrostruktur in Bild 20 lässt Schwingungsstreifen und damit einen Ermüdungsbruch erkennen. Bild 19: Bruchfläche eines Nietzapfens, X20Cr13 132 <?page no="145"?> Bild 20: Schwingungsstreifen auf der Bruchfläche des Nietzapfens Bruchursache Werkstoffehler. An einer Welle aus 34CrNiMo6-3 mit 440 mm Durchmesser wurde nach kurzer Betriebsdauer ein schnelles Ansteigen der Laufunruhe festgestellt. Bei der Suche nach der Ursache wurde ein Anriss gefunden, der alle makroskopischen Merkmale eines Ermüdungsbruchs zeigt (Bild 21). Die maximalen Spannungen lagen weit unter der aus den Werkstoffkennwerten berechneten Tragfähigkeit, so dass Überbeanspruchung durch falsche Auslegung als Versagensursache ausgeschlossen werden konnte. Eine metallographische Untersuchung ergab, dass im Randgefüge im Bereich des Bruchausgangs ausgeprägte Seigerungen vorlagen (Bild 22). Die Schwächung des Werkstoffs durch diese Inhomogenitäten ist als Bruchursache anzusehen, wobei Korrosionseinfluss in Form eines partiell interkristallinen Bruchs mit angedeuteten Schwingungsstreifen auf den Kornflächen als Merkmale der Schwingungsrisskorrosion den Rissfortschritt zusätzlich begünstigte (Bild 23). 133 <?page no="146"?> Bild 21: Schwingungsbruchfläche einer Welle aus 34CrNiMo6-3, = 160 N/ mm², Bruchfläche (von unten) geöffnet geätzt mit Pikrin- und Salzsäure geätzt nach Oberhoffer Bild 22: Ungänzen mit Rissbildung im Randgefüge der Welle 134 <?page no="147"?> Bild 23: Mikrobruchfläche Schwingungsrisskorrosion Bruchursache Fertigungsfehler. Ein Lüfterflügel aus G-AlSi12 war nach dem makroskopischen Bruchbild ausgehend vom dickeren Querschnitt an der Nase des Profils eindeutig durch Ermüdungsbruch gebrochen. Die Bruchfläche (Bild 24) zeigte zahlreiche halbkugelige Vertiefungen, die auch im Makroschliff des Querschnitts als schwarze Kreise sowie an der Bruchausgangsstelle als angeschnittene Hohlräume gefunden wurden. Die Hohlräume sind auf Gaseinschlüsse zurückzuführen, die durch mangelnde Entgasung beim Gießen entstanden waren. Die Schwächung des Gefüges durch die zahlreichen Gasporen und insbesondere die als Kerben wirkenden angeschnittenen Poren im Randgefüge sind Ursache des Ermüdungsbruchs. 135 <?page no="148"?> Bild 24: Bruch eines Lüfterflügels aus G-AlSi12 Bruchursache Gestaltungsfehler. Die Antriebswelle aus 42CrMo4 eines Nebengetriebes eines Flugtriebwerks war nach kurzer Betriebsdauer gebrochen. Die Bruchfläche (Bild 25) zeigt einen Ermüdungsbruch mit einer großen, in mehrere Bereiche gegliederten Schwingungsbruchfläche und einer kleinen, deutlich außermittigen Gewaltbruchfläche, wie er für Umlaufbiegung typisch ist. Die Aufgliederung der Bruchfläche weist auf die Auswirkungen der je nach Betriebszustand verschiedenen Drehzahlen (4300-8600 U/ min) hin. Die Welle war praktisch ohne Übergangsradien von 27 mm Durchmesser auf 12 mm Durchmesser abgesetzt. Die Spannungsüberhöhung durch diese Querschnittsverringerung verursachte den Ermüdungsbruch. 136 <?page no="149"?> Bild 25: Schwingungsbruch einer Welle aus 42CrMo4 Betriebseinflüsse als Bruchursache. Eine äußere Beschädigung durch einen beim Gebrauch entstandenen tiefen Kratzer (Bild 26) am Rohr einer Beinprothese aus einer Aluminiumlegierung war Ausgangspunkt eines Ermüdungsbruches, Bilder 27und 28), der zum Versagen der Prothese führte. 137 <?page no="150"?> Bild 26: Rohr einer Beinprothese aus AlZnCuMg1,5; Beschädigung Bild 27: Rohr einer Beinprothese, Bruchfläche mit Rastlinien 138 <?page no="151"?> Bild 28: Rohr einer Beinprothese, Bruchfläche Schwingungsstreifen Eine Fahrradspeiche aus nichtrostendem Stahl war an der Nabe gebrochen. Der makroskopische Befund (Bild 29) zeigt einen Ermüdungsbruch durch schwellende Biegung, der durch Schwingungsstreifen (Bild 30) bestätigt wurde. Ausgangspunkt des Bruchs war eine durch Relativbewegung beschädigte Oberfläche, offensichtlich, weil die Speiche nicht genügend gespannt war. 139 <?page no="152"?> Bild .29: Schwingungsbruch einer Speiche, Makrobruchbild Bild 30: Schwingungsbruch einer Speiche, Schwingungsstreifen 140 <?page no="153"?> Der Bruch einer baugleichen Speiche im Gewinde an der Felge zeigt eindrücklich den Einfluss des hier wirkenden Kerb-Spannungszustands auf die Bruchform (Bild 31) verglichen mit dem Biegespannungszustand, der den in Bild 29 gezeigten Bruch verursachte. Bild 31. Schwingungsbruch einer Speiche im Gewindebereich Gestaltung, Werkstoffauswahl und Fertigung. Die Befestigung eines Sicherheitsgurts war an der Verschraubung mit dem Getriebetunnel gebrochen, glücklicherweise beim Anlegen des Gurts und nicht bei einem fahrbedingten Anlass. Die Untersuchung ergab makroskopisch (Bild 32) und mikroskopisch (Bild 33) eindeutig Ermüdungsbruch der Befestigungslasche. Die Lasche war mit einem Stahlseil (6 mm Durchmesser) mit dem Schloss verbunden und aus einem Rohr (2 mm Wandstärke) aus einer CuZn-Legierung hergestellt. Das Rohr war auf der einen Seite über das Stahlseil geschoben und hartgelötet, auf der anderen Seite flach gepresst und mit einer Bohrung versehen. Bei jeder Bewegung des Sicherheitsgurts, beim Schließen und im geschlossenen Zustand beim Fahren, wurde einen Biegemoment ausgeübt, dass durch das steife Drahtseil auf die Lasche übertragen wurde. Die konstruktive Lösung, bei der ein Moment mit großem Biegearm auf einen weichen Werkstoff mit geringer Biegewechselfestigkeit aufgebracht wird, war ebenso ungeeignet wie das Fertigungsverfahren, beim Zusammen drücken des Rohres entstandene Quetschstellen (Bild 34) förderten den Bruchbeginn. 141 <?page no="154"?> Bild 32: Schwingungsbruch der Befestigungslasche eines Sicherheitsgurts Bild 33: Schwingungsbruch der Befestigungslasche eines Sicherheitsgurts, Schwingungsstreifen auf der Bruchfläche 142 <?page no="155"?> Bild 34: Schwingungsbruch der Befestigungslasche eines Sicherheitsgurts, Bruchausgangsstelle 5.2.5 Literatur / 1/ Dengel, D.: Das Wöhlerfeld mit Bruchwahrscheinlichkeitskurven. Draht 31(1980),316-322 / 2/ Macherauch, E., Mayr,P.: Strukturmechanische Grundlagen der Ermüdung metallischer Werkstoffe. VDI-Berichte 268, 1976, 5-20 / 3/ Grosch, J.: Werkstoffverhalten und Versagensformen bei Torsionsbeanspruchung. Härterei Techn. Mitt. 41(1986)233-239 ASM Handbook Vol. 19: Fatigue and Fracture. ASM International 1996 Aurich, D.: Bruchvorgänge in metallischen Werkstoffen. Werkstofftechnische Verlagsges., Karlsruhe 1978 143 <?page no="156"?> Christ, H.-J. (Hrsg.): Ermüdungsverhalten metallischer Werkstoffe. Wiley-VCH. 2. Auflage Weinheim 2009 Grosch, J.: Fatigue Resistance of carburized and nitrided steels. In: Thermochemical Surface Engineering of Steels. E.J. Mittemeijer and M.A. J. Somers, Eds.: Woodhead Publ., Elsevier 2014, 209-240 Henry, G., Horstmann, D.: De Ferri Metallographia, Band V: Fraktographie und Mikrofraktographie. Verlag Stahleisen, Düsseldorf 1983 Nuness, J., F.L. Carr, F.R. Larson: in: R.F. Bunshah: Techniques for the Direct Obervations of Structure and Imperfections. Johan Wiley, NY 1968 Suresh, S.: Fatigue of Materials. Cambridge University Press. Second Edition, Cambridge 2006 144 <?page no="157"?> 6 Schäden als Folge thermischer Beanspruchung André Werner; Axel Roßmann 6.1 Einleitung Schäden an technischen Bauteilen liegen immer dann vor, wenn deren Funktion innerhalb einer vorgesehenen Lebensdauer nicht erfüllt werden kann. Die folgenden Darstellungen beschränken sich auf Schäden (und Vorstufen derselben) metallischer Werkstoffe von Bauteilen zur mechanischen Energieübertragung. Vorgestellt werden Schäden und Schadensmechanismen im „klassischen“ Maschinenbau. Ein Schaden tritt an derartigen Bauteilen immer dann ein, wenn es zu einem unzulässigen Betriebsverhalten kommt. Diese kann sich als Deformation, Riss, Bruch, Werkstoffabtrag oder -auftrag präsentieren. Thermische Beanspruchungen allein sind in den seltensten Fällen Ursache von Schäden. Sie wirken im Zusammenspiel mit anderen Belastungen, besonders den mechanisch eingebrachten. Allerdings verändert die Überlagerung thermischer Einwirkungen die Schadensmechanismen und damit das Versagensverhalten von Bauteilen. Die Ursache dieser Veränderungen ist die erhöhte Beweglichkeit der Atome im Werkstoffverbund. Die Folge sind Diffusionsvorgänge, deren Wechselwirkung mit Gitterbaufehlern (z.B. thermisch aktivierte Versetzungsbewegung), Aktivierung von chemischen Reaktionen und Schmelzerscheinungen. Diese Vorgänge sind jedoch werkstoff- und systemspezifisch (Bild 1). Bild 1: Einfluss der Temperatur auf Werkstoff- und Schadensverhalten Diese Überlegungen führen zu folgender Definition: Schäden als Folge thermischer Beanspruchung sind allgemein als solche zu verstehen, die ohne diesen Einfluss nicht auftreten. In den klassisch betroffenen Industriezweigen wie Kraftwerkstechnik, Motoren- und Turbinenbau oder der chemischen Industrie spricht man gewöhnlich ab Temperaturen oberhalb 350 °C von merklichen thermischen Einflüssen. Die Vermeidung von Betriebsschäden erfordert die Kenntnis des Versagensverhaltens, um Bauteillebens- 145 <?page no="158"?> dauern abzuschätzen. Gleiches gilt für Fertigungsschäden, um gezielt Maßnahmen zur Problemabstellung einzuführen. 6.2 Schadensbilder und Schadensmechanismen infolge thermischer Beanspruchung Das Erkennen und Verstehen von Schäden bilden die Grundlage zu deren Vermeidung (Prävention) oder zur Einleitung von Abhilfemaßnahmen (Reparatur). Daher ist es sinnvoll, sich zunächst darüber klar zu werden, welche Einflüsse neben der thermischen Beanspruchung am Bauteil zusätzlich wirken: mechanische Beanspruchung (Lastspannungen, Eigenspannungen), chemische Beanspruchung (Medien oder Stoffe, die mit der Oberfläche des Bauteils in Kontakt stehen und zu chemischen Reaktionen mit dem Bauteilwerkstoff führen), metallphysikalische Beanspruchung (Medien oder Stoffe, die mit der Oberfläche des Bauteils in Kontakt stehen ohne chemische Verbindungen einzugehen (z.B. Diffusion). Bild 2: Schadenkarte bei Überlagerung unterschiedlicher Bauteilbeanspruchungen für typische Schadensmechanismen 146 <?page no="159"?> Zeitliche Veränderungen der Bauteilbeanspruchung (z.B. dynamische Lasten, Temperaturwechsel, etc.) können Schädigungsabläufe gravierend verändern. Die Kenntnis der zeitlichen Beanspruchungsverläufe ist daher Voraussetzung für den Erfolg einer Schadensanalyse. 6.2.1 Schäden unter Temperatureinwirkung ohne weitere Beanspruchung Schädigungen, die allein auf thermischer Überbeanspruchung beruhen, sind zumeist „nur“ Vorstufen des eigentlichen, durch mechanische Überbelastung erfolgenden Schadens. Es handelt sich um Veränderungen des Gefüges sowie des Eigenspannungszustandes. Tab. 1: Typische, thermisch bedingte Werkstoffreaktionen Gefügeveränderung Normalgefüge Thermisch beeinflusstes Gefüge Auswirkung Typisches Beispiel Kornvergröberung gewöhnlich Härteabfall Festigkeitsabfall, Zähigkeitsverlust Überhitzung allgemein, Rekristallisation nach Umformen bei kritischen Umformgraden (3-10 %) Vergröberung von Ausscheidungen gewöhnlich Härteabfall Festigkeitsabfall, Zähigkeitsverlust Überhitzung von vergüteten Stählen unterhalb der Umwandlungstemperatur (A1) Einformung von Ausscheidungen gewöhnlich Härteabfall Festigkeitsabfall Überhitzung von ferritisch-perlitischen Stählen unterhalb der Umwandlungstemperatur (A1) „Weichglühen“ Unerwünschte Ausscheidungen (an Korngrenzen, Sprödphasen) stark werkstoffabhängig Zähigkeitsverlust (Versprödung), steigende Korrosionsanfälligkeit Überalterung von ausgelagerten Legierungen, Sensibilisierung austenitische CrNi-Stähle Lösungsglüheffekte gewöhnlich Härteabfall Festigkeitsabfall Überhitzung von ausgelagerten Legierungen Gefügeumwandlung gewöhnlich Härteanstieg Festigkeitsanstieg, Zähigkeitsverlust (Versprödung) Überhitzung und nachfolgende (Selbst-) Abschreckung von C- Stählen Anschmelzungen stark werkstoffabhängig Zähigkeitsverlust Überhitzung geseigerter Gusslegierungen (sog. incipient melting) Erholungs- und Rekristallistation gewöhnlich Härteabfall Festigkeitsabfall Überhitzung verfestigungsgestrahlter Bauteile 147 <?page no="160"?> Gefügeveränderungen werden am geeignetsten metallografisch in Verbindung mit Härteprüfung nachgewiesen. Hierzu ist ein Vergleich des geschädigten Werkstoffes mit einem nicht geschädigten Werkstoff zu empfehlen. Veränderungen des Eigenspannungszustandes zeigen sich oft durch äußerlich erkennbare Verformungen (Verzug). Ein Vergleich des Eigenspannungszustandes geschädigter und nicht geschädigter Bauteile (oder Bauteilbereiche) kann sehr aufschlussreich sein. Typische Beispiele für thermisch bedingte Werkstoffveränderungen sind in Tab. 1 dargestellt. Ein typisches makroskopisch feststellbares Schadbild weisen Anschmelzungen auf (Bild 3). Bild 3: Erscheinungsbild von Anschmelzungen 6.2.2 Schäden als Folge mechanisch-thermischer Beanspruchung Die Schäden als Folge mechanisch-thermischer Beanspruchung sind Verformungen, Risse und Brüche. Je nach zeitlichem Ablauf im Zusammenwirken von erhöhter Temperatur und mechanischer Spannung wirken unterschiedliche Schadensmechanismen, die typische Schadbilder zu Folge haben (Tab. 2). 6.2.2.1 Kurzzeitbelastung (mechanisch-thermisch) Risse und Brüche thermisch beanspruchter Bauteile, die durch äußere Einwirkungen kurzzeitig mechanisch überlastet wurden, lassen in Abhängigkeit des Temperatur- Spannungs-Verlaufes typische Merkmale erkennen: Warmsprödbruch Das makroskopische und mikroskopische Bruchbild entspricht weitgehend Sprödbrüchen bei Raumtemperatur. Hinzu kommen Merkmale wie Anlauffarben oder Reaktionsprodukte. Sprödbrüche können entgegen dem üblichen Duktilitätsanstieg auch bei erhöhter Temperatur entstehen. Es kommt dazu bei Ausscheidung versprödender Phasen (siehe Tab. 1) oder beim Auftreten Sprödbruch begünstigender Lasten (z.B. schlagartige Beanspruchung, dreidimensionale Spannungszustände). Erfolgt der Bruch bei Temperaturen im Bereich der Schmelztemperatur, können aufgeschmolzene Teilchen auf den Spaltflächen ein Indiz für die Temperatureinwirkung sein („Schmelzperlen“, siehe Bild 4). 148 <?page no="161"?> Tab. 2: Mechanisch-thermisch bedingtes Bauteilversagen Belastungsart Spannungs- und Temperaturverlauf Schadenablauf Typisches Beispiel Kurzzeitbelastung bei konstanter Temperatur plastische Verformung, Rissbildung, Bruch Druckanstieg in Rohrleitung bei schneller Temperaturänderung („Thermoschock“) Rissbildung beim Schweißen, Rissbildung beim Härten, Schleifrissbildung, Anstreifen/ Heißlauf, Kurzschluss/ Funkenerosion Zeitstandbelastung „Kriechen“: Kriechverformung, Kriechporenbildung, Kriechrisse, Kriechbruch Turbinenlaufschaufeln, Druckdampfleitung Belastung bei niedriger Lastwechselzahl LCF(<10 4 LW) bei (äußeren) Belastungsänderungen Kriechverformung, Kriechporenbildung, Rissbildung mit zyklischem Rissfortschritt, Bruch Turbinenrotoren infolge Drehzahländerungen, Druckänderungen in Heißdampfrohren bei Temperaturänderungen infolge Wärmespannungen („Thermoermüdung“) Turbinenleitschaufeln, Wärmebehandlungsanlagen, Auspuffkrümmer Belastung bei hoher Lastwechselzahl HCF(>10 5 LW) Rissbildung mit zyklischem Rissfortschritt, Bruch Turbinenschaufel, Auslassventile Bild 4: Kennzeichen eines Warmsprödbruches 149 <?page no="162"?> Warmzähbruch Diese Bruchform weist die Merkmale des zähen Bruches bei Raumtemperatur auf. Anlauffarben oder Reaktionsprodukte auf den Bruchflächen sind möglich. Da sich mit steigender Temperatur die Duktilität metallischer Werkstoff gewöhnlich erhöht (Versprödungsbereiche ausgenommen), ist die Wabenstruktur im Bruchbild deutlicher ausgeprägter als bei Raumtemperatur. Heißrisse Typisch für Heißrisse ist der interkristalline/ interdendritische Bruchcharakter. Diese Gefügeorientierung bedingt die makroskopisch erkennbare „gezackte“ Form des Risses. Aufgrund ihrer Entstehung wird zwischen Erstarrungsrissen und Wiederaufschmelzrissen unterschieden. In beiden Fällen spielt die Existenz niedrigschmelzender Werkstoffphasen im Bereich der Trennungen eine wichtige Rolle. Erstarrungsrisse entstehen während der dendritischen Erstarrung von Gusswerkstoffen. Die erstarrende Restschmelze weist einen erhöhten Anteil schmelzpunkterniedrigender Elemente auf. Reicht die Restschmelze aufgrund des Erstarrungsschrumpfes nicht aus, um den Bereich zwischen bereits erstarrten Dendriten zu füllen, können Schrumpfspannungen zum Heißriss führen (Bild 5). Bild 5: Entstehung und Erscheinungsbild von Erstarrungsrissen Wiederaufschmelzungsrisse (Bild 6) stehen mit Mikroseigerungen auf den Korngrenzen des Werkstoffes in ursächlichem Zusammenhang. Ein niedrigerer Schmelzpunkt der Korngrenze im Vergleich zum Korninneren führt beim Kontakt mit arteigener Schmelze (z.B. beim Schweißen) zum Anschmelzen der Korngrenzen. Durch Kontakt mit der Schmelze können weiterhin den Schmelzpunkt absenkende Elemente in Korngrenzen eindiffundieren und die Rissbildung unterstützen. Äußere Spannungen (z.B. durch Schrumpfspannungen beim Schweißen) sorgen für die Trennung des geschwächten Materials. 150 <?page no="163"?> Bild 6: Entstehung und Erscheinungsbild von Wiederaufschmelzrissen Typisch für Heißrisse sind neben dem interdendritischem bzw. interkristallinem Rissverlauf glatte, flüssigkeitsartige Bruchoberflächen („freie Erstarrung“). Bei Trennungen im teigigen Zustand tritt Zipfelbildung mit abgerundeten Spitzen auf (schwache Bindung zur Gegenbruchfläche). Mikroanalytisch können mitunter schmelzpunktsenkende Elemente (Si, B, S, P, C) auf der Bruchoberfläche beobachtet werden. Härterisse Härterisse entstehen in gehärteten Stählen als Folge innerer Spannungen. Die Ursache dieser Spannungen können von Konstruktion (z.B. schroffe Querschnittsübergänge), Werkstoff (z.B. Grobkorn) oder Verfahren (z.B. zu schroffe Abkühlung) abhängen. Typisch ist ein interkristalliner Bruch mit glatten Bruchflächen entlang der ehemaligen Austenitkorngrenzen (Bild 7). Bild 7: Erscheinungsbild von Härterissen Schleifrisse Beim Schleifen kommt es kurzzeitig zur hohen mechanisch-thermischen Belastung eines Werkstücks. Im Extremfall kommt es zum Aufschmelzen der Korngrenzen und interkristallinen Trennungen (siehe Wiederaufschmelzriss). Ein solches Erscheinungsbild ist bei Legierungen mit schlechter Wärmeleitfähigkeit zu erwarten (z.B. bei Ni-Basislegierungen). Bei Stählen dagegen erfolgen Schleifrisse in der Regel als 151 <?page no="164"?> Härterisse durch schroffe Erwärmung und Abkühlung. Häufige Begleiterscheinungen von Schleifrissen sind Verbrennungen (Anlauffarben). Bild 8: Erscheinungsbild von Schleifrissen 6.2.2.2 Zeitstandbelastung (mechanisch-thermisch) Metallische Werkstoffe, die bei Raumtemperatur einer konstanten mechanischen Belastung ausgesetzt sind, können diese dauerhaft ertragen, sofern Festigkeitsgrenzwerte nicht überschritten werden. Bei erhöhter Temperatur (vgl. Bild 1) wird die Belastbarkeit zeitabhängig (daher Zeitstandbelastung). Der Werkstoff reagiert auf diese Beanspruchung durch plastische Verformung, Rissbildung und letztlich Bruch. Plastische Verformung unter konstanter Last wird als Kriechen bezeichnet. Dehnungsbehinderte Bauteilbereiche, d.h., die plastische Verformung ist eingeschränkt, reagieren durch Spannungsabbau (Spannungsrelaxation). Erwünschte Eigenspannungen und Verfestigungen werden durch Kriechverformung abgebaut. Damit können unerwartete Schäden auftreten. Das Werkstoffverhalten bei Zeitstandbelastung zeigt Bild 9. Bei Auslegung von Bauteilen muss der Zeitabhängigkeit Rechnung getragen werden. Anders als bei Raumtemperatur muss auch gegen unzulässige plastische Dehnung (Zeitdehngrenze) oder gegen Bruch (Zeitstandfestigkeit) ausgelegt werden. Üblich ist die Auslegung gegen eine unzulässige Kriechdehnung (z.B. 0,1 %, 0,2 % oder 1 %) 152 <?page no="165"?> Bild 9: Dehnungs-Zeit-Kurve (Kriechkurve) und Effekte während des Kriechprozesses Die erforderlichen Lebensdauern sind stark bauteilspezifisch (z.B. Turbinenrotorschaufeln in militärischen Flugtriebwerken 1000 Stunden; Heißdampfrohre 25 Jahre). Die Temperatur, ab der das Zeitstandsverhalten berücksichtigt wird, ist werkstoffabhängig und richtet sich nach Erfahrungswerten (Bild 10). Weiterhin müssen die für Kriechprozesse hohen Streuungen bedacht werden. Typisch sind Streuungen von 20 %. Auslegungsdauer und -spannung erfolgen an der unteren Streugrenze. Bild 10: Auslegung bei Zeitstandbeanspruchung Die Schädigungsmechanismen sind abhängig von Temperatur und Zeit während der Beanspruchung. Bei niedrigen Temperaturen erfolgen Brüche duktiler Metalle im Allgemeinen transkristallin (Warmzähbruch). Aufgrund der höheren Fehlordnung im Bereich von Korngrenzen kommt es hier bei thermischer Aktivierung verstärkt zu Werkstoffreaktionen. Typisch für Kriechrisse/ Kriechbrüche ist daher der interkristalline Bruch. Kennzeichnend für Kriechschädigung im fortgeschrittenen Stadium (Bereich III, tertiäres Kriechen) ist die Bildung von Kriechporen. Diese vereinigen sich zu Mik- 153 <?page no="166"?> rorissen, bis schließlich der Bruch eintritt (Bild 11). Die Bildung der Kriechporen erfolgt an den Korngrenzen des Werkstoffes, bevorzugt im Bereich von Ausscheidungen (z.B. Carbiden). Bild 11: Schadensmechanismen bei Zeitstandbelastung (nach [7] und [2]) Der terrassenartige Bruch und Kriechporen sind Merkmale eines Kriechbruchs. Metallografische Untersuchung und fraktografische Bruchflächenauswertung ergänzen sich hierbei hervorragend (Bild 12). Häufig erschwert jedoch das Vorhandensein von Zunder oder Reaktionsprodukten auf den Bruchflächen deren Auswertung. Bei Gusswerkstoffen erfolgt der Kriechbruch meist interdenritisch. Bild 12: Kennzeichen der Kriechschädigung (Turbinenrotorschaufel, Ni-Basis-Legierung) Feinkörnige Werkstoffe versagen bei Kriechbeanspruchung aufgrund des aufgezeigten Schadensmechanismus früher als grobkörnige. Dieses Verhalten ist umgekehrt zu dem bei Raumtemperatur beobachteten Werkstoffverhalten! Gussversionen einer Legierung sind häufig kriechfester als der äquivalente Knetwerkstoff. Gerichtete Erstarrung und die Züchtung von Einkristallen führt bei Turbinenrotorschaufeln zur 154 <?page no="167"?> Steigerung des Kriechwiderstandes. Die Ursache dafür ist das Fehlen der zur Beanspruchung ungünstig orientierten Korngrenzen. Die Bauteilschädigung über Kriechprozesse ist kein spontanes Versagen, sondern ist gekennzeichnet durch Schadensakkumulation. Daher sind Vorhersagen möglich, und es lassen sich Restlebensdauern bei Kenntnis des Schädigungsgrades angeben. Die Ermittlung der Restlebensdauer kann z.B. über eine zerstörungsfreie metallografische Prüfung vor Ort („Replika“) erfolgen. Ein Vergleich des Werkstoffgefüges mit einem Bildstandard (ermittelt an Zeitstandsproben) lässt den Schädigungsgrad abschätzen, und entsprechende Maßnahmen können definiert werden. Mikrostrukturelle Merkmale sind z.B. die Änderung der Subkornstrukturen (primäres und sekundäres Kriechen) oder die Bildung von Kriechporen (sekundäres und tertiäres Kriechen, Bild 13). Entscheidend für die Anwendbarkeit einer solchen Methode ist jedoch, dass Schädigungsmechanismen an Bauteil und Proben übereinstimmen (z.B. ähnliche Belastungen bei Probenprüfung wie am Bauteil). Insbesondere die Extrapolation der Ergebnisse von Kurzzeitversuchen ist problematisch. Langzeitversuche sind daher häufig unumgänglich. Bild 13: Richtreihe zur Gefügebewertung (Hochdruckrohrleitungen, Kesselbauteile), schematisch nach VdTÜV-Merkblatt Dampfkessel 451-83/ 6 bzw. VGB-Richtlinie R509L 6.2.2.3 Belastung bei niedriger Lastwechselzahl (Low Cycle Fatigue, LCF) Belastung bei niedriger Lastwechselzahl (sog. LCF-Beanspruchung) ist gekennzeichnet durch merkliche plastische Verformung bei vergleichsweise großen Spannungsamplituden (Bild 14). Erfolgt die mechanische Beanspruchung bei erhöhter Temperatur, überlagern sich den vom Raumtemperaturverhalten bekannten Ermüdungserscheinungen Kriechprozesse. Spannungen können dabei von außen aufgeprägt oder über behinderte Wärmedehnung erzwungen werden (Thermoermüdung). Die dadurch bedingten Dehnungsamplituden bestimmen die Schädigung - weitgehend unabhängig von ihrer Ursache und vom Bauteilwerkstoff (Bild 14). 155 <?page no="168"?> Bild 14: Charakteristika des LCF-Verhaltens Aufgrund einer Überlagerung der Schadensmechanismen Ermüdung und Kriechen (bzw. Spannungsrelaxation) ist der zeitliche Verlauf von Temperatur und Spannung im Bauteil für die Schädigung entscheidend. Während bei Raumtemperatur die Frequenz der Spannungswechsel eine untergeordnete Rolle spielt, muss diese bei höheren Temperaturen berücksichtigt werden. Ebenso sind Haltezeiten während der Phase mechanischer und thermischer Beanspruchung zu berücksichtigen. Niedrige Frequenzen und/ oder Haltezeiten begünstigen zeitabhängige Kriech- und Relaxationsvorgänge und führen zu kürzeren Ausfallszeiten als bei hochfrequenten Lastwechseln. Das Schadensbild bei LCF-Beanspruchung unter konstanter Temperatur weist die Merkmale von Ermüdungsbrüchen in Kombination mit Kriechbruchmerkmalen auf, je nachdem welche Einflüsse überwiegen. Transkristalline Brüche mit Schwingungsstreifen z.T. mit Nebenrissen sind typisch für hohe Belastungen, während mit zunehmender Dauer der Beanspruchung interkristalline Bruchanteile auftreten. Besonders komplex kann der zeitliche Ablauf der Spannungs- und Temperaturamplitude bei Thermoermüdungsprozessen sein (Bild 15). Am einfachen Beispiel eines eingespannten Stabes sei der Vorgang erläutert: Durch Erwärmung wird der Stab gedehnt, kann diese Dehnung ( t = t T) aber aufgrund der äußeren Behinderung nicht umsetzen; die Druckspannung im Stab steigt. Überschreitet die Spannung die Fließgrenze des Werkstoffes, kommt es zu plastischer Deformation. Kriechprozesse begünstigen diese Verformung zusätzlich. Nach dem Abkühlen hat sich der Stab gegenüber der Anfangslänge verkürzt. Ist auch die Dehnung beim Abkühlen behindert, kann sich die wiederum auftretende Spannung (diesmal Zugspannung) durch Rissbildung abbauen. Die Wiederholung dieser Vorgänge führt bis zum Bruch. Das Bauteil ist jetzt spannungsfrei und kann durch Thermoermüdung nicht weiter geschädigt werden. 156 <?page no="169"?> Bild 15: Thermo-mechanische Wechselbeanspruchung (Thermoermüdung) Kennzeichnend für Thermoermüdungsvorgänge ist somit eine Entlastung des Bauteils durch Rissbildung. Dieses Verhalten ist auch im Schadensbild zu erkennen: Der Rissfortschritt erfolgt anfangs schnell, verlangsamt sich und kann zum Stehen kommen, wenn keine anderen mechanischen Belastungen wirksam sind. Typisches Beispiel für ein solches Bauteilverhalten sind Turbinenleitschaufeln und Auslassventile. Thermoermüdungsrisse können daher an solchen Bauteilen, zumindest für bestimmte Laufzeiten, zulässig sein. Weiterhin kann die Entlastung auch gezielt konstruktiv genutzt werden. Das Schadbild von Thermoermüdungsrissen weist typische Kennzeichen auf (Bild 16). Es verändert sich, je nachdem, ob Ermüdungsvorgänge oder Kriechvorgänge überwiegen. Die Bauteilauslegung bei LCF-beanspruchten Bauteilen kann rechnerisch mit dem sog. „örtlichen Konzept“ erfolgen. Dies erfordert jedoch eine relativ exakte Kenntnis der vorliegenden Belastungen (Höhe und zeitliche Abfolge) sowie Kenntnisse des Werkstoffverhaltens (zyklische Fließkurve, Dehnungswöhlerlinie). Durch FEM- Modellierung der Bauteilbelastung lässt sich lokal der Schädigungsfortschritt („örtliches Konzept“) und somit die Lebensdauer abschätzen. In vielen Fällen sind jedoch unzureichend Betriebsdaten und Werkstoffkennwerte vorhanden. Deshalb kann auf betriebsnahe Prüfungen (z.B. Schleuderversuche bei erhöhter Temperatur) nicht verzichtet werden. Für Bauteilversuche gilt auch hier wieder: Versuchsbeanspruchung muss weitgehend der Bauteilbeanspruchung entsprechen, d.h. Anregung gleicher Schadensmechanismen. 157 <?page no="170"?> Bild 16: Kennzeichen von Thermoermüdungsrissen 6.2.2.4 Belastung bei hoher Lastwechselzahl (High Cycle Fatigue, HCF) Mechanische Beanspruchung bei hohen Anrisszyklenzahlen ist gekennzeichnet durch Spannungsamplituden, die keine makroskopisch erkennbaren, plastischen Verformungen aufweisen (HCF-Bereich, siehe Bild 14). Die Belastbarkeit folgt im allgemeinem der statischen Festigkeit. Kerben wirken sich weniger gravierend aus als bei Raumtemperatur, d.h., die Kerbempfindlichkeit nimmt gewöhnlich ab. Eine Dauerfestigkeit wird bei hohen Temperaturen häufig nicht mehr beobachtet (nur noch Werkstoffverhalten vom Typ B, Bild 14). In der Mehrzahl der Fälle entspricht die hochzyklische Beanspruchung auch einer hochfrequenten. Daher überwiegt der Schädigungsmechanismus der Ermüdung den der Kriechschädigung (vgl. LCF- Verhalten). Risse und Brüche weisen üblicherweise den bei Raumtemperatur bekannten transkristallinen Bruch mit Merkmalen des zyklischen Rissfortschritts (Rastlinien, Schwinglinien) auf. Meist ist die Bruchflächenauswertung aufgrund der Belegung durch Oxide erschwert. 6.2.3 Schäden als Folge chemisch-thermischer Beanspruchung 6.2.3.1 Hochtemperaturkorrosion (HTK) Hochtemperaturkorrosion ist die Folge chemischer Reaktionen, die bei Einwirkungen erhöhter Temperaturen mit dem Umgebungsmedium stattfinden. Entsprechend der Art des angreifenden Mediums erfolgt die Einteilung der wirksamen Schadensmechanismen. Im Allgemeinen kommt es aufgrund des Stoffumsatzes zur Schwächung des Bauteils (z.B. Querschnittsverminderung) oder zur Beeinflussung anderer Schädigungsmechanismen (z.B. begünstigte Rissbildung). Art und Umfang solcher Schä- 158 <?page no="171"?> digungen hängen jedoch stark vom wirkenden Mechanismus ab. Häufig ist von Schädigung nur dann zu sprechen, wenn es zu unerwarteten Ausfällen von Bauteilen kommt. Oxidation Die Anwesenheit von Luftsauerstoff während thermischer Beanspruchung führt bei technischen Legierungen zur Bildung von Oxidschichten. Diese werden als Anlauffarben (geringe Schichtdicken, farbiges Aussehen) bzw. als Zunder (höhere Schichtdicken) bezeichnet. Die Art der gebildeten Oxide bestimmt den Schadensablauf. Dicht aufwachsende Oxide verlangsamen die Reaktionen und schützen den Grundwerkstoff vor einem fortschreitenden Angriff. Besonders geeignet zum Schutz vor weiterem Oxidationsangriff sind Al 2 O 3 und Cr 2 O 3 -Schichten. Aufgrund der unterschiedlichen Affinität der Legierungselemente zu Sauerstoff kommt es in Abhängigkeit der Umgebungsbedingungen (Temperatur, Druck, Konzentration) zu unterschiedlichen Reaktionen (Bild 17). Sauerstoffaffine Elemente (z.B. Al, Cr) werden in Legierungen bevorzugt oxidiert (selektive Oxidation). Oxidation ist in vielen Fällen ein technisch nicht vermeidbarer Vorgang. Daher wird er auf ein vertretbares Maß reduziert (Legierungsmaßnahmen, Schichten) bzw. der Austausch von Bauteilen einkalkuliert. Bild 17: Charakteristika der Bildung von Oxidschichten (nach [1] und [6]) Innere Oxidation Innere Oxidation beruht auf der bereits erwähnten selektiven Oxidation. Ist das Sauerstoffangebot nicht ausreichend, um schützende Deckschichten zu bilden, kann Sauerstoff in den Werkstoff eindiffundieren und die sauerstoffaffinen Elemente oxidieren. Als Schadbild wird punktförmige Oxidation unterhalb der Oberfläche oder einer bereits vorhandenen Oxidschicht beobachtet. Sulfidierung Sulfidierung ist die schädigende Wirkung durch Schwefel, d.h. die Bildung von Sulfiden. Reaktionsfähiger Schwefel stammt aus reduzierenden, sulfidierenden Atmosphären (z.B. H 2 -H 2 S). Sulfide haben im Unterschied zu Oxiden eine höhere Fehlordnungsdichte. Die Korrosionsgeschwindigkeit liegt daher deutlich über der von Oxidationsprozessen! 159 <?page no="172"?> Kombination von Sulfidierung und Oxidation (Heißgaskorrosion) Die kombinierte Beanspruchung durch Sauerstoff und Schwefel wird aufgrund ihres Vorkommens in Verbrennungsgasen (SO 2 -haltig) auch als Heißgaskorrosion (HGK) bezeichnet. Der Angriff erfolgt meist in Verbindung mit schwefelhaltigen Ablagerungen (z.B. Na 2 SO 4 , KAl(SO 4 ) 2 ). Diese greifen die schützende Oxidschicht an. Die ungeschützte Oberfläche wird durch Sulfidierung angegriffen; nachfolgendend werden Schwefel durch Oxidation der Sulfide aus selbigen verdrängt. Der frei werdende Schwefel kann wieder am Grundwerkstoff angreifen. Heißgaskorrosion kann damit als eine katalytische Oxidation betrachtet werden. Die zwischenzeitliche Sulfidbildung kann man im Schliff als punktförmige Sulfide vor der Oxidfront beobachten (HGK Typ II). Diese Sulfide beschleunigen die Reaktion (Bild 18). Bild 18: Kennzeichen für Hochtemperaturkorrosion (Oxidation, Heißgaskorrosion) Aufkohlung Zur Aufkohlung kann es in entsprechenden Medien (Kohlenwasserstoffgase, CO) oder im Bereich von kohlenstoffhaltigen Ablagerungen (Fette, Öl, Ruß, etc.) kommen. Betroffen sind Cr-legierte Fe-, Ni- und Co-Legierungen, wenn Einreißen oder Erosion die schützenden Cr-Oxidschicht schädigt. Es folgt eine Diffusion des Kohlenstoffes und Carbidbildung entlang der Korngrenzen. Die Abreicherung von Cr im Korninneren senkt die Zunderbeständigkeit. Dadurch entstehen lockere Korrosionsprodukte, die von einer Gasströmung abgetragen werden können. Hinterlassen werden Auswaschungen, Gräben und Löcher. Diese Art der Schädigung wird auch „metal dusting“ bezeichnet. 6.2.3.2 Metallbrände Bei genügend hoher Temperatur und ausreichendem Sauerstoffangebot kann es spontan zum Brennen eines Metalls („selbsterhaltende Oxidation“) kommen. Bekannte Beispiele für Metallbrände, die technisch genutzt werden, sind Magnesiumfackeln oder das Brennschneiden von Stählen. Gefährlich wird es, wenn es im Betrieb zum unbeabsichtigten Zünden eines Metallbrandes kommt. Die bekanntesten Beispiele 160 <?page no="173"?> sind Titanfeuer in Triebwerksverdichtern (Bild 19) oder Metallbrände (Stahl) in Ljungströmvorwärmern. Kennzeichen von Metallbränden sind ausgeprägte Schmelzerscheinungen in Verbindung mit Verbrennungsrückständen. Bild 19: Titanfeuer an einem Triebwerksverdichter 6.2.4 Schäden als Folge metallphysikalisch-thermischer Beanspruchung Anschmelzungen durch Kontakt mit Fremdmetallen Anschmelzungen durch Kontakt mit artfremdem Material können zur Auflegierung oder Verbindungensbildung führen. Dadurch treten lokal Werkstoffveränderungen (z.B. niedrigschmelzende Eutektika oder Sprödphasen) auf (Bild 20). Bild 20: Einwirkung von Fremdmetallschmelzen Lotbrüchigkeit/ Lotrissigkeit (metal embrittlement) Lotbrüchigkeit entsteht durch Eindiffusion metallischer Schmelzen entlang der Korngrenzen eines Werkstoffes (vgl. Wiederaufschmelzriss). Es kommt zu Rissbildung, Festigkeitsabfall und Versprödung des Werkstoffes. Neben dem Kontakt eines spezifisch wirksamen Elementes in der flüssigen Phase sind Zugspannungen Voraussetzung der Lotrissigkeit. Lotrissigkeit ist bekannt geworden bei Kontakt von Stählen mit kupferhaltigen Schmelzen (T>1100 °C) bzw. von Ni-Basis-Legierungen mit silberhaltigen Schmelzen (T> 800 °C). Kennzeichnend für Lotrissigkeit sind die interkristalli- 161 <?page no="174"?> nen Risse. Auf den Bruchflächen lässt sich mikroanalytisch das Vorhandensein des eindiffundierten Elementes nachweisen (Bild 21). Bild 21: Lotrissigkeit bei Kontakt von Ag mit Ni-Basiswerkstoff Diffusionsvorgänge aus und in die Umgebungsatmosphäre Elemente der Umgebungsatmosphäre können sich durch Eindiffusion im Werkstoff anreichern ebenso wie Grundwerkstoffelemente sich durch den gegenteiligen Vorgang abreichern können. Meist treten diese Veränderungen in Kombination mit chemischen Reaktionen im Grundwerkstoff bzw. der Umgebungsatmophäre auf. Typische Beispiele sind Aufstickung, Auf- und Entkohlung, Hydridbildung, Entchromung, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Titanlegierungen verspröden bei erhöhter Temperatur (>450 °C) durch Eindiffusion von Sauerstoff. Ein typisches Beispiel ist das Schweißen unter unzureichendem Schutzgasschleier (Bild 22). Den Einsatz hochschmelzender Cr-Legierungen verhindert die Eindiffusion von Stickstoff. Bild 22: Versprödung von Ti-Legierungen bei Eindiffusion von Sauerstoff 162 <?page no="175"?> 6.3 Hinweise zur Schadenuntersuchung bei thermisch bedingten Schäden Der Befund von Schadensfällen lässt verschiedene temperaturbedingte Merkmale erkennen. Eine Bewertung sollte sich nicht auf Einzelmerkmale beziehen; einzelne Merkmale sind nur Indizien - erst deren Gesamtheit lässt auf Schadensursache und -ablauf schließen. Besonders zu empfehlen ist die vergleichende Begutachtung von nicht geschädigten Bauteilen. Damit erleichtert sich die Trennung von schädigungswirksamen Einflüssen und normalen Betriebs- oder Fertigungsmerkmalen. 6.3.1 Makroskopischer Befund Der makroskopische Befund umfasst die visuelle Prüfung, Sichtprüfung mittels Stereomikroskop (bis ca. 100fache Vergrößerung), Härtemessungen, Tüpfelproben, Röntgenprüfung, Ultraschallprüfung, Wirbelstromprüfung, Thermografieprüfung, magnetische Verfahren, Eigenspannungenmessungen sowie sonstige zerstörungsfreie Prüfverfahren. Anlauffarben Anlauffarben sind ein typisches Kennzeichen thermischen Einflusses. Unterschiedliche Temperaturen lassen sich am regenbogenartigen Farbübergang erkennen. Die Zuordnung der Temperatur ist über eine Farbtabelle möglich. Bei Erstellung solcher Farbtabellen ist jedoch zu beachten, dass die Bildung von Anlauffarben neben Werkstoff, Temperatur und Atmosphäre von Zeitdauer, Bearbeitung und Verunreinigungen abhängig ist. Ähnliche Erscheinungen wie Anlauffarben können durch Ablagerung von Korrosionsprodukten erzeugt werden (Verwechslungsgefahr! ). Verunreinigungen auf Bauteilen begünstigen ebenfalls Fehlinterpretationen. Oxidation und Korrosionsprodukte Oxidationsprodukte auf Oberflächen können anhand Farbe, Form und Lage Hinweise auf chemisch-thermischen Werkstoffangriff liefern. Besondere Formen der Rauhigkeit z.B. Orangenschaleneffekt) sind ebenfalls ein Indiz für Oxidation. Allgemein erfordert die Interpretation dieser Erscheinungen die Erfahrungen mit ähnlichen Bauteilen. Deformation Bei kriechbeanspruchten Bauteilen ist aus der Deformationsrichtung auf die Hauptlastrichtung zu schließen. Große Streuungen des Dehnungsverhaltens bei baugleichen Teilen sind bei Kriechbeanspruchung nicht ungewöhnlich. Deformationen bei sehr hohen Temperaturen zeigen typische „weiche“ Formen mit großer Dehnung und Einschnürungen. Anschmelzungen Anschmelzungen zeigen aufgrund der freien Erstarrung ein typisches Bild. Das Streben von Flüssigkeiten nach Minimierung der Oberfläche erzeugt rundliche, glatte Formen (Tropfenoberflächen). Diese Flüssigkeitsstrukturen sind typisch für Anschmelzungen. Punktförmige Anschmelzungen sind makroskopisch häufig nicht als solche erkennbar. Meist können makrokopisch nur punktförmige Erscheinungen auf Oberflächen beobachtet werden. Die markanten Flüssigkeitsstrukturen sind mittels Stereomikroskop identifizierbar. 163 <?page no="176"?> Rissbildung Rissorientierung zeigt die Richtung der Hauptbelastung an. Klaffende Risse, die gut mit bloßem Auge erkennbar sind, geben Hinweise auf thermische Einflüsse (typisch für Thermoermüdung). Rissfelder treten bei Thermoermüdung und Kriechen auf. Ermüdungsrisse sind häufig Einzelrisse. Bruchbild Die makroskopische Bewertung des Bruchbildes kann Indizien der Bruchentstehung liefern: glatte Brüche sind typisch für Ermüdungsbrüche oder Sprödbrüche; raue, zerklüftete Oberflächen kommen z.B. bei Kriechbrüchen vor. Rastlinien treten bei Ermüdungsbrüchen auf. 6.3.2 Metallografischer Befund Gefügeveränderungen Gefügeanalysen von schadhaften Bauteilen sind immer vergleichende Untersuchungen. Mangelt es an Erfahrungen zur Bewertung des vorhandenen Gefüges oder sind diese nicht eindeutig interpretierbar, ist es zu empfehlen, nicht geschädigte Referenzstellen - wenn möglich am selben Bauteil oder an Parallelbauteilen - zu begutachten. Gefügeveränderungen als Folge thermischer Einflüsse sind beispielhaft in Tab. 1 angegeben. Des Weiteren können Oxidations- oder Korrosionsbereiche sowie Diffusionszonen erkannt werden. Die Kombination mit Mikrobereichsanalysen ermöglicht Rückschlüsse auf die im Gefüge enthaltenen Elemente. Fehlstellen Hohlräume und Risse (Form, Ausrichtung, Größe, Häufigkeit) sind Indizien für die Herkunft der Fehlstellen. Gasporen sind häufig sphärische, Mikrolunker dagegen gefügeorientierte Hohlräume. Kriechporen in Verbindung mit Mikrorissen sind entsprechend Bild 11 auf den Korngrenzen von kriechgeschädigten Werkstoffen zu finden. Sie zeigen Schädigungsgrad (Bild 13) und Hauptlastrichtung an. Transkristalline Rissverläufe lassen auf Ermüdungserscheinungen oder Rissfortschritt bei niedrigen Temperaturen schließen. Interkristalline Risse sind Hinweise auf höhere Temperaturen (z.B. Heißrisse, Kriechrisse). Die Art der Oxidation in Rissen steht in Zusammenhang mit dem Rissfortschritt: Bis zum Grund oxidierte Risse zeigen einen langsamen Rissfortschritt und frühen Entstehungszeitpunkt an. Härteveränderungen Härteveränderungen sind ebenfalls auf ein Referenzgefüge zu beziehen. Härteveränderungen folgen der Gefügeveränderung (Tab. 1) oder werden durch Diffusionsvorgänge ausgelöst (siehe Bild 22). 6.3.3 Elektronenoptischer Befund (REM) Fraktografie Die Interpretation von Bruchflächenmerkmalen ist eines der wirksamsten Mittel zur Bestimmung von Schadensmechanismen. Häufig können eindeutige Merkmale, die einem Schadensmechanismus (z.B. Ermüdung, Kriechen, etc.) zuzuordnen sind, ermittelt werden. Die Erkennung dieser typischen Merkmale kann durch Oxidation der Bruchflächen erschwert werden. Das Entfernen dieser Oxidschicht verbessert jedoch nicht die Auswertbarkeit! Fraktografische Bewertungen erfordern weiterhin umfangreiche Erfahrungen, da ähnliche Brucherscheinungen durch verschiedene Schadensmechanismen erzeugt werden können; es besteht die Gefahr von Verwechslun- 164 <?page no="177"?> gen. Umfangreiches Material zur Bruchflächenbewertung findet man in Literatur [3] und [4]. Mikrobereichsanalyse Die Mikrobereichsanalyse (z.B. EDXS) gibt wertvolle Hinweise auf die Art von Oxidationsprodukten, Korrosionsprodukten, Fremdmetallen, speziellen Phasen in Werkstoffgefügen, etc. Dadurch kann man direkt auf bestimmte Schadensmechanismen schließen (z.B. Fremdmetallbenetzung der Bruchflächen bei Lotbrüchigkeit). 6.4 Schadensverhütung, -vorbeugung und abhelfende Maßnahmen Bei Schadensfällen steht man häufig vor dem Problem, die folgenden Fragen möglichst schnell und zuverlässig zu beantworten: Sind weitere Bauteile potentiell betroffen? Sind Reparaturmaßnahmen durchführbar? Was kann man in Zukunft besser machen? Tab. 3: Maßnahmen zur Schadensverhütung bei thermisch beanspruchten Bauteilen Maßnahmen Bemerkungen Zeitstandversagen Konstruktion Temperaturabsenkung Achtung, durch Kühlung können andere Bauteilbereiche überlastet werden (Thermogradient) Inspektionsmöglichkeit z.B. Boroskopöffnungen Belastungsabsenkung z.B. Drehzahlbegrenzung Werkstoff Warmfestere Werkstoffe z.B. gerichtet erstarrte Werkstoffe, Einkristalle Leichtere Werkstoffe z.B. bei Belastung durch Massenkräfte Betrieb Temperaturüberwachung Regelmäßige Inspektion z.B. Bauteilmetallografie Thermoermüdung Konstruktion Elastische Bauteilkonstruktion Kombination aus Isolation, Wärmeableitung und Kühlung Werkstoff Zähe Werkstoffe, geringe Wärmedehnung und großer Wärmeleitfähigkeit Werkstoffauswahl aus möglichst betriebsnahen Versuchen Abgestimmte Ausdehnungskoeffizienten Wärmedämmschichten z.B. ZrO 2 , spröde Schichten jedoch vermeiden Betrieb Schroffe Temperaturwechsel vermeiden z.B. gesteuertes An- und Abfahren von Anlagen Hochtemperaturkorrosion Konstruktion Optimierte Temperaturverteilung Filterung zur Beseitigung korrosionsfördernder Einflüsse Werkstoff Cr, Al-legierte Werkstoffe Cr, Al-haltige Beschichtungen z.B. Alitier- und Inchromierschichten, MCrAlY-Spritzschichten, Betrieb Vermeidung korrosiver Atmosphären z.B. Meeresatmosphäre Korrosionshemmende Additive z.B. Zugabe zum Strömungsmedium 165 <?page no="178"?> Die Voraussetzung zur Beantwortung dieser Fragen ist eine exakte Klärung der schadensverursachenden Einflüsse. Erst mit Hilfe dieser Erkenntnisse ist eine zielgerichtete Anwendung von Maßnahmen möglich, deren Durchführung von Kriterien wie Risikopotential des Schadens (Tragweite, Häufigkeit, mögliche betroffene Parallelteile), Abstellungsaufwand: Zeit, Kosten, Durchführbarkeit, Prestige („Rückrufaktionen“) abhängig ist. Einige Hinweise für die Schadensverhütung bei thermisch beanspruchten Bauteilen sind für Zeitstandversagen, Thermoermüdung und Hochtemperaturkorrosion in Tab. 3 gegeben. 6.5 Literatur Askeland, D. R.: „Materialwissenschaften“, Spektrum, Akad. Verl., Heidelberg Berlin Oxford 1996 Engel, L.; Klingele, H.: „An Atlas of Metal Damage“, 2. Aufl., Flender Service GmbH, Herne 2001 Grosch, J.: „Schadenskunde im Maschinenbau“, Expert Verlag, Ehningen bei Böblingen 1990 Horstmann, D.: „Riss- und Brucherscheinungen bei metallischen Werkstoffen“, Stahleisen-Verlag, Düsseldorf 1989 Lange, G.: „Systematische Beurteilung technischer Schadensfälle“, 5. Aufl., Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2001 VDI-Bereichte, 600.4: „Metallische und nichtmetallische Werkstoffe und ihrer Verarbeitungsverfahren im Vergleich“, VDI-Verlag, Düsseldorf 1987 Bargel, H.J.; Schulze, G.: „Werkstoffkunde“, Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 2000 VDI-Richtlinie 3822 Blatt 4: „Schäden durch thermische Beanspruchungen“, VDI, Düsseldorf 1999 166 <?page no="179"?> 7 Schadenskunde der Schweißverbindungen Lothar Issler, Rolf Sinz 7.1 Einführung Schweißkonstruktionen besitzen in der Sicherheitsbetrachtung von technischen Bauteilen eine herausragende - leider oft auch ein unrühmliche - Bedeutung, da Bauteilschäden häufig mit dem Versagen von Schweißnähten in Verbindung stehen. Die Ursache hierfür geht letztlich auf die extreme thermische Beeinflussung der Nahtbereiche (Schweißgut und Wärmeeinflusszone, Bild 1) durch das inhomogene instationäre Temperaturfeld zurück, welches gegenüber dem nicht thermisch beeinflussten Grundwerkstoff zu ungünstigeren Werkstoff-, Spannungs- und Fehlerzuständen führen kann. Bild 1: Makroschliff einer HV - Schweißnaht aus Baustahl mit Gefügezonen In Bild 2 ist schematisch dargestellt, dass sich die statistische Verteilung der Beanspruchung B und der Beanspruchbarkeit R bei Schweißnähten möglicherweise sowohl durch ungünstigere Mittelwerte als auch durch eine größere Streubreite auszeichnet. Hierdurch kann es mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer Überschneidung der Kurven kommen, was zu Schäden führt. 167 <?page no="180"?> Bild 2: Sicherheitsabstand von Grundwerkstoff und Schweißverbindung, schematisch Die wichtigsten Parameter, welche zu einer Verminderung der Beanspruchbarkeit R und zu einer Verschärfung der Beanspruchung B führen, sind in Bild 3 wiedergegeben. Es handelt sich einerseits um eine Erniedrigung der Festigkeitskennwerte (quasistatisch, schwingend, Zeitstand), andererseits um eine Verminderung des Verformungsvermögens (Zähigkeit), welchem höchste Priorität in Bezug auf Kerbempfindlichkeit, Zwangsverformung, Arbeitsaufnahme und Risstoppverhalten zukommt. Weiterhin kann es - auch bei sonst korrosionsbeständigen Werkstoffen - durch die Temperaturbeeinflussung zu einer Korrosionsanfälligkeit durch ungünstige Gefügeänderungen („Sensibilisierung“) kommen. Bild 3: Sicherheitsmindernde Einflüsse an Schweißverbindungen 168 <?page no="181"?> Auf der Beanspruchungsseite ist bei Schweißnähten mit ausgeprägten überlagerten Sekundärspannungen durch geometrische Imperfektionen, durch Zugeigenspannungen sowie durch Spitzenspannungen an äußeren und inneren Kerbstellen zu rechnen. Die Vermeidung von Schäden an Schweißverbindungen setzt folglich grundlegende Kenntnisse des komplexen Zusammenwirkens von Werkstoff, Konstruktion und Fertigung voraus, siehe Begriff der Schweißbarkeit in Bild 4. Bild 4: Begriff Schweißbarkeit (ISO/ TR 581) Der vorliegende Aufsatz hat nicht vorrangig zum Ziel Einzelkenntnisse aus diesen Bereichen zu vermitteln. Vielmehr wird versucht, die für das Zustandekommen von Schweißschäden ursächlichen grundlegenden Zusammenhänge aufzuzeigen. Die Ausführungen beziehen sich vorwiegend auf die Werkstoffgruppe der Stähle, da diese einerseits im Maschinenbau eine überragende Bedeutung besitzen, andererseits die thermische Beeinflussung beim Schweißen hier die vielfältigsten Auswirkungen zeigt. Für ein weitergehendes Studium und für die Lösung von spezifischen Einzelproblemen wird auf eine Vielzahl von Fachveröffentlichungen hingewiesen, siehe insbesondere [1] bis [7]. 7.2 Gefügeausbildung beim Schweißen Beim Schweißen wird der Nahtbereich rasch auf unterschiedliche Spitzentemperaturen erhitzt und anschließend mehr oder weniger rasch auf Raumbzw. Zwischenlagentemperatur abgekühlt. Wie in Bild 5 schematisch gezeigt, können weitere Temperaturzyklen auftreten, welche auf das Einbringen weiterer Lagen oder auf Wärmenachbehandlung (z. B. Spannungsarmglühen) zurückzuführen sind. 169 <?page no="182"?> Bild 5: Temperatur-Zeit-Verlauf beim Schmelzschweißen, schematisch Die im Schweißgut (SG) und den wärmebeeinflussten Bereichen des Grundwerkstoffs ablaufenden metallurgischen Vorgänge sind modellartig mit denen der (zeitgerafften) Werkstofferschmelzung bzw. -umschmelzung vergleichbar. Der Werkstoffherstellung vergleichbar treten auch hier äußerst komplexe Vorgänge auf, wie Reaktionen mit Atmosphäre und Schlacke, Vermischungen, Kristallisation mit Anreicherung der Restschmelze an Verunreinigungen, Umkörnung, kohärente und inkohärente Ausscheidungen und Gittermodifikationen. Neben den aufgeschmolzenen Bereichen sind die Zonen des Grundwerkstoffs (GW) für die Schadensentstehung bedeutsam, welche eine Eigenschaftsänderung infolge der Wärmeeinbringung erfahren (Wärmeeinflusszone WEZ). Gefügeausbildung und mechanisch-technologische Eigenschaften hängen neben der chemischen Zusammensetzung in erster Linie von der jeweiligen Spitzentemperatur, der Haltedauer und der Abkühlungsgeschwindigkeit ab. Der Zusammenhang zwischen Gefügeausbildung und Spitzentemperatur sowie die etwa stattfindenden Gittermodifikationen können aus dem Zustandsdiagramm des betreffenden Werkstoffs entnommen werden. Bei umwandelnden (abschreckhärtbaren) Werkstoffen muss zusätzlich das Zeit-Temperatur-Umwandlungs-(ZTU-)Schaubild [8] bzw. das Spitzentemperatur- Abkühlungszeit-(STAZ)-Schaubild [9] herangezogen werden. Die Abhängigkeit der Gefügeausbildung von der Spitzentemperatur ist beispielhaft in Bild 6 für schweißbare un-/ niedriglegierte Stahle gezeigt. In diesem Bild sind in das für extrem langsame Abkühlung gültige Eisen-Kohlenstoff-Diagramm die unterschiedlichen Gefügezonen einer Schmelzschweißverbindung schematisch eingetragen. 170 <?page no="183"?> SZ GKZ FKZ PKZ RKZ AZ Bild 6: Gefügezonen einer Schmelzschweißung aus Baustahl, UP-Blindraupe 171 <?page no="184"?> Bei Schmelzschweißungen zeichnen sich das Schweißgut und die im Temperaturbereich der Liquidus-/ Soliduslinie erhitzte Aufschmelzzone durch ein stengeliges bzw. dendritisches Erstarrungsgefüge mit Gussstruktur aus. Sicherheitstechnische Probleme in dieser Zone hangen beispielsweise mit einer verminderten Festigkeit durch die Gussstruktur (bei nichtumwandelbaren Werkstoffen), Bild 7, und durch eine entkohlte Zone beim Pressschweißen von Stahlen zusammen, Bild 8. Bild 7: Festigkeitsabfall im Schweißgut von Al-Legierungen (Kosteas) Bild 8: Entkohlung im Stoßbereich einer Abbrennstumpfschweißung eines Vergütungsstahls In diesen Fällen muss vor allem auch auf einen Abfall der Schwingfestigkeit geachtet werden. Die allgemeingültige konstruktive Regel, Schweißnähte nicht in hochbeanspruchte Zonen zu legen, sollte im Rahmen der Schadensverhütung hier besonders berücksichtigt werden. Des Weiteren kann die mit Verunreinigungen angereicherte Restschmelze zu interdendritischen Heißrissbildungen beim Erstarren führen, siehe Abschnitt 4.1. Die Dendritengrenzen stellen dann im erstarrten Zustand eine mögliche Zone niedriger Zähigkeit dar, Bild 9. 172 <?page no="185"?> Bild 9: Kerbschlagarbeit-Temperatur-Kurven einer Modellnaht mit unterschiedlicher Probenlage im Schweißgut Unmittelbar an die Schmelzlinie schließt sich die Grobkornzone an, in der kurzzeitig Temperaturen zwischen 1100 °C bis etwa 1400 °C während des Schweißens auftreten. Die Korngrößen sind nach DIN EN ISO 643 bzw. ASTM E 112 mit Kennzahlen <5 (ASTM) einzustufen, Beispiel in Bild 10. Bild 10: Rissbildungen in der Grobkornzone einer Schmelzschweißung, REM-Aufnahme und Schliffbild Besondere sicherheitstechnische Relevanz kommt der Grobkornzone bei umwandelbaren Stählen zu, da hier infolge des Grobkorns ein trägeres Umwandlungsverhalten vorliegt und somit bevorzugt eine Martensitbildung einsetzt. Zur Bestimmung von Temperatur [°C] Kerbschlagarbeit [J] 173 <?page no="186"?> Gefügeausbildung (Martensitanteil) und Härte kann das kontinuierliche ZTU- Schaubild des Werkstoffs nur bedingt herangezogen werden, da Aufheizzeit (3 min), Spitzentemperatur (900 °C) und Haltezeit (10 min) auf die Wärmebehandlung abgestimmt sind. Die unterschiedlichen Bedingungen beim Schweißen (z. B. 10 s, 1350 °C, 3 s) erfordern eine Modifikation der üblichen Umwandlungslinien. So führt beispielsweise eine erhöhte Austenitisierungstemperatur zu einer Verschiebung der Umwandlungslinien zu längeren Zeiten, was auf die trägere Umwandlung zurückzuführen ist, siehe Bild 11. Entsprechend modifizierte ZTU-Schaubilder stehen heute zunehmend zur Verfügung [12]. Bild 11: Kontinuierliches ZTU-Diagramm für unterschiedliche Spitzentemperatur (links) [11], Schweiß-ZTU-Diagramm (rechts) [12] Abhängig von der chemischen Zusammensetzung des Werkstoffs und den Abkühlungsbedingungen ist im Grobkornbereich der Schweißungen eine mehr oder weniger ausgeprägte Härtespitze festzustellen, Bild 12. Aufgrund der nachfolgend geschilderten Problematik ist eine Begrenzung der maximalen Aufhärtung erforderlich. Zur Beherrschung der Kaltriss- und Korrosionsgefahr werden üblicherweise in der Praxis maximale Härtewerte zwischen 350 bis 450 HV als zulässig erachtet. Dies erfordert bei Werkstoffen mit eingeschränkter Schweißeignung besondere Maßnahmen, wie geeignete Wahl der Schweißparameter (hohe Streckenenergie, Vorwärmen, WärmenachbehandIung). 174 <?page no="187"?> Bild 12: Härtespitze in WEZ einer Lichtbogen-Hand-Schweißnaht, Baustahl S355 Im Zusammenhang mit Schweißfehlern ist die Grobkornzone durch folgende Phänomene bedeutsam: - Anreicherung von Verunreinigungen bzw. niedrigschmelzenden Phasen an den Korngrenzen infolge verringerter Korngrenzflächen gegenüber Grundwerkstoff (Heißrissgefahr, siehe Abschnitt 3.6). - Verringerte Zähigkeit durch Ausscheidungshärtung und Martensitbildung (Kaltrissgefahr, siehe Abschnitt 3.6). - Verminderte Korrosionsbeständigkeit durch Martensitbildung (Spannungsrisskorrosion) und Chromkarbidausscheidungen bei austenitischen Stählen (Interkristalline Korrosion), siehe Bild 13 und Beitrag Thoden in diesem Band. 175 <?page no="188"?> Bild 13: Interkristalline Korrosion, Sensibilisierung von austenitischen Stählen durch Schweißen Die sich anschließende Feinkornzone (Spitzentemperatur geringfügig über A C3 ) weist eine feinkörnige Umwandlungszone hoher Zähigkeit auf und steht nicht in Zusammenhang mit Schäden. Der im Zustandsdiagramm durch A C3 und A C1 (> 723 °C) begrenzte Temperaturbereich ist durch eine Teilumwandlung (unvollständige Umkörnung) und Perlitzerfall (koagulierter Zementit) gekennzeichnet. Bei Vergütungsstählen ist zusätzlich der Anlasseffekt in diesem Temperaturbereich zu beachten. Als Folge dieser Erscheinungen sind mäßige Entfestigungen möglich („Härtesack"), Beispiele in Bild 14 und 15. <0,05% 176 <?page no="189"?> Bild 14: Festigkeitsabfall in Perlitzerfallszone von Baustählen, MAG-Naht an Karosserieblech St 14 (DC04) Bild 15: Wasservergüteter Feinkornbaustahl S690QL, MAG-Stumpfnaht beschliffen, Querschliff und Härteverlauf H1 H1 Härteverlauf H1 177 <?page no="190"?> In Schweißverbindungen an kaltverformten Teilen kann bei etwa 600 °C die Rekristallisationszone, bei 250 °C bis 300 °C die Alterungszone auftreten. Die rekristallisierten Gefügezonen weisen gegenüber dem kaltverfestigten Grundwerkstoff eine verringerte Härte bzw. Festigkeit auf. Bei den kritischen Umformungsgraden (5 bis10 %) erfolgt die Rekristallisation grobkörnig, Bild 16. BiId 16: Grobkörnige Rekristallisation in der WEZ einer Schweißnaht, Werkstoff U-St 35 Beim Schweißen von kaltverformten, alterungsempfindlichen Stählen sind in einiger Entfernung von der Naht im Bereich der 300 °C-Isotherme die Bedingungen der künstlichen Alterung erfüllt, Hier kann es unter bestimmten Bedingungen (Temperatur, Schlag, dreiachsiger Zugspannungszustand) zu Sprödbrüchen kommen, siehe Beispiel in Bild 17. Bild 17: Sprödbruch einer geschweißten Lasche eines Deckels eines Fasswagens infolge Alterung [6] 178 <?page no="191"?> Die bisher beschriebenen Gefügeausbildungen beziehen sich auf die un- und niedriglegierten Stähle. Bei anderen Werkstoffgruppen sind andersartige Phänomene festzustellen, welche auf die spezifischen Eigenschaften dieser Werkstoffe zurückzuführen sind. Als Beispiel seien hier die hochlegierten Stähle erwähnt, deren Gefügeausbildung in Abhängigkeit vom Cr- und Ni-Äquivalent aus dem Schaeffler- Diagramm zu entnehmen ist [13]. Die mit dem Schweißen dieser Stähle verbundenen Fehlerarten sind in einer Erweiterung dieses Diagramms, dem Bystram- Diagramm, enthalten, Bild 18 [14]. Solche Fehler sind Martensitbildung, Heißrissbildung, -Phasen-Versprödung und Kornwachstum. Besonders für Mischschweißungen zwischen austenitischen und niedriglegierten Stählen ist das aus der Vermischung resultierende Gefüge für Austenit/ Martensit aus diesem Diagramm zu entnehmen. Bild 18: Bystram-Diagramm [14] Wie in Bild 19 am Beispiel einer austenitischen Plattierung eines Feinkornbaustahls gezeigt, äußert sich der Martensitanteil in der Vermischungszone in einer ausgeprägten Aufhärtung. Ein kennzeichnendes Beispiel für die mit der Gefügeausbildung zusammenhängende Problematik beim Schweißen ist bei Al-Legierungen gegeben, vgl. Bild 7. Diese nicht umkristallisierenden Werkstoffe weisen im Schweißgut infolge der Gussstruktur eine deutlich niedrigere Festigkeit als im Grundwerkstoff auf. 179 <?page no="192"?> Bild 19: Schaeffler-Diagramm, Gefügeausbildung and Härteverlauf einer austenitischen Plattierung mit zu niedrigem Cr/ Ni-Gehalt (15) 180 <?page no="193"?> 7.3 Beanspruchungszustand an Schweißverbindungen Bauteile weisen im Bereich von Schweißverbindungen häufig eine gegenüber den ungeschweißten Bereichen deutlich erhöhte Beanspruchung auf. Dies bezieht sich sowohl auf die absolute Höhe der Spannungen und Verformungen als auch auf den Grad der Mehrachsigkeit. 7.3.1 Spannungskategorien Der Beanspruchungszustand lässt sich durch die unterschiedlichen Spannungskategorien beschreiben. Wie in Bild 20 am Beispiel eines geschweißten T-Stoßes gezeigt, kann man die Spannungskategorien in lasttragende Primärspannungen („Nennspannungen“), Sekundärspannungen und Spitzenspannungen unterscheiden. Die Summe aus Primär- und Sekundärspannung wird als Strukturspannung bezeichnet, welcher bei Schweißverbindungen eine besondere Bedeutung zukommt. Bild 20: Spannungskategorien, Beispiel: T-Stoß mit Kehlnaht unter Zugbelastung Bei rissartigen Kerbbzw. Fehlstellen ist die Beanspruchung mit den Methoden der linear-elastischen Bruchmechanik (Spannungsintensitäten) oder der elastisch-plastischen Bruchmechanik (Rissspitzenöffnung, J-Integral) zu quantifizieren. Eine Erhöhung der Primärspannung ergibt sich bei einem signifikanten Flächenverlust im Bereich der Naht. Dieser kann durch makroskopische Imperfektionen auftreten. Dies gilt zum Beispiel für unverschweißte Wurzelspalte, ausgedehnte Porenfelder, größere Bindefehler und tiefe Einbrandkerben, siehe Abschnitt 4. Schweißverbindungen zeichnen sich - insbesondere bei nicht optimaler Konstruktion und Fertigung - durch den Umstand aus, dass die Naht einen Bereich mit hohen Sekundär- und Spitzenspannungen darstellt, welche meist zum Versagen beitragen, 181 <?page no="194"?> aber keine lasttragende Funktion besitzen. Die sicherheitstechnische Bedeutung dieser Spannungskategorien hängt auch mit der Tatsache zusammen, dass diese oft nicht beachtet werden und sich diese mit einfachen Mitteln praktisch nicht ermitteln lassen. Hier kommt der Finite-Elemente-Analyse - vor allem jedoch auch der experimentellen Spannungsanalyse mit Dehnungsmessstreifen - eine besondere Bedeutung zu, siehe Beispiel eines Kehlnahtanschlusses in Bild 21. Bild 21: Spannungsverläufe an einem MAG-Kehlnahtanschluss, Biegebelastung eines Vierkantrohrs 60x40x4, Werkstoff S315 NC (R m =500 MPa) Weitere Beispiele für sekundärspannungsbehaftete Bauteile sind in den Bildern 22 und 23 wiedergegeben. Bild 22: Beispiele für Sekundär-Biegespannungen 182 <?page no="195"?> Bild 23: Beispiele für Strukturspannungen an Schweißverbindungen (IIW-Document XIII-1965-03/ XV-1127-03) In den Bildern 24 und 25 sind Beispiele für Spannungsspitzen an Kerbstellen von Schweißnähten dargestellt. Bild 24: Finite-Elemente-Ergebnisse an Rundnaht mit Kantenversatz und scharfer Wurzelkerbe 183 <?page no="196"?> Bild 25: Spitzenspannungen an Schweißverbindungen, Formzahlen für Stumpfnähte 7.3.2 Versagensanalyse Die Relevanz der geschilderten Spannungskategorien für die Beurteilung und die Vermeidung von Schäden ergibt sich aus der Wechselwirkung mit der Bauteilzähigkeit und dem zeitlichen Verlauf der Belastung. Bei quasistatischer Belastung und sprödem Verhalten (zum Beispiel in einer unzulässig aufgehärteten Wärmeeinflusszone) ist mit Versagen durch Sprödbruch zu rechnen, wenn die maximale Normalspannung als Summe der Primär-, Sekundär- und Spitzenspannung die Zugfestigkeit des Werkstoffs erreicht. Bei hohen Sekundär- und Spitzenspannungen kann es in diesen Fällen zu den gefürchteten Brüchen mit (unerklärlich! ) niedriger Nennspannung kommen, siehe Bild 26 links. Bild 26: Einfluss des Verformungsvermögens auf die statische Belastbarkeit, Baustahl S235 mit Stumpfnaht [Seeger] 184 <?page no="197"?> Dagegen treten bei ausreichend zähem Verhalten eine Umlagerung und eine Begrenzung der Sekundär- und Spitzenspannung auf die Streckgrenze ein. Die vollplastischen Grenzbelastung (Kollaps) bzw. der Zähbruch tritt ein, wenn die Primärspannung die Zugfestigkeit erreicht, siehe Bild 26 rechts. Bei zeitlich veränderlicher Betriebsbelastung tragen sämtliche Spannungskategorien zum Ermüdungsversagen bei, was letztlich die Hauptursache für die Ermüdungsprobleme von geschweißten Konstruktionen darstellt. Leider gilt dies sowohl für sprödes als auch für zähes Bauteilverhalten. Bei entsprechend hohen Sekundär- und Spitzenspannungen treten auch hier Brüche bei niedrigen Nennspannungsamplituden auf, siehe Beispiele in den Bildern 27 und 28. Bild 27: Werkstoff- und Bauteil-Wöhlerlinie, Baustahl S235 mit Stumpfnaht, R=0.1, RT Bild 28: Einfluss des Höhenversatzes auf die Zugschwellfestigkeit einer MAG-Naht an einem Karosserieblech (St 14/ SG 1) 185 <?page no="198"?> 7.3.3 Eigenspannungen In Zusammenhang mit Schäden an Schweißverbindungen kommt den Eigenspannungen eine besondere Bedeutung zu. Eigenspannungen im Bereich der Schweißnaht resultieren einerseits aus örtlichen Fließvorgängen in Folge von Wärmespannungen (Schrumpfspannungen), andererseits aus örtlichen Gefügeumwandlungen (Umwandlungsspannungen). Bei nicht spannungsarm-geglühten Schweißnähten ist von maximalen Eigenspannungen in Höhe der Streckgrenze des Werkstoffs bei Raumtemperatur auszugehen. In Bild 29 ist der Verlauf der Eigenspannungen längs und quer zur Naht an einem Stumpfstoß schematisch gezeigt. Bild 29: Schematischer Verlauf der Längs- und Quereigenspannungen bei einer stumpfgeschweißten Platte Die Schadensrelevanz von Eigenspannungen leitet sich von der Begünstigung der Rissbildung beim Schweißen (Heißrisse, Kaltrisse), der Entstehung von spröden Gewaltbrüchen, der Beeinflussung des Schwingfestigkeitsverhaltens und der Korrosionsgefahr ab. Hierbei ist zu beachten, dass Eigenspannungen bei sprödem Verhalten in vollem Umfang zum Sprödbruchversagen beitragen, während sie bei zähem Verhalten keinen - oder zumindest einen vernachlässigbaren - Beitrag zum Gewaltbruchversagen liefern, siehe schematische Darstellung in Bild 30. 186 <?page no="199"?> Bild 30: Auswirkung von Eigenspannungen, schematisch Dieser Sachverhalt wird aus Bild 31 deutlich, das die Auswirkung von Eigenspannungen in Abhängigkeit von der Temperatur zeigt. Im Bereich tiefer Temperaturen (Sprödbruch) wird die ertragbare Bruchnennspannung durch die Eigenspannung erheblich vermindert, während bei höheren Temperaturen, d. h. mit zunehmender Zähigkeit, kein Einfluss feststellbar ist. Derselbe Kurvenverlauf ergibt sich sinngemäß bei Zusammenwirken von lokalen Spannungsspitzen (scharfe Kerben, Risse) und Werkstoffbereichen verschiedener Zähigkeit. Bild 31: Zusammenhang zwischen Bruchnennspannung und Temperatur (Zähigkeit) für unterschiedlich geglühte Schweißnähte [18] Prüftemperatur [°C] Bruchnennspannung [MPa] 187 <?page no="200"?> Bei Schweißungen an dickwandigen Bauteilen muss die Gefahr eines Sprödbruchs durch den dreiachsigen Zugspannungszustand beachtet werden, siehe Bild 32. Der durch die Fließbehinderung verursachte weitestgehend verformungslose Bruch lässt sich nur durch konsequente und sachgemäße Spannungsarmglühung dickwandiger Schweißkonstruktionen vermeiden. Bild 32: Eigenspannungen in einer dickwandigen Stumpfnaht Bei zeitlich veränderlicher Belastung wirken Eigenspannungen als Mittelspannungen, was sich anschaulich im Dauerfestigkeitsschaubild darstellen lässt, Bild 33. Bild 33: Auswirkung von Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit, Darstellung im DFS und Ergebnisse nach [19] 188 <?page no="201"?> 7.4 Schweißfehler Unter Schweißfehler sollen in diesem Zusammenhang sämtliche qualitätsmindernde Einflüsse an Schweißverbindungen verstanden werden. Hierzu zählen Festigkeits- und Zähigkeitsminderungen, Korrosionsempfindlichkeit und Fehlstellen. In diesem Abschnitt werden die Fehlstellen beschrieben, die in der Normung in verschiedene Unregelmäßigkeitsgruppen unterteilt werden. In DIN EN 6520 sind in der Unregelmäßigkeitsgruppe 1 die Risse und in den Unregelmäßigkeitsgruppen 2 bis 6 weitere Fehler (hier mit Imperfektionen bezeichnet) erklärt. Die Fehler werden Bewertungsgruppen zugeordnet, die für Stähle in DIN EN 5817 und für AL-Legierungen in ISO 10042 aufgeführt sind. 7.4.1 Risse Entsprechend dem Zeitpunkt und dem Temperaturbereich ihrer Entstehung werden die beim Schweißen und Spannungsarmglühen entstehenden Risse in Heiß-, Kalt- und Relaxationsrisse unterteilt, Bild 34, Sämtliche Risse treten bevorzugt in der grobkörnigen WEZ auf. Die Heißrisse und wasserstoffinduzierten Kaltrisse finden sich auch im Schweißgut. Eine Übersicht über die Rissarten, ihre Lage in der Schweißnaht, ihre Ursache und Erscheinungsform und mögliche Abhilfen ist in Bild 35 wiedergegeben. Bild 34: Zuordnung der Risstypen zum Temperatur-Zeit-Zyklus beim Schweißen und Spannungsarmglühen, schematisch 189 <?page no="202"?> Bild 35: Rissarten an Schweißverbindungen 190 <?page no="203"?> Heißrisse treten als Folge niedrigschmelzender Phasen in Verbindung mit Schrumpfspannungen i. a. bei Temperaturen > 1100 °C auf. Es wird unterschieden in Erstarrungsrisse und Wiederaufschmelzungsrisse. Bei der Erstarrungsrissbildung liegt zwischen den bereits erstarrten Dendriten im Schweißgut noch Restschmelze vor. Folglich ist der Verlauf interdendritisch, siehe Bild 36 und 37. Bild 36: Interdendritische Heißrisse im Schweißgut (MPA Stuttgart) Bild 37: Makro-Heißrissbildung in Nahtmitte eines austenitischen Rohrs, Schliffbild und REM-Aufnahme 191 <?page no="204"?> Der Wiederaufschmelzungsriss tritt in der Grobkornzone oder - bei Viellagennähten auch im Schweißgut - auf. Der Rissverlauf in der WEZ ist interkristallin, Bild 38 und 39. Bild 38: Mikro-Heißrissbildung in der WEZ, Rohr aus X10CrNiNb189 Bild 39: Bruchfläche eines interkristallinen (links) und eine interdendritischen Heißrisses (rechts) im REM Bei Alumimium-Legierungen wird die Heißrissneigung ebenfalls vom Schmelzintervall bestimmt, Bild 40. 192 <?page no="205"?> Bild 40: Heißrissneigung von Al-Legierungen Kaltrisse an entsprechend empfindlichen Stählen können beim Abkühlen im Temperaturbereich unter 300 °C entstehen. Ursachen für diese Rissart sind ein ungünstiges Zusammenwirken von Eigenspannungen und Aufhärtung. Begünstigend wirken sich Kerben aus. Mit Kaltrissen muss gerechnet werden, wenn örtlich hohe Spannungen mit einem versprödeten Gefüge zusammentreffen, Bild 41. Bild 41: Entstehungsursachen von Kaltrissen Houdremont 193 <?page no="206"?> Das Erscheinungsbild der Kaltrisse ist sowohl mikroskopisch (inter- und transkristalliner Verlauf) als auch makroskopisch (quer und längs zur Naht) uneinheitlich, siehe Beispiele in Bild 42 bis 44. Bild 42: Kaltrissbildung, Zusammenwirken von unzulässiger Aufhärtung und Zug-Eigenspannungen Bild 43: Härteriss in der WEZ einer Elektronenstrahlnaht (Werkstoff 16 Mn Cr 5) 194 <?page no="207"?> Bild 44: Spannungsriss quer zur Naht [6] Ein besonderes Problem der Schweißtechnik stellt die wasserstoffinduzierte Rissbildung dar [22, 23]. Diese resultiert aus dem beim Schweißen absorbierten und in das Metallgitter eindiffundierenden Wasserstoff. Als Schädigungsmechanismus wird eine Minderung der Kohäsionskräfte des Gitters sowie ein mehrachsiger Spannungszustand infolge der Rekombination des atomaren zu molekularem Wasserstoff an Gitterfehlstellen angenommnen, die zu einem inneren Druckanstieg führt, Bild 45. Die Empfindlichkeit gegenüber wasserstoffinduzierter Rissbildung steigt mit zunehmender Festigkeit (Härte) bzw. mit verminderter Zähigkeit. Bild 45: Mechanismus der Wasserstoffschädigung bei höherfesten Stählen Oft treten solche Risse bzw. Brüche verzögert, d. h. nach Stunden oder Tagen auf, Bild 46. 195 <?page no="208"?> Bild 46: Verzögerte Rissbildung durch Wasserstoff Die Mitwirkung von Wasserstoff bei Schäden kann - wenn überhaupt - durch die fraktografische Untersuchung im REM nachgewiesen werden. Als Merkmale können bei interkristallinen Rissen klaffende Korngrenzen, Haarlinien auf den Korngrenzenflächen („Krähenfüße") und Mikroporen angesehen werden, Bild 47. Bild 47: REM-Merkmale eines wasserstoffinduzierten Bruchs, Kaltriss durch Schweißung mit feuchter Elektrode 196 <?page no="209"?> Transkristalline Wasserstoffrisse zeichnen sich im REM durch Quasispaltbruch mit Mikroporen aus, Bild 48. Bei niedriglegierten Stahlen wird der transkristalline Rissverlauf vorwiegend bei niedrigen Härten beobachtet, während bei höherer Härte mit einem interkristallinen Verlauf zu rechnen ist. Bild 48: Transkristalliner Wasserstoffriss im REM Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die erhöhte Kaltrissgefahr bei geseigerten Werkstoffen, da Seigerungsbereiche eine erhöhte Aufhärtungsneigung und höhere Gehalte an diffusiblem Wasserstoff aufweisen, Bild 49. Bild 49: Einfluss von Seigerungen auf das Umwandlungsverhalten und das Lösungs- und Diffusionsvermögen von Wasserstoff (KWU) lm gleichen Temperaturbereich wie die Kaltrisse - jedoch unterschiedlich im Mechanismus - können Lamellenrisse (Lamellar Tearing, Terrassenbruch) auftreten. Sie kommen vorwiegend bei Walzerzeugnissen mit hohem Anteil an zeilenförmig bzw. flächig angeordneten nichtmetallischen Einschlüssen (Sulfide und Oxide) vor. Beanspruchungen in Dickenrichtung führen u. U. zu einem terrassenförmigen, verformungsarmen Bruch entlang der Einschlüsse, siehe Bild 50. 197 <?page no="210"?> Bild 50: Terrassenbruch (Lamellar Tearing) Die Entstehung der Lamellenrisse wird ebenfalls durch Wasserstoffeinfluss unterstützt. In Bild 51 ist ein Beispiel für einen Terrassenbruch im Bereich von Kraftanlagen dargestellt. Bild 51: Lamellenbruch an einem Speisewasserbehälter (Beanspruchung in z-Richtung durch aufgesetzten Entgaser, Bruchausgang an Nahtkerbe) 198 <?page no="211"?> Bild 52 zeigt ein weiteres Beispiel mit einem Terrassenbruch aus der Offshore- Technik. Der Terrassenbruch lässt sich durch folgende Maßnahmen beherrschen: geeignete Auswahl von Werkstoff (hoher Reinheitsgrad) und Halbzeug, konstruktive Maßnahmen (Vermeidung von Zug in Dickenrichtung), fertigungstechnische Maßnahmen (Pufferlagen, Schweißgut niedriger Festigkeit). Bild 52: Schwingbruchversagen der Bohrinsel Alexander Kielland ausgehend von einem Lamellenriss, Hobbacher [24] Relaxationsrisse (SRC) treten beim Spannungsarmglühen von Feinkornbaustählen auf, wenn aufgrund der chemischen Zusammensetzung die Möglichkeit einer Sekundärhärtung durch Wiederausscheidung der bei der Überhitzung in Lösung gegangenen Karbide bzw. Karbonitride besteht. Hierdurch tritt eine Relaxationsversprödung ein, die in Verbindung mit den zum Spannungsabbau erforderlichen Relaxationsdehnungen zu interkristallinen Rissen in der Grobkornzone der WEZ führen kann, Bild 53. Bild 53: Ausbildung von Nebennaht-Relaxationsrissen im Tangentialschliff und Bruchfläche im REM (MPA Stuttgart) 199 <?page no="212"?> Auf der Bruchfläche sind im REM Mikrowaben auf den Kornflächen (Restduktilität) festzustellen. Wie in Bild 35 dargestellt, verläuft die Ebene der Mikrorisse senkrecht zur Schweißflanke. Der Nachweis der SRC im metallografischen Schliff kann daher nicht im Querschliff, sondern in einem Schliff parallel zur Schmelzlinie (Tangentialschliff) erfolgen [25]. Die SRC-Empfindlichkeit wird durch karbidbildende Elemente, wie Mo, V, Nb, das AI- N-Verhältnis sowie Spuren- und Begleitelemente (Cu, Sn, S, P) beeinflusst. Die kumulative Wirkung mehrerer Elemente kann zu einer verstärkten SRC-Empfindlichkeit führen [26]. Zur Vermeidung von Relaxationsrissen ist eine Abstimmung zwischen den Karbidbildnern und dem AI-N-Verhältnis sowie eine Begrenzung der Gehalte an Spuren- und Begleitelemente erforderlich [27]. Relaxationsrisse können als Nebennahtrisse (Bild 35 und 53) oder auch als Unterplattierungsrisse auftreten. Hinzuweisen ist auf die Europäische Norm DIN EN 1011-2, in der für ferritische Stähle Empfehlungen für das Lichtbogenschweißen enthalten sind. In den Anhängen A bis F dieser Norm wird näher auf die Vermeidung von Schweißfehlern eingegangen. 7.4.2 Imperfektionen Zu den Imperfektionen bei Schweißverbindungen gehören - in Anlehnung an DIN EN ISO 6520, Blatt 1 - die folgenden wichtigsten Fehlergruppen (siehe schematische Darstellung in Bild 54]: — Hohlräume (Poren, Lunker) — Feste Einschlüsse (Schlacken, Oxidhäute, Fremdmetall) — Bindefehler und ungenügende Durchschweißung — Formfehler (Einbrandkerben, Nahtüberhöhung, Kanten- und Winkelversatz) — Sonstige Fehler (Zündstelle, Schweißspritzer, Schleiffehler, Heftstellen, Maßfehler). Bild 54: Imperfektionen an Schmelzschweißverbindungen, schematisch 200 <?page no="213"?> Für die sicherheitstechnisch bedeutsamsten Imperfektionen sind Ursachen, Auswirkungen und Abhilfemaßnahmen in Bild 55 enthalten. BiId 55: Übersicht über Imperfektionen 201 <?page no="214"?> Das Aussehen dieser Fehler bei der metallografischen Untersuchung ist aus den Bildern 56 bis 61 zu entnehmen. Bild 56: Porenbildung [6] Bild 57: Flankenand Lagenbindefehler [6] 202 <?page no="215"?> Bild 58: Unverschweißter Wurzelspalt [6] Bild 59: Einbrandkerben an einer Kehlnaht [6] 203 <?page no="216"?> Bild 60: Kantenversatz an einem Rohrbogen [6] Bild 61: Sprödbruch eines Behälters ausgehend von einer Zündstelle [6] 204 <?page no="217"?> 7.5 Schäden im Betrieb Das Versagen von geschweißten Bauteilen im Betrieb kann durch zähen Gewaltbruch, Sprödbruch, Dauerschwingbruch und Zeitstandbruch häufig in Wechselwirkung mit Korrosion erfolgen. Aufgrund der in den vorangegangenen Abschnitten geschilderten Problematik des Werkstoff-, Spannungs- und Fehlerzustands im Nahtbereich stellt die Schweißverbindung meist die Schwachstelle des Bauteils dar, so dass dort mit der Bruchauslösung gerechnet werden muss. 7.5.1 Sprödbruch Ausgangspunkt für den stabil oder instabil sich erweiternden Riss sind in der Regel die aus der Herstellung vorhandenen Risse und Imperfektionen. Zum gefürchteten katastrophalen Gewaltbruch kann es auch ohne Überlastung kommen, wenn die rissartigen Werkstofftrennungen in versprödeten Gefügebereichen liegen und die Bedingungen für ein Rissauffangen nicht gegeben sind, Bild 62. Bild 62: Im Berstversuch katastrophal gebrochene Kesseltrommel [6] Sprödbruch begünstigend wirken tiefe Temperaturen, Bild 63, dreiachsige Zugspannungszustände (Eigenspannungen, Dehnungsbehinderung), Bild 64 sowie schlagartige Belastungen, Bild 65. 205 <?page no="218"?> Bild 63: Spröd gebrochenes Liberty-Schiff Bild 64: Spannungsrisse an einem eingeschweißten Stutzen [28] 206 <?page no="219"?> Bild 65: Sprödbruch eines reparaturgeschweißten Bohrmeißels durch Schlagbeanspruchung [6] 7.5.2 Schwingfestigkeitsversagen Während beim Sprödbruch dem Werkstoffzustand die entscheidende Bedeutung zukommt, wird das Schwingfestigkeitsversagen („Ermüdung“) durch die örtlich vorhandenen Spannungsspitzen bestimmt. Der Schwingriss nimmt daher an Kerbstellen seinen Ausgang, welche auf ungünstige konstruktive Gestaltung oder mangelhafte Ausführung zurückgehen, siehe Beispiele in Bild 66 und 67. Bild 66: Dauerbruch an geschweißter Lenksäule eines Baggers [6] 207 <?page no="220"?> Bild 67: Dauerbruch an geschweißtem Träger mit ungünstiger Nahtform 7.5.3 Zeitstandversagen Das Zeitstandversagen von Schweißverbindungen tritt bevorzugt - ausreichende Zeitstandfestigkeit des Schweißgutes vorausgesetzt - in der Zone niedrigster Festigkeit ein. Diese ist mit dem teilweise ungekörnten WEZ-Bereich (A c1 bis A c3 ) identisch, Bild 68. Bild 68: Zeitstandriss in der WEZ eines Behälters aus warmfestem Stahl [6] Ein weiteres Beispiel für einen Zeitstandschaden in Bereich der Rundnaht eines Drehretorten-Ofens ist in Bild 69 gezeigt. 208 <?page no="221"?> Bild 69: Zeitstandschaden an einem Drehretorten-Ofen (930 °C, 20000 Stunden) 7.5.4 Korrosionsschäden Die Schweißnaht ist in Bezug auf korrosiven Angriff im Bauteil ein besonders gefährdeter Bereich. Ursache hierfür sind wiederum korrosionsempfindliche Gefüge und etwa vorhandene Zugeigenspannungen. Die interkristalline Korrosion (Kornzerfall) bei austenitischen Stählen ist auf Sensibilisierung durch Chromverarmung korngrenzennaher Bereiche zurückzuführen, siehe Bild 13. Die Spannungsrisskorrosion (SpRK) wird bei un- und niedriglegierten Stählen durch empfindliche martensitische Gefüge in der WEZ in Verbindung mit Zugspannungen verursacht. Neben der anodischen SpRK kann auch die kathodische wasserstoffinduzierte SpRK in der WEZ auftreten. Bei austenitischen Stählen verläuft die Spannungsrisskorrosion meist transkristallin, siehe Bild 70. Eine ausführliche Beschreibung der Korrosionsmechanismen und der Schäden kann dem Beitrag Thoden in diesem Band entnommen werden. Bild 70: Chlorinduzierte Spannungsrisskorrosion in einer austenitischen Rohrleitung 209 <?page no="222"?> 7.6 Vermeidung von Schäden an Schweißverbindungen Die Qualität einer Schweißverbindung ergibt sich aus dem Zusammenwirken der integralen und lokalen Werkstoffeigenschaften (Schweißeignung), der Konstruktion (Schweißsicherheit) und der Fertigung (Schweißmöglichkeit), siehe Begriff Schweißbarkeit in Bild 4. Zur Vermeidung von Schäden ist auf die Verwendung geeigneter Werkstoffe mit einer der Beanspruchung angepassten Werkstofffestigkeit im Nahtbereich (WEZ, Schweißgut) in Verbindung mit einem ausreichenden Verformungsvermögen und einer entsprechenden Korrosionsbeständigkeit zu achten. Außerdem kann durch geeignete Werkstoffe die Entstehung von Schweißrissen (Heiß- und Kaltrisse) vermieden werden. Kennzeichen einer optimalen Konstruktion und Fertigung ist die Vermeidung oder zumindest Begrenzung von Sekundär- und Spitzenspannungen im Nahtbereich. Besonders bei schwingend belasteten Schweißkonstruktionen ist auf eine möglichst kerbarme Konstruktion zu achten („Stumpfnaht statt Kehlnaht“). Wie in Bild 71 an einem einfachen Beispiel gezeigt, zeichnet sich eine gute Schweißkonstruktion auch durch die Möglichkeit der zerstörungsfreien Prüfbarkeit und die Bearbeitbarkeit der Schweißnähte aus. Bild 71: Konstruktive Optimierung von Schweißkonstruktionen, Ausbildung von Schweißnahtanschlüssen Zur Vermeidung von Ermüdungsschäden muss eine Schweißnaht mit möglichst wenig Imperfektionen und herstellungsbedingten Risse aufweisen. Der Nachbehandlung von Schmelzschweißverbindungen mit dem Ziel einer Verringerung der Kerbwirkung und/ oder dem Aufbau von Druckeigenspannungen kommt in Verbindung mit einer Kaltverfestigung der Oberfläche eine besondere Bedeutung zu. 210 <?page no="223"?> Hierzu zählen Verfahren wie WIG-Dressing, Bild 72, Nadeln, Kugelstrahlen, Ultrasonic (UIT) und Pneumatic Impact Treatment (PIT), 73. Bild 72: MAG-Stumpfnaht mit WIG-Dressing Bild 73: Verbesserung der Schwingfestigkeit von Schweißverbindungen, Ultrasonic Impact Treatment (UIT) an MAG-Kreuzstößen, Werkstoff S355, R=0.1 211 <?page no="224"?> 7.7 Literatur [1] Ruge, J.: Handbuch der Schweißtechnik, Band 1 und IV, 3. Auflage, Springer- Verlag, Berlin/ Heidelberg 2000. [2] DVS-Berichte. Deutscher Verlag für Schweißtechnik GmbH, Düsseldorf. [3] Schüller, H.-J.: Schäden an Schweißnähten. In: Systematische Beurteilung technischer Schadensfälle, Herausgeber G. Lange, Deutsche Gesellschaft für Metallkunde e.V.; 1983. [4] Broichhausen, J.: Schadenskunde. Carl Hanser Verlag, München/ Wien, 1985. [5] Dorn, L.: Schadensfälle und Fehler an Schweißbauteilen. Band 145, Kontakt & Studium, expert verlag, 1985. [6] Schadenskunde.. Staatliche Materialprüfungsanstalt. Universität Stuttgart. [7] Kußmaul, K.: Basis Safety - A Challenge for Welding Technology. Workshop on Advances in Welding Technology, 28.2. - 1.3.1983 University of Roorkee, Roorkee (India). [8] N.N.: Atlas zur Wärmebehandlung der Stähle. MPI Düsseldorf/ VdEH, Verlag Stahleisen mbH, Düsseldorf. [9] Berghout, Chr. F.; van Lent, P.H.: Anwendung von STAZ-Schaubildern beim Schweißen hochfester Stähle. Schweißen und Schneiden 20 (1968), S. 256 - 260. [10] Sinz, R.: Einfluss der Überhitzung auf Gefügeausbildung, Zähigkeit und Korrosionsbeständigkeit der Wärmeeinflusszone stabilisierter austenitischer Chrom- NickelStähle. Techn.-Wiss. Bericht, MPA Stuttgart (1983), Heft 83-03, Dissertation Universität Stuttgart, 1983. [11] Rose, A.: Schweißbarkeit und Umwandlungsverhalten der Stähle. Forschungsbericht NRW Nr. 1534, Köln, Opladen, Westdeutscher Verlag 1965. [12] Seyffarth, P.: Atlas Schweiß-ZTU-Schaubilder. DVS-Fachbuchreihe Schweißtechnik, Band 75, VEB-Verlag Technik, Berlin, 1982. [13] Schaeffler, A.L.: Constitution diagram for stainless steel weld metal. Metal Progress 56 (1949), S. 680 - 684. [14] Bystram, M.C.T.: British Welding Journal, Feb. 1956. [15] Issler, L.; Sinz, R.; Jansky, J.: Untersuchungen zum Verhalten des austenitischen Werkstoffs X10CrNiNb189. Technischer Fachbericht PHDR 37 - 84, 1985, Kernforschungszentrum Karlsruhe. [16] Wellinger-Eichhorn-Gimmel: Schweißen. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart (1964). [17] Marshall, P.W.: Welding of Tubular Structures. Proceedings of 2. International Conference, IIW, Pergamon Press, 1984. [18] Welding Journal, 1973, p. 254, siehe auch: Hagedorn: VdEH-Kontaktstudium 1/ 82, Werkstoffkunde Eisen und Stahl, 28.2. — 6.3.1982, Lüdenscheid. [19] Ritter, W.; Olivier, R.: Einfluß fertigungsbedingter Eigenspannungen auf die Schwingfestigkeit von Schweißverbindungen. LBF-Bericht Nr. TB-1 71 (1984). [20] Harrison, J.D.: Basis for a proposed acceptance standard for weld defects. Part 1: Porosity. Met. Constr. and Brt. Wdg. J. 4 (1972), H 3, p. 99/ 107. 212 <?page no="225"?> [21] Kußmaul, K.; Sinz, R.: Die Eigenschaften der Wärmeeinflußzone stabilisierter austenitischer Chrom-Nickel-Stähle, ermittelt in Schweißsimulationsversuchen. VGB Kraftwerkstechnik 65, Heft 10, Okt. 1985, S. 968/ 976. [22] DVS-Bericht 64: Prüfverfahren zur Beurteilung der Kaltrißanfälligkeit von Stählen. Deutscher Verlag für Schweißtechnik GmbH, Düsseldorf (1980). [23] Haumann, W. et al.: Der Einfluß von Wasserstoff auf die Gebrauchseigenschaften von unlegierten und niedriglegierten Stählen. Stahl und Eisen 107 (1987) Nr. 12, S. 585/ 594. [24] Hobbacher, A.: Schadensuntersuchungen zum Unglück des Halbtauchers „Alexander L. Kielland". Der Maschinenschaden, Heft 2, 1983, S. 42/ 48. [25] Kußmaul, K. et al.: Maßnahmen und Prüfkonzepte zur weiteren Verbesserung der Qualität von Reaktor-Druckbehältern für Leichtwasserkernkraftwerke. VGB Kraftwerkstechnik 58 (1978) 6, S. 439/ 448. [26] Schellhammer, W.: Über die Ursachen von Relaxations- und Heißrißbildung in der WEZ der Feinkornbaustähle 22NiMoCr37 und 20MnMoNi55. TWB MPA Stuttgart, Heft 78-01 (1978). [27] Schick, M.; Sinz, R. et al.: Beitrag zur Beurteilung der Zähigkeit und schweißtechnische Verarbeitungssicherheit des Stahles 1 5NiCuMoNb5. VGB Kraftwerkstechnik 67, Heft 9, Sept. 1987, S. 901/ 916. [28] Burgess, N.T. (Editor): Quality Assurance of Welded Construction. Applied Science Publishers. London and New York, 1983. 213 <?page no="226"?> 8 Schäden an wärmebehandelten Bauteilen Johann Grosch 8.1 Allgemeines Das Festigkeits- und Verschleißverhalten technischer Bauteile aus metallischen Werkstoffen entsteht aus der Wechselwirkung des wirkenden Spannungszustands mit dem Gefüge im Bauteil. Bei nahezu allen hochbeanspruchten Bauteilen wird das für die erforderlichen Eigenschaften notwendige Gefüge durch Wärmebehandlung eingestellt. Abhängig von der Wärmebehandlung und der Bauteilgestalt können Eigenspannungszustände aufgebaut werden. Wärmebehandlungen können Gestalt und Oberfläche des Bauteils verändern. In der Wärmebehandlung werden gleichgewichtsnahe und gleichgewichtsferne Gefüge eingestellt. Gleichgewichtsnahe Gefüge können aus den Zustandsdiagrammen abgeleitet werden, sie sind die in einem Legierungssystem jeweils weicheren, duktilen Gefügezustände und werden durch isothermische Behandlungen sowie nur langsame Temperaturänderungen erreicht. Die technischen Verfahren sind die Glüh- und Homogenisierungsbehandlungen. Gleichgewichtsferne Gefüge sind in den Zeit- Temperatur-Umwandlungsschaubildern beschrieben und werden durch rasche Abkühlung eines Gefüges im Gleichgewicht (gesättigter Mischkristall) in einen Temperaturbereich erreicht, in dem das Gefüge nicht mehr im Gleichgewicht ist (übersättigter Mischkristall). Die „gleichgewichtsnahe“ langsame Änderung von Gefügen, bei der die Matrix ihren Gitterzustand und ihre Korngröße ändern kann und bei den zweiten Phasen gebildet oder aufgelöst werden, ist diffusionsgesteuert. Die Diffusion läuft bei hohen Temperaturen schneller ab als bei niedrigen Temperaturen, bei tiefen Temperaturen entstandene zweite Phasen sind kleiner und feiner verteilt als Hochtemperaturphasen. Das klassische „gleichgewichtsferne“ Gefüge ist der Martensit, der diffusionslos gebildet wird und bei un- und niedriglegierten Stählen die jeweils höchste Härte des Legierungssystems hat. Die Glühverfahren und das Härten/ Vergüten sind durchgreifende Wärmebehandlungen, bei denen das Bauteil überall das gleiche Gefüge erhält. Die Verfahren zur Wärmebehandlung des Randgefüges - Randschichthärten, Einsatzhärten, Nitrieren und Borieren - verbinden in einem im Bauteil harte Randgefüge mit weicheren Kerngefügen. Stähle reagieren beim Glühen in Luft mit Sauerstoff und bilden Oxidschichten. Dünne Schichten, unter etwa 10nm sind farblos. Mit zunehmender Schichtdicke werden durch Interferenzvorgänge (Anlauf-) Farben erhalten. Schichten dicker etwa 1μm erscheinen schwarz. Eisenoxide haben ein viel größeres Volumen als Eisen, dicke Eisenoxidschichten werden rissig und platzen ab. Chromoxidschichten auf entsprechend mit Chrom legierten korrosionsbeständigen Stählen sind stabiler, in Anlauffarben, die beim Schweißen und auch bei Wärmebehandlungen entstehen können, geht die Korrosionsbeständigkeit verloren. Wärmebehandlung in Schutzgasatmosphären oder im Vakuum, bei denen die Oberflächen nicht nachteilig verändert werden, ist Stand der Technik. 214 <?page no="227"?> Verzug entsteht, wenn Spannungen im Bauteil zu plastischen Verformungen führen. Die Spannungen können als Wärmespannungen beim Aufheizen und beim Abkühlen abhängig von der Geschwindigkeit der Temperaturänderung entstehen, sie können die Folge von Gefügeumwandlungen sein, die mit Volumenänderungen verbunden sind, und sie können als Eigenspannungen bereits vor einer Wärmebehandlung im Bauteil vorhanden sein. 8.2 Fehlerbereiche und Beispiele Die Wärmebehandlung ist ein Fertigungsverfahren, wie bei allen Fertigungsverfahren wird die Mehrzahl der durch Verfahrensfehler verursachten Schäden wie Härterisse, nicht ereichte Härtewerte und unzulässige Oberflächenveränderungen im Rahmen der Qualitätskontrolle entdeckt. Verzüge können das Wärmebehandlungsergebnis beeinträchtigen und in frage stellen, werden aber ebenfalls unmittelbar nach der Wärmebehandlung erkannt und sind daher schadenskundlich nicht wirksam, es sei denn, dass beim Richten Anrisse eingebracht oder Eigenspannungszustände kritisch verändert werden. Verbleibende Schäden an wärmebehandelten Bauteilen können zwei Bereichen zugeordnet werden: - das - fehlerfrei wärmebehandelte - Gefüge entspricht nicht den Anforderungen, - das wärmebehandelte Gefüge enthält Zustände, die der Qualitätskontrolle entgangen oder nicht zugänglich sind und bei Beanspruchung Versagen auslösen. Beide Schadensmöglichkeiten werden nachfolgend anhand einiger Schadensfälle im wesentlichen für Stähle und ausschließlich hinsichtlich der technischen Schadensursachen (root cause analysis) besprochen. Eine einsatzgehärtete Passschraube M10 nach DIN 333 aus 15CrNi6 war beansprucht durch Zugkräfte senkrecht zur Längsachse makroskopisch verformungslos (Bild 1) mit interkristallinem Bruchverlauf im Randgefüge (Bild 2) und duktilem Bruchverlauf im Kerngefüge (Bild 3) gebrochen. Gefüge (Bilder 4.1 und 4.2) und Härteverlaufskurve (Bild 5) entsprachen den Vorgaben. Randschichtgehärtete Gefüge sind für Zugbeanspruchungen weniger gut geeignet, weil das harte Randgefüge Spannungen standhalten kann, bei denen die Festigkeit des weicheren Kerngefüges bereits überschritten ist. Die Fließbehinderung durch das nur elastisch verformte Randgefüge führte bei der hier vorliegenden Einsatzhärtungstiefe zu einem konzentrischen Nebenriss (Bild 1), der Kernbereich wird damit vom Randbereich abgelöst und der Verbund versagt verformungslos, wenn die Festigkeit des Randgefüges erreicht ist. 215 <?page no="228"?> Bild 1: Gewaltbruch einer Passschraube, Rückstreuelektronenbild Bild 2: Gewaltbruch einer Passschraube, Bruchstruktur im Rand (850±15HV10) 216 <?page no="229"?> Bild 3: Gewaltbruch einer Passschraube, Bruchstruktur im Kern (410±6HV10) Bild 4.1: Gewaltbruch einer Passschraube, Randgefüge 217 <?page no="230"?> Bild 4.2: Gewaltbruch einer Passschraube, Kerngefüge Bild 5: Gewaltbruch einer Passschraube, Härteverlaufskurve 0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 0 1 2 3 4 5 Abstand von der Oberfläche (mm) Härte HV1 218 <?page no="231"?> Bei vielen Wärmebehandlungsaufträgen ist das Gefüge vor der Wärmebehandlung nicht bekannt und kann nach der Wärmebehandlung nicht geprüft werden. Ungeeignete Ausgangsgefüge und Folgen von Wärmebehandlungsfehlern im Gefüge werden dann nicht gefunden. Heterogene Ausgangsgefüge werden nur wenig vermindert, oft auch unverändert im wärmebehandelten Gefüge abgebildet. Eine Platte (450mmx300mmx45mm) eines Formwerkzeugs aus X42Cr13 war bei der Inbetriebnahme des Werkzeugs angerissen (Bild 6). Das nach Vorgabe richtig auf 54HRC vergütete Gefüge war ausgeprägt zeilig (Bild 7), grobkörnige, im wesentlichen carbidfreie Bereiche wechselten mit feinkörnigen Zeilen mit vielen Carbiden. Ein für die zeilige Anordnung ungünstiger Spannungszustand führte zu einem spröden Bruch, der interkristallin von den dominierenden grobkörnigen Bereichen ausging (Bild 8). Bild 6: Angerissene Formplatte, Ausschnitt 219 <?page no="232"?> Bild 7: Angerissene Formplatte, Gefüge, geätzt mit Molybdänsäure Bild 8: Angerissene Formplatte, Bruchstruktur Gehäuft auftretende nichtmetallische Einschlüsse, in Bild 9 in der Bruchfläche freigelegt, führten zu einem makroskopisch gestuften Anriss (Bild 10) in einer einsatzge- 220 <?page no="233"?> härteten Platte und damit zu einem nicht vorhersehbaren Schaden bei der ansonsten bei gleichen Platten beherrschten Wärmebehandlung. Bild 9: Nichtmetallische Einschlüsse in der Bruchfläche, 16MnCr5, einsatzgehärtet Bild 10: Anrisse in einer einsatzgehärteten Platte aus 16MnCr5 Örtliche Änderungen des Randgefüges bleiben unbemerkt, wenn eine Gefügeuntersuchung nicht zulässig ist, und lösen häufig Schäden aus. Nitrierte Führungsbuchsen aus 16MnCr5 zeigten nach kurzer Betriebsdauer unzulässigen Ver- 221 <?page no="234"?> schleiß. Im Schliff war zu erkennen, dass bei der spanlosen Fertigung der Kugelbahnen eingedrücktes Schmiermittel vor dem Nitrieren nicht vollständig entfernt worden war (Bild 11) und dadurch das für den Verschleißwiderstand erforderliche Gefüge nicht erreicht werden konnte (Bild 12). Das frühe verschleißbedingte Versagen einer flammgehärteten Schnecke aus C45 (Bild 13) war durch einen Wärmebehandlungsfehler bedingt, der zu einem heterogenen Gefüge führte (Bild 14), in dem Ferrit auf Korngrenzen die Schwachstelle bildete. Ausgeprägte Randoxidation (Bild 15), Carbide (Bild 16), durch Überhitzung oxidierte Korngrenzen (Bild 17) sind weitere Gefügemerkmale, die bei entsprechender Beanspruchung Versagen bedingen können. Abschließend sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Gefüge an sich wertneutral sind und dem Werkstoff und der durchgeführten Wärmebehandlung entsprechen. Gefügezustände, die davon abweichen und oft als Fehler bezeichnet werden, dürfen nur in der Systembeanspruchung des jeweiligen Schadensfalls als schadensauslösend beurteilt werden. Bild 11: Schmiermittel im nitrierten Randgefüge, 16MnCr5, ungeätzt 222 <?page no="235"?> Bild 12 Schmiermittel im nitrierten Randgefüge, 16MnCr5 Bild 13. Schadensbild bei Wälzermüdung, C45 flammgehärtet 223 <?page no="236"?> Bild 14: Ferritnetz, C45 flammgehärtet Bild 15: Randoxidation, 15CrNi6, einsatzgehärtet, ungeätzt 224 <?page no="237"?> Bild 16: Carbide in einem einsatzgehärteten Randgefüge, 16MnCr5 Bild 17: Überhitztes Gefüges, 10CrMo9-10 225 <?page no="238"?> 8.3 Literatur W. Bergmann: Werkstofftechnik 1, Grundlagen. 7. Auflage Carl Hanser Verlag. München 2013 L.C.F. Canale, R.A. Mesquito, G.E. Totten: Failure Analysis of Heat Treated Steel Components. ASM 2008 J. Grosch: Heat treatment with Gaseous Atmospheres. Chapter 7, p. 415-473. In: G. Totten (Ed.): Steel Heat Treatment. CRC Press Taylor & Francis. London 2007 H.-P. Hougardy: Umwandlung und Gefüge unlegierter Stähle. Verlag Stahleisen. Düsseldorf 2010 R. Jönsson: Erkennen und Ursachen von Wärmebehandlungsfehlern. Z. für wirtschaftl. Fertigung 71(1976)377-381 G. Krauss: Steels: Processing, Structure, and Performance. ASM 2005 226 <?page no="239"?> 9 Schadensanalysen in tribologischen Systemen an einem Beispiel aus der Automobilindustrie Andreas Vogt 9.1 Einleitung In diesem Kapitel geht es um Schäden, die durch Verschleiß an bewegten Maschinenelementen entstehen, bzw. die Schadensanalyse an solchen Systemen. Tribologie ist die Wissenschaft, die sich mit Reibung, Verschleiß und Schmierung und somit auch mit den durch Reibung und Verschleiß verursachten Schäden befasst. Ihre Existenzberechtigung bezieht die Tribologie aus der Tatsache, dass Reibung, Verschleiß und Korrosion in der Bundesrepublik Deutschland Schäden in der Größenordnung von fast 5 % des Bruttosozialproduktes verursachen - im Jahre 1983 beliefen sich deren Kosten auf 70 Mrd. DM pro Jahr [1]. Obwohl sich keines der beiden Phänomene Reibung und Verschleiß mit vertretbarem Aufwand vollständig verhindern lassen wird, kann man durch die richtige Auslegung von Maschinenelementen und ihr aufeinander Einwirken erhebliche Kosteneinsparungen erzielen. Oftmals ist eine optimale Auslegung der Maschinenelemente und der Belastungen in Hinblick auf Reibung und Verschleiß am Computer im Vorhinein nicht möglich: die Belastungskollektive sind meist sehr komplex. Nicht alle Belastungskonstellationen können vorab simuliert bzw. deren Auswirkungen korrekt eingeschätzt werden. Daher kommt es normalerweise während der Entwicklungs- und Testphasen neuer Produkte zu Schadensfällen. Deren Analyse gibt wichtige Hinweise auf die vorgelegenen Beanspruchungen und die Beanspruchbarkeit der beteiligten Bauelemente und ermöglicht somit eine bessere Auslegung der Systeme. Im schlimmsten Fall treten die Schadensfälle erst beim Endbenutzer auf - oft unter Belastungen, die in den Pflichtenheften nicht vorgesehen waren. Besonders bei Ausfällen beim Kunden ist eine schnelle und richtig ausgeführte Schadensanalyse von hoher Wichtigkeit, weil nur mit dieser weitere Schäden verhindert werden können. Nach einer kurzen Einführung in die Tribologie und der verschiedenen Verschleißmechanismen wird das Vorgehen bei Schadensanalysen an einem Beispiel aus dem Bereich der Automobilindustrie dargestellt. 9.2 Kurze Einführung in die Tribologie 9.2.1 Begriffe und Definitionen Die Tribologie (griech: Reibungslehre) wurde als interdisziplinäre Wissenschaft erst im Jahre 1966 begründet. Nach Jost [2] ist sie wie folgt definiert: „Tribology is the science and technology of interacting surfaces in relative motion and of related subjects and practices.“ 227 <?page no="240"?> In der DIN 50323 [3] heißt es: „Tribologie ist die Wissenschaft und Technik von aufeinander einwirkenden Oberflächen in Relativbewegung. Sie umfasst das Gesamtgebiet von Reibung und Verschleiß, einschließlich Schmierung, und schließt entsprechende Grenzflächenwechselwirkungen sowohl zwischen Festkörpern als auch zwischen Festkörpern und Flüssigkeiten oder Gasen ein.“ Für die Schadensanalyse sind vor allem die Phänomene Reibung und Verschleiß wichtig, obwohl auch eine falsche Schmierstoffauswahl unmittelbar zu Schäden führen kann. In solchen Fällen liegt dann eine Unverträglichkeit der Werkstoffe mit dem Schmierstoff vor. Definition für die Reibung: Wechselwirkung zwischen sich berührenden Stoffbereichen von Körpern, die einer Relativbewegung entgegen wirkt und bei der Energie dissipiert wird. Definition für den Verschleiß: Fortschreitender Materialverlust aus der Oberfläche eines festen Körpers, hervorgerufen durch mechanische Ursachen, d. h. Kontakt und Relativbewegung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Gegenkörpers. In den meisten Fällen ist (eine zu hohe) Reibung die Ursache für Verschleißprobleme: die Hemmung der Relativbewegung durch die Reibung führt zu Energieumwandlung. In der Regel wird dabei die kinetische Energie in Wärmeenergie und/ oder potentielle Energie (auf atomarer oder molekularer Ebene) umgewandelt. Diese Energieformen sind Ursache des beobachteten Verschleißes. 9.2.2 Das tribologische System In diesem Abschnitt wird der Begriff des tribologischen Systems erläutert. Der Systemgedanke ist für das Verständnis besonders der Verschleißmechanismen und Schäden von essentieller Bedeutung. Wie in den Definitionen für Tribologie, Reibung und Verschleiß schon angedeutet, hat man es in der Tribologie nie mit einzelnen Systemkomponenten (Bauteilen oder Maschinenelementen) zu tun, sondern immer mit mindestens zweien, die miteinander in Wechselwirkung treten. Im Allgemeinen ist es sogar so, dass ein sogenanntes tribologisches System mehrere Komponenten beinhaltet (Bild 1). 228 <?page no="241"?> Grundkörper (2) Zwischenstoff (3) Umgebung (4): Temperatur, Luftfeuchte, elektromagnetische Felder, .... vorgegeben (z. B. Kraftstoff) gestaltbar (Schmierstoff) 1 3 2 4 Gegenkörper (1) Grundkörper (2) Zwischenstoff (3) Umgebung (4): Temperatur, Luftfeuchte, elektromagnetische Felder, .... vorgegeben (z. B. Kraftstoff) gestaltbar (Schmierstoff) 1 3 2 4 Gegenkörper (1) Bild 1: Komponenten eines tribologischen Systems Neben den per Definition vorhandenen Grund- und Gegenkörpern beinhaltet es oft Medien (flüssig, gasförmig oder fest) sowie weitere Einfluss nehmende Größen, die durch die individuelle Umgebung bestimmt werden. Weiterhin wichtig für das tribologische System sind die im System aus Bild 1 wirkenden Kräfte normal und tangential zu den beteiligten Oberflächen, die Geschwindigkeit, mit der sich die Oberflächen relativ zueinander bewegen, die durch die Reibung entstehende Temperatur und das Ausmaß der Belastung hinsichtlich Wegen bzw. Zeiten. Außerdem ist die Bewegungsform von großer Bedeutung: Ob es sich bei der Bewegung um unidirektionales oder reversierendes Gleiten, Rollen, Prallen oder Strömen handelt, hat nachhaltigen Einfluss auf die Beanspruchung der beteiligten Oberflächen. Ebenfalls sehr wichtige Einflussgrößen besonders auf den Verschleiß in einem tribologischen System sind natürlich die verwendeten Werkstoffe und deren Eigenschaften sowie die in dem System übertragenen oder umgewandelten Energien. Erst durch das Zusammenspiel aller genannten Einflussgrößen in dem betrachteten System werden die Eigenschaften dieses Systems bestimmt - insbesondere die Energieverluste durch die Reibung und die Materialverluste durch den Verschleiß. Energieverluste sind besonders unter dem Aspekt Effizienz relevant. Ein u. U. erhöhter Energieaufwand zur Aufrechterhaltung der Funktion eines Erzeugnisses ist zwar unerwünscht, in der Regel aber nicht kritisch. Unmittelbaren Einfluss auf die Funktionalität des betrachteten Systems haben jedoch die Materialverluste. Funktionsänderungen bis hin zum Funktionsverlust (Ausfall des Systems) müssen auf jeden Fall verhindert werden. In Bild 2 wird noch einmal ein Überblick über die Komponenten und Einflussgrößen in einem tribologischen System gegeben. 229 <?page no="242"?> Geschw. v Temperatur Weg (Zeit) Funktionsänderung Gleiten Energie Oszillieren Rollen Prallen Strömen Energieverlust Materialverlust Grundkörper (2) Zwischenstoff (3) Umgebung (4) Vorgegeben (Kraftstoff) Gestaltbar (Schmierstoff) F t F n V 1 3 2 4 Kräfte F n F t Gegenkörper (1) Werkstoff Bewegungsform Geschw. v Temperatur Weg (Zeit) Funktionsänderung Gleiten Energie Oszillieren Rollen Prallen Strömen Energieverlust Materialverlust Grundkörper (2) Zwischenstoff (3) Umgebung (4) Vorgegeben (Kraftstoff) Gestaltbar (Schmierstoff) F t F n V 1 3 2 4 F t F n V 1 3 2 4 Kräfte F n F t Gegenkörper (1) Werkstoff Bewegungsform Bild 2: Überblick über die Komponenten und Einflussgrößen in einem tribologischen System. F n : Normalkraft, F t : Tangentialbzw. Reibkraft 9.3 Verschleiß als Schadensursache 9.3.1 Verschleißerscheinungsformen, Verschleißmechanismen und Verschleißarten Bei der Beschreibung von Verschleißphänomenen ist es hilfreich, zwischen den Verschleißerscheinungsformen, den Verschleißmechanismen und den Verschleißarten zu unterscheiden. Die Verschleißerscheinungsformen sind dabei die zu beobachtenden Veränderungen an den beteiligten Oberflächen. Die Verschleißmechanismen sind die zwischen den Kontaktpartnern ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse und sind somit die Ursache der Verschleißerscheinungsformen. Über die Verschleißarten wird eine Klassifizierung nach der tribologischen Beanspruchungsart durchgeführt. Die Verschleißarten sind hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt, sie können zum Beispiel sein: Gleitverschleiß Schwingverschleiß Furchungsverschleiß und Erosion Kavitation Roll- oder Wälzverschleiß Prall- oder Stoßverschleiß ... Im Folgenden werden geordnet nach den verschiedenen Verschleißmechanismen die zugehörigen Verschleißerscheinungsformen beschrieben. Ursächlich für Verschleiß können vier verschiedene Mechanismen sein: die Abrasion, die Adhäsion, die Oberflächenzerrüttung und die tribochemischen Reaktionen. 230 <?page no="243"?> 9.3.2 Abrasion Der Verschleißmechanismus Abrasion tritt dann in tribologischen Kontakten auf, wenn einer der Kontaktpartner erheblich härter als der andere ist, oder sich sehr harte Partikel zwischen Grund und Gegenkörper befinden. Bei der Relativbewegung der Kontaktpartner werden dann durch sogenanntes „Mikrospanen“ aus den weicheren Oberflächen Materialpartikel entfernt. Diese liegen dann ungebunden als Abrasivpartikel vor und auf den beanspruchten Oberflächen sind Kratzer oder Riefen zu erkennen. Diese verlaufen in Bewegungsrichtung (Bild 3). Die Kratzer bzw. Riefen sind die Verschleißerscheinungsformen des Abrasivverschleißes. Die zugehörigen Verschleißpartikel sind meist spiral- oder spanförmig. Bild 3: Kratzer oder Riefen als typische Verschleißerscheinungsform für den Verschleißmechanismus Abrasion Die Verschleißriefen verlaufen im Bild schräg von links oben nach rechts unten (entsprechend der Bewegungsrichtung im tribologischen Kontakt). Sie sind deutlich stärker ausgeprägt als die Riefen, die auf die Oberflächenbearbeitung zurückzuführen sind. Diese verlaufen gekreuzt schräg von links nach rechts (aus [5]). Oft werden auch Oberflächenveränderungen z. B. durch sogenanntes Mikropflügen dem Verschleißmechanismus Abrasion zugeordnet. Beim Mikropflügen kommt es allerdings eher zu Deformationen im Bereich der Oberflächen und es muss nicht unbedingt Materialabtrag entstehen. Streng genommen handelt es sich also nicht um Verschleiß, weil kein Materialabtrag stattfindet, sondern nur eine lokale Materialverschiebung. Die Kenntnis der Bewegungsrichtung ist eine wichtige Information, wenn unterschieden werden muss, ob vorliegende Kratzer oder Riefen durch die ursprüngliche Oberflächenbearbeitung entstanden sind, oder durch die tribologische Belastung. Einen prinzipiellen Unterschied gibt es hier nicht: auch die Oberflächenbearbeitung ist (gewollter) Verschleiß. 231 <?page no="244"?> 9.3.3 Adhäsion Bei dem Verschleißmechanismus Adhäsion spielen stoffliche Wechselwirkungen zwischen Grund- und Gegenkörper die entscheidende Rolle. Mechanische Gründe (Kräfte, Spannungen und Deformationen) sind nicht unmittelbar relevant. Im tribologischen Kontakt können z. B. durch Rauheitsspitzen lokal sehr hohe Pressungen entstehen. Dies führt zu einem Durchbrechen der die Oberflächen schützenden Deckschichten (z. B. Oxidschichten). Der dann in Reinform vorliegende Werkstoff - oftmals Metall - ist sehr reaktiv. Werden an Grund- und Gegenkörper die schützenden Schichten gleichzeitig durchbrochen können sich vor allem gleichartige Materialien ineinander lösen. Bei Metallen spricht man dann von Kaltverschweißen oder Fressen. Diese Verbindungen können dann eine höhere Festigkeit aufweisen, als das ursprüngliche Material der Reibpartner. Kann die Relativbewegung der Reibpartner dann noch durch entsprechend hohe Tangentialkräfte aufrecht erhalten werden, brechen nicht die neu entstandenen Verbindungen wieder auf. Stattdessen kommt es in daran angrenzenden Bereichen zum Aufbrechen z. B. des Grundkörpermaterials. Auf dem Gegenkörper ist dann Materialauftrag zu sehen (Bild 4). Materialauftrag und aus dem Grundkörper herausgerissenes Material ist die typische Verschleißerscheinungsform des Adhäsivverschleißes. Bild 4: Verschleißerscheinungsform bei adhäsivem Materialübertrag Das Material wurde aus dem Grundkörper herausgerissen, nachdem es eine festere Bindung mit dem Gegenkörper (hier im Bild) eingegangen ist (aus [1]). 9.3.4 Oberflächenzerrüttung oder Ermüdung In tribologischen Kontakten erfolgt die Beanspruchung der Oberflächen in Form von Normal- und Tangentialspannungen oftmals periodisch. So kann es zu einer Schadensanhäufung (Ermüdung) kommen, die sich schließlich in Form von Materialausbrüchen zeigt (Bild 5). 232 <?page no="245"?> Bild 5: Verschleißerscheinungsform Materialausbruch infolge von Ermüdung (aus [5]) Ausbrüche, Grübchen und Risse sind die Verschleißerscheinungsformen des Ermüdungsverschleißes oder der Oberflächenzerrüttung. Die zugehörigen Verschleißpartikel sind scharfkantig und kompakt. Eine besondere Belastungsart der Oberfläche, die zu Ermüdung des Materials und schließlich zu Ausbrüchen führt, ist die Kavitation. Kavitation kann in solchen Tribosystemen auftreten, in denen flüssige Medien vorliegen. Sobald innerhalb dieser Medien strömungsbedingt der Druck lokal unter den Dampfdruck des Mediums fällt, entstehen an diesen Orten Dampfblasen. Weil die Druckunterschreitungen nur kurzzeitig auftreten, zerfallen diese Dampfblasen sehr schnell wieder. Bei diesem Implodieren entstehen Stoßwellen mit hohen Druckspitzen. Es können sich sogenannte Mikrojets ausbilden, die räumlich fokussiert sind (Bild 6). Bei wiederholtem Auftreffen von diesen Mikrojets auf eine Oberfläche kommt es hier dann zu einer Materialermüdung auch ohne dass Festkörperkontakt zwischen Grund- und Gegenkörper stattgefunden haben muss. Bild 6: Mikrojetbildung beim Zerfall einer Dampfblase (Kavitation) mit Auftreffen des Mikrojets auf eine Oberfläche nach dem Jetdurchbruch Die Verschleißerscheinungsform der Kavitation hat bei Metallen ein sehr spezielles Aussehen. Die Oberflächen zeigen eine schwammartige Struktur. In Bild 7 ist eine Stahloberfläche mit Kavitationsschaden dargestellt. 233 <?page no="246"?> Bild 7: Kreisförmiger Kavitationsschaden an einer Stahloberfläche 9.3.5 Tribochemische Reaktionen Tribochemische Reaktionen sind chemische Reaktionen zwischen einzelnen oder mehreren Materialien des Tribosystems. Durch die im Reibkontakt entstehende Reibungswärme werden diese chemischen Reaktionen ermöglicht bzw. beschleunigt. Für den Verschleiß von größter Relevanz sind die Reaktionen der Grund- und Gegenkörper mit dem Zwischenstoff oder Umgebungsmedien. Die entstehenden Reaktionsprodukte können fest auf den Kontaktpartnern haften und dann verschleißmindernd wirken (z. B. Oxidschichten). Sie können aber auch durch die andauernde Relativbewegung abgerieben werden, spröde Reaktionsschichten können abplatzen. Dann kann an den neuen, freien Oberflächen die entsprechende chemische Reaktion weiter ablaufen, so dass der Materialverlust fortschreitet. Die freien Reaktionsprodukte können bei genügender Härte und Verbleiben im Tribosystem im Folgenden dann abrasiv wirken. Bild 8 zeigt die Verschleißerscheinungsform „tribochemische Reaktion“. Die zugehörigen Verschleißpartikel sind pulverförmig oder amorph. Bild 8: Verschleißerscheinungsform „tribochemischer Reaktion“ 234 <?page no="247"?> Verschleißschäden in realen Tribosystemen entstehen oft durch eine Kombination der verschiedenen Verschleißmechanismen, was eine Schadensanalyse erheblich erschweren kann. Kurze Zusammenfassung der wichtigsten Verschleißmechanismen und deren Erscheinungsformen Verschleißmechanismus: Abrasion Verschleißerscheinungsform: Kratzer, Riefen, Mulden, Wellen Verschleißmechanismus: Adhäsion Verschleißerscheinungsform: Materialübertrag, Fresser, Löcher, Kuppen, Schuppen Verschleißmechanismus: Ermüdung / Oberflächenzerrüttung Verschleißerscheinungsform: Risse, Grübchen Verschleißmechanismus: Tribochemische Reaktion Verschleißerscheinungsform: Schichten, Partikel, „milder“ Polierverschleiß 9.4 Schadensanalyse bei tribologischen Schäden Bei Funktionsänderungen oder Funktionsausfällen an technischen Erzeugnissen ist in der Regel nicht von vorneherein klar, ob Verschleiß zu dem beobachteten Fehler geführt hat. Daher wird seitens des Versuchsingenieurs oder des Endkunden lediglich eine mehr oder weniger detaillierte Beschreibung des Fehlers vorliegen. Der erste Schritt bei einer Schadensanalyse muss dann sein, das technische System und den aufgetretenen Fehler so genau wie möglich zu erfassen bzw. zu beschreiben. Neben der detaillierten Schadensbeschreibung müssen in einer Bestandsaufnahme weitere Informationen über das betroffene Produkt und seine Maschinenelemente gesammelt werden. Dazu gehören z. B. allgemeine Informationen über das Erzeugnis, die verwendeten Werkstoffe, die Funktionen der einzelnen Bauteile die Betriebsbedingungen und den eigentlichen Schadensablauf. Besonders bei dem letzten Aspekt ist es wichtig Informationen aus erster Hand zu erhalten. Oft kündigen sich Maschinenausfälle z. B. durch Temperaturanstieg oder Geräusche vorab an. Wenn diese Anzeichen nicht aufgezeichnet wurden, ist der Versuchsingenieur oder der Benutzer eine wichtige Informationsquelle. Es ist für die Schadensanalyse dann sehr hilfreich, diese Personen direkt zu befragen. Wichtig ist dann insbesondere herauszufinden, ob vor dem Auftreten der eigentlichen Fehler etwas Ungewöhnliches aufgefallen oder aufgetreten ist - sei es bei der Art der Inbetriebnahme oder z. B. bei den Umgebungsbedingungen. Oftmals stellt es sich erst im Nachhinein heraus, dass Tribosysteme auf bestimmte Parameteränderungen empfindlich reagieren. So lange dieses Wissen jedoch nicht vorhanden ist, ist die Gefahr groß, dass diese Veränderungen als Schadensauslöser übersehen werden. 235 <?page no="248"?> Im Anschluss an die Bestandsaufnahme erfolgen dann genauere Untersuchungen an den Bauteilen der Erzeugnisse - den Elementen des Tribosystems. Hier darf man dann nicht den Fehler begehen, sich ausschließlich auf das offensichtlich beschädigte Bauteil zu konzentrieren. Es ist immer unerlässlich, sich auch den Gegenkörper anzusehen. Weiterhin müssen auch die Systemelemente, die in einem funktionalen Zusammenhang mit den beschädigten Elementen stehen, untersucht werden. Das schließt eigentlich auch die flüssigen Medien ein, die im Tribosystem anwesend waren. Diese stehen bei der eigentlichen Schadensanalyse jedoch meistens nicht mehr zur Verfügung. Manchmal kann man aus den Rückständen in Filtern, die von den Medien passiert worden sind, wertvolle Hinweise anhand von Verschleißpartikeln gewinnen. Das soll verdeutlichen, dass es durchaus sinnvoll ist, auch räumlich weit entfernt von der Schadensstelle nach Informationen zur Ausfallursache zu suchen. Die mit der Schadensanalyse beauftragte Person muss die Funktionsweise des Produktes inklusive der relevanten Untereinheiten vollständig verstanden haben um eine korrekte Analyse durchführen zu können. In der VDI Richtlinie VDI 3822 [4] ist neben den Grundlagen auch der Ablauf einer Schadensanalyse beschrieben. In Blatt 5 dieser Richtlinie [5] wird das Vorgehen auch speziell für Schäden durch tribologische Beanspruchung beschrieben. 9.4.1 Beispielsystem für eine Schadensanalyse: Kugelventil in einem Common Rail Injektor Im Folgenden wird das Vorgehen bei einer Schadensanalyse an einem Kugelventil in einem Common Rail Injektor (CRI) exemplarisch dargestellt. Zunächst wird kurz die Funktionsweise der Einspritzdüse kurz erläutert. Funktionsweise des Common Rail Injektors Die Aufgabe der Einspritzdüse ist es, den unter hohem Druck stehenden Dieselkraftstoff in den Verbrennungsraum einzuspritzen. Der hohe Druck (bis zu 2000 bar) ist für die Erzeugung und Verteilung des Kraftstoffnebels im Zylinder notwendig. Für eine saubere und sparsame Verbrennung müssen dabei sowohl Kraftstoffmenge als auch der Zeitpunkt der Einspritzung sehr genau eingehalten werden. In Bild 9 ist ein Injektor im Querschnitt dargestellt, Bild 10 zeigt die Düsenspitze mit den Spritzlöchern. In Bild 9 ist ein Injektor im Querschnitt dargestellt, Bild 10 zeigt die Düsenspitze mit den Spritzlöchern. 236 <?page no="249"?> Bild 9: Common Rail Injektor der Robert Bosch GmbH Der Kraftstoff wird durch die Spritzlöcher am linken Ende des Injektors (in dieser Abbildung nicht sichtbar) in den Brennraum gespritzt. Die Spritzlöcher werden durch das Anheben des Ventilkolbens und der Düsennadel geöffnet. Die Bewegung des Kolbens und der Nadel wird hydraulisch gesteuert. Über den Stabfilter steht der Dieselkraftstoff mit hohem Druck am Injektor und am rechten (oberen) Ende des Ventilkolbens an. Im Kopf des Injektors (rechts oben) ist die elektromagnetische Ansteuerung untergebracht. Die Düsennadel wird im Ruhezustand mittels der Federkraft F F der Düsenfeder in die Düsenkuppe gepresst, die Spritzlöcher sind verschlossen. Die Spritzlöcher werden geöffnet, wenn die Düsennadel angehoben wird. Das Anheben geschieht nicht durch eine mechanische oder magnetische Einwirkung auf die Nadel, sondern hydraulisch. Das in Bild 9 im Injektorkopf gezeigte Kugelventil wird dazu elektromagnetisch angesteuert und geöffnet. Der auch am oberen Ende des Ventilkolbens anstehende Druck befindet sich im geschlossenen Zustand des Kugelventils im Gleichgewicht mit dem Druck in der Druckkammer (Bild 10). Die Nadel wird durch die Düsenfeder in den Sitz gedrückt und verschließt die Spritzlöcher. Sobald das Kugelventil öffnet, fällt der hohe Druck am oberen Ende des Ventilkolbens ab. Der nach wie vor hohe Druck in der Druckkammer am anderen Ende des Ventilkolbens hebt diesen und die Nadel gegen die Federkraft F F an, da die Druckkraft F D die Federkraft F F übersteigt. Die Einspritzlöcher werden freigegeben und der Kraftstoff in den Verbrennungsraum eingespritzt. Das Kugelventil im Injektorkopf muss also schnell und sauber öffnen und schließen, um ein genau definiertes Anheben der Düsennadel sicherzustellen. 237 <?page no="250"?> Bild 10: Einspritzdüse im Detail Funktionsbeschreibung siehe Text 9.4.2 Fehlerbeschreibung Vor allem im Rahmen von Versuchen in der Entwicklungsphase ist schon bei der Fehlerbeschreibung ein definiertes Vorgehen sinnvoll. In der Bild 11 ist z. B. das Fehlerprotokoll nach einem Versuch mit dem Common Rail Injektor in einer Entwicklungsabteilung der Robert Bosch GmbH dargestellt. Darüber hinaus wurden hier jedoch auch schon Hinweise auf die wahrscheinliche Verschleißerscheinungsform gegeben. Diese Hinweise der Versuchsbzw. Entwicklungsingenieure sind sehr hilfreich, allerdings müssen auch sie kritisch hinterfragt werden. 238 <?page no="251"?> Bild 11: Fehlerprotokoll nach Funktionsänderung eines Kugelventils im Rahmen eines Erzeugnisversuchs bei der Robert Bosch GmbH 9.4.3 Erfassung und Beschreibung des Tribosystems Für die Erfassung und Beschreibung eines Tribosystems gibt es in der DIN 50320 [6] einen „Vordruck zur Beschreibung und Systemanalyse von Verschleißvorgängen“. In Bild 12 ist der für das diskutierte Beispiel ausgefüllte Vordruck gezeigt. 239 <?page no="252"?> Bild 12: Ausgefüllter Vordruck zur Beschreibung und Systemanalyse von Verschleißvorgängen nach DIN 50320 für das ausgewählte Beispiel 240 <?page no="253"?> 9.4.4 Einzeluntersuchungen an den Elementen des Tribosystems Die Fehlerbeschreibung des Beispiel-Schadensfalles beschrieb die beobachtete Funktionsänderung als erhöhte Leckage des Kugelventils im Kopf des Injektors. Daher wurden an den beiden beteiligten Maschinenelementen Ventilkugel und Kugelsitz (Gegenkörper und Grundkörper) mit den Untersuchungen begonnen. Bild 13 zeigt noch einmal die Geometrie des Ventils im Schnitt. Bild 13: Querschnitt durch das Kugelventil Die Ventilkugel befindet sich mittig in der oberen Bildhälfte. Der Kugelsitz ist konisch ausgeformt, direkt unter der Kugel ist die Ventilöffnung mit dem Pre-Hole und der sich anschließenden Drossel. Die untere Bohrung mit dem wieder vergrößerten Durchmesser ist die Drosseleinlauf-Bohrung. In dieser Darstellung ist das Kugelventil geöffnet. Bild 14: Draufsicht auf den Kugelsitz mittels Lichtmikroskop bei 5-facher Vergrößerung Der Tiefenschärfebereich liegt dort, wo die Kugel in Kontakt mit dem Kugelsitz kommt. In diesem Bereich ist eine deutliche Einglättung des Kugelsitzes als dunkel erscheinender Ring zu erkennen. 241 <?page no="254"?> Schon die optische Begutachtung mittels einer Lupe ergab Hinweise darauf, dass es zu Veränderungen am Kugelsitz gekommen war, während die Ventilkugel keinerlei Beanspruchungsspuren zeigte. (In vielen Fällen ist es tatsächlich so, dass schon mit dem einfachen Hilfsmittel Lupe wichtige Informationen gesammelt werden können! ) Im nächsten Schritt wurde der Kugelsitz mit einem Lichtmikroskop untersucht. In Bild 14 ist der Kugelsitz aus Bild 13 in der Aufsicht bei 5-facher Vergrößerung gezeigt. In der folgenden Bild 15 ist der Tiefenschärfebereich des Mikroskops auf den Übergang zwischen dem konischen Kugelsitz und der oberen Bohrung (der Kante des Pre-Holes) eingestellt. In diesem Bereich erkennt man, dass die Kante in Umfangsrichtung asymmetrisch „ausgefranst“ erscheint. Diese Asymmetrie ist zunächst einmal nicht plausibel. Die (Soll) Geometrie des Ventils lässt keine asymmetrischen Effekte erwarten. Bild 15: Draufsicht auf den Kugelsitz mittels Lichtmikroskop bei 5-facher Vergrößerung Der Tiefenschärfebereich liegt dort, wo der konische Teil des Ventilsitzes in den zylindrischen Teil mit der Drossel übergeht. Die entsprechende Kante zeigt eine asymmetrische Struktur in Umfangsrichtung. Für weitere Untersuchungen der Kante des Pre-Holes erwies sich das Lichtmikroskop wegen der geringen Tiefenschärfe und des zu großen Arbeitsabstandes zur Pre-Hole Kante als ungeeignet. Da die Lichtmikroskop Aufnahmen jedoch deutliche Hinweise auf Anomalien an der Kante gegeben hatten, wurde entschieden, mittels Rasterelektronenmikroskop (REM) die Untersuchungen weiter zu führen. Bild 16 zeigt den mittleren Bildbereich aus Bild 15 bei höherer Vergrößerung. In der Bild 16 erkennt man im Außenbereich noch die originalen Bearbeitungsspuren, die beim Drehen des konischen Ventilsitzes entstanden sind. Im Bereich in dem die Kugel in den Ventilsitz gedrückt wird, ist es zu einer ringförmigen Einglättung des Ventilsitzes gekommen. Außerdem erkennt man bei der 100-fachen Vergrößerung deutlich, dass die Kante des Pre-Holes an einer Stelle beschädigt ist. Schon aufgrund dieser ersten REM Aufnahme kann man sagen, dass sich wahrscheinlich die Schaltzeiten des Ventils verändert haben: die Einglättung des Ventil- 242 <?page no="255"?> sitzes im Bereich der Kugel vergrößert den Weg, den die Kugel zurücklegen muss, bis das Ventil schließt. Die dadurch längere Öffnungszeit führt zu einer Erhöhung der Durchflussmenge des Kraftstoffs. In Hinblick auf eine saubere Verbrennung des Kraftstoffes (Abgasnormen! ) und den Verbrauch bedeutet das eine unzulässige Funktionsänderung für den Injektor. A B C A B C Bild 16: Draufsicht auf den Kugelsitz mittels Rasterelektronen-Mikroskop bei 100-facher Vergrößerung Bei A liegt die unveränderte Oberfläche des Originalventilsitzes vor, bei B ist der Ventilsitz durch die Kugel eingeglättet, bei C ist die Kante des Pre-Holes offensichtlich beschädigt. Der in Bild 16 erkennbare Schaden bei C wurde dann noch bei einer höheren Vergrößerung untersucht (Bild 17). Bild 17: Schaden an der Pre-Hole Kante bei 500-facher Vergrößerung im REM Am rechten Bildrand ist gerade noch der eingeglättete Bereich des Kugelsitzes zu erkennen. In der Bildmitte ist es zu starkem Materialabtrag gekommen. Die schwammartige Struktur der Oberfläche im Bereich des abgetragenen Materials deutet auf Kavitationserosion hin. 243 <?page no="256"?> Das an der Pre-Hole Kante durch die Kavitationserosion entstandene Loch verschärft die Problematik des vergrößerten Kraftstoffdurchflusses durch das Ventil zusätzlich. Neben der veränderten Schaltzeit hat sich hierdurch auch der strömungsmechanische Querschnitt (und somit die Durchflussmenge) der Drossel im geöffneten Zustand deutlich erhöht. Da dies aus den o.g. Gründen nicht zulässig ist, mussten die Ursachen für die Einglättung des Ventilsitzes und der Kavitationserosion gefunden werden. Die in Umfangsrichtung asymmetrische auftretende Kavitation deutet an, dass auch die Strömung in dem Kugelventil asymmetrisch war. Diese Asymmetrie war anhand der rotationssymmetrischen (Soll) Geometrie des Kugelsitzes, des Pre-Holes und der Drossel aber nicht zu erklären. Deshalb wurde diese Geometrie in einer weiteren Einzeluntersuchung geprüft. Die genaue Überprüfung der Bohrungsgeometrien von Kugelsitz, Pre-Hole, Drossel und Drosseleinlauf-Bohrung konnte nicht mehr rein optisch erfolgen. Es musste ein zerstörendes Verfahren angewandt werden. Der Ventilsitz wurde entlang einer Ebene, die durch den Bereich der stärksten Kavitationserosion gelegt wurde, aufgetrennt. Diese Schliffoberfläche wurde dann mit dem Lichtmikroskop untersucht. Bild 18 zeigt das Bild des Schliffs. Bild 18: Schliffbild des Ventils Links der konische Kugelsitz. Im Anschluss daran das Pre-Hole mit dem Kavitationsschaden (Pfeil links oben). Durch die beiden Pfeile in der Bildmitte ist der Bereich angedeutet, in dem deutlich zu sehen ist, dass das Pre-Hole nicht achsensymmetrisch zur Drossel liegt. Mit der fehlenden Koaxialität zwischen Pre-Hole und Drossel war der Grund für die asymmetrische Strömung durch das Ventil und somit die Ursache für die Kavitationserosion gefunden. (In Ventilen mit geringeren Abweichungen der Bohrungsachsen traten keine Kavitationsschäden auf.) 244 <?page no="257"?> Ohne den gefundenen Fehler der Exzentrizität wären die nächsten Analyseschritte folgende gewesen: 1. Analyse der Oberflächentopografien von Kugel und Kugelsitz 2. Überprüfung von Gefügestruktur und Härte des Ventilsitzes 3. Chemische Analysen der Oberflächen im Bereich der Schäden 4. Simulationen und Modellbildungen für den Tribokontakt Besonders der letzte Punkt ist sehr aufwendig in der Umsetzung. Allerdings wird durch die Modellbildung und die Simulation oft erst ein wirkliches Verständnis für das Tribosystem erlangt. Spätestens mit diesem müsste dann eine erfolgreiche Schadensanalyse aber möglich sein. 9.4.5 Maßnahmen zur Schadensabhilfe Wie im vorangegangenen Abschnitt dargestellt konnten in dem Ventil zwei unabhängig voneinander auftretende Schäden ermittelt werden: Einglättung und plastische Deformation des Kugelsitzes Kavitationserosion and der Kante des Pre-Holes Bei dem Ventilkörper war als Material 100Cr6 Stahl verwendet worden, die Kugel war aus Wolframcarbid gewesen. Durch die sehr viel höhere Härte der Kugel war es ausschließlich am Ventilsitz zu der Einglättung gekommen (die Kugel hatte keinerlei Verschleißspuren gezeigt). Als Abhilfemaßnahme gegen die Einglättung wurde die Wolframcarbid Kugel durch eine weichere 100Cr6 Kugel mit deutlich geringerem E-Modul ersetzt. Bei der Verwendung gleicher Materialien für Grund- und Gegenkörper besteht besonders bei Metallen die Gefahr von adhäsivem Verschleiß. Aufgrund der Bewegungsform (stoßend) und der Anwesenheit von Kraftstoff war in diesem System aber nicht damit zu rechnen. Erzeugnistests mit der neuen Materialkombination bestätigten diese Einschätzung. Die Kavitationserosion konnte verhindert werden, indem die kritischen Maßtoleranzen für die Exzentrizität von Pre-Hole und Drossel eingegrenzt wurden. 9.5 Zusammenfassung Anhand eines tribologischen Schadens in einem Kugelventil eines Common Rail Injektors wurde das Vorgehen bei einer tribologischen Schadensanalyse exemplarisch dargestellt. Das Beispiel zeigt außerdem, dass die Tribologie eine interdisziplinäre Wissenschaft ist: neben Ingenieuren waren für die erfolgreiche Durchführung der Analyse und der Schadensvermeidung auch Werkstoffwissenschaftler und Strömungsmechaniker gefragt. Letztendlich war die geschilderte Analyse auch deshalb erfolgreich, weil zunächst scheinbar unwichtigen Aspekten konsequent nachgegangen wurde. 245 <?page no="258"?> 9.6 Literatur [1] „Tribologie Handbuch“, H. Czichos u. K.H. Habig; Vieweg Verlag, 2. Auflage 2003 [2] „Lubrication (Tribology) Education and Research - A report on the present position and industry´s needs”, Jost, H. P.; London: Her Majesty´s Stationery Office, 1966 [3] DIN 50323: Norm wurde zurückgezogen, seitdem in den GfT Arbeitsblättern dokumentiert (GfT Arbeitsblatt Nr. 7, Gesellschaft für Tribologie, Ernststr. 12, 47443 Moers) [4] VDI Richtlinie 3822 „Schadensanalyse: Grundlagen, Begriffe und Definitionen. Ablauf einer Schadensanalyse“, Blatt 1, VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf, 1984 (zurückgezogen, aktuelle Version: VDI 3822 vom November 2011) [5] VDI Richtlinie 3822 „Schadensanalyse: Grundlagen, Begriffe und Definitionen. Ablauf einer Schadensanalyse“, Blatt 5, VDI-Verlag GmbH, Düsseldorf, 1999 [6] DIN 50320, Verschleiß, Begriffe, Systemanalyse von Verschleißvorgängen, Gliederung des Verschleißgebietes, Dez. 1979 (zurückgezogen) 246 <?page no="259"?> 10 Methoden für die Schadensanalytik in der Tribologie Jeannette Kopp 10.1 Einleitung Laut Gesellschaft für Tribologie (GfT) entstehen den Volkswirtschaften der Industrieländer jährliche Verluste in Höhe von etwa 5% des jeweiligen Bruttosozialproduktes durch Reibung und Verschleiß, allein in Deutschland sind das ca. 35 Milliarden EUR/ Jahr. Um hier gezielte Abhilfemaßnahmen definieren zu können und dadurch Zeit und Kosten zu sparen besteht die Notwendigkeit der Aufklärung von Verschleißmechanismen in einem verschleißbehafteten System. Beispiel: Ist bekannt, dass ein System von abrasivem Verschleiß dominiert wird, kann gezielt eine gegen Abrasion wirkende Verschleißschutzschicht auf die kritischen Bauteiloberflächen aufgebracht werden. Wäre dieser Mechanismus nicht bekannt, müsste man verschiedene Werkstofflösungen aufwändig testen. Die Kenntnis der vorherrschenden Verschleißmechanismen ist auch hilfreich, wenn das Ausfallrisiko eines Systems in einer neuen Umgebung oder mit veränderter Funktion abgeschätzt werden soll. Die im ersten Teil dieses Kapitels vorgestellten Methoden zur Verschleißanalyse können dabei helfen, Verschleißmechanismen zuverlässig zu bestimmen. Im zweiten Teil werden dem Leser die verschieden Verschleißerscheinungsformen an Hand von verschiedenen Beispielen detailliert vorgestellt. 10.2 Methoden zur Charakterisierung von Verschleiß Betrachtet man das in Abbildung 1 dargestellte Tribosystem, so erkennt man eine Vielzahl von möglichen Einflussgrößen auf das Verschleißverhalten. Geschw. v Temperatur Weg (Zeit) Funktionsänderung Gleiten Energie Rollen Oszillieren Prallen Strömen Energieverlust Reibung Grundkörper (2) Zwischenstoff (3) Umgebung (4) F R F N V 1 3 2 4 Kräfte F N F T Gegenkörper (1) Werkstoff Bewegungsform Materialverlust Verschleiß - Adhäsion - Abrasion, Erosion - Ermüdung, Kavitation - Tribochemie Bild 1: Tribosystem mit Einflussgrößen 247 <?page no="260"?> Die in diesem Abschnitt des Kapitels dargestellten Charakterisierungsverfahren dienen der genauen Analyse der verschleißbeeinflussenden Eigenschaften und verschleißbedingten Veränderungen an Grund- und Gegenkörper, sowie am Zwischenstoff. Besteht der Verdacht, dass zusätzlich das Umgebungsmedium einen Einfluss auf das Verschleißverhalten ausübt, sollte auch dieses in die Analyse mit einbezogen werden. In Tabelle 1 ist ein erster grober Überblick über wichtige Informationen zur Ermittlung des Schädigungsmechanismus für die einzelnen Teile des Tribosystems (Grund- und Gegenkörper, Zwischenstoff und Umgebungsmedium) gegeben. Tabelle 1 Mikroskopie Chemie Gefüge / mech. Eigenschaften Topografie Grundkörper x x x x Gegenkörper x x x x Zwischenstoff x Umgebungsmedium x Die in den Tabellen 2 und 3 angegebene Übersicht zeigt das weite Spektrum der Analyseverfahren, die heute für tribologische Schadensanalysen zur Verfügung stehen und eine Bewertung dieser Verfahren bezüglich ihres Auflösungsvermögens und ihrer Einsetzbarkeit. Tabelle 2 Chemie Gefüge mechanische Eigenschaften Topografie Verfahren Eindruck- Konventionelle Härteprüfverfahren mm Mikrohärteprüfung μm Nanoindenter nm μm Verfahren Auflösung lateral vertikal Energiedispersive Röntgenanalyse (EDX) 1 μm 1 μm Auger-Elektronen- Spektroskopie (AES) 20 nm 1 nm ESCA 10 μm 3 nm Mikro-Raman-Spektrometrie 2 μm 100 nm Sekundärionen- Massenspektrometrie (SIMS, ToF-SIMS) > 100 nm 5 nm Glimmentladungs- Spektrometrie (GDOS) > 2 mm < 1 μm ... Verfahren Auflösung lateral vertikal Schliff + Lichtmikroskopie 1 μm - Röntgendiffraktometrie 0,5 mm 5 μm Focused Ion Beam (FIB) 20 nm - Verfahren Auflösung lateral vertikal Profilometrie 1 μm 50 nm Laser-Scan-Mikroskopie 1 μm 20 nm Weißlicht-Interferometrie 0,5 μm 1 nm Rasterkraftmikroskopie (AFM) 0,5 nm 0,01 nm 248 <?page no="261"?> Tabelle 3 Methode Bemerkung Betrachtung ohne Hilfsmittel einfach, schnell, billig, Erfahrung hilfreich Mikroskopie Lichtmikroskop einfach, schnell, billig, Erfahrung hilfreich, Farben darstellbar REM einfach, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision, chemische Information über EDX Chemie chemische Analytik wird kaum noch angewandt Massenspektrometer schnell, relativ billig, Information über Zusammensetzung der Körper meist bekannt ToF-SIMS aufwändig, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision der Ergebnisse, Grenzschicht, Tiefenprofil Infrarotspektrometrie einfach, relativ billig, Interpretation schwierig, liefert „Fingerprint“ von Schmierstoff ESCA / XPS aufwändig, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision der Ergebnisse, nur Grenzschicht, laterale Auflösung möglich EDX einfach, schnell, laterale Auflösung möglich, bei hoher Präzison aufwändig mechan. Härtemessung einfach, schnell Eigenschaften Mikrohärte einfach, schnell Nanoindenter einfach, schnell Eigenspannungen Röntgenographisch aufwändig, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision Gefüge Metallografie aufwändig Focused Ion Beam (FIB) aufwändig, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision Topographie Profilometer einfach, schnell Laserscan Mikroskop schnell, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision Weißlichtinterferometer schnell, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision Atomkraftmikroskop schnell, hohe Anschaffungskosten, hohe Präzision Je nach Fragestellung ist das geeignete Verfahren auszuwählen. Bei dieser Auswahl ist wichtig zu bedenken, dass tribologische Vorgänge fast ausschließlich an der Oberfläche von Bauteilen stattfinden und sich damit fundamental von den Vorgängen der Bruchmechanik unterscheiden. Tribochemische Reaktionsschichten können wenige Nanometer dick sein und erreichen eine maximale Schichtdicke von etwa 10 μm. Furchen und Riefen liegen in ihrer vertikalen Ausdehnung ebenfalls zwischen wenigen Nanometern und ca. 2 μm. Auch Gefügeveränderungen finden - abgesehen von Anlasszonen - nur direkt unter der Oberfläche statt. (siehe Bild 2) Die geringe Tiefenwirkung tribologischer Vorgänge führt dazu, dass bei der Untersuchung von Verschleißmechanismen nur moderne hochauflösende Analyseverfahren erfolgreich sind. 249 <?page no="262"?> Reaktionsschichten 0,01 μm < z < 10 μm z / μm 0 5 10 Gefügeveränderungen 0,5 μm < z < 5 μm Furchen, Riefen 0,02 μm < z < 2 μm Bild 2: Tiefenwirkung von Oberflächenschädigungen Im Folgenden sollen nun einzelne, sehr oft genutzte Analyseverfahren genauer vorgestellt und auf ihre Vor- und Nachteile hin betrachtet werden. 10.2.1 Mikroskopie In der klassischen tribologischen Schadensanalyse werden üblicherweise zuerst die geschädigten Oberflächen mittels Lichtmikroskop und Rasterelektronenmikroskop (REM) begutachtet. Der dabei ermittelte visuelle Eindruck wird dann mit bereits vorhandenen ähnlichen Schadensbildern verglichen. Oftmals ist diese Methode bereits ausreichend, um den wirksamen Schädigungsmechanismus zu ermitteln. Die Lichtmikroskopie ist sicher, neben der Begutachtung der Bauteile mit dem bloßen Auge, als Standardmethode zur Bewertung von tribologische beanspruchten Oberflächen zu nennen. Sie ist flächendeckend vorhanden und für gewöhnlich mit wenig Aufwand bei Probenpräparation und -reinigung durchführbar. Die Vermessung von Verschleißspuren und größeren Verschleißpartikeln ist möglich und auch eventuell auftretende Verfärbungen der Oberfläche sind gut zu erkennen und zu bewerten. Nicht unproblematisch ist hingegen oft die eingeschränkte Tiefenschärfe. Hier stehen jedoch mittlerweise Systeme zur Verfügung, welche mehrere lichtmikroskopische Aufnahmen mit unterschiedlicher Fokusebene zu einem Bild mit erhöhter Tiefenschärfe kombinieren können. Zusätzlich können vor allem bei metallischen Proben auftretende Reflektionen die Bewertung der Verschleißerscheinungsform erschweren, dies kann zum Teil mit Veränderung der Beleuchtungssituation günstig beeinflusst werden. Bild 3 zeigt ein Lichtmikroskopbild eines Verschleißpartikels mit den typischen Einschränkungen durch fehlende Tiefenschärfe und Reflektionen. 250 <?page no="263"?> Bild 3: Verschleißpartikel im Lichtmikroskop Zur genaueren Ermittlung des vorliegenden Verschleißbildes ist zusätzlich oft die Nutzung eines Rasterelektronenmikroskops (REM) notwendig. Dieses bietet im Vergleich zum Lichtmikroskop eine höhere Vergrößerung des geschädigten Bereiches, sowie eine deutliche Verbesserung in der Tiefenschäferdarstellung. Ein Beispiel hierfür ist in Bild 4 zu sehen. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit über verschiedene Detektoren sowohl Informationen zur Topographie als auch zum Materialkontrast zu erhalten. So ist es möglich Materialüberträge sichtbar zu machen (siehe Bild 5) oder Deckschichtbildung zu erkennen. Als Nachteil gegenüber der Lichtmikroskopie ist jedoch ein höherer Präparations- und Reinigungsaufwand zu nennen. Hinzu kommt, dass nicht jede Probe mittels REM untersuchbar ist. Grundvoraussetzung ist die Eignung für Ultrahochvakuum (keine Ausdampfen flüchtiger Bestandteile). Nicht leitende Proben bedürfen zusätzlich entweder einer Bedampfung der Oberflächen mit Kohlenstoff oder Gold, um Aufladungen durch den Elektronenstrahl zu verhindern, oder aber des Einsatzes eines speziellen Vakuummodus, der eine Ladungsableitung durch Restluftfeuchte in der Probenkammer ermöglicht. Bild 4: Gleitlageroberfläche nach Beanspruchung; links: Lichtmikroskop, rechts: REM 251 <?page no="264"?> Bild 5: Oberflächen mit Materialauftrag; links: Topographiekontrast, rechts: Materialkontrast - gut erkennbar sind hier die Karbide im Grundmaterial als helle Punkte, diese fehlen im Bereich des Materialauftrags von Gegenkörper 10.2.2 Topografie Zur erweiternden Analyse des Tribosystems ist in vielen Fällen eine Vermessung der Topografie sinnvoll. Betrachtet werden hierbei die Ausgangsrauheiten und deren Veränderung, aber auch die Verschleißtiefe und das Verschleißvolumen kann bestimmt werden. Es stehen sowohl kontaktlose, als auch berührende Verfahren mit unterschiedlicher Auflösungsgüte zur Verfügung. Allen Verfahren gemeinsam ist, dass die Probenoberfläche im Bezug zu einem Abstandssensor abgerastert wird. In Bild 6 sind verschiedene Verfahren mit ihrer lateralen und vertikalen Auflösungsgüte dargestellt. 10 -3 10 -6 10 -9 m 10 -3 10 -6 10 -9 m vertikale Auflösung laterale Auflösung AFM Weißlichtinterferometer konfokales Mikroskop Profilometer Bild 6: Verfahren zur Messung der Topografie mit ihrem Auflösungsvermögen Das wohl am weitesten verbreitete System zur Messung der Topografie ist das Profilometer. Hierbei handelt es sich um eine schnelle, einfache Vermessung der Oberfläche durch eine berührende Spitze. Es ist außerdem die Normmethode zur Ermittlung von Rauheiten (R z , R a , …). Typisch ist die Aufnahme von Linienprofilen 252 <?page no="265"?> bei Messstrecken im mm-Bereich. Der schematische Aufbau und eine exemplarisches Oberflächenprofil sind in Bild 7 dargestellt. Probe Scan in x-Richtung Feder Skala Bild 7: schematischer Aufbau eines Profilometers und typischer Messschrieb Für sehr kleine, hochaufgelöste Messungen bietet sich das Atomic Force Microscop (AFM) an. Auch hierbei wird die Oberfläche einer Probe mittels einer sehr feinen Spitze (hergestellt aus Silizium, Höhe ca. 10μm, Spitzenradius ca. 10nm) abgetastet, jedoch liegen hier die typischerweise vermessenen Oberflächenabschnitte in einer Größe von maximal 100 μm x 100 μm. Je nach Gerätetyp und Messmodus kann berührend oder auch berührungslos gemessen werden, was den Einsatz an Proben ermöglicht, deren Oberflächen kratzempfindlich sind (z.B. Kunststoffe). Wichtig ist bei diesem Verfahren, dass je nach Gerät nur sehr kleine Proben (ca. briefmarkengroß) untersucht werden können und dass auf eine sehr gute Reinigung der Proben zu achten ist, da es durch Flüssigkeitsfilme, wie z.B. von Schmierstoffen, zu Verfälschung der Messergebnisse kommen kann. Der Aufbau eines AFM und ein typisches Messergebnis, welches meist als 3D-Bild der Oberfläche dargestellt wird, sind in Bild 8 dargestellt. Bild 8: schematischer Aufbau des AFM, 3D-Darstellung einer Oberfläche Unter den berührungslosen Verfahren haben das konfokale Mikroskop und das Weißlichtinterferometer die größte Bedeutung in der Topografiemessung. Im konfokalen Mikroskop wird die Probenoberfläche mittels einer punktförmigen Lichtquelle (häufig einem Laser) abgerastert. Die Auswertung des Messsignals erfolgt über einen punktförmigen Detektor, dessen Signal am stärksten ist, wenn sich das abzubildende Objekt in der Fokusebene von Lichtquelle und Detektor liegt. Über 253 <?page no="266"?> ein kontinuierliches Fokussieren während des Abrasterns der Objektoberfläche werden hierbei die Höhendaten ermittelt. Messprinzip bedingt dauern Messungen an größeren Oberflächen recht lang, so dass sich das konfokale Mikroskop hauptsächlich zur Beurteilung kleiner Verschleißmarken anbietet, bei denen einen hohe Auflösung, z.B. wegen geringer Verschleißtiefe, notwendig ist. Die heute genutzten Geräte liefern neben den Höheninformationen meist auch ein optisches Bild und eine Darstellung der Oberfläche aus der Laserintensität. Der prinzipielle Geräteaufbau und ein typisches Bild der 3d-Oberflächendarstellung zeigt Bild 9. Lichtquelle Detektor Objekt positiv defokussiert fokussiert negativ defokussiert Bild 9: konfokales Mikroskop, Aufbau und typisches Oberflächenbild Das Weißlichtinterferometer eignet sich hingegen sehr gut zur schnellen Vermessung großer Oberflächen. Die Höheninformation wird dabei aus der Phasenverschiebung zwischen einfallendem und von der Oberfläche reflektiertem Licht ermittelt. Das Weißlichtinterferometer bietet zusätzlich den Vorteil, dass sowohl sehr kleine Strukturen im μm-Bereich als auch Geometrievermessungen im mm-Bereich möglich sind. Der schematische Aufbau und ein exemplarisches Bild einer mit Weißlichtinterferometer vermessenen Oberfläche sind in Bild 10 dargestellt. Objekt z-Positionierung teildurchlässiger Spiegel Referenzspiegel Mirau-Objektiv Kamera Lichtquelle Tubuslinse Bild 10: Weißlichtinterferometer, Aufbau und Oberflächenabbild 254 <?page no="267"?> Oftmals ist eine Kombination von Rauheitsmessung und Auswertung der 3d- Topografie nötig, um bestimmte Phänomen im Reibungs- und Verschleißverhalten zu erklären. Ein Beispiel hierzu ist in Abbildung 11 dargestellt. Im Tribotest zeigten zwei 100Cr6-Proben mit vergleichbarer Rauheit ein unterschiedliches Verhalten. Durch eine genauere Analyse der Oberflächentopografie konnte hier Klarheit geschaffen werden. Während die geschliffene Probe Riefen in Schleifrichtung aufweist, die einen Abfluss von Schmiermittel aus dem Kontakt begünstigen, zeigt die geläppte Probe eher eine Näpfchenstruktur, in der der Schmierstoff gut im Kontakt gehalten werden kann. Bild 11: Beispiel für identische Rauheiten bei unterschiedlicher Topografie, Stahloberfläche (100Cr6); links: geschliffen, rechts: geläppt 10.2.3 Chemische Analysen Zur Analyse der chemischen Zusammensetzung stehen verschiedene Formen der Spektrometrie zur Verfügung. Je nach gewählten Verfahren können dabei Feststoff und oder Flüssigkeiten und Gase untersucht werden, so das auch die Zwischenstoffe und wo nötig auch das Umgebungsmedium charakterisiert werden können. Häufig werden chemische Analysen eingesetzt um Beläge auf der Oberfläche und Verschleißpartikel zu untersuchen. Aber auch der Zwischenstoff ist immer wieder das untersuchte Objekt. Hier interessiert vor allem ob und wie sich der Zwischenstoff durch die Belastung im Tribokontakt verändert und ob diese Veränderungen wiederum Einfluss auf das Verschleißverhalten von Grund- und Gegenkörper haben können, etwa durch die Entstehung aggressiver Alterungsprodukte. Durch eine Kombination mit abtragenden Verfahren wie dem Ionenätzen können über die Spektroskopie auch Tiefeninformationen zur chemischen Zusammensetzung gesammelt werden. Diese Informationen können bei der Bewertung von Belägen oder dem Verschleißverhalten von Beschichtungen von Bedeutung sein. Die energiedispersive Röntgenanalyse (EDX) ist ein sehr weit verbreitetes Verfahren zur Unterstützung der klassischen tribologischen Schadensanalyse, da es als Teil vieler Rasterelektronenmikroskope bei der mikroskopischen Abbildung direkt verfügbar ist. Dabei wird über einen Sensor das Röntgenspektrum ausgewertet, das bei Beschuss der Probe mit dem Elektronenstrahl entsteht. Dies ist möglich, da jedes Element einen oder mehrere charakteristische Röntgenpeaks liefert. EDX liefert zu einem gegebenen Bildausschnitt Informationen über die vorhandenen chemischen 255 <?page no="268"?> Elemente und ihren Volumenanteil. Das Verfahren eignet sich zum Nachweis von chemischen Belägen oder von Materialüberträgen, sofern zwei unterschiedliche Werkstoffe am Verschleiß beteiligt waren. Die Auflösung liegt bei etwa 2 μm, eine laterale Verteilung der Elemente kann dargestellt werden. Die Informationstiefe ist stark vom untersuchten Material abhängig, da dieses die Eindringtiefe der anregenden Elektronen und die Austrittstiefe der Röntgenstrahlung bestimmt. Dabei gilt, je schwerer ein Element umso geringer die Eindring- und damit auch die Informationstiefe. Oftmals wird nur eine qualitative Bestimmung der Probenbestandteile durchgeführt, da für eine quantitative Messung eine aufwändige Kalibrierung möglich ist. Werden quantitative Werte angegeben, sollte diese immer kritisch hinterfragt und wenn nötig durch den Einsatz anderer Verfahren bestätigt werden. Prinzip bedingt können erst Elemente ab Kohlenstoff nachgewiesen werden. Das in Bild 12 gezeigte Beispiel stellt eine Ansammlung von verschieden Verschleißpartikeln dar. In der Analyse mittels EDX wurde festgestellt, dass es sich dabei um zwei Arten von Partikel handelt, zum einen um stark aluminiumhaltige Partikel und zum anderen um eisenhaltige Partikel. Bild 12: EDX an Verschleißpartikeln Ist die Zusammensetzung von dünnen Belägen oder Schichten von Interesse wird häufig die X-Ray Photoelectron Spectroscopy (XPS) (auch Electron spectroscopy for Chemical Analysis, kurz ESCA genannt) eingesetzt. Bei diesem Verfahren wird das Energiespektrum der Photoelektronen ausgewertet, die durch den Beschuss der Probenoberfläche mittels Röntgenstrahlung entstehen. Die Nachweisgrenze liegt hier bei etwa einem Atom-%, die Informationstiefe liegt bei rund 3 nm. Mittels XPS können sowohl quantitative als auch qualitative Bestimmungen der Probenbestandteile durchgeführt werden. Auch eine Bestimmung von Verbindungen ist möglich. Wird die XPS mit dem Ionenätzen kombiniert, dann können auch Tiefenprofile der Elementverteilung aufgenommen werden. Hierzu wird die Probe abwechselnd mittels XPS vermessen und mit einem Ionenstrahl beschossen, welche im Nanometerbreich die Oberfläche abträgt. 256 <?page no="269"?> Bild 13 zeigt das Verfahren schematisch, sowie ein typisches Übersichtsspektrum. Al-Anode Probe Elektronenkanone Al- Röntgenstrahlung fokussierte Al-K - Röntgenstrahlung Monochromator Spektrometer Bild 13: Aufbau XPS und Beispielspektrum ToF-SIMS (time-of-flight secondary ion mass specroscopy) ist ein chemisches Analyseverfahren, mit dem mit lokal höchster Auflösung chemische Elemente und Molekülbruchstücke nachgewiesen werden können. Dieses Verfahren arbeitet mit einem fokussierten, gepulsten Ionenstrahl, der aus der zu untersuchenden Oberfläche Sekundärionen herausschlägt. Es handelt sich dabei sowohl um ionisierte Atome, als auch um Moleküle, bzw. Molekülteile. Die Sekundärionen werden über eine Driftstrecke (Reflektor) nach ihrer Masse getrennt und anschließend in einem zeitauflösenden Detektor nachgewiesen. (siehe Bild 14) Vorteile gegenüber dem EDX sind die hohe Ortsauflösung (Tiefeninformation > 10 nm), das Informationen über den Bindungszustand der Atome in der Oberfläche gewonnen werden können und die Möglichkeit des Nachweises von Isotopen. Ga -Ionenquelle + gepulster 90°-Deflektor Linsensystem Probe Reflektor Detektor Sekundärionen Primär-Ion Sekundär-Ionen Bild: 14: ToF-SIMS, schematischer Aufbau und Erzeugung Sekundär-Ionen Eine weitere Form der chemischen Analyse stellt die Infrarotspektroskopie dar. Hierbei wird die Probenoberfläche mit Licht im Infrarotbereich beleuchtet. Als Messsignal ausgewertet wird dann das Absorptionsspekrum, entweder nach dem durchleuchten der Proben oder nach Reflexion an der Probe. Die IR-Spektroskopie liefert Informati- 257 <?page no="270"?> onen über organische Verbindungen, ihr häufigstes Einsatzgebiet ist deshalb die Identifikation und Bewertung von Fetten, Ölen und Kunststoffen. In Bild 15 ist ein typisches Spektrum für Aceton dargestellt. Der Interpretationsaufwand der erhaltenen Spektren ist jedoch nicht zu unterschätzen. Nur selten ist eine Zuordnung direkt möglich. Häufig bedarf es der Unterstützung von Experten mit langjähriger Erfahrung in der Auswertung der IR-Spektren und der Nutzung von umfangreichen Datenbanken. Bild 15: IR-Spektrum Aceton 10.2.4 Bestimmung mechanischer Eigenschaften und Gefügeanalyse Auch die mechanischen Eigenschaften von Grund- und Gegenkörper sowie ihr Gefüge können einen erheblichen Einfluss auch das tribologische Verhalten einen Systems haben. Bild 16 zeigt einen Überblick über verschiedene mögliche Verfahren zur Ermittlung dieser Eigenschaften. Im Folgenden soll etwas genauer auf die Bestimmung der Härte sowie auf die Darstellung des Gefüges eingegangen werden. Härte - Grundhärte - Profile • Härtemessung (HV, HRC,...) • Kleinstlast-Härteprüfung • Nanoindenter Gefüge - Phasenanteile - Phasenzusammensetzung • Metallografie • Röntgenografische Analyse • Focused Ion Beam (FIB) Eigenspannungen makroskopischer Eigenspannungszustand • Röntgenografische Analyse Bild 16: Verfahren zur Bestimmung von mechanischen Eigenschaften und zur Gefügeanalyse 258 <?page no="271"?> Die Ermittlung der Härte gehört zu den Standardanalyseverfahren in der Werkstofftechnik. Eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden bietet inzwischen die Möglichkeit sowohl massive Bauteile als auch dünnste Schichten und somit auch Beläge in Verschleißstellen zu vermessen. Allen Verfahren gleich ist dabei, dass eine Messung des Abdrucks eines Eindringversuchs erfolgt, je nach Verfahren kommen dabei unterschiedliche Geometrien als Eindringkörper in Betracht. Zusätzlich kann auch die Eindring- und Entlastungskurve ausgewertet werden, um Informationen zum elastischen und plastischen Deformationsverhalten des Werkstoffs zu ermitteln. Wichtig ist, dass Prüfverfahren dem zu untersuchenden Werkstoff in Kraft und Indenterform anzupassen. Für die Untersuchung von Schichten gilt, dass der Eindruck nicht tiefer als 1/ 10 der Schichtdicke erfolgen sollte, damit die Eigenschaften der Schicht und nicht des beschichteten Grundmaterials gemessen werden können. Mittels Mikrohärtebzw. Nanoindenter-Messungen ist es möglich an Schliffen das Tiefenprofil des Härteverlaufs am Bauteil zu bestimmen. Moderne Geräte ermöglichen zusätzlich die Durchführung von Scratchtests, was vor allem für die Untersuchung von Beschichtungen von Interesse ist. Hierbei wird der Indenter mit meist steigender Kraft über eine definierte Strecke über die Oberfläche gezogen, der dabei entstehende Kratzer kann dann zur Bewertung des Verschleißverhaltens herangezogen werden. Bild 17 zeigt schematisch den Ablauf eine Härtemessung und ein Bild der Abdrücke einer Mikrohärtemessung an einer Verschleißstelle. Bild 17: links: Ablauf Härtemessung, rechts: Mikrohärtemessung an Verschleißstelle Die Fertigung konventioneller Schliffe dient der Beurteilung von Gefügeveränderungen, Belagsbildung oder der Veränderung von Beschichtungen durch tribologische Beanspruchung. Vorteilhaft ist hier, dass meist recht große Bereiche des Bauteils, zum Teil sogar Verschleißspuren im Ganzen bewertet werden können und dass diese Bewertung auch mit einer quantitativen Gefügeanalyse kombiniert werden kann. Je nach Probe kann der Präparationsaufwand jedoch sehr hoch sein, das Kratzer, Ausbrüche Verschmierungen, präparationsbedingte zusätzliche Risse und Unsauberkeiten zu vermeiden sind, um die Werkstoffstruktur wirklichkeitsgetreu und repräsentativ darzustellen. Als Alternative wird seit einigen Jahren das Focused Ion Beam System (FIB) in der tribologischen Schadensanalyse genutzt. Es ermöglicht einen Querschnitt durch das oberflächennahe Gefüge eines geschädigten Bauteils mit bislang unerreichter Auflösung. Ein bis auf 7 nm fokussierbarer Ionenstrahl rastert dabei über die geschädigte Oberfläche und erzeugt ähnlich wie im REM einen visuellen Eindruck des tribolo- 259 <?page no="272"?> gischen Schadens. Wird die Ionenstromdichte erhöht, kann an einer beliebigen Stelle ein Krater hergestellt werden, dessen Seitenwände geglättet („poliert“) und anschließend durch verkippen des Bauteils betrachtet werden können. (siehe Bild 18) Durch die Eigenschaft des Ionenstrahls das Gefüge in Abhängigkeit der Kristallausrichtung selektiv zu ätzen ist die Darstellung des Gefügekontrasts möglich. Die Abbildung erfolgt entweder mit dem Ionenstrahl selbst, einige Geräte bieten aber auch die Möglichkeit der Abbildung mit dem Elektronenstrahl wie im REM. Oberfläche betrachten Material abtragen Seitenfläche „polieren“ Querschnitt aufnehmen Bild 18: Schritte zur Herstellung eines FIB-Schnitts Für die in Bild 19 dargestellten Untersuchungen an einer im Schlagverschleiß belastetet Kugel wurde das FIB eingesetzt. An der Kugeloberfläche zeigte sich eine schuppenartige Verschleißerscheinung. Unklar war, ob dies erste Anzeichen für eine Oberflächenzerrüttung oder nur für plastische Verformungen waren. Die Analyse im FIB zeigte deutlich ein Rissnetzwerk unter der Oberfläche, welches ein eindeutiger Hinweis für eine Zerrüttung der Oberfläche war. FIB FIB Kugeloberfläche Unklares Schadensbild Rissnetzwerk FIB-Schnitt Bild 19: Aufklärung des Schadensmechanismus Oberflächenzerrüttung mittels FIB-Schnitt 260 <?page no="273"?> Bild 20 zeigt ein weiteres Beispiel für die Anwendung der FIB. Hier konnte in der Betrachtung eine konventionellen Schliffes im Lichtmikroskop nicht eindeutig geklärt werden, ob die untersuchte Schicht durch abrasiven Verschleiß abgetragen wird oder ob die Schicht abplatzt. Mittels FIB konnte gezeigt werden, dass es auf Grund der tribologischen Beanspruchungen zu einem schichtinternen Versagen durch Rissbildung kommt. Lichtmikroskopie FIB FIB Bild 20: Vergleich Lichtmikroskopie an Schliff - FIB; Schädigungsmechanismus Rissbildung in Schicht 10.3 Beispiele für Verschleißmechanismen Während die Verschleißart die Bewegungsform einer Beanspruchung charakterisiert (Gleitverschleiß, Wälzverschleiß, etc.), beschreiben die Verschleißmechanismen die bei einem Verschleißvorgang ablaufenden physikalischen und chemischen Prozesse. Die Verschleißmechanismen sind unterteilt in Adhäsion, Abrasion, Oberflächenzerrüttung (Ermüdung) und tribochemische Reaktion. (siehe Bild 21) Diese Einteilung dient vor allem der Eindeutigkeit des Sprachgebrauchs und der Verständigung. Üblicherweise sind mehrere physikalische und chemische Elementarprozesse an einem Verschleißmechanismus beteiligt. 261 <?page no="274"?> tribochemische Reaktion F N F R Oberflächenzerrüttung Abrasion Adhäsion Bild 21: Verschleißmechanismen In realen Tribosystemen tritt meist eine Kombination verschiedener Verschleißmechanismen auf. Für eine Aufklärung des Ausfallgrundes ist es deshalb von Vorteil Vergleichsbilder der verschiedenen Verschleißmechanismen vorliegen zu haben. Im Folgenden sollen nun einige Verschleißfälle vorgestellt und hinsichtlich Verschleißmechanismus und Ausfallgrund bewertet werden. 10.3.1 Abrasion Abrasiver Verschleiß tritt auf, wenn harte Teilchen in einem Schmierstoff oder die Rauheitsspitzen eines harten Reibungspartners in die Randschicht des weicheren Reibungspartners eindringen. Dann kommt es zu Ritzung und Mikrozerspanung. Oft wird auch der Begriff Furchungsverschleiß benutzt oder Erosionsverschleiß, wenn Partikel in einem Medium zum Verschleiß führen. Tabelle 4 zeigt zwei Beispiele. Beeinflussbar ist das Abrasionsverhalten durch Erhöhung der Härte von Grund- und Gegenkörper (Änderung des Materials, Anpassung des Gefüges z.B. durch Wärmebehandlung, aufbringen einer harten Beschichtung) und durch das Minimieren auftretender Reibkräfte (Scherung) durch eine gezielte Wahl von Beschichtung, Schmierung und oder Anpassung der Rauheiten. 262 <?page no="275"?> Gleitlager Tabelle4 Modelltest Gleitlagerprüfung System: Segment eines Gleitlagers (PEEK, faserverstärkt), Kugel (100Cr6 gehärtet) Bewegung: reversierend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: abrasive Spuren an Kugel, Fasern z.T. vertikal ausgerichtet Ausfallursache: abrasive Wirkung der angeschnittenen Fasern Kugel Lager Lichtmikroskop REM Prototyp Hochdruckpumpe System: Stößel (100Cr6, gehärtet) - dunkelgrau, Gehäuse (Al-Legierung, Sandguss) - hellgrau Bewegung: reversierend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: abrasive Spuren durch Partikel verursacht, chemische Analyse der Partikel (EDX) zeigt im wesentlichen: Si, Spuren von Fe, Cl, K Ausfallursache: Siliziumcarbid von Schleifprozess neben der Montagestelle des Prototypen Antrieb Energie (eV) CPS CPS W Mn Si Al Fe Cl W K EDX Spektrum REM Stößel 263 <?page no="276"?> 10.3.2 Adhäsion Zu adhäsiven Verschleiße kann es kommen, wenn sich Bauteile mit hoher Flächenpressung berühren und dadurch aneinander haften. Bei überlagerter Bewegung werden Randschichtteilchen abgeschert, es entstehen die typischen Löcher und schuppenförmigen Verschleißpartikel, die häufig an einem der beiden Verschleißpartner als Materialübertrag hängen bleiben. (siehe Tabelle 5) Adhäsiver Verschleiß tritt oft als eine Folge mangelhafter Schmierung auf. Häufig wird dieser Mechanismus auch als Haftverschleiß bezeichnet. Adhäsion lässt sich durch die Verwendung von inkompatiblen Materialien bzw. Gefügen (keine Gleich-Gleich-Paarung) vermeiden. Auch die Trennung der Körper durch Beschichtung oder Oberflächenmodifikation ist möglich. Konstruktiv kann eine gezielte Beeinflussung der Schmierungssituation (Sicherstellung von Hydrodynamik) adhäsivem Verschleiß vorbeugen. Tabelle 5 Benzinhochdruckpumpe, Kolben System: Kolben X105CrMo17, Zylinder X105CrMo17 Bewegung: reversierend Schmierstoff: Benzin Methanol Gemisch 20: 1 Befund: Riefen in Bewegungsrichtung, „Rattermarken“, Materialübertrag und Materialverschmierungen Ausfallursache: Adhäsion zwischen Kolben und Zylinder aufgrund hoher Querkraft REM Kolben 264 <?page no="277"?> Tabelle 5 Fortsetzung Gleitlager, überlastet System: Welle (100Cr6), Flanschlager (3-Stofflager) Bewegung: reversierend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: Kunststoffablagerungen auf Welle Ausfallursache: Adhäsion zwischen Welle und Lagerwerkstoff, Materialübertrag REM Welle Dieselhochdruckpumpe, Laufrolle System: Laufrolle (16MnCrS5, nitrocarburiert), Kolbenfußscheibe (100Cr6, bainitisch) Bewegung: reversierend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: Materialverschiebungen / Materialübertrag, „Rattermarken“ in verschiedenen Richtungen Ausfallursache: Versagen der Verbindungsschicht der Laufrolle führt zu Adhäsion zwischen Laufrolle und Kolbenfußscheibe, Kolbenfußscheibe wird dabei gedreht Kolbenfußscheibe Laufrolle Belastung REM Laufrolle 10.3.3 Zerrüttung, plastische Deformation und Kavitationserosion Bei zyklischer Beanspruchung (wechselnde oder schwellende mechanische Spannungen) des Tribokontaktes kann es zu Oberflächenzerrüttung kommen. Hierbei entstehen zuerst Mikrorisse in oberflächennahen Werkstoffschichten (im Maximum der Spannung), welche in der Folge zur Oberfläche wachsen und oftmals ein ausgeprägtes Rissnetzwerk bilden. Oft von Oberflächenzerrüttung betroffene Bauteile sind Wälzlager und Zahnräder. Aus diesem Grund wird die Oberflächenzerrüttung auch häufig als Wälzverschleiß bezeichnet. Dort sind Grübchen oder Pittings häufige Fehlerbilder. 265 <?page no="278"?> Aber auch in schlagend beanspruchten Tribokontakten kann es zu Zerrüttungserscheinungen kommen, hier fällt jedoch oft zuerst eine plastische Deformation der Oberfläche auf. Die plastische Deformation an sich ist keine Verschleißform, da es hierbei nicht zu einem Materialverlust kommt, oft ist sie jedoch eine Vorstufe zur Zerrüttung. Ein weiterer Sonderfall der Zerrüttung ist die Kavitationserosion. Dieses Phänomen kann auftreten auf, wenn es in flüssigkeitsdurchströmten Bauteilen in Bereichen sehr hoher Strömungsgeschwindigkeiten zu gleichzeitiger Druckabsenkung kommt. Wird dabei die Siedetemperatur des Mediums überschritten entstehen Dampfblasen, die in Bereichen mit steigenden Druck und Unterschreitung der Siedetemperatur schlagartig wieder zusammenfallen. Dabei entstehen Druckschläge auf die Bauteiloberfläche, die zur Zerrüttung führen können. Beispiele für die hier genannten Phänomene finden sich in Tabelle 6. Durch eine Minimierung der Reibkräfte (Scherung), etwa durch den Einsatz geeigneter Schichten bzw. Schmierung, lässt sich die Beständigkeit eines Tribosystems gegen Zerrüttung steigern. Oft ist auch eine Anpassung des Gefüges hin zu geringerer Sprödigkeit möglich. Tabelle 6 Ventil, Kontakt Ankerbolzen/ Kugel System: Spitze Ankerbolzen (100Cr6, vergütet), Kugel (100Cr6, vergütet) Bewegung: schlagend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: Ausbrüche, Risse Ausfallursache: Zerrüttung der Oberfläche führt zu Rissbildung und Materialausbrüchen REM Spitze Ankerbolzen 266 <?page no="279"?> Tabelle 6 Fortsetzung Modellversuch Schlagbeanspruchung System: Scheibe (100Cr6, beschichten mit 8-10μm Strukturchrom), Kugel (100Cr6) Bewegung: schlagend Schmierstoff: n-Heptan Befund: Abplattung der Strukturchrom-Schicht Ausfallursache: plastische Deformation des Strukturchroms durch schlagende Beanspruchung Kugel Scheibe REM Strukturchrom Dieselhochdruckpumpe, Hubscheibe System: Rolle (100Cr6, gehärtet), Hubscheibe (100Cr6, gehärtet) Bewegung: rollend mit teilweise Schlupf Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: Ausbrüche und starke Glättung Ausfallursache: starker Schlupf führt zu Glättung und hoher Reibenergie, zusätzlich Beschleunigung der Korrosionsreaktionen, wasserstoffinduzierte Zerrüttung und Rissbildung (Nachweis konnte mittels Deuterium geführt werden) Hubscheibe Rolle REM Hubscheibe Querschliff Hubscheibe 267 <?page no="280"?> Tabelle 6 Fortsetzung Dieselhochdruckpumpe, Kolben System: Kolben (100Cr6, hartverchromt), Zylinder (100Cr6, vergütet) Bewegung: reversierend Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: Ausbrüche Ausfallursache: Zerrüttung der Hartchrom-Schicht, Ausbrüche in der Schicht, unzureichende Haftung des Hartchrom leichter Schichtverschleiß schwerer Schichtverschleiß bis zum Grundmaterial REM Kolbenmantelfläche Ventil, Dichtsitz System: Dichtsitz (Stahl), Kugel (100Cr6) Bewegung: Öffnen/ Schließen des Ventils Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: kleine vernetzte Ausbrüche Ausfallursache: Unterdruckbedingungen im Ventilbetrieb, Blasenbildung führt zu Kavitation, Kavitationserosion oberhalb Dichtsitz REM oberhalb Dichtkante 268 <?page no="281"?> Tabelle 6 Fortsetzung Gehäusebohrung Ventil mit Entlastungsnut System: Gehäusebohrung vor Hochdruckventil mit Entlastungsnut (Aluminium) Bewegung: Öffnen/ Schließen des Ventils Schmierstoff: Ottokraftstoff Befund: kleine vernetzte Ausbrüche Ausfallursache: Rückströmung durch Entlastungsnut bringt Kavitationsblasen an Werkstoffoberfläche, Kavitationserosion an Gehäusebohrung REM Gehäusebohrung 10.3.4 Tribochemische Reaktionen Unter tribochemischen Reaktionen versteht man die Bildung von Reaktionsschichtenschichten, z. B. Oxidschichten, oder Partikeln, welche durch die tribologische Beanspruchung (hier sind schon Mikrobewegungen durch Schwingungsanregung ausreichend) aktiviert oder gefördert wird. (siehe Tabelle 7) Häufig weisen die entstehenden Schichten eine geringe mechanische Beständigkeit auf, so dass sie leicht von der Oberfläche abgetragen werden können, was den weiteren Verschleiß noch begünstigt. Oft tritt diese Verschleißart auch in Verbindung mit Adhäsion auf. Die wohl bekannteste Form der tribochemischen Reaktion ist die Entstehung von Passungsrost. Um tribochemische Reaktionen zu vermeiden sollten, wo möglich weniger korrosive (reaktionsfreudiges) Medien eingesetzt werden. Ist dies nicht realisierbar, müssen korrosionsfeste Materialien oder Schutzschichten genutzt werden. 269 <?page no="282"?> Tabelle 7 Ventil, Magnetanker System: Magnetanker (50CrV4, vergütet), Kugel (100Cr6, vergütet) Bewegung: Mikroschwingungen Schmierstoff: Dieselkraftstoff Befund: oxidische Beläge, Glättung Ausfallursache: tribochemische Reaktion durch Mikrobewegungen REM Magnetanker Modellversuch Schmierstoff MTBE System: Scheibe (X90CrMoV18, geschliffen), Kugel (X90CrMoV18, poliert) Bewegung: reversierend Schmierstoff: MTBE (Methyl Tertiary Butyl Ether) Befund: oxidische Beläge, Glättung Ausfallursache: tribochemische Reaktion durch Mikrobewegungen und Reaktivität des Schmiermediums Last 270 <?page no="283"?> 10.4 Abschließende Gedanken Verschleiß ist, wie auch Reibung, keine Werkstoffgröße, sondern hängt immer von den tatsächlich vorliegenden Beanspruchungsbedingungen ab. Angaben in Tabellenbüchern und Datenblättern können nur als erste Anhaltswerte dienen. Wie die im zweiten Abschnitt des Kapitels dargestellten Beispiele zeigen, ist zur Aufklärung des vorliegenden Schadensmechanismus oft die Kombination von mehreren Analyseverfahren notwendig. Diese müssen für jeden Schadensfall anhand der vorliegenden Bedingungen neu festgelegt werden. Bei allen Untersuchungen sollte immer der Systemgedanke im Hinterkopf sein. Nur eine ausführliche Analyse des kompletten Tribosystems kann im Zweifelsfall zu einer aussagekräftigen Aufklärung eines Schadensfalles führen. 10.5 Empfehlenswerte, weiterführende Literatur [1] Czichos, H., Habig, K.-H.: Tribologie-Handbuch: Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik; Springer, 2010 [2] Popov, V. L.: Kontaktmechanik und Reibung: Ein Lehr- und Anwendungsbuch von der Nanotribologie bis zur numerischen Simulation; Springer, 2009 [3] Schatt, W., Worch, H.: Werkstoffwissenschaft; Wiley, 2003 [4] Schmidt, P. F.: Praxis der Rasterelektronenmikroskopie und Mikrobereichsanalyse; Expert-Verlag, 1994 [5] Vickerman, J. C. (Hrsg.), Gilmore, I. (Hrsg.): Surface Analysis: The Principal Techniques; Wiley, 2009 [6] VDI 3822 Blatt 5: „Schäden durch tribologische Beanspruchungen“ [7] GfT Arbeitsblatt Nr. 7: „Tribologie Definitionen, Begriffe, Prüfung“ 271 <?page no="284"?> 11 Korrosionsschäden an metallischen Werkstoffen Bernd Thoden 11.1 Allgemeines Korrosionsschäden gehören zu den häufigsten in der Technik auftretenden Schäden, durch die ständig große volkswirtschaftliche Verluste verursacht werden. Neueren Studien zufolge belaufen sich die Kosten durch Korrosionsfolgen in den Industrieländern auf ca. 3 - 4 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Korrosion kann nie ganz unterbunden werden - durch konsequente Anwendung des vorhandenen Wissens ist es allerdings möglich, Korrosionsschäden zu vermeiden und damit 25 bis 30 % der Korrosionskosten einzusparen [1]. Ziel dieses Beitrages ist es, anhand von Schadensbeispielen auf bestehende Korrosionsgefahren bei den technisch wichtigsten Werkstoffen hinzuweisen und durch Vermittlung des derzeitigen Wissenstandes auf dem Gebiet der Korrosion zur Reduzierung von Korrosionsschäden beizutragen. Die dargestellten Korrosionsschäden sollen das Erkennen der verschiedenen Korrosionsarten erleichtern, was für die Behebung und für die zukünftige Vermeidung von Korrosionsschäden wichtig ist. Aufgrund der überragenden Bedeutung der Metalle als Konstruktionswerkstoffe für den Maschinen- und Anlagenbau werden ausschließlich die Vorgänge bei der Korrosion metallischer Werkstoffe besprochen. Bezeichnungen werden dabei in Anlehnung an die Norm DIN EN ISO 8044 [2] verwendet. Das Wort Korrosion kommt vom Lateinischen corrodere = zerfressen, zernagen und beschreibt die chemische oder elektrochemische Reaktion von Metallen mit einem Umgebungsmedium (Wasser, Atmosphäre, Säuren, usw.) zu Verbindungen. So ist z. B. die Rostbildung bei der Korrosion von Eisenwerkstoffen allgemein bekannt. Treibende Kraft für die Korrosion ist das Bestreben eines Metalls, wieder in den nichtmetallischen Zustand überzugehen, da dieser Zustand thermodynamisch stabiler ist. Die bei Metallen mit Abstand wichtigste Korrosionsreaktion ist die elektrochemische Korrosion durch Einwirkung eines Elektrolyten. Korrosionsvorgänge laufen meist an der Oberfläche eines Werkstücks oder Bauteils ab und können dessen Funktion, aber auch die Umgebung, beeinträchtigen. Man spricht dann von einem Korrosionsschaden. Oberflächen können auch mechanisch durch Verschleiß, Erosion oder Kavitation geschädigt werden. Häufig treten diese Schädigungsarten zusammen mit Korrosionsvorgängen auf, was die Abtragung an der Oberfläche stark beschleunigen kann (z. B. bei Strömungsmaschinen oder bei der Förderung von feststoffhaltigen Flüssigkeiten oder Gasen). 272 <?page no="285"?> Die Begrifflichkeiten der Schadensanalyse und die grundlegenden Methoden der Schadensuntersuchung werden an anderer Stelle dieses Buches beschrieben. Alle vorgestellten Methoden werden auch für die Untersuchung von Korrosionsschäden eingesetzt. Besonders wichtig ist dabei das Rasterelektronenmikroskop (REM) in Kombination mit der energiedispersiven Röntgenanalyse (EDX), weil hiermit örtliche Werkstoff- und Schichtzusammensetzungen ermittelt sowie Korrosionsprodukte und Beläge analysiert werden können. Auch elektrochemische Korrosionsuntersuchungen haben bei der Aufklärung von Schadensfällen eine gewisse Bedeutung [3]. Für die systematische Untersuchung von Korrosionsschäden an metallischen Werkstoffen stellt die VDI-Richtlinie 3822, Blatt 3 [4] einen praxisorientierten Leitfaden dar. 11.2 Grundlagen der Korrosion metallischer Werkstoffe Korrosionsvorgänge werden je nach ablaufender Reaktion in chemische Korrosion und elektrochemische Korrosion unterschieden. Bei der chemischen Korrosion reagiert das Metall mit elektrisch nichtleitenden Medien, z. B. trockenen Gasen, Schmelzen oder organischen Substanzen. Das bekannteste Beispiel ist die Verzunderung von Stahl beim Glühen an Luft (Bild 1) als eine Form der Hochtemperaturkorrosion; Einzelheiten hierzu s. Kap. 3.6. Bild 1: Verzunderung von Stahl nach Glühung an Luft (3h 880°C) X5CrNi18-10 (1.4301) mit dichter und fest haftender Fe-Cr-Oxidschicht (oben); Baustahl S235 mit abgeplatztem Zunder (unten) In der Praxis wesentlich häufiger anzutreffen ist die elektrochemische Korrosion, bei der das angreifende Medium eine elektrisch leitende Flüssigkeit (Elektrolyt) ist. Auf der Metalloberfläche bilden sich dabei Bereiche aus, in denen Metallionen in Lösung gehen (Anoden) und andere, in denen ein Oxidationsmittel reduziert wird (Kathoden). 273 <?page no="286"?> Die Gesamtreaktion besteht also aus zwei gleichzeitig ablaufenden Teilreaktionen: anodische Teilreaktion: liefert Elektronen; dies ist eine Oxidation kathodische Teilreaktion: verbraucht Elektronen; dies ist eine Reduktion. Die anodische Teilreaktion des in Lösung gehenden Metalls ist der eigentliche Korrosionsvorgang, aber immer mit der kathodischen Teilreaktion gekoppelt. Die Korrosion kann nur in dem Maße ablaufen, wie die kathodische Teilreaktion vonstatten geht; diese ist daher meist geschwindigkeitsbestimmend für den Gesamtvorgang, wenn das Metall im aktiven Zustand vorliegt. Es baut sich ein Stromkreis auf mit einem Elektronenstrom im Metall und einem Ionenstrom im Elektrolyten. Dieser Stromkreis entspricht einem galvanischen Element und wird als Korrosionselement bezeichnet (Bild 2). Der Korrosionsvorgang kann durch die Erfassung der Ströme in Abhängigkeit vom Potenzial messtechnisch verfolgt und dargestellt werden (Stromspannungskurven). Bild 2: Korrosionselement und Stromspannungskurven Bei einem Korrosionselement, z. B. bestehend aus den Metallen Zink (Zn) und Kupfer (Cu), gibt das unedlere Zn (Anode) Elektronen ab und geht in Lösung: Zn Zn 2+ + 2 e - (Oxidation) 274 <?page no="287"?> Die Elektronen fließen zum edleren Cu (Kathode) und reduzieren dort die im (sauren) Elektrolyten vorhandenen H + -Ionen zu Wasserstoff, der aus der Lösung entweicht: 2 H + + 2 e - H 2 (Reduktion) Zwischen den beiden Elektroden baut sich eine elektrische Spannung (Potenzialdifferenz U) auf, deren Betrag aus der elektrochemischen Spannungsreihe abgelesen werden kann (Bild 3); im Beispiel Zn/ Cu ist U =1,10 V. - 2,40 Mg Magnesium - 1,75 Ti Titan - 1,66 Al Aluminium - 0,76 Zn Zink - 0,71 Cr Chrom - 0,44 Fe Eisen - 0,13 Pb Blei 0,00 H Wasserstoff + 0,34 Cu Kupfer + 0,80 Ag Silber edel unedel + 1,42 Au Gold Charakter Normalpotenzial in V Kurzzeichen Element Bild 3: Elektrochemische Spannungsreihe (Normalpotenzial) Die anodische Teilreaktion ist bei allen elektrochemischen Korrosionsvorgängen gleich. Die an der Kathode ablaufende Reaktion ist dagegen abhängig von den Eigenschaften des Elektrolyten. Die Korrosion im obigen Beispiel wird als Wasserstoff- oder Säurekorrosion bezeichnet. Sehr viel häufiger ist die Sauerstoffkorrosion, die in sauerstoffhaltigen Wässern und wässrigen Lösungen mit pH-Werten zwischen 5 und 8 abläuft. Sauerstoff wird für die kathodische Teilreaktion gebraucht und zu OH - Ionen reduziert, die mit den Metallionen weiter reagieren (Bild 4): ½ O 2 + H 2 O + 2 e - 2 OH - 275 <?page no="288"?> Bild 4: Prinzip der Sauerstoff- und Säurekorrosion Das Rosten von Eisenwerkstoffen in feuchter Umgebung ist auf Sauerstoffkorrosion zurückzuführen. Wenn kein Sauerstoff vorhanden ist, kann die kathodische Teilreaktion nicht ablaufen und der Korrosionsprozess kommt zum Stillstand (z. B. in einer geschlossenen Warmwasser-Heizungsanlage). Die Entstehung eines Korrosionselementes beim Kontakt zweier elektrochemisch unterschiedlicher Metalle ist nach dem bisher Gesagten leicht verständlich. Warum überzieht sich aber ein blankes, scheinbar homogenes Stahlblech bei Feuchtigkeitseinwirkung an Luft nach kurzer Zeit mit Rost? Wo sind hier die Korrosionselemente? Ein Blick in das Gefüge liefert die Erklärung: unlegierter Stahl (z. B. S235) besteht aus Ferrit und Perlit. Die Zementitlamellen (Fe 3 C) des Perlits sind elektrochemisch edler als der Ferrit, damit hat man die für den Ablauf der Korrosion erforderliche Potenzialdifferenz. Solche kleinen galvanischen Elemente (Lokalelemente) können im Metallgefüge auch zwischen Körnern und Korngrenzen, verformten und unverformten Bereichen sowie an nichtmetallischen Einschlüssen auftreten. Auch unterschiedliche Sauerstoffgehalte im Elektrolyten führen zu Korrosionselementen auf der Metalloberfläche. Gut belüftete (O 2 -reiche) Stellen werden kathodisch, schlecht belüftete (O 2 -arm) anodisch. Diese sog. Belüftungselemente sind häufig anzutreffen, z. B. in Rissen und engen Spalten. Einige unedle Metalle, z. B. Al, Ti oder Cr, erweisen sich an feuchter Luft und in neutralen, chloridfreien wässrigen Lösungen als besonders beständig. Scheinbar widerspricht dieses Verhalten der elektrochemischen Spannungsreihe. Sauerstoffkorrosion Säurekorrosion 276 <?page no="289"?> Die genannten Metalle und viele ihrer Legierungen bilden unter der Einwirkung des Mediums Schutzschichten aus, die die Korrosionsreaktion stark hemmen. Dieser Vorgang heißt Passivierung, die Schichten werden als Passivschichten bezeichnet (Bild 5). Einige "unedle" Metalle z. B. Ti, Al und Cr sind sehr korrosionsbeständig Widerspruch ? Reaktion mit O 2 Passivschicht auf Oberfläche nichtrostende Stähle (Cr 12 Masse-%) V2A, 18/ 8-Cr-Ni-Stahl (Krupp 1912) Metalle: Ti, Al, Ta, Cr Dünne, festhaftende und dichte Oxidschicht (2-10 nm) Bild 5: Passivierung Bei der Verwendung passivierender Metalle und Legierungen ist darauf zu achten, dass die Bedingungen, unter denen die Schichten beständig sind, beibehalten werden. Da es sich meist um Oxidschichten handelt, ist vor allem ein ausreichendes Sauerstoffangebot wichtig. Eine Beschädigung der Passivschicht kann zu örtlicher Korrosion führen. In einem solchen Fall liegen auf der Metalloberfläche kleine aktive neben vergleichsweise großen passiven Bereichen vor. Es bildet sich ein wirkungsvolles Lokalelement aus, das zu einem raschen Abtrag der aktiven Stelle führt. Der örtliche Abtrag kann in Form von Löchern, Narben und - besonders gefährlich - in Form von Rissen auftreten. Die örtliche Korrosion von passiven Werkstoffen ist ein zentrales Korrosionsproblem und wird daher auch nachfolgend schwerpunktmäßig behandelt. 11.3 Korrosionsarten ohne mechanische Belastung Hierunter werden alle Korrosionsarten verstanden, zu deren Initiierung keine mechanischen Belastungen in Form von Zugspannungen vorliegen müssen [4]. Bei Betrachtung des Erscheinungsbildes der gesamten vom Elektrolyt benetzten Werkstoffoberfläche können die Korrosionsarten einer der folgenden Gruppen gleichmäßige Flächenkorrosion örtlich begrenzte Korrosion selektive Korrosion zugeordnet werden. 277 <?page no="290"?> 11.3.1 Gleichmäßige Flächenkorrosion Bei der gleichmäßigen Flächenkorrosion erfolgt der Metallabtrag mit etwa gleicher Geschwindigkeit auf der gesamten Oberfläche, der Werkstoff liegt im aktiven Zustand vor. Diese Korrosionsart ist am einfachsten beherrschbar, da sie zerstörungsfrei überwacht (z. B. durch Ultraschall-Restwanddickenmessungen) und häufig durch Korrosionszuschläge bei der Auslegung berücksichtigt werden kann. Gleichmäßige Flächenkorrosion tritt in der Praxis eher selten auf, und dann vorzugsweise beim Angriff starker Säuren (Säurekorrosion). Un- und niedriglegierte Stähle werden in Wässern mit höherer Strömungsgeschwindigkeit annähernd gleichmäßig abgetragen (Bild 6). Die Abtragsrate hängt dabei in gewissen Grenzen von der Strömungsgeschwindigkeit ab: je größer diese ist, desto mehr Sauerstoff gelangt an die Stahloberfläche und steht dort für die kathodische Teilreaktion zur Verfügung. Während in wenig bewegtem Meerwasser der gleichmäßige Abtrag ca. 0,2 mm/ a beträgt, wird bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 10 m/ s ein Abtrag von ca. 1,0 mm/ a beobachtet (Bild 7). Bild 6: Gleichmäßige Flächenkorrosion; Stahlrohr DN600 aus Stahl L235 nach 1,5 Jahren in Meerwasser Bild 7: Korrosion von Schiffbaustahl in bewegtem Meerwasser [5] 278 <?page no="291"?> Im Verlauf des korrosiven Abtrags können Korrosionsprodukte unterschiedlicher Löslichkeit gebildet werden. Mit zunehmender Unlöslichkeit dieser Produkte kann es zu Übergangsformen der Korrosionserscheinung bis hin zur örtlich begrenzten Korrosion kommen. 11.3.2 Muldenkorrosion Bei unvollständigen oder beschädigten Deckschichten oder wenn sich an der Oberfläche fest haftende Ablagerungen aus Korrosionsprodukten bilden, entsteht ein ungleichmäßiger, muldenförmiger Abtrag (Bild 8). Bei aktiv korrodierenden Metallen ist dies in der Praxis die übliche Korrosionsart. Bild 8: Muldenkorrosion (schematisch) 11.3.3 Lochkorrosion Örtliche Korrosion, die nur an kleinen Oberflächenbereichen abläuft und zu Löchern (Lochfraß) führt (Bild 9). Diese Korrosionsart ist besonders gefährlich, da sie wegen der geringen Menge an Korrosionsprodukten nur schwer aufzufinden ist. Dabei kann die Oberfläche schon unterhöhlt sein, was unverhofft zu einem Schaden führen kann. Belüftungselemente (bei un- und niedriglegierten Stählen) Schutzschichten - Oxidbeläge (Zunder, Anlauffarben) - Metallüberzug (z. B. Verchromung) - Beschichtungen - Öl- und Inhibitorfilme - Salzdeckschichten (z. B. Cu-Carbonat) - Passivschichten ! ! ! Bild 9: Lochkorrosion im Querschliff (schematisch) 279 <?page no="292"?> Vorbedingung für das Auftreten von Lochkorrosion ist das Vorhandensein von Schutzschichten (z. B. Passivschichten, galvanische Überzüge). Verletzungen oder Inhomogenitäten der Schutzschichten sind Ausgangspunkte der Lochkorrosion. Spezifische Angriffsstoffe haben hier eine besondere Bedeutung. Bei nichtrostenden Stählen spielen Halogen-Ionen (v. a. Cl - ) eine besondere Rolle. Bei unlegiertem Stahl ist ein Konzentrationsgefälle von Sauerstoff (Belüftungselement) Voraussetzung für diese Korrosionsart. Die nichtrostenden Stähle mit ihren Passivschichten sind trotz ihrer unbestreitbaren Vorteile in Bezug auf die Korrosionsbeständigkeit recht oft das Sorgenkind des Apparatebauers und Anlagenbetreibers. Lochkorrosion an Werkstoffen mit einer Passivschicht wird v. a. durch chloridhaltige Elektrolyte bewirkt. Da Chlor-Ionen allgegenwärtig und deshalb meistens für die Lochkorrosion verantwortlich sind, spricht man häufig von chloridinduzierter Lochkorrosion. Bei den nichtrostenden Stählen tritt Lochkorrosion im Passivbereich erst oberhalb eines kritischen Potenzials, des Lochkorrosionspotenzials U L , auf. Die Breite des Passiv-Bereiches wird dadurch eingeschränkt (Bild 10). Bild 10: Einschränkung des Passivbereiches durch Lochkorrosion Für die Praxis ist bedeutsam, ob das Korrosionspotential U K , auch Ruhepotential genannt, positiver oder negativer als U L ist. Lochfraß tritt dann ein, wenn U K positiver als U L ist. Wo das Lochkorrosionspotenzial einer Legierung tatsächlich liegt, wird im Wesentlichen von der Konzentration der Halogen-Ionen, der Temperatur und dem pH-Wert bestimmt. 280 <?page no="293"?> Eine untere Grenzkonzentration der Halogen-Ionen, unterhalb derer keine Lochkorrosion mehr auftritt, kann nicht angegeben werden, da durch adsorptive Effekte die Konzentration an der Werkstoffoberfläche um Größenordnungen höher sein kann als im umgebenden Medium (Belagbildung). Durch Erniedrigung der Temperatur, Erhöhung des pH-Wertes (nach Möglichkeit über pH 10) und Senkung des Chloridgehaltes ist eine Vermeidung von Lochkorrosion bei nichtrostenden Stählen möglich. Höhere Temperaturen und Chloridgehalte verschieben das Lochkorrosionspotenzial zu negativeren Werten (Bild 11). Daraus folgt: bei konstanter Chloridkonzentration wird das Auftreten von Lochkorrosion mit steigender Temperatur immer wahrscheinlicher; bei konstanter Temperatur wird das Auftreten von Lochkorrosion mit zunehmendem Chloridgehalt immer wahrscheinlicher. Bild 11: Abhängigkeit des Lochfraßpotenzials U L von Temperatur und Chloridkonzentration [3] 281 <?page no="294"?> Die Beständigkeit nichtrostender Stähle gegen Lochkorrosion lässt sich durch Anheben der Massenanteile an Chrom und Molybdän verbessern (Bild 12). Ausgedrückt wird dies durch die sog. Wirksumme WS (engl. PRE = Pitting Resistance Equivalent), die sich aus der Zusammensetzung des Stahl ergibt: WS = %Cr + 3,3%Mo + x%N Der Wirksummenfaktor für Stickstoff hängt stark von der Stahlgrundzusammensetzung ab und liegt zwischen 0 und 30. Ein Wert von 30 kommt nur bei sehr hoch legierten austenitischen nichtrostenden Stählen zum Tragen [8, 9]. 1.4435 X2CrNiMo18-14-3 1.4462 X2CrNiMoN22-5-3 1.4539 X1NiCrMoCuN25-20-5 1.3964 X4CrNiMnMoN19-16-5-3 1.4563 X1NiCrMoCuN31-27-4 1.4529 X1NiCrMoCuN25-20-6 1.3974 X3CrNiMoNbN23-17-3 2.4856 NiCr22Mo9Nb (alloy 625) Bild 12: Kritische Lochfraßtemperatur ausgewählter Legierungen in 10%-iger FeCl 3 -Lösung Die dargestellten Zusammenhänge gelten zunächst nur für metallisch blanke Stahloberflächen. Sind Ablagerungen oder Anlauffarben vorhanden, z. B. im Bereich von Schweißnähten, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit von Lochkorrosion erheblich, da sich an diesen Stellen keine stabile Passivschicht ausbilden kann und es zu einer Anreicherung der die Lochkorrosion auslösenden Ionen kommt. Viele Schadensfälle in der Praxis sind auf derartige Oberflächeneffekte zurückzuführen. 282 <?page no="295"?> Bild 13 zeigt einen solchen Fall: Bei einer Rohrleitung aus 1.4571 kam es zwei Jahre nach der Inbetriebnahme zu einem Wanddurchbruch infolge choridinduzierter Lochkorrosion. Temperatur und Chloridkonzentration des Betriebswassers lagen an sich im unkritischen Bereich, jedoch waren an der Schweißnaht starke Anlauffarben vorhanden. Anlauffarben sind chromreiche, relativ dicke Oxidschichten. Sie sind nicht dicht, sondern stark zerklüftet und von Rissen durchsetzt (Bild 14), in die chloridhaltiger Elektrolyt eindringt und festgehalten wird. Die Vermeidung und/ oder sorgfältige Entfernung von Anlauffarben (z. B. durch Beizen) ist bei hoher Korrosionsbelastung zwingend erforderlich, um Korrosionsschäden bei nichtrostenden Stählen zu verhindern. Bild 13: Lochkorrosion an einer Rohrleitung aus 1.4571 (X6CrNiMoTi17-12-2) im Bereich von Anlauffarben; Betriebswasser, ca. 150 mg/ l Chlorid, T 30°C 2,5 mm 283 <?page no="296"?> Bild 14: REM-Aufnahme von Anlauffarben an 1.4571 neben einer Schweißnaht In einem Schwimmbad zeigten die Profilstäbe der glasperlgestrahlten Überlaufroste aus dem Werkstoff 1.4571 bereits nach kurzer Zeit starke Lochkorrosion sowie flächige Anrostungen (Bild 15). Der Chloridgehalt des Schwimmbadwassers betrug 430 mg/ l; dies ist für im Wasser befindliche Bauteile aus 17-12-2-CrNiMo-Stählen (V4A) wie 1.4571 bei Temperaturen bis zu 30°C unkritisch. Schadensursächlich war hier die Betriebsweise in Verbindung mit einem ungeeigneten Oberflächenzustand. Die Überlaufroste werden nur gelegentlich von überlaufendem Wasser beaufschlagt und trocknen in den Zwischen- und Ruhezeiten immer wieder ab. Es fand auf diese Weise eine Anreicherung von im Wasser befindlichen Chloriden an den Oberflächen der Profile statt (Ankrustungen von NaCl in Bild 16). Die vorliegend raue Oberfläche der Bauteile durch das - aus optischen Gründen durchgeführte - Glasperlenstrahlen hat den Korrosionsvorgang stark begünstigt, da sich die Chloride in den mikroskopisch kleinen Spalten und Vertiefungen besonders gut anreichern konnten. Diese Art von Korrosionsschäden kann durch eine möglichst glatte Oberfläche (am besten elektropoliert) in Verbindung mit häufiger Reinigung verhindert werden. 284 <?page no="297"?> Bild 15: Lochkorrosion an einem Überlaufrost, Profilstäbe aus 1.4571 Bild 16: aufgeraute Oberfläche mit Lochfraß und Salzankrustungen (Detail aus Bild 15) 11.3.4 Spaltkorrosion Örtlich verstärkte Korrosion in Spalten, die sich zwischen einer Metalloberfläche und einer anderen Oberfläche (metallisch oder nichtmetallisch) ausgebildet haben. Sie ist auf Korrosionselemente zurückzuführen, die durch Konzentrationsunterschiede im Korrosionsmedium entstehen, z. B. Belüftungselemente (unterschiedlicher Sauerstoffgehalt im Spalt und im freien Elektrolyten). Der Spaltgrund wird zur Anode und 285 <?page no="298"?> das Metall löst sich hier verstärkt auf (Bild 17). Da in Spalten der Elektrolyt durch Kapillarwirkung festgehalten wird, liegt auch eine länger andauernde Korrosionsbelastung vor. Wie bei der Lochkorrosion, tritt durch Hydrolyse von Korrosionsprodukten eine Absenkung des pH-Wertes im Spalt ein. Dies erhöht die Aggressivität des Spaltelektrolyten und beschleunigt den Korrosionsvorgang. Bild 17: Mechanismus der Spaltkorrosion (schematisch) Spalte sind häufig konstruktiv bedingt, z. B. Niet- und Schraubverbindungen, überlappende Bleche, Zierleisten, Dichtspalte oder auch Risse. Großen Einfluss hat dabei die Spaltbreite: kritisch sind enge Spalte mit Spaltbreiten < 1 mm. Bei Werkstoffen im passiven Zustand, z. B. an nichtrostenden Stählen, ist die Passivschicht durch das verringerte Sauerstoffangebot geschwächt. In Spalten tritt daher bei Anwesenheit von chlorionenhaltigen Medien zunächst bevorzugt Lochkorrosion auf, auch unter Bedingungen, unter denen das an frei umspülten Oberflächen nicht der Fall ist (das Spaltkorrosionspotenzial liegt stets negativer als das Lochkorrosionspotenzial). Neben echten Spalten zwischen Metall/ Metall oder Metall/ Dichtung ist auch die Bildung von Ablagerungen (Krusten, Inhaltsstoffe des Angriffsmittels, Schmutzteilchen) Ursache von Spaltkorrosion. Diese meist an Stellen geringer Strömung auftretende Erscheinung führt durch Adsorption aus dem Medium zu einer Anreicherung von Chlor-Ionen im Elektrolyten des zwischen Ablagerung und Metall gebildeten Spalts. Eine besondere Rolle spielt die Spaltkorrosion in der Prozesstechnik bei allen Flanschverbindungen, bei Platten- und Rohrbündelwärmeübertragern, Stopfbuchsenabdichtungen usw. 11.3.5 Kontaktkorrosion (Bimetallkorrosion) Bildet ein metallischer Werkstoff mit einem anderen Metall oder auch einem elektrisch leitenden Nichtmetall (z. B. Graphit, CFK = Kohlenstofffaserverstärkter Kunststoff) ein Korrosionselement, wird das unedlere Metall zur Anode und geht in Lösung, sofern es durch die Korrosionsreaktion nicht zu einer Schutzschichtbildung kommt. Anode (O 2 -Gehalt gering) Kathode (O 2 -Gehalt hoch) Metall ee- Elektrolyt im Spalt 286 <?page no="299"?> Diese auch als Bimetallkorrosion bezeichnete Korrosionsart tritt häufig bei Mischkonstruktionen auf, z. B. im Maschinen- und Apparatebau an Niet-, Schraub- oder Schweißverbindungen. Auch im Fahrzeugbau erfordert die moderne Mischbauweise mit Stahl-Al-Mg-Komponenten bzw. im Flugzeugbau Al-CFK besondere Beachtung, um Probleme durch Kontaktkorrosion zu vermeiden. Wichtige Einflussgrößen sind: Potenzialdifferenz der beiden Metalle, Größenverhältnis Anode/ Kathode (ungünstig: A klein, K groß), Temperatur und Leitfähigkeit des Elektrolyten. Ein Beispiel aus dem Bauwesen soll die Kontaktkorrosion verdeutlichen. In einer Warmwasserinstallation mit Rohrelementen aus dem nichtrostenden Stahl 1.4301 kam es zu einem Wanddurchbruch an einem 90°-Rohrbogen (Bild 18). Es stellte sich heraus, dass versehentlich ein ähnlich aussehender Rohrbogen aus verzinktem Stahl eingebaut worden war. Für die Bereiche Schiffbau und Meerestechnik gibt die DIN 81249-3 [10] praktische Hinweise zur Werkstoffauswahl, um Kontaktkorrosion zu vermeiden. Bild 18: Warmwasserinstallation, 90°-Bogen aus verzinktem Stahl in Kontakt mit nichtrostendem Stahl (1.4301) 90°-Bogen aus verzinktem Stahlrohr Wanddurchbruch 287 <?page no="300"?> 11.4 Korrosionsarten mit mechanischer Belastung 11.4.1 Spannungsrisskorrosion (SpRK) Wird ein Metall von einem Korrosionsmedium chemisch beansprucht und gleichzeitig durch innere oder von außen aufgebrachte Zugspannungen gedehnt, kann es zur Spannungskorrosion und in weiterer Folge zur Rissbildung kommen (Spannungsrisskorrosion, SpRK). Kennzeichnendes Erscheinungsbild sind je nach Angriffsmittel und Legierungssystem durch die Körner (transkristallin) oder auf den Korngrenzen (interkristallin) verformungslos verlaufende Risse, die mehr oder weniger verzweigt senkrecht zur Richtung der Hauptnormalspannung in den Werkstoff hineinlaufen (Bild 19). Der restliche Querschnitt des Bauteils wird entsprechend der Höhe der verbliebenen Restspannungen durch Gewaltbruch zerstört. Dadurch und weil auch hier nur ein geringer allgemeiner Korrosionsangriff auftritt, gehört die SpRK zu den gefährlichsten Korrosionsarten. Bild 19: Mechanismus der herkömmlichen Spannungsrisskorrosion durch anodische Auflösung (schematisch) 288 <?page no="301"?> Bild 20: Überblick Spannungsrisskorrosion (schematisch) SpRK kann auftreten, wenn ein anfälliger Werkstoff (mit Deckbzw. Passivschicht) in einem spezifischen Angriffsmittel durch ausreichend hohe Zugspannungen beansprucht wird (kritisches Korrosionssystem). Schweißnähte und kaltverformte Werkstoffbereiche sind oft eigenspannungsbehaftet und deshalb häufig von SpRK betroffen. Als in der Praxis wichtigste kritische Korrosionssysteme sind zu nennen (s. auch Bild 20): nichtrostende austenitische Stähle + chloridhaltige Lösungen CuZn-Legierungen + Ammoniak un- und niedriglegierte Stähle + Alkalilaugen (Laugenrissigkeit) Die sog. Laugenrissigkeit bei un- und niedriglegierten Stählen ist eine überwiegend interkristalline SpRK, die durch konzentrierte Alkalilaugen (z. B. NaOH) bei Temperaturen oberhalb von etwa 50 °C auftritt. Ein Dampfverteiler in einem Chemiewerk wurde durch einen in der Schweißnaht zwischen dem Gehäuserohr und dem Korbbogenboden verlaufenden Riss leck (Bild 21). Durch eine betriebsbedingte Störung war NaOH aus der Speisewasseraufbereitung in den Dampfverteiler eingedrungen und verursachte an der Schweißnaht interkristalline SpRK (Bild 22). Für das Rohr war der warmfeste Stahl 15Mo3 und für den Boden Kesselblech HII (P265GH) verwendet worden. Der 15Mo3 lag bezüglich C- und Mo-Gehalt an bzw. leicht über der oberen Spezifikationsgrenze (DIN 17175), so dass eine hohe Härtbarkeit gegeben war. Bereits beim Anpassen der Rohrwanddicke von 16 mm auf die Wanddicke des Bodens von 12 mm wurden durch das Schleifen Härtezonen erzeugt. Die damit verbundenen hohen Zugeigenspannungen wurden hier in Verbindung mit der Einwirkung von NaOH als schadensursächlich identifiziert. Zugspannungen (Last-, Eigenspannungen) Spezifisches chemisches Agens SpRK-empfindlicher Werkstoff Spannungsrisskorrosion (SpRK) Transkristallin (tk) Interkristallin (ik) Aluminiumlegierungen Messing (CuZn) Austenit. Stähle Kohlenstoff -Stähle Austenit. Stähle Chloride NH 3 + O 2 OH - , NO 3 OH - Chloride 289 <?page no="302"?> Bild 21: Dampfverteiler Bild 22: Querschliff durch die Schweißnaht, ik-SpRK Eine wirksame Abhilfebzw. Vorbeugemaßnahme gegen ik-SpRK ist das Spannungsarmglühen (T 600 - 650°C) von geschweißten Apparaten und Konstruktionen a) Schweißnaht Verteilerrohr-Boden, Hauptriss und Nebenrisse A, B und C b) Nebenriss B um 90° gedreht: ik Rissverlauf 290 <?page no="303"?> aus un- und niedriglegierten Stählen. Die Eigenspannungen werden dabei durch plastische Verformung bis zur Höhe der Warmstreckgrenze abgebaut. Bei nichtrostenden austenitischen Stählen haben Schäden durch transkristalline Spannungsrisskorrosion den prozentual größten Anteil an der Gesamtzahl der Schäden. Transkristalline Spannungsrisskorrosion wird z. B. durch folgende Medien verursacht: Chloride, Bromide, Fluoride Alkalilaugen H 2 O / NH 4 NO 3 (Ammoniumnitrat) Besonders betroffen von dieser Korrosionsart sind die Cr-Ni-Stähle vom Typ 18-10 (V2A, z. B. 1.4301, 1.4306, 1.4541) und die Cr-Ni-Mo-Stähle vom Typ 17-12-2 (V4A, z. B. 1.4404, 1.4571). Der Angriff ist stets transkristallin (Bild 23) und vielfach durch das Fehlen einer unteren mechanischen Grenzspannung gekennzeichnet. Zahl und Ausbildungsform der Risse werden durch die Spannungsintensität beeinflusst, sie sind aber bereits bei mittleren Spannungen zahlreich und stark verzweigt. Bild 23: Transkristalline Spannungsrisskorrosion an V4A-Stahl, W.-Nr. 1.4571 typische SpRK-Risse bei WS 1.4571 291 <?page no="304"?> Bild 24: Potential- und Temperaturgrenzen für SpRK grob geschliffener Proben verschiedener austenitischer Stähle in NaCl-Lösung [3] Vielfach ist für das Auftreten von Spannungsrisskorrosion in Chloridlösungen ein ausgeprägtes Grenzpotential festzustellen (Bild 24). Diesem Bild ist auch zu entnehmen, dass bei Temperaturen unterhalb etwa 50 °C an austenitischen Cr-Ni- Stählen nicht mehr mit dem Auftreten von Spannungsrisskorrosion zu rechnen ist. Diese Regel ist allerdings für Cr-Ni-Stahl vom Typ 18-10 nicht mehr uneingeschränkt gültig. Abhängig von der Spannungsintensität und vom pH-Wert kann bei entsprechender Chloridkonzentration an der Werkstoffoberfläche bereits bei niedrigeren Temperaturen Spannungsrisskorrosion auftreten [11]. An einem geschweißten, zylindrischen Tank ( 8.500 mm, Wanddicke 5 mm, wässrige Lösung mit Chloriden, T 70°C, pH 4) aus dem Stahl 1.4306 (X2CrNi19-11) wurden an Rund-Schweißnähten auf der Außenseite Rostablaufspuren durch Medienaustritt festgestellt. Bereits bei näherer Betrachtung mit der Lupe waren von außen Risse zu erkennen. Die Durchstrahlungsaufnahmen (Bild 25) zeigten das ganze Ausmaß der SpRK: bei einigen Rundnähten waren ausgedehnte Felder aus verzweigten und verästelten feinen Rissen vorhanden, die sich teilweise 60 - 70 mm neben der Schweißnaht (Eigenspannungen) ausdehnten. 292 <?page no="305"?> Bild 25: Schweißnähte mit SpRK an einem Behälter (Durchstrahlungsaufnahme) Bild 26 zeigt den Längsschliff einer verformungslos gebrochenen Schraube M24 aus Werkstoff 1.4307 (X2CrNi18-9), die bei Temperaturen von ca. 130°C zeitweise mit Natronlauge in Kontakt gekommen war. Bild 26: Schraube M24, spröder Gewaltbruch durch tk-SpRK; Werkstoff: 1.4307, NaOH bei 130°C Rundnaht, Decklage 15 - 20 mm breit Längsnaht Bruchfläche 293 <?page no="306"?> Wie bereits bei der Lochkorrosion ausgeführt, spielt der Oberflächenzustand von Bauteilen aus nichtrostenden austenitischen Stählen eine wesentliche Rolle, wenn es um die Minimierung des Korrosionsrisikos geht. Eine saubere, glatte Oberfläche ohne Kerben und möglichst ohne verarbeitungsbedingte Zugeigenspannungen ist anzustreben. Eine Verringerung von oberflächennahen Zugeigenspannungen kann durch Kugelstrahlen oder abtragendes Beizen der Oberfläche in der Größenordnung von 5 - 10 μm erreicht werden. Normales Beizen nach dem Kugelstrahlen ist empfehlenswert, um in die Oberfläche eingehämmerte Verunreinigungen wieder zu entfernen. Diese Maßnahmen sind bei schwachen Angriffsmedien oft ausreichend, um chloridinduzierte Spannungsrisskorrosion zu verhindern. Die Behandlung durch abtragendes Beizen oder Kugelstrahlen hilft jedoch nicht, wenn mangels ausreichender Spülung an Teilbereichen von Apparaten chloridhaltige Lösungen sich aufkonzentrieren und sich dadurch örtlich scharfe Angriffsbedingungen einstellen können. Spannungsarmglühen ist nicht zu empfehlen, da bei austenitischen CrNi-Stählen mit einer Versprödung durch Ausscheidung von Sigma-Phase zu rechnen ist und wegen des hohen thermischen Ausdehnungskoeffizienten ein unzulässiges Verziehen des Bauteiles möglich ist. Außerdem besitzen austenitische Stähle eine recht hohe Warmstreckgrenze, sodass beim Glühen bei 600 - 700°C wesentlich höhere Eigenspannungen zurückbleiben als bei unlegierten Stählen. Ist durch die genannten Maßnahmen Spannungsrisskorrosion nicht auszuschließen, muss auf spannungsrisskorrosionsbeständige Werkstoffe zurückgegriffen werden. Legierungen mit einem Ni-Gehalt > 40 Masse-% (Ni-Basiswerkstoffe) sind gegen chloridinduzierte Spannungsrisskorrosion praktisch immun. Rein ferritische, nickelfreie nichtrostende Stähle sind gegen SpRK voll beständig. Sehr beständig gegen diese Korrosionsart sind auch die austenitisch-ferritischen Stähle (Duplexstähle, z. B. 1.4462). Sie werden nur bei höheren Temperaturen und niedrigen pH-Werten angegriffen und sind deshalb in vielen Anwendungsfällen eine gute Alternative zu den üblichen austenitischen 17-12-2-CrNiMo-Stählen, zumal sie etwa die doppelte Festigkeit (R p0,2 ) aufweisen [7, 10]. 11.4.2 Schwingungsrisskorrosion Bei einer zeitabhängig veränderlichen Zugspannung und gleichzeitigem Einwirken eines korrosiven Mediums kann es bei metallischen Werkstoffen zu Schwingungsrisskorrosion kommen. Es treten vorwiegend transkristalline Risse auf, die zum plötzlichen Versagen eines Bauteils führen können. Auch Werkstoffe, die bei alleiniger mechanischer Schwingbeanspruchung eine ausgeprägte Dauerschwingfestigkeit besitzen (z. B. ferritischer oder martensitischer Stahl), haben bei zusätzlicher Korrosionseinwirkung nur noch eine Korrosionszeitschwingfestigkeit (Bild 27). 294 <?page no="307"?> Bild 27: Einfluss von Korrosion auf die Dauerschwingfestigkeit des Stahls X20Cr13 [6] Eine Vorschädigung der Werkstoffoberfläche bewirkt eine Verminderung der Dauerschwingfestigkeit im inerten Medium. Dies kann durch erhöhte Kerbwirkung erklärt werden (Kurve B). Gleichzeitige Korrosionsbeanspruchung führt dagegen zum Verlust der lastspielunabhängigen Dauerschwingfestigkeit (Kurve C). Schwingungsrisskorrosion ist an jedem Metall in jedem Korrosionsmedium möglich. Es gibt keine kritischen Korrosionssysteme wie bei der SpRK. Bei nichtrostenden Stählen unterscheidet man zwischen Schwingungsrisskorrosion im aktiven und passiven Zustand. Bei ersterer erkennt man makroskopisch eine narbige Oberfläche mit zahlreichen Anrissen. Mikroskopisch sind viele unverzweigte, meist transkristallin verlaufende Anrisse zu sehen, die häufig von Grübchen ausgehen (Bild 28). Im passiven Bereich ist häufig nur ein Anriss zu sehen, der transkristallin das Gefüge durchläuft. Die Verwechslungsmöglichkeit mit einem Schwingungsriss ist hier sehr hoch 295 <?page no="308"?> Bild 28: Schwingungsrisskorrosion bei austenitischen nichtrostenden Stählen im aktiven (links) und passiven Zustand (rechts) 11.5 Literatur [1] World Corrosion Organization (Hrsg.): Global Needs for Knowledge Dissemination, Research, and Development in Materials Deterioration and Corrosion Control. WCO, New York 2009. http: / / www.corrosion.org/ images_index/ whitepaper.pdf [2] DIN EN ISO 8044: 2015-12: Korrosion von Metallen und Legierungen. Grundbegriffe und Definitionen. Beuth Verlag, Berlin 2015 [3] Wendler-Kalsch, E.; Gräfen, H.: Korrosionsschadenskunde. Springer-Verlag, Berlin Heidelberg 1998 (unveränderte Neuauflage 2012) [4] VDI-Richtlinie 3822, Blatt 3 (2007-03): Schadensanalyse. Schäden durch Korrosion in Elektrolyten. Beuth Verlag, Berlin 2007 [5] Bäumel, A.: Überblick über Korrosionsschäden an metallischen Werkstoffen unter besonderer Berücksichtigung der nichtrostenden Stähle. In: Grosch, J.: Schadenskunde im Maschinenbau. 2. Auflage, expert Verlag, Renningen 1995. [6] Lange, G.; Pohl, M. (Hrsg.): Systematische Beurteilung technischer Schadensfälle. 6. Auflage, Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2014 [7] DIN EN 10088-1: 2014-12: Nichtrostende Stähle. Teil 1: Verzeichnis der nichtrostenden Stähle. Beuth Verlag, Berlin 2014 [8] Merkblatt 830: Edelstahl Rostfrei in chloridhaltigen Wässern. 3. überarb. Auflage, Informationsstelle Edelstahl Rostfrei, Düsseldorf 2012 20 μm 296 <?page no="309"?> [9] Gümpel, P.: Rostfreie Stähle. Grundwissen, Konstruktions- und Verarbeitungshinweise. 5. durchgesehene Auflage, expert Verlag, Renningen 2016 [10] DIN 81249-3: 2012-09: Korrosion von metallischen Werkstoffen in See wasser und Seeatmosphäre. Teil 3: Kontaktkorrosion. Beuth Verlag, Berlin 2012 [11] Arnold, N., Gümpel, P., Heitz, T., Pscheidl, P.: Chloridinduzierte Korrosion von Nichtrostenden Stählen in Schwimmhallen-Atmosphären, Teil 1: Elektrolyt Magnesium-Chlorid (30%). Materials and Corrosion/ Werkstoffe und Korrosion, Vol. 48 (10.1997), S. 679-686. 297 <?page no="310"?> Verzeichnis von Autorin und Autoren Prof. Dr.-Ing. Johann Grosch Fachgebiet Werkstofftechnik Technische Universität Berlin Priv.-Doz. Dr.-Ing. Thomas Hirsch ehemals Institut für Werkstofftechnik, Bremen Prof. Dr.-Ing. Lothar Issler Steinbeis-Transferzentrum BWF an der Hochschule Esslingen Esslingen Dr.-Ing. Wolfgang Janzen Roche Diagnostics GmbH Mannheim Dipl.-Ing. Jeannette Kopp Robert Bosch GmbH Stuttgart Dipl.-Ing. (FH) Axel Roßmann Turboconsult Dachau Dr.-Ing. Rolf Sinz ehemals: RUD Ketten Rieger & Dietz GmbH u Co. KG Aalen Prof. Dr.-Ing. Bernd Thoden Fachhochschule Wilhelmshaven Dr. rer. nat. Andreas Vogt Robert Bosch GmbH Stuttgart Dr.-Ing. André Werner Selbständiger Berater ehemals MTU Aero Engines GmbH München Dr.-Ing. Wolfgang Zinn Institut für Werkstofftechnik Universität Kassel 298 <?page no="311"?> Prof. Dr. Josef Kolerus Ao. Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Johann Wassermann Zustandsüberwachung von Maschinen Das Lehr- und Arbeitsbuch für den Praktiker 7., akt. Aufl. 2017, 411 S., 252 Abb., 7 Tab., CD-ROM, 79,80 €, 103,00 CHF (Edition expertsoft, 79) ISBN 978-3-8169-3377-9 »Dieses bekannte Buch mit seiner praxisnahen Darstellung der Maschinenüberwachung und Schwingungsdiagnose erscheint nunmehr in seiner siebten, aktualisierten Auflage. Im Hintergrund steht die Organisation einer zustandsabhängigen und kostenoptimierten Instandhaltung; andere Einsatzgebiete wie Qualitätskontrolle oder Produktionssicherung werden ergänzend vorgestellt, Aspekte der Wirtschaftlichkeit kommen ebenfalls ergänzend zur Sprache. Großer Wert ist vor allem auf eine gut verständliche Einführung in dieses vielfältige Fachgebiet gelegt. Der Anspruch an die mathematischen und physikalischen Kenntnisse bewegt sich dabei im Rahmen technischen Allgemeinwissens. Das durchgehende Konzept einer Abstützung auf plausible physikalische Zusammenhänge kann auch dem erfahrenen Experten einiges an neuen Erkenntnissen liefern. Verfahren wie Zeit-Frequenz-Analyse oder multivariate Methoden werden hier in überschaubarer Weise vorgestellt. Eine wertvolle Ergänzung stellt der ausführliche und aktuelle Überblick über einschlägige Normen und Richtlinien dar, um deren steigender Bedeutung speziell auf diesem Gebiet Rechnung zu tragen. Auch interessante laufende Projekte wie die Richtlinie VDI 4550 werden bereits mit einbezogen. Mit der mitgelieferten Entwicklungsumgebung LabVIEW 2016 und der auf der CD-ROM enthaltenen Auswertessoftware VIiSAStudent lässt sich jeder Standard-PC zu einem virtuellen Analysator erweitern, auf dem die erworbenen Kenntnisse ausgetestet und vertieft werden können. Inhalt: Ziele und Konzepte einer Maschinenüberwachung - Schwingungsanalyse: Verfahren und Messsysteme - Fehlererkennung und Diagnose - Wirtschaftlicher Nutzen - Mathematischer Hintergrund - Normen und Richtlinien - Begleit-CD für ein virtuelles Messgerät (PC) - Testdatenbank Die Interessenten: - Fach- und Führungskräfte in Instandhaltung, technischer Diagnose und Automatisierung - Entwickler von Messsystemen - Studenten des Maschinenbaus Rezensionen: »Ein wertvolles Hilfsmittel für jeden, der mit Hilfe der heute verfügbaren leistungsfähigen Softwarewerkzeuge auf eigene Faust versuchen will, tiefer in das Metier einzudringen, eigene Werkzeuge zu generieren, eigene Strategien zu entwickeln.« Werk & Technik Die Autoren: Dr. Josef Kolerus: Honorarprofessor an der Technischen Universität Wien, Obmann des Arbeitskreises Schwingungs- und Zustandsüberwachung von Maschinen und -anlagen im NALS/ VDI sowie des Arbeitskreises VDI GPP FA627 (VDI 4550, Schwingungsanalyse - Verfahren und Darstellung der Ergebnisse); Gründungsobmann des Fachausschusses FA SZ zur Zertifizierung von Personal zur Schwingungs- Zustandsüberwachung Prof. Dr. Johann Wassermann: Technische Universität Wien, Institut für Mechanik und Mechatronik Blätterbare Leseprobe und einfache Bestellung unter: www.expertverlag.de/ 3377 Bestellhotline: Tel: 07159 / 92 65-0 • Fax: -20 E-Mail: expert@expertverlag.de <?page no="312"?> Dr. Ko Här an und Grund zu mod 2., übera 49,80 €, (Reihe T ISBN 97 Zum Buc Das Buch Härteprüfv Einsatzfäl von Kalibr Ausgehen und Gumm dargestell Härteprüfu Inhalt: Grundlage - Härtep Instrumen Die Inter Angespro Materialw beitenden Rezensio »Das Bu Wissensc Übersicht Buchvorst auf »QZ-o Die Autor sind aner schweig), scher (Fa stalt für M nrad Her rtepr Meta d Ku lagen un dernen V arb. Aufl. 2 , 65,00 CH Technik) 78-3-8169ch: h bietet ein verfahren. G lle und die B rierlaboratori nd von Grun mi behandel lt. Das Buc ung. en der Härte prüfung von ntierte Eindrin ressenten: ochen sind v wissenschafte n Industrie. onen: uch gibt ein chaft und In ten ist es ein tellungen sin online.de - P ren rkannte Exp Dr. T. Polz a. MISAPOR Materialforsch rrmann u rüfun allen nsts nd Überb Verfahren 2014, 267 S HF -3181-2 nen Überblic Großer We Behandlung ien, Bestimm dlagen und t. Neue Entw ch liefert üb eprüfung - H Kunststoffe ngprüfung - vor allem F en sowie T nen guten, dustrie. Dan empfehlens nd auch ersc Portal für Q perten: Dr. zin (ehem. M Manageme hung und -pr Be Tel: 071 E-Mail: ex und 5 Mit ng nstoffe blick n S., 190 Ab ck über alle rt wird gel von grundle mung der Me historischen wicklungen, w bersichtliche ärteprüfung en und Ela Normung Fachleute de echnologen fundierten nk der zahlr swertes Nach chienen in de ualitätsman K. Herrman Materialprüfu nt AG), Dr. R üfung) und D estellhot 159 / 92 65xpert@exp tautoren en bb., 68 Tab e wesentlich legt auf the egenden As ssunsicherh Wurzeln, wi wie die instru Information von Metallen astomeren - er Materialp und Konst Überblick ü reichen Abb hschlagewerk er Zeitschrift nagement«. n (ehem. P ungsamt Nor R. Mennicke Dr. A. Wehrs tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d n b., hen in Indus eoretische pekten, wie eit und Umw ird die Härte umentierte E nen über di n - prüfung und trukteure in über die ei bildungen un k für die tägli »GAK - Gu Physikalischrdrhein-West e (Fa. Proceq tedt (ehem. 0 de strie und Fo Fundierung, Qualitätssic wertung von H prüfung von Eindringprüfu e Normung Qualitätsko der metallingesetzten nd Fotos so iche Praxis.« Ma mmi - Fase Technische tfalen, Dortm q), Dr. C. Ull Deutsches In orschung ei vielfältige cherung, Akk Härteskalen. Metallen, K ung, werden auf dem G ontrolle, Stud - und kuns Härteprüfve owie der tab « aterials and ern - Kunsts Bundesans mund), Dr. M lner (ehem. nstitut für No ngesetzten praktische kreditierung Kunststoffen ausführlich Gebiet der denten der ststoffverarerfahren in bellarischen Corrosion stoffe« und talt Braun- M. Kompat- Bundesanormung). <?page no="313"?> PDFs von w Prof. D expe Them sam in N und Band I PDF zum He (expert e-bo ISBN 978-3- Band I PDF zum He (expert e-bo ISBN 978-3- Band I PDF zum He (expert e-bo ISBN 978-3- Band I PDF zum He (expert e-bo ISBN 978-3- Zu den e Mit den v Chemie u Grundlage wendungs Die Aufga Teilen sog Wissensg wird. Auf diese ständigen zum He www.ebo Dr.-Ing. h ert en menmmlun aturw Tech : Physik erunterladen vo ooks) -8169-3161-4 I: Mathe erunterladen vo ooks) -8169-3162-1 II: Chemi erunterladen vo ooks) -8169-3163-8 V: Elektr erunterladen vo ooks) -8169-3164-5 e-books: vorliegenden und Mechan enwissen zu sfähigkeit se abensammlu gar beherrsc gebiete, die w Weise erlei n Hochschuls runterla ook.expe habil. Ern nergiz und A g Hoc wissen hnik on www.ebook.e matik on www.ebook.e ie und M on www.ebook.e otechnik on www.ebook.e Aufgaben u notechnik sow u überprüfen ines bis dah ng umreißt in chen sollten. während des chtert die Au studium. Be Tel: 071 E-Mail: ex aden ertverlag nst Fuhrm er - Aufga chsch nscha expertverlag.de expertverlag.de echanot expertverlag.de k expertverlag.de und Lösunge wie der Ele . Er gewinnt in erworbene n etwa das G Dabei geht s Studiums s ufgabensam estellhot 159 / 92 65xpert@exp g.de 201 mann abenhulreif aft 2013, 19,90 €, 2013, 19,90 €, technik 2013, 19,90 €, 2013, 19,90 €, en aus den S ktrotechnik t damit auch en Wissens. Grundlagenw es nicht um ständig gebr mlung den Ü tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d 3 fe 35,50 CHF 35,50 CHF 35,50 CHF 35,50 CHF Schulgebiete hat der Stud einen Einbl wissen, das E m Spezialken raucht werde Übergang vo 0 de en der Physi dienanfänge ick in die Br Erstsemester ntnisse, son en, auf die s om schulisch k, der Mathe er die Möglic rauchbarkeit, r wenigstens ndern um fun ständig zurü hen Lernen z ematik, der chkeit, sein , in die Ankennen, in ndamentale ckgegriffen zum selbst- <?page no="314"?> Prof. Dr.-Ing. Johann Grosch und 2 Mitautoren .jpg Einsatzhärten Grundlagen - Verfahren - Anwendung - Eigenschaften einsatzgehärteter Gefüge und Bauteile 4., neu bearb. Aufl. 2016, 161 S., 155 Abb., 8 Tab., 46,00 €, 60,00 CHF (Kontakt & Studium, 356) ISBN 978-3-8169-3294-9 Zum Buch: Durch Einsatzhärten können einander widersprechende Eigenschaften wie Schwingfestigkeit, Wälzfestigkeit, Verschleißwiderstand und Schlagfestigkeit in einem Bauteil eingestellt und optimiert werden. Einsatzhärten ist damit ein Wärmebehandlungsverfahren, das höchstbeanspruchten Bauteilen ihre Gebrauchseigenschaften verleiht. Verfahrensvarianten und Einflussgrößen ermöglichen für verschiedenste Anwendungen technisch und wirtschaftlich optimale Lösungen - wenn das Einsatzhärten hinreichend gut beherrscht wird. Dazu befähigt die Lektüre dieses Themenbandes. Ausgehend von den Grundlagen des thermochemischen Aufkohlungsvorgangs werden die verschiedenen Verfahren besprochen - ihre Durchführung, die notwendigen Anlagen und die erzielbaren Werkstoff- und Bauteileigenschaften. Vermittelt wird der Kenntnisstand, der sich in der Anwendung bestätigt hat. Inhalt: Grundlagen des Aufkohlens - Verfahrens- und Anlagentechnik des Einsatzhärtens - Aufkohlen in Salzbädern - Einsatzgehärtete Gefüge und Werkstoffauswahl - Eigenspannungen, Maßänderung, Verzug - Schwingfestigkeit - Zähigkeit und Duktilität einsatzgehärteter Bauteile und Gefüge - Wälzfestigkeit einsatzgehärteter Zahnräder Die Interessenten: Fach- und Führungskräfte aus den Bereichen Maschinenbau, Werkstofftechnik, Konstruktion, Qualitätsmanagement, Fertigung, Fertigungsvorbereitung, Wärmebehandlung, Werkstoffprüfung Rezensionen: »Das Buch liefert Praktikern einen hervorragenden Überblick über den Vorgang des Einsatzhärtens und seine Auswirkungen auf die Eigenschaften; für Studenten und alle, die sich von anderen Arbeitsgebieten ausgehend über dieses Teilgebiet der Wärmebehandlung von Stahl informieren wollen, gibt es eine umfassende, solide Darstellung.« Zeitschrift für Metallkunde Blätterbare Leseprobe und einfache Bestellung unter: www.expertverlag.de/ 3294 Bestellhotline: Tel: 07159 / 92 65-0 • Fax: -20 E-Mail: expert@expertverlag.de <?page no="315"?> Dr. Ott Risi mit Die Fe gemäß von Ma 4. Aufl. 2 (Edition ISBN 97 Zum Buc In der EU grundnorm der Masch den einsc Praxis um für Masch Neben de Risikobeu Möglichke Die FMEA Risikobeu gemäß E Analyse g Handbuch vorgestell Inhalt: Risikobeu - Risikobe Die Inter Entwicklu genplaner für Qualitä Branchen Der Auto Dr. Otto E unternehm Kraftfahrz Berater tä FHTE, Fa Seeber+P die Risiko nen, und der Anford to Eberh ikobe FME hler-Mög ß VDA-Ri aschinen 2015, 272 expertsoft 78-3-8169ch: U-Richtlinie men wird als hine oder de chlägigen No msetzbaren B hinen. Er ist d en Methoden urteilung mit eits- und Einf A wird eben urteilung. Da EU-Maschine gemäß der R h für die G t wird. urteilung - Fe eurteilung m ressenten: ngs- und Ko r, Konstrukt ätssicherung Maschinenb or: Eberhardt, Ja mens für Ent zeugtechnik u ätig. Von 200 achhochschu Partner zwei obeurteilung die Fehler-M derungen au ardt eurte EA glichkeits ichtlinie n gemäß S., CD-RO t, 63) -3317-5 Maschinen s Voraussetz es Gerätes ge ormen nur se Beitrag zum T didaktisch au n der Checkl t Hilfe der F fluss-Analyse nso grundleg mit genügt d enrichtlinie, e Richtlinie 4.2 GMEA, die ehler-Möglic it der FMEA onstruktionsle teure, Siche g und Techn bau, Gerätet ahrgang 194 twicklung un und in der P 00 bis 2006 ule für Techn Methoden e zur Vermeid Möglichkeitsus dem Pflich Be Tel: 071 E-Mail: ex jpg eilun s- und E 4.2. Die EU-Rich OM, 63,00 2006/ 42/ EG zung für CEefordert. Für ehr allgemein Thema Risik ufbereitet. listen-Analys FMEA-Metho e. gend eingefü das Buch dre ein Lehrun 2 des Verban Gefährdungs hkeits- und E eiter, Projek erheitsingenie ische Dokum echnik und A 6, ist Gesch d Konstrukti roduktentwic war Dr. Ebe nik in Essling eingeführt, d dung von Ris und Einfluss htenheft. estellhot 159 / 92 65xpert@exp g Einfluss-A Risikobe htlinie 20 €, 99,50 C G Risikobeur -Zeichen un r die praktisc ne Hinweise kobeurteilung se wird ein n ode, der au ührt und mit ei Ansprüche nd Übungsb ndes der Au s-Möglichke Einfluss-Ana ktleiter und A eure, Fachl mentation in Anlagenbau häftsführer i.R ion, Beratung cklung. Seit 2 erhardt zusä gen. Zur Sich die von Dr. E siken und Ge s-Analyse (F tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d Analyse eurteilun 006/ 42/ EG CHF rteilung und d Konformitä che Bewerkst enthalten. D g, Gefährdun neues Verfah us dem Auto ausführliche en: Es ist ein uch für die utomobilindus its- und Ein alyse Anlaeute den R. der Seebe g und Dokum 2015 ist Dr. ätzlich Lehrb herung der Q Eberhardt be efahren, die v FMEA) zur S 0 de ng G in den zug ätserklärung telligung dies Der Themenb gsidentifizier hren vorgest omotive-Sek en Beispiele n Lehrbuch f Fehlermögl strie sowie e nfluss-Analys er+Partner G mentation im Eberhardt in eauftragter f Qualität der K etreut und we von einer Ma icherstellung gehörigen S eine Risiko ser Anforder band leistet e rung und Ris tellt und eing ktor bekannt en untermau für Risikobe ichkeitsun ein Lehr-, Üb se, die hier GmbH, eines m Maschinen n dem Untern für Konstruk Konstruktion weiterentwicke aschine ausg g der Funktio Sicherheitsbeurteilung rung sind in einen in die sikoanalyse geführt: die ten Fehlerert wie die urteilungen d Einflussbungs- und r erstmalig s Ingenieurbau, in der nehmen als tion an der en sind bei elt wurden: gehen könonalität und <?page no="316"?> Dr. Ott Die E Praktisc der euro Mit allen 6. Auflag 408 S., 5 ISBN 978 Zum Buc Am 01.01 Maschine Schutzanf testens se gesetzlich entsprech Kraft, in d Buch ist v wendung len Entwic sungen si Inhalt: Die europ Anlagen - tische Hil Kompend Die Inter Führungs Anlagenb Maschine Anlagenp Rezensio »Der Lese findet sch Buch hält, »Das leic EG-Masch Der Auto Dr. Otto E elle Siche ist Gesch Konstrukt duktentwi zusätzlich nare zur M Inzwische von Masc Zusamme to Eberh EU-M che Anleit opäischen n Richtlin ge, mit Berü 54,00 €, 89, 8-3-8169-32 ch: .1995 wurde enhersteller u forderungen eit dem gleic h verpflichte hend nachzu der insbeson von einem P der Richtlini cklungs- und nd zig-fach e päischen Ric - Die fünf S lfestellungen ium der Rich ressenten: - und Fac au und im M enkomponent laner und Be onen: er weiß bere hnell und üb , was die Au cht verständli hinenrichtlini or: Eberhardt wa erheitstechni äftsführer i.R tion, Beratun cklung, und h Lehrbeauftr Maschinenric en ist die Erf chinen und A enfassung di ardt aschi tung zur A n Richtlini ientexten cksichtigun 50 CHF (R 265-9 e für alle Ma und -händle der EMV-R chen Datum s et, nur noch urüsten. Am ndere die Ri Praktiker für en zur Masc d Konstruktio erprobt und i chtlinien - R Schritte zur K n - Sicherhe htlinientexte chkräfte im Maschinenha ten - Techni etreiber eits nach we ersichtlich e utoren in der lich geschrie ie zu tun hab ar 7 Jahre E k mit den Sc R. der Seebe g und Dokum seit 2015 in ragter für Ko chtlinie für K fahrung aus Anlagen in d eser Erfahru Be Tel: 071 E-Mail: ex g inenri Anwendun en zur Ma ng der Richt Reihe Techn aschinen in d r zur Pflicht ichtlinie und sind alle Mas h CE-gekenn 29.07.2006 isikobeurteilu r Praktiker g chinensicherh onsprojekten n der Praxis Richtlinien fü Konformitätse eitsanforderu Geräte-, andel: Entwi sche Redakt enigen Minut inen Handlu Einleitung ve bene Buch ben.« ntwicklungsle chwerpunkte er + Partner mentation im dem Untern onstruktion an Konstrukteure vielen Proje diese Semina ngen. estellhot 159 / 92 65xpert@exp ichtlin ng aschinens tlinie 2006/ 4 nik) der EU das t. Seit dem der Richtlin schinenbetre nzeichnete 6 trat die üb ung und die geschrieben. heit und schö n. Die Metho s eingesetzt. ür Maschinen erklärung - ungen - An Maschinencklungs-, Ko kteure - Sich ten, worum e ungsfaden zu ersprechen. kann allen e eiter bei eine en Explosion GmbH, eine m Maschinenb nehmen als n der FHTE, e und techn ekten zur Ma are eingeflos tline: 0 • Fax: -20 pertverlag.d nie sicherheit 42/ EG, 201 CE-Zeichen 01.01.1999 nie für elektri eiber durch d Maschinen berarbeitete Baumusterp Der Autor i öpft dabei au dik, alle Che n und Praknhang: und onstruktionserheitsingen es geht und ur Umsetzun Von Praktike empfohlen w em mittelstän nsschutz, Kra es Ingenieur bau, in der K Berater tätig Esslingen. B ische Redak aschinensich ssen. Das vo 0 de - 5, und die Kon müssen die sche Betrieb die Arbeitsmi aufzustellen Maschinenri prüfung neu informiert um us einem Erfa ecklisten und - und Projek ieure - Verk worauf es a ng der EG-M ern für Prakti M werden, die m ndischen Un aftwerks- und unternehme Kraftfahrzeug . Von 2000 Bereits1992 kteure beim V erheit und a orliegende B nformitätserk e Maschinen bsmittel gen ittelbenutzun n und alte ichtlinie 200 geregelt wu mfassend üb fahrungsscha d alle Handlu ktleiter - Ein käufer von M ankommt. De Maschinenrich iker.« MM - Masch mit der Ums antrie nternehmen f d Reaktorsic ns für Entwi gtechnik und bis 2006 wa hat er die er VDI Stuttgar aus Risikobe Buch ist eine klärung der n auch den ügen. Spängsrichtlinie Maschinen 6/ 42/ EG in urden. Das ber die Anatz von vieungsanweinkäufer von aschinen - er Praktiker htlinie. Das hinenMarkt setzung der ebstechnik für industricherheit. Er cklung und in der Proar der Autor rsten Semirt gehalten. urteilungen e kompakte